1869 THE LIBRARY - - - 1 Avancierungen der Vögel mit liürks. 1 die Züge der Säugethiere, Fische und Insekten. V'rill E. F. von Homeyer, ,t^rli,-.. Orintliologiachon GesoIlBHialt /u IUtüh K',., , nntwln v - MviMtlii.i.. Irischen filesellscfiaft in \\ i.n j Leipzig. ISS1 ^^" J^9-}'ls Wanderungen der Vögel mit Rücksicht auf die Züge der Säugethiere, Fische und Insecten. Von E. F. von Homeyer, Präsident der Allgeni. deutschen Omithologischen fresellschaft zu Berlin, Ehrenmitglied der Omithologischen Gesellschaft in Wien. Leipzig. Th. Grieben's Verlag (L. Pernau). 1881. jj- I5'>16fc i^^ TriE ?AG£S IK THiS VGLUI<£ IHAVE BE£M IMTE^LEAVED V/iVK'AX ACID FREE ?A?Ea TO ?ER>';iT 5u;j;>:g AMD 70 »lEDUCE /ü/wV>;E-l D^;^Ai'=* c:^;no:'U . Seiner Kaiserlich Königlichen Hoheit, Erzherzog Kronprinz Rudolf Ton Oesterreicl dem hohen Förderer und Beschützer der Wissenschaften, widmet diese Arbeit allergehorsamst der Verfasser. Vorrede. Die nachfolgenden Zeilen sind bestimmt, die Kesultate auf- merksamer Forschung zu geben, welche der Verfasser in diesem Zweige der Naturwissenschaften während eines Zeitraums von mehr als einem halben Jahrhundert gesammelt. Hatte doch schon in früher Jugend die Beobachtung des Zuges der Vögel das volle Interesse des Jünglings gewonnen, und ging das ganze Bestreben des Mannes dahin, dazu beizutragen, einen Theil dieses grossen Räthsels lösen zu helfen. Trotz der thätigen Beihülfe vieler befreundeter Forscher entsprach das Resultat jedoch nicht den gehegten Erwartungen, denn statt Räthsel zu lösen, zeigten sich immer neue Räthsel, deren Deutung sich stets neue Schwierigkeiten in den. Weg stellten, Schwierigkeiten, welche zu lösen vielleicht niemals dem menschlichen Geiste gewährt sein wird. Dennoch glaubt der Verfasser der Hoffnung Raum geben zu dürfen, dass seine Arbeit für die Erforschung dieses wichtigen Gegenstandes von Nutzen sein werde, theils indem sie Ansichten, welche dem Studium und der thatsächlichen Forschung mehr oder minder verderblich sein mussten, widerlegt, theils weil sie auf Das, worauf die Beobachtung zunächst sich hinzuwenden hat, hinweist und viele Beobachtungen und Daten giebt, welche einer realen Auffassung Raum schaffen. Man kann die Naturforscher, welche über diesen Gegen- stand geschrieben haben, in zwei Gruppen theilen. Die eine (die speculative) beschäftigt sich weniger mit Thatsachen, als mit dem Erklären derselben oder ihrer Vermuthungen , nach einem bestimmten Principe, einem Principe, welches keineswegs — VI -^ auf mühsame und umfassende Beobachtungen gegründet ist, sondern sich im Gegentheil nur diejenigen Beobachtungen zu eigen macht, welche das gewählte Princip scheinbar stützen. Scheinbar, denn in der That bedarf es wiederum einer ganzen Keihe von Muthmassungen, von Möglichkeiten und von dem Nicht- undenkbaren, um diese unsichern Beobachtungen in dem Lichte einer gesuchten Wahrscheinlichkeit hinzustellen. Die zweite Kichtung, welche sich zur Zeit, der Zahl nach, sehr in der Minorität befindet, besteht aus denjenigen Forschern, welche be- müht gewesen sind , die Natur mit offenen und durch keine gefiirbten Gläser getrübten Augen anzusehen, die danach ge- trachtet haben, Thatsachen festzustellen und danach ihre Schlüsse zu ziehen, nicht umgekehrt Hypothesen aufzustellen und dann die Thatsachen zu suchen. Sie konnte nicht wie die erste Kichtung für Alles und Jedes Erklärungen finden, sie musste anerkennen, dass es noch viele Dinge in der Natur gäbe, welche dem schärfsten inenschlichen Geiste verschlossen seien. Es lag daher nalie , dass der Verfasser sich mit diesen beiden Ansichten ausführlich l)cschäftigen, dass er namentlich die seiner Ansicht entgegenstehenden Lehren speciell erörtern musste, um das Unbestimmte und Unhaltbare dieser Richtung klar zu legen. Zu diesem Zwecke war es nöthig, dass die Werke einiger Träger dieser Lehre in allen ihren Einzelheiten ausführlich besprochen wurden. Von denjenigen Naturforschern, welche vorzugsweise durch eigene Beobachtungen Erfahrungen gesammelt und ihre Ansichten danach festgestellt haben, erscheinen besonders hervorragend Faber und Middendorff, beide ausgezeichnete Beobachter des Lebens und Treibens der Vögel, beide langjährige Reisende und Forscher in den nördlichen Gegenden. Es ist namentlich zu bewundern, dass es Fabor vermochte, schon vor so langer Zeit in vielen Dingen so khir zu sehen, dass eine wesentliche Uebereinstimmung zwischen ihm und Middendorff besteht, wenn beide auch nicht in allen Einzelheiten übereinstimmen. Middendorff hat viellciclit seinen Beobachtungen dadurch geschadet, dass er zu sehr geneigt ist, Arten zusammenzuziehen, — VII — und trotz seines scharfen Blicks, der ihn klimatische Formen "Wühl erkennen und unterscheiden liess, die Ausnutzung dieser speciellen Unterscheidungen nicht genügend erfolgte. Von her- vorragendem Werthe erscheinen auch die Arbeiten von C. L. Brehm. Besonders ist es eine ziemlich umfangreiche Hand- schrift, welche derselbe hinterlassen und durch den Dr. A. Brehm auf die liebenswürdigste Weise dem Verfasser zur Benutzung übergeben wurde, welche vielfach Dinge klar ausspricht und mit schlagenden Gründen belegt, von denen Verfasser noch vor nicht langer Zeit glaubte, dieselben wären nicht ausgesprochen. In einem wesentlichen Punkte, der scharfen Unterscheidung der Arten und localen Varietäten, war ja C. L. Brehm auch der Lehrmeister des Verfassers, wenn auch die Ansichten nicht überall die gleichen waren. Dies hinderte jedoch nicht das voUe Einverständniss, denn, wie die „Ornith. Briefe" zeigen, war C. L. Brehm weit davon entfernt, die eigene Ansicht stets und überall als die allein geltende betrachtet wissen zu wollen. In neuerer Zeit haben deutsche, schwedische, englische und auch einige russische Naturforscher sich mit diesem Gegenstande vielfach beschäftigt und Beobachtungen gemacht, welche auf manche Dinge volleres Licht werfen. Ausser unsern Altmeistern C. L. Brehm, Naumann und Thienemann finden wir schon bei Bechstein, diesem ausgezeich- neten Beobachter, viele Daten, welche von Wichtigkeit sind. Unter den neuern Beobachtern haben zur Klärung der Wanderungs- züge der Vögel noch besonders beigetragen (für Deutschland) Gaetke, Pfarrer Jäckel und Pfan-er Blasius Hanf, viele andere deutsche Forscher, Professor Liebe in Gera, Victor, Kitter von Tschusi, für das Ausland Kadde. Viele seiner Freunde haben den Verfasser durch werthvolle Mittheilungen wesentlich unter- stützt, so dass es nicht möglich ist, jedem einzelnen den ihm gebührenden Dank zu sagen, was hieraiit für alle diese treuen Helfer*) geschehen sein soll. *) Mögen Alle, die mir so bereitwillig schätzenswerthe Mittheilungen gemacht, erkennen, welchen Werth ich darauf lege, indem ich dieselben im Auszuge mittheile. — VIII - Vou hervorragendem Einflüsse auf das Leben in den Wissen- schaften, speciell in den Naturwissenschaften, hat sich das Interesse gezeigt, welches Se. K. K. Hoheit, Erzherzog Kronprinz Rudolf von Oesterreich, für die Wissenschaften hat. Es scheint in der That, als wenn in der ganzen österreichischen Monarchie ein neues, reges Leben erwacht sei, als wenn nicht allein viele Kräfte neu gewonnen, sondern die alten auch neu belebt werden. Zu ganz besonderm Danke für Se, K. K. Hoheit fühlt sich der Verfasser dieser Zeilen auch dadurch veranlasst, dass Höchst- derselbe die Widmung dieser Arbeit gnädigst gestattet hat. Der Verfasser kann nur noch den Wunsch und die Hoffnung aussprechen, dass dieses Werk einer so hohen Protection würdig befunden werde. Stolp in Pommern, den 25. Juli 1881. E. F. von Homeyer. Inhalts- Verzeicliniss. Seite Einleitung 1 Erste Abtljeiluiig. I, Faber 6 II. Berthelot, Oiseaux voyageurs 32 Marmier 33 III. Wallace 36- IV. Palmen . 65 Charadrius helveticus 86, 343 Phalaropus fulicarius 87, 392 Tringa subarquata, niinuta, canutus 87 — maritima 88 Anser albifrons 89 Somateria spectabilis 89 Cygnus Bewickii .... 90, 346, 372, 373, 376, 403 Calidris arenaria 91 Anser leucopsis 93, 407 — ruficollis 94, 401 Larus glaucus 95 — tridactylus 95 Kategorien von Zugstrassen 101 Vicarirende Arten 110 Unregelmässige Züge 114 Zug-Instinct 133 von Middendorff's Isepipthesen 144 Zweite Abtheiluiig. I. Heimath 149 "Wolf und andere Thiere 160 II. Zugrichtung, Wind, Zeit 163, 183 Rückzüge 209, 307 — X - Seite III. Tägliche Wanderungen 215 IV. Raststationen 217 Anhang zu Caijitel IV 231 V. Seltene Wanderer 235 VI. Starke und schwache Zugjahre 241 VII. Die Führerschaft unter den Vögeln 255 VIII. Wechselnde Ausbreitung 266 Das zigeunerartige Leben der Vögel 275 Emberiza hortulana 280 Tringilla serinus 280, 289, 348 Turdus pilaris 282, 293 Haubenlerche 281, 294 Störche 284 Lanius minor 286 Wiesenralle . 287 Schwalbe 288, 296, 297 IX. Sammelstationen 298 X. Ortssinn, Richtsinn 300 Auswandern 311 XI. Ursachen der Wanderungen 316 Anhang zu Capitel IX 327 Das Todtwandern 336 Xn. Locale Zugbeobachtungen 338 Mittelfranken 341 Hypsibates himanthopus 342 Südwestliches Oesterreich 351 Pommern 358 Ungarn, Türkei, Egypten 363 Helgoland und die deutsche Nordsee 370 Steppenhühner 378, 380 Das westliche Deutschland 388 Sibirien 391 Grönland, Island 394 Cornwall 396 Schlussbcmerkungen " 412 Der deutsche Storch in Spanien 413 Reitende Vögel 414 Einleitung. Die Wanderungen der Thiere und namentlich der Vögel haben seit undenklichen Zeiten die Aufmerksamkeit der Menschen erregt, Aristoteles und Plinius, ja selbst das Alte Testament, geben davon Zeugniss, und immer und zu allen Zeiten ist dem Menschen die Wanderung der Vögel geheimnissvoll und räthsel- haft erschienen, und stets war das menschliche Streben dahin gerichtet, diese Geheimnisse zu ergründen. Das unerklärte Ver- schwinden und Wiedererscheinen der Vögel erregte in früheren Zeiten sehr allgemein den Glauben, dass dieselben Verstecke (Höhlungen in Bäumen und Felsen), ja sogar das Wasser*) auf- suchten, um dort in einem schlafähnlichen Zustande den Winter zu verbringen und bei der Annäherung des Frühlings und der milderen Jahreszeit wieder zu erwachen. Eine lange Reihe von Schriftstellern, bis in die neuere Zeit, hat diesem Glauben ge- huldigt. Ein sehr eifriger Vertheidiger dieser Fabel war der Naturforscher Klein, welcher vor mehr als hundert Jahren in Danzig lebte. Derselbe führt eine Menge Beispiele auf, wo sehr ehrenwerthe und anderweitig zuverlässige Menschen, welche er namentlich angiebt, gesehen haben wollen, dass Schwalben, zur Winterszeit aus dem Wasser gezogen und in ein warmes Zimmer gebracht, wieder aufgelebt, sogar munter umhergeflogen, aber bald darauf gestorben wären. Man sieht daraus, wie viel die Einbildung und die Voreingenommenheit über wahrheits- liebende Menschen vermag, denn heute wird doch wohl kein Naturforscher glauben, dass solche Dinge sich wirklich ereignet hätten und beobachtet worden wären. Anders ist es auch heute noch mit einem nicht ganz kleinen Theile der Laienwelt, und *j Von Interesse ist, dass dieser Glaube hei allen Völkern West- ear<)pa's herrscht, jedoch bei den Russen fehlt. V. Hoineyer, Wanderungen der Vögel. J zu meinem grossen Bedauern muss ich bekennen, dass ich noch in jüngster Zeit Ohrenzeuge war, wie ein zur gebildeten Classe gehöriger Herr behauptete, dass die Schwalben im Wasser über- winterten, und als ein Zuhörer dies darauf ungläubig bestritt, in sehr unzufriedenem Tone äusserte: „Das sei ganz unzweifelhaft, denn er selbst habe es gesehen."*) Nun, wie viele Menschen haben nicht in allen Zeitungen berichten lassen, wo und unter welchen Umständen sie die Wasserschlange gesehen hätten, ja vor wenig Jahren brachten die ersten Zeitungen Englands einen Bericht über das angebliche Stranden eines solchen Ungeheuers in Schottland mit allen einzelnen Umständen, und nach wenigen Tagen mussten sie gestehen, dass sie gänzlich getäuscht waren, dass die ganze hübsche und sehr ausführliche Geschichte ein Phan- tasiegebilde eines Zeituugsreporters war. In der heutigen Zeit wird es jedoch genügen, die Thatsache einfach zu constatiren, dass die Schwalben und Störche ebensowohl wie viele andere Vögel im Herbste südwärts ziehen und keineswegs nach Art der Frösche und Amphibien einen Winterschlaf im Wasser suchen. Es erscheint wohl kaum erforderlich, von den vielen. schlagenden. Gründen, Avelche eine solche Ueberwinterung unmöglich machen, den einen oder den andern hier speciell aufzuführen, es möge genügen, zu constatiren, dass dies einfach so ist. Diejenigen meiner Leser, welche bisher dergleichen Dinge für möglich ge- halten haben, müssen es mir aufs Wort glauben, wälirend die grosse Mehrzahl derselben dieser Auseinandersetzung nicht bedarf. Während nun in neuerer Zeit dieses Vorurtheil fast gänzlich verschwunden ist, und damit die Naturbeobachtung nach dieser Seite hin ihren ungehinderten Weg gehen mag, kann man andererseits doch nicht behaupten, dass die Beobachtung des Vogelzuges in demselben Verhältnisse fortgescluitten wäre, wie andere Zweige der Naturwissenschaften. Man findet in den *j Zu jeglicher Naturbeobachtuiig gehört vor allen Dingen ein unbefangener Sinn. Wenn man auf einem Prinzip reitet — welcher Art dies auch sein mag — , wenn man wesentlich danach trachtet, etwas Neues oder Auffälliges zu berichten, so geschieht dies sehr leicht, ohne unbefangene Prüfung, auf Kosten der Wahrheit. meisten Büchern, und namentlich in solchen, welche sich speciell mit diesem Gegenstande beschäftigen, eine Menge theils unrich- tiger, theils falsch gedeuteter Beobachtungen und daran geknüpfter Voraussetzungen und Muthmassungen, dass von allen diesen Schriften verhältnissmässig wenig Brauchbares vorhanden ist. Namentlich ist dies der Fall bei vielen französischen Schrift- stellern, indem ihre lebhafte Phantasie sie fortreisst und sie verhindert, ruhig zu beobachten und das Beobachtete mit Nach- denken zu erwägen, ohne sich auf das gefährliche Feld der interessanten Mittheiluugen zu begeben. Manche deutsche, englische und schwedische Schriftsteller jedoch haben theils in eigenen Werken, theils gelegentlich ganz vortretfliche Beobachtungen über diesen Gegenstand gemacht. Leider sind dieselben in Folge der geringen Betheiliguug tüch- tiger Beobachter meist sehr aphoristisch geblieben. Natürlich mag auch das Bestreben sein, den Vogelzug erklären zu wollen. Das natürliche Bestreben ! Ja, es ist erklärlich und dem mensch- lichen Geiste eigen, nach Erkenntniss des Ursprungs der Dinge zu trachten, aber es ist auch dem Naturforscher dringend ge- boten, dieses Streben zu beherrschen und sich bewusst zu wer- den, dass ein solches Erkennen der geheimnissvollsteu Dinge der Schöpfung nur durch langes, mühsames Studium, vielleicht andeutungsweise, enthüllt werden kann, dass es aber für die Wissenschaft von unendlichem Nachtheile ist und sein wird, auf Kosten gemessener, ruhiger Forschung sich verleiten zu lassen, eine Erklärung auf dem Wege der Hypothese zu suchen. Dieser letzte Weg ist in neuerer Zeit gar vielseitig verfolgt worden; er ist es auch, den wir als einen Feind aller wahren Forschung und der freien Beobachtung betrachten müssen; einen Feind, der es leider verstanden hat, manches glänzende Talent und manchen edlen Ehrgeiz für sich zu gewinnen, der im Stande gewesen wäre, auf einem anderen Wege der Wissenschaft man- chen Baustein zu liefern, der, wenn auch lange noch kein fer- tiges Gebäude, doch einen wesentlichen Theil des Grundes ge- geben hätte, während jetzt manches scheinbar glänzende Phan- tasiegebilde entstanden ist, als wesentliches Hinderniss der ruhi- gen Forschung und der richtigen Erkenntniss des Gegenstandes, — 4 - und nur dazu bestimmt zu sein scheint, dem Schicksale gleicli einem Kartenhause zu verfallen — früher oder später. Dennoch hat bei der Bearbeitung dieses Gegenstandes sicli die Nothwendigkeit immer deutlicher gezeigt, ganz ausführlicli auf diese Bestrebungen einzugehen ; Bestrebungen, welche wesent- lich auf den Grundsätzen des Darwinismus beruhen und gleich ihnen die Natur nicht auf Grund der gemachten Beobachtungen und Erfahrungen beurtheilen wollen, sondern bemüht sind, ihr vielbesprochenes Anpassungssystem wesentlicli auf sich selbst und ihre Naturbeobachtung anzuwenden, mit einem Worte, nicht die Thatsachen im Lichte der Principien, sondern die Principien im Lichte der Thatsachen zu sehen *) Es war daher uuabweislich nöthig, auf diese Schriften speciell einzugehen und sie zu widerlegen, obgleich dies natür- lich nicht ohne ein gewisses Bedauern geschehen konnte, dass die Zeit, welche der Beobachtung und der Zusammenstellung der gemachten Erfahrungen gewidmet sein sollte, theilweise zur Widerlegung solcher Pliantasien verwendet werden musste. Die Arbeiten zweier, ganz ausgezeichneter Schriftsteller in diesem Fache haben auch noch sehr ausfülirliche Erörterungen veranlassen müssen. Es sind dies Faber und Middendorff. Dir Blicke beider hochbegabten Männer sind durcli ihre Keisen noch geklärt worden, und gerade diesen Scliriftstellern und den ein- zelnen vortrefflichen Beobachtungen Naumann's und C. L. Brehm's verdanken wir das Wesentlichste, was wir über diesen Gegen- stand kennen. Uebrigens hat sich Middendorff in seinen letzten so vortrefflichen Arbeiten doch nicht ganz frei halten können von dem Einflüsse, den Wallace auf viele Schriftsteller geültt hat, indessen ist das nur in ganz gelegentlichen Aeusserungen angedeutet und nicht in Fleisch und Blut seiner Beobaclitung ül)ergegangen. Die nachstehende Arbeit zerfällt naturgemäss in zwei Ab- theilungen; erstens in die Besprechung älterer Schriften und Systeme und zweitens in die Wiedergabe der eigenen Auffassung. Der Verfasser ist sehr weit entfernt, glauben zu wollen. *) Blasius (1. Aelt. über diesen schwierigen Gegenstand etwas Vollendetes bieten zu können, auch nicht in dem beschränkten Sinne, so weit das menschliche Wissen und der menschliche Geist dies überhaupt jemals ermöglicht, aber immerhin hegt derselbe die Zuversicht, dass es ihm gelingen werde, dazu beizutragen, die Naturforschung und die Beobachtung zu fördern und manche Ausläufer und Hemmnisse derselben zu beseitigen. Sollte dieser Zweck und dieses Ziel erreicht werden, ja nur annäherungsweise , so würde der Verfasser sich hoch belohnt erachten. Erste Abtheilung. Besprechung der Werke früherer Schriftsteller. I. Faber. Im Jalire 1826 erschien unter dem Titel: „üeber das Le- ben der hochnordischen Vögel" von Friedrich Faber ein vor- treffliches Buch, welches die Ansichten des Verfassers, begründet auf seine vielfältigen Lebensbeobachtungen, namentlich auf seine mehrjährige Reise nach Island, brachte. Der Verfasser, nicht nur ein selir eifriger, sondern aucli ein vorzüglich begabter Beobachter, hat unendlich viel dazu bei- getragen, Licht über das Leben und Treiben der hochnordischen Vögel zu verbreiten, die vor ihm noch wenig gekannt waren. Derselbe ergeht sich auch speciell über die Wanderungen und deren Ursache, so dass gerade für unsern Gegenstand die Beob- achtungen Faber's von ausserordentlicher Wichtigkeit sind, wenn sie auch wunderbarer Weise von den neueren Schriftstellern fast oder ganz unberücksichtigt gelassen sind, wenigstens, so viel mir bekannt, Faber's Name nur sehr gelegentlich erwähnt ist. Wenn wir nun auch der Faber'schen Lehre nicht ganz beitreten können, wenn dies namentlich aus Gründen geschieht, welche unsere neuesten vielseitigen Untersuchungen über diesen Gegen- stand beeinflusst haben, so bleibt doch ein wichtiger Kern, der nach unserer Ueberzeugung für jeden späteren Beobachter berück- sichtigungswerth sein wird. Es wird daher nöthig sein, viele Stellen des Faber'schen Werkes wiederzugeben und daran unsere Bemerkungen zu knüpfen. So sagt Faber S. 1 und 2 : „Eine jede Vogelart hat auf der Erde unter dem Zusammen- stosse einer gewissen Länge und Breite einen Eaum erb alten. innerhalb welchem sie sich nach bestimmten Naturgesetzen auf- halten muss. Diesen Eaum könnte man des Vogels Zone nennen. Innerhalb dieser Zone werden die Individuen der Art ausge- brütet und bringen da wenigstens die erste Zeit ihres Lebens zu. Manche Vogelarten haben gemeinschaftlich dieselbe Zone erhalten, und so ist unser Erdball in mehrere ornithologische Zonen einzutheilen. Die Eintheilung dieser Zonen stimmt natür- licher Weise nicht überein mit der politischen Eintheilung der Länder, da das Eiutheilungsprincip so sehr verschieden ist. Das Charakteristische nämlich bei einem solchen Räume unseres Erdballs, welcher sich als eine eigne Vogelzone angesehen zu werden eignet, ist, dass er eine Anzahl Vogelarten gemein- schaftlich, seine eigenen Standvögel und seine eigenen Zugvögel besitzt. Der Standvogel der Zone ist der, welcher sich zu allen Jahreszeiten in derselben aufhält, und der Zugvogel der, welcher innerhalb der Grenzen derselben ausgebrütet wird, nachher da brütet, aber demnächst sich in der kälteren Jahreszeit nach einer südKcheren Zone begiebt. Wird die Erfahrung auf diese Regeln angewendet, so finden wir eine solche eigene Vogelzone in den europäischen Ländern, welche von dem 59 — 60 " n. B. gegen Norden liegen und aus dem nördlichen Russland und Schweden, dem grössten Theile von Norwegen, den Schottland gegen Norden liegenden Inseln, Farroer, Island und überhaupt dem finnischen Grönland nebst Spitzbergen bestehen; denn Fabricius in seiner „Fauna groenlandica" und Marteus in seiner „Reise nach Spitzbergen" scheinen zu zeigen, dass diese zwei letzteren Länder als innerhalb der Grenzen der Zone liegend betrachtet werden müsseü, welche wir die europäisch-boreale nennen können." Ferner S. 3 und 4: „Die Zugvögel, welche der europäisch-borealen Vogelzone eigen sind, wandern in der kälteren Jahreszeit nach der benach- barten südlicheren Zone und verweilen entweder da den ganzen Winter hindurch, oder passiren nur durch dieselbe nach noch südlicher liegenden Oertern. So halten sich die meisten borealen Gänse und Enten den ganzen Winter hindurch an den dänischen — 8 — Küsten auf, wo hingegen unter anderen Phalaropus cinereus und Lestris parasitica gegen den Winter von ihrem nördlichen Vaterlaude durch die septentrionale Vogelzone weiter gegen Süden ziehen. Es ist also durch Beispiele erläutert worden, dass angren- zende Vogelzonen zuweilen einzelne Arten von Stand- oder Zug- vögeln, insonderheit in der Nähe der eigentlichen Grenzlinie, welclie sie verbindet, mit einander gemein haben können, oder doch wenigstens, dass die südlichere dieser Zonen der winter- liche Zufluchtsort wird, nach welchem die Zugvögel der nörd- licheren Zone sich während der rauheren Jahreszeit hinbegeben. Kommen wir hingegen zu den Vogelzonen, welche sich unter den mehr oder am meisten divergirendeu Graden der Breite oder der Länge, oder unter beiden gesammelt, entgegenstehen, so hört diese Gemeinschaft nach und nach und zuletzt ganz auf, so wie diese gegenseitige Mittheilung ihrer Vogelarten; ganz verschiedene Vogelarten, ja sogar Vogelformeu, erscheinen in beiden, und nur einzelne Species der weitesten geographischen Ausbreitung werden gemeinschaftlich in beiden entdeckt. Um diesen Satz zu beweisen, dürfen wir nur, im Verhältnis« von Norden nach Süden, die Vogelarten von Grönland und Island mit denen von Afrika vergleichen, und im Verhältniss von Osten nach Westen die Vögel eines grossen Theils von Europa und Afrika mit denen von Amerika." Die Faber'sche Lehre hat sehr viel Ansprechendes und auf den ersten Blick für sich Einnehmendes, indessen ist dabei zu bedenken, dass es verschiedene Vögel giebt, welche nirgends, auch nicht an einer einzelnen Stelle der Erde, Standvögel sind. Dahin gehören die hochnordisclien und nordisclien Wasserläufer (Totanus). Mehrere Arten dieser Gattungen gehören, wohl bemerkt, zur Brutzeit dem hohen Norden an, sind bisher in den gemässigten Strichen niclit gefunden, aber alle sind Wandervögel, ja frühe AVandervögel. Dies ist jedoch nur ein, wenn auch recht schla- gendes Beispiel ; denn es giebt manche andere Vogelarten, von denen es schwer werden würde, sie als Standvögel irgendwo nachzuweisen. Es bliebe freüich wohl erlau))t anzunelimen, dass es in früheren Zeiten einen solchen Punkt gegeben haben könne, — 9 — wenigstens würde die Darwin'sche Lehre, wenn eine solche An- nahme den Jüngern derselben angemessen erschiene, alsbald bereit sein, die nöthigen Möglichkeiten zu liefern. Indessen ist Faber noch der Ansicht, dass jeder Vogel einen solchen Platz auf der Erde haben müsse und er spricht sich S. 5 darüber folgendermassen aus : „Damit die ornithologische Ausbreitung auf dem Erdballe nach gleichen Gesetzen geschehen konnte, und damit also ein jeder für diese Wesen bewohnbare Platz durch sie konnte be- völkert werden, wurden die ersten Individuen jeder Vogelart von Anfang an durch ein bestimmtes Naturgesetz an den Platz von verschiedener Ausdehnung hingesetzt, innerhalb dessen Grenzen sie ihre wahre Heimath haben sollten. — Die Natur der Vogelart wurde nach der natürlichen Beschaffenheit ihrer Zone eingerichtet, und so wurde dieser Platz der bequemste von allen für die Vögel, der Platz, an welchem sie sich zu allen Jahreszeiten in der möglichst grössten Menge aufhalten konnten, wo also späterhin die Vogelart Standvogel mit den meisten In- dividuen wurde. Dieser anfängliche Platz seiner ornithologischen Bewohner wurde = 1 ^=, und das Kennzeichen desselben, dass die Vogelart daselbst häufig Standvogel wurde. Aus diesem folgt das Resultat, dass eine jede Vogelart, ob ilire Individuen gleich in unseren Gegenden Zugvögel sind, doch einen Platz auf der Erde haben muss, sei er auch von noch so geringer geographischer Ausdehnung, an welchem ihre Indivi- duen Standvögel sind. Hätten wir die vollkommenste Uebersicht über die geographische Ausbreitung der Vögel, so würde dieser Platz sich sicher bestätigen." „Indessen würde dieser primitive beste Platz doch oft bei den zunehmenden Individuen der Art von zu geringer Aus- dehnung werden, um sie alle zu fassen und zu ernähren. Daher wurden durch dasselbe Naturgesetz, welches diesen anfänglichen Platz für die Vogelart bestimmte, auch die Grenzen dieses Platzes so gegen die Pole hin erweitert, dass diese Erweiterung unter gewissen Bedingungen für die Individuen der Art bewolmbar wurde." • — 10 — „Die Natur ertlieilte nämlich jedem Individuum zwei un- widerstehliche Triebe : den W a n d e r u n g s t r i e b und den H e i m - weh trieb. So lange sich der Vogel an seinem anfänglichen wahren Platze = 1 = aufhält, wo er Standvogel ist, schlummern diese Triebe; sie erwachen aber, wenn er ausser den Grenzen dieses Platzes und in der Erweiterung desselben gegen die Pole hin tritt, weil eben diese Triebe die gewissen Bedingungen be- gründen, welche diese Erweiterung des primitiven Platzes für die Individuen der Art bewohnbar machen. Der Wand er ungs trieb ist der Trieb bei den Vögeln, welche innerhalb der Grenzen der Erweiterung des primitiven Platzes entweder ausgebrütet werden oder selbst brüten, sich jährlich von jenem Brüteplatze weg, durch den Platz == 1 = der Art, nach solchen milderen Gegenden hin zu begeben, wo sie zu der Zeit ihr thierisches Leben besser erhalten können als an den verlassenen Oertern. Der He im weh trieb ist der Trieb bei denselben Vögeln, jährlich wieder in jene Gegenden zurückzukehren, wo sie ausge- brütet sind oder brüteten, zu der Zeit, da die Natur es ihnen wieder möglich gemacht hat, an diesen Plätzen ihr thierisches Leben zuzubringen." ..Zuweilen ist jener primitive Platz so weitumfassend, dass diese Erweiterung gegen Norden kaum jemals wird benutzt werden ; es ist daher keine Folgerung, dass ein jeder Standvogel einen Platz haben muss, an dem seine Artverwandten Zugvögel sind. So weiss ich keinen Platz, an welchem Corvus corax ein Zugvogel sei." Diese Auseinandersetzung hat jedenfalls ausserordentlich viel Ansprechendes und von alle dem, was darüber geschrieben ist. erscheint sie als das Beste, wenn auch die unbedingte Kicli- tigkeit in Zweifel gezogen werden kann. Jedenfalls erklärt sie das Entstehen der Wanderungen auf einfache und natürliche und den Gesetzen der Natur, so weit wir dieselben kennen, ent- sprechende Kegeln und ist besser als die meisten Arbeiten, welche man bisher an dessen Stelle gesetzt hat, vielleicht aus Un- kenntniss der Faber'schen Arbeit, vielleiclit nm Kaum zu scliaffen für die eigenen Anschauungen. — 11 — üeber die Wanderungen mancher, namentlich kleinerer Vögel, über grosse Meeresstrecken, namentlich von Europa nach Island imd Grönland, spricht sich Faber S. 9 folgender- massen aus : „Wir wollen zur Erläuterung der Sache aus der borealen . Vogelzone Motacilla alba, Saxicola oenanthe und Anthus pra- tensis*) als Exempel* wählen. Diese sind Zugvögel, sowohl in der borealen, als in der septentrionalen Vogelzone. Sie kommen jährlich im Frühjahre nach Island und Grönland und verlassen diese isolirten Länder wieder nach wenigen Monaten, wenn sie ihre Jungen ausgebrütet haben. Wesswegen sollten diese Indi- viduen der Art sich über so weitläuftige und stürmische Meere wagen, wo eine Menge von ihnen eine Beute der rasenden Ele- mente würden? Weswegen England, Dänemark und mehrere Länder verlassen, durch welche ihre Wanderung nach dem hohen Norden fällt? Es kann nicht die überflüssige Nahrung sein^ oder die mehr passende Lufttemperatur, welche diese Individuen nach jenen borealen Ländern treibt; denn es ist offenbar, dass diese Arten die genannten Bedingungen in weit höherem Grade in den temperirten Ländern finden, welche sie durchwandern. Es muss daher ein in sich selbst gegründeter, von andern um- gebenden Gegenständen unabhängig wirkender Trieb sein, der eben diese Individuen aller drohenden Gefahren ungeachtet, die nördlichsten Länder zu bevölkern zwingt, wo sie als Zugvögel gefunden werden können. Auf meiner Reise nach Island im Mai warf sich eine Saxicola oenanthe auf unser Schiff" im Atlan- tischen Meere, dreissig Meilen von irgend einem für sie festen Ruhepunkte. Es stürmte ; ihr ganzes Aussehen zeugte von Er- mattung; der wirkende Heimwehtrieb aber erlaubte ihr keine Ruhe; ob sie gleich ungestört auf dem Schiffe hätte ruhen können, machte sie doch beständig Bogen gegen Norden, ver- schwand in mehreren Stunden, wurde aber dann wieder vom Sturme auf jenes zurückgeworfen;**) endlich blieb der kleine Wanderer ganz und gar weg. — *) Weisse Bachstelze, Steinschmätzer und "Wiesenpieper. **) Möglich auch, dass verstihiedene Individuen dieses Vogels auf dem Schiffe gesehen wurden. v. H. — 12 — Gewiss ist es wunderbar, dass diese kleinen Yögel alljäbr- licli entfernte Länder und Gegenden aufsuchen und sich den Gefahren der weiten Keise über das Meer aussetzen. Das Ver- langen, die alte Heimath zu erreichen, rauss daher ein sehr mächtiges sein, zumal in vielen der durchreisten Länder sich den Wanderern unzweifelhaft Plätze geboten haben, die für sie und ihre Nachkommenschaft weit günstiger waren wie die des liohen Nordens. Weiterhin erzählt Faber verschiedene Beispiele, welche die Thatsache feststellen helfen sollen, dass die Vögel immer zu ihren Brutplätzen zurückkehren. Manche dieser Faber'schen Angaben werden wir weiterhin folgen lassen, Avenn wir ausführlicher auf diesen Gegenstand zu sprechen kommen. Faber erwähnt hier noch des eigenthüm- lichen Verhaltens einiger Vögel, welche auf Island Stand-, weiter südlich aber Zugvögel sind und spricht sich darüber S. 17 fol- gendermassen aus: „Ich kann nicht leugnen, dass ich auf meiner Reise in Island zwei Vogelarten fand, welche gegen die oben angeführte Kegel, dass ein Zugvogel in der südlicheren Zone kein Stand- vogel in der nördlicheren sein könne, anstiessen, nämlich Kallus aquaticus*) und Haematopus ostralegus, welche beide Stand- vögel in Island und Zugvögel in den Ländern der septentrionalen Zone sind, z. B. in Dänemark. Docli könnte die Natul* des Kallus aquaticus dazu beitragen, diesen Widerspruch in An- sehung seiner minder widersprechend zu machen. Obschon nämlich die Wasserralle jährlich aus Dänemark auswandert, so bleiben doch mehrere Individuen den ganzen Winter über ))ei uns zurück. Hieraus sieht man, dass der Punkt, wo er mit der ganzen Art Standvogel ist, nicht weit gegen Süden von Däne- mark liege. Die ersten Individuen dieses Vogels, welche nach Island kamen, können daher gerne diese Insel als Zugvögel be- .suchen, es aber wegen ihrer kurzen Flügel und der isolirten Lage der Insel nicht rathsam gefunden haben, dieselbe wieder zu verlassen. Der Wanderungstrieb wurde durch das locale Dasein *) Wasserralle und Austornfischer. — J-> — warmer Quellen unterdrückt, welche im Winter einigermassen für die Härte desselben entschädigen konnten. Die nachher auf der Insel ausgebrüteten Jungen wurden zugleich durch ihre Liebe zu dem Orte, an dem sie ausgebrütet worden, au diese gebunden, und so wurde diese Vogelart, gegen die Kegeln der Natur, so zu sagen gezwungen, ein Standvogel in Island. Da- gegen ist es eben so gewiss, dass Haematopus ostralegus in grossen Schaaren auf Island überwintert, obgleich er auf den Inseln Farröer sowohl, als in dem südlichen Dänemark ein Zug- vogel ist. Diesen Widerspruch in den Kegeln des Wanderungs- systems kann ich nicht erklären. Doch muss ich bemerken, dass dieser Vogel, nach dem Berichte des Herrn Kapitän Wölldicke fs. Oken's Isis 1823, 6. H. S. 665), in den Wintern 1820/21 und 1821/22 in grosser Anzahl an den holsteinischen Küsten überwinterte. Auch ist es merkwürdig, dass Stui-nus vulgaris, der auf Island gar nicht vorkommt, in Dänemark der Kegel nach ein Zugvogel, auf den Färöer-Inseln aber ein häufiger Standvogel ist." Besonders ist es das eigenthümliche Verhalten der Wasser- ralle, welches hier erörtert wird, indem dieselbe auf Island nicht wandert, während sie in Dänemark und Deutschland in ihrer grossen Mehrzahl im Herbste dem Süden zugeht. Indessen l)leiben auch hier, namentlich in manclien Jahren und oft in recht kalten Wintern, einzelne an warmen Quellen zurück, und der Staar bleibt ebenso auf den Faröern wie die Kalle auf Island. Interessant ist, dass diese lange Isolirung, die sich viel- leicht nach vielen Jahrtausenden berechnen lässt, nur ganz uner- hebliche Verschiedenheiten zwischen den hochnordischen Stand- und den mehr südlichen Wandervögeln hat bewirken können. Faber bespricht auch noch die massenhaften Wanderungen mancher nordischen Vögel in einzelnen Jahren, während in anderen Jahren auch nicht ein einziger südlicher zu sehen ist und sucht den Grund in der inzwischen eintretenden stärkeren Vermehrung der Art. Dass eine solche Vermehrung bei diesen Wanderzügen von wesentlichem Einfluss sein muss, lässt sicli nicht in Abrede stellen, indessen wirken wohl andere Momente, — 14 - die zwar mehr oder weniger mich von der Vermehrung abhängig sein mögen, darauf ein, namentlich auch die Nahrung. S. 18 sagt Faber: ,.Der Zugvogel in der nördlicheren Zone muss als Stand- vogel 'in der südlicheren irgendwo gefunden werden. Viele Exempel bestätigen dieses. Wenn der Vogel nur durch eine Zone Standvogel, und schon in der ihr gegen Norden liegenden Zone Zugvogel ist, ohne sich durch mehrere Zonen auszubreiten, äo zeugt dieses von der geringen geographischen Ausbreitung dieses Vogels. Es ist sehr merkwürdig, dass die Individuen derselben Vogelart zuweilen in einer und derselben ornitholo- gischen Vogelzone sowohl als Zugvögel wie als Standvögel vor- kommen. Dieser Satz löst sich in zwei ünterabtheilungen auf, dass a. die Vogelart, welche übrigens ein Standvogel der Zone ist, einige Individuen hat, die aus dieser Zone jährlich auswandern, und dass b. die Vogelart, welche übrigens ein Zugvogel der Zone ist. einige Individuen hat, die als Standvögel zurückbleiben." Dieser Lehrsatz Faber's dürfte sich in seinem ganzen Um- fange nicht aufrecht erhalten lassen. Schon unsere Kauchschwalbe (Hirundo rustica) liefert den Gegenbeweis, denn dieselbe verlässt überall ihre Brutplätze und zieht — über ihre südlichen Ver- wandten hinweg — dem fernen Süden zu. Ueber den Aequator hinaus hat man sie auf dem Zuge gefunden und wenn es auch keineswegs erwiesen, im Gegentheil irrig ist, dass sie am Oap niste, so bleibt der Punkt des schwarzen Erdtheils, wo sie über- wintert, noch zu erforschen. Faber S. 20: „Hierher gehören auch die unregelmässigen Züge, welche einige Arten der nordischen Wald- und Singvögel in gewissen Jahren schaarenweise gegen Süden vornehmen, ob sich gleich gewöhnlich nur einzelne derselben im Winter an diesen süd- lichen Plätzen sehen lassen." „AVenn nun in gewissen Jahren die Vermehrung der Art so ansehnlich gewesen ist, dass sie nicht mit der von der Pro- duction des Platzes hergeholten Naln-ung im Verliältniss steht. — 15 — so werden die Individuen, welche die äussersten Punkte jenes wahren Platzes ^= 1 = bewohnen, ausser den Grenzen dieses Platzes, und in die, ausser diesen Grenzen liegende Erweiterung desselben, getrieben, von wo sie also, im Winter als Zugvögel, nach südlicheren Gegenden wandern müssen. Wenn eben diese Schaaren im Frühjahr wieder nach der Heimath zurückkehren und daselbst die temporäre Ursache ihrer Auswanderung gehoben finden, so nehmen sie wieder den alten Platz als Standvögel in der borealen Zone in Besitz und wandern nicht eher wieder aus dieser aus, bis dieselbe Ursache sie aufs Neue dazu zwingt," ,Jch habe bei Jägern und Vogelfängern die Meinung ge- funden, dass diese periodische Auswanderung allezeit nach dem Ablaufe einer bestimmten Anzahl Jahre geschehen sollte, und dass z. B. Ampelis garrula*) und Loxia curvirostra jedes siebente Jahr diese Reise machen sollten. Die Richtigkeit dieser Mei- nung kann nicht aus der neulich vorgetragenen Entwickelung hergeleitet werden; meine Erfahrung hat sie auch nicht bestätigt." „Beispiele : Jährlich im Nachjahre kommen einzeln Ampelis garrula, Loxia curvirostra, sehr selten Loxia enucleator,**) häu- figer Fringilla montifringilla ***j und Fr. flavirostris f) nach Seeland. Im November 1821 aber zeigten sich die ersten da in grosser Menge, die anderen kamen im December 1821 in grosser Menge nach dieser Insel ; die dritten, von welchen ich nur ein paar Beispiele weiss, dass sie vorher in Seeland geschossen worden sind , zeigten sich da in grossen Haufen im Novem- ber und December 1817 und wurden überall auf der Insel ge- schossen. Der Ornithologe Boie berichtet von .diesem Vogel in der „Isis" 1822, 7. H., Sp. 772, dass er jährlich mit den Kram- metsvögeln nach Jütland komme; doch ist dies nicht der Fall in der Gegend, wo ich wohne. Die vierten kamen im Winter 1814/1815 in so grossen Schaaren nach der Gegend um Kopen- hagen, dass sie beinahe die Zweige der Bäume bedeckten, welche sich unter der Last beugten. Die letzten dieser Beis^Hele zeig- *) Seidenschwanz und Kreuzsclinabel. **) Hakengimpel. ***) Bergfink. f) Gelbschnäbliger Hänfling. — 16 - ten sich besonders in den Wintern 1814, 1815 und 181G häufig in der (hegend von Kopenhagen : sie waren dagegen selten im Winter 1818/14, indessen Fringilla linaria sich damals in grossen Schaaren an denselben Oertern befand.-' — „Es ist zuvor bemerkt worden, dass die borealen Zugvögel ihre Heimath eher verlassen und später dahin zurückkommen, als ihre Artsverwandten in den südlichen Gegenden. Die Zug- vögel aber derselben Gegend wandern auch nicht stets in jedem Jahre an demselben Tage im Nach- jahre aus und kommen auch nicht an demselben Tage in ihre Sommer au fenthaltsplätze zurück. Denn obgleich der W^anderungstrieb sie jährlich zu einer ge- wissen Zeit auszuwandern und der Heimwehtrieb zurückzukehren zwingt, so ist doch diese Zeit durch keine so enge Grenze be- stimmt, dass nicht eine augenblicklich überflüssige Nahrung, be- sonders aber die Lufttemperatur, sie das eine Jahr einige Tage länger zurückbleiben, oder einige Tage früher ankommen lassen sollte, als in dem andern, wenn sie nur zu der zur Fortpflan- zung bestimmten Zeit bei ihren Brüteplätzen eintreften. Icli habe daher nie die Meinung Einiger angenommen, dass die Zug- vögel jedes Jahr an demselben Tage aufbrechen oder zurück- kehren sollten, da meine Erfahrung dieser Theorie mehr wider- spricht, als sie bestätigt." ..Da es vorzüglich die Lufttemi)eratur ist, die auf die An- kunft der verschiedenen Zugvögel in einem Lande in den ver- schiedenen Jahren Einfluss hat, diese auch verhältnissmässig auf das frühere oder, spätere. Erwachen der im Winterschlafe liegen- den Thiere, und auf das Blühen der Pflanzen wirkt; so scheint es keinem Zweifel unterworfen zu sein, dass man sehr interes- sante Parallelen zwischen der Ankunftszeit der Vögel, dem Er- wachen der im Winterschlafe liegenden Thiere und der Blüthe- zeit der Pflanzen in eben demselben Lande ziehen könnte, wenn sorgfältige Beobachtungen mehrere Jahre hindurch darüber ange- stellt würden. Im Frühjahre 1824 kamen die Zugvögel, als eine Folge des milden Winters und der milden Witterung, sehr zeitig nach Dänemark, und ungefähr 8 bis 10 Tage früher als im Frühjahr IS'J;!, welches auf einen strengen Winter folgte. — 17 — Im erstbenannten Frühjalire fand ich auch die Frühjahrspflanzen früher blühen, als es die in den dänischen Floren angegebene Blüthezeit erwarten Hess." Wie aus Vorstehendem ersichtlich, hat Faber den Einfluss des vorhergehenden Winters auf die Frühjahrswanderung der Vögel bereits voll erkannt und führt namentlich das Frühjahr 1824 als Beispiel auf, wo die Wanderung in Folge des milden Winters wesentlich früher wie in anderen Jahren stattgefunden hatte. Diese Beobachtung ist in voller üebereinstimmung mit meinen eigenen Beobachtungen, worauf wir weiterhin ausführ- lich zurückkommen werden, auch dabei Gelegenheit finden werden, nachzuweisen, dass der Einfluss eines milden Winters sich viel weiter erstreckt, als auf die Zugzeit allein. Auch in Island kommen, wie Faber berichtet, die Männchen der Singvögel im Frühjahre einige Tage früher an als die Weib- chen, ebenso wie man das in Dänemark, Deutschland und an- dern Ländern beobachtet hat. Anders scheint es sich mit den Strandvögeln der Gattungen Charadrius ,*) Calidris, Numenius, Limosa, Strepsilas, Totanus und Tringa zu verhalten, von denen Faber gleich bei ihrer Ankunft im Frühjahre Männchen und Weibchen zusammen gesehen hat. Derselbe berichtet Aehnliches von all den Vogelarten, welche auf Felsen gesellschaftlich brü- ten, auch von den Arten Colymbus **) und Podiceps, Gänsen und Schwänen. Ueber die jungen Vögel sagt Faber S. 34: „Die jungen Vögel, welche in demselben Jahre ausgebrütet sind, ziehen seltener in Gesellschaft der Alten weg. Sie maclien gern Haufen für sich aus. Gewöhnlich verlassen diese Jungen ihre Geburtsgegenden später und werden da noch längere Zeit, nachdem ihre Eltern weggewandert sind, gefunden. Sie sind noch nie ausser ihrer Heimath gewesen; der Wanderungs- trieb war also bei ihnen noch nicht wirksam. Sie zögern daher länger in ihren Geburtsgegenden, weil bei ihnen *) Regenpfeifer, Sanderling-, Brachvogel, Sumpf läufer, Steinwälzer, Wasser- und Strandläufer. **) Seetauclier und Haubentaucher. V. Homcyer, Wanderuiigeu der VOgrel. 2 — 18 — die Liebe zu ihrer Heimath noch ungemischt ist. So habe ich auf meiner Keise in Island noch am Ende des December junge Vögel des Ch. pluvialis,*) Totanus calidris und Strepsilas col- laris angetroffen. Zu derselben Zeit habe ich an der Küste den jungen Mormon fratercula geschossen und den jungen Po- diceps cornutus gesehen. Die jungen Enten trifft man in den seeländischen Buchten später als die Alten im Nachjahre an. Die junge Sterna arctica hatte bei meiner Abreise von Island Aus- gangs September diese Insel noch nicht verlassen, obgleich die Alten schon seit beinahe einem Monate weg waren." Es kommt dies mit meinen Beobachtungen durchaus über- ein, denn an der deutschen Ostseeküste, wo ich die Zugvögel während eines halben Jahrhunderts beobachtet habe, kommen auf dem Herbstzuge (wie weiterhin ausführlich erörtert werden soll) die alten Vögel bei weitem früher als die jungen. Durch diese thatsächlichen Beobachtungen und sicheren Feststellungen wird wiederum ein so oft gehörter Lehrsatz des Darwinismus zu Falle gebracht: ,,Dass die alten Vögel die Lehrmeister der jungen auf den Wanderungen seien." Bei der grossen Mehr- zahl der Vögel, vielleicht bei fast allen, ist es sicher nicht der Fall, da alte und junge von den weitaus meisten Arten ge- sondert ziehen und daher von einem Lehrmeisterthume keine Rede sein kann. Faber hat auch beobachtet, dass die meisten Vögel gesell- schaftlich wandern und dies stimmt so sehr mit meinen eigenen Beobachtungen überein, dass ich nur einige wenige Arten davon ausnehmen zu können glaube. Selbst viele Kaubvögel wandern mehr oder minder gesellschaftlich. Eines interessanten Verhältnisses zwischen einem einzelnen Goldregenpfeifer und Alpen-Strandläufer zur Frühlingszeit er- wähnt Faber wie folgt (S. 37) : „In meinem Prodrosmus der isländischen Ornithologie S. 2U liabc ich des sonderbaren Gesellschafts-Verhältnisses erwähnt, welches zwischen einem einzelnen Charadrius pluvialis**) und *) Goldregenpfeifer, Rothschnäljüger Wasserläufer, Steinwälzer. **) Goldrogeni^feifer und Alpenstrandläufer. — J9 — Tringa alpina zu der Zeit im Frühjahre stattfindet, welche der Paarungszeit des Goldregenpfeifers unmittelbar vorhergeht. Mohr erwähnt desselben in seiner ,. Isländischen Naturhistorie", S. 46, und Teilmann in seinem „Handbuche des dänischen Weidwerks-', S. 117, in Eöcksicht auf Dänemark. Eine Tringa alpina ver- einigt sich mit einem Char. pluvialis, und wird, so zu sagen, dessen Anführer dadurch, dass sie das Zeichen zum Fliegen und sich wieder zu setzen giebt. Sie fliegt bald vor, bald hinter dem Goldregenpfeifer her, mittlerweile dieser seinen Paarungs- laut ausstösst; die Vereinigung hört auf, wenn der Goldregen- lifeifer seine Gattin gefunden hat. Es ist so auffallend, dass diese temporäre Verbindung zwischen beiden Vogelarten, der Tringa alpina bei Jedermann in Island den Namen „LouthrälP' : ..Sklave des Goldregenpfeifers" zuwege gebracht hat." Es ist ja sehr erklärlich, dass grössere Strandvögel die Führer der kleineren sind, sind sie doch eines Kopfes länger denn alles Volk, und warum sollte nicht die Körpergrösse ebenso gut bei den Vögeln von Einfluss sein wie bei den Menschen. Immer- hin bleibt das gesellige Zusammenhalten nur zweier so ver- schiedenartiger Vögel eigenthümlich. Die Thatsache steht wohl unzweifelhaft fest, um so mehr, als Middendorff dieselbe noch neuerdings aus eigener Erfahrung*) bestätigt, aber eine Erklärung dafür zu finden halte ich für ebenso unmöglich, als Faber und Middendorff dies vermocht haben. Ueber die Art und Weise, wie die Vögel ihre Wanderungen vollziehen, äussert sich Faber S. 40 und 41 folgendermassen : „Die Vögel wandern der Eegel nach von uns weg und kehren zu uns zurück, durch die Anwendung ihrer Flugfähigkeit. Der Wanderungstrieb wirkt so stark auf den Vogel, dass die Geschwindigkeit seines Flugs nur allein im Stande ist, die For- derungen dieses Triebes zu befriedigen. Sie wandern oft hoch in der Luft fliegend des Nachts, z. B. die Störche, Reiher und Gänse. Als eine Folge dieser Regel nehme ich auch nicht an, dass 0 Middendorff, Sibirische Reise, Bd. IV. S. 898. — 20 — die Schwimmvögel, welche nach einer isolirten, fernliegenden Insel wandern wollen, die Wanderung schwimmend vollenden, sondern dass sogar die, welche ungern fliegen, z. B. die lAimmen und Steissfüsse, fliegend über das Meer ziehen, und erst wenn sie sich ihrer Heimath auf einige Meilen genähert haben, sich iu's Meer werfen und dem Strande schwimmend nähern. Der einzige Vogel der borealen Vogelzone, welcher nicht fliegen kann, nämlich Alca impennis, ist daher auch kein Zugvogel." „Ich bin dieser Meinung, weil man sehr selten in der Zugzeit Vögel im offenen Meere viele Meilen vom Lande schwimmen sieht, und dann nur solche, die das Meer nicht verlassen wollen. Es stimmt aucli nicht mit der Langsamkeit überein, mit welcher die Schwimmfähigkeit wirkt, dass sie die dringenden Gesetze des Wanderungstriebes sollte befriedigen können. *) Dieser Satz wird noch mehr durcli die Bemerkung bestätigt, dass verschiedene Schwimmvögel, von welchen man glaubte, dass sie selten und schlecht fliegen, z. B. die Urieu und Steissfüsse, doch sehr hurtige und ziemlich aus- haltende Flieger sind, sowie auch dadurch, dass so viele kleine Singvögel im Stande sind, über dieselben weiten Meere zu *) „Wenn man die kleine Strecke auf dem Wasser berücksichtigt, welche die schwimmenden Vögel nur in einer Stunde im Stande sind zurückzulegen, so zeigt es sich obendrein als eine physische Unmög- lichkeit, dass die in Island vorkommenden Schwimmvögel die ganze Wan- derung in der dazu bestimmten Zeit sollten schwimmend zurückge- legt haben. Die bessern Schwimmer, z. B. die Tauch-Eiiten, legen ungefähr eine halbe Viertelmeile in einer Stunde auf dem Wasser zurück, wenn sie in keinem gereizten Zustande sind, dies macht 3 Meilen in 24 Stunden; von Dänemark nach Island sind 250—300 Seemeilen; gesetzt also auch, dass die Schwimmvögel Tag und Nacht ununterbrochen ihre Reise schwimmend fortsetzten, so würden sie doch von Dänemark nach Island etwa 3 Monate brauchen. Aber die Erfahrung lehrt uns, dass diese Wanderungsstrecke in ebenso vielen Wochen vollendet wird, theils dadurch, dass die isländischen Zugvögel 2—3 Wochen später in Island, als die Individuen dersel])en Art in Dänemark ankommen, theils auch dadurch, dass die hochnordischen Schwimmvögel, die den Winter bei den dänischen Küsten zul)ringen, nach ein paar Wochen, naclidem sie unsere Küste verlassen hal)on, an ihren iK'irdlichcn Sonniier-I'Iätzen an- kommen." Faber. — 21 — fliegen. Dagegen ist es unleugbar, dass die ziehenden Schwimm- vögel, welche im Stande sind, sich nicht allein des Elementes der Luft zu bedienen, sondern auch des Meeres, um sich darauf zu bewegen, nicht, wie die Landvögel, ihren Flug über das Meer ununterbrochen beendigen, sondern zuweilen, besonders wenn sie der Hunger zwingt, sich ins Meer werfen und dann gern eine kleine Strecke auf demselben wandern können. Wenn solche wandernde Schwimmvögel unter das Land kommen, so ist es ebenso gewiss, dass sie sich ins Meer werfen, sich dem Gestade schwimmend nähern und so die letzte kleine Strecke ihrer Wanderung auf dem Meere zurücklegen. Viele Erfahrungen bestätigen, dass verschiedene Zugvögel unter den Schwimmern, sogar die Phalaropus- Arten , in der Wanderungszeit wenige Meilen von der Küste des Landes, wohin sie wandern, schwim- mend gefunden werden, und ich kenne keinen nach Island kommenden Schwimmvogel, der unter der Wanderung unmittelbar nach den Brüteplätzen im Lande selbst flöge, ohne dass er vor- her erst an der Küste schwimmend gefunden würde." ,.Herr Kammerjunker Teilmann versichert in seinem AVeid- werke S. 99 den Goldregenpfeifer, Alpenstrandläufer und mehrere andere auf den Wiegen des Meeres ungefähr 40 Meilen von England ausruhen gesehen zu haben. Ich bin geneigt zu glauben, dass ein optischer Betrug zu dieser Aeusserung des Verfassers die Veranlassung gegeben habe, da diese Vögel unter dem Fliegen oft Bögen gegen die Wasserfläche machen, welche sie zu berühren scheinen. Weswegen sollten diese Vögel mehr als die kleinen Landvögel genöthigt sein, sich der Gefahr aus- zusetzen, um auf einem stürmischen Elemente, wo sie nicht zu Hause sind, auszuruhen?" „Auch die über dem Lande wandernden Vögel vollenden wohl ihre Wanderung nur fliegend. Von vielen Arten, welche wir unter der Wanderung bemerken, wissen wir dieses mit Ge- wissheit. Es ist bloss die Frage, ob die Arten, welche schlechte und unwillige Flieger sind, z. B. Gallinula crex, *) Balkis aqua- tieus, nicht wandern, indem sie mehr laufen als fliegen. Herr '') Wiesenschnarrer, Wasserralle. - 22 - Brehm und mehi'ere Ornithologen nehmen dieses au. Ich würde jedoch geneigt sein, das Entgegengesetzte zu glauben, denn es kann wohl nicht geleugnet werden, dass die Vögel in gewissen Eichtun gen wandern, und diese können nur dann von den- selben genau befolgt werden, wenn sie aus der Luft die Gegenstände, über welche sie hinwandern, über- schauen können; auch würde die Natur vieler Gegenden die laufend wandernden Vögel zwingen, bedeutende Umwege zu machen und dadurch die Wanderung verzögern. Von der schwer- fliegenden Wachtel wissen wir doch, dass sie fliegend über das mittelländische Meer wandern kann." Es ist ja von vielen Seiten und auch noch bis in die neuere Zeit die Vermuthung ausgesprochen worden, dass schwachfliegende Vögel ihre Wanderungen wenigstens zu einem grossen Theile laufend vollzögen. Diese nicht begründete Annahme hat ihren Grund in der Unterschätzung der Flugkraft aucli derjenigen Vögel, die nur widerwillig (Gallinula, Kallus)*) fliegen, denn um diese handelt es sich namentlich. Wir werden weiterhin sehen, wie unbegründet solche Annahmen sind, und dass alle Vögel ohne Ausnahme ihre Wanderungen fliegend vollbringen. Auch hier befinden wir uns daher mit Faber in voller Uebereinstimmung. Ueber die Vogelbergc spricht sicli Faber**) wie folgt aus: „Man nennt die dicht am Gestade stellenden Felsen in Island Vogelberge, welche docli richtiger Vogelfelsen genannt werden sollten, auf welchen eine unzählige Menge Individuen vieler dieser Vogelarten in der Sommerzeit zum Brüten sich versammeln. Die merkwürdigsten solcher Vogclberge sind in Island gegen Norden der Langenäss, Grimsoe, Cap de Nord, gegen Westen Lautraberg, der bei Stappen, Hafnarberg und Eldöerne, gegen Süden Chrysewicks, der Westmanoe-Inseln und Keinisberg, ausser vielen andern unbedeutendem. Wenn man die locale Lage dieser Strandfelsen in Island untersucht, so kann man, nach dem zuvor m, ohngefähr bestimmen, welche Vogelarten man auf ") Rohrhuhn, Ralle. ") Seite 45. - 23 - jedem derselben brütend antreffen werde. Es ist natürlich, dass die auf diesen Strandfelsen brütenden Vögel gemischt unter einander liegen, doch halten sich die brütenden Vögel jeder Art oft beisammen in Keihen. Dagegen kann ich im Allgemeinen nicht einräumen, dass die verschiedenen Arten ausschliessend eigene Strecken in den verschiedenen Absätzen desselben Felsens einnehmen sollten, wie es Fabricius in seiner „Fauna groenlandica" (S. 80) annimmt, und welcher Meinung Boie in seiner „Reise durch Norwegen" in Ansehung des Vogelberges Mosta auf den Lofodischen Inseln beizutreten scheint. So viel ist indessen ge- wiss, dass auf den Vogelbergen, auf welchen Uria alle.*) und Laurus glaucus brüten, dieser allezeit den Gipfel des Felsens einnimmt und keine andern Vögel über sich duldet, so wie jene stets den Fuss desselben, oder richtiger die vom Felsen herunter- gefallenen Felsstücke besetzt. Doch habe ich nicht selten Carbo graculus, **) welcher oft die oberen Regionen des Felsens ein- nimmt, in der Mitte desselben zwischen Haufen der Uria Troile***) und Cria Brünichii, Alca torda, Mormon fratercula und Pro- cellaria glacialis auf Eiern liegend gefunden, welche fünf letz- ten Arten ohngefähr dieselben Gegenden des Felsens zu Brüte- plätzen haben, so wie auch zuweilen Uria gryllef) und Larus trydactylus, welche meistens in den unteren Regionen des Felsens brüten und sich bis in den höchsten Theil der Felsenseite er- heben, um über jene : Uria, Alca, Mormon und Procellaria ihr Nest zu haben." Die Lufttemperatur oder das klimatische Verhältniss ist demnächst die Hauptsache, welche unmittelbar Einfluss auf die verschiedenen Aufenthaltsplätze der Vögel innerhalb der Gren- zen der Zone hat. Es ist schon im zweiten Paragraphen gezeigt worden, dass der in sich selbst begründete Wan- derungstrieb, welcher eben zu der Zeit bei den Zugvögeln er- wacht, wenn das Klima wieder passend für sie wird, diese *) Krabbentaucher, Weissschwingige Möwe. **) Krähenscharbe. ***) Dumme Lumme, ßrünich's Lumme, Tordalk, Larwentaucher und Eissturmvogel. j) Grylllumme und Dreizehige Möwe. - 24 - Vögel aus ihrer Geburtszone heraustreibt. Es ist also nicht die ungünstige Veränderung der Lufttemperatur,*) welche die Vögel unmittelbar aus der einen Zone in die andere treibt, ob man gleich annehmen kann, dass Kücksicht auf die Veränderung des Klima's unter den Motiven war, welche die Natur bestimmte, den Wanderungstrieb bei den Vögeln niederzulegen. Dagegen nimmt der Vogel Rücksicht auf die Lufttemperatur bei der Wahl seiner bestimmten Plätze in der Vogelzone selbst und aus diesem Gesichtspunkte betrachtet ist die Lufttempera- tur an und für sich eine platzbestimmende Ursache, nicht allein für die Zugvögel in der Zeit,, in welcher sie sich in der Zone aufhalten, sondern vorzüglich für die Standvögel der Zone, Avelche natürlicherweise Sommer und Winter innerhalb der Grenzen derselben verbleiben. Die Vögel lieben überhaupt Schutz und wählen sich daher solche Plätze, an welchen sie der Wirkung eines harten Klima's und insonderheit der scharfen Winde am wenigsten ausgesetzt sind, wenn sie übrigens durch keine kräftiger wirkende Ursachen gezwungen werden, solche unmilde Plätze zu bewohnen; beson- ders scheuen sie solche Orte bei der Wahl ihrer Brüteplätze, wenn sie übrigens die Bedingungen ihrer eigenthümlichen Nest- lust an den minder kalten Plätzen finden können; denn diese Lust ist, wie schon oben bemerkt wurde, das am meisten wir- kende Motiv, den Platz der Vögel zu bestimmen, so dass die übrigen platzbestimmenden Motive weichen müssen, wenn sie mit dieser in Collision kommen. Faber kommt jetzt zu einem der aller wichtigsten Punkte bei der Beobachtung des Zuges der Vögel. Seine Beobachtung ist, wie immer, vortrefflich, doch könnte sie eingehender sein, und seine Deutungen des Beobachteten sind nicht ganz richtig, indem sie Dinge übersehen lassen, welche aus den mitgetheilten Thatsachen sich unzweifelhaft ergeben. Hören wir, was der- selbe S. r)9 sagt: *) Wir werden weiterhin speciell ausführen, wie sehr Faber auch hier das Richtige getroften. v. H. — 25 — „Die verschiedenen Richtungen, in welchen die Lufttempe- ratur bewegt wird, oder die verschiedenen Winde, haben über- haupt einen bedeutenden Einfluss auf den Platz der Stand- vögel in ihrer Zone. Eine Vogelart streicht nicht alle- zeit mit demselben Winde, mit dem die andere streicht. Mit dem Winde, welcher die Enten im Winter unter die östliche Küste von Seeland bringt, verschwinden die Möwen, und umgekehrt. Bei dem Handelsplatze in Oefjord fand sich im Winter 1819/20 Emberiza nivalis*) mit Nordwind ein, verschwand aber mit Südwind, da Fringilla linaria**) sich sehen liess.***J Gewisse Vögel haben sogar ihre Namen er- halten, weil sie sich bei gewissen Winden sehen lassen. Daher wird Procellaria pelagica in Norwegen Sörröe Peder, oder Sörr- Rönne : Südostwind- und Westwindsare, genannt, und Pontop- pidan berichtet in seiner „Norwegischen Naturhistorie" II. S. 163 von einem Vogel, welcher der Südwindsvogel genannt wird, weil er nur gesehen werde, wenn der Südwind wehen will. Weil die meisten Vögel sich gern gegen den Wind aus d e r S e e e r h e b e n , so kann man ihnen viel näher auf den Schuss segeln, wenn man das Boot zwischen dem Winde und den schwimmenden Vögeln hat. Ich bediente mich dessen oft in Island mit Vortheil auf meiner Seejagd nach Vögeln." Die Strichvögel theilt Faber in drei verschiedene Gruppen ein und dieselben mögen auch den dortigen Verhältnissen im Ganzen wesentlich angepasst sein, indessen bleiben alle diese Eintheilungen so localer Natur, und es ist unmöglich, sie zu begrenzen, dass diese Bemühungen im Wesentlichen vergebliche lileiben müssen. Wollte man auch nur zwei der ähnlichsten Vögel in eine Abtheikmg bringen, so würde immer das Eine oder das Andere bleiben, was der völligen Uebereinstimmung widerspräche. Dazu kommt noch, dass gerade hier das Bild in *) Schneeammer. **) Leinfink. ***) Faber berücksichtigt hier nicht, dass derselbe Südwind, welcher die Schneeammer aus Südisland fort und dem Norden zuführte, den Leinzeisig aus südlicheren Gegenden brachte, dass beide Arten dem- selben Winde folgten. v. H. — 26 — verscbiedeneii Jabreu ein weseutlicli anderes sein wird. Doch hören wir, was Faber, S. 6J, bierüber sagt: „Stricbvögel sind die, welche wohl beständig innerhalb der Orenzen des primitiven Platzes bleiben, aber doch nicht allezeit in der Nähe der Plätze verweilen, wo das Nest gebaut war, vielmehr streichen sie öfter haufenweise von dem einen Platze zum andern, bis die eigenthümliche Nestlust wieder erwacht und sie an ihren Brüteplatz bindet. Die Ursache, warum diese letztere Art Standvögel einen Theil des Jahres von der einen Gegend ihrer Heimath zur andern streicht, ist ausser der Nah- rung auch die Rücksicht auf die Lufttemperatur. Weil die borealen Standvögel der Strenge des Winters in ihrer kalten Geburtszone ausgesetzt sind, so müssen sie sich natürlich so viel als möglich vor der Einwirkung der Kälte dadurch zu sichern suchen, dass sie in der Regel von den käl- teren nach den minder kalten Plätzen streichen. Die Erfahrung lehrt uns, dass der Strich der borealen Standvögel gegen die strenge Jahreszeit in der Zone selbst eine dreifache Rich- tung habe, durch welche sie Schutz gegen die Witterung suchen. Die meisten streichen von den nördlicheren nach den südlicheren Punkt en der Zone, andere bleiben in derselben Gegend, in welcher sie im Sommer waren, nur dass sie sich vom offenen Meere in die Buchten zwischen dem Lande hinein- begeben; wieder andere streichen von den Gebüschen und Feldern nach den Häusern und von den Wassern nach den warmen Quellen. Einige haben auch einen aus mehreren dieser zusammengesetzten Strich; so liält sich Larus leucopterus den Sommer über an den nördlicheren Plätzen der borealen Vogelzone beim offenen Meere auf, im Winter hingegen streicht er nach Island, woselbst er sich in das Innerste der schmalen Buchten hineinbegiebt." Obgleich nun Faber's Eintheilung eine solche ist, welche der Localität besonders angepasst wurde, so sieht sich derselbe doch nicht in der Lage, seine Eintheilung aufrecht erhalten zu können. Es zeigt dies recht deutlich, wie unzulänglich alle - 27 — diese versuchten Abgrenzungen sind, denn etwas Gleiches giebt es nun einmal nicht. Nachstehend geben wir Faber's Beispiele zu seinen Strich- vögeln. Bei der genauen Kenntniss der Vögel Islands, welche der Autor sich während seines längern Aufenthalts und bei seinem vorzüglichen Beobachtungstalent erworben hatte, sind diese Mittheilungen von grossem Werthe. Es muss daher um so mehr auffallen, dass Palmen, der doch ein ganzes Buch über die Zugstrassen der Vögel schrieb und sich in der Lage erachtete, jedem Vogel genau seine Wege anweisen zu können, Faber ganz unberücksichtigt gelassen hat. Hätte Palmen Faber's Arbeit beachtet, so würde er wohl bei der Auswahl seiner Muster- vögel manche derselben nicht aufgenommen haben, da man nicht berechtigt ist, sie zu den Zugvögeln im strengen Wortsinne zu rechnen. Wir werden das weiterhin ausführlich besprechen. Faber giebt nun (S. Gl) Beispiele seiner Eintheilung für die isländischen Strichvögel : Erster Art : Haematopus ostra- legus,*) Carbo cormoranus, Colymbus glacialis, Anas histrionica und Larus glaucus, welche sich den ganzen Winter über an den isländischen Küsten aufhalten, gegen den Herbst aber von der Nordseite zu den südlichen Theilen des Landes ziehen, woselbst sie bis zum Frühjahr verbleiben. J.Beispiele der isländischen Strichvögel zweiter Art: Tringa m a r i t i m a**) bleibt den Winter hindurch im nördlichen Island, im Herbste sind sie in ungeheuren Sc haaren beim offenen Meere versammelt, in den strengsten Wintermonaten aber er- scheinen sie im Innersten der schmalen Buchten, um Schutz zu suchen ; Uria***) grylle, Uria troile, und Alca torda, von welchen unleugbar einige Individuen wandern, mittlerweile andere in der borealen Vogelzone verbleiben, neh- men in der Mitte des Winters Zuflucht vom Meere ab in die Buchten von Island, welches auch der Fall mit Anas mollissima f) *) Austernfischer, Scharbe, Eistaucher, Kragenente und Weiss- schwingige Möwe. **) Meerstrandläufer. ***) GrylUumme, Dumme Lumme und Alk. f) Eiderente, Eisente. - 28 — imd glacialis ist, am meisten aiiflalleud aber ist es mit Uria Brünnicliii*) und alle, von welchen sich allezeit einige den "Winter über um die isländischen Küsten aufhalten, denn in strengen Wintern, besonders wenn das grönlän- dische Eis das Land umgiebt, treiben zuweilen tausende hinein in die grösseren und kleineren Buchten, ja zuweilen sogar auf das Land und Eis, wo sie ermattet mit Händen gegriffen oder augefroren lebendig von den Raubvögeln und Raben verzehrt werden." „Beispiele der isländischen Strichvögel dritter Art: Es sind vorzüglich Islands Landvögel, Avelche als Strichvögel in der dritten Abtheilung im Winter vom freien Felde nach den Häusern und Handelsplätzen sich begeben. Da Island nur wenige LandVögel hat, so ist dieser Strich auch der seltenste, während er hingegen häufig bei den dänischen Strichvögeln statt- findet, z. B. bei Emberiza miliaria**) und citrinella. Corvus corax kommt von den Felsen, wo er nistete, den Häusern näher, um sich den ganzen Winter dort aufzuhalten. Wenn die Stürme in dieser Jahreszeit wüthen, sucht er Schutz auf den Dächern der Häuser oder Wärme auf den Rücken der Pferde. Einzelne Frin- gilla linaria überwintern auf Island und halten sich dann in der Nähe der Handelsplätze auf; gleichfalls findet sich Sylvia tro- glodytes im Winter in den Häusern der Bauern ein. Nur Tetrao islandorum***) und die der Emberiza nivalis, welche den Winter über in Island verbleiben, gehen in der entgegengesetzten Rich- tung, indem sie in der strengern Jahreszeit sich höher auf die Gebirge hinaufljcgeben und sich da einem härteren Klima aus- setzten, in der Hoffnung, eine reichlichere Nahrung zu erhalten. Wir können behaupten, dass, wenn Rücksicht auf die Nahrung und auf die Lufttemperatur, als platzbestimmende Motive, für die Standvögel einer Zone mit einander in Collision gerathen, diese öfter jener, als jene dieser weiche, so dass die Vögel gemeinig- lich einer reichlichem Nahrung den Vorzug gaben, wenn sie *) Brüiinich's Luiiinic, Krabbentaucher. **) Gi-auaminer, CToklammer, Rabe. ***) Schneehuhn. - 29 - gleich diese an den vom Klima weniger begünstigten Plätzen der Zone suchen müssten." „Die dritte Ursache, welche die Localität der Vögel in ihrer Zone bestimmt, ist c.) die Nahrung. Nahrungsmittel sind eine absolute Bedingung ihrer thierischen Existenz; es ist daher na- türlich, dass sie .in der Zone selbst die Plätze meiden, welche ihrer Natur nach ihnen den Lebensunterhalt nicht verschaffen können, und dagegen solche suchen, wo sie ihre Nahrung finden. Wenn keine andere, wichtiger wirkende Neigung sich dagegen setzt, z. B. die eigenthümliche Nestlust oder die Gesellschafts- lust, so halten sich die Vögel am liebsten an den Plätzen auf, an welchen sie ihre reichliche Nahrung finden können. Zum Theil aus dieser Ursache findet man die isländischen Arten von Uria, Alca, Mormon, Sula und Procellaria u. a. m. zu allen Jahreszeiten am Meere, und sie dringen nie ins Land selbst hinein, es sei denn, dass Einzelne derselben sich in die Flüsse hinein verirrten; die Arten des Colymbus halten sich daher gleichfalls beim Meere auf, wenn sie das Brüten an den süssen Seen be- endigt haben. Das Schneehuhn wird im Sommer auf Heiden, Wiesen und in Gebüschen gefunden, wo es sich von den Blättern von Empetrum nigrura und den Augen der Birken und Weiden nährt; es steigt, wie der Schneeammer im Herbste, nach und nach höher auf die Gebirge, wenn der Saame der Bergpflanzen reif ist. Ich habe stets gesehen, dass Falco albicilla sein Nest in der Nähe der Vogelberge hatte, und viele Ueberbleibsel in dem Neste dieses Raubvogels von den in den Felsen brütenden Wasservögeln beweisen, dass er täglich von da seine Nahrung hole ; auch Corvus corax hält sich gern im Sommer in der Nähe der brütenden Wasservögel auf, um ihre Eier zu rauben. