— 6339 J — ———— — re DE, * —— wis A „ Ö — BEE — — — — — — fr N Hr nr hir Al ——6 Hin Arge Hr Kane —* —9— RT Ai, 4 N ’ 3 Y J NR 4 —6 a) ahnt ’ #. ER + rer ® BR Nr & (7 u *8 —* J —9 Iran * DER ROTER rer ; N; Y Be — — * 8 es Saar, * — ———— at J 9 —* ia en HOHER: rt ; irn HERE **. Tu j j zul .; —— * — Data TRY ie Im { > i® — —— * — eu * a N Y i {. Flnssforelle aus der Limmath. 2. Lachsforelle. 3. Rothforelle. Lith.v. C.Knllin Zürich. Ri ui) 3 3} sr WE EEE Wu VS —— An die Zürcheriſche Ingend — auf das Jahr 1847. Von der Naturforſchenden Gefellfchaft. Schr, (#.7.) 2 Yuf Ueber die Fifche —— — — und Flüſſe. Unter die wichtigſten Produkte des Thierreichs, welche die Schweiz üherhaupt und beſonders der Kanton Zürich liefert, gehören die Fiſche. Zürich hat verhältnißmäßig ſeiner Größe eine bedeutende Menge Gewäſſer, welche alle mit Fiſchen bevölkert ſind, die durch ihren Fang und Verkauf mancher Familie einen ordentlichen Erwerb verſchaffen. Eine nähere Beſtimmung dieſer Thiere und ihrer einzelnen Wichtigkeit mag daher allgemeines In— tereſſe haben, da die darüber geſchriebenen Werke wohl dem Kreiſe, welchem dieſe Blätter gewidmet ſind, weniger bekannt ſein können. Wenn auch die Fiſche bei uns nicht zu den nothwendigſten Lebensbedürfniſſen gehören, ſo ſind ſie dennoch im Allgemeinen aller Beachtung werth, da ſie vielen Millionen Menſchen zur Hauptnahrung dienen und ihr Fang viele Hunderttauſende beſchäftigt. Die Natur hat dafür geforgt, daß alle falzigen und füßen Gewäſſer in allen Klimaten, unter jever Tempe: ratur, unter dem Aequator wie in der Nähe ver Pole von Fiſchen bewohnet find; denn dieſe 1 EBEN RE Faltblütigen Ihiere hängen wenig Yon der Temperatur der Klimate ab. Wir fehen, daß viele Seen unferer Alpen , welche Dreisiertel des Jahres gefroren find, die ſchmackhafteſten Forellen beherbergen, wenn fie nur einen Ausflug haben. Alle ins Eismeer fließenden Flüſſe ent halten Fifche, welche den Bewohnern, da wo jede Pflanzennahrung fehlt, hinlängliche Nah— rung liefern. Man rechnet, daß jährlich tauſend Millionen Heeringe und viele Millionen Stockfifche in den nordifchen Meeren gefangen werden, und mehrere Hundert Schiffe auf ihren Fang ausgehen. Die Zahl ver befannten Fifche mag fih auf 6 bis 7000 belaufen, und sielleicht eben fo Yiele bewohnen die unergründlichen Tiefen der Meere. Von diefer großen Menge enthalten die fügen Waffer nur eine kleine Zahl und nur wenige Familien, und felbft son den Bewohnern der fügen Gewäſſer Europas fehlen Hiele den Seen und Flüſſen unfers Kantons, und feiner unferer Fifche prangt mit den reinen und glänzenden Farben Yon Roth, Grün, Gelb, Blau, dem reinen Gold und Silber, mit welchen die Fifche der heißen Zone jo vielfach geſchmückt find, daß fie mit ven fchönften Kolibris wetteifern können. Auch ift die Zahl ver einzelnen Individuen, fo groß fie auch ift, doch nicht mit den unermeßlichen Schaaren zu vergleichen, welche die Meere bewohnen, aber dennoch ift fie erftaunenswürdig. Wie Hiele Zentner Heuerlinge werden jährlich auf dem Marfte allein Yerfauft, und wie viele taufende zählt nicht ein Zentner, und dennoch nimmt ihre Zahl nicht ab, obfchon gewiß noch siel mehr als unfere Fischer fangen, von Hechten, Forellen und andern Raubfifchen ver— ichlungen werden. Man kann fich diefes nur dadurch erklären, daß 100,000 Gier fait die geringfte Zahl zu fein fcheint, welche ein Weibchen oder Rogener jährlich Yon fich gibt. Man berechnet die Zahl ver Gier einer Karpfe auf ungefähr 340,000, einer Schleihe auf 380,000, die eines Barfches (Nechlings) auf 280,000 und diejenige eines Störs gar auf 150,000,000.: Würden alle diefe Eier ausfommen und feine zu Grunde gehen, jo würden nach gemachten Berechnungen alle Gewäffer die Menge nicht faſſen und durch die Menge ver Leichname, da e8 an Nahrung gebrechen müßte, felbjt das Meer in faulende Gährung über- geben. Allein bei weitem nicht alle diefe Gier werden befruchtet, fehr viele werben yon Waj- ſervögeln und andern Fifchen gefrefien, und taufende der ausfommenden Eleinen Fifche werden . andern zur Beute. Die meiften Zifche find Naubfifche und zum Wohle des Ganzen herricht in den Gemäfjern ein ewiger Krieg, ja die Eltern freffen ihre eigenen Kinder und der Tod Yon Millionen bedingt das Leben anderer Millionen. Hauptnahrung für uns find aber die Fifche nicht, im Gegentheil hängt der Ertrag bei und mehr vom Lurus ab, da nur die Reichern gewöhnlich Fifche efjen, der Landmann aber nicht, da wir feine Faftenzeit haben. Deswegen finden auch die fehlechtern Fifche faſt Feine Käufer und fommen nur felten auf den Markt, die beffern aber find immer theuer und die Fiſcher Legen fich mehr auf ihren Fang. Dahin gehören Lachie, Lachsforellen, Forellen, Röthlinge, Aale, Aefchen und Trüfchen. Von geringerem Werth und doch vortrefflich find u die ungefledten Salme oder Felchen, wozu der fogenannte Bratfifch oder Blauling, die Al: bulen und Heglinge gehören. Der legte Fiſch war früher fo beliebt, daß nur vie hohe Ariftokratie ihn zu effen befam, da man ihm nicht verkaufen durfte, bis den jogenannten Herren Seebögten eine gewiffe Menge zugetheilt war. Hechte, Barfche (Nechlinge) und Kar— pfen werden auch noch geichägt, gemein aber find Alete, Brahsmen und Nafen, Schleien, Rottelen, Schwalen und die Eleinen Arten der Karpfenfamilie. Die erfte genauere Angabe über unfere Fiſche finden wir in einem Werke, betitelt: Beſchreibung des Zürichſees, von Hans Erhard Eſcher. Zürich 1692. Die noch genauere Beſtimmung aber fällt erſt in die neuere Zeit. Sehr gut ſind alle Fiſche unſers Sees mit ihren gemeinen Namen von einem Herrn Melchior Füßli 1709 in Oel gemalt worden und dieſe Originaltafeln hängen noch jetzt auf dem Rathhaus. Sie wurden von einem Johannes Simmler in Kupfer geſtochen, ſind aber nicht mehr zu kaufen. Manche glauben, die Menge der Fiſche habe ſeit der Einführung der Dampfſchiffarth abgenommen und man behauptet dieſes allgemein, wo Dampfſchiffe vorhanden ſind, allein es ſcheint dies bei genauerer Unterſuchung nicht der Fall zu ſein. Ausfüllungen und Verän— derungen im Laufe der Gewäſſer haben den Aufenthaltsort einiger Fiſche verändert. So ſind 3. B. die Karpfen, welche früher nahe an der Stadt häufig und groß vorhanden waren, durch Ausfülung eines Theils ihres Aufenthalts Yerdrängt worden und ganz verſchwunden, jo daß fie jegt nur noch in den fumpfigen Untiefen bei Napperfchweil vorhanden find. Im Greifenſee, Pfäfftkerfee, Kagenfee, Metmenhaslerfee, Widenſee und Türlerfee dagegen finden fie ſich noch, auch in der Glatt. Obſchon die Fifcherei an und für fich eine befehwerliche Arbeit ift, fo wird fie es durch die begleitenden Umftände, und ver Fiſcher muß feinem Beruf bei Tag und bei Nacht, bei Regen und Schnee, im Sommer und Winter nachgehen. Wohlhabenvere Leute treiben daher die Fifcherei ſelten, als etwa zum Zeitvertreib mit ver Ungelruthe, mozu es aber viel Zeit und Geduld erfordert. Nur die Engländer find leidenſchaftliche Angler, und faft alle, welche zu und fommen, haben vollitindige Fifchergeräthfchaften bei ſich und fiſchen, wo nur immer Waſſer ift. Selbft ihre berühmteften Männer, wie Nelfon und Byron, follen Leidenfchaftliche Angler geweſen fein. Die Fischer, welche natürlich alle Eigenfchaften ver Fiſche Eennen follten, werfen ſich gar oft zu Wetterpropheten auf und finden großen Glauben. Allein nur felten und zufällig treffen ihre Vorausfagungen ein. Fiſcher und Jäger könnten allerdings durch genaue Beob— achtungen wohl im Stande fein, aus gewiſſen Erſcheinungen im Ihierreich ſich Kenntnifje der fünftigen Witterung auf längere Zeit zu verſchaffen, wenn dieß überhaupt möglich ift, aber fie find, wenigftens bei uns, feine genauen Beobachter, und meiftens in Vorurtheilen und Aberglauben befangen,, daher haben ihre Dorausfagungen feinen fichern Grund, und die Er- a a fahrung lehrt, daß haufig das Gegentheil defjen eintritt, was fie prophezeiet haben. Würde es ihnen nachgehen, fo würde der Züricherfee alle Jahre gefrieren, was doch glücklicher Weife nur ungefähr alle zehn Jahre gefchieht. Wir Haben in unfern Flüſſen, Bächen und Seen nur ein und dreißig Arten Fiſche, welche in folgende Bamilien gehören. Barfchartige. Nur eine Art, der Flußbarſch (Rechling). Groppenartige. Eine Art, die Groppe. Salmartige. Lachs, Lachsforelle, Slußforelle, Rötheli. Ungefledte Salme. Aeſche, große Maräne (Blauling oder Bratfifch), Blaufelchen, Eleine Marine (Albulen), Hägling. Karpfenartige. Karpfe, Schleibe, Nafe, Brachfen, Ulet, Rottelen, Schwal, Haſel, Laugeli, Bambeli, Rißling, Ellrige, Gründling (Gräsling), Bartgrundel (Grunveli). Hechtartige. Hecht. Weichfifche. Trüfche. Yale. Mal. Knorpelfifche. Großed und kleines Neunauge, Duerder. Wir haben die Prosinzialnamen hier angeführt, bei Erwähnung der einzelnen Arten wird der wahre deutſche und jpftematifche Name auch angeführt werben. Für diefes mal fprechen wir nur von einigen falmartigen. Salme, Salmones, Saumons nennt man Sifche, welche neben einem verlängerten, jeitlich zufammengedrüdten Körper von gewöhnlicher Fifchgeftalt und zwei Bruftfloffen, zwei Bauchflofien, einer After, Nüden- und Schwanzfloſſe mit Knochenftrahlen, hinter der Rüden- flojfe noch eine £leine, faft durchfichtige Fettfloffe, ohne Knochenftrahlen Haben. Die Arten unferer Gemäffer bilden wieder zwei Unterfamilien. Die erfte Unterfamilie begreift die Forellen oder Salme mit Eleinen Schuppen, meift ge- fleeftem Körper und außerordentlich vielen Zähnen in weiter Mundöffnung. Die zweite Unterfamilie hat große, weniger feftiigende Schuppen, einen fehr Eleinen Mund und fehr Eleine oder gar feine Zähne. Der Kaum, der diefen Blättern gewidmet werden kann, erlaubt und nur von der erften Familie zu fprechen. Die Salme oder Forellen haben unter allen Fifchen faft am meiften Zähne. Sie haben jolche in den Kinnladen, im Gaumen, auf der Zunge, an dem Pflugfchaarbein und am Schlundfnochen. Diefe Zähne dienen aber nicht zum Kauen, fondern nur zum Fefthalten und Faſſen der Beute. Es find alle ftarfe Raubfiſche. Sie haben ein vortreffliches Fleisch und wenig Gräte. Bon diefen enthalten unfere Gemäffer Hier Arten: 1) Die gemeine oder Flußforelle, Salmo Fario. 2) Die Lachsforelle, Salmo Trutta. 3) Die Rothforelle, Salmo Umbla. 4) Der Lachs, Salmo Salar. A 1. Die gemeine oder Flußforelle. Salmo Fario. Sie heißt je nach ihrem Aufenthalt und ihrer verſchiedenen Färbung Golpforelle, Schwarz- forelle, Bergforelle, Steinforelle, Förenen, und in Zürich Nieverwäßlerforelle, meil fie nur in der Limmat oder im fließenden Waſſer vorkommt. Franzöſiſch Heißt fie Truite, italienisch Trotta. Kennzeichen der Art. Der Körper ift auf verfchiedenfarbigem Grunde immer mit zinober- oder farminrothen runden Flecken, ohne beftimmte Zahl und Stelle, beſetzt. Bruft, Bauch und Afterfloſſen ſind meiſt ſchmutzig orangengelb; die Rückenfloſſe grau, oben ins orangen⸗ farbige, unten ins olivengrüne übergehend; die Schwanzfloſſe ſchmutzig-orangenfarb. Nacken, Hals und Rücken ſind meiſt olivenfarbig, bald mehr bald minder dunkel, zuweilen mit großen ſchwarzen Flecken auf dem Rücken. Die rothen Flecken find meiſt mit einem weißlichen Kreiſe umgeben, der aber oft ganz undeutlich iſt. Ueberhaupt iſt die Grundfarbe gar ſehr nach dem Waſſer verſchieden, in welchem ſich die Fiſche aufhalten, ſo daß ſie im Allgemeinen ſchwer an⸗ zugeben iſt. Unter der Seitenlinie verliert ſich die Farbe bei den meiſten ins Gelbe, bei an— dern ins Silbergraue. Der Augenring iſt filberfarben. Je reiner das Waſſer iſt, in welchem ſie leben, deſto lebhafter iſt ihre Farbe, in den Alpenwäſſern am dunkelſten, wo dann auch die rothen Flecken am lebhafteſten erſcheinen. Die Rogener oder Weibchen ſollen immer etwas kürzer, dicker und heller von Farbe fein als die Milchner oder Männchen.*) Die Forelle wird in den Bächen nur 6 bis 10 Loth ſchwer, fehr felten ein Pfund, in der Limmat jelten über fünf Pfund. Im See findet man fie nicht. Dieſe Forelle ift durch die ganze Schweiz allenthalben verbreitet und ſowohl in Wald— bächen des ebenen Landes, als in den Seen der Alpen zu finden, mo fein anderer Fiſch mehr vorhanden ift, und in der Limmat und dem Rheine anzutreffen, aber nicht in unfern Seen. Wo fie fih auch aufhält, immer wird fie unter die beften Fiſche gezählt, aber die Bach- forellen werden den Flußforellen vorgezogen, da fie noch ſchmackhafter find. Es findet fich faum ein Bach mit Eiefigem Boden, wo fich nicht Forellen finden. Der Fang aber gehört Privaten oder der Regierung. Auf dem Markte wird das Pfund meift zu 8 bis 10 Basen verkauft, gelegentlich aber erhält man fie oft wohlfeiler. Die Forelle hat ein zartes Leben und hält fich deswegen nur in reinen Waſſern auf, ohne daß indeß Anfchwellungen und Trübewerden der Bäche nad) Gewittern oder ftarfem Regen ihnen ſchadet. Hartes, tufiteinhaltiges Waffer, oder ftehendes Waſſer verträgt fie nicht, dagegen in weichem beftändig fließendem Wafjer befindet fie fich ſehr wohl, wie in der Limmat *) Der Cierftof und die Eier heißen Nogen, daher das Weibchen Nogener. Der männliche Same heißt der Milch (nicht die Milch) und das Männchen Milchner. Mr! ee und im Rhein. Deswegen findet man fie auch nur in ſolchen Alpenfeen, aus welchen Bäche ausfliegen und niemals in folchen, welche feinen fichtbaren Ausflug haben. In den Bächen halten fie fich gerne bei unterhöhlten Ufern und im Winter in Vertiefungen auf. Sie find fehr ſcheu und entfliehen dem Auge des Beobachterd mit Außerfter Schnelligkeit. Nur in der Laichzeit find fie zahm, daß fie fich faſt mit Händen greifen laffen. Im ihren Floſſen haben fie eine große Stärfe, und man fieht fie in ſehr ſchnell fließenden Waſſern zuweilen Stunden lang unbeweglich auf einer Stelle ftehen, wobei nur eine faft unmerfliche Bewegung der Slofjen ftatt hat. Beſonders gerne gefchieht dies etwa hinter einem vorſtehenden Stein oder einem andern Körper, hinter welchem fich ein Eleiner Strudel bildet. Sie liegen da im Hinterhalt, um auf ein daher fommendes Infekt oder auf ein Fifchchen mit größter Schnelle fpringen zu können, und dasfelbe wegzufchnappen. Wie alle Fifche verhältnißmäßig ein hohes Alter erreichen, fo fcheinen auch die Forellen alt zu werden und fchnell zu wachen. Doch läßt fich darüber nichts Beftimmtes fagen. Im reinen Brunnen oder Fifchbehältern, in Bächen oder Flüffen laffen fie fich Yiele Jahre erhalten, obſchon außer dem Waſſer ihr Leben nur kurz dauert. Die Nahrung befteht aus allerlei Gewürm, Wafjerfchnedichen, Blutegeln , befonders dem jogenannten Roßegel, Infekten, Fröſchen und Eleinen Fiſchen. Da fie Infekten und Eleine Fische im Sprunge zu erhalten juchen, jo wird die Sprungfifcherei, befonders auch auf dieſen Fiſch angewendet, wozu man fich als Köder der Wafferinfeften, Mücken, Hafte over aud) Feiner Fifche bedient, welche man, an die Angel gefteckt, immer hin und her zieht. Die Eng- länder bedienen fich befonderd Fünftlicher Infekten dazu, welche immer oben auf ſchwimmen und erfchnappt werden. In den Brunnen werden fie gewöhnlich mit Dchfenleber over ganz £leinen Fifchen gefüttert, können aber auch fehr lange ohne Nahrung fein und fich doch wohl befinden, wenn fie nur immer frifches Waffer haben. Die Laichzeit fällt in ven November und dauert bis gegen Weihnacht. Sie fuchen zur Abſetzung Des Laiches einzelne Stellen aus, wo das Wafjer über feinen Sand und Kiefel fließt, wo es zumeilen jo untief ift, daß die Nückenflofje faft aus dem Waffer hersorragt. Sp bald die jungen Fifche ausgefommen find, zerftreuen und verbergen fie ſich überall unter Steine. Sie vermehren fich ſtark. Die Alten ziehen fi) dann haufenweis zufammen, die Eier hängen an den Steinchen feſt und die Männchen reiben den Bauch am Boden, wodurch der Mil ausgegofjen wird und die Eier befeuchtet. Da fie bei Tag und bei Nacht auf Raub ausgehen, fo kann man fie auch zu allen Tagszeiten fangen, am beiten aber beißen fie Srühmorgens oder Spätabends an die Angel. Man füngt fie auch mit Garnen, welche man Abends ausfpannt, in welche fie fich dann in der Nacht verwickeln. Der Angelfifcher muß immer hin und her gehen und den Köder beftändig bewegen. u N Es giebt zumeilen Mißgeburten unter ihnen, mit fehlerhaften Köpfen. Unſere Sammlung befigt eine folche, wo die obere Kinnlade viel kürzer ift als die untere. 2. Die Lachsforelle.. Salmo Trutta. Truite saumonee. Serforelle. Oberwäßlerforelle. Sie heißt bei uns einfach Seeforelle; Hartmann hat fie gewiß irrig mit der im Boden— fee und Rhein vorkommenden Rheinlanke verwechfelt, welche zwar ein ähnlicher, aber verjchiedener Fiſch ift. Sie wird in allen größern Schweizerfeen gefunden, in unferm Kanton bloß im Zürichfee, Greifenfee und Pfäffikerfee, nie in der Limmat. Ihre Geftalt ift Länglich. Der Augenftern ift ſchwarz, der Augenring filberfarben. Stirne, Naden und obere Theile graulih, oft ins olivengrüne fpielend, Seitenlinie undeutlich, gerade, Seiten und untere Theile filberweiß, mit unregelmäßigen ſchwarzen Flecken, welche mehr oder minder zahlreich find, der Bauch weiß. Bei jungen Fifchen ift der Schwanz etwas gegabelt, bei alten gerade abgefchnitten. Die Floffen find graulichweiß oder afchgraulich. Dieſe Forelle erreicht eine bedeutende Größe bis 35 ja 40 Pfund, folche find aber jehr felten, dagegen folche von 6, 8 bis 12 Pfund gemein. Man findet diefe Forelle nur im See felbjt, nicht einmal bei feinem Ausflug aus dem See; gegen die Laichzeit und während dem Kaichen aber tritt fie in ven Ausfluß der Linth ein und jest da den Laich ab. Dies gefchieht mit Ende September oder im Dftober und dauert bis im November. Der Nogen geht faft auf einmal ab und bleibt an ven Steinen oder Waſſer— pflanzen hängen. Die jungen Fifchchen kommen nad) 7 bis 8 Wochen aus. Die Eier haben die Größe einer Erbfe und find durchjichtig, fo daß man die nach und nach fich ausbildenden Fiſchchen durch die Käute fehen kann. Die Männchen oder Milchner reiben fich an den den Laich umgebenden Körpern, wodurch der Saame ausfliegt und die Eier befruchtet. Dieß foll meift des Nachts gefchehen und bei hellem Waſſer und Mondenfchein am Liebjten. Die jungen Fiſchchen bleiben einige Zeit in der Linth und gehen erft nad Monaten in ven See. Sie wachjen ſehr ſchnell, pflanzen fich aber erſt nach Hier Jahren fort, wenn fie wenig— jtend eine Länge von 13 bis 16 Zoll erreicht Haben. Schon im 6ten Jahr kann der Fiich 7 6i8 8 Pfund fchwer werden. Er ſcheint ſehr alt zu werden und eine Forelle von 30 Pfund und mehr, welche aber felten find, hat gewiß ein hohes Alter, welches fich aber nicht beftimmen läßt. ine Seeforelle von 34 Pfund, welche in unſerer Sammlung fich befindet, ift eine große Seltenheit. Die Nahrung der jungen Fifche befteht in Würmern, Infekten und £leinen Fifchen. Je größer fie werden, deſto größere Fiſche verfchlingen fie und verſchonen feinen Fiſch, ven fie serfchlingen Eönnen,. Auch Fröfche verichluden fie. Bi Das Fleiſch dieſes Fifches ift ſehr gefchägt und um fo mehr, je größer er ifl. Im Sommer ift das Fleiſch roth, im Winter weiß und wird mit 8 bis 10 Basen das Pfund bezahlt. Im, Mat ift es am beiten. Beim Sieden wird e3 gologelb. Im der Laichzeit ift es weniger ſchmackhaft, wie dies bei allen Fifchen ver Fall iſt; es iſt dann weich und hat einen faden Gefchmad, während es außer diefer Zeit feft ift. Für die Fifcher ift diefer Fiſch jehr wichtig, da er fo groß wird und fo theuer verkauft werden kann. ALS ein gefräßiger und gewaltiger Räuber frißt er wiele andere Fifche, Doch bei weitem nicht, wie der Hecht. Seine Eingeweide find oft fehr fett. Man fängt ihn im ganzen See das ganze Jahr durch außer der Laichzeit, wo fein Fang verboten ift. Man bedient fi) zum Fang der fogenannten Trachtgarne und der Seßangel, im Winter der Schwebgarne. Zumeilen befüllt diefen Fiſch auch ein eigener Zufall, der ihn für einige Zeit unfähig macht unterzutauchen. Unfere Fifcher nennen diefen Zuftand den Blaft. Sehr viele Fifche Haben nämlich im Körper eine doppelte oder einfache Blafe, welche mit Luft gefüllt werden kann. Wenn der Fifch auffteigen will, jo füllt fich die Blafe mit Luft, da— durch wird derſelbe leichter und kann fich der Oberfläche des Waſſers nähern, will er wieder tiefer finfen, fo wird die Blafe entleert. Fifche, welchen diefe Blaſe fehlt, bleiben daher immer in den Tiefen. Zuweilen nun wird, namentlich bei großer Sonnenwärme, dieſe Blafe ſehr von Luft ausgedehnt, verliert für einige Zeit die Kraft fich zufammenzuziehen, jo daß der Fiſch nicht untertauchen Fann und in feinen Bewegungen gehemmt ift. In dieſem Zus ftand fann man einen folchen oft mit Händen greifen. Eſcher erzählt von einem Fall, mo man eine 27 Pfund ſchwere Forelle fangen konnte. Diefer Zuftand befällt auch Hechte und andere Fifche, er dauert aber gewöhnlich nicht lange, und verliert fich, wenn der Fiſch ftärfere Bewegungen macht. Diefe Blafe ift e8, aus welcher die jogenannte Hauſenblaſe oder der Fijchleim gemacht wird, den man nicht bloß vom Kaufen, ſondern aud) yon andern großen Fiſchen bereiten kann. Die Rothforelle. Salmo Umbla. Rötheli, Röthel. Im Genferfee heißt fie der Ritter. L’ombre chevalier. Diefe Forellenart ift nicht geflect, gehört aber ihrem ganzen Bau nad) zu den wahren Forellen, mit fehr vielen Zähnen. Die Farbe ift nach der Jahrszeit und dem Waſſer ver— ſchieden. Der Augenring tft filberfarb. Stirne, Nacken und Rüden dunfel oder heller oliyenfarb, der Bauch Hoch orangenfarb, die Geitenlinie zart, gerade und mehr oberhalb als in der Mitte. Im Sommer ift die Farbe viel Heller, oben olivengrünlich, Seiten und Baud) gelblich, ver Ießtere weiß und hin und wieder, wie auch unfere Abbildung zeigt, wie mit Kohlen gefchwärzt, doch nicht bei allen. Im Winter bemerkt man bei einigen auch orangen= farbe Flecken, mit einem fchwachen weißen Ringe umgeben. Die Bruft-, Bauch- und After- floffen find bei Erwachfenen hoch orangenfarbig, Nüden-, Fett- und Schwanzflofje mehr grau. — 2 Die Rothforelle gehört zu den kleinen Fiſchen, die meiſten ſind ungefähr ſpannenlang, ſolche von einem Fuß und länger gehören ſchon zu den ſeltenen und die allergrößte, welche in unſern Zeiten im Zugerſee gefangen wurde, wog 5 Pfund. Die Schuppen find immer jehr Elein und faum bemerkbar. Im Genferfee wird die Rothforelle bedeutend größer und bis auf 7— 8 Pfund, ja 10 Pfund fchwer, deßwegen wurde fie auch für eine verſchiedene Art gehalten. Die Haut diejes Fiſches ift jo zart und dünne, daß fie faft durchfichtig fcheint. Das Fleiſch ift vöthlich, aber zart und geht ungemein jchnell in Fäulniß über. Man fängt einzelne das ganze Jahr, in größerer Menge aber füngt man fie von Martini an bis zum neuen Jahr. Hauptfächlich werden fie bei dem Meilerfeld und bei ver Au gefangen. Sie halten ſich immer in bedeutenden Tiefen auf, felten unter 10 bis 13 Klaftern, gewöhnlich aber noch viel tiefer. Sie fommen nie in die Limmat und auch nicht in die Linth und bedürfen zu ihrem Leben ein weiches Wafjer, hartes vertragen ſie nicht. Sie haben ein jehr zartes Leben, doch aber laſſen fie fih in Brunnen Monate lang erhalten. Sie laichen auch nur in großen Tiefen, im Zürichjee von der Mitte Dftoberd an; die Laichzeit Dauert faft zwei Monate. Nach frühern Verordnungen follte man annehmen, fie Inichen zweimal im Jahre und zwar im Juli und im Dftober, allein dieß jcheint unrichtig zu fein. Die Gier find von der Größe des Hanfſamens und von Farbe hellröthlich. Ihre Nahrung befteht Hauptfächli in der Brut anderer Fische, da fie zu klein find größere Fiſche zu verſchlingen. Man findet nur Heuerlinge in ihrem Magen. Bielleicht freſſen fie auch Waſſerinſekten, welche aber jelten in jolche Tiefen Eommen mögen, wo fie jich aufhalten. In Brunnen frejien fie auch NRegenwürmer, son weldyen fie in der Freiheit auch wohl feine befommen. Diefe Würmer find überhaupt allen Süßwafjerfifchen angenehm. Es ſcheint fait, als ob dieſer Fisch ehmals häufiger gewefen fei als jet, da er auch zu der Zeit, wo man am meiften fängt, nicht häufig auf ven Markt fommt, und nur felten Pfundweiſe gekauft werden kann. Auch jest noch werden fie am häufigften bei Meilen und bei der Au gefangen. Die Garne werden am Abend über 20 Klafter tief gefegt und des Nachts im Waffer gelafien, am Morgen aber wieder aufgewunden. Wahrjcheinlich weil der Fang weniger ergiebig, das Garnfegen aber mühfam und zeitraubend ift, wird verfelbe weniger betrieben, da er zuwenig Gewinnjt abwirft. Wenn auch im Allgemeinen die Menge der Fifche fich nicht Sermindert hat, fo fünnen doch aus uns unbekannten Urfachen einzelne Arten weniger zahlreich geworden fein. Noch gehört, wie ſchon angeführt worden, auch der Lachs zu dieſer Familie, allein ver Naum für die Abbildung geftattete nicht diefen Fifch abzubilden, und dann wäre jo viel von der merkwürdigen Lebensart dieſes Fifches zu jagen, daß wir genöthigt jind, dieß auf ein anderes Jahr zu verſparen. BEL 4 —J u —* I ar; PR: * * we Ba. ur ke —4 nr R u u a a — *— wen En a 19) WInaER — — Naar —2— ES — — — Rt ee iz Lulu er re — — ie NY 90 u 44 int ng —— Wi * 5. Fr Ben N er men AN A, rm = —* h sit eh Bart 1 WR — ARE Be RE in An BA Wr a —* — BR Ar OR u ke: —* * Ba J tut —* I Bear NE Tr RP 75 —* m urneR. or We wann a Big tra u 0 2 Ion: ——— * — a Vet dee He HG a * Druck von Mahler und Weber, Be — ae en ee ri re nt ri ’ se an DEhH nu 00 ws ie up ei? 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Don der Waturforfchenden Gefellichaft. er Ichimn (HR ) Int f Die Fifche unferer Gewäffer. * Ein halbes Jahrhundert iſt bereits verfloſſen ſeit dem die naturforſchende Geſellſchaft, nach dem Beiſpiel anderer Geſellſchaften unſerer Vaterſtadt, angefangen hat jedes neue Jahr ein Unterhaltungsblatt der reifern Jugend zu widmen, welches, dem Zweck ihrer Stiftung gemäß, irgend einen naturhiſtoriſchen Gegenſtand darſtellte. Im vorigen Jahr wurde der Anfang gemacht die Naturgeſchichte der Fiſche zu behandeln, welche unſere Seen und Flüſſe bewohnen, um zu zeigen wie wichtig diefe Thiere für den Erwerb einer bedeutenden Zahl unferer Mitbürger fei, welche fich mit ihrem Fange befchäftigen. Wenn aber der Fang ge- hörig und ohne die Fifche zu fehr zu vermindern, betrieben werden foll, jo muß auch vie Lebensart , ver bejondere Aufenthalt jever Art und ihre Fortpflanzung näher befannt fein und dieſen Zweck follen dieje Blätter zu erreichen fuchen. Wir machten im legten Blatt mit der Darftellung der wahren Forellenarten ven An— fang, indem wir die Gefchichte der Flußforelle, der Seeforelle und der Rothforelle behan— velten. Bon diefer wichtigen Gattung bleibt noch die vierte Art zu betrachten übrig, namlid) : Der Lachs. Salmo Salar. Diefer Fiſch hat nach Alter, Jahreszeit und Gefchlecht auch bei und verſchiedene Na— men, mie dies bei verfchiedenen Fiſchen der Fall ift. Der einjährige heißt ein Sälmling oder Sälbling, der Erwachfene heißt vom Frühjahr an bis zum Auguft Salm und von da an bis zum Neujahr Lach, franzöftich Saumon. Das Männchen over der fogenannte Milchner beißt vom September an Haken, weil fein Unterkiefer fih in einen Haken umbiegt, der Nogener oder das Weibchen heißt Rudern. Der Lachs ift ver größte Fifch unferer Slüffe, (mur der Hecht fommt ihm zumeilen an Größe nahe,) er erreicht ein Gewicht von 35 bis 40 Pfund, man hat fogar Beifpiele von ſolchen, welche 50 Pfund wogen. Der Kopf ift nad) Verhältnig nicht fehr groß, länger und jpigiger beim Männchen, als beim Weibchen. Gr hat, wie alle Forellen, eine ſehr große Menge von Zähnen, in den Kinnladen, an der Zunge, im Gaumen und im Schlunde. Die Schuppen find nicht fehr groß und fisen an ver ftarfen, dicken, fettigen Haut feſt, Kopf und Rüden find am Männchen oliyengrün, welche Farbe an ven Seiten bis zur Geitenlinie heller wird und unter verfelben in Gelb übergeht, vie Floſſen find ſämmtlich grau, vie Fettfloſſe, welche feine Knochenftrahlen hat, ift nicht groß, an den Seiten bis zur Geiten- linie find hin und wieder Eupferrothe und ſchwärzliche, unregelmäßige Flecken zerftreut. Das Weibchen ift oben mehr blaugrau, an den Seiten mehr filberweiß und mit ſchwarzen Flecken bezeichnet. Gegen die Fortpflanzungszeit verlängert fich beim Männchen die untere Kinnlade, wird Enorpelartig hart und biegt fich in einen Hafen um, in der Oberfinnlade aber entfteht eine Höhle, in welche die Spike des Hafens einpaßt, M daß der Mund fich doch fehliefen kann; nach der Laichzeit verliert fich dieſer Hafen wieder und findet ſich beim Salm nicht. Berbreitung und Aufenthalt. Der Lachs ift einer der am weiteſten werbreite- ten und deswegen auch einer der wichtigften Fiſche. Er findet ſich in allen Flüſſen, melche in die Nord» und Oſtſee fliegen, in allen denen, welche fich ins Eismeer ergießen, im gan- zen Norden von Nordamerika, bi zum nörvlichften Grönland, auch in den Flüſſen, welche in das ftille Meer fich ergießen. Nach der Jahrszeit ift er bald ein Bewohner des Meeres, bald der größern und zur Fortpflanzungszeit der Eleinern Flüſſe, felbft der größern Bäche. Niemals aber hält er ſich in ven Süßwaſſerſeen bleibend auf. Unſere Lachſe fteigen aus der Nordiee im Frühjahr in den Nhein und wandern allmählic aufwärts, fovaß fie fhon im Mai yon Bajel bis zum Rheinfall fich finden und dann Salm heißen, im Auguſt over Anfang Septembers treten fie in die Limmat, Reuß und Aare und im Dftober ziehen fie zum Theil in die kleinern in den Rhein fließenden Flüffe, vie Töß, die Thur, viele aber durch den Ser hinauf in die Linth, und viele fogar durch den Wallenfee in die Seez und bis gegen Mels — En hinauf. Nach Vollendung der Linthunternehmung ftiegen viele in das alte Linthbett und wurden dort gefangen, erit im ven folgenden Jahren famen fie in die neue Pinth; in ver Thur fleigen fie bis gegen Untertoggenburg hinauf. Bei ihren Wanderungen überfpringen jte ven kleinen Rheinfall bei Laufenburg, allein ven großen Nheinfall können fie nicht über- fpringen und fammeln fich am Fuße vefjelben, mo oft jehr viele gefangen werden. Durch die Neuß gehen fie in den Vierwalpftädterfee und aus viefem bis nad Steg, aus ver Aare bis durch den Thuner und Brienzerfee. Die ftärfiten Züge in die Nebenflüſſe fommen im Oftober. Wenn fie aus dem Meere aufjteigen, wandern fie in großen Schaaren, wobei fie ein zweiſeitiges Dreieck bilden follen, an der Spige ein Nogener oder Weibchen voran, nachher zerftreuen fie fih. Sie überfpringen Mühlwuhre und Dämme, indem fie ven Schwanz mit dem ganzen Körper in einen Ring biegen und plöglich wieder zurück fchnellen. In diefem Schwanze haben fie eine grope Stärfe, womit gefangene ſelbſt gefährlich um fich ichlagen können Nahrung. Ungeachtet der Lachs ein furchtbares Gebiß hat, gehört er doch nicht unter die gewaltigen Raubfifche, wie andere Forellen und man findet feinen Magen oft leer. Die Jungen nähren fih von Würmern und Wafjerinjekten, wohl auch vom Laiche anderer Fiſche; ältere Salme verſchlingen Eleine Fifche, befonvers joll der Stichling, ver fich aber in unfern Flüſſen nicht findet, wohl aber in den meiften andern Flüſſen, welche in ven Rhein fließen, jeine Nahrung ausmachen und ver Lachs diejen kleinen Fifch, den andere Raubfijche feiner Stacheln wegen nicht verfolgen, ohne Schaden in Menge verjchlingen. Wahrfchein- lich frißt er auch Krebfe und Würmer. Sortpflanzung. Der Hauptzweck der Wanderung ver Lachje in die Flüffe und be- ſonders in die Eleinen ift die Fortpflanzung, welche nie im Meere gejchieht. Sie treten in alle vie Eleinern Flüſſe ein, welche genug Wafjer haben, voch bleiben auch viele im Rheine zurüd, an allen Orten aber fuchen fie feichtere Stellen zur Ablegung ihrer Eier auf, oft jogar fieht man fie in Bächen laichen,, welche jo wenig Wafjer haben, daß die Rückenfloſſe großer Lachje über das Waſſer Hervorragt. Die Laichzeit beginnt mit Ende Oktober und dauert bis Ende Dezember. Zu diefer Zeit fieht man Männchen und Weibchen beiſam— men auf ven fogenanten Gruben jtehen. Dieje Gruben find nichts anders als Fleine Ver- tiefungen auf dem Grunde des Flußbettes, melche dadurch entjtchen, daß das Weibchen, oft auch dad Männchen, an diefem Ort fich ſchwimmend erhält, wie man fich ausprüdt, fteht, und mit dem Schwanze und Band am Boden wühlt, wodurch die Eleinen Steinchen etwas jeitwärts gefchoben und umgekehrt werden, indem die untere Fläche verjelben weniger fchlei- mig ift, ift fie auch rauher und heller und zeigt dadurch dem Auge leicht die Stelle ver Grube an. Dieje ift ungefähr zwei Fuß breit und mehrere Fuß lang. Hat fie die gehörige Eigen- ſchaft, jo reibt fich der Rogener oder das Weibchen am Boden, dadurch gehen die reifen Be Gier aus vem Leibe ab und bleiben an den rauhern Steinchen hängen. Nun kommt das Männchen und befördert durch lebhafte Bewegung des Körpers ven Abgang einer weißen Feuchtig- feit aus dem After, welche der befruchtende Same ift. Diefe ergießt fich mit dem Waſſer über die Gier und befruchtet fie, wobei indes nicht alle befruchtet werben; da aber died mehrmals wieder- holt wird, fo werben die meiften befruchtet, und da die Zahl der Gier groß ift, fo ift aud) die Ver- mebrung ſtark. Mann rechnet nämlich die Zahl der Eier, welche ein Weibchen von fi) gibt, auf etwa 30,000. Sie find roth und nicht viel größer als Mohnfamen. Nach 10 bis 11 Wochen kommen die Eleinen Fiſchchen aus ven Giern und bleiben gerne eine ziemliche Zeit in verfelben Gegend unter Steinen oder andern Körpern verborgen, bis fie eine gewiſſe Größe erreicht haben, dann treten fie die Reife abwärts an, und jo findet man fie im Frühjahr in den größern Zuflüffen des Rheins als jogenannte Sälmlinge von feche bis jieben Zoll Größe; fie halten fich Hier nur einige Wochen auf und fehwimmen abwärts bis zum Meere, wo fie fo lange bleiben, bis fie zu Salmen erwachſen find, daher finder man nur Salme von einigen Pfunden im Rhein, nie Eleinere. Durch das Laicyen wird das Fleiſch des Lachjed weicher und fchlechter, der Fifch wird mager und gegen das Ende der Laichzeit hat es viel von feiner Derbheit verloren, wird auch durch das Kochen nicht roth, wie das Fleifch der Salme, dem es im jeder Beziehung nachfteht; dennoch aber ift es immer noch ehr geſchätzt und angenehm. Wenn auc) viele taufend Fifche einer Brut zu Grunde gehen, fo erreicht doch die größere Zahl das Meeer. Nugen. Wenn auc) bei und das Fleiſch der Salmen und Lachfe feiner Theure wegen nur auf die Tafeln ver Wohlhabenven kommt, jo ift der Gewinn des Lachöfanges um deß— willen für den Fifcher nur um fo bedeutender. Das Pfund wird gemöhnlich nicht unter einem Franken verkauft und nur bei größerm Ueberfluß etwas wohlfeiler. Salme merben in der Limmat felten gefangen und noch theurer verkauft, und zwar meift in ven Gafthöfen. Man fann den Lachs frifch mehrere Tage aufbewahren. Im Norden, wo der Lach3 viel häufiger ift, wird er eingefalgen over gedört und fo das ganze Jahr aufbewahrt, allein bei uns fennt man Died nicht. Die Sälmlinge werden im Frühjahr fehr gefchägt, aber bei uns felten mehr gefangen. Schaden thut diefer Fiſch, als Raubfiſch, nur jehr unbeveutenden durch Freſſen anderer Fifchbrut. Fang. Man erflaunt, wenn man liest, wie unglaublich viele Salmen ſchon bei ihrem erſten Eintrit in den Nihein gefangen werden, und der ganzen Länge des Rheines nach bis zu uns wird dem Lach8 und Salm auf vielfache Art nachgeftellt, fo daß e8 ein wahres Wunder iſt, daß noch fo viele zu ung kommen können. Bei feinem Eintritt in die Schweiz bei Bajel wird, beim Ausflug der Wieje in den Rhein, täglich mehrere Male ein großes Garn, der Wolf genannt, ausgeftellt und meift mit Beute beladen wieder aufgezogen. Zwifchen Bafel und Laufenburg, von Nheinfelven bis Laufenburg , findet man am Ufer allenthalben Lachsfallen a und Garne, welche man die Wage nennt, aufgejtellt. Es ifl dies eine Art von Schnell- garnen, wodurch der Lach, wenn er darüber hinſchwimmt, fchnell mit dem Neg im die Höhe gejchnellt wird, und zappelnd auf vemfelben liegend in ver Luft hängen bleibt. Da wo der Rhein zwifchen Feljen enge vurchfließt, mie in Laufenburg, werden in dieje Zwifchen- räume eine Art von eifernen Neufen gelegt, worin der Lachs fich, wenn er jich durchdrängen will, fange. Man hat auch eigene Fallen, welche an eben ſolche Drte gelegt werden, wo der Lachs durchichwimmen muß. Sie gleichen etwas den Fuchsfallen, weldye man Teller— fallen nennt, und klemmen den Lachs ein, indem fie zuichlagen und zugleich ven Fiſch durch— ftechen. Zumeilen fucht man durch lebende Nogener Männchen anzuloden, indem man dem Fisch einen Strid zwifchen die Kiemen durchzieht und ihn fo ins Waffer hängt. Am Rhein— fall merden fehr viele Lachje gefangen, indem fie fich da jammeln und nicht weiter reifen fönnen. Die merfwürdigfte Art des Lachsfanges gefchicht des Nachts, indem man fie blen- det, und dann mit einer Gabel, der man den Namen Geeren giebt, fticht. Dies gefchieht auf folgende Art. Man beobachtet am Tage, wo Lachsgruben find, auf weldden Männchen und Weibchen fchwimmen oder, wie ver Fiſcherausdruck ift, ftehen. Dieſes kann man von einem erhöheten Standpunfte, 3. B. einer Brücke over auch wohl vom Ufer aus thun, oder indem man in einem Schiffe hin und her führt, modurd zwar die Fifche fich entfernen, allein vie Grube bemerft man deutlich und bezeichnet den Punkt auf irgend eine Art, jo dag man venjelben auch bei der Nacht wieder finden fann. Nun verbindet fich eime Gefellichaft von 6 bis 8 Männern; man miethet ein Schiff, nebft einem Kahnführer und einem Manne zum leuchten. Als Leuchtinftrument dient ein eiferner Korb, in welchem man Kienſpähne anzündet. Diejer Korb wird an einer Stange jo in die Höhe gehoben, daß das Waſſer bis auf den Grund erleuchtet wird. Nun jtellen jich die 6 oder 8 Mann auf beide Seiten des Kahns jeder mit dem Geeren bewaffnet und die Augen feſt auf das Waſſer gerichtet. Der Kabnführer fährt dann über die bezeichneten Gruben langjam hinab. Die durch den Schein des lovernden Feuers geblenvdeten Lachje fommen an die Oberfläche des Waſſers und werden in diefem Augenblicfe mit dem Geeren angeſtochen, und, da dieſer Wieverhaden hat, ſo bleibt ver Getroffene hängen, und wird in das Schiff geworfen, was aber bei einem grogen Lachs nicht Leicht ift, und Kraft nebſt feſten Fuß erfordert. Man wählt zu diejem Fange lieber dunkle, als helle Nächte, weil ver Schein des Feuers mehr blenver, zugleich muß aber auch das Waſſer ganz hell und durchfichtig fein, weil man natürlich bei trübem Wafjer ven Fiſch nicht jehen kann, und dieſer auch nicht geblendet wird. Es ift ein ſchönes Schaufpiel bei dunfler Nacht diefe Männer zu jehen, wie jte im euer ſtehen, beſonders ven Korbtrager, über welchen beftändig Funken berabfallen. Der Glanz des beleuchteten Waſſers, die Beleuchtung der umgebenden Hügel und Käufer und vie geröthete, vünftige Arhmosphäre jcheinen eine Feuersbrunft anzudeuten, für melce a dies Schaufpiel auch jchon oft gehalten worden ift, daher muß die Polizei vorher benachrichtigt werden, damit nicht Feuerlärm gemacht werde. In den neueften Zeiten jcheint übrigens dieſe Art Fang feltener betrieben zu werden, entweder weil die größere Seltenheit der Lachſe die nicht unbedeutenden Koften oft faum erjett, oder weil es an Liebhabern fehlt, welche die meiſt froftige Fahrt nicht mitmachen mögen. Sie dauert oft mehrere Stunden, da man mehrmals Fluß auf und abwärts fahren muß, indem in einer Fahrt nicht alle Lachsgruben befahren werden können. Die nicht getroffenen Lachje Eehren bald wieder zur Grube zurüd und können bei einer zweiten Fahrt gefangen werden. Ein glüdlicher Fang ift aber einträglich und er- jegt die aufgewendeten Koften reichlich. Auc, vom Land aus fann zumeilen etwa vor einer Brücke over einer Wuhrung herab ein Lachs geftochen werden. In früheren Zeiten wurde oft eine eigene Fifcherei auf Sälmlinge getrieben, wenn diefe im Frühjahr, che fie ven Rhein ab- wärts gegen das Meer zueilten, einige Zeit in ver Limmat fich aufhielten. Sie geſchah mit ver Angel und mit fünftlichen Inſekten als Sprungfifcherei, und hieß die Nollenfifcherei, weil eine Rolle over Eleine Schelle an ver Angelruthe angebracht dem Fiſcher anzeigte, wenn ein Fiſchchen angebigen hatte. Die Angelſchnur war ſehr lang und ver Fifcher fuhr in einem Kahn mitten auf der Limmat auf und ab. Sie jcheint wenig mehr getrieben zu werden, wahrjcheinlicy aus Mangel an Liebhabern , weil jie viele Zeit erfordert und nicht einträglich ift. Feinde hat ver Lachs in unfern Gemäfjern nur ald Sälmling, ven erwachjenen Fiſch greift fein anderes Thier an, nicht einmal der Fifchotter. Uber ein Schmarozer-Thier, ver jogenannte Kieferwurm*) plagt den Saln im Sommer, oft fo fehr, daß er vor Schmerz große Sprünge über das Wafjer macht, er hängt fich aber nicht blos an die Kiefern, fondern auch an andere Theile. Auch haufen in feinen Eingeweiden mehreren Arten von Eingeweide— würmern, welche ihm aber wahrjcheinlich wenig jchaden. Die zweite Familie ver jalmartigen Fifche, welche im unfern Gewäſſern fich aufhält wird durch die fogenannten ungefleften Salme gebildet. Nur durch die Fettfloffe ähneln fie den Forellen, dann aber freilich auch durch die wenigen Gräten, womit ihr Inneres verfehen ift, dagegen haben fie jehr Eleine oder gar Feine Zähne und können deßwegen nicht wohl unter die Naubfiiche gezählt werden. Die Mundöffnung ift fehr Klein und geftatter ihnen nur fih Yon Würmern, Inſekten oder gar vegetabilifchen Stoffen zu ernähren. Die meiften haben große, weniger feitfigende Schuppen und find meift ungefleckt. Sie leben meift in Seen, nur eine Art in fliefendem Waſſer, und vie in Seen lebenden, lieben vie *) Lernaea branchialis, zur Klaſſe ver frebsartigen Thiere gehörend, man nennt dieſes Thier auch Lachslaus. —— Tiefen und kommen faſt gar nicht auf die Oberfläche. Mit Recht ſind ſie von den Forellen, zu welchen man ſie früher zählte, getrennt worden und bilden die Gattung der Felchen (Coregonus). Unſere Gewäſſer beherbergen folgende: 1) Die Aeſche Coregonus Thymallus. 2) Die große Maräne. Cor. Maraena. 3) Den Blaufelcyen C. Wartmanni. 4) Die kleine Maräne C. Maraenula. 9) Den Segling C. Albula. Die Aeſche Coregonus Thymallas. In der frangöffchen Schweiz Yombre in ver italienifchen Il temolo. Man bat fie wohl auch zu einer eigenen Gattung Thymallus gemacht und Thymallus vexilifer genannt. Beide Kinnlavden find mit leicht bemerfbaren, Eleinen Zähndyen beiegt, welche aber ſehr ipigig find; einige kleine Zähnchen figen auch nocd im Gaumen. Der Körper ift mit mittelmäßig großen und harten Schuppen bevedt; die obern Theile, Rüden und Geiten veffelben find grau, an den Seiten geht dieſe Farbe ins hellere grau über, die Seiten über und unter der Geitenlinie find mattweiß und über den ganzen Körper bis zum Schwanz, laufen 14 bis 15 ſchmutziggraue Parallelftreifen, welche dem ganzen ein düſteres Anjehen geben. Die Rückenfloſſe dagegen ift fehr lebhaft gefärbt, fie hat 20 Strahlen und ift hoch, mit mehreren Reihen runder fchwarzer Flecken beſetzt, zwifchen welchen die Häute zinnober- roth find , die Fertfloffe ift nur klein und die übrigen Floſſen mehr oder minder roth. Am vordern Theil des Körpers bemerkt man meift einige Fleine, ſchwarze, runde Flecken. Die Aeſche wird etwa 14 bis 15 Zoll lang und erreicht ein Gewicht von einem Pfund, febr felten von zwei, oder gar drei Pfund. Aufenthalt. Es iſt dieß ein Flußfifch, ver nie in die Seen geht. Gr fommt in ver Limmat, der Töß, der Thur und dem Rhein vor und Hält fich außer ver Laichzeit mebr in ver Tiefe auf. Sie lebt gefellig im großen Schaaren beifammen. Gie liebt hell— ftrömendes Elares Wafjer mit fiefigem Grund, geht auch in fchattige Waldbäche, fteigt aber nicht bis in die Alpengewäffer hinauf. An fumpfigen Orten findet man fie nicht. In Zürich kommt fie bis zum Ausfluß des Sees herauf. Gin Zugfiſch ift fie nicht, ſondern bleibt faft das ganze Jahr im verfelben Gegend, und nur zur Fortpflanzung befucht fie feichtere Stellen. Nahrung. Die Aefche kann, da ihr Mund flein und mit fchwachen, wenn jchon Ipigigen Zähnen verfehen ift, nur Infeften, Würmer, Eleine Waſſerſchnecken, Fiſchlaich und Schlamm freffen. Die Schnecken verfchlingt fie mit der Schale. Nach Inſekten ſpringt fie, und fängt wohl nahe am Waſſer hinfliegende Infeften im Sprunge. Selbſt in fchnell- fliegenden Waſſern fann fie jih Stunden lang an verfelben Stelle ſchwimmend erhalten. FGG, BER Fortpflanzung. Zur Fortpflanzungszeit jucht fie feichtere und weniger jchnell- fliegende Waſſer auf. Diefe Zeit ift der März. Die Gier find etwas größer als Hanf- ſamen, größer als die des Lachjes und von gelblicher Farbe. Die Vermehrung iſt ſtark. Die ausgekommenen Fifchchen wachen ſchnell. Bei uns hat die junge Aeſche feinen be— ſondern Namen und wird leicht von Unkundigen mit andern kleinen Fiſchen verwechſelt, wenn man die Fettfloſſe nicht beachtet. Nutzen. Das Fleiſch dieſes Fiſches iſt weiß, derb und wohlſchmeckend und wird ſehr geſucht, doch aber es weniger theuer, als die Forellenarten verkauft. Es hält ſich einige Tage, je nach der Jahreszeit, friſch. Da fie oft in Menge.gefangen wird, jo iſt für manchen Fiſcher ver Ertrag des Fangs ziemlich beveutend. Eſcher in feiner Beichreibung des Zürichſees nennt die Aefche den herrlichften und gefündeften Fiſch vor allen unjern Fiſchen, ver Gefchmarf muß fich geändert Haben, denn jegt werden die Forellen den Aeſchen vorgezogen. "Fang. Man fängt die Aeſche mit Garnen und an ver Angel. Die Uejche ift ein Gegenftand ver Sprungfifcherei, der Fang erfordert aber Grfahrung, denn es ift ein Liftiger Fiſch. Die Alten hatten die jonderbare Meinung, man müfje einen Floh an die Angel ſtecken, aber ſchon Geßner meinte fpaßhaft, man müßte damit fehr jubtil umgehen. Außer— dem hat die Aeſche viele Feinde, der Fischotter ftellt ihr ftarf nad), dann aber bejonders auch der Flußadler, der Seeadler, die Tauchgänfe und Taucher, und jungen und alten ans derer Raubfiſche. Schaden thut die Aefche durchaus nicht. Die Naturgefchichte der andern Arten der Felchen wird in einem andern Blatt folgen. er « —* I RR, * 5* Ye An die Zürcheriſche Jugend auf das Jahr 1849. Von der Naturforſchenden Geſellſchaft. Li. Stüd. — | C# Weber die Lebensweiſe der Spinnen. Eine Menge der fhönften Freuden und Genüffe, zu denen auch die Natur ihre Gaben gefpendet hat, find euch in Ddiefen Tagen zu Theil geworden; und al3 Erinnerung an die feftlihe Zeit mögen euch einige Mittheilungen über die Naturgefchichte der Spinnen verblei- ben. — Der Spinnen? denft vielleicht Manches von euch, der lieblofen Thiere, die fo grau— fam und fohlau wie Räuber und Mörder erft in tieffter Ruhe auf der Lauer ftehen, dann ihre Beute mit Bligesfohnelle überfallen und ohne Erbarmen dahinwürgen; der häßlichen Gefhöpfe, bei deren Anbli man fo oft unwillfürlich zuſammenſchrickt, wenn fie plöglich im fohnellen Laufe aus ihren Schlupfmwinfeln hervorrennen, mit ihren langen und dürren Beinen an dem widerlich feften wie geföpft ausfehenden Worderförper, mit ihrem Falten, efelhaft weichen Hinterleib, aus dem die Fäden Fommen, die uns oft ein fo unbehagliches Gefühl erregen, wenn fie fi unerwartet über’3 Geficht ziehen? der unfaubern Gäfte, die mit ihren Geweben und Negen fo häufig unfere Zimmer verunzieren, deren Unrath bisweis len fogar unfere Kleider und Wäfche befudelt? — Gemah, junge Freunde! Berurtheilen ift leicht, aber nicht immer recht; eine ruhige Prüfung wird euch vielleicht auch hier Man— ches zeigen, was eure voreiligen Ausfprüche mildert, und unfre Spinnen eurer Beahtung und einer fhonenden Behandlung von eurer Seite würdig erfcheinen läßt. Die Spinnen find in ihrer Nahrung auf Inſekten angewiefen; fie erfcheinen daher be— fonders in der wärmeren Jahreszeit, find gleich den Inſekten bis zu den Grenzen ded ewigen Schnees über die ganze Erde verbreitet und finden fih, wie fie, an den mannigfaltigiten Orten; einige leben in Käufern, die Mehrzahl aber im Freien, bald die höhern Gebirge, Er bald die tiefern Gegenden vorziehend, bald in jchattigen Wäldern oder in Gebüfchen und Hecken, bald auf offenem Felde; die einen body über der Erde, andere in größerer Nähe an ihr, manche beftandig auf oder fogar unter derfelben; viele mehr oder weniger frei, an- dere in zufammengezogene Blätter oder in Risen und Löcher verborgen, manche lieber an trodnen, andere an feuchten, dumpfigen Stellen, manche am Ufer der Gewäffer, über welche mehrere Luchsfpinnen öfter geſchickt hinweglaufen, und einige fogar beftändig im Waffer. Bei der unendlihen Menge von Spinnen, bei ihrer großen Verbreitung, bei ihrem unaufhörlihen Vertilgungsfriege gegen die Inſekten leuchtet die Wichtigkeit der Spinnen für den Haushalt der Natur und der hohe Nutzen, den fie dem Menfchen leiften, klar in die Augen. Zahllofe Schaaren von läftigen, uns und unfere Hausthiere quälenden oder unfern Pflanzungen, Vorräthen und Geräthſchaften ſchädlichen Inſekten werden durch die Spinnen vernichtet; mo der Menſch mit feinen ſchwachen Hilfsmitteln nicht beizufommen vermag und ohnmächtig dem Gange der Natur ihren Lauf laffen muß, da jhaffen ohne Un- terlaß befonders die Spinnen und fegen der allzugroßen Vermehrung und den empfindlichen Verwüſtungen der Infekten Fräftige Schranken. Die Spinnen find duchfchnittlich in der Naht am thätigften und, die erfte Jugendzeit und die Furzen Perioden der Häutung ausgenommen, ohne Unterlaß mit der Jagd der In— feften befchäftigt, welche entweder im fchnellen Laufe eingeholt, oder in gewandtem Sprunge erhafcht, oder durch vorfichtige Annäherung bejhlichen und plöglich erfaßt, oder aus fiherm- Hinterhalte pfeilfchnell überfallen oder in mehr oder weniger funftreihen Negen gefangen und wo möglich fogleich durch den vergiftenden Biß der Spinne gelähmt oder getödtet werden ; indem das Spinnengift, welches bei unfern einheimifhen Spinnen auf den etwa gebiffenen Menſchen Feinerlei ſchlimme Folgen äußert, auf Inſekten und andere Gliederthiere die hef— tigſte Wirfung zeigt. Diefer Lebensweife der Spinne entfpricht aber herrlich der Bau ihres Körpers; ein fefter gedrungener Vorderförper, aus einer innigen Verfhmelzung des Kopfes mit dem Bruftkaften entftanden, dient den Fräftigen Fangorganen und Mundtheilen, und den das Gefhäft der legtern mehr oder minder unterftügenden flüchtigen Beinen zur Befeftigung; ein weicher, der Ausdehnung fähiger Hinterleib dient, oft nad) längerem Faften und Dar: ben, im vechten Zeitpunkt zur Aufnahme reichliher Nahrung.*) Die Fangorgane find zwei vom Ausführungsgang einer Giftdrüfe durchzogene Klauenfühler (Fig. 1. a, a‘), deren erfies Glied (a) am Ende mit einem Hafen (a‘) beweglich verbunden ift; die Mund— theile beftehen aus zwei, je mit einem gegliederten Zafter (Fig. 1 und 2, b‘) bejeß- ten Unterkiefern (Fig. 2. b), mittelft deren die Spinne die erhafhten und auszufaugen- ) Zur Erläuterung des Banes der wichtigften Körpertheile Haben wir diejenigen der Kreuzfpinne im vergrößerten Maafftabe in den 6 erften Figuren zur Anſchauung gebracht. mi u = den Thiere zerquetfcht und in die Mundhöhle hineindrüdt, und aus einer Ober: und Un- terlippe (Fig. 3 und 4). Die acht gegliederten, im Kreife an der Bruft befeftigten Beine richten fih in ihrer Länge und Stärfe nad dem Aufenthalt und dem befondern Wirfungs- Ereife der Spinne, auch die 6 oder 8, bisweilen im Dunkel leuchtenden einfahen Augen (Big. 1. c), find nad Ddiefen beiden Umftänden von verfchiedener Stellung und Größe.*) Der Hinterleib ift mit dem Vorderförper mitteljt eines Furzen dünnen Stieles verbunden, und trägt vorn auf der Unterfeite Spalten zum Ein- und Ausathmen der Luft, und hinten die 4—6 Spinnwarzen (Fig. 5. d,d die 4 äußern, e,e die beiden innern). Diefe beftehen aus vielen mit einander verbundenen Röhren, und find für die Spinnen von höchfter Bedeutung ; aus ihrem fieb- artig durchbrochenen Ende tritt nämlich in Form eines Tröpfchens der Elebrige Spinnftoff hervor, und wird von der Spinne auf verfhiedene Weife zu Fäden gefponnen; bald nämlich wird er mit Hülfe der Hinterbeine weiter ausgezogen, bald befeftigt ihn die Spinne an irgend eine fefte Unterlage und läßt ſich entweder in freier Luft in hängender Stellung in die Tiefe herab, oder läuft von der Anheftungsftelle weiter und zieht fo einen Faden nad), oder fie fprigt den Spinnftoff in ununterbrodhenem Strome in die freie Luft. Diefer erftarrt in der Luft zu Seide und dient der Spinne bald nur zur Verbindung und Umhüllung der Eier, bald zugleich zur Anlage einer fihern Wohnung, oder zum Bau eines brauchbaren Neßes für den Fang der Infeften, wird nach den verfchiedenen Beftimmungen der Fäden auch für jede Art derfelben in verfchiedener Eigenfchaft geliefert, und tritt daher in diefer verfchiedenen Eigenfhaft wohl jedesmal aus befondern Warzen oder befondern Partien ihres fiebartig durchbrochenen Endes hervor. Gewöhnlich werden die überaus zahlreihen Fäden (aus jeder Warze kommen ungefähr 1000) zu einem einzigen verflebt; in manden Fällen aber treten fie getvennt in Form eines Fegelförmigen Strahlenbüfchels hervor, wie dann, wenn gemiffe Negipinnen ein widerfpenftiges Infekt mit taufend Feffeln umminden, wobei fie dasfelbe zwifchen den Spißen der Vorderbeine mit Hilfe der Hintern erftaunlich ſchnell herumdrehen. Manchen Negfpinnen dienen überdieß die am Ende mit 2 gezähnten Krallen und einem Sporn (Fig. 6) befegten Beine wohl noch dazu, bei Anlage des Gewebes den Fäden Die beftimmte Richtung zu geben; während die Tafter, deren Hauptverrihtungen noch nicht ge- börig ermittelt find, öfter auch zum Sammeln der loſen Fäden, bisweilen zum Pugen der Augen, oder mit den Klauenfühlern zum Fefthalten der Eierſäcke dienen. Sonft leiften die Klauenfühler bei einigen Spinnen, welche in unterirdifchen Röhren leben, wohl noch befon- dere Dienfte beim Graben der Röhre. Die Wahrnehmung der Beute gefchieht bei den herummandernden Spinnen wohl vorzugsweife mit Hülfe der Augen, bei den Nesfpinnen mehr vermöge eines feinen Gefühls, Faum vermittelt des Geruchs und Gehörs. Ueber die *) Bei jeder der abgebildeten Spinnen ift die Augenftellung auf unferer Tafel beigefügt. ge Ausbildung des legtern Sinnes ift man noch nicht gehörig im Klaren; während frühere Beobachter von einer angenehmen Einwirkung der Muſik auf die Spinne fpradhen und den Grund in dem Gehörfinn des Thieres fuchten, beftreiten Neuere den Eindrud der Zöne auf die Spinne gänzlih. Aehnlicher Widerſpruch erhob fi) gegen das feine Vorgefühl künftiger Witterung und gegen die auffallende Aeußerung diefes Gefühls, wodurch fi die Spinnen befonders feit 1794 den Ruhm zuverläffiger Wetterpropheten- wieder erworben hatten. Da— mals nämlich) hatte der von den Holländern gefangene Generaladjutant Quatremere d’Is- jonval dem Führer der franzöfifchen Wevolutionsarmee Pichegru, der bereit3, in der Ueber— zeugung, daß gegen das von feinen Ginwohnern unter Waſſer gefegte Holland unmöglich Etwas zu erringen fei, an den Rückzug dachte, aus feinem Gefängniß zu Utrecht die Nach— richt gefandt, daß die Spinnen ihm eine binnen 10 Zagen fiher eintretende Kälte prophe- zeiten; Pichegru harrte bis dahin aus, die Kälte traf ein und unaufhaltfam drang die Armee nach Amfterdam; der befreite Verfünder der wichtigen Prophezeihung der Spinnen aber wurde im Triumphe nach Paris gebraht. Man bediente fih zur Beobahtung der Witterungsandeutungen befonders der Winkel- und Kreuzfpinnen, und ftellte nad ihrem Hervorfommen oder Zurüdziehen und ihrer Stellung im Nege, nach dem größern oder ges ringeren Maaße der Grundfäden bei Anlage desjelben, nach) dem Baue neuer, mehrerer, oder der Vergrößerung ſchon fertiger Gewebe, nah der Vernichtung eines Theils oder gar des ganzen Gewebes, wie nad Anlage der bloßen Grundlage zum Nege, nad) der Rube oder Unruhe der Spinnen, nad ihren Kämpfen um den Befiß fertiger Gewebe, nad) der Häutung und dem Gierlegen ꝛc. 2c. befondere Kegeln für die muthmaßliche Witterung auf. Zu diefer Empfindlichkeit fheint öfter eine andere auffallende Erfcheinung in naher Beziehung zu ftehen, nämlich die herbftlichen Luftreifen, Die von manchen Spinnen, befonders ſolchen, welche an feuchten Orten oder an der Erde leben, auf ihren in die freie Luft ausgefprigten Fäden wahr: fcheinlich zu dem Zwecke unternommen werden, um fich , glei) andern, an pafjendere Drte zur Weberwinterung zu begeben. Zu dieſem Zwecke bauen fih mande eine befondere Wohnung oder verschließen die Deffnung derjenigen, welche fie vorher bewohnten; bier verharren fie in einem fehlafähnlichen Zuftande, bis die mildere Frühlingswärme fie zu neuem Leben er- wet. Die Lebensdauer der Spinnen beträgt im Durchſchnitt nicht über ein Jahr, obwohl Fälle befannt find, daß folhe, die in der Gefangenfchaft lebten und daher an der Erfüllung der Fortpflanzung verhindert waren, ein Alter von mehreren, ja von vier Jahren erreich⸗ ten. Ihre Lebenskraft iſt im Allgemeinen gering, die meiſten ſterben ſchon an leichten Ber⸗ wundungen; und verlorene Theile erſetzen ſich nur in den frühern Lebensperioden. Alle Spinnen beſtehen mehrere Häutungen, und Männchen und Weibchen gewinnen erſt allmälig ein beſtimmt verſchiedenes Anſehen: erſtere zeichnen ſich nämlich nad) vollendeter Entwicklung vor den letztern durch geringere Körpergröße, längere Beine und beſonders durch die am ei 2 Ende angefchwollenen Zafter aus. Wie die Spinnen überhaupt ungefellige, einfiedlerifche Wefen find, fo leben auch die beiden Gefchlechter nur zeitweife beifammen und nicht felten bat das Männchen den Verſuch, in Geſellſchaft des Weibchens zu leben, bald früher, bald fpäter mit dem Leben zu büßen. Die weiblihe Spinne ſorgt duch friftweife Ablage von Eiern für eine Nachkommenſchaft, welcher fie, theils ſchon im Zuſtand des Eies, theils in demjenigen der jugendlichen Entwicklung, oft die auffallenditen Beweife mütterliher Liebe und Sorgfalt widmet; und es bedarf in der That dieſer aufopfernden Xiebe der Mutter in hohem Grade bei der Menge von Feinden und bei der Hilflofigkeit mancher jungen Spinnen, von denen einige fogar erſt nad) der erjten Häutung zum Befige der Spinnwarzen gelangen. Die größten unter den Spinnen gehören zu der Familie der Tapezirfpinnen, welche vier Spinnwarzen , vorwärt3 gerichtete Klauenfühler mit nah unten einjchlag- baren Hafen bejigen und vorzugsweife in wärmeren Erdgegenden einheimifch find. Die meilten machen an fonnigen Lagen röhrenförmige Säcke von Seide in Erdlöcher, Felfenrigen oder Baumfohrunden, oder unter große Blätter unter niedern Kräutern, ziehen aber von der Mündung aus Feine Fangfäden, fondern lauern am Eingang ihrer Wohnung auf ihre Beute, oder erjagen fie im Freien, Die Fünftlichiten Baue aber machen unftreitig die meiften Minirfpinnen und einige Würgfpinnen; fie graben in fandhaltigen Thonboden, Erde, oder in die weicheren Binde- oder Ausfüllungsmittel von Fel3- oder Mauerfpalten mehr oder weniger tiefe, meijt in gerader Richtung verlaufende, walzige oder etwas trichterförmige Röhren, bald jenkrecht, bald ſchief abwärts, bald horizontal einwärts; bei den meiften ftellt der Bau eine einfache Röhre dar, bei andern ift er durch Klappen in mehrere Räume getheilt; die ganze Röhre ift mit einem Dichten feinen Seidengewebe austapezirt, an der Mündung aber befindet fi, wie eine in Angeln bewegliche Fallthüre, ein an ftraffen Fäden befeftigter und auf der Innenfläche gleichfalls mit einer dichten Lage von Seide überzogener Deckel, welcher der Spinne den Aus- und Eintritt geftattet, Feinden aber den Eintritt verwehrt. Mande forgen fogar duch Anbringen eines Vorfprunges über der Angel dafür, daß der Dedel nicht über einen rechten Winkel zurüctrete, dagegen durch einen leifen Drud auf den Vor: fprung geöffnet werden könne. Auf unfrer Kupfertafel ift der Funftreihe Bau der Sau— vagefhen Minirfpinne, Cieniza fodiens, in Fig. 7 abgebildet; die Röhre diefer im füdlihen Europa, befonders in Corſika einheimifhen Spinne verläuft in wagrechter Rich— tung, ift hinten abgerundet, vorn aber in einen fchwachkegeligen Falz zur Aufnahme des genau paffenden (hier etwas gehobenen) Dedels erweitert; legterer (in Fig. 8 von innen abgebildet) befteht aus Erdkörnchen, die mit Seidenfäden innig verwebt find, und gleicht jo täufchend den Außern Umgebungen der Röhre, daß nur ein geübtes Auge die Gegenwart des Baues zu erfennen vermag; nächft der innern, mehr abgerundeten Kreisfante ift das =. Gewebe unten von einem Bogen Kleiner Löcher durchbrochen, in welche die Spinne bei un- berufenem Berfuche der Eröffnung mit ihren Fußfrallen eingreift und fo Fräftig zurüdzieht, daß der Eröffnungsverfuch nicht felten Bertrümmerung der Fallthüre zur Folge hat. In diefer Röhre hält jich die Spinne, mit Yusnahme der nächtlichen Raubzüge, beftandig auf, und bier befinden ſich auch die zahlreichen, in einen Eugeligen Ballen von der Größe einer Fleinen Hafelnuß verbundenen Gier; an's Licht des Tages, befonders aber an die Sonne gebracht, erfchlafft die Spinne und erfcheint wie gelähmt. Einen graufenerregenden Anbli gewähren die größern unter den Würgfpinnen, welde in den heißeften Erdgegenden leben, in Baumfpalten, Erdlöchern ze. 2c. wohnen, nicht felten ein fußlanges und mehrere Zoll weites Seidenrohr weben, und gereizt fehr fehmerzhafte, ja bisweilen gefährlihe Biffe beibringen; fie überwältigen die größten Inſekten. Eine Art aus dem tropiſchen Amerika, die Blond’ihe Würgfpinne, Mygale Blondii Latr., wird mehr als 3° lang, über 1° breit, umfaßt mit ihren Beinen einen Raum von 7° Durchmeffer; der koloſſale Eierball enthält gegen Hundert Eier. Drohend und Fe ift auch das Anfehen einer einheimifchen Art, der feltnen Sulzerfhen Mordfpinne, Oletera picea Walck. (Fig. N, weniger wegen ihrer Größe, al$ wegen der mächtigen, mit furchtbaren Hafen geendeten Klauenfühler; fie lebt an feuchten Drten in Löchern und erjagt ihren Raub in ſchnellem Lauf. Unter den Spinnen, welche 6 Spinnwarzen, abwärts gerichtete Klauenfühler mit nad) innen umgefchlagenen Hafen haben, jagen die einen im Freien und bauen Feine Fangneße; wenn fie Gewebe fpinnen, fo dienen Diefe einzig zum ruhigen Aufenthalt außer der Jagd, befonders während der Periode des Eierlegens oder der Ueberwinterung; fonft befchränft fic) die Spinnthätigkeit höchſtens auf Nachziehen einzelner Fäden oder auf Ausfprigen derfelben. — Es begreift diefe Abtheilung die Familien der Hüpf-, Krabben= und Wolffpinnen. Die Hüpffpinnen befhleihen an fonnigen Stellen und nicht felten an fenfred- ten Wänden ihre Beute, überfallen fie meift im Sprung, wobei fie einen Faden nach— ziehen, und halten fi) unabwälzbar auf dem Rücken des Opfers feft, bis die lähmende Wirkung der wiederholten Biffe erfolgt ift; dann erft fteigen fie herab, halten die Beute vor fi) her und faugen fie aus, forgfam jeder Gefahr, von welcher Richtung fie drohe, ausweichend. Zur Fortpflanzungszeit wohnen fie in platten länglichen Säckchen (Fig. 10), die an einem Ende mit einer genau fehließenden zweilippigen Deffnung münden und zwifchen Blättern oder in natürlihen Höhlungen angelegt, oder an Steine, Wefte und andere Kör- per befeftigt find; wenige machen auch Säckchen mit einer vordern und hintern zweilippigen Mündung. Die gemeinfte und verbreitetfte unter den hieher gehörigen Arten, welche ſchon in den erften Frühlingstagen an fonnigen Mauern, Breterwänden, Fenftern 2. ze. herumfpazirt, MG ift die ſchöne Harlefinshüpffpinne, Salticus scenicus L. (Fig. 11 das Männchen, 12 das Weibdhen). Die Krabbenfpinnen haben in der Negel flach aufliegende Beine, auf denen fie ſich vor-, rück- und feitwärts mit gleicher Sicherheit bewegen können. Manche wandern an Mauern und Wänden, an der Erde oder auf Sträuchen und Kräutern herum; die mei- jten aber liegen auf Blumen und Blättern auf der Lauer, fchleichen fjachte gegen den Kopf der zum Opfer auserfehenen Injekten herauf, paden fie plöglih an einem leicht verwund- baren Theile, befonders gerne an der weichen Werbindungshaut zwifchen Kopf und Bruft- Faften, und lähmen oder tödten diefelben fofort durch mehrere Biſſe; find die gewählten Opfer mit einer gefährlihen und leicht nach jeglicher Richtung beweglichen Waffe verfehen, wie die Weſpen und Bienen, jo zieht fi) die Spinne fofort nad) Beibringung der Biffe ſchnell zurück und erwartet die Wirkung des Giftes, ehe fie zum Ausfaugen der Säfte zu ſchreiten wagt. Gewöhnlich ziehen oder fprigen die Krabbenfpinnen nur einzelne Fädenz zur Zeit des Eierlegens aber wohnen viele zwifchen zufammengezogenen Blättern, Blüthenftän- den 2c. ꝛe., die fie inwendig mit einem mehr oder weniger Dichten Gewebe ausfleiden; andere aber juchen ſich zwiſchen Rindenfpalten und an andern vor Nachſtellungen gefiherten Orten einen ruhigen Aufenthalt. Im diefer Wohnung oder an diefem ruhigen Orte ihres Aufent- halts werden die platten oder runden Eierſäcke abgelegt, welche von den mütterlihen Spin- nen mit unausgefegter Sorgfalt gehütet, ja bei einigen von deren Körper fchüßend bedeckt werden. Befonders den Bienen gefährlih, wenn fie arglos aus dem honigreichen Grunde der Blumen den füßen Saft jhlürfen, ift die herumſchweifende Krabbenfpinne, Xystieus vialieus L. (Fig 13), eine der gemeinften und weitverbreitetften Arten, welche ſich glei) einer großen Anzahl verwandter Arten durch die beträchtlich längern zwei vordern Paare der Beine auszeichnet, und überall auf Feldern und Wiefen, in Gärten und an Mauern herumftreift. Die Wolffpinnen jagen im behenden Lauf ihre Beute im Freien, einige wenige befigen aud die Fähigkeit zu fpringen. Die artenreichfte Gattung ift diejenige der Luchsſpinnen, Lycosa Latr. ; fie leben in Erdlöchern, deren Wände fie mit etwas Seide auskleiden und die fie mit großem Muthe gegen Eindringlinge vertheidigen ; beftehen in diefen Löchern ihren Winter- ſchlaf und die Weibchen legen bier auch ihre Eier ab; bei ihren Wanderungen fehleppen die meiften den Eierſack am After mit fih herum, bewahren ihn treu vor jeder Gefahr und kämpfen jelbft gegen überlegene Feinde um deſſen Befig; mit gleicher Liebe forgen fie für die Jungen, welde jogar von einigen auf dem Rüden mit herumgetragen werden; dieß geſchieht z. B. von dem Weibchen der Gartenluhsfpinne, Lycosa saccata L. (Fig. 14), welches mit feinem graublauen, hoch linfenförmigen, an 100 Gier enthaltenden Sade nicht felten in BR re warm gelegenen Gärten und Feldern gegen Ende des Mai angetroffen wird. Die Jungen brechen aus der dünnern, durch einen weißen Kreis bezeichneten Mitte hervor und klammern ſich auf den Rüden der Mutter, welche dann ausfieht, wie wenn fie mit einem Ausjchlage be- haftet wäre. Eine der größten Luchsfpinnen ift die berüchtigte Tarantel, Lycosa tarantula L., welche in den füdlichen Theilen von Italien, Spanien und Portugal lebt; das Männden wird 13, das Weibchen 17° Tang, und der vom legtern am After getragene und gegen 670 Gier enthaltende Eierfad doppelt fo groß wie eine Hafelnuß; die Tarantel liebt gebirgige Gegenden, und baut fih an freien trodenen Plätzen einen 1‘ tiefen Gang in Die Erde, der innen mit einem Gewebe ausgefleidet wird; der Eingang ift von einer aus trocknen Holz- ſtückchen und Thon erbauten röhrenförmigen Warte überragt. Hier bleibt die Spinne wäh— rend der ftärfften Sonnenhige verborgen, fonft jagt fie allenthalben umher; hat fie unweit ihrer Wohnung eine Beute erhafht, fo trägt fie Diefelbe dahin, um fie mit Gemächlichkeit verzehren zu Fönnen, daher aud) vor der Deffnung derfelben immer ungenießbare Nahrungs- vefte in Menge herumliegen. Daß ihr Biß giftig fei und nur durch anhaltendes Tanzen folgenlos gemacht werden Fönne, hat fi) als Fabel erwiefen, wiewohl nod heutzutage die Leichtgläubigfeit der Menſchen von den Lazaronis zum Gewinne einiger Maße Wein oder einigen Geldes durch Sichbeißenlaffen und Tanzen ausgebeutet wird. — Mehrere Lycoſen leben ihre bald mit Lehm, bald mit Seidenfloden befegten runden oder Erugförmigen Eier: ſäcke (Fig. 15 und 16) an Pflanzenftengel. Die Jagdfpinnen erjagen ebenfalls ihre Beute im Lauf; beim Herannahen der Legezeit weben die Weibchen in Baumgipfeln, auf Geſträuchen und zwifchen Blättern und Zweigen ein feidenartiges Neft in Geftalt einer umgeftürzten Glocke, legen bier ihre Eier ab, verbinden fie zu einem Fugeligen Ball, und tragen diefen, wenn fie auf die Jagd ausgehen oder von einer Gefahr bedroht werden, unter der Bruft befeftigt, die Jungen aber auf dem Rüden mit fi fort; einige machen fogar ein doppeltes Neft, ein Eleines zum Aufenthalt für fih, ein größeres über das erfte gewölbt und mit einem befondern Gingange neben dem erften ver- fehen, für den Eierſack und die Jungen. Wie die Lycofen vertheidigen auch fie ihre Eier und Jungen mit aufopferndem Muthe und forgen für Iegtere, bis fie ihren Unterhalt felbit ſich verfchaffen Eönnen. Die Sheudhzerfhe Jagdfpinne, Dolomedes Scheuchzeri Bremi (#ig. 17), findet fih bei Chur nicht felten auf Anhöhen und hängt zur Legezeit in jungem Tannen- und Xer- chengebüſch eine fehr niedlihe Hütte (Fig. 48) auf, welche einem Täubenei gleicht, eine runde, ſchief gegen die Erde gerichtete Deffnung befigt und der Spinne fammt dem Gierfad zum Aufenthalt dient. Die zweite Abtheilung der Spinnen mit 6 Spinnwarzen begreift folde, die in der Si Regel ihre Beute nicht im Freien erjagen, fondern Elebrige Fangnege zum momentanen Fefthalten und Berwideln von Inſekten weben, welche der Zufall oder die unbedachtfame Sorglofigfeit in ihre Schlingen geführt bat; es gehören hieher die Familien der Zellen-, Trihter-, Web» und Radfpinnen. Ihre vorzüglichite Thätigfeit betrifft alfo zunächſt die Wahl eines pafjenden Standpunftes für das Neg und die Anlage desfelben. Bei der Wahl der Lofalitäten zeigen alle einen wunderbaren Scharfblick; ſtets ſuchen fie ſolche Orte aus, die ihnen reichliche Beute zuzuführen geeignet find, und zwar jene Beute, auf die fie befon- ders angewiefen find; fie wählen daher am liebften diejenigen Plätze, an denen eine ftärfere Strömung der Luft den Zug der Gegenftände ihrer Nahrung zufammendrängt oder an denen der regfamfte Wirfungsfreis der ihnen zugemiefenen Opfer fich befindet; jo bauen folde, welche vorzugsweife von Vielfüßlern und Aſſeln leben, an der Erde; ſolche, die bejonders auf Staubläufe Jagd machen, in verfchloffenen finftern Räumen, wie in Schränfen und Schubladen; andere, die herummandernden Inſekten den Krieg erklärt haben, legen ihre Nege im Grafe, an Baum, Fels» und Mauerfpalten, in Heden, Winfeln ꝛc. ze. an; andere jpannen ihre Nege an Wänden aus; folde, die durchfchnittlich von geflügelten In— feften leben, wählen dem entjprechend auch höher gelegene Orte, wie Gebüfche und Bäume, und freie Lücken zwifchen ihnen, zwifchen Felswänden, Häufern ze. ꝛc.; manche lieben zur Anlage ihres Neßes belle und Iuftige, andere fohattige oder dunkle, dumpfere Räume, manche trodene, andere feuchte Stellen u. f.w. Am auffallendften aber ift die Bemerkung, daß gemwiffe Spinnen nur oder vorzugsweife auf beftimmten Pflanzen, wie auf der Eiche, auf dem Weinftod, ihre Nefter anzulegen fcheinen. Haben fie aber einmal einen geeigneten Standpunkt, dann wird diefer mit dem beharrlichiten Eigenfinn feftgehalten, zwar fo, daß die Spinne das zerjtörte Neg zum zweiten, zum fünften, ja öfter zum zehnten Mal auf denfelben Punkt hinſtellt, jofern nicht eine Veränderung in der Richtung der Inſektenpaſſage oder eine Erjhöpfung des Spinnftoffes eingetreten ift. Im legterem‘ Falle, der auch in Folge des Alters eintritt, muß die Spinne, des wichtigften Mittel3 zu ihrer Ernährung beraubt, zu Ränfen ihre Zuflucht nehmen; bald verfucht fie nämlich eine andere gleichartige Spinne aus ihrem Nee zu treiben, wobei öfter ein erbitterter Kampf auf Tod und Leben entfteht und nicht felten die Räuberin gräßlich verftümmelt erliegt; bald dagegen legt fie fich an einen von Infeften begangenen Ort auf die Lauer, die Beine eng an den Körper gezo— gen, fo daß fie feinem Dinge weniger gleicht als einer Spinne, harrt geduldig, bis ein Infekt in das Bereich ihrer Beine gelangt, und ftürzt fich auf diefes mit unglaublicher Ge- ſchicklichkeit und Schnelle. — Die Elebrige Beſchaffenheit der Fangfäden foll von einer großen Menge Kügelchen eines Flebrigen Stoffs herrühren, die in geringen, doch gleihmäßigen Abſtänden an den Fangfäden vertheilt find, Sobald fie in Berührung fommen, zufammen- fließen und die Fäden an die berührten Theile der Beute anleimen; mit je mehr folcher Fleb- rigen Kügelchen, mit je mehr Fanafäden die Beute in Berührung kommt, deſto früher wird > 2 Et fie ihres Bewegungsvermögens beraubt, defto eher erfchöpfen ſich die Kräfte bei den Be- freiungsverfuchen des Opfers, falls jene nicht zu den ungeftümen Anftvengungen im Ver— hältniß ftehen. Die Spinne äußert biebei einen fihern Taft als Maafftab ihres Verhaltens, und fcheint fih gemachte Erfahrungen trefflih zu Nutz zu mahen; auf eingwehrlofes Opfer, das ſchon bei der erften Berührung des Netzes außer Stand ſcheint, dasſelbe zu durchbrechen, ftürzt die Spinne fofort aus ihrer Warte hervor, und fein Loos iſt augenblicklich entfchie- den; kommt fie der Beute wegen der freien Bewegung der Glieder nicht bei, dann legt fie mit Hülfe der Hinterbeine, bei den Fräftigften und gefährlichften Gliedern beginnend und zu den minder ftörenden fortfchreitend, gefchiet die Feffeln an; eine Beute, die im Beginn der Gefangenfchaft noch die hinreihenden Kräfte zum Erringen der Freiheit befist, welche fie gerade beim Erbliden de3 Feindes zufammenraffen würde, eine ſolche Beute laßt die Spinne, ruhig auf der Warte ftehend, fi) im vergeblihen Kampfe mit dem Nege mehr und mehr verjtriden und immer unausweichlicher ſich erfchöpfen; nur wenn die Spinne fürchtet, es möge der Durchbruch des Netzes ftellenmweife gelingen, oder wenn dieß bereits geſchehen ift, nur dann ftürzt fie, um fernern Schaden zu verhüten, zugleich aber der Beute fich zu verfihern, auf den Kampfplaß, feijelt deren Glieder oder umwickelt diefelbe völlig mit ungerreißbaren Banden; ein Infekt, welches Kraft und Ausdauer in höherm Grade mit einem größern und ſchwerern Körper verbindet, befonders wenn diefe Eigenfchaften mit einer nah allen Richtungen leicht beweglichen Waffe vereinigt find, ſolch' ein Infekt fucht die Spinne gewöhnlich als unmillfommenen Zerftörer ihres Baues durch Berreißen der in näch— ſter Verbindung mit ihm ftehenden Theile felbft zu befreien, um den Reſt des Netzes zu retten und den Schaden durch geringen Kraftaufwand zu heilen; freilich gelingt dieß nicht immer im rechten Moment , freilich fehreitet über diefen Verfuchen die Zerftörung in manchen Fällen fo weit fort, daß die Spinne zum Bau eines neuen Neges fich entfchließen muß, ein Fall, der nach der Zerftörung des Netzes durch Angriffe räuberifcher Spinnen und über: dieß bei dem Fangnege in Folge des Alters eintritt, indem die Flebrige Befchaffenheit der Fäden nach einer gewiſſen Zeit, früher befonders durch Einfallen von Staub, aufhört. Stellt fi) aber die ins Ne gefallene Beute leblos, dann zuckt die Spinne mit den Beinen, um die Stelle ausfindig zu machen, an welcher fie haftet; auch fucht fie bisweilen durch hef— tiges Rütteln fremde Körper aus dem Neß zu entfernen. Die Zellenfpinnen haben nur fehs Augen und wohnen in feidenen Zellen. Die lange Seidenröhre der gemeinen Bellenfpinne, Segestria senoculata L. (Fig. 19), wird in Mauerlöchern angelegt und bat eine fternförmig erweiterte Deffnung, von welcher die Spinne 7— 8° lange, auseinanderlaufende Fangfäden herumzieht. Hier fit fie, die ſechs vordern Beine nad) vorn gerichtet und erfegt die Unvollkommenheit des Fangneges duch Schnelligfeit, Muth, fefte Körperhülle, ftarke vorſtehende Klauenfühler und zähes Leben hinreichend ; ihr Eierſack hat die Geftalt einer Kugel. a — Die Sackſpinnen haben gleich den Spinnen der folgenden Familien ſtets acht Au- gen. Zur Wohnung bauen fie fi gewöhnlidh in Mauerrigen, unter Steinen und ab- gelöster Rinde oder zwiſchen Blättern ein- oder zweimündige Röhren oder Säde von dihtem Seidengewebe, von deren Mündung Fangfäden in verfchiedener Richtung abgehen ; bier ftehen fie auf der Wache und fliehen eilig bei der geringften Gefahr. Die Eierfäde werden entweder in der Wohnung der Spinne aufbewahrt, oder an andere Körper befeftigt ; jene find rund oder gleihmäßig linfenförmig, diefe in der Regel einfeitig linfenförmig mit flahem Rand (Fig. 20), indem die Eier zwiſchen zwei papierartigen, am Umfange in ziemlicher Ausdehnung einander berührenden Klappen von Seide ſich befinden, von denen die eine flach aufjigt, während die andere den Eierhaufen überwölbt. Eierſäcke der legtern Art macht unter andern das Weibchen der lichtſcheuen Höhlenfpinne, Pythonissa lucifuga, welches diefelben, darauf jigend, bis zum legten Athemzuge mit treuefter Sorgfalt bewadht und noch mit ihrer todten Körperhülle bedeckt. — Zu den gemeinften Arten diefer Familie gehört: Die atlashaarige Sammetfpinne, Clubiona holosericea L. (Fig. 21), welche unter lofer Baumrinde, zwifhen Breterwänden ze. ꝛc. in einem weißen Gewebe wohnt und zur Ueberwinterung nicht felten in unfre Häuſer fommt; das Weibchen Eleidet zur Legezeit ein an den Rändern mit Fäden zufammengezogenes Blatt mit einem dichten Gewebe aus, in dem es mit feinem linfenformigen Eierfade fih aufhält. Schon eine unferer einheimifchen Arten, die grüne Zeltfpinne, überzieht die Blät- ter des Birnbaumes mit einem Eunftreichen Zelte; bei weitem Eunftreicher aber ift das Neft, welches eine ſüdeuropäiſche Spinne, die Durand'ſche Clotho, unter Steinen oder zwi: {hen Felsfpalten anlegt. Es gleicht einem Zelte mit Strebepfeilern,, und befteht aus einer über 1° im Ducchmeffer haltenden Müte mit 7 oder 8 NAusfchnitten, deren Eden dur Badenbündel an den Stein befeftigt find. Jung maht die Spinne nur zwei Gewebe, zwi— fhen denen fie ſich zu ihrer Sicherheit aufhält; fpäter fügt fie bei jeder Häutung eine An: zahl Verdoppelungen Hinzu. Zur Beit der Fortpflanzung endlich fpinnt fie ein befonderes ſackförmiges Gemad zur Aufnahme der 4-6, mehr als 4 im Durchmeffer haltenden, lin- fenförmigen Eierfäde und der aus ihnen ſich entwidelnden Jungen. Die Trichterfpinnen machen große horizontale wattenartige Gewebe, neben oft mit einer röbhrenförmigen Belle verfehen, an der Luft, oder dichte mit Luft erfüllte und duch zahlreihe Fäden an Wafferpflanzen befeftigte, mit der Deffnung nah unten gefehrte, Fappenförmige Bellen im Waſſer. Lesteres thut die gemeine Wafferfpinne, Argyronela aqualica L. (Fig. 22), die oft von zahlreichen Luftbläschen, wie Silber glänzend, oder fait ganz in eine Luftblafe eingefchloffen, den Bauch) nah oben gekehrt im Wafler herum ſchwimmt und des Athmens wegen häufig einen Theil des Sinterleis bes über die Oberfläche desfelben hervorhebt. Das Luftkleid iſt durch einen Firnißüberzug er von dem umgebenden Waſſer abgefchloffen, und verjihwindet da, wo die Spinne duch Ab- fragen oder Ablöfen vom Firniß entblößt wird. Beim Baue der Glocken zieht fie an Waj- ferpflanzen oder an andern Gegenftänden Fangfäden, treibt, wie es fcheint, aus der Mitte der Spinnwarzen einen firnißartigen Zeig hervor, den fie mit den Hinterbeinen knetet und um den Leib jtreicht, Fommt dann an die Oberfläche des Waſſers und bleibt eine Zeit lang, wie Athem holend, verkehrt daran hängen. Allmälig dehnt fi die Firnißhülle, oft bis zur Größe einer Hafelnuß aus, und die Spinne taucht nun mit derjelben unter, befeftigt fie an die Faden und Wafferpflanzen, fchlüpft dann heraus, holt an der Oberfläche abermals Luft, tragt fie in ihre Glode und wiederholt das gleiche Gefchäft fo lange, bis die Glode die Größe einer welſchen Nuß erreicht hat. Später maht das Weibchen einige Fleinere Glocken neben die feinige, legt die Eier hinein und überzieht fie in» und auswendig mit filberglängenden Fäden. Unſer geſchickte Taucher und zugleich Funftfertige Baumeifter natür- liher Zauchergloden lebt in ftehenden Waffern der meiften Gegenden Europas. Die gemeine Labyrinthfpinne, Agelena labyrinthica L., baut auf Gebüfchen, nie- dern Hecken und Gras ein großes, flach trichterförmiges Gewebe mit einer verengten Röhre im Grunde, in welcher fie ihren Aufenthalt wählt. Wil fie fi einer widerfpenftigen Beute bemeijtern, fo umfreist fie diefelbe in behendem Laufe und zieht dabei immer enger anfchlie- Bende Fäden; das Weibchen legt in der Gefangenfhaft noch nah 8 Monaten Eier. Befonders berühmt durch die oben mitgetheilte Kälteprophezeihung d'Isjonval's ift die gemeine Eckſpinne, Tegenaria domestica L., die allenthalben in Häufern wohnt, und zwifchen Eckwänden, befonders gerne da, wo dieſe einen Spalt oder eine Rige haben, ihr dreieckiges, etwas vertieft horizontales Gewebe in der Ede mit einer abwärts gerichteten Röhre anlegt, in weldem fie auf Beute lauert. Bei dem Baue des Neges fpannt die Spinne zuerft den Außerften Faden zwifchen den Eckwänden, dann mit Diefem parallel in Abftänden von je Ya’ andere Fäden, immer mehr der Ede fi nähernd, und hier mit Anlage des Rohres endend; darauf zieht fie, von der Ecke quer über die erften bis zum äußerſten, Querfäden, die fie an allen anklebt; hat fie auf diefe Weife zum Zettel den Einfchlag gefügt, fo befeftigt fie den vordern Rand des Neges mit verfchiedenen Faden nach oben an die Mauer, verftärft die Seitenränder und verdichtet endlich das ganze Gewebe duch Herumlaufen auf dem Nege, wobei fie Fäden sieht und dieſe mit den Grundfäden des Neges verbindet. Die Webefpinnen machen mehr unregelmäßige Nee aus Fäden, die fi nad) allen Richtungen Freuzen. Die ſchönſten Gewebe macht unter allen die Baldadhinfpinne, Linyphia montana L. (Fig. 23). Man findet Ddiefelbe Hänfig in Wäldern, Gebüfhen und Heden, im Spät- herbſte beide Gefchlechter beifammen, an der Unterfeite ihrer wagredhten, etwas nad) oben gewölbten betthimmelartigen Nee, welche an vielen verwirrten Fäden von fchiefer und a jenfrechter Richtung aufgehängt, nicht felten zu 2, 3 und mehreren über einander angelegt find und im Morgenthau in wundervollem Kryftallglanze prangen. Hat ſich ein Infekt oben im Neße gefangen, fo beißt die Spinne ein Zoch hinein, um jenes zu holen. Nicht felten in dunfeln Mauereden von Häufern und Kellern findet fih in einem weit- maſchigen Nege aus jchlaffen Fangfäden die langbeinige Bitterfpinne, Pholcus phalangioides Walck. (Fig. 24), deren Weibchen den runden, dünn überfponnenen Eierfad beitändig zwifchen den Klauenfühlern mit herum trägt. Ihren Namen hat die Spinne von dem Umftand, daß fie öfter, gleich der Bachmücke, mit allen Theilen des Körpers zittert. In zierlih gebauten und mit vertrodneten Blättern, Tannennadeln ꝛc. ꝛc. bededten Hütten hält fich zur Zeit der Fortpflanzung die fheue Eugelige Webjpinne, Theridium lunatum Cl. (Fig. 25) auf, welde ſtets unter bedeckten Stellen ihr unregelmäßiges Neg anlegt und bei der geringiten Berührung mit eingezogenen Beinen an einem Faden fi zur Erde fallen laßt. Sind wir auch gezwungen, eine Reihe von einheimifhen Webfpinnen zu übergehen, welche ſich in diefer oder jener Hinfiht, beſonders aber durch ihre zierlich geftalteten Eier- fäde auszeichnen, fo dürfen wir dennoch nicht unterlaffen, noch einer Webfpinne zu erwäh- nen, Die unter vortretenden Mauerjteinen, niedern Kräutern ꝛc. ze. ihr unregelmäßiges, aus großen, vier= bis achteckigen Mafchen beftehendes Ne anlegt, zur Fortpflanzungszeit aber, im Juli, ihre Kunjtfertigfeit und mütterliche Liebe im fhönften Lichte entfaltet. Zu diefer Zeit nämlich hängt fie über ihrem Nee einen vöhrigen Sad (Fig. 26) auf, der aus lofern Fäden zufammengefponnen, mit Erd» oder Sandkörnhen verwebt, und unten durch auseinanderlaufende Faden gleich einem Zelte ausgefpannt wird. Im Grunde des Sades legt nun die Spinne den Gierfaf ab; über den ganzen Eizuftand und während der eriten Entwidlungsperiode der Jungen liegt die Mutter in der Mündung des Sades beitändig auf der Wache. Wehe dem bezwingbaren Feinde oder dem unbedachtſamen Wandrer, der in die Schlingen des Neges fällt; mit Bligesfchnele ift die Rächerin da; auf den Kampfplag gelangt, kehrt fie aber, ihrer förperlihen Schwäche ſich bewußt, zur Fälteften Ruhe zurück; fügt mit äußerfter Vorficht mit weit greifenden Hinterbeinen Band um Band an die wider: fpenftigen Glieder des Opfers, je nad der Vertheidigungsweife desfelben in andrer Weife verfahrend, bis fie völlig Meifter geworden, tödtet es dann und ziehts zu der Mündung des Sades. Nun erſt quellen im dichten Knäuel die nahrungsbedürftigen Jungen hervor, über- decken die Beute und ſchmauſen fo lange, fo lange noch Säfte aus derfelben zu ziehen find. II die Beute zu Fein, veicht fie nicht hin, um die ganze Brut zu ernähren, dann forgt erit die Mutter für Diefe, und nur wenn alle Jungen mit Nahrung verfehen find, nur dann erlaubt auch fie fi) Befriedigung des Hungers. Bei der geringften Erfhütterung des Neges ‚ oder nad) völliger Sättigung flüchten oder gehen die Jungen in den Sad, die Mutter aber in die Mündung zur Wache. So bleibt die Kolonie gegen 8 Zage beifammen; die Jungen Be u haben inzwifchen die Kraft erworben, für ihren eigenen Lebensunterhalt zu forgen und zer: ftreuen fi dann nad allen Richtungen ,. jedes ein eigenes Neg anlegend und einen eigenen Haushalt beginnend. 63 bleibt uns noch übrig, von einer berüchtigten Webfpinne des füdlichen Europa, von der Malmignatte, Latrodectus tredecimguttatus F. zu fprehen. Diefe Spinne tritt befonders in jenen Jahren maffenhaft auf, in denen die ſchädlichen Heuſchrecken in bedenfliher Menge erſcheinen; leßtere find dann auch ihre vorzüglihe Beute, und die Natur hat die Fleine Spinne, welche in Vertiefungen des Bodens, zwifchen Steinen ꝛc. ꝛc. ein unregelmäßiges Fangnetz und unter trodenen Blättern eine fauber gearbeitete Belle anlegt, mit Gewandt- heit, Schnelligkeit und einem äußerst heftigen Gifte ausgeftattet, um den fhwierigen Kampf gegen Die großen und Fräftigen Gegner erfolgreich führen zu können; leider wird fie bei großer Verbreitung aud dem Menſchen duch ihre gefährlichen Biffe zur Plage und ift darum in manchen Ländern, z. B. in Spanien und Korfifa, fehr gefürchtet. Die Radfpinnen endlich weben regelmäßige, freifchwebende, und in einer Ebene liegende Netze, deren Grundfäden ftrahlenartig in einem Mittelpunfte zufammentreffen, während Die Fangfäden gleichlaufende Schnedenlinien um diefen und in ihrer Verbindung mit den ftrah- ligen Grundfäden ein zierliches Negmerk bilden. Bon diefen Fäden werden die Grundfäden zuerft, die Fangfäden, vom Mittelpunkt allmälig gegen den Umfang fortfchreitend, feltner vielleicht umgekehrt, fpäter gezogen. Jene bilden die Stüge des Neges, diefe vermitteln den Fang der Beute, indem fie den herbeifliegenden Infeften als Gitterwerf entgegenftehen und duch ihre Flebrige Befchaffenheit die Beute wenigſtens zeitweife feithalten. Bei manden von diefen Negen find die Grundfäden ſehr ftarf; fon bei uns Fommen folde von auffals lender Feftigkeit vor, in Amerifa aber manche, in denen fich Eleine Vögel verftriden, ja einige, die dem Menfchen merflihen Widerftand entgegenftellen. Die meiften Kadfpinnen bauen fenkrechte Nege, einige fihiefe, andere wagrechte, bald von geringerer, bald von gewaltiger Größe, und ihr Benehmen dabei ift eben fo finnig, wie die Baue funftreih; Ratzeburg hat dasjenige der Kreuzipinne, beim Negbau an Mauern, trefflich mit folgenden Worten gefchildert : „Hat fie fih eine Stelle ausgeſucht, fo drüdt fie den Hinterleib dagegen, und man bemerft deutlih, wie fie zwei verfchiedene Subftanzen abfondert, erjtens eine Flebrige ge— bäufte, um den Faden anzuleimen, und dann die Fadenmaffe felbft, welche fie hinter fi bezieht. Die Auswahl des Orts ſcheint der Spinne einige Sorge zu machen, denn fie läuft lange unruhig an den Wänden und an den Gegenftänden umher, ehe fie anfängt zu fpinnen. Dann beftet fie ihren eriten Faden in der Höhe an und läßt fih num, denfelben aus den Spinnwarzen heraushafpelnd, herab. Nun läuft fie an derfelben Wand wieder in die Höhe, befeftigt ihren Faden, den fie immer hinter ſich hergezogen, an eine andere Stelle, läßt ſich an demfelben wieder herunter und Flettert dann zum dritten Mal in die Höhe, um u We auch einen dritten Befeftigungspunft zu wählen. Nun fommt das größte Kunftftüd; denn um das Gewebe freihängend auszubreiten, muß fie den vierten Punkt in einer andern Ebene auffuhen, was einem Mathematifer Mühe machen würde, durch Berechnung zu finden. Wenn auch diefer Punkt gefunden und dafelbit ein Faden befeftigt ift, auch wohl außerdem noch mehrere fich fehneidende (welche nach der Ausſicht auf ftürmifches Wetter noch vervielfäl- tigt werden können), fo zieht fie num bald einen Faden, deſſen Mitte fie nachher wählt, um von da aus Nadien zu ziehen, die aber aud nur durd große Ummege erreicht werden können, indem fie an dem erſten herunter und der Peripherie entlang Friehen muß bis zur Befeſtigung ihres Fadens. Dann muß fie denfelben Weg wieder zurüd, und wenn fie den Faden wieder im Centro befeftigt hat, jo ift erjt der zweite Radius gefpannt. So folgen auch die übrigen nad. Sind alle Radien gezogen, fo geht es an die concentrifchen Kreife; in der Mitte wird nämlich wieder der erfte Faden befeftigt, und nun geht fie fpiralförmig herum, big fie, fich vom Centro immer mehr entfernend, die änferfte Peripherie der Radien verbunden hat. Diefen eoncentrifhen Fäden pflegt fie auch wohl noch einmal nachzugehn, um diefelben zu verdoppeln. Uebrigens fommen dabei Fleine Unregelmäßigfeiten vor, z. B. ein getheilter Faden zwifchen je 2 Radien u. f. mw.