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass die unverhältnissmässige Menge Vögel, welche im Sommer bei dem Landsee Myvatn nicht allein von den Entenarten, sondern auch von Anthus pratensis, Saxi- cola oenanthe, Numenius phaeopus, Phalaropus cinereus und von mehreren gefunden wird, zum Theil von der unglaublichen Menge der Mücken herrühre, welche diesen Vögeln zur Nahrung dienen, wenn sie nach einem Winde die Oberfläche und das Ufer des Sees bedecken; wir können auch darüber nicht ungewiss sein, — 80 - warum Tringa maritima sich in der Nähe der Scheeren aufhält, welche zur Zeit der Ebbe über der Oberfläclie des Wassers er- scheinen, wenn man die Sorgfalt bemerkt, mit welcher diese Vö- gel die kleinen Conchylien und andere Schalthiere zwischen dem Meergrase hervorsuchen, welche sie, ohne das Thier her- auszuhacken, ganz verschlingen. Im Winter ist der Kabe alle- zeit in grösster Anzahl an den Oertern, wo man Fische trocknet, um dort seine Beute zu holen. Sowohl Lestris parasitica, als pomarina werden nicht selten auf der Insel Widoe in Schlingen gefangen, die über die Eier der Eidervögel gestellt sind, welche diese Eäuber gern aussaufen wollen. In guten Fischjahren wurden grosse Haufen von Puffinus arcticus*) an den nördlichsten Küsten A^on Island gesehen. Auch ist es keinem Zweifel unter- worfen,' dass viele der Saamen essenden Vögel, welche sich in Norwegen aufhalten, auch in Zukunft Island besuchen würden, wenn diese Insel Wälder hätte, deren Saame sie ernähren könnte." „Die Kücksicht auf die Nahrung kann auch gewisse Vögel bestimmen, den Platz in der Zone auf längere oder kürzere Zeit zu verändern. Procellaria glacialis und Larus eburneus^*) folgen den Wallfisch fängern in Hoffnung der Beute und Procellaria pelagica andern ihr begegnenden Schiffen; Lestris catarractes ^^'^M folgt den Böten lange nach, welche Squalus glacialis mihi (die isländische Squalus carcharius) führen, Larus leucopterus f) und tridactylus folgen mit grossem Geschrei der schnell schwim- menden Phoca groenlandica in die Buchten, um die Fische zu fangen, welche die Seehunde vom Boden des Meeres herauf- jagen. Die Seehundsjäger begeben sich daher nicht vergebens zu den Plätzen, über welchen diese Möwen schweben. Ich habe sogar in meinem Prodromus bemerkt, dass die erste dieser Mö- wen den Einwohnern auf dem Südlande im Jahre 1821 einen Wink gab, dass Gadus morhua unter die Küste gekommen sei, *) Arctischer Sturmtaucher. **) iilfenbeinmciwe. ***) Grosse Raubmöwe. •j-j Kleine weissscihwinpfige ]\I(i\ve, Dreix.ehige Möwe, - 31 — weil diese Vögel der Wanderung der Kaubfische ge- folgt waren und sich daher plötzlich da, wo sie vorher nicht waren bemerkt worden, in Menge sehen Hessen. Der Falke folgt dem Gange des Schneehuhns, so wie man sagt, dass die Schneeeule dem Zuge der Lemminge folge. Wenn Clupea sprottus in Haufen in die Buchten Islands kommen, werden sie unaufhörlich von Sterna arctica verfolgt." Wir werden Gelegenheit haben, weiterhin auf diese herr- lichen Beobachtungen zurückzukommen, namentlich bei Wider- legung mancher unhaltbarer Behauptungen von Palmen, der Faber und seine gründlichen Beobachtungen sehr wenig gekannt oder beachtet hat.*) Auch über die Mauser hat Faber eingehende Beobachtun- gen gemacht und er spricht sich darüber (S. 89) folgender- massen aus: „Die von Island wandernden Vogelarten haben schon in diesem Lande die Wintertracht vor der Wanderung erhalten und nur in Anselumg der Phalaropus- und Sterna - Arten, welche schon im August wegwandern, schwebe ich noch in Cn- gewissheit.**) Man kann bemerken, dass Exemplare aus Grön- land, wo die Phalaropi auch Zugvögel sind, sowohl in der Som- mer- als in der Wintertracht zum Museum gesandt wurden ; es kann also wohl sein, dass ich auf meiner Reise in Island, wo ich noch niclit auf die Trachtveränderung der Wassertreter nach den Jahreszeiten aufmerksam geworden war, die jungen mit den alten Vögeln in der Wintertracht verwechselt habe; es ist ein kräftiger Beweis dafür, dass die aus der borealen Vogelzone auswandernden Zugvögel gemeiniglich die Winter- tracht erhalten haben, ehe sie auswandern, dass die Haufen, *) Freilich hatte Faber, als er nach Island ging, nicht einen fertigen Plan in der Tasche, dem er seine Beobachtungen dienstbar zu machen suchte, sondern er machte seine Folgerungen auf Grund eingehender, vorurtheilsfreier Beobachtungen. **) Phalaropus erhielt ich von Thienemann einen auf Island sell)st gesammelten alten Vogel, im fast vollendeten Winterkleide, aber alle Seeschwalben mausern auf dem Zuge, so dass dieselben in Norddeutsch- land — ausser bei Helgoland — wohl nie, in .Süddeutschland selten im reinen Winterkleide vorkommen. v. H. — 32 — welche von Emberiza nivalis, Characlrius pluvialis, Tringa islan- dica und alpina, üria grylle, troile und alle, Alca torda, Anas glacialis, Larus tridactylus, uiariuus und mehreren, im Septem- ber und October*) von Norden bei den dänischen Küsten an- kommen, in der Wintertracht sind." Faber bespricht hier noch ausführlich die unwilligen Flieger, jedoch erscheint es zweckmässiger, Faber's Ansichten bei der weiterhin folgenden Entwickelung der eigenen Beobach- tungen und Schlussfolgerungen einzuflechten, um Wiederholungen möglichst zu vermeiden, ebenso manche andern Bemerkungen dieses ganz vortrefflichen Beobachters. II. Berthelot. 0 i s e a u X v o y a g e u r s. Der Verfasser der ,. Vögel der Canarischen Inseln" und fran- zösischer Consul hat während seines längeren Aufenthalts auf Ca- naria vielfach Gelegenheit gehabt, die Vögel der Inseln mit Auf- merksamkeit zu beobachten und ist das Resultat in einem frühe- ren Werke niedergelegt. Wenn nun auch dasselbe viele Lücken zeigt, wenn auch eine sichere Kenntniss der Vogelarten der ca- narischen Inseln dadurch nicht zu erlangen ist, indem Gleiches und Aehnliches so häufig verwechselt wird, so ist die Arbeit des Herrn Berthelot doch immer eine verdienstliche zu nennen, und es war erklärlich, dass die Herausgabe eines Werkes über den Zug der Vögel von diesem Schriftsteller die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ziehen musste. Es war dies um so erklärlicher, als die Lage der Inseln eine für die Beobachtung des Zuges so ausserordentlich günstige ist, dass es wenige Punkte der Erde giebt, welche ihr darin gleichen; indessen hat leider das Studium des zweibändigen Werkes nicht die erwartete *) Hier liegt, ofienbar eine Verwechselung des jungen mit dem alten Vogel vor, denn sämmtliche alte Vögel des Tringa und Charadrius tragen bei ihrem Südzuge im August noch das mehr oder minder voll- ständige Sommerkleid. Im September und October aber giebt es keinen alten Strandläufer mehr. v. H. - 33 — Belehrung gebracht, indem etwas Wichtiges*) darin wohl nicht enthalten ist, wenigstens nicht in der Art, welcher roan glauben schenken könnte. Herr Berthelot erweist sich in der That als zu leichtgläubig, indem er Angaben wiedergiebt, welche man in ähnlicher Weise vor mehr als einem halben Jahrhundert lesen konnte, nur dass Ort und Zeit der Handlung andere waren. Um die Zuverlässigkeit der Angaben des Herrn Berthelot festzu- stelleiT, wird es nöthig sein. Das wiederzugeben, was er in Band L, S. 47 sagt: „Helgoland, cette petite ile de la mer du Xord, situee sur la cote du Schleswig, presque ä l'entree de la Baltique, est une autre etape sur laquelle les oiseaux de passage semblent se diriger de preference, et il est probable que son phare favo- rise l'itineraire de ceux qui ne voyagent que de nuit." — X. Marmier, qui employa si bien sou temps sur les bords de la Baltique**) nous a raconte les chasses des Helgolandais, lorsque les oiseaux migrateurs viennent s'abattre sur le sol de l'ile pour s'yreposer: „Souvent, dit-il, on voit arriver des nuees de becasses, d'alouettes et de grives. Ces pauvres oiseaux, qui ont traverse la vaste mer, tombent parfois si epuises de fatigue qu'un enfant peut les prendre avec la main. Leur apparition est pour les Hel- golandais, comme jadis celle des caiUes pour les Israelites, dans leur marche ä travers le desert, un evenement qui met tout le monde en emoi. Hommes et femmes, chacun court, ä la bienheureuse curee.' Les travaux habituels sont abandonnes; les pretres eux- memes, dans l'exercice solennel de leurs fonctions, ne resistent pas ä l'entrainement. Le dimanche, on a vu plus d'un predicateur fixer tout-a-coup les yeux sur les fenetres de Tegiise, s'arreter au beau milieu de son sermon, pour s'ecrier: Mes freres, voici les becasses ! — Aussitot, il descendait de la chaire, la commu- naute se precipitait en tumulte hors de la nef, et chacun aUait *) Abgesehen davon, dass genaue und exacte Angaben über den Vogelzug durchaus fehlen, haben die Mittheilungen des Verfassers, durch die folgende von Herrn Marmier übernommene Schnepfengeschichte so sehr alle Glaubwürdigkeit verloren, dass man wissenschaftlich nicht weiter darauf eingehen kann. **) Un ete au bord de la Baltique et de la mer du Nord, souvenirs de voyage, par X. Marmier, p. 327, Paris, 1Ö56. V. lluiueyor, Wanderungen der Vögel. O - H4 s'armer de sou fusil et de ses lacets. Un voyageur racoute qii'ime fois meme cette importante raigration fit interrompre un ma- nage. Les fiances etaient au pied de l'autel; le pretre allait leur donner la benediction nuptiale, quand, soudain un cri retentit ä la porte du temple : les becasses, les becasses ! — Le pretre ne put resister ä rentrainement, etla ceremonie, commencee le matin, ne s'acheva que le soir apres une longe cbasse."*) Wenn man etwas näher auf diese paradoxe Mittbeilung *) In deutscher Sprache: „Helgoland, diese kleine Insel der Nordsee, gelegen seitwärts von Schleswig, nahe dem Eingange der Ostsee, ist ein anderer Rastplatz, zu welchem sich die Zugvögel vorzugsweise begeben, und es ist wahr- scheinlich, dass der Leuchtthurm die Richtung derjenigen leitet, welche nur während der Nacht ziehen. X. Marmier, welcher seine Zeit so gut an den Ufern der Ostsee anwendete, hat uns die Jagden der Helgolander auf die Wandervögel, sobald diese ankommen und sich auf der Höhe der Insel, um sich zu erholen, niederlassen, folgeudermassen geschildert : „Oft , sagt er, sieht man ganze Wolken von Schnepfen, Lerchen und Drosseln ankommen. Diese armen Vögel, welche über das weite Meer gewandert sind, fallen zuweilen so erschöpft von den Anstrengungen nieder, dass ein Kind sie mit der Hand fangen kann. Ihr Erscheinen ist für dii' Helgolander, wie ehemals das der Wachteln für die Israeliten auf ihrem Zuge durch die Wüste, ein Ereigniss, welches die ganze Bevölkerung in Unruhe versetzt. IMänner und Frauen, Jeder eilt zu dem glückseligen Jägerrechte. Die gewöhnlichen Arbeiten sind verlassen, ja selbst die Geistlichen in der Ausübung ihrer Dienstverrichtungen widerstehen nicht der Aufregung. Am Sonntage sah man mehr als einen Geistlichen, plötzlich die Augen auf die Kirchenfenstcr gerichtet, sich in der Mitte seiner Rede unterbrechen, um mit den Worten: „Meine Brüder, sehet die Schnepfen", von der Kanzel herabzusteigen. Ihm nach stürzte die Gemeinde im Tumulte aus der Kirche und jeder eilte fort, um sich mit seiner Flinte und seinen Wurfschlingen'') zu bewaffnen. Ein Rei- sender**) erzählt, dass diese wichtige Wanderung einmal sogar eine Trauung unterbrach. Die Brautleute knieten vor dem Altar ; der Priester ertheilte ihnen den Brautsegen, als plötzlicli an der Kirchenthür der Schrei ertönte: „Die Schnepfen, die Schnepfen!" Der Priester konnte diesem nicht widerstehen, und die Vormittags begonnene Ceremonie wurde erst Abends, nach einer langen Jagd, vollendet." *) Eine auf Helgoland ganz unbekannte französisch-italienische Fanj;nicthoJe. **) Bei (lieser Mittheihing ist nur zu bedauern, dass der Reisende nicht seine Quelle angegeben hat, um beurtheilen zu können, ob dessen Gewährsmann die Sache selbst gesehen haben will, oder auf welchem anderweitigen Wege er dazu gelangt ist. Es wäre demnach eine Mittheilung vierten, fünften oiler sechsten Grades. - 35 — eingeht, so bemerken wir zuvörderst wiederum die geringe geo- graphische Kenntuiss. mit welcher die Franzosen im Allge- meinen gesegnet sind. Helgoland, diese kleine Insel der Nord- see, gelegen an der Küste von Schleswig, nahe dem Ein- gange des baltischen Meeres! — Nicht allein dass alle Karten daselbst weder einen Eingang noch einen Ausgang des baltischen Meeres zeigen, so ist auch die ganze Bezeichnung eine derartige, wie sie bisher wohl kaum irgendwo ausgesprochen wurde, und das Talent des Herrn Marmier, der in einem Sommer die Küsten der Nord- und Ostsee untersuchte und zu dieser präch- tigen Entdeckung gelangte, hat der Welt etwas ganz Neues ge- bracht. Wie die Anmerkung auf der erwähnten Stelle des Werkes von Bertbelot sagt, ist Herr Marmier der Verfasser einer Schrift, betitelt: „Ein Sommer am Strande des baltischen Meeres und der Nordsee." Es bleibt uns unbekannt, welcher Absicht die Schrift des Herrn Marmier gedient hat und dienen soll, aber, dass ein Schriftsteller wie Herr Berfchelot dieselbe nicht allein aufnimmt, sondern als wahr und richtig hinstellt, ist mehr, als man hätte erwarten können, kurz, die glänze Schnepfen- geschichte ist ein reines Phantasiegebilde, und es wäre interes- sant zu hören, was Herrn Marmier verleitet hatte, seinen Lesern solche Dinge zu erzählen. Unrichtig ist fast jedes Wort, was daselbst ausgesprochen wurde. Die Schnepfen ziehen weder in der liegel am Tage, noch kommen sie so ermüdet an, dass sie sich mit Stöcken schlagen lassen, noch darf endlich am Sonn- tage auf Helgoland, auf irgend eine Weise, gejagt werden, ohne in eine schwere Geldstrafe zu verfallen. Der Sonntag wird da- selbst nach englischer Weise strenge innegehalten. — Als ich diese groteske Nachricht las, schrieb ich an einen Helgolander Freund unter Mittheilung einer Abschrift dieser Auslassung und, ich glaube die ganze Leistung der Herrn Berthelot und Marmier*) *) Es kann übrigens nicht scharf ffenug gerügt werden, dass Herr IMarmier, doch wohl nur um sein Bucli interessant zu machen, solche Dinge auszusprechen keinen Anstand nimmt, denn wäre er selbst auf Helgoland, oder auch nur an den Küsten der Nordsee gewesen, so könnte es ihm nicht schwer fallen, sich über das Widersinnige solcher Geschichten belehren zu lassen. Es tritt daher die Wahrscheinlichkeit nahe, dass Herr Marmier seine ganze Reise im Studirzimmer gemacht hat. 3* — 36 — nicht besser beiirtlieilcn zu köunen, als wenn ich das wiedergebe, was mir mein Helgolander Fremid sagt: „Wenn die beiden französischen Schriftsteller nach Helgoland kommen wollen, um Waldschnepfen zu jagen, so möchte ich ihnen rathen, nicht mit Stöcken, sondern mit guten Flinten zu kommen, indessen dürfte der Erfolg auch wohl kein erwünschter sein, wenn die Herren mit ihren Flinten nicht besser umzugehen verstehen wie mit ihrer Feder." Dass aber ein Buch, welches solche Dinge behauptet, nicht als Quellenstudium berücksichtigt werden konnte, liegt auf der Hand. III. Wallace. Ich win von vornherein nicht die Thatsachen im Lichte der Principien sehen, sondern ausdenThatsachen die Principien herleiten.*) Blas! US. Unter deu neueren Naturforschern, welche sich mit unserem Gegenstande befasst haben, hat wohl Wallace sich am ausführ- lichsten damit beschäftigt. Die natürliche Folge davon war, dass eine Menge Ideinerer Geister in seine Fusstapfen traten und unter dem Schutze seiner Arbeit nicht vermochten, der Welt ihre speciellen Ansichten und Herzensergüsse vorzuenthalten. Alle diese Arbeiten bemühen sich in erster Reihe, zu zeigen, dass sie auf dem Niveau der heutigen Zeit stehen, dass sie mit dem Dar- winismus Hand in Hand gehen, ja dass alle ihre Ansichten, alle ihre Meinungen einzig und allein durch diese Grundsätze bestimmt werden. Es wird daher nöthig sein, die in vieler Hin- sicht verdienstvolle Arbeit Wallace's kritisch zu betrachten und namentlich zu untersuchen, in wie weit es thunlich, in wie weit *) Das ist der Ausspruch eines unserer klarsten Denker und schärfsten Beobachter, während es heute sehr gebräuchlich ist, Beobach- tungen nur zu machen, um dieselben dem System anzupassen. V. H. - 37 — es richtig ist, alle Schlüsse auf die Darwin'schen Hypothesen zu gründen und die reale Naturbeobachtung zu beseitigen. Wallace spricht sich in der Einleitung zu seinem Werke folgendermassen aus : „Die Naturforscher sind jetzt zu dem Schlüsse gelangt, dass, in Folge eines langsamen Processes der Entwickelung oder der Abänderung, alle Thiere aus denen hervorgegangen sind, welche vor ihnen gelebt haben, und man hat die alte Ansicht, dass eine jede Art, wie sie jetzt existirt, zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Orte besonders erschaffen wurde, ver- lassen, da sie vielen schlagenden Thatsachen widerspricht und keine Wahrscheinlichkeit für sich hat." Es wird dann weiterhin gesagt: „Selbst die Zeit, welche seit der letzten Eisperiode verflossen ist und welche man nach der niedrigsten Schätzung auf 50,000 bis 100,000 Jahre anneh- men muss, genügte nur, um einige wenige der höheren Thiere in sehr unbedeutend abweichende Arten zu modificiren. Die Abänderungen der Thierformen scheinen Veränderungen in der physikalischen Geographie, dem Klima oder der Vegetation be- gleitet zu haben oder sind vielleicht von diesen abhängig gewesen; denn es ist einleuchtend,*) dass ein Thier, welches einer Summe Von Umständen gut angepasst ist, in seiner Constitution oder in seinen Gewohnheiten und daher im Allgemeinen, in Form, Bau und Farbe, allmählich verändert werden muss, um ebenso gut einer veränderten Lage der umgebenden Umstände angepasst zu sein." Es wird dann weiter behauptet, dass ein — etwa über der Meeresfläche erscheinendes ■ — neues Land nur von den stärksten und bestangepassten Arten bevölkert werden könne. Wenn hier darunter solche Arten verstanden sein sollten, welche für die Eigenthümlichkeit des Landes am besten geeignet sind, so lässt sich dazu nicht viel sagen, indessen ist bei wenig Arten der Kreis, innerhalb dessen sie ihr Gedeihen finden, so €ng gezogen, dass dieselben nicht in recht verschiedenen Gegen- *) Ein sehr allgemeines und beliebtes Mittel des Darwinismus für Benutzuno- der menschlichen Eitelkeit. — 38 — den leben sollten. Welchen ungeheuren Verbreitungsbezirk haben manche circumpolare Vögel, und wenn man hier meinen wollte, dass alle diese Länder eine sehr grosse üebereinstiramung in ihren physiographischen Zuständen haben, so ist das einestheils nicht richtig und dann wollen wir unter vielen nur einen Vogel nennen, welcher in fast ganz Asien, Europa und Nordafrika ver- breitet, im Norden die Tage erlebt, wo die Sonne nicht unter- geht und im Süden die senkrechten Strahlen derselben empfindet. Das ist unser allbekannter Kuckuck, dessen Verbreitungsgrenzen nach Südosten so weit gehen, dass man dieselben noch nicht mit Sicherheit hat feststellen können, der mit und zwischen verwandten Arten lebt und dabei doch ein gegen raulie Temperatur sehr empfindlicher Vogel ist. Dabei hat er gar nicht nöthig gefunden, sich den klimatischen Verhältnissen der extremsten Gegenden irgendwie anzupassen, nur fast im Centrum, im süd- lichen Eussland, ist er etwas grösser. Noch eines allbekannten Vogels wollen wir hier gedenken, der im Norden der alten Welt allgemein verbreitet ist, aber durchaus keine klimatischen Abänderungen bietet, wenn auch seine Aufenthaltsorte recht verschiedener Natur sind. Dies ist unser Feldsperling, der von Portugal bis an das japanische Meer geht, ohne in irgend einer Weise sich zu verändern. Ganz ähnlich verhält es sich mit unserem Steinschmätzer, der von Grönland bis zum Baikal lebt und doch derselbe bleibt. Wenn, wie oben citirt, Wallace in Uebereinstimmung mit den Darwin'schen Lehren einen Zeitraum von r)0,000 oder 100,000 Jahren für ungenügend erachtet, um eine irgend erheb- liche Aenderung einer Art hervorzubringen, so wäre dies eine ganz willkürlich hingeworfene Zahl, wenn nicht die Absicht deutlich zu Tage läge. Es handelt sicli nämlich um die Zeit seit der Eisperiode, und da es dem Darwinismus nicht gelungen, seit dieser Periode wesentliche Aenderungen in seinem Sinne nachzuweisen, so darf er diese — so unendlich lange — Zeit nicht als genügend für seine beliebten Anpassungen erachten. Nun ist es ja so bequem, wenn 100,000 Jalire nicht ausreichen, über Millionen verfügen zu können, nöthigenfalls auch über Hunderte und Tausende von Millionen. — 39 — Es ist das ganz älinlich, wie in einem bankerotten Staate, wo es auch nicht darauf ankommt, ob die Notenpresse etliche jVIilliouen mehr liefert. In beiden Fällen ist es ein Entfernen von dem Realen — dem Thatsächlichen — und das Eintreten in ein Reich der Einbildungen, der Phantasie. Der Naturforscher darf nur aus dem Bekannten auf das Unbekannte schliessen, und da zeigt es sich, dass die Umwand- lungen, so weit sie überhaupt stattfinden, in sehr kurzer Zeit vor sich gehen. Sie werden bewirkt durch Versetzungen in andere Localitäten und hören auf sowohl bei Zurückversetzung in die alte, als nach Aufenthalt von wenig Jahren in der neuen Lo- calität. Die Conchylien liefern da viele schlagende Beispiele. Manche Abänderungen, welche sich innerhalb weniger Generationen bil- deten, sind so bedeutend, dass man, ohne sichere Kenntniss des Zusammenhanges, wohl an eine Artverschiedenheit glauben würde. Aehnlich verhält es sich mit den Fischen und manchen andern Thieren. Eine schöne Illustration giebt uns die Pflanzenwelt. Jeder Landmanu weiss, dass aus andern Gegenden eingeführtes Saat- getreide in zwei, höchstens drei Jahren erneuert werden muss, wenn es seine vollen Eigenthümlichkeiten behalten soll, und diese Thatsache ist so allgemein bekannt, dass es nicht nöthig ist, sie weiterhin auszuführen. Nur ein schlagendes Beispiel mag erwähnt sein. Es giebt im nördlichen Norwegen, noch unter dem siebzigsten Grade, einen einzelnen kleinen Punkt (Alten)*), wo die Gerste noch zur Reife kommt, und zwar in einem Zeitraum von circa sechzig Tagen, während schon unter dem sechzigsten Grade, ganz ähnlich wie in Mitteleuropa, die Vegetationszeit neunzig Tage dauert. Wird nun aus dem hohen Norden die Gerste in südlichere Gegenden gebraclit, so reift sie in jedem Jahre fünf bis acht Tage später, so dass sie in vier bis fünf Jahren vollständig acclimatisirt ist. Umgekelirt, wenn Gerste vom sechzigsten Grad oder südliclier nach Alten eingeführt wird, so wird sie gar nicht reif Sie *) Siehe Schübeier, „Die Pflanzenwelt Norwegens'', S. 53. __ 40 — miiss vielmehr allmälilich — jedes Jahr zwei Grad — nördlicher gebracht werden. Alle diese und andere praktische Versuche haben gezeigt, dass die Veränderung der Eigenschaften von Thier und Pflanze, je nach der Localität, in ausserordentlich kurzen Zwi- schenräumen stattfindet, so weit sie überhaupt eintritt, und dass ein Abändern nach langen Zeiträumen nie und nirgends nachgewiesen ist. weder in der Jetztzeit noch vor Tausenden von Jahren. Die Abänderungen, welche die Conchylien in den Ablagerungen der Juraformation bieten, sind theils viel unbedeutender als wir sie heute oft in wenig Gene- rationen sehen, theils ist dabei gänzlich unberücksichtigt geblieben, dass da, wo wesentlich verschiedene Formen neben einander auftreten, doch die gemeinschaft- liche Abstammung in keiner Weise erwiesen ist, indem es doch sehr wohl möglich, dass andere Arten aus entlegenen oder benachbart en Gegenden durch irgend welche Naturereignisse eingeführt wurden. Haben doch die neuern Untersuchungen gezeigt, dass Conchylien aus ganz verschiedenen Stromgebieten sich sehr leicht wei- ter verpflanzen. Um wieviel leichter muss dies haben statt- finden können bei irgend einer localen oder ausgedehnteren Erdrevolution. Die Lehre, dass stets ein Thier aus dem andern hervor- gegangen sei, erscheint auch sehr wenig glaubwürdig, und die Hindeutung auf die Umwandlung mancher Thiere , wie Fische, Ampliiliien, Insecten, nicht zutreffend. Trotz der genealogischen Tabellen, welche exaltirte Anhänger des Darwinisnnis zu Wege gebracht, haben dieselben sich wohl kaum ganz klar gelegt, welche Masse von Unzuträgiichkeiten diese AVandelungen dem leidenden umzuwandelnden Wesen bringen mussten, das zum UeberHusse verdammt sein sollte, einige oder viele Jahrtausende in jedem Stadium zu verbringen. Wenn AVallace daher der Ansicht ist, dass die Natur- forscher darüber einig wären, dass stets ein Thier aus dem andern hervorgegangen sein müsste, so klingt das ganz ähnlich, als wenn man beliaupten wollte : die Bau- — 41 — meister wären sich darin einig, dass alle neuen Häuser aus den Besten der alten gebaut wären. Die Rücksiclit auf die früheren Zustände unserer Erde ist ja auch auf die Wanderungen der jetzt lebenden Thiere von grosser Wichtigkeit, und Darwin hat sich ein unzweifelhaftes Verdienst erworben, indem er die allgemeine Aufmerksamkeit darauf hinlenkte. Aber, wie dies ja häufig im Leben der Fall ist, sind seine Lehren durch seine übereifrigen Anhänger*) weitab von ihrem ursprünglichen Standpunkte gekommen, und Darwin selbst — so wenig sympathisch ihm dies Gebahren auch sein mochte — ist unvermerkt weiter gegangen, als dies wohl in seiner Absicht lag. Darwin's erste kleine Schrift gründet alle Schlüsse auf be- stimmte thatsächliche Beobachtungen in der freien Natur. Später ging derselbe nicht allein auf die Hausthiere über, es knüpfte sich an dieses so missliche und unzuverlässige Feld eine grosse Zahl von Hypothesen, die jedes thatsächlichen Beweises entbehren. Immerhin bleiben die Arbeiten Darwin's von hohem Werthe, wenn auch eine spätere Zeit dieselben ruhiger und unabhängiger beurth eilen wird. Speciell über die Wanderungen der Vögel Europa's sagt Wallace S. 24: „Es ist ziemlich sichergestellt, dass die meisten der Vögel, welche ihren Frühling und Sommer in den gemässigten Theilen Europa's verbringen, den Winter in Nord- Afrika und West-Asien bleiben. Die Winterbesucher hingegen verbringen den Sommer im äussersten Norden Europa's und Asiens, und man hat viele derselben in Lappland brüten sehen. Die Ankunft der Wander- vögel von Süden her ist sehr beständig in Bezug auf den Zeit- punkt; sie variirt selten mehr als eine Woche oder 14 Tage ohne irgend welche**) Rücksicht auf das Wetter, welches gerade *) Als Severzow bei Darwin war, si^racli derselbe: „Sie gehen nach Deutschland. Wenn Sie dahin kommen, so sorgen Sie dafür, dass meine übereifrigen Anhänger nicht Alles verderben, was ich vielleicht gut gemacht." **) Diese Bezeichnung ist unrichtig, denn mag die Witterung den Zug auch nur in gewissen Grenzen fördern oder hemmen, ohne wesentlichen Eintluss ist sie nicht. v. H. — 42 — herrscht; die Abreise dagegen ist weniger constant und mehr von dem Wetter abhängig. Die Schwalbe z. B. kommt immer um die Mitte des April zu uns, wie kalt es auch sein mag, ihre Abreise dagegen kann von Ende September bis spät in den October hinein stattfinden, und Forster sagt, dass sie bei dem ersten Nord- oder Nordost- Wind nach dem 20. Sep- tember vor sich geht. Fast alle Wandervögel Europa's ziehen südlich nach dem mittelländischen Meere, bewegen sich östlich*) oder westlich dessen Küsten entlang und überschreiten dasselbe nur an drei Plätzen; entweder im Süden von Spanien in der Gegend von Gibraltar, oder von Sicilien über Malta, oder mehr östlich über Griechenland und Cypern. Auf diese Weise behalten sie das Land immer in Sicht. Die Passage der meisten kleinen Vögel, (und auch vieler grössern) findet des Nachts statt, und sie über- schreiten das mittelländische Meer nur, wenn der Wind bestän- dig entweder fast von Ost oder fast von West weht und wenn der Mond scheint." Es ist hier zu bemerken, dass, so weit genaue Untersuclumgen bisher darüber haben Aufschluss geben können, kein Vogel aus dem mittleren und westlichen Europa nach Asien oder Aegypten wandert ; wenigstens so weit sich klimatische Formen unterscheiden lassen, sind die aus jenen Gegenden eingelieferten Vögel dem nordöstlichen und östlichen Russland und nordwestlichen Asien angehörig. Wir kommen hier zu einem Gegenstande, den Wallace mehr auf geographische Vermuthungen als auf Thatsachen be- gründet. Derselbe behauptet — und das ist auf keine Weise er- wiesen — dass die Vögel das mittelländische Meer nur an drei Plätzen, entweder im Süden von Spanien, oder bei Sicilien über Malta, oder bei Griechenland überschreiten. Das ist eine ganz irrige Annahme, denn so weit Beobachtungen reichen, giebt es keine Gegend des mittelländischen Meeres , keine Stelle der nordafrikanischen Küste, wo nicht Zugvögel kämen und gingen. Auf Beobachtungen scheint Wallace seine Annahme nicht begründet zu haben; einfach hat er den kürzesten Weg für die Vögel auf *) Ein solcher Zug ist noch nirgends beobachtet. v. H. — 43 — der Karte gesucht und diesen als Thatsaclie niedergeschrieben, gefolgt von einer grossen Zahl kleinerer Schriftsteller, welche obige Behauptung als feststehend angenommen und weiter ver- breitet haben. Wenn nun derselbe weiterhin behauptet, dass die meisten kleinen und auch viele grössere Vögel bei Nacht wan- dern, vorher aber gesagt hat, dass der Vogel auf den angege- benen Wegen stets Land in Sicht habe, so ist es doch schwer begreiflich, wie beide Voraussetzungen sich mit einander ver- einigen lassen. Selbst in mondhellen Nächten würde ein Wan- dervogel (und die kleinen Vögel ziehen stets sehr niedrig) un- möglich im Stande sein, auch auf diesem Wege das Land in Sicht zu behalten. Ebenso unrichtig ist es, wenn behauptet wird, dass die Vögel im Grossen und Ganzen den Meeresküsten folgten ; wäre dies der Fall, so würde eine ungleich grössere Anhäufung derselben dort stattfinden, als es in der That der Fall ist. Wenn sich nun Wallace in dem nachfolgenden Satze über das Verhältniss der alten und jungen Vögel S. 25 also aus- spricht : „Es ist eine zu auffallende Thatsache, aber sie scheint gut beglaubigt zu sein, dass die Männchen oft vor den Weibchen fortziehen und beide vor den jungen Vögeln, welche in beträcht- licher Anzahl später und allein ziehen. Diese letzteren aber gehen selten so weit wie die Alten, und viele der jungen Vögel überschreiten nicht das mittelländische Meer, sondern bleiben im Süden von Europa. Dieselbe Regel gilt für das Wandern nach Norden ; die jungen Vögel bleiben an den Grenzen der arktischen Region, in welche hinein die alten Vögel wandern;*) aber wenn *) Marcel de Serres*) constatirt dieses als eine allgemein gültige Thatsache für "Wat- und Schwimmvögel. Er sagt, dass die alten Vögel fast allein im äussersten Norden ankommen und die Jungen an den Ufern des baltischen Meeres oder an den Seen Oesterreichs, Un- garns und Russlands bleiben. Siehe seine Preisabhandlung : „Des Causes des Migrations" 2. ed. Paris 1845, S. 121. AVallace. *) Diese Angaben beruhen, wie wir weilerhin zeigen werden, auf mangel- haften Beobachtungen, Verwechselungen und Verkennen der Ursachen, v. H. — 44 — Alte und Junge zusammengehen, dann nehmen die alten Vögel die Führung. Im Süden von Europa bleiben wenige der Wandervögel, um zu brüten; sie gehen in mehr gemässigte Zonen; so brüten im Süden von Frankreich von 350 Arten nur G(). Dieselbe Art ist oft in einem Theile von Europa sesshaft, in einem andern wan- dernd; der Buchfink z. B. ist ein ständiger Bewohner Englands, Deutschlands und der Mitte von Franki-eich, aber ein Wander- vogel im Süden von Frankreich und in Holland; die Saatkrähe besucht den Süden von Frankreich nur im Winter; der Falco tinnunculus ist im Süden Frankreichs sowohl ein ständiger Be- wohner, als auch ein Wandervogel, nach Herrn Marcel de Serres, und er zieht regelmässig des Jahres zweimal durch ; eine be- stimmte Anzahl bleibt jedoch immer — " so finden wir, dass manches darin Gesagte nicht mit dem Tha!tsächlichen übereinstimmt. Gewiss ist, dass bei vielen Arten junge und alte Vögel, Männchen und Weibchen isolirt wandern, auch dass bei vielen Species die alten Vögel ihre Heimath ver- lassen haben, bevor die jungen sich auf die Wanderung begeben ; irrig ist es aber, schliessen zu wollen, dass die alten Vögel weiter südwärts gingen als die jungen, denn eben das umge- kehrte Verhältniss findet bei den meisten Arten statt. Von manchen derselben sieht man an der südlichen Ausdehnung ihrer Wanderzüge nur junge Vögel, oder als grosse Seltenheiten alte Männchen, öfter noch vielleicht Weibchen. Das hat darin seinen guten Grund, dass die alten Männchen weniger den Einflüssen des Klima's ausgesetzt, dass sie härter sind als die Jungen. Schon in Norddeutschland hat man Gelegenheit, diese Beobach- tung zu machen. Es ist eine Seltenheit, dass man im Winter unter den einzelnen zurückbleibenden Buchfinken ein Weibchen findet und von den hochnordischen Möwen und Enten kommen unverhältnissmässig viele junge an der Ostseeküste vor, während alte Vögel derselben Arten zu den grössten Seltenheiten gehören. So z. B. bei Larus glaucus und Anas dispar ; von letzterer ist z. B. noch nie ein altes Männchen südlich von Pillau vorge- kommen, während jüngere Vögel verschiedentlich in der Danziger — 45 — Bucht beobachtet wurden. Es bedarf daher diese Thatsache keiner anderweitigen Erklärung. Wallace geht hier noch speciell auf die Wanderung der Nachtigall ein und erwähnt bei dieser Gelegenheit derselben auch für das südliche Sibirien. Hier dürfte jedoch eine Ver- wechselung mit dem Sprosser vorliegen, wie denn auch das ver- hältnissmässig seltene Vorkommen derselben auf Malta beweisen muss, dass die berühmten drei Zugstrassen nur in der Einbil- dung bestehen. Wright erwähnt ausdrücklich in seinen „Vögel Malta's", dass die Nachtigall in Trupps ankomme, was doch keineswegs auf eine besonders grosse Zahl der Wanderer hin-' deutet. Wie aber würde dies sein, wenn alle Nachtigallen, welche in Italien, Frankreich und Deutschland ihre Heimath haben, ihren Weg über diese Insel nehmen würden? Ebenso wäre es mit allen andern Zugvögeln, wenn alle in Mittel-Europa heimischen Wanderer diese Insel berühren sollten. Die Felsen würden nicht ausreichen, die Millionen und aber Millionen der gefiederten Wanderer zu beherbergen, und es würde unmöglich sein, dass jeder derselben irgend ein Insect zu seiner Nahrung aufzufinden vermöchte. *) Schon aus diesem Grunde ist es zur Erhaltung der Art eine sehr weise Einrichtung der Natur, dass die Wege (nicht Strassen), welche die Wanderer ziehen, nicht derartig sind, wie diese Hypothesen sie voraussetzen. Weiterhin führt Wallace aus, dass diese Wanderungen wahrscheinlich aus sehr langer Zeit datiren, also wohl zur Zeit, als das mittelländische Meer, sowie die Strasse von Calais noch nicht vorhanden waren. Es lassen sich dafür unzweifelhaft ver- schiedene Wahrscheinlichkeitsgründe anführen und diese Gründe haben wir in einem früheren Artikel in „Cabanis' Journal" auch zu den unsrigen gemacht, indem es sich darum handelte, die *) Jedermann kann sich sehr leicht an irgend einem beliebigen Vogel ein mit Zahlen belegtes Beispiel schaffen, um zu ersehen, welche ungeheure Zahl von Vögeln einer einzigen Art bei comprimirtem Zuge die kleine Insel treffen müsste. Wenn man aber weiss, dass Vögel ganz verschiedener Arten oft gleichzeitig, ja im selben Momente ziehen, dann wird das Fabelhafte solcher einheitlichen Zugrichtung wohl un- zweifelhaft. V. H. - 46 — wunderbaren Züge unseres Steinschmätzers nach Grönland zu erklären. Wallace vergisst aber hier, dass dieselben Gründe für jeden einzelnen Punkt an den Küsten des mittelländischen Meeres ebenso vollgültig vorhanden sind, wie für die von ihm beliebten, angeblich stets noch vorhandenen Uebergangspunkte, zumal die Entfernung auch an den breitesten Stellen des mittel- ländischen Meeres nicht zu vergleichen ist mit dem unendlich langen Wege, der von der Nordspitze Grossbritauniens nach Grön- land führt. Ueber die Tropenvögel sagt Wallace S. 20 : ..In den Tropen bewegen sich die Vögel in den verschie- denen Districten umher, je nach dem Reifen gewisser Früchte, je nach dem reichhaltigen Vorhandensein gewisser Insecten, oder auch je nachdem Strecken Landes überschwemmt oder trocken sind. An den Grenzen der Tropen und der gemässigten Zonen dehnt sich ein Landgürtel von mehr oder weniger dürrem Cha- rakter aus, der bei dem Sommer-Solstitium dem Austrocknen ausgesetzt ist. . Im Winter und im ersten Frühjahre grünt die nördliche Grenze dieses Gürtels, aber bald verbrennt sie und viele der sie bewohnenden Vögel wandern nothgedrungen in die fruchtbareren Gegenden nach Norden. Auf diese Weise folgen sie dem Frühling oder dem Sommer, wie er von Süden nach dem Pole fortschreitet, und nähren sich von den jungen lilumen- knospen, von der Menge saftiger Larven und von den reifenden Früchten; sobald diese selten werden, richten sie ihre Schritte nach der Heimath zurück, um dort den Winter zu verbringen.*) Andere, deren Heimath dem Pole näher liegt, werden von der Kälte, vom Hunger und von der Dunkelheit in gastlichere Klimate gegen Süden getrieben und keliren beim Beginne des Sommers nach dem Norden zurück. Als typisclies Beispiel eines AVandervogels wollen wir die Nachtigall nehmen. Während des Winters bewohnt sie fast ganz Nord-Afrika, Kleinasien und das Jordanthal. Früh im April geht sie auf jenen schon erwähnten drei Wegen nach Europa hinüber und verbreitet sich über Frank- reich, England, Dänemark und den Süden von Schweden, welchen ") Eine ausserordentlich dürftij^e Erkliiruii;: sie Anfang Mai erreicht. Sie geht nicht nach der Bretagne, nicht nach den Inseln des Kanals oder nach dem westlichen Theile Englands, sie besucht Wales nie mit Ausnahme des äussersten Südens von Glamorganshire und geht selten weiter nördlich als Yorkshire. Sie verbreitet sich über Centraleuropa, durch 0 esterreich und Ungarn nach Süd-Eussland und den wär- meren Theilen Sibiriens ; dessen ungeachtet aber brütet sie im Jordanthal, so dass es an einigen Orten nur der Ueberschuss *) der Bevölkerung ist, welcher wandert. Im August und Sep- tember kehren alle, welche es können, in ihre Winterquartiere zurück." ,. Wandern dieser Art datirt wahrscheinlich mindestens bis zu der Periode zurück, als es noch zusammenhängendes Land auf der Route gab, welche jetzt passirt wird, und es ist eine gedankenanregende bekannte Thatsache, dass diese Landverbin- dung in neuerlichen geologischen Zeiten noch bestanden hat. England war während oder wahrscheinlich vor der Eiszeit mit dem Continente verbunden und sowohl Gibraltar, als auch Sicilien und Malta waren ebenfalls in neuerer Zeit**) mit Afrika ver- einigt, wie die fossilen Elephanten und andere grosse Säuge- thiere beweisen, welche man in den Höhlen dieser Gegenden findet, wie ferner das verhältnissmässig seichte Wasser beweist, welches in diesem Theile des mittelländischen Meeres existirt, während das übrige von oceanischer Tiefe ist, und wie endlich die grosse Anzahl von identischen Landthieren darthut, welche noch an den sich gegenüberliegenden Ufern des mittelländischen Meeres wohnt. Die Unterwassersetzung dieser zwei Landzüge (welche vielleicht von bedeutender Ausdehnung gewesen sind) ist gewiss langsam vor sich gegangen und man konnte die Ver- änderung, welche von Jahr zu Jahr Platz griff, vielleicht kaum *) Der Ueberschuss der Bevölkerung! Wohl ähnlich wie die Eu- ropamüden nach Amerika? **) "Was die Geologen, namentlich die Anhänger Darwin's, unter neuerer Zeit verstehen, ist eine sehr ungewisse Sache. Es können wohl 50,000 bis 100,000 Jahre — unter massigen Umständen — sein. v. H. — 48 — bemerken. Es ist daher leicht verständlich,*) wie eine Wan- derung, welche einmal über zusammenhängende Landstreckeu vor sich ging, sich zuerst über Lagunen und Sümpfe, dann über einen engen Kanal mid schliesslich über ein beträchtliches Meer erhalten konnte, ohne dass irgend eine Generation von Vögeln überhaupt eine Veränderung auf der Route bemerkt hat.-' Was Wallace . vorstehend über die Nachtvögel sagt, stimmt durchaus nicht mit dem überein, was Brehm, Heuglin und an- dere Eeisende davon berichten. Bisher scheint sie zur Winter- zeit noch nie in Nordafrika oder Syrien beobachtet zu sein, sondern erst in Nubien. Wallace verwechselt auch Sprosser und Nachtigall, was vielleicht in seinen Ansichten über das Abändern der Thiere beruht, indessen ist das doch gerade bei der Zug- beobachtung sehr zu bedauern. Wiederum lässt derselbe die Nachtigall eine seiner drei Zugstrassen ziehen, ohne einen genügenden Grund für diese Strassen anzugeben. Wahrscheinlich hat die geographische Lage allein entschieden und jede weitere Beobachtung und Prüfung ist unterlassen. Wir Averden aber weiterhin Gelegenheit haben, nachzuweisen, dass Palmen ganz speciell die Ansichten von Wallace wiedergiebt, wenn auch ohne Quellen- nachweis. Es ist in dieser Hinsicht auch noch wichtig zu er- wähnen, was Wallace (S. 28) über den Zug der Wasservögel sagt: „Man beobachtet, dass Wasservögel ihre Konten grossen Flüssen und Seen und den Ufern des Meeres entlang nehmen. Ein grosser Theil erreicht Central-Europa auf dem Wege der Donau von den Ufern des schwarzen Meeres aus; ein anderer steigt das Rhonethal hinauf von dem Golf von Lyon aus." „Man beobachtet!" Das ist eine leicht hingeworfene Behauptung, welche doch specieller Beweise sehr bedarf. Zu- nächst drängt sich die Frage auf : wer hat solche Beobach- tungen gemacht? und sind dieselben ausreicliend um- * ) Wiederum eine Falle für die menschliche Eitelkeit, wie der Dar- winismus dieselbe so gern stellt, und — nicht ohne Erfolg, denn sehr viele Menschen haben nicht die moralische Kraft, sich dergleichen Lockungen zu entziehen. v. H. - 49 — fassend und zuverlässig? Dennoch sind alle diese un- bestimmten Angaben von andern Schriftstellern aufgenommen und als feststehende Thatsachen wiedergegeben. Es ist dies ja auch einigermassen zu entschuldigen, da gewiss Mancher sich gesagt hat: Wallace muss doch Gründe für solche Behaup- tungen haben. Andererseits will aber der Naturforscher be- stimmte Beweise und kann in seinen Schlussfolgerungen auf Ausdrücke, wie: „Man behauptet" keinerlei Rücksicht nehmen. Die Theorie der Flusswanderungeu hat ja etwas Bestechendes und ich selbst habe dieselbe in meinem früheren Artikel, in ..Cabanis' Journal", noch theilweise angenommen. Fortgesetzte Studien haben mir jedoch die Ueberzeugung gegeben, dass dies nur in wenigen Fällen richtig und dass das öftere Vorkommen vieler Vogelarten daselbst auf andere Gründe zurückzuführen ist, die wir später erörtern werden. Auch für den ostasiatischen Zug giebt Wallace keinen sicheren Nachweis, denn auch hier lässt er die Vögel, nach ge- wohnter Weise, einfach der Küste folgen. Nun kennt man das Innere China's noch gar nicht, sehr dürftig die Mongolei, und es ist daher jedenfalls verfrüht, hier irgend etwas Bestimmtes im Grossen und Ganzen behaupten zu wollen. Indessen hat doch Radde unzweifelhaft nachgewiesen, dass ein sehr starker Zug verschiedenartiger Vögel durch die Hoch steppe geht, und es liegt durchaus kein Grund vor anzunehmen, dass das Innere China's keine oder weniger Zugvögel hätte. Dass eine grosse Anzahl von Vögeln während des Winters nach Indien kommt, welche mit den Vögeln Europa' s grosse Ver- wandtschaft zeigt, steht unzweifelhaft fest; indessen kann von europäischen Wanderern daselbst in keiner Weise die Rede sein, denn alle diejenigen Arten, welche man bisher in Indien fand, stammen, so weit es möglich ist, die localen Varietäten zu unter- scheiden, aus Nord-Asien, ja es ist bis zur Stunde nicht nach- gewiesen, dass ein europäischer Vogel jemals in Indien, ein einziger indischer in Europa vorgekommen wäre. Für die Anhänger der Fluss-Wanderungstheorie giebt gerade das massenhafte Erscheinen der asiatischen Vögel in Nord-In- V. Homeyer, Wanderungen der Viigel. -1 - 50 - dien viele Schwierigkeiten, wenn es sich darum handelt, ihre Fluss-Hypothesen durchzuführen. Nicht allein, dass von Norden keine Flussstrasse in das Ceutrum von Indien führt, sondern es wird noch der Zugang durch riesige Gebirgsketten erschwert, welche ganz Nord-Indien umgeben. Diese Gebirgsketten stehen noch im Zusammenhange mit gewaltigen Gebirgen in Mittel-Asien. Wenn also die Behauptung, dass die Winterwanderer Nord- Indiens fast alle Eingeborne Europa's und Westasiens seien, dem Thatsächlichen durchaus widerspricht, so steht auch die allge- meine Zugrichtung der Vögel im Westen Asiens damit keines- wegs im Einklang. Aehnlich, wie wir dies vielfältig in der alten Welt nach- weisen können, haben wesentlich in Folge des Vorschreitens von Urbarmachungen auch manche amerikanische Vögel sich weiter, namentlich nach Norden, ausgedehnt. Wallace giebt darüber (S. 30) folgende Mittheilung: ,. Einige interessante Fälle in Bezug auf allmähliche Verände- rung der Ausdehnung der Wanderung gewisser Vögel sind in Amerika beobachtet worden. Eine mexikanische Schwalbe (Hi- rundo lunifrons) erschien zuerst im Jahre 1815 in Ohio. Jahr auf Jahr dehnte sich ihr Verbreitungsbezirk aus, bis sie 1845 Maine und Canada erreicht hatte, und jetzt sagen amerikanische Schriftsteller,*) dass sie ihre jährliclien Wanderungen bis an die Hudsonsbai ausdehnt. Ein amerikanischer Zaunkönig (Troglo- dytes ludovicianus) ist ein anderer Vogel, welcher sich beträchtlich nach Norden verbreitet hat, seit der Zeit des Ornithologen Wilson, und der Reisvogel oder ,.Bob-o'-link" der Amerikaner vergrössert seinen Verbreitungsbezirk fortwährend, je nachdem Reis und Weizen mehr angebaut werden. Dieser Vogel überwintert in Cuba und auf andern westindischen Inseln und wahrscheinlich auch in Mexiko. Im April betritt er die südlichen Staaten und *) Bei allen solchen Angaben kann jedoch gar leicht ein Irrthum unterlaufen, denn es ist zu leicht möglich, dass eine Art in früherer Zeit — bei mangelhafter Beoljachtung — nur übersehen wurde, auch die blosse Bezeichnung „amerikanische Schriftsteller" ist ganz ungenügend, um darauf hin einen wissenschaftlichen Beweis zu führen. v. H. — 51 - zieht nordwärts, bis er im Juni Canada erreicht, und breitet sich, nach Westen bis an den Saskatschewanfluss 54*^ n. Br. aus." Es folgt jetzt eine Keilie von allgemeinen Bemerkungen über das Wandern, wovon wir Einiges wiedergeben. Zunächst, was Wallace (S. 31) sagt: „Die obige Zusammenfassung der wichtigsten Thatsachen des Wanderns (welche fast bis ins Unendliche hätten vermehrt werden können), an der Hand der grossen Menge von Detail- nachrichten, welche über diesen Gegenstand existiren*), scheint der Ansicht nicht zu widersprechen, dass der „Instinct" des Wanderers aus der Gewohnheit entstanden ist, auf die Nahrungs- suche**) zu gehen, eine Gewohnheit, die allen Thieren gemein- sam, aber bei den Vögeln ausserordentlich übertriebe n***) ist, in Folge ihres Flugvermögens und in Folge der für sie be- stehenden Nothwendigkeit, sich eine grössere Masse weicher In- secten zur Nahrung für ihre noch nicht flüggen Jungen zu ver- schaffen. Das Wandern in seiner einfachsten Form kann am besten in Nord- Amerika studirt werden, wo es über eine un- unterbrochene Ländfläche mit beträchtlichem Klimawechsel von Süden nach Norden hin stattfindet. W^ir haben hier (wie wahr- scheinlich auch in Europa und anderswo) jede Stufe des Wan- derns vor uns, von Arten an, welche nur die nördlichen und südlichen Grenzen ihres Verbreitungsbezirkes um einige Hundert englische Meilen verschieben, so dass die Art in den Centraltheilen des Areals ein beständiger Bewohner ist, bis zu andern, welche über eine Strecke bis zu tausend englischen Meilen Breite ziehen, so dass sie in den dazwischen liegenden Districten nur als Zugvogel be- kannt sind." Ferner über den Zug der alten und jungen Vögel (S. 32): „Es ist auch eine sonderbare f) Thatsache, dass in so vielen *) Wiederum einer der beliebten Ausdrücke des Darwinismus, v. H. **) Dieser Gegenstand ist bei Faber sehr viel logischer und besser entwickelt. v. H. ***) Eine eigenthümliche Bezeichnung. v. H. Y) Das ist keine sonderbare, sondern eine mit dem innersten Leben der Vögel genau zusammenhängende Thatsache, auf die wir späterhin zurückkommen werden. Es mag wunderbare Thatsachen genug in der Natur geben, aber sonderbare Thatsachen giebt es nicht. v. H. 4* — 52 — Fällen die alten Vögel zuerst wandern und die Jungen zurück- lassen, die dann einige Zeit darauf folgen, aber nicht so weit ziehen, wie ihre Eltern. Es ist dies der Annahme eines ge- bieterischen Instinctes durchaus widersprecliend. Die alten Vögel sind vorher dort gewesen, die jungen nicht; und nur wenn die Alten fast alle gegangen sind, gehen die Jungen auch, wahr- scheinlich indem sie den letzten Nachzüglern folgen. Sie wandern jedoch aufs Gerathewohl, und die Mehrzahl derselben kommt vor dem nächsten Frühling um. Es wird dies durch die That- sache bewiesen, dass im Frühjahr in der Regel nicht mehr Vögel zurückkommen als im vorhergehenden Frühjahre kamen, während im Herbste zwei- oder dreimal so viele abzogen. Jene jungen Vögel aber, welche zurückkommen, haben ihre Erfahrung ge- macht, und im nächsten Jahre beeilen sie sich, zusammen mit den Alten zu gehen. Die auffallendste Thatsache zu Gunsten des „Instinctes" des Wanderns ist die „Aufregung" und die Leb- haftigkeit gefangener Vögel zu der Zeit, wo ihre wilden Genossen auf die Wanderung gehen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass dies ein Vorgang ist, den man sociale Erregtheit nennen könnte und welchen die ängstlichen Eufe der wandernden Vögel ver- anlassen; diese Ansicht wird durch die Thatsache unterstützt, welche Marcel de Serres constatirt, dass der schwarze Schwan von Australien, wenn er in Europa domesticirt ist, sich häufig wilden Schwänen in ihren Wanderungen nach Norden zugesellt." Ohne Faber zu erwähnen, der, wie wir gezeigt haben, zuerst die Hypothese aufstellte, dass die Vögel nach und nach aus Stand- vögeln zu Waiidervögeln geworden seien, nimmt Wallace diese An- sicht wesentlich als die seinige auf. In dem schon mehrmals er- wähnten Artikel in „Cabauis' Journal" habe auch icli diese Ansicht vertreten; indessen sind mir inzwischen mancherlei Bedenken auf- gestiegen und ich halte es besser, eine unsichere Erklärung zu- rückzuhalten und eifrig bemüht zu sein, Thatsachen zu sammeln und festzustellen, als die Welt mit neuen und immer neuen Hypothesen zu erfüllen. Die Erklärung, welche Wallace darüber giebt, dass die alten und die jungen Vögel zu verschiedenen Zeiten und zwar die alten zuerst wandern, ist denn auch eine vollkommen ungenügende. Durch diese Thatsache wird der be- — 53 — liebten Hypothese widersprochen, dass die alten Vögel die Füh- rer und gleichsam die Lehrmeister der jungen Vögel auf der Wanderung Avären, und an diese Hypothese haben sich so viele vermeintliche Erklärer ängstlich angeklammert, um ihr System der Lehrmeisterschaft zu befestigen. Da ist es denn sehr erklär- lich, dass dieselben bemüht sind, irgend eine Deutung zu finden, welche es ihnen ermöglichte, etwas vom Schiifbruche ihres Sy- stems zu retten. Ganz irrthümlich aber ist die Behauptung Wallace's, dass junge Vögel nicht so weit ziehen sollten wie die alten. Das ist gewöhnlich umgekehrt, denn die meisten alten härteren Vögel, namentlich die Männchen, ziehen nicht so weit wie die jungen. Davon kann man sich schon in Nord-Deutsch- land, wie bereits oben erwähnt, bei vielen Arten überzeugen. Wenn Wallace hier der wunderbaren Fähigkeit des Auffindens der alten Brutstelle bei den Vögeln gedenkt und die Erklärung darin suchen will, dass die hochfliegenden Vögel durch die phj^- sikalischen Züge des Landes, welche sich unter ihnen ausbreiten, geleitet werden,*) so stimmt das sehr wenig mit der weiter oben ausgesprochenen Behauptung des Wanderns bei Xacht. Wie schon erwähnt, kann selbst ein Vogelauge zur Nachtzeit keinen üeberblick der Gegend gewinnen, zumal die Vögel nicht selten auch in ganz dunkeln Nächten ziehen, sogar auch bei Nebel und dann so niedrig, dass sie ganz nahe an den Menschen anfliegen, ja ihn fast berühren. Und diese Vögel, welche nicht im Stande sind, einen Gegenstand vor sich weiter wie wenige Fuss zu erkennen, sollen ein topographisches Bild in sich auf- nehmen. Werfen wir einen Blick zurück auf das eben Gesagte, so sehen wir, dass die Gründe, welche Wallace für die Eichtung der Wanderungen angenommen hat, ungenügend oder unzurei- chend, ja irrig sind und dass es namentlich sich nicht darum handeln kann, bestimmte schmale Punkte zum Ueberschreiten der Meere aufzusuchen, ja, dass dies mit den von diesem Schrift- steller angenommenen Voraussetzungen in keiner Weise harmo- nirt. Wir sehen auch, dass die Flüsse und Meeresküsten nicht *) Ueber den wunderbaren Ortssinn der Tliiere werden wir weiter- hin ausführlich sprechen. — 54 — in dem Maasse die "Wege sind, wie das heute von den meisten Schriftstellern ohne weitere Prüfung angenommen wird, nament- lich von denjenigen, welche die Ausführungen Wallace's zu den ihrigen gemacht haben, gewöhnlich nicht zur Vervollkomm- nung derselben. Auf das Specielle werden wir weiterhin zurück- kommen. Noch rauss die wunderbare Ansicht unseres Schriftstellers erwähnt werden, der die Brutgegend des Vogels nicht für seine eigentliche Heimath angesehen wissen Avill, weil die Vögel da- hin nur durch die reiche Nahrung für ihre Jungen gezogen würden. Abgesehen davon, dass ausser der Nahrung auch noch manche andere Bedingungen vorhanden sein müssen, um dem Vogel ein Heim zu bieten, ist es doch kaum möglich, für den. Wandervogel irgend einen andern Punkt zu finden, wo er hei- misch sein kann, indem sein Aufenthalt während der Wan- derung überall nur ein sehr vorübergehender ist. Wollte man die Brutstätte nicht als die Heimath eines Vogels ansehen, so würde er heimathlos werden, denn eine andere Hei- math giebt es einfach nicht. In dem erwähnten Sinne spricht Wallace denn auch über die^ geographische Verbreitung der Vögel (S. 34) : ,.Die vielfältigen Beziehungen einer Lebeform zu andern wird durch nichts besser illustrirt, als durch Herrn Darwin's berühmten Fall der Katzen und des Klees, den er in seiner „Entstehung der Arten" erzählt. Er hat beobachtet, dass sowohl wilde Stiefmütterchen, als auch rother Klee bei uns nur durch Hummeln befruchtet werden können, so dass die Production von Samen an die Besuche dieser Insecten gebunden ist. Ein Herr, welcher speciell die Hummeln studirt hat, fand ferner, dass ihre grössten Feinde die Feldmäuse sind, weil diese ihre Honig- scheiben und ihre Nester zerstören. Feldmäuse wiederum werden von Katzen und wahrscheinlich auch von Eulen verfolgt, so dass die fleischfressenden Thiere thatsächlich der Anlass davon sind, dass rother Klee und wilde Stiefmütterchen beständig" fortkommen können. Denn wenn sie fehlten, hätten die Feld- mäuse keine Feinde und würden sich so massenhaft vervielfäl- — 55 — tigen, dass sie alle Hummeln vernichteten und jene beiden Pflanzen würden keinen Samen producireu und bald aussterben/' Es ist zu bewundern, mit welcher Hartnäckigkeit die An- hänger Darwin's an der bekannten Katzengeschichte festhalten und dabei beharren, dass dieselben durch Vertilgung der Feld- mäuse die Hummeln erhalten und diese wiederum den rothen Klee befruchten. Es lässt sich ja nicht in Zweifel slJellen, dass die Mäuse auch ohne diese Annahme dem Landmann einen directen Schaden, auch für den Klee, zufügen, indessen wird die Anzahl der Mäuse, welche durch die Katzen vertilgt wird, stets so unbedeutend bleiben, dass von einem Einflüsse nie die Rede sein kann. Viel weniger Avird es der Fall sein durch die mittel- bare Einwirkung auf die Befruchtung des Klees. Es giebt wohl kein Land der Welt, in welchem so viele Hummeln wären, dass sie vermöchten, alle Kleeblüthen zu bekriechen, und dennoch sehen wir in geeigneten Jahren und in passenden Klimaten den rothen Klee reichlich Samen tragen, während trotz Hummeln ungünstige Jahre und ungünstige Localitäten einen mehr oder minder grossen Ernteausfall bewirken. Gänzlich unbegründet ist die Annahme, dass für die wilden Stiefmütterchen das Be- kriechen der Blüthen durch die Hummeln zur Ansetzung des Samens nöthig wäre, auch ist nicht erfindlich, welchen Nutzen es dem Landmanne gewähren solle, indem die wilden Stief- mütterchen ein lästiges Unkraut sind. Was soll man zu so vagen Behauptungen sagen, wenn weiterhin angeführt wird:*) „Man kennt eine Schwalben- und eine Drosselart, welche sich auf Kosten von verwandten Arten vermehrt". Ohne specielle Angabe der Art und Oertlichkeit, sowie des Beobachters ist eine solche Behauptung doch gar sehr hinfällig, und wenn sich auch nicht in Abrede stellen lässt, dass es Arten, sowohl bei Thieren als auch bei Pflanzen giebt, welche andere Arten verdrängen, so lässt sich dies doch nicht anders nachweisen, als durch die mittelbaren oder unmittelbaren Ein- flüsse des Menschen. In der freien Natur verhält sich dies anders und sind dort solche Erscheinungen nur scheinbar, indem 0 Seite 56. — 56 — dieselben auf ungenügenden und unsorgfältigen Beobachtungen beruhen, denn thatsäch lieh fördert in der freien Na- tur ein Lebewesen das Gedeihen des andern, und wenn niedere Thiere und Pflanzen zuerst erscheinen, um den höher organisirten den Boden vorzubereiten, so ist das kein Kampf um das Dasein, wie er in heutiger Zeit von vielen Menschen so gedankenlos im Munde geführt wird, sondern es ist die weise Organisation in der Natur, welche ein organisches Wesen durch das andere fördert. Verdrängt, vernichtet wird dadurch keines derselben, so lauge sich die örtlichen Zustände nicht wesentlich geändert haben; nur wenn die Bedingungen zum Leben nicht mehr vorhanden sind, verschwindet das eine oder das andere, um sich an andern geeigneten Localitäten wiederum auszubreiten. Wir haben da- rüber in unserm Bericht über die Versammlung der Ornitho- logen im Jahre 1870 zu Görlitz, S. 23, ausführlich gesprochen und nachgewiesen, wie eine Pflanze der andern die Stätte be- reitet, wo sie ihre Bedingungen zum Gedeihen findet. Es ist das eine Beobachtung, welche der Darwin'schen Lehre direct widerspricht, obgleich es ja blinde Anhänger derselben in hin- länglicher Zahl giebt, welche nicht abgeneigt sein möchten, irgend welche ihnen und ihren Hypothesen zusagende Schlüsse daraus zu ziehen. Wir würden uns nicht veranlasst finden, auf diesen Gegen- stand hier des Weiteren einzugehen, wenn nicht die ganze Tendenz des vorliegenden Werkes und seiner vielen Jünger dahin gerichtet wäre, auch bei den Wanderungen der Vögel Alles auf die Darwin 'sehe Lehre zurückzuführen. Die thatsächliche, oft wunderbare Begrenzung der Einzel- arten in den verschiedenen Localitäten, wclclie auf die oft uner- klärlichen Eigenthümlichkeiten einer Gegend begründet sind, soll auf Gründe, die dem Darwinismus passen, zurückgeführt Averden, namentlich auf die Schwierigkeit der Verl)indungcn. Wenn nun versucht ist, bei den Säugethieren naclizuweisen, dass eine Ver- bindung selbst entfernter Continente und Inseln stattfinden und eine Art aus grosser Ferne von einem Lande in das andere versetzt werden könne, so ist es wunderbar, dass die Schwierig- — 57 — keiten bei den Vögeln so eifrig hervorgehoben werden, die doch thatsächlich nicht vorhanden sind und es bei den Anhängern Darwin's um so weniger sein sollten, als sie bei den Wande- rungen nach ihrem beliebten Systeme die Vögel grosse Um- wege machen lassen, um das Wasser festzuhalten, und es doch nahe liegen müsste, dass solche Umwege ebensowohl um die Gebirge gemacht werden können. Aber es wird auch wohl nur in seltenen Fällen einer solchen Erklärung bedürfen, denn die Flugkraft der Vögel ist eine unendlich grössere, als dies gewöhnlich angenommen wird, und selbst in den höchsten Ge- birgen befinden sich Pässe, welche von den Vögeln überflogen werden. Die Eintheilung der Welt in zoologische Eegionen ist eine durchaus angemessene und sie ist seit langer Zeit von Schrift- stellern angeregt worden, namentlich auch von schwedischen, so zum Beispiel von Malmgreen, dessen Arbeiten in der „Nau- mannia" 1856 wohl kaum genügend beachtet sind, obgleich sie sicher zu den ältesten und besten zählen. Von hohem Interesse ist auch der Blick auf die ausgestor- bene Thierwelt und namentlich in der neuen Welt. Es wäre interessant zu erfahren, durch welche verwandten Eacen die ausgestorbenen grossen Säugethiere dort verdrängt wären, da keines derselben mehr vorhanden ist. Wenn in früheren Zeit- räumen sechs Pferdearten in Amerika gelebt haben und bei der Entdeckung durch die Europäer nicht eine Art mehr vorgefunden wurde, so beweist das doch deutlich, dass von einer Ausdehnung und Anpassung dieser Thierform bei veränderten Lebensbedin- gungen nicht hat die Kede sein können, dass alle Thierformen wesentlich stabil sind und nur bestehen können, wenn ihr Hei- mathsland ihnen die Bedingungen bietet, für welche sie erschaffen wurden. Diese Erscheinung ist um so interessanter, als in Nord- und Süd-Amerika die von Europa eingeführten Pferde sich nicht allein vorzüglich hielten, sondern auch rasch verwil- derten und heute grosse, prächtige Heerden bilden. Es werden nun diejenigen Vögel aufgezählt, welche für den nördlichen Theil Europa's charakteristisch sind. Eine specielle europäische Ornis besteht aber in keiner Weise. Schon Blasius - 58 — (der Aeltere) hat ncacbgewiesen, dass ausser einigen nicht all- gemein anerkannten Arten oder Localformen es keine Vogelarfc giebt, welche Europa eigeuthümlich ist, vielleicht mit der ein- zigen Ausnahme des Mittelspechtes. Indessen hat sich weiterhin herausgestellt, dass dieser Specht auch in Kleinasien nicht selten ist (vielleicht in einer etwas abweichenden Form) und somit könnte denn von keiner eigeuthümlichen Ornis für Europa die Eede sein. Wesentlich ist es Nord -Asien, welches in ausser- ordentlich grosser üebereinstimmung mit Europa steht, vorzugs- weise zwar der westliche Theil, aber immer noch in hohem Maasse der äusserste Osten. Es zeigt dies die Zusammengehörig- keit der beiden Welttheile, deren geographische Grenzen nicht einmal festzustellen sind. Aus diesen Gründen muss die Ornis von Europa und Asien und für viele Vögel auch die von Nord- amerika zusammengefasst werden, und es ist deshalb vollkommen begründet, wenn man heute von arctischen und paläarctischen Regionen spricht. Wenn es sich übrigens darum handelt, die Zahl derjenigen Vögel aufzuzählen, welche im äussersten Norden Europa's, jenseits des siebzigsten Grades, noch den Winter überdauern und AVallace hier allein noch den Schneeammer aufzählt, so dürften dem doch noch einige andere Arten hinzuzufügen sein, namentlich auch die nordischen Eulen, einige Enten (Samateria spectabilis*) und Stelleri, Triuga maritima), einige Möwen etc. Unter den als Charaktervögcl der Nadelholzregion vom 61. bis 70. Grade nördlicher Breite aufgeführten Arten sind mehrere enthalten, welche Avohl zeitweise so weit nördlich gehen, die aber in keinem Falle als Charaktervögel dieser Region be- trachtet werden können. Dahin gehören : „Pandion **j, Muscicapa, Pratincola, Hypolais, Acrocephalus und Coturnix". Einige dieser Arten sind nicht einmal sicher als regelmässige Brutvögel inner- halb dieser Region nachgewiesen. Im zweiten Bande seines AVerkes fasst Wallace die Resul- *) KönifTseiderente, Steller's Eiderente, Meerstrandläufer. **) Fischadler, Fliegenfänger, Wiesenschmätzer, Gartensänger, Rohr- sänger und "Wachtel. - 59 — täte seiner bisherigen Untersuchungen zusammen und äussert sich darüber (Band II, S. 595) : „Aus diesen und vielen andern Aehnlichkeiten *) der Ver- breitung ist es klar, dass die Vögel der Regel nach denselben grossen Wanderlinien wie die Säugethiere gefolgt sind und dass Oceane, Meere und Wüsten **) stets in bedeutender Weise ihren Verbreitungsbezirk beschränkt haben. Dennoch sind diese Bar- rieren nicht absolute gewesen, und im Laufe der Zeitalter waren die Vögel im Stande, fast jedes bewohnbare Land auf der Erde zu erreichen. Daher entstanden einige der sonderbarsten und interessantesten Phänomene der Verbreitung, und viele Inseln, welche von Säugethieren gänzlich entblösst sind oder sehr wenige Arten besitzen, sind voll von Vögeln, oft von eigen- thümlichen Typen und bemerkenswerth wegen eines ungewöhn- lichen Charakters oder einer ungewöhnlichen Gewohnheit. Auf- fallende Beispiele derartiger interessanter Vogelfaunen sind die von Neu-Seeland, den Sandwichs-Inseln, den Galapagos, den Maskarenen, den Molukken und den Antillen, und selbst kleine entfernt liegende Eilande, wie Juan Feruandez und Norfolk- Inseln, haben mehr Licht auf ihre vergangene Geschichte ver- möge ihrer Vögel geworfen, als vermöge irgend eines andern Theiles ihrer dürftigen Fauna." Ferner Bd. II, S. 596 : „Ein anderer eigenthümlicher Zug in der Verbreitung dieser Klasse ist die ausserordentliche Weise, in welcher gewisse Gruppen und gewisse äussere Charakteristica sich auf Inseln entwickelten, wo die kleinen und weniger machtvollen Vögel vor den Einfällen der Säugethier-Feinde geschützt waren und wo Raubvögel***) — welche in gewissem Grade von dem vielfachen *) Wiederum eine der beliebten Fallen für die Eitelkeit. "Was ist das aber für eine Beweisführung : Aus Aehn lieh k ei ten klar?! — v. H. **) Wir werden in den späteren Ausführungen die deutlichen Beweise führen, dass die Wüsten dem Vogelzuge keinerlei Hinderniss bieten, v. H. ***) Diese Erscheinung lässt sich doch nicht so einfach erklären, denn nicht alle Raubvögel sind vorzugsweise auf Säugethiere angewiesen. Manche Falkenarten z. B. leben fast oder ganz ausschliesslich von Vögeln und Insecten. v. H. — 60 — Vorhandensein von Säugetbieren abhängig zu sein scheinen — auch selten sind. So haben sich die Tauben und Papageien höchst wunderbar in der australischen Kegion entwickelt, welche vorwiegend insular ist, und beide Gruppen verlangen hier auf- fallende Farben, die anderswo sehr ungewöhnlich sind oder überhaupt fehlen. Aehnliche Farben (schwarz oder roth) erscheinen in denselben beiden Gruppen auf den fern liegenden Maskarenen, während auf den Antillen die Papageien oft weisse Köpfe haben, ein Charakter, der bei den verwandten Arten auf dem südamerikanischen Continente nicht vorkommt. Schöpfe werden auch in bedeutender Weise in diesen beiden Gruppen nur in der australischen Eegion entwickelt, und ein geschöpfter Papagei lebte früher auf Mauritius — eine üebereinstimmung, der oben erwähnten in den Farben zu sehr ähnlich, als dass man sie als zufällig betrachten könnte." „Denn wiederum bieten uns die Vögel einen bemerkens- werthen Contrast in Betreff der oceanischen Inseln, in tropischen und gemässigten Breiten, denn während die meisten der ersteren kaum irgend welchen Fall specifischer Identität mit den Vögeln der anliegenden Continente aufweisen, zeigen die letzteren kaum irgend welche Unterschiede. Die Galapagos und Madagaskar sind Beispiele der erstgenannten Eigenthümlichkeit, die Azoren und Bermudas der letzten, und der Unterschied kann deutlich auf die Häufigkeit und Heftigkeit von Stürmen*) in dem einen Falle und auf die Windstillen oder gleichmässigen Brisen in dem andern zurückgeführt werden." ,.Es scheint daher, dass, wenn uns auch die Vögel nicht denselben überzeugenden Beweis der früheren Vereinigung von jetzt von einander getrennten Ländern bieten, wie wir ihn von *) Das ist eine ganz unhaltbare Ansicht, theilweise hervorgegangen aus der von vielen Schriftstellern so gepflegten Sturmtheorie, auf welche wir später sehr ausführlich eingehen werden. Dass aber eine regel- mässige leichte Brise, zwischen dem Festlande und benachbarten Inseln, der Ver])reitung der Vögel und ihren Wanderungen störend sein sollte, ist eine Behauptung, welche im grellen Gegensatze zu allen thatsäch- lichen Beobachtungen steht. v. H. — 61 — den Säugethieren erhalten, sie uns doch viel sonderbare*) und gedankenanregende Information geben in Bezug auf die mannig- faltigen und complicirten Wege, auf welchen die vorhandenen Eigenthümlichkeiten der Verbreitung der Thiere zu Wege ge- bracht worden sind. Sie werfen auch viel Licht auf die Beziehung zwischen Verbreitung und den äusseren Charakteren der Thiere, und da sie oft dort gefunden werden, wo Säugethiere ganz fehlen, müssen wir sie als von gleichem Werthe für die Zwecke unseres gegenwärtigen Studiums betrachten." Es lässt sich nicht in Abrede stellen, dass viele der geist- reichen Untersuchungen Wallace's von hohem Interesse sind ; es ist auch gewiss natürlich, dass der bekannte Verfasser bestrebt war, nach den Gründen zu forschen, welche diesem oder jenem Lande seine eigenthümlichen Formen geben; indessen wurden diese Untersuchungen dadurch sehr beeinträchtigt, dass er die verschiedenen und localen Eigenthümlichkeiten wesentlich den Einwanderungen zuschreibt und auch hier bemüht ist, die verschiedenen Formen und Arten von einer Urform abzuleiten. Es widerstrebt dem, was wir in der heutigen Zeit überall in der Natur sehen, eine solche Armuth der Zeugung vorauszusetzen. Wohin wir blicken, ist gerade in diesem Punkte die Natur ver- schwenderisch. Welche Unmasse von Samen bringt oft eine Pflanze und doch ist derselbe nur bestimmt zur Erhaltung der Art und nicht um dieselbe zur Herrscherin und Unterdrückerin der verwandten Arten zu machen. Es lässt sich daher auch viel leichter und viel wahrscheinlicher erklären, wenn wir an- nehmen, dass zu der Zeit, wo unser Weltkörper im Schaffen war, eine unendliche Zahl verschiedener Wesen gleichzeitig entstand, dass dieselben so lange sich ausbreiteten, als die Bedingungen für ihr Leben vorhanden waren, dass mit der veränderten Be- schaffenheit der Erde neue Arten entstanden und diejenigen, welche sich überlebt, welche die Bedingungen für ihre Erhaltung nicht mehr fanden, erloschen. Diese p]rklärung erscheint weit '*) Diese Bezeichnung ist wohl auf Rechnung des Uebersetzers zu stellen, jedenfalls ist sie nicht passend, denn es giebt in der Natur wohl wunderbare, aber keine sonderbaren Zustände. v. H. — 62 — natürlicher und sachgemässer als die Annahme, dass alle spä- teren Formen aus den zuerst entstandenen Arten sich gebildet hätten. Damit ist auch Das, was die heutige Welt dem for- schenden Auge zeigt, allein in üebereinstiramung. Wir sehen an den Vögeln aus den ägyptischen Gräbern, dass Jahrtausende keine Veränderungen, auch nicht die kleinsten, in der Form her- vorgebracht haben, und wenn uns darauf entgegnet wird, dass Jahrtausende ein weitaus zu kleiner Zeitraum wäre zur Umbil- dung einer Form, so müsste doch ein so langer Zeitraum ge- nügen, um irgend einen Anfang der Umänderung sichtlich zu machen. Nach den einfachsten Grundsätzen der Mathematik wird millionenmal Nichts dieselbe Grösse sein wie tausendmal Nichts. Und selbst wenn wir uns hier auf die von den Anhängern dieser Lehre so gern betretene schlüpfrige Bahn der Muthmassungen begeben, so wird uns immer auch hier ein sehr gewichtiges Bedenken aufsteigen. Bei den allmählichen Umänderungen müssen doch nothwendiger- weise Mittelstufen entstehen, welche weder nach der einen noch nach der andern Seite geeignet wären, ihr Leben zu fristen. Wir wollen nur einen Blick werfen auf ein Säugethier oder einen Vogel, der bestimmt ist, von Körnern zu leben und sich in ein Kaubthier umwandeln soll, und wir überlassen es ,der Einbil- dungskraft unserer Leser, sich ein Bild zu machen von den Un- geheuerlichkeiten,*) welche sich bilden und doch geeignet sein müssten, in jedem elenden Zwischenzustande Jahrtausende aus- zudauern. Mögen auch manche Formen der heutigen Welt hinüber- greifen in längst vergangene Zeiträume, wir finden in sehr vielen Fällen keine Veränderungen. Arten und Gattungen, welche für die veränderten Zustände der Erde nicht mehr passten, sind untergegangen, Arten und Gattungen sind neu entstanden, während andere die Veränderungen der Erde überdauert haben. *) Man wende hier nicht ein, dass in dem bekannten Papagei der Südseeinseln ein solches Thier bestände. Das ist keineswegs der Fall. Solche Extravaganzen einzelner Thiere kommen vielfach in Folge localer Gelegenheiten vor, ohne dass dieselben im geringsten von ihrem Urtypus abweichen. — 63 - Wir haben weiter oben darauf hingewiesen, wie rasch eine Veränderung bei Pflanze oder Thier eintritt, wenn sie aus einer Gegend in eine andere, sei es durch die Natur, sei es durch Menschenhand gebracht werden; wir haben aber auch ge- zeigt, dass diese Veränderungen eine schnelle, eine kurze Frist haben, dass dieselben in wenigen Jahren aufhören und einen ört- lichen Abschluss bilden. Wenn wir einen Blick werfen auf manche Genera der Vögel, so finden wir, dass dieselben, obgleich sie nicht allein circumpolar sind, sondern auch alljährlich weit in den Süden wandern, nur durch eine einzige Art repräsentirt werden, z. B. Calidris,*) Strepsilas, während andere durch eine grosse Zahl von Arten repräsentirt werden.