“ Iſt nun das Neg fertig, ift feine Tüchtigfeit erprobt, und, wo nachzuhelfen war, ge- bolfen, jo nimmt die Spinne bei ſchönem Wetter gewöhnlich in der Mitte desfelben in um— gefehrter Stellung ihren Mas ein; mande Kadfpinnen legen aber daneben befondere Woh— nungen an; einige ziehen zu diefem Zweck Blätter zufammen, andere bauen feidene Röhren, Tüthen, Hütten (Fig. 28) ꝛc. ꝛc.; mehrere auslandifche Arten machen folhe, die einem Vo— gelneft gleichen. Die Eierfäde hängen die Radfpinnen an Blätter, Stämme, Mauern ze. ꝛc.; bei den einen find fie Fugelig oder länglichrund, bei andern birnförmig und fogar mit einem feidenen Dedel verfehen, bei andern flach linfenförmig, in der Mitte in einen kleinen Budel erhöht; bald find fie ohne befondere Bekleidung, bald mit einem lockern Ueberzuge derberer Fäden umbült, oder mit langen abftehenden Seidenhaaren befegt, bald in Samenwolle oder in Blätter gewidelt; öfter find jie in einen befondern Cocon gehüllt oder auch noch mit einem befondern Gewebe überfpannt. Unter den Radfpinnen zeichnen fich einige tropifche Arten durch einen mit ftarfen Dornen befegten SHinterleib aus, bei weitem die Mehrzahl aber nähert fich in der Gejtalt der Kreuz— fpinne,. Unter den einheimijhen Arten macht fih die ausgeftredte Striderfpinne, Tetragnatha extensa L. (Fig. 29), dur ihren langgeftredten Körper, die weit vorſtehen— den Klauenfühler und die eigenthümliche Stellung im Nege bemerflih, indem fie die Beine des erften und zweiten Paares gerade nad vorn, diejenigen des dritten und vierten gerade nah Hinten ausftredt. Sie baut fih an Ufern zwifchen Schilfftengel ein fenkrechtes Neg, deſſen Mitte fie einnimmt, hängt ihrer Eierſack an Schilfftengel und überfpannt ihn BER, mit dichten mißfarbigen, über und unter dem Sad an dem Schilfftengel befeftigten Fäden. Im Herbſte verſtecken fie fih in die Röhren der Stoppeln, die Jungen aber fprigen und fpannen dann, gleich einer Menge anderer Spinnen und Spinnchen (befonders Krabben», Wolf: und Radfpinnen), unzählige Fäden in jeglicher Richtung und fhweben, gleich jenen, auf lofen. Fäden oder auf Flocken aus folhen wie auf fiherm Fahrzeug durch die Luft. Bon taufend und tauſend in den Strahlen der herbftlihen Sonne wie Silber und Edel— geftein das Auge blendenden Fäden glänzt e8 dann in der Luft, auf Feldern und Wieſen, in Gebüſchen und Heden, wenn der Bäume farbiger Shmud von Roth und Gelb den bal- digen Laubfall verkündet, wenn nur hie und da noch ein lieblihes Blümchen fih unfern Bli— den enthüllt, wenn immer feltner und. fparfamer. die Müden zum Zanze fih fhaaren, wenn nur vereinzelt noch ein fehöner Schmetterling, ein glänzender Käfer, ein gefehäftiges Bien- hen unfer Auge entzudt, wenn die flüchtigen Schwalben zur weiten Reife fih anſchicken und fammeln, und zum legten Mal in freundlichem Zwitfchern uns ihren Abſchiedsgruß zurufen, wenn der Segen der Erndte alle Räume des Haufes füllt und die neue Saat dem fihern Schoofe der Erde anvertraut wird, Die Fäden und Flocken, gar mandmal als Zeichen eines bleibend ſchönen Herbftes be- grüßt, find im der Volksfprache unter dem Namen des fliegenden Sommers befannt; er ift ein Zeichen des Abtretens der Spinne vom Schauplag jährlicher Thätigkeit, ein Zeichen des Abſchieds des allbelebenden Sommers, ein Beihen, daß Die gefammte Natur nad) langem vegfamen Schaffen in die erfehnte, (zu neuer Wirkfamkeit befähigende Ruhe eingebe, nicht minder ein Zeichen der unmandelbaren Liebe und Fürforge: des erhabenen Schöpfers der Himmel wie des geringften Würmchens der Erde, der Alles, was er gefhaffen, trefflich aus feiner Hand hervorgehen ließ, und, was er geordnet, nach unendlicher Weisheit geordnet bat. Ein Glied feiner irdifhen Schöpfung ift auch die Welt der Fleinen und verachteten, ja häufig mit Haß beladenen Spinnen. Ob fie, die trefflihen Künftler, die zärtlichen Müt- ter, Die Befreier von läftigen Qualen, wirflih Verahtung und Haß verdienen; darüber mögt ihr nun urtheilen, wenn ihr mit Aufmerkfamfeit unfere Mittheilungen aus der Natur⸗ geſchichte der Spinnen geleſen. g * ea ir "A 0% N FF z ee), en en er u — u % sp D An die Zürcherifche Jugend» auf das Jahr 1850. Bon der Vaturforfchenden Gefellfchaft. LH. Stüd. Oasen. | £RO Ein Bild des Unterengadins. vu In Feinem Lande Europa’3 entfaltet wohl das Gebirge einen gleichen Reihthum von Schönheiten und Merfwürdigfeiten wie in der Schweiz, und wohl Feines, das üppige und erinnerungsreiche Italien nicht ausgenommen, lodt daher eine größere Zahl von Fremden herbei, welche entweder Erholung von anftrengender Arbeit, oder Stärfung nad überftan- dener Krankheit, oder endlih Schuß fuchen vor dem Ueberdruſſe des Stadtlebens. Aber, wie die Ameife ftetS dem Wege folgt, den ihr Vorgänger gebahnt, fo ziehen die meiften Tu— riften auf der Straße fort, welche ihr Reiſebuch ihnen als die merfwürdigfte und bequemſte anrühmt. Der Rigi, das Berner-Oberland, Chamounir find die vielgefeierten Punkte, die ihre Anziehung, glei) großen Magneten, bis in das fernfte Europa ausbreiten. Auf den Wegen, die dort zufammenlaufen, bat die Keifeinduftrie ihre Blüthen getrieben: da findet man fein ausgeftattete Hotels mit franzöfifch und englifch redenden Kellnern, da ftehen Trans— portmittel jeden Augenblick zur Benugung bereit, da drängen fich Führer, fingende Mädchen, bettelnde Kinder herbei und wird man mit gemalten Ausſichten, mit Schnigereien und Kri- ftallen verfolgt — Furz man erfährt in vollem Maße die Freuden und Leiden, die ein voll gefpieter Beutel auf Neifen mit ſich bringt. Laffen wir aber die Leute ziehen, wie und wohin es ihnen gefällt, ſchlagen unfern eige- nen Weg ein und fuchen unferfeit3 ein abgelegenes Fleckchen des Baterlandes, das und Be- lehrung und Intereffe gewähren möge. Solcher Drte gibt e8 die Menge, fobald man die breitgetretene Straße verläßt, den Stod in die Hand nimmt und zwifchen den Höhen und Bergen duch in die einfamen verborgenen Thäler dringt. Wo wir ung hinwenden, treten 1 — PUR: IE ung Gegenjtände und Erfiheinungen entgegen, die der Beachtung werth find, fei es, daß wir in der reinen Bergluft das wechfelnde Spiel der Wolfen verfolgen, oder mit Künftlerauge die hohen Felgzinnen mit ihren blendenden Gletfherftrömen bewundern, fei es, daß wir unfern Blif näher auf die zahllofen Zhiere und Pflanzen wenden, womit Berg und Thal geſchmückt find, oder endlih nah den Eigenthämlichkeiten forfchen, welche Natur und Geſchichte der Bevölkerung mit noch unverwifchtem Stempel aufgeprägt haben. Allent- halben findet unfere Einbildungsfraft, unfere Wißbegierde, unfer Verftand, unfer Gemüth veichlihe Nahrung, denn allenthalben offenbart fi) die Weisheit dejfen, der Schöpfer, Er: halter und Beglüder aller Wefen, und voraus des Menfchen, fein will. Am das Fleckchen Land zu finden, das uns befchäftigen fol, wollen wir uns von deifen Lage in dem chaotifhen Labyrinthe der Alpen Rechenſchaft geben. Wirft man einen Bli auf eine Weberfichtsfarte der gebirgigen Schweiz, fo fallen fogleid) zwei Zhallinien in die Augen, welche durch ihre gerade Richtung und ihre Ausdehnung ſich auszeichnen; jede überdieß ift von einem gewaltigen Gebirgsfnoten als Waſſerſcheide unter brochen. Bu der erften Thallinie, welche die Schweiz in ihrer ganzen Länge nad) der Rich— tung des Alpengebirges Durchfegt, gehören die Thäler des Wallis und des Vorderrheins. An dem Gebirgsfnoten des Gotthard beginnend, fenden fie ihre Waffer nad) großen Krüm— mungen füdlih und nördlich dem Mittelmeere und dem Dean zu. Die andere Thallinie, weit in das Tirol fortfegend, geht nur durch den füdöftlihen Theil der Echweiz. Sie hat ihren Knoten gegen ihr weftliches Ende hin, im Gebirgsfnoten des Bernina, läuft, der er- ften Thallinie nicht ganz parallel, fehief durch die ganze Breite der Alpen, und entladet fi einerfeits durch das Furze Bregell in das Waffergebiet des Po, anderfeits mittelft des langen Innlaufes nah der Donau und dem fhwarzen Meer. Der obere fchweizerifche Theil des Innthales heißt das Engadin. Merkwürdig ift, daß diefe Thallinien, obgleich weitaus die längften und bedeutendften, feineswegs die Wege bezeichnen, auf denen die meiften Gewäſſer der Schweizeralpen abfließen. Vielmehr ordnet ſich das übrige, unregelmäßigere Thallabyrinth im Allgemeinen unter Drei baumartig fi) verzweigende Waffergebiete. Das erfte und weitaus größte derjelben hat die Unteraar zum Stamme und fendet als Hauptäfte die Limmat, die Neuß, die Oberaar, die Saane, mit ihren zahllofen Zweigen, nad) dem ganzen nördlich von der erſten Zhallinie lie— genden Alpenabfall; das zweite Gebiet umfaßt die fümmtlichen gegen den Rhein bei Chur eonvergivenden Thäler Graubündens, welche den Zwiſchenraum zwifchen der erften und zwei— ten Thallinie ausfüllen; das dritte endlich fanmelt in dem nad dem Po ausmündenden Lago maggiore, die vom Gotthardftog und aus dem Zwifchenraum beider Linien ſüdlich fließenden —— — a Gewäſſer. Durd) diefe Anordnung gejchieht es, daß jeder der beiden Knoten feine Waller nach drei Meeren fendet: der Gotthard nad dem Ozean, dem adriatifhen und dem mittel- ländifchen, der Bernina nach den beiden erften und dem fchwarzen Meere. Schwarzes und Mittelländifhes Meer beſchränken aber ihre Rechte auf die beiden Thallinien felbft, indem Rhone und Inn nur wie lange Arme in das Herz der Schweizergebirge eingreifen, während die drei großen baumartigen Waflergebiete, die den ganzen nördlichen und füdlichen Alpen— abfall umfaifen, dem Rhein und dem Po angehören, Von allen diefen zahllofen Thälern wollen wir nur eines, das Engadin, betreten. Bon der Schweiz und Italien aus ift Diefes nicht anders möglich, als entweder von der Bergmafje der Bernina her, über welche gegenwärtig die fihöne Julierftraße nach Chiavenna führt und bald aud) eine zweite nach Pusclav ſich abzweigen wird, oder dann durch einen der zahlrei- en an oder in die Schneeregion reihenden Päſſe, welde von Graubünden oder Beltlin her die hohen, vielfach eingefchnittenen Seitenfetten des Thales überfteigen. Selbjt nach dem Zirol wird das Thal duch den hinter Martinsbrüd vorfpringenden Bergrüden fo plöglic gefchloffen, daß die Straße, ftatt dem Fluffe weiter zu folgen, das Thal verläßt, um feit- wärts den Querdamm nad) Nauders zu überfteigen. — Dabei ift das Engadin ein hohes Alpenthal im wahren Sinne des Wortes; denn eine gleiche Erhebung bei gleicher Ausdeh— nung trifft man im ganzen Gebiete der Schweizeralpen nicht wieder. Die Gebirgsmaffe des Bernina, mit Inbegriff der benachbarten andern Berge, ftellt das bedeutendfte und ausge- dehntejte Hochland Europa’s dar. Die Hochfläche der Fleinen Seen von Sils und Silva- plana, über 5900°*) oder in der Höhe des Rigi gelegen, mißt 3 bis 4 Stunden Länge. Bon da duch das 15 Stunden lange Engadin fällt der Boden nur um 2000‘, denn der legte Ort, Martinsbrüd, liegt immer noch 3800 über dem Meere, das heißt, um circa 1000° höher als der Hütliberg bei Zürich. Die Eigenfhaft, ein hohes Alpenthal zu fein, die Hauptrichtung deffelben von Weft nad) Dit, die Abſchließung nah allen Seiten, der Mangel an großen Verbindungsjtraßen, diefe Umftände vereint haben der Natur und der Bevölkerung des Engadins ein eigenthümliches Gepräge verliehen, abweichend von dem des übrigen Graubündens, doch verſchiedener noch vou denen des weiterfolgenden Tirols uud jenſeitigen Veltlins. Wenn man von irgend einem vorſpringenden Punkte das lange Thal hinunter blickt, ſo ſieht man in endloſer Reihe bis in die neblichte Ferne einen Bergfuß nach dem andern her— vortreten und eben ſo viele Thälchen andeuten, welche zwiſchen dieſen Vorſprüngen wenige *) Alle Höhenangaben beziehen ſich auf Schweizermaß 10 Fuß = 3 Meter. N Stunden weit in das Seitengebirge eindringen und fi vechts und linf3, wie Fiſchgräten, in das Hauptthal einfügen. Bon dem Grunde des lestern bis zu der Höhe von 8500‘, wo ftellenweife der Schnee nicht mehr ſchmilzt, fteigen die Abhänge auffallend gleichförmig hinan; e8 fehlen namentlich jene mächtigen Bergftufen und gewaltigen Abftürze, welche mit ihren fenfrechten Felswänden und ſchäumenden Wafferfällen dem Berneroberlande fo große Man: nigfaltigfeit und feine wilde Nomantif verleihen. Gleich breiten verfchieden gefärbten Bän⸗ dern, bald das eine, bald das andere bedeutender, ziehen ſich vier Vegetationszonen an den Abhängen fort: unten ſieht man grüne bewäſſerte Wieſen, bunt unterbrochen von gelben Getreidefeldern und weißen Dörfern; darüber an dem ſteilern von Bachrinnen durchfurchten Abfall eine Zone von dunkelm Nadelholz; höher noch das zarte friſche Grün der wahren Al— penvegetation, die in wenigen Monaten ihren Lebenslauf vollendet, endlich das Fahle, graue, bröckelnde Geftein, woraus die oberften Kämme und Hörner des Gebirges Beer wechjelnd mit Flecken bleibenden Schnees oder Fleinen Gletfcherfirnen. Diefer Charakter großer Gleichförmigfeit hängt vorzüglid von zwei Dingen ab: erſtens von dem geringen Gefälle des ganzen Thales und feiner geraden öftlihen Richtung, wodurch eine ungewöhnliche Gleichheit des Klima’s, der Einwirkung der Sonne, der Richtung der vorherrfihenden Winde, des Zuges der Wolfen und Nebel u. f. f. bedingt wird; zweitens aber ebenfofehr von dem Umftande, daß das Engadin, wenigftens genähert, ein Zängenthal ift, fo daß ähnliche Gefteine dasfelbe auf einem großen Theile feiner Länge begleiten und feine Abhänge auf gleiche Weife zufammenfegen. Zudem befteht das vorwaltende. Geftein, in welches ſich das Thal durch unbekannte Urfachen eingegraben hat, aus einem Schiefer, der den Witterungseinflüffen nicht lange widerfteht, bald zerfällt, feine fharfen Formen vers liert und der Vegetation günſtige Angriffspunfte gewährt. In folhen Thälern, die ohne eigentlihe Thalftufen allmälig anfteigen und Feine Sprünge in den Verhältniffen des Klima’s zeigen, hält auch die Vegetation gleihförmig an und zieht mit ihren einzelnen Pflanzenarten weiter hinauf, als e3 fonft der Fall ift. — Der Nußbaum freilicd) betritt das Thal nicht; er bleibt 5 Stunden tiefer im Tirol bei Ried und Pruß, in der immer noch bedeutenden Höhe von etwa 3000 ‘, zurück. Hingegen reichen die Obſtbäume, Kirfhen, Birnen und Nepfel, freilich ohne größere oder ſchmackhafte Früchte, bis nad Sins und Schuls, 4100°, wo fie zwifchen den Häufern oder an geſchützten Stellen ziemlid) ges deihen. Gartengewächſe und Kartoffeln, welche beide im Vergleich mit andern Thälern nur wenig gebaut werden, begleiten die ausdauerndſten Getreidearten bis hod) in das Dberengadin. Der Roggen, der bei Schuls und Ardeg no in hohen Halmen aufjchießt, hört bei Zuß, in 5700°, die Sommergerfte bei Samaden und Gelerina in 5800° Höhe auf, während ihre Grenzen in Davos und Bergün einige hundert Fuß tiefer Liegen. Ein Hauptzug der Landfchaft, wodurch diefelbe eine mehr Falte und ernfte, als Liebliche und freundliche Haltung gewinnt, ift der ganzlihe Mangel an größern Laubbäumen. Nicht bloß entbehren die Drtfchaften des reihen Schmudes, der fie in vielen andern Schweizer- thälern umgibt, und liegen Fahl auf dem grünen Wiefenteppich; auch die Zierden des Wal: des, die knotige Eiche, die hohe Buche, die fehattige Ulme, der breite Ahorn, welcher legtere anderswo bis zu der höchften Grenze des Baumwuchſes hinaufſteigt, find durch ſchwer zu erflärende Umftände aus dem Thale gänzlid verbannt. Das untergeordnete Waldgebüfch beiteht vorzüglich aus Erlen und Birfen, das vereinzelnte Strauchwerk faſt ausſchließ— lich aus Berberiſſen und wilden Roſen; aber beide verſchwinden neben der Bedeutung, welche das Nadelholz an den ſteilern und rauhern Stellen der Abhänge und Nebenthäler er— langt. Tannen und Fören, beſonders aber die leichtgeftederte Lerchtanne und die durch ihr wohlriechendes Holz und ihre genießbaren Nüßchen bekannte Arve, gedeihen in einer Größe des Wuchſes und bis zu einer Höhe des Stammes (für die Arve bis 7000), wie ſonſt wohl nirgends. Wenn die bisherigen Züge des Bildes dem Engadin in feiner ganzen Ausdehnung ange- hören, jo laſſen fich hinwieder andere nennen, welche einen Gegenfag zwifchen dem einen oder andern Theile desfelben bezeichnen. Sp ift die Unterfiheidung des Ober- und Unter: engadins Feine willfürliche, fondern, wie es gewöhnlich bei althergebrachten Abgrenzungen der Fall ift, durch natürliche Verhältniffe geboten. Den obern Theil des Thales bildet ein breiter grüner Thalgrund, in welchem die ftillen dunfeln Seeen liegen, und duch welchen ſich der jugendliche Sun mit Flarem Waffer fortfchlängelt. Bei Pontalta aber, dem Anfang des Unterengadins, verengt fi) das Thal durch einen von Süden vorfpringenden waldigen Kamm, vermuthlich der Ueberreſt eines alten riefenmäßigen Gletfcherwalles, und der Fluß wird gend» thigt, fi in engem fteinigem Bette durchzuarbeiten. Mit Ausnahme der dur die Einmün— dung des Spotthales veranlaßten Erweiterung bei Gernez behält nun das Thal bis hinab nah Martinsbrud faft immer den gleichen Charakter: ein eigentlicher Thalboden fehlt, Die beiden Thalhänge ftoßen unten zufammen und, wie von einem Riß des Bodens geleitet, wälzt der Jun feine trüben unruhigen Waffer, oft dem Auge verborgen, durch eine tiefe waldige Schlucht. Die Fleine Thalftraße, die im obern Engadin ziemlich gut ift und fih ohne Hins derniß von DOrtfchaft zu Ortſchaft fortbewegt, wird nun an die nördliche Thalwand hinauf: gefhoben, und zieht fich, zur wahren Plage des müden Wanderers, im kläglichſten Zuftande bald aufs, bald niederfteigend an allen Vorſprüngen und durch alle Thaleinfihnitte derfelben hin. Ebenſo wurden die Drtfchaften aus der Ziefe verdrängt und flüchteten fi an höher gelegene Stellen, von wo mehrere derfelben, wie Guarda, Fettan, Sins mit ihren hohen ſchlanken Kirchthürmen auf mehrere Stunden in das Thal hinabfchauen. Einen andern Gegenfag ftellt das Unterengadin, namentlich von Lavin an, in dem ver- fchiedenen Charakter der nördlichen und füdlichen Thalwand dar. Die Regel, daß der füd- I ei liche Abfall der Alpenketten fteiler ift, als der nördliche, und man daher nad) Süden von denselben über hohe Bergftufen herabfteigen muß, hat für die Gebirge unferes Alpenthales feine Gültigfeitz denn die nördliche Kette wird vom Prättigäu, von Davos und Bergün aus nicht leichter erflommen, als es anderfeit3 vom Engadin aus gefchieht. Der füdliche Abfall dieſer Kette, der die nördlihe Wand des Thales bildet, befteht bis weit hinauf, wo die ftei- lern Felspyramiden der Piz Giampatsch, Gotschan und Linard (der legtere, 11400° hoch, wurde erft im Jahre 1842 erftiegen) in die Wolfen ragen, aus einem von wenigen Felsab- ftürzen unterbrochenen Alpenteppich, der in alle Nebenthäler fortfegt und den wahren Reich— thum des Landes bildet. Unter ihm durch zieht jich über alle ebenern Stufen ein Streifen gelber terraffenartig geordneter Getreidefelder hin, und da folgen auch) die ſämmtlichen Drt- fhaften de8 von 5500 Einwohnern bevölferten Thales in einer ziemlich gleich abjtehenden Keihe aufeinander. Der Menfch mit feinem Gefolge nüglicher Thiere und Pflanzen hat diefe Zhalfeite vorzugsweife gefucht, weil fie einerfeit3 ein fanftes Gelände zur Anfiedelung und Bebauung darbot, anderfeits fi) des in größerer Höhe unerfeglichen WVortheiles der Sonne erfreute. In der That, wenn man über einen der wenigen Stege, welche unten in tiefer Kluft die Verbindung der beiden Hochufer heritellen, bei Ardez, z. B. auf die andere Thal- feite tritt, wo faft beftändiger Schatten herrſcht, dunkle Tannenwaldung an den fteilen Ab— hängen hinaufjteigt und über denfelben die unwirthbaren zerriffenen Felsmaffen der Piz Uscha- dura, Piz Pisagg, Piz Lischang u, f. f. in die Höhe ftarren, glaubt man fi aus dem Be- rei der milden italifhen Lüfte in die Natur des fältern Nordens verfegt. Und dieſer Gegenfaß, dem das menſchliche Gemüth nicht widerfteht, erftredt ſich vollftändig auf die ganze niedere Schöpfung von Thieren und Pflanzen, welde auf der fonnigen Thalfeite, der Höhe nah, wohl um 500° der Zeit nah, um mehrere Wochen vorausgeht. Als Beifpiel können wir anführen, daß in Schuls Roggen und Gerfte üppig gedeihen, während gegenüber der ganze Abhang am Eingang des Scarlthales bis zum Fluffe hinab von Alpenrofen über: Eleidet ift. In den Wäldern und wilden Seitenthälern diefer Südfeite haust noch jegt der aus der übrigen Schweiz beinahe verfehwundene Bar und wagt fih, zum Schreefen der Schafheerden, bis in die Nähe vereinzelter Käufer. Es vergeht kaum ein Jahr, daß nicht da oder dort ein folcher gefchoffen oder wenigftens gefehen wird. Man Fennt indeß Fein Beifpiel, daß Menſchen, außer bei Außerfter Nothwehr, angefallen worden feien; vielmehr ergreift der Bär, nad mehrfachen Zeugniffen, vor der menfchlichen Geftalt und der menſchlichen Stimme Die Flucht und entweicht bei wiederholter Beunruhigung nach entferntern einfamern Gegenden, Pepe Wr“ Die Geftalt, welche das Leben eines Volfes annimmt, ift das Ergebniß theils feiner Abftammung und feiner erblichen Triebe, theils der Greigniffe und Zuſtände, welde über dasfelbe gegangen find, theils und vorzüglih der Naturverhältniffe, unter denen es ſich befindet. Die Aufſuchung und Nachweiſung diefer Einflüffe in der Gefhichte und dem Kul- turzuftande des Volkes gehört begreiflich nicht in ein Bild der äußern Schöpfung ; nichts: deftoweniger find die Wechfelbeziehungen der Natur zum Menfchen fo mannigfach, daß einige Worte über die Eigenthümlichfeiten und die Lebensweife des Engadiners wohl erlaubt fein werden. An der äußern, meift über die mittlere reichenden Geftalt, den etwas fcharfen Geſichts— zügen, der ziemlich dunfeln Farbe von Haut und Haar läßt fih ſchwerlich ein eigenthümli= her Menfchenfchlag erfennen. Wirflih haben, in der älteften Zeit ſchon, fo viele römifche und allemannifche Elemente der urfprünglichen rhätifchen Bevölkerung fi beigemengt, und in fpäterer Zeit durdy die Unterordnung unter Dejterreih, den ausländifhen Kriegspdienft, die noch jegt fortdauernde Keifefucht, fo viele fremde Einflüffe eingewirft, daß bejtimmtere Züge verfohwinden mußten. Nur in der Sprache, die fo oft die übrigen Stammesmerfmale überlebt, beurfundet fich der rhätifche Urfprung. Vom Volke wird faft ausjchlieglich das Ro— manifche, ein felbftändig gewordener Zweig der alten lateinifchen Sprade, geredet, wiewohl aud das Deutjhe, in Folge der neuern Schulbildung, immer mehr verftanden wird. Zwi— fhen dem Roman’fchen des Engadins und der Nheinthäler beftehen aber Abweichungen, welche in dem Vorwalten neuitalienifcher Formen und Biegungen bei dem erftern, in dem Zurück— treten derfelben und der Einmiſchung einiger deutjcher Stammmorte bei dem legtern ihren Grund haben follen. Beide Dialekte indeß werden gefchrieben, haben ihre geregelte Gram— matif und erfreuen fich einiger, freilich nicht zahlveiher Drudfchriften. Dem Ohre des Laien Elingt das Roman'ſche als ein Gemifche franzöfifcher und italienifcher Stammworte, mit ums geänderten Vokalen, eingefhobenen Zifchlauten und betonten Endſylben. Merkwürdig aber bleibt, wie diefe Volfsiprache dem Eindringen des Deutfchen aus dem Tirol und des Italie— nifhen vom Beltlin her bis auf den heutigen Tag zu widerftehen vermochte. Von einer befondern Landestracht ift bei den Männern wenig mehr zu fehen, was fich aus dem bejtändigen Verfehr mit dem Auslande leicht erklärt. Bei den Weibern war vor: mals ein ſcharlachrother in Fleine Falten gelegter Rod Sitte, allein er weicht immer mehr dem im Tirol und in andern Thälern Graubündens herrfchenden Schwarz oder Dunkelblau. Ein ebenfalls ſchwarzes Tuch wird über den Kopf gebunden und hängt, das Haar vollitän- dig verbergend, hinten herab. Es ift, als ginge der Ernft der düftern Kleidung ebenfalls auf die Züge der Trägerinnen über, indem man unter Hunderten faum einer mit hellem, la— chendem Gefichte begegnet. Sonderbarer Weife verliert nun aber durch diefen allgemeinen Gedraud das Schwarze feine Bedeutung als Trauerfarbe, und bunte Farben treten an feine Wie Marta Stelle. Selbft bei Zeichenzügen, in der Gegend von Zarasp wenigitens, wird der Sarg von einem weißen Zuche bedeckt, und farbige, zumal rothe Bänder dienen zum Schmucke desfelben, fowie zur Auszeichnung der nächften Leidtragenden. Befonders duch feine dauernden Bauwerke greift fonft das Altertum in die Neuzeit hinein. Allein, mit Ausnahme der zerfallenen Schloß- und Thurmreſte bei Remüs, Fettan, Ardez, Lavin und Gernez, von denen einige ihrer Lage nach zu einer Reihe von Signalthür- men gehören mochten, mit Ausnahme der alten Kirchenruine von Sins und der Landwehren von Schleins, Süß und Gernez vermißt man im Unterengadin die Spuren älterer Gebäude. In der That litten die meiften größern Drte unter den Verwüſtungen des Schwabenfrieges und fpäter, im Jahre 1621, wurden alle von der graufamen Hand des Hfterreichifchen Feld- herren Baldirons bis auf den Grund niedergebrannt. Die Bauart der jegigen Wohnungen ging daher einerfeit3 aus der Kunft und Sitte des 17. Jahrhunderts hervor, anderſeits ge- borchte fie den gebieterifchen Forderungen eines 5 Monate dauernden Winters. Im Unterengadin, wo der modernen Wohnungen nur wenige zu fehen find, beftehen die Ortſchaften aus gaffenartig geftellten weißen Steinhäufern mit flahem Schindeldadhe. Ein in Nahahmung von Steinbofshörnern ausgejhnittener Giebel, eingegrabene Umriſſe von Waſſerfrauen, Löwen und Blumen an der weißen Hauptmauer, endlich das große, mit heral— difchen Schnörfeln gezierte Familienwappen bilden den äußern Schmuck der Wohnung. Letz— teres fehlte vormals felbft an der ärmlichiten Hütte nicht und zeugte von der Stärke, mit welcher das Selbftgefühl der Familien, nad Erlangung der Freiheit, einen Ausdruck fuchte, ein Ausdrud, der freilich in unfre alles ausgleichende Zeit nicht paßt. — Die Einrichtung des Haufes felbft ift übrigens die folgende: Kleine Fenfterhen von 2, höchſtens 4 Scheiben finden fi fparfam und unregelmäßig an der Mauer vertheilt, und bei der Dicke der legtern, wie Schießſcharten, auf mehr als zwei Fuß eingefenft; eine gewölbte Doppelthür führt in einen weiten Vorraum, der für alle Hausgefhäfte dient und die Fleinen Wagen bei gefchloffes ner Thür auf» und abzuladen geftattet; von da gehen Thüren nad) der Küche, deren großer Backofen außen am Haufe bauchartig heraustritt, nah der mit riehendem Arvenholz aus— getäfelten Stube, von der aus man über den großen Dfen in die Schlaffammern fteigt, end- lich nad) den übrigen Vorraths- und Wirthfhaftsraumen; im Kellerraum endlich, zu welchem man unter der Einfahrt des Haufes hinabfteigt, befindet fi der Stall für das Vieh, welche Einrichtung freilich der Erwärmung des Haufes und dem Schuße der Thiere günftig, der Drdnung und Keinlichfeit aber, die man ohnehin vermißt, nicht wenig nadhtheilig ift. Blicken wir auf das häusliche und bürgerliche Leben des Engadiners, fo tritt uns eine Vorliebe für das Althergebradhte, ein Widerwillen gegen Neuerungen entgegen, wie fie felbft bei Bergbewohnern nicht häufig getroffen werden. Wenn Die Regierung nicht gebieterifch einfehreitet, was bei der Unabhängigkeit der Gemeinden ihr höchft felten geftattet ift, gehen —— die Dinge ihren ſeit Jahrhunderten eingeſchlagenen Gang. Wo, z. B., wiederholt ſich in unferer Zeit die Erſcheinung, daß Pfarritellen durch 4 und 5 Generationen ungeitört von Vater auf Sohn übergehen? Den beiten Beweis aber für das Gefagte liefert der Elägliche Zuftand der Thaljtraße, ungeachtet feit Jahrzehnten die Ochfen an den Eopfgroßen Steinen ihre Hufe abitoßen, die Eleinen Wagen ihre Näder zerbrechen. Und doc bevürfte es, um einen lebhaften Verkehr von Perfonen und Waaren in und duch das Thal zu loden, kei— neswegs eines Foftipieligen veränderten Zuges der Straße, wie die Bequemlicheit der Leute e3 vorſchützt, jondern es genügte eine einfache Ausgleihung und Ebnung, womit die überein: ſtimmende Anftrengung der Gemeinden in wenigen Jahren fertig fein fönnte. Allein eine folde Vereinigung zu einem gemeinfamen Zwede fommt felbft dann nicht zu. Stande, wenn die Noth es erfordert oder der Bortheil Flar auf der Hand liegt. Nach einem langen, zum Theil in Ruhe verbrachten Winter, beginnen — für den Unter: engadiner im Spätfrübling — die Beſchäftigungen im Freien, beftehend, auf den Bergen, in der nach uralter Weife geführten Alpenwirthſchaft, im Thale in dem nicht bedeutenden. Ges treides umd ausgedehntern Wieſenbau. Legterer wird mit einer gewiffen Sorgfalt betrieben, denn ſchon vor Sonnenaufgang jieht man fhwarze Frauengeftalten mit der zum Deffnen und Schließen beftimmten Schaufel an den Abhängen ftehen, um das von weitem bergeleitete Waſſer zeitweife bald nad) diefer, bald nach jener Rinne zu lenken. Mit Ausnahme einiger Korn- und Sägemühlen Fennt das Thal Feinerlei Induftrie und überläßt die Hebung jeiner natürlichen Schäge entweder fremden Händen oder der Zukunft. Die nicht unergiebigen Hüttenwerfe des Scarlthales liegen feit zwanzig Jahren in Trümmern, ohne Ausfiht auf Wiederbelebung; ausgedehnte Alpen auf beiden Seiten des Thales find an herumziehende Bergamascerfchäfer verpachtet; die großen Waldungen werden von Tirolern gefällt, welche das gejcheitete Holz mitteljt fchwebender Rinnen und Röhren von den größten Höhen nad der Ziefe jchleifen und weiter auf den Wellen des Inn nach den Salzwerken bei Innsbrud ſchwemmen. Die Kleinode des Engadiners ſind ſein Ochſe und ſein kleiner Wagen. Jener vertritt ihm alle andern Zugthiere; denn Pferde ſieht man nur wenige, welche für den Perſonen— transport und die geringe Waarenausfuhr beſtimmt ſind; Eſel ſind eine ſo ſeltene Erſchei— nung, daß der Volksſcherz den Sinſern nachſagt, ſie hätten auf ein verirrtes Eſelchen als auf einen rieſenmäßigen Hafen Jagd gemacht und dasſelbe verfpeist. Der kleine Wagen iſt der Straße gemäß auf das folidefte gebaut, durch fein breites Geleife und feine niedern Rä— der vor dem Umfchlagen gefhügt und mittelft der am Vorderwagen unbeweglichen Deichfel- gabel an den Hörnern des Ochfen befeftigt. Er dient zu allen möglichen Bweden, als Reiſe— und Laftwagen, als Hochzeits- und Leihenwagen, zum Einfahren der Strohgarben und des 2 — 10 — in Tüchern zuſammengebundenen Heues, endlich zum Transport des Geräthes auf die höchſten Alpen, ſo weit nur der Fuß des Ochſen ſichern Boden findet. Wenn man die Unthätigkeit und Induſtrieloſigkeit des Unterengadiners ins Auge faßt. die jeden Fortſchritt im Haus- und Gemeindeweſen von ſich ftößt, fo erwartet man auch bier, wie in manchen andern Gebirgsthälern, die Zeichen wachfender Berarmung und Er: niedrigung zu fehen. Um fo mehr fällt es auf, Feine Bettler zu treffen, und zwifchen den ältern Wohnungen immer mehr ftädtifhe Käufer auffteigen zu fehen. Diefer Wohlſtand aber wurde nicht im Thale gewonnen, fondern ift die Frucht eines andern, von Alters her im Volke fchlummernden Triebes, des unmiderftehlichen Triebes zum Neifen. Ehemals wurden Tau— fende vom Kriegsdienfte in die Fremde gelodt, jest fuchen ebenfoviele ihrer Luft nad) dem Auslande mit Hülfe von Kaffemirthfchaften, von Gonditoreien und ähnlichen Berufsarten Luft zu machen und verbreiten ſich mit ihrer Induftrie über ganz Enropa. Der thätige und rührige Theil der Bevölkerung fuht außer dem Lande einen Spielraum, den das ftille ab- gelegene Alpenthal ihm nicht gewährt. Biele gehen über ihren Unternehmungen zu Grunde, andern aber lächelt das Glück und fie Fehren, getrieben von der unverfiegbaren Liebe zur Heimat, mit einigem Vermögen nad) ihrem Dorfe zurück, dafelbit in Ruhe ihr Leben zu enden. Aus diefer Duelle fließt beinahe ausfihlieglich der neuere Wohlftand, den man bie und da entdeckt; daraus erklärt fi) aber zugleidy die Entvölferung mancher Drte an jüngern Leuten und die von feinen jüngern Kräften befämpfte Fortdauer der alten Zuftände. Laffen wir aber diefe Betrachtungen und verweilen noch einige Augenblicke bei derjenigen Stelle des Unterengadins, die wohl von allen die merfwürdigite ift. Keist man vom Oberengadin Fommend das Thal hinab, fo fieht man fhon von Lavin aus, in einer Entfernung von mehreren Stunden, einen Hügel aus der Thaltiefe hervor: tauchen, der durch feine conifche Geftalt und das Schloß, das ihn krönt, in die Augen fpringt. Es ift das große Schloß Tarasp, das auf der füdlihen Thalfeite liegend, die wilden Ab- arinde des Inn beherrſcht. Weiter vorrüdend fteht man demfelben bei Fettan in einer Ent: fernung von Y, Stund gerade gegenüber. Hat man aber nicht früher den Fußweg von Ardez eingefchlagen, fo erreicht man dasfelbe erft auf einem langen zweiftündigen Ummege. Man muß viel weiter thalniederwärt3 die gedeckte Brüdfe von Schuls aufſuchen, dann den fteil abbrechenden Schuttfegel des Scarlbaches überklettern, die dortige Brüde überſchreiten, welche unter der Nivalität der beiden gleichberechtigten Gemeinden Schuls und Tarasp in Trümmer fällt, endlih noch eine lange holperige Fahrt zwifchen Wiefen und Alpen vollen: den, um endlich dem Schloffe näher zu Fommen. Die Eigenthümlichfeit der Gegend lohnt aber hinreichend für den etwas befchwerlichen Gang. — Auf einem ſteilen Felshügel liegt das weitläufige Schloß Tarasp und ragt mit feinen weißen Mauern höchſt malerifch aus dem Grün der umgebenden Berge in die blaue Luft. Es bejteht aus einem bis zum Jahr 1815 bewohnten, daher ziemlich erhaltenen Hauptge: bäude, umſchloſſen von einer Reihe Nebengebäude, zu denen man duch einen am Berg fich binaufwindenden, durch mehrere ummauerte Höfe führenden Weg gelangt. An den Fuß des Schloßberges lagert fih, zur Seite eines Fleinen dunfeln Seees, das Kirchdorf Tarasp, zu welchem außerdem 6 bis 7 Fleinere Häufergruppen gehören, die man zwifchen fteilen buſchi— gen oder begrasten Hügeln da und dort mit weißen Häuschen hervorſchimmern fieht. Diefer bewohnte Theil der Gegend nimmt, über den Abſtürzen des Iuns, die untere Stufe des Abhanges ein, während die obere Stufe nur dunfeln Wald, von ebenfo dunfeln Felfen un- terbrochen, aufzumweifen hat. Schon duch ihre Lage erhält die Gemeinde Tarasp eine gewiffe Selbjtändigfeit. Am Buße der gewaltigen Felsmaffe des Piz Pisoc, vorn abgefchnitten von der tiefen waldigen Schlucht des Inn, nad) beiden Seiten durch ebenfo wilde Thalriffe, die ins Scarl- und Plaf- nathal führen, begränzt, ift fie nur auf zwei Wegen, nicht ohne Mühe, zugänglid. Sie ftellt zudem die einzige Kirchgemeinde auf der einfamen fchattigen Südfeite des Thales dar und liegt zur Seite von der Thalftraße und ihrem Verkehr. Doch nicht die Natur allein hat diejes Fleckchen Land von der übrigen Landfchaft abgefondert, auch die Gefchichte zeichnete ihr einen eigenen ganz abweichenden Weg und Fnüpfte ihr 2008 an dasjenige des fie beherr- fhenden Schloffes, dem einzigen des Thales, welches ohne vollftändige Zerftörung die legten Jahrhunderte überdauerte. Während die ganze Thalfchaft die Reformation ergriff, blieb Zarasp dem Fatholifchen Glauben treu und ift noch jegt der Sig eines Fleinen Kapuziners kloſters; während Parteis und Unabhängigfeitsfriege das Land wiederholt zerriffen und ver- wüfteten, genoß der Drt unter dem Schuge des Schlofjes einer felten geftörten Ruhe; wäh- vend endlich) das ganze Eugadin fi durch Kauf oder Gewalt von der Abhängigkeit Fleinerer oder größerer Fürften losſagte, blieb die einzige Gemeinde, als eine von Graubünden um— ſchloſſene Infel, den Grafen von Zirol und von Dietrichftein, und dadurch Deiterreich unter- than, bis fie im Jahre 1816 erft durch Tauſch an die Schweiz Fam, Jet allmälig verſchwin— den die alten Eigenthümlichkeiten und felbjt die deutjchen Klänge, die vormals gehört wur: den, haben aufgehört, Volfsfprade zu fein. Das Schloß, bis zum Jahre 1815 bewohnt und einigermaßen unterhalten, hat den fpätern Befigern, die es käuflich an fi) zogen, nur zur vortheilhaften Fundgrube von Eifen und Marmor gedient und Fönnte jegt wohl um 100 Gulden, nebjt dem Scadenerfag für die auf nahbarlihen Boden herabrollenden Steine, erworben werden. Doch dem Fremden, der die Gegend befucht, bleiben die gewaltigen Mauer: wände und weitläufigen Räume als ein recht lebendiges Bild mittelalterliher Macht und Größe der Beachtung werth. ie - Noch merfwirdiger als durch feine eigenthümliche Lage und feine ausnahmsweise Gejhichte ift aber Tarasp durch feine bereits in europäiſchem Rufe ftehende Mineralquelle. Bis jest beſchränkt fich die Hauptverwendung des Waflers auf die Berfendung von Flafchen, von denen gegen 10000 jährlicy nach dem Auslande gehen. Der Beſuch des Drtes dur Kurgäfte wird einftweilen durch die Unzulänglichfeit der Einrichtungen, die Armuth an ftädtifchen Bequem- lichFeiten, den Mangel an zweckmäßigen Badeanftalten u. f. f. bedeutend erfchwert ; diefe Hin— derniffe würden aber in Kurzem verſchwinden und Tarasp, bei den ausgezeichneten Eigen— fchaften feiner Duelle, zu einem der bedeutendften Kurorte der Schweiz werden, wenn Die abfiheuliche Thalſtraße einigermaßen verbeffert würde. Wie fie jest befchaffen, bleibt der Zugang für Franfe Perfonen, für Prauenzimmer und ältere Leute faft unmöglich und der Befuch beſchränkt fi) auf etwa 100 Gäfte, vorzüglich aus Tirol und Graubünden, die gleich- zeitig in den nächften Häufergruppen Vulperra und Giaunts, (in den Gafthäufern der Herrn Perl, früher Conzet, und Garlen) ein Unterfommen finden Fönnen, Die Krankheiten, für welche der Drt befonders im Rufe fteht, find Verhärtungen des Unterleibes, Bandwurme leiden und Befchwerden der Beleibtheitz legtere befonders ziehen eine merfwürdige Samm— lung von menſchlichen Fettmaffen aus dem Defterreichifchen herbei. Die Tarasperquelle, von welcher ſchon Campell und nachher Scheuchzer rühmend Bericht erftatten, fprudelt Y, Stunde vor Vulperra unten in der Felsfhlucht des Inn und wird auf einem artigen Fußwege, der erit duch Wiefen führt, dann an dem Felſenabhang ſich hinab- windet, erreicht. Angelehnt an die aus talfigen und fauligen Schiefern beftehenden Fels: wand und gegründet auf eine Sintermaffe, welche die Duelle abgefegt, ift ein kleines Zrinf- häuschen gebaut, von dem aus zwifchen Fels und Strom ein 2309 Schritte langer Spa- zierweg ſich hinzieht. Die Quelle felbft, in einem niedern fteinernen Schacht von 4 Fuß Höhe und 11% Fuß Durchmeffer gefaßt, liefert 62—65 Maß per Stunde mit einer niedrigen, wie es heißt wenig veränderlichen Temperatur von 50, 5, (im Juli gemefjen). Die aufitet- gende Kohlenſäure bewirkt ein ftarfes Wallen und theilt dem falzigen Waffer einen ange— nehmen ftechenden Beigefchmad mit, der beim Faſſen in Flafchen theilmeife verloren geht. Befonders zeichnet ſich das Waffer durch feinen ungewöhnlichen Gehalt an Natron aus, welder vorzüglich mit Kohlenfäure, dann aud mit Schwefel: und Salzfäure verbunden ift, nad) der Analyfe des Hrn. Prof. Löwig fteigt derfelbe auf 11 Gemwichtstheile in 1000 Waſſer, ein Rerhältniß, welches die berühmteften Natronwaffer, Karlsbad, Eger und Bilin noch nicht erreichen. — Unter dem gleichen Dache fprudelt, einige Fuß entfernt, eine zweite Quelle, die, ihrer Nähe ungeachtet, einen weniger falzigen aber mehr fäuerlichftehenden Gefhmad befist und daher eine abweichende Bufammenfegung haben muß. Endlich rinnt etwas darüber eine dritte, ſehr ſchwache Ader aus dem Felfen, die wegen ihres Eifengehaltes Ocher abfegt und namentlich zum Wafchen der Augen benugt wird. — — Zwei andere Quellen werden von den Wellen des Jnns verſchlungen; man entdeckt näm— lich bei niederem Waſſerſtande einerſeits vor dem jetzigen Trinkhäuschen, anderſeits an der vorſpringenden Felsecke, über welche der Pfad herabſteigt, an der letztern Stelle zumal, eine lebhafte Entwicklung von Kohlenſäure. Eine ſechſte Quelle endlich, Die mit den vorigen zu— fammenzugebören feheint, befindet fih gerade gegenüber am Schulserufer und follte durch den Bau einer Fleinen Steinhütte zur Nebenbuhlerin derjenigen von Zarasp erhoben werden; allein ihre geringe Stärke, ihr niederer Stand und ihre ſchlechte Faſſang machen fie zu ab» hängig vom Einfluffe des Inn, um gehörig benußt zu werden. Nichtsdeftoweniger übt fie einen nachtheiligen Einfluß auf die Tarasper- Duelle aus. Das einzige Mittel namlich, die Ein- rihtung an leßterer, was Bequemlichfeit und Bedürfniß der Bewegung betrifft, zu verbeſſern, bejtünde bei der Befchränftheit des Naumes in dem Baue eines Steges nach) der Schulser— feite, wo in einer Einbiegung des Abhanges das Wielandfche Haus mit einer ſchönen Wiefe und freundlihen Obſtbäumen fich befindet. Allein feit der früher vorhandene Steg zerftört worden, haben die Indolenz der einen und die feindliche Nivalität der andern Gemeinde jeden Verſuch zur Wiederherftellung vereitelt. Ueberhaupt fallt der ganze Unterhalt der Trinf- anftalt und des Weges dahin ausichlieglich auf den Pächter des Waffers, der natürlich Fein In— tereffe hat, für eine weitere Zufunft zu forgen. Der Zins von 700 fl., den er an die Ge- meinde zahlt, wurde bisher auf die Gemeindebürger nad) dem merfwürdigen Grundfage des Viehftandes eines jeden vertheilt, Fünftig foll er angeblihermaßen für Armen- und Straßen- zwede verwendet werden. Wir führen diefe Umftände an, weil fie für den Buftand des Un- terengadins bezeichnend find und von den Schwierigkeiten einen Begriff geben, mit welchen jede Verbefferung lange noch zu Fampfen haben wird. Mit den vorgenannten Quellen, die ihrer Nahbarfchaft wegen eine Fleine Gruppe bil— den, ift aber der Reichthum der Gegend Feineswegs erfhöpft; vielmehr drängen fi noch zahlreiche andere mit mineralifchen Stoffen beladene Wafleradern in der Nähe zu Tage, mit dem Unterfchiede jedoch, daß in ihnen Kohlenfäure, Bitterfalz und Eifer bedeutend vorwal— ten, Natron mehr zurüctritt. Etwas höher am Inn, auf einem fohlechten Pfade vom Kirche dorfe Tarasp aus erreihbar, quillt ein ftarfer Säuerling aus dem Feljen. Ebenfo trifft man auf der andern Seite, von dem Wielandſchen Gute den Abftürzen und dem Fluffe fol- gend, zwei andere Fleine Quellen an, die unten an einer Felswand aus einer felbiterzeugten Einteranhäufung hervorrinnen. Die eine entwickelt Kohlenfäure, die andere hat einen bittern tintenartigen Geſchmack und fegt ochrigen Zuff ab. Eine dritte liegt in der Seitenfhlucht Balpüzza, die fih nah Fettan hinaufzieht, in der Nähe einer bisweilen befuchten, während der Revolution als Zufluchtsort benusten Zropffteinhöhle. Solcher Höhlen findet man in der Nähe der Quellen mehrere; fie find aber fein Eigenthum der wahren Felsmaſſe, jondern Lücken unter den hochangehäuften Sinterbekleidungen, wo diefe auf einem weichern zerftör- — — baren Boden ſich ablagerten. Noch andere, weniger bekannte Quellen ſollen über Fettan zu finden ſein. Eine neue dritte Gruppe von Quellen erſcheint am Fuße der nördlichen Thalwand über Schuls und von da bis Sins. Die erſte ſüdlichſte tritt in der halben Entfernung beider Orte im Gebüſche zu Tage, führt aber, wie der geringe Geſchmack und die Tuffanhäufungen beweiſen, faſt nur kohlenſauren Kalk. Wichtiger iſt die zweite, welche man nahe dem Chlo— zatobel bei Schuls ziemlich hoch am Abhange zwiſchen überwachſenen Sinterfelſen zu ſuchen hat. Der Geſchmack verräth einen ſtarken Gehalt ſowohl an Kohlenſäure als an Eiſen, weß— halb fie auch in der Gegend zum Trinken benutzt wird. Tiefer verſenkt fie ſich, um wahr: foheinlich al3 eine Fleine Wafferader, die unten am Abhang die Bildung einer weit fichtbaren Sintermaffe veranlaßt, wieder hervorzutreten. Doch von allen Quellen diefer Thalfeite ift der von Alters her befannte Säuerling von Schuls, Wyquelle genannt, die wichtigite. Sie fließt einige hundert Schritte über den weitlichften Häufern von Oberſchuls hinter einem un— terhölten Seitenhügel aus dem Wiefenabhang, hat die Stärfe einer Eleinen Brunnenröhre und wird mittelft hölzerner Rinnen, in welden ein prachtvoll blutrother Eifenniederfchlag ſich anfegt, nad dem Dorfe geleitet. Dort jpeist fie, freilih untermifcht mit gewöhnlichen Waſſer, die eine Röhre des untern Dorfbrunnens, was Menfchen und Vieh die N un⸗ entgeldlicher Trinkkuren verſchafft. Auch hier ſind Sintermaſſen, bald locker und tuffartig, bald dichtgeſchichtet, bald mit Geröllen zu einer Breccie verwachſen, die von weitem an Rauhwacke erinnert, die ſteten Be— gleiter der Mineralwaſſer. Mit ihrer rauhen, von Gebüſch überdeckten Oberfläche ſteigen ſie einige Hundert Fuß am Abhange hinauf; zugleich beweist die ſtundenweite Verbreitung und große Mächtigkeit derfelben, daß die Ergüffe mineralifcher Stoffe aus dem Innern der Erde vor Alters viel häufiger und mächtiger fein mußten als jest. Möglich ift es, daß die Abnahme der Duellen eine Folge des allmäligen Berfihluffes der Deffnungen durch die wachſenden Abjäge felbft war. Doc) haben die legtern bei den jegigen Quellen nicht das Anfehen ausgedehnter Bedekungen, fondern domartig hervortretender Sinterföpfe, an welchen die herabrinnende dünne Wafferfchicht immer weiter baut. Zudem erfcheinen die Sinterköpfe nicht an den Aus— flußöffnungen felbit, fondern erjt etwas tiefer, wo das Uebermaß an Kohlenfäure, welches zur Auflöfung des Kalfes und des Eiſens nothwendig war, entwichen ift. Noch merfwürdiger aber, und für die Schweiz wohl einzig, ift die Erſcheinung eigent- licher Mofetten, Deffnungen im Boden, aus denen, wie man e3 fonft nur in vulfanifchen Gegenden beobachtet, beftändig Gafe, namentlich Kohlenfäure, ausftrömen. Eine ſolche Gas— entwiclung zeigt fib wenig höher als die legterwähnte Sauerquelle von Schuls in einer etwas Waſſer haltenden Vertiefung, von einigen Fuß Durchmeffer. Aus dem weichen grauen Schlamm des Grundes fteigen ganze Ströme von Blafen auf, die aus einem Gemenge von x Re 15 Fu Kohlenfäure, Stikftoff und etwas Schwefelmaflerftoff zu beftehen feheinen. Vermuthlich muß diefe Gasentwidlung mit dem Erfiheinen der vorerwähnten Sauerquelle von Schuls in Ver- bindung gefegt werden; das mit dem Waller aus der Tiefe geftiegene Gas fand in dem lockern Boden Gelegenheit, nach oben zu entweichen, während das Waſſer vermöge feiner Schwere tiefer eine Deffnung fuchte. Ein ähnliches Verhältniß zwifchen dem Abfluffe von Waffer und Gas fcheint für eine zweite Mofette gleichfalls zu gelten, welche Y, Stunde weftlicher unweit der Straße nad Fettan erfheint. Um die Stelle derjelben zu finden, braucht man nur, vom jenfeitigen Ufer bei Bulperra, mit dem Auge einen gelben Sinterfopf fidy zu merfen, der unten am Inn das Hervortreten einer mineralifhen Waſſerader bezeichnet, und von da gerade aufwärts bis zu einer grauen Stufe des Abhanges zwifchen den Wiefen und Feldern in die Höhe zu gehen. Sucht man diefe Stelle wirklich auf, fo ftößt man auf einen auf 50 Schritte umher unfruchtbaren Fleck Land, der nur feltene und niedere Halmen zu treiben vermag. An der wenig überwachfenen Stufe entdeft man zwei Deffnungen von 6—8 Zoll Breite, die wenige Fuß auseinanderliegen und ſich ſchief zwiſchen Geſchiebe in die Tiefe fenfen. Der Eingang ift von Hunderten von todten Infeften, beſonders Käfern, bisweilen von todten Mäufen, feltener noch von todten Vögeln befegt, die ftatt eines Zufluchtsortes einen Giftpfuhl fanden. Gleihwie in der Hundsgrotte bei Neapel bemerft man aufrecht ftehend nichts von dem ver- derblihen Gaſe, das ſchwer ift und fi dem Boden nad auf den Abhang ausbreitet; allein wie man fich etwa auf einen Fuß vom Boden herabbüdt, bemerft man einen eignen ftechen- den Geruch und wird von einem heftigen erſtickenden Huften ergriffen; Eleinere Thiere, wie Kagen, Hühner u. f. f. erftiden nad) wenigen Zuckungen. Die Landleute behaupten, daf die Felder beim Verfchließen der Löcher auf einen großen Umkreis unfruchtbar werden. Jeden- falls hat die Durchdringung des Bodens mit Gas eine gewiffe Ausdehnung, denn 20 Schritte öftlicher findet man eine dritte Deffnung im Gebüſch, an der fie bededenden Steinplatte Eennt- li), und etwas tiefer öftlich eine vierte, die vorzüglih Schwefelwafferftoff aushaucht. Um den Kreis der verwandten Erfiheinungen zu vollenden, laſſen ſich in der Gegend noch mehrere Schwefelquellen anführen. Die erfte liegt im erften Bachtobel über der Straße von Schuls nad Fettan und beurfunder fih von Weiten dur einen Geruch nad) faulen Eiern; legtes Jahr war fie, vielleicht in Folge der großen Trodenheit, fehr wafferarın, und zum Theil verſchüttet. Eine andere ftärfere Quelle diefer Art fol unfern dem Dorfe Tarasp in dem Plafratobel zu finden fein; eine dritte in einem Bachgraben über Fettan. Außerdem zeigen fih an zahllofen Stellen mineralifche Effloreszenzen und Ausfhwigungen. In einer unter die Sinterbildung eingreifenden Höhle zwifhen Sins und Schuls hängen von der Dede finger: die Bapfen von faft reinem Bitterfalz; eine andere Höhle, Y Stunde über Vulperra, am Rande der tiefen Schlucht des Scarlbaches gelegen, hat Aneruftationen von Eifenvitriol; A viele Felfen aus zerfallendem Schiefer bedecken fich mit einem mehrere Linien ſtarken Pelz von weißem Bitterfalz und Kalffalpeter u. ſ. f. Aus dem Gefagten folgt, daß in der Gegend von Schuls und Tarasp, in einem Umkreis von einer Stunde nicht weniger als 20 Mineralquellen der verjchiedenften Art, Natron, Magnefia, Kohlenfänre, Eifen- und Schwefelwaffer zu Tage kommen, und fie erfcheint daher, wie feine andere im Gebiet der Schweizeralpen, als ein Mittelpunkt, in welchem der Verbin- dungen mit dem Erdinnern und der unterirdifchen Ausflüſſe ungewöhnlich viele zufammen gedrängt find. Im geringerem Grade fcheint übrigens die ganze Thallinie des Inn diefe Ei- genfchaft zu teilen; Mineralquellen, die noch unbenugt find, werden genannt über Sins, im Ninnathal, bei Ardez u. ſ. f.; zulegt gelangt man einerjeit3 im oberften Engadin zu dem 10 Stunden entfernten weltbefannten Bade St. Moriß, anderfeits nah Dften, in 8 Stuns den Entfernung, zu dem von Zirolern ftarf befuchten Sauerbrunnen von Obladis bei Prutz. Alle diefe Quellen find überdieß Falt, wiewohl vermuthlich Fonftant in ihrer Temperatur, und foheinen daher unter andern Verhältniffen zu Tage geführt zu werden, als die dem Jura zugehörenden wahren Thermen. Dft ift es möglich, aus der Befchaffenheit des Bodens einigen Auffchluß über den Ur- fprung der Quellen und den Stammort ihrer Beftandtheile zu ſchöpfen; ſehen wir daher zu, aus welchen Felsbildungen der Thalgrund und die Thalwände bei Schuls und Tarasp zu— fammengefegt find. Wie fhon früher angedeutet worden, hat fi) das Thal und befonters die Stromrinne des Inn in eine mähtige Scieferbildung eingegraben, die nach der gleichen Richtung ftreicht oder diefelbe wenigftens unter einem fpigen Winfel von WSW. nah OND. durchſchneidet. In feiner wahren Beichaffenheit zeigt fid) das Geftein längs der Thalſtraße in der ganzen Erftrefung von Fettan bis Remüs, namentlich auch in den Zobeln von Chloz und Sins. Es ift ein bald dünn-, bald grobblättriger grauer Schiefer mit grobgemengten, grauwaden- artigen Zwiſchenſchichten. Dft hat er glatte glänzende Oberflächen, wie Dachfchiefer, oder wird erdig zerfallend und bededt ſich mit Effloreszenzen von Bitterfalz, wie man es in den Zobeln von Echuls fieht. Unter der Loupe erkennt man ein Gemenge kleiner unbejtimmt begrängter Quarzkörner mit Neftern talfiger Glimmerſchüppchen von grüngrauen und ſchwar— zen Farben, bald verworren durcheinandergewacdhfen, bald ftreifig geordnet. Das Tallen die- fer Schichten in der Gegend von Schul und Sins ift fteil nördlich, Doch weiter nad) Norden foll es ſüdlich werden, gleichlaufend mit einer Kalfbildung, welche darunter einzuteufen Scheint. Dan hat eben diefe Bildung an den vielen Abftürzen des Inn zwifchen den Wrdezerfelfen und Schuls; an manchen Stellen hat aber der Schiefer Farbe und Gonfiftenz verloren und — ©. ein zerfallendes, gelbes, fauliges Anjehen gewonnen, als hätten chemiſche Agentien zerſetzend auf ihn eingewirkt. Die Schichten ſtehen entweder vertifal oder fallen ſteil ſüdlich ein. Dieß veränderte Anfehen verliert fich jedoch wieder an der füdlichen Zhalfeite, nur wal- ten da die feitern, grobförnigen Schichten über den eigentlihen Schiefer vor, der fich mehr nur auf [hwarze glänzende Ablofungen beſchränkt. Dft feheiden ſich die Beitandtheile noch vollitändiger und das Gejtein hat das Anfehen eines wahren talfigen Glimmerfchiefer8 von grauen und grüngrauen Farben. Man fieht die Bildung vorzüglich aufgedeckt an dem Schloß— berge Zarasp, der den Abjturz feiner Schichtföpfe nad) Norden wendet; an dem waldigen Abhang über Vulperra und Giaunts, an den rauhen Hügeln von Florins, endlid; an den vom Inn durchbrochenen Felfen, auf welchem die Kirche von Schuls fteht. Allenthalben ift das Fallen ſüdlich, bis 50° ſich vermindernd. In diefem feitern Theile der Bildung verſchwindet oft ganz das Anfehen einer Ausſchei— dung aus wäßrigen Niederfhlägen, es entwickeln ſich maſſig anſchwellende Schichtmaffen, die ein ganz ausgebildeter talfiger Glimmerfchiefer find, mit mehr als linien-großen, unbeftimmt begränzten Glimmerblättchen, deren grüngraue Farbe in gelbe Eifenfarbe verwittert. Aus diefem Gefteine beftehen die Felfen an der Ausmündung des Scarlbadhes, fowie diejenigen am Weg nah Pradella, in melden Schnüre von Schwefeleifen und eines molybdanglanz- oder graphitartigen Minerals vorkommen. — Endlich) entwidelt fi das Korn noch mehr; der talfige Glimmer liegt unregelmäßig zwifchen dem vorwaltenden Quarz, in dem ſich Neiter eines dunfeln glänzenden diallagartigen Minerals einmengen. Man glanbt ein unvollfommen ausgebildetes granitartiges Geftein vor fich zu haben, dem der Feldfpath fehlt. Ueber Gia- unts bilden folhe Abanderungen untergeordnete Anfchwellungen im Streichen de3 Schiefer. Aber anderswo werden fie mächtiger, erſtrecken fich quer durch die Schieferbildung und jchei- nen dieſelbe in fih aufzunehmen. So am waldigen Nüden hinter Fettan, an dem alten Bergfturz zwifchen Pradella und dem Uinnathal, an den -Felfen unter Sins und dem wilden, das Thal verengenden Felskopf jenſeits Nemüs. Alle diefe Gefteine find Durch ihre Lagerung jo innig verflochten, und ihrer Beichaffenheit nad) durch fo mannigfache Hebergänge verbunden, daß an eine Trennung nicht zu denken, und das eine Geftein nur al3 eine modifizirte Ausſcheidung des andern zu betrachten iſt. In der That, bis zum eigentlichen Schiefer laſſen ſich die Hauptbeſtandtheile, Quarz und talkartiger Glimmer immer wiederfinden. Ob die ganze Bildung das Reſultat einer Umwandlung des in andern Theilen Graubündens vorkommenden ſedimentären Fucoiden haltenden Schiefers iſt, ob ſie daher einer jüngern geologiſchen Epoche angehört oder nicht eher zu den älteſten Nie— derſchlägen der Erdkruſte, läßt ſich in re aller und jeder Spuren von Petrefaften nicht entfcheiden. 3 | | Die Anfiht einer Umwandlung gewinnt aber an Kraft durch das Erfheinen eines Ge— jteines in der Mitte der Schieferbildung, das man allgemein al3 plutonifchen Urfprungs be— trachtet, und das fich auch anderswo mit Talferde haltenden Foffilien umgibt. Es ift Ser- pentin, der als eine ganz ungeſchichtete Maſſe, nach der Richtung des Streihens der Schie= ferbildung , aber ohne bedeutenden Einfluß auf ihr Fallen zwifchen derfelben hervorbridt. Die Hauptmaffe hat eine Erftrefung von wohl zwei Stunden; fie beginnt an den Vorbergen des Mafnathales in der Höhe gegenüber Ardez, zieht fih oben am Dorf Zarasp durch die obere Walditufe des Abhanges, bildet die furchtbar zerriffenen Felfen in der Kluft am Eins gang des Ecarlthales und tritt unter St. John und über Pradella, in verfihiedenen Köpfen aus dem Boden hervor. — Eine zweite, viel befchränftere Serpentinlinie, die unterirdifch ver- muthlich mit der erften in Verbindung fteht, beginnt Y% Stunden von jener entfernt, an der füdlichen Baſis des Schloßberges von Tarasp und läßt fi als ein ſchmales Band zwifchen Schiefer bis über Vulperra verfolgen. Der Schiefer des Schloßberges fcheint, bis an die unmittelbar berührenden Stellen, die entfarbt und gelodert find, ohne befondere Verändes rung an dem Serpentin abzubrechen und verdanft wohl feine Erhebung eben diefer plutoni- fchen Maffe. Ueberhaupt fcheint fi der ummandelnde Einfluß der legtern nicht viel ftärfer auf die nähern als auf die entferntern Stellen des Schiefers geäußert, die Bildung mehr im Ganzen als in einzelnen Punkten nur ergriffen zu haben. Wie gewöhnlich ftellt fi der Serpentinfels bier überall als ein ungejchichtetes, maffiges, aber vielfach geboritenes Geftein dar, welches aus einer matten grünfhwarzen Serpentins grundmaffe, durchwirkt mit großen glänzenden Kriftallen von Bronzit beſteht. Nur nad) der urfprünglichen Oberfläche der gerundeten Maffen hin, wie man e3 über Dorf Tarasp fehen Fann, neigt der Serpentin zum fehaligen und wird theils blättrig umſchloſſen, theil3 ader- artig durchfegt von einem homogenen Zalffilifat, das gleichfalls in der Umgebung der Walli- ferpentine gefunden worden ift. Seltene Nefter an der Oberfläche des Serpentines beftehen aus gelblihem Friftallifirtem Talkglimmer mit zierlihen Kriftallen von Idocras, eines felte- nen Minerals, das in der Schweiz noch bei Zermatt gefunden wird. Auch am Schloßberge zeichnet fich Die Begränzung der Serpentinmaffe nad) der Schieferbildung hin durch eigenthüm— liche Mineralien aus. Der Serpentin wird dafelbft grobfehalig, dann durchſtrickt von zahl- lofen Adern, zulegt brodenartig umfchloffen von einer aus Arragonitſternchen gebildeten- Grundmaffe. Der Arragonit bildet auch maffige Adern und entwidelt fich weiterhin in den Höhlen eines Ganges in zierlihen, nußgroßen Kriftalleofen. Andere Gänge beftehen aus Frio ſtalliniſchkörnigem talfhaltigem Kalk, nod andere endlich aus einem Fnolligen gelben Foffil von bedeutender Härte und Muſchelbruch, in welchem man den in der Schweiz fonft nicht vorkommenden dichten Magnefit (Eohlenfaure Magnefia) erfennt. Diefe Subftanzen find fel- tene Erfoheinungen unferer Gebirge und beweifen neuerdings, wie fehr die Begränzung de3 — a Serpentins, als eines abnormen Gejteines, Die Aufmerkſamkeit des Mineralogen zu feifels verdient. Die Verbreitung der Zalferde in der Umgebung des Serpentins reicht fogar über Die Shieferbildung hinaus in die mächtige Kalfbildung, die fie im Süden überlagert. Das ſchönſte und vollſtändigſte Profil diefer zweiten Hauptbildung der Gegend bietet der Querriß des Scarlbadhes dar, an deſſen öftliher Seite die Thalitraße fih nad) Neberfteigung des Ser- pentinrüdens allmälig herabjenft. Gleih auf den Serpentin folgt ald Zrennungsgejtein eine graue Kalkſchicht von fein: ſchuppig-kriſtalliniſchem Korne und oft von jo vielen Spathadern durchſchwärmt, daß die Grundmaſſe verfhwindet. Auch gegenüber, Hinter den Häufern von Lavezza, jieht man Diefe Mafje, Doc reiner, Falfiger mit talfigen Ablöfungen, und ebendahin fcheint ein merkwürdi— ges Gejtein aus dem Plafnathal zu gehören, welches in einer ähnlichen Grundmaffe Reihen und Schnüre hervorftehender Körner und Broden von Quarz und Gneiß eingebadfen enthält. Auf diefe Kalkſchichten lagern ſich mit einem übereinftimmenden füdlichen Fallen von 60—70° neuerdings Schiefer mit talfigem Glimmer, in einer Stärfe von einigen hundert Fuß, denen ähnlich), welche unter dem Serpentin vorkommen. Einige Zwifchenlager bejtehen aus grauem, faſt dichtem Quarz. Wo die ſanftern überwachſenen Abhänge aufhören, beginnt die mächtige Kalkbildung, aus welcher ausſchließlich die hohen zerriſſenen Felszinnen der Piz Plafna, Piz Pisoc, Piz John, Piz Lischang u. f. f. aufgebaut find. Die bald jtarfen, bald nur fußdiden Lager fallen längs der Scarlſtraße erft dem Schiefer parallel, dann aber immer fteiler, zulegt ver- tifal, fogar überneigend. Ueberſieht man aus der Ferne die 3000° hohe Bergwand, fo er- Elärt ſich dieſe Aenderung des Fallens aus einer großen Umbiegung, welde das erſt nörd- liche Anfteigen der Lager in ein ſüdliches ummwandelt. Die Stelle der Biegung zieht ſich von der Höhe, wo die vertifalen Lager al3 fenfrechte Felswände das Innthal beherrfchen, nad) dem Innern des Gebirges immer tiefer herab und erreicht die Ecarlitraße am Ende des Querriſſes. Durch ihre ganze Mächtigfeit befteht diefe mehrere 1000 Fuß ftarfe Kalkbildung aus einem grauen Kalfe, welcher in höherem oder geringerem Grade ſtets die Veränderungen zeigt, welde man fonft plutonifhen Einflüffen oder fremden Durchdringungen zuzufchreiben pflegt. Bald it er hell, ungemein abgefondert und fpröde, der fogenannte glafige Kalk, bald nimmt er ein ſchuppig-kriſtalliniſches Korn und erjcheint als dichter grauer Dolomit, oder er bildet ein Dicht verjchmolzenes breccienartiges Gemenge von verfchiedenem Korn oder wird nefterartig ducchjegt von weißen Spathadern. Dabei ſcheint die Durhdringung mit Talkerde Feine Ei- genthümlichkeit beftimmter Schichten, fondern da und dort, je nach der Gegend, die ganze Bildung ergriffen zu haben. So erklärt fi denn, da ftellenweife, wie gleich an der Wand un a des Piz Pisoc über dem Serpentin, am Lapischa im Val Plafna, an den Worbergen des Piz Lischang gegen Val d’ Uinna wahre Iodere Rauhwake vorfommen kann, die von weiten fhon an dem zerfreffenen gelben Anſehen der Felfen erfannt wird, Nirgends aber fcheinen folhe Ummwandlungen umfaſſender und eingreifender ftatt gefun- den zu haben, als in der Erweiterung des Scarlthales, welche ſich hinter den vorgenannten Kalkftöden durchzieht und mit ihren fanften gerundeten Bergen auffallend von den unzugäng- lihen Mauern und Thürmen der legtern abfticht. Sowie man aus der Felsenge in die Er- meiterung tritt, hört Die lange Neihenfolge der feften Kalflager auf und es erſcheinen gelb- gefärbter geloderter Kalf, zerfallender zuderartiger Dolomit, Rauhwake mit Adern und Drufenräumen von Kalffpath, fhuppigkörniger Gyps (?), Spatheifen und Braunfpath, ver- muthlid in gangartigen Maffen. Nur untergeordnet findet fich noch ein ſchwarzer Kalk in einem über der Scarlftraße fortlaufenden Felsrande, doch von Spathadern durchwoben und von grünen talfigen Ablofungen durchfegt, welche am diejenigen aus der Nähe des Serpen- ting erinnern. Offenbar waren die Ungleichheit und Zerftörbarfeit der meiften diefer Gefteine, fowie die vielfach geknickte Lagerung derfelben, die Veranlaffung zur Entftehung der Seiten- thälchen von Minger und Sesvrenna, das eine nach Val Plafna hinter dem Piz Pisoc durch, das andere hinter dem Piz Lischang nad) Val Uinna führend. Zu derfelben Bildung endlich müſſen die Gänge von Spatheifen gerechnet werden, welche von alter Zeit her um ihres filber- haltenden Bleiglanzes willen befannt find. Wie erheblich diefer Bergbau werden könnte, geht daraus hervor, daß aus den 6 Gruben, die in neuerer Zeit am Madleinaberge in Be: trieb waren, während der beiden Jahre 1825 und 1826 nicht weniger als 600 Mark Silber und 700 Zentner Blei und Bleiglätte gewonnen wurden. Kehren wir fihließlich zu der Frage zurüd, von Der wir ausgegangen, ob die Befhaffen- heit des Bodens von dem Dafein der Quellen Rechenſchaft zu geben vermag, fo laßt fi allerdings die Möglicyfeit von Verbindungen mit größern Tiefen aus der Natur des Inn— bettes, das einem eingreifenden Riſſe feine Entftehung zn verdanken fcheint, fowie aus der nahe fenfrechten und umgekehrt fächerförmigen Stellung der Schieferbildung einigermaßen begreifen. Mus welcher Tiefe aber die Quellen emporfteigen, läßt fih nicht beftimmen; denn die Abwefenheit Huber Wärme, das Dafein einer Temperatur von 50%, 5° C, welche mit der mittlern Temperatur des Bodens nahe übereinftimmt, find noch Fein Beweis für einen ober- flächlihen oder höher liegenden Urfprung des Waffers, da bei ver Schwäche der Wafferadern und der möglichen Länge ihrer Abflußwege die eigenthümlihe Wärme leicht verloren gehen Fonnte. — Noch ungenügender als von dem Urſprung des Waſſers, ift aber der Nachweis des Stammortes feiner mineralifihen Beftandtheile. Leider haben bis jegt weder die Schiefer, noch die ebenfo mächtige Kalfbildung die geringfte deutliche Spur von organifchen Heberreften dar- geboten: es fehlt daher jeder Haltpunft zur Beftimmung ihres geologifchen Alters oder zur ne Wiedererfennung folder Bildungen, die ſich anderswo durd) ihren Neihthum an auflöslichen, falzigen Stoffen auszeichnen. Man ift freilich gewohnt, in der Nähe vulfanifcher oder ab- normer Maffen, zu denen der Serpentin ohne Zweifel zu rechnen ift, vorzugsweife Natron- und Sauerquellen fprudeln zu fehen, fei es, daß durd das Hervorbrechen folder Maſſen Verbindungen mit dem Erdinnern hergeftellt, fei es, daß mineralifhe Subftanzen zur Ober- fläche getrieben wurden, welche fonft in der Tiefe verborgen bleiben; dieſe ziemlich allges meine Regel enthält indeß noch Feine auf das Einzelne eingehende Erflärung. Die einzige Subftanz, deren Gegenwart in den Quellen direft mit dem Erfcheinen des Serpentins in Verbindung gebracht werden fann, ift die Talkerde; fie begleitet denfelben faft überall und fheint durch den Einfluß derfelben in die umgebenden, umgewandelten Gefteine übergegangen zu fein. Ueber den Urfprung der Kohlenfäure, des Eifens, des Schwefelwafferftoffs, beſon— ders des auffallenden Natrongehaltes liefert die Schieferbildung, in deren Herz ſämmtliche Duellen jprudeln, Feine Andeutungen; man muß daher entweder annehmen, daß diefe Stoffe von der Zerfegung abnormer, in der Tiefe gebliebener Gebilde herrühren, oder daß früher zwifhen den Schiefern andere Lager eingefhoben waren, die in der Zange der Zeit oder durch frühere Ummälzungen bis auf große Tiefe ausgelaugt, fortgeführt und von der Oberfläche des Bodens vertilgt worden find. Der Gyps, der unter Sins, leider unter Verhältniffen, die man nicht überfchauen kann, aus der Schieferbildung hervorbricht, wäre ein legter Ueber— reſt folder Zwifchenmaffen; e3 würden dann die Schiefer und Kalfbildung am wahrfchein- lichften der Triasbildung zugetheilt, die aud anderswo, im Jura namentlih, durch Petre- faftenarmuth und den Gehalt an falzigen Stoffen fi auszeichnet. So lange jedoch beſtimm— tere Gründe fehlen, dürfen ſolche Schläffe nicht einmal auf den Namen waährſcheinlicher Ver- muthungen Anfpruch machen. Beilagen. I. Bolgende intereffante Infekten find von Hrn. Prof. Heer im Unterengadin gefammelt worden: Cieindela alpestris Hr. Cymindis angularis Gyll. bei Fettan, fonft nirgends in der Schweiz (findet fih in Schweden). Cychrus attenuatus F. var. $löffalp. Carabus gemmalus F. — Neesii St. Nebria Germari Hr. Scaletta. Aret-Alp ob Fettan. Amara bifrons Gyll. Urfcheinalp. — similata G. Zimm. $ettan. Argutor alpestris Hr. $lößalp. Urſchein. Aoupalpus similis Dej. Flößalp. Bembidium glaciale Hr. Alpen. Staphylinus vagans Hr. Urſchein. _ stercorarius Ol. Flößalp. Philonthus micans Gr. Urſcheinalp. — pieipienis Hr. Urfcheinalp. — alpestris Hr. Flößalp. Homalota alpicola Hr. Urſcheinalp. (nur hier bis jetzt gefunden.) — alpestris Hr. Urſchein. — tibialis Hr. id, Geodromus Kunzei Hr. Auf dem Paß nah) Samnaun. Anthophagus melanocephalus Hr. Urſchein. — alpestris Hr. Alpen. Helophorus glacialis Villa. Urſcheinalp. Byrrhus pulchellus H. Urfheinalp bei 6000° ü. M. (fonft nirgends gefunden.) Dasytes obscurus Gyll. Alpen. Otiorhynchus pieipes Hbst. Urfcheinalp. — inseulptus Hr. Urſcheinalp. Chrysomela Salicina Hr. Flößalp. — Escheri Hr. Scarlpaß. Cocecinella globosa Illg. id. Capsus nitidus Mey. Urfcheinalp bei 7000° ü. M. (nur hier bis jegt gefunden). II. Im Juli 1849 wurden in der Gegend von Tarasp folgende Mollusken gefammelt: Vitrina. — Zwei unbeftimmte Arten. Helix pomatia Lin. — Klein und dünnfchalig. — arbustorum Lin. — Die Eleine und mittlere Alpenform, bis 8000‘. — frulicum Müll. — Mit und ohne Binde — felten. — strigella Drap. — Klein, felten, im Waldgebüſch. — zonala Stud. — Die flahe Form, die fonft in der Schweiz nicht vorfommt und dem Tirol angehört. — holoserica Stud. — In der Schweiz nur im Sochgebirge. — Cobresiana Alten. — Nur in der ftlihen Schweiz, im Rheinthal, Prättigäu und Engadin. a. Helix hispida Lin. — Mit erweiterter Mündung. — ruderata Stud. — Eine Schnede des Hochgebirges. — rupestris Drap. — — obvia Hartm. — Aus dem Tirol eingewandert ala Vertreter von H. ericetorum Sonft der Schweiz fremd. — candidula Stud. — Auf der fonnigen Nordfeite. — nitens Mich. — Klein. — glabra Charp? — Nur junge Eremplare. — nilidosa Fer. — Unter Alpenrofengebüfdh. — fulva Müll. — cerystallina Müll. Bulimus detritus Müll. — Nur auf der fonnigen Nordfeite. — monlanus Drap. — Waldgebüſch. Achatina lubrica Müll. — Hoc hinauf bis zur Pflanzengränze. — acicula Müll. — Selten. Pupa quadridens Müll. — Nur auf der warmen Nordfeite. — avena Drap. — Bei Martinsbrüd und im Scarlthal. — secale Drap. — An Felfen bei Zarasp. — muscorum Lin. — Unter Alpenroſen. — minulissima Hartm. — Ebenfo. — triplicata Stud. — Selten im Plafnathal. — inornata Mich. — Bisher nur auf der Grimfel gefunden. Balea fragilis Leach. — Selten an Felſen unter Moos. Clausilia plicata Drap. — Richt felten. — plicatula Drap. — Selten. — ceruciata Stud. — Die fhlanfere, in der öftlihen Schweiz verbreitete Varietät. Succinea Pfeifferi Rssm. — Längs der Bäche. Limnaeus pereger Drap. — In Eleinern Bäden. II. Nah den Unterfuhungen des Hrn. Prof. Heer verdienen befonders folgende Pflanzen des Unterengadins als bezeichnend hervorgehoben zu werden. Sesleria disticha. — Flößalp. Calamogrosis speciosa. — Fettan. Avena subspicata. — Am Piz Linard u. f. w. Lilium bulbiferum. — Kalfberge des Unterengadins. ig). me Tofieldia borealis. Wahl. — Auf dem Col Joata zwifchen Sſchierfs nnd Scart. Senecio carniolicus. — Scaletta. Flößalp. — rupestris W. K. — Auf dem Ofen, am Wormferjod. — abrotanifolius L. — Alpen von Remüs. Cirsium Eriophorum. L. — Lavin, Fettan. \ Centaurea maculosa Lam. — Fettan, Lavin. — austriaca. W. — Zwiſchen Gerneß und Brail. Crepis alpestris. — Remüferalp. Lactuca perennis L. — Fettan. Phyteuma globulariaefolium Stbg. — Ecaletta, Flößalp. Campanula cenisia. — Zu oberft auf dem Minfhum ob Fettan. Aretia glacialis Schl. — In allen Alpen in der Schneeregion. — helvetica. — Uebergang ind Samnaun, auf der Höhe des Pafjes. Pedicularis incarnata. — Ofen. Polemonium coeruleum L. — Hie und da, 5. B. bei Lavin. Linnaea borealis. Gr. — Bei Lavin, Süß u. f. w. Thalictrum alpinum. L. — Im Hintergrund des Scarlthales häufig, befonders auf dem Jod) Joata, Uebergang von Scarl nah Zfhierfs Re der ſeltenſten Schmeizerpflanzen). Corthusa Matthioli. L. — Tarasp, auf dem Weg zur Quelle im Gebüfch; für die Schwei- zerflora eine neue Pflanze, welche von den Hrn, Ingenieur Coaz und Lehrer Krätli entdeeft wurde. Ranunculus parnassifolius. — Am Umbrail, Adonis aestivalis L. — Fettan. Sysimbrium strielissimum. L. — Fettan, Remüs. Erysimum strietum Fl. der Welt. — Lavin, Guarda, zwifchen Gerne; und Sins. Papaver pyrenaicum W. — Gafannaalp. Ribes rubrum. L. — &2avin, Dianthus deltoides. — Lavin, Baila, Fettan. Tunica Saxifraga. — Cernez am Sun. Lychnis flosovis. L. — Lavin. Saxifraga stenopetala. Stbg. — Umbrail. Epilobium Fleischeri. — Lavin, Fettan. Potentilla caulescens. L. — Bei Cernez. Oxytropis uralensis. — In den Alpen bier und da, Astragalur Onobrychis. — Fettan. a a Salva verticillata L. — Bon Schuls bis Martinsbrüd. Coronilla varia. L. — $ettan. d Galeopsis versicolor. Curt. — Bei Guarda. Horminum pyreraicum. L. — Wormferjod). Pinguicula grandiflora. — Bei Tarasp. Pleris erispa. — Scaletta. IV: Hr. Prof. Heer hat die Güte gehabt, folgende nähere Angaben über die Höhe der wich» tigften Pflanzenarten im Engadin zufammenzuftellen. " (Die Höhenzahlen in Schweizerfuß, zu Yo Metre gegeben.) Waldbäume. Der Ahorn ſteigt im Mittel bis 5200“, in Bündten findet er ſich als Strauch bis 5400. Die Rothtanne geht im Bündtner'ſchen Oberlande im Mittel bis 6300 * (an Nordabhän- gen 5740‘, an Südabhängen bis 6500), im Engadin bis 6600°, im Münfterthal fogar bis 7000*. — Das Mittel der obern Gränze beträgt für Bündten 6500°; die Abftände an den Nord und Südabhängen betragen 650—760, Die Lerche fteigt um 540 höher als die Rothtanne, im Mittel in Bündten bis 7040°, im Avers bis 6800, im Davos bis 6990, im Engadin bis 7250, am Südabfall der Alpen bis 7360 Fuß. — Sie geht an den Nordabhängen ebenfo hoch, als an den Südabhängen. Daher fteigt fie an Südabhängen 320° höher als die Tanne, an Weft- und Oftabhängen 540, an Nordabhängen derfelben Bergfeite 970° höher. In der obern Gränze ftimmt die Arve mit der Lerche überein. Die höchſten Stellen, an denen fie beobachtet worden, find auf der Nordfeite des Paſſes zwifchen Münfter und Scarl 7527, am Bernina 7569 Fuß; am Frela ob Livino gegen St. Giacomo 7389 und in der Nähe des Stelvio 7883 Fuß. Dief find aber Ausnahmsfälle, im Mittel geht fie bis 709 Fuß. Die Föhre (Kiefer) geht als Baum bis zur felben Höhe wie die Nothtanne; als Strauch aber (Legföhre) in Bündten noch um 270° über die Lerchen- und Arvengränze hinaus. An Sonnenfeiten geht fie einige 100 Fuß höher als an Schattenfeiten. Kulturpflanzen. Im Abulathal reift die Kartoffel bei Wiefen 4900, und Monftein 4870°, nod all: jährlich; ebenfo in Davos bei 5330 Fuß. Im Engadin geht die Kultur bis Zuz 5760‘; im Samnaun bis Compatſch 5740°%. Die mittlere obere Gränze in Bündten fann zu 5400‘ 4 u gerechnet werden. Einzelne Eleine Verſuche wurden auch in Bevers und felbft in Campher gemacht, doch immer mit fehr unfiherm Erfolg. Die Roggengränze fällt mit der Kartoffelgränge zufammen. Im Unterengadin wird viel Roggen Eultivirt und felbft ausgeführt. In guten Lagen gibt er ziemlich reichlihen Er— trag, in den höhern, fo in Fettan, 5500 Fuß ü. M., durchſchnittlich nur das 3 bis Afache der Nusfaat, während die Gerfte das 6 bis Sfache, Gerfte. Bei Samaden, Sils und Campher trifft man fowohl Sommer: als Winter- gerfte; ferner im Scarl, bei 6040 Fuß, im Samnaun bis Compatfh. Das Mittel der obern Gränze ift für Bündten auf 5850° zu fegen. Der Ertrag ift in den höhern Gegenden allerdings gering, dagegen find die Körner ſchwerer, daher die Gerjte des Oberengadins theurer bezahlt wird, als die des Unterengadind. Im Oberengadin trägt fie kaum Sfältig, zuweilen nur 2 bis 3fältig oder auch gar nicht, während fchon bei Zuz und Scanfs 6 bis Sfältig. Nach den Kulturpflanzen laffen fih in Bündten folgende Regionen unterfcheiden : 1. Reg. des Weines und Maifes bis 2500% Hier haben auch Tabak, Aprikofen und Pfirfihe ihre obere Gränze. f 2. Reg. des Nußbaumes bis 3450 Zwetſchenbaum und Bohnen. 3. Weg. des Kernobites bis 3800“. 4. Reg. des Birnbaumes bis 4350‘ Weizen, Spelt, Hirfe. 3. Reg. des Roggens und der Kartoffel bis 5400‘. Hafer, Kohl, Kabis, Sau- bohnen, Hanf. 6. Reg. der Gerfte bis 5850°. Gelbe Rüben, Rettig, Scorzoneren, Kohlräbe, Erbfen, Flachs, Sellerie, Peterfilie. 7. Reg. des Salates und der Blade bei 6500% Spinat, Mangold, weiße Rüben, Schnittlauch. Auf dem Piz Linard fand Hr. Prof. Heer 1835 zu oberſt auf der Spitze noch lieblich blühend die Aretia glacialis und unter Steinen eine Spinne (Opilio glacialis Heer), welche nur in den böhern Alpen vorfommt. (Siehe Neujahrsblatt 1846.) V. Ueber die chemiſchen und therapeutiſchen Eigenſchaften der Quellen des Unterengadins findet man nähern Aufſchluß in zwei inhaltreichen Schriften des Hrn. Dr. J. A. Kaiſer: 1) Die Mineralquellen St. Moritz, Schuls und Tarasp, u, ſ. f., chemiſch unterſucht von G. W. Capeller, hiſtoriſch-topographiſch und therapeutiſch dargeſtellt von Dr. J. A. Kaiſer. Chur, bei A. T. Otto 1826. 8. 2) Die Mineralquelle zu Tarasp im Unterengadin von Dr. J. A. Kaiſer. Chur, bei G. Hitz. 1847. 12. ——— Hr. Kapeller unterfuchte die Chloza: und Zarasper- Quelle; Hr. Prof. Löwig in dem zweiten Schriftchen gibt die Analyfe der Iegtern nach den neueſten Hülfsmitteln der Wiſſen— ſchaft. Die Ergebniffe find, auf 1000 Gewichtstheile Waffer berechnet, die folgenden: Chloza⸗Q. Kapeller. Chlornatrium (Spuren von Sod nnd Brom) — Schwefelſ. Natron 0,0495 Schwefelf. Kali &- Schwefelf. Kalt 0,0026 Kohlenf. Natron = Kohlenſ. Kalf 0,6836 Kohlen]. Magnefta 0,1341 Kohlen. Eifenorydul 0,0599 Kiefelerde — Thonerde, organ. Mat. — Freie Kohlenſäure — Tarasp⸗Q. Kapeller. Löwig. 3,1250 3,9534 2,0837 2,2633 m 0,3570 5,0780 3,7013 0,9765 1,6028 0,6510 0,0722 0,1302 0,0278 = 0,0256 0,1302 Spuren — 3,5427 Die letztere Beftimmung der Kohlenſäure entfpricht 1791,7 Eubic- Gentim. Gas auf 1 Kilogr. Wafler. Kapeller gibt das fpez. Gew. des Chlozamaffers zu 1,003, des Tarasperwaſſers zu 1,013; Prof. Löwig fand das letztere bei 100 C. gleich 1,0119. — Die Temperatur der Chloza-Quelle gibt Kapeller bei + 26°, 2C., 2ufttemp. zu + 10 Diejenige der Tarasper-Q. bei 100 C. äußerer Temp, (19. Sept. 1822) zu + 87 Die der Hauptmofette bei 160, 2 äußerer Temp. (2 Fuß in der Höhlung) zu — 13,7 Im Juli 1849 wurden folgende Temp. gemeffen: Zarasperquelle, Mittel von 5 Tagen Zweite Duelle im Trinfhauschen Wy-Duelle 11. Juli Ehloza - Duelle VI. 5,9 5,9 8,6 9,7 + +++ Die von Hra. Ingenieur Denzler im Sommer 1848 ausgeführten trigonometrifhen;Ar- beiten haben für das Unterengadinidie folgenden Höhenbeftimmungen geliefert. (Die Angaben in Schweizerfuß zu Yo Metre.) Sealetta Vedelsberg Schwarzhorn Weißhorn Piz Gischa Piz Linard Piz d' Esen Vorliegende Spitze.— Piz Martarus Spitze öſtlich (Piz Serra ?) Piz Terza — Piz Mesdi (bei Sins) Piz Allische Almundungaberg Piz Divrain Spige im Norden Brodatſchberg Piz Lapischa Piz Uschadura Piz Pisoc . Vordere Spige. Brail ; Gerne; 7 ? Dfen Süße. Lavin Ardez Fettan — 28 — Berge der Nordſeite. 9897 9650 ? 10503 10297 9943 11387 Piz Cotschen Piz Mizun Berg über Schuls Giampatſch Ariund (Mariasberg 2) Fumaberg Berge der Südfeite. 10433 Hintere Spiße . 9913 Piz Plafna 10423 Piz Zuort . 9727 Piz Furaz k 8943 Piz Mesdi (bei Scarl) 9897 ? Piz Valatscha 9920 Piz d’ Astas 8773 Piz Siswrenna . 9643 Piz Cornet 9467 Piz Lischang — 9800 ? Piz Madlen ; - 10110 ? Piz John 10047 ? Vorberg 10597 Piz Lat 10130 Ortſchaften. 5467 Zarasp:- Schloß . 4927 Höhe über Bulperra 6090 Schuls 4767 Sins 4767 Remüs 4900 Schleins 5500 9917 9293 7620 9730 9433 10997 10463 10407 9940 10313 7897 9960 9673 10750 10027 10333 10053 - 10103 ? 8933 9667 5010 5070 4067 4760 4100 5113 Das Yingadmb au Tarasp. V Glotz. P. Zuort . 2928. p. — oc P. Plafna Tarasp. SGN SI, TH F EG — IND AR We — * l | N $ * =Z ; | N7r === Y F — NY \ \ — 9 —90— 22% Win \\\ Y D 74 Zu il 7 9 Ih Y/ Zi IR N un TEEN II TEEN N a 9 I — J— > J — ver AB 2; | Be EIPZEZ EZ Ur. £ R in 2 An ES ITIIIINIIN ‚ln DD N 9 Ps = 4 NIIBLNDEN NV N —* gi NZ F 3 Ey Se = = KIIL i 7 | = — —W m) —— 77 | Bi Piz Pisoc I Pe JSehuols . £ An die Zürcheriſche Jugend auf das Jahr 1851. der Naturforſchenden Geſellſchaft. * hier LA. Stüd. — F FALSE dr Dr 7 Auch dieſes Mal wählen wir für unſer Neujahrsblatt einen Gegenſtand vaterländiſcher Naturkunde. Während uns aber das legte in eines der merfwürdigften Thäler unferer wun— dervollen Aipenwelt verfegte, wollen wir ung heute beſcheiden in der nächſten Umgebung nad) einigen Naturerzeugniffen umfehen, denen man freilich insgemein geringe Aufmerffamfeit fhenft, die aber dennoh mande Belehrung gewähren können; es find die Torf-, Die Schiefer- und Braunfohlenlager unfers Kantons. Wir laffen einige allgemeine Bemerfungen, Damit das fpätere verftändlicher werde, vorausgehen. Der Kanton Züri — mit einziger Ausnahme der Zägern und der Gegend beim Laufen, wo der Jura mit feinen legten Ausläufern in denfelben hineinreicht — ift ein Theil des gro- Ben Thales, welches fih zwifchen Alpen und Jura aus Südweſten nah Nordoften er— ftret und vom Genfer= bis zum Bodenfee immer mehr an Breite wachſend in das benad)- barte Deutfchland fortfegt. Diejes Thal ift eingenommen von zahlreihen Berg- und Hügel: Fetten und von großen und kleinen Thälern, in deren günftigften Sagen die bedeutendern Ortſchaften ſich angefiedelt haben. Alle in den Alpen entfpringenden Gewäffer rollen durch dieje Thäler herab dem füdöftlichen Abfall des Jura entgegen, deſſen Fuß fie in zwei Arme vereinigt begleiten, fo daß der eine — der Rhein — bis nah Schaffhaufen und Kaiferjtuhl, der andere — die Aar — jenem entgegen bis nad) Narburg fließt. Aber beide Wajfer- arme verlaffen fortan ihren Lauf und fließen quer Durch den Jura; der erfte dringt in denjelben bei Kaiferftuhl ein und nimmt unterhalb dem Dörfchen Koblenz den andern auf, (V Y) J Be SP jez der zwei bedeutende Alpengewäſſer jhon von der herrlichen Ebene an, auf welder vor 2000 Jahren die römische Vindoniſſa jtand, mitten durch die geöffneten Ketten des Jura ihm zu- führt. Unterhalb Koblenz eilt der mächtige Rhein, der alle Wafferadern am Nordabhang der Alpen von der Dole bis ins Vorarlberg in fi) vereinigt hat, zwiſchen Jura und Schwarz— wald fort in die weite Ebene hinaus, auf welder die Schweiz Deutfchland und Frankreich begegnet. Unterfuchen wir nun den innern Bau der Berg- und Hügelfetten diefes großen Thales, fo finden wir vorherrſchend Sandfteine in allen möglichen Abftufungen mit oft buntfar- bigen Mergelfchiefern und Nagelflue von fehr verjchiedenem Ausfehen, deren Vorfommen ji aber mehr auf die den Alpen näher liegenden Bergfetten befihränft; jene dagegen find in den mittlern und nördlichen Zheilen des Thales verbreitet. Den Sandfteinen und der Nagelflue untergeordnet, d. h. nur bie und da nicht in bedeutender Mächtigfeit (Dicke) finden ſich Kalffteine, — von der Art die man gewöhnlich „Wetterfalf” nennt, da die— felbe beim Bauen fi für die Wetterfeite der Häufer gut bewährt, — und Kohlen. Zur Beobachtung des Wechfels dieſer verfchiedenen Gejteinfhichten ift in unferer unmittelbaren Nähe die Albisfette gut geeignet. Die fogenannte „Falätſche“ ob LZeimbad zeigt uns einen Durchſchnitt aller Gefteine mit Ausnahme der Nagelfluebänfe, welche die oberfte Kuppe des Uetliberges *) zufammenfegen. Das Ganze der Sandftein- und Nagelfluemaffen mit ihren untergeordneten Kalkiteinen und Kohlenjhichten nennt man (nah einem in der weit- lihen Schweiz vorfommenden weichen Sanditeine) in der wiffenfchaftlihen Sprache Mo- laffebildung, Molaffeformation, oder furzweg Molaffe. Alle diefe Schichten von ungleicher Mächtigfeit, die fo zu jagen wie Blätter eines Bu— ches auf einander liegen, find unzweifelhaft aus trüben Gewäſſern abgejegt worden, Nur find fie, — was man an den einen Stellen beffer als an andern erfennt, — nicht immer wagrecht geblieben, jondern oft ftarf geneigt; namentlich beobadhtet man längs den Alpen fteil aufgerichtete und überhaupt folhe Schichten, welche auf gewaltige Zerrüttungen hin— deuten. Dadurch ift dann in jener Gegend Form und Richtung der Ketten wie der Thäler eine vom übrigen Theile des Molafje- Thales abweichende geworden. Die Urfache diejer Schichtenſenkung ift wohl in dieſem gewaltigen Gebirge, den Alpen, zu ſuchen. Doc gehen *) Dder wie wir ihn gewöhnlich heißen Hüetliberg, ein Name, den wir jo oft im Munde führen, daß über deſſen Bedeutung einige Worte zu fagen wohl nicht außer dem Wege ift. Die ur— fprüngliche Form war Uotilinberg, was fo viel fagen will ald Berg, der dem Uotilo (von Uoto, Uto abgeleitet) gehörte. Derfelbe Name kommt auch in dem des nahen Dorfes Uetikon vor, eigent- lid) Uotinghofen, d. h. zu den Höfen, Hänfern des Uoting (eines Nachfommen des Uoto). — Wer mehr über unfere zürcherifchen Ortsnamen erfahren will, findet fie alle geordnet und gedeutet in der von der hiefigen alterthumsforfchenden Gefellfchaft herausgegebenen Schrift Zür. 1849. u 5. die Anfichten ſachkundiger Männer noch zu weit aus einander, als daß in diefem Blatte eine nähere Grörterung gewagt werden dürfte. Diefes Thal fcheint Damals ein weites umebenes durch allerlei von denen der Jeßtzeit verfchiedene Thiere bemohntes und mit einer andern Wege: tation befleidetes Hochland, Plateau, gemwefen zu fein, das die von den Alpen herabftür: zenden Fluthen durchwühlten, um längs dem Fuße des Jura weitere Bahnen zu fuchen. Als verjchonte Trümmer des frühern Bodens diefes Hochlandes find feine jegigen Bergfetten ftehen geblieben, feine Thäler die Betten gewefen, in welchen fich einit ungejtört die Waſſer berabwälzten. Deßhalb eben find unfere Thalgründe (z. B. das Eihlfeld, das Glattthal, das Bülacher Hard) und hoch hinauf unfere Berghalden mit dem Gerölle (Schutt, Grien) bedet, das in ungeheuren Maffen diefe wilden Fluthen mit ſich führten und an verjchiede: nen Stellen ihrer Bahn ablagerten. Wo immer mir fteile Durchſchnitte diefer Halden und Thalgründe betrachten, jehen wir Lager von Kies, Sand, Lehm in wagrechten Linien mit einander wechjeln, ganz auf dieſelbe Weife, wie fie ſich aus unfern jegigen Flüffen abfegen. Die Ablagerung diefer auf die feiten Molaffegefteine aufgefchütteten lockern Schuttmaffen, die al$ eigene Bildung (Dilupium) unterfehieden werden, fällt zwar in eine viel fpätere Beit als die Ablagerung diefer Sanpdfteine felbft; dennoch geht fie der Erſchaffung des Men: fchengeichlehtes lang voraus. Nimmer aber ruht die Natur; auch jegt noch ift die Oberfläche der Erde — wie ihr Inneres — beftändigem Wechfel, unaufhörlichen Zuckungen unterworfen. Berftörung und Vermitterung und durch jie neue Schöpfung fihreitet, freilich weniger gewaltjam, aber un: aufgehalten im Stillen fort, bis der feite Fels zu Sand und Staub, zu Schlamm und Erde (Humus) geworden. Solche Bildungen, die der jegigen (gejhichtlihen) Zeit angehören, hat man als Alluvium unterfchieden; eine ſcharfe Trennung von den vorhin genannten ift indeffen nicht gedenfbar. Bu Diefen wenig beachteten Bildungen der Jegtzeit (des Alluviums) gehört nun der Torf. Er entjteht durch lang fortdauernde Erzeugung und unvollfommene Zerfegung in und unter dem Waffer oder in feuchtem Waldboden der verfchiedenften Sumpf = und Waſſer— pflanzen von dem niedrigen Moosteppich an bis zu den Sträuhern und Bäumen des Wal- des. In feiner Hauptmaffe erfheint er vorherrichend aus Pflanzenreften gebildet, denen ſich mineralifche Theile zugefellen und zeigt alle möglichen Stufen der BZerfegung von dem faſri— gen Pflanzengemwebe bis zur dichten feiten Maffe des Pechtorfes. Wo die günftigen Bedingungen vorhanden, ijt der Torf immer im Wachen begriffen; er erzeugt fi daher in den Gruben wieder, in denen einft Torf ausgeftochen worden. Nur ift in verfchiedenen Gegenden die Zeit fehr ungleich, die er zu feiner Wiedererzeugung bedarf; RE namentlich) übt die Bejchaffenheit des Untergrundes einen wefentlichen Einfluß aus. Durch Beobahtung und verftändige Nahahınung der Natur, indem man Wahsthiun und fehnelle Entwickelung torfbildender Pflanzen begünftigt, kann man dem Nachwachſen des Zorfes auf künſtliche Weife zu Hülfe kommen. Kon drei Punkten geht die Wiedererzeugung einer neuen Torfſchicht aus, von der Ober— fläche des Waffers, vom Boden und zumal von den Seiten der Grube; daher e3 vortheil- haft, wenn man diefelbe nicht zu groß anlegt, ihr eine beträchtliche Länge, aber eine ge: ringe Breite gibt, Damit von den Seiten her Die Pflanzen einander leichter erreichen können. Zuerſt bildet fih eine Schicht aus Wafferlinfen, ganz auf der oberften Fläche des Waſ— fers fhwimmend, und aus Wafferfäden (Conferven), ferner aus Shlaudfräutern, Die fi) mehr in der Ziefe entwickeln, aber mit ihren Blüthen die Luft und das Licht des Tages ſuchen; durch das Fortwachjen diefer Pflänzchen wird die Schicht immer Dichter, wäh— rend die vom Grunde aufftrebenden Armleuchter und andere Gewächſe — und fo lange noch unbedeckte Stellen vorhanden, auch die weiße und gelbe Seerofe — jene obern, fie gleichſam ftügend auf der Oberfläche erhalten, von den Seiten her der Biberflee und das braunblumige Fingerkraut ihre langen wagrechten Zweige in das Waſſer hinaus trei— ben und durch diefe die fehwebende Dede gegen das BZerreißen Durch Winde hügen; mit ihnen verfchlingen fich die weiten Ausläufer des Schilfe3, wie des Shlamm-Schadt- halmes und vom Nande der Grube her die gewaltigen fafrigen Wurzeljtöde mehrerer Seggenarten, der Kohrfolbe, der gelben Iris. Allmälig finden fi die Samen der Moofe ein und die Fleinern Seggen, denen bald die ftärfern Arten folgen und die, welche durch ihre umher Friechenden Wurzeln den jungen Rafen zufammenfledhten, die ftumpfblüthige Simfe, die Wollgröfer, der Sumpf-Shahthalm und das Sumpf-Labfraut. Wie aber die Oberfläche des Waſſers fich mit einer feften Schicht überzogen hat, ver: fhwinden nicht nur die Conferven und Wafjerlinfen, fondern auch die aus dem Zorfgrunde aufjteigenden Pflanzen. Reichlich und freudig treiben nun die Moofe hervor, breiten eilig ihr frifches Grün nad allen Seiten aus und ſchließen fi dicht in einander gedrängt zu einem feften Rafen, in welchem gleichzeitig die Gräfer und Kräuter ihre Wurzeln verbergen. Mooje find überhaupt eine der wichtigften Bedingungen zur Lorfbildung; nach der Menge machen fie den Hauptbeftandtheil des gewöhnlichen Torfes aus; fie find die Urfache des fehnellen oder des langfamen Wahsthums desfelben. Zwei Gattungen find es, Die vor allen Dazu beitragen, das eigentlich genannte Torfmoos, das in furzer Zeit eine Torfſchicht, aber eine leichte und fehwammige bildet, und das Aſtmoos, das langfamer, aber zu einem fei— nern und ſchwerern Zorf fih verfilzt. Dagegen fhmüdt den aus dem Torfmoos gewobenen Zeppich eine eigenthümliche Liebliche Flora; nur "auf ihm entfaltet der fehimmernde Son— * u re nenthau feine röthlihen Blattrofetten; die niedlihe Moosbeere, die Andromeda zieren in friedlihem Wechfel mit niedrigen Weiden feine weichen grünen Polfter. (Großblättrige Pflanzen wie die Seerofen haben feinen wefentlihen Antheil an der Zorfbildung; fie hindern vielmehr diefelbe, indem die auf dem Waſſer ausgebreiteten Blät- ter die ſchwimmende Schicht unterbrechen und die tiefer ftehenden Pflänzchen erftiden. Der große Hahnenfuß (Ranunculus Lingua) und Sumpf=-Baldgreis (Senecio paludosus L.) wachen auf thonigem Schlamm, die fladhgedrüdte Binfe (Blysmus compressus Panz.) auf feuchtem Thonboden, die Dotterblume (Caltha palustris) deutet fhon auf Mangel an Torf: fäure, Knopfgras (Schoenus nigricans und ferrugineus) wurzelt vollends auf Zufiteinen an Stellen, auf denen fi Fein Torf bilden kann.) Die Einfchlüffe im Torf oder in den ihn durchfegenden Erdfhichten ftammen alle von Arten jest lebender Pflanzen und Thiere her; die Torfſäure hat die Eigenfhaft — die auch Weingeift, Holzkohle befigen, — pflanzliche und thierifche Theile vor Fäulniß zu wahren. Dft find ſolche Einfhlüffe Erzeugniß menfhlihen Kunftfleißes: Geräthichaften, Werkzeuge, landwirtbfihaftliche Gegenftände. Im Gfenn bei Dübendorf hat man eine alte Straße her- vor gegraben, die ganz mit Torf bewachſen war. Der thätige und gemeinnügige Dr. Jak. Scheuchzer*) hat im 3. 1706 feine Beitgenoffen zuerft auf die Wichtigkeit des Torfes — fo wie auch der Braunfohlen — als Brennmaterial aufmerkfam gemacht. Won diefer Zeit an verbreitete ji die Anwendung desjelben immer mehr, wenn ſchon das Bedürfniß nad einem wohlfeilern Brennftoff noch nicht fo allgemein wie heutzutage gefühlt ward. Die Torfmoore find bei uns übrigens alle Eigentbum von Gemeinden und Privaten; der Staat übt feinerlei Aufficht über fie aus, und fann auch Feine Mufterwirthichaft auf: jtellen. Vermeſſungen find daher no niemals aufgenommen worden; nur im Allgemeinen kann man den Flächeninhalt auf 4500 Juchart anjchlagen. **) Die größte zufammenhängende Torfſtrecke in unferm Kanton dehnt fih zwiſchen den Ger meinden Wangen, Brüttifellen und Dietlifon aus, ungefähr 900 Juchart, bei einer mittleren Mächtigkeit von 3/—4 Fuß. Die jährliche Gewinnung fol auf 6000 Klaft. ſtei— gen, deren Geldwerth das Klafter nur zu 2 Gld. 20 Sch. berechnet, ein Kapital von 15000 Gld. darftellt. Das Torfmoor von Bonftetten umfaßt etwa 72 Juchart vertheiltes und beinahe eben *) Vgl. vesfelben Naturg. Zür. 1706 (Ar u. 2r Band) und von f. Alpenreifen die Te u. Se (bei G. Sulzer 2r Bd.) **) Sinen Beweis von der MWichtigfeit der Torfmoore liefert die Verordnung mander Staaten (Preußen, Bayern, Baden), Fraft weldyer diefelben als Staatseigenthum von den Forftbeamten beforgt werden. — 6— ſo viel Privattorfland; die Mächtigkeit erreicht an mehreren Orten 18 Fuß, die mittlere iſt 8—9 Fuß; die Jahresgewinnung fol im Durchſchnitt 2000 Kift. ertragen. In die Torfmoore des Kagenfees, 125 Juchart, theilen ſich die Gemeinden Affoltern und Watt. Die Mächtigkeit mwechfelt von 2—18 Fuß; bei durchfchnittliher Annahme von 5 Fuß enthält das Zorfland 12,500,000 Kubiffuß; an Iufttrodenem Torf oder an Gewicht (im Mittel 1 Kubiffuß 22 Pfund berechnet) 2,750,000 Gentner. Die niedrige Lage des welt: lihen Seeufers geftattet dem Waffer beinahe Feinen Abzug, weßhalb der Torf in tiefem Waffer ruht und auf ſehr unhaushälterifhe, dabei unpaffende Weife aus demſelben ge— ftohen wird. Denn wenn irgendwo Die Bedingungen zu Wiedererzeugung des Torfes fich vereinigen, fo ift es hier der Fall. Die jährliche Torfgewinnung in unferm Kanton fommt etwa 25,000 Klafter Holz gleich. Die mittlere Mächtigkeit obiger 4500 Juchart Torfmoore nur zu 3 Fuß angenommen, betrüge die Gefammtmaffe an getrodnetem Torf — die Hälfte als Schwindmaß in Abzug gebracht — 2370 Mill. Kubiffuß, Die gefammte Torfmaffe, den Kubiffuß zu 26 Pfd. berechnet, 70,200,000 &tr. 2000 Pfd. machen im Durhfchnitt 1 Klftr. Holz (zu 1800 Pfd.), fomit obige 70 Mil. Etr. Torf nur ungefähr, da eine genaue Angabe unmöglich ift, 3,510,000 Klftr. Tannenholz. Der Torf gibt endlich eine gute Kohle und, entſäuert, ein vortreffliches noch wenig ge— kanntes Düngmittel; als ſolches dient auch die Torfaſche. Aus einer ältern Bildung ſchon (dem Diluvium) ſtammt die Schieferkohle. Sie iſt gleich dem Torf durch naſſe Vermoderung verändertes Holz, die bei der Schieferkohle nur weiter vorgeſchritten iſt, daher auch dieſe mehr Kohlenſtoff enthält. In unſerm Kanton gehört einzig das Lager bei Dürnten hieher, das ſeit 30 Jahren abgebaut wird, jährlich aber nur 3—4000 Ctr. liefert, die den armen Bürgern der Gemeinde gegen eine ganz geringe Abgabe überlaffen werden. Die gute Kohle ift 2-5 Fuß mächtig, liegt fait wagrecht unter einer 5—25 Fuß dicken Maffe von Letten und Gerölle, die zuerft abgedet werden muß, damit die Kohle zu Tage fonımt. Es findet daher Fein unterirdi- {her Abbau Statt. Aehnliche Schieferfohlenlager finden fih am obern und am untern Buchberg (bei Benfen und bei Wangen), die gleich Infeln aus der weiten Fläche des Linththales aufragen, dann bei Uznach, bei Efchenbad und wieder bei Mörfchwil (nahe bei Rorſchach). Am bedeutendften ift das Lager, das von Uznad bis in die Gegend von Kaltbrunn, 150— 200 Fuß über der Thalfohle, ungefähr eine halbe Stunde längs dem Hummelwald fortzieht; es ruht faſt wagrecht, nur fanft gegen das Thal geneigt, auf fenfrecht geitellten a Sandjteinfhichten, wie untenjtehendes Profil zeigt; denjelben Sandjteinen, welche in ihrer Fortfegung — zwiſchen Uznach und Bolligen, am untern Buchberg gegenüber Schmerifon —, in mebreren Brüchen ausgebeutet und ald Baumaterial (zu Quadern, Thür= und Feniter- pfoften) bei uns ſehr gejucht find, da wir um Zürich und an den Seeufern Feine quten Baufteine befigen. (Große Matten beziehen wir aus Bäch bei Richterſchwil.) Diefes Kohlenflöz nun trägt ganz das Gepräge eines durch Gerölle, Kies und Sand verfchütteten mächtigen Torflagers, deffen erweichte Stämme durch die aufliegende Laſt platt gedrückt wurden. *) An andern Stellen ift die Kohle von folden erdigen Theilen (mecha— nifch) ganz durchdrungen und gibt daher beim Verbrennen gar viel Aſche, was ihren Werth als Brennmaterial fehr vermindert. Den größten Theil des in der Schieferfohle vorfommenden Holzes bilden Roth und Weißtannen, ferner Kiefern (Förren), Birfen, deren weißliche Rinde ſich meift ganz friſch erhalten hat, und viele andere Holzarten, die ſich aber nicht immer mit Sicherheit erfennen laſſen. Man findet ferner in ihr Zapfen und Blattwedel (Nadeln) von Rothtannen und Kiefern, Blätter von Schilfarten, Iinfenartige Samen, Moofe, Flechten (lichen) auf ver- Eohlter Rinde figend und gut erhalten; oftmals jmaragdgrüne oder blaue Flügeldeden klei— ner Käfer (Chrysomela). Huf den Klüften der Kieferftamme erfcheint nicht felten ein harzähnlicher Stoff, welder wie Bernftein oder Ketinit ausfieht, und gypsähnliche weiße oder graue Blättchen und Kör- ner, die man Scheererit genannt hat. Die lehmigen Schichten, die im Begleite der Schieferfohle vorfommen, enthalten viele Schalen von Süßwaſſerconchylien. Diefes Kohlenflöz ift an einigen Stellen 7—9 Fuß mädtig; gegen Kaltbrunn theilt es fi in zwei Arme, von denen jeder 3—4 Fuß gute Kohle enthält; jie find durch eine 2030 Fuß mädtige Thon» und Sandmafje (Tanggis und Schliefand) von einander getrennt. Der *) Ein Beifpiel von Erweichung dicker Holzftämme hat die Ablaffung des Lungernfees (1836) dar: geboten, wo ein bei 6 Zoll mächtiges Lager Holz im Kiesdelta des Baches lag, der beim Dorfe ausfließt. — — — Flächeninhalt des Bodens, in welchem das Flöz verbreitet iſt, beträgt ungefähr 200 Ju— chart. Die mittlere Mächtigkeit der brauchbaren Kohle zu 5 Fuß berechnet, gibt 40 Mill. Kubikfuß oder 24,800,000 Centner, die in runder Summe 1 Mill. Klafter Holz darſtellen. Die Jahresförderung nur auf 260,000 Ctr. geſchätzt, die hauptfächlih in die Seegegenden, nad Zürich und in den K. Glarus verfandt werden, det einen VBerbraud von 10,000 Kift. Holz (zu 108 Kubiffuß.) Gut getrodnet gewährt die Schieferfohle großen Vortheil als Brennſtoff; wo fie aber noch feucht verwendet wird, geben 38%, Brennkraft verloren, Die nur aufgezehrt wird, um die in der Kohle enthaltene Feuchtigkeit zu verdampfen. Zur Verfohlung taugt fie nicht. Eine Schiffsladung (Ledi) rechnet man 250 Etr. Wer eine folche beftellt, erhält an Waſſer 77 Gentner Aſche as, Koblenftof 75 Waſſerſtoff 12 Sauerftof 54 alfo an wirklich brennbaren Stoffen 87 Etr. Im K. St. Gallen (wie im K. Zug) gehören dem Grundbefiger alle die nugbaren Mi— neralien, die in feinem Eigenthum gefunden werden, eine Beftimmung, welche die Wusbeu- tung derfelben der willfürlichften Bergeudung preis gibt. Seit den 1760er Jahren wird da— ber das Uznacherflöz von verfchiedenen Eigenthümern oder Pächtern abgebaut. Jetzt find achtzehn Gruben im Betrieb, und die Befiger durchhauen nad Gutfinden den Boden in allen Richtungen, weßhalb Streit unter denjelben nicht zu den Seltenheiten gehört. In der Zerfegung noch weiter vorgefohritten find die der Molafjebildung untergeordneten Braunfohlen*), die jtetS in nur wenig mächtigen Schichten vorfommen. Zahlreiche Lager find auch in den weftlichen Kantonen verbreitet und werden immer noch an einigen Orten abgebaut. In der öftlihen Schweiz treffen wir folhe bei Wyl im K. St. Gallen und bei ung im obern Tößthal; zu Birmenftal bei Elgg, wo die Kohle feit 1732 bis vor einigen Jahren ausgebeutet wurde, da das Lager zwifchen den faft wagrechten Nagelflue: fhichten fich ausfeilte; im Riethof, unfern Müllibach bei Aeugſt, wo in den 1790er Jah— ven ein ſchwaches Lager auf gar finnreihe Weife abgebaut, aber bald wieder aufgegeben *) Ihrem mineralogifchen (ovyftognoftifchen) Charakter nach eine wahre, obgleich meiftens geringe Steinfohle; ihrer Entftehung nach (geofogifh) ein Glied der Braunfohlenformation. =. MW = wurde *); in Käpfnach bei Horgen, das einzige, das noch im Betrieb ift. Alle diefe in der wagrechten Molaffe. Am Gebiete der fteilfallenden Molaffe näher den Alpen findet fi das Braunfohlenflöz bei Greit am Hohenrohnen, K. Zug, wo die Schichten 4-6 Zoll bis 1 Fuß Mächtigkeit haben; an der Rüfi unterhalb Schännis zwifchen fait fenfrecht ftehenden Nagelfluefhichten; am Hirzli bei Bilten. Das Kohlenlager in Käpfnach ift Eigenthum des Staates, zufolge dem in unferm Kanton geltenden Gefege, daß alle ſolche nugbaren Mineralien des Bodens ihm und nicht den Eigenthümern desfelben gehören follen, da der Staat allein die Mittel befigt, einen auf Kenntniß des Bergbaues gegründeten nit nur durch gegemmötkigen Vortheil geleiteten Ber trieb durchzuführen. Das Flöz liegt zwifchen fait wagrechten Sandfteinen in dünnen Schichten, die mit Mer: geln und Kalfen abwechjeln, das erfte Profil mit 2- 3°, das zweite mit 3° Neigung. Sa noitein. 3° Mergelichiefer. 2“ fchieferige Koble. 6” gute Kohle. 9 jchieferige Kohle. RR RE ee et BR; — — 2 Schiefer. 6 gute Kohle. 3° Mergelichierer. — —Sawpwſtein. Sandſtein. — — — —— 3° Mergelſchiefer. gute Koble. ‘+ Kalk mit Mujcheln. “ gute Kohle. — ſchieferige Koble. ‘ gute Kohle. 