**j Zum Schluss wollen wir hier noch die Auslassungen Wal- lace's anführen, womit derselbe sein interessantes Buch (S. 603) schliesst : „Mehr als diese Bemerkungen wage ich jetzt nicht zu bieten über die unterscheidenden Züge der verschiedenen Gruppen der Landthiere hinsichtlich ihrer Verbreitung und ihrer Wanderungen. Es sind im besten Falle nur Andeutungen der mannigfaltigen Untersuchungswege, die uns durch das Studium der Thiere vom geographischen Gesichtspunkte aus eröffnet werden und dadurch, dass wir auf ihre Verbreitung in Raum und Zeit, als auf einen wich- tigen Theil der Erdgeschichte blicken. Viel Arbeit ist noch zu thun, ehe die Materialien zu einer vollständigen Behandlung des Gegenstandes in allen seinen Zweigen vorhanden sind und der Verfasser hofft, dass sein Buch zu einem systematischeren Sammeln und Anordnen der noth wendigen Thatsachen führen werde. Augenblicklich sind alle öffentlichen Museen und Privat- sammlungen zoologisch angeordnet. Alle Abhandlungen, Mono- graphien und Cataloge folgen auch mehr oder weniger vollständig der zoologischen Anordnung, und die grösste Schwierigkeit für Denjenigen, welcher die geographische Verbreitung studirt, ist das totale Fehlen von geographischen Sammlungen und der fast *) Sanderlino:, Steinwälzer. **) Die isolirten Arten sind gleichzeitig in Form und Farbe gewöhn- lich ganz constant. — ru — totale Mangel an vollständigen und vergleichbaren Local-Cata- logen. Ehe nicht alle bekannten Arten der wichtigeren Thier- gruppeu jedes gut markirten Districtes, jedes Archipels und jeder wichtigen Insel nach einem gleichen Plane und mit gleicher Nomenclatur catalogisirt sind, wird ein durchaus zufriedenstel- lender Bericht über die geographische Verbreitung der Tb lere nicht möglich sein. Aber mehr als das ist erforderlich. Viele der seltsamsten Beziehungen zwischen Thierformen und ihrer Heimath werden gänzlich unberücksichtigt gelassen, in Folge davon, dass die Producte derselben Localität in unseren Museen und Sammlungen nie zusammengestellt werden." Hier befinden wir uns in voller üebereinstimmung mit den Ansichten und Wünschen des Verfassers. In der That sind alle bisherigen Sammlungen gar wenig geeignet, dem Forscher in diesem Studium eine ausreichende Stütze zu gewähren, ja von vielen Stücken (selbst der öffentlichen Sammlungen) ist das Ur- sprungsland gar nicht nachzuweisen. Berücksichtigt man nun noch, dass von mancher Seite die kleinen Veränderungen bei den einzelnen Arten zu wenig oder gar nicht in Betracht gezogen werden, dass es sich in den Sammlungen nur um sogenannte gute Arten handelt und dass oft vornehm auf Diejenigen herabge- blickt wird, welche sich der Mühe unterziehen, auch kleine Unter- schiede nicht zu übergehen; erwägt man, dass solche Sammlungen wie der Verfasser sie wünscht, nur öffentlich sein können, da ein Menschenleben nicht dazu ausreicht eine solche Sammlung zu schaft'en, selbst nicht bei grösster Ausdauer und eifrigstem Be- streben, selbst wenn äussere Umstände und die Zeit den Forscher begünstigen: somuss man bekennen, dass es nicht allein wünschens- werth, sondern die Pflicht aller Derjenigen wäre, welche einen Ein- fluss auf die öffentlichen Sammlungen haben, dahin zu streben, dass dieselben ein solches wissenscliaftliches Fundament erhielten und man sich nicht ferner genügen Hesse, von jeder Art ein altes und ein junges Paar, vielleicht auch noch ein Frühlings- und ein Herbstkleid, aufzustellen. Als Fundament einer jeden solchen Sammlung wäre zunächst das eigene Vaterland zu berücksichtigen, wie dies z. B. in Stutt- gart seit längerer Zeit durchgeführt ist. Bei der Catalogisirung müsste jede locale Varietät ausdrücklich erwähnt werden u. s. w. Der ausserordentliche Nutzen solcher Sammlungen für die Wissen- schaft würde sich bald herausstellen. Besprechung der Werke neuerer Schriftsteller. IV. Palmen. Im Jahre 1876 erschien unter dem Titel: „Die Zugstrassen der Vögel" eine ausführliche Arbeit von J. A. Palmen, Docent der Geologie an der Universität Helsingfors. Wohl wesentlich aus dem Grunde, weil kein anderes Werk sich so eingehend mit der Frage über den ^ug der Vögel beschäftigt und nament- lich in deutscher Sprache keines vorhanden ist, welches einen ähnlichen Umfang hätte, ist dasselbe allgemein verbreitet und allgemein gekannt. Es wird daher nöthig sein, auf dasselbe ausführlich einzugehen. Der Kern der Arbeit gipfelt in der Annahme, dass die Vögel den Meeresküsten und den Stromläufen bei ihren Wanderungen folgen. Es ist dies die von Wallace geistreich, wenn auch unhaltbar entwickelte Idee, die Herr Palmen wesentlich wiedergegeben hat. Es würde daher in den meisten Fällen genügen, auf die Widerlegungen bei Besprechung des Werkes von Wallace hin- zuweisen, wenn nicht Palmen sich veranlasst gefunden hätte, das System noch weiter auszudehnen und sich in einer grossen Zahl von Schlüssen zu ergehen, die, auf keinerlei Naturbeobach- tung begründet, nur dazu dienen können, seine Angaben einer besonderen Eichtung des Darwinismus anzupassen. Es ist daher nöthig, auf das Palmen'sche Werk ausführlich einzugehen und dasselbe zu widerlegen, ^umal die Sprache des Verfassers — was das Selbstvertrauen anbelangt — derartig ist, dass sie wohl vermochte, weniger Kundige zu dem Glauben zu verleiten, dass alle seine Angaben auf zuverlässige Beobachtungen begründet Avären. Auch die sehr gelehrte Hülle, welche diese Arbeit trägt, ist wohl geeignet, das Urtheil des Laien zu beirren. Die Besprechung nmsste daher ausführlich sein und konnte V. Homeyer, Wanderungen der Vögel. 5 — GG — sich nicht einfach auf Dasjenige beziehen, was über das Werk von Wallace gesagt ist. Die Gesichtspunkte, von welchen Palmen ausgeht, erkennen wir an einer Stelle seines ersten Capitels, wo derselbe sagt: „Da das Ziehen seiner Natur nach ein Bewegungsver- mögen bei den einzelnen Individuen und somit auch bei der ganzen Art ist, so hat man, wie bei jeder entsprechenden Er- scheinung, zunächst zwei Momente zu berücksichtigen, das räumliche, die Zugstrassen,*) und das zeitliche. Das zeitliche Moment hängt zum Theil von dem Wege ab und kann erst dann ermittelt werden, wenn die Wegstrecken bekannt sind; dagegen setzt jede wissenschaftliche Beurthei- lung des Ziehens der Vögel unbediilgt eine Kenntniss des Weges, welchen sie einschlagen, voraus." Also nach Palmen's Ansicht kann das zeitliche Moment erst dann entwickelt werden, wenn die Kenntniss des Weges vorausgegangen ist. Wie man aber zur Kenntniss des Weges gelangen soll, ohne zuvor im weitesten Umfange das zeitliche Moment zu studiren, ist nicht begreiflich. Diese These steht auch mit den Ansichten Middendorf s in directem Gegensatz. Middendorff sucht auf Grund mühsamer und ausführlicher Untersuchungen die Zugzeiten der Vögel zu ermitteln, um dadurch die Zugstrassen zu bestimmen, und dies erscheint denn auch als der einzig mögliche Weg. Wie will man Wege finden, ohne vorher die Vögel beo))- achtet zu haben, zumal wenn so dürftige Beobachtungen diesen Hypothesen zum Grunde liegen, dass oft Hunderte von Meilen die Beobachter trennen, wenn die gelegentliche Wahrnehmung eines einzelnen Vogels genügt, um darauf hin eine beliebige Zugstrasse festzustellen. Im Allgemeinen hat Herr l'alnien sicli die Beobaclitung leicht gemacht. Dies ersieht man alsbald, wenn man die den» Werke beigegebene Karte betraclitet. *) Herr Palmen weiss also l)ereits vor Beginn seiner Untersuchun- gen, dass es bestimmte Zugstrassen gie.bt, oder glaul)t dies wenigstens zu wissen. Dies deutet wiederum die ausschliesslich geologische Rich- tung der Arbeit an Es sind einfache Linien am Meeresstrande und an den Flüssen, von allen den Punkten aus, wo dieselben sich einander nähern, von einer Insel zum nächsten Punkte des Festlandes etc. Um eine solche Karte herzustellen, bedarf es keines Studiums, es bedarf nur der Linien nach den eben angeführten Grund- sätzen, und wir werden weiterhin prüfen, wie dieselben mit den Thatsachen übereinstimmen; wir werden dann sehen, dass diese Ansichten auf wesentlichen L-rthümern beruhen, hauptsächlich hervorgegangen aus dem Umstände, dass man erfahrungsmässig au See- und Flussufern mancherlei Vögel und oft in grösserer Zahl wie in andern Gegenden findet. Dies beruht jedoch auf einem wesentlich andern Grunde. Die Vögel suchen auf ihren Wanderungen solche Gegenden als Ruhepunkte auf, an welchen sie eine reichliche Nahrung in üebereinstimmung mit anderweitigen Lebensbedingungen finden. Die Strandvögel wählen daher auf ihren Wanderungen geschützte Meeresbuchten und Seen, viele andere Vögel die Stromthäler. Das sind ihre Raststationen, und man hat dieselben verwechselt mit ihren Wanderstrassen. Es liegt auch kein Grund vor, weshalb die Strandvögel immer und unter allen Umständen dem Meeresstrande folgen sollen. Thatsächlich findet man die- selben nicht, oder doch nur in sehr seltenen Fälleu und in geringer Zahl, au den nackten freien Meeresküsten. Man findet sie aber oft tief im Lande, weit ab von Flüssen und den ,, roth gemalten Strassen", in weiten Sümpfen, an See-Ufern und ähnlichen Localitäten, wo sie auf dem Herbst- zuge zu vielen Tausenden erscheinen. In einem grossen Theile von Europa ziehen viele Vögel in einer vorzugsweise südwestlich-nordöstlichen Richtung. Nament- lich ist dies der Fall in Deutschland, Polen und dem südlichen Russland. Für letzteres Land wesentlich nach den Beobach- tungen von Radde und Kessler. Locale Abzweigungen, verur- sacht durch die Formation der Erde, finden sich an manchen Orten und soll darauf weiterhin zurückgekommen werden. Hier nur so viel, dass es eine ganz irrige Ansicht des Herrn Palmen ist, wenn derselbe die Oder, Weichsel und Elbe als Haupt- AVanderstrassen der Vögel betrachtet, während diese Ströme von 5* - 68 -- dem Vogelzuge geschnitten werden und nur au günstigen Oert- lichkeiten beliebte Eaststationen bilden. Wenn Herr Palmen zugesteht, dass die Kicbtung des Vogelzuges in Norddeutschland wesentlich Südwest-Nordost sei und hinzufügt, dass die Vögel den Stromläufen folgen, so lange dieselben nicht über 90 ^ von der eigentlichen Zugrichtung abweichen, so drängt sich die Frage auf, woher derselbe diese genaue Kenntniss erlaugt hat, um solche Specialia mit dieser Bestimmtheit zu behaupten? Was die Gebirge betrifft und ihre Pässe, so werden letztere wohl sicher von vielen Vögeln auf der Wanderung verfolgt, wenn das Gebirge eine bedeutende Höhe erreicht. Es ist jedoch ein Irrthum, wenn man Gebirge, wie z. B. das Riesengebirge, als irgend ein erhebliches Hiuderuiss für die Mehrzahl der Arten betrachten wiU. Leben doch auf den höchsten Kuppen dieses Gebirges kleine Vögel, sogar Schwalben, und ist der Weg über dasselbe von einem tüchtigen Flieger in wenigen Minuten zurückzulegen, auch erheben sich endlich Vögel freiwillig zu weit bedeutenderer Höhe. Da liegt es wohl auf der Hand, dass ein solches Ge- birge kein Hinderniss bilden kann. Herr Palmen führt hier auch Kjärbölling an. Gewiss war derselbe ein tüchtiger und eifriger Forscher, aber ebenso gewiss ist es ein Irrthum, *) wenn derselbe glaubte, dass die Vögel der Oder oder deren Niederung folgten. Richtig ist, dass ein wesentlicher Theil der skandinavischen Vögel — nicht bloss der Landvögel — ihren Weg vom südlichen Schonen nach der Westküste und den benachbarten Inseln Rügens nehmen. Weit bedeutender ist jedocii der Vogelzug an der Westküste von Schleswig-Holstein und auf den benachbarten Inseln. Nach den Hypothesen Palmen's führt ein Weg vom kas- pischen zum schwarzen Meere. Derselbe soll die Wolga und *) Wie man aus den ,,Ornithol. Briefen" ersehen kann, war ich mit Kjärbölling- eng- befreundet und schätzte sein vorzügliclies Beobachtungs- talent. Kjärbölling hat jedoch nie Gelegenheit gefunden, in Deutschland, namentlich in den erwähnten Gegenden, eigene Beobachtungen zu machen und seine Angaben über die Oder, Rügen etc. beruhen auf un- sicheren Mittheilungen und daraus gezogenen Folgerungen. — 69 — den Don verfolgen und müsste daher, sowohl im Herbste wie im Frühjahre, anfangs gegen Norden, dann gegen Süden führen. Es liegt aber auch Nichts vor, was nur eine entfernte Wahr- scheinlichkeit dieser Vermuthungen begründen könnte. Es wider- spricht ein solcher Bogenzug Allem, was wir über die Wande- rungen der Vögel kennen, speciell den Beobachtungen, welche in diesen Localitäten gemacht wurden; es widerspricht nament- lich den neuesten ■ Forschungen Radde's, welcher gefunden hat, dass der Kaspisee ein Sammelplatz unendlich vieler Wasser- und Sumpfvögel zur Winterszeit ist und dass dieselben vom nördlichen zum südlichen, vom östlichen zum westlichen Theile des Meeres gehen, in wenig Fällen weiter südlich. Vom Süden des See's gehen sie über verschiedene Stromläufe, um daselbst passende Plätze für den Winter zu suchen, weil die Hochge- birge Persiens einen directen Zug verwehren. Es ist ein viel verbreiteter Irrthum, wenn man solche Vögel, die an bestimmten Orten zu bestimmter Zeit in grosser Kegel- mässigkeit vorkommen, wenn auch immerhin in nicht grosser Zahl, für verirrte Vögel halten will. Wir werden weiterhin Gelegenheit haben, den wunderbaren Vogelzug auf Helgoland ausführlicher zu besprechen, um zu sehen, dass theils die Localität, theils der ausgezeichnete Beobachter uns davon Kenntniss gegeben hat, was an vielen andern Orten bei günstiger Localität und bei einem eifrigen und tüchtigen Beobachter auch zu finden wäre. Wenn man bedenkt, wie wenige Naturforscher, welche im Stande sind, einen AVandervogel in der Ferne zu erkennen und mit Sicherheit zu bestimmen, in Deutschland leben; wenn man erwägt, welch' ungeheurer Eaum den Beobachtungen jedes Ein- zelnen, bei einer gieichmässigen Vertheilung der Fläche, anheim- fallen würde ; wenn man berücksichtigt, dass gerade Deutschland verhältnissmässig die meisten Beobachter auf dem europäischen Festlande hat: so darf es nicht Wunder nehmen, dass die Zahl der beobachteten seltenen Erscheinungen in vielen andern Län- dern eine verhältnissmässig geringe ist. Und doch ist sie überall weit grösser, wie man dies gewöhnlich glaubt. Nocli in keinem Buche giebt es eine genaue Zusammenstellung aller der Beob- — 70 — achtungen, welche bisher gemacht worden sind, und aller der seltenen Vögel, welche sich in den einzelnen Sammlungen be- finden. *) Dass die Vögel unendlich weite Strecken über öde Flächen wandern, in gerader Eichtung dem Ziele zu, welches sie erstreben, das zeigen Eadde's ausgezeichnete Beobachtungen im östlichen Asien, wo der Vogelzug über die weiten Wüsten der Mongolei, welche grösstentheils des Süsswassers ganz entbehren, dennoch ein gewaltiger ist. Die Vögel ziehen einmal einen möglichst directen Weg, sie gehen nur da auf Umwegen, avo entweder besonders günstige Plätze ihnen reiche Nahrung bieten oder wo ganz unübersteigliche Hindernisse sich ihrem Zuge entgegen- stellen. Wenn man ziemlich allgemein zu dem Irrthum ge- kommen ist, dass die grossen Flussgebiete ganz bestimmte schmale Strassen für den Zug der Vögel wären, so liegt es zum grossen Theil in mangelhafter Beobachtung. Man sah nicht die Wanderer, als sie am Strome anlangten, man fand sie nur, als sie daselbst, sei es eine Raststation, sei es ihre Wintersta- tion, gefunden hatten. Auch ich war frülier geneigt, der allge- meinen Ansicht zu huldigen und wenigstens einzelne dieser grösseren Ströme als bestimmte Strassen anzunehmen, namentlich den Nil, die Wolga und theilweise den Rhein. Wesentlich ist es der Nil, welcher den Zugvögeln einen directen Weg in süd- lichere Gegenden bietet, wenn dieselben, aus dem Nordosten kommend, diesen nahrungsreichen Strom getroffen haben. Sie folgen dann demselben wohl auch streckenweise, bis sie ein anderes passendes Unterkommen gefunden haben, z. B. irgend einen der grossen Regenteiche. Es wäre jedoch ein Irrthum, wenn man glauben wollte, dass die Millionen von Vögeln, welche auf diesem Strome rasten, von den Mündungen an gewandert wären. *) Ueber die Vögel HelgoUuids wird hoiVcnilicli in kürzester Frist das lange erwartete Werk von Uäthke erscheinen. Wir werden daraus ersehen, dass diese Züge in vieler Hinsicht regelmässiger sind, als man dies bisher annahm, dass sie bei gewissen Winden, aus bestimmten Rich- tungen, zu gewohnten Zeiten erscheinen, und dass es keineswegs von Stürmen verschlagene Vögel sind, wie viele Schriftsteller behaupten, wenn sie mit ihren beliebten E r k 1 ä r u 71 g e n am Ende sind. — 71 — Der Rhein, und zwar wesentlich in seinem Mittelläufe, bietet für manche Vögel passende Raststationen, während der untere deutsche Theil des Rheinlaufes von Wasser- und Strandvögeln wenig besucht wird. Die grosse Mehrzahl der asiatischen Wan- derer, welche den Kaspisee besuchen, gehen dahin, ohne die Wolga zu berühren und verlassen ihn auf demselben Wege. Wie erwähnt, gestaltet sich dies auf dem Nil etwas anders, doch haben die Untersuchungen, namentlich von Brehm, gezeigt, dass Millionen von Vögeln weit ab vom Nil sich auf die Regen- Seen begeben, wo sie ihre Nahrung leicht und hinlänglich finden. Nach den Beobachtungen des Baron Müller findet man in der Provence zur Winterzeit manche osteuropäische oder westsibi- rische Vögel, namentlich Ammern. Man hat beliebt, diese dort gar nicht seltenen, aber regelmässigen Wanderer als verirrte Vögel zu betrachten, ohne zu bedenken, dass sowohl das regel- mässige Vorkommen derselben, an einem bestimmten Orte und zu bestimmter Zeit dem widerspricht. Gewiss ist es weniger auffallend, dass hier an der Küste des mittelländischen Meeres diese Vögel in ihnen besonders zusagenden Localitäten regel- mässig getroffen werden, als dass dieselben auf dem ganzen Wege, welchen sie von ihrer Heimath zurückgelegt haben, so wenig Gegenstände der Beobachtung geworden sind. Zögen alle diese Arten, oder auch nur einige, einen schmalen, be- stimmten Weg oder mehrere solcher Wege, dann würde es leicht sein, solche Strassen aufzufinden und die Wanderer zu beobachten ; aber sie ziehen nicht eine bestimmte schmale Strasse, sie ziehen gleich massig, fächerförmig über weite Landstrecken, und nur da, wo besondere Gründe obwalten und Hindernisse vorhanden sind, welche sich dem Zuge ent- gegenstellen, werden stärkere Vereinigungen bewirkt und dadurch die vermeintlichen Zugstrassen gebildet. Es ist auch ein entschiedener Irrthum, zu glauben, dass die grönländischen Zugvögel, welche nach Europa wandern, ihren Weg über Island und Skandinavien nehmen. Dem widerstreiten alle Beobach- tungen, namentlich diejenigen von Holböll, welcher auf seinen häufigen Reisen nach Grönland darüber eingehende Beobach- tungen gemacht und erwiesen hat, dass die grönländischen Zug- - 72 — Vögel ihren Weg südlicli von Island in der Eichtung nach Schottland und den benachbarten Inseln nehmen. Auch die hier von Herrn Palmen auf seiner Karte eingetragenen Zugstrassen sind thatsächlich unrichtig. Das darf um so weniger Wunder nehmen, als die ganzen Zeichnungen auf geographischen Wahr- scheinlichkeiten und nicht auf Thatsachen beruhen. Selbst da, wo andere Schriftsteller angeführt sind, enthält die Palmen'sche Arbeit so wenig kritische Untersuchungen, dass dieselbe eine Grundlage zu ferneren Schlüssen nicht bietet. Palmen giebt zwar zu, dass manche dieser Wandervögel bisher auf Island nicht beobachtet worden sind, aber er sucht den Grund in seltenen Ausnahmefällen und dem Mangel der Beobachtung. Eine solche Annahme ist um so willkürlicher, als dem widersprechende Beobachtungen vorliegen. Herr Palmen sucht den Grund der bisherigen geringen Resultate, welche die Untersuchungen über den Gegenstand des Vogelzuges ergeben haben, darin, dass heute die Totalität der Vögel zum Gegenstand der Untersuchung gemacht sei, daher keine sichere Grundlage zu einer eingehenden wissenschaftlichen Behandlung des Gegen- standes zu finden sei. Das Bestreben, nach einzelnen, wenigen Vogelarten allgemein gültige Schlüsse zu ziehen, geht wie eine der rothen Linien auf der Karte durch das ganze Buch, und wenn Herr Palmen sagt : „Es ist wichtig, im ganzen Zuggebiete der einzelnen Vogelart ihre sämmtlichen Zugstrassen zu ermit^ teln", so ist das kaum mehr als ein frommer Wunsch. Glaub denn Herr Palmen, dass er im Stande sei, sämmt- liche Zug Strassen auch nur einer einzigen Vogel- art genau anzugeben; hat er Beweise, dass es nur bestimmte Strassen sind, welchen die Vögel folgen; glaubt er zu wissen, dass alle Arten denselben Weg wandern? Palmen erwähnt nun die Untersuchungen Sundewall's über den Zug der Kraniche, suclit aber auch hier, namentlich für Deutschland, bestimmte Strassen nachzuweisen, was mit den thatsächlich en Verhältnissen nicht in Uebereinstimmung zu brin- gen ist. Zögen die Kraniche im Gänsemarsche, einer hinter dem andern, dann würde man nur an ))estimmten Stellen von -- 73 — Norddeutschland Kraniche sehen, aber man sieht sie überall, und ebenso verhält es sich im südlichen Eussland. Nach den Beobachtungen von Demidoff ziehen sogar die Trappen und viele andere Vögel über das schwarze Meer, statt dasselbe irgend- wie zu umkreisen. Dennoch lässt Palmen die Kraniche das schwarze Meer umfliegen, ohne Rücksicht darauf, dass es den- selben ein Leichtes ist, eine verhältnissmässig nicht grosse Strecke in einem Fluge zurückzulegen, und dass es keine grösse- ren Anstrengungen für dieselben erfordert, über Wasser wie über Land zu ziehen. Plan für die Untersuchung. Auswahl der Arten. Palmen ist der Meinung, dass man die Wahl habe, sich entweder auf Beobachtungen über die Ankunft der Vögel oder auf faunistische Thatsachen auf beschränkten Gebieten zu stützen und zieht letztere Methode vor, indem er der Ansicht ist, dass dieselbe ein exacteres und zuverlässigeres Ergebniss geben werde. Wenn man erwägt, was Palmen mit dieser Auslassung gemeint hat — denn deuten lässt es sich auf verschiedene Weise — so erscheint der Weg, den er eingeschlagen, in zweifacher Hinsicht nicht zum Ziele führend. Zunächst weil er ein ganz willkürlicher ist und auf beliebigen Vordersätzen beruht, dann aber auch, weil er gar nicht ist was er sein soll. Wie kann man von einem beschränkten Vogelgebiete*) sprechen, wenn es sich um Arten handelt, die circumpolar sind, deren Ausdehnung auch in den Breitegraden eine bedeutende ist? Wir werden weiterhin sehen — bei Besprechung der einzelnen Arten — was wir von dieser Auswahl zu halten haben. Von vorn herein war Palmen nicht frei in seinem Urtheil, er war befangen durch geologische Wahrscheinlichkeitsgründe, und es kam ihm nicht sowohl darauf an zu ergründen, ob die Annahme schmaler Zugstrassen richtig sei, als scheinbare Beweise für diese Ansicht zu sammeln. Wenn man in Dingen, welche in erster Linie Gegenstände der Natur- *) Will man dies anders verstehen, etwa eine beschränkte Anzalil der Arten, so werden die Schlüsse ebenso unsicher, ja ganz haltlos, denn was für eine Art richtig ist, wird es noch nicht für alle sein. - 74 - forschung. der Beobachtung sind, sicli genöthigt sieht, wieder und immer wieder Vermuthungen, ja Möglichkeiten auszusprechen und auf diese hin das Gebäude aufzurichten, welches man ge- plant hat, so kann dasselbe nur ein sehr unsicheres sein. Was kann wohl zufälliger erscheinen, als die Wahl derje- nigen Vögel, welche Palmen zu seinen vermeintlichen Unter- suchungen auserwählt hat? Wir werden weiterhin sehen, dass die Wanderungen von vielen derselben zur Zeit noch ganz unbekannt sind, von andern, dass ihre Wege sie keineswegs am Meeresstrande oder an den Küsten führen, und der Rest derart ist, dass er überall vorkommt. Herr Palmen legt ein grosses Gewicht darauf, dass die Aus- wahl dieser Arten nicht eine zufällige sei, sondern dass er rationell und plan massig*) gewählt habe. Derselbe erwähnt die Grundsätze, welche frühere Forscher, namentlich MiddendorflF, entwickelt haben und knüpft daran seine Bemerkungen, in welchen der Grundsatz aufgestellt wird, dass diejenigen Vögel, deren Flugrichtung während des Zuges an allen Orten, welche die Art bestreicht, unmittelbar wahrgenommen werden, die zuverlässigsten Resultate geben müssten. Aber woher weiss Herr Palmen, dass diese Strassen an allen Orten beobachtet, dass die Wanderer überall wahrgenommen werden? Glaubt denn derselbe, dass Vögel dort nicht vorkommen, wo sie bisher nicht beobachtet sind, und ist es nicht mehr als will- kürlich, von den einzelnen wenigen Punkten, an denen sich zufällig ein Beobachter befand, zu glauben, dass dieselben di« Zugstrassen der Vögel bezeichnen, dass nicht tausend andere Punkte vorhanden sind, wo dieselben Vögel und oft in weit grösserer Zahl ziehen, bisher aber nicht bemerkt wurden, weil es einfach an den Beobaclitern felilte? Wenn Herr Palmen der Ansicht ist, dass bei Beobachtungen des Vogelzuges es wesentlich darauf ankomme, einmal die Art sicher zu erkennen und dann die Richtung des Zuges deutlich zu beobachten, so lässt sich dagegen nichts einwenden; wenn wir jedoch fragen: *) Das Plannlässige in der "Wahl ist nicht zu bezweifeln, ol) dem beabsichtigten Zweck entsprechend, muss sehr in Frage gestellt werden. - 75 — „hat denn Palmen diese Grundsätze innegehalten?" und sind die ausgewählten Arten geeignet, um obige Zwecke 7a\ erfüllen, dann müssen wir dies entschieden verneinen. Wie überall, wird mit Eifer an dem Verwischen derjenigen Beobachtungen gear- beitet, welche dem gelehrten Herrn nicht in das System passen. So sagt derselbe S. 45 : „Wenn man dagegen findet, dass die Orte, wo eine Art wahrgenommen worden ist, über die ganze Zwischenzone mehr gleichmässig verbreitet sind, so darf man jedoch nicht behaupten, dass sie keinen Strassen folgt, denn e s kann im Gegentheil der Fall sein, dass die Art längs mehrerer und reichlich verzweigter Linien zieht, welche gerade durch ihre Anzahl und gleichmässige Vertheilung scheinbar verschwindet und daher bei dem vorerwähnten Verfahren der Aufmerksamkeit entgehen. Wie man ohne Schwierigkeit einsehen wird, findet ein gleichartiges Verhältniss bei den meisten Arten inner- halb ihrer Brüte- und Winterstationen statt und wird also zur Kegel für alle Vögel, bei denen diese beiden Zonen so nahe an einander liegen, dass sie einander berühren oder sogar theil- weise decken. In allen solchen Fällen ist die oben angegebene Methode, die Zugstrassen zu ermitteln, nicht befriedigend, son- dern andere genauere Beobachtungen müssen als Grundlage für die Schlussfolgerung gewählt werden. Also — wenn eine Vogelart über das ganze Wan- derungsgebiet gleichmässig vertheilt ist, wenn die genauesten Beobachtungen dies unzweifelhaft dar- thun, so darf man doch nicht daran glauben, was der Augenschein lehrt. Man wird ja: „ohne Schwie- rigkeiten einsehen", dass nur die Methode des Herrn Palmen befriedigend sein kann. Das ist mehr als man von dem gläubigsten Leser ver- langen kann. Im Gegensatze zu dieser Behauptung ist das bisherige Nichtbemerken eines Vogels an einer gewissen Localität noch lange kein Beweis des Nichtvorkommens, denn — abgesehen von verschiedenen Zufälligkeiten — wird an einem Orte öfter und besser beobachtet, als an einem andern, und es können aus — 76 — dem Fehlen einer Beobachtung keinerlei Schlüsse gezogen werden. Wenn nun der Verfasser der Zugstrassen ferner sagt: „Ein so unmittelbares Verfahren kann dagegen keine Anwendung finden, sobald die Art zu irgend einer Verwechselung mit ver- wandten Arten, geographischen Varietäten oder andern kritischen Formen Anlass giebt", so sehen wir, dass derselbe schon bei der Auswahl seiner Arten sehr weit von diesen seinen Grund- sätzen abgeht, indem es ganz unmöglich ist, verschiedene seiner auserwählten Arten im Fluge zu erkennen, z. B. Anser bra- chyrhynchus. Abgesehen von dieser Inconsequenz ist aber der Grundsatz Palmen's entschieden unrichtig, denn gerade solche Arten, welche geneigt sind, locale Varietäten zu bilden, eignen sich vorzugs- weise zur genauen Beobachtung. Sie tragen gleichsam ihren Geburtsschein mit sich herum und ihr Herkommen ist leichter nachzuweisen, als dasjenige von Arten, welche keine Verschie- denheiten zeigen. Das liegt so klar auf der Hand, dass darüber kein Zweifel sein kann. Aber auch eine ausführliche specielle Nutzanwendung bei Untersuchung der verschiedenen Formen einer Art werden wir bei Entwickelung unserer Ansichten über den Vogelzug geben. Wir werden weiterhin Gelegenheit haben, viele Wander- vögel auf ihrem Zuge zu verfolgen, werden finden, dass solche Züge oft so gleichmässig sind, dass sie an demselben Tage und zur selben Stunde in einer weiten Ausbreitung vorkonmien, wenn die einzelnen Oertlichkeiten klimatisch nicht von einander abweichen oder individuelle Eigenthümliclikeiten einzelner Paare ein früheres oder späteres Eintreften bewirken. In seinen Folgerungen geht Herr Palmen so weit, dass er S. 46 sagt: „Sollte jedoch auch diese Untersuchungsmethode keine Gewissheit geben, so wird man genöthigt, nach dem, was man erfahrungsmässig von den leichter zu ermittelnden Arten kennt, sich ein mehr oder weniger wahrschein- liches Bild von dem fac tischen Verlaufe zu entwerfen." Es gehört wohl die ganze Voreingenommenheit eines Mannes dazu, der ein bestinamtes Prinzip verfolgt, um da, wo es sich um exacte Naturforschung handelt, dergleichen Dinge auszu- sprechen. . Ein mehr oder minder wahrscheinliches Bild verlangt Niemand von einem Forscher. Mag er immer geben so viel er weiss, so viel er vermag ; aber was er giebt, das muss auf exacter Beobachtung begründet sein, das muss wenigstens in so weit feststehen, als es die Thatsachen selbst betrifft. Um ein mehr oder weniger wahrscheinliches Bild handelt es sich nicht, und wenn die Naturforschuug es nicht vermag, die Eäthsel zu erklären, dann mag sie die sichern, nackten Thatsachen geben. Und Herr Palmen geht sogar so weit, dass er aus- spricht, dass da, wo es au auf unmittelbare Thatsachen gegründeten Er mittelungen gebricht, der Schluss- folgerung freie Bahn gelassen werden könne! Also nach den Grundsätzen dieses Schriftstellers ist es dem Natur- forscher gestattet, überall da, wo sein Wissen am Ende ist, seine Fantasie an deren Stelle zu setzen. Herr Palmen fährt fort: „Vorhin ist schon bemerkt worden, dass gegenwärtig noch sehr unzuverlässige Beobachtungen vor- liegen, sowohl was das Phänomen in seiner Gesammtheit, als die Zugstrassen einzelner Arten betrifft, und daher muss jede Be- handlung des Stoffes mangelhafter ausfallen." Man sollte nun wohl glauben, dass Herr Palmen in rich- tiger Erkenntniss der Mangelhaftigkeit des ihm zu Gebote ste- henden Stoffes mit etwas weniger Zuversicht auf die Schlüsse blickte, welche er demselben verdankt. Aber man würde irren, denn er fährt also fort: „Die vorläufige Untersuchung, welche der Verfasser bei einer grossen Anzahl europäischer Vogelarten angestellt, erweist, dass viele derselben in Hinsicht auf die Lage der Fundorte er sichtlich mit einander übereinstimmen, folglich auch hinsichtlich der Z u g s t r a s s e n , *) obgleich sie unter sich in andern Eigenthüm- lichkeiten — Zeit, Frequenz u. s. w. — abweichen." S. 47 kommt der Autor auf die localen Formen einer *) Eine ganz unlogische Behauptung, denn verschiedene Vögel können aus sehr verschiedenen Gründen und auf verschiedenen "Wegen sich an einem Orte zusammenfinden. v. H. - 78 — Art zu sprechen, die er zur Beobachtung besonders geeignet hält. Es ist dies im Wesentlichen und Ganzen ein Gesichts- punkt, welchen wir immer hervorgehoben und als ein sehr wich- tiges Moment der Beobachtung erkannt haben. Ueberraschen aber muss diese Aeusserung von Seiten Palmen's, indem dieselbe mit manchen seiner anderweitigen Aeusserungen sehr wenig über- einstimmend ist*). Der Verfasser der Zugstrassen erörtert dies freilich in seiner eigenen Weise und verlangt, ja er macht es zur Hauptbedingung, dass diese Varietäten auch in der Lite- ratur gehörig von einander unterschieden sind. Man sollte denken, wenn diese Unterscheidungen bisher nicht vorlägen, so könnte jeder Naturforscher eine solche Trennung eintreten lassen und man brauchte nicht an die Literatur zu appelliren; dies wird um so weniger nöthig sein, wenn man seine Unter- suchungen auf Sammlungen gründet, in denen sich Exemplare befinden, deren Fundort genau angegeben ist. Es erklärt sich sehr einfach, wenn der Autor bei seiner sogenannten Auswahl von Vögeln behufs Beobachtung ihrer Wanderungen ängstlich darauf verzichtet hat, diejenigen Arten, welche man bisher als vorzugsweise geeignet zur Beobachtung erachtete, in sein Verzeichniss aufzunehmen, wohl wesentlich deshalb, weil alle, oder fast alle diese Arten den Beweis führen, dass die Wanderungen der Vögel nicht in so engen Strassen stattfinden, wie derselbe das glaubt, und dass vielfältige Beob- achtungen (die Ergebnisse genauer Untersuchungen) den Theorien des Autors direct widersi)rechen. Eine ganz eigenthümliche Idee war es, wenn Herr Palmen dazu gelangte, eine gewisse Anzahl von Vögeln zusammen zu werfen, die, wie wir weiterhin sehen werden, in ihrer Lebensweise, in ihren Gewohnheiten und auch in ihrer Zugrichtung so ausserordentlich von einander abweichen. Herrn Taimen genügte es, dass dies Alles hocharktisclie Vögel sind, und er ist der Ansicht, dass dieselben die am meisten abschlies- sende und begrenzte Gruppe bilden, *) Vergl. P. S. \X — 79 — Nachdem der Verfasser diejenigen Vögel, welche er zu seinen Untersuchungen besonders geeignet hält, aufgeführt hat — wir werden weiterhin darauf ausführlich zurückkommen — giebt er 8. 50 seiner Freude Ausdruck über die vorzüglich geeignete Wahl, welche er getroffen, welcher Freude wir indes- sen nicht beizupflichten vermögen. Wie wir fernerhin ausführlich zu erörtern gedenken, ist die Auswahl so unzweckmässig wie nur irgend möglich getroffen, und es ist schon aus diesem Grunde nicht wunderbar, dass die Eesultate der vermeint- lichen Untersuchung — die in Wahrheit nichts sind als Hypo- thesen — eine Zuverlässigkeit in keiner Weise bieten. Allgemeine Schlussbetrachtungen über die speciellen Angaben. Es lässt sich nicht verkennen, dass Herr Palmen mit einer gewissen Sorgfalt die Daten gesammelt hat, welche ihm über das Vorkommen der Vögel an bestimmten Plätzen zugänglich waren und geeignet erschienen. Wenn wir jedoch diese An- gaben näher betrachten, so sehen wir das Unvollständige und Mangelhafte derselben. Es sind weder alle Angaben über das specielle Vorkommen gesammelt, noch hat Herr Palmen es für nöthig erachtet, eine einzige grössere Sammlung zu dem Zweck durchzusehen, um sich selbst über die Arten und Abarten der Wandervögel zu unterrichten und Zeit und Ort ihres Vorkom- mens selbständig zu bestimmen. Es darf daher nicht Verwun- derung erregen, wenn die Zusammenstellung, obgleich mit vielem Fleisse unternommen, lange nicht ausreicht, um darauf hin sich selbst oder Andern ein richtiges Bild über den Vogelzug zu verschaffen. P]s wird auch ein ungebührliches Gewicht darauf gelegt, wenn hier oder da ein einzelnes Stück einer der von Herrn Palmen als Normal -Wandervögel betrachteten Arten ge- funden ist, und dies ist um so übler, als darauf hin Schluss- folgerungen gezogen werden, die als Basis für die ganzen Er- örterungen dienen sollen. - 80 — Noch ein bocliwichtiges Moment hat Herr Palmen gänzlich ausser Acht gelassen. Es sind dies die Futter- und Raststationen, welche doch eben einen ausserordentlichen Einfluss auf die Wanderungen der Vögel in ihrer Specialität haben. Wer die Gelegenheit gehabt hat, dergleichen Plätze öfter zu beobachten, der wird gefunden haben, dass verschiedene Vögel gewisse Stel- len alljährlich zu einer bestimmten Zeit aufsuchen und mehr oder weniger lauge daselbst verweilen. Schon einzelne Meeres- buchten werden vorzugsweise von den Wandervögeln besucht, weil sie ihnen mehr als andere die passende Nahrung bieten und zugleich Schutz bei stürmischer Witterung gewähren. Manche Seen, manche grössere Teiche, auch dann, wenn sie weit ab von Herrn Palmen's gemalten Zugstrasseu liegen, sind der Sammelplatz von Tausenden und aber Tausenden von Wasservögeln, so lange als sie denselben alles Das bieten, was die Wanderer begehren. Wird ein solcher See oder Teich trocken gelegt, so findet sich wohl während der Trockenlegung noch eine grössere Zahl von Wandervögeln, ähnlich wie in früheren Zeiten ein; beginnt jedoch die Erhärtung des Bodens, so sieht man auch die Zugvögel nicht mehr. Aelmlicli verhält es sich mit vielen andern solchen Stationen, namentlich auch mit manchen Feldgehölzen. Wir haben bereits nachgewiesen, wie wenig üebereinstim- mendes die von Herrn Palmen gewählten Vogelarten zeigen, wie wenig dieselben geeignet sind, ein einheitliches Bild zu geben. Schon die Strandvögel weichen unter einander ausserordentlich ab, namentlich der Meer - Strandläufer von seinen Verwandten. Die Wassertreter sind ganz eigenartig: Gänse, Schwäne und Enten durchaus verschieden von den P^idergänsen und die Möwen so eigenthümlich in ihrer Lel)ensweise , dass sie sicli von allen den genannten Arten gänzlich unterscheiden. Wenn Herr Palmen hervorhebt, dass im Innern Skandi- naviens die von ihm erwähnten Vögel nur ausnahmsweise ge- funden seien, so ist dies wohl sehr erklärlich, denn einestheils leben daselbst keine Menschen, noch weniger Naturforscher, die - 81 — im Stande wären, eine Beobachtung' zu machen, anderntheüs tritt auch der Winter in den Gebirgen so früh ein, dass die Seen sehr bald mit Eis bedeckt sind. Es ist daher wohl sehr erklärlich , dass man viele Vögel nur am Meeresstrande findet, selbst dann, wenn ihr Weg sie zu der Westküste Norwegens hin über das Festland geführt. Wie sehr der Verfasser von der Ansicht geleitet wird, dass die Vögel stets bei ihren Wanderungen über das Meer von dem äussersten Punkte eines Landes den zunächst gelegenen festen Punkt eines andern aufsuchen, zeigt sich recht deutlich in der Ansicht, dass die Vögel vom östlichen Finnmarken ihren Weg nach Spitzbergen über die Bären -Insel nehmen, was in keiner Weise durch die bis dahin vorliegenden Beobachtungen bestätigt wird. Keisende, welche die Bären-Insel besuchten, haben von sol- chen Vogelzügen nichts gesehen, ja es sind von denselben dort äusserst wenige Vögel angetroffen. Eine der wunderbarsten Folgerungen, veranlasst durch die beharrliche Idee, dass die Vögel vorzugsweise zwischen Wasser und Land zögen, liegt der Behauptung zum Grunde, dass eine Zugstrasse längs der Eisbarriere von Spitzbergen nach Westen und Südwesten bestände. Das ist reine Fantasie, die auch nicht durch eine einzige That- sache unterstützt wird, es sei denn ein Verkennen des Lebens einiger Vogelarten , z. B. einiger Möwen und des grossen Sturmvogels, welche so lioch im Norden auch noch zur Winterszeit weilen, wenn es die Verhältnisse irgend gestatten, weshalb sie auch öfter an den Eisbarrieren gesehen werden, keineswegs aber denselben folgen,' sondern vor ihnen zurückweichen. Herr Palmen sagt Seite 63: „Dagegen hat man unmittel- bar beobachtet, dass mehrere von den Arten, sowie etliche andere Vögel vom südlichen Norwegen zum nördlichen Theile der bri- tischen Insel, den Hebriden, Orkney-Inseln und Schottland ziehen, woselbst also der leitende Faden der Zugstrasse wieder auf- zufinden ist." Es wäre interessant, zu erfahren, worauf diese bestimmt ausgesprochene Behauptung sich begründen soll, wer der Be- V. Homeyer, Wanderungen der Vögel. 6 — ,S2 — obacliter ist imcl wo derselbe seine Erfahrung niedergelegt hat. Es ist zwar allgemein bekannt, dass viele Vögel von Norwegen nach Schottland und England wandern, darunter auch kleine nordische Landvögel; dass dieselben aber so hartnäckig in der Verfolgung einer so schmalen Strasse zwischen Land und Wasser wären, um die südlichste Spitze von Norwegen aufzusuchen, bevor sie den Flug über das Meer unternähmen, ist eine ganz neue Entdeckung des Verfassers und wir können dieselbe so lange nicht für richtig erachten, als nicht seine Angaben über alle specielle Beobachtungen besser erwiesen sind. Wir wollen hier noch eines ümstandes gedenken, auf den wir späterhin zurückkommen müssen, des Vorkommens von so- genannten verschlagenen Vögeln in Gegenden, wo man sie ge- wöhnlich nicht beobachtet. Es handelt sich hier um Mergulus alle, der im Jahre 1830 — 1831 durch einen Sturm in grosser Zahl an die Südküste Schwedens getrieben wurde, während in den meisten Jahren nur Einzelne beobachtet werden. Kennte Herr Palmen die Eigenart dieses Vogels, so würde ihm dieses Ereigniss nicht so auffällig erscheinen. Mergulus alle lebt zur Winterzeit auf offenem Meere und kann daher nur ausnahms- weise vom Lande aus bemerkt werden. Das Vorkommen bei Gelegenheit des Sturmes zeigt, dass er in grosser Zahl vorhan- den war und eben mangelnde Beobachtung ihn seltener erscheinen lässt, als er in der That ist. Wie wenig der Autor der Zugstrassen das ganze Leben der einzelnen von ihm als Gegenstände der speciellen Untersuchung gewählten Vogelarten kennt oder beobachtet hat, ersieht man bei seinen Bemerkungen, welche er an die Vögel Schonen's an- knüpft. Derselbe thut es mit den Worten: „Beim ersten Blick *) auf obige Einzelheiten gewahrt man, dass eine auffällige üeber- einstimmung zwischen den Arten obwaltet; alle sind längs der südlichen und östlichen Küste gefunden worden, die meisten auch in geringerer Zahl an der westlichen**), aber im Innern des *) Wiederum einer der vielen stereotypen Ausdrücke zur Beein- flussung^ des Lesers. **) Dass die Westküste Norwegens arm an Strandvögeln ist, erklärt sich einfach durch ihre felsige Beschaffenheit, welche den Wander- vögeln keine Futterplätze bietet. J — 83 — Landes treten nur wenige und, so viel man weiss, nur an we- nigen Orten auf." Wenn Herr Palmen beim ersten Blick eine auffallende Uebereinstimmung zwischen dem Vorkommen der erwähnten Arten bemerkt, so dürfte es wohl nöthig sein, dass derselbe noch einmal und etwas genauer hinsähe. Wir haben schon darauf hingedeutet, wie verschiedenartig die Einzelarten in ihrer ganzen Lebensweise als auch in Rücksicht auf die klimatischen Verhält- nisse sind. Meeres- und Strandvögel, regelmässige Frühwanderer und harte Wintervögel werden, wenn sie in ganz verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Umständen in einer und derselben Gegend angetroffen sind , als übereinstimmend in ihren Wanderverhält- nissen betrachtet und es wird daraus geschlossen, dass alle diese Vögel, oder doch viele Gruppen derselben, gemeinsame Wege gewandert. Diese W^ege sind es ja eben , welche Herr Palmen in sei- nem Buche darzulegen sucht; die Beharrlichkeit, mit welcher derselbe sein Ziel verfolgt, lässt ihn so Vieles verkennen, was auf die Zugrichtungen der Vögel von entscheidendem Einfluss ist. Vor allen Dingen sind die Raststationen von wesentlichem und entscheidendem Einfluss. Es ist wohl sehr erklärlich, dass alle Vögel danach trachten, auf ihren Wanderungen Punkte zu linden , wo sie Nahrung und passenden Aufenthalt haben ; es liegt auch kein Grund vor, weshalb die Wanderer, um einen dieser Punkte zu erreichen, nicht Umwege machen sollten, weshalb sie beharrlich stets zwischen Wasser und Land ihren Weg suchen müssten und es ängstlich vermieden, über das Land oder über das Wasser zu fliegen. Wir werden weiterhin zeigen, wie sehr diese Voraussetzung den Thatsachen widerspricht und das schon öfter erwähnte Zu- sammentreffen verschiedener Arten an solchen Punkten , wo sie alles Dasjenige finden, dessen sie bedürfen, sie daselbst vereinigen, ohne dass irgend ein Grund vorhanden wäre, anzunehmen : die Wege, welche sie dahin geführt, seien dieselben. Werfen wir einen Blick auf die Specification der in Finnland beobachteten Arten, demjenigen Lande, von welchem man, da — 84 - der Verfasser innerhalb desselben lebt, wohl voraussetzen dürfte, derselbe besitze die genaueste Keuntniss des Vorkommens der Einzelarten. Dies ist jedoch keineswegs der Fall; die Angaben sind nicht allein ausserordentlich dürftig, sondern auch entschie- den unrichtig und unzuverlässig. Was soll man davon denken, wenn der Verfasser bei Anser albifrons sagt: „Die Eismeerküste — wahrscheinlich etwa auch an der Mündung des weissen Mee- res oder irgendwo an dessen Südküste." Also wahr- scheinlich hier oder irgendwo, das sind die Grund- lagen, auf welche hin der Verfasser seine Schlüsse zieht. Ja noch mehr, er v e r m u t h e t nur, dass überhaupt diese Art ge- sehen sei, S. 71. Herr Palmen scheint es nicht für nöthig erachtet zu haben, bevor er seine Schlüsse zog, sich von der Wahrheit und Zuver- lässigkeit der ihm etwa gewordenen Mittheilungen zu überzeugen, noch weniger die in den Landes-Museen vorhandenen Exemplare selbst zu untersuchen, um die Art genau festzustellen. Wunder- bar ist allerdings die geringe Kenntniss des eigenen Landes und scheint daraus hervorzugehen, dass Herr Palmen weder Gelegen- heit genommen hat, eigene Beobachtungen zu machen, noch diejenigen zuverlässiger Freunde zu benutzen. Diese zuverlässigen Freunde scheinen Herrn Palmen aller- dings gefehlt zu haben. Dieselben mögen auch auf dem unge- heuren Kaumc, auf welchem Herr Palmen es unternommen, den Vögeln ihre Zugstrassen anzuweisen, selten und schwer zu finden sein; aber man rauss die Kühnheit bewundern, mit wel- cher der Verfasser der Zugstrassen es versucht, auf so unsichere, so unzuverlässige Beweise hin ein Gebäude aufzuführen, welches dazu bestinmat sein soll, einen festen Kern zu bilden, von wel- chem alle ferneren Beobachtungen ausgehen. Die nähere Betrachtung der einzelnen Arten wird dies klar- legen. *) Nicht im Fluge zu unterscheiden von Anser segetum ist: Anser brachyrh ynchus; ja es giebt viele Sammler, welche sie nicht zu unterscheiden vermögen, wenn sie *) Wir geben liier wescntlicli die ]'almrn'scheii Angaben wieder und fügen denselben nur hin und wieder einige Daten bei. v. H. — 85 - den Vogel in der Hand haben. Tliatsäcblich ist dies ja kein Mangel, aber es widerspricht den Anforderungen, welche Palmen anderweitig stellt. C h a r a d r i u s h e 1 v e t i c u s ist in Grösse , Gestalt , Flug und Färbung dem Charadrius auratus so ähnlich, dass ein ge- übter Beobachter dazu gehört, beide in gewisser Entfernung zu unterscheiden. Phalaropus fulicarius ist leicht mit Phalaropus cinereus zu verwechseln. Tringa subarquata wird oft mit Tringa alpina und Tringa minuta mit Tringa Temminckii verwechselt. Cygnus minor bedarf eines guten Beobachters, um ihn sicher von Cygnus musicus zu unterscheiden. Somateria spectabilis ist in einiger Entfernung der S. mollissima ähnlich. Mit den Möwen aber ist es vollends bedenklich, zumal wenn es sich um junge Vögel handelt. Unter der ganzen Anzahl der von Palmen aufgeführten Arten bleibt also kaum eine einzige, die sich mit Sicherheit in einiger Entfernung erkennen Hesse, immer auch nur dann, Avenn ein guter Beobachter zur Stelle ist ; aber wie viele solcher zuverlässigen Beobachter hat denn das weite russische Eeich ? In der Palmen'schen Schrift ist der beobachteten Zugrich- tung, des Windes u. s. w. gar nicht gedacht, obgleich das doch sehr wesentliche Mittel sind, die Wege, welche die Vögel wandern, zu erkennen. Hier fehlen auch fast alle Beobachtungen, denn in wenigen Fällen, ja als sehr seltene Ausnahme, hat ein Beob- achter die Zugrichtung erwähnt. Schon in Deutschland empfindet man den Mangel tüchtiger und eifriger Beobachter und doch steht die Zahl derselben, im Vergleich zui- Grösse des Landes, etwa im umgekehrten Ver- hältniss wie in Eussland. Was wollen daher so vage und so lückenhafte Beobachtungen bedeuten ? Wir haben bereits oben gesehen, dass Ans er brachy- r h y n ch u s sich als eine wenig glückliche Wahl im Sinne Palmen's herausgestellt hat, da er sich im Fluge nicht von seinen Ver- wandten unterscheiden lässt. Betrachten wir denselben jetzt iik — 86 — Rücksicht auf seine Lebeusgewobuheiten und die vorliegenden Beobaclitungspunkte. Nacb Palmen's Angaben ist derselbe beob- achtet : in Finmarken einmal, „ Norwegen einmal, „ Spitzbergen brütend, „ Holland jährlich vereinzelt (Schlegel), ,. Belgien sehr selten (Selys), ,, Schottland und Inseln öfter und in kleinen Flügen, ,, Frankreich einigemal an den Flussmündungen des Nordens. Ausser den Brutplätzen ist diese Gans also einmal in Fin- marken, einmal in Norwegen aufgefunden, kommt in geringer Zahl in Schottland, einzeln in Holland, sehr selten in Belgien und hin und wieder in Nordfrankreich vor, und nach diesen so ausserordentlich lückenhaften Angaben will der Verfasser die Zugstrassen, die Flug- und Zugrichtung derselben feststellen. Charadriiis lielveticus. Spitzbergen fehlt. Island fehlt. Uebrigens führt ihn Palmen überall auf, nur hebt er das weit seltenere Erscheinen an der westlichen deutschen Nordsee- küste nicht genügend hervor, was von allen dortigen Beobachtern behauptet wird. Ebenso erwähnt er gar nicht das häufige Vor- kommen am Ostufer des mittelländischen Meeres, in Klein-Asien und Syrien. Im Binnenlande gehört er auch zur Herbstzugzeit auf solchen Mooren, wo Charadrius auratus gern lebt, zu den ganz ge- wöhnlichen Erscheinungen. Sein sparsameres Erscheinen an der westlichen deutschen Nordsee und das öftere Vorkommen im Lande machen es sehr wahrscheinlich, dass er in bedeutender Zahl durch Deutschland zum mittelländischen Meere zieht. Er gehört, wie alle Charadrien, zu den halben Nachtvögeln und macht seine Eeisen — so weit dies bisher hat ermittelt werden können — wesentlich während der Abend- und Morgendämme- rung, auch öfter bei Nacht, stimmt also auch hier nicht mit Palmen's Wünschen für die zu beobachtenden Vögel überein. Betrachten wir jetzt das Vorkommen der von Palmen er- wählten einzelnen Arten, wesentlich nach den Angaben desselben. Phalaropiis fulicarius. Norwegen. Oct. Nov. Jan. vereinzelt. Schweden. Einmal, Gefle ; einmal Schonen. Finnland. Einmal an der Südküste. Dänemark und deutsche Ostseeküste. Palmen führt die mecklenburgische Insel Poel und die dänische Küste an, „dem noch Vorpommern hinzugefügt werden kann" (v. H.). England. Namentlich im Norden. Frankreich. Mitunter zahlreich an der Nordküste. Böhmen. Dreimal (Fritsch). Schweiz, Südfrankreich. Einigemal auf den schweizer Seen und im Süden Frankreichs. Valencia. Einmal im Sommer (Vidal). Südrussland. Einmal im Jaroslav'schen Gouvernement und nach Alex. Nordmann am Schwarzen Meere. Er brütet zahlreich in Nordasien an der Eismeerküste, wird aber auf dem Zuge verhältnissmässig sehr selten beobachtet, theils weil er ein sehr harter Vogel ist und in gelinden Wintern nicht weit südlich wandert, theils weil er, wie seine Gattungsverwandten, auf dem Meere weilt und unbe- merkt bleibt. Es ist daher ein grosser Irrthum, ihn als Küstenvogel aufzuführen, denn daselbst zeigt er sich nur höchst ausnahmsweise am Tage (v. H.j. Tringa subarquata, miiiuta und canutus. Diese drei Straudläuferarten kommen au vielen Stellen der Ostsee, der friesischen Inseln, Helgoland, der schwedischen Küste u. s. w. zur Herbstzugzeit zahlreich vor, oft auch in grosser Zahl auf den weit im Lande ^gelegenen Sümpfen. An der westlichen deutschen Nordseeküste scheinen sie verhältnissmässig weit sel- tener zu sein, wenigstens haben die dortigen Beobachter (Droste, Wiepken) so berichtet. Dies erklärt sich sehr einfach dadurch, dass der Hauptzug durch das Innere Deutschlands zum mittel- ländischen Meere geht, wo man sie — vorzugsweise Tringa sub- arquata — zahlreich findet. Bei Palmen liegt in Kücksicht auf die sibirische Tringa minuta in vielen Fällen eine Ver- wechselung mit Tringa Damascena vor, wie denn überhaupt bei demselben ähnliche Arten öfter identificirt werden, je nachdem dies in das System passt oder der Verfasser der Zugstrassen Gelegenheit hatte, dieselben kennen zu lernen. Sie erscheinen an den deutschen Küsten, wie an den Ge- wässern im Innern unseres Vaterlandes einzeln, in kleinen Ge- sellschaften oder zuweilen auch in sehr grossen Flügen, im ersteren Falle meistens unter Gesellschaften anderer kleiner Strandläufer gemischt, schon im August: der Durchzug dauert den September hindurch und endet gegen die Mitte des October. Im September kommt er bei uns am häufigsten vor, wie er denn überhaupt in dieser Jahreszeit hier keine Seltenheit ist. Im Jahre 1801 war er in Flügen zu Hunderten am Eislebener Salzsee (Naumann VII, S. 329). Tringa maritima. Dieser ist ein Bewohner felsiger Küsten, der in das innere Land gar selten kommt, überhaupt ist er sehr hart und die gi'osse Mehrzahl bleibt auch im strengen Winter im hohen Nor- den. Man kann diesen Vogel nicht unter die eigentlichen Zug- vögel rechnen, denn mit geringen Ausnahmen wird er nur aus dem Norden Schritt vor Schritt verdrängt, wenigstens an der westeuropäischen Küste, auch in Island und Grönland, wo er im Winter von den nördlichen zu den südlichen Küsten dieser Län- der geht. Anders mag es in Nordasien sein, wo das Eis ihn wohl alljährlich zwingt, die Küste zu verlassen und in südwest- licher Kichtung den Kaspisee und den Osten des mittelländischen Meeres aufzusuchen, daher auch sein regelmässiges Erscheinen an den westasiatischen und griechischen Küsten und Inseln. Uebrigens kommt er an der deutschen Ostseeküste doch öfter vor, als Palmen dies nach der überaus dürftigen Quelle von Borggreve annimmt. In meiner Sammlung allein befinden sich z. B. fünf in Preussen und Pommern erlegte Exemplare und es sind mir noch verschiedene andere dort erlegte Stücke bekannt geworden. (v. H.) - 89 — Anser albifrons. Es ist auffällig, dass Palmen diese Gans nicht mit Sicher- heit für Finnland aufführt, denn seine Angaben : „Eismeerküste (wahrscheinlich) und auch an der Mündung des weissen Meeres oder irgendwo an dessen Südküste" sind doch keine wissen- schaftlichen Daten, auf die man vertrauen kann. Nun mag es in Deutschland wohl wenige Sammler geben, die nicht Bälge und Eier dieser Gans aus Finnland erhalten hätten. An der preussi- schen Küste ist sie gar nicht selten. Sie zieht, wie ihre Gattungsverwandten, nicht der Küste nach, sondern an der ganzen südlichen Ostsee, im Frühjahre in der Richtung von Südwest zu Nordost, im Herbste umgekehrt. An den rechten Zugtagen kann man, namentlich in den Vormittagsstunden, unzählige Gänse verschiedener Arten in dieser Richtung ziehen sehen, und zwar überall und an jedem Orte der Provinz. Wo bleibt da die so sicher behauptete Küstenwanderung? Vollends irrthümlich wäre es, wenn man hier auf die beliebten Flusswanderungen recurriren wollte, denn kleine Flüsse benutzen die Gänse nicht einmal als Ruhestationen, und wenn dies in seltenen Fällen an den Mündungen beobachtet sein sollte, nur wenn die Seen noch, oder schon, eine Eisdecke tragen. Somateria spectabilis. Norwegen. An den südlicheren Küsten sehr vereinzelt. Südliche Ostseeküste. An der deutschen Küste ist ein altes Männchen auf dem Rüden, einer kleinen Sandinsel im Greifswalder Bodden, ein Weibchen am 11. März 1844 bei Danzig*) erlegt. In Däne- mark auch zweimal erbeutet. *) Palmen sagt S. 84 (in Bezug auf Danzigj: „Sogar häufiger laut Borggreve j) und führt dann noch an: Greifswald, Naumann." Borggreve hat — so viel bekannt — nur das Danziger Exemplar -|-) Die Angaben von Borggreve für Preussen, namentlich Westpreussen, sind wesentlich nach der Böck'schen Sammlung und nach den Notizen von Bock po- niacht. Böck's Sainmlung enthielt von preussischen Vögeln die Ausbeute des da- mals sehr reichen Danziger Marktes und die Geschenke vieler Freumle. Die Sammlung bot deshalb immerhin einen sehr werthvoUen Beitrag zur Ornis Preu- — 90 - Schottland -Irland. Nur sehr einzeln auf den nörd- lich von Schottland gelegenen Inseln und einmal in Irland. Frankreich. Einmal bei Boiüogne. C.vgiiiis Bewickii. Norwegen. Ungewiss. Finnland. Viermal. Schweden. Nicht beobachtet. Nordrussland. Nicht beobachtet. Dänemark. Einzeln. Deutsche Ostseeküste. Palmen führt ihn nicht auf, mir sind einige in Vorpommern erlegte Exemplare vorgekommen. (v.H.) Oldenburg. Eimnal an der Küste (P.).*) erwähnt, wenigsteus in seiner Schrift über die Vögel Norddeutschlands nur dieses. Ist dies irgendwo anderweitig geschehen, so hätte Palmen die Stelle anführen müssen. Gewiss aber ist, dass bisher nur diese beiden Exemplare an der deutschen Ostseeküste gefunden wurden. Das von Naumann erwähnte Greifswalder Stück ist dasselbe, von dem eben ge- sprochen wurde. Es reducirt sich daher das ganze Vorkommen an der südlichen Ostseeküste auf zwei deutsche und zwei dänische Exemplare. Es sind dies eben die äussersten südlichen Ausläufer des sogenannten Zuges, denn von einem wirklichen Zuge kann hier nicht die Kede sein, indem die Königseidergans ein Vogel des höchsten Nor- dens ist, der nur Schritt vor Schritt dem Andringen des Eises weicht. V. H. *) Es ist ein grosser Irrthum, wenn Palmen den kleinen Schwan an den offenen Meeresküsten vorkommen lässt. Er zieht weder längs der Küste, noch ist jemals daselbst — wenigstens an den deutschen Küsten — auch nur ein einziger beobachtet. Früher kam er, nach brieflichen Mittheilungen des Pfarrers Bolsmann zu Gimbte, regelmässig auf dem Zuge auf einem grossen, flachen Sumpfe in der Gegend von Münster vor, ist daselbst jedoch nicht mehr gesehen, nachdem dieser Sumpf trocken gelegt ist. Dagegen erscheint er, wie Herr Wiepken berichtet, sehr regelmässig in den flachen Buchten Oldenburgs, namentlich im sens, indessen war Bück wegen Kurzsichtigkeit nicht im Stande, Beobachtungen im Freien zu machen, unil i'.a er als Geistlicher keine Flinte führen durfte, so fehlten der Sammlung viele in Westpreussen ganz gewöhnliche, ja gemeine Vögel. Das so oft citirte Verzeich niss von Borggreve ist daher auch hier, wo es noch die verhältnissmässig beste Quelle benutzt hat, nicht zuverlässig. v. II. — 91 — Holland. Sehr selten (Schlegel). Winter 1870—71 nicht selten (Albarda). Belgien. Mehrmals. Degl. & G. (Palmen». Das Innere Deutschlands. Anhalt mehrmals, Möckern bei Leipzig und Pöplitz im Muldethal (Naumann J. Lausitz (Tobias). Münsterland einigemal (ßolsmann). Verschiedene Theile Deutschlands (Brehm). Neuwied (Brahts). Mark (Schalow). Westphalen (Bremer Museum)*); Wes*phalen (Droste). (Palmen). Britannien. In Schottland und Irland nicht selten. Island. Fehlt. Frankreich. Im Norden. Calidris arenaria. Norwegen. Nur an der Südwestküste öfter, sonst sehr einzeln. Schweden. An der Küste. Kurland. Gemein am Ostseestrande im Herbste (Göbel). N 0 r d r u s s 1 a n d. Südufer des Onega im Frühling (Blasius). Deutsche Ostsee. Zieht längs der Küste, an der Ost- see im September — November (Naumann, Tbl. 7). (Palmen.) Palmen hat hier Naumann etwas in seinem Sinne ver- bessert, denn Naumann sagt Th. 7, S. o60: „Er scheint der Kichtung der Küsten zu folgen, da verhältnissmässig nur wenige in das Innere der Länder eindringen." Naumann spricht daher Frühjahr. So weit die bisherigen Beobachtungen reichen, geht die Zug- richtung von Westphalen über Holstein, das südliche Schweden und die Ostsee nach Finnland. Weder an der Küste von Norwegen — die auch für ihn ganz ungeeignet ist — noch an der nördlichen Küste von Schweden wurde er bisher beobachtet. Diese Daten beweisen, wie wenig glücklich die Wahl des Herrn Palmen war, den kleinen Schwan als Küstenwanderer und als Muster und Grundlage seiner Theorien hinzustellen. Man hat ihn vielmehr weit öfter im Innern des Landes und stets auf stehenden, flachen Grewässern, nie auf Flüssen und am offenen Meere gefunden. v. H. *) Dies ist eins der vom Pfarrer Bolsmann erlangten Stücke, ebenso wie die von Droste erwähnten. v. H. — 92 - nicht von einer bestimmten Thatsache, sondern von einer Ver- muthung. Herr Palmen bat aber wohl übersehen, was Naumann 1, c. S. 361 hinzufügt: „Wir haben ibn am Ufer des salzigen See's nur ein paar Mal im April und Herr Just im Mai einmal angetroffen, dagegen in manchen Jahren im September und October viele gesehen und erlegt, die sich bald Alpenstrand»läufern angeschlossen hatten, bald in kleinen Flügen für sich allein waren. Das an Schnepfenvögeln so sehr gesegnete Jahr 1801 brachte auch so viele dieser Vögel (fast alle in reinem Jugendkleide) an j.enen See, dass sie im September und October dort ebenso häufig und in ebenso grossen Schaaren beisammen waren wie die Alpenstrand- läufer. — Seine Wanderungen unternimmt er zur Nachtzeit." So weit Naumann. Wir werden weiterbin darauf zurück- kommen (v. H.j. Nordsee. Nach den übereinstimmenden Angaben der Beobachter ist der Sanderling an den deutschen Nordseeküsten und auf den vorliegenden Inseln verhältnissmässig selten l)eob- achtet worden (Droste — Wiepken). *) (Palmen.) Holland und Nordfrankreich. Zablreicb. Britannien. An allen Küsten, weniger im Lande. Italien. Kommt zahlreich bei Genua und Nizza vor (Palmen). Ist im Winter überall an den Küsten, oft zablreicb ver- breitet (V. H.). Ausserdem häufig von allen Sammlern aus Griechenland, Kleinasien, Syrien u. s. w. erhalten (v. H.). S ü d r u s s 1 a n d. Herbst und Frühjahr (Demidoff). Do- brudscha (Sintenis). Böhmen. Mehrmals erlegt (Fritsch). Ungarn. Herbst nicht selten (Landbeck). *) Nordsee häufig, Ostsee einzeln (RowcderJ. Helgoland häufig (Gätke). V. H. — 93 — Anser leucopsis. Norwegen. Sehr einzeln. Schweden. In einigen Buchten Sttdschwedens sehr zahl- reich (Nilsson — Gadamer). Wener-See (Hammargreen). Finnland. Hin und wieder. (Sehr unvollständig beob- achtet. V. H. ) Deutsche Ostseeküste. Einzeln oder in kleinen Ge- sellschaften. *) Schleswig-Holstein. Ziemlich häufig an beiden Küsten, besonders auf dem Wattenmeer bei Husum (Roweder). Nordsee. Borkum, nicht erlegt (Droste). Holland. Ueberwintert zum Theil. Britannien. Zahlreich, besonders an der Ostseeküste. Frankreich. In kalten Wintern an der Nordseeküste.**) Anser torqiiatus. Norwegen. Sehr zahlreich im hohen Norden. Schleswig. Auf beiden Meeren die zahlreichste Art, be- sonders bei den Inseln und Halligen der Nordsee zu Myriaden (Roweder). Rügen. Zur Zugzeit in allen Buchten um die Inseln das Meer bedeckend (v. H.)« P r e u s s e n. Sparsam. Schweden. Sehr zahlreich. Finnland. Ausserordentlich zahlreich. Während eines Nebels in grosser Anzahl gefunden — etliche Meilen von der Küste***) (Palmen). Britannien. Zahlreich an den Küsten ; auch im I n n e r n.***) Frankreich. Nordküste; auch im Innern.***) *) Nicht allein auf Dicksand, sondern auch auf dem kleinen und grossen Max Queller, auch auf der Insel Bothsand unweit Kiel häufig: Alles Inseln, wo Poa distans und Carex bulbosus häufig sind. (Boje, Isis 1S28, S. 305.) (An der AVestküste in sehr grossen Haufen. Boje.) v. H. **') Die Angaben Palmen's sind auch hier ausserordentlich dürftig und sucht derselbe die authentischen Angaben von Naumann und Kjär- bölling abzuschwächen, da sie nicht in sein System passen. v. H. ***) Also auch hier auf dem Zuge im Lande. v. H. — 94 — Inneres Deutschland. Schlesien, Thüringen, in den Kliein- und Mainthälern, Westphalen, Mark, Oberlausitz, Böhmen mehrmals (Fritsch). Aiiser ruficollis. Schweden. Lund, Oct. J793. Ystadt, Spätherbst 1830. Mörkoe, Frühling 1838 (Nilsson). Südliche Ostsee und Deutschland. Einmal auf der im Greifswalder Bodden befindlichen Insel Kons erlegt; Mai 1879 auf der Insel Poel;*) mehrmals in Dänemark. Boje glaubt, dass sie alljährlich bei Ripen vorkomme. In Stuttgart ist ein Exemplar aus dem Lande (v. H.). In Sachsen (Naumann). Galizien. Jährlich auf dem Durchzuge in kleinen Gesell- schaften (Martin), (v. H.) C a s p i s e e. Zahlreich , nam entlich in den Steppen **) (Radde). Schwarzes Meer. Seiten (Demidofl'). Holland. Ziemlich selten, zuweilen ein kleiner Flug (Schlegel). Britannien. An den Ost- und Südküsten öfter angetroffen als im übrigen Europa (P.).***) Frankreich. Einzeln im Norden. Italien. Den 12. Februar 18()9 bei Florenz (Ibis). Südrussland. Gouvernement Jekaterinoslaw jährlich. An der Wolga jährlich (Herrnhuter). Orenburg. Durchzieliend (Eversmann). Astrachan. Ende Februar bis Mai (Hablitzl — Pallas). Turkestan (Severzow). Jakutsk. Einmal (Dybowsky). *) Ein schönes altes Männchen, welclies icli kvirze Zeit nach dessen Erlegung in Lübeck sah. v. H. **) Siehe E. F. von Homeyer, Ornithologische Briefe, S. 8. ***) Das ist entschieden nicht richtig, wenn auch die vielen vorzüg- lichen Beobachter, die England hat, verhältnissmässig mehr sehen als die- jenigen vieler andern Länder. v. H. — 9Ö — ; Taimyrland. Brütend (Middendorff). Ob, Am untern Ob brütend*) (Pallas). Larus glauciis. Norwegen. Brütet im arctischen Kreise und zieht an der ganzen Westküste. Auch einzeln im Lande (P.). Schweden. Einzeln an der ganzen Küste. Finnland. Brütet im hohen Norden auf dem Zuge an der ganzen Küste. Deutsche Ostseeküste. Kommt fast überall im Winter, wenn auch weniger an der Küste als auf offenem Meere, nicht selten vor (v. H.). Dänemark. Ueberall vorgekommen. Helgoland. Zahlreich (v. H.). Holland. Zuweilen (Schlegel). Britannien. Vorzüglich an der Ost- und Südküste. Frankreich. Unregelmässig an der Nordküste. Inneres Deutschland. Rhein, Schlesien, Böhmen mehr- mals (Fritsch). (P.) Südrussland. Einmal bei Perecop (Ki-inicki).**) Larus tridactylus. Norwegen. Brütet im Norden, zieht längs der ganzen Küstenstrecke. Auch im Binnenlande gefunden (Palmen). Schweden. Ueberall an der Küste, auch im Lande (P.). Finnland. Brütet im Norden und wird weiter südlich sehr einzeln angetroffen. Deutsche Ostsee. Ueberall selten. Wird oft im Lande gefunden. *) Auch die drei der Gattung Bernicla zugehörigen Gänse sind weder Fluss- noch Meerwanderer. Sie suchen solche Localitäten, wo Pflanzen wachsen, die ihnen eine beliebte Nahrung bieten, halten sich nie am offenen Meere, sondern stets in geschützten Buchten und machen weite Wanderungen jiber Land. Die Rothhalsgans weilt im Winter in den Steppen am Kaspisee. v. H. **) Auch die weissschwingige Möwe gehört keineswegs zu den Zug- vögeln. Sie wird nur durch das Eis nach Süden gedrängt und liebt das ofiene Meer. Eine Küstenwandererin ist sie ebenso wenig. v. H. , — 9G - Ich sah einmal einen Zug über Land, wohl gegen 300 Stück von S.-S.-W. nach N.-N.-O. ziehen. Es war Ende März bei heftigem südlichen Winde und Sclmeewehen, als sie nahe bei mir aus einer Schneewolke sichtbar wurden. Sie verfolgten ihren Weg in fester Richtung (v. H.). Helgoland. Im Winter und zur Zugzeit ausserordentlich häufig, auch zahlreich an der Nordseeküste und in Holland. Britannien, üeberall. Frankreich. Nordküste, auch im Innern. Inneres Deutschland. Grosse Schaaren (Bechstein — Meyer). In Anhalt kleine Flüge (Naumann). Oberlausitz öfter verhungert*) (Tobias). Im Münsterlande im Spätwinter oft ermattet,*) zahlreich im Jahre 1850 (Bolsmann). Neuwied zuweilen im December (Brahts). Am Neckar in Menge im Februar 184Ü (Heuglin). Ferner gefunden : in Böhmen, Franken (nicht ungewöhnlich), Tegernsee, Bayern, Tirol. Inneres Frankreich — Schweiz, Dep. Eure -Loire, ziemlich häufig, zuweilen in grosser Zahl. Haute-Engadine selten (Saratz). Genf, Beaumon; im Februar 180G und März 1818 in grösserer Zahl. Durch Südweststürme verschlagen**) [sie] (Neeker). Camargne ziemlich allgemein im Herbst und Winter (v. Müller). Süden. Einzelne kommen wohl überall an den Küsten und Inseln des mittelländisclien Meeres vor, ja iln-e Zahl ist nach neueren Berichten dort bedeutender als man dies früher glaubte (v. H.). *) Wie bereits öfter erwähnt, sind diese einzehicn ermatteten Vögel ausser Stande, ihren rüstigen und gesunden Gefährten zu folgen. Nur die kranken Vögel werden dann bemerkt, während die rasch durchwan- dernden gewöhnlich unbemerkt l)leiben. v. H. *'■') Wiederholentlich müssen wir darauf hinweisen, wie irrtliümlich das sogenannte Verschlagen der Vögel durch Sturm in den meisten Fällen ist ; schon aus dem Grunde, weil die Vögel bei heftigem Winde ganz niedrig, sonst gewöhnlich sehr hoch ziehen, werden sie öfter be- merkt. V. H. - 97 — Die dreizeliige Möwe liebt zwar das offene Meer, aber sie ist durchaus kein Küstenwanderer, wie Palmen meint. Viel- fältig ist sie im Innern des Landes, sogar in grossen Zü- gen, beobachtet worden, worauf wir weiterhin zurückkommen werden, (v. H.) Werfen wir einen Blick auf die Angaben Palmen's über die Punkte, an denen nach seiner Kenntniss bisher die einzelnen Vögel beobachtet wurden, so finden wir, dass die rothen und schwarzen Linien, die derselbe auf seiner Karte eingetragen hat und welche die Wege bezeichnen sollen, auf denen die Vögel ziehen, ganz wesentlich der Willkür und dem System ihren Ursprung verdanken, nicht der forschenden Beobachtung. Nicht allein, dass solche Angaben, welche dem Verfasser der Zug- strassen nicht in sein System passten, einfach unbeachtet ge- blieben sind, sondern es wurden auch alle erwählten Arten zu Strand- oder Fluss- Wanderern creirt, die gar nicht, gele- gentlich oder aus ganz anderen Gründen dort vorge- kommen sind. Wir werden weiterhin noch verschiedentlich Gelegenheit finden, diesen Gegenstand zu erörtern. H. Untersuchung der Schlussfolgerungen. In diesem Abschnitte gelangt Palmen über seine bisherigen Untersuchungen S. 142 zu folgendem Schlüsse: „Während der Züge zwischen den Brüte- und Winter Stationen ziehen die bisher untersuchten Arten keineswegs ohne Kegel in beliebigen Kichtungen und durch beliebige Gegenden und ebensowenig folgen sie während des ganzen Zuges einer und derselben Himmelsrichtung. ImGegentheil ziehen sie längs bestimmter Strassen, welche geographisch be- grenzt sind und welche von dennörd lieber gelege- nen Brütestationen zu den südlichen Wintersta- tionenin den verschiedensten Biegungen ve r 1 au f en. I n den Gegenden neben diesen Wegen und zwischen denselben ziehen diese Vögel in der Regel gar nicht."- V. Homeyer, Wanderungen der Vögel. ' 7 — 98 — Wir haben weiter oben in dem vorigen Abschnitte bereits bewiesen, dass diese Behauptungen Palmen's sich in directem Widerspruche mit allen thatsächlichen Beobachtungen und Wahr- nehmungen des Vogelzuges befinden. Nur einige wenige der von Palmen erwähnten Arten folgen streckenweise dem Strande, so weit derselbe die ungefähre Richtung ihres Zuges hat. Nir- gend und in keiner Weise ist bei irgend einem Vogel der Welt nachgewiesen, dass derselbe, wie Palmen behauptet, seine Wan- derungen in den verschiedensten Biegungen fortsetzt, üeberall da, wo man Vögel gesehen und thatsächlicli beobachtet hat, folgen alle einer fest bestimmten Richtung''^) und diese Richtung ist nicht bloss in einem Jahre, sondern stets und zu jeder Zeit in einer Gegend dieselbe. Alle diejenigen Beobach- tungen, welche von tüchtigen Forschern gemacht sind, bestätigen diese Ansicht, und viele Beweise, die weiterhin niedergelegt werden sollen, werden dies darthun. Man kann auch, wie in dem vorhergehenden Abschnitte theilweise geschehen, aus den eigenen Angalien Palmen's nachweisen, dass seine vermeintlichen Zugstrassen thatsächlich nicht bestehen, dass von vielen Arten auf unendlich weiten Strecken kaum ein einzelner Vogel mit Sicherheit beobachtet wurde, dass dies jedoch Palmen nicht verhindern konnte, an seiner Theorie festzuhalten und derselbe einfach dergleichen widersprechende Thatsachen mit Still- schweigen überging. Eine der sonderbarsten Ideen Palmen's ist, die Polar-Eis- barriere zu einer Zugstrasse der Vögel zu machen. Es beruht dies wiederum auf einem gänzlichen Verkennen der Umstände und der Eigenthümlichkeiten der dort anzutreffenden Vögel. Wie bereits oben erwähnt, werden manche Arten durch das Eis allmählich dem Süden zugedrängt. Dieselben halten sich der reichen Nahrung wegen so weit nördlich, als das Meer offen ist und müssen, durch diesen umstand bewogen, natürlich *) Thatsächliche Beobaclitungen über den Vogelzuer die Regel ist der Zug mit dem AVinde. • — 166 — Wie unrichtig die Ansicht ist, dass der in das Gefieder hineinblasende Wind den Vögeln bei ihrer Wanderung hinder- lich sein könne, ergiebt sich schon einfach daraus, dass die Be- wegung eines Vogels von mittlerer Geschwindigkeit im Fluge schneller ist als ein starker Wind und schon aus diesem Grunde von einem Einblasen desselben in das Gefieder keine Rede sein kann. Den sichersten Anhalt geben Avohl zur Zeit die Beobach- tungen, welche bei den Brieftauben gemacht sind, wenn sie auch nicht die Geschwindigkeit der Vögel genau festzustellen vermögen, denn es lässt sich doch nicht annehmen, dass die Tauben die grossen Entfernungen in ganz gerader Linie über- fliegen, dass sie keinerlei Umwege, keinerlei Aufenthalt auf ihrem Fluge genommen haben, aber sie stellen thatsächlich das Minimum fest, was ein Vogel zu leisten im Stande ist. Nach den amtlichen Angaben des Vereins für Brieftauben- zucht ,.Pfeil"*) hatte eine Brieftaube den Weg von Cöln bis Berlin — und das sind in der Luftlinie vierhundertvierund- siebenzig Kilometer — in fünf Stunden siebenundzwanzig Minuten zurückgelegt, hat also in der Minute 1445 Meter durchflogen. Das ist eine Geschwindigkeit, welche der stärksten Brise gleich- kommt, welche sich mit einer Kraft von 1080—1500 Meter pro Minute bewegt, und nui' ein Sturm hat eine grössere Ge- schwindigkeit. Eine Bewegung von 1500 Meter in der Minute giebt pro Stunde neunzig Kilometer, oder sechsundfünfzig See- meilen. Nach diesen Daten lässt sich jede Entfernung in Kücksicht auf die Zeit, welche ein schneller Vogel gebraucht, um dieselbe zu durchfliegen, berechnen, **) und wenn wir erst im Besitze von Beobachtungen über die Geschwindigkeit verschiedener anderer Vögel sind, so wird man hierdurch im Stande sein, an die Stelle vieler Vermuthungeu sichere Thatsacheu zu stellen. Es wird sich dann leicht beweisen lassen, dass manche unserer *) Norddeutsche Allgemeine Zeitung Nr. 40, it>8\. **) Hierbei ist noch zu beachten, dass die unvernieidlicbfn Umwege der Taube dabei niclit berücksichtioft werden konnten. — 167 — Wandervögel, z. B. aus den Gattungen von Tringa, Charadrius und Anas, nicht oder unwesentlich gegen den Taubenflug zurück- stehen, und wir werden an Zahlen erkennen, dass kein Grund vorliegt, welcher die Vögel abhalten könnte, Strecken wie das mittelländische Meer auch an seiner breitesten Stelle mit Leich- tigkeit zu überfliegen.*) Die eben gegebenen Thatsachen beweisen auch, wie un- richtig die Theorie des Einblasens des Windes in die Federn der Vögel ist, wenn dieselben mit dem Winde ziehen, denn die Bewegung des Vogels wk-d in den weitaus meisten Fällen eine schnellere sein als der eben herrschende Wind, indem schon starke Luftströmungen nur ungefähr die halbe Geschwindigkeit einer heftigen Brise haben und daher auch Vögel, welche sich mit der halben Geschwindigkeit einer Brieftaube bewegen, noch nichts von dem vermeintlichen Einblasen des Windes in das Ge- fieder empfinden können .**) Es ist im Gegentheil hierdurch be- wiesen, wie sehr der Flug der Vögel durch Winde erleichtert werden muss, welche in derselben, oder in einer ähnlichen Eich- tung wehen, wie die Zugrichtung des Vogels ist, indem der Vogel nicht einen so starken Gegenstrom zu überwinden hat wie bei ruhiger Luft. Wenn aber ein starker entgegen- stehender Wind überwunden werden soll, so muss die Anstren- gung des Wanderers auf das Doppelte erhöht werden. Aber noch andere Gründe und sehr wesentliche sind vor- handen, um die Vögel zu bewegen, wenn irgend möglich mit dem Winde zu ziehen. Naturgemäss tritt der Zug derselben im Frühjahre ein, wenn in der Witterung eine günstige Aen- derung eintritt, wenn milde Süd- oder Westwinde wehen. Diese dem mechanischen Fluge günstigen Winde sind es auch, welche gleichzeitig anregend auf den Vogel einwirken, um ihn zu be- *j Es würden dies ungefähr 300 Seemeilen sein, welche der Vogel in etwa fünf Stunden zurücklegte. **) Es ist noch zu beachten, dass die ganze Idee von dem Einblasen des Windes bei einem fliegenden Vogel auf sehr schwachen Füssen steht, indem die Einwirkung des Windes nicht auf einzelne Theile, sondern auf den ganzen Vogel wirkt, ähnlich wie auf einen Luftballon, wo, auch bei starkem Winde, völlige Windstille zu herrschen scheint. — 168 — stimmen, seine Wanderung anzutreten oder fortzusetzen. Aehn- lich ist es im Herbste. Die gewöhnlich mit Nord- oder Ost- wind eintretende kalte Witterung veranlasst die Vögel, ihre nordische Heimath zu verlassen und dem wärmern Süden zu- zueilen. Es erklärt sich auch dadurch, dass die Vögel in beiden Jahreszeiten oft als Wetterpropheten erscheinen, dass sie das kommende harte Wetter im Herbste und die mildere Frühjahrs- luft vorher andeuten, denn es treten Fälle ein, wo der Vogel die erwähnten Luftströmungen überfliegt , sei es durch seine Geschwindigkeit, sei es dadurch, das* der Wind eine andere Richtung genommen und der Herbstvogel bei guter Witterung, der Frühjahrsvogel bei recht kaltem Wetter eingetroffen ist. Damit soll indessen nicht gesagt sein, dass es dem Vogel ver- sagt sei, ein gewisses Vorgefülü einer kommenden Witterung zu empfinden. Seine ganze Organisation ist die eines Luftthieres, sein Körper ist von der Luft durchdrungen, und der Einfluss der- selben ist daher bei dem Vogel weit bedeutender als bei irgend einem andern Thiere. Wenn nun Menschen, die an einem ört- lichen üebel leiden, häufig bevorstehende Witterungseinflüsse durch Schmerzen einzelner Körpertheile empfinden, wie viel mehr muss der Vogel eine solche Luftveränderung bemerken und wie vielseitig muss der Einfluss derselben auf ihn sein. Man hat auch die Frage aufgCAvorfen , auf welche Weise der Vogel seine Wanderungen mache, und man that dies beson- ders mit Rücksicht auf diejenigen Vögel, welche man als schwer- fliegende betrachtet. Die Mehrzahl derselben wird bei genauerer Kenntniss ihrer Eigenschaften und Leistungsfähigkeit nicht als schwerfliegend angesehen werden können ; davon zeugt auch die grosse Leistungsfähigkeit vieler derselben, unter andern auch der Wachtel, welche alljährlich in grosser Zahl das mittel- ländische Meer an verschiedenen Stellen überfliegt, und wenn ihre Wanderung nicht von Stürmen getroffen wird , ihre Reise auch glücklich vollendet. Wesentlich beruht die Muthmaassung, dass Vögel ihre Wan- derung theils schwimmend, theils laufend zurücklegen, auf ver- meintlichen Wahrscheinlichkeitsgründen. Was die Schwimm- vögel anbelangt, so hat Faber bereits durch seine vortrefflichen — 169 — Beobachtungen diese Annahme gründlich widerlegt. Bei den schwerfliegenden Vögeln und bei den unwilligen Fliegern ist es weniger der Fall. Der Glaube an ein Wandern . dieser Vögel durch Laufen ist wohl Avesentlich dadurch entstanden, dass man im Spätherbste oder im Frühjahre solche Vögel, namentlich Wasserhühner, Rallen, kleine Taucher (Podiceps) an und auf Bächen und Flüssen*) gefunden hat und der Meinung war, dass diese Vögel am Rande derselben ihre Wanderung laufend machten. Man hat dabei ausser Acht gelassen, dass alle diese Vögel, auch die stärksten Läufer, nicht im Stande sind, annähernd eine Entfernung zurückzulegen, wie sie erforderlich wäre, um die Reise in der gegebenen Zeit zu vollenden, und dass schon aus diesem Grunde eine Fusswanderung unmöglich ist, selbst dann, wenn eine gerade Wasserstrasse von dem Sommerauf- enthalte nach dem Winterquartiere führte. Dies ist jedoch au keinem Orte der Welt der Fall, denn alle Flüsse und alle Bäche laufen in den verschiedensten Windungen und würden die zurück- zulegende Entfernung oft auf das doppelte und dreifache Maass erhöhen; aber Thatsachen lehren, dass auch die Classe dieser Vögel wohl im Stande ist, weite Meeresstrecken zu überfliegen, und dass daher ein solcher Flug über Land nicht allein mög- lich, sondern erwiesen ist. Was die Tageszeit der Wanderung anbelangt, so ist dieselbe, je nach den verschiedenen Arten, nicht gleich, jedoch wandert die Mehrzahl, namentlich der kleinen Vögel, in der Morgen- und Abenddämmerung, wohl wesentKch deshalb, um gegen Raubvögel besser geschützt zu sein. Das wussten die alten Vogelsteller sehr wohl, indem sie ihre Vogelheerde stets be- suchten während noch vollständige Dunkelheit herrschte und dieselben verliessen, wenn volles Tageslicht eingetreten war. Diese Erfahrung wird jeder Jäger bestätigen, der aufmerksam beim Morgenanstande auf die Stimmen der Wandervögel ge- lauscht hat, und wer in seinem Leben nur ein einziges Mal *j Oefter kommen Fälle vor, wo solche Wanderer, veranlasst durch das Rauschen des Wassers, sich bei dunkler Nacht niederlassen, sich dann aber verlaufen, und irgend ein Versteck suchend, sogar in Gebäu- den gefunden werden. — 170 — einen Yogelberd besuchte, muss die Ueberzeugung gewonnen haben, dass diese alte Erfahrung eine wohlbegründete ist. Manche Jogelarten ziehen allerdings auch bei Xacht und sollen auch die Dämmerungszügler nach der Meinung vieler tüchtiger Forscher in mondhellen Nächten wandern. Ich habe im Gegentheile gefunden, dass die stärksten Züge mancher Vögel, namentlich der Drosseln, bei nebeligem Wetter statt- fanden. Zu den Nachtwanderern gehören namentlich die Strand- Yögel, vorzugsweise diejenigen Arten, welche schon durch ihre grossen Augen sich als halbe Nachtvögel andeuten, und in der That hört man dieselben in vielen Nächten, indem sie nicht allein wandern, sondern auch zugleich ihrer Nahrung an geeig- neten Localitäten nachgehen. Es ist von hohem Interesse, in einer schönen stillen Nacht der Stimmen der Zugvögel zu lau- schen und auf diese indirecte Weise ihre Wanderungen zu be- obachten, aber es gehört ein gutes Ohr und genaue Kenntniss der Stimmen dazu, um genügende Eesultate zu erlangen. Manche Vögel ziehen ausschliesslich oder in der Kegel bei Tage. Dahin gehören die Eaubvögel, Schwäne, Gänse, Kraniche, Störche und andere grosse Vögel, aber auch kleinere Vögel und solche, welche gewöhnlich bei Nacht wandern, ziehen bisweilen am Tage. Sie werden nur schwer bemerkt, weil sie oft so hoch fliegen, dass sie nur mit einem guten Auge von einem sehr aufmerksamen Beobachter erkannt werden. Man hört die Stimmen und es macht doch viele Mülie, auch bei ganz klarem Himmel den Vogel zu erkennen. Wie hoch Vögel ziehen, darüber habe ich vor langen Jahren eine Beobachtung gemacht, die ich hier wiedergeben will, obgleicli ich dieselbe bereits anderweitig veröffentlicht habe. Als ich an einem schönen Tage, zu Ende März oder Anfang April mich gegen die Mittagszeit im Freien befand, suclite ich mit dem Auge den ganzen Horizont ab, ohne einen Vogel ent- decken zu können; endlich gewahrte ich fast im Zenith einen dunkeln Punkt, kaum erkennl)ar. Nach einiger Zeit wurde der Punkt grösser und deutlicher und bald konnte ich erkennen, dass es sich um einen Vogel handelte. Welcher Art und Grösse er war, blieb unentschieden. Nach einio-er Zeit der Beobach- — 171 — tung erkannte ich einen Storch, der fast senkrecht herabstürzte und in der Nähe des nahen Dorfes angelangt, sofort auf das Nest flog und durch eifriges Klappern seine Freude zu erkennen gab, wiederum am Heimathsorte angelangt zu sein. Abgesehen davon, dass verschiedene Vögel mehr oder we- niger weit wandern, ist die Art ihres Zuges auch wesentlich verschieden. Manche Arten ziehen sehr regelmässig fast zu einer bestimmten Zeit im Jahre, andere richten sich mehr nach der Witterung; namentlich ist dies im Herbste der Fall. Wenn die Einen ihre Eeise oft in einer Jahreszeit antreten, wo noch alle Bedingungen für ihren Aufenthalt vorhanden zu sein schei- nen, weichen die Andern nur dem andringenden Froste und Schnee und verlassen widerwillig ihr Heim'athsland. Zu den erstem gehören namentlich unsere Sänger (Sylvia), zu letztern viele Wasservögel, namentlich manche hochnordische Arten, deren wir schon bei Besprechung des Palmen'schen Buches gedacht haben. Dem gesammten Zuge voran gehen gewöhnlich einzelne Wanderer, gleichsam als wollten sie die Beschaffenheit der Gegend erkunden, bevor die grosse Masse die Wanderung an- treten wolle. Die Zeit zwischen dem Hauptzuge und diesen Re- cognoscirungszügen ist ungleich, je nach der darauf folgenden Witterung. Dem Hauptzuge folgen wiederum einzelne Nach- zügler, deren Verspätung wohl in der Regel auf individuelle Gründe*) zu beziehen ist. Bei eintretender ungünstiger Witte- rung gehen die Vorläufer des Zuges nicht so selten zurück, worüber weiterhin ausführlich berichtet werden soll. Bei den Hauptzügen ist dies ein ungewöhnlicher Fall. Es giebt auch besondere Wandertage, Tage, an welchen nicht bloss eine Art, sondern eine ganze Anzahl verschiedener Arten mit und neben einander wandern. Wenn vorher ein mehr oder minder langer Zeitraum wenig oder keine Wanderer brachte, erscheint bei einem Umschlage der Witterung eine Menge der- selben. Ich habe solche Ta^-e o-esehen, wo Drosseln und viele *) Es ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass die Vögel des hohen Nordens weit später ziehen als diejenigen, welche ihre Heimath in ge- mässigten Breiten haben. — J72 — andere Vögel die ganze Gegend bedeckten, wo dieselben stetig, doch langsam, von Buscli zu Busch zogen, dazwischen ihre Nah- rung suchend, aber immer ihren Weg in einer bestimmten Rich- tung verfolgend. Namentlich ist mir ein Tag erinnerlich, Mitte April, um das Ende der vierziger Jahre, als ich eine Fahrt über Land machte. Ueberall wohin ich kam — meine Eeise führte mich in süd-nördlicher Richtung — war jeder Busch, jedes kleine Gehölz von Wandervögeln erfüllt. Ueber die freien Felder tlogeu sie ununterbrochen, niedrig, in kurzen Strecken, jede Scholle, jeden einzelnen Strauch durchsuchend, alle in östlicher Richtung, neben und hinter einander. Ueberall, wohin ich kam, dieselbe Erscheinung, dasselbe wunderbare Leben, dieselbe Eile im flüchtigen Aufsuchen der Nahrung, dieselbe Unruhe, dasselbe rastlose Weiterwandern. Während des ganzen Vormittags dauerte der Zug*) un- unterbrochen fort, auch kann ich nicht bestimmen, ob derselbe am Nachmittage fortgesetzt wurde, am folgenden Tage aber war kaum ein einzelner Nachzügler zurückgeblieben. Es war ein stiller schöner Tag mit lauem Vv'estwinde und etwas be- decktem Himmel. In der vorhergehenden Nacht war ein rascher Umschlag der Witterung eingetreten. Diejenigen Wanderer, welche nur den elementaren Umstän- den weichen, gehen naturgemäss in strengen Wintern weiter südlich als in gelinden. Sie werden nach und nach weiter ge- dräniit und weichen nur gezwungen nach und nach weiter süd- lich, oft so spät, dass auch harte Vögel dadurch in Gefahr kommen. Man hat sich seit alter Zeit daran zu glau))en gewöhnt, dass die alten Vögel die Fülirer der jungen auf den Wanderungen wären. Es ist dies eine der auf vermeintlichen Walirscheinlich- keitsgründen beruhenden, Voraussetzungen, die durch keine that- säch liehen Beobachtungen unterstützt werden. Bei vielen Vögeln kann man das Unrichtige dieses Satzes deutlich nachweisen, so z. B. bei den Strandläufern und besonders bei denjenigen Arten, wo sich die Alten leicht durch ihre Färbung, aucli in weiter *) Dieser Gegenstand wird noch in einein besondern C'ajjitel behan- 4 fand ich die erste Schnepfe. Bei dem westlichen mit Eegenschauern begleiteten Winde kamen in dieser Woche täglich Schnepfen an, doch nur wenige an der Zahl und auch nur wenige Krammetsvögel; erst nachdem es in der Nacht vom 29. auf den 30. und von diesem auf den 31. stark geregnet und aus Südwest kräftig geweht hatte, fand ich am 31. ziemlich viele Schnepfen und auch viele Krammetsvögel. (Dr. Quistorp.) •*^) Bis zum 15. April 1852 fond ich täglich einige oder mehrere Schnepfen, doch war die Anzahl derselben sehr gering, in Betracht, dass die beste Zeit des Zuges schon gekommen und bei den fortwährend günstigen westlichen und südlichen Winden die Luft sich schon sehr erwärmte, auch die übrigen Zugvögel alle sich nach einander einfanden ; da kam aber plötz- lich vier Tage lang eine sehr heftige Kälte mit Nordost- wind und begleitet von starkem Schneefall. Wunderbarer Weise hatten in diesen Tagen gerade in vielen Kevieren ausserordent- liche Massen von Schnepfen gelegen und auch nach beendigter Kälte fand man bis gegen Ende des April noch viele AValdschnepfen, sowie in den Torfmooren auch sehr viele Bekassinen und nament- lich Staare. Krammetsvögel blieben bis in die Mitte des Mai in grosser Anzahl hier und waren in Menge zu schiessen, da die Witterung nach beendigter Kälte sehr bald recht warm wurde und die Vögel sehr gut aushielten. - 198 — Durch obige Mittheilung, dass nämlich bei den herrschen- den westlichen und südlichen Winden die Waldschnepfen nur sparsam hier eintrafen, dass aber gerade der plötzliche Umsatz des Windes nach Nordost eine so bedeutende Menge derselben brachte, werden vielleicht manche Beobachter in ihrer Ansicht, dass alle Zugvögel lieber gegen den Wind ziehen als mit dem- selben oder mit halbem Winde, sich bestärkt finden. Ich meines- theils und wohl die meisten Jäger hiesiger Provinz sind ganz entgegengesetzter Ansicht, nicht bloss in Bezug auf Wald- schnepfen, Krammetsvögel, Bekassinen, Kibitze, Staare, Tauben, Wasserhühner, sondern in Bezug auf die Zugvögel. Nur zu oft hat derjenige, welcher im Frühjahre Tag für Tag nach Wald- schnepfen sucht, Gelegenheit zu beobachten, dass namentlich im Anfange des Zuges, so lange conträre Winde, das heisst so lange Ost- und Nordwinde wehen, von Waldschnepfen, Krammets- vögeln und Bekassinen, sowie von andern Zugvögeln nur äusserst wenige ankommen, so dass so gut wie gar kein Zug stattfindet. Wenn in Frühjahren, wie es hier häufig der Fall ist, der Ost- passatwind den Märzmonat hindurch weht, wobei gewöhnlich die Nächte hell und etwas kalt sind, so kann man sicher sein, so gut wie gar keine Krammetsvögel, Bekassinen, Waldschnepfen u. s. w, zu finden ; sowie aber der Wind nach Süden oder Westen umsetzt, beginnt sogleich der Zug, zumal wenn dunkle Nächte mit Regen sich einstellen, was auch gewöhnlich bei diesem AVechsel des Windes der Fall ist. Schon nach der ersten dunklen regnerischen Nacht mit Süd- oder Westwind findet man am andern Tage sicher Waldschnepfen und Krammetsvögel, nach denen man während des herrschenden Ost- und Nord- windes vergeblich Wochen lang gesucht hatte, selbst wenn auch schon ein Tb eil des April darüber liingegangen war. Dies war z. B. in den beiden Jahren ISöf) und ISfyT auf eclatante Weise der Fall. Dass- man, wenn durch westlichen oder südlichen Wind bei dunklen regnerischen Nächten im Früblinge schon ein grosser Theil der Schnepfen in hiesiger Gegend angekommen ist, auch an den Tagen, wo Ost- oder Nordwind weht, noch täglich Schnepfen findet, kann nicht Wunder nehmen, da die- jenigen Schnepfen, welche in grössern Revieren liegen, auf dem V. Homeyer, W'anderungen der Vögel. J'> — 194 — Striche oft wieder an Stellen einfallen, wo man am Tage zuvor keine gefunden, oder diejenigen, welche dort lagen, weggeschossen wurden. Dass diese Zugvögel den conträren AVind sich zum Weiterziehen gerade wählen sollen, ist jedenfalls ein Irrthuni, denn aus der langen Eeihe von Jahren, wo ich der schönon Waldschnepfenjagd mit grosser Passion gehuldigt, ist mir ausser obigen Fällen nicht ein einziger bekannt, wo ich nach einer Nacht, in welcher Nord- oder Ostwind geweht, am andern Tage viel Schnepfen gefunden hätte. Ich habe in den Jahren von 18o4 — 1845 oft an einem Tage zehn bis zwölf Waldschnepfen und mit einem Freunde zusammen im Jahre 183(S einmal fünfund- zwanzig geschossen, welche Zahl sich gewiss um die Hälfte ver- grössert hätte, wenn nicht während drei Stunden uns alle Munition gefehlt hätte. Aber stets waren es Tage, vor welchen in der Nacht Regen bei Süd- oder Südwest wind gefallen. Alle alten Waldschnepfenjäger hiesiger Provinz sehen auch des Morgens beim Ausgehen gleich nach der Richtung des Windes und versprechen sich nur eine gute Jagd, wenn der Wind in der Nacht südlich oder westlich war. Dass im Jahre 1852 gerade mit Nordost- wind so viele Waldschnepfen liier ankamen, hatte wohl allein darin seinen Grund, dass in der ersten Nacht der Wind noch ganz still war, der Himmel sich nur bewölkte und ein ganz unbedeutender Schneefall stattfand, was diejenigen Zugvögel, welche in den vorigen Nächten mit den südlichen und west- lichen Winden sehr nalie gerückt waren, niclit liinderte. in dieser dunklen Nacht ihren Zug fortzusetzen und in den Hölzern hiesiger Gegend einzufallen. Als nun das Wetter so sehr kalt wurde, blieben natürlicli die Zugvögel auf der Stelle, wo sie waren, so dass man diejenigen Schnepfen, welche nicht geschossen wurden, alle Tage wiederfand. Ich habe es oft beobachtet, dass, wenn bei südlichen und westlichen Winden Schnepfen in ein Revier gekommen waren, bei [dötzlich eintretendem Ost- oder Nordwind auch nicht eine einzige Waldschnepfe zugezogen kam, so dass, wenn man in einem Reviere sämmtliche Schnepfen nacli und nach geschossen hatte und der Wind nicht nach Süden oder Westen umsetzend neue braclite, man sich genöthigt sab. — 195 - ilie Suche in einem andern Keviere fortzusetzen, in welchem bis dahin noch keine Schnepfen geschossen waren ; in einem solchen konnte man dann wieder eine reichliche Anzahl Waldschnepfen ßnden, während in dem zuerst beschossenen vielleicht keine ein- zige mehr zu finden war. Im Herbste verhält sich die Sache so, dass man Bekassinen sowohl wie auch Waldschnepfen und Krammetsvögel etc. in hiesiger Gegend am zahlreichsten findet, wenn Ost- und Nordwinde wehen, am liebsten mit Nebel oder Kegen verbunden, und ich entsinne mich vieler Fälle, wo im Herbste namentlich von Waldschnepfen ungeheure Mengen in den Hölzern gefunden wurden, es aber stets Tage in der letzten Hälfte des October oder im Anfange November waren, an denen der Wind kräftig aus Norden oder Osten wehte. Aus allen diesen Beobachtungen hat sich bei mir, und wie ich weiss bei der grössten Anzahl der Jäger hiesiger Provinz, die Ansicht fest begründet, trotz alles Theoretisirens von anderer Seite, dass der Zug der Vögel hauptsächlich mit dem Winde ist, zumal in trüben und regnerischen Nächten. (Dr. Quistorp. Na. 1858, S. 34.) *'') Die vorstehenden genauen Beobachtungen eines unserer erfahrensten und aufmerksamsten Jäger stimmen so ausserordent- lich mit meinen Beobachtungen übereiu, dass ich d e m kaum etwas zuzusetzen weiss, nur möchte ich noch besondern Nach- druck darauf legen, dass das Erscheinen und Bleiben irgend einer Vogelart bei plötzlich eingetretener entgegengesetzter Windrich- tung und damit verbundenem Umschlage des Wetters, ganz richtig von Herrn Dr. Quistorp gedeutet wird, wenn der- selbe annimmt, dass die Vögel bei günstigem Winde in die Nähe gekommen und nur ein passendes Unter- kommen gesucht und gefunden. (v. Homeyer.) ■^'^) Den Hauptfactor für den Zug der Vögel giebt immer der durch die grossen atmosphärischen Umwandlungen verursachte Jahresweclisel ab. Mit dieser Erklärung trifft eclatant unsere 13* — IflG - schon vor einem Jalirzehend durch Thatsachen begründete Be- hauptung überein, dass der Zugvogel erwähntermaassen nicht gegen den Wind, sondern in der Regel mit demselben reise. Die Beobachtung dieser Thatsache führte uns naturge- mäss zu der vorgetragenen Erklärung hin. Wie freudig über- raschte uns deshalb dieselbe Behauptung in einem Artikel, dem wir zufällig im vierten Bande des Jahrgangs 1872 der Jagd- zeitschrift ,.Der Waidmann" neuerdings begegneten. Unter der Aufschrift: „Die Wanderung der Vögel" kommt daselbst Dr. Koloman Graf Ldzar im Wesentlichen zu derselben Ansicht über die Ursache des Vogelzugs wie wir. Mit Recht aber weist dieser aufmerksame Beobachter auf die in der Atmosphäre gegen den Herbst hin sich einstellenden, nur dem reizbaren Vogel- organismus verständlichen cosmischen Veränderungen hin. (Gebr. Müller in „Litt.") ''^) Dass die Zugrichtung von Nord-West gegen Süd-Ost auch umgekehrt ist, wird durch die Lage der Hochebene, welche im Osten und Westen durch die Alpenzüge des Zierbitzkogl (Ost) und Grewenze (West) eingeschlossen ist, bedingt. Diese Alpen- züge bestimmen die Breite der Hochebene (beiläufig vom Teiche, der ziemlich in der Mitte liegt, ist eine Stunde Entfernung bis zum Fusse jeder der beiden Alpen). Die Länge der Hochebene (natürlich mit Hügeln und Thälern unterbrochen) dürfte wohl zehn Meilen in der Luftlinie betragen und ist ebenfalls durch die Saualpe in Kärnthen in Süd-Ost und in Nord-West durch die Tauerzüge geschlossen. (Pfarrer Blasius Hanf in „Litt.") ^■) Bei guter Witterung ziehen viele Vögel jede Nacht und suchen am Tage ihre Nahrung. Ich habe das sehr oft an den hier durchziehenden Blau kehl eben beobachtet. Diejenigen, welche ich antraf, waren, wenn nicht ganz ungünstige Witterung eintrat, den folgenden Tag verschwunden. Dasselbe gilt von den Nachtigallen, welche auf dem Zuge schlagen. '"'•') Ein anderes Mal sang ein Sumpfschilfsänger im Hasel- — 197 — gebüsche eines hiesigen Thals bei schöner Witterung zwei Tage lang, aber am dritten war er weggezogen. '"*) Auffallend ist der Umstand, dass die Zugvögel, welche des Nachts wandern, zur Zugzeit fast gar nicht schlafen. Man hört sie die ganze Nacht locken und sieht sie den ganzen Tag ihre Nahrung suchen. (C. L. Brehm, h. Hdschr.) •'•^) Ausgesprochen nordische Seevögel, wie Anser albifrons und Anser bernicla, halten sich im Innern des europäischen Euss- lands auf der Herbstwanderung in Schaaren zu Tausenden und Zehntausenden Monate lang auf. (A. von Middendorft; Sib. R., Bd. IV, Thl. 11, S. 1247.) •'*^) Squatarola helvetica lässt sich auch bei Charkow auf dem Durchzuge sehen. (Czernay, Bullet, de Moscou 1865, S. 60.) ^') Ausserordentlich interessant ist mir die mündliche Mit- theilung des Herrn Prczewalskij gewesen, seine zweite bis Tibet ausgedehnte Reise habe ihn davon überzeugt, dass die Zugvögel fast ausnahmslos, so wie ich auf S. 1149, 1158, 1192 ange- deutet, es nicht wagen, die Scheitelflächen Asiens in der Wüste Gobi zu überfliegen. Sie verfolgen vielmehr den Südostrand der central-asiatischen Erhebung in nord-östlicher Richtung bis über die Breite von Peking nordwärts, um dann unter rechtem Winkel auf die Selenga nach Nord- West hinüber zu steuern, dort wo die Wüste am schmälsten ist. Es scheint, dass diese hoch- erhoben liegende, von Unwettern gepeitschte Oede den Zugvögeln fast noch schreckenerregender dräut als die Meere, die sie über- fliegen. (A. von Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Thl. II, S. 1249.) '^) Wenden wir uns der zweiten unerklärlichen Frage zu, die in das Gebiet der Vorahnung hineinschlägt, welche wir in Be- treff der Nager auf S. 1255 unserer Betrachtung unterzogen haben. Sowohl im Norden, als auch in den höhern Gebirgs- — 198 — gegenden Südsibiriens verlieren viele mit Fischen bevölkerte Gewässer im Winter ihr Wasser ganz und gefrieren bis auf den. Grund. Obgleich nun allerdings dabei nicht wenige Fische in den teichartig abgeschnittenen tiefern Flussstellen zurück- bleiben, so entzieht sich doch die Hauptmasse noch rechtzeitig solchem Missgeschick durch Wanderungen, welche gewöhnlich sehr stürmisch vor sich gehen. Merkwürdig ist dabei, dass die Fische zwar gewöhnlich sich flussabwärts zu dem grössern Ge- wässer begeben, dass aber auch solche Fälle in Sibirien nicht selten zu sein scheinen, wo die Fische sich flussaufwärts zu Seen retten, in deren tieferm Wasser sie überwintern. Dieser Umstand hilft die vor Zeiten stattgehabte Umwandlung mancher echten Zugfische*) in Standzugtische zu erklären. (A. von Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Tbl. 11, S. 1252.) ■^'*) Der Spielraum zwischen den Ankunftszeiten desselben Vogels in verschiedenen .Jahren ist desto grösser, je früher der betref- fende Vogel ankommt; z. B. für die Staare in Dänemark sieben- undvierzig Tage, während er für die Schwalben nur zwanzig, für den Kuckuck nur dreizehn, für die Nachtigall nur elf Tage beträgt. (A. von Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Thl. IL S. 1258.) **) Wenn wir z. B. die Ankunftszeit des Storches in Odessa unter 46^/, ^ Br. ohne weitere Umsicht mit derjenigen in Liv- land vergleichen wollten, so würden wir zu dem Resultate ge- langen, dass er täglich zehn bis vierzehn geographische Meilen zurücklegt. Ziehen wir aber, unter Zuratheziehung der Isepip- thesen des Storches, die auf dieselbe senkrecht stehende Zug- richtung von Kischenew nach Kiew, als die richtige, zu Rathe, so ergiebt sich eine Reisegeschwindigkeit von etwa vier **) geo- *) Könnte man nicht logischer folgern, wenn man voraussetzte, dass durch das heut im geringern Maasse vorhandene AVasser die Fische gezwungen werden, "Wanderfische im beschränkten Maasse aus Standfischen zu werden. v. H. **) Es ist oben bereits gezeigt, dass diese Bewegung mit der Ent- wickelung der Pflanzen übereinstimmt. Keineswegs aber ist der Zug der Vögel stets so langsam und gleichmässig. Es ist sogar ziemlich sicher, — 199 - graphisch eu Meilen täglich, und die üeberzeugung, dass Livlands Störche über Deutschland und Polen heranziehen, nicht aber genau von Süden. ( A. von Middendorff, Sib. K., Bd. IV. Tbl. II, S. 1258.) '^^) Es hat sich mir herausgestellt, dass, im Gegensatze zum Storche, die Wachtel im Innern Russlands recht entschieden die Zugrichtung Noi'd-Süd verfolgt. Hätten wir genauere Angaben über die Ankunftszeit der Wachtel in nördlichem Breiten, so Hesse sieb ihre Reisegeschwindigkeit genau berechnen. Kische- new und Wologda, unter einander verglichen, ergeben fast sechs geographische Meilen täglich. Es ist allerdings möglich, dass das ganz richtig ist, allein Wologda liegt der Polargrenze dieses Vogels zu nahe, als dass wir zu einem abschliessenden Resultate berechtigt wären. (A. von Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Tbl. II, S. 1258.) *'-) Wäre es möglich, den isländischen Charadrius apricarius vom grönländischen Cbar. americanus (so wie den Numenius phaeopus vom N. melanorhynchus) unfehlbar zu unterscheiden*) (Comptes-rendus 1856, S. 1019), so gäbe es eine Möglichkeit, die in Rede stehende Colonisationsfrage weiter zu verfolgen und wäre dann den Kennzeichen der nordsibirischen Regen- pfeifer besondere Aufmerksamkeit zu schenken. (A. von Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Tbl. II, S. 1246.) ^■') Baird (The distribution and migration of North- American birds p. 26) bestätigt auch, dass in Amerika der herbstliche Rückzug gleichfalls nicht immer die Frühjahrswege nimmt. Im Herbste zeigen sich manche Vögel zahlreich an Orten, an denen man ihnen zu anderer Jahreszeit gar nicht begegnet. "*) Totanus glareola, Scolopax gallinago, Plectrophanes nivalis dass die hochnordischen Vögel ihre Winterstation später verlassen als die der gemässigten Gegenden und weit schneller zielien, es sich daher hier nur um die Ankunft handelt. v. H. *) Dieser Wunsch des Autors ist allerdings erfüllt, indem die Arten fest und sicher zu unterscheiden sind. Es liandelt sich nur darum, dass. diese Kenntnis« Allgemeingut werde. v. H. — 200 ^- berechneü sich zwischen den Breiten von Kiew und des Tainiyr- landes auf fünf geographische Meilen täglich. Plectr. nivalis auf sechs geographische Meilen zwischen öl'.," an der Wolga (Pallas, südl. Statthalt., S. 38) und Taimyrland. Alauda arvensis auf sechs geographische Meilen zwischen Kischenew und Wologda. Saxicola oenanthe auf 074 geographische Meilen zwischen Odessa und Taimyrland; auf sechs zwischen Odessa und Kiew. Hirundo auf fünf geographische Meilen, zwischen Mitau und Petersburg, auf ö^^ zwischen Odessa und Taimyrland, auf fünf zwischen Odessa und Kiew, auf sieben zwischen Odessa und Petersburg oder auch Berjosow, Sylvia suecia auf 5|., geographische Meilen zwischen Kiew und Taimyrland berechnet. Plectrophanes lapponica auf sechs geographische Meilen zwischen 59 " n. Br. an der Lena und Taimyrland. Milvus niger auf vier geograpliische Meilen zwischen Ber- naul und Jakutsk. Oriolus galbula auf fünf geographische Meilen zwischen Odessa und Kiew und nur auf 2'/., Meile zwischen Odessa und Petersburg, woraus deutlich ersichtlich ist, dass auch er nicht von Süden, sondern von Südwest zu uns heranzieht, wie das seine Isepipthese nachweist. Im höhern Norden und überhaupt dort, wo Aufstauungen in Folge von Verlangsamung, zumal klimatischer, des Frühjahrs -Anfangs vorkommen, dürfte die Reisegeschwindigkeit bald auf die Hälfte, bald auf das Doppelte der gewöhnlichen Grösse und noch melir liier steigen, dort sinken. (A. von Middendortt', Sib. K.. Bd. IV. Tbl. II. S. 1258.) *'^) In welcher Richtung ziehen die Vögel Sibiriens ? Darauf lässt sich theils auf Grundlage unmittelbarer Beobachtungen antworten, theils mittelbar. Im Taimyrlande liess ich unter 71 ^ n. Br. an unserer festen Station die Richtung des Zuges mit der Meridianrichtung genau vergleichen ; dasselbe beobachtete ich selbst in höhern Breiten. Sowohl dort als hier ging im — 201 — Allgemeinen die Zugrichtung des Wassergeflügels durchschnitt- lich von Norden gegen Süden ; sie schwankte aber bei einzelnen Schaaren so weit ab, dass der äusserste Unterschied, den wir beobachteten, einem halben rechten Winkel gleichkam, indem einige, und zwar die meisten, nach Nord-Nord-Ost, andere nach Nord-Nord-West zogen. Dies gilt, wie es scheint, sogar für Vögel derselben Art. Zurück ging der Hauptzug fast ausnahms- los aus Nord-Nord-Ost nach Süd-Süd-West über unsere Beob- achtungsstation an der Boganida fort. (A. von Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Tbl. II, S. 1148.) •'**) Bekanntlich weisen nun gar viele der neuern Beobach- tungen darauf hin, dass manche Vögel im Herbste einen andern Weg zurück ziehen, als den sie im Frühjahre kamen. Wo sie im Frühlinge vollauf sind, sieht man sie im Herbste oft gar nicht. Doch gehen mir in dieser Hinsicht für Sibirien alle Erfahrungen ab, wenn nicht etwa, dass die grosse Raubmöwe (Lestris pomarina) sich im Frühjahre an der Boganida nur als grosse Seltenheit sehen Hess, im Herbste dagegen sehr häufig war. Mitunter mögen übrigens wohl auf einer und derselben Strasse andere Rastorte beim Hin-, andere beim Rückzuge be- rührt und dadurch mag die obige Ansicht veranlasst werden. In trockenen Herbsten erwarten die Jäger (z. B. der Umgegen- den St. Petersburgs) fruchtlos das Einfallen der Schnepfen auf ihren althergebrachten Rastorten. (A. von Middendorif, Sib. R., Bd. IV, Tbl. H, S. 1150.) "') Voran glaube ich für die Nordküsten Sibiriens eine vor- waltend von Westen nach Osten oder von Osten nach Westen gerichtete Wanderung mancher hyperborealen Wasservögel an- nehmen zu dürfen, d. h. eine arktische Querstrasse, welche vorzugsweise der Richtung der geographischen Breite folgt. Schon auf Seite 1077 der vorangegangenen ersten Liefe- rung dieses Werks (IV, 2) habe ich vor vielen Jahren dessen erwähnt, dass die besondere Zutraulichkeit der Prachtenten ( Spectabilis) am Taim^rsee mich zu dem Schlüsse zwang, dass dieselben im Winter nicht südwärts, sondern nach Osten und — 202 — AVesten zu Offenstellen*) des Eismeeres wandern. Damit war denn zugleich die scheinbare Widersinnigkeit ausgesprochen, dass im allerhöchsten Norden Sibiriens solche Vögel im Früh- jahre die Richtung Nord-Süd zu ihren Brüteplätzen herangeflogen kommen, im Herbste dagegen mit ihrer Brut nach Norden ziehend vor den Unge wittern des li er einbrechenden Winters Schutz suchen. (A. von Middendorff, Sib. E., Bd. IV, Tbl. 11, S. 11Ö3.) •^^j Der zeitweise Aufenthalt so vieler Vögel in den Fluss- thälern zu Beginn ihrer Wanderung mag wohl zu der Behaup- tung veranlasst haben, denselben dienen die Wasserstrassen als Richtung, um ihre Winterquartiere in den fernen Landen zu linden, ohne zu berücksichtigen, wer ihnen dann, wenn sie an den Mündungen der Flüsse, die doch nicht alle nach Süden ge- richtet sind, sagt, in welcher Richtung sie weiter reisen sollen. (Kolazy, Mitth. d. ornith. Vereins i. Wien. 1880. No. 12.) *) Dieser scheinbare Widerspruch erklärt sich leicht diu'ch die Lebensweise der Königseiderente, welche ein entschiedener Seevogel ist, der nur zur Brutzeit ins Land kommt. Sie ist von allen Wasservögeln der beste Taucher, vermag nach Faber bis acht Minuten unterm Wasser zu bleiben und daher noch in so tiefem Wasser ihre Nahrung zu finden, wie dies kein anderer Vogel vermag. Sie sucht nun im Herbst tief in der See gelegene offene Stellen und erscheint dann im Frühjahr aus dem Norden. HolböU (Fauna Grönlands, übersetzt von Paulsen, S. 75) hat gefunden, dass Somateria spectabilis gew«ihnlich vier bis sechs Minuten unter Wasser bleibt, S. mollissima nur die halbe Zeit. Erstere kann daher zu einer sehr grossen Tiefe gelangen und geht auch bei Grönland zur Winterszeit weit in die Davis-Strasse, wo sie solche Stellen aufsucht, die reicli an Mol- lusken und kleinen Crustaceen sind. Ganz ähnlich wird es sicli auch an der sibirischen Küste verhalten. Es kann dalici- von einer Wanderung oder gar einem Zuge nicht tue Rede sein, indem die Königseiderente nur solche Localitäten im ]\[eere aufsucht, die offenes Wasser haben und reiche Nahrung bieten, gleichviel in welcher Richtung dieselben liegen. Sie ist ein Meervogel im eigensten Sinne und kein Küstenwanderer, wenn auch Eisverhältnisse sie zwingen können, zeitweise in die Nähe der Küsten zu kommen. V. H. - 203 Lerchen fang im Herbst bei Palermo. *^^) Die Lerchen (Alaiida arveusis) nisten auf dem Conti- nent, überwintern aber in Sicilien oder in der Berberei. Bei uns (Palermo) beginnt der Zug zur Nachtgleiche und dauert einen Monat. Nirgends sind sie so häufig wie um Palermo, kommen in Flügen von zwanzig bis fünfzig einer hinter dem andern den ganzen Tag, die meisten um Mittag, besonders bei einem massigen Winde von Norden (Tramontana), Nord- Osten (Grecale) und Nord- Westen (Maestrale); kaum kommen welche bei einem heftigen Winde oder mit dem Sirocco (Süd- Osten) oder Libeccio (Südwesten). Sie fliegen langsam und gleichförmig am Wasser hin und erheben sich in die Luft nur, wenn sie an den Strand kommen. Nach meiner Berechnung kommen während des grossen Zuges an einem Tage wohl eine Million an und mithin während der ganzen Zeit über zehn Millionen bloss im Busen von Palermo, der höchstens zwanzig Miglien lang ist. Dieser Zug verschafft den Palermitanern eine lustige und ergiebige Jagd. Eine Menge .Jäger verbreiten sich über das ganze Gestade oder fahren ihnen selbst auf dem Meere ent- gegen, an manchen Tagen sind wohl hundert Barken im Golfe und über dreihundert .Jäger am Strande, welche unaufhörlich schiessen, so dass man glaubt eine Schlacht zu hören. Manche Jäger erhaschen in wenig Stunden an hundert Lerchen, welche hier Lonora heissen. Das Schiessen erschreckt sie nicht, wenn sie noch weit sind, denn sie fliegen auf das lebhafteste Feuern los. In der Nähe aber weichen sie aus, kehren selbst in 's Meer zurück und suchen an einem weniger gefährlichen Orte den Strand zu erreichen. Da sie von ihrer Keise sehr müde sind, so fallen sie leicht, auch wenn sie nur wenig getroffen werden, und bleiben auf der Wasserfläche, von der man sie leicht aufnehmen kann. Diejenigen, welche dieser Metzelei entgehen, zerstreuen sich nun auf dem Lande, wo sie aber von andern Jägern verfolgt werden. Im Frühjahre kehren sie ziemlich un- bemerkt nach Italien zurück. Es ist nicht recht zu begreifen. - 204 — warum diese Vögel so weit über das Meer gegen Palermo fliegen und nicht bis zur Spitze von Calabrien geben. (Isis 1845, S. 228.) (Aus Rafinesque: Giornale encicopledico dl Sicilia.) "'*) Die vorstehende ausführliche Mittheilung über den Lerchen- zug bei Palermo zeigt theils recht deutlich, dass die Vögel mit dem Winde ziehen, theils dass sie keineswegs stets von einer Landspitze zur nächstgelegenen andern wendern, son- dern einer bestimmten Richtung dauernd folgen, ohne Furcht weite Meeresflächen überfliegend, die sie sehr wohl durch Umwege vermeiden könnten. (v. Homeyer.) ^') L a r u s tr i d a c t y 1 u s L. Die Dreizehen-Möwe kommt in manchen Jahren in grossen Schaaren zu uns. So waren sie im Frühling 1845 im Regnitzgrunde sehr zahlreich, am 7. October 1848 in einem Fluge von mindestens einhundertfünfzig Stück auf dem Dutzendteich, überhaupt in dem Winter 1848 — 49 in ganz Mittelfranken, im Altmühl-, Rednitz-, Aisch- und Bibert- grunde u. s. w., auch längs des Donau-Main-Canals ausser- ordentlich zahlreich vorhanden und wurden damals nicht nur sehr viele erlegt, sondern noch mehr halbtodt ergriften oder verhungert gefunden. Bei Gutzberg (15. April 1855), bei Kaik- reuth (1861), endlich auch bei Eichstadt hat man sie erbeutet. (Pfarrer Andreas Jäckel, Die Vögel Mittelfrank. 1864. S. 61.) '-) Die Dreizeheu-Möwe ist ja einer derjenigen Vögel, welche manche Schriftsteller um ganz Europa herum den Meeresküsten folgen lassen, um die italienischen Küsten zu erreichen. Vor- stehende treffliche Beobachtungen zeigen, vereint mit vielen ähnlichen, den bedeutenden Zug dieser Vögel durch Deutsch- land zum mittelländischen Meere und sind vorzüglich geeignet, diese wunderbaren Hypothesen zu beseitigen, (v. Homeyer.) '-») Die Dreizehen-Möwe ist mehr ein See- als ein Strand- vogel und nähert sich dort der Küste, wo tiefere Wasser an sie heranreichen. (Droste, Borkum. S. .'>42.) — 205 — '•^) Auffallend ist das Phänomen, dass jährlich Haufen ver- schiedener Vogelarten angetroffen werden, welche sich nicht mit dem Brüten beschäftigen, sondern den Sommer haufenweise ver- sammelt in Gesellschaft zubringen, ja sogar mitten im Sommer in der Zone gefunden werden, in welcher die Arten übrigens nicht ihre Eier ausbrüten. Ich verstehe unter diesem Haufen nicht die jungen Vögel, bei welchen nach dem Vorhergehenden der Paarungstrieb nicht erwacht ist, sondern vollkommen alte und dem Ansehen nach brütfähige Vögel. Mehrere Ornitho- logen sind auf diese wunderbare Erscheinung aufmerksam ge- wesen; am meisten in die Augen fallend habe ich sie in der Ordnung der Sumpf- und Schwimmvögel gefunden. Sie kommt so häufig in der borealen Zone, nämlich in Island vor, dass der gemeine Mann unter den Isländern selbst darauf aufmerksam ist und solche alte Vögel, welche den Sommer in Haufen zu- bringen, ohne sich fortzupflanzen, Geltfugle, gelte oder unfrucht- bare Vögel nennt. Es ist schwer, den Grund dieser häufigen Ausnahmen von der Regel, dass die Paarungsfähigkeit den Paarungstrieb erweckt, aufzufinden. Man kann nicht annehmen, dass alle diese nicht brütenden Individuen durch eine physisch fehlerhafte Bildung der Zeugungsorgane oder durch sehr hohes Alter zu ihrer Fortpflanzung sollten untüchtig gemacht worden sein, besonders da ich beim Zerlegen mehrerer dieser Indivi- duen sie anscheinend zur Paarung fähig gefunden habe, eben so wenig als der grössere Hang gewisser Vögel zur Gesell- schaft sogar den Paarungstrieb unterdrücken sollte; denn man kann sich wohl nicht denken, dass diese Lust bei den ver- schiedeneu Individuen derselben Art in verschiedenem Grade wirke; ausserdem sind die Paarungsverhältnisse nicht unbedingt eine Verhinderung der Gesellschaftslust, da viele Vögel in Co- lonien brüten.*; Es sind ferner nicht die Zugvögel allein, son- *) Manche Vögel, sehr geselliger Natur, welche nicht in Colonien brüten, vereinigen sich auch zur Brutzeit gegen Abend (Staare I, oder an gemeinschaftlichen Futterplätzen (Strandvögel). Besonders sind es die Männchen, welche dies thun. So versammeln sich die (J(^ der Staare gerne auf dem höchsten Baume in der Nachbarschaft ihrer Brutplätze zu gemeinschaftlichem Abendconcerte und suchen dann ebenso gemein- schaftlich ihr Nachtquartier auf. V. H. - 206 — dem auch die Standvögel, bei welchen dies der Fall ist, sonst könnte man vielleicht annehmen, dass die nicht brütenden In- dividuen solche wären, welche auf ihrem Zuge sich verspätet hatten. Dem einzigen scheinbaren Grunde, der sich noch denken lässt, nämlich dass diese Ungepaarten üeberzählige eines Ge- schlechts sein könnten, welche zufolge der Mouogamität der meisten nordischen Vögel ohne Gatten bleiben mussteu, kann ich bestimmt widersprechen, da ich unter diesen nicht brüten- den Yogelhaufen derselben Art ebensowohl alte Männchen als alte Weibchen gefunden habe. Es ist eine Abweichung in der Xatur. welche ebenso in die Augen fallend als mir bisher unerklärbar gewesen ist. (Faber, S. 102—103.) '^) Der Windrichtung kann ich aus meinen Erfahrungen im Taimyrlande weder einen richtenden noch irgend einen andern Einfluss*) von Bedeutung auf den Zug einräumen. Freilich versicherten mich die Ansiedler, die sich unfern der Waldgrenze niedergelassen hatten, dass die ersten Gänse regelmässig mit dem ersten anhaltenden Südwinde des Mai anlangten, welcher auch deshalb dort den bedeu- *) Middendorff steht liier offenbar unter dem Einflüsse der alther- gebrachten Ansicht, dass die Vögel „gegen den Wind ziehen" und kann sich davon nicht befreien, obgleich er nur Daten angiebt, welche für di^ entgegengesetzte Ansicht sprechen. Schon die Beobachtungen der Ein- gesessenen des Landes, die Middendorff l)estätigt fand, geben Zeugniss dafür, ebenso alle spätem Beobachtungen, zumal der Hauptzug Ende Mai bei Süd-Süd- West-Sturm. Nur selten ziehen Vögel bei Sturm, aber ich habe doch öfter Gänse stets mit dem Winde im Lande und einmal einen Hauptzugtag verschie- dener Vögel C24. August 1878) an der Ostsee gesehen. An diesem Tage herrschte ein anhaltender sturmartiger Süd-Ost. Die Vögel zogen am Strande, hinter das schützende Ufer, ziemlich Ost-Nord-Ost zu West- Süd-West. Es war ein fortwährender Zug der verschiedensten Arten, aber jede Art in gesondertem Trupp, mit gi-össerm oder kleinerm Zwischen- raum, je 20—60 Stück vereint. Ich unterschied in grosser Nähe: Anas boschats, clypeata, acuta, crecca, querquedula, Charadrius hiaticula, Tringa alpina, Numenius arquata in bunter Reihenfolge. So viel ich bemerken konnte, wesentlich alte Vögel. V. H. — 207 - timgsvollen Xamen des Gänse-Schneesturms (Gusinaja purga) führt; freilich traf dieses auch zu meiner Zeit zu. Da die Gänse bei ungewöhnlich heftigen Süd- westwinden in der Taimyrtundra zu erscheinen be- gannen, trotz dessen, dass zugleich starker Frost einsetzte; allein das bezieht sich doch nur auf den ersten Beginn des Zuges, indem solche Südstürme im Hochnorden Frühjahrswitte- rung einleiten. Wir sahen übrigens das Wassergeflügel bei allen möglichen Winden fliegen. War es aber nur Zufall, dass die Hauptzüge der Gänse regelmässig mit Seitenwind statt- fanden, so dass also bei West- und Süd- West- Winden die Zug- richtung nach Nord-Nord- West und bei Ost- und Süd-Ost- Winden nach Nord-Nord-Ost gerichtet war ? Wich die Zugrichtung etwa zu dem Zwecke ab, um den Wind nicht von hinten etwa in das Gefieder hineinblasen zu lassen? Bei heftigem Süd- Süd-West-Sturme sah ich zuEnde des Mai Schwäne, Gänse, Möwen und einen Wader nordwärts ziehen unter Stiem, Schlack- und Regenwetter so arg, dass man nicht zehn Klafter weit zu sehen vermochte, so arg wie nur die offene Tundra-Steppe die Unwetter aufzu- weisen hat. Mit Mühe hielten wir uns auf den Beinen. ( A. V. Middendorft-, Sib. R., Bd. IV, Th. H, S. 1171.) "^) Ich erklärte mich g e g e n K e s s 1 e r dafür, dass viele Arten von Vögeln sich an gewisse Wanderstrassen*) halten und fand *) Middendorff weicht liier iiisQfeni von seinen eigenen (Trundsätzen ab, als er sich auf das gefährliche Feld der Schlussfolgerungen begiebt. Nur auf die Ankunftszeit gewisser Vögel, nicht auf die Beobachtung der Zugrichtungen gestützt, deren gar nicht gedacht wird, tritt er tür die Ansicht ein, dass die Vögel im östlichen Russland — im Gegensatze zu dem westlichen — gewissen Zugstrecken folgen. Damit steht jedoch schon im Widerspruche, dass in den Steppen Südrusslands, wo die Vögel sich frei bewegen können, ein ganz gleichmässiger Zug beobachtet ist. Alle Beobachter stimmen darin überein, dass der Zug im AVesten des schwarzen Meers ein sehr starker ist, und dies haben namentlich auch die (iebrüder Sintenis bei ihrem vierjährigen Aufenthalte in der Dobrudscha bestätigt gefunden. Was nun die im Westen und Osten Asiens verschiedene allgemeine — 208 — einen Grund dafür, dass wir in dieser Hinsicht zu entgegen- gesetzten Beobachtungen gelangt waren, darin, dass Kessler im Westen des europäischen Russlands beobachtete, während die hauptsächlichsten Heerstrassen der Vögel sich durch den Osten unsers Reichs ziehen. Ich verband die Orte gleicher Ankunftstage gewisser Vögel auf der Karte durch Linien, Ankunftslinien oder Isepipthesen, und es ergab sich, dass trotz mancher Abweichungen in den Richtungen der Ankunftslinien verschiedener Vogelarten unter einander der Verlauf aller Ankunftslinien im Allgemeimen sich als breiterer Gürtel zusammenfassen lasse. Der Heranzug der Vögel fand in senkrechter Richtung auf diesen Gürtel statt, und so ergab sich denn aus der Betrachtung des Gesammt- verlaufs dieses Gürtels, dass unter den Meridianen Mittel- Sibiriens die Vögel S.-N. ziehen, im europäischen Russlaud g. _W. — N.-O., an den Ostküsten Sibiriens im Gegentheil S.-O. — N.-W. Ueberdies zogen an den Küsten des Eismeers manche Vögel in W.-O.- und O.-AV. -Richtung. (A. V. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Tbl. II, S. J195.) Zugrichtung anbelangt, so erscheint die Annahme Middendorft's wohl be- gründet. Der Einfluss des Seeklimas auf die Zugrichtung ist unver- kennbar und muss es sein, wenn der A^ogel im Herbste mildere Gegen- den aufsucht und umgekehrt im Frühjahr. Europa und Asien bilden einen einzigen Continent, und daher ist es auch erklärlich, dass, ab- gesehen von localen Einwirkungen und dadurch verursachten Abweichun- gen von der allgemeinen Richtung, der Hauptzug im Frühjahr gegen Nordost, im Herbste gegen Südwest ist. In den Küstenländern Asiens muss aus denselben Gründen die Rich- tung von Süd zu Ost abweichen, im (-entrum mehr oder weniger mit dem Meridian gehen. Dageireu erscheint eine Folgerung nach den ermittelten lsepi2)thesen um so bedenklicher, als die Beobachtungen, welche den Ermittelungen zu Grunde liegen, als sicher und zuverlässig wohl nicht überall V)etrachtet werden können. Die vermeintlichen Züge am Meere von Ost- West oder West-Ost sind wohl nur als locale Erscheinungen oder Bewegungen solcher Vögel zu betrachten, welche eigentliche Wanderzüge überhaupt nicht unter- nehmen. v. H. — 209 — Rückzüge. Kundschafter. In Vorstehendem ist verschiedentlich darauf hingewiesen, dass die Vogelzüge aus Vorläufern, dem Hauptzuge und Nach- züglern bestehen. Von manchen Seiten sind die Vorläufer Kund- schafter genannt, und diese Bezeichnung scheint auch in vielen Fällen das Richtige zu treffen. Immerhin kommen Fälle vor. wo bei sehr ungünstiger und andauernd übler Witterung die Vögel bleiben und alle Unbilden der Witterung ertragen, selbst dann, wenn die Mehrzahl zu Grunde geht, wie dies in erschreck- licher Weise im April 1837 der Fall war. Damals waren aber auch schon die Hauptzüge vieler Vogelarten angekommen und es will erscheinen, dass diese Hauptzüge nur in sehr seltenen Fällen zurück gehen. Bestimmte Beobachtungen solcher Rückzüge sind wohl nur auf Helgoland gemacht worden, und ohne diese Thatsache möchte man Grund haben an- zunehmen, dass Arten, deren Hauptzüge vollendet, niemals einen Rückzug unternehmen. Ein eigenes Ding ist es mit den Kundschaftern. Der auf- merksame Beobachter wird verschiedentlich Gelegenheit haben zu sehen, dass einzelne Wanderer früh erscheinen, sich alle Oertlichkeiten genau ansehen, aber auch bei günstiger Witterung verschwinden und es dann gewöhnlich noch einige Zeit dauert, bis die Mehrzahl anlangt. Dies lässt sich besonders gut bei den Schwalben und vorzüglich bei der Rauchschwalbe beobachten, ja bei dieser in den meisten Jahren. Es ist aber auch ein Irrthum zu glauben, dass die Vögel von Ort zu Ort wandern. Dies ist besonders im Frühjahr durchaus nicht der Fall. Ich habe Rauchschwalben durch- wandern und eilig ihren Weg gegen Osten verfolgen sehen, während in den weiter westlich gelegenen Orten noch in acht Tagen keine Schwalbe zum Neste kam. Es zeigt dies aber auch recht deutlich, wie wenig die Isepipthesen geeignet sind, auf die Zugrichtung der Vögel zu schliessen. Schon in meiner üebersicht der Vögel Pommerns, welche im Jahre J837 erschienen ist, habe ich erwähnt, dass bei Ge- legenheit des furchtbaren Nachwinters, der mit einem dreitägigen V. Honieyer, Wanderungen der Vogel. 14 — 210 — Schneefall vom 7. bis 9. April eintrat, zu welcher Zeit eine grosse Anzahl von Vögeln, namentlich Störche, Kiebitze, Lerchen, Staare, Bachstelzen und Steinschmätzer angelangt waren, von einem Eückzuge auch nicht im allergeringsten Maasse die Rede sein konnte. Die Vögel verweilten an möglichst günstigen Plätzen, die freilich immerhin ungünstig genug waren, und die grosse Mehrzahl ging zu Grunde. Auch in spätem Jahren habe ich oft gesehen, dass die Vögel bittere Noth litten, ohne eine Rückwanderung zu unternehmen. Noch vor wenigen Jahren waren sämmtliche Sti^are in hiesiger Gegend eben angekommen, als noch Schneefall und starker Frost eintrat und die armen Vögel sich kümmerlich an den offenen Bächen und Quellen er- nähren mussten. Es wurden mir von den verschiedensten Seiten eine Menge todter Staare gebracht, welche dem Einflüsse der Witterung erlegen waren ; aber ein Rückzug war nicht zu be- merken. Namentlich auch in der Stadt Stolp selbst, wo es viele Staarkästen giebt, fand man auf fast allen Höfen erfro- rene Staare. Andererseits habe ich aber auch unzweifelhaft beobachtet, dass vollständige Rückzüge eintraten. Namentlicli habe ich Lerchen in nicht unerheblicher Zahl in kleinen oder grössern Flügen auf dem Rückzuge gesehen und das anhaltend im Laufe mehrerer Stunden. Auch bei den Schwalben habe ich dies unzweifelhaft beobachtet. Ueber diese beiden Vogelarten liegen mir daher sichere,, thatsächliche Beobachtungen vor, während ich von vielen andern Arten nur sagen kann: sie waren angekommen, aber bei der eintretenden rauhen Witterung wiederum verschwunden. Das könnte man allerdings dadurch erklären, dass diese Vögel theils geschütztere Stellen aufgesucht, wo sie sich der Beobachtung entzogen, theils der Kälte erlegen wären; immer aber bleibt für die Mögliclikeit des Rückzugs die beobachtete Thatsache bei den Lerchen und Schwalben bestehen und es ist kaum glaublich, dass alle Vögel einer Art solche Verstecke gefunden, welche sie dem forschenden Auge entziehen konnten. Dies ist um so weniger anzunehmen, als der Sammler sehr wohl weiss, dass bei einem plötzlichen Umschlage der Witterung oft seltene Wanderer in geschützten Lagen zu finden sind, selbst an Orten, - 211 — wo dieselben bei günstiger Witterung nicht bemerkt wurden. So habe ich, und wunderbarer Weise an einem bestimmten Tage (15. Mai), die hier seltenen Fliegenfänger (Muscicapa parva und Muscicapa albicollis) gefunden und erlegt, die ich zu keiner andern Zeit auf meinem Gute gefunden. Es waren stets alte Männchen, wohl aus dem Grunde, weil die Zugzeit der Weib- chen noch nicht gekommen war. Ich bemerke hierbei noch, dass es mir nicht bekannt ist, dass M. albicollis anderweitig in Pommern beobachtet wurde. Der Frühling des letzten Jahres hat Gelegenheit gegeben, dergleichen Beobachtungen wiederum zu erneuen. Das anhal- tende kalte Wetter Hess die Wanderer des Südens in spärlicher Zahl erscheinen; die Vorläufer oder Kundschafter erschienen einzeln an einem schönen Tage , hielten sich kurze Zeit auf und waren bei dem raschen Witterungsumschlage Tage lang ver- schwunden. Sowie aber ein schöner Tag eintrat, war eine Menge dieser Vögel und mit ihnen viele andere Arten in unglaublich grosser Zahl angelangt, so dass der Vogelzug dieses Jahres keineswegs so ärmlich geblieben ist, wie dies der Anfang desselben fürchten Hess. (v. Homeyer.) '^') Am 1. Mai, einem schönen Tage, umflogen die ersten zehn bis zwölf Cj^selus apus den Kirchthurm. Vom 2. bis 10., wo mancher rauhe Tag mit dem ewigen N.-O. -Winde dazwischen lag, habe ich sie nicht wieder bemerkt, was mir wegen des bekannten Geschreies (wovon mir ein Ton genügt) nicht entgangen sein konnte. Seit dem 10, waren wieder einige da. Ob dieselben? (Tancre in Anclam.) Von PhjUopneuste fitis habe ich mehr als ein Dutzend während der Zugzeit präparirt, ebenso wie Meyer. Es finden sich darunter Stücke, von denen Letzterer so wenig als ich weiss, ob wir sie als rufa oder fitis bestimmen sollen. Un- erklärlich bleibt es mir noch, wo die Thierchen blieben. Allein versteckt konnten sie sich nicht haben, denn bei dem sorgfäl- tigen Durchsuchen der betreifenden Oertlichkeiten hätte ich mehr 14* — 212 — finden müssen. War der nächste Morgen jedoch wieder schön, dann wimmelte es von Vögeln und meist war die eine oder andere Art neu hinzugekommen. (Anclam, 18. Mai 1881. Tancre.) '^) Im Garten des Herrn von Buchholz nisten achtzehn Störche so nahe an der Hoflage, dass man von dem Gehöfte alle acht- zehn Nester übersehen kann. Dort kommt erst ein Storch an, verschwindet und bleibt mehrere Tage weg, dann kommen einige imd setzen sich auf die Nester. Nach mehreren Tagen kommen die Weibchen und das Nisten geht vor sich. Die Staare und Bachstelzen erscheinen des Morgens, die Schwalben gewöhnlich Nachmittags zwischen drei bis sechs Uhr. Diese Kevidenten bleiben meist nur einige Minuten und verschwinden alsdann wieder. Daher das Sprüchwort: „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer". Merkwürdig! sie sind ganz still und geben keinen Laut von sich. Von den liauchschwalben erscheinen bisweilen nach acht bis vierzehn Tagen zwei bis drei Revidenten auf einige Minuten, sehen sich aber nur um, verschwinden wieder und ziehen wahrscheinlich nach dem Süden zurück. Diese Revidenten zeigen sich nur bei warmem Wetter und kommen darum nie vor Kälte um. Wenn dagegen die ganze grosse Menge angekommen ist. die gleich die alten Nester besuchen, und es tritt kalte Witterung ein, so erfrieren sie leicht und oft. (Büttner. Kurland, Na. 58, S. H25.) '^) Zu Ende des Monats April der Jahre 1854 und 1857 er- froren und verhungerten viele Haus- und Rauchschwalben. So lange die Weiher offen blieben, brachten die von dem heftigen Winde aufgewühlten Wellen noch manches Wasserinsect an die Ober- fläche, das die dick aufgeballten, trägen Fluges über dem Wasser- spiegel dahingleitenden Schwalben gierig hinwegnahmen. Als die Weiher sich mit Eis überzogen hatten, sucliten viele Ret- tung in den Viebställen, woselbst sie sich während der bösen Zeit mit den sich dort aufhaltenden Fliegen fristeten; acht Stück Rauchschwalben drangen sogar in eine Wohnstube in Neu- haus, mussten aber am zweiten Tage, nachdem alle Stuben- - 213 - fliegen verzehrt waren, wieder entlassen werden. Halbtodt sah man die armen Thiere auf dem warmen eben herausgeschafften Dünger in den Ortschaften sitzen und fand sie todt in den Nestern und in den geschützten Lagen an den Weihern, an manchem Hause zwei bis drei Stück. Im Jahre 1860 herrschte noch vom 25. bis 29. Mai empfindliche Kälte bei strömenden Eegengüssen. Auch in dieser Zeit war den sogenannten Fliegen- vögeln fast alle Nahrung entzogen und erfroren viele Mauer- segler, Rauch- und Hausschwalben. (J. A. Jaeckel.) '^*') Die überwinternden Staare, Lerchen und Wiesenpieper wur- den auch während der tiefen Schneemassen in der zweiten Hälfte des Februar in den schon erwähnten Gegenden angetroffen; und die Lerchen flüchteten sich in geschütztere Lagen, an Wald- säume, und an sonnigen Nachmittagen in grosser Anzahl an Weiherränder. Die Staare blieben immer noch fröhlich und guter Dinge; sie sangen von den Thurmfahnen herab, wie sein- es auch stürmte und schneite. (J. A. Jaeckel.) *''^) Verlockt von dem um den 10. März auf kurze Zeit einge- tretenen günstigen Wetter zogen die Kraniche (Grus cinerea Bechst.) vom 10. März an über die Gegend von Frankfurt a/M. durch ünterfranken und das Aschaffenburgische ihren Som- merplätzen in solchen Massen zu, dass die erfahrensten Jäger sich's nie so erinnern. Bei dem Wiedereintreten der kalten Witterung, vom 16. März an, kamen sie auf einmal, ausge- hungert und todtmüde, wieder zurück. Schnee und Eis und die hierdurch bedingte Nahrungslosigkeit nöthigten sie zur Umkehr und brachten sie so sehr herab, dass viele nicht mehr im Stande waren, sich zu erheben, und so dem Jäger leicht zur Beute wurden. (J. A. JaeckeL) ^-) So sehr ich mich in fast allen Dingen, welche sich auf die Wanderungen der Vögel beziehen, mit den Gebrüdern Müller in Uebereinstimmung befinde, so ist dies doch in Hinsicht des — 214 — Rückzuges nicht ganz der Fall. Wie bereits oben erwähnt, halte auch ich es für selten, dass Vögel zurück ziehen, die bereits in ihrer Mehrzahl angekommen sind, aber ich habe oft gefunden, ja ich möchte glauben, in der Mehrzahl der Jahre beobachtet, dass die zuerst angekommenen Vögel wieder zurück gezogen sind, sobald ungünstige Witterung eintrat, ja ich habe ebenso wie Büttner beobachtet, dass die Vorzügler auch bei günstiger Witterung nach sehr kurzer Zeit wieder verschwunden waren, aber ich habe auch Rückzüge positiv beobachtet — bei den Gänsen ereignet sich dies gewöhnlich mehrmals in jedem Früh- jahre — und da scheint mir auch ein positiver Beweis vorzu- liegen, den eine negative Wahrnehmung nicht zu entkräften ver- mag, zumal meine Beobachtung von vielen tüchtigen Forschern unterstützt wird. (v. Homeyer.) '^'^j W a n d e r n bei T a g e. Manche von den Vögeln, bei denen man nur das Ziehen während der Nacht beobachtet hat, ziehen unter Umständen auch regelmässig b e i T a g e. So z. B. wandert Podiceps cristatus am Tage und zwar in kleinen Gesell- schaften, je ein Individuum circa fünfzig Fuss vom andern ent- fernt, in gerader Linie und in einer Höhe von ungefähr lumdert Fuss dahinziehend; ferner Scolopax major und gallinago, be- sonders wenn Sturm und Gewitter im Anzüge sind. Ich beob- achtete beide in einzelnen kleinen Gesellschaften, ziemlich eilig vorüberziehend. Zuerst erschienen etwa zwanzig Stück von Scolopax major, nach einiger Zeit folgte ein Zug von gallinago ; dann wieder major. — Auch Coturnix communis wandert manch- mal am Tage. Ich bemerkte Flüge von acht bis neun Stück in ziemlich bedeutender Höhe und schnellen Fluges dahineilend. (Baldamus, Na. oT, S. 181.) — 215 — Capitel ni. Tägliche Wanderungen. Manche Vögel machen auch regelmässige tägliche Wan- ondent" - 251 - ( iSlO, No. 34. vergl. mit No. 41), machte einen solchen Lärm, <3ass man glaubte,^ einen Hagelschlag niederprasseln zu hören. (Jaeckel, Vögel d. Aeischgr., S. 48.) ^"-J Im November und noch mehr im December zeigten sich allüberall in Frauken, Altbayern und Schwaben gewaltige Schaaren von Birkenzeisigen (Friugilla linaria L.). Während des Monats December 1852 war in ganz Bayern bis hinauf in das Hochgebirge eine ausserordentlich milde "Witterung. (Jaeckel.) Die Singdrossel. Turdus musicus. ^"'^j Nebst der Weindrossel und der Bingamsel bildet sie den Hauptbestand des grossen Drosselzuges. In der Regel be- ginnt dieser mit dem 20. September. 1865 war indess von allen drei Arten schon am 15. eine grosse Masse vorhanden. 