2UY2' Mergelſchiefer. = — T 3» Sanpftein. Es ift durch Drei Stollen aufgefehloffen, d. 5. durch drei mit wenig Anfteigen auf das Flöz getriebene 5 Fuß hohe und 3 Fuß breite Gänge. Bon diefen weg find recht3 und links andere Gänge, Streden, rechtwinkelig getrieben, von melden aus der — — — — *) Vgl. Verhandlungen der hieſigen techniſchen Gef. 1845/46. en Aa Arbeiter, der Länge nach ausgejiceft auf der Seite liegen und, in die etwa 1Y, Fuß hohe Kluft hinein rutfhen muß, beim matten Schimmer feines Oellämpchens mühſam genug Die Kohle heraus ſchlägt (ſchrämmt) und das taube (unnütze) Geftein wegſchafft. Diefe durch fein Fortarbeiten ftets tiefer einwärt3 gehende Spalte wird immerfort mit jenem Mergelgeftein ausgefüllt, damit die Dede nicht einftürze. Die Form des von diefen Strecken umfhlofjenen, wie die obigen Profile angeben, ungefähr 1'/ Fuß bohen Pfeilers wird Streb genannt und die Arbeit felbft Strebarbeit- In den Braunkohlen (wie in den Sanpditeinen) find viele Verfteinerungen von Land: und Süßwaſſerthieren enthalten, am häufigſten find es Zähne, Ober: und Unterkiefer, meiftens in Bruchftüden und ganz verfohlt. Obgleich diefe Thiere und die mit ihnen vorfommenden Gewächſe ſchon viele taufend Jahre in den Schichten der Erde ruhen, ift man durch uner- müdliche Forfchung dennoch dahin gelangt, daß nicht nur die Familien und Gattungen (Genera), zu denen fie in der nafurgefehichtlihen Anordnung gehören, fondern aud die Arten (Spezies) mit Beftimmtheit angegeben werden Fönnen. Manche find zwar wegen ſchlechter oder unvollſtändiger Erhaltung nicht mehr erkennbar *). Unter den Thieren find gefunden worden eine Aıt Raubthier, mehrere Nagethiere, *) Eine beträchtliche Zahl folcher DVerfteinerungen findet fich auf unferer “öffentlichen Sammlung im Hochfchulgebände theils im eigens dazu angewiefenen Betrefaktenfaal (auf dem erften Stock), theils, zumal Mirbeltbiere, in demfelben Saale, in weldyem (auf dem dritten Stock) die Reptilien, Fifche bewahrt wer: ven. Einige Verfteinerungen find auf Taf. 2 und auf Taf. 1 zwei Thiere nach ihrem Körperbau abge: bildet, um von den damaligen ähnlichen Thierformen unfers Landes eine Vorftellung zu gewähren: — Die Petrefaften der Molaffe-Wirbelthiere find übrigens aufgezählt worden von Herm. v. Meyer in Bronn und Leonh. Jahrbuch 1839, desfelben Abhandlung in den Verhandlungen der fchmweiz- naturf. Gefellfchaft 1838, S. 60 ff., und von A. Eſcher v. d. Linth im Gemälde des Kantons Zürich 1844. —N— NE: drei Gattungen Wiederfauer, unter denen in der jegigen Schöpfung nur noch die Gattung Hirſch erhalten ift. Am reichlichſten Dickhäuter mit fieben Gattungen, von denen nur die Gattung Nashorn (Rhinoceros) jest noch, aber immer im verschiedenen Arten fortlebt. Eine Art Maftodon (aus einer dem Elephanten ähnlihen Gattung) ift im Neujahrsblatt 1825 abgebildet worden. Seltener find die Ueberrefte von Reptilien; man kennt ein Frofodilähnliches und Schildkröten, die jegt lebenden Arten nahe Fommen. Von den fehr feltenen Bögeln hat man eine Art aus der Familie der Hühner erfannt. Bon Gewächſen findet man Palmenftämme in grobfaferigen Bruchſtücken, Blätter, Zweige verschiedener Pflanzen. Merfwürdig ift, daß die Koblengruben von Käpfnach und Elgg, obgleich einander fo nahe, ganz verfchiedene Thierarten, aber immer nur ausgeftorbene,, aufweifen. Die die Kohle begleitenden Mergel enthalten zahlreich dünne und zerbrüchliche Schalen von Süßwaſſer- und Landeonchylien (Helix, Planorbis, Limnaeus, Paludina, Melania, Unio, Anodonta ete.); auch Krebsjcheeren find in ähnlichen Mergeln bei Schwamendingen gefunden worden. Die äußerſt günftige Lage des Flözes am Seeufer, welche nur geringe Transportfoiten erheiſcht, unterftügt durd die Sorgfalt, mit welcher beim Abbau desſelben verfahren wird und durch den Umftand, daß die Dberaufjicht immer unentgeltlich geleitet wird, machen es möglich, ein jo fchwaches Flöz abzubauen und dabei noch einen jährlihen Reingewinn für den Staat von 1000—1200° Frkn. herausznbringen. Die durchfchnittliche jährliche Förderung an Kohle von 1836 bis und mit 1843 betrug 19453 „Mäß“ (annähernd 1 Etr.), der Verfauf 19373 Mäß; die Ledi (350 Etr.) gilt 100 Gulden im Mittel, das Mäß beim Handverfauf 16 Schilling. Die Löhnung der Arbeiter (durchſchnittlich 7—7 Mann) 448% Gulden, im Jahr 1819 für 12 Mann 2368 Gulden. Uebrigens ift die Kohle mittelmäßiger Art, von Schwefeleifen (Eifenfies), zuweilen von Gyps durchzogen, deßhalb für Eifenarbeiter — da Schwefel das Eifen verſchlechtert - un: braucdbar. Denken wir nun über den Zuftand der Gefteine nah, aus welchen das von Alpen umd Jura eingeſchloſſene Thal aufgebaut ift, über die Verfteinerungen, die in feinem Boden auf- gefunden worden — fprechende Zeugen der frühern Gefhichte des Erdballs für den, der diefe Sprade zu verftehen ſucht —, betrachten wir die Geftalt und Richtung feiner Berge und Thäler und die Abdachung feiner Oberflähe: jo wird fih uns fogleich die VWermutbung auf: drängen, daß damals, als die Gewächle der Braunfohlenlager die Dede des Bodens bildeten a — und auf ihm jene eben genannten Thiere umherſchritten — und beträchtlich mag, die Zahl derer fein, die für uns immer begraben bleiben werden —, daß damals unfer Land ein ganz verfchiedenes Kleid getragen, ein ganz anderes Klima geherrſcht haben müſſe. Als diefe Ge- fteine der Molaffe fih ablagerten, feheint die mittlere Schweiz zum Theil trodenes Land, zum Theil bedeet gewefen zu fein mit großen Seen und Mooren und durcfloffen von mächtiger Strömen, da alle Verfteinerungen von Gefhöpfen herſtammen, die auf ſolche Aufenthalts- orte hinweifen *). Das Klima war das warmer oder heißer, fubtropijcher oder tropijcher Länder, da die den verfteinerten entiprechenden Mlanzen und Thiere in folhen Gegenden leben und auch ohnedieß manche andere Verhältniffe auf größere Wärme hindeuten. In eine einläßliche Begründung derfelben können wir hier nicht eingehen, da verfchiedene Anfichten walten; daß aber eine höhere Temperatur und ein milderes Klima in unferer Gegend einft geherrfcht haben, ift Durch viele Zeugniffe außer Zweifel gefeßt. Nach Ablagerung der Molaſſe und ihrer Kohlenflöze ift dann die Zeit der Wafferfluthen eingetreten, die dem frühern Hochland fein jegiges Gepräge aufgedrücdt und einen neuen Zu— ftand (Diluvium) herbeigeführt haben. Damals find jene Schieferfohlen überfluthet und ge- deckt und jene großen Landthiere und Gewächfe in den Gerölllagern begraben worden, in denen fie jet noch ruhen. Als der Boden feine nunmehrige Hauptform erhalten, fheinen jene ungefhichteten Maffen von Kies, Lehm und davon theils umbüllter, theils frei auf ihnen liegender Blöcke abgefegt worden zu fein; diefe find aus den Alpenthälern herab über die ganze flahe Schweiz verbreitet bis an den Sura hin, der ihrem ferneren Vorfchreiten einen gewaltigen Damm entgegen jegte, aber ihr Eindringen in die vorderften Thäler durch die Klufen (Engpäffe), die fich gegen die mittlere Schweiz aufthun, nicht zu hindern vermochte (erratifche Bildung) **). Seither haben feine fo gewaltigen und weit verbreiteten Ereigniffe den Boden mehr *) Im Sandſtein der mittlern Schweiz find Verfteinerungen freilich auch von Meerthieren enthalten, welche es außer Zweifel fegen, daß eine Zeit lang Meere den Boren bedeckt haben müſſen; denn wo Diefe Schichten vorfommen, fehieben fie fich zwifchen die Süßwafferfandfteine hinein und trennen legte deutlich in eine untere und eine obere (jüngere) Hälfte. Man kann diefe Meeresmolafje aus der weftlichen Schweiz her, wo fie in der Gegend von Bern oft über 100 Fuß mächtig und mit Konchylien dicht angefüllt iſt, in zwei breiten Streifen bis an den Bodenſee verfolgen: der eine näher den Alpen in der ſenkrecht auf— gerichteten Molaſſe, der andere in größerer Entfernung von ihnen in der faſt wagrecht liegenden. Den Kanton Zürich erreicht dieſer nördliche Streifen bei Würenlos und zieht von da durch den Irchel nach dem Kohlfirſt. Einige Petrefakten — Haifiſchzähne, Kammmuſcheln Pecten, Herzmuſcheln Cardium — find im Neujahrsblatt 1837 abgebildet worden. **) Es decken diefe Gefteine die Halden und Rüden der Hügelreihen, die den Zürichfee beiderfeits einfaffen, fegen (unter andern „im Kefjel”) quer durch das Thal der Limmat und find bei manchen neuen Bauten (Neumünfterfirche, Kirchhof ob dem Zeltweg, Großmünfterplag) zahlreich bloß gelegt worden. bt. . Ah durchwühlt und aufgeriffen; die Gewäffer, Ueberreite der Kiefenfluthen der Vorzeit, find all- mälig auf ihre jegige Höhe gefunfen und fließen, wo fie nicht auf feftem Fels davon rollen, zwifchen den alten Stromebenen und hohen Ufern, oder in niedern Geröllflähen hin, die fie in tiefern Linien durchfurchen. Reichliche Vegetation Eleidet diefe alten Schuttflächen oder überzieht den verwitternden Fels, und eine Welt von Thieren bewegt fich fröhlich auf der Erde und in den Lüften. Der Menfh bat Beſitz genommen vom Boden und ihn geordnet nad feinem Gutdünfen ; er hat feine Städte und Dörfer hingebaut, wo einft Fluthen fi wälzten, die Wälder ausgereutet oder gelichtet und die Dede der Schutthalden und Thalgründe in Hecker und Wiefen verwandelt; forgenlos fchreitet er über den Gräbern umber, in welchen feit Sabrtaufenden Gefchöpfe ohne Zahl ruhen; wenig achtet er auf das ftille Treiben der Kräfte, die fortwährend an Bergen und Thälern nagen und in den Waſſern fließen; nur Un- gewohntes weckt ihn aus jeinem Schlummer und dann erft erfennt er beſchämt die göttliche Regierung in der Natur, oder jtürzt ſich übermüthig in bange Verzweiflung. Hiemit fließen wir Die Bemerfungen über die in unferm Kanton vorfommenden Torf, Schiefer- und Braunfohlenlager*) und wünfhen nur, daß diefelben dazu beitragen ) Es find in Beziehung auf die Art und Weife des Vorfommens foldher Kohlenlager irrige Begriffe verbreitet, die hier fchließlich zu berühren geftattet fein möge. So ift man der Meinung, daß Kohlenflöze gegen die Tiefe an Mächtigfeit zunehmen und beſſer werden (fich veredeln). Aber Kohlen find ftets zwifchen folchen Gefteinfchichten eingefchloffen, die aus Wafjer abgefegt wurden, daher (in derjelden Schicht) unge: fähr diefelbe Mächtigfeit erhalten mußten. Ferner hört man nicht felten die Bemerfung, daß bei tieferem Graben unzweifelhaft beträchtlichere Kohlenflöze fich zeigen würden. In Eglisau, dem niedrigiten Punkte unfers Kantons, wo man in arger Täufhung (1821) Salz zu erbohren hoffte, ward an einer Stelle 720 Fuß, an einer andern 803 Fuß tief gegraben (wovon 750 Fuß immer in den Sandfteinen blieben), und doch wurden kaum nennenswerthe Spuren von Kohlen gefunden, die ohnehin in der Molaffe immer nur fpärlih find. Jene unermeßlichen Steinfohlenlager Englands find in Bildungen enthalten, die dort an die Oberfläche der Erde gelangt, aber bei uns in unerreichbaren Tiefen verfteckt find. Zur Veranfchaulichung zählen wir die Gefteinbildungen der Erdrinde nad) ihrer Aufeinanderfolge auf und heben diejenigen heraus, in denen Kohlenlager enthalten find. Alluvium. Blöcke und Diluvium mit Schieferkohle. Molaffe mit Braunkohle. — Alle dieſe find tertiäre Geſteine. Folgende fefundäre : Kreide (Kohlen unbedeutend). Die JZurabildungen in drei großen Abtheilungen ; wie die Kreide im Juragebirge und in den ee möchten, die Aufmerffamfeit auf einen Gegenftand zu Ienfen, der ungeachtet feiner bedeutenden Wichtigkeit für unfere Induftrie dennoch wenig beachtet und noch weniger in feinen phyfifa= liſchen Verhältniffen gewürdigt wird. Alpen jehr verbreitet. Im diefen Formationen finden fich die Steinfohlenlager von Boltinen im Simmen: thal, welche zur Gasbeleuchtung in Bern ausgebeutet werden. Keuper (Kohlen im fchweizerifchen Jura wenig mächtig). Mufchelfalf. Bunter Sandftein. Zechitein mit Kupferfehiefer. Todtliegendes (Nothes Todtes). Kohlenfandftein, die Formation, welche In Franfreih, Belgien, Schlefien, England unermeß— lichen Neichthum von Achten Steinfohlen birgt. Kalf oder Kohlenfalf. Rother Sanditein. Mehr über den in diefem DBlatte behandelten Gegenftand enthalten außer allgemeinen oder ſchon ge: nannten Werfen B. Studer Molafje, Bern, 1825; Verhandlungen der fchweizerifchen naturforfchenden Geſellſchaft; Mittheilungen der zürcherifchen naturforfchenden Gefelffchaft, 1847, Maiheft. Ueber einige Petrefaften der Molaffe: H. RN, Schinz in den, Denffchriften der ſchweiz. naturforfch. Geſellſchaft, Zürich, 1833. Ueber Verbreitung ver KRohlenlager in der öftlichen Schweiz: Vericht der pyrotech— nischen Gefellfchaft, Zürich, 1840, Ueber Torf: Joh. Wäderling, Arzt in Negensdorf, Zürich, 1839 (Abhandlung, vorgelefen vor der gemeinnüßigen Gefellfchaft). Beilagen I: Pflanzen der Torfmoore am Kaätzenſee. Mitgetheilt von Heren Bremi-Wolf. Bei den S. 4 genannten find die deutſchen Benennungen in Hafen geſchloſſen; gewöhnlich it nur der Gattungsname gewählt. A. Wailerpflanzen, ' Utrieularia vulgaris. a. an der Oberfläche fchwimmende : | 4. Intermedia Heyer. | — Lemna minor L. (Wajferlinfe.) — —— Ceratophyllum submersum L. (Hornblatt.) len; | Eonferven (Wafferfäden, Waflferalgen) : Spirogyra quinina Ag, b. eingetauchte : Jen— Utrieularia minor (Schlauchkraut.) „.. longata Vauch. Spirogyra orthospira Näg. „ nilida Ag. „ condensala Vauch. Mougeolia tenuis Külz. „ genullexa Ag. Zygnema bipunctatum Suhr. „ peeclinatum Vauch. Anacyslis globularis Näg- Moofe: Sphagnum cuspidalum Ehrh. (Zorfmoos.) „ Subsecundum Nees. Hypnum scorpioides Dill. (Aſtmoos.) „ . siramineum Diks. „ fluitans Hed. „ nilens Schreb. „ ceuspidalum L. Meesia longisela Hed. c. vom Grund des Waſſers auffteigende : Chara vulgaris (Armleuchter.) „ var. gymnophylla Braun. striela Braun. " " 7 „ feelida Braun. „ fragilis Dev. „ var. capillacea Thuil. * „ humilis Braun. „ pulchella Wall. „ var. dislans Braun. „ hispida. Callitriche verna, Wafjerftern. „ pPlatycarpa Kütz. „ sStagnalis Scop. Myriophyllum verticillatum. Zaufendblatt. Sparganium ramosum Hud. Sgelfolbe. „ simplex Hud. „ nalans. Potamogeton nalans. Zaichfraut. „ pusillus. „ Peelinatus. Alisma plantago- Frojchlöffel. Nymphæa alba (weiße Seerofe.) Nuphar luteum Sm. {gelbe Seeroie.) B. Sumpfpjlanzen, die bei weniyer tiefem Wafler von den Seiten: her in die Torfgruben hinein wachfen : Equiselum limosum (Schlamm-Schafthalm.) Typha latifolia (Rohrkolbe.) Phragmiltes communis (Schilf-Rohr.) Garex stricta Good. (Teich-⸗Segge.) „paludosa Gaud. (Sumpf-Segge.) „ Pseudo-cyperus. „ ampullacea Good. „ vesicaria. „ filiformis. Seirpus palustris, Binfe. Cladium mariscus. Eriophorum vaginatum (Wollgras.) Juncus obtusiflorus (ftumpfblumige Simfe.) Iris pseud-acorus (gelbe Iris, Schwertlilie.) Mentha aquatica. Minze, Münze. Stachys palustris. Bieit. Veronica anagallis. Ehrenpreis, Kagenäugli. „ seulellata. Menyanthes trifoliata. (Bitter£lee, Biberklee.) Galium palustre (Sumpf-Zabfraut.) „ uliginosum. var. nana. Cieuta virosa. Wafjerfchierling. Oenanthe aquatica. Rebendolde. Epilobium palustre. Weidenröschen. Comarum palustre (braunblum.Fingerfraut.) die über dem zugedeckten Wafler wachfen auf dem no) nicht tragenden meift mit Moofen ausges füllten Rafen: Carex limosa (Segge), Feine Arten. „ flava. „ dioica. Eriophorum gracile Koch. (Wollgras.) „ triquelrum Hoppe. Scheuchzeria palustris. Parnassia palustris. Pedicularis palustris. Läuſekraut. die den Raſen immer fefter und dichter machen : Aspidium Thelypteris Sw. ein Farrenfraut. Agrostis canina. Windgras, Straußgras. „ vulgaris. Aira czspitosa. Schmiele. Poa serolina Ehrh. Kispengras. Carex czspilosa (Segge.) „ davalliana Sm. „ Ppulicaris. „ Intermedia Good. „ chordorhiza. „ teretiuscula Good. „ stellulata Good. „ leporina. „ hornschuchiana Hoppe. „ panicea. Cyperus flavescens. Cypergras. Eriophorum angustifolium (Wollgras.) „ latifolium. „ alpinum. Rhynchospora alba Vahl. „ fusca Vahl. Juncus conglomeratus. (Simfe.) 16 Juncus effusus. » vaginalus. „» aculiflorus. Malaxis Leeselii. Triglochin palustre. Dreizad. Salix repens (Weide), Fleine Arten. „ aurila. Betula pubescens. Birke. Leontodon palustre De. Löwenzahn. Hieracium paludosum. Habichtkraut. Cirsium palustre Scop. Sumpfoiftel. Vaceinium uliginosum. Moor-Heidelbeere. Oxycoccos palustris Pers. (Moo3beere.) Andromeda polifolia. Erica vulgaris. Haidefraut, Brüfch. Rhinanthus minor Ehrh. Hahnenfamm. Gentiana pneumonanthe. Enzian. Hydrocotyle vulgaris. Selinum carvifolium. Peucedanum palustre Hoffm. Silaus pralensis Bess. Ranunculus flammula. Hahnenfuß. Viola palustris. Veilchen. Drosera rotundifolia (Sonnenthau.) „ Jongifolia. „ obovata W.M. Lathyrus palustris. Platterbſe. Bolfter bildende Moofe: Aulacomnium palustre. Schwg. Sphagnum squarrosum Pers. (Torfinoo8.) „ aculifolium Ehrh. „ compactum Brid. Climacium dendroides W.M. Polytrichum juniperinum Willd. Dicranum palustre Brid. , Lythrum salicaria. Blutkraut, Weiderich. Ceratodon purpureus Brid. | Auf erhöhtem nacktem und naffem Torfboden | Auf Stellen, die früher mit Bäumen bewachien wachen : — ——— Bidens cernua. Zweizahn. | | „ Iripartita, Spiræa ulmaria. Lysimachia vulgaris 1. (Aus gefälligen Mittheilungen gezogen.) Taf. A. enthält Bergleihungen verfchiedener bei uns gebräuchlicher Brennftoffe. Diefelben beruhen freilich auf Verſuchen im Kleinen; fie gewähren aber für die praftifche Anwendung im Großen manche Belehrung und einen fihern Maßitab. af. B. ſolche von verfchiedenen Arten Torf, C. von Schieferfohlen, D. von Braun: und Steinfohlen. A. Wirfungsverhältniffe dem Gewichte nah: 100 Pfund. : TR | ) = | SE s P ER ee ent . 3 = Natur des Brennſtoffs. = |82u® E I: | = | E|® Eee el ale |” | —* * Buchenholz 83 Rothtannenholz | 9 100 79 | 98 166 14% | 132 | 200 Torf von Wangen 119 | 126 | 100 | 12% | 211 | 183 | 168 254 Scieferfohlen von Uznach 96 | 102 | 80 100 169 | 147 | 135 | 203 Braunkohle von Greit | 56| 60|.47 | 58 | 100 | 87 | 79 | 120 " „ Rüfi 65 | 69 | 54 | 67 | 115 1100 | 91 | 138 x „ Käpfnad 71 75| 59) 741125 109 | 100| 151 Steinfohle „ Boltigen 47\| 4939| 49 3| 72 | 66 | 100 „ Sandfohle *) 53| 561.44 | 55 | | „ Sinterfohle 52 55| 43| 54 | | „ Badfohle |9| 2] 2] 2 | | *) Diefe Eintheilung der Steinfohle beruht auf dem verfchiedenen Verhalten derfelben in höherer Temperatur. Diejenige Steinfohle, welche in höherer Temperatur ihre Form nicht verändert, heißt Sandfohle; wenn die einzelnen Stüde zufammenfintern (fließen), wird fie zur Sinterfohle; wenn fie förmlich fchmelzen, zufammenbaden, zur Ba dfohle. a Wirkungsverhältniffe dem Volumen nad: 100 Kubiffuß. R = . 2 EN = 5 S S = ee, | 8 = 1988 es = = 2 = = Natur des Breunftoffs. S ea :S > Zus In < = En | Jess > = = = ZEFE|l 8 S oO = = Ze. 5 = er: Werden erfegt durch Kubikfuß. Buchenholz 100 56 53 291 255 358 151 Rothtannen 177 100 94 | 517 _ | 452 | 696 | 268 Torf von Wangen 188 106 | 100° 530 | 480 675 285 Greit | 395 19,3 18 | 100 | 87 | 193 52 Rüfi 39,00 22,11 28 | 114 | 102 441 59 Käpfnad) 39,01 2320| 38 | 114 | 100 | 1% 1.59 Boltigen 27,8| 15,71 14,8| 813 1/1200 2 uznach 1659| 35 | 192 | 168 236 | 2100 B. Bufammenfegung des Zorfes auf 100 Theile nad) Abzug des Wafjergehaltes 18—22%. Sauer u. Kohlenftoff. Waſſerſtoff. Aſche. Wangen 48,6% - 42,51 8,85 Bonftetten 53,15 35,51 11,34 Katzenſee 53,37 40,92 5,71 Der Torf gab durchſchnittlich Kohle %. Wangen 33,34 Bonftetten 36 Katzenſee 31,94 beſtehend in 100 Theilen aus Kohlenſtoff. Aſche. Wangen 79,4 20,6 Bonſtetten 75,14 24,86 Kagenfee 84,62 15,38 wu. C. Grüne oder friſche Schieferkohle. Zuſammenſetzung in 100 Theilen nach Abzug des Waſſergehaltes, der 32—36 4 beträgt. Kohlenſtoff. Sauer- und Wafferftoff. Asche. Uznach 42,80 39,13 18,07 Eſchenbach 60,90 28,55 10,55 Dürnten 46,13 17,72 36,15 Bei 1000 getrodnete Schieferkohle. Bufammenfegung in 100 Theilen nach Abzug des Aichengehaltes 17—2%0 %, Uznach 52,15 47,85 Eſchenbach 68,08 31,92 Dürnten 72,24 27,726 Grüne Schieferkohle durchſchnittlich nah Abzug des Waſſers 34 % nah Abzug der Aſche 25 % Kohlenitoff 47,21 62,65 Sauer- und Wafjerftof 28,14 37,35 Aſche 24,65 Bei 100% getrodnete Schieferkohle. Kohlenftoff 64,16 Sauer- und Wafferftoff 35,84 Das durdfchnittliche Gewicht grüner Schieferfohle von 1 Kubiffuß beträgt 66 @. D. Braunfohlen und GSteinfohlen. Bufammenfegung in 100 Theilen. Braunfohlen: Kohle. flüchtige Theile. Waſſer. Aſche. et... msdmdal UA aT und SB 37,81 4,00 11,00 2 ge ea at 32,70 14,00 8,52 Baynah Tamm murıad) 13 BT 29,37 10,90 26,96 Elgg aan ARE ana eng, 36,27 14,40. 13,10 Schmerikon : ß : : . 40,77 30,73 10,50 18,00 ti aa ae Moe 44,00 40 vermitterte R h ; i 36,64 38,12 12,72 12,52 Riethof Dokfene® adtluötiungun M) ‚nodund4y4Q 30,71 14,87 10,00 Steinfohlen: Dollon aa h r 75,63 16,37 2,00 6,00 Sandfohle . . ? ——— 73,86 22,86 3,28 4,25 Sinterfohle A Na Sen N > 57,03 40,60 — 2,37 Backkohle . . TED · G028 34,15 — 5,57 Schmiedfohle (ver Neumühle.) — 78,25 19,75 — 2,00 Tanı. an nD. Wirfungsverhältniffe dem Gewichte nad = 100. Fundort und Benennung. | | — * * Käpfnad). Boltigen. Werden erfegt duch Pfunde Sandfohle. Sinterfohle. Badfohle. Schmiedfohle. Braunfohlen: Greit. Rüfi. Käpfnad. Kiethof. Steinfohlen: | 100 Boltigen. Sandfohle. 95 | Sinterfohle. 92 | Backkohle. 88 Schmiedkohle (der Neu— 78 | mühle.) Erklärung der Abbildungen. 86 80 92 56 120 138 150 167 100 114 110 106 94 | 9 103 | 108 100| 104 96 | 100 8 | 89 Urweltlider Elephant, Elephas primigenius, fibirifcher Mammuth oder Mammont, das indifche Nashorn, eine der je&t lebenden Arten. Big. 1. weg zwifchen Röthel und Weid, Gem. Wipfingen, gefunden wurde, Fig. 2. Fig. 3. Unterkiefer einer Sirfchart (Cervus lematus). Badenzahn des Taf. 1. abgebildeten Elephanten. Das ausgewachjene Thier hatte Don Käpfnach. Unterfiefer einer Nashornart (Rhinoceros Goldfussii), der im Sanditein am Fuß- in jeder Kinnlade einen folchen Zahn; nur während des Zahnwechfels mehr. Aus den Gerölllagern (Diluvium) von Uznach, Big. 4. Bau der Zähne von dem Elephanten fich unterfcheidet. dere Art der Gattung Maftodon ift der nord =amerifanifche Mammuth, Obiothier.) (& Badenzahn einer At Maftodon (Mastodon angustidens), die durch Zahl und Bon Kaͤpfnach. ine ans (Die Schichten im obern Profil S. 9 hätten etwas fchiefer gezeichnet werden follen, ungefähr wie im unter n.) Be — + Eng die Zürcherifche Jugend auf das Jahr 1852. Don der WHaturforfchenden Gefellfchaft. LIV. Stüd, 0.) Ueber die Haus: Ameife Madeiras. Yu I: Borfommen und Lebensart. Unter der artenreichen Thierklaffe der Infekten treten die Ameifen wohl in der größten Indi— viduenzahl auf. In Feld und Gärten, in Wiefen und Waldgründen begegnen fie und überall, vom Frühling bis zum Spätherbft. Meiftens fehen wir nur die flügellofen Arbeiter, im Juli und Auguft aber kriechen auch die geflügelten Männchen und Weibchen aus den Neftern hervor umd er- heben fih in jo großen Schaaren in die Luft, daß fie zuweilen allgemeines Auffehen erregen. Dieß war namentlich im Auguft 1847 der Fall. Am-7. Auguft zeigten fih ungeheure Schwärme (die aus der Myrmica rubra F., Formica fuliginosa F. und F. nigra beftanden) in Winterthur. Sie erfehienen von 2 Uhr an bis gegen Sonnenuntergang in Fleinen Wolfen, die in der Sonne flimmerten und bis in die höhern Luftfchichten hinaufreichten. Der Boden war in der Stadt und Umgebung mit diefen Heinen geflügelten Thierchen ganz überfäet. Am 8. Auguft war der Bier- waldftätterfee zwifchen Bauen und Flüclen eine ganze Strede weit mit fleinen, ſchwarzen, geflüs gelten Ameifen (ohne Zweifel Formica fuliginosa F.) faft bedeckt, fo daß mit jedem Griff 40-50 aus dem Waffer gehoben werden konnten. Viele waren noch lebend, andere todt; die Thiere wa— ren alfo nicht zufammengefehwemmt, fondern hier ind Waffer gefallen. Am gleichen Abend wur— den große Maffen der Formica fuliginosa F. auch im Zürichiee geſehen; von Schondorf in Wür— temberg aber wird erzählt, daß an demfelben Abend woltenähnliche Schwärme (der Bejchreibung nach zu urtheilen von Myrmica rubra) zwifcher 3 und 4 Uhr durch die Gegend gezogen feien; und Be ähnliches wurde vom jelben Tage auch von Solothurn, Freiburg, Bubendorf und Gelterfinden in Bafelland berichtet; wobei-zu beachten ift, daß die Schwärme in füdlicher Richtung fich fortbe= wegten. Die legten großen Schwärme (von Myrmica rubra F.) beobachteten wir am 41. Auguft auf der Spite des Uetliberged. Wehnliche Erſcheinungen haben wir indeſſen alle Jahre, nur nicht in dieſem Umfang. Es hängt dieß großentheils von der Witterung ab. Fällt in die Zeit, in welcher die geflügelten Ameifen die Puppenhüllen verlaffen, fchönes Wetter, werden fie aus allen ' Neftern zu gleicher Zeit ausziehen und fo diefe ungeheuer großen, wolfenartigen Schwärme bilden ; ift das Wetter zu diefer Zeit dagegen ungünftig, vertheilen fi die Schwärme auf eine längere Zeit und werden daher nicht fo augenfällig. Dasfelbe haben wir ja auch bei den Maikäfern. Tritt nad einem naffen April plöglich ſchönes Maiwetter ein, werden fie (in Maikäferjahren) plöglich in großen Maffen erfcheinen und nach kurzer Zeit wieder verfehwinden ; ift der Mai aber regneriſch, vertheilen fich die Flüge auf eine viel längere Zeit, und find daher weniger zahlreich. Die großen Ameifenfchwärme vom Auguft 1847 berechtigen uns Daher feineswegs zu der Annahme, daß in jenem Jahre eine ungewöhnlich große Zahl von Ameifen vorhanden gewesen fei, fondern machten e8 nur Jedermann fehr augenfällig, wie zahlreich das Volk der Ameifen fei, das ſolche Myriaden von geflügelten Individuen ausfenden kann, von welchen je zwei wieder einer neuen Familie den Urfprung geben können. Dabei haben wir nicht zu überfehen, daß diefe geflügelten Ameifen nur den weitaus kleineren Theil der Familie ausmachen, und eine unendlich viel größere Zahl von ungeflügelten in den Neftern zurüdbleibt. Diefe Thiere find bei und nicht nur im Tief- lande fo häufig, fondern finden ſich in einigen Arten bis in die höhern Alpen hinauf (bis zu 8000 Fuß über Meer), wie fie auch noch in hohen nordifchen Breiten (Lappland z. B. hat noch 13 Arten) fich finden. Gar viel häufiger aber noch und in viel manigfaltigeren Formen als bei uns erfiheinen fie in heißen Ländern. Sie find alſo auf der ganzen Erde zu Haufe und überall gehören fie zu den häufigften Thieren. Dasfelbe Verhältniß fand merfwürdiger Weife auch in der Borwelt Statt. Es find ung bereits 83 Arten vorweltlicher Ameifen allein aus der Tertiärzeit befannt, obwol erſt zwei Lofalitäten (Deningen und Radoboj) in diefer Beziehung genauer un— terfucht find. Es bilden diefe Thiere daher zu allen Zeiten ein fehr beveutfames Glied in der Schöpfung der Kleinen gegliederten Thiere. Sie müffen daher eine höchft wichtige Rolle in der Dekonomie der Natur fpielen. — In der Natur ift ftete Bewegung ; ein ununterbrochen fortge- hendes Werden und Bergehen. Gar viele Thiere aller Klaffen find angeftellt, die abgeftorbenen Naturförper zu zerſtören und zu befeitigen, und fo den organifchen Stoff wieder für neue Bildun— gen vorzubereiten. Diefe Aufgabe haben aud) die Ameifen erhalten. Sie verarbeiten und zerftören, mit jprichwörtlich gewordenem Fleiße, die Erzeugniffe des Pflanzen- und Thierreihs. Wenn fomit auch ihre Hauptthätigfeit eine zerftörende ift, fo ift diefelbe doch durch ihre auflöfende und auf- räumende, und damit für neue Bildungen vorbereitende Wirkung für den gefammten Haushalt der Natur von größter Bedeutung. Gar manches Unheil wird übrigens den Ameifen jehr unge- a u — vechter Weife aufgebürdet, jo wenn man bei und behauptet, daß fie den Baumfrüchten Schaden bringen und fie degwegen von den Bäumen zu entfernen fucht. Unfere Arten fihaden aber den Bäumen nur dann, wenn fie zwifchen ihre Wurzeln tie Nefter bauen; auf die Bäume, wie über- haupt alle Pflanzen, geben fie aber nur, um den Honig der Blüthen zu fammeln und die Blatt- läuſe aufzufuchen, deren ſüßen Saft fie ableden. In unfere Häufer dringen fie felten, und der Schaden, den fie da anrichten, iſt in der That unerheblich. Im heißen Ländern dagegen verhält es fich ganz anders. Da kommen Ameifenarten vor, welche nicht allein den Kulturpflanzen gro— Ben Schaden bringen, fondern auch in ungeheuren Maffen in die Wohnungen der Menfihen ein— dringen und dadurch zur fehredlichen Landplage werden. Eine diefer Arten hatte ich Gelegenheit vor einem Jahre in Madeira fennen zu lernen. Anfangs hat fie durch die Zerftörungen, welche fie in meiner Wohnung anrichtete, mir viele Verdriehlichfeiten verurfacht-, fpäter aber, wie ih ans fing ihren Haushalt zu beobachten, mir viel Unterhaltung gewährt. Ich theile diefe Beobachtun- gen bier mit, in der Hoffnung, daß fie manchen unferer jungen Freunde veranlaffen werden, ähn— liche anzuftellen, wozu. die reiche Infeftenwelt unferer Umgebungen fo vielfache Gelegenheit dar= bietet. — x Auf der beigefügten Tafel ift die winzig Feine Madeirenfer Ameije abgebildet. Fig. I. ftellt das Weibchen dar, Fig. II. das Männchen, Fig. IM. und IV. die Gefhlechtslofen , welche in zwei ſehr verfchiedenen Formen auftreten. Die eine (Fig. IM.) hat einen auffallend großen Kopf; er ift größer als der ganze Übrige Körper, und gibt dem Thierchen ein höchſt fonderbares Ausfe- ben; bei der. andern ift der Kopf viel Kleiner und faft freisrund. Diefe Kleinköpfe bilden die ar beitende Klafje der Ameifenfamilie und machen die Hauptmaffe der Bevölferung/aus; wir wollen fie Daher die Arbeiter nennen. Die Großföpfe mögen kaum Yıoo derfelben Bilden und dienen theilweife zur Bertheidigung der Wohnung, daher wir fie durch den Namen der Soldaten vor den übrigen auszeichnen wollen. In noch geringerer Zahl erfheinen die Weibchen, welche nicht nur viel größer find als die Arbeiter, fondern auch duch die glashellen Flügel und glänzend braune Farbe fich auszeichnen. Die Männchen find nicht viel größer als die Arbeiter und von kohl— ſchwarzer Farbe. Bei diefer Ameife befteht demnach die Familie aus viererlei ganz verfchiedeg aus— jehenden Individuen: aus Arbeitern, Soldaten, Männchen und Weibchen. Es ift fomit diefer Ameifenftaat weiter ausgebildet, als derjenige unferer Arten, bei welchen nur eine Form von Ge- ihlechtslofen (die gewöhnlichen flügellofen Ameifen) vorfommt. Die Haus-Ameife lebt in fehr zahlreichen Gefellfhaften unter Steinen in der Erde , aber auch unter Baumrinden und zwifchen den Wänden der Häufer. Die Steine verfehen ihnen, und allen in der Erde wohnenden Ameifen, die Stelle des ſchützenden Daches. Die Wohnungen geben ziemlich tief in die Erde hinein und find in eine große Zahl von Kammern und Gängen abgetheilt. Sie haben mehrere Eingänge, welche zuweilen gededt find und als Erdröhren unter den Steinen verlaufen. Nicht felten legen fie ihre Nefter in den vor den Fenftern und auf den Altanen ftehen- den Blumentöpfen an. u Auf der ganzen Süpdfeite der Infel Madeira findet man fie, bis zu einer Höhe von etwa 1000 Fuß ü. M., in unfäglicher Menge, befonders an heißen, fonnigen Stellen. Unter zehn Steinen, die man an folhen Orten ummwendet, find wohl unter achten diefe Ameifen. In der Stadt Fundal mag es wohl fein Haus geben, das nicht Millionen ſolcher Thierchen beherbergt, die bis in die oberften Stodwerfe hinauf gehen, in ganzen Schaaren aus den Spalten der Wand und des Fußbodens hervorfommen, und in förmlichen regelmäßigen Kolonnen die Zimmer in allen Richtungen durchziehen. Sie friehen an den Tifehbeinen, längs der Kanten, auf die Tifche, aber auch in die Komoden, Kaften u. f. w. Da fie äußert Elein find, Tonnen fie durch die Fleinften Risen und Löcher eindringen. Mag man auch taufende und taufende tödten, man nimmt darum feine Verminderung wahr; fie werden immer durch neu anrüdende Heere erfeßt. Nur nach jehr heftigen Regengüffen, bei: welchen das in Strömen ergoßene Waffer zwifchen die Wände unfers Haufes drang, nahmen wir etwelche Abnahme wahr, welche wir daraus erflären zu fünnen glaub- ten, daß eine große Menge ertränkt worden fei. — Ich fand dieſe Ameife aber nicht allein in Madeira, jondern auch in Sevilla in den Zimmern unfers Gafthofes in der Mitte der Stadt. Es hält fih dieß Thierchen an feinen beftimmten Nahrungsftoff ; in den Häufern greift es alle Nahrungsmittel, welche aufbewahrt werden, an, befonders fegt es den Süßigfeiten (Zucker, Honig, Syrup, eingemachten Früchten) nach; nicht weniger aber auch den frifchen,, fleifchigen Früchten aller Art. Läßt man auf dem Tifche eine Anone, eine Gitrone oder Apfelfine liegen, die nur die Fleinfte Deffnung dur die Rinde hat, kann man ficher darauf zählen, daß in Zeit von einer Stunde diefelbe voller Ameifen fei, welche in ganzen Zügen auf> und zugehen. Fehlt aber diefe Deffnung in der Frucht, jo ift fie gefichert. Es wäre der Ameife zwar ein Leichtes, die federartige Hülle zu durchbeißen, allein die ätherifchen Dele, welche reichlich in derfelben enthal- ten, find, ſcheinen fie zu beſchützen; denn diefe Dele fliehen befanntlich alle Infekten. Dem Fleiſche ſcheinen fie vor den Pflanzenftoffen den Vorzug zu geben. Rohes und gefottenes Fleifch wird von ihnen begierig aufgefuht, aber auch den Inſekten fehr eifrig nachgeftellt. Ich hatte große Mühe, meine gefammelten Inſekten vor denfelben zu fhüsen. Anfangs drangen fie in Menge in die Schachteln ein und die mühfam gefammelten Schäge wurden von ihnen jämmerlic verftümmelt, bis ich ein Mittel fand, fie vor denfelben ficher zu ftellen. Sie fuchen aber nicht allein die todten Inſekten auf, fondern greifen auch die lebendigen an. Sehr poffirlich ift anzu— ſehen, wie diefe winzig kleinen Thierchen die Fliegen fangen. Läßt fih eine Fliege auf dem Teppich des Tifches in der Nähe einer Ameife nieder, fpringt diefe auf fie los und padt fie bei einem Beine. Die Fliege jucht ſich fogleih von ihrem Feinde zu befreien und wegzufommen; allein die Ameife hat fih mit ihren Füßen an den Teppich angeklammert und hält fie mit ihren Zangen feft. Bald kommen andere Ameifen der Erften zu Hülfe und die Fliege ift verloren. Befonders fehnell ift dieß der Fall, wenn Soldaten in der Nähe find. Diefe fpringen Fasenartig auf die Fliegen 108 und fchroten denfelben zuerft Flügel und Beine ab, fo daß fie nun mit Leichtigkeit h, —— von den Arbeitern fortgetragen werden können. Nie greifen indeſſen die Soldaten zuerſt an; ſie find viel feiger als die Arbeiter, und laſſen nicht felten von der Fliege ab, wenn dieſe ſehr leb— bafte Bewegungen macht, um ihren Angreifer abzufchütteln. Bei den Arbeitern habe ich dieß nie gefehen. Zumweilen vermögen fie allerdings die Fliege nicht zurüdzubalten, fo wenn fie an einer glatten Wand oder auf dem glatten Tifche fteht; allein fie laſſen darum mit ihren Zangen nicht los und bleiben am Bein der Fliege hängen, wenn diefe -fortfliegt. Wie fie fi niederläft, fo ſucht die Ameife fie zu halten und mit Hülfe berbeieilender Kameraden zu bewältigen. Ich ſchloß öfters Fliegen und Ameifen gemeinfam in Gläfer ein, um diefen Kampf der Ameifen und Fliegen zu beobachten und habe öfters Gelegenheit gehabt, mich zu überzeugen, mit welch' außerordentli— her Hartnädigfeit*) die Arbeiter herumſchnurrende Fliegen verfolgten und wie ein fo unſcheinba— res flügellofes Thierchen ein etwa hundert Mal größeres geflügeltes zu überwältigen vermochte. General Hardwide erzählt, daß die Ameifen in Indien die ärgften Feinde der Termiten (der fo- genannten weißen Ameifen) jeien, und auch von denen Brafiliens ift befannt, daf fie die Häufer von diefen gefährlichen Gäften reinigen. Mit welchem Eifer unfere Feine Ameife über die Termiten herfällt, habe ich mehrfach Gelegenheit gehabt zu beobachten. Ich hatte mir eine große Zahl von Zermiten verfchafft und mit Holz, in welchem fie leben, in eine Blechkapfel gebracht, die durch einen Dedel gefhloffen war. Durch eine kleine Rige wußten aber die Ameifen in die Schachtel zu dringen, und binnen2 Stunden wimmelte diefe von Ameifen, welche fait jämmtliche Termiten, ein paar hundert Stüde, umgebracht hatten. Noch viel merfwürdiger ift aber, daß ihnen felbft die Gryl- len nicht zu widerftchen vermögen. Ich hatte in einer Schachtel ein halb Dugend Stüde der, in Ma- deira häufigen, Cap-Grylle (Grylius capensis L.), um ihre Lebensart und die Art ihres Zirpens zu beobachten. Mit Staunen bemerkte ich bald, daß ganze Schaaren Ameifen in die, mit Heinen Deffnungen verfehene, Schachtel hineinfrochen und die Gryllen anpadten. Die Gryllen hüpften unruhig in der Schachtel umher, biffen auch ganze Maffen von Ameifen todt, fo daß der Boden der Schachtel mit zerbiffenen Stüden ganz bedeckt wurde; allein zulegt mußten die Gryllen doch der Maſſe ihrer Feinde unterliegen und wurden, mit Ausnahme der hornartigen Theile, vollftändig aufge freffen. Wie würde man ftaunen, wenn man fühe, daß Thiere von der Größe einer Maus auf Elephanten Jagd machen und fie überwältigen würden, und doch ift die Grylle im Verhältniß zu unferer Ameife noch größer ald der Elephant. Daß diefe Ameifen mit den Fliegen und an- dern läftigen Hausbewohnern in ftetem Kriege leben, werden wir an ihnen nur loben Fönnen. Allein fie greifen auch nügliche Infetten an. Ich hatte vor meinem Zimmer auf einer Altane ei- nen Cactus (Opuntia Ficus indica L.) mit Gochenillen aufgeftellt, um die Verwandlung diefer *) Diefelbe Hartnädigfeit beobachten wir auch bei unfern Ameifen, welche öfters fich eher zer— reißen laffen, als daß fie von einem Gegenftande loslaffen, in welchen fie fich eingebiffen haben. Ein⸗ mal ſah id), wie eine Ameife (Formica fusca) einen großen Lauffäfer (Carabus hortensis) an ei: nem Beine gepadt hatte, der troß aller Anftrengung fich nicht von derfelben befreien Fonnte. —— ſonderbaren Thierchen näher kennen zu lernen. Bald fanden fich aber auch hier die Ameifen ein und fraßen nah und nach alle Gochenillen auf. Es ift dieß eine fehr bemerfenswerthe Thatſache, da unfere Ameife der Gochenille- Zucht, welche für die Kanarifchen Infeln feit einigen Jahren von größter Bedeutung geworden ift, großen Eintrag thun muß. Wenigſtens fah ich diefe Ameife in Cochenille- Gärten fehr häufig, wo fie fo viel als möglich vertilgt werden follte, — Die Raub- thiere verfihonen in der Regel die Individuen ihrer Art. Sonderbarer Weife ift dieß bei unferer Ameife nicht der Fall. In der Hoffnung, ihren Haushalt näher fennen zu lernen, brachte ich vier geflügelte Weibchen mit zwei Soldaten und ſechs Arbeitern in ein Glas, das oben zuge- pfropft war; doch war am Zapfen eine Deffnung angebracht, gerade groß genug, um die Arbei— ter aus und einzulaffen, nicht aber die größern Soldaten und Weibchen. Dieſe waren alfo ge= nöthigt, im Glafe zu bleiben, in welches hinlänglich Nahrung gelegt war. Bald kamen fremde Arbeiter ing Glas hinein, die nad einiger Zeit fih am die Weibchen machten und fie an den Flügeln herumzerrten. Da man angiebt ‚ daß die Arbeiter den Weibchen die Flügel ausreißen, damit fie nicht aus den Neftern entfliehen fünnen, glaubte ich anfangs, die Sache fo deuten zu ſollen. Allein die Weibchen wurden auch an den Fühlen und Beinen einige Tage lang. herums gezerrt, und endlich fanden wir ihre Köpfe ausgerifien uud die Arbeiter befchäftigt, fie vollends auseinander zu reifen und die einzelnen Stüde aus der Wohnung wegzutragen. Sonderbarer Weife vertheidigten fich die Weibchen nicht im geringften, was ihnen doch bei der beträchtlicheren Größe und ftärferen Zangen ein Leichtes gewefen wäre. Sie ertrugen alle diefe Angriffe mit der größten und uns unbegreiflichen Refignation. Ja noch mehr, fogar die Soldaten wurden ange- griffen und einer derfelben umgebracht; einige Arbeiter gaben fih alle Mühe, den Kopf wegzus tragen und duch die Fleine Deffnung des Stöpfels zn bringen, was aber nicht gehen wollte. Alfo felbft Individuen derfelben Art werden umgebracht und aufgezehrt, wenn fie in einer Umgebung gefunden werden, wo fie feinen Nußen mehr bringen, wie dieß bei den im Glas eingefehloffenen Individuen der Fall war. Nicht jelten ſah ih, daß verlegte Ameifen*) von Ar— beitern weggetragen wurden, wobei fie Ddiefelben mit den Zangen am Hinterleibsftiel gefaßt hat— ten. Ich dachte mir, daß fie felbe ind Neft tragen, um fie da zu verpflegen, auf ähnliche Weife, wie fie ja auch ihre Jungen mit größter Sorgfalt behandeln; die oben mitgetheilte, fehr barba= *) Aber auch anfcheinend gefunde werden zuweilen auf diefe Weife meggetragen. Dasfelbe erzählt Rengger (Reife nach Paraguay ©. 250) von der Iſau-Ameiſe (Oecodoma cephalotes Latr.),, Man fieht, fagt er, fehr Häufig, daß die Arbeiter mit einem andern beladen nad) Haufe wandern. Es find dieß nicht etwa Gefangene von einem andern Baue, jondern fie gehören zu einem und demfelben Haushalte, denn die getragene ift oft größer als die tragende. Zubem habe ich öfter beobachtet, wie von zwei heimfehrenden Ameifen die eine die andere faßte und heimtrug. Wenn man ferner einem die= fer Laftthiere feine Bürde wegnimmt und diefe auf den Boden feßt, fo wandern beide auf dem gleichen Wege ruhig nah Haufe. Aehnliches beobachtet man auch) bei unfern Ameifen. Gol. Huber recherches sur les moeurs des Fourmis ©. 140) — — riſche Gewohnheit möchte es aber wahrſcheinlicher machen, daß ſie in die Wohnung getragen wur— den, um daſelbſt aufgefpeist zu werden, wenn fie nicht mehr arbeitsfähig ſind. Bei den Ameiſen geht alles auf möglichft forafältige Benugung des Stoffes aus, und dieh erftredt fich jo weit, dag die eigne Urt, ja felbit der Familiengenoffe nicht verfchont wird, wenn er feinem Zwede nicht mehr genügen kann. Bei diefer übeln Gewohnheit muß es fehr auffallen, daß einige fremde Thierarten in ihren Neftern angetroffen werden. Schneden, Würmer, Raupen u. dgl. findet man allerdings nie un- ter denfelben Steinen; felten einmal einen Taufendfüßler (Julus), welchen fie nur angreifen, wenn das Neft geftört wird, in welchem Falle alle Ameifenarten mit großer Wuth über die frem— den Thiere herfallen, als ob fie diefe für die Urfache des ihnen widerfahrenen Mißgefihides hiel- ten. In heftigen Schlangenwindungen fuchen dann die Taufendfüßler fich von den anhängenden Amei- jen zu befreien. ALS eigentliche Ameifenthierchen treten aber eine Schildlaus und ein gar fonderbares Käferchen (Cossyphodes Wollastonii Westw.) auf, welches fonft nirgends vorfommt. Ich fand es zuerft in einem Ameifenhaufen auf dem Lande, dann aber auf der Altane unfers Zimmers, wo eine Ameifenfamilie fih in einem, mit Diosma album L. bepflanzten Kübel, angefiedelt hatte. Ich ſah e8 dafelbft in mehreren Exemplaren zu verfchiedenen Zeiten, und zwar immer am Gingange des Neftes. Warum diefes ganz eigenthümlich geftaltete Kaferchen in diefen Ameifenfamilien lebt, weiß ich nicht anzugeben. Wir fennen gegenwärtig ſchon eine große Zahl von Kleinen Käferchen, welche in Ameifenhaufen unferer Gegend vorkommen, Die Einen (wie die Keulenfäferchen) werden von den Ameifen förmlich gepflegt und von ihnen, wovon ich mich oft überzeugt habe, mit eben der Sorgfalt und Eifer in die tiefen Theile des Neftes hinabgetragen, wie die Puppen, wenn die Wohnung geftört wird; die andern werden wohl nur gelitten, ohne daß fie in den Haushalt der Ameiſen verflohten find. Der Cossyphodes fiheint zu den Erftern zu geboren. Um nachzufehen, in welcher Weife unfere Ameifen bei der Arbeit verfahren, jtellte ih ein Feines hölzernes Gefäß in ein Wafferbeden und führte von diefem Gefäffe einen Faden durd die Luft an eine Leifte der ein Paar Fuß weit entfernten Wand, und von diefer Leiſte einen zweiten Faden bis zum Boden. Diefer Faden verlief alfo ſenkrecht, der erfte horizontal. Bald gingen die Umeifen über den wagrechten Faden zu dem Gefäß im Waffer, auf welches ih ein Stüdchen Fleifh gelegt hatte, hinüber. Wie dieß Fleifch entdedt war, wurde es verarbeitet. Nach Furzer Zeit jtrömten ganze Maffen herbei. Anfangs waren nur Arbeiter da, dann aber erfhienen auch einzelne Soldaten im Gefolge der Erftern. Diefe Soldaten zerfhnitten das Fleifch in Eleine Stüde, wobei fie den Hinterleib anzogen und ihm eine faft fenfrechte Stellung gaben, welche auch der Kopf angenommen hatte (vrgl. Fig. UND. Sie erhalten dadurch ein höchſt fonderbares Ausfes hen, indem man von oben nur den Mittelleib und den Scheitel des Kopfes ficht. Mit den großen beilförmigen Zangen wird das Fleifch in ganz Kleine Broden zerfcehnitten und dabei mit den bei- den Vorderbeinen feftgehalten. Die Arbeiter nahmen diefe zugefchnittenen Broden zwifchen die — Me Zangen und trugen fie fort. Es gingen ganze Züge über den horizontalen Faden weg und jeder Theilhaber hatte einen Broden im Mund. Diefen Transport beforgten aber allein die Arbeiter; nie ſah ich einen Soldaten etwas wegtragen. Wohl ging zeitenweife der Eine oder Andere über den Faden zurüd, aber immer ohne etwas mit fich zu nehmen. Bald hatten die Ameifen den fenfrechten Faden entdedt und ausgemittelt, daß fie an diefem leichter zum Boden des Zimmers gelangen kön— nen als an der Wand, und von nun an ging der ganze Zug immer über diefen fenfrechten Fa— den auf den Boden hinab, und von da zu einer Zimmerede, wo fie durch ein Fleined Loch in der Wand verfhwanden. Bon dem Gefäffe im Waffer gingen fie alfo zuerſt über den wagrechten Fa— den an die Wand, hier hatten fie über eine Leifte wegzulaufen und gelangten dann zum fenfrech- ten Faden, der zum Boden hinabführte. Der Faden war immer dicht mit Ameifen befest, von denen die Einen mit Broden beladen abwärts, die Andern leergehenden aber aufwärts ftiegen, und zwar hatten ſich die ab- und aufwärts fteigenden immer in Reihen geordnet, jo daß fie fi gegenfeitig nicht in ihrem Gange ftörten. Mehrmals feßte ich Ameiſen, die ich aus einem andern Zimmer geholt hatte, in das Gefäß ind Waſſer. Diefe fanden zwar auch bald den Faden, wel- cher fie zur Wand leitete, allein dort zerftreuten fie fih nach allen Seiten, während die Andern ohne Aufenthalt immer nach dem ſenkrechten Faden zuliefen. Dieß gab mir ein Mittel an die Hand, zu erfahren, ob Ameifen verfchiedener Nefter in mein Zimmer fommen oder nicht. Cine nähere Unterfuhung ergab das Erſtere. Es zeigte fih, daß alle Ameifen, welche das Gefäß im Waſſer befuchten und dort Nahrung holten, Einer Familie angehörten, ebenfo alle, welche auf dem Tifche fich einfanden, auf dem das Gefäß ftand; daß Dagegen diejenigen, welche die Früchte, die auf das Feftergefimfe geftellt waren, zerftörten, einem andern Nefte angehören mußten. Daraus möchte ich aber inımerhin noch nicht den Schluß ziehen, daß eine Ameifenfamilie, wenn fie. fich über einen Gegenftand hergemacht hat, die Betheiligung einer andern an demfelben ausfchließe. Wenigſtens habe ich nie gefehen, daß fie ſich unter einander befämpft hätten, was wohl in jenem Falle nicht ausgeblieben wäre. Wahrfcheinlich wird jedes Nahrungsmittel, das aufgefunden wird, als Gemeingut betrachtet, und jeder Theil erhält davon fo viel, als er wegzubringen vermag. Hat aber ein Neft einmal ſich eines Gegenftandes ganz bemächtigt, fo mögen wohl die andern fi) davon fern halten und es diefem allein überlaffen. Dabei ift zu berüdfichtigen, daß die Amei- fen offenbar eine Art von Mittheilungsgabe haben; denn entdedt ein einzelner Arbeiter ein Nah— tungsmittel, jo dauert es nicht lange und es erfcheint ein- ganzer Zug von Ameifen, um dasfelbe zu verarbeiten. Wir fonnen und diefen Vorgang nicht anders erflären, als daß der auskundſchaf— tende Arbeiter ins Neft zurüdgegangen und dort Gehülfen geholt hat. Es werdeun daher in Folge diefed Borganged, in der Regel immer Ameifen des gleichen Neftes zur gemeinfamen Arbeit zu= fammenfommen. Daß die Ameifen Gedächtniß haben, hat fehon Huber nachgewiefen; auch folgende Beobachtung dürfte dafür ſprechen: Einer meiner Hausgenoffen hatte in feinem Zimmer eine ähnliche Vorrichtung zum En WB Beobachten getroffen , wie ich oben befchrieben habe. Nur wurde hier von der Mitte des, mehrere Fuß langen, horizontalen Fadens ein zweiter, furzer, nad der nahen Wand geführt. Die Ameifen wählten bald diefen legtern Weg, gingen alfo vom Gefäß im Waſſer bis zur Mitte des horizon- talen Fadend, und von da über den im rechten Winkel abbiegenden Faden an die Wand. Nach einiger Zeit wurde diefer weggenommen. Anfangs blieben alle Ameifen plötzlich ftehen, und zwar genau an der Stelle, wo früher der feitlich verlaufende Faden befeftigt war und liefen an dem horizontalen Faden nicht weiter fort. Sie hatten fich alfo genau die Stelle gemerft, von wo der feitliche Faden ausgegangen, obwohl diefelbe in Feiner Weife bezeichnet war. Erft nachdem fie längere Zeit unruhig vor- und rüdwärts gelaufen, verfuchten fie am Faden weiter zu fommen und gelangten fo an die Wand, wo fie fich zu einem Knäuel verfammelten, weil fie von dort aus erft einen Weg fuchen mußten. Bielleiht auch, daß die hier mitgetheilte Thatfache durch den Spürfinn der Ameifen fich erklären läßt. Der Hund fpürt befanntlih den Weg, welchen fein Meifter genommen bat, bis in große Entfernungen auf, und fo befist vielleicht die Ameiſe einen ähnlichen feinen Spürfinn, welcher fie die Wege, die fie einmal gegangen ift, mit Sicherheit wieder finden läßt. Wie oben bemerkt, wurden die größern Fleifchftüde, welche ind Gefäß gelegt wurden, an Ort und Stelle in ziemlich gleich große Broden zerftüdelt, welche ein einzelner Arbeiter wegzu— tragen vermochte; in ähnlicher Weife wurden auch Gryllen und größere Inſekten verarbeitet; todte Fliegen aber, die ind Gefäß gelegt wurden, wurden nicht vertheilt, fondern ganz fortgetragen. Um die Kraft diefer Thierchen fennen zu lernen, band ich mit einem Faden zwei, dann drei und dann vier todte Stubenfliegen zufammen ; und felbjt diefen Bündel von vier Fliegen fchleppten fie zuerft an dem fast ſenkrecht auffteigenden Holzftüd, an dem der wagrechte Faden befeftigt war, in die Höhe, über diefen horizontalen, und dann den fenfrehten Faden hinab und trugen ihn bis zum Loche an der Wand. Hier erft wurden die Fliegen zerfehnitten, weil das Loch zu klein war, um fie ganz durch dasfelbe zu bringen. Diefer Transport der Fliegen über den, durch die Luft gefpannten, Faden war äußert poffirlih anzufehen. Eine einzelne Fliege wurde zuweilen nur von zwei Ameifen fortgefchleppt; an den Bündeln von vier Fliegen waren meift fechs bis zwölf Arbeiter befchäftigt. Mehrere hatten mit ihren Zangen vorn angepadt und zogen, rückwärts ge— hend, am Bündel, die übrigen hatten an der andern Seite angefaßt und fchoben, vorwärts ge— hend, denfelben in gerader Richtung vor, wobei fie ſich mit ihren Beinen am Faden bielten. Die Fortbewegung ging immer rudweife; es folgte auf jeden Rud eine längere oder kürzere Ruhezeit. Dasfelbe gefhieht bekanntlich auch wenn der Menfch eine große Laft fortzufchieben bat; find mehrere Mann dabei betheiligt, wird immer durch einen Zuruf (Jöhü) bewirkt, daß alle auf einmal ‚angreifen und fo die angewandten Kräfte gleichzeitig wirken. Bei den Ameifen war ein ähnliches Zuſammenwirken der Kräfte nicht zu verfennen; die hintern fließen zu gleicher Zeit, wenn die vordern zogen, und gleichzeitig ließen fie wieder nah und ruhten einen Moment 2 a lang aus. Durch was für ein Mittel aber diefe Uebereinftimmung in ihrer Handlungsweife er— zielt wird, war ich nicht im Stande herandzufinden. Das auffallendfte Dabei war, daß zumeilen alle losließen und eine einzige die ganze Laft in der Schwebe erhielt. Hier muß alfo wieder eine Ueberefnftimmung ftattgehabt haben, denn nie fiel eine Fliege zu Boden; immer war Eine da, die hielt ; würden aber alle zu gleicher Zeit losgelaffen haben, hätte die Laft natürlich herabfallen müffen. Diefe ganze Laft wurde allein mit den Zangen gehalten; mit den Beinen klammerten fi) die Ameifen an den Faden feft, wobei die eigenthümliche Krümmung des erften Fußgliedes und die merfwürdige, diefer entfprechende Klammer (man fehe Fig. L., 6. e) wefentlich betheiligt wa= ren. Alſo eine einzige, fo ungemein Eleine Ameife vermochte, an einem Faden hangend, vier Fliegen zu halten. Welche ungeheure Muskelkraft fest dieß in den Zangen und Beinen voraus!