1866 traf ich am 26. einzelne und schon Tags darauf eine ge- hörige Masse, meist Ring am sein. Am Morgen des 30. war ihre Anzahl unglaublich gross, doch zogen tagsüber fort- Avährend Flüge nach Rottum ab. In der Nacht auf den 1. Octo- ber hörte ich, im Entenloche liegend, alle paar Minuten das „Tische" oder „Jäk" der wandernden Zippen und Riugamseln. Am 4. wimmelten die ganzen Dünen von Drosseln, in grossen Schwärmen hüpften sie auf den Wiesen und sogar mitten im Dorfe stöberte man aus jeder Gartenhecke und jedem Kraut- stücke Drosseln auf. Erst an diesem Tage hatte die Zahl der einfachen Krammetsvögel eine bedeutende Höhe erreicht. Am folgenden Tage langten ununterbrochen Drosseln an und zogen nach Rottum ab. In der Nacht auf den 10. flogen sich viele an der Glaskuppel des Leuchtfeuers den Kopf ein. Am 18. waren jene enormen Massen pötzlich bis auf ein Geringes zusammengeschmolzen. Am 20. langten wiederum grosse Rotten an, die nun fast nur aus Krammets- vögeln*) bestanden, und hörte ich sie an diesem Tage schon mehrere Stunden vor Tagesanbruch ziehen. Ich lag auf dem *■) Turdus pilaris (doppelter). Turdus iliacus (einfacher) Krammets- vo^el. V. H. - 252 - Frühstriche im Hopp. Die kalte Nacht auf den 27. hatte sie fast alle vertrieben und später traf ich von diesen drei Arten nur noch einzelne. Im Anfange des Zugs sind die Ringamseln und die Singdrosseln ungleich zahlreicher als die Krammetsvögel, späterhin überwiegen diese. Die Singdrosseln und einfachen Krammetsvögel fallen in grossen Schaaren auf die Wiesen, um dort Nahrung zu suchen. Die Ringamseln dagegen verlassen selten die Dünen und Hecken. Diese ftingen sich leichter in Dohnen als jene. Der Frühliugszug fällt in den April, später kommen nur noch Nachzügler und im Sommer Verirrte. (von Droste, Borkum, S. 93.) ^^*) Eine ungeheure Menge von Larus, Anas, Mergus, Podi- ceps, Fulica u. s. w. bedeckten und belebten den Heideusee und gewährten einen für unsere Gegenden eigenthümlichen Anblick. Nach Sonnenuntergang machten diese Vögel einen Ungeheuern Lärm, der noch durch grosse Schwärme von Sturnus vulgaris und Corvus monedula vermehrt wurde. Ich habe noch nie, selbst nicht in den grossen Sterna-Colonien auf Poel, einen so unge- heuren Lärm gehört. Am andern Morgen eilte ich in der Hoffnung auf reiche Beute mit einer Flinte hin, aber alle die zahllosen Schaaren waren verschwunden. (von Preen, Naum. 1S57, S. liL) Der Buchfink, Fringilhi coelebs. ^"'■^j Er nistet weder zu Borkum, noch auf einer der Nach- barinseln. Vereinzelte zeigen sich jährlich im September und sind die Vorläufer des grossen Herbstzugs. 1866 stellten sich die ersten unbedeutenden Flüge am ';]. October ein und Tags darauf waren sie bereits zu Hunderten da. War es an dem Tage schon belebt, so sollte dies am '). erst recht werden. Alle Viertelstunden trafen neue Ankömmlinge ein, l)rachen andere wieder auf. In grossen und kleinen Trupps fielen sie für eine oder zwei Stunden ein, dann ging es wieder weiter. Vom frühen Morgen bis spät in die Nacht hinein wurde unausgesetzt ge- wandert. Es mögen an diesem Tage viele Tausende von Finken durcbpassirt sein. Vom 6. bis 13. waren sie oicht mehr häufig, am lo. und 17. aber wanderten aufs Neue grosse Massen, an den nun folgenden kalten Tagen wiederum äusserst wenige bis zum Nachmittage des 28.. wo zugleich mit einem Wind Wechsel*) und eintretendem Regen unzählige Heerden erschienen. Sie verschwanden schon Tags darauf, und Anfang November habe ich keinen Buchfinken mehr gesehen. Im Früh- jahr fällt ihr Durchzug von Mitte März bis 15. April. Jeder Buchfinkenschwarm war mit Bergfinken untermengt. Sie wandern zumeist am Tage, jedoch auch in hellen Mond- scheinnächten. Ich habe auf der Entenjagd ihre Lockstimmen bis spät in der Nacht und ebenso lange vor Sonnenaufgang gehört. In der Zeit, in welcher die Hauptmasse Borkum berührt, trifft man sie überall, in der Aussenweide, den Dünen, Gärten u. s. w., ganz besonders aber auf den in den Stoppeln liegenden Eapsländereien, welche in dieser Zeit oft buchstäblich von Vögeln bedeckt sind. (von Droste, Borkum, S. 113.) ^"*') Vom 28. October bis 5. November beobachtete ich keinen Wandervogel am Teiche; vom 5. November bis 14. war aber der Teich täglich ziemlich belebt; besonders war der 5. November ein Wandertag, oder vielmehr ein Hast- oder Ruhetag am Teiche für viele nordische Wanderer, hätte ihnen das vorbei- schnaubende Dampfross und die häufig dort vagirenden Menschen einen solchen gestattet. Zehn verschiedene Arten, dar- unter einige in grosser Anzahl, und andere sehr seltene Schwimm- vögel konnte ich im Verlaufe dieses Tages am Teiche be- obachten. Leider war der 5. November ein Sonntag, ein Tag der Ruhe. Für den Furtteich aber ein Tag der Unruhe, da an solchen Tagen die Menschen häufiger an Wegen und Stegen vagiren. Schon Vormittags brachte man mir die freudige Botschaft, ,.dass am Teiche alles lebe." Bei meiner Ankunft daselbst (zehn Uhrj musste ich aber zu meinem Leidwesen ver- nehmen, dass das um 9 Uhr vorüberschnaubende Dampfross schon viele Enten verscheucht habe. (Pfarrer Blasius Hanf, Ornithol. Briefe 1871.) •^l Leifler ist die Win d rieh t unsf nicht anjregeben. ^•^'j März 6. Grosser Vogelzug, den ganzen Tag siebt man Bussarde und Gabelweihen in kleinern Trupps; letztere fangen in der Wiese mehrere Maulwürfe, circa hundert Kiebitze mit Staaren, ein Flug von vierzehn Motacilla alba, Zaunkönig und Heckenbraunelle singen , Ph3^11opneuste rufa in den Gärten, mehrere Flüge Ringeltauben, Emberiza schoeniclus am Bache und am Waldrand, kurz ein Freudentag für den Beobachter. Rauher Westwind. (Sachse in ..Litt.-' 1881.) ^^^) Das Kommen und Gehen der Waldschnepfen ist eng mit der Durchwanderung der Schwarzdrossel verbunden. An Tagen, an welchen man keine Schwarzdrosseln sieht, wird man vergeblich auf Schnepfen suchen, doch wenn man in den Dünen alle Augenblicke jene aufstöbert, wird man von diesen auch manche finden. Dass sie aber ausschliesslich bei gewissen Windrichtungen anlangen, ist nicht der Fall. Im Herbst fallen aber die meisten Schnepfen auf den Inseln ein, wenn in der Nacht der W i n d v o n S ü d o d e r West nach Nord oder Ost umsetzt, oder wenn er sich in einen Sturm verstärkt. Wenn sodann Süd- oder Westwind eintritt, mit begleitendem Regen oder Nebel, verschwinden sie plötzlich ganz. Bei wirklichem Nebel oder Nebelregen oder Schneegestöber langen sie manchmal untertags an. (von Droste, Borkum, S. 243.) *''") Die Leinzeisige von 1847 (wie Brehm sie bes])richt) haben mich sehr interessirt, sie waren auch hier ehemals zu Milliarden erschienen und mit sehr grosser Beimischung von hellen, mit weissem Bürzel — nur schade, dass ich die in meiner damaligen ornithologischen Kindheit in so grosser Zahl auftretenden Vögel für etwas ganz Gemeines hielt und nicht weiter beachtete oder davon sammelte. Es hat wohl so Jeder hier und da bittres Lehrgeld gegeben. Wo mögen alle Bälge Brehm's geblieben sein: ich gäbe etwas darum, einen jener hellen linaria, von ihm herstammend, zu besitzen. (Gaetke in „Litt." Jf). Mai I88I.) Aelinliche Fragen über die Brehmschen Arten und die be- rühmte Sammlung sind vielfach gemaclit worden. Es ist nun meine Absicht, im Verein mit Dr. Alfred Brehm wenigstens einen Theil der Sammlung im Spätsommer dieses Jahres durch- zusuchen und hoffe ich im Stande zu sein, bei Gelegenheit der Versammlung der Ornithologen in Hamburg darüber einen vor- läufigen Bericht geben zu können. Ich kann jedoch nicht umhin, Yv^iederum einmal mein Bedauern auszusprechen, dass diese Samm- lung, welche für die Wissenschaft so ausserordentlicben Werth hat, bestimmt zu sein scheint, so traurig unterzugehen. / (v. Homeyer.) ^^*') Zum Beweise, dass die Natur selbst durch Herbeiziehung der schädlichen Thiere deren Verwüstungen Schranken zieht, führt der Herr Verfasser an, dass B, dispar im Sommer 1848 alles Laub in seineu Gärten abgefressen, dass er im Herbste mit grossen Kosten die alle Stämme und Aeste bedeckenden Eier habe absuchen lassen, sich aber bald überzeugt habe, dass Menschenhand die Plage nicht abzuthun im Stande sei und dass er sich auf den Verlust seiner Bäume gefasst gehalten habe. Aber wie gross war seine Freude, als im Winter die immer zahlreicher herbei- ziehenden Heerden von Meisen und Goldhähnchen und später die täglich vermehrten Nester bemerkt wurden. Im nächsten Frühjahre nisteten schon einige zwanzig Paare Meisen in meinem Garten, während ich in andern Jahren kaum zwei bis drei Paare ge- funden. Im Jahre 1849 war die Plage schon kleiner, und im Jahre 1850 haben diese beflügelten Gärtner meine Bäume voll- ständig gereinigt. (Gf. Wodzicki, Naum. 1853, S. 134.) Capitel VII. Die Führerschaft unter den Vögeln. Der Zug der alten Männchen, Weibchen und Jungen. Man hat es für wahrscheinlich gebalten, und diese Ansicht ist im Laufe der Zeit bei verschiedenen Schriftstellern zur Lehre geworden, dass die Alten die Führer der Jungen sind. Wir haben an andern Orten ausgesprochen, dass diese Ansicht eine — 256 — irrthümliche sei, dass sie den thatsächlichen Beobachtungen nicht entspricht, dass bei den meisten Vogelarten die alten Vögel zu einer andern Zeit, gewöhnlich früher, wandern als die jungen, und dass es daher unmöglich ist, dass junge Vögel auf ihren Wanderungen durch die alten geleitet werden. Der den Vögeln innewohnende Wanderungstrieb ist daher ein angeborener, nicht ein anerzogener, und wir müssen bei der Untersuchung nach den Ursachen der Wanderung fernerhin stets dieser Thatsache Rechnung tragen, indem ein Abweichen davon, wie das Auf- stellen von Hypothesen, auf Irrwege führen muss und der wahren Forschung zum grossen Nachtheile gereicht. Schon heute ist eine Menge von Dem, was in verschiedenen Schriften als Lehr- sätze hingestellt ist, zu beseitigen und nach Entfernung aller solcher irrthümlichen Annahmen, auf gesunder Basis eine feste, nur auf Thatsachen gegründete Untersuchung zu beginnen, die sich frei hält von aller Speculation, frei von allen Hypothesen. Wir finden jedoch eine gewisse Führerschaft unter den Vögeln; namentlich sind es gewöhnlich die grössern, denen die kleinern folgen, wie wir das bei den Strandvögeln am besten zu beobachten Gelegenheit haben. Eine Beobachtung von ungemeinem Interesse giebt Bruch in der ,.Isis" JS24, Sp. 681, wo derselbe mittheilt, wie er im November 1817 vorüberziehende Kraniche gehört, als schon die Dunkelheit eingetreten und der Lerchenstrich beginnen sollte. Sobald die Vogelsteller die Kraniche hörten, sprachen sie die üeberzeugung aus, dass nunmehr auch alle Lerchen den Zug beginnen würden, indem der Kranich durch seinen Ruf alle Zugvögel dazu brächte, sich auf die Wanderung zu begeben, und diese Meinung wurde auch durch das Resultat des unter- nommenen Lerchenstrichs bestätigt, indem von den vielen am Abend vorhandenen Lerchen auch nicht eine einzige zu finden war. Man könnte allerdings dagegen einwenden, dass dieselben Gründe und P]inflüsse, welche die Kraniche zur Wanderung l)rachten, ebenso auf die Lerchen eingewirkt hätten, aber inter- essant und für fernere Beobachtungen beachtenswerth ist diese Begebenheit immer. Hierzu gehört auch die schon an anderer Stelle erwähnte eigenthümliche Freundschaft zwischen alten Strandläufern und dem Goldregenpfeifer, worüber zwei so tüch- tige Forscher wie Faber und Middendorff aus eigener Anschauung berichten. Der Charakter fast aller Vögel ist ja ein vorwiegend ge- selliger, und daher ist es erklärlich, dass verwandte Arten oder auch solche, welche ähnliche Nahrung haben und daher gemein- schaftliche Futterplätze aufsuchen, mit einander wandern. Wir sehen ja die verschiedenartigsten Vögel : Meisen, Goldhähnchen, Spechte, Spechtmeisen, Baumläufer zur Herbstzeit, wenn auch in lockerer Verbindung, mit einander wandern. Hier sind es gewöhnlich die Kohlmeisen, welche den Zug eröffnen und leiten, während die Spechte in der Kegel sich in der Arrieregarde be- finden. Andererseits halten sich aber auch nahe verwandte Vögel, welche in gewissem Sinne gemeinschaftlich wandern, in abge- sonderten Flügen. Das sind namentlich die Krähenarten bei ihrem Herbstzuge. Nebelkrähen, Saatkrähen, Dohlen, sie alle bilden wesentlich gesonderte Flüge, denen nach sehr kurzer Unterbrechung ein Flug einer andern Art folgt. Oft dauern solche Züge Stunden lang in einer bestimmten Richtung, und es ist wohl sehr erklärlich, dass alle denselben Strich fliegen, da sie schon ihr Geselligkeitstrieb dazu bewegt. Einer der gesellig- sten Vögel, welche wir haben, ist unzweifelhaft der Staar. Selbst während der Brutzeit versammeln sich die Männchen regelmässig auf einzelnen Bäumen, halten ein kurzes Abend- concert und begeben sich dann gemeinschaftlich zu ihren Schlaf- plätzen. Selbst die im Allgemeinen so ungeselligen Raubvögel ziehen auf der Wanderung nicht selten in grossen Zügen. In früherer Zeit konnte man alljährlich, etwa um den 6. bis 8. Sep- tember, gewaltige Züge der Milane und Bussarde sehen, welche zu vielen Hunderten, ja Tausenden sich vereinigt hatten und ge- wöhnlicli, wenn sie an das Thal der Peene kamen, einen Aufent- halt nahmen, um sich nach irgend einem Fange umzusehen. In meiner Jugend befand ich mich einstmals in einem mit ein- zelnen Eichen bestandenen Eisbruche von circa sechzig Morgen Grösse, als während weniger Minuten das ganze Gehölz mit Bussarden in den verschiedensten Färbungen erfüllt war. Von V. Homeyei-, Wanderungen der Vögel. J < - 25S ^- fast ganz weiss bis zu dunkelschwarzbraun in allen möglichen Färbungen war jeder Baum erfüllt. In der Luft befand sich ein unendlicher Schwärm, die bei dem schönen heitern Wetter ihre Kreise zogen und daselbst öfter ihre Stimme ertönen Hessen. Es konnte wohl ein halbes Tausend dieser Vögel vereinigt sein, jedoch nach Verlauf etwa einer halben Stunde sah ich nur noch einzelne, und ehe eine Minute verging und bevor ich mich auf das Freie begeben konnte, waren alle verschwunden. Auch der Wespenbussard zieht oft in sehr grosser Zahl, wie Beobachtungen im Oldenburgischen*) gezeigt haben. Diese Vögel gehen ohne Zweifel in ihrer grossen Mehrzahl nach Skandinavien, wo man im Allgemeinen den Wespenbussard für selten hält, aber es zeigt sich auch hier, dass die Zahl einer in einem gewissen Lande lebenden Vogelart gewöhnlich weit unterschätzt wird. Zu den geselligsten Raubvögeln, die wir haben, gehören ohne Zweifel der schwarze Milan und der Fiscli- adler. Ersterer horstet an der untern Donau oft in grosser Nähe und letzterer in der Mark fast gesellig zu mehreren Paaren neben einander. Auch auf dem in hiesiger Gegend belegenen Jassener See horsteten vor Jahren auf einer kleinen Insel, welche mir etwa zehn Bäume hat, zwei Fischadler: freilich hatte der Besitzer des Sees dafür Sorge getragen, dass die Vögel nicht gestört wurden, in Folge dessen die Insel auch noch eine be- deutende Colonie des Mergus serrator hatte, den man sonst in der Regel nur einzeln nistend findet. Das mehr oder weniger Zusammenleben der Vögel wird auch wesentlich ausser den äussern Umständen durch ihre Ge- wohnheit bedingt. Wie bekannt, duldet ein Storchpaar nicht ohne scliwere Kämpfe, dass ein zweites sich in demselben Dorfe ansiedelt, und doch giebt es einzelne Ortschaften mit mehr als einem halben Hundert Storchnestern, und in solchen Orten wird auch ein neuer Ankömmling nicht so angefeindet als da, wo nur wenige Paare nisten. Zwischen Demmin und Greifswald befand sich noch vor wenig Jahren ein kleines Eichengehölz mit circa fünfzig Storchnestern, deren Bewohner friedlich neben einander lebten. *') Wiepken. — 259 - Auch bei kleinen Vögeln finden zur Frühjahrszeit Kämpfe um den Wohnsitz statt, indem jeder Vogel einen gewissen Raum für sich beansprucht; namentlich ist es auch die Nachtigall, welche sehr platzneidisch ist und einen Neuankömmling nicht in ihrer nächsten Nähe duldet; aber auch hier scheint die Streit- lust nachzulassen, wenn sich eine grössere Zahl zusammenfindet, denn es kommen Localitäten vor, wo mehrere Paare in grösster Nähe neben einander weilen. Auch bei manchen andern kleinen Vögeln verhält es sich ähnlich. Im Allgemeinen verlangt die Gartengrasmücke ja einen grössern Raum für ihre Brutgegend, und dennoch habe ich in meinem Parke alljährlich acht bis zehn Paare in unmittelbarer Nähe neben einander gehabt. Man ersieht hieraus, dass es allgemein gültige Regeln für das Leben der Vögel auch in dieser Hinsicht nicht giebt, und dass sie ihr Sein je nach umständen wesentlich modificiren. Wie wenig zutreffend die Ansicht ist, dass die alten Männ- chen die Führer der jungen Vögel sind, ist schon verschiedent- lich gezeigt worden,*) indem die Zugzeit bei vielen Arten eine andere ist als bei den Jungen und Weibchen, wodurch die Un- möglichkeit einer solchen Führerschaft klar zu Tage liegt. Ausser meinen eigenen Beobachtungen liegen mir zahlreiche übereinstimmende Mittheilungen tüchtiger Naturbeobachter vor, von denen einige im Anhange wiedergegeben werden sollen, aber auch die alten Weibchen wandern getrennt von den Jungen und alten Männchen. Wie schon öfters bemerkt, ziehen im Herbste zuerst die alten Männchen, indem dieselben die Jungen bereits verlassen, während das alte W^eibchen dieselben noch führt, dann folgen die alten Weibchen und zuletzt die Jungen. Diese Reihenfolge ist jedoch nicht gültig bei allen Arten und in allen Localitäten. Bei manchen Arten bleiben ja viele Männchen zurück, entweder während des ganzen Winters oder doch so lange, bis die Witterung sie zwingt, mildern Gegenden zuzuwandern. Es wird sich auf diese Weise auch wohl erklären, dass die Beobachtungen, welche ich mit vielen meiner Freunde in ganz übereinstimmender Weise an der 0 s t s e e gemacht, mit *) Vergl. auch v. Homeyer, ,,Ornith. Briefe", S. 269, 270, 271. 17* — 260 — denen Gätke's an der Nordsee nicht übereinstimmen, indem Gätke bei Helgoland die alten Strandvögel zuletzt und zu einer Zeit fand, wo man an der Ostsee nur junge findet. Nun bietet aber der Strand der Nordsee — durch Fluth und Ebbe — den Strandvögeln noch reiche Nahrung, wenn dieselbe an der Ostsee fehlt, und daher findet man an der Nordsee noch verschiedene Arten von Sti'andvögeln nicht allein sehr spät im Jahre, sondern es überwintern einzelne Individuen, und da mögen viele alte Männchen dabei sein. Dies ist die einzige Deutung, welche icli unsern entgegen- gesetzten Beobachtungen geben kann, Beobachtungen, die beider- seits während einer langen lieihe von Jahren mit grösstem Fleisse gemacht wurden und die in Uebereinstimmung sind mit andern tüchtigen Beobachtern an derselben Oertlichkeit. Bestätigt sich diese meine flrklärung der Thatsachen, so würde dadurch wiederum einmal gezeigt, wie gefährlich es ist, von dem Einzelnen auf das Allgemeine zu schliessen, wenn man auch nicht so weit zu gehen braucht, eine einzige zufällige*) Beobachtung für massgebend auf die ganze Art zu betrachten. Alle Diejenigen, welche im Allgemeinen die Führerschaft der alten Vögel annehmen, müssen jedoch zugestehen, dass bei unserm Kuckuck es klar zu Tage liegt, dass die alten Vögel längst unsere Gegenden verlassen haben, wenn die jungen ihre Wanderungen antreten. Es wird jedoch leicht über diesen ein- zelnen Fall weggegangen , der eben nur eine Ausnalmie sein soll. Es liegt jedoch auf der Hand, dass, wenn eine Art es ver- mag, ohne Führung zu wandern, die Möglichkeit einer solchen Wanderung bewiesen ist, und dass die vermeintlichen Zugstrassen es auch nicht sind, welche den jungen Kuckuck leiten, noch weniger andere Vögel, denn es giebt wohl kaum einen unge- *) Von solchen Dingen kTiimte man ein Buch schreiben, indessen will ich nur in Erinnerung' bringen, wie jüngst ein bekannter Schrift- steller über Astur palumbarius sagte: „er könne bestätigen, dass der- selbe sehr fest brüte, da er dies kürzlich selbst gesehen". Nun bewusster Herr scheint das Sprüchwort vergessen zu haben: „Andere Völker, andere Sitten". - 261 — selligern Vogel als den Kuckuck, und noch nie ist, derselbe während der Wanderung in Gemeinschaft mit andern Arten gefunden worden. Wenn weiter oben nachgewiesen ist, dass die Vögel von ihrer Heimath aus einer bestimmten Richtung folgen und keine eng begrenzten Strassen ziehen, so ist doch auch bemerkt, dass örtliche Hindernisse darauf Einfluss haben können, namentlich höhere Gebirge, gute Eastplätze u. s. w. Es soll dies hier noch einmal hervorgehoben werden, um Missverständnisse zu ver- meiden. Zu erwähnen ist auch noch, dass diejenigen alten Vögel, welche sich zur Brutzeit in grösserer oder kleinerer Zahl fern von den Brutplätzen umhertreiben, sehr oft eines Geschlechts sind. Namentlich findet man oft eine ganze Schaar, die nur aus Weib- chen besteht. Welche Gründe hier vorliegen, ist noch nicht nachgewiesen, indessen ist wohl zu berücksichtigen, was Bruch über diesen Gegenstand sagt (Anhang No. 113 und 114). Anhang zu 0 a p i t e 1 VII. ^1^) Es ist unleugbar, dass das Männchen der isländischen Singvögel daselbst im Frühjahre einige Tage eher ankommt als die Sie, so wie in Dänemark. Dieses habe ich bei der Mota- cilla alba, Anthus pratensis und Saxicola oenanthe erfahren. Dass dieses andererseits auch der Fall mit den Sumpf- und Schwimmvögeln Islands sein soUte, daran zweifle ich. Die islän- dischen Zugvögel der Gattungen Charadrius, Calidris, Numenius» Limosa, Strepsilas, Totanus und Tringa kommen in kleinen Haufen im Frühjahre an, von welchen ich gleich eben so gut alte Sieeu als alte Männchen geschossen habe. Wenn die beiden Arten Phalaropus sich an den isländischen Küsten zeigen, schwimmen Männchen und Sieen haufenweise zwischen einander. Die Arten Uria, Alca, Mormon, Garbo, Puffinus, Sula, Sterna, Larus und Procellaria, welche auf steilen Meerfelsen brüten, kommen im Frühjahre in Haufen beiderlei Geschlechts unter das Land und zu ihren vorjährigen Brüteplätzen geflogen oder geschwommen. Die isländischen Arten des Colymbus und Podi- — 2()2 — ceps werden gleich im Frühjahre bei Paaren in den Buchten gesehen, sowie späterhin bei den Brüteplätzen; Anas mollissima und Anas histrionica verlassen schon in den Buchten die Haufen, in welchen sie im Winter waren, und werden da, ehe sie zu ihren Brüteplätzen ziehen, paarweise beisammen gesehen. Die bei Myvatn brütenden Enten und Säger kommen im Frühjahre in grossen Haufen hoch in der Luft nach diesem Landsee ge- flogen, und in diesen Haufen sind aber sowohl Sieen als Männ- chen; von den frühesten Zügen der Anser segetum und Anser leucopsis habe ich auf dem Nordlande Islands ebensowohl ge- schossene Sieen als Männchen gesehen. (Faber, Leben d. hoclinord. Vögel. S. :53.) ^^-J Ich habe junge Mauersegler in der Mitte des Sep- tember und junge Kuckucke noch in den letzten Tagen dieses Monats aus der hiesigen Gegend erhalten. Es erwacht also der Wandertrieb bei den Jungen später als bei den Alten. Be- merkenswerth ist noch, dass die meisten Zugvögel gewisse Strassen haben, welche sie auf dem Zuge genau einhalten. Auch hier leitet sie der Instinkt, ohne dass wir erforschen können, wie es geschieht. Auf dem Thüringer Walde befindet sich nicht sehr weit von Oberhof auf dem Bergrücken eine von Bäumen ent- blösste Stelle, über welche im Herbste alle Kaubvögel hinweg- ziehen. Von früh bis zum Abend sieht man Bussarde. Gabel- und andere Weihen, Wand er-, Baum- und Thurmfalken vorüberfliegen, während rechts und links nicht ein einziger dieser Eaub Vögel bemerkt wird. Naumann beobachtete drei Jahre hinter einander eine durchwandernde nordische Ringarasel in seinem Garten an ein und derselben Stelle. Diese hatte also drei Jahre liintor einander ihren Wanderweg ganz genau einge- halten. Diese Thatsache müssen Diejenigen beobachten, welche einen Vogelheerd anlegen woUen. Sie dürfen dies nicht eher unter- nehmen, als bis sie den Vogelzug genau beobachtet haben, damit er an einer Vogelstrasse angebracht werde. (C. L. Brehm, hinterlassene Handschr., S. .12.) - 263 — Falco habiaetos. ^^■^) Brehm wiederliolt in seinen ,. Beiträgen" die von andern norddeutschen Ornitbologen geraaelite Behauptung, dass man von diesem Adler weit mehr Weibchen als Männchen finde, welches, da der Vogel in Monogamie lebt, der sonst so weisen Einrichtung in der Schöpfung widersprechen würde. Alle Vögel, die ich sowohl als mehrere meiner Freunde hier an dem Rheine erhielten — und deren sind wenigstens ebenso viel als die von Brehm aufgezählten — waren Männchen, nur sehr wenige ausge- nommen. Diese Erscheinung ist so auffallend, dass man sie nicht dem blossen Zufall beimessen kann, und ich möchte die Vermuthung wagen, dass jener schon durch sein Gefieder den Schwimmvögeln so nahe stehende Raubvogel auch dadurch sich jenen nähert, dass hier, sowie bei manchen Schwimmvögeln, das Männchen sein Weibchen schon früh *) verlässt und seine Wan- derung auf anderem Wege unternimmt, (Bruch, Isis 1824, S. 677.) ^^^) Während der Heckzeit erscheinen in den Rheingegenden Seevögel, die nie bei uns nisten; Sterna caspia, cantiaca, arctica. Larus fuscus, argentatus; Lestris catharactes, pomarina etc. etc. zuweilen einzeln, zuweilen in Gesellschaften; es sind dieses jederzeit Weibchen, **) die wahrscheinlich an ihren Brüteplätzen keine Gatten gefunden haben und nun umherschweifen. Ich glaube, dass die ledi- gen Männchen in der Nähe der Brüteplätze ihrer Art bleiben und sich den gepaarten Weibchen in Abwesenheit derer Gatten nä- hern, wie ich dieses öfters bei den Tauben beobachtet habe. Höchst merkwürdig war es mir immer, dass der Geschlechts- trieb auf jene mannlosen Weibchen so stark ein- wirkt, dass sie ihre, sonst eigene Schlauheit und Schüchternheit ganz vergessen zu haben scheinen. *) So weit ich den Fischadler hal)e beobachten können — und dies geschah während eines lantj-en Zeitraums — möchte diese Voraussetzung wohl nicht zutreffen. v. H. ** ) Die Untersuchung sämmtlicher Individuen solcher Gesellschaften und einer Menge einzelner Vögel berechtigen mich zu dieser Behaup- tunor; unter fünfzisr war kein einziires Männchen. Bruch. - 264 — Eine Platalea leucorodia, welche sich im Sommer 1822 auf dem Felde bei Kaiserslautern zu einer Heerde zahmer Gänse gesellt hatte, entfernte sich zwar auf einen nach ihr gerichteten Fehl- schuss. kehrte aber bald wieder zur Heerde zurück, wurde mit dieser nach Hause bis in einen Bauernhof getrieben und dort getödtet. Ganz dasselbe geschah in demselben Jahre in hiesiger Gegend mit einer Graugans, anser cinereus. *) (Bruch, Isis 1824, Sp. 677.) ^^■'') Im Herbstzuge sah ich immer nur gleichartige Vögel in kleinern und grossem Trupps vereinigt gegen Süden ziehen; es scheint daher, dass nur am Strande des Meeres sich vielerlei Gattungen und Arten vereinigen, um gemeinschaftlich den be- schwerlichsten und gefährlichsten Theil ihrer Reise zurückzu- legen. (Stetter, Siebenbürgen. Z. G.) "*') Zwergstrandläufer. Die im Herbst zuerst erschei- nenden Individuen waren, so weit ich es constatiren konnte, einzeln ziehende Alte, die ihren Aufenthalt in Deichkolken und schlammigen Regenwasserpfützen nahmen. Dem- nächst erschienen die Jungen schaarenweise und trieben sich auf dem Watt umher. (Ehr. v. Droste, Borkum, S. 226.) ^'') Noch muss ich bemerken, dass der Teich von mannig- faltigen Arten südlicher und östlicher Vögel viel häutiger im Frühjahre besucht wird als im Herbste, wo meistens nur nörd- liche Wanderer und gewöhnlich Ende October und im halben November erscheinen. Reiher oder Strandvögel erscheinen im Herbste fast gar nicht, diese werden also einen andern Weg einschlagen. (Blasius Hanf in „Litt.-' 22. Mai 1881.) ' ' ^) Merkwürdig und constant ist das jedes Jahr beobachtete Verhalten, dass viele Arten, Wachteln, Schnepfen und dergi. sich nur auf dem Herbstzuge zeigen, während der Frühjahrsreise aber *) Im Frühjahre 1821 war diese bei uns sonst sehr seltene Grans in den Rheingef,'enden ziemlich häufig; es blieb ein Paar zurück und brütete in unserer Nähe. — 265 - auf den Oykladen nie gesehen werden. Ich war anfangs geneigt an/Ainehmen, dass die auf den Cykladen einfallenden Exemplare solcher Species diese Inseln während des Winters überhaupt nicht verlassen, sondern theilweise getödtet würden, theilweise noch vor Frühjahrs Anfang sich allmählich in ihre nordische Heimath verlören. Spätere Erfahrungen zwangen mich, diese Ansicht zu beschränken; und es bleibt demnach zur Erklärung dieses Phänomens nur übrig, für den Rückweg solcher Arten eine das Cykladenmeer vermeidende Strasse zu supponiren. (Erhard, Cykladen, Na. öS. S. 10.) "*') Eine andere wichtige Thatsache für die Beobachtung der Vogelwanderungen ist die, dass eine ganze Gruppe von ^'ögeln. und zwar zunächst jene, welche man in Deutschland als südliche Fremdlinge zu betrachten gewohnt ist, auf den Cykladen eine eigene, im Jahre weit früher treffende Periode der Rückkehr beobachtet, während Bienenfresser, Wiedehopfe, Turteltauben, Mandelkräheu, Ziegenmelker und dergl. mit den nordischen Zug- vögeln gleichzeitig ziehen. (Erhard, Cykladen, Na. 58, S. 11.) ^-"') Man sieht also, dass das Wandern von bestimmten er- kennbaren Gesetzen abhängig ist, und dass es in vielen Einzel- heiten selbst bei ein und derselben Art den veränderten Be- dingungen gemäss variirt. Man könnte es wohl auffassen als die Uebertretung einer Gewohnheit, welche alle sich bewegenden Thiere besitzen, nämlich der Gewohnheit umherzuschwärmen, um Nahrung zu suclien. (Wallace, S. 25.) Wie wenig sind bisher diese Grundsätze erkannt, und wie dürftig und einseitig ist die Deutung : einer Uebertretung der Gewohnheit umherzuschwärmen, um Nahrung aufzusuchen. (v. Homeyer.) - 2üb — Capitel VIII. Wechselnde A u s b r e i t u n g. Es ist nicht zu verkennen, dass die Cultur viele Arten mehr und mehr gegen den Norden drängt. Namentlich ist dies der Fall bei Sumpf- und AVasservögeln, deren Zahl von Jahrzehend zu Jahrzehend in den meisten Ländern Europas gar sehr dahin- schwindet. Die Trockenlegung der Sümpfe. Teiche und Seen, die Cultur der freien Flächen mussten auf die Vogelwelt einen unendlichen Einfluss äussern und haben in der Zeit, wo es noch lebende Erinnerungen*) giebt. sich ausserordentlich nachtheilig gestaltet, mehr noch vielleicht in einer frühern Zeit. Auch die grossen Kaubvögel haben in den letzten fünfzig Jahren ausser- ordentlich abgenommen , nur Habicht und Sperber , die schäd- lichsten von allen, scheinen wenig verändert zu sein. In geringem Maasse steht diesem Dahinschwinden ein Vor- rücken oder Ausbreiten mancher Arten gegenüber, für welche die Cultur des Nordens nicht allein nicht schädlich , sondern förderlich ist. Dahin gehört vor allen Dingen die Feldlerche (Alauda arvensis), aber ausser dieser auch noch manche andere Arten, die Haubenlerche (Galerita cristata), das Feldhuhn (Perdix cinerea), die Wachtel (('oturnix vulgaris) und verschiedene an- dere. Man will auch beobachtet haben, dass drei andere Vögel, die Wachholderdrossel (Turdus pilaris) . der Girlitz (Fringilla serinus) und die Gartenammer (Emberiza hortulana), sich in neuerer Zeit ausgebreitet hätten. Aus eigener Beobachtung kann ich nur über die Wachholderdrossel und die Gartenammer urtheilen, da mir Wahrnehmungen über den Girlitz in ausreichendem Maasse fehlen. Indessen liegen gerade hier Beobachtungen vor- züglicher Beobachter vor, namentlich die des Major Alexander von Homeyer, so dass ich früher ausgesprochene Zweifel in die Kichtigkeit der Beobachtung nicht aufrecht erhalten mag, wenn es auch immerhin misslich bleibt, nachzuweisen, dass eine Art *) Wir haben bereits oben diesen Gegenstand erwähnt, müssen ih jedoch hier noch ausführlich erörtern. — 2()7 — früher in einer bestimmten Gegend nicht vorgekommen sei , wo man sie heute findet. Es hängt dies ja sehr von der Sicherheit der frühern Beobachtung ab, denn gar leicht kann ein Vogel übersehen werden. Was indessen die Wachholderdrossel und die Gartenammer anbelangt, so bezweifle ich eine wesentliche Ausbreitung dieser Vögel; wenigstens habe ich davon in allen den Gegenden von Pommern, der Mark, Schlesien und Sachsen, wo ich Gelegenheit hatte, diese Vögel zu sehen, nichts wahr- nehmen können. Diese Vögel erscheinen bisweilen an Orten, wo man sie früher nicht fand und verschwinden, ohne dass man in vielen solchen Fällen nachweisen könnte, aus welchen Gründen. Scheinbar machen beide Arten nicht so bestimmte Ansprüche wie manche andere Vögel und dennoch verlassen sie ihren Wohn- sitz, ohne dass Nachstellungen oder ein sonst dem menschlichen Auge ersichtlicher Grund sie vertrieben hätte. Im Allgemeinen ist ja das Bestreben jeder Art unzweifelhaft dahin gerichtet, sich auszudehnen und Orte zu finden, die für sie passend sind. Es wird daher auch in den meisten Fällen die Art an einer be- stimmten Stelle erscheinen, sobald dieselbe alle die Bedingungen bietet, welche der Vogel verlangt, und wiederum verschwinden, wenn die Beschaffenheit der Gegend eine für ihn ungünstige Aenderung erlitten hat. Davon ein Beispiel. Als bei der Anlage meines Parkes in AVarbelow das Gehölz etwa mannshoch geworden und von unten auf noch ganz dicht war, fand sich ein Paar der in der Gegend seltenen Sperbergrasmücken (Sylvia nisoria) ein. Im nächsten Jahre zwei Paare und diese blieben lange Zeit, so lange, als das Gebüsch im Innern nicht zu licht geworden war. Sie brachten auch Junge auf, verliessen die Gegend zur ge- wohnten Zeit, aber beide Paare kamen im nächsten Frühjahre nicht wieder und haben sich seit der Zeit auch nicht Avieder ge- zeigt. Sehr ähnlich verhält es sicli mit der Gartenammer, die hier und in vielen andern Gegenden gar nicht selten ist. jedoch auch gewisse Ansprüche an die Oertlichkeit macht und bei Aen- derungen kommt und geht, je nachdem dieselben günstig oder ungünstig sind. Dazu kommt nun auch noch, dass dieser scheue Vogel sehr leicht zu übersehen ist, wenn man nicht seinen Ge- sang kennt und l)eachtet. So habe ich an einem Tage an ver- - 268 — schiedenen Stellen eines Reviers drei Männchen singen hören, nachdem mir ein guter Kenner versichert, dieser Vogel komme nicht vor. üeber die Wachholderdrossel kann ich nicht allein für hie- sige Gegend ganz Aehnliches berichten, sondern es liegen mir auch viele Daten vor, welche ihr Vorkommen als ßrutvogel vor langer Zeit in weit westlicher gelegenen Gegenden aufweist. In Vorpommern fand ich sie selbst im Jahre 1835 nistend und hörte von verschiedenen Vogelkennern, dass dies nichts Neues sei, da sie dieselbe bereits im vorigen Jahrhundert gefunden. Im Jahre 1838 fand ich sie zahlreich nistend in der Lausitz, und von vielen Jagdkundigen wurde mir berichtet, dass dies immer so gewesen. In Schlesien*) hat man sie ja auch seit langer Zeit beobachtet, und in manchen andern Gegenden Deutschlands ist sie als Brutvogel erwähnt. Die Wachholderdrossel ist daher seit einer langen Reihe von Jahren im nordöstlichen Deutschland als Brutvogel vorgekommen, jedoch nur an einzelnen, oft weit ent- fernten Orten. Sie erscheint, bleibt längere oder kürzere Zeit, einzeln und in Colonien und verschwindet wieder, ohne dass man zu sagen vermag, aus welchen Gründen. Sie verhält sich auch am Brutplatze ziemlich still und kann daher leicht übersehen werden. Es ist deshalb wohl erklärlich, dass ihr plötzliches .Er- scheinen in einer Gegend zu dem Glauben verleiten kann, dass eine südliche oder westliche Ausbreitung stattgefunden habe. Das jedem erschattenen Wesen innewohnende Streben mög- lichster Ausbreitung finden wir in dem Haussperlinge am stärksten und eifrigsten vertreten. Am deutlichsten können wir dies er- sehen, wenn wir unsere Blicke nach Sibirien richten, wo vor dem Eindringen der Russen keine Sperlinge waren, vielleicht mit Aus- nahme des äussersten Südwestens, wo einiger Ackerbau getrieben wurde. Wie Messersclimidt berichtet, erschienen die ersten Sperlinge im Flussgebiete des Ob unter dem vierundsechszigsten Grade im .Tabre 1735, und in Narym unter dem neunundfünf- zigsten Grade im Jahre 1 73}).**) In der Ansiedelung Cimoiisk, *) Verorl. Grlaa^er, Naturgeschicliti; d. Vöjrel iJeutschlands, S. J«l. '*J Pallas, Z. R., A, II, S. HO. \ " 269 — welche bei ihrer Gründung siebzehn geographische Meilen von den nächsten Dörfern entfernt war, erschienen dennoch bald die Sperlinge ; aber es ist interessant , dass bisher in den Küsten- gebieten des ochotskischen Meeres noch keine Haussperlinge ein- gedrungen sind, wenigstens so weit die neuesten Nachrichten reichen. Nur der Feldsperling ist, wie überall in der alten Welt, nicht selten vertreten. Zwei interessante Fälle erwähnt Kadde, wo der Haussperling dem Menschen gefolgt ist, ohne dass Ackerbau getrieben wurde, und derselbe erklärt es in dem einen Falle durch das üppige Aufspriessen der Chenopodien und in dem andern durch das Verstreuen von Hafer gelegentlich der Fütterung der Kosakenpferde. Die Beobachtung, dass Sperlinge eine von ihrem frühern Aufenthalte siebzehn Meilen entfernte Niederlassung sofort auf- gefunden haben, ist ein neuer Beweis dafür, dass viele der Vögel, welche man umherstreifend findet, dies nicht zwecklos thun oder gar als verirrte Vögel zu betrachten sind, wie eine gewisse Lehre dies anzunehmen bereit ist. Dieses Umherstreifen verschiedener Arten, auch an der Grenze ihres Gebiets, ist keineswegs ungewöhnlich, sondern regelmässig. Davon ein Bei- spiel: ,.Als im Jahre 1868 Seine k. k. Hoheit Erzherzog Kron- prinz Eudolf in der Gegend von Aspern in den Donau-Auen jagte, erlegte der Erzherzog einen schönen Würgfalken, welcher eine Wildtaube im reissenden Fluge zwischen den Bäumen ver- folgte. Das Erscheinen eines zweiten Falken, der in der Gegend umher kreiste, machte es unzweifelhaft, dass diese Vögel beab- sichtigt hatten, dort zu brüten, und es wurde die Ansicht ausge- sprochen, dass bei der frühen Jahreszeit der Platz des erlegten Falken bald ersetzt sein würde. Dem stimmte man zwar grundsätzlich bei, konnte jedoch das Bedenken nicht zurück- halten, dass bei der Seltenheit dieses Vogels in dortiger Gegend dies zweifelhaft sein möchte. Vier Tage später erschien der Forstmeister des Keviers bei Seiner k. k. Hoheit, um zu melden, dass der Platz des erlegten Falken wieder besetzt sei.-' In neuerer Zeit ist, wie bekannt, die Schwarzdrossel in ver- schiedene Städte des Westens gezogen. Durch einen eigen- thüralichen Fall, der in seinen Consequenzen auch in den wei- — 270 — testen Kreisen bekannt geworden ist, sind die sonderbarsten Be- hauptungen gemaclit und sogar die Meinung ausgesprochen worden, „die Schwarzdrossel sei durch ihre ganz veränderte Lebensweise ein fleischfressendes Thier geworden." Nun ist es ja unzweifelhaft, dass Tliiere derselben Art nicht überall gleich sind , weder in ihrer äussern Beschattenheit , noch in ihrer Lebensweise, und dass auch in ein und derselben Gegend die In- dividuen darin von einander abweichen. Es ist auch schon weiter oben gezeigt worden, wie gefährlich es aus diesen Grün- den ist, wenn manche Schnellschreiber sich veranlasst finden, auf Grund einer zufälligen Wahrnehmung sofort allgemeine Regeln aufzustellen und die Sitten ganzer Arten nach dem einzelnen Individuum zu beobachten, das sie durch einen „sonderbaren Zufall" gesehen haben. Aber diese Leistungen werden in den Schatten gestellt durch verschiedene Expectorationen, Avelche im Gefolge des be- kannten Amselprocesses erschienen sind und noch immerfort erscheinen. So brachte die „Wiesbadener Zeitung" vom 2o. April einen Artikel auf Grund einiger in den Parkanlagen Ostern d. J. (17. und 1), dass unter 55 "n. Br. bei Ufa sich 1770 schon zu Ende des März Gänse einstellten, aber von Unwettern wieder zurückgetrieben wurden, so dass der Hauptzug erst im Mai vor sich gehen konnte. Im selben Jahre langten auch in Livland die Schwalben zu Anfang Mai in Menge an, blieben auch bis zum 18., verschwanden darauf aber wegen kalten Wetters (Fischer, Naturgesch. Liv- lands, S. 2)32, 235). Dasselbe erlebte Taratschkov 1851 in Orjol, wo die Schwalben schon am 10. April eintrafen, aber noch am 1. Mai, in Folge schlimmen Wetters, sich verziehen mussteu. Pallas (Reise III, S. 19 und südl. Statthalterschaften I, S. 69) erlebte 1773, dass unter 51 " n. Br. am Uraltlusse die eingetrotfenen Bienenfresser umkamen, wegen stürmischer Kälte -- 297 — und Schnee. Das Jahr vorher kamen viele kleine Sänger am 5. Mai in Davurien um, als nach vollkommenem Sommerwetter knietiefer Schnee fiel (Pallas, Reise III, S. 520). Am 11. März 1756 kehrten in Livland (Fischer, Landwirthschaftsbuch, S. 162) die Gänse, welche durch die Milde des Februar und März- anfanges verlockt worden waren, zurück. Ihnen folgte fusshoher Schneefall, der sie aus dem Norden vertrieben hatte. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Thl. II, S. 1255.) icoj jj^ Frühjahre l.sTl langten die Frühvögel in Folge eines ausnahmsweise zeitigen Frühlings unter 5S\o^n. Br. schon am 23. Februar a. St. an. Das Wetter blieb schön fast einen Monat lang. Am 20. März brach ein böses Wetter herein und bis auf wenige Lerchen, Staare, Kibitze und Tauben zogen fast alle Ankömmlinge wieder fort. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Thl. II, S. 1117.) ^*^^) Am 17. April beobachtete ich die ersten Schwalben au ihren Brutplätzen. Es trat jedoch stürmisch kalte Witte- rung ein und die Schwalben verliessen uns. Am 1. Mai, einem schönen Tage, trafen viele Hirundo rustica und auch urbica ein, aber Aviederum vertrieb sie die Kälte, so dass am 11. und 12. Mai bei Nordsturm und Schneegestöber und nur 2— 3 " -|- nur noch einzelne H. rustica in der Nähe des W^assers vorhanden sind und die grosse Mehrzahl uns verlassen hat. Offenbar sind sie zurückgegangen, obgleich dies in andern Jahren bei ähn- lichen Witterungsverhältnissen nicht geschah. (Blasius Hanf in ,.Litt.'' 1881.) ^"-) Um endlich das Maass der Abweichungen voll zu machen, muss ich hinzufügen, dass die Bewohner Nordsibiriens in ihren Behauptungen noch weiter gehen, indem sie nicht selten versichern, dass die Zugvögel nicht alle Jahre zum selben Brutorte wiederkehren, sondern damit von Jahr zu Jahr wechseln. Am Ausflusse der Päsina wurden in dem einen Sommer vor- zugsweise Brandgänse (Anser beruicla), im zweiten nur roth- - 298 - li aisige und weissstirnige (ruficollis, leucopsis, albifrons und Teniminckii) geschlagen, unterdessen sich dort in keinem der beiden Jahre auch nur eine einzige Saatgans sehen liess. (V. MiddendorflF, Sib. R., Bd. IV, Thl. II, S. 1151.) Capitel IX. S a m in e 1 ä t a t i 0 u e u. Die grosse Mehrzahl der Vögel sammelt sich zu grössern oder kleinern Schaaren, bevor sie die eigentliche Wanderung antritt. Die Beobachtungen über diesen Gegenstand sind bis jetzt nur über verhältnissraässig wenig Arten gemacht worden, was davon vorliegt, bezieht sich wesentlich auf solche Species, welche theils durch ihre Grösse, theils durch ihr allgemeines geselliges Leben, theils endlich durch ihren Aufenthalt sich be- sonders auffällig machen. Von den grössern Vögeln sind es vor- zugsweise der Kranich und in minderm Maasse der Storch, welche man oft lange Zeit vor Beginn der Wanderung an bestimmten Stellen sich vereinigen zu sehen Gelegenheit hat. Bei den Kranichen sind dies gewöhnlich freie Felder und auf diesen etwas erhabene Punkte, an denen sie sich lange Zeit vor ihrem Wegzuge und alljährlich fast auf derselben Stelle in immer zunehmender Zahl versammeln. Die Schwalben, namentlich die Mehlschwalben (Hiruudo urbica), wählen sich das Dach eines grössern Gebäudes zu ihren Vereinigungen, gewöhnlich in östlicher oder südöstlicher Lage. Anfangs scheinen diese Vereinigungen nur diejenigen Vögel zu enthalten, welche in nächster Nähe gebrütet, allmählich aber Avächst die Zahl durch neue Zuzügler oft zu Tausenden an. Das bestimmte Dach ist dann der Ausgangspunkt aller ihrer Aus- flüge, von da machen sie Excursionen, um ihre Nahrung zu suchen, von da erheben sie sich in mehr oder minder grosser Zahl, oft hoch in die Luft, um ihre Flugkraft zu üben und zu prüfen. Der Abend findet dann die ganze gesellige Schaar dicht — 299 — gedrängt neben einander sitzend, jedoch nicht allein auf den Dächern, sondern auch auf sandigen Erhöhungen — deren Boden wohl geeignet ist, während der Nacht grössere Mengen von Wärme auszustrahlen — und wahrscheinlich sind ähnliche Plätze in primitiver Zeit stets die Punkte gewesen, an denen sich die Schwalben zur gemeinschaftlichen Nachtruhe versammelt haben. Die Rauchschwalben begeben sich zur Nachtruhe gern in das Geröhricht der Seen und Teiche, wo sich auch viele andere Vögel, als Staare, Bachstelzen u. s. w. niederlassen, sei es um eine kurze Rast zu halten, sei es ein Nachtquartier für längere Zeit aufzusuchen. Wenn man im Spätsommer, etwa eine halbe Stunde vor Untergang der Sonne, sich an einer solchen Localität befindet, so hat man Gelegenheit, die verschiedensten dort einfallenden und Nachtruhe suchenden Vögel zu sehen ; man wird dann auch finden, dass viele unserer gewöhnlichen Wandervögel, die man längst nicht mehr gesehen, noch allabendlich in kleinern Trupps erscheinen, am nächsten Morgen aber verschwunden sind. Ohne die Kenntniss solcher Rast- und Sammelstationen würde man den Zug oft weit früher beendigt halten, als dies thatsächlich der Fall ist. Für die Wasser- und Sumpfvögel sind es natürlich gewisse Localitäten an Seen und Teichen, zuweilen auch an Flüssen, welche zu Sammel- und Raststationen dienen, und aus diesem Grunde findet daselbst eine mehr oder minder bedeutende, oft recht grosse Anhäufung derselben statt. Dies hat bei unge- nügender Beobachtung und bei manchem herrschenden Vorur- theile, diesen oder jenen Beobachter bewogen zu glauben, dass die Vögel sich "u den Flüssen sammelten, um längs des Stromes ihre Reise fortzusetzen. Es ist jedoch bereits oben bei der Besprechung entgegen- gesetzter Ansichten ausführlich über diesen Gegenstand gehandelt und wollen wir hier nur noch die Thatsache erwähnen, dass solche Ausammlungen*) an den Flüssen weit seltener sind, als *) Verschiedene hierher gehöripfe thatsäeliliche Beobachtungen sollen bei Besprechung der bedeutendsten Sanimcl- und Raststationen gegeben werden . — noo — an den Seen und Teichen, was sich schon daraus leicht erklärt, dass die Flüsse von Fischern und Schiffern beunruhigt werden, in weit höherm Grade, als dies auf Seen und Teichen der Fall ist, und dass die Vögel vorzugsweise solche Localitäten auf- suchen, wo sie ungestört der Ruhe pflegen können. Bei Gelegenheit der Besprechungen der täglichen Wande- rungen haben wir bereits darauf hingedeutet, dass dieselben wesentlich ihren Grund darin haben, dass die Yögel entweder sich zur Nachtruhe oder auf solche Futterplätze begeben, die ihnen am Tage zu belebt sind. Capitel X. Ortssinn und Richtsiun. Verschiedene unserer grossen Xaturbeobachter, namentlich C. L. Brehm und Naumann, haben bereits klar dargelegt und gründlich bewiesen, dass der Vogel, so lange er lebt, stets an den einmal gewählten Platz zurückkehrt, vorausgesetzt, dass der- selbe sich nicht so weit geändert, dass er den Ansprüchen der Art nicht mehr genügt, oder dass anhaltende Störung der Brut- vögel dieselben zwingt, ein anderes Heim aufzusuchen. Von vielen Seiten werden diese Beobachtungen durch neue und immer neue Thatsachen bestätigt, so dass dieselben zweifellos dastehen. Ich selbst könnte aus meiner langjährigen Erfahrung sehr viele Beispiele anführen, welche diese Beobachtungen bestätigen, wenn ich nicht vorzöge, schliesslich die Beobachtungen anderer Natur- forscher sprechen zu lassen. Nur einer Beobachtung will ich gedenken, die sowohl für diese Thatsache, als auch für das möglichste Festlialten des ein- mal erwählten Brutplatzes Zeugniss giebt. In der Nähe meines Gebm'tsortes (Nerdin bei Anclam), be- fand sich ein königlicher Forst. Derselbe wurde auf Veran- lassung des Oberpräsidenten Sack in Stettin in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts niedergehauen und parcellirt. In — 301. — dem Theile dieses Forstes, welcher an die Feldmark Xerdin grenzte, befanden sich hohe Buchen und daselbst horstete seit langer Zeit ein Eabenpaar. Als nun der Wald niedergehauen wurde, blieben drei grössere Buchen allein verschont und so lange — ungefähr während eines Zeitraums von zehn Jahren — noch eine der Buchen stand, horstete alljährlich das Eabenpaar da- selbst, obgleich es ihm nur in wenig Jahren vergönnt war, Junge aufzubringen. Wer nun die Scheuheit dieses Vogels kennt, der wird gewiss das Festhalten an die einmal gewählte Heimath bewundern und nicht in Zweifel sein, dass kein fremdes Paar sich einen solchen Aufenthalt wählen konnte, üebrigens liegt eine ähnliche Beobachtung meines Vaters aus dem Jahre 1807 vor, wo ein Rabenpaar in derselben Gegend, nachdem das Kieferngehölz, in welchem es bisher gehorstet, in den damals herrschenden traurigen Zeiten in wenig Wochen spurlos ver- schwunden war, seinen Horst daneben in eine einzeln stehende niedrige Weide gebaut hatte.*) Bei den Zugvögeln ist das Auffinden versteckter Wohn- plätze, nach weiter Wanderung, auch ein Kennzeichen für den ausserordentlichen Ortssinn der Vögel. So nistete ein Paar Wiedehopfe in Warbelow mehrere Jahre neben einem viel be- fahrenen Wege unter einem grossen Steine. Jedermann kennt ja die wunderbare Sicherheit, mit welcher die Brieftauben aus grosser Entfernung ihre heimischen Schläge aufzufinden wissen, und es braucht daher dieser Gegenstand nicht Aveiter ausgeführt zu werden, aber auch in der Freiheit lebende Thiere geben zu solchen Beobachtungen vielfältig Veranlassung. So wurde eir^m meiner Bekannten (einem königlichen Ober- förster) ein Schwarzspecht gebracht, der auf dem Neste gegriffen war. Derselbe war sofort nach dem Einfangen in einen Beutel gesteckt und auf diese Weise nach der etwa eine Meile vom Brutplatze entfernten Wohnung des Oberförsters auf einem grossen Umwege gebracht worden. Sobald der Oberförster diesen nützlichen Vogel sah, ging er damit in den Garten und gab ihm die Freiheit. Vor dem Walde liegt ein freies Feld, *) Vielleicht dasselbe Paar, von dem ich soeben berichtet. - 302 — ungefähr zwei Kilometer weit; der Vogel flog nicht längs des Weges, auf welchem er getragen war, sondern in gerader Rich- tung der Gegend zu, wo sich sein Brutplatz befand, und war w^enige Minuten später daselbst angekommen. Einer meiner Freunde, der in der Gegend von Uckermünde wohnte, erhielt von einem königlichen Förster einen jungen lebenden Hirsch. Derselbe musste wegen Terrainschwierigkeiten und um eine Brücke über die Uecker zu erreichen, auf einem grossen Umwege transportirt werden. Zu diesem Zwecke war derselbe in einen festen Kasten gebracht und auf einen Wagen verladen. An Ort und Stelle angekommen, wurde er in ein kleines, mit Latten umzäuntes Gehege gebracht und blieb da- selbst längere Zeit. Durch irgend ein Ungefähr hatte sich jedoch eine Latte gelöst und der Hirsch war eines Morgens verschwunden. Man verfolgte die Fährte und fand, dass er in schnurgerader Richtung seine alte Heimath wieder aufgesucht hatte, zu welchem Zwecke er nicht allein durch ein sumpfiges Wiesenterrain ziehen, sondern auch die Uecker durchschwimmen musste. Es ist ja eine bekannte Thatsache, dass ein gewisser Orts- sinn sich auch bei Menschen findet, freilich in sehr verschie- denem Maasse, denn ein Jäger wird ihn in weit höherm Grade besitzen als ein Grossstädter und die nordamerikanischen Pelz- jäger und Ureinwohner werden die Mehrzahl der europäischen Jäger wiederum weit übertreffen, aber es kann auch niclit in Abrede gestellt werden, dass ein in gcAvissem Grade und oft weit von einander abweichender Ortssinn etwas Angebornes ist. Junge Knaben in einen Wald geführt und darin längere Zeit in verschiedenen Richtungen bewegt, wussten zum Thoil die Rich- tung ganz genau anzugeben, während andere davon keine Kennt- niss hatten, und bei wiederholten Versuchen zeigte es sich, dass es stets dieselben Knaben waren, welche sich leicht und sicher orientirten. Wenn man tüchtige Jäger in einen fremden Wald führt, mit ihnen den ganzen Tag jagt und ohne dass dieselben darauf vorbereitet wären, sie am Schlüsse der Jaj'd nach der Richtung - 303 — des Ausgangspunktes' fragt, so wird die Mehrzahl sichere An- gaben machen können, ohne im Stande zu sein. Gründe dafür anzugeben. Zwar kann dem geübten Auge die Himmelsgegend nicht verborgen bleiben , aber dieselbe allein vermag nicht ein sicheres Erkennen zu ermögliclien, ohne den Punkt zu wissen, wo man sich befindet. Vielfältig habe ich Gelegenheit gehabt, die Möglichkeit dieser Thatsache festzustellen , aber die Be- obachtungen Middendorff's waren mir dennoch überraschend und ich theile das Wesentliche derselben im Anhange mit. Midden- dorff" unterscheidet nun noch zwischen Orts- und Kichtsinn, und wenn auch beide wesentlich zusammengehören, so ist die Be- zeichnung doch der Art, dass sie beibehalten werden muss. Die Beobachtungen, welche au Menschen und verschiedenen Thieren gemacht wurden, tragen unzweifelhaft zur Klärung unserer Ansichten in diesem so schwierigen Capitel bei, wenn auch eine volle Erkenntniss der Ursachen uns fern bleibt, viel- leicht für alle Zeiten. Jedenfalls werden die vortrefflichen realen Beobachtungen wesentlich dazu beitragen, die Phantasie- gebilde zu verscheuchen , welche die neuere Zeit uns in so reichem Maasse gebracht hat. Wenn wir sehen, wie Vögel und andere Thiere einen be- stimmten Weg verfolgen über weite Meeres-, Eis-, Moor- und Sandflächen, erhält die Theorie der Küsten- und Strandwande- rungen eine gründliche Widerlegung, denn wenn Thiere solche Flächen mit f^eter Sicherheit durchwandern, ohne jegliche ört- liche Merkmale, so liegt es doch auf der Hand, dass den Wander- tliieren dergleichen Hülfen durchaus entbehrlich sind und dass alle Folgerungen, welche an diese Voraussetzungen geknüpft wurden, hinfällig werden. Damit muss sich die Naturbeobach- tung wiederum den Thatsachen zuwenden, von welchen sich die- selbe in neuerer Zeit so unheilvoll entfernt hat, und darf nicht fernerhin glauben, dass die Naturbeobachtung nur bestimmt ist, der Theorie zu folgen und ihr zur Stütze zu dienen. Man wird wiederum erkennen, dass eine zuverlässige Beobachtung stets von Werth ist — gleichgültig ob davon Theorien gekreuzt wer- den — und dass Theorien und alle Speculation mit mehr Vor- — 304 - sieht anzuwenden sind, als dies seit einiger Zeit üblich war, wenn man gesonnen ist, die Naturwissenschaft zu fördern und nicht zu schädigen. (v. Homeyer.) Anderweitige Beobachtungen zu Capitel X. ^^^) Den Säugethieren mag für ihr Zurechtfinden das bedeu- tende Ortsgedächtniss. dessen sie sich erfreuen, von wesentlicher Beihilfe sein. Indessen ist auch daran nicht zu zweifeln, dass sie sich überdies der Weltrichtung bewusst sein müssen, da sie sich durch Orte, welche ihnen vollkommen fremd sind, gleichfalls und zwar in geradester Richtung zum Ziele zu finden wissen. Zumal sind mir bei Hunden, auch Pferden, in Beziehung zu diesem Richtsinne die entschiedensten Beispiele während meines Lebens aufgestossen. Nie haben mich aber Erfahrungen dieser Art in dem Maasse ergriffen, wie in den endlosen Tundren des Hochnordens, als ich dort dieselbe unbegreifliche thierische Eigenschaft fast ungeschwächt auch beim rohen Naturmenschen wahrnahm. Was die Samojeden darin leisten können, übersteigt oft alle unsere Begriffe. Hocherfreut, in diesen Menschen endlich meine Dolmetscher für das Naturgeheimniss des Zurechtfindens der Thiere gefunden zu haben, suchte ich ihnen ihr Kunststück abzufragen und drang in sie, wo es nur Gelegenheit gab. Sie aber sahen mich ver- dutzt an, wunderten sich über meine Verwunderung und meinten : so Alltägliches verstehe sich doch von selbst ; unser Unver- mögen, uns zurecht zu finden, sei hingegen ganz unverständlich. Zuletzt entwaffneten sie mich vollends durch die Frage: „Nun wie findet sich denn der kleine Eisfuchs in der grossen Tundra zurecht? und verirrt sich nie." Das war es also! man warf mich wieder auf die unbewusste Leistung einer angeerbten thierischen Thätigkeit zurück. (v. Middendorff, Sib. K.. Bd. IV, Thl. II, S. 11G8.) '"'^j Nach zweijährigem ununterbrochenen Wandern in den Wildnissen Sibiriens hatte ich meinen eigenen von Hause aus schon sehr jruten und vielfach ireübten Orts- und Richtsinn durch — 305 — unablässige Uebung und Aufmerksamkeit so weit gebracht, dass ich mich bei völlig trübem Nebelwetter von meinen Eeise- genossen beliebig und auf den Stutz examiniren lassen konnte. Trotz dessen, dass wir wegelos wandern und im Verfolge von Betten der Gebirgsbäche oder im Vermeiden von steilen Ab- hängen, Urwald-Dickichten und hundertfältigen kleinern Hinder- nissen uns mäandrisch schlängelten, vermochte ich doch die Weltrichtungen durchschnittlich bis auf fünf Grad genau zu be- zeichnen. Selten strafte mich die Magnetnadel um einen grösse- ren Abstand Lügen, häufig schlug die Angabe genau ein. Die hundertfältige Wiederholung solcher Prüfungen diente uns zur täglichen Unterhaltung, sobald die Wanderung einförmig wurde, (v. Middendorff, Sib. K., Bd. IV, Thl. II, S. 1169.) ^^^) Nichts desto weniger bleibt die hohe Stufe der Ausbildung des Orts- sowie des Richtsinns bei den Nomaden wunderbar genug, und ich werde das Blatt meines Tagebuchs für ferne Zukunft, als Andenken verwahren, in das ich, wie später genauer erzählt werden soll, die mich schlagend überraschende Entdeckung niederschrieb, dass nicht der Samojeden Richtsinn, sondern mein Kompass mich getäuscht hatte. Nur diesen, nicht aber jenen hatte die Nähe des magnetischen Pols unerwartet stark abzulenken vermocht und ich erkannte zu meiner Beschämung, dass ich den guten Leutchen Unrecht gethan hatte. Ihrem wohlentwickelten natürlichen Sinne gegenüber kam ich mit meinen Kenntnissen und Apparaten zu Schanden. (v. Middendorff-, Sib. R., Bd. IV, ThL 11, S. 1169.) ^^'') Die Zugvögel, unter denen einzelne Arten sogar vor- zugsweise Nachts wandern, sah und hörte ich in der Tundra bei so undurchdringlichem Schlackenwetter und in so dunkler Nacht ziehen, dass ihr Auge und mit dessen Hilfe auch ihr Ortsgedächtniss unmöglich in Betracht kommen konnte. Dieses beginnt seinen Einfluss wohl nicht früher, als bis die Vögel mit Hilfe des Rieht sinn s die Gegend ihrer vorjährigen Nistorte oder Winterquartiere erreicht haben. Dann erst, aber dann auch gewiss, finden sie sich in den wohlbekannten Räumen mit Hilfe V. Homeyer, Wanderungen der Vögel. ~0 - ;50f) — ihres Ortsgedäclitnisses zureclit, und wir sind vollkommen be- rechtigt, von der Freude zu sprechen, mit welcher die Schnee- ammer im Hochnorden ihren Felsblock begrüsst, unter dem sie früher gebrütet, die Eisente den alten Zwergstrauch, in dem sie die Eier erfolgreich vor den lüsternen Räubern geschützt. Man sieht die Ankömmlinge umherspähen, sich die Gegend beschauen, dann einzelne Stellen genauer mustern. Ist Alles genau so, wie es in den guten alten Zeiten zurückgelassen wurde, so drückt das Gebahren Wohlbehagen aus, es wird sogleich ein fröhliches Lied augestimmt und bald sieht man die Trümmer vergangener Jahre zu einem neuen Neste zugestutzt. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Tbl. IL S. MTL) i68j jj^ gleiclier Weise erfreuen sich die Thierc eines sehr sichern Zeitmaasses für kürzere Zeitabschnitte, die gewisse Er- scheinungen in regelmässiger Periodicität wiederbringen. Das Hausvieh, das sich an bestimmte Futterzeiten gewöhnt hat, be- währt dies nicht nur in jedem Stalle in schlagender Weise, sondern auch sehr auffallend an allen Küsten, die einem hohen Wechsel des Meeresstrandes unterworfen sind. Die Hausthiere, Kühe, Hunde u. s. av. kennen vortrefflich die Zeit der Ebbe und stellen sich nicht minder genau zur richtigen Zeit am Strande ein, als Bären, Füchse und grosse Schaaren von Straud- läufern. Möwen u. s. w. Sogar die Delphine der Südküsten des ochotskischen Meeres sah ich dort, mit der Flutli regelmässig in die Mündungen der Flüsse liineinrücken und jedes Mal recht- zeitig über die seichten Barren vor den Mündungen in das Meer zurückkehren, bevor sie durch die bald darauf blossgelegten Geröllbänke der Barren abgeschnitten werden konnten. Es ge- schah das ungeachtet dessen, dass die Flussbetten selbst (z. B. des Udjiflusses) oberhalb der Barre mehr als die nöthige Tiefe hatten, um diesen kolossalen Räubern genügenden Spielraum zu gewäin-en. (v. Middendorff, Sib. L.. 15d. IV, Tlil. 11. S. rjöC).) '**") So verhalten sicli die Rennthiere in den Gebirgen Süd- sibiriens; anders aber in den Flach- und Bergläudern des Hoch- - 307 — nordens, wo sie zu ausgesproclienen Wanderthieren werden, welclie für den Winter weit südwärts gehen. Nur mit geringen Abweichungen, welche durch die Oertlichkeit erzwungen werden, wandern sie über Berg und Thal, durch grosse Ströme hindurch. Vorwaltend geht es allerdings in der Richtung von Norden nach Süden, doch weicht an verschiedenen Orten die Richtung auch bis Nord- West— Süd-Ost oder Nord-Ost— Süd-West, von der Meri- dianrichtung ab. Ihr Kompass, dem sie folgen, ist aber so genau, dass ein .Herabwandern von Rennthieren über das Meereseis an die Küsten des Tschuktschenlandes den Hauptgrund nicht nur für die Annahme eines Polarlandes abgab, sondern auch für die Vorausbestimmung seiner Lage,*) welche gegenwärtig von der Berings-See aus durch die Engländer bestätigt worden ist. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Tbl. H, S. 1146.) ^'•^) Serres (d. causes d. migrations, p. 310) behauptet, dass nur kleinere Säugethiere wandern. Er vergass das Hirsch- und Ochsengeschlecht, die Pferde, Antilopen u. s. w., unter denen zahlreiche wandernde Arten vorkommen. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Tbl. II, S. 1141.) Richtung und Wege des Wanderns. ^"^) Suchen wir voran bei den Rennthieren eine Antwort auf die Frage, nach welchen Richtungen die Wanderungen vor sich gehen. Die Rennthiere sind unter den Säugethieren wohl die entschiedensten Wanderer; sie kommen den Zugvögeln darin nahe, dass sie ausserordentlich grosse Wanderstrecken zurück- legen und dass sie gleich ihnen sich schaarenweise, ja noch zahlreicher als die Vögel, zu Zehntausenden vereint auf die AVanderung begeben, und dass sie endlich bestimmte Zugstrassen und Zugzeiten einhalten. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Tbl. II, S. 1146.) *) Vergl. z. B. die im Jahre 1^29 eingezogenen Erkundigungen WrangeU's. — Auch die Ljächov-Inseln wurden entdeckt, indem man den Kenntliierspureu folgte (Sauer I. S. JDl). 20* - 308 — ^'-) Was zeigt den Zugvögeln den Weg? Von den auf- merksamen Beobachtern der Thiere ist es wohl allgemein aner- kannt, dass die Vögel, so lange wie sie leben, zu den alten Brüteplätzen zurückkehren, und wenn sie todt sind, kommen wahrscheinlich ihre Jungen dahin zurück. Hier einige von meinen Erfahrungen: 1) In der Linde vor meiner Thüre brütete ein Staar, der das Geschrei der Enten und der Puter nachzuahmen erlernt hatte ; das Pfeifen meines Kutschers, wenn derselbe die Pferde anhielt, ahmte er so richtig nach, dass er mich oft täuschte und ich nachsah, ob der Kutscher vorgefahren sei. 2) Eine Grasmücke (Sylvia curruca) hatte eine solche Zu- neigung zu mir gefasst, dass, wenn ich im Garten säete, pflanzte, pfropfte, so kam sie herangeflogen, setzte sich acht bis zehn Schritte von mir und sang mir vor. Ihr Gesang war abweichend von dem der andern und viel lieblicher. 3) In meinem Vorhause nistete eine Rauchschwalbe, welche so zahm war, dass, wenn sie auf der Hausthüre sass und ich vorbei ging, sie nicht aufflog, auch wenn mein Hut nur acht bis zehn Zoll von ihr abstand. Sie kannte alle meine Stubengenossen, so dass sie ruhig blieb, wenn sie durch das Vorhaus gingen; wenn dagegen Fremde ins Vorhaus traten, wurde sie unruhig und gab Warnungstöne, so dass ich jedes Mal wusste, wenn ein Fremder ins Vorhaus getreten war. Diese drei Vögel kamen gegen zehn Jahre regelmässig wieder und die Schwalbe am längsten. (Büttner, Na. 58, S. 328.) ^'^) Uebrigens ziehen die Mäuse auch bei uns aus einer Gemarkung in die andere und scheuen selbst die breitesten Ströme niclit. Um das Treiben der Strandläufer, vorzüglich der Tringa glareola, die sich mit ihren Gattungsverwandten aUjährig im Spätsommer oft in grosser Anzahl an der Mündung des Mains einfindet, in Ruhe beobachten zu können, begab ich mich an einem Sonntage im September JSIÜ an jene Stelle; bald zog mich der grosse Lärm der Kinder des Dorfes Kostheim in die Nähe dieses Orts, wo ich zu meinem nicht geringen Erstaunen — 309 — einen Schwärm Brandmäuse (Hypudaeus arvalis) bemerkte, der von dem linken Mainnfer auf das rechte Ufer übersetzen wollte, und von der ihm im Wasser entgegen gekommenen Dor^ugend unter grossem Jubel in Empfang genommen Avurde. Was aber die Mäuse zu dieser Wanderung veranlasst haben mochte, war mir unerklärlich; denn auf dem Ufer, welches sie verliessen, standen nicht nur noch viele Cerealien und an andern dieser Maus zur Nahrung dienenden Pflanzen fehlte es auch nicht, so weit mein Auge reichte, war kein Wesen zu erblicken, welches sie hätte beunruhigen können, dahingegen auf dem Ufer, wo ich mich befand, die Nähe von Kostheim, gegen welches Dorf sie ihre Kichtung genommen hatten, so wie die lärmenden Kinder ihnen keinen günstigen Empfang verkündigen konnten: dem ungeachtet liess sich keine in ihrem Wege irre machen, keine der in den Fluss zurückgeworfenen suchte umzukehren. Die Anzahl dieser Mäuse vermag ich nicht anzugeben, weil bei meiner Ankunft die Kinder schon längst in Thätigkeit waren und bei meiner Entfernung nach Verlauf einer Stunde noch neue Mäuse ankamen, und weil sich auch der Zug nicht auf die Stelle allein beschränkte, wo die Kinder waren, indem ich strom- aufwärts so weit ich sehen konnte, einzelne Mäuse bemerkte. Nur in der Absicht, über den Strom zu setzen, schien üebereinstimmung unter diesen Thieren zu sein , denn oft schwammen einige ganz nahe beisammen, hingegen war oft eine Entfernung von hundert Schritten zwischen den nächsten An- kömmlingen. Sie schwammen äusserst geschickt, indem Kopf und Kücken aus dem Wasser hervorragte, so dass sie nur auf dem Bauche nass wurden und bei ihrer Ankunft auf dem Trocknen schnell davon laufen konnten. Im Jahre 1822 soll ein ähnlicher Schwärm bei Oppenheim über den Khein gesetzt sein. (Bruch, Isis 1824, S. 675.) ^"*) Am auffallendsten ist das Wandern der sporadisch lebenden Insecten. In den Zeitungen wurde angezeigt, dass ein Schwärm von Millionen Papilio cardui aus dem Badischen über den Khein nach Frankreich gewandert ist. Zwei Mal hat man in Schwärmen von Millionen" die Kohlschmetterlinge, Papilio — 310 - brassicae, vom festen Lande nach England hinüberziehen sehen. Einmal von Frankreich, das andere Mal von Belgien. Hier in Kurland war 1851 eine solche Menge Papilio brassicae, dass sie mehrere Tage hinter einander einzeln, ziemlich dicht beisammen, dann auch zwischendurch in gewaltigen Schwärmen von vielen Tausenden von Norden nach Süden zogen. Ein grosser Schwärm derselben ist nach Westen, auf die Ostsee hingezogen, wo sie im Meere ertrunken sind. (Büttner, N»- 58, S. 323.) ^'^) Die Rennthiere haben ihre bestimmte Stelle, wo sie sich zusammenfinden und den Kolyma überschwimmen. Das spricht für grosse Localkenntniss des Orts und der Reiseroute, die sie nehmen wollen oder müssen. Interessant wäre es zu wissen, warum sie gerade diese Stelle wählen. Ob da der Strom am schmälsten ist oder am ruhigsten fliesst? (Büttner, Na- 58.) ^'^•^) In den Zeitungen war einmal mitgetheilt, dass die Rennthiere nicht mehr bei oifenem Wasser durch den Kolyma schwimmen, sondern das Befrieren des Stromes abwarten und alsdann über das Eis gehen. Das wäre eine merkwürdige Er- scheinung, die grossen Aufschluss über das Thierleben ertheilen würde, nämlich: dass die Thiere durch eigenes Nachdenken an Cultur zunehmen. Sie werden gewitzigt durch oftmalige Ver- folgungen der Menschen. (Büttner, Na. 58, S. 322.) ^") In Lappland gehen die Rennthiere vom reichen Nah- rungsplatze nach Norden auf die nahrungsarmen Berge, nicht der Nahrung wegen, sondern ihren Quälern, den Bremsen, zu entgehen. (Büttner, Na. 58.) ^'^) Von Nahrungsverhältnissen gestaltet sich oft der AVan- dertrieb in der ganzen Reihe des Thierreichs, von den Heu- schrecken-Sch wärmen und andern Insecten an bis selbst zu dem Menschen hinauf. Nach Jahren ruhiger Zufriedenheit entflammt er plötzlich zu riesigen Völkerwanderungen. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Tbl. H, S. 1134.) — 311 — ^'^) Wir besitzen eine Reihe der sichersten Angaben darüber, wie die Wolga-Muschel, Dreissena polymorpha, welche freilich nach Sibirien nicht vorgedrungen ist, sich den Wasserfahrzeugen anhängend über Europa verbreitet hat. Gleichwie bei der Verbreitung der Sterlette (S. 884), so hat auch hier die Verbindung verschiedener Flusssysteme durch Kaualisirung als Hauptmoment mitwirken müssen. (V. Middendorff, Sib. E., Bd. IV, Thl. I, S. 900.) ^*") Einer Schaar von fünfhundert bis sechshundert Stück wandernder Hasen begegnete Bell 1720 zu Anfang des März, in der Gegend der Mündung der obern Tunguska. Damit von üebertreibung- nicht die Rede sei, fügt er hinzu: „I speak within compass."" Bedachtsam verfolgten die Thiere flussab- wärts, folglich nach Westen, ihren Weg, den sie sich dicht neben der Fahrstrasse auf der Flussdecke eingetreten hatten, und lenkten nur der Reisenden wegen waldeinwärts. Man er- zählte Bell, dass die Hasen in jedem Frühjahre in noch grösserer Anzahl südwärts wanderten, um im Herbste, sobald sich die Flüsse bedeckt, wieder zurückzukehren. Auch begegnete der Reisende mehrere Tage später, höher flussaufwärts , grossen „Schwärmen-' von Hasen, welche westwärts wanderten. (V. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Thl. II, S. 1140.j ''^') So Hesse sich also das Wandern der Rennthiere, die im Wandern dem ausgesprochenen Getriebe der Zugvögel am näch- sten kommen, ungezwungen erklären, der Hergang des Wanderns einfach auf Ortssinn und Ortsgedächtniss zurückführen. (V. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Thl. H, S. 1 127.) Das Auswan dem. ^^■-) Unter den nordischen Thieren hat sich freilich der Lemming vorzugsweise einen besondern Ruf als Wanderthier erworben. Man hat sich in neuester Zeit darüber so ziemlich verständigt, dass die Wanderungen des Lemmings keine echten periodischen Wanderzüge seien, sondern nur Auswanderungen, gleich - 312 — denen so vieler Nager, welche sich in gewissen Jahren ganz nuverhältnissmässig vermehren. Ich fühle mich jedoch gedrungen, diesen Gegenstand näher zu beleuchten. Man zweifelt jetzt allgemein an der vollen Glaubwürdigkeit der alten nordskandinavischen Berichte über das Wandern der Lemminge in schnurgerader Kichtung. Ich selbst hielt diese Berichte für weit übertrieben, seit ich im Sommer 1840 Lappland besucht hatte. Baer sprach dieselbe Ansicht öffentlich aus. Es verhielt sich dies folgendermaassen. Fruchtlos stöberten wir an der Ostküste Lapplands bis zum Anfang des Juli nach Lemmingeu umher, und selbst nachdem Herr v. Baer jedes einzelne Thierchen, das die Schiffsmannschaft bringen würde, mit dem unerhörten Preise eines Silberrubels zu bezahlen versprochen liatte, wurde nur mit genauester Noth ein halbes Dutzend aufgebracht, obgleich der torfige Boden der Tundra auf jedem Schritte von Gaugrinuen der Lemminge durchwühlt war und diese Gänge mit ihren Aus- würfen sich dicht besäet zeigten. Schon in der zweiten Hälfte des Juli trafen wii- dagegen die Lemminge urplötzlich millionen- weise an der Nordküste vor, und selbst die Strassen des Städtchens Kola waren überfüllt von ihnen, so dass sogar die Hunde ihrer nur selten achten mochten. Icli überzeugte mich bald davon, dass ihr Zug nur wenige Meilen breit war, sich aber wahrscheinlich um . die gesammten Küsten des russischen Lapplands herumzog, denn als ich zu Ende' des August meine FussAvanderung durch das Innere des Russisclien Lapplands, von Kola aus bis an das weisse Meer ( Kandalakscha), in geradem Striche nach Süden ausführte, fand ich im Innern der Halbinsel auch keinen einzigen Lemming. Je näher zur Küste, desto unzählbarer ihre Menge, sowohl am Eismeere wie am weissen; einige Meilen landeinwärts und es huschten nur hin und wieder einzelne umher. Die Gebirgs- Tundren des Innern waren vollkommen lemmingsleer, gleichwie die Wälder. Am Waldwuchse lag es also auch nicht. Ja noch mehr: selbst am Eismeere waren sie zu ?]nde Juli und Anfang August noch nicht bis in die äusserste nordwärts vorspringende Halbinsel (die Fischerhalbinsel oder Kybatschy) vorgedrungen. - 313 -- auch noch nicht bis zum 70. Breitengrade der gegenüberliegenden Westküste des Warangerfjords. Aus diesen Erfahrungen folgerte ich also, dass die Lemrainge sich in den Bergzügen des Innnern zu so unmässiger Anzahl vermehrt haben mussten. Im Spätsommer waren sie gleich andern Alpenthieren ringsum in jeglicher Weltrichtung, die Kicbtung nach Norden gleichfalls inbegriffen, abwärts gewandert, bis die überall nahe Meeresküste ihrem Zuge eine unübersteigliche Grenze setzte. Von einer bestimmten Himmelsrichtung, etwa von einem Zuge nach Süden, konnte die Kede nicht sein, und ich bin über- zeugt, dass wir dieselbe unzählbare Menge von Lemmingen auch an der Ostküste getroffen hätten, wären wir dort im Spät- statt im Frühsommer gelandet. Die Unmasse vorjähriger Spuren zeugte dafür. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Tbl. II, S. 1135.) ^^■^) Sollte dies Wandern, das sich von Zeit zu Zeit nach Jahren der Lemminge bemächtigt, nicht vielmehr ein Auswan- dern zu nennen sein , das sich bald von den Höhen abwärts nach allen Richtungen, bald angebracht von Nord gegen Süd richtet? Es kommt darauf an zu wissen, ob man sie im Früh- jahr auch wieder zurückwandern sieht. Die Nomaden, die ich darüber befragte, kannten den Frühjahrszug, obgleich er sich ihnen wenig bemerklich macht, da ihnen die Lemmnige voranziehen sollen. Auch ich fand zu Anfang des Juni die Lemminge am Taimyrflusse schon vor. Trotz des noch nicht abgegangenen Schnees waren die Obj-Lemminge dort in so grosser Menge vor- handen, dass ich sie nicht für Standthiere halten konnte, gleich den Halsband-Lemmingen, die es dort in geringerer Menge gab. Bis dahin den ganzen Mai hindurch hatten wir zwischen '71 bis 73 ^/./ n. Br. aucli nicht einen einzigen Lemming zu Gesicht bekommen. Das Zurückwandern der Lemminge mag bisweilen unter- bleiben, doch ist es wohl grösstentheils übersehen worden und unbemerkt vorübergegangen, da nur ein spärlicher Rest die hun- — 314 — derterlei Fährlicbkeiten der Reise, sowie des Winteraufentlialts überlebt und überdies die Thiercben vorzugsweise zur Xaclitzeit ziehen. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Tb. II, S. 1137.) ^^*) Untersuchen wir, worin denn wohl der Grund dafür zu suchen sei, dass solche G elegenh ei ts Wanderungen in ge- wissen Jahren zu Stande kommen, so ergiebt sich, dass sie jedes- mal von ungewöhnlich starker Vermehrung der betreffenden Thierart begleitet sind. Abgesehen vom N a h r u n g s m a n g e 1 , . d e r zur Wanderung drängt, steigert sich die Gewalt des angeborenen Wände rtriebesnachMaassgabe der An- häufung einer gegebenen Thierart am gegebenen Orte. (v. Middendorf, Sib. R., Bd. IV, Th. II, S. 1138.) ^^^) Ganz unregelmässig ziehen manche unserer Standvögel, z. B. die Spechte. Etwa in dem Jahre 1812 sah ich am La- brack'schen Strande eines Morgens im Juli Buntspechte, Picus major, nach Süden ziehen. So viel ich übersehen konnte, zählte ich fünfzig. Aber es steckten noch mehr im Walde, welche sich nach und nach erhoben. Ein Freund von mir hatte vom kleinen Grasspecht, Picus minor, auf einer alten Eiche im März auch circa zweihundert beisammen gesehen. Diese begaben sich doch wolil auch auf eine Wanderung. (Büttner Na. 58, S. 324.) 186^ Begnügen wir uns damit, nachgewiesen zu haben, dass in Sibirien der angeborne Wandertrieb ungleich kräf- tiger, ungleich allgemeiner im Thierreiche entwickelt ist, als europäische Erfahrungen es lehren können. Betonen wir nochmals, dass der Wandertrieb, in seiner vollen Kraft beob- achtet, sich als entschieden selbständiger innerer Trieb darstellt. Die Meteorologie wird nicht einmal immer die Mittel an die Hand geben können, zu messen, wann und wie stark dieser Trieb von aussen her geweckt und angeregt wird. Die Aeusserungsweise des Triebes ist selbständig, typisch, von innen heraus bedingt. Auch im ganzen Verlaufe der folgenden Betrachtungen werden uns zahlreiche Belege hierfür begegnen. Als Hauptbeweis für eine bedeutende Selbständigkeit des Wandertriebes im Thiere — 315 - miiss uns die schon früher (S. 922, 1095) ausführlich besprochene Thatsache gelten, dass im Hochnorden, gleichwie in gemässigten Breiten, einzelne Standthiere winterud zurückbleiben, obgleich die Mehrzahl der Thiere derselben Art fortwandert. Vom Wintern ist also diese Thierart keineswegs durch die Missgunst der meteorologischen Eigenthümlichkeiten des gegebenen Orts ent- schieden abgehalten. Solche vereinzelte Standthiere unter den Zugthieren, welche wir ständige Zugthiere nennen wollen, treifen Vv^ir unter allen wandernden Säugethieren an, ja sogar unter ihrem ausgesprochensten Wanderer, dem Rennthiere. Den Eingeborenen Nordsibiriens ist diese Thatsache wohlbekannt, da ihre Jäger die „stehenden" (stojätschije) Rennthiere von den „gehenden-' (chodjätschije) unterscheiden. (V. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Th. II, S. 1141.) ^^') Wie gross die Zahl der Wander-Heuschrecken zeitweise wird, zeigte sich bei Odessa. Im Jahre 1825 fanden sich einige in der Nähe ein und hatten sich bis 1829 so vermehrt, dass, als ein Schwärm derselben sich auf einige in den Strassen der Stadt befindliche Pappeln warfen, Zweige von der Stärke eines Mannsarmes und stärkere durch ihre Last abbrachen. In demselben Jahre kamen auch die Rosenstaare in Menge. Im Jahre 1834 kamen in die deutsche Colonie Lustdorff, zwölf Werst von Odessa, grosse Schwärme der Heuschrecken. Dieselben breiteten sich in einer Linie neben dem Meere aus, eine halbe Werst lang und hundert bis dreihundert Fuss breit. Erst am folgenden Tage erschienen die Rosenstaare und begannen einen Vertilgungskrieg. Unzählige Heuschrecken wurden getödtet, aber unendliche Schwärme erhoben sich und wurden von dem Winde in das Meer getrieben. Viele kamen um, andere gelangten nach Bessarabien, wo bald darauf die Rosenstaare gleichfalls erschienen. Man glaubt, dass die Erscheinung grosser Schwärme von Rosenstaaren der Vorbote der Heuschrecken sei, dies ist jedoch irrthümlich. (Demidoff, Russie meridie, S. 224.) ^^*) Ennan (Archiv IV, S. 620) schreibt: „Bei Ochotsk und auf Kamtschatka erscheinen bei irgend einem Wohnorte an dem — 316 — Hauptflusse oder an dessen Zuflüssen die Individuen einer bestimmten Laclisart in jedem Jahre genau an demselben Tage, und es scheint hierin seit Menschengedenken keine Veränderung statt- gefunden zu haben. ^^") Meine eigenen Beobachtungen. Erkundigungen, so wie auch alle gedruckten Nachrichten, die mir bekannt sind, laufen einsilbig darauf hinaus, dass die Ankunftszeit der Lachse am selben Orte alljährlich zwar ungefähr auf dieselbe Zeit fällt, aber doch Unterschiede von vielen Tagen und Wochen aufweist; genau so wie es bei den Vögeln der Fall ist. (v. Middendorff", Sib. R., Bd. IV, Th. II, S. 1261.) ^^^*) Der Hirschkäfer ist von uns in der nördlichen Hälfte von Kurland noch nicht gefunden, wohl aber in ziemlicher Menge in dem Niederbartauschen Forste. Von hier aus hat wahrscheinlich ein Schwärm auswandern wollen und ist auf die Ostsee hinge- zogen, wo sie ihren Tod gefunden haben, denn die Ostsee hat bei Libau eine Menge dieser Käfer auf den Strand geworfen, wo die Bauern sie aufgelesen und nach Libau gebracht haben, von denen einer Herrn Pastor Kawall nach Bussen noch frisch und weich zugeschickt wurde. Also nicht bloss die Heu- schrecken, sondern auch viele andere Arten von Insecten stellen solche grosse und weite Wanderungen an. (Büttner Na 58. S. 323.) Capitel XI. Ursachen der Wanderungen. Wie schon in der Einleitung bemerkt, haben die Menschen sich Jahrtausende vergeblich abgemüht, den Vogelzug erklären zu wollen. Man ist nun in neuerer Zeit von dem Wege der Beobachtung abgegangen und hat sich auf die Speculation ge- worfen, wie wir dies bereits bei Besprechung der Werke von — 317 — Wallace und Palmen ausführlich dargethau haben. Eine Förderung oder gar Klärung der Erkenntniss dieses räthselhaften Triebes der Vögel konnte am allerwenigsten auf letztere Weise erreicht werden, und es ist nicht zu verkennen, dass in neuerer Zeit die Naturforschung im Allgemeinen, aber auch hier im Beson- dern, dadurch Schaden genommen hat, dass der exacte Weg der Beobachtung verlassen und an Stelle dessen die Phantasie getreten ist. Wenn man indessen erwartet, dass hier eine fertige neue Theorie gegeben wird, so können wir dieser Erwartung nicht entsprechen; es würde bei dem heutigen Stande der Wissenschaft die in Aussicht genommenen Möglichkeiten um eine vermehren, und es soll nur unser Bestreben sein, der Beobachtung und praktischen Forschung wiederum ebene Bahn zu schaffen. Es liegt daher wesentlich daran, unhaltbare Ansichten zu beseitigen, nicht an deren Stelle neue aufzustellen, die vielleicht keine grössere Berechtigung hätten, wie die eben widerlegten ; indessen wird versucht werden, die Aufmerksamkeit der praktischen Forscher auf einige Umstände zu richten, die vielleicht geeignet sind, den Weg*) zu zeigen, welchen die Forschung zu betreten hat. Wenn wir die verschiedenen Localitäten in's Auge fassen, an denen die Vögel einer Art weilen, so finden wir, dass die- selben in der Mehrzahl der Fälle eine gewisse Uebereinstimmung haben, dass zwar Abweichungen und recht erhebliche vorkommen, immerhin aber die Art Ansprüche macht, deren Wesen der Forscher zwar in den meisten Fällen, aber nicht immer zu erkennen ver- mag. Oft ändern die Vögel in Folge äusserer Veranlassung ihre Aufenthaltsorte. Manche Arten sind gezwungen, einen andern Brutplatz zu suchen, wie den von Generation zu Generation ererbten, weil der frühere nicht mehr in einer Weise vorhanden ist, der ihren Bedürfnissen entspricht. Dieser Fall tritt namentlich ein mit dem Schwinden der hohlen Bäume, in welchen so viele Vögel und darunter gerade solche, die dem Menschen von beson- derem Nutzen sind, ihre Brutplätze hatten, *) Was die Beobachtung anbelangt, so möchte dieselbe nicht allein auf Zeit und Ort, sondern auch auf Zugrichtung, AYind, Witterung und andere begleitende Umstände zu richten sein. — -MS — Xächst dem passenden Platze, oder vielleicht mit demselben in gleichem Werthe steht die den Vögeln besonders passende Nahrung. Es ist daher wohl erklärlich, dass Vögel an Orten nicht vorkommen, welche ihnen eine ausreichende Nahrung nicht gewähren, oder dass ihr Vorkommen auf wenige Individuen be- schränkt bleibt. Dieselben Einflüsse, welche sich hier für den Wohnsitz des Vogels geltend machen, müssen ihre Wirksamkeit auch bei den Wanderungen zeigen, und es ist daher natürlich, dass Wander- vögel stets solche Orte aufsuchen, an denen ihrer ein reich ge- deckter Tisch wartet. Aus demselben Grunde hat man auch angenommen, dass die mangelnde Nahrung die Vögel von ihren Brutplätzen vertreibe, oft sogar früher, als das Heranwachsen der Jungen dies erlaubt, denn man hat wiederholentlich beobachtet, dass die Schwalben in den nördlichen Gegenden Skandinaviens bei eintretendem Froste ihre Jungen in den Nestern verlassen haben, um eilig die Keise nach milderen Gegenden anzutreten ; es bleibt jedoch noch zweifelhaft, ob hier mehr der plötzlich eingetretene Frost, oder die mangelnde Nahrung eingewirkt habe, indem Malmgreen gefunden hat, dass am Tage nach einer solchen Frostnacht noch reichlich lusecten vorhanden waren und dennoch die Schwalben ihre halb oder beinahe ganz erwachsenen Jungen verlassen hatten. Die auf dem Herbstzuge befindlichen Vögel zeigen nun auch durch ihre ausserordentlich wohlgenährte Beschaffenheit, sowie durch ihren stets gefüllten Magen, dass sie sich keineswegs in einem Zustande der Noth befinden, und daher erscheint die Zeit des Beginnens dieser Wanderungen in mancher Hinsicht dem menschlichen Auge als eine übereilte, denn theils haben die Zug- vögel ihr Brutgeschäft und die Pflege der Jungen soeben erst vollendet, theils beginnt bei den meisten Arten mit dem Zuge oder kurz zuvor die Mauser. Die Erneuerung des Gefieders und die Mangelhaftigkeit desselben zur Herbst- und Zugzeit, die späterhin durch eine starke Fettlage wesentlich erschwerten Körper können nicht dazu beitragen, dem Vogel die Wanderung zu erleichtern, und trotz dieser Hindernisse, welche theilweise auch im Frühjahrszuge auftreten, hält der Vogel seine Zeit unver- — 319 — bnichlich inne, wenn die Witterung ihm keine zu bedeutenden Hindernisse bietet. Für die meisten frühwandernden Vögel ist der Tisch zur Herbstzeit am reichsten gedeckt. Die Insectenwelt ist am zahl- reichsten vertreten und die Pflanzenwelt bietet die verschiedensten Früchte. Es ist daher wohl nicht anzunehmen, dass Nahrungs- mangel auf die Frühwanderer irgend einen be merk- lichen Einfluss haben könne. Herr Professor Möbius in Kiel hat nun die Güte gehabt, mich darauf aufmerksam zu machen, dass es doch möglich sei, dass das Fehlen gewisser Insecten einen grössern Einfluss auf die Wanderungen der Vögel habe als man dies bisher annahm, indem es leicht sein könne, dass an denjenigen Localitäten, wo der Vogel angewiesen sei, seine Nahrung zu suchen, die Insecten- welt ärmer geworden sei, als man dies anzunehmen berechtigt zu sein glaube; namentlich könne das Fehlen der Insecten in den obern Luftschichten für die Segler (Cypselus) von entschei- dendem Einflüsse für ihre verhältnissmässig so frühen Wan- derungen sein, da diese Vögel darauf angewiesen wären, ihre Nahrung in den obern*) Luftschichten zu suchen. Jedenfalls erscheint diese Ansicht der Beachtung würdig, wenn man auch nicht geneigt ist anzunehmen, dass die mangelnde Nahrung, die einzig bewegende Kraft, oder doch die ausschlag- gebendste für alle Vögel wäre. Indessen ist sicher, dass die Mehrzahl unserer Wandervögel einen weit grossem Kältegrad sehr wohl verträgt, als man dies anzunehmen geneigt ist, wenn ihnen volle Nahrung zu Diensten steht. Wir sehen das deutlich an einzelnen Arten, welche an warmen Quellen überwintern, an den Staaren, welche auf den Faröern Standvögel sind, an den Rallen Islands etc. Bei vielen Vögeln lässt es sich unzweifelhaft beweisen, dass dieselben nur der Witterung weichen, dass sie sich innerhalb ihrer Heimath, oder so nahe wie möglich derselben halten," bis sie von dem andringenden Schnee und Elise verdrängt werden. *j Nur bei 8pätfr(>sten sieht mau die Segler in manchen Fällen ganz nahe über dem iioden jagen. — 320 — bei andern müssen naturgemäss beide Ursachen gleichzeitig wirken. Es sind dies namentlich die im Früjahr spät ziehenden Insecten- fresser, indem mit der andringenden Kälte auch die Insecten ver- schwinden, aber diese beiden Ursachen, vermögen nicht allein den Wandertrieb der Vögel zu erklären. Man hat ja un- zweifelhaft festgestellt, dass aus dem Neste genommene Vögel auch in der Gefangenschaft vor und zu der Zugzeit während einer Reihe von Nächten ihre Unruhe durch ein lebhaftes Umher- flattern gezeigt haben, und es ist schon weiter oben widerlegt worden, dass diese Aufregung hervorgerufen werde durch die Stimmen der ziehenden Wandervögel ihrer Art. Namentlich sind die Beobachtungen Naumann's hier so schlagend, dass diese Thatsache nicht bezweifelt werden kann. Es ist dabei noch zu bemerken, dass die Vermuthungen Palmen's und seiner Ansichts- genossen, dass die in Käfigen gehaltenen Vögel ihre wandernden Kameraden rufen hörten und dadurch ihre Unruhe erklärlich werde, schon um deswillen unzutreffend sind, weil namentlich im Frühjahre die Zeit der Wanderung der freien Vögel mit der Zeit der Unruhe der Käfigvögel nicht bei allen Arten zusammen- trifft. Aus diesem Grunde hat schon Naumann der Aeltere ge- folgert, dass unsere Nachtigall sehr weit südlich ziehen müsse, weil die Käfigvögel schon im Februar unruhig würden und es anzunehmen sei, dass dann die Frühjahrswanderung ihrer Art- genossen beginne, und diese Vermuthung haben spätere Beobach- tungen bestätigt. Es ist also eine andere bewegende Ursache, welche den Vogel veranlasst, zur bestimmten Zeit seine Wanderung anzutreten, und diese bewegende Kraft zu finden, ist die Aufgabe, welche sich der Naturforscher zu stellen hat. Schon seit sehr langer Zeit war ich von dieser Thatsache fest überzeugt, und es war wohl erklärlich, dass ich in Rücksicht auf die Zugzeiten der Vögel es für wahrscheinlich hielt, dass das schwindende und kommende Licht und die damit verbundene Beschaffenheit der Luft von wesentlichem Einflüsse sein müsse. Ich liabe diese meine Ansicht jedoch bisher nicht öft'entlich aus- gesprochen, während die vortreffliclien Naturbeobachter, Gebrüder — 321 — Adolf und Karl Müller, dies bereits gethan haben. Aber zuerst hat ein ausserordentlich begabter schwedischer Dichter (Eunberg) bestimmt und klar gesagt, dass das Licht die bewegende Kraft für den Vogelzug sei. Nun soll jedoch nicht behauptet werden, dass damit der Einfluss von Witterung und Nahrung bei Seite geschoben werde, nein, die vereinte Wirkung dieser drei Motoren ist es, welche wir zu berücksichtigen haben. Es ist damit freilich nur der erste Anfang einer thatsächlichen Beobachtung gemacht, aber wenn die Naturforschung geneigt wäre, das Feld der unerspriess- lichen Speculation zu verlassen und sich wiederum den That- sachen und der Naturbeobachtung zuzuwenden, so wäre damit unendlich viel gewonnen. In den Tropengegenden ist es wesentlich die Eegenzeit, welche die auch dort stattfindenden Wanderungen der Vögel beeinflusst, indem die Vögel solche Gegenden aufsuchen, in denen in Folge des Regens die Vegetation und Insectenwelt neues Leben erhält und diejenigen Gegenden verlassen, wo die tropische Dürre alles Leben ertödtet. Es sind also auch dort ähnliche Ursachen wie im Norden: Nahrung, Witterung und in gewissem Maasse das Licht. In dem Vorstehenden haben wir gezeigt, dass man die Wan- derungen der Vögel und anderer Thiere nicht auf eine einzelne bewegende Ursache oder auf einen einzelnen speciellen Grund zurückführen kann. Das Zusammenwirken der soeben erwähn- ten Ursachen, aber auch noch eine unerklärliche Kraft, welche man mit den verschiedensten Namen bezeichnet hat, deren Wesen man aber nicht kennt, sind es, welche die Thiere zu den Wan- derungen bewegen. Fast noch wunderbarer ist der Ortssinn und — wie Midden- dorfi" hinzufügt — der Richtsinn, welche die Thiere auf ihren Wanderungen leiten. Der Ortssinn zeigt den Thieren eine be- stimmte Stelle, an welcher ihr Nest stand ; der Richtsinn lässt sie unendlich lange Strecken durchwandern, sei es, um die Heimath wiederzufinden, sei es, um Rast- und Futter- oder eine Winter- station aufzusuchen. Bei der Frühjahi-swanderung tritt allerdings noch ein neues Moment ein, welches den mehr oder minder weit von seiner V. Homcyer, Wanderungen der Vögel. ^1 — 322 — Heimath entfernten Vogel dahin treibt, dieselbe wieder aufzu- suchen. Schon die verschiedenen Jahreszeiten, Herbst und Frühling, äussern auf jedes lebende Wesen, auch auf den Menschen, einen sehr verschiedenen Einfluss, und es ist wohl unverkennbar, dass dies bei den Vögeln in noch höherm Maasse der Fall sein muss, dazu kommt aber der mächtige Trieb, welchen der Frühling neu belebt und neu entwickelt, das Bestreben, die Art fortzupflanzen, und dieser mächtige Trieb ist wohl, vereint mit dem Verlangen nach der Heimath, genügend, die Frühjahrswanderung zu erklären. Man kann indessen die Frage aufwerfen, warum viele Vögel Länder und Gegenden durchziehen, welche bessere und angenehmere Plätze für ihr Heim bieten, und in den kalten rauhen Norden eilen, um die alten Nistplätze aufzusuchen. Aber man kann darauf entgegnen, dass eben diese Plätze, die sie im eiligen Fluge durchwandern, nicht ihre Heim ath sind, dass es ihnen ergeht wie vielen Menschen, welche lange Zeit in ferneren Climaten weilten, die Wunder der Tropenwelt sahen und dennoch das Verlangen in sich trugen, ihre weit weniger ansprechende Heimath wieder zu sehen. Vielleicht ist die Wanderung anderer Thiere, namentlich der Fische, noch wunderbarer und unerklärlicher, wie die der Vögel, wenn man sich die Frage stellt, wer leitet die alten Lachse aus dem Meere in die Ströme, um dort ihren Laich abzu- setzen, nachdem sie seit früher Jugend ihre ganze Lebenszeit im Meere zugebracht haben, wer drängt sie in solchen dichten Haufen in die Flüsse, dass manche im wörtlichen Sinne auf's Trockene gesetzt werden, wer lehrt die Jungen dieser Fische, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben, die Ströme abwärts in das Meer zu gehen, und dort so lange zu weilen, bis auch sie soweit herangereift sind, ihren Laich in die Flüsse zu tragen? Es wird zur Zeit wohl richtiger sein, hier jede Erklärung zu unterlassen, als eine Hypothese hinzustellen, wie sie der speculative Geist einer gewissen Kichtung gegeben hat. Wir werden uns daher begnügen, die vorhandenen Thatsachen fest- zustellen und neue zu suchen. - 323 — Es ist in neuerer Zeit auch vielfach davon die Rede gewesen, welchen Einfluss das electrische Licht auf den Pflanzenwuchs hat und diese Entdeckung ist als neu und eigenthümlich hingestellt worden. Das ist wiederum eine der wissenschaftlichen An- maassungen der neuern Zeit, welche geneigt ist, sich selbst zu glorificiren. Seit langer Zeit ist es ja allgemein bekannt, dass Pflanzen, welche in einen dunklen Raum gestellt wurden, der nur durch eine einzige Kerze erhellt wurde, ihre Triebe diesem unbedeutenden Lichte zuwendeten, und es war doch a priori mit grosser Sicherheit anzunehmen, dass ein starkes Licht dies im vermehrten Maasse thun müsse. Schon der ausgezeichnete Botaniker Professor Fries hat vor langen Jahren den Einfluss des Lichts, der Wärme und der Feuchtigkeit als die Haupttriebkräfte im Leben der Pflanzen- welt hervorgehoben und derselbe hg,t gezeigt, dass die schönen und veränderlichen Formen mancher Pflanzen kein absichtsloses Spiel der Natur, sondern deren inneres Leben, je nach den ab- weichenden Localitäten und Climaten kennzeichnen. Derselbe machte schon im Jahre 1845 darauf aufmerksam, dass die Wärme und Kälte auf unserer Erde sich keineswegs einzig nach den Graden der Breite und Länge richte und dass unter demselben Breitengrade oft sehr abweichende Temperatur- verhältnisse stattfinden, in Folge dessen die Vegetation nothwendig eine verschiedene sein müsse. Von der Vegetation, von der Pflanzenwelt sind aber die Vögel im höchsten Maasse abhängig, selbst die Insectenfresser aus sehr nahe liegenden Gründen, indem die Insecten wiederum von der Pflanzenwelt abhängig sind, und was daher für die Botanik von Einfluss ist, ist es in demselben Maasse für die Ornithologie. Dazu kommt nun noch, dass der climatische Einfluss, welcher seine Einwirkung auf die Vogelwelt durch die Pflanzenwelt mittelbar ausübt, auch nothwendig einen unmittelbaren Einfluss haben muss, und dass es aus diesen Gründen sehr erklärlich ist, wenn Zugvögel nicht überall und an allen Orten, welche unter gleichen Breitegraden liegen, zu derselben Zeit eintreffen. Es ist daher sehr erklärlich, dass man auch in einer nördlichem Lage, Punkte findet, wo Vögel früher ein- treffen, Pflanzen früher blühen, als an einem südlichem Punkte 21* — 324 - indem solche Gegenden, welche vom Clima weniger l)egünstigt sind, bei der Wanderung rasch überflogen werden. Dergleichen Wanderer, welche keinen Aufenthalt nehmen, werden nur wenig bemerkt, aber eine gewisse Theorie hat nicht verfehlt, hieraus eine Nutzanwendung zu ziehen, indem sie behauptet, dass an den nördlichem Punkten die Ankunft um deswillen eine frühere sei, weil dort eine sogenannte Zugstrasse führe, von der aus die südlichem Localitäten erst bevölkert würden. Das ist jedoch eine Annahme, welche mit jeder Naturbeobachtung,*) mit jeder einfachen Thatsache im directen Widerspruche steht. Die thatsächlichen Beobachtungen, welche zur Zeit vor- liegen, beweisen, dass die Zugrichtung der Vögel im Allgemeinen und abgesehen von localen Störungen, wesentlich durch das Meer und die von demselben ausgehenden mildem Luft- strömungen beeinflusst werden, freilich nicht in dem Sinne der oft besprochenen Theorie. Wenn wir in zoologischer Hinsicht Europa und Asien als einen einzigen Continent betrachten müssen, so zeigt sich deut- lich,**) dass nur in der Mitte dieses Continents die Zugrich- tung eine nord-südliche ist, und dass dieselbe im Osten sich allmählich nach Süd-Ost, im Westen nach Süd-West und noch weiter neigt. Diese Eichtung wird offenbar durch das mildere Seeclima bedingt und zeigt sich in Amerika ganz in derselben Weise, wie dies schon C. L. Brehm hervorgehoben hat. Es ist jedoch ein Irrthum, dass die Vögel, wenn sie einmal den Meeres- strand erfasst, nun auch im Wesentlichen demselben folgten. Dagegen sprechen alle Beobachtungen, und nur in dem Falle, dass die Zugrichtung mit dem Meeresstrande parallel läuft, können Fälle eintreten, die geeignet erscheinen, der Strand- theorie***) Beweise zu liefern. Indessen nur scheinbar, wie *) So würde z. B. nach diesen Grundsätzen der Frülijahrszug der Vögel nach Kiew über Petersburg führen, wie Middendorff nachgewiesen. **) Vergleiche Middendorff im Anhange. ***) Es ist wohl sehr erklärlich, dass Strandvögel und manche Wasser- vögel an Meeresbuchten verweilen, weil sie daselbst passende Rast- stationen gefunden haben, aber dergleichen Erscheinungen dürfen nicht veranlassen zu glauben, dass diese Vögel nun auch veranlasst wären, auf ihren "Wanderungen immerfort dem Meeresstrande zu folgen. — 325 — wir bei den localen Zugbeobachtiing-en ausführlich nachweisen werden. Für Europa im Allgemeinen ist in Uebereinstimmung mit der eben erwähnten Beobachtung, die Zugrichtung wesentlich Nord-Ost zu Süd-West, mehr oder weniger nach West neigend. Ueber locale Ausnahmen, die zum Theil recht eigen thümlich sind, soll noch im Speciellen gesprochen werden. Im Vorstehenden ist gezeigt worden, wie hier Zugrichtung und eine der Grundursachen des Zuges auf denselben Momenten beruhen. Auf die Herbstwanderung der Früh- vögel sind unzweifelhaft die kalten Nächte auch von wesent- lichem Einfluss. So lange der Vogel noch mit der Erziehung seiner Jungen beschäftigt ist, wird derselbe die Witterungsein- flüsse weniger beachten, aber wir finden, dass viele, ja die grosse Mehrzahl der Frühwanderer gewöhnlich bald nachdem die Jungen vollkommen flugfertig sind, ihre Reise antreten, manche Arten, und namentlich die Männchen, weit früher, indem sie die Brut- plätze verlassen, wenn die Jungen noch nicht erwachsen sind. Bei manchen Arten, wo die Männchen die Pflege der Jungen den Weibchen allein überlassen, begeben sich erstere weiter gegen den Süden. So sieht man gewöhnlich im Sommer Pia- typus fuscus in grosser Zahl in der Nähe von Rügen*) und die Männchen der Wasser- und Strandläufer zeigen sich oft schon sehr früh. So beobachtete Se. k. k. Hoheit Kronprinz Rudolf an einem in der k. Fasanerie unfern Prag belegenen grössern Teiche**) verschiedene dieser Vögel und namentlich Totanus glottis gar nicht selten, erlegte auch einzelne dieser sehr scheuen Vögel. ***) Der Frühzug der alten Männchen beweist, dass es wesent- lich das Brutgeschäft ist, welches die Vögel festhält imd dass mit Beendigung desselben ihnen die Heimath weniger schön erscheint als zuvor. *) Grosse Schwärme, aber einzig aus alten Männchen bestehend. **) Die ganze Umgegend von Prag — ein Hochplateau — ist wasser- arm, mit Ausnahme der gänzlich vogelarmen Moldau. ***) Mitte August 1880 sah ich dort bei öfterer Untersuchung fast jedesmal einen oder etliche dieser Vögel. — 326 — Aus vorstehenden Beobachtungen erhellt, dass es wesent- licli folgende Gründe sind, welche den Zug der Vögel beein- flussen : 1) Die Wärme und die zu den Zugzeiteu herrschenden Luftströmungen. 2) Das Licht. Die Vögel verlassen uns im Herbste bei dem schwindenden Lichte und kehren zurück, wenn der Norden längere Tage hat. 3) Die Nahrung. Bei vielen harten Wandervögeln ist es wesentlich die Nahrung, welche man als den Hauptfactor der Wanderungen betrachten muss und mehr oder weniger wird ihr Einfluss überall wirksam sein. 4) Die Heimath und das Brutgeschäft. ö) Der bei den Thieren. und namentlich bei den Vögeln so ungemein ausgebildete Geselligkeitstrieb. Die Vögel müssen schon wandern, um diesem Triebe zu genügen, wenn auch diese Zusammeuhäufungen weit entfernt sind — wie eine gewisse Lehre behauptet — die Sicherheit der Vögel zu erhöhen. In noch höherm Maasse verderblich werden freilich solche Zusammen- rottungen anderer Thiere, namentlich von Säugethieren, Fischen und manclieu Insecten. Alle diese Factoren vereint sind wohl die erkenn- baren Einflüsse der Wanderungen, aber es soll keineswegs be- hauptet werden, dass in ihnen eine hinreichende Erklärung des Vogelzuges läge. Unzweifelhaft sind die Wanderungen anderer Thiere, nament- lich der Fische, noch wunderbarer, und es fallen dabei alle jene Hyi^othesen i-echt gründlich zusammen, die man mit so vieler Mühe bei den Vögehi aufgebaut hat. Wo bleibt da die leitende Meeresküste, wo die Führung der alten Fische, wo der freie Ueberblick aus grosser Höhe? Der wunderbare Orts- und Eichtsinn geht durch alle lebende Wesen, wir selbst empfinden ihn, oft ohne uns des- selben voll bewusst zu sein, und wenn wir auch schliesslich uns desselben bewusst werden, so bleibt er uns ebenso räthselhaft als zuvor. — 327 — Anhang zu Capitel XI. ^*'^) Zu unzählbaren Schaaren vereint weichen diese, die wir die winterzähen Strich-Zugvögel nennen wollen, der Winter- strenge mit so hartnäckigem Widerstreben, dass die Seevögel bei urplötzlich überraschendem Froste zu Tausenden, ja zu Hunderttausenden umkommen. Kein Wunder, dass dann Ein- zelne bis zu den Azoren und den canarischen Inseln verschlagen werden. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Thl. II, S. 1181.) ^^^) Der Winteraufenthalt dieser winterzähen Wasservögel richtet sich also nach den jedesmaligen Grenzen sowohl des festen wie des Treibeises. Sie erinnern an meine hyperborealen Eisthiere (S. 933). Sie wintern beispielsweise alljährlich im Kola-Busen Lapplands (69 ^ n. Br.) und im benachbarten Wa- rangerlQord, gehen aber auch die Küsten Norwegens entlang, etwa fünfzehn Breitengrade südlicher, bis zu den Küsten Däne- marks, Hollands, Grossbritanniens und in seltenen Ausnahmen noch andere zehn Breitengrade südlicher, bis an die Küsten Spaniens unter 44 " n. B. Dem entsprechend senkt sich das- selbe Geflügel die kältern Ostküsten Amerika's entlang regel- mässig bis 42 ^ n. Br., also durchschnittlich etwa zehn Breiten- grade weiter südwärts als an den Westküsten Europa's und Amerika's. An den Meridianen der Westgreuzen des europäischen Russlands, mit Ausnahme der baltischen Küstenländer, langen die Vögel unter den verschiedensten Breiten annähernd gleichzeitig an (mithin aus Süd- West- bis West-Richtung). Bisweilen er- scheinen sie sogar etwas früher unter einer nördlicher als unter einer südlicher gelegenen Breite. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Thl. H, S. 1181.) ^^^) Die Schnelligkeit des Zuges anlangend , so erwies ich nicht nur am Kuckuck, sondern auch an der doch so blitzschnell fliegenden Schwalbe, dass die vielfach ventilirte Schnelligkeit, welche dem Vogelfluge zu Gebote steht, nur für einzelne Fragen, die den Zug der Vögel betreffen, zur Beachtung kommt, keines- — 328 - wegs aber für die Schnelligkeit der Keise im Allgemeinen, zwischen den beiden Endpunkten derselben. (v. Middendorff, Sib. K, Bd. IV, Thl. II, S. 119ü.) ^^*) Es mögen nun die schnellsten Brieftauben fünfundzwanzig geographische Meilen in der Stunde zurücklegen können, die langsamen fünfzehn oder noch weniger, wenn es sich um so ferne Sti-ecken handelt, wie die Reise jenes Falken, der von den canarischen Inseln nach Andalusien zurückkehrte, so beschränkt sich doch die durchschnittliche Wanderung des Kuckucks sowie der Schwalbe auf das Zurücklegen von etwa ein Drittel Breiten- gi-ad oder fünf geographischen Meilen täglich, welche unter Um- ständen zeitweise bis auf das Doppelte oder gar Dreifache an- wachsen kann, wenn es gilt, Versäumnisse nachzuholen. Ich fasste dieses auffallende Ergebniss in meinen Isepipthesen mit den Worten : die Vögel, ja selbst die besten Flieger unter ihnen, reisen höchst gemüthlich; unter ihnen die nach Nord-Süd ziehenden am laugsamsten. (V. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Thl. II, S. 1199.) ^®^) In den gemässigten Erdstrichen bleiben die wenigsten Vögel das ganze Jahr hindurch an ihrem Nistplatze, Nur eine kleine Zahl unserer gefiederten Geschöpfe gehört zu den Stand- vögeln. Bei weitem die meisten entfernen sich von ihrem Naturtriebe, geleitet mehr oder weniger von demselben. Des- halb sagt man von ihnen: a) sie streichen, b) sie schweifen herum, c) sie w a n d e r n. b) Das Herumschweifen der Vögel. Es muss dem Unkundigen auffallen, dass man im mittlem Deutschland von Geiern, See-, Stein-, Schrei- und Zwerg- adlern mit wenigen Ausnahmen lauter junge, oder doch keine ausgefärbten Vögel zu sehen bekommt. Die Ursache dieser Erscheinung ist keine andere, als die, dass die alten Geier und Adler am Brutorte bleiben, die nicht ausgefärbten aber von ihi-em Naturtriebe geleitet fern vom Nistplatze herum- schweifen, um überall Nahrung zu suchen. Daher kommt es, - 329 - (lass mau Hunderte von Meilen weit vom Nistplatze Zwergadler und andere Vögel antrifft. Derselbe Fall findet bei den Möwen statt. An den Brutplätzen derselben sieht man nur ausgefärbte Vögel. Die ünausgefärbten schweifen sehr weit herum. Ich besitze Mantelmöwen, welche im Mai an der pommerschen Küste erlegt sind, obgleich der uns am nächsten liegende Brut- ort dieser Möwen, das nördliche Norwegen ist. Der selige Bruch in Mainz bekam eine in der Nähe jener Stadt erlegte s a b i n i s c h e Möwe, deren Nistplatz der allerhöchste Norden von Grönland ist. (C. L. Brehm, Hdschr.) ^^^) Die Ursache des Vogelzuges muss in etwas Anderm als in der mangelnden Nahrung und in der Witterungsänderung zu suchen sein, und so ist es auch. Sie liegt in einem unbesieg- baren Wandertriebe, in einem unwiderstehlichen Drange, die Heimath zu verlassen, was wir oben schon angedeutet haben. Dieser Wandertrieb hat seinen Grund in einem den Vögeln an- geborenen, also instinctmässigen Ahnungsvermögen der Dinge die da kommen sollen. Dieses Ahnungsvermögen, etwas echt Geistiges, sagt ihnen mitten im Ueberflusse der Nahrung, dass eine Zeit kommen wird, in welcher sie mangeln wird. Dieses Ahnungsvermögen lässt sie in den heissesten Tagen errathen, dass der kühlere Herbst einem Winter vorausgehen wird, in welchem sie vor Mangel und Kälte umkommen müssten. Da nun die Stubenvögel dieses Ahnungsvermögen auch besitzen, so wollen auch sie ihren Käfig und Aufenthaltsort verlassen, um südlich oder südwestlich zu wandern und sind deshalb sehr unruhig, wenn die Zugzeit der Vögel ihrer Art beginnt. Dieses Ahnungsvermögen sagt aber auch den Vögeln, wann sie ihre Wanderung beginnen sollen, denn die Zeit des Aufbruchs ist bei den verschiedenen Vögeln sehr verschieden, beim regelmässigen Zuge aber ein und derselben Art in den verschiedenen Jahren wenig abweichend. (C. L. Brehm, Hdschr.) ^^') Grus cinerea erscheint bei uns in den Monaten März und November und ist der Führer der andern Zugvögel. Im — 330 - November 1817 war ich auf den Lerclienstrich in eine benach- barte Gemeinde geladen worden, zugleich sollte gejagt werden; schon Mittags waren wir auf dem Felde und fanden eine grosse Menge Lerchen, so dass wir uns einen reichlichen Fang ver- sprachen. Bei Sonnenuntergang trafen wir auf einer Anhöhe mit den Lerchenfängern zusammen; während diese das Garn zurecht machten, beobachtete ich einige Lerchen, die ganz in unserer Nähe sich zur Euhe begaben; endlich wurde es Nacht und die Arbeit sollte beginnen, als einer unserer Lerchenfänger, durch die von fern her schallenden Stimmen einiger Kraniche aufgeschreckt, ausrief: „0 weh! nun fangen wir keine einzige Lerche." Der Mann versicherte mich, dass der Kranich alle Zugvögel, die er auf seinem Wege antreffe, mit sich fortnähme. Immer näher ertönte das rauhe kiurrr-kiurrr-kiurrr, die Kraniche flogen über unsere Köpfe hin, kein anderer Laut Hess sich ver- nehmen, keine Lerche Hess einen Ton hören, ich glaubte daher, dass sie sitzen geblieben seien; die Lerchenfänger mussten ihr Garn entfalten, wir durchstreiften zwei Stunden lang die ganze Gemarkung nach aUen Richtungen und fanden keine einzige Lerche mehr ; am Tage hatten wir einige Kibitze gesehen, auch diese fanden wir nicht wieder, zuletzt Hessen wir auch die Hunde los, die ebenfalls nichts fanden, nur die Feldhühner waren ge-- blieben. Ich erinnerte mich bei dieser Gelegenheit einer Jagd, die ich vor mehreren Jahren im Monat März in dem Innweiler Thale bei Zweibrücken mit meinem Bruder gemacht. Wir trafen eine ungeheuere Menge Sumpf- und Sclnvimmv^Tgel, die bei dem trüben Wetter , wenn auch durch unsere Schüsse aufgejagt, jedesmal bald wieder einfielen, bis wir auf einen Trupp Kraniche stiessen; sobald diese sich in Bewegung gesetzt hatten, zogen sie unter dem Schall ihres kiurrr-kiurrr-kiurrr das Thal auf und ab; je nachdem sie in die Nähe der übrigen Vögel kamen, schlössen sich diese an sie an und der unermessliche Zug, die Kraniche an der Spitze, entfernte sich unter grossem Geräusch. Zunächst an die Kraniche hatten sich einige Graureiher, Ardea cinerea angeschlossen, dann folgten die Gänse, Anser segetum, Mergus merganser, eine zahHose Menge Enten, Anas boschas, — 331 — crecca, clangula, fiüigula etc. und die sämmtlichen übrigen Vögel; kein einziger blieb zurück. (Bruch, Isis 1824, S. 681.) ^^^) Die Vögel werden wahrscheinlich durch sehr verschie- denartige Veranlassung zum Wandern gereizt; denn von den Vögeln, welche wir für Standvögel halten, wandern mehrere Arten nach andern Gegenden hin; z. B. die Nebelkrähe (Corvus cornix) zieht jeden Herbst im September zu Tausenden von uns nach Preussen, und zwar nicht in Schwärmen, sondern einzeln, auch paarweise, in geringen Abständen von einander. Als ich 1802 aus Deutschland zurückkam, fuhren wir mit einem Fuhr- mann drei Tage über die kurische Nehrung nach Memel. Diese drei Tage hindurch zogen die Krähen vom Morgen, so wie der Tag graute, bis spät in den Abend hinein, einzeln etwa fünfzig, achtzig bis hundert Schritt von einander entfernt, so breit wie die Nehrung ist, von Norden nach Süden. (Büttner, Na. 1858, S. 323.) ^^^) Die Nehrungen aller unserer Hälfe lassen viele Zug- vögel der verschiedensten Arten sich dort sammeln. Dies erklärt sich sehr wohl, indem diese langen schmalen Landstreifen genau in der Zugrichtung der Vögel liegen und diese daher keine Ver- anlassung haben, seitwärts über das Wasser auszubiegen. Man würde jedoch irren, wenn man annehmen wollte, dass weiter im Lande solche Züge nicht stattfänden, vielmehr ist dies überall der Fall. (v. Homeyer.) •-''") 1837 fiel Schnee im Februar am 11., 13., 14., 15., 16., 18., 19., 20., 24., 25., 26., 27., 28.; im März vom 6. bis 11. ununterbrochen. Der Schnee lag über drei Fuss hoch in den Wäldern. Den 4. April ging das Eis in der Windau. 1838 fiel fast gar kein Schnee, die Erde blieb fast ganz unbedeckt. Am 8. Januar stieg der Frost auf 26 *', im Februar auf 12 *', im März den 26. Morgens 14 ". Mittags 1 ", Abends 6*^ Frost, am 28. Thauwetter, am 3J. Regen, am 4. ging das Eis in der Windau. (Büttner, Na. 58, S. 326.) 201^ Wenn sich im höhern Norden die Zugvögel zusammen- drängen, so macheu sie sich nur gegenseitig Concurrenz an den — 332 - Nahruugsplätzen, statt dass sie angeblich der reichlichsten Nah- rung nachgehen sollen; wenn sie sich häufen, ohne dadurch grössere Sicherheit, etwa in der gemeinsamen Vertheidigung gegen die Angriffe der Käuber zu gewinnen, so bieten sie nur diesen Räubern leichteres Spiel, statt durch die an sich so ge- fahrvollen Reisen in weite Fernen Wohlleben und Sicherheit zu erringen. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Tbl. 11, S. 1119.) ^^^) Was treibt die Zugvögel her? Wahrscheinlich das stärkste physiologische Gesetz. Die Art soll nicht untergehen ! Es ist der Fortpflanzungs- trieb. So wie sie ankommen, geht das Nestermacheu und Eier- legen vor sich. (Büttner, Na. öS, S. 327.) -**=^) Hirundo und Cypselus. In der Provinz West-Gothland fmeinem jetzigen Wohnorte) trat ein sehr zeitiger Frost ein, so dass fast die meisten Kartoffeln erfroren. Tags darauf waren alle Schwalben und auch der Mauersegler verschwunden, wodurch eine grosse Menge von Jungen dem Hungertode anheim fielen. Ich fand sehr viele Nester, wo die Jungen theils halbwüchsig, theils flügge, todt lagen. Die Insecten waren nach den Frost- nächten eben so häufig wie vorher, und scheint nur die Furcht vor der Kälte die Schwalben zu vertreiben. Futtermangel war es gewiss nicht. (Gadamer, Na. 5G, S. 529.) 204^ Wunderbar ist die Regelmässigkeit, mit welcher die Thiere ihre „Pässe" einhalten. Die ganze Jagdkunst, das Wohl und Wehe ganzer Völkerstärame des Hochnordens, beruht auf einer genauen Kenntniss der richtigen Zeiten und der Lage dieser Pässe, an denen man den [heranziehendeu Thieren auf- lauert, um sich für einen ganzen Theil des Jahres zu ver- proviantiren. (V. Middendorff", Sib. R., Bd. IV, Thl. H, S. 1147.) -"^) Es ist ja sehr erklärlich, dass dies bei den Säugethieren in höherm Maasse der Fall ist als bei den Vögeln, da letztere Aveit leichter örtliche Hindernisse zu überwinden vermögen. (V. Homeyer.) — 333 — ■-"**) Während wir uns noch schöner, warmer Tage erfreuen, während wir kaum einzelne Fäden des Altenweibersommers in der Luft schweben sehen, verlassen uns bereits die Goldamsel, der Kuckuck und der Storch; und warum? Fehlt es ihnen an Nahrung? Nein, sie verlassen uns, weil sie am empfänglichsten sind für die Wärme, und die Luft schon so sehr al)gekühlt ist (besonders in den Nächten), dass dieselbe sie zwingt, sich zu entfernen. (Gebr. Müller, Hdschr.) -°') Die eigentlichen Zugvögel, welche zum Brüten hierher kommen, werden auch nicht vom Hunger weder her-, noch weggetrieben, denn ihre Ankunft richtet sich nicht danach, ob die Erde mit Schnee bedeckt ist oder nicht, sondern nach dem Stande der Sonne, wie dieselbe vorgerückt ist. In ganz warmen Wintern, wo die Erde ganz offen ist und kein Schnee sie deckt, kommen doch die Zugvögel nicht v o r der Zeit an, und in ganz kalten harten Wintern bei hoher Schneedecke kommen sie nicht nach der gewöhnlichen Zeit. TBüttner, Na. 58, S. 325.) -^^) Nach einem Auszuge aus M. J. Schieiden, der in der „Illustrirten Landwirthschaftlichen Dorfzeitung" von 1856 in No. 5 abgedruckt ist, entscheidet sich dieser berühmte Naturforscher dafür, dass Nahrungsmangel die Thiere zum Wandern treibe. Für einige Thierarten, die ein geselliges Leben führen, in grossen Kudeln beisammen leben, mag diese Ansicht gelten, aber für die sporadisch lebenden Säugethiere, Insecten, sporadisch lebenden Vögel und für die regelmässig ziehenden Vögel kann man diese Ansicht nicht gelten lassen. Das Nahrung suchende Thier geht so weit, bis es Nahrung findet, zehrt dieselbe ab und geht als- aann weiter. Aber die in Heerden wandernden Thiere zeigen eine Vorkenntniss von einer herannahenden Jahreszeit, der sie nicht entgehen wollen, wenn die Jahreszeit mit dem Mangel sich schon einstellt, sondern lange Zeit voraus ; z. B. die Rennthiere versammeln sich im Herbste zu Tausenden an einer bestimmten Stelle des Koh'ma, wenn noch kein Nahrungsmangel eingetreten ist und der Winter sicli noch nicht eingestellt hat, der Strom offen ist, und schwimmen über diesen weg, mit grosser Gefahr, — 334 — von den Menschen getödtet zu werden, die über sie herfallen und sie erstechen. Sie kehren nicht zurück zu dem Ufer, von welchem sie abgegangen sind. Hierbei ist etwas (nach Baron V. Wrangel) hoch zu beachten. Sie haben einen Anführer, dem das ganze Rudel von Tausenden blindlings folgt in Allem, was er thut. Kehrt er um, geht er nicht ins Wasser, so kehren sie alle um. Geht er ins Wasser, so gehen alle ins Wasser, auch wenn die Menschen mitten in das Rudel hinein rudern Uöd die Thiere erstechen. Keins geht zurück, erschreckt vor der Menschen- menge. Erstechen die Menschen den Anführer, so kehrt das Rudel um und kehrt zurück. (Büttner, Na. 58, S. 321.) 289^ Welche Unmassen von vegetabilischer Nahrung, und wie wenig Thiere, die dort*) auf dieselben angewiesen sind ! Und ziehen wir Reisende in tropischen Gegenden zu Rathe, wie Bur- meister, Castelnau u. s. w., so hören wir, dass auch dort der grösste Thei] der so nahrungsreichen Urwaldungen unbelebt, gleichsam verödet erscheint. Der Trieb zur Geselligkeit häuft die Thiere, sei es im Hochnorden, oder unter dem Aequator, an einzelnen Oertlichkeiten an, so dass im Ganzen das Thier- leben reichlicher vorhanden zu sein scheint, als dies thatsächlich der Fall ist. Auch die Fische gehen, scheint es, kaum bessern Nahrungs- verhältnissen nacb, wenn sie ihre grossen Wanderungen fluss- aufwärts anstellen. Die Keta-Lächse fand ich in einzelnen Tüm- peln des obern Laufs der Gebirgsbäche so zusammengedrängt und verhungert, dass sie einander die Schwänze abbissen. (v. MiddendorflF, Sib. R., Bd. IV, Thl. II, S. 1121.) ^ -'") Wer gleich mir die ersten Ankömmlinge in der hoch- nordischen unwirthlichen Tundra sich mit äusserster Selbst- verleugnung allen Entbehrungen und Gefahren entgegenstürzen gesehen hat, der kann sich bei der Annahme von Nahrungsmangel, Temperaturmangel, Geschmeissqual u. s. w. als alleiniger Ursachen ") In der Tundra Sibiriens. v. H. — 335 - der Wanderungen nicht beruhigen. Auf Schritt und Tritt guckt die Macht eines bewältigenden innern Dranges hervor. (v. Middendorff, Sib. E., Bd. IV, Th. II, S. 1129.) -^^) Auch von Fischen und Säugethieren des Hochnordens hätte ich ähnliche Beispiele zu erzählen und nicht nur von den Vögeln. Was treibt diese Alle? Gewiss nicht der Trieb der Selbst- erhaltung, sie drängen sich vielmehr mit Gefahr des eigenen Lebens dazu, gerade im Hochnorden ihre Art zu erhalten. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Th, H. S. 1129.) ■-^2) Der Fortpflanzungstrieb allein ist es also auch wieder nicht, sonst würden ja auch die Wanderer, die den Hoch- norden besuchen, schon in südlichem Breiten unter brütenden Genossen ihrer Art es sich wohl gefallen lassen. Es ist aber nie geglückt, eingefangene Nordländer in unsern gemässigten Breiten zum Brüten zu bringen, geschweige denn hyperboräische Vögel. Aber es zieht sie stets wieder an ihren Geburtsort zu- rück, vermöge eines angeborenen Heimathstriebes, der kaum minder unerklärlich genannt werden darf, als der Trieb, der dieselben Thiere oft über vierzig Breitengraden hinaus in südliche Winterquartiere führt, denen sie unauflialtsam nachstreben, unbeirrt durch die Gastlichkeit der Zwischenländer, durch welche sie naschend ziehen. Ich wiederhole, dass sogar jämmerliche Stümper im Fliegen, die Wachtel, die Schnarrwachtel, über das Schwarze, über das Mittelmeer hinüber setzen, obgleich sie vor Erschöpfung zu Tausenden ihren Tod in den WeUen finden, und wenn ein Schiff ihren Weg kreuzt, geben sie sich lieber dem Menschen gefangen, als dass sie es weiter versuchen.*) Die Reiselust der Vögel steht in gar keinem Verhältniss zu ihrer Flugfähigkeit, also zu dem Zutrauen, das sie auf ihre Rettung durch den weiten Flug setzen können. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Th. H, S. 1129.) *) Auf allen Meeren haben die Seefahrer das erlebt. In unserm Pontus beobachtete Nordmann solche Jammerscenen (vergl. Demidoff, Voyage III, p. 202, 274). - 336 — 213^ Verliesse der Keta-Lachs sein heimisches Meer, nur um dem luftreichern Wasser nachzugehen, er kehrte in den ersten besten Gebirgsbach ein. Doch sucht er die Geburtsstätte auf, ruht aber nicht eher, bis er im reichen Sauerstoffgehalte der Gebirgsluft jämmerlich zu Grunde geht. Es ist, als triebe ihn der Wahnsinn ununterdrückbaren Dranges zum Selbstmord. Das Todtwandern. Halten wir noch etwas bei der Betrachtung dieser hoch- merkwürdigen Thatsache still, dass es in Ostsibirien Zug-Lächse giebt, welche, wie sonst nur Insecten, mit Beendigung ihres Fortpflanzungsgeschäfts zugleich ihr Leben beschliessen. Ein unwiderstehliches Stürmen des Liebesdranges, bis in den Tod; die Blüthe der Idee des Wanderns ; und solche Ideale im stumpfen nasskalten Fische. Unaufhaltsam drängend stürmt der Keta-Lachs zu Millionen vereint flussaufwärts, die Gebirgsströme hinan. Es kocht im Wasser, das Fischgeschmack annimmt, die Ruder versagen, Fische emporschnellend, und wenn der Kahn ein flacheres Ufer entlang geht, so werden die äussersten Reihen auf das Trockene hinaus- gedrängt, wo sie elend verkommen. Doch der Hauptzug stürmt immer vorwärts, arbeitet sicli gegen den reissenden Strom, gegen Stromschnellen in das Gebirge empor, immer bergaufwärts, bis ihm das Wasser versagt. Schon ragen die Rückenflossen, ja die Rücken selbst aus dem. Elemente hervor; Menschen, nicht mehr mit Netzen oder Harpunen, nein einfach mit Stöcken bewaffnet, Bären, Hunde, Vögel metzeln ohne Erbarmen die Reihen nieder — doch die Uebriggebliebenen lassen nicht ab von ihrem Be- ginnen: wo es an Wasser gebricht, da werfen sie sich auf ihre flache Seite, bald rechts, bald links hinüber. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Th. II, S. 1130.) -^*) Und wenn man die jährliche Heimkehr der Vögel und Säugethiere minder wundersam finden wollte, weil sie eine perio- dische ist, wie der Kreislauf des gesammtcn Erdballs, so stockt doch alle Erklärung, denken wir an die Züge der ostsibirischen Lachse, die kaum aus dem Ei gekrochen, sich flussabwärts zum Meere schwemmen lassen, um dort ihre wahre Heimath zu finden, in der sie gedeihen und gross wachsen. Nach Jahren ergreift auch sie der unwiderstehliche Trieb und sie verlassen das Meer, in dem sie sich bislaug wobl gefühlt haben, sie steigen, unaufhaltsam flussaufwärts , zum Besten des Laiches, ihrem Verderben entgegen. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Th. II, S. 1130.) -^■') Solches Versteigen kommt nur im Frühjahre vor. Der übermächtige Wandertrieb, der sogar dem in warmer Stube üppig geborgenen Vogel keine Buhe lässt, quillt über seine Grenzen, er wächst zur Wandersucht heran, die ja mit gleicher Gewalt auch im Menschen wühlt. Vorwärts! vorwärts! drängt es im Menschen wie im Vogel, und weckt hier so wie dort kühne Ent- decker, die ihrem Geschlechte neue Welten eröifneu. Den Vögeln wird das gar leicht, aber auch das an den Boden gebundene Säugethier raift sich auf, sobald es von der Wandersucht erfasst worden ist. Nicht nur so ausgezeichnete Schwimmer wie die Bennthiere, sondern auch die wie alle Katzen sonst so wasserscheuen Luchse, oder solche Liliputaner wie der Lemming und die ökonomische Maus, stürzen sich ohne Bedenken in die breitesten Ströme, in Stromschnellen, ja in die Meereswogen hinein. Man hat von Nahrungsmangel, von Hunger gesprochen, um das zu erklären. In den Wildnissen, die am Kolaflusse liegen, lag ich inmitten üppigster hochnordischer Herbstvegetation, bei schönster sonnenklarer Witterung, und schlummerte, an einen Baumstamm gelehnt, vor Müdigkeit ein. Erschreckt sprang ich auf, denn es war ein Lemming meinen Rücken entlang empor über Kopf und Gesicht vorwärts gewandert. Es war nur eine kleine Gesellschaft. Ohne irgend einen zu ermittelnden Grund stürzte diese sich in den strudelnden, mit Steinblöcken erfüllten Gebirgsstrom, in die dräuende offenbare Gefahr, und nur wenige erreichten das andere Ufer. Was trieb sie? Ich antworte: der Wahnwitz der Wandersucht. Ganz unabhängig von meteorologischen, namentlich aber von Temperatur-Einflüssen oder von Nahrungsverhältuissen, gestaltet sich oft der Wandertrieb in der ganzen Reihe des Thierreichs, V. Homeyer, Wanderungen der Vögel. '~- — 338 — Ton den Heuscbreckenschwärmen und anderen Insecten an bis selbst zu dem Menschen hinauf. Nach Jahren ruhiger Zufrie- denheit entflammt er plötzlich zu riesigen Völkerwanderungen, (v. Middendorff, Sib. K., Bd. IV, Tb. 11, S. 1134.) Capitel XII. Locale Zugbeobachtungen. Seit langer Zeit hat man die Ankunft und den Abzug der Vögel beobachtet. Man hat genaue Daten gesammelt über Tage, an welchen man den ersten und den letzten Vogel gesehen, seltener schon, wann die Hauptzüge eingetreten sind. Das sind nun aber wesentlich verschiedene Dinge, denn der Hauptzug ist der eigentliche Zug und die frühern oder spätem Wanderer sind nur Vorläufer und Nachzügler. Aber die Ankunft und der Wegzug allein vermögen nicht unsere Kenntnisse wesentlich zu bereichern, wenn diejenigen Momente dabei unberücksichtigt bleiben, aus denen man auf die Herkunft und das Wanderziel der Vögel zu schliessen im Stande ist. Hierzu gehört vor allen Dingen eine genaue Kenntniss und Unterscheidung der localen und Constanten Varietäten. Es ist dabei von keiner besondern Erheblichkeit, ob man manche dieser Formen als besondere Art oder als Ea9e betrachtet, wenn man nur vermag und gewillt ist, dieselben zu unterscheiden, und solche Unterscheidungen sind bei vielen Arten möglich, wenn man Gelegenheit hat, Vögel aus den verschiedensten Gegenden in hinlänglicher Zahl mit einander zu vergleichen, wenn auch nicht bei allen Arten, doch bei sehr vielen. In dieser Hinsicht wäre eine Aufstel- lung von Subspecies in älmlicher Weise, wie C. L. Brohm dieselben einzuführen bemüht war, wohl geeignet, das Studium des Zuges wesentlich zu fördern, wenn auch nicht der von mancher Seite gehoftte Gewinn für die Wissenschaft in der Weise erreicht würde, dass nunmehr bei Bestimmung der Arten eine grössere Uebereinstimmung erreicht würde. Im Gegentheil — 339 — wäre zu erwarten, dass solche verschiedene Ansichten, statt sich wie bisher nach einer Seite hin zu entwickeln, dann bestrebt sein würden, ihre Grundsätze nach zwei Seiten zur Gel- tung zu bringen. Aber auch ohne die Aufstellung solcher Unter- arten und ohne dass man den localen Kacen einen Namen giebt, können diese zu unterscheidenden Formen nicht genug beachtet werden, um die räthselhaften Züge der Vögel klar zu stellen. Zur Zeit sind leider unsere Kenntnisse über diesen Gegenstand noch sehr beschränkt und in den meisten Fällen werden sich dieselben wohl auf die eigenen Untersuchungen jedes Forschers beschränken, immerhin ist es aber schon von Werth, wenn die Aufmerksamkeit sich dahin wendet. So hat man in neuerer Zeit gefunden, dass die in der Dobrudscha und den benachbarten Gegenden zur Winterszeit zahlreich vorkommenden Eauhfuss- bussarde in ähnlichen Verhältnissen nur in der Gegend des Ural gefunden werden und dass der mehr westliche Norden Europa's weniger grosse und weniger langschwingige Vögel dieser Art hat. In Hinterpommern kommen nur solche Kauhfussbussarde vor, welche wesentlich kürzere Flügel als die Dobrudschavögel haben, wie dieselben im nordwestlichen Eussland vorkommen, während in Vorpommern nur skandinavische Vögel erscheinen, welche wiederum durch geringere Masse und eine abweichende Färbung von den nordrussischen zu unterscheiden sind. Auch die Färbung der llingdrosseln in Vor- und Hinterpommern weicht von einander ab, indem die vorpommerschen Vögel im Allgemeinen eine dunklere Färbung haben, dabei eine reinweisse und breitere Brustbinde, wie sie nur in Skandinavien vorkommt, während die hinterpommerschen Vögel mit den uordrussischen übereinstimmen, Aehnliche Beobachtungen lassen sich bei verschiedenen Vögeln machen ; namentlich ist dies wichtig bei den seltenen Wander- vögeln Helgolands, die wahrscheinlich ihrer Mehrzahl nach aus Mittelasien stammen. Zur Zeit besteht jedoch leider noch keine Sammlung*), welche aus den verschiedensten Gegenden der Erde ein genügend *) Seit selir langer Zeit bin ich bemüht f,reweseu, meine Sammlunii; so weit es in meinen Kriiften stand, auch in dieser Hinsicht zu vervoll- — 340 — reiches Material nach Ländern geordnet besässe, um zum sichern Anhalte bei solchen Untersuchungen 7A\ dienen, indessen wird doch in jeder grössern Sammlung manches schätzenswerthe Stück vorhanden sein, das Gelegenheit bietet, die Gleichheit oder Aehn- lichkeit der Durchzügler festzustellen. Von hervorragender Wichtigkeit ist die Beobachtung über die Richtung des Vogelzuges, neben Daten über die Temperatur, die gegenwärtigen, vorhergegangenen und nachfolgenden Witte- ruugsverhältnisse, der Angabe über Vorzügler, Hauptzug und Nachzügler, einem etwaigen Zurückweichen bei eintretender ungünstiger Witterung, der Stärke und Richtung des Windes während vor und nach dem Zuge. Wenn die Beobachtungen fernerhin allgemeiner in diesem Sinne gemacht werden, dann wird es nicht schwer sein, bald viele feste Anhaltspunkte zu gewinnen, welche die Zugrichtung jeder Vogelart sicher für jedes Land angiebt. Es würde nämlich ein grosser Irrthum sein, wenn man annehmen wollte, dass alle Vögel, welche in ein und derselben Gegend durchziehen, auch nothwendig eine Heimath haben müssten und dass, wenn man die Zugrichtung einer oder einiger Arten kennte, man daraus mit Sicherheit auf den Zug aller übrigen schliessen könne. Das ist jedenfalls ein gefähr- licher und sehr bedenklicher Grundsatz. Wir werden weiterhin die Zugrichtuugen ausführlich besprechen, soweit dieselben be- kannt sind, wenigstens für Europa und einen Theil von Asien, indem für Amerika uns keine Originalbeobachtungen weiter vor- liegen, als die allgemein bekannten und es weniger darauf ankommt, diesen Gegenstand in einem weiten Kreise zu behandeln, als darauf, möglichst sichere Daten festzustellen. Die localen Formen und die Beobachtung der Zugrichtung mit den begleitenden Um- ständen werden wesentliche Mittel zur ferneren Forschung sein. ständigen. Von vielen Seiten ist mein Bemühen unterstützt worden, aber zu ganz besonderm Danke fühle ich mich verpflichtet Herrn Tancre in Anclam gegenüber, durch dessen Güte ich alle die vielen Exemplare seiner reichen Verbindungen zur Durchsicht und Auswahl empfangen habe, welche derselbe erhalten hat. Diese Sendungen sind um so werth- voller, als dieselben aus verschiedenen Gegenden Asiens, Afrika's und Europa's stammen und bei den meisten Arten Gelegenheit gaben, grosse Mengen zu vergleichen. 341 Mittel franken. Herr Andreas Jäckel war von 1853 bis 1861 Pfarrer zu Neubaus bei Höcbstadt a. A., einer Gegend, welcbe durcb eine grosse Zahl grösserer und kleinerer Teicbe die Brutplätze vieler Sumpf- und Wasservögel in sieb vereinigt und für die Zug- vögel so vorzüglicbe Raststationen bietet, dass der aufmerksame Forseber Gelegenbeit bat, nicbt allein die "Wanderungen der nordiscben Vögel, sondern aucb vieler südlicben sebr regelmässig zu beobacbten. Es befinden sieb darunter aucb solcbe Arten, die gewöbnlicb — wenn sie sieb in Deutscbland zeigen — als „Irrgäste"*) bezeiebnet werden, indem man annimmt, dass die- selben unser Vaterland nicbt regelmässig berübren. Mancbe dieser Arten baben sogar in Franken gebrütet, andere und darunter einige, welcbe Palmen**) nur in einzelnen FäUen als im Innern Deutscblands geseben anfübrt, sind regel- mässig und zablreicb beobacbtet u. s. w. Dergleicben bevorzugte Gegenden mag es im Innern Deutscb- lands nicbt allzu viele geben, aber ebne die berrlicben Beobacb- tungen des Pf. Jäckel würde die Welt aucb biervon wobl sebr wenio- wissen. "'^} Wieder und immer wieder muss auf das Unpassende dieser Be- zeichnung hingewiesen werden, denn auch seltene Erscheinungen befinden sich gewöhnlich auf sehr regelmässigem Zuge und eine solche (vor- schnelle) Bezeichnung kann zu leicht verhindern, die Gründe aufzusuchen und zu finden, das Vorkommen solcher Wanderer zu erklären, indem sie zu einem ganz falschen Bilde dieses Vogelzuges Veranlassung giebt. Die Bezeichnung hat sich leider sehr verallgemeinert — sie ist ein Schlagwort. — und Schlagwörter werden bekanntlich von vielen Seiten mit Vorliebe gebraucht. **) Herr Palmen 1. c. p. 104 sagt von Ch. helveticus: „Bayern im Sept. — Oct., Jäckel". Während nun derselbe viele Fälle anführt, wo diese Art einmal gesehen wurde, werden die genauen Beobachtungen eines so vortrefflichen Forschers mit einigen nichtssagenden Worten beseitigt.. Das regelmässige Wandern durch Deutschland passt nicht im Systeme. Nur eine Mittheilung .Jäckel's (in der N^- 1857j wird erwähnt und alle spätem ausfülirlichen Mittheilungen übergangen, und doch sind eben die Beobachtungen Jäckel's vorzugsweise geeignet, ein Bild über den regel- mässigen Zug der Art durch das Innere Deutschlands zu geben. — 342 - Es mögen nun im Anbange einige specielle Beobaclitimgen folgen. Anhang zu Mittel franken. '^*) Hypsibates bimantopus L. Aucb über das Vorkommen dieser Probe unserer Ornis werde ich Tagebuchauszüge geben: 3. und 5. März 1858: An beiden Tagen stand ein Paar dieser Vögel in einem Weiher bei Krausenbechhofen. 8. Mai 1858: stand ein Paar, vielleicht dasselbe, in einem der Poppenwinder Weiher und wurde das Weibchen davon er- legt. Das Männchen strich nicht weit hinweg, kam auf die Stelle des Anschusses, wo eben der Schütze das geflügelte Weibchen fing, laut und anhaltend schreiend zurück, setzte sich nach kurzem Kreisfluge in denselben Weiher, wurde auf fünf- undvierzig Gänge gefehlt und strich nun in einen benachbarten Weiher, in welchen es sich in solcher Entfernung von jedem Ufer stellte, dass ein Schuss nicht anzubringen war. Nach einiger Zeit schwang es sich hoch auf und strich laut schreiend ab. U. Mai 1858: stand ein Einzelner im Strittweiher und wurde von Weiher zu Weiher über Mechelwind, Oberlindach gegen Weissendorf hin verfolgt. 10. Mai 1858: zwei Stücke stehen im grossen Stöcksee, fünf, nämlich vier Alte und ein Junger, im Strittweiher. Durch Gräserinnen sehr beunruhigt, fielen die Vögel nur da und dort auf kurze Zeit ein und hielten, einmal rege gemacht, die An- näherung der Jäger auf Schussweite nicht mehr aus. Ein Männchen wird gleichwohl angeschossen. 11. Mai 1858: wurde das Tags zuvor angeschossene Männ- chen in dem Abelsweiher erlegt. 20. April 1859: Abends standen zwei Strandreuter am Moorweiher, strichen in die Poppenwinder und von da in der Richtung der Bischofsweiher ab. 17. April 18G3: standen im Moorweiher, im Steigsee und im sogenannten dritten Theil neun Strandreuter, von denen zwei geschossen wurden. (Pfarrer Johannes Andreas Jäckel 18G3.) — 343 — -^^) Sqiiatarola lielvetica Briss. Da dieser Vogel zu den seltensten Strichvögeln des südlichen Deutschlands gehört, so wiU ich nachstehend einen genauen Auszug aus meinen Tage- büchern geben. 27. September 1856: vier Kibitzstrandläufer führen einen Flug von fünfzehn Alpenstrandläufern in den Moorweihern an. 4. October 1856 : sah und hörte ich mehrere ebenda. Mittags elf ühr stand einer eine Viertelstunde lang unbeweg- lich auf einer Erdscholle in einem gefischten Weiher. 14. October 1856 : traf ich drei Stück auf der Saat im Weihergebiete an. 17. September 1857: drei Kibitzstrandläufer führen in den Moorweihern zwanzig Alpenstrandläufer an und fallen endlich zu einer Schaar von Kampfstrandläufern, unter welchen sich ein grosser Rothschenkel (Totänus fuscus) befand. 1. October 1858: drei Kibitzstrandläufer führen eine Schaar Alpenstrandläufer an. 2. October 1858: zwei Stücke treiben sich allein umher. 3. October 1858: von drei Herbstvögeln wm-de in den Moorweihern ein junges Männchen erlegt. 8. October 1858: beobachtete ich vier Stück. 14. September 1859 : hörte ich in den Moorweihern die ersten. 15. September 1859: ein Lerchenfalke (Falco subbuteo) verfolgte vier Kibitzstrandläufer, von denen einer von der Truppe sich lossprengen Hess, aber doch glücklich entkam. 21. September 1859: abermals drei Stücke ebendaselbst angetroffen. 1. und 5. October 1859: je ein Stück, am 10. Oötober 1859 zwei Stücke gesehen. 10 — 13. October 1860: jeden Abend wird sein charakteri- stischer, dreisilbiger Ruf in den Weihern gehört. (Pfarrer Johannes Andreas Jäckel, 1863.) — 344 — 2isj Trotz*) der Wasserarmuth unserer Weiher sah ich. in keinem Jahre eine solche Menge Kampfstrandläufer, Totanus calidris, glareola. Am 18. und 14. April war in meinen "Weihern ein Leben und Treiben der Vogelwelt, wie ich es nie schöner gesehen und gehört. Anas clypeata , penelope (in Hundertenj, acuta (im März oft an sechzig Paare und darül)er), fuligula, ferina, querquedula. Limosa melanura, Flüge bis zu sechs Stücken, Hunderte von Machetes pugnax in grössern und kleinern Vereinen, auf einem Schwärm von sechzig bis achtzig Stück, dazu Flüge von Tringa alpiua. Denke Dir dazu den Gesang und die Locktöne der Drosseln, Amseln, Rothkehlchen und Laubsänger, der Blaukehlchen, Rothschwänze, Steinschmätzer, gelben Bachstelzen, Wiedehopfe, Pieper, Hänflinge, Zaunkönige, das Treiben der Blessen, Möwen, Steissfüsse, Reiher, der Krähen, Kibitze und Fischaare meiner Gegend, so wirst Du mir glauben, dass ich an diesen beiden Tagen ein Bild der Vogelwelt vor mir gehabt habe, wie man es sonst nur weit von Bayerns Grenzen haben kann. (Pfarrer Jäckel, Na. 58, S. 268.) ^^^) Totanus glottis L. Dieser Vogel gehört nach Nau- mann im Frühjahre in allen deutschen Ländern unter die Selten- heiten. Ich bedauere, dass ich über diesen in dem Weiher- gebiete während des Frühjahr- und Herbststriches gewöhnlichen Vogel mit Rücksicht auf den mir zu Gebote stehenden Raum gegenwärtigen Berichtes Tagebuch-Auszüge nicht geben kann. Sie würden mehrere Seiten füllen und muss ich mich darauf beschränken, zur Begründung meiner Behauptung nur Weniges aus meinen Notizen auszuheben. Im Frühjahr 1859, wo der Strich dieser Wasserläufer allerdings ausserordentlich gut war, sah ich in den Moorweihern am 27. April siebzehn Stück l)ei- sammen, am 28. ej. m. neunzehn, am Tage darauf fünfzehn, Nachmittags auf einem Haufen auf dem seicht unter Wasser stehenden Hutwaasen am Moorweiher vierzehn Stück und zwei einzelne an kleinen Lachen, am 2. Mai dreizehn und' zehn Stück auf zwei Haufen. In andern Frühlingen traf ich öfter fünf, auch neun Stück beisammen und kann versichern, dass man *) Wohl wegen tlieser sumpfigen Beschaffenheit. v. H. — 345 — während des eigentlichen Frühjahrstriches im April und Anfangs Mai mit aller Bestimmtheit darauf rechnen kann, den fröhlichen Ruf dieses schönen Vogels jeden Tag wenigstens aus etlichen Kehlen, wenn nicht von allen Seiten her, wie es oftmals der Fall ist, ertönen zu hören und den Vogel selbst zu sehen. (Pfarrer Jäckel, Aiscligrund, S. 71.) ^-") Totanus fuscus Briss. Ein ziemlich gewöhnlicher Wasser- läufer, doch nicht so häufig wie der vorige, wiewohl es auch Jahre giebt, wo er ihm an Häufigkeit nahezu gleichkommt. 