*) Während die Ameifen diefe Laft fortbemegten, ließen fie fich nicht leicht an der Arbeit ftören, während fie fonft fehnell entfliehen, wenn fie beunruhigt werden. Hebt man z. B. eine mit Ameis fen angefüllte Frucht auf oder ſchüttelt fie, fo eilen diefelben fo fehnell wie möglich fort. Sie kehren nicht zum Nefte zurück, fondern verfteden fich nur in Risen oder unter fonft einem näher liegenden Gegenftand; wie aber die Gefahr vorüber, treten fie wieder hervor und begeben fich aufs neue an die Arbeit. Bei folhen Anläffen fann man fich überzeugen, daß fie nicht weithin jehen. Nimmt man einer Ameife einen Biffen, den fie trägt, weg, fo wird fie denfelben einige Beit lang fuchen, indem fie rafch im Zidzad hin= und herläuft, zeitenweife aber ftill jteht und den Kopf in die Höhe richtet... Hat man ihn in einer Entfernung von einigen Zoll hingelegt, fo wird fie nicht in gerader Richtung auf denfelben zugehen, was der Fall wäre, wenn fie ihn ſehen würde; fie läuft in verfchiedenen Richtungen umher und erft wenn fie auf etwa einen Zoll Ent- fernung gekommen ift, fpringt fie auf denselben zu, feheint ihn alfo gefehen zu haben. Unterſu— chen wir das Auge diefer Ameiſe, werden wir finden, daß e8 (wie aber überhaupt bei allen Amei— fen) einfacher gebaut ift, als bei den meiften übrigen Inſekten und nur aus einer Heinen Zahl von Dcellen befteht. — Um zu fehen, ob die Ameifen über dad Waſſer wegzufommen fuchen, hob ich mehrmals die durch den Faden bewirkte Verbindung zwifchen dem Gefäß im Waffer und der Wand auf, fo daß die Ameiſen, welche im Gefäffe fih befanden, ganz abgefchnitten waren. Hatte fih ein Häutchen über das Waffer gebildet (mas immer der Fall ift, wenn das Waſſer einige Zeit geftanden hat, indem durch den feinen, aus der Luft herabfallenden Staub eine folche dünne Dede über das Waffer entfteht), fo fuchten fie über dasfelbe wegzulaufen; manche Indi— viduen famen ganz gut darüber weg, indem das Häutden fie zu tragen vermochte, andere aber brachen durch und ertranken. Nie ſah ich aber, daß eine ſolche Menge ind Waffer ftürzte, daß *) Eine Haus Ameife wiegt (trocden) Yo Milligramm; vier Stubenfliegen aber (ebenfalls tro= Een) 18 3/40 Milligramm; alfo vermag diefe Ameife eine Laſt zu halten, melde das 376fache ihres ei- genen Gewichtes beträgt. “a — durch die todten Körper eine Brücke gebildet wurde, was von andern Ameiſenarten erzählt wird, die auf dieſe Weiſe zu den ins Waſſer geſtellten, mit Nahrungsmitteln gefüllten Gefäſſen gelangen. Die Arbeit dieſer Thierchen geht Tag und Nacht in gleicher Weiſe fort; mochte man während des Tages oder in der Nacht oder am Morgen früh nachſehen, man ſah immer dieſelbe rege Thä⸗ tigkeit. Sie ſcheinen daher keine beſtimmten Ruhezeiten einzuhalten, wenigſtens keine, die an den Wechſel der Tageszeiten gebunden wären. Dasſelbe iſt auch bei den meiſten einheimiſchen Ameiſen der Fall, von denen ſchon Plinius erzählt, daß ſie beim Mondſcheine arbeiten. Dieſe aber halten Winterſchlaf. Die Ameiſen der warmen Länder, und ſo auch Madeiras, dagegen nicht. Es kommt daſelbſt auch eine unſerer Arten (Formica fusca L.) vor, und auch dieſe Art iſt den ganzen Winter hindurch in Thätigkeit. Unſere Haus-Ameiſe foll das ganze Jahr hindurch unge= fähr gleich häufig vorfommen. Die Männchen und Weibchen erfeheinen wahrfcheinlih zu Ende Sommers. Don Erftern fand ih nur noch ein einziges Gremplar, während Weibchen bis nah Neujahr in manchen Neftern gefunden wurden, In den meiften freilich nahm ich feine wahr, wohl weil diefelben in tieferen Theilen des Neftes fich aufbielten. Die Weibchen legen winzig fleine, weiße Gier, aus'welchen kleine weiße Würmchen hervorgehen; die Puppen liegen frei und find nicht in Zönnchen eingefchloffen, wie bei unfern gewöhnlichen Ameifen (Formicen), welche Puppentönnchen bei uns fälfchlih Ameifeneier genannt werden. Soldaten trifft man in den Neftern in verhältnigmäßig größerer Zahl an, als im Freien; fie fheinen daher voraus zu Arbeiten im Nefte und Bertheidigung desfelben verwendet zu werden, während die Arbeiter alle Nahrungsmittel herbeifhaffen und die Brut beforgen. Wenigftens find fie es, welche die Puppen wegtragen, wenn das Neft geftört wird. Daß die Soldaten indeffen auch mit den Ar- beitern ausziehen und denfelben im Verarbeiten der gefundenen Schätze behülflich find, wurde früher erwähnt. — Lacordaire (Introduction à l’Entomologie II. 498) erzählt von der Zug-Ameife (Oecodoma cephalotes Latr.) Brafilieng, daß die Soldaten die Züge begleiten, ohne ſich unter das Gros der Armee zu mifchen. An die Seiten der Kolonne geftellt, fehe man fie vorwärt® marfchi- ten, dann wieder an eine früher eingenommene Stelle zurüdfehren, einen Augenblid anhalten , um den Zug vorbeidefiliren zu fehen, haftig hin und her laufen, befonderd wenn wo ein Hinder- niß eingetreten und ihre Hülfe nöthig fei. Ja fie follen, wie Lacordaire erzählt, oft auf Pflanzen fteigen, die in der Nähe des Zuges ſich befinden, an den Rand der Blätter ſich ftellen und von diefem erhöhten Punkte aus den Zug ihrer Truppen betrachten. — Bei unferer Madeirenfer Ameife jpielen die Soldaten feine fo hervorragende Rolle, indem fie immer mit den Arbeitern in derfel- ben Reihe und Glied fortmarſchiren. Alles was wir in Obigem erzählt haben, gilt nur von Einer Ameifenart, von der Oecoph- ihora pusilla. Es gibt aber in heißen Ländern eine ganze Zahl von Arten, welche eine ähnliche Lebensart haben und mit dem Menfchen in feindfelige Berührung kommen. In Brafilien ift diek in dem Maaße der Fall, daß die dortigen Einwohner fagen: die Ameifen find die Königinnen a Brafiliend, weil fie die größte Macht im Lande ausüben. ine der größten und gefährlichiten Arten , welche über das ganze tropifche Amerika, das Feftland wie die Infeln (3. B. Cuba, von wo wir fie erhalten haben), verbreitet ift, ift die Zug-Ameiſe (Oecodoma cephalotes Latr.). Das Weibchen ift größer als unfere Hausbiene, der Arbeiter etwa doppelt fo groß, ald derjenige un= ferer rothen Wald-Ameife. Sie lebt in fehr zahlreichen Familien in der Erde, in welche fie ihre Wohnungen zuweilen bis zu 9 Fuß Tiefe grabt. Sie zieht in großen geordneten Zügen aus und entblättert auf denfelben oft in Furzer Zeit Bäume und Sträucher. Rengger erzählt von der Iſau-Ameiſe (die ich nicht für verfehieden halte von der Zug-Ameife*), daß in einer Nacht die vielen Millionen Bewohner einiger Nefter ganze Pflanzungen von Manioca, Maid, Ba- taten, Melonen, Gartengemüfen u. f. w. zu Grunde richten. Nachdem fie die Pflanze, welche fie plündern wollen, haftig erftiegen, feßen fie fih an den Rand des Blattes und fehneiden mit ihren Bangen in kurzer Zeit ein Stück von der Größe eined Kreuzers heraus, das fie dann fogleich heimtragen. Fällt, was fehr häufig gefchicht, das Stück zu Boden, che fie es haben faffen können, fo machen fie ſich ungefiumt von Neuem an die Arbeit und gehen dem herunter gefallenen Stüde niht nah. Man hört wohl die Behauptung, daß der Iſau diefe Stüde mit Borfas auf den Boden werfe, um fich und feinen Mitarbeitern die Mühe ded Hinuntertragend zu erfparen. Dieß ift aber keineswegs der Fall, denn auch die vom Nefte herfommenden Ameifen achten nicht auf diefe Blattflüde, mit denen der Boden oft ganz befäet ift, fondern eine jede beißt fich ihr eigened Stüd aus einem Blatte, das noch an der Pflanze hängt. Nach dieſen Mittheilungen des genau beobachtenden Rengger ſind die frühern Angaben zu berichtigen, daß die Zug-Ameiſe die Baumblätter an den Stielen durchbeiße und auf die Erde fallen laſſe, daß dort ihre Kameraden bereit ftehen und die heruntergefallenen Blätter zerfchroten und nah Haufe tragen. — Die Entblätterung wird oft fo ſchnell bewerfftelligt, daB zuweilen Bäume am Morgen wie Befenreifer ausfehen, welche am Abend noch in ihrem ganzen Blätterfhmude dageftanden ha— ben; ja Lund berichtet, daß er gefehen habe, wie ein Baum innerhalb einer Stunde entblättert worden fei. Dr. Delacour erzählt von einer ähnlichen Art, welche in Neufpanien zumeilen in einer Nacht einen Garten feines ganzen Pflanzenfhmudes beraube. Einer feiner Bekannten hatte einen fehr fehönen Weinberg angelegt. Nach drei Jahren erfehienen die Ameifen und während ei— ner Nacht war er feiner ſämmtlichen Blätter beraubt und verwüftet. Die Zug-Ameife hält id in der Regel im Freien auf, zuweilen aber dringt fie in geordneten Zügen, wie eine große Ars mee, in die Häufer ein und macht dafelbft zunächft Jagd auf die Fliegen, Spinnen, Kaferladen, und überhaupt alles Ungeziefer. So nützlich auch dieſe ihre Thätigkeit iſt, wird ſie doch dabei dem Menſchen ſo läſtig, daß dieſer nicht ſelten genöthigt wird, ſeine Wohnung auf einige Zeit zu verlaſſen. — Wenn dieſe Ameiſen ſchwärmen, werden die Weibchen in großen Maſſen *) Mach Eremplaren, die ich in der Rengger'ſchen Sammlung gefehen habe. en gefangen, ihr abgefchnittener Hinterleib in Butter gebraten und für einen -2ederbiffen gehalten. Roh genoffen ift fein Geſchmack, fagt Nengger, demjenigen der Hafelnuß ähnlich und wenn man ihn etwas röftet oder mit Syrup dünn begieft, fo fehmedt er wie geröftete und überzuderte Mandeln. Den Menfchen greift die Zugameife nicht an, wohl ift dieß aber bei einigen andern amerifanifchen Arten der Fall. Dr. Delacour erzählt von einer Kleinen, gelbrothen Art, die durch heftigen Biß, der Entzündung verurfacht, den Heinen Kindern fehr gefährlich werde. Sein eigenes, zwanzig Monate altes Kind habe einmal mitten in der Nacht durch heftige® Gefchrei ihn aufgewedt; wie er nachgefehen, fei ed von einem Haufen von Ameifen bededt gewefen, welche es fo heftig gebiffen hatten, daß es am Morgen ganz mit Blafen bededt war und während 48 Stunden in beftigem Fieber lag. Diefelbe Art fei jungen Hühnchen fehr auffäsig und in manchen Gegenden fei deß— wegen ihre Aufzucht fehr fehwierig. Noch gefährlicher find aber, nad) Dr. Delacour, einige Wald- ameifen. Im Jahr 1834 wurde, erzählt er, ein junger Mann von angefehener Familie, welcher auf dem Wege von Tampico nach Merico unter einem Baume ausruhen wollte, von den Umeifen überfallen und vollftändig aufgezehrt. Folgenden Tags babe man ein noch mit den Kleidern bededtes Scelet gefunden. Einen ähnlichen Fall berichtet er vom Jahr 1838; ja er felbft fei einmal faft das Opfer diefer Thiere geworden. In einem Walde bei Turpan habe er ſich einige Minuten lang an einen Baumftamm angelehnt; auf einmal wurde er fo heftig an allen Theilen des Körpers ge= biffen, daß er der Heftigfeit der Schmerzen erlegen wäre, wenn nicht zwei Jagdgefährten dazu gefommen , ihm fogleich die Kleider ausgezogen und ihn von feinen Feinden befreit hätten. Auch in Paraguay kommt eine Art (Odontomachus) vor, welche, wenn ſie erſcheint, die dortigen Be— wohner in Angſt und Schrecken verſetzt. Nach Rengger (Reife nach Paraguay, S. 262) erſcheint fie plöglich in großen Schaaren und greift den Menſchen, wie die Thiere an; Gryllen, Spinnen, Heufchreden werden fogleih von ihnen in Stüde zerriffen. Ich habe, fagt Dr. Rengger, Mäufe ge: fehen, die mit diefen Inſecten bedeckt, voll Angft ihr Loch verliefen; junge Mäufe, die in ihrem Nefte von ihnen aufgezehrt wurden ; Eidechfen und fogar Schlangen, die fih vor ihnen flüchteten. Den Menfhen überfallen fie im Schlaf und benagen ihn, bis der Schmerz ihn aufweckt. Dr. Reng- ger ſah einen betrunfenen Mulatten, dem, zum Theil während feiner Anwefenheit, diefe Thiere die Augenbraunen, fowie die Augenwimpern ganz wegfraßen und zugleich die Haut des Gefichtes bis aufs Blut zernagten. Zwei feiner Kranfen wurden im Bett von diefen Thieren überfallen und einer derfelben ftarb bald darauf, zum Theil in Folge des Schredens. Im tropifhen Africa fommen ebenfalld einige Ameifenarten vor, welche dem Menfchen äußerft läftig fallen. Die genaueften Nachrichten haben wir darüber von Hrn. Savage über die Treie ber-Am eiſe (Anomma arcens Westw.) erhalten, welche an der Weſtküſte Africa's fich findet. Es ift eine Heine, ſchwarze Ameife, mit fehr fcharfen und fpigigen Zangen, bei welcher die Ge- ſchlechtsloſen auch in zwei Formen, einer kleinern (dem Arbeiter) und einer größern (dem Sol- daten) auftreten. Sie haben feine feften Wohnfige, fuchen aber in flachen Höhlungen unter EA Baumwurzeln, überhängenden Felfen u. drgl., wo fie Schatten finden, ihr Unterfommen. Da die fenfrechten Sonnenftrahlen ihnen tödtlich find, ziehen fie nur an trüben Tagen und bei Nacht aus; werden fie von der Sonne bei ihren Arbeiten überrafcht, überbauen fie den Pfad mit einem Ger wölbe aus Erde, die fie mit ihrem Speichel zufammenkleben. Sonft bilden die Soldaten ein Gewölbe über den Pfad zum Schuße der Arbeiter. Werden zur Regenzeit ihre Wohnungen über- ſchwemmt, bilden fie eine runde Maffe, die Brut mit den ſchwächern nach Innen, die ftärferen nach Außen und ſchwimmen fo umher, bis fie auf's Zrodene fommen. Kommt ihnen ein breites Gewäffer in den Weg, bilden fie, eine fi an der andern befeftigend, eine Kette über das Waf- fer, über welche die Uebrigen wie über eine Brüde gehen. Dasjelbe fagt man aud von der Zuge ameife. S. Merian erzählt den Vorgang folgenderweife: Die erfte jest fih auf ein Stückchen Holz und beißt fich feſt an dasfelbe an; eine zweite faßt die erfte an, eine dritte in gleicher Weife die zweite u. ſ. w. In folcher Weife lafjen fie fih vom Winde überführen, bis die legte an der Kette fih auf der andern Seite befindet, und num paffiren fogleich einige Tauſend Ameifen über die Brüde. — Die Treiber- Umeife bildet öfter ähnliche Ketten von den Zweigen der Bäume bis zur Erde herab. Ihre Nahrung befteht vorzüglich in Fleifh und fie tödtet große Thiere; ſelbſt die Riefenfchlange (Python natalensis) ift ihren Anfällen ausgefegt. Ihren erften Angriff richtet fie auf die Augen des Thieres, welches fie, wenn es von ihnen überrafcht wird, durch ihre unge— heure Zahl überwältigt. Sie dringt häufig bei Nacht in die Häufer ein, wo eine allgemeine Flucht der Ratten, Mäufe, Eidehfen, Schwaben und andern Ungeziefers ihre Ankunft anzeigt, und man ift genöthigt, aus dem Bette ind Freie zu flüchten. Unter den indifchen Ameifenarten wird die Formica indefessa Sykes ald Hausverwüfterin ges nannt, von welcher Lieut. Sykes (Transact of the Entomolog. Soc. of London I: ©. 104) in- tereffante Beobachtungen mitgetheilt hat, von welchen wir befonders Folgendes hervorheben wol- fen. Ein Tifh, welcher mit Süßigkeiten und Gerichten befegt war, wurde mit feinem Fuße in ein Gefäß mit Waffer geftellt und das Waffer mit Terpentinöl übergoffen, wodurd es den Amei— fen unmöglich gemacht ward, an den Tifchfuß zu gelangen. Der Tiſch fand indeffen nahe an der Wand, fo daß die größern Ameifen, mit den Hinterbeinen an der Wand fich haltend, mit den Borderbeinen den Tiſch erreichen konnten und fo auf denfelben kamen. Der Tifch wurde daher weiter weggerüdt, nun gingen aber die Ameifen an der Wand um einen Fuß höher hinauf ald die Tiſchhöhe betrug und fprangen von der Wand auf denfelben hinüber, wobei fie nie zwifchen Tiſch und Wand auf den Boden fielen, fondern immer auf den Tifch gelangten. In Reussolland find es befonders zwei Eciton-Arten (E. gulosum und E. forficatum Latr., welche wegen häufigem Vorkommen und heftigem Biß gefürchtet find. Sie find ausgezeichnet durch ihre langen 'und geraden Zangen. a I. Befchreibung der Haus-Ameije. [4 Oecophthora Heer. Dberkiefern fehr ſtark, beim Weibchen und Soldaten mit fcharfer Schneide, beim Arbeiter fägeförmig gezahnt. Zungen- und Unterkiefer Palpen fehr kurz und zweigliedrig; das zweite Glied etwas länger ald das erfte. Der pergamentartige Stiel der Unterkiefer mit zarter, häutiger, gewimperter Lade. Fühler beim Männchen fiebenzehngliedrig, das erfte Glied dider, aber nicht länger als die zunächſt folgenden; beim Weibchen, Arbeiter und Soldaten zwölfgliedrig, mit ziemlich langem Schaft und eilfgliedriger Geiffel, deren drei legte Glieder ein ſchwach abge— festes Kölbchen bilden. Flügel mit drei Cubital- und zwei Discoidalzellen; die mittlere Gubitalzelle geftielt. \ Die Vorderfihiene Beim Weibchen, Arbeiter und Soldaten mit fammförmigem Hafen. Der Hinterbruftrüden mit Dornen. Der Hinterleibsftiel zweigliedrig ; das erfte Glied keu— lenformig. Die Familie befteht aus Männchen, Weibchen, Arbeitern und großföpfigen Soldaten. Es gehört diefe Gattung zur Gruppe der Myrmiciden; von Myrmica Latr. weicht fie durch die viel fürzeren zweigliedrigen Palpen, durch die fiebenzehngliedrigen männlichen Fühler und das Flügelgeäder gänzlich ab; näher fteht fie durch das Lestere der Gattung Atta, bei welcher aber die Marillarpalpe fünfgliedrig und der Hinterbruftfaften dornenlos if. In den zweigliedrigen Palpen ftimmt unfere Gattung mit Pheidole und Typhlopone Westw. überein; letztere Gattung gehört zur Gruppe der Poneren und fann daher nicht in Betracht kommen; erftere ift von Weftwood auf eine indifche Art, die Atta providens Sykes gegründet, von diefer weicht Oecophthora aber ab: durch das viel längere erfte Fußglied, die vorn fehärfer gezahnten Oberfiefern, die unten verwachfene Marillarlade, durch das fpindelförmige zweite Glied der Marillarpalpe, die viel we— niger tief audgerandete Oberlippe, den anders gebildeten Hinterleibsftiel und die fharfe Trennung der Gefchlechtslofen in zwei, in Bildung des Kopfes fehr abweichende Formen. Oecophthora pusilla H. Berwandte Arten find die Myrmica ompivora L. Latr., Myrmica nana Latr. und Atta megacephala F. Latr., von welchen die beiden legteren wohl zur Gattung Oecophthora ge hören dürften. Die Myrmica omnivora Latr. ift über das tropifche Amerika verbreitet, tritt aber auch in Aegypten als Landplage auf. Im neuerer Zeit hat fie fih auch nad nördliden Ges genden verbreitet und foll in Caſan, wie in London in den Wohnungen großen Schaden an— EN richten. Von diefer M. omnivora unterfcheidet fich unfere Madeirenfers Art (abgefehen von den Gattungsmerfmalen) durch den bedornten Bruftkaften und daß die beiden Glieder des Knötchens nicht walgenförmig find. Mit der Myrmica nana Latr. (Formica pusilla De Geer aus Südamerifa) ftimmt fie in der Größe, Färbung und dem bedornten Bruftkaften überein, allein bei diefer foll der Ießtere, wie auch der Kopf, durch viele Heine, erhabene Punkte chagrinirt fein, was nicht auf unfere Art paßt. Im der Form und Größe ded Kopfes ftimmt der Soldat der Oecophthora mit der Atta megacephala Latr. (von Iles de France) überein, allein Latreille hätte ficher die eigen- thümliche, nadelriffige Sculptnr des Kopfes nicht überfehen, da aber weder die Befchreibung noch Abbildung diefe angibt, Fünnen wir unfere Urt nicht zu diefer ziehen, um fo mehr, da gejagt wird, das Weibchen fei nur wenig größer ald die Gefchlechtslofe, während der Unterjchied fo be= teächtlich if. Von diefer A. megacephala Latr. ift die gleinamige Ameife von Loſana (memoria della reale accademia di Torino B. 37. ©. 328) verfchieden und die Befchreibung dieſer in Piemont in Gärten vorfommenden Art, paßt in allen mwefentlihen Punkten auf den Soldaten der Madeirenjer-Ameife. Dagegen weicht die Befchreibung des Arbeiterd gänzlih ab, indem diefem ein herzformiger, großer Kopf gegeben wird. Auch müßte ed fehr auffallen, wenn Lofana nicht bemerft haben follte, daß der Kopf des Arbeiterd ganz glatt ift und dag Arbeiter und Solda- ten in conftanten, nicht nur in der Größe, fondern auch Kopfbildung verfchiedenen Formen auf- treten. — P 1. Das Weibchen. Fig. J., 4. Im natürlicher Größe. Fig. J., 2. Zehnmal vergrößert. Fig. I., 3. Von der Seite dargeftellt. Ganze Länge 3Y, Linie. Länge des Kopfes 34 Lin., Breite ebenfalld. Länge des Bruft- kaſtens 1 Lin., Breite 5 Lin. Länge des Hinterleibes 112 Lin., Breite faſt 1 Lin. Länge der Oberflügel 314, Lin., Breite 11/5 Linie, Der Kopf ift rundlidy und von der Breite des Bruftkaftend, fo lang wie breit, am Grunde mit einer fehr leichten Ausrandung. Die Augen find ziemlich Elein und aus wenigen Deellen gebildet. Die drei Nebenaugen find fehr deutlich und am Kopfgrunde in ein Dreied geftellt. Der Kopfſchild ift nicht von der Stirn abgefegt; unmittelbar über dem Munde leicht ausgeſchweift; dort am Rande mit einer Punktreihe verfehen. . Die Fühlerrinnen find nach vorn etwas Fonvergirend, fie find kurz, aber breit und tief, und zwar nach vorn zu fich erweiternd , dort ſteht die Stirnla- melle, die fonft flach ift, ftärfer hervor. Die Stirn zwifchen den Fühlerrinnen ift ziemlich breit und am Borderrande mit einem eingedrüdten dreiedigen, etwas glatteren Feldchen verfehen, das mit einem ſchwachen Mittelfiel verfehen ift. Die ganze Oberfeite des Kopfes ift von feinen, parallelen Längftreifen durchzogen, welche faft bis zum Kopfgrunde hinabreihen; in der Partie hinter den Augen find die Streifen ſchwächer, unregelmäßiger und zum Theil in Punkte aufgelöst. Die 4 Pe Oberlippe (Fig, 1., 4) ift ſehr Fein und hängt faft fenfrecht zwifchen die Oberfiefern herab; fie befteht aus zwei hornartigen Platten, einem fehr furzen, aber breiten Grundſtück und einem zwei— ten längeren, zugerundeten und vorn leicht ausgerandeten, äußeren Stüd. In der Mitte der Ausrandung fteht ein kleines Wärzchen. Die Lippe ift mit einer doppelten Reihe von feinen Börft- hen beſetzt, von denen die Eine innerhalb de8 Randes, die Andere aber am Rande felbft fteht; überdich ftehen zwei längere, ftärfere Borften auf der Mitte der Lippe. — Die Oberfiefern (Big. J., 5) find fehr ftarf und hornartig. Sie find auswärts verbreitert und beilförmig. Der Vorderrand ift gerade abgeftugt und vorn in einen ftarfen Zahn verlängert; diefer Vorderrand ift mit einer ſchmalen Hornleifte befegt, welche oben in einen furzen, wenig hervorftehenden Zahn auslauft. Dieje Leifte, welche, als die eigentliche Schneidefante, den Kiefer bildet, ift fehr ſcharf, aber ungezahnt. Der äußere Rand der Kiefer ift gerinnt, die Oberfläche dagegen glatt. — Die Unterkiefer ift viel kleiner. Der Stiel (stipes) ift pergamentartig und am Grunde verfchmälert, oben, ausgerandet; dort ift der äußerſt Heine, zweigliedrige palpus befeftigt. Er ift fo klein, daß er nicht bis zur Spitze der Lade hinaufreiht. Das erfte Glied ift cylindrifh, das zweite etwas länger und fpindelförmig in eine feine Spige auslaufend. Die Lade ragt ziemlich weit über den Stiel hinaus; fie befteht aus einem ftielformigen Grundftüd (Fig. IM., 5. b3) und einem gtö- Beren, häufigen, fehr zarten, oberen Stüd; dieß ift oben zugerundet und hier mit einem Kranz von Haaren verfehen,, weiter nach unten hört diefer Haarfranz auf und der Rand ift kahl und äußerft zart; hier läuft aber eine, aus äußerſt feinen Härchen gebildete, Haarleifte ſchief über die Fläche der Lade. Die Zunge ift fehr klein, von der Länge des Stipes der Unterkiefer; am Grunde fehr verfchmälert, außen verbreitert und ftumpf zugerundet. Die Zungenpalpen find zweigliedrig uud ſehr furz; das erfte Glied ift obkoniſch; das zweite fpindelfürmig und etwas länger. Diefes trägt zwei Borften. Das hornartige Kinn ift leicht ausgefchweift. Die Fühler find mäßig lang; das erſte Glied (der Schaft) reicht etwas über den Kopfrand hinaus und ift auswärts faum merf- lich verdidt. Die Geißel ift eilfgliedrig. Das erfte Glied derfelben ift etwa doppelt fo lang als die nächſtfolgenden fehr kurzen; diefe find alle von gleicher Dide. Die drei legten find beträchtlich größer, obwol nicht ſcharf von den übrigen abgefegt. "Sie haben zufammengenommen fait die Länge der 7 vorangehenden. Alle Glieder der Geifel find mit feinen Härchen beſetzt, befonders dicht die drei legten. Der Bruftfaften ift ziemlich groß. Der prothorax ijt fehr furz und von oben nicht wahrnehm— bar; am der Seite dagegen tritt die Seitenplatte (Fig. I., 3. a2) als ein ziemlich breites Stüd hervor; der mesothorax bildet die Hauptmaffe des Bruftfaftens (Fig. I., 3. b); Das mesonotum ift etwas größer ald der Kopf, oben ziemlich flach, faft freisrund, nur hinten abgeftugt und bier mit einem Quereindrud und einer Reihe von eingedrüdten Punkten verfehen. Jederfeits fteht hier ein Feines, ſchwarzes Knötchen. Die Oberfeite des Mittelrüdens ift faft glatt und nur mit einem ſchwachen Längsftreifen verfehen. Das Schildchen (Fig. I., 3. b2) lehnt ſich unmittelbar an den 3 £ — a Mittelrüden an; ift vorn gerade geſtutzt, hinten ſtumpf zugerundet. Die Seitenplatte des mittle— ren Bruſtringes iſt faſt von derſelben Größe, wie diejenige des vorderen und nimmt die Hüften der Mittelbeine auf. Des Hinterrückens erſtes Stück iſt äußerſt kurz (Fig. 1., 3. ci), das zweite Stück (fein scutellum Fig. 1., 3. e?) iſt zwar länger, aber auch klein und nad hinten zu ſtark verfhmälert. Auf dem Nüden ift e8 flach, jederfeits von einer hervorftchenden Kante begrenzt, auf welcher ein deutlich hervortretendes, ſchwarzes Dörnchen fteht. Die Beine find mäßig lang, mit großen, aber kurzen Hüften, Eleinen Schenkelringen und in der Mitte erweiterten Schenfeln. Das Schienbein ift beträchtlich Fürzer al der Schenkel. Das vordere Schienbein ift in der Mitte am didften; vorn an der innern Seite leicht ausgerundet ; dort ift ein beweglicher, verhältnißmäßig großer Hafen angebracht, welcher an feiner Innenfeite mit einem Hautrande befegt ift, der mit einer Reihe feiner, gerader Borften befest ift (Fig. L, 6. c), wodurd er ein famımförmiges Ausfehen erhält. Die Füße find lang und äußerſt zart und faden- fürmig. Das erfte Glied ift faft fo lang als das Schienbein, die folgenden viere dagegen fehr furz. Das fünfte ift auswärts verdidt und mit zwei gekrümmten, fehr fcharfen Klauen verfehen (Fig. J., 7), zwifchen welchen ein Hautlappen fißt. Das erfte Fußglied ift bei den vier hintern Beinen gerade, bei den vordern dagegen am Grunde fehr ftarf gefrümmt, welche Krümmung dem fammförmigen Hafen entjpricht,, welcher eine ähnliche Krümmung hat. Bemerfenswerth ift dabei, dag an den, dem Hafen entfprechenden Partien ded Fußes, derfelbe mit einem dichten, feinen Haarfilz bekleidet ift, während an den übrigen Stellen des Fußes diefe Haare länger und weniger dicht geftellt find. i Die Flügel reichen ziemlich weit über die Hinterleibsfpige hinaus. Die Borderflügel find um Grunde ftarf verfchmälert und erreichen ihre größte Breite bei dreiviertel Länge. Sie haben ein deutliches, ziemlich großes Stigma. Die Radialzelle vor demfelben ift offen, indem die vena sca- pularis nicht in den Rand ausmündet. CubitalsZellen find drei, von ähnlicher Form wie bei den Atten. Die innere Cubital= Zelle ift vieledig und unregelmäßig; fie fehließt fih an das Stigma an; die zweite ift auch gefchloffen, faft glodenförmig und geftielt; die Querader, welche fie von der dritten, offenen, großen EubitalsZelle trennt, fteht in Verbindung mit der Querader, welche die innere CubitalsZelle von der Radialzelle feheidet und vom Stigma ausgeht. Die innere Dis— coidalzelle iſt rhombiſch und ziemlich Elein ; die äußere Discoidalzelle dagegen fehr groß und offen. Die Area interno-media iſt in zwei Zellen abgetheilt, von denen die äußere offen ift, indem die Vena interno-media frei auslauft. — Die Hinterflügel find beträchtlich Eleiner als die vordern und die Vena scapularis verbindet fich ſchon bei 5 Flügellänge mit der Randader; die V. externo- media theilt fich jehr bald in zwei Gabeläfte, von denen der äußere durch ein kleines Queräderchen ſich mit der Schulterader verbindet, dann aber gegen die Flügelfpise hinlauft. Die V. interno- media iſt äußerft furz und mündet in die externo-media ein. Der Hinterleib befteht aus fechd Segmenten, von denen die zwei erften einen verhältnigmäßig — — langen Stiel bilden. Das erſte Segment desſelben iſt ſtark hornartig gekrümmt und keulenförmig. An der Inſertionsſtelle in den Thorax iſt es ganz dünn, oben aber verdickt. Dieſer dünne Stiel bedingt die große Beweglichkeit des Hinterleibes; richtet er ſich ſenkrecht auf, ſo ſchließt er ſich ſo feſt an den Metathorar an (ef. Fig. J., 2), daß man von oben nur feinen faſt viereckigen Kopf (d. 5. das obere Ende) fieht; ſenkt er ſich aber, fo entfernt fich fein Kopf um fo mehr vom Me- tathorar je fchiefere Lage er annimmt (cf. Fig. J., 3). Richtet fih der Stiel auf, wird der Hin- terleib in die Höhe gehoben, im andern Fall wird er fich fenfen. Das zweite Glied des Knöt— hend (das zweite Hinterleibfegment) ift viel breiter, aber viel kürzer, ſchief in das erfte ein- gefügt und von oben gefehen fronenförmig. Jederſeits ift es mit einem Fleinen Haarbüfchel ver fehen. Der Hinterleibsförper befteht au vier Segmenten und ift furz oval, etwas breiter als der Kopf, vorn und hinten ſtumpf zugerundet. Das erfte Segment, oder das dritte ded ganzen Hin— terleibes, ift das größte und hat diefelbe Länge, wie die folgenden drei zufammengenommen. Es ift glatt; nur auf dem Rüden mit einer ſchwachen Längslinie und am Hinterrande mit einer Punkt⸗ reihe und einem Haarkranz verſehen; die Oberſeite iſt ziemlich dicht mit feinen, kurzen Härchen be— ſetzt. Das zweite Segment iſt bedeutend kürzer, ganz glatt und kahl; nur am Hinterrande iſt ein ſchmaler Streiſen behaart und der Rand ſelbſt mit längern Haaren bewimpert; dieſelbe Bildung zeigt das dritte noch kürzere Segment; das vierte tritt nur ſehr wenig hervor. Die Farbe des Thieres ift ein glänzendes Braun. Der Kopf ift faftanienbraun, die vordere Partie heller, gelb=braun, der Rand des Schildes und der VBorderrand der Oberfiefern ſchwarz. Die Augen ſchwarz, die Nebenaugen weißlih. Der Mittelrüden ift von felber Farbe wie der Kopf; der Hinterrüden dagegen heller, gelb= braun; die Schienen und Schenkel find braun, die Füße nnd Fühler hellgelb. Der glänzende Hinterleib ift vorn heller, hinten fchwärzlich braun; «8 ift nemlich der Anfang des erften Segmente, zuweilen auch das erfte Segment und der vordere Theil des zweiten des Hinterleiblörpers gelbsbraun, die hinteren dagegen dunkelbraun oder ſchwärz— lich; das kleine legte aber wieder heller, gelb=braun. "Bei einzelnen Eremplaren ift übrigens der ganze Körper heller braun, ald bei der Mehrzahl. Die Flügel find glashell, weißlih, mit gelb- lichen Adern. 2. Das Männden. Big. I. zehnmal vergrößert, Wie früher erwähnt, fand ich nur ein einzelnes Eremplar und dasfelbe ift mir überdieß auf der Reife zerbrochen, fo daß nur Kopf und Bruftfaften voliftändig erhalten blieben. In der Fig. II., 4 ift der punktirte Theil (der Hinterleib) nur aus der Erinne— rung gezeichnet. Länge des Kopfes Y4 Linie, ded Bruftfaftens 55 Linie, Breite desfelben Y, Linie. Es ift viel Meiner ald das Weibchen; von der Länge des Soldaten und von kohlſchwarzer Farbe; nur die Beine find hellgelb, an denen indeß die Hüften und Schenfelringe auch ſchwarz Se DR iind. Der Kopf iſt klein und faft freisrund. Er hat kleine, faum wahrnehmbare Oberfiefern, dagegen find die Palpen etwas länger ald beim Weibchen. Der Kopf ift glatt und trägt auf der Stirn die genäherten Fühler. Diefe find lang, borftenartig und fiebenzehngliedrig. Das erfte Glied ift das dickſte; das zweite ift von derfelben Länge; ebenfo die nächften 7—8 Glieder; von da an werden fie aber allmälig fürzer und fehärfer von einander abgefest; man kann daher die legten fieben Glieder viel leichter von einander unterfcheiden, als die zehn erften. Alle Glieder (mit Ausnahme des erften und legten) find zylindrifh und dicht behaart. Der Bruſtkaſten ift bedeu- tend breiter als der Kopf, vorn ftumpf zugerundet; der Hinterrand des Mittelrüdend mit einer Reihe längliher Grübchen; das Schildchen fat dreiedig; der Rand ebenfalld mit eingedrüdten Punkten befegt; der Hinterleib oval. An den Flügeln ift die innere Discoidalzelle größer als beim Weibchen. Die Beine find zarter gebaut als beim Weibchen. Die Schenkel dünner, die Schienbeine verhältnigmäßig länger (Fig. II., 2). Der Hafen an der Borderfhiene (ef. Fig. IL., 3) ift anders geformt; er ift gefrümmt und an der Innenfeite zwar auch mit einer Borftenreihe ver- feben, die aber nicht an einem Hautlappen befefliget und nicht fammförmig zufammengeftellt find. Der Fuß ift viel fürzer ald beim Weibchen, das erfte Glied etwa von der Länge des zweiten und dritten zufammengenommen; zwei, drei und vier von gleicher Länge; das fünfte auswärts ver- didt und mit zwei fpißigen Klauen. 3. Der Wrbeiter. Fig. IV. - IV., 1: natürliche Größe; IV., 2; zehnmal vergrößert. Ganze Länge 1Ys Linie; Länge des Kopfes %s Lin., Breite ebenfalld; Länge des Bruftfa- jtend Y, Lin., des Hinterleibed 1, Lin. Der Kopf ift etwas größer ald der Hinterleib. Er ift ganz glänzend glatt und fahl. Die Infertiongftelle des Fühlers ift zwar auch durch eine ziemlich tiefe Furche bezeichnet und der Vor— derrand der Stirn ebenfalld mit einem Eindrud verfehen; dagegen fehlen die Streifen, die wir beim Weibchen, wie Soldaten auf dem Kopfe wahrnehmen, gänzlich. Die Oberkiefern (Fig. IV. 3) find verhältnigmäßig länger, aber am Grunde mehr verfchmälert, als beim Weibchen und Sol- daten und erhalten dadurch eine zierlichere Form; die zwei Zähne an der Spike find länger und viel fpigiger und der ganze Innenrand ift mit einer Reihe von Zähnchen befegt, deren Zahl zwi— ſchen 10 und 12 variirt. Diefe Zähnen find fehr regelmäßig geftellt und geben dem Kieferrand ein geſägtes Ausfehen. Die Zähne der beiden Kiefern greifen in einander und machen es und begreiflih, wie diefe Tleinen Thierchen fo bedeutende Laften mit ihren Kiefern zu halten und tra= gen vermögen. Die übrigen Mundtheile find gleich gebaut, wie beim Weibchen. — Die Fühler (Fig. IV., 4) find verhältnigmäßig viel länger als beim Weibchen und Soldaten; ihr Schaft veicht beträchtlich über den Kopfgrund hinaus; im Uebrigen aber find fie von derfelben Bildung. Die Nebenaugen fehlen. SUN Der Bruftfaften ift fehr fchmal. Der Vorderrüden (das Halsband) äußerft fein geförnt. Der Mittelrüden in der Mitte etwad erweitert; er ift ganz glatt und glänzend; das Schildchen dagegen und der Hinterrüden ift außerft fein (nur unter dem Mikroskop wahrnehmbar) geförnt; der legtere jederfeitd mit einem Dörnchen verfehen. ‚Die Beine find von gleicher Bildung, wie beim Weibchen, nur viel Fleiner (Fig. IV., 5. 7); fie haben äußerſt zart gebaute Füße, an welchen indeffen fcharfe Klauen und zwifchen denfelben ein Hautlappen zu fehen (Fig. IV., 6). Sie find fein behaart. Des Hinterleibsftieles zweited Glied ift verhältnigmäßig länger und ſchmäler als beim Weib- hen; der Hinterleibstörper fehr Elein und kurz oval. Das erſte Segment reiht etwa bis zur Hälfte des Körpers und ift noch viel größer ald das zweite. Der Kopf bald heller, bald dunkler braun; der Bruftfaften, Fühlerfchaft, Schenkel und Schie— nen hell, gelb-braun; Fühlergeiffel und Füße hellgelb. Der glänzende Hinterleib faftanienbraun, mit hellerem Grund und Spike. . 4 Der Soldat. Fig. III. 1: in natürlicher Größe; Fig. III., 2 und 3: zehnmal vergrößert. Ganze Länge 2 Linien; Länge des Kopfes %, Linie, Breite ſtark %s Lin. Länge des Bruſt— faftend 3/, Lin.; des Hinterleibes Y2 Linie, Breite ebenfalls. Unterfcheidet fich vom Arbeiter durch den doppelt fo großen, am Grunde ausgerandeten, ge— jtreiften Kopf, die kürzeren, ftärkeren Oberfiefern, deren Innenfeite nicht gezahnt ift und den et- was größeren SHinterleib. Der ſchwach behaarte Kopf ift von auffallender Größe und am Grunde viel tiefer audgerandet, als derjenige des Weibchens und dadurch faft herzfürmig. Eine tiefe Längsfurche durchzieht feine Mitte. Die Fühlerrinnen find ziemlich tief, befonderd an deren vorderen Ende und gegen die Stirn zu dur eine ziemlich ſtark hervorftehende Kante abgegrenzt. Die vordere Partie der Stirn hat einen ähnlichen, tiefen Eindrud, wie die ded Weibchens. Der Elypeus ift ſehr kurz und durch eine ſchwache Linie vom Kopf abgegrenzt. Die Oberfeite des Kopfes ift von feinen Längsftreifen durchzogen, wie der des Weibchens; diefe Streifen verwifchen ſich hinter der Mitte des Kopfes, fo daß das Hinterhaupt ganz glatt wird, Die Augen find klein und die Nebenaugen fehlen. Die Mundtheile find wie beim Weibchen und zwar auch die Oberfiefern, nur daß an der Schneide- fante ein paar ſehr kleine, ftumpfe, mit einer Borfte verfehene Zähnen ftehen (Fig. III., 4). — Die Fühler find wie beim Weibchen; der Schaft ift viel fürzer als der Kopf; die drei legten Glie- der (Fig. II. b) deutlich abgefegt. Der Bruftlaften hat eine ähnliche Bildung, wie beim Arbeiter, nur daß der Mittelrüden in der Mitte viel mehr erweitert ift und jederfeitd ein kleines, mit einer Borjte verfehenes Härchen trägt, in welcher Bildung er fi von dem des Weibchend, wie ded Arbeiters auszeichnet. Das — — Schildchen iſt faſt viereckig; das hintere Stück des Metanotum jederſeits mit einem ſpitzigen Dörnchen bewaffnet und in der Mitte mit einer Längrinne verſehen. Der ganze Bruſtkaſten iſt mit einzelnen Härchen beſtreut. Die Beine ſind größer, als beim Arbeiter; ſonſt von derſelben Bildung. Der Hinterleib iſt viel kleiner als der Kopf. Das erſte Glied des Stieles iſt in einen mehr hervorſtehenden, ſchuppenförmigen, mit einem Haarbüſchel verſehenen Höcker vergrößert, als beim Arbeiter; das zweite Glied dagegen iſt kürzer und dicker, als bei dieſem und nähert ſich in der Form demjenigen des Weibchens. Das erſte Segment des Hinterleibskörpers iſt das größte, das zweite wohl von ſelber Breite, aber kürzer; das dritte hinten zugerundet; das vierte iſt ſehr klein und faſt in das vorige zurückgezogen. Er iſt ganz glatt und glänzend, mit feinen Borſten ſpar— ſam beſtreut, welche am Hinterrande jedes Segmentes länger und näher zuſammengeſtellt ſind. Der Kopf iſt bald heller, bald dunkler braun, auf der Unterſeite immer heller als auf der oberen. Der Rand des Clypeus und der Vorderrand der Oberkiefern ſchwarz; die Fühler und Beine ſind hellgelb; der Bruſtkaſten und Hinterleibsſtiel etwas heller braun als der Kopf; der Hin— terleib am Grund und Spitze von derſelben Farbe; das zweite und dritte Segment dagegen ſchwarz— braun. Zuweilen dehnt fih das Schwarzbraun weiter, auch über den Hinterrand des erften Seg- mentes aus; noch häufiger aber tritt e8 mehr zurüd, fo daß ed nur ein dunkles Band über den Hinterrand des zweiten Segmentes und das dritte Segment bildet. I. Schlußbetradtung. Vergleichen wir dieſe viererlei Individuen, welche den Ameifenftod von Decophthora bilden, mit einander, werden wir finden, daß das Männchen gänzlich dur die Bildung des Kopfes von den übrigen abweicht. Weibchen, Soldat und Arbeiter ftehen fich in der Bildung der Mundtheile, der Beine und der gleichen Zahl der Hinterleibsringe näher; doch weicht der Arbeiter nicht allein durch feine fo viel geringere Größe, fondern auch durd feinen glatten Kopf, fügeförmig gezahnten Ober- fiefern, andere Bildung der Bruft, die mit dem Flügelmangel zufammenhängt, wie das zweite Glied des Hinterleibsftieled fehr vom Weibchen ab; in der Größe und Oberfieferbildung und ges ftreiften Kopf bildet der Soldat ein Mittelglied zwifchen Weibchen und Arbeiter; anderfeit3 aber weicht er wieder durch feinen fo überaus großen, faft herzfürmigen Kopf und durch die Form des Mittelrudend von beiden fehr ab und befommt dadurch eine ganz eigenthümliche Tracht. Diefe For- men find ganz fcharf ausgefchieden und unter den unzähligen Stüden, die ich von diefer Ameife gefehen.habe, ift mir nie ein Zwifchenglied zwifchen Arbeiter und Soldat vorgefommen. Bei der ara —— Atta capitata Latr., die ich in großer Menge am Quadalquivier bei Sevilla, wie noch an vielen andern Orten Spaniens beobachtet habe, kommen auch kleinköpfige Arbeiter und großköpfige Sol— daten vor; zwiſchen dieſen finden wir aber Uebergangsformen, was bei der Oecophthora nie der Fall ift. Daß die Soldaten nit etwa aus andern Neftern geraubte Knechte find (welches Ver— hältniß bekanntlich bei den AmazonensAmeifen vorfümmt), zeigt ebenfowol ihr ganz Fonftantes Borfommen im Puppen und vollfommenem Zuftand in den Neftern der Decophthoren, während fie nie allein fich finden, wie die Uebereinftimmung in allen wefentlichen Organen (in Mundtbeilen , Fühler und Beinen) mit dem Arbeiter und dem Weibchen. So fiharf gefchieden, wie bei der Oecophthora find die zwei Formen der Gefchlechtslofen anderweitig noch nicht beobachtet worden. Es ſcheint aber ein ähnliches DVerhältnig noch bei vielen Arten füdlicher Länder vorzufommen, nur ift dasfelbe gewöhnlich nicht richtig aufgefaßt worden. Wir haben oben geſehen, daß bei der Zug= und Treiber= Ameife zwei Formen von Geſchlechtsloſen gefunden worden und ebenfo bei der Atta capitata Latr., die man nicht als Varietäten betrachten darf, fondern ald Formen ‚ı von de= nen jede eine befondere, ihr eigenthümliche Stellung im Haushalt der Ameifen erhalten hat. Aber aud bei manchen unferer AmeifensArten zeigt eine aufmerfjame Betrachtung zwei Formen von Ar— beitern, fo 5. B. bei der Formica herculeana L. und F. pubescens F., nur daß die Unterfchiede nicht fo augenfällig find, wie bei den oben angeführten Arten. Und dasfelbe findet bei den Ho— nigbienen ftatt, indem in demfelben Stode Fleinere und etwas größere Arbeiter vorfommen, von welchen, nach Huber, die erfteren die Brut beforgen , die leßteren aber das Wachs erzeugen. Gegenwärtig nimmt man allgemein an, daß die gefchlechtslofen Individuen, die wir bei al- len Inſektenarten finden, welde in größeren Familien beifammen leben, nicht zur vollen Entwid- lung gefommene Weibchen feien und wurde zu diefer Anficht vorzüglich durch die Wehnlichfeit der Arbeitsbienen mit den weiblichen (den fogenannten Königinnen) geführt, wie durch den Umftand, dag man aus einigen, mit den Bienen vorgenommenen Manipulationen gefchloffen hat, daf fie in manden Fällen aus Arbeitsbieneneiern Königinnen erziehen fonnen. Wenn nämlich ei- nem weifellofen Stode mit Eiern verfehene Waben aus einem andern Stode eingeſetzt werden, fo fann er zuweilen aus derfelben fich eine neue Königinn brüten ; jedoch gelingt diefes keines— wegs immer, und ich felbft habe diefes Mittel ein paar Male bei meinen Bienenftöden ohne allen Erfolg angewendet, was zeigen dürfte, daß eben nicht aus allen Eiern, die in Arbeiterzellen liegen, Käniginnen erzogen werden können. Bei den Bienen ift allerdings der Arbeiter der Kö— niginn fehr ähnlich, allein bei den Ameiſen ift denn doch der Unterfchied fehr groß; nicht nur find bier die Weibchen viel größer und find geflügelt, fondern haben einen wefentlich verfihieden gebauten Bruftfaften, fo daß es mir rein unbegreiflic vorfommt, wie allein die Ernährungs- weife fo verfchiedenartige Individuen bedingen follte und es alfo von den Arbeitern abhangen würde, ob aus einem Gie ein Weibchen oder ein Arbeiter werden fol. Noch fehwieriger wird aber die Erklärung durch das Auftreten einer zweiten Form von Geſchlechtsloſen, die wieder fo ſehr vom Weibchen, wie dem Arbeiter abweicht. Hier müßten wir alſo annehmen, daß die Ameiſen ein Mittel beſitzen, um aus den einen Eiern Arbeiter, aus den andern aber Soldaten zu erziehen: was uns ſehr unwahrſcheinlich vorkommt. Wir ſind daher wohl genöthigt, die Weib- chen, Arbeiter und Soldaten nicht der Erziehungskunſt der Ameifen, fondern einer urfprünglichen- Berfchiedenheit zuzufchreiben und fomit anzunehmen, daß nicht allein bei den weiblichen und männ— lichen Individuen, fondern auch bei den Arbeitern und Soldaten die Verfihiedenheit eine ange— borne fei. Dafür dürfte auch der Umftand fprehen, daß man ſchon Zwitter zwiſchen Arbeiter und Männhen (cf. Entomologifche Zeit. 1851. ©. 295) gefunden hat, bei welchen die eine Hälfte genau das Männchen, die andere Hälfte den Arbeiter darftellt, ganz ähnlich den Inſekten— zwittern zwifchen Weibchen und Männchen. Wären die Gefhlehtslofen unausgebildete Weibchen, konnten wir nicht folche Zwitter erhalten, wohl müßten aber öfter Uebergangsformen zwifchen Geſchlechtsloſen und Weibchen vorkommen, was indeffen nicht der Fall tft. Ich weiß wohl, daß gegen diefe Anficht eingewendet werden kann, daß in der Thierwelt aus der Mutter nur zweierlei Eonftant verfehiedene Individuen (die Männchen und Weibchen) hervorgehen, auf welche alle übri= gen Abweichungen zurüdgeführt werden können. Allein es darf hier an den Generationswechſel erinnert werden, welcher bi in die Klaffe der Infekten hinaufreicht (bei den Blattläufen uud der Pfychidengattung Talaeporia) und daß bei diefem ebenfalld zunächſt aus der Mutter Individuen hervorkommen, welche von den Gefchlechtigen ganz verſchieden find (die fogenannten Ammen). Mit diefen find die gefihlechtlofen Ameifen zu vergleichen, von denen fie indeffen wieder Dadurch abmweihen, daß fie niemald neue Individuen hervorzubringen vermögen. Erklärung der Tafel. Sie ftellt die vier verfehiedenen Formen der Oecophthora pusilla dar. Fig. l. Das Weibchen. 