1859 war der Herbst ein ganz vorzüglicher. Ich sah Flüge von neun, vierzehn und vierzig Stücken und hörte ihren zweisilbigen Ruf von allen Seiten her. (Pfarrer Jäckel, Aischgrund, S. 72.) --^) Tringa cinclus L. kommt auf seiner Herbstwanderung manchmal schon am 7. August , häufiger im weitern Verlaufe dieses Monats zu uns; der Hauptzug ist im September und October, wo man ihn in staarenähnlichen Flügen sehen kann und dauert bis in die ersten Tage des November. Zur Zeit der Fischerei sind viele in den leeren Weihern und ich traf noch Einzelne und kleine Flüge, als alle kleinen Weiher schon ganz, die grossen theilweise überfroren waren. Schon am 17. und 18. März pflegen sie sich in manchen Jahr- gängen auf dem Rückstriche wieder in den Weihern einzufinden, der Hauptstrich ist Anfangs bis Mitte April und dauert bis in die zweite Hälfte des Mai hinein. Der späteste von mir notirte Termin, wo ich noch zwei Stücke antraf, ist der 24. Mai 1855. Im Frühjahre sind sie um Vieles seltener als im Herbste; ich beobachtete sie da nur in kleinen Gesellschaften von drei bis zwölf Stücken. (Pfarrer Jäckel, Aischgrund, S. 78.) ■■") Cygnus musicus Bechst. Im Frühjahr 1822 kamen auf die Bischofsweiher bei Dechsendorf fünf Schwäne. Sie strichen von da öfters in die Weiher bei Moorhof und Poppenwind herauf und wurde einer im sogenannten dritten Theile von dem Revierförster Peter Mattick zu Buch am Palmsonntage erlegt. - 346 — Einige Jahre darauf erschienen auf den Bischofsweiheru wiederum fünf Stücke und blieben bis Mitte Mai, so dass man hoffte, sie würden da bleiben und brüten. Um das zu erzielen, wurde von Forstamtswegen ein Schwaneuhaus (!) in den Weiher gesetzt, das die Vögel, die freilich ohnehin nicht geblieben wären, sofort vertrieb. Auf der Aisch zeigen sich bei Hochwasser nicht selten diese stattlichen Thiere; so wurde schon vor Jahren von dem obengenannten Förster Mattick von zwei Schwänen der eine bei Gremsdorf, von vier ebenfalls einer von Carl Frhrn. von Bibra bei Adelsdorf geschossen. Ausserordentlich viele gab es im Jahre 1855. Am 7. März strichen sechs Stück bei Medbach und Aisch, die Aisch abwärts gegen Forchheim zu. Tags darauf wurde ein sehr schönes altes Männchen einzeln in den Buchenweihern angetroff'en und von dem Förster Mattick ge- schossen. Es Avog einundzwanzig bayrische Pfund. Am J 1 . März wurden wieder zwei bei Forchheim erbeutet. Am frühen Morgen und wieder am Abend des 14. März lagen vier Stück ganz nahe an Neuhaus auf dem Angerweiher, bei Adelsdorf zwei auf der Aisch, vier Stücke, zwei Alte und zwei Junge, auf dem grossen Bischofsweiher. Sie wechselten zwischen diesem und dem Brand-, Moor- und Poppendorfer Weihern und der Aisch und Kegnitz häufig hin und her, schienen aber, wenn sie beunruhigt oder verscheucht wurden, hauptsächlich die Bischofsweiher aufzusuchen, woselbst ich am 15. März elf Stück in Gesellschaften zu vier, fünf und zwei Stücken antraf. Zwei lagen an demselben Tage auf der Aisch bei Aisch. Ganz zu derselben Zeit lag eine andere Schaar von zehn Stücken auf dem grossen Wasserspiegel, der beiläufig zweihundert Tagewerke grossen Breitenau bei Bamberg. (Pfarrer Jäckel, Aischgrund, S. 90.) 223j Cygmig minor Pall., melanorhinus Xaura. Im Xovember 1860 erschienen zwei kleine Schwäne auf dem Moorweiher, von wo sie, vergeblich beschossen, in den Walpotsee einfielen. Nach zwei abermaligen fruchtlosen Schüssen strichen sie über Bien- garten hinweg nach den Weihern bei Ailersbach. Tags darauf Sassen sie mitten im Neuweiher nahe an Neuhaus, an einer eis- freien Stelle imiherschwimmend. Der eine hiervon wurde von — 347 — dem freilierrl. von Crailsheim'sclien Revierförster Steurer erlegt, der andere strich nach dem Reutweiher bei Adelsdorf, von da in die Weiher bei Lauf und endlich in den Pfaffenweiher bei Weppersdorf, in welchem er am Rande des Eises umherschwamm. Der erste Schuss zerschmetterte ihm hoch oben den Armknochen, gleichwohl zog das edle Thier, ohne zu schlagen oder zu flattern, als ob es nicht ein Schrotkorn erhalten hätte, ruhig tiefer in den Weiher hinein; ein zweiter Schuss streckte ihn im Feuer nieder. Diesen Schwan erhielt ich und gab ihn an das Natura- liencabinet in Augsburg ab, der andere steht im Bureau des k. Forstmeisters Eduard Frhrn. von Crailsheim zu Nürnberg. (Pfarrer Jäckel Aischgrund, S. 91.) --*) Anser segetum J. Fr., Gm. Vor dreissig und vierzig Jahren waren die Gänse im Allgemeinen um Vieles häufiger, denn jetzt. Es giebt zwar noch immer Jahre, die sich den besten Zeiten alter Jagdherrlichkeit würdig anreihen, aber selbst solche vorzügliche Jahrgänge in die andern, oft herzlich schlechten gerechnet, vermögen die Behauptung alter Jäger, dass es früher weitaus besser gewesen, nicht zu entkräften. (Pfarrer Jäckel, Aischgrund, S. 91.) --^) Grus cinerea Bechst. Im Jahre 1740 zeigten sich viele Kraniche bei Roth a. S. Am 2. April 1837 fanden sich in der Gegend von Cadolzburg auf einem Weiher bei Senkendorf zwei Flüge ein, der eine aus fünf, der andere aus zwölf Stücken be- stehend, hielten sich eine Woche lang auf und wurde ein Männchen davon erlegt. Auch bei Altenfurth, Wilhermsdorf (1848J, Feuchtwangen wurden Kraniche gesehen. (Jäckel, Vögel Mittelfrankens, S. 43.) '-■-**) Lestris parasita Brunn. Diese Raubmöwe wurde schon öfters bei uns erlegt, eine im Herbst 1842 bei Markt Scheinfeld in der Nähe von Schwarzenberg, eine zweite in der Gegend bei Rothenburg a. d. T. auf einem Felde bei Mittelstetten, eine dritte schon früher bei dieser Stadt, eine vierte ebenda auf dem Burg- stall-Hof. Letztere wurde am 25. September 1862 von einem — 348 — Schäfer auf freiem Felde mit der Schippe envorfen. Herr Dr. Brandt erhielt ein lebendiges Exemplar, welches ermattet auf dem Felde bei Cadolzburg ergriffen worden war; ich ausser dem erwähnten todt geworfenen Stücke ein sehr schönes junges Männchen im ersten Herbstkleide am 21. September 1848 in einem Steinbruch (Fischleinsber^) bei Wendelstein. Er war sehr ermattet, krank und abgezehrt, Hess sich bald an Wasserlachen, bald auf detn Felde nieder und wurde von dem Dache der Schmiede herabgeschossen. (Pf. Jaeckel, Vögel Mittelfrankens, S. 60.) -"') Cuculus canorus, L. Bei Arberg und Cadolzburg wurde sein Ruf zum ersten Male am 1(3. April, am 17. im Rothen- burg'schen, am 20, bei Schwabach, dahier erst am 23. gehört. In die mildern Lagen des bayerischen Waldes kam er in der ersten Hälfte des Mai, in fl i e r a u h e s t e n Lagen erst um die Mitte dieses Monats. Am 9. Juli hörte ich ihn hier das letzte Mal schreien. Alauda arvensis, L. Nachdem es in hiesiger Gegend am 11. November zu schneien angefangen, sah ich Tags darauf bei vielem Schnee und starkem Wehen Flüge von 5 bis 20 Feld- lerchen von Ost gegen West fliegen; auch am 13. bemerkte icli noch etliche. In der Nürnberger Gegend hielten nicht wenige den ersten Schnee aus; erst die heftige Kälte am 13. und 14. und der erneute Schneefall vom J9. November, der gute Schlitten- l)ahn brachte, trieb sie von dauneu und waren sie wie mit einem Zauberschlage verschwunden. Am 24. und 25. Februar hörte ich hier drei einzelne Lerchen, während ungeheure Schneemassen die Gegend bedeckten. Am letz genannten Tage setzte der Wind nach Süden um, es fing au zu thauen und siehe, mit dem Regen und mildern Lüften kamen die ersehnten Frühlingsboten immer zahlreicher an, so dass schon am I. März überall ihr lauter Gesang ertönte. --^) Pyrrhula serinus, L. Am 17. October trieben sich vier Stück in einem hiesigen Baumgarteii umher und hörte ich die letzten am 5. November. Der Girlitz hat im vergangenen — 349 — Sommer, gleich wie im Vorjahre, in der Nähe Nürnbergs im Stadtgraben, am Gleishammer, Dutzendteich, in den Gärten bei St. Johannis u. s. \v., desgleichen bei Erlangen im Schlossgarten imd in der weitern Umgebung zahlreich gebrütet. Naumann hat gewiss Kecht, wenn er das neuerdings behauptete Vorrücken südlicher Vögelarten nach Norden bloss auf einzelne Individuen und Paare beschränkt wissen will und der Ansicht ist, dass man das Vor- handensein der angeblich jetzt vordringenden Vögel früher nur nicht beobachtet habe, wohl aber die eine oder andere Art in neuerer Zeit an Zahl ange- wachsen sei und dadurch eine grössere, leicht in die Augen fallende Verbreitung gewonnen habe. Schon zu Professor Wolfs Zeiten lebte und brütete der Girlitz bei Nürnberg, wie ein Nest seiner Sammlung beweist, welches jetzt die Herren Dr. Sturm besitzen, allein so sehr verbreitet war er durchaus nicht, wie jetzt, wo er überall in den Umgebungen Nürnbergs zu finden ist. Zur Zeit der Eeife des Kohl- und Salatsamens fallen Flüge von zwölf bis fünfzehn Stück auf den- selben. --'"') Sturnus vulgaris, L. Die letzten Staare traf ich im vergangenen Herbste dahier am 27. October an; am 25. Februar kamen sie trotz des gewaltigen Schnees mit Kegen und Südwind an, doch nur einzelne Quartiermacher; Tags darauf gab es schon viele, am 1. März sangen sie in allen Dörfern und Mitte März waren sie in den mildern Lagen des bayerischen Waldes eingetroffen. (Pf. Jaeckel Na. 1856, S. -iß.) -'^") Falco vespertinus L. Dieser schöne Falke kommt regel- mässig alle Jahre auf dem Striche durch Mittelfranken. Da man gewohnt ist, sein Erscheinen bei uns als eine grosse Selten- heit anzusehen, so will ich durch einen Auszug aus meinen Notizbüchern beweisen, dass der Eothfussfalke dies nicht ist, sondern häufig genug bei uns durchzieht. Im Spätherbste 1832 wurde ein junges Männchen auf einem Vogelheerd bei Nürnberg gefangen. Am öftersten wurde er in der Nähe dieser Stadt auf - 350 - dem Dntzendteieli von dem seligen Dr. Friedrich, seinem Bruder Dr. Wilhelm Sturm und mir beobachtet. Die genannten Herren trafen ihn einmal am 10. Mai zugleich mit Larus minutus und Sterna leucoptera an; ich selbst sah am 12. Mai 184S ebenda- selbst acht Stück über einer in den Hauptv/eiher verlaufenden nassen Wiese, in deren Nähe sich weitere Wiesen und ein Torfstich befanden, nicht weit von der den Teich umgebenden Föhreuwaldung längere Zeit umherfliegen und traf das Jahr danach am 3. Mai an der nämlichen Stelle wieder eine kleine Gesellschaft, am 10. Mai ISöO aber einen Flug von wenigstens zwanzig Stücken. Einzelne Paare oder kleine Flüge bemerkten die Herren DD. Sturm am Dutzendteich den 20. Mai 1850, den 10. Mai 1852, Anfangs Juni 1853, den 13. Mai 1857 und am gleichen Tage des folgenden Jahres. Am 4. Mai 1860 sahen sie sieben Stück, welche so wenig scheu waren, dass sie auf zehn Schritte an die Beobachter herankamen und endlich am 25. Juni J861 drei dieser Falken, von welchen ein Pärchen bis Mitte Juli häufig gesehen wurde und vielleicht in der Gegend gebrütet hat. Bei Erlangen wurde ein altes Männchen in der Nähe dieser Stadt, ein Pärchen bei Eichstädt, ein zweites Pärchen vor etwa zwanzig Jahren am Fusse des Hohenlandsbergs auf der Krähen- hütte vor dem Uhu erlegt und in den letzten Tagen des Monats April 1863 fünf Stück, welche in der Gegend von Triessdorf über einer bis Walpurgis jeden Jahres mit Wasser angestauten Wiesenfläche bei dem Dorfe Heglau gegen Abend umherflogen, längere Zeit beobachtet. (Pfarrer Jaeckel, Vögel Mittelfrankens, S. 4.) -='') Sterna hybrida Fall, — leucopareia Natt. Diese See- schwalbe ist auf dem Striche in Deutscliland nur sehr einzeln und erst an wenigen Orten, in Norddeutschland nur ein paar Male, in Süddeutschland noch nicht beobachtet worden. (Naumann.) Es ist daher gewiss von grösstem Interesse, dass sie durch unsere Weiher nicht bloss regelmässig auf dem Frühjahrsstriche kommt, sondern sogar in einzelnen Jahrgängen hier brütet. Ich habe sie vielfach beobachtet und Alte, Junge und Eier erhalten. (Pfarrer J. A. Jaeckel, 1863.) — 351 — -■^-) Sterua leucoptera Meissner und Schinz. Auch diese in Deutschland noch an wenigen Orten beobachtete Seeschwalbe kommt regelmässig auf dem Frühjahrsstriche bei uns durch und brütet sogar in manchen Jahren. (Pfarrer J. A. Jaeckel, 1863.) Nachbemerkung. 23:ij Vorstehende schöne und genaue Beobachtungen zeigen, wie regelmässig die Züge der Vögel auch an solchen Orten sind, an welchen eine bestimmte Art bisher nur ausnahmsweise be- merkt wurde, und wie unrichtig es ist, wenn bei solchen seltenen Wanderern vom Verirrtsein gesprochen wird. Dagegen zeugt schon das gleichzeitige Auftreten an verschiedenen Orten und das Innehalten der Zeit in verschiedenen Jahren. — Von grossem Interesse ist auch das häufige Vorkommen der Strandvögel in Franken, die Zugrichtung und der Zug mit dem Winde. (v. Homeyer.) Südwestliches Oesterreich. Wiederum ersehen wir aus den vortrefflichen Beobachtungen von Pfarrer Blasius Hanf zu Mariahof*) in Obersteiermark und Eitter von Tschusi- Schmidthoffen im Salzburgischen, dass es in erster Linie die Beobachter sind, welche uns Aufschlüsse über den Vogelzug geben, denn ohne diese bleiben auch die bevorzugtesten Gegenden uns unbekannt. Während einer laugen Reihe von Jahren hat nun Pfarrer Hanf beobachtet und durch ihn ist der Fuhrteich berühmt ge- worden. Wie bereits erwähnt, liegt derselbe circa tausend Meter über der Meeresfläche, an beiden Seiten durch hohe Gebirge eingeschlossen. Vielfach haben wir auch bereits Gelegenheit gehabt, des Fuhrteichs und seines Beobachters zu gedenken und fügen hier noch einige specielle Angaben von Wichtigkeit bei. *) Mariahof liegt 47« 13" n. Br. 31« 57 ö. Länge, 3170 Wiener Fuss hoch. Der Fuhrteich ist circa 19 bis 2il Joch gross. - 352 — Von hohem Interesse ist das öftere und regelmässige Er- scheinen südlicher und südöstlicher Vögel, weshalb es wohl wahr- scheinlich ist, dass die Z u g r i c h t u n g nicht bei allen Arten dieselbe ist. Dergleichen Erscheinungen kommen jedoch wahrscheinlich in den verschiedensten Gegenden vor und wird es sich mehr und mehr als irrthümlich herausstellen, zu glauben, dass es genüge, die Zugrichtung einiger*) Arten zu beobachten, um dadurch allgemein gültige Kegeln aufzustellen. Nach den Beobachtungen des Herrn von Tschusi ist der Vogelzug bei Salzburg auch ein hochinteressanter, indem die aufmerksame Forschung zeigt, dass die Vögel wesentlich im Frühjahre aus Nord-West kommen, ganz abweichend von der allgemeinen Zugrichtung. Die Gebirgsformation ist dort derart, dass das Thal nur in dieser Richtung sich öifnet. Damit steht nun aber nicht recht in Uebereinstimmung, dass nach den Wahr- nehmungen desselben Beobachters der Durchzug der Vögel ein weit bedeutenderer ist, als dass man annehmen könnte, derselbe erstrecke sich nur auf die benachbarten Gebirgsthäler. p]s bleibt hier daher noch freies Feld zu fernem Unter- suchungen, deren Ergebniss Herr von Tschusi uns wohl nicht vorenthalten wird, und bei der rastlosen Thätigkeit desselben lässt sich wohl erwarten, dass diese hochinteressante Frage in nicht zu ferner Zeit geklärt sein wird. Bei den Beobachtungen des Pfarrers Hanf ist noch darauf aufmerksam zu machen, dass nach den Ergebnissen derselben die auf dem Fuhrteich einfallenden Vögel Anfangs sehr scheu sind und es rathsam ist, denselben zuvor einige Zeit zu lassen, bevor Annäherungsversuche gemacht werden. Es ist dies ein sicherer Beweiss, dass es sich hier nicht um „ermüdete Wanderer", sondern um regelmässig ziehende Vögel handelt, *) Verschiedene Arten mit abweichenden Lebensbedingungen be- dürfen anderer Raststationen, anderer "Winterquartiere. Dazu kommt noch, dass ein Hinderniss in der Zugrichtung für die eine Art, es darum noch nicht für alle Arten ist. 353 Specielle Mittbeilungen. -'^'^) Es ist nicht angezeigt, auf neu angekommene Wanderer am Fuhrteiche gleich nach ihrer Ankunft Jagd zu machen, wo sie noch sehr vorsichtig sind. (Pf. Hanf. 18 7 J.) -^'^) Es ist nicht wahrscheinlich, dass alle im Frühjahre am Fuhrteiche Raststation haltende Wanderer von da iiördlicli ziehen, da viele derselben ihre Brutplätze in den südöstlichen Ländern haben, z. B. Himantopus rufipes : 1S58 den 9. April, 'J871 den 14. Mai, 1872 den 22. April. (12 Stück anwesend.) -■''■") Dass die Zugrichtung von Nord-"West gegen Süd-Ost auch umgekehrt ist, wird durch die Lage der von hohen Bergen begrenzten Hochebene bedingt. Noch muss ich bemerken, dass der Teich viel häufiger im Frühjahre und zwar von mannigfaltigen Arten südlicher und östlicher Vögel besucht wird, als im Herbst, wo meistens nördliche Wanderer, gewöhnlich October und Anfang November erscheinen. Eeiher und Strandvögel kommen im Herbste fast gar nicht und ist es wahrscheinlich, dass dieselben zu dieser Zeit einen andern Weg nehmen. Der Herbstzug 1863 war, besonders bei den Polartauchern ausgezeichnet, so dass ich annehmen zu können glaube, dass am 10. und 11. November ein halbes Hundert auf dem Teiche eingefallen war. (Pf. Hanf in „Litt." 22. Mai 1881.) 230-) "\Yie mir mitgetheilt wurde, sind um dieselbe Zeit*) (10. bis 12. November) auch zu Taufenbach an der Mur zwei Seetaucher geschossen und einer auf dem Felde gefangen, des- gleichen auch in Murau ein „grosser Seevogel" erschossen worden. (Pf. Hanf in „Litt.") *) Also ein gleichzeitiger Zug an verschiedenen Orten. v. H. V. Homeyer, Wanderungen der Vögel. ~3 - 354 - -^^) Selbst die so sehnlich erwartete Waldschnepfe (Scolopax rusticola) fand sich sparsamer ein. Icli erlegte nur vier, und zwar am 10. October die erste, am 30. October die letzte. Die erste war minder gut genährt, daher*) verhältnissmässig klein, dunkel gefärbt, diewenig gezeichneten, mehr stumpfen Steuerfedern haben verhältnissmässig breite Fahnen, die Ständer sind grau. Die letzte war sehr gut genährt, daher verhältnissmässig grösser, im Ganzen heller gefärbt, die mehr gezeichneten spitzen Steuerfedern haben schmälere Fahnen, die Ständer waren gelblich grau. Ich hielt die erste für ein Männchen und die zweite für ein Weibchen, und doch waren beide, wie mich die Section belehrte. Männchen, und zwar die erste ein altes, und die zweite ein junges Männchen. (Pf. Hanf, Orn. Mise. 1878, S. 3.) -^^) Aber bei allen diesen Polartauchern konnte ich nur an zwei Exemplaren einige Spuren**) der dunkelblauen Kehle ent- decken, doch hatten alle Alten die weissen Tropfen an den Flügeln und die fensterartigen, weissen Flecken am Kücken noch, während die am 20. April desselben Jahres Nachmittags ange- kommeneu fünf Polartaucher alle schon das vollkommene Hochzeits- kleid hatten. Von diesen erlegte ich drei. (Pf. Blasius Hanf in Litt.) -^®) Am 6. Mai schoss ich Anthus rufogularis S, nun schon das zehnte Exemplar, am Ufer der Hungerlache im vollkommenen Sommerkleide, mit der schönen dunkel rostrothen Kehle und Brust. (Pf. Blasius Hanf, Ornith. Beob. 1871.) *) Es erscheint mir wahrscheinlich, dass dieser Vogel der kleinen nordrussischen Varietät, den sogenannten Blaufüssen, angehörte. V. H. **) Die Beobachtungen des Herrn Pfarrer Hanf über die Mauser dieser Taucher stimmen mit meinen Ansichten ebenfalls sehr überein. Die zu sehr verschiedenen Jahreszeiten in das Prachtkleid mausernden Vögel gaben Veranlassung zu ganz entgegengesetzten Ansichten, aber diese abweichenden Erscheinungen sind theils individuelle, theils Folgen des verschiedenen Alters der Vögel. v. H. — 355 — -*") Anthus rufogularis, dieser südliche Vogel, ersehe nt ge- wöhnlich uur im Frühjahre und dann erst Anfang Mai bei uns. Nur im Jahre 1847 habe ich am 28. April ein Männchen und ein Weibchen erlegt, alle übrigen im Mai und zwar : am 14. Mai 1855 ein ?, 4. Mai 1857 ein S, 1. Mai 1865 ein S und ein % am 10. Mai 1865 ein S und ein ?, am 6. Mai 1871 ein S- Im Herbste habe ich Anthus rufogularis S und $ am 6. October 1857 das einzige Mal beobachtet und erlegt. Stets fand sich dieser Vogel nur mit einer Ausnahme an den sehr seichten in ein Moor verlaufenden Ufern der Hungerlache ein ; da aber diese Lache in trockenen Jahren kein Wasser hat, so findet er in solchen Jahren keinen seiner individuellen Neigung ent- sprechenden Aufenthaltsort, was die Ursache sein dürfte, dass er nicht öfter beobachtet wurde. (Pf. Blasius Hanf, Ornith. Beob. 1871.) ^^^) Was die Zugrichtung hier anbelangt, so werden Sie aus meinen jetzigen Aufzeichnungen ersehen, dass dieselben im Frühjahre zu constatiren mir nur bei wenigen Arten möglich war; im Herbste ist dies viel leichter und werde ich meine Beobachtungen natürlich fortsetzen. Bezüglich meiner Angaben über die Richtung des Vogelzuges muss ich bemerken, dass die allgemeine Richtung im Frühjahr von Nord-West nach Süd- Ost und umgekehrt im Herbste ist. (Victor Ritter von Tschusi-Schmidthoffen, Villa Tännenhof bei Hallein, in „Litt.") -■*-) Was die hiesigen Zugverhältnisse anbelangt, so wollte ich sie schon längst zur Sprache bringen, da sie hier ganz abnorm sind, leider fehlt mir bisher noch immer der Schlüssel zu ihrer richtigen Deutung, Unser von der Salzach durch- strömtes Thal ist nur in Nord- West, gegen Salzburg zu, offen. Im Südosten wird es gleich einer Mauer von dem über sieben- tausend Fuss hohen Tännengebirge abgesperrt. Rechts davon, zwischen Tannen- und dem Hagengebirge, befindet sich der enge Pass Lueg, der die Verbindung mit dem Pon- und Pinzgau vermittelt. Oberhalb Golling führt eine Strasse die Lammer 23* — 356 - aufwärts nach Altenau, Gosau und Hallstadt. Das Abnorme der Zugverbältnisse ist nun, dass im Frühjahre die Zugvögel grösstentheils aus der Ebene von Salzburg, also aus Nord-West- Eichtung, erscheinen und im Herbste nach Nord- West wieder zurückkehren, Me konnte ich darüber Sicherheit erlangen, auf welchem Wege die im Frühjahr hier durchziehenden Vögel weiter gelangen und auf welchem sie im Herbste wieder in unser Thal kommen. Meiner Ansicht nach führt die Zugstrassc über Altenau, Hallstadt und der enge, zwei Stunden lange Pass Lueg bildet für die meisten Zugvögel ein Hinderniss, da wir. wenn dies nicht der Fall, sie im Frühjahr wohl aus dem Süden erhalten müssten. Da ich hier nun seit neun Jahren täglich der Vogelwelt meine Aufmerksamkeit zuwende, so hatte ich reichliche Gelegenheit zu Beobachtungen, und insbesondere zur Zugzeit bin ich immer auf den Beinen. (v. Tschusi in „Litt.", 12. December 1880.) -*") Seit meiner Karte vom 9. März hier angekommen : Vanellus cristatus, Ü. März zwei Stück; 12. März acht Stück nach Süden ziehend; Columba oenas 12. März, dreissig Stück nach Süden, ebenso den 18. März; Anthus pratensis ein Stück 9. März; Phyllopneuste rufa 12. März zwei Stück; Kuticilla domestica zwei Männchen, 13. März; Larus ridibundus zwei Stück, 13. März nach Süden; Lanius exubitor zwei Stück, 13. März; Regulus ignicap, Männchen 13. März; Emberiza schoeniclus fünf bis sechs Weibchen, 13. März; Motacilla sulphurea, 13. März in Menge. Heute acht Uhr Morgens erlegte ich Lanius major, ohne Spur einer zweiten Binde. Totallänge 24, ^ cm., Flügelbreite 10,8 c^- I^iß Brust ist schmutzigweiss, mit Resten von W^el- lung, die im Verschwinden begriffen ist. (v. Tschusi in „Litt.") -**) Herr Förster Koogan in Oravitz (Ob.-Ungarn) berichtet : Frühjahr 1880 am 9. März kam Alauda arvensis, Alauda arborea und Motacilla alba. Am 12. bei Schnee und Frost zogen alle ab und erschienen erst wieder bei besserer Witterung. - 357 - Herr Decliant Kaspar in Holleschau (Mäbren) theilt mir mit: Falls ein strenger Nachwinter eintritt, habe ich bei Schwalben, Störchen und Gänsen immer einen Kückzug bemerkt, die Lerche dagegen bleibt auch beim strengsten Nachwinter und erfrieren und verhungern dann viele dieser Vögel. (v. Tschusi, 0. C. B. 15, 1, 1881.) Gestern sah ich Budytes mit fast schwarzem Kopfe, konnte leider keine erlangen. (v. Tschusi in „Litt.", 11. Mai 1881.) -^■^) Den Durchzug der Vögel betreffend, bemerke ich, dass derselbe keineswegs so unbedeutend ist, als Sie geneigt sind zu glauben ; besonders bemerkbar ist dies im Herbste, bei manchen Arten wohl wieder im Frühjahre. Würde es sich in unserm Thale nur um Brutvögel handeln, so wären Zug und Zugrichtung durch das Thal vorgezeichnet, nun aber ziehen viele Arten durch, die nicht hier brüten. Leider fehlen uns im Lande weitere Beobachter, die uns über den fernem Weg der Zugvögel Aufschluss geben könnten. (V. Tschusi in „Litt.", 11. Mai 1881.) Budytes cinereocapillus *) vier Männchen am 20. April, eins am 21. April unter B. flavus. (v. Tschusi in „Litt.", 1880.) Am 3. April Westwind, trübe, -\- 5—6". Den 4. April früh West- Wind, schwach, +1", Schneefall, Mittag Nord- Wind, 4- 4V./, trüb, Abends West-Wind, + 3^/, trüb. Den 5. April Nord-West-AVind, **) -f 2 ", schön, rauh; etwa Vo 9 Uhr Vormittags erlangte ich Locustella luscinoidis, die, als ich sie zuerst erblickte, von Nord- West nach Süd-Ost zog. (v. Tschusi in „Litt.", 7. Mai 1881.) *) Ist wohl B. borealis, die ja nicht selten, aber bisher allein von den schwai-zköpfigen Arten, durch Deutschland ziehend beobachtet wurde. v. H. **) Wie oben erwähnt, ist dies die Zugrichtung bei Hallein. V. H. - 358 P 0 m m e r n. Ausser meinen eigenen Beobachtungen stehen mir die vieler Freunde zur Seite, von denen jedoch die Mehrzahl nicht mehr unter den Lebenden weilt. Heute verdanke ich die nachstehenden und viele bereits früher mitgetheilten Beobachtungen besonders zweien meiner Freunde, Herrn Dr. Quistorp zu Greifswald und Herrn Tancre zu Anclam, beides eifrige, sachkundige und aufmerksame Be- obachter. Auch von manchen andern Seiten sind mir schätzenswerthe Mittheilungen gemacht worden, so dass meine vaterländische Provinz mir sehr genau bekannt ist. Was nun die allgemeine Zugrichtung anbelangt, so steht dieselbe im grössten Theile des Landes mit derjenigen in üeber- einstimmung, die im Allgemeinen im westlichen Europa die herrschende ist: Nord-Ost — Süd- West, nur im nordwestlichen Theile von Pommern geht dieselbe, wenigstens für viele Arten, ziemlich von Süd zu Nord. Dies erklärt sich durch die geo- graphische Begrenzung des Landes und durch den Zug der meisten Vögel nach der Südspitze von Schweden. Deshalb stammt auch der grösste Theil der nordischen Wanderer, welche Vorpommern besuchen, aus Skandinavien, während Hinterpommern nur nordrussische Zugvögel sieht. Diese Thatsache ist nicht allein durch vielfache Beobach- tungen festgestellt, sie lässt sich auch durch Vergleichung mancher nach Vorpommern kommender Arten, mit denen Hiuter- pommerns nachweisen, zu welchen Vergleichen meine Sammlung besonders geeignet ist, indem dieselbe nicht nur aus beiden Theilen der Provinz, sondern auch aus vielen Gegenden Europas zahlreiche Exemplare besitzt. Der Zug mancher Vogelarten ist auch noch geeignet, die erwähnte Thatsache festzustellen, zumal solcher Vögel, die nicht alle Jahre nach Vorpommern, wohl aber nach Hinterpommern kommen, wie z. B. der Seidenschwanz. — 359 — Wenn die Zugrichtimg nun auch für die Mehrzahl der Arten feststeht, so darf doch nicht angenommen werden, dass dieselbe überall die gleiche sei. Schon früher*) ist hierüber gesprochen und auch in diesem Werke dieser Gegenstand ange- regt, aber es muss dennoch wiederum darauf hingeAviesen werden, dass verschiedene Vögel, namentlich See- und Strandvögel, oft eine mehr Süd-Nord-Richtung haben, wenn dies auch nicht immer und zu allen Zeiten so ist. Am regelmässigsten zieht die Heringsmöwe (Larus fuscus) Nord-Süd, aber auch viele andere Vögel, z. B. Charadrius hiaticula, Numeuius, Tringa, Anas, Anser und besonders Cyguus ziehen zahlreich Süd-Nord. Bemerkenswerth ist die Regelmässigkeit, mit welcher manche Vögel nicht allein gleichzeitig an verschiedenen Orten einer Gegend erscheinen, sondern auch in verschiedenen Jahren genau oder fast genau zur selben Zeit. So habe ich z. B. auf Hiddens-öe öfter durchziehende Wespenfalken gesehen, in kleinen Zügen von zwölf bis zwanzig Stück, und immer gegen 2 Uhr, Mittags, gewöhnlich am 15. Mai, oder doch nahe der Zeit. Noch in diesem Jahre zeigte sich Bud3^tes borealis auf ihrem Zuge wunderbar gleichmässig, und fast stets habe ich auf einer bestimmten Stelle von Hiddens-öe in der Zeit vom 20. — 24. August alte Herbstvögel von Emberiza hortulana ge- funden, der einzigen mir bekannten Stelle, wo ich alte Herbst- vögel je erlangte, nach denen auch Naumann in seinem grossen Werk Beschreibung und Abbildung gegeben hat. Man ersieht hieraus, wie unangemessen es ist, zu behaupten,^ dieser oder jener Vogel komme in einer gewissen Gegend nicht vor, weil man ihn bisher noch nicht aufgefunden hat. Specielle Beobachtungen. -**) Bis zum 9. Februar 1857 war anhaltendes Frostwetter, am 10. trat Thauwetter ein und schon am 12. sah ich Feld- lerchen; am 16. stiegen diese in den Mittagsstunden in Menge ^'J V. Homeyer in „Cab. J." — 360 - singend in die Luft. Am 22. sah ich einen Goldregenpfeifer (Charadrius auratus, Lath) und zwei Staare (Sturnus vulgaris). (Dr. Quistorp.) Die Schmarotzer-Kaubmöwe zeigte sich im Herbste 1880 in ungewöhnlicher Zahl. Es wurden an verschiedenen Orten zu ein und derselben Zeit davon erlegt, weit mehr gesehen. So sah Meyer auf der Feldmark Görke (^ ., Meile von Anclam) eine Anzahl im losen Verbände über die Felder streichen, dabei eine bestimmte Eichtung (West) verfolgend, auch oft etwas von der Erde aufnehmen — ob Käfer oder Regenwürmer? — und dann ihren Flug ohne Aufenthalt fortsetzen. (C. A. Tancre in Anclam.) Den 1. April 1857 regnete es den ganzen Tag mit Ost- wind, Abends aber ging der Wind nach Südwest und blieb so die ganze Nacht hindurch. Am 2. fand ich fünf Waldschnepfen und eine ziemliche Menge Krammetsvögel. Auch sali ich an diesem Tage zwei Kraniche. Am 3. sah ich eine Bekassine (Scolopax gallinago L.), einen Totanus ochropus , Temm. und zwei Turteltauben (Columba turtur L.). Am 5. sah ich den ersten Storch, am 7. einen Totanus calidris, Bechst. In diesen letzten Tagen sah man täglich Störche ankommen und ihre Nester einnehmen, (Dr. Quistorp, Na- 18Ö8, S. 47.) -*') Januar 1808. Die erste Hälfte dieses Monats verlief wie die letzten Monate des Jahres 1857 bei sehr gelindem Wetter. Das Thermometer zeigte oft -\- 5'^ ß; die herrschenden Winde waren südliche und westliche, und setzte derselbe wirklich einmal nach Norden oder Osten um, fing es dabei an zu frieren und auch wolil etwas zu schneien, so dauerte dies höchstens einige wenige Tage, worauf sofort wieder Thauwetter mit Regen folgte. In der letzten Woche dieses Monats trat erst Frostwetter mit ziemlich hohen Kältegraden ein, das Thermometer fiel in einigen Nächten bis auf — 8** R., es fiel ein wenig Schnee bei Nord-, Ost- und Südostwind. Der Schnee wurde zwar bald durch eintägigen Regen wieder fortgenommen, doch stellte sich sofort wieder Frostwetter ein, das auch den «[rössten Theil des Monats — 361 — Februar hindurch anhielt. Den ganzen Monat Januar hindurch sah man ungewöhnlich grosse Mengen von Grünfinken, Flachsfinken, Meisen, Grauammern, D 0 m p f a f f e n , W a c h h 0 1 d e r d r 0 s s e 1 n ; ausserdem wurden Schnee- ammern, Rothkehlchen und an manchen Stellen auch Seiden- schwänze gesehen, gefangen und geschossen. In dem Jagdreviere, welches ich am häufigsten durchwanderte, blieben den ganzen Winter hindurch mehre Exemplare von Columba palumbus; ich sah einmal sechs beisammen auf der Erde unter hohen Eichen sitzen und Eicheln suchen; zu andern Malen sah ich zwei, drei und vier beisammen. Enten habe ich in diesem Winter nur sehr wenige gesehen. (Dr. Quistorp, Na. 58, S. 28o.) ■-^^) Gegen die Mitte des April 1854 schien die Schnepfen- jagd ganz beendigt, da auch die Hitze im Holze unerträglich wurde beim Suchen; acht Tage später jedoch fanden einige meiner Jagdfreunde, denen ein sehr grosses Revier (Nadel- und Laubholz aller Art) zum waidmännischen Tummelplatze dient, noch an zwei auf einander folgenden Tagen viele Waldschnepfen ; etwas, was von diesen unermüdlichen Jägern schon zu wieder- holten Malen erlebt ist, dass nämlich, nachdem schon seit acht bis zehn Tagen der Schnepfendurchzug ganz beendet schien, plötzlich noch an einem oder mehreren Tagen hinter einander nicht unbedeutende Mengen Schnepfen gefunden worden sind. (Dr. Quistorp, Na. 58, S. 38.) Es sind dies wahrscheinlich Schnepfen aus dem hohen Norden, die am spätesten ziehen, wie dies ähnlich bei Wach- holderdrosseln, Leinfinken, Seidenschwänzen etc. zu beobachten ist. (v. Homeyer.) -^^) Erst nachdem am 0. April 1855 Nachmittags (am 5. suchte ich noch vergeblich nach Waldschnepfen) der Wind von Osten nach Südwesten umgesetzt hatte und die Nacht hindurch ein leichter liegen gefallen war, fand ich am 7. eine ziemliche Menge Waldschnepfen. Auch am 13. fand ich wiederum bei Südostwind mit Regen viele Schnepfen. Die beiden letzten Wald- - 362 - Schnepfen schoss ich in diesem Frühlinge nebst zwei Totanus ochro- pus, Temm. am 18. April. In dieser Zeit waren auch sehr viele Krammetsvögel hier. (Dr. Quistorp.) -^^) Es war im Frühlinge des Jahres 1852, als ich im Anfange April, nachdem kurze Zeit sehr rauhes Wetter mit Schneefall gewesen, welches aber wieder auderm Wetter mit Südwestwind Platz gemacht hatte, mehrere Tage bei Südwest- wind , mein Revier absuchte , ohne täglich mehr als einige wenige Schnepfen zu finden. Am letzten Tage, als ich Abends nach Hause ging, sprang der Wind nach Nordost um, wurde in der Xacht immer stärker und brachte wieder sehr empfindliche Kälte, welche mehrere Tage anhielt, so dass ich mich eutschloss, zu Hause zu bleiben, zumal, da ich an diesen Tagen Einladungen, zu fröhlichem Beisammensein mit guten Freunden erhielt. Am zweiten Tage, Abends, traf ich im „Deutschen Hause'' einen Jagdfreund, welcher die letzte Woche beim grossen Jäger Plath in Carbow zugebracht hatte, wo in der Waldschnepfensaison täglich gesucht wird, gleichviel welche Witterung es ist. In den Tagen, an welchen ich gesucht, waren dort ebenfalls nur wenige Schnepfen gefunden ; aber wie gross war das Erstaunen der Jäger, als sie an dem ersten kalten Tage, trotz des Nordostwindes, recht viele Schnepfen und zwar in den Kieferdickichten fanden, die auch am andern Tage noch dort blieben, nämlich diejenigen, welche nicht am ersten geschossen wurden. Die Jäger hatten nämlich am ersten Tage schlecht geschossen, da ihnen bei der Kälte die Hände erstarrt waren. Jedenfalls waren mit dem Westwinde der vorhergehenden Tage grössere Mengen Schnepfen herangerückt und waren nun, als sie dem kalten Nordost in unserer Provinz be- gegneten, sofort und zwar in die wärmern Tlieile des Reviers eingefallen, aus denen sie, sobald der Wind ihrem Zuge günstig wm'de, gegen Norden abzogen. (Dr. Quistorp, in ,.Litt.-' 21. J. l^^i).) -•^') Am J. April Abends setzte der Wind von Nordwest nach Südost um ; es regnete von zehn bis elf Uhr Abends, die Nacht hindurch blieb der Himmel bedeckt, der Wind südlich, und vom zweiten an fanden sich mehr Waldschnepfen als zuvor. — 363 — obgleich derWind schon Tags darauf wieder nach Norden umsprang. In der Nacht vom ersten auf den zweiten April zog die ganze Nacht hindurch Numenius arquatus in unzählbarer Menge mit Geschrei über unsere Stadt, von Süd nach Nord. Es ist eigenthümlich an diesem Vogel, dass die sämmtlichen, durch unsere Provinz gegen Norden ziehenden Vögel dies in einer einzigen Nacht vollführen, wie ich nun schon in vielen Jahren beobachtet habe. Fast immer fiel eine solche Nacht in die Mitte des April, in diesem Jahre ausnahmsweise in die erste Nacht desselben. Nur höchst selten habe ich noch in einer oder der andern der folgenden Nächte einige Vögel dieser Art ziehen hören, niemals aber in grosser Menge ; dies geschieht immer nur in einer einzigen Nacht. (Dr. Quistorp in „Litt." 1880.) -^-) Der dauernde Nord- und Nord-Ost- Wind lässt die Waldschnepfe nicht vorwärts rücken, daher immer die alte Schnepfe, nichts Frisches. Läuft vor dem Hunde, wie der Wachtel- könig, da sie keine Reise gemacht und sehr rege ist. (Oberstl. Freiherr v. Puttkamer in „Litt." 12. April 1881.) Ungarn, Türkei, Egypten. Ueber Ungarn liegen mir leider wenig Zugbeobachtungen vor. Das Wesentliche verdanke ich der Güte des Herrn Julius von Madarasc in Budapest, indem mir anderweitige Beobachtungen ungarischer Schriftsteller nicht bekannt sind und meine eigenen Beobachtungen auf der Donau-Reise im April und den ersten Tagen des Mai 1878 nur sehr aphoristische sein konnten soweit die Zugrichtung in Betracht kommt. In der Nähe von Serbien und Bosnien scheinen die Frühjahrsvögel fast direct aus dem Süden zu kommen, wenigstens war der stärkere Zug am Morgen des 3. Mai ein solcher. Es konnten jedoch nur hoch und frei fliegenden Vögel beobachtet werden, wie Ibis falcinellus, Platalea, Sterna, Totanus und andere, aber alle verfolgten eine bestimmte Richtung, Süd-Nord. Interessant war mir das Ziehen der Seeschwalben bei Tage, während eines starken Gewitters. — 364 — Als ich am Morgen dieses Tages einen Brutplatz der Sterua nigra besuchte, war derselbe nur spärlich besetzt und ich konnte auch keine ankommenden Vögel bemerken, als ich aber nach einem starken Gewitter dahin zurückkehrte, waren dieselben in mindestens dreifacher Zahl vertreten und betrugen sich bereits so, als wollten sie ihre Brut vertheidigen. Die Vögel befanden sich daher unzweifelhaft am Brutplatze. Nach den Beobachtungen von Herrn von Madarasc ist jedoch der Zug bei Pest wesentlich Süd-Ost nach Nord-West. Die Vögel Ungarns haben demnach eine andere Kichtung wie die- jenigen aus dem Westen Europa's und gehen wohl wesentlich nach der europäischen Türkei, Griechenland, Kleinasien und Syrien, theilweise auch nach Egypten und bis an das rothe Meer. Dies stimmt auch mit den Untersuchungen von C. L. Brehm über die von Dr. A. Brehm in Egypten gesammelten Vögel überein, und die Vergleichungen derjenigen Vögel, welche im Winter in Egypten erlegt wurden und ich untersuchen konnte, zeigen selir deutlich, dass Egypten nicht das Winterquartier oder das Durchzugsgebiet unserer deutschen Vögel ist. Dabei zeigt sich recht lebendig der Werth genauer Unterscheidung. Die wesentliche Zahl derjenigen Vögel, welche das rothe Meer und Egypten besuchen, stammen unzweifelhaft aus Asien. Auch Severzow, dieser scharf blickende Forscher, hat ge- funden, dass die Vögel Turkestans grossentheils nach Egypten und Syrien gehen. Genau in Uebereinstimmung damit sind auch die Beob- achtungen des Erzherzogs Kronprinz Iludolf auf seiner jüngsten Reise. Derselbe hat gefunden, dass die Vögel vom rothen Meere aus in Süd- West ins Innere Afrika's ziehen, in Syrien mehr Nord-Süd und umgekehrt. Viele Vögel bleiben auch am rothen Meere und am Menzaleesee, andere gehen nach A. Brehm an die Uegenteiche und in Gegenden Inner-Afrika's , welche noch kein Naturforscher betreten hat. Der Zug über Griechenland und die griechischen Inseln ist ein so allgemeiner, dass es auch nicht eine einzige kleine - 365 — Tnsel giebt, welche nicht von einer Menge von Vögeln besucht wird. Dies giebt wiederum einen Beweis für den Zug in breiter Front. Zögen die Vögel im Gänsemarsche, so würden sie nicht überall so gleichmässig erscheinen. Der Zug aus dem Süden Russlands geht theils über das schwarze Meer, theils über die Donaufürstenthümer, wie A. Demi- doff und die Gebrüder Sintenis dies beobachtet haben. Wie schon erwähnt bezeugen die von Letzteren gesammelten vielen Buteo lagopus sehr deutlich ihre Herkunft aus dem Nord- osten des europäischen Eusslands. Wie wichtig eben bei den Zugbeobachtungen genaue Unter- suchungen und specielle Angaben sind, das erhellt u. a. an einer Angabe von Ernst Marno.*) Derselbe sagt : „Unsern weissen Storch trifft man in ganzen Schaaren während des Winters in den Steppen und Durrahfeldern Sennaar's, von wo er im Frühling wieder nach Europa zieht. Zu dieser Zeit kann man ihn in langen Zügen Tags über den Nil entlang nach Norden fliegend beobachten und des Nachts zu Tausenden die Sand- und Schlaram- bänke des Flusses beleben sehen. Nun liegt aber nicht die geringste Wahrscheinlichkeit vor, dass Herr Marno unsre Störche in Egypten gesehen. Es sind auch keine vergleichenden Maasse gegeben, aus denen man ersehen konnte, ob man es mit europäischen oder asiatischen Störchen zu thun habe, die sich so wesentlich durch die Schnäbel unterscheiden. Specielle Beobachtungen. -■^=') Nach meinen bisherigen Erfahrungen ist die allgemeine Richtung des Zuges in unserer Gegend von Süd-Ost nach Nord-West, so Ciconia alba, Ardea cinerea, Ardea purpurea, Ibis falcinellus, Anser segetum, Grus cinerea etc. Ciconia alba. Hauptzug am 4. April 1880. Schönes Wetter. Auch die Vortage waren gleich schön. Windrichtung, Osten. Es zogen vier bis fünf Flüge nach einander in den 0 „Zool. G." XV, S. 48. — 366 - Nachmittagsstunden von Osten nach Westen. Jeder Flug zweiunddreissig bis vierunddreissig Stück stark. Pelecanus onocrotalus. 20. April 1881. Klares Wetter, Windrichtung Norden. Der Zug über den Garten von S ü (1 - 0 s t nach Nord-West. (Pel. onoer. wurde in der Umgebung von Budapest ))is jetzt noch nicht beobachtet.) 2b. Februar 1881 in Peczel (südlich von Pest) der erste Flug von Alan da arborea und A. arvensis. Vollkommene Windstille. Hauptzug am 5. März in der Richtung von Süd nach Nord. (J. v. Madarasc in „Litt.") -'''^) Am 30. März 1881: Oestlich von Budapest in meinem Garten. Temperatur zwanzig bis zweiundzwanzig Grad Reaumur. Windrichtung: Süd zu Ost (schwach). Turdus musicus zieht massenhaft von Ost nach West; die erste Hirundo rustica Si Phyllopneuste rufa*) zieht in grossen Flügen von Ost nach West und ein grosser Theil des Fluges Hess sich nieder. Die in grosser Zahl erlegten Stücke waren sämmtlich S. In gleicher Richtung und Stärke zieht Sibi- latrix sylvicola. Vor dieser Excursion war andauernd schönes Wetter. (J. v. Madarasc in Litt.) -'"'") Hirundo rustica. Zu Anfang März bis gegen Anfang Mai und zwischen August und October erscheint sie auf dem Durchzuge häufig gesellschaftlich und oft gemischt mit andern Arten längs des Nil und rothen Meeres, ja selbst in der eigent- lichen Steppe. Am 15. November 1857 beobachteten wir an der Somaliküste noch einen Flug wandernder Hausschwalben. (Heuglin.) ^^*') Cotyle riparia. Unsere Uferschwalbe erscheint in Nord- ostafrika und Arabien ziemlich zeitig, oft schon zu Ende August, meist in grössern, übrigens nicht dicht zusammenhängenden *) Ich bemerke, dass Ph. rufa in jedem Jahre bedeutend früher erscheint wie Ph. trochilus. — o6( — Gesellschaften, die läags der Gewässer und auf Viehweiden, selbst in der weiten wasser losen Steppe, sich herum- treiben, südwärts wandern und theilweise schon im Februar wieder nach Norden ziehen. (Heuglin.) -■'') Merops apiaster kommt aus Europa*) nach Egypten (wo er nicht brütet) und zieht dann in Gemeinschaft mit Merops Savignyi andern, vielleicht noch unbekannten Landstrecken zu, nm dort die Zeit seiner Mauser zu verbringen. Ich beobachtete die beiden wie folgt: Am J2. October 1847. Merops apiaster bei Esneh in Oberegypten; 1849 am 5. Mai beide am Menzaleh- See; 1850 am 3. April, Merops apiaster bei der Festung Ibrihm in Nubien; am 11. April beide, und zwar in Gemeinschaft ziehend; am 13., 14. und 15. April bei AVadi-Halfa, Flüge der einen oder der andern Art; am 18. April in Battu el Hadjar; am 30. April beide in Neu-Dongola. Vom 1. bis 15. Mai waren beide Arten dort noch häufig. Am 19. Mai erlegte ich wenig weiter südlich Merops Savignyi mit völlig reifem Eie im Legecanale : obgleich ich bestimmt weiss, dass er nicht in Neu- Dongola brütet. Auf dem Rückzuge erschienen beide, vom 20. September an, fast täglich am blauen Flusse. Im Jahre 1851 bemerkte ich Merops Savignyi zuerst am 30. März; dann beide Arten vom 20. April bis 5. Mai täglich bei Charthum, nördlich ziehend. Am 28. August schoss ich Merops apiaster bei Abu-Hammed, am 26. September bei Wadi-Halfa, Tags darauf beide eben daselbst; am 29. bei Abu-Simbil mehrere Exemplare von Merops apiaster, alle sehr abgemagert und vielleicht nicht im Stande, mit den andern, bereits vorausgegangenen gleichen Zug zu halten.**) 1852 kam Merops Savignyi vom 18. März an täglich in Flügen an, doch erst am 5. April traf ich Merops apiaster bei Kairo. *) Wohl zum grössern Theile aus Asien. v. H. **) Diese Annahme ist gewiss richtig. Die abgemagerten Individuen waren Vögel, welche aus den grossen Schwärmen in Folge irgend welcher auf ihr Wohlbefinden ungünstig einwirkender Umstände zurückgeblieben waren. Solche Vögel werden häufig nur allein auf der AV'anderung bemerkt, während ihre rüstigen Gefährten raschen Fluges und unbeachtet — 868 — Desgleichen waren schon zu Ende des April grosse Heerden von Merops Savignyi im Delta zu Nistgesellschaften vereinigt. Sie sassen dort auf niedern Grasstengeln, oder manche auf der blossen Erde, um Insecten zu fangen. (A. Brehm, C. J. 1853, S. 455.) -'''^) Im Monat September und October sieht man Züge von "Vögeln aller heimischen Arten die Lüfte durcheilen und die Adler kreisen. Man findet dann die Vögel oft an ganz un- gewöhnlichen Orten; so traf ich am 20. September 18ß4 einen Zug schwarzer Störche auf dem Birkats oder Burkats im Trecker Gebirge, ^während ich einen andern Zug etwa 14 Tage später auf der Ebene bei Ober-Utscha sah. Im November endlich kommen schon nordische Gäste zu uns, welche dann den Winter über die Gegenden unserer Heimath durchstreifen, wo sie leider die gemüthliche Eintracht der Geschöpfe im Paradiese vergeb- lich suchen — indem ihnen von Menschen und Raubthieren auf alle Art und Weise nachgestellt und die Gastfreundschaft wenig geachtet wird. (Stetter, Siebenbürgen im „Z. G.") -■'^) Am 1. April 1881. In den Nachmittagsstunden des Vortages, Nachts und in der Frühe Regen ; Nachmittags Avarmes trübes Wetter und Windstille. (Parus ater und Regulus cristatus, worunter a u r i c a p i 1 1 u s , strichen in grosser Menge). Von Westen nach Osten Ph. rufa in sehr grosser Anzahl. 5. April 1881. Nach viertägigem anlialtenden Regen erscheint Upupa epops, bei geringem Nordwinde von Ost nach West ziehend. Die erste Luscinia vera singt. Die vorüberziehen. In den Augen nianclier Leute sind dies dann Irr- gäste! Kann es nun aber wohl Wunder nehmen, dass auch Vögel erkranken, auch Vögel eines natürliclicn Todes sterben können? Ist es nicht weit wunderbarer, dass man so selten Gelegenheit hat dergleichen zu beobachten? Wieviel solcher Vögel hat wohl der aufmerksamste Beobachter in einem langen Zeiträume aufgefunden? — natürlich bei Wegfall der durcli plötzliclie oder ungewöhnliche AVittorungsverliältnisse umgekommenen. V. H. — 369 — erste Muscicapa collaris*) cj; Phyllopneuste trochi- lus S', Sterparola curruca, ein Lanius collurio, Cora- cias garrula; Yunx torquilla in grosser Menge. 6. April 1881. Von Ost nach West ziehen in grossen FKigen Numenius arquata und phaeopus bei Nordwind. 7. April 1881. So wie in den meisten frühern Jahren Hauptzug der Hirundo rustica. Die ersten Hirundo urbica erscheinen. 8. April 1881. Bei regnerischem Wetter erscheint das erste Paar von Muscicapa atricapilla. 10. April 1881. Nach dreitägigem Regen streichen Parus (coeruleus und major) und Sitta caesia in Menge; Muscicapa collaris und atricapilla so zahlreich beobachtet, dass ich binnen drei Tagen dreissig männliche Exemplare von Muscicapa collaris erlegen konnte. (Wahrscheinlich hatte sie der heftige und andauernde Regen in meinen dicht bewach- senen Garten gedrängt. Am 15. April 1881 langten Turdus saxatilis in den Ofener Bergen an und nisten dort auch schon in grosser Anzahl. Weiter erscheinen: den 20. April Ibis falcinellus, Sylvia cinerea (Hauptzug). 23. April, Sylvia hortensis, Sylvia suecica, Haupt- zug. Treffen Nachts unter grossem Geräusch und Lärm ein. (J. v. Madarasc in „Litt.") ■-'"^) Es ist auffallend, wie schnell die zufliegenden Vögel von einer unwiderstehlichen Sehnsucht nach dem Süden angestachelt ihren Zug vollenden. Alfred Brehm sah im Innern von Afrika schon in der ersten Hälfte des August Mauersegler, Blau- racken und Pirole, welche aus Europa angekommen waren. Das waren lauter alte Vögel, denn diese verlassen, wie wir schon oben bemerkt haben, unser Vater- land früher als die Jungen. ■ (C. L. Brehm, Hdschft. S. 32.) *) Muscicapa collaris erscheint in jedem Jahre viel früher wie Muscicapa atricapilla. V. Homeyer, Wanderungen der VCgel. ~4 — 370 — Die Zugstrasse unserer meisten europäischen Vögel geht ausweislich unserer obigen Auseinandersetzungen und Mitthei- lungen nicht nach Egj-pten, sondern vertheilt sich längs der Küsten des nördlichen und nordwestlichen Afrika, nur ein verhältnissmässig kleiner Theil des südlichen Russland, allfällig der Türkei, Griechenlands und dessen Archipels, sowie aber besonders Kleinasien bevölkern die aller- dings reich gesegneten Länderstrecken am Nil. (Gebr. Müller in „Litt.") Helgoland und die deutsche Nordsee. Die allgemeine Zugrichtung ist ungefähr Süd- West — Nord- Ost, doch noch wohl etwas mehr zu West und Ost, ähnlich, wie der Lauf der Küste. Indessen ziehen auch viele nordische Vögel in mehr nördlicher Richtung über die Nordsee und manche Strandvögelarten, welche auf den nordfriesischen Inseln zahlreich vorkommen, sieht man bei den der westlichen Festlandsküste vorliegenden Inseln (z. B. Borkum) selten und ist daher anzu- nehmen, dass die Mehrzahl ihren Weg mehr südlich über Land nimmt. Auch die Ringamsel scheint einen wesentlichen Theil der Nordsee mit einer grössern Anzahl ihrer Individuen zu überfliegen. Sie erscheint überhaupt weit zahlreicher im nord- westlichen, als im nordöstlichen Deutschland, und es lässt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass der Hauptzug noch westlich Helgoland über die Nordsee geht und gegen Osten allmählich schwächer wird. In Hinterpommern sind es Indivi- duen aus dem nördlichen Rassland, welche wir sehen, die sich durch trübere Färbung von den skandinavischen unterscheiden. Deutlich kann man auch den Zug des kleinen Schwanes (Cygnus Bewickii) verfolgen. Dank den vieljährigen Beobach- tungen des Herrn Inspectors Wicpken zu Oldenburg ist derselbe in den flachen Buchten und überschwemmten Wiesen Oldenburgs alljährlich im Frühjahre und Herbste aufgefunden worden, und der verstorbene Pfarrer Bolsmann hat ihn ziemlich regelmässig in Westfalen beobachtet, namentlich gab es dort eine Rast- - 371 — Station, so lange ein grosses Moor nicht entwässert war. Nach den bisher vorliegenden Beobachtungen geht die Zugrichtung von Oldenburg ungefähr nordöstlich, nach Finnland. Die wunderbarsten Wanderungen sind auf Helgoland be- obachtet. Es ist zwar wohl erklärlich, dass dieser isolirte Fels, den Vögeln aus weiter Ferne sichtbar, ein Anziehungspunkt von verschiedenen Seiten ist, wie langauslaufende Landspitzen Gross- britanniens — freilich im verjüngten Maassstabe — Aehnliches bieten, aber dennoch ist das Zusammentreften so vieler Vögel sehr merkwürdig, um so mehr, als eine gewisse Eegelmässig- keit unverkennbar ist, namentlich in Bezug auf die östlichen Wanderer. Die dazwischen liegenden Länder haben davon nichts oder sehr wenig aufzuweisen, und Gätke hat wohl Recht zu sagen: „Alle diese östlichen Vögel ziehen bei Ihnen durch, es handelt sich nur darum, sie zu bemerken!" Da liegt aber die Schwierig- keit, denn theils handelt es sich um Auffindung der Rast- stationen, theils ist es gar nicht so gewiss, ob dieselben oft Raststationen halten. Die Mehrzahl dieser kleinen Zugvögel macht ihre Reisen auch noch in der Dämmerung, und da ist es nur möglich, sie auf dem Vogelheerde zu fangen, und Vogelheerde hat unsere Zeit nicht mehr. Was nun insbesondere die Laubvögel anbelangt, so ist es sehr schwierig, die Art im dichten Laube zu erkennen, zumal wenn man einen solchen Vogel zum ersten Mal sieht und daher noch nicht vermag nach Flug und Form die Art zu unter- scheiden. Endlich muss wiederum die so ausserordentlich geringe Zahl der mit genügenden Kenntnissen ausgerüsteten Beobachter erwogen werden, von denen auf hundert Quadratmeilen noch nicht einer kommt, um die Schwierigkeiten der Beol>achtung im ebenen Lande zu ermessen. Die Mehrzahl der östlichen Zugvögel Helgolands sind Mittelasiaten und der Zug derselben kommt im Herbste fast direct aus Osten. Es ist daher auch sehr erklärlich, dass öst- - 372 — liehe oder südöstliche Winde die meisten solcher Wanderer bringen, wie die laugjährigen und sorgfältigen Beobachtungen Gätkes zeigen. Wie Middendorff berichtet, geht im Ceutrum des alten Continents die Zugrichtung fast ganz Süd-Nord und dadurch erklärt es sich auch, dass bisher noch kein indischer Vogel in Europa aufgefunden wurde, obgleich die Zahl der Mittel- asiaten nicht unbedeutend ist. Die riesigen Wanderzüge, welche oft in schwarzdunkler Nacht über Helgoland dahin gehen und nur an den Stimmen zu erkennen sind, zeigen, dass wohl der Leuchtthurm sie anzieht und etwas von ihrem Wege abweichen lässt, dass aber die all- gemeine Richtung dennoch innegehalten wird. Auf diese Weise konnte Gätke auch grossartige massen- weise Rückzüge beobachten. Die riesigen Züge von Leinfinken, welche Gätke vor langen Jahren den ganzen Fels bedecken sah und die sich durch ihre weissliche Färbung auszeichneten, ähnlich wie C. L. Brehm*) dies früher beobachtete, gehören wohl derselben nordischen Art (Linota sibirica, Severzow) = L. exilipes Dresser, partim, nee Cues an. Locale Beobachtungen. 2^^) Die kleinen Singschwäne sind wieder Mitte October erschienen und zwar am 19.; es sind vierundzwanzig Stück ge- wesen, die von Osten nach Westen gezogen. Später sind noch zwei kleinere Züge beobachtet. Cygnus minor ist leicht zu unterscheiden von C. musicus durch die raschern Flügel- schläge und den höhern (feinern) Ton. Bekanntlich variirt der- selbe sehr in der Grösse (äusserlich), so dass einige dem C. musicus sehr nahe kommen. Diese Grösse ist aber nur äusserlich, wenn ich mich dieses Ausdrucks bedienen darf, die Federn machen dieselbe, im Scelett stehen auch diejenigen, welche dem C. musicus an Grösse fast gleich scheinen, ihm *) Hoffentlich wird es mir möglich sein, nach den Uriginal-Exemplaren der Brehm'schen Sammlunjr die Art festzustellen. - 373 — sehr nach ; sonst habe ich im Scelett keinen wesentlichen Unter- schied bemerken können, muss aber hinzufügen, dass ich nur ein Scelett zu vergleichen bis jetzt Gelegenheit gehabt habe. Dagegen habe ich wohl ein Dutzend Köpfe von C. minor unter- sucht von beiden Geschlechtern, die kaum in der Grösse, aber sehr in der Form, das heisst der Schnäbel variirten. Einige hatten fast ganz die Form von C. musicus, während andere ganz abgeplattet waren und dem Löffelentenschnabel ähnelten, welches ich bis jetzt nie bei C. musicus beobachtet habe. — Vergangenen Frühling hat der Kückzug von C. minor am 5. März begonnen. Anfangs zeigten sich kleine Züge, die aber bis gegen die Mitte des Monats immer grösser wurden, so dass man Trupps von nahezu hundert Stück auf überlaufenen Wiesen unweit der Stadt gesehen haben will. (Wiepken in „Litt.", 30. November 1880.) -^-) Die Beobachtung Wiepken's ist ganz vortrefflich und giebt einen neuen sichern Halt bei der Unterscheidung der ver- wandten, aber doch in ihrer Lebensweise so verschiedenen Arten. Freilich ist die Art durch die Naumann'schen Kennzeichen stets mit Sicherheit zu unterscheiden, wenn auch die Grössenab- weichungen sehr bedeutende sind und die Ausdehnung des Schwarz am Schnabel sehr wandelbar. Immer sind es die gelben oder schwarzen Nasenlöcher, welche die Art sicher bezeichnen. Wie bekannt wurde Cygnus Bewickii bei seinem ersten Auffinden in Deutschland verkannt und von gewisser Seite be- harrlich als Art vertreten, was zwar von dieser Seite — bei dem bekannten Prinzip der Arten-Vereinigung — hätte über- raschen können, wenn nicht zu berücksichtigen wäre, dass dem Autor die anerzogene Zähigkeit, an dem gesprochenen Worte festzuhalten und der Mangel an Material und bezüglichen Schriften nicht zur richtigen Erkenntniss hätte kommen lassen. (v. Homeyer.) -"■^) Merkwürdig ist, dass in letzter Saison so wenig Cygnus minor erschienen, die beide Mal nur durchgezogen, ohne hier zu verweilen, welches in den letzten Jahren stets der Fall war. - 374 — Es sind vergangenen Herbst nur zwei Züge beobachtet, am 19. und 21. October, je von vierundzwanzig und sieben Exemplaren. Auf dem Rückzuge (9. März) ist nur ein Zug von sieben Exemplaren beobachtet . von denen Ihr Exemplar $ erlegt , weiter keine. Der Octoberzug hatte die Richtung von Osten nach Westen, der Märzzug gerade entgegengesetzt von Westen nach Osten. Merkwürdig ist, dass C. musicus in diesem Jahre in so grosser Anzahl erschienen, wie ich es nie erlebt. Es waren Trupps mitunter von circa dreihundert Stück. Dieselben kamen gegen Mitte Februar (14.) und blieben bis zum 6. März. Da zu der Zeit starker Frost war, sammelten sie sich zu Hunderten an offenen Stellen der Hunte, wo sie dann leicht geschossen wurden. Ein Jäger hat einmal zwei in einem Schuss erlegt. (Wiepken in „Litt.", 1881.) ^***) Die Lerchenzüge waren auch in diesem Jahre gross und habe ich mehrere davon zu verschiedener Zeit erlegt. Allein wie Sie aus den unten folgenden Maassen ersehen, variiren sie in der Grösse und weichen in dieser Hinsicht von den hiesigen kaum ab; nur die dunklere Farbe des Gefieders und der Füsse ist abweichend, oder verfärben sich diese später ? Hiesige Vogelliebhaber nehmen die dunkelfüssigen nie als Stuben- vögel, weil sie behaupten, dass dieselben nicht so gute Sänger seien, und hierdurch bin ich eigentlich erst auf Beobachtung dieser Lerchen gekommen. Auffallend ist, dass einige Vögel ihre Brutplätze verlassen, ohne dass sich die localen Verhältnisse anscheinend verändert haben. Hier z. B. Pernis apivorus und Totauus glareola. Ersterer horstete hier in der Nähe der Stadt alljährlich in zwei Paaren, aber seit längern Jahren nicht mehr, obgleich ihm nur einmal die Eier genommen, und T. glareola war früher an jedem Moortümpel brütend anzutreffen. Die Bodenverhältnisse haben sich nicht verändert. (Wiepken in ,.Litt.", 26. März 1881.) -''^) Die dunkelfarbigen Lerchen, von denen ich der Güte meines alten Freundes einige verdanke, zeigen wiederum einmal — 375 — recht deutlich, wie werthvoll für die Zugbeobachtung die genaue Unterscheidung der climatischen Formen ist und wie tüchtige Beobachter die Vogelsteller oft sind. Für die Beobachtung der Lebensweise unserer heimischen Vögel ist es daher auch sehr zu bedauern, dass die Liebhaberei für Stubenvögel sich — durch die Gesetzgebung gezwungen — nur noch fast ausschliesslich mit ausländischen Vögeln beschäftigt und beschäftigen kann und daher nicht mehr vermag, der Wissenschaft für die Kunde der heimischen Vögel dienstbar zu sein. Was die Lerchen anbelangt, so ist es mir noch nicht möglich gewesen das Vaterland derselben zu ermitteln, doch glaube ich dasselbe im nordöstlichen Eussland suchen zu müssen. (v. Homeyer.) -^^) Der liebe Vogelzug! Dies unerschöpfliche und unergründ- liche Capitel — da sind diesen Sommer z. B. nur ein paar Hundert junge Staare hier angekommen, wo sonst ein paarmal Hunderttausend vorüber ziehen ; Parus major diesen Herbst gar nicht, nur einen Vogel haben Aeulkens imd ich gesehen, sonst Tausende ! Den ganzen Juli hindurch, wo die jungen Staare hätten hier sein müssen, war westlicher Wind, stürmisch und regnerisch, auch Nordwest, dabei sind diese Vögel nun allerdings nicht zu erwarten. Nur einen Tag, den 13. : Wind nördlich, die Luft in Ost-Nord-Ost offen, als ob der Wind von dort kommen wolle oder in der Ferne diese Kichtung habe, da kommen sofort bis hundert Stück Staare. Nun aber, wo sind die Uebrigen ihres Wegs gezogen ? Andere Wege? Das glaube ich nicht. Hoch über Sicht überhin? Vorerst zieht aber der Staar nicht hoch, weder junge noch alte. Wer soll hier Licht schaffen!! Die Kohlmeise will Ostwind im October haben, dann ist sie hier massenhaft, wir hatten aber nichts wie West-Nord-West — Süd- West stürmisch. Regen — und nicht eine einzige Meise- Die Zugzeit ist vorbei. Ich meine, die Vögel suchen sich die Luftschicht auf, welche die ihnen convenirende Luftströmung enthält — und wie oft liabe ich hier beobachtet, dass z. B. die niedrigste Wolkenschicht — 376 — west-östlich zieht und eine etwas höhere Süd-westlich; die höchste ost-westlich. Letztere nicht etwa die unendlich hohen Cirrus, sondern alles innerhalb achttausend Fuss.*J (Gaetke in ,.Litt.") -^") Was die Gegenwart anbelangt, so ist dieselbe, so weit unsere geliebten Wanderer betheiligt sind, eine höchst trostlose, nichts als westliche Winde und Stürme mit Regen; da zieht nun einmal nichts dabei! 0! jetzt vier bis sechs Wochen schönes Herbstwetter mit östlichem und ost-südlichem Winde — da sollten Sie einmal sehen, was wir alles erhalten. (Gaetke in ,.Litt.", 1. September 1879.) -^^) Oldenburg scheint ein Ueberwinterungsplatz für Cygnus Bewickii zu sein. Meervogel ist er wohl nicht, da er bei Helgo- land nicht beobachtet ist, während C. musicus hier fast in jedem Winter vorkommt. (Gaetke in „Litt.", 20. Juli 1880.) 11.— 12. August 1877. Nachts. Sehr starker Zug aller langbeinigen Strandvögel, 12. -13. dieselben, sowie Miriaden von Nachtschmetterliugen (Gamma) beim Leuchtfeuer. Alles von Osten nach West fliegend. (Gaetke in „Litt.") ^6") Tringa subarquata kommt alt nur höchst selten vor. T. islandica alt im Juli zerstreut auf den Dünen, Anfangs August gefolgt von den Jungen, vereinzelt Alte und Junge den ganzen Winter. Calidris arenaria alt einzeln im Mai, Juni, Juli, kaum noch im August, Junge von hier an sehr viele den ganzen Herbst. Tringa maritima im August zerstreute junge Vögel. (Gaetke in „Litt.") ^'") Diese Zugzeiten stehen in Uebereinstimmung mit den von mir beobachteten. Dass bei Tringa maritima zuerst Junge erscheinen, darf nicht Wunder nehmen, denn die Alten verlassen *) Während ich dies durchsehe, habe ich ein ähnliches, oft erlebtes Bild vor Augen. y jj -~ 377 — ihre Heimath erst, wenn sie durch Eis und Kälte dazu gezwungen Averden. Von der preussischen und pommerschen Ostseeküste habe ich nie einen alten Vogel erhalten. (v. Homeyer.) -'') Sicherlich ziehen die Vögel auf der Herbst- und Frühjahrs- wanderung nicht denselben Weg, thäten sie es, dann würden in den beiden Perioden dieselben Arten in ähnlicher Zahl erscheinen. Ebenso bin ich für eine breite Zugfront eingetreten und über- lasse Andern den Gänsemarsch. (Gaetke in „Litt.") Der schwarzrückige Fliegenfänger bevorzugt entschieden die Westküste Schleswigs auf der Herbstwanderung. Im Frühjahre ist er nicht häufiger als an der Ostseite Schleswig-Holsteins, im Herbste aber weilt er Wochen lang in grosser Zahl hier, während man ihn weiter nach Osten gar nicht oder sehr vereinzelt antrifft. Auffallend ist dabei noch, dass er z. B. in Oldenburg von Wiepken ,.auf dem Herbstzuge noch nie gesehen worden ist." Wo bleibt da die Fortsetzung der sogenannten Zugstrasse? (Roh weder Husum in „Litt.") Auf Ihre Frage, wie hier der Zug der alten und jungen Vögel ist, antworte ich : die alten Vögel eröffnen den Zug gleich nach vollendeter Brut. (Rohweder in „Litt.") "-'-) Der Spornpieper. Anthus Richardi — Stelzenpieper. Dieser dem äussersten Südosten*) Europa's angehörende Vogel ist unbe- greiflicher Weise so oft schon in Helgoland erlegt, dass man ihn mit Recht als einen dort regelmässig erscheinenden Wandergast betrachten kann. Ausserdem wurden vereinzelte Spornpieper in Holland, Belgien, Frankreich und England erlegt. Nun hat es den Anschein, als ob er auch unter die regelmässigen Zugvögel *) Das Vaterland dieses Fiepers ist noch etwas problematisch, so- weit es sich auf ein bestimmtes Land Europa's bezieht. Sichere Be- obachtungen über brütende Stelzenpieper scheinen weder in Spanien, noch in Frankreich, Italien oder Griechenland .iremacht zu sein. v. H. — 378 - Borkums zu zäblen sei. Ich habe ihn für folgende Tage notirt : 1867 14. December 1 St. 1868 10. September 7 St. 13. d. M. 7 St.; 15. d. M. 2 St.; 21. d. M. 2 St.; Anfang October 1 St.; 17. d. M. 3 St.; 21. d. M. 1 St.; 22. d. M. 3 St. Dass ein so unscheinbarer Vogel lange Zeit übersehen worden ist, darf nicht verwundern. Doch einmal auf ihn aufmerksam, erkennt man ihn leicht, denn er ist in der That eine höchst eigenthümliche Erscheinung, Im Laufen schreitet er nicht, wie andere Pieper, sondern hüpft, gleich Drosseln. Im Fliegen fallen die hellen Federränder des langen Schultergefieders sehr auf, und verleiht ihm der lange, aussen weisse Schwanz ein bachstelzen- artiges Ansehen. Auch sein Flug gleicht dem einer Bachstelze, da er sich in grossen Bogen auf und nieder schwingt. Beim Auffliegen ruft er stets seinen Lockton aus und klingt diese Stimme kurz „zirp" oder „ziepp", wie wir es nicht selten von Sperlingen zu hören gewohnt sind. Dieser Pieper zeichnet sich vor den übrigen kleinen Vögeln auch noch durch seine ungemeine Scheuheit aus. Mehr als einen Schuss anzubringen glückte nie; ja selbst um dieses zu können, musste man unter grösster Vorsicht gedeckt anschleichen. Seinen Aufenthalt nahm er ziemlich überall. Wir haben ihn beobachtet, in verschiedenen Dünentheilen, am Deich, in der Aussenweide und in Gärten. (v. Droste, S. 184.) -"^) Die Steppenhühner wandern durch Ungarn (und Polen?) nach Deutschland. Am 6. Mai 1863 wurden in der Nähe von Solkenitz bei Brunn in Mähren vier Stück beobachtet, eins davon erlegt. Ungefähr um dieselbe Zeit bemerkte man einen kleinen Trupp bei Post in Ungarn und demnächst bei Wien und einen andern bei Prag in Böhmen. Am 14. Mai wurde ein Exemplar bei Tucliel auf einer Haide in Westpreussen erlegt. Am 17. und 20. traf man die ersten Schwärme (2") und circa 30 Stück) l)ei Glogau in Schlesien und bei Wöhlau in Dessau. Am folgenden Tage (21.) wurden die ersten Gesellschaften auf Borkum, auf Helgoland und in England bemerkt: und ungefähr auf diese Zeit - 379 - fällt ihr Erscheinen in Dänemark und in Holland*). Am 24. sollen sich Steppenhühner auf der Wolterdinger Haide in Hannover aufgehalten haben und Tags darauf beobachtete der berühmte Or- nithologe Heine auf seinem Gute bei Halberstadt einen Flug von achtzehn Stück. Noch im Mai wurden etwa vierzig Stück in Sachsen und Ende des Monats zwanzig auf einer Feldmark in Ostpreussen bemerkt. Am 2S. flog sich ein Steppenhuhn am Telegraphendraht bei Lingen todt, und am 4. Juni wurden zwei Stück in Brandenburg observirt. Damit hat der Durchzug durch Deutschland sein Ende erreicht. Diese spärlichen Daten geben uns freilich nichts weiter, als die ungefähre Dauer des Zuges; denn ich kann nicht annehmen, dass die grossen Massen, welche wir in Ostfriesland, Holland, Dänemark und England finden, in Deutschland unbemerkt ge- blieben sein sollten. Ich glaube vielmehr, dass dieselben Deutsch- land in einem Fluge überflogen haben, ohne sich auszuruhen und dass diejenigen, welche man bis jetzt im Innern getroffen hat, ermüdet oder vielleicht zum Theil versprengt gewesen sind. Kastlos werden sie weiter gezogen sein, bis sie Salzsteppen, wie sie solche in ihrer Heimath verlangen, gefunden hatten, nämlich bis zum Seestrande. Vom 4. Juni bis Mitte September halten sich in Deutschland nur dort noch Steppenhühner auf, wo sie sich ein- gebürgert haben, zu Borkum und auf Helgoland. Ein versprengtes Exemplar wurde am 1. August bei Brieg erlegt, ein anderes im Juli bei Rimini in Italien. Kleine Gesellschaften wurden nach Frankreich verschlagen und wurden am 2. und 18. Juni bei Chalon sur Saon, drei bei Biscarolle und an einundzwanzig bei Courceille beobachtet. Die Richtung des Frühjahrszugs scheint von Ungarn durch Deutschland, auf Holland, England und Dänemark gerichtet gewesen zu sein. Die Ostsee haben sie nicht berührt, obwohl sie im Herbst dorther zurück wandern. In Dänemark *) van Wickevoort-Crommelin giebt zwar in „Neederl. Tydschr. f. Dierkunde" ihr Erscheinen für den Anfang des Monats an, doch sagte er mir persönlich, dass sich der Termin nicht genau feststellen lasse. Die Daten, welche ich an Ort und Stelle erfahren konnte, fallen allo nach dem 20. v. H. - 380 — erschien im Frühjahre ihre Masse auf der Westküste, und nur ein Paar wurde auf der Insel Laaland gesehen. (von Droste, Borkum, S. 125.) -'*) Besuche in frühern Jahren. Das erste Mal. dass diese Art Steppenhühner auf europäischem Boden erlegt wurde, soll vor vielen Jahren bei Sarepta in Südrussland gewesen sein. Jedoch ist dieser Fall nicht hinlänglich verbürgt. Im Jahre 1859 wurde im Mai ein Paar bei Wilna erlegt. Im Juli desselbeu Jahres erschien sodann ein anderes Paar in eben jenen Dünen bei Zandvoort, wo sich jetzt die grosse Menge niedergelassen hatte, und blieb dort, bis es im October geschossen wurde. Wahrscheinlich hat es damals genistet und sind die Eier aus- genommen. Ein einzelnes Steppenhuhn wurde Ende Juli in -Jütland erbeutet, ebenfalls dort, wo jetzt die Steppenhühner brüteten. Und Anfang Juli wurden in England zwei Exemplare erhalten, und zwar in Norfolk und North-Wales. (von Droste, S. 129.) -'^) Das Regelmässige in den Zügen spricht sich sehr be- stimmt in dem Aufsuchen derselben Plätze in den verschiedenen Jahren aus. Es lässt sich nun mehr mit grosser Wahrschein- lichkeit annehmen, dass die Wanderer früherer Zeiten die Führer der spätem grossen Züge waren, selbst da, wo von einem gewissen Platze aus ein Paar bemerkt und erlegt wurde, indem nicht alle vorhandenen Steppenhühner gesehen wurden. (von Homeyer.) -'^) Die liückreise durch Deutschland. Dieselbe nimmt erst imi Mitte September ihren Anfang. Die Steppenhühner wandern jetzt nicht direct auf Ungarn, sondern folgen den Seeküsten und gelangen so zur Ostsee. Von Borkum siedelte um diese Zeit ein Schwärm nach Norderney über, ohne dass deshalb die Zahl sehr vermindert worden wäre. Mitte September machte einmal ein grosser Haufen in der Umgebung Hamburgs Halt. Vielleicht waren es die Helgoländer. Ende September stellen sich grosse Schwärme auf Eugen ein und am '^. October wandert eben dort - 381 - eine Rotte von hundertfünfzig bis zweihundert Stück in der Richtung nach Süd-Ost. Bis zum 17. verschwinden sie von Borkum. Am 17., 19., 21. und 22. beobachtet ein Ornithologe verschiedene Steppenhühner auf einer Halbinsel Pommerns. *) Damit hat der Rückzug sein Ende erreicht, aber man findet noch einzelne Versprengte und zwar im Innern Deutschlands, nämlich im December bei Stuhlweissenburg, am (3. fünf Stück und später ein Stück in Posen und im Winter in Galizien bei Brody. Dieser Ort ist der östlichste Punkt ihres Vorkommens auf diesem Einfalle in Europa. (v. Droste, Borkum, S. 129.) -"') Der Schneeammer. (Plectrophanes nivalis Pall.) Auf Borkum sollen sie alle Jahre erscheinen, zuweilen in grosser Menge, selten vor Beginn des ersten Frostes. Wenn die Insel ringsumher mit Eisbänken umlagert ist und der beraste Boden unter dem Tritte knistert und knirscht, dann sind eines frostigen Morgens grosse Schwärme dieser bunten Vögel wie hervorgezaubert. Dicht au den Dünen laufen und flattern sie auf jenen Flächen, welche mit Glaux maritima be- grünt sind. Hier lesen sie von den erstarrten Pflänzchen den zahlreich vorhandenen Saamen und mögen sich auch manches der saftigen Blättchen schmecken lassen. Auch in den Dünen selbst begegnen wir kleineu Gesellschaften von ihnen. Sie klettern hier auf den halb umgeknickten Grasbüschen oder springen vom Boden aus in die Höhe, um die Aehren der Gräser herab zu ziehen. Oder sie suchen ihren Unterhalt in der Aussen- weide, wo die grauen Büsche des Strandwermuths im kalten Nordwinde hin und her schwanken. (v. Droste, Borkum.) ■-'*) Die Berglerche. (Alauda alpestris L.) Diese Art ist in den nordöstlichen Theilen Europa's und in Nord-Asien ein- heimisch. In Skandinavien kommt sie als Brutvogel nicht süd- licher als unter dem G7 " n. Br. vor, und ist dort an den Meeres- *) Es ist mir leider nicht möglich gewesen, den Namen des Orni- tholo^en oder den der Halbinsel zu ermitteln. v. H. — 382 — küsten am häufigsten. Sie nistet fernerhin im russischen Lapp- land und südlich noch in der Gegend von Orenburg. In Sibirien findet sie sich am Aldan-Gebirge, in den sajanischen Alpen, im Selenga- und im üda-Thale. In Deutschland, in den Nieder- landen und in Frankreich wurde sie vielerorts in den Winter- und Frühjahrsmonaten erlegt, jedoch scheint sie nirgends als regelmässiger Wandergast aufgetreten zu sein. Auf Borkura beobachtete der Grenzaufseher Ahrens am 21. April 1868 fünf ihm unbekannte Vögel an den Bandjedünen, von denen er zwei Exemplare erlegte. (v. Droste, Borkum.) -'^) Wenn es auch nachgewiesen ist, dass diese Lerche vor mehr als hundert Jahren die Nordküste Deutschlands nicht allzu selten besucht hat, so scheint sie sich doch aus dem nordöst- lichen Kussland mehr und mehr nach Lappland gezogen zu haben und in Folge dessen das nordwestliche Deutschland in neuerer Zeit häufiger zu besuchen, als dies früher geschah. Volle Sicherheit der Beobachtung lässt sich um deswillen nicht nach- weisen, weil uns die genaue Kenntniss aus alter Zeit fehlt. (v. Homeyer.) -^^) Der Birkenzeisig. (Acanthis linaria L.) Auf Borkum erschien 1866 die erste Gesellschaft am 15. October. Am Nachmittage des 17. folgte ein ziehender Schwärm dem andern; die grösste Masse stellte sich aber erst am 20. ein, an diesem Tage war die ganze Insel buchstäblich davon erfüllt, jeder Baum und jeder Strauch, ja sogar die Sanddornen der Dünen und der Seewermuth der Aussenweide musste einige Birkenzeisige auf- nehmen. Anfang November waren sie kaum weniger vorhanden. Im Winter sind sie viel seltener, im Februar häufiger, und ver- schwinden im März. (v. Droste, S. 111.) -^^) Nie werde ich es vergessen, wie ich einst zu Schiff siebzehn Wassertretern in der Nähe der Dollart-Mündung be- gegnete. Das Meer war durchaus nicht ruhig und die Wellen- hügel waren schon ganz respectabel, zwischen welchen diese winzigen zarten Vögel umherschwammen. Doch unbekümmert — 383 — ruderten sie kopfnickend voran und ab und zu erhob sich einer von der Kuppe eines Wasserhügels und Hess sich bald wieder auf eine solche herab. (v. Droste, S. 173.) -*-) Wie schon oben gezeigt, sind die Wassertreter keine Strandvögel, wenn sie sich auch zeitweise an den Strand be- geben. Auf der Wanderung bleiben sie bei Tage , ähnlich vielen Enten, auf dem hohen Meere und um deswillen werden sie weniger bemerkt, als ihre Anzahl erwarten lassen müsste, (v. Homeyer.) -®^) Das Garten-Kothschwänzchen. Kuticilla Brehm, phoeni- curus L. Sehr gemein auf dem Zuge, sowohl in den Dünen, auch wo dieselben nicht mit Weiden- oder Sanddorngestrüpp bewachsen sind, als auch in allen Hecken und Gärten. Sie wandern des Nachts und sind dann plötzlich eines guten Morgens in Menge angelangt, und verschwinden ebenso plötzlich, als sie kamen. 