1. In natürlicher Größe. 2. Zehnmal vergrößert. 3. Die Seiten: anfiht. at, Das Pronotum. a?. Die Seitenplatte der Vorderbruſt. bi. Der Mittelrüden. b2. Das Schildchen. b3. Die Seitenplatte der Mittelbruft. ct. Des Hinterrückens erfte Partie. c?. Desjelben hintere Partie mit dem Dörnchen. d. Das erite Glied des Hinterleibsitieles. e. Das zweite Glied des— felben. 4. Dberlippe. 5. Oberkiefer. 6. Vorderbein. b. Schiene. c. Der Fammförmige Hafen. d. Fußglieder. 7. Fußklauen. Fig. I. Das Männden 1. Zehnmal vergrößert. 2. Vorberfchiene mit Fuß. 3. Sein Ha— fen noch mehr vergrößert. Fig. IT. Der Soldat. 1. Natürliche Größe. 2. Zehnmal vergrößert. 3. Seitenanſicht, in der Stellung, wie er ein Stud Fleiſch zerfchrotet. 4. Oberklefer. 5. Die übrigen Mundtheile. a Das Kinn. b. Die Unterkiefer. bt, Der Stives. b?. Der Palpus. b3. Die Lade. cl. Die Zunge. c2. Die Zungenpalpe. 6. Die vier legten Fühlerglieder. Fig. IV. Der Arbeiter. 1. Natürliche Größe. 2. Zchnmal vergrößert. 3. Die Oberklefer 4. Der Fühler. 5. Das Vorderbein. 6. Das Klauenglied desfelben. 7. Das Mittelbein. rn en ee De h — NS upue Se sus / eo ch Y 8 um o ul Not 0 60 \ Il | \| \ I | | I. \ N ı Fe 1 ra la 100° 90° 0 N) Du = Du — — An die Zürcherifche Jugend auf das Jahr 1853. Bon der Waturforfchenden Gefellichaft. LV. Stüd. Moon Der botanifche Garten zu Zürich. Im Mittelalter waren mit den Kloftergärten gewöhnlich Eleine Anlagen verbunden, in wel- hen Heilpflanzen angebaut wurden. Der Bauplan des Klofterd St. Gallen vom Jahr 820 zeigt und neben dem Krankenhaus und der Wohnung des Arztes einen foldhen Garten (Herbu- larius im Plane genannt), in welchem in 16 Beeten Lilien, Salbei, Münzen, römifcher Küm— mel, Rauten, Rosmarin, Foenum graecum, Schwertlilien, Liebftödel, Fenchel, Saturei umd Roſen fultiviert werden follten, Aus diefen, rein für medicinifche Zwede beftimmten Anftalten, entwidelten fich die botanifchen Gärten, die aber erſt entftehen konnten, als man die Pflanzen— welt auch wiffenfchaftlich zu erforfhen anfing. Schon im Elaffifchen Altertbume finden wir zwar die erſten Keime einer wiffenfchaftlichen Betrachtung der Natur, doch lagen dieſe während des ganzen Mittelalters in wenigen Manuſcripten vergraben. Erſt zur Zeit der Reformation wurden ſie aus dem Schutte, in dem ſie während vielen Jahrhunderten verſunken waren, wie— der hervorgezogen und bildeten ein geiſtiges Ferment, das auch auf dieſem Gebiete neues Leben erzeugte. Zu den Männern, welche die Naturwiſſenſchaften aus dem langen Schlafe wieder aufweck— ten, gehört voraus Konrad Geßner (geb. 26. März 1516), welcher unſtreitig unter den Refor— matoren der Naturwiffenfchaft die erſte Stelle einnimmt. Ausgerüftet mit einer ſtaunenswerthen Kennt— niß der griechifchen und römifchen Literatur, brachte er das, was die Klaffiker über die Pflanzen und Thiere ausgemittelt, zur Kenntniß feiner Zeitgenoffen, hat aber zugleich mit bewunderungs- werthem Fleiße auch felbit aus dem ewig frifchen Quell der Natur gejchöpft. Schon ald Knabe re er bat er den Garten feines Groß-Oheims (des Kaplar Joh. Frid) felbft beforgt und fich mit allen Pflanzen defjelben befannt gemacht *), als Jüngling — von Laufanne aus (wohin er m feinem 24ften Jahre als Profefjor der griechifchen Sprache berufen wurde), das MWandtland und Wallis bereist und die botanifhen Schäge diefer Gegenden gefammelt, wie fpäter, in Gefell- fchaft von Rauwolf, von Monpellier aus, wo er Medicin ftudierte, die des füdlichen Franf- reich. Nach Zürih (im J. 1541) zurüdgefehrt, machte er, trotz feiner fehr bedrängten Vermö— gensumftände, Neifen nach Oberitalien und in unfere Alpen und legte einen Garten an, in welchen er die dort gefammelten Pflanzen verfegte, unterhielt ferner Zeichner und Holzjchneider und ließ über 1000 Abbildungen **) von Pflanzen fertigen, welche feinem großen botanijchen Werke beigegeben werden follten. In feinem Werke über die deutfchen Gärten ***), in weldhem die verfehiedenartigiten Gar- tenanlagen vom Gemüfegarten an bis zu den Prunfgärten und Parfs der Fürften und Reichen gefchildert werden, werden zum erften Mal die botanifchen Gärten in ihrer wahren Bedeutung aufgefaßt, von den andern Gärten unterfohieden, und als ſolche Anftalten bezeichnet, in wel— hen nicht allein Arzneipflanzen, fondern auch andere, vorzüglich feltene Gewächfe, wegen der Betrahtung und Bewunderung der Natur angebaut werden. Welch’ hohen Werth Geßner auf diefe Gärten legte, jehen wir aus feinem Sihreiben an die Obrigfeit, worin er fie dringend um Anlegung eines folhen bat. Da er nicht vorausfegen fonnte, daß Burgermeifter und Räthe zu wiffenfchaftlihen Zweden eine ſolche Anlage gründen werden, hebt er bejonders hervor, wie ein folcher Garten „zu Ehr und Luft der Stadt dienen würde, dag man auch fremde Leute darein führen könnte und jeder unfer gnädigen Herren, welcher da wollte, zu jeder Zeit darin fpazieren und fich beluftigen möchte. Er würde darin den gnädigen Herrn allerlei Bäume und Gewächs infonders fremde und die fonft nicht wohl anzubauen, luſtig und fruchtbar zweygen und pflanzen laffen. Soldye öffentlichen Gärten dienen nicht allein zur Luft und Zierd, fondern auch zu Nus und Wohlkommen der Kranken, daß man zu jeder Zeit etliche Stüde von Früchten, Kräuter, Samen, Blumen und Wurzeln, die fonft nicht wohl mögen fortfommen, als an ſolchen wohlgelegenen Orten, gut und frifch möge haben.” Wir fehen, daß diefe Anftalt, deren Beforgung dem jeweiligen Stadtarzt übertragen werden follte, einen botanifhen und medicinifhen Garten darftellen ſollte. — Seine Bitte . wurde zwar nicht gewährt, allein feine eigenen Gärten und die feiner Freunde Peter Hafner *) Siehe die Vorrede zum Catalogus plantarum. Tigur. 1542. ©. 1 und 2. *) In feinem Nachlaffe (cf. Histor. plantar. I. 53) fanden fich gegen 1600 Abbildungen, von welchen eirca 500 ihm von Freunden zugefandt waren. **) Horti Germaniae 1560. Pe en (Petrus Figulus) und J. Jakob Klaufer mußten ihm diefe Lüde füllen. Seinen fleinen Garten, den er bald nach feiner Rückkehr nah Zürich fich angelegt hatte, hatte er zwar aus Armuth wieder verfaufen müßen, als er aber im 3. 1558 durch Uebertragung einer Chorherrn- ftelle in eine günftigere, äußere Lage verfegt wurde, unterhielt er zwei Gärten, von welchen der eine ohne Zweifel bei feiner Wohnung an der Kirchgaffe (im rothen Adler) lag *). Sein vorhin genanntes Werk über die deutfchen Gärten enthält ein vollftändiges Verzeichniß der Pflan- zen diefer Gärten, welches und ein intereffantes Bild von der Pflanzenfultur fowohl, als dem Zuftand der Pflanzenkenntniß damaliger Zeit giebt. Wir erbliden in diefen älteften botanifchen Gärten Zürichs von intereffanteren Gewächſen: die Tabadspflanze **), die in jener Zeit aus Amerika eingeführt worden war; außer den gewöhnlichen weißen und rothen Roſen auch die Damaszener Roſe, welche etwa 30 Jahre vorher zuerft nach Spanien gefommen war, und die er aus dem Fuggerfchen Garten zu Augsburg erhielt ; gefüllte Veilchen und violetted Sinngrün, die er zuerft von Laufanne nach Zürich gebracht hatte, Fleine und große indianifche Nelfen (Ta- getes patula und erecta L.), die beim Heereszuge Carl V nah Tunis zuerft nach Eu— ropa famen und die daher auch Tunis = Blumen genannt wurden. Daneben finden fih Nar- eiffen und Lilien, Gichtrofen und Mohnarten (doch nur ungefüllte), Winterviolen (Hesperis), Balfaminen und verfchiedenfarbige Nelken, nebft blauen, gelben und weißen Eifenhüten. Auch die gefüllten Afeleien und Galthen, die Aurifeln und Maienrifle hatte fhon Geßner in feinem ) Sn einem Briefe an Obrecht (Epist. med. IH. 115) vom März 1560 erzählt er ihm, daß er in diefem Jahr einen neuen, großen Garten angelegt habe, und ladet ihn ein nach Zürich zu fommen , um ihn zu fehen. Freilich feien das weniger günftige Klima, feine verfchiedenartigen Be: fchäftigungen ‚ die Kränflichfeit feiner Frau und fo manches Andere ihm hinderlich. *) Gefner hatte nur die Nicotiana rustica L. (S. Historia plantarum II ©. 8); von Nie. Tabaccum L. aber erhielt er die Blüthen von Aretius und ein Blatt von feinem Freunde Deco von Augsburg und ftellte damit (1565) die erſten NRauchverfuche in Zürich an. Er legte nemlich, da er gelefen, daß die Eingebornen Amerifas ven Rauch diefer Blätter einfaugen, Stüde des zerriebenen Blattes auf glühende Kohlen und zog durch einen darüber gehaltenen Trichter den Rauch in Mund und Nafe auf. Gr bemerft, daß er eine wunderbare Kraft habe eine Art Schwindel und Berau- fchung zu bewirfen. Daffelbe fei der Fall, wenn man das Blatt zerfaue, er fei davon wie beraufcht worden und habe einen Schwindel befommen, wie wenn man zu Schiff einen Fluß binabfahre. ©. Epist. med. II ©. 79 b. und II. ©. 113 b. Der franzöfifche Gefandte Johannes Nicot hatte 1560 die erſten Tabad-Samen an die Königin Katharina von Medicis nach Franfreich gefchidt. — Die Tulve hatte Gefner noch nicht in feinem Garten; Occo aber hatte ihm (1565) Zwiebeln aus dem Fuggerfchen Garten verforochen (cf. Epist. med. II. 80). Gefner hatte fie zuerſt 1559 im Garten des 3. H. Herwart in Augsburg gefehen und in einer befondern Abhandlung (de Tulipa Turcarum) befchrieben und abgebildet. Sie war damals von Gonftantinopel nach Augsburg ges fommen. Sie trägt jest Geßners Namen (Tulipa Gessneriana L). — — Garten, wie auch er ſchon den Jasmin und den Schneeball als beſonders ſchöne Pflanzen an— empfiehlt. Die weißen und blauen gefüllten Leberblümli (Anemone hepatica L.) erhielt er von Galceoları aus Verona, die Chriftwurz aber vom Comerſee. Bom Zwetfchgenbaum , der da= mals aus Ungarn in unfere Gegenden fam, hat er zwar nur ein kleines Bäumchen, ein größe res aber ein anderer Bürger, wie denn auch vom Pfirfich eine Sorte mit größern Früchten aus Italien angelangt war. Bon feinem Freunde Dalechamp in Lyon hatte er erfahren, daß ein Maure Cataloniend eine neue Wurzel in Kultur gebracht habe; er erhält einige Stüde und zieht fie in feinem Garten. Es ift dieß die erſte fpanifche Scorzonera (Schwarzwurz), die nach Zürich Fam, wo fie jegt vielfach als Gemüfepflanze fultiviert wird. Mit befonderer Liebhaberei pflegte K. Geßner in feinem Garten die Pflanzen der Alpen, die zu befteigen immer feine höchſte Luft war. „Schon die Anftrengung der Reife”, jagt er in feinem Werke über die Milchwirthſchaft *), „ein von allen Sorgen der Berufsgeſchäfte freier Geift, ift ein großer Gewinn. Dazu fommt die reine Bergluft, die und überall umftrömt und deren Einathmen eben jo erfrifchend als belebend if. Der Sinn des Geſichts wird durch die mannigfaltigfte Abwechslung exheitert und genährt. In der Nähe Pflanzen, die durd den leb— haften Farbenſchmuck und die zarteften Bildungen ſich auszeichnen, in der Ferne die wunder baren Geftalten der Berge, die fpiegelnde Fläche der Seen, der fhlängelnde Lauf der Flüffe, die reichen, wohlangebauten, mit Städten, Dörfern, Weilern gefhmüdten Ebenen, oder die mit Hirtenwohnungen überfäeten, mit weidenden Herden belebten, grasreichen Alpen. Das Ohr vernimmt bald den anmuthigen Gefang der Vögel und bald erfüllt und gerade die tiefe, durch feinen noch fo leifen Laut unterbrochene Stille mit heiligem Schauer. Ueberall umduften uns Wohlgerüche, denn felbit die Pflanzen, welche im tieferen Thale feinen Geruch haben, hauchen auf Alpenhöhen zarte, gewürzhafte Düfte aus und in diefer reinen Luft ift auch jeder Singen— genuß reiner, feiner und edler. Das kalte Waffer erfrifht den ganzen Körper, die balſamiſche Milch, ftärkt und erfreut und der durch die Anftrengung des Bergfteigens erregte Hunger macht das einfache Mahl in der Hütte des Alpenhirten zur Götterfpeife.“ Bon diefen Alpenreifen brachte er eine Menge lebender Pflanzen mit, die er in feinen Gar- ten verfegte, lieh aber auch durch Studierende, die er in die Alpen und bis in den Zefjin fandte, fih Pflanzen fommen und überdieß übermachten ihm feine Freunde: der Stadtpfarrer Fabricius in Chur, Benedikt Marti (genannt Aretius) von Bern, der Reformator des Kantons Glarus Fridolin Brunner, der Apotheker Caſpar Eollin von Sitten u.a. m. jeltene Gewähfe aus den Alpen. Er befchwert ſich zwar, daß fie ſehr ſchwer aufzuziehen feien und leicht wieder ausgehen, doch finden wir 50 Arten, ald in feinem Garten wachſend, *) Wir geben diefe Stelle in der Weberfegung Hannhardt’s in feiner Biographie K. Geß— ners. ©. 9. verzeichnet, und dabei mancherlei Bemerkungen über ihre Kultur, die um fo intereffanter find, da niemand voran diefelbe verfucht hatte.. Wie fein Garten an der Kirchgaffe der erfte botani⸗ ſche Garten in der Schweiz war, ſo war ſeine Alpenpflanzen-Anlage die erſte Europas *). Gewächshäuſer und Treibbeeten kannte man damals noch nicht, doch hatte er, als er Chor— herr geworden, ein großes Zimmer zu einem Muſeum'einrichten laſſen. Es war dieß mit 15 Fenſter— ſcheiben **) geſchmückt, in welchen in ſchönſten Glasmalereien Meer- und Süßwaſſerfiſche darge— ſtellt waren, und enthielt nicht allein ſeine Sammlung von Pflanzen- und Thierbildern, ſondern auch ſeine Herbarien und eine Zahl von Topfpflanzen. Neben der Thüre ſtand die indianiſche Feige (Opuntia Ficus-indica), welche nicht lange voran erſt aus Amerika nach Europa gekom— men war; aber auch die Aloe und Myrte ***), die er von Galceolari erhalten, ein Lor— beer= und ein Dleander (Rhododaphne G.), den ihm Curio in Bafel gefchenft hatte, wie *) Wir geben hier das DVerzeichniß diefer Alpenpflanzen,, das theild aus dem Werk über die deutfchen Gärten, theils feiner Historia plantarum zufammengetragen ift. Die Namen, unter denen fie bei Geßner vorfommen, find in Klammern eingefchlofen. Die richtige Deutung mancher Arten ift Schwierig, und es mußten einige ausgelaffen werden, weil mir diefelbe nicht gelungen ift. Dentaria polyphylla L. (Saxifraga montana @.). Potentilla aurea L. (Pentaphyllum G.). P. caulescens L. (Pentaphyllum petraeum G.). Saxifraga rotundifolia L. (Sanicula alpina 6.) ; Saxif. caesia L. (Sedum minimum G.); Saxif. muscoides Wulf. (Moschatella alpina G.); Saxif. euneifolia L. (Cotyledon mas. G.); Saxif. excavata Kunze (Cotyledon femina. Histor. plantar. p. ); Saxif. stellaris L. (Sedulum alpinum quartum G.); Saxif. aizoides L. (die gelbe Form als Sedulum montanum femina, die orangefarbene als mas.); Saxif. aizoon L. (Aizoum serratum G.); Saxif. Cotyledon L.; Saxif. oppositifolia L. (schöne blaue Bergblümli Hist. plant. 26). Sempervivum tectorum L. (Semperv. vulgare G.). Draba aizöides L. (Sedu- lum parvum G.). Gentiana lutea L. (G. major 6.); G. bavarica L. (Gent. alpina minima G.); G. acaulis L. Crocus vernus L. (C. montanus G.). Meum mutellina L. (Mutellina G.). Linaria alpina Dec. (Linaria G. Hort. germ. p. 265). Artemisia mutellina L. (Absinthium alpinum G.). Achillea moschata L. (Iva G.). Seneeio Doronicum L. (Doronicum 6.); cor- difolius L. Arnica montana (Caltha alpina G.). u. A. scorpioides L. (Doronicum G.). Cen- taurea montana L. Eryngium alpinum L. (Edler Distel G.). Valeriana celtica L. Delphi- nium intermedium. Aconitum Anthora, Lycoctonum u. Napellus L. Trollius europaeus L. Convallaria vertieillata L. (Polygonatum erectum G.). Ranunculus alpestris und aconitifo- lius L. (R. chamoeplatanus @.). Rhododendron ferrugineum L. (Ledum alpinum G. Hühner- laub. Alprose). Viola heterophylla (Viola fruticosa G. vom Mt. Baldo). Nigritella angusti- folia Rich. (Satyrium basilicum alpinum G.). Allium victorale L. Rumex alpinus I. (Lapathum rotundum G.). Alchemilla alpina L. (Argentaria petraea G.). Primula auricula, viscosa Vill. farinosa L. (Arthritica G.). Imperatoria Ostruthium L. Lonicera alpigena L. (Chamaecerus @.); L. nigra L. (Periclymenum alpinum nigrum G.); L coerulea L. *) Bol. Geßners Brief an Obrecht, Kpist. med. U. 115. und an Kentmann ©. 315. **) Orangen- und Gitronenbäume hatte zwar Geßner nicht, wohl aber fein Freund der Statt- — Levcojen (ſchon damals Straßburger Nägeli genannt), und Tauſendſchönchen, find da aufges ftellt. Welchen Werth er auf folhe feltene Pflanzen legte, zeigt die Sendung eines eigenen Boten an feinen Freund, den Apothefer Franz Galceolari*) nad Verona ‚ um Pflanzen von ihm zu holen, und welche Freude ihm. diefe Sammlungen gewährten, beweist der Umftand, daß er in der lebten Nacht, als er das Herannahen des Todes fühlte, in feinem Mufeum ein Bett auffchlagen und ſich dahin führen ließ, um fo, umgeben von feinen Naturfhägen, denen er feine fehönften Lebensgenüffe verdanfte, den Tod zu erwarten. Die reihen Pflanzenfhäße, welhe Geßner in Zürich verfammelt hatte, giengen nad feinem frühen (am 13. Dec 1565 erfolgten) Tode bald wieder verloren, nicht einmal feine foft- bare Sammlung von Pflanzenbildern und Befchreibungen,, die er für fein Werk während vie len Jahren zufammengebracht, und für die er noch auf feinem Todbette zu forgen bemüht war, wurde der Stadt erhalten, da man diefe Gegenftände nicht zu würdigen verftand *). K. Geß— ner war ein hellleuchtender Stern am naturhiftorifchen Himmel Zürich, der damals über ganz Europa feine Strahlen verbreitete; wie er ausloſch, trat hier für längere Zeit wieder Nacht ein. Im folgenden Jahrkundert finden wir zwar in Zürich wieder drei Männer in diefer Rich- tung thätig, Dr. Johannes von Muralt (geb. 1645 geft. 1733) und befonders die Brü— der Joh. Jakob und Johannes Scheu zer (eriterer geb. 1672 geft. 1733, letzterer geb. 1684 geft. 1738), von welchen 3. Jak. Scheuchzer an Umfang naturhiftorifchen Wiffens K. Geßner nahe fam. Allein es wurde fein Verſuch gemacht, einen Garten in K. Geßners halter Funk, welcher folde in 15 Jahren aus Samen bis zu einer Höhe von 5 Ellen gezogen hatte und zeitweife von ihnen Früchte erhielt (cf. Hort. germ. p. 254.) Geßner übermachte einige diefer Früchte dem Antiftes Bullinger mit einem niedlichen lateinifchen Gedichte, das in den von Molf herausgegebenen Briefen Geßners abgedrudt ift. *) Bol. Hort. Germ. ©. 288. Calceolari legte den erften botanifchen Garten in Verona an und befchrieb die Pflanzen des Monte Baldo. Ihm iſt die jest fo allbefannte Gattung Calceo- laria gewidmet. *) Sie famen um 150 fl. an Gamerarius nach Nürnberg und wurden erſt 200 Jahre nach Geßners Tod von dem Erlanger Profeſſor Schmiedel herausgegeben. Hätte Geßner dieß Werf, wel— chem er die lebten Jahre feines Lebens fait ausfchließlich gewidmet hatte, nach dem trefflichen Plane, den er dazu entworfen, ſelbſt vollenden Fönnen, würde er der größte Beförderer der Pflanzenkenntniß feiner Zeit geworden fein. Seine Bilder übertreffen weit die feiner Zeitgenofien, und zeichnen fich nament- lich durch beigegebene Analyfen der Früchte und Blumen aus, feine Befchreibungen und mannigfachen Notizen liest man auch jebt noch mit Intereſſe. Und doch waren dieß nur Materialien, aus welchen er feine Historia plantarum bearbeiten wollte. Daraus erflärt fih uns zum Theil die Unbeftimmt- heit mancher feiner Namen und daß fo oft Pflanzen derfelben Gattung unter verfehiedenen Gattungs- namen angeführt werden, denn Geßner fannte den Gattungsbegriff und es gehört gerade zu feinen größten Verdienſten um die Wifjenfchaft, daß er ſolche Gattungsnamen einzuführen fuchte. Wäre — — Sinn *) zu gründen. Dieß gefchah erſt durch Scheuchzers Nachfolger Johannnes Geß— ner. Es war eine der erften Aufgaben der durch ihn im 3. 1746 geftifteten naturforfchenden Gefellfchaft, einen botanifchen Garten ing Leben zu rufen. Um die Mittel dazu zu erhalten wurde 1748 eine Geld-Lotterie veranftaltet, und freiwillige Beiträge bei den Mitgliedern gefammglt, wodurd das Unternehmen in furzer Zeit öfonomifch gefichert war. Im September 1748 wurde ein 22,400 Duadratfuß haltendes Grundftüd bei der Rahnifchen Färberei (jegt Hrn. Zeller in der Walche gehörig) auf mehrere Jahre gepach- tet und eine botanifche Kommiffion beftellt, welche unter der umfichtigen Leitung des Stifters der Gefellfchaft daffelbe in einen botanifchen Garten- verwandelte. Die frautartigen Pflanzen wurden nah dem Syſteme Linne’3 geordnet, die Bäume und Sträucher aber in befonderen Gruppen gepflanzt. Gin Gartenhaus war dazu beftimmt, die Topfpflanzen über den Winter aufzunehmen. Die erftien Ausfaaten wurden mit Sämereien gemacht, welche der berühmte Na— turforfcher 3. Georg Gmelin von feinen Reifen aus Sibirien mitgebracht und feinem Freunde Geßner gefandt hatte; aber auch der Gartendireftor Gleditfch **) in Berlin, wie viele Gar- tenbefiger von Zürich unterftügten die junge Anftalt durch Ueberfendung von feltenen Pflanzen, fo daß er nach furzer Zeit zum botanifchen Unterricht und zu Vorweiſungen in der Gefellfchaft benust werden konnte und fich zahlreichen Beſuchs erfreute, obwohl diefer nur gegen jährliche Grlegung eines Ducaten geftattet war. Die Anftalt beftand in diefer Form 12 Jahre lang. Schon im 3. 1756 wird aber geklagt, daß der Gefellfhaft das Local zu Ueberwinterung der Topfpflanzen aus nichtigen Gründen ent- zogen worden fei, jo daß fie genöthigt war diefelben über den Winter bei Mitgliedern der Ges ſellſchaft unterzubringen. Die Gefelljhaft machte große Anftrengungen, wenigftend die Frei— landpflanzen zu erhalten, mußte aber im Herbſt 1760, nachdem fie kurz vorher für Berfchöne- rung der Gartenanlagen noch beträchtliche Koften gehabt, mit Zurüdlaffung der gepflanzten Fruchtbäume, Reblauben, Wafferleitungen u. f. w. den Garten räumen, da Rahn die Erneue— ‚ tung des Lehenstraftates mit der Zunft zur Wage (der das Gut gehörte) benuste, um ſich das Werk zu ſeinen Lebzeiten herausgekommen, würden jetzt viele Pflanzen andere und zwar die von Geßner ihnen gegebenen Namen tragen. *) Privatgärten gab es indeffen damals, die fich durch Pflanzenreichthum ausgezeichnet haben müfjen. In den Archiven der naturforfchenden Gefellfchaft findet fih eine ausgebreitete Correſpondenz des Dr. 3. Heinrich Lavater von den Jahren 1701 — 1709 mit Hotton in Leyden, C. Commelyn in Amfterdam, Viali in Padua, Triomfetti in Bologna, Volkamer in Nürnberg , Vaillant in Paris u. a. m., mit welchen ee Samen und Pflanzen ausgetaufcht hat. *) Die zu feiner Zeit entvecte und ihm gewidmete Gleditschia triacantha L. blühte im bo- tanifchen Garten zuerft 1785. Jetzt ift fie befanntlich häufig bei uns in Gärten. u feinen Verpflichtungen gegen die Gefellfchaft zu entziehen. Der Garten wurde Martini 1760 geräumt und die Pflanzen bei einigen Mitgliedern vorläufig untergebracht. Die Gefellfhaft ließ fich durch Ddiefe unangenehmen Erfahrungen, die fie machen mußte, nicht entmuthigen. Der Jahresbeitrag von 200 fl., welcher für den Unterhalt des Gartens be— fimmt war, wurde bei Geite gelegt, um dataus die Unfoften einer neuen Anlage zu deden. Im 3. 1766 gelang es den Bemühungen des Achiater H. Kafpar Hirzel, die Obrigkeit zu veranlaffen, das Landhaus zum Schimmel in Wiedifon, nebft dem dazu gehörigen Aus- gelände zu Errichtung eines Lazarethes anzufaufen und legteres der Gefellfchaft zu einem bota- nifchen und ökonomiſchen Garten lehenweife zu überlaffen. Zugleich durfte das unterfte Stod- werf des Haufes, wie Keller und Waſchhaus, zu Aufbewahrung von Sämereien und Ueber— winterung der Pflanzen benugt werden. Mit großer Freude gieng die Gefellfehaft im Frühling 1767 an die Anlegung und Eid tung des neuen Gartend, wobei fich namentlich Dr. Johannes Scheudhzer und Dr. Joh. Geora Kocher aufs eifrigfte bethätigten. Ein beträchtlicher Theil des 5 Jucharten haltenden Geländes wurde für den Garten beftimmt und in Beete abgetheilt. Die vom frühern Garten herftammenden, und bei einigen Mitgliedern untergebrachten Pflanzen wurden in die neue An— fage gebracht und durch Gefchenfe vermehrt, und jämmtliche perennirende Freilandpflanzen wieder nach Linné's Syftem angeordnet, die Bäume aber in den weftlichen Theil des Gartens in den Rafen gefeßt. Gegen Ende des Jahres waren fihon über 500 ausdauernde Kräuter und Stauden vorhanden, und in den nächftfolgenden Jahren wurden durch Tauſch und Gefchenfe fo viele Samen erhalten, daß jeden Frühling gegen 2000 Arten ausgefät werden fonnten. Schon damald waren es im Auslande lebende Zückher, welche durch Ueberfendung von Geſchenken ihre Anhänglichkeit an die Heimath beurfundeten; fo fandte Chirurgus Waſer Sämereien aus Ba— tavia, Pfarrer Brunner folhe aus Moskau, welche Dr. Güldenftädt auf feinen Reifen gefammelt, der Wundarzt H. Werndli aus Berbice in Surinam. Bis zum Jahr 1780 beftand fein Gewächshaus; es Fonnten daher nur wenige Pflanzen warmer Zonen gehalten werden, da diefe bei einzelnen Mitgliedern der Gefellfchaft überwintert werden mußten. Mit der Erbauung eines Gewächshaufes, welches nach dem Mufter desjenigen des Senfenbergifehen Gartens zu Franffurt, im Jahr 1781 — 82 errichtet wurde, wurde die Möglichkeit zu weiterer Ausdehnung der Anjtalt gegeben. Das Anſehen derfelben wurde dadurd auch im Ausland bedeutend gehoben, wofür der vermehrte Verkehr mit den angefehenften In— ftituten und den berühmteften Botanifern jener Zeit zeugt. Jedoch trat nach einiger Zeit ein Rückſchritt ein, wohl weil es an thätigen jüngeren Kräften fehlte, welche fih der Anftalt an- nahmen. Zwar waren zu Ende der achtziger Jahre drei junge Naturforfcher von deutfchen Hoch— ichulen heimgekehrt, nemlih Dr. 3. Jaf. Römer 1786, Dr. Salomon Shin; 1787 und Dr. Baul Ufteri 1788, welche den Amtmann Dr. Scheuchzer, der die Direktion des J > —* en a N ⏑ Bun! 1 t — *— Gartens beſorgte, unterſtützten. Doch erſt als 1794 dem Letzteren die Direktion übertragen wurde, nahm der Garten einen neuen Aufſchwung. Durch ſeinen unermüdlichen Eifer wurden dem Garten eine Menge neuer Pflanzen zugeführt und 1795 eine beſondere Anlage für Alpen⸗ pflanzen gebildet, welche dem Garten einen eigentlichen Schmuck verlieh. Uſteri wurde in ſei— nen Bemühungen, die Anſtalt zu heben, aufs eifrigſte von ſeinen Freunden unterſtützt und es iſt rührend zu fehen, wie er in feinem Jahresberichte vom Jahr 1796 eines derſelben, des eben jo hoffnungsvollen als liebenswürdigen Jünglings Kafpar von Muralt, in den Wor- ten gedenft: „Es ift dem Berichterftatter ein ſchmerzliches Gefühl, der Gefellihaft nur ger täufchte Hoffnungen darbringen zu fünnen, indem er fie an den Tod eines jungen Mannes er— innert, der ihm im vorigen Frühling zum erften Male die thätigfte Unterftügung leiftete, und den er heute nicht nur ald einen vortrefflichen Gehülfen, fondern auch als einen eifrigen und gründlichen Naturforfcher und Botaniker, der den botanifchen Garten zwedmäßig und nüglich benuste, anzufündigen hoffte.” Die großen politifchen Bewegungen, welche damals unfer Baterland ergriffen hatten, muß— ten auch auf unfere friedliche Anftalt Einfluß ausüben. Ufteri wurde 1797 in den Senat nach Bern berufen und der Anftalt entzogen. Dr. Römer, dem ihre Beforgung übertragen worden, widmete ffch ihr zwar mit großem Gefhid, allein im Herbſt 1799 wurde fie durch die in Wiedifon gelagerten Kofafen entjeglich verwüftet. Sie zerbrachen die Heden und Treib- beeten und verwendeten fie ald Feuerung, zertrümmerten die Fenfter und nahmen die Blumen- töpfe zu Kochgefhirren, der Garten aber diente den Pferden zur Weide. - Auf fie folgten die Franzoſen, von welchen die aus Blei gegoffene Büfte 8. Geßners, weldhe 1777 aufgeftellt worden war, entwendet wurde. Wie das Kriegsvolf fih verlaufen hatte, wurde der Garten mit vereinten Kräften wieder bergeftellt, jo daß er nach wenigen Jahren zu früher niegefehener Blüthe ſich erhob. Durch Beiträge der Regierung und des Stadtrathed wurde die Gefellfehaft in Stand gefest, dag Ge— wähshaus und die Treibbeeten wieder herzuftellen und dur zweckmäßigere Einrichtung derfelben fo viel Raum gewonnen, daß die doppelte Zahl von Pflanzen überwintert werden fonnte. Während der Garten im Jahr 1801 erſt 1500 Pflanzen zählte, waren im Jahr 1805 fehon über 3000 und im folgenden Jahre. gegen 4000 vorhanden, jo daß damals der Garten die erfte Stelle unter den botanifchen Gärten der Schweiz einnahm und fih aud im Auslande eines guten Namens zu erfreuen hatte, der durh Römers ausgebreitete Korrefpondenz mit den be— rühmteften Botanifern feiner Zeit noch wefentlid gehoben wurde. Ungünftige Jahrgänge, fo die von 1813, 1816 und 1817 und fhädliche Naturereigniffe (jo 1817 ein Hagelfchlag, der an 400 Scheiben zertrümmerte) wirkten in der Folge fehr nachtheilig auf die Anftalt, um jo mehr, da Römer dur feine Körperbefchwerden verhindert wurde, derfelben die frühere Sorge und Pflege angedeihen zu laſſen. > en — Im Jahr 1819 gieng die Direktion, nach Römers Tod, an Leonhard Schultheß, im Zindengarten über, durch welchen die Anlagen umgearbeitet, die Gewächfe umgepflanzt und neu angeordnet, wie auch das Gewächshaus 1820 und 1824 mit neuen Fenftern und befjerer Heizeinrichtung verfehen wurde. Die von den Franzofen entwendete Büfte 8. Geßners wurde dur eine neue erſetzt und durch eine paffende Einfaffung umgeben. Auch die Pflanzenfamm- lung erhielt durch auswärtige Botaniker, wie einheimifche Freunde der Pflanzenkultur wefentlichen Zuwahs, fo von Pfleger Schulthef die Zwergpalme und die Testudinaria elephantipes, welche jeßt noch dem botanifhen Garten zur Zierde gereichen. Im Jahr 1823 war die Zahl der Pflanzenarten auf 4100, im Jahr 1825 auf 5000 Arten geftiegen, unter welchen viele jel- tene erotifche Pflanzen fich auszeichneten. Die Kultur der Freilandpflanzen war indefjen des ſchlechten, ſandigen Bodens wegen immer mit großen Schwierigkeiten verbunden und in dem fehr Falten Winter von 1829 auf 1830 giengen viele Derfelben gänzlich zu Grunde. Schon Römer hatte über den unfruhtbaren Boden geklagt und in feinem Jahresberichte vom Jahr 1797 fagt ex: „fo lange nicht ernfthafte Mafregeln zu Verbefferung des Terraind in den Gar— tenbeeten getroffen werden, darf man auch nichts erwarten im freien Lande als leere Nummern- ftöde und folhe Pflanzen, welche nur auf Steppen gedeihen können!” In der That ftarben die Pflanzen, welche beffern Boden erfordern, bald aus und wurden durch folde verdrängt, welche mit fchlechterm vorlieb nehmen fünnen, jo daß, wenn nicht fortwährend nachgefehen und neue nachgepflanzt wurden, einzelne Arten ganze Beete erfüllten und unter all’ den verfchiedenen Namen erfchienen, für welche das Beet urfprünglich beftimmt war. Während diefes ganzen Zeitraums wurde der Garten zu wifjenfchaftlihen Studien, zu Vor weifungen in der Gefellfehaft und beſonders zum Unterrichte in der medizinischen Anftalt benußt. Als im Jahr 1833 der Staat eine Hochſchule gründete, übergab die Gefellfhaft den Garten, wie alle übrigen Sammlungen demfelben gegen eine fehr mäßige Entfehädigung, da es von nun an in der Aufgabe der Staatsbehörden liegen mußte, der neu errichteten Anftalt die zu ihrer Griftenz und Fortbildung nothwendigen Mittel zu verfchaffen. Am 13. Mai 1834 wurde die Uebereinfunft gefehloffen, im gleichen Jahre aber vom Regierungsrath der Beſchluß gefaßt, den Garten auf das Schanzengebiet um das Bollwerk zur Kate zu verlegen, da der fandige, unfruchtbare Boden, der Mangel an Waffer, wie die Entfernung von der Stadt dieß höchſt wünjchbar machen mußten. Ueberdieh war das Gewächshaus in fo baufälligem Zuftande, daß diefes jedenfalld hätte neu gebaut werden müffen. Werfen wir, che wir aus dem alten Garten feheiden, nochmals einen Rüdblid auf den- felben, wie ex zur Zeit der Uebernahme von Seite des Staates beftand ! Neben dem Eingang in den Garten lag das Gewächshaus, welches in ein Kalt» und ein Warmhaus abgetheilt, etwa 3000 Pflanzen faffen konnte. Unter denfelben zeichneten fi befon- ders ein hoher Cereus peruvianus L., prächtige Gremplare von Magnolia grandiflora L., eine at ⸗ Fur er en en ⸗ —— ae 5 U ne = Mi große Zwergpalme und Glephantenfußpflanze, aus. Mitten durch den Garten lief ein breiter Weg, zu deffen Seiten fi) die botanifchen Beete ausbreiteten, in welchen die perennirenden Kräuter nach dem Linne’fhen Syſtem aufgeftellt waren. Zur Seite boten einige Lauben füh- lenden Schatten, während auf der weftlichen Seite eine Baumgruppe, die aus fchönen Nadel- hölzern beftand, den Hintergrund bildete. Zu einem Hauptfchmud des Gartens diente ein mäch— tiger Tulpenbaum, einer der älteften und fehönften unfers Kantons. Neben diefem botanifhen Garten befand fih ein Stüf Land, welches in früheren Zeiten zu landwirtbfchaftlichen Verfuchen benust wurde. Zur Zeit ald die naturforfchende Gefellfhaft eine befondere landwirthfchaftlihe Abtheilung befaß, welche einen großen Einfluß auf Verbeſſe— tung der laudwirthfchaftlihen Verhältniffe unfers Kantond ausübte, wurden hier eine Menge Verfuche über Klee- und Karroffelbau u. j. w. angeftellt, um deren Einführung und Verbrei— tung die Gefellfhaft fi mit dem wichtigften Erfolge bemüht hat. Während fo diefer Theil des Gartend dem Nüslichen diente, fo der andere der Wiffenfchaft. Er lieferte den Lehrern an den wifjenfchaftlichen Anftalten und namentlih an dem medicinifchen Inftitute das Material zum Unterricht und diente überdieß den Gefellfchaftern zur Belehrung und Erholung , weldhe nicht jelten in eorpore fih in den Garten begaben und, wie der Jahresbericht von 4796 jagt, in ächt peripatetifhem Unterricht hohen Genuß fanden. Aber auch auf die Gärten übte diefe Ans falt einen fühlbaren Einfluß aus, indem von da aus fchönblühende Pflanzen in denfelben ſich verbreiteten, So kamen 1808 die Dahlien, von welchen Alex. v. Humboldt zwei Jahre vor= her die erfien Samen aus Merico nach Deutfchland gebracht hatte, zuerft in den botanifchen Garten, von wo fie fih dann fhnell duch alle unfere Anlagen verbreitet haben. So fehen wir, daß diefe Anftalt, wenn auch in befcheidenem, kleinem Maßſtabe, fo doch nad) den Mit- teln, die ihr zu Gebote ftanden, in höchit anerfennungswerther Weife ihren Zwed erfüllte und von der Gefellfhaft während 76 Jahren durch alle Wechfel der Zeiten erhalten wurde. Sie giebt ein ſchönes Zeugniß von der Thätigfeit unferer Gefellfchaft, wie der Uneigennügigfeit der Männer, welche die Anftalt geleitet haben *). Mit Ende Juni 1834 wurde der Garten fürmlich dem Staate übergeben. Vom Erziehungs- tath wurde eine neue botanifhe Kommiſſion, unter dem Präfidium des Regierungsraths He— getfchweiler, beftellt **) und dem Prof. Heer die Direktion des Gartens übertragen. Da *) Johannes Geßner war Präfivent der botanifchen Kommiffton bis zu feinem Tode 1790, Die Leitung der Anftalt beforgten von 1772 bis 1787 H. Georg Lo her und Dr. H. R. Hirzel, von 1787 bis 179% Amtmann Scheudhzer; 1794 bis 1797 Dr. Paul Ufteri; 1797 (mit eini= ger Unterbrechung, während welcher Dr. Sal. Schinz dem Garten vorftand) bis 1819 Dr. 3. J. Römer; 1819 bis 1833 &. Schulthe im Lindengarten. *) Hegetfhweilers gewichtiger Verwendung haben wir es wornemlich zu verdanfen, daß die Anftalt auf ein jo wohl gelegenes Lokal verlegt wurde. „Lebhaft ſchwebt mir noch vor, fagt der zu, A ee die Kommiffion fih bald von der Unzwedmäßigfeit und Unzulänglichfeit der bisherigen Dertlich- feit der Anftalt überzeugte, nahm fie in Folge deffen im Herbite deffelben Jahres eine forgfäl- tige Prüfung verfchiedener Zofalitäten vor, welche fih zur Anlegung eines neuen Gartens zu eignen fehienen. Sie trug beim Regierungsrathe darauf an, denfelben auf das Land um das Bollwerk zur Hase herum zu verlegen, was von der Behörde unter dem 27. December 1834 befehloffen wurde. Die botanifche Kommiffion ließ daher im folgenden Jahre Pläne zur Nivel- lirung des Terraind und zum Bau eines Gewächshauſes ausarbeiten, wobei ſie ſich aber, aus finanziellen Rückſichten, auf das Allernothwendigſte beſchränken mußte. Als aber im Frühling 1836 eine Zahl von Privaten eine bedeutende Summe zur Anlegung des neuen Gartens zu⸗ ſammenlegte und die Stadt Zürich eine Summe von 50,000 Franken a. W. zur Gründung dieſes Inſtitutes beſtimmte, konnten die Pläne zur Umwandlung der Feſtungswerke in eine Gar— tenanlage, wie die der Bauten auch den äſthetiſchen Anforderungen, denen eine öffentliche An— lage genügen ſoll, angepaßt werden. Im Spätherbſt 1836 wurden die Erdarbeiten begonnen, die Brüſtungen der Wälle abge— tragen und die Teraſſen geebnet; ein hoher Wall längs der Thalgaſſe zur Ausfüllung einer Einbucht des Schanzengrabens verwendet und ſo eine größere Fläche am Südabhang des Hü— gels gewonnen; im Frühling und Sommer 1837 wurde das Land nach einem von Hrn. Theodor Fröbel (welcher unterdeſſen zum Obergärtner erwahlt worden war) entworfenen Plane in einen Garten umgewandelt und im Herbſt 1837 und Frühling 1838 bepflanzt. Die botaniſche Kommiſſion leitete die Idee, in dem Garten ein Inſtitut herzuſtellen, wel— ches den wiſſenſchaftlichen Anſtalten das Material für den Unterricht in der Pflanzenkunde dar— bieten, welches zu Verſuchen über Kulturpflanzen und Kulturmethoden, zu Hebung des Garten— und Landbaues Gelegenheit geben und überdieß als öffentliche Anlage dem Publikum Genuß und Freude gewähren und in ihm den Sinn für Naturbetrachtung beleben ſollte. Zu Kultur— verſuchen hoffte die Kommiſſion das Land an der nördlichen Seite des Hügels bis zur ehema— ligen Sihlporte hinab zu erhalten, daher ſie wiederholt (auch noch in ſpäteren Jahren) ſich lebhaft für Gewinnung dieſes Stück Landes verwendet hat. Da ſie aber ihren Zweck nicht er— reichte, mußte der Plan einen landwirthſchaftlichen Garten mit dem botaniſchen zu verbinden, aufgegeben werden. Zu Erreichung der beiden andern genannten Zwecke wurde der Garten theils mit Gewächſen bepflanzt, welche dem Studium der Pflanzenkunde dienen ſollten, theils Verfaſſer der Vorrede zu Hegetſchweilers Flora (S. 20), wie ſeine Augen vor Freuden glänzten, als wir im Herbſt 1834 von der Spitze des Hügels herab, die Wälle und Schanzen überblickend, im Geiſte dieſes einförmige, wellige Gelände in einen blüthenreichen, duftenden Garten umwandelten.“ Vom Herbſt 1839 bis 1844 war Präſident der botaniſchen Kommiſſion Hr. Regierungsrath Ed. Sul⸗ zer, von da bis 1847 Hr. Prof. Mouſſon und von da bis jetzt Hr. Regierungsrathspräfident Dr. Zehnder. $ > u‘ ri aber mit jhönblühenden Pflanzen, mit Gefträuchen und Bäumen, die zu Gruppen vereinigt wurden. Der breite Hauptweg, welcher durch den Garten führt, wurde zu beiden Seiten mit einer Reihe von Blumenbeeten eingefaßt, welche die botanischen Beete theilweife maskieren foll- ten. 68 wurde diefe DVermifchung der zu botanifchen und zu äfthetifchen Zweden beftimmten Theile des Gartend gewählt, weil jo die für den Spaziergänger beftimmten Hauptwege durch alle Theile ded Gartens geführt, ihm alfo mehr Spielraum gegeben, ferner dadurch dem Pu— bliftum der ganze Formenreichthbum deffelben vorgeführt werden fonnte. In der Folge zeigte ſich indefjen diefe Methode der Bepflanzung als unzwedmäßig, die Baum- und Gebüfchgruppen binderten das Aufkommen der Pflanzen in den nahe liegenden botanifchen Beeten *) und die Bertheilung der zur Ausfhmüdung des Gartens beftimmten Blumenbeete über den ganzen Gars ten erfchwerte fehr ihre Kultur. Es wurde daher im vorigen Jahre eine gänzlihe Umwandlung vorgenommen. Der weftliche und nördliche Theil der untern Teraſſe ift nun allein für den bo- tanifchen Unterricht beitimmt. Die Blumenbeete wurden aus demfelben entfernt, der Weg zu Gewinnung von mehr Land viel fehmäler gemacht und die ganze Anlage beim Aus= und Ein- gange durch eine Gebüfchgruppe von den übrigen Anlagen abgegrenzt. Zreten wir von dem Gewächshaus her in diefe Anlage ein, fo haben wir auf der linfen Seite zunächſt eine Reihe von Beeten, welche der Kultur der einjährigen, für den Unterricht beftimmten Pflanzen dienen, auf welche die perennirenden Kräuter (die fogenannten Stauden) folgen, die nah dem natür- lichen Syiteme **) angeordnet find. Die ganze vordere Seite des Gartens und ebenfo die zweite Terafje wurde in Anlagen um— gewandelt, in welchen auf grünen Rafenplägen die Gebüſch- und Pflanzengruppen vertheilt wurden. Diefer Theil des Gartens hat dadurd ungemein gewonnen und bietet nun ein Außerft freundliches Bild dar. Auf der Nordfeite der zweiten Teraffe wurde ſchon 1837 eine Anlage zu Aufnahme von Alpenpflanzen gebildet, in welder die Steine, welche da angebracht find, nicht etwa, wie manche lächerlicher Weife dieß aufgefaßt haben, die Alpenfelfen darftellen, ſondern ledig— lich dazu dienen follen, den Alpenpflanzen theild eine geeignete Unterlage zu geben, theild für fie paffende Beete zu bilden. Diefe Alpenanlage wurde in den lestern Jahren fortwährend ver— größert und auch auf die nordweftlihe Seite hinübergeführt, wo fie im nächften Jahre über den ganzen untern Theil des Walles fi) ausbreiten wird. Es befinden ſich gegenwärtig etwa 750 Arten von Pflanzen, von denen 330 Arten aus unfern Bergen und Alpen ftammen, die übrigen aber in den öſtreichiſchen, griechifchen und aſiatiſchen Gebirgen oder im hohen Norden *) Es war dief um fo mehr der Fall, da der Boden des Gartens fehr mager und fehr ſchwer fulturfähig zu machen ift. *) Nah Endlichers Genera plantarum. RT zu Haufe find, in diefer Anlage, die zu den eigenthümlichften und reichhaltigften Beftandtheilen unferer Unftalt gehört, da fein anderer botanifcher Garten diefe Gewächſe in folher Vollſtän— digkeit beſitzt. Für die Bäume und Sträucher (von denen der Garten gegenwärtig etwa 800 Arten befißt) wurden vorzüglich die Abhänge des Gartens benugt, welche nun großentheild mit fol= hen bepflanzt find und fo die an fih dürren, unfruchtbaren Wälle im Sommer mit Grün über- fleiden. Um aber den Garten von der Umgebung fharf abzugrenzen und feine Anlage als ein zufammenhängendes Ganzes vor das Auge treten zu laffen, wurde er mit einer Einfaffung von Bäumen umgeben, welche auf der vordern Hauptfeite des Gartens, welcher die größte Fülle und Rundung gegeben werden follte, zu größeren Laubmaffen fich vereinigen, die in ſchönen Wellenlinien den Garten nah Süden abgrenzen. Aber auch die Hauptwege wurden an einigen Stellen mit Bäumen und Gebüfchen eingefaßt, jo namentlich der Weg, welcher auf die Höhe des Hügels führt. - Diefer von Alters her mit hohen Ulmen und Ahornen gefhmüdte Pla wurde durch Vermittlung des Hrn. Efher=-Zollifofer von dem Erben des bei und unter dem Namen Ban Meters befannten Engländers, Hrn. Mather, mit einer fehr foliden und geſchmackvollen Einfafjung umgeben und mit Ruhebänfen verfehen, von welchen aus man in aller Gemüthlich- feit die wundervolle Ausficht, die fich und hier nach allen Seiten hin darbietet, genießen fann. Zu Bewäfferung des Gartend wurde ein Uebereinfommen mit den Befisern des Waſſer— thurms getroffen und von dort aus direft eine Wafferleitung in den Garten gezogen und mit zwei Baffins in Verbindung gefeßt, von denen das eine auf dem Rafenplat vor dem Gewächs— haus, das andere bei der Alpenanlage angebracht wurde. Allein die Konftruftion der Teiche war fehlerhaft, und überdieß lieferte der Wafferthurm, auch während des Sommers, zum gro— Ben Schaden des Garten? oft lange Zeit fein Waffer, fo daß diefe Wafferbeden, zum großen Verdruß der dabei Betheiligten, faft immer einen fehr vernachläßigten Anblid gewährten, big im vorigen Jahre das der untern Teraffe durch Ausmauern des Grundes und Ueberziehung mit einer Asphaltlage nun vollfommen hergeftellt wurde und im vorigen Jahre zur Kultur von feltenen Wafferpflanzen verwendet werden fonnte, fo daß wenigftens diefem Uebelftande jest ab— geholfen ift. Wir fehen daher, daß die Anlagen des Gartens fortwährend in allen ihren Theilen ver= befjert und erweitert worden find. Daffelbe gilt von den Gewähshäufern. Zu dem gro- Ben Gewächshaus, mit welchem eine Gärtnerwohnung und Hörfaal verbunden werden follte, wurden im Herbfte 1836 die von Hrn. Architekt Wegmann entworfenen Pläne genehmigt und der Bau im Frühling 1837 begonnen. Das Haus, welches eine füdliche Lage mit 20 0 öftlicher Abweichung *) erhielt, befam eine Länge von 125 Fuß 5 Zoll, von welcher die beiden Glas— ) Dieſe Lage wurde durch Terrain-Verhältniſſe geboten. Bei rein ſüdlicher Lage wäre ein — — N häuſer 72° 2° einnehmen. 