1864 am 27. August bereits seit acht Tagen zahl- reich. 1865 am 15. September ebenso. 1866 am 27. September viele, 20. fast ganz verschwunden, 1. October gemein, 5. Alles voll und später kein einziges mehr gesehen. 1867 am 7. Mai nicht selten, 14. und 15. zahlreich untertags die Dünen entlang wandernd. (v. Droste, S. 94.) -**) Das Eothkehlchen. Erythacus Cuv. rubecula L. Gleich dem Rothschwänzchen auf dem Zuge allgemein in Gärten, Acker- ländereien, Dünen, wo nur ein Strauch grünt, ja selbst auf den kahlen Sandhügeln zu finden. Die erste Hälfte ihres Herbst- zuges fällt mit der zweiten vom Rothschwänzchen zusammen. 1865 schon am 15. September einzeln. 1866 am 3. und 4. October hie und da, 7. in der Nacht in Masse angelangt, 10. wenige, 11. in allen Hecken, 13. wandern am Tage von Düne zu Düne. 1867 letzte Woche April bis 5. Mai. (v. Droste, S. 95.) ^*^) Emberiza hortulana L. Gartenammer. Zieht regel- mässig und nicht selten durch, sowohl im Frühjahre als im Herbste. August bis October und Ende März ])is Mitte Mai. (v. Droste, Borkum.) - 384 — ^^*') Die Saatgans. (A. segetum Beclist.) Im Spätherbste brechen sie von ihrer Heimath auf und wandern südwärts oder vielmehr westlich. In grossen Schaaren verbreiten sie sich über das gemässigte Europa und die Mittelmeerländer bis Palästina hin. Auch in Deutschland überwintern sie in den meisten tief- liegenden Gegenden, besonders dort, wo sich weite Wiesenflächen breiten. Die Küstenstrecken Ostfrieslands und der Niederlande verlassen die enormen Schaaren der Saatgänse, selbst beim strengsten Froste kaum, um mit dem ersten Thauwetter wieder 7A\ erscheinen. Unter den echten Gänsen sind sie dort zu Lande die häufigsten, und auf zehn Saatgänse kommt höchstens eine der andern Arten. Sie erscheinen schon Ende September an allen Buchten der Küste, und bis zum December hin gewahrt man auf Borkum fast täglich grössere und kleinere vorüber- ziehende Heerden. Im Frühjahre beobachtete ich sie noch in den ersten Tagen des Mai. (v. Droste, Borkum, S. 263.) -^') Die Dreizehenmöwe ist mehr ein See- als ein Strand- vogel, und nähert sich dort der Küste am häufigsten, wo tiefere Wasser an sie heranreichen. (v. Droste, S. 342.) -^^) Die kentische Seeschwalbe. (Sterna cantiaca, Gm.) Anfangs zeigen sich insgemein nur einige wenige, doch schon kurz darauf hat man Gelegenheit, grosse Heermassen von ihnen untertags wandern zu sehen. Dieser Zug hält wenige Tage an, und schon im Laufe einer Woche versammelt sich die ganze grosse Colonie. 1867 am J I.Mai. Tageweise wimmelt nun die Luft über der Insel buchstäblich von ihnen, während sie zu andern Zeiten meilenweit zerstreut sind oder auf fernem Meere einem Zuge kleiner Fische das Geleit geben. (v. Droste, Borkum, S. 322.) -^'•'j Die Flussseeschwalbe. (Sterna hirundo L.) Die Fluss- seeschwalben der Rottumer Colonie verlassen auf ganz andern Wegen als die kentischen Meerschwalben die Insel. Der geringe Theil, welcher nach Borkum hinüberzielit fliegt direct durch die Dünen zum Hopp und auf demselben fort bis zum Watt. Die gi'össere Hälfte aber zieht von Rottum zum benach- barten Festlande. (v. Droste, S. 331.) — 385 — -^**) Was Junge und Alte anbelangt, so muss sich der Zug im Allgemeinen hier viel deutlicher aussprechen als anderswo, wo die nördlichst brütenden einer Art die südlichem Mstplätze derselben nach dem Zuge zu passiren haben. Ich sage Ihnen, alle, deren Jugend- und Alterskleider eine merkliche Ver- schiedenheit zeigen, kommen dieser Regel stricte nach (mit Ausnahme des Kuckucks), Staare, Ring-Schwarzdrosseln, Rothschwänzchen, Bachstelzen, Steinschmätzer u. s. w. Entgegen- gesetzt im Frühjahr, z. B. gestern und heute, sah ich in meinem Garten die ersten Braunellen, vielleicht zwanzig Stück, alfe alte Männchen mit blaugrauem Kopf, während man vier bis fünf Wochen später nicht einen einzigen mehr erblicken würde, indem dann die braunen Weibchen den Schluss des Zuges bilden. Aeukens und ich, die wir vierzig Jahre zusammen auf das Auf- merksamste gesammelt haben, müssen doch über jeden Zweifel hinaus wissen, zu welcher Zeit wir für die gewünschten Alten oder Jungen einer Art aufzupassen haben — es kommt uns hier nur immer unglaublich vor, wie irgend Jemand an diesem A-B-G für uns zweifeln kann. (Gaetke in „Litt.-') -^') Was den Frühlingszug anbelangt, so bin ich ganz mit vorstehender Ausführung einverstanden, indessen für den Herbst- zug muss ich bei meiner oben entwickelten Ansicht beharren, so weit es die deutschen Festlandsküsten anbelangt. Alle mir zugänglichen Beobachtungen aufmerksamer Forscher stimmen auch mit mir überein, und dürfte daher das Abweichende nicht in den hiesigen Verhältnissen, sondern in denen Helgolands liegen und zweifle ich nicht, dass es unsern vereinten Bemühungen gelingen wird, die Gründe zu erforschen. (v. Homeyer.) -■--) Dass man bei manchen Vögeln im Winter wesentlich Alte sieht, wie sie selbst sagen, beweist ja, dass diese das Knde des Zugs bilden, indem sie die sind, die unter unsern Breiten für gewöhnlich nicht weiter gehen, und es hat jede Art unter irgend einer Breite ihre Nachhut, die den Schluss der langen Colonne bildet und die aus alten Männchen (zumeist, auch wohl einigen ganz alten Weibchen) besteht, wie ja die von Ihnen V. Homeyer, Wanderungeu der Vügel. --J - 386 — weiter angeführten : Strix nivea, Larus glaucus und Anas dispar ebenfalls exemplificiren, von denen wir nur die Vorhut zu sehen bekommen, die aus jungen Vögeln besteht. (Gaetke in ,.Litt.", 1880.) '^^) Schon wiederholentlich habe ich erwähnt, dass es eine Classe von Vögeln giebt, welcher der Wandertrieb nur in sehr geringem Maasse eigen ist und die nicht zu einer bestimmten Zeit, sondern je nach dem frühern oder spätem Vordringen des Eises sich südlicher ziehen. Dahin gehören die von Gaetke erwähnten Vögel und manche andere. Um diese handelt es sich aber nicht, sondern um die regelmässigen Wanderer , von denen alte und junge Vögel in weiter Ferne kenntlich sind, als Tringa islandica, subarquata, Limosa rufa etc. (v. Homeyer.) -"*) Nochmals auf Turdus Swainsoni = alicae zurückkommend, so soll nach Angabe Taczanowski's die grauere Form durch den Baron Maydell im Tschuckschen-Lande, nördlich von Kamtschatka, sehr häufig gefunden sein, und zwar nur diese. Mein Vogel, wie ich schon des Oefteren betont, kam jedenfalls von Osten her im Verein mit einer Masse seiner Landsleute zugleich. Er hat aber doch etwas mehr blasse Rostfarbe an Hals und Kopf wie Ihre grauen Bälge; viscivorus, musicus u. s. w. bieten ja ganz dieselben Farbenunterschiede dar. Durch Sie zu erfahren, dass die graue Form eben so häufig in dem östlichen Amerika vorkommt als in Californien , ist mir eine sehr will- kommene Mittheilung. (Gaetke in „Litt.") 2"^) Ei da habe ich kürzlich einen mir sehr willkommenen Fang gemacht, ein Falco palumbarius, der mir noch im ausgefärbten Kleide fehlte. Ist es nicht merkwürdig, dass während meines vierzigjährigen Sammeins nicht ein einziger alter Vogel dieser Art hier vorgekommen und meines Wissens nur zwei junge Herbstvögel hier geschossen sind? Angesichts der weiten Verbreitung dieser Art ist es wirklich wunderbar, dass sie hier nie gesehen wird. Die Vögel aus ihrer enormen Zug- höhe herab sehen aber, dass ihnen das Terrain hier nicht passt — 387 — und fliegen ruhig weiter; so der Kolkrabe, den icli hier nur einmal während vierzig Jahren geschossen. Es war derzeit ein Helgolander Fahrzeug mit Producten auf der Düne zerschellt, die Viertel Ochsen, Hammel u. s. w. lagen längs des Strandes im Sande herum und sofort war ein Kolkrabe da. Wäre der Tisch jeden Herbst derart gedeckt, so sähe man, meiner üeber- zeugung nach, auch diesen Vogel stets zu solcher Zeit. (Gaetke in „Litt." 1880.) -^*) Auch ich finde es gar viel wunderbarer, dass ein Raub- vogel in so langer Zeit sich nicht hat auf Helgoland sehen lassen, der doch alljährlich in grosser Zahl aus dem Norden kommt, weit wunderbarer als das Vorkommen einer Art einige Meilen weiter als dies bisher geglaubt und angenommen wurde. (v. Homeyer.) ^^') Aber, mein V^erehrtester, ich befürchte mit dem Sporn- pieper macht Ihnen Ihr Forschungsdrang etwas zu viel Sorge. Ich habe soeben den schönen Baikalvogel, welchen ich Ihrer Güte verdanke, mit meinen Exemplaren verglichen und kann nur sagen,- dass er in keiner Weise von denselben mehr abweicht, als diese unter sich es thun. Der Sporn und die Nägel zeigen keine grössern Verschiedenheiten, als dies z. B. bei unsern Feld- lerchen der Fall, von denen ich ganz kürzlich einige achtzig vor mir auf dem Tische liatte und zufällig meine Aufmerksamkeit dem Fusszeug ganz besonders zuwandte. Alle aufgewandte Mühe hat doch nicht vermocht, den Richard-Pieper wo anders als Brut- vogel aufzufinden, als in Davurien — nicht westlich vom Baikal. — Seebohm bekam einen jungen Vogel im ersten Herbstkleide vom obern Jenissei, etwa Mitte August, zu einer Zeit, wo bei günstigem Wetter solche junge Vögel auch schon hier vor- gekommen. Er wird ja natürlich über die Grenzen von Davurien hinaus brüten, etwa der Mongolei, Mandschurei bis zum Japanischen Meer, so dass die Chinavögel auf dem Zuge nach oder von Süden begriffen waren. Wunderbar nur ist, dass der Herbst- zug so mancher Arten sich rechtwinkelig theilt, wie eben der dieses Piepers und anderer, die eigentlich ihr Winterquartier 25* — 388 — im südlichen China, Indien bis zu den Snnda-Inseln hinunter haben, dennoch aber wieRichardi zu Tausenden westwärts wandern bis England, Frankreich und Spanien. (Gaetke in „Litt." 1880.) -^^) Die vorstehende Mittheilung bezog sich auf eine Aeusse- rung meinerseits, dass zwei Spornpieper, die ich aus China von Swinhoe erhielt, nicht ganz mit den Baikalvögeln überein- stimmten und ich daher mich berechtigt hielt, die Zugrichtung der letztern westwärts und südwestwärts zu suchen. Sehi- in Zweifel jedoch möchte ich ziehen, dass die Vögel aus derselben Gegend auch nach Indien wandern. (v. Homeyer.) Das westliche Deutschland. Wie schon weiter oben an verschiedenen Orten berührt, ist die Zugrichtung im westlichen Deutschland wesentlich Süd-West — Nord-Ost, oder auch etwas mehr nach West-Ost neigend. Viele Schriftsteller haben die Vermuthung ausgesprochen und manche halten noch daran fest, dass der Ehein eine so- genannte Zugstrasse der Vögel bilde. Nähere Untersuchungen haben jedoch erwiesen, dass diese Annahme auf einem Verkennen der Vorkommnisse beruht, indem der Rhein, namentlich in seinem mittlem Laufe, zwar viele Raststationen bietet durch Buchten, Sandbänke, sumpfige Laken u. s. w., welche den Wandervögeln einen zeitweise passenden Aufenthalt gewäbren, aber nicht, oder ganz unwesentlich, von ihnen auf längern Strecken verfolgt wird. Noch vor wenig Jahren habe ich selbst diese allgemein angenommene Ansicht bei Besprechung des Palmen'schen Werkes (Cab. Journ.) für richtig gehalten, doch haben mich fortgesetzte Studien dieses Gegenstandes überzeugt, dass eine solche Wanderstrasse nicht besteht, dass dieselbe, durch keinerlei Beobachtung bestätigt, nur ein Produkt von AVahr- scheinlichkeiteu ist. Diese Wahrscheinlichkeiten erscheinen aber recht unwahrscheinlich, ja unglaublich, wenn man die neuern Deductionen der Meereskästenwanderungen auf der Karte ver- folgt und sieht, wie die Vögel von der allgemeinen Küsten- — 389 — richtung iu einem spitzen Winkel (etwa 25 '^) zurück wandern müssten, um an den Khein zu gelangen. Diese Wabrscheinlichkeitslehre hat aber auch noch darin eine grosse Schwäche, dass sie nicht einmal versucht, eine Er- klärung zu geben, wie der Wandervogel es vermögen soll, unter so grosser Abweichung von der bisherigen Richtung unter der Menge von Buchten und Plussmündungen der holländischen Küste, diejenige aufzufinden, welche die Herren Gelehrten für die richtige und zweckmässige halten. Wie schon öfter erwähnt, bedarf diese Lehre der Thatsachen nicht, die Speculation genügt und dieselbe ist freilich ohne Ende, wie die Zeitrechnung dieser Gelehrten, und es wird auch hier auf einige Hypothesen mehr oder weniger nicht ankommen. Ein ander Ding ist es freilich mit den thatsächlichen Be- obachtungen. Diese deuten alle auf eine Zugrichtung, welche den Lauf des Rheins schneidet, und der Aufenthalt der Vögel daselbst ist eben nur ein zeitweises Verweilen an passenden 0 ertlichkeiten. Dass auf dem Bodensee Vögel mancher Art und aus den verschiedensten Gegenden, namentlich auch aus dem Osten, vorkommen, ist ja bekannt und eine Erscheinung, die auf allen Gewässern vorkommt, gleichviel, ob dieselben mit Stromläufen in Verbindung stehen oder nicht, nur müssen die Ufer der Art sein, dass die Wandervögel reiche Nahrung finden. Es ist daher eine ganz irrige Ansicht, den Rhein als den Weg ansehen zu wollen, den die Mehrzahl der auf dem Boden- see vorkommenden Vögel einschlägt. Soweit thatsächliche Beobachtungen vorhanden, geht ja auch, wie oben erwähnt, der Zug West-Ost. Specielle Beobachtungen. -*"*) Limosa melanura. Die Sumpfwader brüten in grosser Menge in Holland, entfernen sich aber schon Ende Juli; im September treffen allda die im höhern Norden brütenden ein, ziehen aber bald weiter. Im Winter sind beide Arten an dem — 390 - mittelländischen Meere sehr häufig. Hr. Boie hat mich gefragt, ob die in Holland vorkommenden grossen Schwärme dieser Vögel hier durchziehen, wie dieses bei manchen andern Sumpfvögeki, z. B. Totanus fuscus, calidris, Tringa ochropus, glareola, cinclus, minuta, subarquata, alpina, pugnax, Charadrius auratus, hiaticula, minor, Vanellus cristatus etc. der Fall ist ; ich kann diese Frage mit nein beantworten. Den 20. März 1821 erhielt ich eine melanura ; es ist mir nicht bekannt geworden, dass dieser Vogel ausserdem (es war nur ein einziges Paar) in hiesiger Gegend im Frühling beobachtet worden sei. (Brück, Isis 1824, S. 681.) ^"") Unzweifelhaft ziehen die Strand- und Wasserläufer durch die Eheingegend, aber dies sind nicht die in Holland vor- kommenden, sondern nordwestliche Wanderer. Zögen die hol- ländischen Vögel durch die Eheingegend, so würde die in Holland häufig nistende Limosa melanura sicher nicht fehlen. (v. Homeyer.) 301^ Wir erblicken in den Wind Strömungen der Atmosphäre im Herbst und im Frühling den grossen Führer unserer Vögel auf ihren Wan- derungen. Wohl ergänzt und modifizirt diesen der Vogel erheblich durch seinen schon hervorgehobenen ausserordentlich entwickelten Ortssinn*), vermöge welchem er das Thal, die Flur, den Hain oder das Gebüsch und das Haus nach den Hunderten und Tausenden von Stunden Wegs wiedei-findet. Wollten wir dieses leugnen, so müssten wir ja dem Thiere jede geistige Selbstthätigkeit, jedes freie Handeln absprechen. (Geb. Müller in „Litt".) ^"2) Larus tridactylus S und $ wurden 12. und 13. Februar 1863 an verschiedenen Orten todt auf dem Felde gefunden. (Sachse in „Litt".) *j Recht deutlich tritt auch hier die Richtigkeit der iliddendorff'schea Ansicht vorn Richtsinn hervor. v. H. — 391 — «03) Dieses Auffinden todter Vögel, ohne einen einzigen lebenden zu bemerken, ist ein sicherer Beweis eines starken Zuges der Art. Die gesunden kräftigen Vögel sind unbemerkt vorüber- gegangen, die kranken und schwachen zurückgeblieben, wie ähnliche Erscheinungen bei allen Wanderungen der Thiere und Menschen hervortreten. (v- Homeyer.) 304- *) Die Vögel folgen hier nicht den Fluss- oder Bach- thälern, sondern halten stets eine südwest-nordöstliche Richtung ein. (Sachse [Altenkirchen] in „Litt.") 3"^) Diese Wahrnehmung eines unserer tüchtigsten Beobachter ist von grossem Werthe. (v- Homeyer.) Sibirien. So weit zuverlässige Beobachtungen vorliegen, und namentlich nach den vortrefflichen Auseinandersetzungen Middendorff's, geht die Hauptrichtung des Vogelzugs im Osten Asiens, wie wir dies auch bereits erwähnt haben, östlich. Naumann, und mit ihm Gaetke, vermuthen nun aber, dass die kleinen Drosseln, welche in einzelnen Exemplaren in Mitteleuropa aufgefunden wurden, die Reise über Land durch Asien gemacht haben und — wenn auch Middendorff an der allgemeinen Zugrichtung festhält — ist derselbe doch geneigt — auf Grund thatsächlicher Be- obachtungen — bei den Drosseln ein Kreuzen der Zugrichtungen anzunehmen, ähnlich wie wir dies früher (Gab. Journ.) bei Aquila naevia und A. clanga nachgewiesen haben. Es würde dies das verhältnissmässig öftere Erscheinen dieser und mancher andern Vogelarten in Europa erklären, auch das auffallend häufige Vorkommen von mittelasiatischen Vögeln auf Helgoland. Gleichzeitig aber müssten neue Bedenken erregt werden gegen voreilige Schlüsse, die auf Grund der oft nur muthmaasslich festgestellten Zugrichtung einer Art sofort allgemeine Zugrichtungen bestimmen möchten. Der ungeheure Raum, den wir gewohnt sind mit Sibirien zu bezeichnen, ist auch zu wenig erforscht, als dass es möglieb — 392 — wäre, im Allgemeinen bestimmte Angaben zu machen, immerhin sind die Mittheilnngen Middendorff's auch hier von hervorragender Wichtigkeit. Es sind auf thatsächliche Beobachtungen gegründete Schlüsse eines scharfen Denkers, der sich hier in üeberein- stimmung mit Naumann, Blasius, Gaetke befindet. '^^^) Naumann (Naumannia 1850, III, S. 7; 9) hegt eine Ansicht, die ich vollkommen theile. Dass ich die Drosseln Ost- sibiriens in kreuzender Richtung ziehen sah, widerspricht seiner Ansicht nicht, sondern bestätigt sie eher. Diese Zugrichtung Ost-West ist auch eine der Möglichkeiten für das Erscheinen der ameril{:anischen Drossel Turdus minor Gm. in Mitteldeutsch- land, wo sie bekanntlich von Naumann gefangen wurde. Jeden- falls ist es möglich, dass sie über den atlantischen Ocean nach Europa kam; aber auch über Sibirien lässt sie sich herleiten. Diese Drossel ist meines Wissens sonst nirgends*) auf dem alten Festlande gesehen worden. An den Nordwestküsten Amerika's**) kommt sie vor. Kittlitz und Sagoskin brachten uns den Turdus minor von dort, und es ist daher möglich, dass er in Kamtschatka lebt und von dort nach Westen gelangte. ^^") Ledebour (Eeise 1830, II, S. 431) sah auch in West- Sibirien, unter nahe 48 " östlich vom Tarbagatai, am 6. September zahlreiche Schaaren des Nusshehers (Nucifraga caryocatactes) von Westen nach Osten ziehen. Wanderten aber diese Zigeuner, oder strichen sie nicht vielmehr, als subalpine Vögel, den Zapfen der auf den Gebirgsausläufern wachsenden Nadelhölzer nach? (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Th. 11, S. 1166.) '^'^^) Auch die Schneehühner könnten vielleicht in vorliegen- der Beziehung eine Rolle spielen. Es wiederholt sich nämlich immer wieder die Behauptung, dass innerhalb des Polarkreises in Sibii'ien während des Winters ausser den Weiden- und Alpen- *) In neuerer Zeit sind in Belgien, Helgoland und Holstein kleine Drosseln aufgefunden. v. H. **) Im nordöstlichen Sibirien ist in neuerer Zeit eine kleine Drossel- art zahlreich aufgefunden. v. H. — 393 — sclineehühnern noch eine kleinere dritte Art erscheine. Diese muss eng umgrenzte hochnordische, vielleicht insulare Brut- orte einnehmen, da ich sie im Taimyrlaude nirgends zu finden vermochte. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. lY, Th. 11, S. il6-i.) ^^*^) Es ist eben nicht der Kampf ums Dasein, der Trieb der Selbsterhaltung*), in welcher Gestalt er auch auftreten möge, um den es sich bei den Wanderungen handelt. Dem aufmerksam beobachtenden Vogelfreunde fehlen im Frühjahre viele alte Bekannte. Vergebens erwartet er sie. Zu Hundert- tausenden unterlagen die kühnen Wanderer auf der gefahrvollen Reise. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Th. II, S. 1127.J '^^^) Des Herrn Przewalski's Aufzeichnungen aus der Ussuri- gegend geben uns schon jetzt manche Andeutungen für das Eigenartige des Vogelzuges, dort, wo kahle kontinentale Steppe und Tiefschnee inmitten üppigen Waldwuchses und dichten Unter- holzes so unvermittelt aufeinanderstossen , wie in den Quell- gegenden des üssuri. Suchen wir die Erscheinungen in wenige charakteristische Züge zusammen zu fassen. Hie und da wintert eine Ente (zumal Anas clangula) an Offenstellen eines Gebirgsbachs oder Seeausflusses. Die Gegend liegt noch im tiefen Winter und doch treffen schon am 24. Februar (alten Styles) Schwäne als die ersten Zugvögel ein. Ihnen folgen zu Anfang März rasch hinter einander Enten, Kraniche, Raubvögel, ja sogar Emberiza polaris, Alauda arvensis, Vanellus cristatus, Lanius major; kurz, bis zum 9. März sind schon zweiundzwanzig Arten angelangt. Unterdessen aber giebt es am 4. März noch 21 ° R. Frost, das Eis auf dem See hat bis drei Fuss Dicke ; erst vom 23. März beginnt das Ther- mometer Mittags im Schatten über "^ zu stehen, aber nichts desto weniger setzen Kälte (bis 13 ") , Sturmschnee und böse *) Die Natur hat nicht die Erhaltung des Individuums, sondern die der Art zum Zweck, und das Individuum folgt dem ihm gegebenen Triebe zur Erhaltung der Art, ohne Rücksicht auf das eigene Leben. V. H. — 394 — Unwetter bis in den April hinein ihr Unwesen fort. Unterdessen lassen die kühnen Wanderer sich durch nichts abhalten, höchstens nur etwas aufhalten. Schon am 10. März kommen Monedula davurica, Sturnus cinerascens, Totanus fuscus, am 20., 21- Motacilla paradoxa, Upupa epops, Ibis Nipon; am 28., 29. Coturnix muta, Columba gelastes, Kuticilla aurorea; zu Anfang Aprü Ficedula superciliosa , Motacilla cinereocapilla , Scolopax gallinago, Calliope kamtschatkensis, Mitte April Yunx torquilla, Ficedula sibirica; am 19. Hirundo rufa, am 30. Hir. urbica, Plectr. lapponica; am 10. Mai Cuculus canorus, und am ib. beschliesst Oriolus conchinchinensis den Zug, obgleich eine Woche vorher noch die letzten Gänse zogen. (V. Middendorff, Sib. K., Bd. IV, Th. II, S. 1249.) G r ö n 1 a n d - I s 1 a n d. Es ist bereits oben auseinandergesetzt, dass die Vögel von Europa nicht über Island nach Grönland ziehen, sondern eine gerade Richtung einschlagen. Niemand hatte bessere Gelegen- heit, diese Wanderungen zu beobachten, als Holböll, indem der- selbe nicht allein lange Jahre in Grönland lebte, sondern auch oftmals die Reise nach Europa — und gerade zur Zugzeit der Vögel — machte. Dazu kommt nun nicht allein ein grosses Interesse für die Sache, sondern auch ein vorzügliches Be- obachtungstalent. Wunderbarer Weise sind die Arbeiten Holböll's von ge- wisser Seite gar nicht erwähnt, vielleicht nicht gekannt, vielleicht passten sie auch nicht in „das System". Blieb es doch auch ganz unbeachtet, dass verschiedene europäisch-grönländische Zug- vögel theils gar nicht, theils sehr selten in Island beobachtet wurden, man liess sie nach wie vor über Island wandern, weil man mit dem Zirkel in der Hand beweisen konnte, dass die directe Entfernung der Südspitze Grönlands von der Nordspitze Grossbritanniens grösser sei, als von einem dieser Punkte nach Island. Gesehen hatte freilich einen solchen Zug Niemand, aber darauf kam es auch nicht an in einer Arbeit, wo es sich nur - 395 — umMöglichkeiten und nicht Undenkbarkeiten handelt. Manche der Beobachtungen Holböll's sind bereits oben an- geführt, einige sollen hier folgen, zum Theil auch von solchen Arten, deren eigenthümliche Zugart daraus zu ersehen. 311) Strix brachyotus. Ich habe diesen Vogel hier zu Lande (Grönland) nicht lebend gesehen, ihn aber auf der Ueberfahrt bekommen, sowie ich ihn auch von mehren Colonien her in ein und demselben Jahre, aber nicht nördlicher als 65 ^ 30 ' erhalten habe. Die wenigen, welche ich sah, waren alte, im Mai ge- schossene Vögel. (Holböll, Isis 1845, S. 754.) 3^^) Saxicola Oenanthe. Ich habe darzulegen gesucht, dass wir diesen Vogel aus Europa bekommen und dass er wenigstens zum Theil die Reise nach Grönland gerade über das atlantische Meer macht, ohne Island zu berühren. Man sieht ihn etwa zu derselben Zeit in Südgrönland, in welcher er in Island ankommt, nämlich in den ersten Tagen des Mai. Nach Godhavn kommt er einen Monat später und bisweilen dennoch zu früh, d. h. so früh, dass der Schnee noch alles be- deckt und die Wärme noch keine Fliegen und andere Insecten hervorgelockt hat, welche ihm zur Nahrung dienen müssen, die ausschliesslich aus Insecten und deren Larven besteht. (HolböU, Isis 1845, S. 757.) 3^3) Tringa maritima. Ist im ViTinter ganz gemein so weit nach Norden, als das Meer nicht mit Eis belegt ist; sie hält sich in dieser Jahreszeit in grossen Schaaren, welche zahlreicher werden, sobald der Winter zunimmt und die Vögel südlich zu ziehen zwingt. (Holböll, Isis 1845, S. 764.) 3^^) Die Wassertreter sind wahre Schwimmvögel. Sie kommen fliegend zu ihren nördlichen Brütplätzen und verlassen sie wieder so; wenn sie aber dem Lande auf einige Meilen nahe gekommen sind, lassen sie sich in's Meer nieder. Man sieht sie da in Haufen schwimmen , und diese Zwerge unter den Schwimmvögeln ruhig den Wogen des stürmenden Eismeeres trotzen. (Faber, Isis 1824, S. 457.) — 396 — '•^^^) Mit dieser charakteristisclien Schilderung der Wasser- treter wird wiederum einmal recht deutlich gezeigt, wie wunder- bar die von Palmen getroffene Auswahl seiner Musterzügler ist. In der That hat sich derselbe dabei wohl einzig von dem Wunsche leiten lassen, hochnordische Arten zu wählen, um, wie er meint, dieselben auf recht langen Wegen beobachten zu können. Nun ist demselben nicht allein das Unheil begegnet, solche Arten zu wählen, die gar nicht zu den eigentlichen Wandervögeln ge- hören, sondern auch eine Anzahl solcher Vögel aufzustellen, Avelche zu den reinen Meervögeln gehören. (v. Homeyer.) C 0 r n w all. Eine der bedeutendsten Sammel- und Raststationen für ganz Europa ist unzweifelhaft Coruwall mit den Scilly-Inseln. Es sind dort Vögel aus den verschiedensten Ländern und Gegenden, namentlich aber nordamerikanische Strandvögel zahlreich be- obachtet worden, ja manchq, sonst für Europa ganz fremde, als ziemlich regehuässige Wanderer. Freilich bedurfte es zu diesen Wahrnehmungen auch so ausgezeichneter Beobachter, wie die Herren Rodd und Harting. Leider erlaubt es nicht der Raum, aus dem vortrefflichen Werke*) alles das wiederzugeben, was beachtuugswürdig für den Zug der Vögel ist, und müssen wir uns auf das Nachfolgende beschränken. (v. Homeyer.) Der Schrei- und der Schelladler (Aquila naevia und clanga), zwei nahe verwandte Arten, sind in Hinsicht ihres Aufenthalts- ortes und ihres Zuges wesentlich verschieden. Nacli Kessler soll der Don beide Arten scharf trennen, so dass östlich nur der Schelladler, westlich nur der Schreiadler vorkommt, der von da ab durch Südrussland, Ungarn, Polen sich nach dem östlichen *) Birtls of Cornwall and the Scilly Islands, by Harting. - 397 — Deutschland verbreitet. Es ist schwer zu bestimmen, wo der- selbe seine Winterquartiere sucht, nur so viel ist gewiss, dass er in die europäische Türkei und nach Griechenland geht, ob er daselbst jedoch überwintert oder nach Africa regelmässig weiter zieht, ist ungewiss, denn in Egypten ist er jedenfalls sehr selten. Alle die vielen sogenannten Schreiadler, welche ich aus Egypten sah, waren Schelladler; alle in Italien, Frankreich, England, Schweden auf dem Zuge erlegten sind mit seltenen Ausnahmen Schelladler, und namentlich scheint dies auch der Fall mit dem als Aquila naevia, in dem vortrefflichen Werke von Kodd, als in Cornwallis vorgekommenen beiden Schreiadlern der Fall zu sein. Es scheint danach, als wenn die Zugrichtung des Schell- adlers eine mehr westliche, die des Schreiadlers eine südliche wäre. (v. Homeyer.) ■^^*') Richardspieper (Anthus ßichardi) ist wiederholentlich auf den Scilly-Inseln auf dem Zuge beobachtet, darunter ein Exemplar am 19. September 1868 von Mr. Pechell auf der Insel Trescaw, zusammen mit einem Brachpieper (Anthus campestris), einem Vogel, der dort auch zu den seltenern Erscheinungen gehört. Am 23. September 1854 wurde daselbst eine kurzzehige Lerche (Alauda brachydactyla) erlegt. Die Rosendrossel (Pastor roseus) wurde in Cornwallis, vor- züglich in Land's End, öfter gesehen und erlegt, z. B. am 11. Juni 1853, am 9. October 1855, im April J 857 erlegt und verschiedene andere gesehen. (Rodd.) =^^') Land's End und die Scilly-Inseln sind für alle Vögel eine vielbesuchte Raststation. Es sind daselbst Arten mehrfältig beobachtet, welche anderweitig in Europa kaum jemals oder sehr einzeln gesehen wurden. Die Sumpf- und Wasservögel, welche dort vielfältig beobachtet wurden, z. B. der Purpurreiher (Ardea purpurea), der kleine Silberreiher (Ardea garzetta), der Schopf- reiher (Ardea comata), der Nachtreiher (Ardea nj'cticorax). Der Frühlingszug dieser Vögel ist fast regelmässig im April und Mai, der Herbstzug im September und October. Nur einzelne Wenisfe wurden zu andern Jahreszeiten gesehen. Eine grosse — 398 — Zahl von Rohrdommeln wurde in der zweiten Woche des December 1867 überall in Cornwall gefunden. Es scheint, dass diese Vögel dort ihre Winterquartiere nahmen. (Rodd.) ^•^) Von Wandervögeln wurden beobachtet: ein Zwergschwan, welcher in die Sammlung des Verfassers gelangte, verschiedene Gänse, während der ganzen Winterszeit auch einige seltene Erscheinungen, wie Anser canadensis, A. aegyptiacus, Plectro- pterus gambensis, von denen freilich nicht sicher ist, ob sie etwa aus der Gefangenschaft entflohen wären. (Rodd.) '^^'■') Eines merkwürdigen Zuges von Baumsperlingen erwähnt Rodd S. 56: „Im November 1860 brachte eine norwegische Brigg, ausser ihrer andern Ladung, sechs Feldsperlinge (Passer montanus) an das Land und derselbe erhielt sie zur Unter- suchung mit folgendem Bericht: als das Schiff sich zwischen der Doggerbank und dem Galoper Licht befand, kamen Tausende dieser Sperlinge au Bord des Schiffes aus einer unendlich grossen Menge der vorüberziehenden Schaar." (v. Homeyer.) '^-'^) Im Juli 1868 erhielt ich von verschiedenen Correspon- denten der Grafschaft die Nachricht, dass eine sehr grosse Ein- wanderung von Kreuzschnäbeln eingetreten wäre. Verschiedene Exemplare wurden mir während dieses Monats von den Scilly- Inseln und am 28. sieben oder acht Stück gebracht von dem Abteigarten der Insel Trescaw. (Nach der kurzen Beschreibung bestanden alle diese Exemplare aus jungen Vögeln.) Es wird noch erwähnt, dass diese Vögel sich wesentlich von den Aepfeln ernährt hatten, und dass Professor Yarrell in den ,, Vögeln Eng- lands" sie Apfelschäler nennt. (Rodd.) •'-^) Steppenhuhn (Syrrhaptes paradoxus). Im Sommer 1863 wurde ein wahrhaft merkwürdiger Besuch dieser Art auf den britischen Inseln bemerkt und verschiedene Hunderte derselben wurden in den verschiedenen Theilen des Landes gesehen, wo- von Professor Newton in „Ibis" 1.S64, S. ,185—222, Nachricht giebt. Professor Newton schätzt die Zahl derselben massig auf siebenhundert Stück. Mr. Stevenson in seinen „Vögeln von - 399 — Norfolk", S. 394, glaubt, dass in Norfolk und Suflfolk allein fünf und siebzig erlegt wären, sechzig in der ersten und fünf- zehn in der zweiten Grafschaft. In der zweiten Woche des Juni 1(S63 wurde bei Land's End einer dieser Vögel (ein Weibchen) erlegt, welches ziemlich an- geschwollene Eier hatte. Am 23. Juni desselben Jahres wurde zu St. Arnis, einer der Scilly-Inseln, ein zweites Exemplar, ein Männchen, erlegt, welches Mr. Vingre erhielt. Dasselbe befand sich in einem so entwickelten Zustande, dass ,die Vermuthung nahe lag, es würde ungestört in der Nähe gebrütet haben. (Rodd.) ^-^) Der Zwergtrappe (Otis tetrax) wurde nach der „Brittischen Zoologie" zuerst im Jahre 1751 in Cornwall bemerkt. Erst ein Jahrhundert später, im December 1853, wurden zwei Stück einem Händler in Penzance gebracht. Ich wurde benachrichtigt, dass zu gleicher Zeit vier oder fünf in der Nachbarschaft erlegt waren. Der Wind an dem Tage hatte gewechselt zwischen Südost und Süd.*) In der zweiten Hälfte des Januar 1859 wurde mir ein Weibchen des Zwergtrappen, welches in einem Rübenfelde ge- schossen war, gebracht und am 29. October 1869 ein anderes, sowie am 3. December 1874 wiederum ein Zwergtrappe, nahe bei Lizard erlegt, ebenfalls in einem Rübenfelde. Wie Dr. BuUmore berichtet, wurde ein Zwergtrappe auf der Insel St. Just erlegt. Das letzte Vorkommen dieses Vogels war am 9. Januar 1875 auf St. Martin. Diese Art scheint nur in den südlichen Graf- schaften Englands vorzukommen. (Rodd.) ^-•^) Die Waldschnepfe (Scolapax rusticola) ist in manchen Jahren ziemlich häufig. Die ersten Flüge kommen gewöhnlich in der zweiten Woche des October, wenn der Wind von Nord oder Ost kommt. Zu Ende October 1855 brachte ein an- haltender Nordost einen grossen Flug Waldschnepfen zu dem Land's End des Districts. Ein junger Farmer erlegte in einer *) Also dieselbe Windrichtung, welche für Helgoland die Herbst- zugvögel bringt. v. H. - 400 — Woche vier und fünfzig Stück, und eine grosse Menge anderer wurde in den Districten der Nachbarschaft geschossen. Während desselben Monats erlegte Capitän Tower während eines Besuchs auf den Scilly-Inseln an einem Tage neun und dreissig Stück. Im November 1859 erbeutete Mr. Dorien Smith mit anderm Geflügel einhundert und fünfzig Schnepfen und neunzehn Wald- schnepfen. Im October 1860 hatten wir ebenfalls einen merk- würdigen Zug der Waldschnepfe. Der Dampfer von den Scilly- Inseln brachte an einem Tage über dreissig. Gilbert White be- richtet über eine interessante Beobachtung; er sagt: „Ein Gentleman berichtet von der St. Mary-Insel, dass in der Naclit vom 10. zum 11. October bei Westwind ein Flug Waldschnepfen einfiel, von welchen er sechs und zwanzig schoss. Am folgenden Tage, den 12., stand der Wind noch im Westen, er fand jedoch nur fünfzehn." Derselbe Beobachter hat bemerkt, dass östliche und nördliche Winde gewöhnlich die Bedingungen sind, um zu den Scilly- Inseln Waldschnepfen zu bringen, so dass es ein ungewöhnliches Ereigniss ist, dass dieselben bei Westwind erschienen und er vermuthet, dass sie von Irland kamen und nach den Grafschaften von Cornwall und Devoushire weiter gezogen sind.*) (Rodd.) ^-*) Der gefleckte Strandläufer (Tringa maculata) ist in CornwaU und den Scilly-Inseln wiederholentlich gefunden worden, z. B. im Mai 1840 auf Penzance. Später erhielt Dr. BuUmore ein bei Falmouth erlegtes Exemplar. Im September 1870 er- legte Eev. Jenkinson einen auf den Scilly-Inseln. Fünf Tage später wurde hier ein weiteres Exemplar und in verschiedenen Grafschaften mehrere erlegt. Der braunhalsige Strandläufer (Tringa fusscicollis) ist gleichfalls verschiedentlich in Cornwall und auf den SciUy-Inseln gefunden worden und wurden fünf Exemplare erlegt. Auch der amerikanische Strandläufer (Tringa minutiUa) ist in einigen Exemplaren erlegt. (Rodd, S. 109.) *) Es wäre auch möglich, dass die Schnepfen die Reise bei günstigem Winde angetreten hätten und derselbe während des Zuges gewechselt, wie ähnliche Erscheinungen ja öfters vorkommen. v. H. — 401 - '^-■^) Am 25. September 1865 wurde ein alter Vogel der (Oidemia perspicillata) Brilleneote auf St. Mary erlegt und ein zweiter von den Scilly-Inseln, am 28, October 1867. (Rodd). -"-•^) Im October findet man an der Küste von Cornwall kleine Gesellschaften von drei bis dreissig Stück Tölpel (Sula alba). Zu derselben Zeit ziehen grosse Massen von Fischen ost- wärts, längs derselben Küste bis zu Ende desselben Monats. (Rodd.) ■^-') Am 10. April 1872 wurde ein grosser Schwalbenzug (Hirundo rustica), in Trupps von vierzig bis. fünfzig Stück, von Südwest kommend, am Lands End bemerkt. (Rodd.) •^■-'') Die Zugrichtung (im Frühjahr) für Land's End und die Scilly-Inseln ist nach den vielen speciellen Angaben wesentlich West-Ost oder Süd- West — Nord-Ost, keineswegs von dem nächsten Punkte des Festlandes. (v. Homeyer.) Von hohem Interesse für den Zug der Vögel ist auch noch Schottland und die Westküste Irlands. Ueber Schottland giebt ein vortreffliches Werk: „The Birds of the West of Scotland, by Robert Gray" vorzügliche Auskunft, Dasselbe enthält ebenso wie die Vögel von Cornwall eine Menge von amerikanischen Vögeln, welche ausserhalb des britischen Reichs nicht ander- weitig in Europa aufgefunden sind. Die als vorzügliche Beobachtungsstationen so sehr geeigneten canarischen Inseln harren noch des Beobachters, ähnlich wie Helgoland und Cornwall denselben haben. Dann werden diese Inseln vorzugsweise geeignet befunden werden, Aufschlüsse über den Vogelzug zu geben. Bei Malta und bei Gibraltar ist die Beobachtung begonnen. (v. Homeyer.) Nachträge. Middendorff, der in seinen Angaben gewöhnlich so zuver- lässig ist, sagt von der Rothhalsgans, dass dieselbe zu Tausenden in Egypten überwintert und giebt auf diese Annahme Voraus- V. Homeyer, Wanderungen der Vögel. 26 — 402 — Setzungen auf die Zugrichtung. Worauf aber Middendorff seine Angabe begründen möchte, bleibt räthselbaft, denn keiner der Afrika-Eeisenden führt auch nur eine einzige Rothhalsgans, als in Egypten gesehen, auf, und namentlich fehlt sie in Heuglin's „Ornithologie Nord-Ost- Afrika's". Blanford ,,Eastern Persia" er- wähnt sie zwar, aber auf so unbestimmte Weise, dass darauf hin keine sichern Schlüsse zu ziehen sind. Nach den überein- stimmenden Angaben von Pallas, Menetrier und Eadde sind es namentlich die Umgebungen des Caspi-See's, welche dieser schönen Gans als Wiuteraufenthalt dienen. Glitsch sah sie nicht selten auf dem Zuge bei Astrachan. Seitenausläufer des Zugs scheinen ziemlich regelmässig sich bis Galizien auszudehnen, und hin und wieder hat sie kleine Sandinseln der Ostsee besucht, ja sie ist bis Grossbritannien vorgedrungen. Ihr Hauptaufenthalt während des Winters sind aber die Salzsteppen in der Nähe des Caspi- See's, wo sie von den Sämereien der Salzpflanzen lebt und schon sehr zeitig im Frühjahr die Rückwanderung beginnt. Alle die Schlüsse, welche man nun auf Grund des vermeintlichen häufigen Vorkommens in Egypten in Bezug auf ihre Wanderungen gezogen hat, werden hinfällig durch ihr gänzliches Fehlen da- selbst. Ihr ganzes Winterleben ist die Salzsteppe, und wenn wir einzelne auf den Sandinseln der Ostsee wiederfinden, so sind es wiederum die Salzpflanzen dieser Inseln, welche sie aufsucht. Auch die Art und AVeise ihrer Wanderzfige hat MiddendorÖ" nicht ganz unabhängig von dem AVanderstrassen-Princip gegeben. Es widerspricht dies nicht nur allen den klaren und deutlichen Auseinandersetzungen, welche derselbe bei Gelegenheit seiner Definition des Richtsinns gegeben, sondern auch den thatsäch- lichen Wahrnehmungen, denn, so weit sich darüber urtheilen lässt, ziehen die Rothhalsgänse in breiter Front über die Steppe dem Caspi-See zu. wo die grosse Menge derselben ihren Winter- aufenthalt*) hat. *) Im Allgemeinen ein entschiedener Gegner aller Schlagwörter, halte ich auch im Besondern die Bezeichnung der Wandervögel als „Gäste" weder schön, noch zutreffend. v. H. — 403 — Dass, wie Midcleudorff zu glauben geneigt ist, die Zug- richtung- einer Art in ihrem weitern Verlaufe geändert werden kann, halte ich nicht allein für möglich, sondern glaube dies auch in manchen Fällen nachweisen zu können, indem Gebirge und Futterstationen wohl Veranlassung geben können, von der allgemeinen Zugrichtung abzuweichen ; indessen glaube ich doch nicht, dass dies bei der grossen Masse der Kothhalsgänse der Fall ist. Ein ander Ding dürfte es mit denjenigen Individuen sein, die Europa besuchen und von der ursprünglich südsüdwest- lichen Kichtung eine mehr westliche annehmen. Durch die grosse Güte des Herrn Dr. Glitsch, der acht Jahre die Vogelwelt der untern Wolga studirte und namentlich in Astrachan eifrig sammelte, sind mir auch über Cygnus Bewickii werthvolle Mittheilungen geworden. -i Nach den Beobachtungen dieses Forschers ist Unit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen , dass dieser Schwan auf dem Caspi-See überwintert, und dies ist auch um so wahrscheinlicher, als man ihn in den östlichen oder südlichen Nachbarländern bisher nicht gefunden hat, wenigstens ist derselbe aus Turkestan oder Persien nicht nachgewiesen. Von den in Oldenburg erlegten Schwänen dieser Art haben viele durch Frost verletzte Schwimmhäute, ein deutliches Zeichen ihres hochnordischen Aufenthalts, und wäre es von hohem Interesse, zu erfahren, ob die auf dem Caspi-See vorkommenden Cygnus Bewickii auch dergleichen Zeichen aufzuweisen haben. In Nordchina und der Mongolei scheint unser Schwan regel- mässig zu überwintern, ohne jedoch an der Küste öfter bemerkt zu sein. (v. Homeyer.) •'-'•') Die östlichsten Kothhalsgänse ziehen die Aralcaspische Obj-Strasse und einige den Wolga - Tobol- Weg entlang, in der Richtung Nord-Nord-Ost— Süd-Süd- West. Da diese Gans nirgends Avestlich vom Ural brütet, sondern nur östlich von diesem Scheide- gebirge, an der Waldgrenze; da sie durch das Orenburgische zieht, ohne sich dort aufzuhalten, und in Egypten zu Tausenden wintert, so dürfen wir daraus wolil schliessen, dass, wenn auch die Zugrichtung dieser Gans in den untern ( )bj-Gegenden Nord- 21 ;* — 404 — Süd ist, dieselbe je weiter südwärts hinab, desto mehr in eine Nord-Ost— Süd- West-Richtung ablenken muss, um nach Egypten führen zu können. Also auch ein Beweis mehr dafür, dass die Richtungslinie des Zuges der Vögel nicht immer genau nach derselben Weltgegend eingestellt ist, sondern mit einem Knie abbiegen kann. (v. Middendortf, Sib. R., Bd. IV., Th. II, S. 1163.) 33«») Cygnus minor bei Astrachan häufig durchziehend. — In ganz Sibirien Brut-, Zug- oder Wintervogel. — Nicht in Tur- kestan. — Am caspischen Meere wahrscheinlich überwinternd. Glitsch in „Litt." ^^^) Anser ruficoUis. Zahlreich am caspischen, selten am schwarzen:;Meere. (A. Demidoff, Voyage, S. 282.) •^•^-) Das Hauptcentrum der Collection und der beste Punkt zur Erlernung der turkestanischen ornithologischen Fauna war Tschimkent, entschieden der beste Ort der ganzen Gegend zur Beobachtung und Sammlung der Durchzug- und überwinternden Vögel, weil es keinen andern ähnlich so kleinen Ort giebt, wo so viele Vogelarteu zusammenkommen, als es hier der Fall ist ; natürlich kommen auch hier nicht alle Arten in einer Zeit zu- sammen, was ganz unmöglich ist; hier, auf einer Ausdehnung von fünf Werst Länge und drei Werst Breite, wurden drei- hundert Vogelarten entdeckt, und es ist doch unmöglich, dass sie alle auf diesem kleinen Räume zugleich wären. Den ornithologischen Werth Tschimkents habe ich 1864 erkannt bei den Collectionen vom 20. September bis 1 . December, dann von December 1865 bis Hälfte Juni 186(), vom Ende August desselben Jahres bis Anfang März 1867, darauf im April, Mai und vom Anfang August 1867 bis Februar 1868. Die Collection in Taschkent im Frühlinge 1868 hatte die tchimkentische um nichts vermehrt, obwohl sie sehr reich war. In Taschkent zerstreuen sich die Vögel auf einer viel weitern Ausdehnung, es ist deshalb unmöglich, ihnen täglich so zu folgen, wie es in Tschimkent geschehen kann. — 405 — Ausserdem sind noch Arj'S und Keles in der Culturzone während vieler kleiner Excursionen zoologisch durchforscht worden, so wie die Steppe bei dem südwestlichen Fusse von Karatau im Mai 1866. (Severzow, Aralo-tianschanische Ornis. C. J. 187;3, S. 71.) ^^•^j Die Folge dieser abnormen , für die Laudwirthschaft nicht wenig schädlichen Temperatur war denn auch die von mir noch niemals beobachtete Thatsache, dass der Zug der Vögel vom 15. März bis zum 11. April vollständigen Stillstand nahm. Am 15. März notirte ich als letzten Vogel Anthus pratensis und erst am 11. April konnte ich Ciconia alba als neuen An- kömmling aufführen, dem am 13. schon wunderbarer Weise Hirundo rustica folgte. Dr. Quistorp in „Litt." ISSi. ^■^■^) Der diesjährige Schnepfenzug hat uns die Lehre ge- bracht , dass Schnepfen auch beim kältesten Nordost sich in ihrem Zuge nicht immer aufhalten lassen, sofern die Erde nicht zugleich mit höherni Schnee bedeckt ist. Dieser allein ist im Stande, einen Stillstand in dem Zuge zu veranlassen, wie ich dies in den Jahren 1837 und 1862 ganz sicher beobachtet habe, indem damals der Zug volle acht Tage still stand. Die Wald- schnepfe ist aber auch der einzige Vogel, der sich durch den nasskalten Nordost nicht beirren liess. (Dr. Quistorp in „Litt." 1881.) '^'■^■') Am 16. April wurden hier dieselben Beobachtungen an den Drosseln gemacht, wie A. Walther dieselben bei Plönitz am 13. gemacht hat; es waren nämlich so viele Sing- und Wein- drosseln im Holze, wie in mehreren Jahrzehenden nicht mehr gesehen. (Dr. Quistorp in ,,Litt." issi.) ■iUj Verglichen mit den Beobachtungen von Taucre wird hierdurch wiederum bewiesen, wie auch ungewöhnliche Züge in weiter Ausbreitung erscheinen, keineswegs nur an ein- zelnen Orten. (v. Homeyer.) ^•''j Sturnus roseus. In seiner Lebensart ein Staar. Kommt alle Jahre nach Südrussland, oft in Ungeheuern Sclnvärmen. — 400 — Sie vereinigen sich zur Naclit zu grossen Trupps. Solche Schwärme bestehen oft aus Tausenden und bleiben den ganzen Sommer vereinigt. Sie bestehen dann aus Vögeln im zweiten Lebensjahre, die nicht nisten. (Demidoff, Yoyage II, S. 123.) ^^^) Die Arten üpupa epops, Muscicapa collaris und Yunx, zeigen sich bei ihrem Herbstzuge nicht in der Gegend von Budapest, sondern nur im Frühjahre. Iiu Herbste erscheint und fehlt im Frühjahre Muscicapa parva. (J. V. Madarasc in ,.Litt." 81.) '^'■^^) Eine Anzahl von Arten bemerkt man häufig auf ihrem Frühjahrszuge, aber gar nicht oder sehr selten auf dem Herbst- zuge, so Grus cinerea, Ardea comata, andere dagegen, wie Ciconia nigra, sieht man nur im Herbste und fast nie im Frühjahre. (Fatio-Beaumont, Genf, Na. ö6, S. 165.) 340^ Wir haben oben gesehen, dass die Vögel auf dem Früh- lingszuge andere Wege einschlagen als auf dem Herbstzuge. Das ist sehr begreiflich, weil der Mangel der Bäume und Sträucher ihnen diese, da sie ihnen keinen Schutz, wie im Herbste ge- währen können, gleichgültig macht. Sie müssen aber im F r ü h - jähre andere Rastorte suchen als im Herbste. Bei ihrer Ankunft in unserm Vaterlande giebt es keine Kraut-, Eüben- und Kartoifeläcker, auf denen viele Insectenfresser Nahrung finden können. Deswegen suchen die Blau kehlchen ihr Futter an den Teichen, die Wiesenpieper auf den sumpfigen AViesen, die Schwalben an den Gewässei-n, die K o h r h ü h n e r in dem mit dürrem Grase durchwachsenen Weiden- oder Erlengebüsche u. s. w. (C. L. Brehm, Hdschft.) ■'") Die Nachtigall (Lusciola luscinia L.) kommt nur auf dem Striche hier durch, hat aber in früherer Zeit auch manch- mal in der weitern Umgegend (im Schlossgarten zu Weingarts- greuth) gebrütet. Sie zieht gewöhnlich in der Zeit vom 24. April bis zum 13. Mai einzeln durch und wird fast alljährlich genau an d e n s e 1 b e n L o c a 1 i t ä t e n , z.B. im Schlossgarten - 407 — zu Adelsclorf, öfter noch in den Hecken des Dorfes Buch und in dem Gebüsche, welches die Ruinen des ehemaligen Schlösschens daselbst bedeckt, sowie auch manchmal in dem nahen Eichwäldchen angetroften. (Pfarrer J. A. Jäckel 1862.) ■^^'-) Cornix frugilegus kommt in St. Petersburg durchschnittlich zwei Tage früher als in Kiew an ; Alanda arvensis um zwei Tage früher in Mitau als in Kischenew; Vanellus cristatus um zwei Tage früher in Mitau als in Kiew; Ciconia alba zugleich in Mitau und in Kiew; Grus cinerea um zwei Tage früher in Jakutsk als in Baruaul ; Sturnus vulgaris um einundzwanzig Tage früher in Mitau als im Plussgebiete des Don, sechs Breitengrade süd- licher. (v. Middendorff, Sib. R., Bd. IV, Th. IL, S. 1J66.) 343^ Wegen des mildern Klima's suchen die Vögel in Skandinavien die Meeresküsten und scheuen das Innere des Landes. (Wallengren, Na. 55, S. 440.) •^^^) Charadrius moriuellus scheint während der Zugzeit dem Kamme der Alpen und nicht den Seeküsten zu folgen. (WaUengren, Na. 54, S. 247.) ■■'*'^) Manche Arten, die bis an das Nordcap gehen, brüten nie weiter östlich, z. B. Falco tinnunculus, Calamoherpe schoenobaeus, Strepsilas collaris, Haematopus ostralegus, Totanus calidris etc. (Wallengren.) •'^*') Anser leucopsis ist mehr scheu als torquatus. Auch sie sammelt sich in grossen Schaaren Ende September bis Ende October. Von beiden Arten werden Tau sende erleg i*) (Wallengren, Nordöstliches Schonen, Na. 1853, S. 408.) *) Palmen sagt S. 6(i, Z. 3: Nordöstliches Schonen selten (WaUengren). Wie lässt sich diese Angabe mit der Wallengren's vereinigen? Giebt sie nicht wiederum einen Beweis der ausserordentlichen Unzuver- lässigkeit der Pahnen'schen Angaben? In noch erhöhtem Maasse tritt dies jedoch Ijci Cygnus Bewickii — 408 — ^*') Müliling H. G. XV. weist schon nach, dass alle Strand- vögel wandern. Er ist der Meinung, dass die Vögel mehr in dunklen als in hellen Xäehton ziehen. (Mit Recht hebt Herr Mühling den Werth dieser AVanderungen, für Vermeidung der Inzucht hervor.) (v. Homeyer.) ^*^) Grus vulgaris P. zieht Anfangs März und Mitte October, fast direct von Nord nach Süd. Die Züge sind lange nicht so zahlreich als in Finnland. 3^") Grus virgo. Vom Pruth östlich überall zahlreich, kommt Anfangs j\Iärz und zieht in grossen Schaaren zweihundert bis dreihundert Stück Mitte September. Sie ziehen oft so h 0 c h , dass man sie hört, aber nicht sieht. Vereinigen sich an den Brutplätzen eine Zeit lang des Abends, um ihre Züge auszuführen. Wandern des Nachts, namentlich bei Mondschein. (Demidoff. Voyage, S. 2ß7.) Goldregenpfeifer. '^''^) Gloger sagt, durch vermehrten Gebrauch bilden sich die Flugwerkzeuge stärker, durch verminderten scliwächer aus, gleich den Schnäbeln. Deshalb liabeu die Goldregenpfeifer in wärmern Ländern kürzere Flügel als in kältern, und die kürzesten speciell in Amerika. Das treffe eigenthümlich genau damit zusammen, dass Amerika eine zusammenhängende Ländermasse bilde und die Vögel nicht über das Meer zu wandern brauchen, dass sie in wärmern Ländern Standvögel bleiben könnten, während sie in kältern ziehen müssten. In dieser Schlussfolge wird die Länge des Flügels von der Kraftanstreugung, und ich denke, die Kraftanstreugung von der Länge des "Wegs abhängig ge- macht. Für die Länge des Wegs aber macht es doch wohl gar keinen Unterschied, ob die Vögel eine bestimmte Zahl von hen'or, von welclieni Palmen S. 89 sagt: ..Uldeiiburir ein Mal an der Küste im "Winter 1S53, Wiepkeu.'' Wiepken sagt aber N«- ISÖS, S. 454: Ferner erhielt ich im Laufe des "Winters einen kleinen Singschwan, nur von der Grösse einer Haus- gans. "Wiepkcn spricht nicht von der Küste und Palmen findet für gut, dies zur Kräftigung seines Systems einzuschieben. v. H. — 409 — Breitengraden zu Lande oder zu Wasser tlurohfliegen. Danach sehe ich nicht ein, weshalb die Flügel der amerikanischen Gold- regenpfeifer, die unter denselben Breiten hausen, kürzer sein sollen, als die europäischen. Aber sie sind es durchgängig auch nicht! Unter den von mir genau gemessenen Goldregenpfeifern finde ich mehre aus Braunschweig mit einer Flügellänge von 6" r" bis 6" 4,5'"; mehrere im Sommer im Norden vor der Äugzeit, und zu Anfang der Zugzeit erlegte von 6" 2'" bis 6" 4'"; ein Ch. pluvialis longipes aus Celebes mit 6" 3'"; zwei vom Cap mit 6" 2,'y" und 6"; ein Ch. pluvialis virginicus von Venezuela von 6" 5'"; mehre aus Nordamerika von 6" 1'" bis ß// ^/// Flügellänge. Bei allen beträgt die Länge des Unter- armes gegen 2"; bei den frischerlegteu die Länge des Oberarmes eben so \iel. Dass der von Venezuela, der einzige, den ich von dort kenne, den das Klima nicht zum Ziehen verleiten kann, den längsten Flügel hat, ist offenbar nur Zufall, jedenfalls aber aus dem angedeuteten Princip des Causalzusammenhangs nicht zu erklären; dies Exemplar, im Museum zu Leyden, hat sogar noch grössere Flügel als die weiter nördlich in den Freistaaten erlegten. Die von Celebes haben ebenso grosse Flügel wie die meisten in Braunschweig erlegten. Das wärmere Klima zeigt keinen Unterschied. "Wenn ich den Causalzusaramenhang nur speciell in seinen Anfangs- und Endpunkten coustruiren will, muss ich annehmen, dass die Individuen im Norden vor dem Zuge alle kurze Flügel haben, und die Flügel während ihres Ziehens lang wachsen, in Folge der Kraftanstrengungen. Aber die in Nordeuropa erlegten haben, ehe sie sich auf die Wanderung begaben, durchschnittlich eben so lange Flügel, als die im Süden nach der Zugzeit ge- tödteten, eben so lange Flügel wie die im Frühjahre zurück- kehrenden. Und sollte es im Ganzen wohl denkbar sein, dass eine normal ausgebildete reife Feder wälirend der Zugzeit in Folge des Fliegens noch länger würde ? Dr. Gloger und ich haben im Endresultat über die Goldregeupfeiferarten vielleicht dieselbe — 410 — Ansicht, ich weiss es nicht; aber wir haben dieselbe offenbar auf ganz verschiedenem Wege gewonnen. Ich gehe davon aus, so viel als möglich die Thatsachen festzustellen, und hüte mich, bis das geschehen ist, ernstlich vor allem Denken über Verhält- nisse, die ich nicht unmittelbar an dem vorliegenden Thiere beobachten kann oder beobachtet habe, z, B. über Klima, dessen Einwirkung wir a priori nicht kennen, über Geographie und Aehnliches. Ich habe a priori gar kein Bedürfniss nach Er- klärungsgründen; denn die Thatsachen bestehen und Niemand kann sie wegdemonstriren. Ich will von vornherein nicht die Thatsachen im Lichte der Principien sehen, sondern aus den Thatsachen die Principien herleiten. Das Nachdenken aber kommt zu allerletzt und lässt sich auf Alles, was einer Hypo- these ähnlich sieht, gar nicht ein. (Blasius der Aeltere, Na. 56. S. 472.) ^■^^) Einzelne Kuckucke trafen am 28. April d. J. bei uns und zwar zugleich an verschiedenen weit von ein- ander abgelegenen Plätzen ein. Am 21. und 22. sah ich im sächsischen Yoigtlande um die Mittagszeit herum fünf einzelne Kuckucke ziemlich hoch südwärts ziehen, mit dem verhältnissmässig ruhigen stetigen Fluge, den sie beim Wandern im Spätsommer zeigen, wenn sie nicht von Holz zu Holz, sondern höher über die Gehölze hinweg ziehen. Diese zogen offenbar über den unweiten Kamm unsers Mittelgebirges wieder nach Süden. Eine Umkehr der Schwalben, Kothkehlchen etc. habe ich nicht beobachten können. (Professor Liebe in Gera in „Litt." 1881.) Nachträge zu Cap. IV. Raststationen. •^■'-) Indessen habe ich von Cygnus minor noch nachzufügen, dass am 5. April im Stadiugerlande circa zwei Meilen von Olden- burg (der Stadt), noch grosse Züge angekommen; die sich dort auf den hoch ü))erschwemmten Wiesen bis zum 19. April auf- - 411 — gehalten; leider sind alle Versuche, welche zu erlegen, miss- lungen. So spät*) im Jahre sind sie meines Wissens hier nie beobachtet. (Wiepken in ,.Litt." 4. Mai 1881.) •^•^^) Wie genau einzelne Arten die Tage des Zugs inne- halten (und dies sind wohl grösstentheils die später ankommenden resp. durcliziehenden, denen die Witterung nicht mehr so hindernd in den Weg treten kann), können Sie daran ersehen, dass wir (Meyer an dem kleinen Teiche in Biesewitz,**) und ich hei Menzelin),***) zwischen den 10. bis 13. Mai wiederum je drei Stück von der nordischen dunkelköpfigen Schafstelze geschossen haben. Alle bisher erbeuteten waren stets an diesen Tagen hier gesehen, an welchen überhaupt noch immer ein grosser Zug von Budj^tes stattfindet, während unsere Brut- vögel längst hier sind. Die ersten habe ich in diesem Jahre am 15. April gesehen, welcher überhaupt viel Neues vom Jahr brachte. Upupa, Hirundo, Anthus campestris geschossen etc. (Anclam 18. Mai, Tancre.) ^•''*) Vor drei Jahren erlegte Meyer am 13. Mai aus einem Zuge von zwei- bis dreihundert Stück Budytes, welche sich bei kaltem Wetter an seinem Teiche gesammelt hatten, die erste borealis. Seit dieser Zeit achten wir an den betreffenden Tagen besonders darauf und finden jetzt alljährlich B. borealis darunter. Bis jetzt haben wir aber nur erst Männchen gefunden, was wohl dadurch erklärlich, dass die Weibchen auf fünfzehn bis zwanzig Schritte kaum oder gar nicht erkenntlich sind, viel- leicht auch noch etwas später durchziehen. (Anclam 18. Mai 1881, Tancre.) *) Aber auch seit langer Zeit ist im hohen Norden nicht ein so strenger und anhaltender Winter gewesen. Melden doch die Zeitungen, dass SchifiTe, welche es versuchten, vom nördlichen Norwegen nach Spitz- bergen zu gehen, vor den gewaltigen Massen alten Eises haben zurück- weichen müssen und dass an der Küste des nördlu-hen Norwegens noch vier Fuss hoher Schnee liegt. v. Homoycr. am IS. Juni 1881. **) Vier Kilometer südlich Anclam. *** ) Zwölf Kilometer nordöstlich Anclam. — 412 — Die vorstehende Beobachtung bestätigt wiederum die weiter oben mehrfach erwähnte Thatsache, dass die Vögel ihre Rast- stationen sehr regelmässig halten und dass es bei seltenen Vor- kommnissen wesentlich darauf ankommt, dieselben zu ermitteln, um eingehende Zugbeobachtungen zu machen. Es ist daher wünschenswerth, dass die allgemeine Aufmerksamkeit sich dem mehr zuwende, als der blossen Angabe des Datums der Beob- achtung, (v. Homeyer.) S c li 1 u s s b e m e r k u n g e n. Die Ankunftszeiten, auf welche gewöhnlich so grosses Gewicht gelegt wird, sind in vorstehender Arbeit nicht allgemein berück- sichtigt worden. Es geschah dies weniger, weil die genaue Be- obachtung derselben für unerheblich erachtet wurde, als weil das vorliegende Material zu unsicher erschien, um sichere Zug- beobachtungen danach aufstellen zu können, indem es zur Zeit noch gar sehr an genügend zuverlässigen Angaben fehlt. Der- gleichen sichere und zusammenhängende Beobachtungen giebt es sehr wenige, und es ist daher nicht wohl möglich, Ver- gleiche anzustellen. Selbstverständlich müssen die Zugbeobach- tungen, welche man vergleichen will, aus demselben Jahre datiren, und wiederum muss der Durchschnitt einer Keihe von Jahren genommen werden, wenn man nicht dem Zufall anheimfallen will. Aus den oben angeführten Gründen ist daher ein grosses gesammeltes Material einstweilen noch zurückgelegt worden, bis die Zeit es ermöglicht, eine genauere Sichtung vorzAmehmen. Noch kann ich nicht unterlassen, der in Prag erscheinenden, von Hrn. Dr. Wladislaw Schier redigirten Blätter d. Böhm. Vogel-Sch.-V^ zu gedenken, die von dem Herausgeber einen vor- trefflichen Artikel über den Vogelzug enthalten, der aber doch wohl ohne die theilweise Aufnahme der Heerstrassen*)-Theorie den eigensten Ideen des Verfassers besser entspräche. * ) Die Züge der Gänse und anderen Wasservögel werden natüilich durch die Teiche des südöstlichen Böhmens beeintinsst. indem die Vögel ■i.h an den Raststationen versammeln und von dort weiter ziehen. — 418 - Zu dieser Theorie reebne ich jedoch in keiner Weise die vortreffliche Beobachtung des Zugs der Waldschnepfen über das Gebirge, wohl aber den Versuch, die Richtung des Vogelzugs nach der Beobachtung der localen Beobachtungszeiten bestimmen zu wollen. Immerhin gewährt der Artikel eine so gute Einsicht in die Zugverhältnisse Böhmens, wie sie wohl anderweitig nicht vorhanden ist. Für künftige Beobachtungen scheint es mir von besonderer Wichtigkeit, vor allen Dingen die Zugrichtung, die Wind- störungen und alle die Einzelheiten, welche vorstehend besprochen wurden, zu beachten und dem exacte Beobachtungen über die Zugzeiten hinzuzufügen, die wohl erst in zweiter oder dritter Linie kommen. Der deutsche Storch in Spanien, Im September ISSO brachten die Zeitungen die Nacbricht, dass ein gezeichneter Storcb von Thüringen wenige Tage später unfern Barcelona erlegt sei. In diesen Mittheilungen war Herr Postvorsteher Dette zu Berka a. d. Werra genannt und ich wendete mich um nähere Auskunft an denselben , wohl wissend , wie wenig zuverlässig oft allarmirende Zeitungsberichte sind. Herr Dette hatte auch die Güte , mir umgehend ausführliche Mittheilung zu machen, deren Hauptinhalt ich nachstehend wiedergebe. Am 27. Juli 1S8Ü traf Herr Dette einen jungen Storch, der wohl etwas zu früh das Nest verlassen hatte, im seichten Wasser der Werra, wie derselbe von fünf oder sechs Gänsen hart bedrängt wurde. Herr D. rettete den Storch von seinen An- greifern und nahm ihn mit sich. Da derselbe jedoch ver- weigerte, Nahrung zu nehmen, Hess Herr D. ihn wieder auf das Nest bringen, nachdem ihm ein Messingtä'felchen mit der In- schrift: „Reiclis-Post Berka a, W., Germania, den 27.; 7- ISSO, Dette" — angehängt war. Am 20. August verliessen die Störche die Gegend und am 24. wurde der gezeichnete Storch vom Kirchthurm der Ortschaft Forneils, Provinz Gerona in Catalonien, herabgeschossen. — 414 — Herr D. hatte die Güte, mir Abschrift von allen Documenten zuzusenden, so dass ich mit Sicherheit obige Thatsache be- stätigen kann. Wenn es sich hier nun unzweifelhaft um den Flug eines Schwächlings handelt, so ist die Leistung immerhin eine nicht unbedeutende, um so mehr, als doch kaum anzunehmen ist. dass die Flugrichtung in ganz gerader Linie erfolgt sei. Da man nun die Entfernung auf ungefähr 165 geographische Meilen berechnen muss, so hat dieser Schwächling, mit Aufenthalt, täglich über 40 Meilen freiwillig zurückgelegt. Wenn nun durch diese Thatsache die Flugkraft eines Vogels auch keineswegs ermessen werden kann, so beweist sie immer- hin, dass die Vögel nicht immer so langsam wandern, wie dies gewöhnlich angenommen wird. Es steht zwar fest, dass die Zugvögel sich, mit der Ent- wickelung der Pflanzen und Insecten täglich etwa um nur vier bi>* sechs Meilen ihrer nördlichen Heimath nähern, indessen ist es — wie bereits oben auseinandergesetzt — ein Irrthum, zu glauben, dass dieselbe Art gleichzeitig ihre Wanderungen beginnt, oder, wenn- dies geschieht, dass die nordischen Wanderer ihre Reise ohne Aufenthalt fortsetzen (im Frühlinge). Hierdurch erklärt es sich, dass dieselbe Art in Norddeutschland bereits brütet, während ihre nordischen Genossen sich noch längere Zeit in grössern oder kleinern Schwärmen umhertreiben oder auf dem Durchzuge begriffen sind. (v Homeyer.) Reit e n d e V ."i g e 1. Schon vor einigen Jahren erzählten verschiedene Zeitschriften davon, dass kleinere Vögel durch grössere über das Meer ge- tragen würden, und als diese Mittheilungen . immer allgemeiner wurden, fand ich mich veranlasst, in „Cabanis' Journal" und in der „Deutschen Revue" das gänzlich' Unhaltbare dieser Ente nachzu- weisen. Daraufhin verstummte auch längere Zeit das wunderbare Gerede und ich hielt es nicht für nöthig, in vorstehender Arbeit dessen zu erwähnen, in der Ueberzeugung, dass sich jeder denkende — 415 — Mensch wohl selbst die Unmöglichkeiten klar machen und er- kennen werde , dass das Ganze weiter keinen Zweck habe, als dem Keporter Gelegenheit zu einer interessanten Mit- theilung zu geben. Nun wird mir von Freundeshand das zweite Blatt der „Kölnischen Zeitung" No. J95 zugesendet, in welchem sich diese Geschichte wiederum — und diesmal wesentlich nach ameri- kanischen Mittheilungen — befindet. Es wird auch wiederum gesagt, dass Heuglin sich be- stätigend ausgesprochen habe, und obgleich längst nach- gewiesen ist, dass dies nicht allein u n r i ch t i g , sondern mehr als Irrthum ist, tritt dieses Gerücht doch immer wiederholt hervor. Nur das Gewicht eines so weit verbreiteten und angesehenen Blattes kann mich bewegen, nochmals einer solchen Behauptung zu widersprechen. Bei Th. Grieben's Verlag (L. Fernau) in Leipzig sind erschienen: V. Homeyer, E. F. — Omithologische Briefe. Blätter der Erinnerung an seine Freunde. 6 M. V. Kittlitz, F. H. - Vegetations-Ansichten von Küstenländern und Inseln des Stillen Oceans. j. Auflage. 6 Kupfertafeln gross Folio, nebst Text, in Mappe. 4 M. Recht, F., Prof. — Die Schöpfung. Erkenntnisslehre dersell)en nach Grundsätzen der freien Forschung und die Bedeutung dieser Lehre für die Ausbildung des Menschen, iv Auflage. 4 M. 50 Pf., geb. 5 M. Reichenbach, A. B., Dr. — Die Pflanzen im Dienste der Mensch- heit: I. Tabak, II. AVeizen, III. Kaflee. 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