68 erhielten diefe eine Tiefe von 19 5 und im Licht eine Höhe von 20° 8”. Die vordern Glaswände wurden fenfrecht geftellt, von welchen in dem üblichen Winkel von 1220 die fchiefen Fenfter nach oben gehen. Das Haus wurde in zwei Ab- theilungen, in ein Warmhaus (zu 32° 5° Länge) und in ein Kalthaus (zu 40° Länge) abge theilt, welche durch eine Glaswand getrennt wurden. Die Mitte ded Warmhaufes nimmt ein von Steinen eingefaßtes Beet ein, die des Kalıhaufes eine große Stellage, rings um die Fen- fter und Wände aber verlaufen die Geftelle und hoch oben an der Rückwand eine Gallerie, welche zur Aufftellung von Pflanzen, wie zum Aufziehen der Dedladen beftimmt ift. Beide Häufer werden durch Warmwafferheizung erwärmt, welche fich als fehr zweckmäßig herausgeftellt hat. Die beiden Seiten diefes Pflanzenhaufes wurden durch Flügelgebäude begrenzt, von denen das weftliche zur Gärtnerwohnung, das dftliche zum Hörfaal, Zimmer für Sammlungen und Gehilfenftuben beftimmt wurde. Der Bau diefes Haufes wurde vom Mai 1837 bis zum Juni 1838 ausgeführt, fo daß mit Ende diefes Monats die Pflanzen aus dem alten Garten in daf- jelbe übergefiedelt werden fonnten. Zu der nicht unbeträchtlichen Zahl von Pflanzen, die diefer lieferte, waren noch viele durch Eintaufh, Ankauf und Geſchenke gefommen, fo daß der Gars ten im Jahr 1839 etwa 3000 Topfpflanzen beſaß. Das größte Gefchenf erhielt er durch Graf Portales in Neuchätel, der eine Zahl prachtvoller Pflanzen, die er wegen ihrer Größe in feinem Gewächshaus nicht mehr unterbringen fonnte, unferm Garten überließ. Die beiden kleinen Gewähshäufer neben dem Wohngebäude wurden 1840 aufgeführt und namentlich zur Nachzucht von jungen Pflanzen beftimmt. In der Folge mehrte fi der Pflan- zenreichthum des Gartens dermaßen, daß die Räumlichkeiten zur Unterbringung der Gewächfe nicht mehr zureichten, um fo mehr, da auch der Pflanzenhandel ded Gartens einen immer grö- fern Auffhwung nahm. Es wurde daher im Jahr 1844 ein neues ſehr zwedmäßig eingerich- tete8 Haus auf der zweiten Teraffe am Südabhang des Hügeld gebaut und demfelben 1850 ein Kalthaus beigefügt. So hatte der Garten nun 4 Gewähshäufer mit 7 gefonderten Abtheilungen erhalten, in welchen die Pflanzen der verfchiedenen Klimate aufgeftellt werden konnten, Alle diefe Räum— lichkeiten waren aber fo eingerichtet, daß möglichit viele Pflanzen in denfelben untergebracht und ihren Bedürfniffen gemäß Zultivirt werden konnten. Noch fehlte aber immer ein Haus, in welchem die eigenthümlichften Tropenpflanzen, die Baumfarren, dann Eleinere Palmer und Sago- baume, Pifangs, Bambufen , tropifche Wafferpflanzen u. f. w. zwedmäßig untergebracht und Theil des Haufes auf verfüllten Boden (fo weit reichte früher der Schanzengraben) zu ftehen gekom— men und zudem wäre dadurch durch die fehr fehiefe Stellung zum Wall die Shymetrie der Anlage geftört worden. Meberdieß war wegen des wohlthätigen Einfluffes der Morgenfonne diefe Lage der rein ſüdlichen vorzuziehen. ‘ a er dem Publikum, zu jehönen Gruppen vereinigt, vorgeführt werden konnten. Diefe Lüde wurde in diefem Jahre durch den Bau eines neuen Haufes ausgefüllt, welches an der Südweſtſeite der zweiten Teraſſe aufgeführt worden ift. Es wird diefed Glashaus, welches bei 40 Fuß Durch— mefjer in der Mitte eine Höhe von 18 Fuß hat, zum Schmude des ganzen Gartens dienen und als ſtets geöffnetes Schauhaus dem Publitum immer die intereffanteften blühenden Gewächfe vorführen. Allerdings ift dieß Haus zu Aufnahme von höhern Tropenbäumen nicht geeignet, allein wir dürfen dabei nie vergeffen, daß der Garten nicht über große Mittel zu gebieten hat und haben und darüber zu freuen, daß die Erträgniffe des Pflanzenhandels der Anftalt geftat- ten, aus eigenen Mitteln ſolche Bauten auszuführen und dadurch fie allmälig immer mehr den fteigenden Bedürfniffen anzupaffen. Denn nur die Beihülfe des Pflanzenhandels , der mit der Anftalt verbunden ift, und deffen Ertrag zum Unterhalt und Fortbildung der Anftalt ver— wendet wird, macht es möglich, fie in folch’ blühendem Zuftand zu erhalten. So fehen wir, daß der neue Garten in allen feinen Beftandtheilen feit feiner Gründung in erfreulicher Weife fortgefcehritten ift und jest, fehon feiner äußern Einrichtung nach, die erfte Stelle unter den botanifchen Gärten der Schweiz einnimmt. Im noch höherem Maße iſt dieß der Fall in Betreff feiner Pflanzenfhäge. Im Jahr 1842, als die Beforgung deffelben dem jetzigen Obergärtner Hrn. Regel übergeben wurde, befaß ex 976 Arten Topfpflanzen in 3570 Gremplaren, und 2070 Arten ausdauernder Freilandgewächfe; gegenwärtig aber fchließen feine Gewähshäufer etwa 3500 Arten (ohne die äußerft zahlreichen Spielarten) in circa 40,000 Exem— plaren ein. Im freien Lande werden etwa 4000 Arten fultivirt, fo daß die Gefammtfumme der im Garten fich vorfindlihen Arten ſich auf circa 7500 beläuft, wozu noch etwa 2600 Va— rietäten fommen. Darunter befinden fich eine Menge der intereffanteften und feltenften Pflanzen. Der Kenner wird diefe in den gedrudten Katalogen des Gartens finden. Doch möchten wir auf einige derfelben noch befonderd aufmerffam machen und wollen zu diefem Zwede einen Gang durch den Garten unternehmen. Jetzt freilich it draußen nicht viel zu fehen, Fahl und traurig ftehen die Bäume und Sträu— her da und auch auf den Beeten und Rafen ift das grüne Pflanzenkleid verfchwunden. Gehen wir aber in die Gewächshäufer, treten und die Kinder jener glüdlichen füdlichen Zonen, die kei— nen Winter fennen, in ihrer vollen, frifhen Belaubung entgegen. Unter diefen wollen wir da— her für einige Zeit des Winters vergeffen und zunächft in dem großen Kalthaus nach denfelben und umfehen. Wir finden hier Pflanzen der temperirten Zonen, der Mittelmeerländer, des Kap und Neuhollands, wie der temperirten Theile Amerikas oder die doch den Winter in die- fen im freien Lande aushalten. Drangen-, Eitronen= und Lorbeerbäume füllen mit Cypreffen den Hintergrund des Haufed, während die große, dicht mit Pflanzen befeste Mittelgruppe von bemerfenswerthen Pflanzen: die füdenropäifche Fächerpalme, Erdbeerbäume, den Johannisbrodt- und Delbaum, den Vinhatico (Persea indica) uud rothblüthige Daturen enthält. Die Fenfter re ſchmücken chineſiſche Primeln, neben welchen die fteifblättrigen Suceulenten (Mesembryanthemen und Aloen), und verfchiedene Arten von Sarfaparillen (Smilax sarsaparilla L., pseudochina L., mauritanica Poir.) ftchen. Das große Warmhaus daneben beherbergt tropifche Bäume und Sträucher, von welchen der Kautfhudbaum (Ficus elastica Roxb.), der Pimentbaum (Myrtus Pimenta L.); die ſchö— nen Brerien von Madagaskar und die faft immer mit niedlichen Blüthen gefhmüdten Abutilon- Arten das Auge feſſeln, Nicht weniger intereffant find die prächtigen Araucarien (A. Cuningha- mi Ait. und brasiliensis Lamb.), die reihe Sammlung von Cacteen *), unter denen ein Ce- reus peruvianus L. bis unter das Dach hinaufreiht, die fteifen, fleifchigen Wolfsmilcharten und Stapelien Afrifad und der Ganarien, die Melonenbäume (Carica) und der für die Tro- penwelt jo wichtige Yam$ (Dioscorea alata L.), welche theils in der Mittelgruppe, theild längs der Fenfter vertheilt find, an deren Pfoſten ſich Pafftionsreben (Passillora quadrangularis L.) und Ipomoeen bis zur Dede hinauffihlingen und dort faft ununterbrochen ihre prächtigen Blüthen treiben. Degeben wir und zu den Eleinen Gewähshäufern neben der Gärtnerwohnung,, werden wir in dem am Walle ftehenden Camellienhaus eine reihe Sammlung von Gamellien finden, welche indefjen, wie die Uzaleen, die vielen Alpenrofen (unter welchen fich ſechszehn neuerdings im Sikfim- Himmalaya entdedte Arten befinden), erft im März ihre herrlichen Blüthen entfalten werden, während der Theeftrauch (Thea-chinensis L.) fhon feit dem November da in Blüthe fteht. Yon übrigen Pflanzen dürfte der japanifche Aenisbaum (IMlicium Anisetum und religiosum) und der Kampferbaum der nähern Betrachtung werth fein. Mir werfen nur einen flüchtigen Blid auf das kleine, daneben ftehende Warmhaus, das ganz für die Nachzucht, die Vermehrung und Veredlung feinerer Pflanzen eingerichtet ift und begeben und auf die zweite Teraffe, um und aud in dem dortigen Gewächshaufe umzufeben. Bon der Dftfeite gelangen wir zunächft in das Orchideenhaus. Es umfaht dieß die Pflanzen, welche die höchfte Temperatur und eine immer mit Dünften erfüllte Luft zu ihrem Leben bedür- fen. Selten werden wir dafjelbe betreten, ohne daß eine oder die andere der fonderbaren- in der Luft hangenden Pflanzen ihre merfwürdig geftalteten Blüthen getrieben hat. Es find diek fämmtlih Orchideen, die der Garten größtentheild lebend direft aus Merico, Guatumala und Golumbien bezogen hat und die in 280 Arten einen Hauptfchmud defjelben bilden. Bon befon- derem Intereſſe find die ächte Vanille (Vanilla aromatica Sw.), die prachtvollen Stanhopien, Lälien und Oncidien, welche diefe Abtheilung einfchließt, aber auch der ächte zeylonifche und indifche Zimmt (Cinnamomum zeylonicum Nees. und aromaticum Nees.), der ſchwarze Pfeffer (Piper nigrum L.), die ſchönen oftindifhen Maranten und Geßneren dürfen auf unfer Intereffe Anfpruch machen. *) Bon Gacteen und Succulenten befigt der Garten 450 Arten. 2 Wir gehen weiter und treten in ein Feines Kalthaus, welches vorzüglich zur Kultur der frautartigen Pflanzen aus Gentralamerifa und aus den wärmeren Theilen Neuhollands beftimmt tft; da erbliden wir die mannigfaltigften Gupheen, Habrothamnen, Salvien, mande fonder- baren neuholländifchen und aſiatiſchen Nadelhölzer (wie Phyllocladus trichomanoides Don., Da- mara australis Lamb., Libocedrus Doniana Hook., Dacrydien und Podocarpen) und an den Pfoften der Fenfter die zierlichen Tropaeolen und Mutifien, welche fih an ihnen in die Höhe ſchlingen. Einen lieblichen Anblick gewährt das an vorige Abtheilung ſich anſchließende Ericenhaus, welches faſt ganz mit feineren Pflanzen Neuhollands und des Caps bevölkert iſt. Wir ſehen da die mannigfaltigſten Heideformen, von denen einzelne faſt immer mit ihren zierlichen Blüthen bedeckt ſind, daneben die Epacris-Arten, welche in Neuholland ihre Stelle vertreten, und eine reihe Auswahl von Proteaceen. Unter den Nadelhölzern werden beſynders die von den Nor— folfinfeln ftammende Araucaria excelsa R. Br., aber auch Ar. gracilis und die chilenifche Ar., imbricata Pav., der Sandarafbaum (Callitris quadrivalvis Vent.), die Deodora-Ceder Thibets, die chinefifche Trauerchpreffe (Cypressus funebris Endl.) und die niedlichen mericanifhen Wad- holderbäumchen unfer Auge feffeln, aber auch der Storarbaum (Storax officinale L.) und die immergrünen Eichenarten dürfen auf unfer Intereſſe Anſpruch machen. Die meiften intereffanten Pflanzen finden wir indeffen im Palmenhaus verfammelt, welches auf der weftlichen Seite der zweiten Zeraffe fich erhebt. Wie wir durch die Mittelthüre eintre— ten überraſcht uns eine aus Tropenpflanzen beftehende Mittelgruppe, in welcher die ſchlanken mericanifchen Palmen (Chamaedoreen) fich über die lebhaft grünen Blattfronen der Drachen— bäume (Dracaena Fontanesiana Schult., Dr. australis Forst., Dr. brasiliensis, Dr. termina- lis L., Dr. draco L., Dr. stricta Hort., Myrsiphyllum undulatum Thb.) und die mächtigen Blätter des Pifangs erheben; noch mit mehr Wohlgefallen ruht aber unfer Auge auf einem ausgezeichnet ſchönen Eremplar ded Sagobaumes (Cycas revoluta Thbg.), da$ die linfe Seite diefer Gruppe ziert, während auf der rechten eine andere feltene merifanifche Cycadee (die Ceratoza- mia mexicana) weithin ihre Flieverblätter verbreitet. Wandern wir um diefe Gruppe herum, um und die Pflanzen noch einzeln anzufehen, werden und mannigfaltige Palmen, fo die, der Betelpalme nahe verwandte, Arecarubra, die Dattelpalmen (Phoenix dactylifera L., Ph. farini- fera Roxb. und spinosa), die chinefifche Rhapis flabelliformis Ait., die prächtige bourbonifche Fächerpalme (Latania borbonica Lam.), die Oreodoxa regia Kth., welche den Allen Havanna's zum Hauptfcehmude dient, u. a. m. erfreuen. Allerdings find diefe jegt meift noch Klein, doch gewähren fie fo ſchon einen intereffanten Anblid und daffelbe gilt von dem Bambus, von den fhonblättrigen Marantaceen, Musaceen, Bromelien, Aroideen u. f. w., die in diefer Gruppe vertheilt find. Das Zuderrohr, der Kaffeebaum, die Anonen (A. chiromolia L., squamosa L. und muricata L.) und Guajaven (Psidium pomiferum L. ind Cattleyanum Sab.), die Co— a ==... = Iocafien (Colocasia antiquorum Sch.) , die Arrowroot= (Maranta arundinacea L.) und die Patfchoulipflanze (Pogostomum Patschouli Pelet.) werden ihrer Produfte wegen der Betradh- tung werth fein, während die Farn, welche die Steine bededen, durch ihr zierlich getheiltes Laubwerk unfer Auge ergögen. Menden wir nun die Blide auf die andere Seite gegen die Fenfter zu, find ed auch hier in Gruppen geordnete Pflanzen, welche demfelben begegnen. Bor allem aus müffen die baum- artigen Farn (Hemitelia integrifolia, Alsophila villosa, A. pruinata, Cyathea aurea und Balantium Karstenianum), welche legten Sommer aus Golumbien anlangten, und erfreuen. Sie gehören zu den feltenften Pflanzen des Gartend, wie zu den merfwürdigften Gewächsformen der heißen Zone, deren Kultur erft in neuefter Zeit gelungen ift. Uber auch die Becherpflanze Indiens (Nepenthes destillatoria L.) und die Sarracenia flava L. müffen ihrer merkwürdigen Blätter wegen unfer Intereffe erweden, wie die Wafferpflanzen des Baſſins, in deffen Nähe fie ſtehen, fo die Papierſtaude, der indifche Lotus (Nelumbium speciosum L.) und blaue Seerofen, die fonderbare Vallisneria, die Pontederia und Limnocharis, welche und einige Wafferpflanzen- formen füdlicher Länder vorführen. Schon diefer flüchtige Gang durch unfere Gewächshäuſer wird und überzeugt haben, daß fie viele fehenswerthe Pflanzen beherbergen; zu allen Zeiten des Winterd werden wir aber aud Blumen in denfelben finden, die und lebhaft in ihre Heimath verfegen, wo zu der Zeit alles voller Blüthen prangt und die in und die Frühlingshoffnung neu beleben. Kommt dann diefer Frühling auch wieder zu und, regt fih aucd im freien Lande reged Leben. Zuerft beginnt es in der Alpenanlage, wo die Soldanellen und die Primeln, die gelben Ulpenveilchen und dun— felblauen Gentianen, die zierlichen Ehrenpreisarten und feuerrothen Silenen, nebit fo vielen an— dern niedlichen Pflanzen uns lebhaft in die Alpen verfegen und in und das Andenken an die reichen Genüffe, die fie und gewährt haben, erneuen werden. Dann ergreift dieß neue Leben auch die andern Theile des Gartens und die Büfche und Bäume fügen durch dichte, grüne Be— fleidung zur Aumuth der Blüthen die Fülle des Laubwerks. Wie der Frühling völlig eingefehrt, wandert ein Theil der Gewächshauspflanzen ind Freie. Die Kräuter und Stauden füllen die vielen auf den Raſenplätzen vertheilten Blumenbeete, während die Bäume die fhöne Anlage vor dem Gewächshaus mit einem Kranz mannigfaltiger füdlicher Pflanzenformen umgeben. Wir würden unfere Lefer ermüden , wollten wir noch auf die Pflanzen aufmerffam machen, welche uns eine Wanderung durch den Garten vorführt. Doch wollen wir wenigftend noch einen Blid auf die zulegt genannte Anlage werfen. Die Mitte derfelben nimmt ein Spring- brunnen mit kleinem Teih ein, in welchem Goldfifche zwifchen ägyptiſchen Seerofen und Limnocharen fi berumtreiben. Ihn umborden zierliche Blumenbeete, die mit buntfarbigen Berbenen und Amaranthen befegt find. Hier werden nächften Frühling zwei Büften aufgeftellt werden, welde, von Gebüfchgruppen eingefaßt, einen Hauptſchmuck diefes Theild des Gartens En bilden werden. Die Eine giebt das wohlgetroffene Bild U. P. Decandolles, diefes größten Botaniker unferd Baterlandes, der mit Recht der Linne unferd Jahrhundert? genannt wurde; die Andere ift dem Andenken 8. Geßner's gewidmet *). Wie Geßner umgeben von feinen Naturfhäsen aus diefer Welt feheiden wollte, fo wird jetzt fein Bild mit den lieblichften Kin- dern der Flora umgeben, und fein hoher Genius durch dad was er in der geiftigen Welt ge= jhaffen und uns zurüdgelaffen hat, immer noch als unter und lebend und wirkend gedacht! Das was er vor 300 Jahren fhon angeftrebt, ift jest in einem Umfange ausgeführt, wie dieß auch feine kühnſte Phantafie nicht hätte erreichen fünnen und fo wird der Garten immer mehr feine Beftimmung erfüllen, die ihm ſchon Geßner vorgezeichnet hat. Er wird als öffentlicher Spaziergang den Sinn für die höhern und edlern Freuden der Natur weden und beleben und durch Vorführung des wunderbaren Reichthums von Pflanzenformen zu ihrem Studium Gele- genheit geben. Seine Wirkſamkeit erſtreckt fich aber noch weit über die Grenzen feines Territo— riums hinaus. Wer aufmerkfam den Gang der Gartenfultur während den legten zehn Jahren bei und verfolgt hat, wird eine merkwürdige Veränderung wahrgenommen haben. Nicht nur find eine Menge neuer Gärten entftanden und neue Gewächshäufer erbaut worden, fondern der Sinn für Garten= und Blumenfultur hat dermaßen zugenommen, daß gegenwärtig ſechs größere Handeisgärten in Zürich beftehen, während vor fünfzehn Jahren kein einziger da war, der auf diefen Namen hätte Anſpruch machen dürfen. An diefem Auffhwung haben der botanifche Garten und haben die Blumen- und Fruchtausftellungen großen Antheil und er ift immer der Mittelpunkt für alle diefe Beftrebungen, welche die Hebung des Gartenbaues bezwedt haben, gewefen. Dazu ift er durch die großen Verbindungen befähigt, die er mit dem In= und Ausland unterhält. Er fteht mit allen größern wiffenfhaftlihen Anftalten der Art in ftetem Verkehr, läßt aber auch Pflanzen direkt aus fremden Welttheilen kommen, wie er andererfeit8 auch nach allen Weltgegenden welche verfendet. Durch diefen großen Verkehr ift er in den Stand gefebt, die neuen Entdeckungen fihnell bei uns einzuführen und fo manche merfwürdige Pflanze, die jebt in den Gärten verbreitet ift, ift zuerft duch ihn in die Schweiz gefommen, wie mande Pflan- *) Die Büfte Decandolle's wurde dem Garten von feinem Sohne gefchenft; Gefners Denkmal hat der Garten feiner Familie zu verdanten, und es ift Hoffnung vorhanden, aud noch J. Jakob Scheuchzers Bruftbild zu erhalten. Es ift dieß ein höchft erfreuliches Zeichen reger Theilnahme am Gedeihen unferer Anftalt, welche auch in anderweitigen Gefchenfen ſich zeigt, die dem Garten zuka— men. Sp erhielt er eine werthvolle Sammlung von merifanifchen Cacteen und Orchideen von Herrn Dr. Rüſch in Speicher, eine Sammlung merifanifcher Orchideen von den Herrn Fuchs, Uhrmacher in Ouatumala und Uhde; brafilianifche Orchideen, Zwiebelgewächfe und Samen von Herrn Blaf- Lavater, verfchiedenartige feltene Pflanzen von Herrn Eſcher-Jollikofer, Samen aus Oft- indien von den Herren Huber und Benziger in St. Gallen und Heinede in Frauenfeld, Sa: men aus Fernambuco von Heren Weilenmann. f | ö Dr U 73 zen (fo namentlich prachtvolle Formen von Gessneriaceen, von denen der Garten 120 Arten befigt), find durch unfere Anftalt in die europäifchen Gärten eingeführt worden, wodurch die felbe auch im Auslande einen namhaften Ruf erlangt hat. Bei den immer mehr wachjenden Berfehrsmitteln wird es zwar immer leichter, aus fernen Weltgegenden Pflanzen kommen zu laffen, allein im ſelben Verhältniß fteigern fih auch die Anforderungen an folhe Anftalten. Sie müßen immer mehr dahin -ftreben, den Freunden der Natur einen Borfhmad von den Ge- nüffen zu geben, welche der AUnblid ferner Weltzonen mit ihrem unendlich reihen Naturſchmuck gewährt; dahin ftreben, fo viel möglih in Einem Bilde vorzuführen, was die Natur an ſchönen und merkwürdigen Pflanzenformen über die ganze Erde ausgeftreut hat, um jo Jeden durch die lebendige Anfchauung an den Hochgenüffen Theil nehmen zu laffen, welche Gott dem Menſchen durch feine wunderbare Schöpfung bereitet hat. Wir fehen, daß gegenwärtig in den großen Weltftädten Millionen darauf verwendet werden, um dieß zu erreichen. Wir befcheiden und, dieß wenigftens im Kleinen zu verfuchen und werden unferm Ziele auch immer näher kom— men, wenn die Anftalt auch fürderhin derfelben wohlwollenden Unterftügung von Geite der Be— börden und derfelben warmen Theilnahme von Seite unferer Mitbürger fih zu erfreuen ha- «ben wird! — ꝰ Erklärung des Planes. Mit römifchen Zahlen find die Gebäulichkeiten und Treibbeeten, mit arabifchen die einzel- nen Theile der Anlage bezeichnet. 1. Deftlicher Flügel des Haufes, welcher den Hörfaal, ein Zimmer für den Garten- direftor und die Gehülfenftuben enthält. I. Wohnung des Dbergärtnerg. III. Großes Kalthaus. IV. Großes Warmhaus. V. Gamellienhaus. VI Vermehrungshaus. VII VII. IX. und X. Treibbeeten. XI. Orchideenhaus (auf der zweiten Zeraffe). XII. Kleines Kalthaus. XI. Gricenhaus. XIV. Balmenhaus. XV. Treibbeet der zweiten Zeraffe. XVI. Bermehrungsfaften. XVII. Kaſten zum Aufftelen der Ericen u. f. w. im Sommer und zum Ueberwintern von Stauden. x 1. Zeich mit Springbrunnen. 2. Auf diefer Anlage fteht ein jchönes Gremplar der Pinus excelsa (vom Himalaya) und im Sommer Trompetenbäume, Habrothbamnen , Aralien u. f. w. Beim Eingang vom Ge- wächshaus her eine Pawlonia imperialis; eine zweite ift auf der andern Seite des Weges. 3. Beeten für einjährige Pflanzen. SE 4 und 5. Botanifche Beeten für perennirende Pflanzen, die nad dem natürlichen Syſteme angeordnet. Bei 4 beginnen die Monocotyledonen, auf welche noch in derfelben Reihe von Beeten die Dicotyledonen folgen. Treten wir von den Gewächshäufern her in diefe Anlage, jo haben wir in den Beeten zur Linken die fortlaufende Reihenfolge von Familien, von den Mono- cotyledonen an aufwärts, welche, wenn wir von dem" nördlichen Ende zurüdfehren, in den am Walle angrenzenden Beeten fich fortfegen und mit den Leguminosen, in den mit 5 bezeich- neten Beeten enden. 6. Sammlung von Nadelhölzern am nordwefllihen untern Wall. 7. Am obern Wall. 8. Alpenanlage. 9. Baſſin bei der Alpenanlage. 10. Anlage für Schattenpflanzen. / DA ya! u nn DIR FEBRZET TIP RG 197 YA 7 ( An die zürcheriſche auf das Jahr 1854. Jugend Bon der Waturforfchenden Gefellfchaft. LVI. Stüd. Unter den vielen Naturmerfwürdigfeiten der Schweiz gewähren auch die mannigfaltigen Eriheinungen, welche die Quellen darbieten, ein vielfeitiges Intereffe. Wir haben deshalb in den vorliegenden Blättern verfuht, das Wichtigfte was bis jegt darüber befannt ge- worden ift, in gedrängter Kürze zufammen zu faffen. Dabei ſchien es uns nicht unzweck— mäßig, einige einleitende Bemerfungen über die Quellen im Allgemeinen vorauszufchiden. Definition des Begriffes „Quelle“. Duelle nennen wir (in dem Sinne, von weldem hier allein die Rede fein fann) das fihtbare Zu-Tage-Treten flüffigen Waſſers an der Oberfläche der Erde, oder auch an zugänglichen Stellen im Innern derfelben, ſei es daß fie nur tropfenweife oder als ein aufiprudelnder Strahl, oder als bereits mehr oder weniger ftarfer Bach aus der Erde bervorbricht. Entjtehung der Quellen. Die Quellen verdanfen im Allgemeinen ihre Entftehung den wäfjerigen atmoſphäriſchen oder meteorifchen Niederfihlägen, d. h. den in der Luft aufgelösten und an der Oberfläche der Erde, befonders an den Spigen und Abdahungen hoher Gebirge fich verdichtenden Wafferdünften, dem Nebel, Than, Regen, Reif, Hagel, Schnee ꝛc. Ein großer Theil diefes Waffers verdunftet zwar wieder an der Oberfläche der Erde, ein anderer wird von den Wurzeln der Pflanzen aufgefogen, aber der größere Theil fließt entweder fogleich nach den tiefer gelegenen Stellen ab, oder dringt in die Erde ein, und fifert zwifchen den Spalten oder Klüften des Gefteins in's Innere der Gebirge oder der Ebene. —— Das an der Oberfläche abfließende Waſſer bildet nun entweder ſofort Bäche und Flüſſe, welche dem Meere zu eilen, oder es ſammelt ſich an geeigneten Stellen zu Seen, die ent— weder, wenn das Waſſer die niedrigſte Stelle ihrer Eindämmung erreicht, an der Ober— fläche abfließen, oder wenn der Zufluß ſtärker iſt als der Abfluß, bisweilen auch ſeitwärts oder ſelbſt im tiefen Grunde des Sees einen unterirdiſchen Abfluß finden. So fließt z. B. der Muttenſee auf der Limmernalp im Kt. Glarus (7579 Fuß über dem Meer) durch eine Felfenfpalte im Limmerntobel ab; der unterirdifche Abflug des Dberblegifees oberhalb Luchfingen (4420 Fuß ü. d. Meer) bricht als Zeufel- bad in fhönem Wafferfalle aus den Felfen hervor; der Hafelfee auf der Alp Oberfee (4337 Fuß ü. d. Meer) bat feinen fihtbaren Abfluß, Doch bricht tiefer ein Bach her- vor, welcher fein Waffer dem Niederfee (ca. 3200 Fuß ü. d. Meer) zuführt, deſſen Abfluß der erft 1800 Fuß tiefer, oberhalb Näfels faft in der Thalfohle hervorbrechende, fhäumende Rautibad ift; die Melhaa bricht im Hintergrunde des Melchthales am Fuße des Hochhuts im Kt. Unterwalden als jtarfer Bach hervor, und ift unzweifelhaft der unterirdifche Abfluß des auf der Melchalp (3280 Fuß ü. d. Meer) liegenden Melch— fees; die Eleine Emme im Kt. Luzern wird allgemein als der Abfluß des nahe an der Höhe des Brienzer-Rothhorns gelegenen Maifees (6080 Fuß ü. d. Meer) angefehen, und enfpringt wohl 1500 Fuß tiefer auf dem Staffel oberhalb Sörenberg im Marienthal. Der Fäblerfee und der Sämtisſee im Kt. Appenzell haben gewöhnlich feinen fichtbaren Abfluß; Doch Hält man dafür, der erftere entleere fi unterirdifch an feinem öſtlichen Ende duch den Sämtiſerbach, der etwas unterhalb entfpringt; der unterivdifche Abfluß des legtern wird nur bei niedrigem Wafferftande fihtbar, ſehr wahrſcheinlich gibt derfelbe dem Bärenbad) feine Entftehung. Ebenſo wird die Fontaney bei Nigle im Kt. Waadt für den unterirdifchen Abfluß des am Fuß der Tour d’Ai liegenden Ai-Sees gehalten. Die intereffanteften Werhältniffe bietet indeffen wohl der Sour-See im Kt. Waadt dar. Kings um denfelben hört der Wanderer Mühlen Elappern und ſieht Sägewerke in emſiger Thätigkeit, aber nirgends erblickt er ein fließendes Gewäſſer, das dieſe Mühlwerke in Bewegung ſetzen könnte. Frägt er dann, wodurch denn dieſelben in Gang geſetzt werden, fo erhält er die Antwort: „Ah c’est ce que nous avons un entonnoir.« (Wir haben halt einen Felstrichter.) Nachdem dann der Joux-See fein überflüffiges Wafjer an den nahen Brenet-See abgegeben hat, an welchem ebenfalls ſolche Felsipalten mit den Mühlen von Bonport fi finden, ftrömt oberhalb Walorbe die Drbe am Fuße einer hoben Felswand 680 Fuß tiefer als ein 17 Fuß breiter und 4 bis 5 Fuß tiefer Bach hervor. Bis zum Jahr 1768 fonnte man nicht mit Zuverficht behaupten, daß die Drbe der Abflug des Four: oder Brenet-Sees fei. Als aber damals die Gewäſſer höher ftiegen, als den Thalbewohnern lieb war, fo befchloffen fie, die früher abfichtlich verfchloffenen Trichter 2 EBD — — *⸗ u Wi wieder zu öffnen. Bu dem Ende bin wurde der Kanal, durch welchen der Jour- See mit dem Brenet- See zufammenhängt, durch einen Damm abgefperrt. Allein bald brach der- felbe, wodurch das Waſſer des Sees bis auf den Grund aufgewühlt wurde, worauf fofort auch die Drbe trübe und jchlammig zu fließen anfing, fo daß man nun den Bufammenhang beider mit Gewißheit erfannte. Auch der bei Serrieres unweit Neuenburg im Grunde eines tiefen Felsfeffels aus unzähligen Fleinen Rigen auf einer Strede von etwa 50 Fuß Länge und 12 Fuß Breite entfpringende Bah, welcher wenige Schritte unterhalb eine Papierfabrik und mehrere Mühlmwerfe treibt, wird wohl mit Recht für den Abfluß der Sümpfe von Les Ponts angefehen; denn wenn es in jenen Gegenden regnet, fo ſchwillt der Bad) in wenigen Stunden an, wogegen die ftärfiten Regengüffe, die fi über Serrieres entleeren, feinen bemerfbaren Einfluß auf denfelben ausüben, da fein ganzer fichtbarer Lauf Faum 10 Minuten Weges beträgt. Das in die Erde oder zwifchen den Felsfpalten namentlich der fecundären Gebirge eindringende Waſſer fammelt ſich wohl meiftens auch in den Klüften und Höhlungen der Gebirgsmaffen an, bis es irgendwo einen Ausweg findet, wo es ald Quelle zu Tage tritt. Diefes gejchieht nun ftetS etwas unterhalb des Gipfeld oder der höchſten Stelle. des Gebirgsitodes oder Gebirgsrüdens, wenn glei der Höhenunterfchied oft unbeträchtlich ift. So entjpringt auf dem Rigi-Kulm eine reihe Quelle wenige Fuß unterhalb des Gipfels. An der Nordfeite des Hafenmattfopfes im Kt. Solothurn fprudelt nahe am Gipfel eine reihe Quelle. Am Hörnli und auf dem Uetliberg im Kt. Zürich find ebenfalls Quellen in fehr unbedeutender Tiefe unter der höchſten Kuppe. Gewöhnlich ift diefer Verlauf ſehr einfah, indem die Quelle entweder am Abhange oder doch am Fuße des Gebirges hervorbricht. Alsdann ift das Waffer derfelben, befonders wenn e3 unter Felswänden hervorquillt, vollfommen Elar und enthält meiftens auch nur wenig fremde Beftandtheile.. Sole Eriftallhelle Quellen, welde dem Wanderer oft fo freundliche Bilder vorführen, finden fi in der Schweiz unzählige, und wir fönnen nicht unterlafjen, einige der ſchönſten anzuführen; jo z. B. diejenige am Fuße der Fronalp bei Shönenbuh im.Kt. Schwyz, die fogenannte ftille Reuß am Fuße des Rhi— nachtsfelſen im Rt. Uri; der prächtige Gütlibrunnen am Fuße der Gnüswand hin- ter Linththal im Kt. Glarus, und ebendafelbit die Quellen im Reititihachen. Die reihe Quelle welche unter der Hauptfirche zu Flumenthalim Kt. Solothurn hervorbricht; die ebenfalls ſehr ftarfe Quelle, die dem Felfen entquillt, auf dem das Stift Schönenwerth fteht, ſowie der mächtige Born, der am Fuße der fenkrechten Felswand hervorſprudelt, auf welcher das Klofter Mariaftein ſteht, und welche fo ftarf ift, daß fie fofort ein Mühlwerf treibt. Dft aber muß das Wafjer bis zu mehr oder weniger beträchtlicher Tiefe unter die Thalſohle Hinabfteigen, ehe es duch andere Felsfpalten oder durch Geſchiebe, Geröll oder ee Sand 2c. wieder zu Tage treten kann. Alsdann folgt es dem Gefege der communicirenden Röhren, d. h. es fteigt in ringsum geſchloſſenen Kanälen oder Spalten bis zu der Höhe, von welcher es in dem abfteigenden Kanale herabfanf. Grundwalfer und Sodbrunnen. Ueberall alſo, wo man in der Nähe eines ftehenden Waſſers oder eines Fluffes in Erdarten, die dem Waffer den Durchgang geftatten, bis zu einiger Tiefe unter das Niveau desfelben gräbt, wird man auf fogenanntes Grundwaſſer ftoßen, welches in Gegenden des Flachlandes zum Theil die Stelle der Quellen verfieht und in fogenannten Sodbrunnen oder Gifternen gefanmelt wird. Befteht aber der Boden aus ausgedehnten und mächtigen Lagern ſtark zerflüfteten Sandfteins oder Kalffelfens, fo muß man oft fehr tief graben, ehe man auf Waffer ftößt; deshalb find viele unferer Kalfalpen, befonders wenn fie nicht bis in die Schneeregion reichen, namentlich die fogenannten Karrengebilde in ihren höhern Partien, fehr wafjerarın. Artefifhe Brunnen. Thon- oder Lehmboden läßt das Waſſer gar nicht eindringen und hält es, wenn es feitwärts unter ein folches Lager getreten ift, auch am Auffteigen zurück. Wird dann eine folche undurchdringliche Schicht, ſei es abfichtlicdy oder zufällig, durchbrochen, fo fteigt das Waffer oft bis über die Oberfläche der Erde empor, und bildet fo eine Fünftliche, oft fehr reiche Duelle. Diefe Eigenthümlichfeit findet fih u. a. vor zugleich in Frankreich in der ehemaligen Grafjchaft Artois, wo auf dieſe Weife gemwöhnlid Brunnen Fünftlich ge: graben werden. Man nennt deshalb folhe erbohrte Quellen artefifhe Brunnen. Da die Schweiz einen Reichthum der beften natürlichen Quellen befigt, fo wird in derfelben gewöhnlich nur zu befondern Zwecken von diefer Erfahrung Anwendung gemadht. Indefjen find auf diefe Weife u. a. die Salzquellen von Schweizerhall und Rheinfelden, fowie die jodhaltige Duelle zu Wildegg im Kt. Aargau erbohrt worden. Wegen der wifjenfchaftlihen Unterfuchungen, die über die Wärmezunahme im Innern der Erde an: geitellt wurden, verdient auch der bis zu 960 Fuß Tiefe geführte artefifche Brunnen bei Pregny im Kt. Genf der Erwähnung. Periodiſches Anfhwellen und Abnehmen der Quellen. Aus der oben gegebenen Erklärung vom Urfprung der Quellen im Allgemeinen ergibt fi leicht, warum Diefelben oft fehr reichlich, oft aber nur fparfam fließen, ja fogar zeitweife ganz vertrodnen. Es find nämlich befonders diejenigen Quellen einem folden Wechſel unterworfen, die ihr Waffer aus geringen Höhen erhalten, oder deren unterirdifcher Lauf fih nicht auf eine beträchtliche Weite erſtreckt. Bei folchen ift der Einfluß der Wit- 4 ———— terung unverkennbar; daher ſtehen in heißen Ländern die Quellen, Bach- und Flußbette m Sommer oft ganz trocken; bei heftigem Regen treten aber die Waſſer plötzlich hervor und ſchwellen ungemein fehnell an. Dagegen liefern Quellen, deren Waffer aus beträcht- licher Tiefe auffteigt, oder deren unterirdifcher Lauf ih auf große Weiten erſtreckt, meiftens eine ziemlich gleichmäßige Waffermenge, weil fie ihr Waffer aus ausgedehntern Anfamm- lungen beziehen, bei denen die ungleiche Menge des ihnen zufließenden meteorifchen Waſſers durch mannigfaltige andere Urſachen, namentlich durch Verdunſtung, Seitenablenkung ꝛc. ausgeglichen wird. Hungerbrunnen. Ebenfo leicht drängt fich uns die Erfläarung der fogenannten Hungerbrunnen auf, d. b. folder Quellen, welche oft nicht alljährli und meiftens erft im Monat Mai her: vorbreden, und nur bis zum Juni oder bis Mitte Juli fließen. Aus der Reichhaltigkeit und der längern Dauer diefer Quellen pflegen auch ‚bei uns die Zandleute auf bevorftehen- den Mißwachs, Theurung und Hungersnoth zu fchließen, woher der Name Hungerbrunnen. Gewöhnlich finden fich diefelben in wafjerreihem Hiügellande, und fie entftehen wohl vor- züglic dann, wenn nad) einem naffen Spätfommer der Erdboden fo mit Waffer getränkt ‘ft, daß er im Winter und Frühling das Schneewaffer nicht mehr aufnehmen kann, worauf dann beim Aufthauen diefes an der Oberfläche erfcheint, und das Gedeihen der Gewächſe durch die lange aufgehaltene Verdunftung und durch Erfältung des Bodens hindert, wodurch Mißwachs und in der Folge derfelben oft Theurung und Hunger entiteht. Solcher Hungerbrunnen finden fih in der Schweiz fehr viele, jo 5. B. bei Wangen, bei Seglingen und im Aſpi bei Albis-Affoltern im Kt. Zürich, bei den Ruinen des Schlofjes Neuenburg am Rhein im Kt. Schaffhaufen, die Quelle Bramafan im Jaun- thal im Kt. Freiburg u. f. w. Auf ähnliche Weife dürften wohl die zu gewiſſen Zeiten an beitimmten Stellen ent- ftehenden und wieder vertrodnenden Seen erflärt werden, wie 5. B. der Haarfee bei Haufen und der Weiher bei Neer ach im Kt. Zürich, der Mocaufa-See im Flindriz- Thälchen im Kt. Waadt u. f. f. Maibrunnen. Duellen, die ihren Arfprung dem Schmelzwaffer der Gletſcher verdanfen, hören in der Regel bei eintretender Kälte auf zu fließen, und erfcheinen erft im Frühling wieder. Obgleich diefe Erfcheinung in den Alpen eine fehr gewöhnliche ift, jo dürften doch einige auffallendere Beifpiele bier nicht am unrechten Mage fein: So ftrömt an der Felswand, auf welcher der Räzligletfcher oberhalb Lenk im Simmenthal, Kt. Bern, ruht, aus einer weiten Deffnung ein Bach, der im Herbfte verfchwindet, und deffen Wiedererfheinen von ae a den Thalbewohnern jedesmal ald Worbote des nahenden Frühlings freudig begrüßt wird. Der fehr ftarfe Liebfrauenbrunnen in der Nähe des Leuferbades im Kt. Walis fängt gewöhnlich im Juni zu fließen an, jedesmal drei Tage nachdem dev Abfluß des Lötfchen- gletfchers über die Felfen herunterzuftürzen beginnt. Hört diefer Abfluß auf, was meift Ende Auguft oder Anfangs September gefchiebt, fo verfhwindet nad drei Tagen aud) die Quelle. Dahin gehören nun auch die fogenannten Maibrunnen, fowie eine Menge perio- difcher, vom Frühjahr bis zum Herbit fließende Quellen, wie z. B. die Duelle im Thann bei Schwanden, Kt. Glarus; bei Grafenort und im Schlierenthal, Kt. Unter: walden; am Huggerwald, Kt. Solothurn; bei Puſchlav, Kt. Graubündten; bei Aigle, Kt. Waadt; bei Roffetaz, Kt. Wallis :c. Da aber viele Quellen, Bäche und Flüffe, welche aus Gletfohern abftrömen, auch im Winter, wiewohl weniger reichlich fließen, jo müffen fie das Waſſer theils dem an der untern Fläche der Gletfiher durch die Erdwärme abſchmelzenden Eife, theils und zwar bauptfächlich andern Duellwaffern, die unter dem Gletfcher aus der Tiefe hervorbredhen, zu danken haben. Berfhwindende Quellen. Nicht felten gefihieht es, daß eine Duelle, nachdem ihr Abflug eine Zeit lang an der Dberflähe der Erde Statt gefunden hat, plöglicd ganz oder theilweife wieder ins Innere der Erde zurückkehrt und erft in größerer oder geringerer Entfernung, oft aud) nicht wieder zu Tage tritt. Eine folche verfchwindende Duelle findet ſich bei Trimbach im Kt. Solothurn, eine andere bei Würenlingen im Kt. Aargau, und mehrere andere im Jura. Auch der Gepbife, der bei Chillon im Kt. Waadt in den Genferfee ſich ergießt, verfchwindet nad) furzem Laufe in einer der Höhlen an der Dent de Naye und tritt erft tiefer wieder zu Tage. Das Weißwaſſer im Kt. Appenzell, das aus einer Felsgrotte an der Pendlialp entfpringt, dann aber etwa 100 Schritte weiter fi in der Erde verliert, tritt aber wieder zu Tage, und bildet mit dem Bären: und Schwendibadh die Sitter. Vor allen aus aber verdient hier der Hongrinbad im Kt. Freiburg einer etwas ausführlichen Erwäh— nung. Bei Nerive am öftlichen Fuße des Molefon entjpringt an einer Schutthalde ein Bad), der allgemein für denjenigen Theil des Hongrinbaches gehalten wird, welcher ſich unweit Al— lieres oberhalb Montbovon in einem weiten aber ſchwer zugänglichen Felstrichter verliert. Er quillt an verfchiedenen Stellen reichlich, doch nicht fehr gewaltfam hervor, erhält aber bald ein ziemlich ftarfes Gefälle, fo daß er wenige Minuten weiter ein Mühl- und Sägemwerf zu treiben im Stande ift. Wenn nun die angedeutete Vorausfegung richtig ift, jo muß der Bad) einen unterirdifchen Weg von etwa 11% Stunden zurücklegen, und unter zwei Par 2 ziemlich betrachtlihen Bächen hindurchfließen. Die Beweisgründe, welche für die Identität diefes Baches mit dem Hongrin bei Allieres angeführt werden, find folgende: Es beftehen alte Dofumente, welche die Gemeinde Nerive befigt, und von denen ſchon zu wiederholten Malen Gebraud gemadht worden fein foll, denen zu Folge der Müller von Allieres die Belfenfpalte, in welche der Hongrin theilmeife abfließt, bei Buße nicht verftopfen darf. Muß er drei Male gewarnt werden, ohne daß er Folge leiftet, fo hat die Gemeinde von Nerive das Net, ihm feine Mühle abzubrechen. — Bisweilen fol die Spalte durch Moos, Laub, Holzwerf u. ſ. f. fih verftopfen, jo daß nur wenig Wafjer abfliegt. Alsdann werden Männer von Nerive abgefhidt, um die Deffnung zu reinigen, und es lajfe fi dann ander Zeit, wenn der Bad) wieder reichlich in Nerive erſcheint, fo zu fagen auf die Minute angeben, wann diefe Leute bei Allieres an Die Arbeit gegangen feien. Auch follen diefe, wenn fie fogleih nach gethaner Arbeit, ohne zu faumen, nad) Nerive zurüd- fehren, faft zu gleicher Zeit mit dem Waffer dafelbit wieder anfommen. Dahin dürften auch die im Innern von Höhlen ftrömende Bäche zu zählen fein, wie z. B. der unweit Abbaie im Joux-Thal in den fogenannten Chaudieres d’Enfer (Göllenkeſſel) tief unter einer natürlichen Felfenbrüde in einer hochgewölbten Höhle ftrö- mende Bach, deſſen Abflug unbekannt ift. — Nicht weniger intereffant find auch die Mühlen im Cul des Roches bei Locle. Eine Wohnung verbirgt den Eingang zu der Belsfpalte, in welcher Diefelben angebracht find. Auf einer in den Feld eingehauenen Zreppe gelangt man in eine Erweiterung der Höhle, wo zwei Mahlgänge ftehen; etwas tiefer liegt eine Stampfmühle, 48 Fuß tiefer ein dritter, und noch 32 Fuß tiefer ein vierter Mahlgang. Ganz im Grunde der Felsfpalte endlich ift das Näderwerf, unter welchem das Waſſer in dem Felſen mit großem Geräufhe verfehwindet. Sntermittirende Quellen. Eine intereffante Erſcheinung bieten auch die intermittirenden Quellen, d. h. ſolche Quellen dar, welche bald in regelmäßig, bald in unregelmäßig wiederfehrenden Zeiträumen mit größerer oder geringerer Keichhaltigfeit fließen, oder auch zeitweife zu fließen ganz aufhören. Ihre Entftehung läßt fi wohl ſtets aus einer der nachfolgenden Urfachen erflären, nämlich entweder aus der Anfammlung atmoſphäriſcher Luft oder anderer Gasarten in den Kanälen, durch welche das Waſſer der Quellen abfließt, oder durch den ungleihen Drud der comprimirten Luft in unterirdifchen Höhlen auf das zugleich in denfelben zuftrömende Waffer, oder endlich duch Höhlungen mit heberförmigen Abflußfanälen, in wels hen das Waſſer erſt bis zu einer gewiffen Höhe anfteigen maß, ehe es weiter abfließen Fann, dann aber fo lange ununterbroden abftrömt, bis die Abflußmündung wieder über dem Niveau des Waflers in der Höhle ſteht. Oft wirfen alle drei Urſachen gleichzeitig, und — 8— nicht ſelten läßt ſich nachweiſen, welcher derſelben die periodiſche Dulle ihre Entſtehung zu verdanken hat. Die Schweiz iſt ziemlich reich an ſolchen intermittirenden Quellen, von denen mehrere noch beſonders bemerkenswerthe Verhältniſſe zeigen. Die wichtigſten derſelben ſind folgende: Der Engſtlenbrunnen auf der Engſtlenalp im Kt. Bern, der zugleich zu den Mai— beunnen zu zählen ift, Er erjcheint Mitte Mai und verfiegt wieder gegen Ende Auguft. Dabei zeigt er eine tägliche Periode, indem er von 8 Uhr Morgens bis 4 Uhr Nachmittags fließt. Doc find ſowohl die tägliche als die jährliche Periode nicht beftändig ganz glei). Der Friedhofer am Bürgen, Kt. Unterwalden, mit etwa ſechs- bis achtſtündiger Periode; die Fontaine Ronde beit Pontarlier, die in Perioden von 6 Minuten intermittirt. Eine reihe Duelle im Afjfa- Thal bi Remüs im Unter-Engadin, welche aus einer etwa 300 Schritt tiefen Höhle entipringt und fi in ein geraumiges Beeren ergießt, aus wel- chem fie als ftarfer Bad) abfließt; ihre Periode Scheint eine Dauer von etwa 3 Stunden zu haben von Morgens 9 Uhr, Mittags, und Abends nad) 3 Ahr. Bekannt ift auch die (zwar außerhalb der Schweiz gelegene) intermittivende Quelle der Billa Pliniana am Eomerfee, deren ſchon der ältere Plinius erwähnt, und diejenige am Bourget:See in Sa- voyen, welche während 24 Stunden zweimal ausjegt. Dahin find unzweifelhaft auch einige mehr oder weniger regelmäßig wiederfehrende, jelbft bei trodener Witterung eintretende plögliche Anfhmwellungen von Bächen zu zählen. So ſchwillt z. B. der Farrera- Bad, der aus dem Ponteglias- Zobel bei Trons im Kt. Graubündten abfließt, alle Jahre gegen Mitte des Monats Auguſt, felbft wenn Wochen lang fein Regen gefallen ift, plöglich Außerft heftig an, und ftürzt dann mit gewaltigem Braufen, doc meiftens ohne Schaden anzurichten, in's Thal hinunter, finft aber ſchon nad) einem, höchftens zwei Tagen bis zu feinem gewöhnlichen Wafferftande. Sehr wahr: ſcheinlich ſammelt fid in einer unterirdifhen Höhle oder Felsfpalte ein Theil des vom Ponteglias-Gletfcher abfließenden Schmelzwafjers und entleert fih, wenn es eine gewiſſe Höhe erreicht hat, durch einen heberförmigen Kanal in das Bett des Farrera-Baches oder in einen Runs, der demfelben fein Waffer zuführt. — Ebendahin gehört zum Theil auch das Austreten des Hundsbahes im Hinterwäggithal. Diefer tritt am Fuße des Scheinbergs etwa 200 Fuß über dem Thale aus einem Felfenthor bei trodenem Wetter rubig fließend, nad Regenwetter aber mit Gebrül und in zehnfacher Stärke hervor und ſtürzt in ein tiefes Felſenbecken. In regnerifhen Jahren aber, wenn die Deffnung nicht binreicht, um alles Waffer aus der Felsfluft zu entleeren, fo bricht der Bach auch aus einer. höher gelegenen Grotte hervor. Anhang. Die Mineralquelle zu Saron im Kanton Wallis. Diefelbe entfpringt etwa zwei Stunden öftlih von Martinah am linfen Ufer der Rhone etwa 500 Schritte füdwärts von der Landftraße nah Sitten. Sie fließt gegen- wärtig fo reichlich, daß fie im Durchſchnitt 450 Liter Waffer in der Minute liefert. Ihre Temperatur ift gewöhnlich 249,5 big 33° C. Sie wird nunmehr in einer wohleingerich- teten Badanjtalt benutzt, von welcher unfer Titelblatt eine gelungene Abbildung gibt. Das Waffer wird ſowohl äußerlich als innerlich gebraucht, und man hat in neuerer Zeit auffallend heilſame Wirkungen desfelben gegen Kropf, bei ferophulöfen Anlagen, arthriti- hen und Iymphatifchen Affectionen wahrgenommen, während es Dagegen beim innerlichen Gebrauch nicht felten Magenbefhwerden verurfadht. Diefe Quelle zeigt nun den höchſt merkwürdigen, bis jet noch bei Feiner andern Mineralguelle beobachteten Umſtand, daß fie oft innerhalb ſehr ſchnell auf einander fol- gender Zeiträume einen fehr beträchtlichen Gehalt an Jod befist, bald darauf aber Feine Spur diefes Stoffes entdecken läßt. In Folge diefes Verhaltens find daher die von mehreren ausgezeichneten Chemifern von dem Mineralwaffer zu Saxon zu verſchiedenen Zeiten gemachten Analyfen fehr ver- ſchieden ausgefallen und wir ftellen deshalb die wichtigiten derfelben in nachfolgender Tafel zur Vergleihung zufammen : [4 — 10 — 4 Liter oder 1000 Gramme des an der Quelle geſchöpften Mineralwaſſers enthalten nach: a Bun FERNER in i ergin Bern | Heidepriem Tor BONO und 2. Rivier] in Berlin. in Zaufanne. Brauns in Eitten. 1844 1852 Sept. | 1852 Aug. 1853 1852 Dez. | 1853 Jan. Gramm, Gramm. Gramm. Gramm. Gramm. Gramm. Kohlenfäure 0,037 0,1480 | unbeftimmt | 0,242 0,2533 0,2418 Chlor 0,005 0,0098 0,0115 0,011 0,0327 0,0114 Jod 0 0 0,0902 0,148 0,0015 0,0658 Scmwefelfäure 0,258 0,1600 0,1768 0,175 0,1639 0,1655 Salpeterfäure Spuren Spuren Phosphorfäure Spuren Spuren 0,0060 Spuren Spuren Kiefelerde | 0.005 0,0120 | unbeftimmt 0,095 Spuren Thonerde | ' 0,0005 Spuren Spuren Spuren Talkerde 0,125 0,0631 0,0533 0,064 0,0534 0,0640 Kalt 0,018 0,1535 0,1590 0,149 0,1484 0,1495 Natron 0,011 0,0133 | unbeftimmt| 0,085 0,0344 0,0515 Kali 0,017 0,0179 | unbeftimmt| 0,024 Spuren 0,0193 Eifenoryd Spuren 0,0005 Spuren Spuren Spuren Ertractivftoff unbeftimmt | 0,0880 0 Die räthfelhafte Verſchiedenheit zwifchen diefen Analyfen fand erft in neuefter Zeit theilmeife wenigftens ihre Erflärung, nachdem diefelde bereits in den wiffenfchaftlichen Kreifen Iebhaft und nicht ohne einige Animofität beſprochen worden, ja felbft Aeußerungen veranlaßt hatte, welche abfichtliche Täuſchung vermuthen ließen. Um alle Zweifel nieder: zuſchlagen, entfchloß fi der Badearzt Dr. Pignant in Saron im Januar 1853 die Quelle und ihre verfchiedenen Abflüſſe während einer längern Zeitdauer täglich ein oder mehrere Male auf ihren Gehalt an Jod zu prüfen. Aus diefen Beobahtungen, fowie aus einer von den Herren von Fellenberg und Rivier angeftellten Reihe ähnlicher Unterfuchungen ergab es fih, daß oft in fehr kurzen Zwiſchenräumen von wenigen Minuten das Waffer fehr ftarf, dann aber wieder höchſt unbedeutend oder gar nicht auf Jod reagirte. Manchmal dagegen hielt der Jodgehalt mehrere Stunden lang an, bisweilen zeigte fi auch während ebenfo langer Zeit Feine Spur von Jod. — Au) als fpäter diefe Beobachtungen und Verfuche bis in den April 1853 von Dr. Pignant fortgefegt wurden, zeigten ſich ähnliche Erfcheinungen, doc, weniger häufig gänzlihe Abwefenheit von Tod. Die Menge diefes Stoffes wechfelt den gemachten Beob- achtungen zu Folge von 0,030 bis 0,150 Gramme, oder von 1 bis 5 Gran auf das Liter. Dabei ift fehr auffallend, daß das an der Duelle und das am Hahne der KRöhrenleitung in der Badanftalt gleichzeitig gefihöpfte Waffer nicht immer die gleihen Intermittenz- ee perioden zeigte. Auch ift die Thatfache bemerfenswerth, daß nach ftarfem Regen das an der Duelle gefhöpfte Waffer ſtets fehr jodreich ift, während nach länger anhaltender trodener Witterung nur geringe Spuren von Jod in derfelben fich finden. Der außerordentlihe Reihthum von Jod, der wenigftens zeitweife in der Quelle von Saron gefunden wird, dürfte nun wohl auch hinreichen, um jeden Verdacht von abficht- liher Beimifhung irgend einer löslichen Jodverbindung, z.B. Jodkalium (als des einzi- gen in größerer Menge im Handel vorfommenden Jodpräparates), die — fei es aus bloßer Moyftififation oder um dem Bade größern Kredit zu verfchaffen — verfucht worden wäre, zu zerftören. Denn wenn man annimmt, daß die Duelle in der Minute durchfchnittlich 450 Liter Waffer liefert, fo würden bei einem Jodgehalte von 0,1485 Grammen auf 1 Liter in 24 Stunden 100 Kilogramme Jod ausfließen. Es müßte alfo, um diefen Jod- gehalt auch nur während 12 Stunden in der Duelle zu erhalten, auf irgend einem Wege nad) und nad 50 Pfund an einem Löslichen Jodpräparat, z. B. an Jodkalium zugefegt worden fein; und da mehrere der gemachten Unterfuchungen der Quelle, die ohne vor: berige Anmeldung bei dem Badeigenthiümer oder bei andern, bei der Anftalt intereffirten Perfonen, Statt fanden, einen beträchtlichen Gehalt an Jod nachwiefen, fo hätte die fremde Beimifhung anbaltend und im Großen fortgefegt werden, und fo nothwendig in Kurzem zur Entdefung des Betruges führen müffen. Es würden aber die dazu noth— wendigen Auslagen in feinem Verhältniß zu dem, durch den künſtlich bervorgerufenen, alfo auch fehr prefären Kredit, vermehrten Zulauf von Kurgäften geitanden, und wohl fehr bald den ökonomischen Ruin des Badbefigers herbeigeführt haben. Aus den mitgetheilten Analyfen fällt vor Allem der, im Verhältniß zu dem Jodgehalt, geringe Chlorgehalt in die Augen, und es bildet fomit nad) der Schwefelfäure und Kalk: erde das Jod den Hauptbeftandtheil der Mineralfubftanzen des Waſſers von Saron, welcher nunmehr auch in feinen Wirkungen vorzüglich zu Tage tritt, während bei andern jodhaltigen Mineralquellen, wie z. B. denjenigen von Adelheid, Kempten, Schwollen, Kreuznah, Saidſchütz, Teplitz u. v. a. der Jodgehalt dem Gehalt an Kochſalz, Bit terfalz und andern Verbindungen bedeutend nachfteht. Nachfolgende Tafel zeigt den Gehalt einiger diefer Mineralquelen an Jod, wobei für alle das preußifche Pfund zu 16 Unzen oder 467,71 Gramme — 7680 Gran anges nommen wurde, = = = r ! BE ns : = : = 2 Bezeihnung 23.) 8 3: 28 33 ER: Quellen. = BsEeil5E AEı| BE v. Fellenberg Saron im Wallis u.Rivier | 0,138| — | — | 0,762 |0,802| 0,818 | 0,906 | Challes bei &hambery | DO. Henry 0,625 | 0,0761 — — — — 0,076 Adelheid b. Heilbronn | Berliner Anal.| 38,494 = — — — 0,200 | — Kempten Buchner 11,676 | 1,25 |0,6% | 0,146 | — _ _ 2 Vogel 11,132 | 0,489 | 0,63 — — 014323 Kreuznach, Karlshalleſ Oſann 59,665 | 0,679 | 2,561 — — 0,044 | — Saidfchütz, Hauptq. | Berzelius 2,169| — 0,0368 | — — =, Teplitz in Böhmen Fizinus 0,433 — — — — 0,0568 — Luhatſchowitz in Schleſien Planiava 18,421 — — — — 0,067 — Lippik in Slavonien: Bifchofsquelle Wagner 4,687 — [0,788 | 0,311 — — — dto. Kleinbadquelle a 4,874 — [0,760 | 0,206 | — — — Pretiolo in Stalien: Acqua borra Giuli 42,667 — | 9,331 — — — 0,266 Ardipfo auf Euboea | Landerer 68,500 3,500 | 2,000 — 0,300 | — Luthrafi, Ssthmus von Korinth 4 34,500 2,00 |1,500 — [0,4002 | — Thermia auf Kythnos # 51,600 | 13,500 | 3,500 — — 0,600 | — Wildegg im Aargau | Löwig 73,264 | 12,388 | 2,816) ° — | 7 — 0,302 Aus diefer Tafel ergibt fih, daß das Mineralwaffer von Saron alle hier angeführten an Jodgehalt übertrifft. Auf diefen Umſtand ſich ftügend, find bereits von Spefulanten Entwürfe gemacht worden, das Jod aus diefem Wafjer im Großen auszuzieben ; allein es ftehen der Ausführung dieſes Profeftes bedeutende Schwierigkeiten entgegen, befonders auch die oben bemerkte Intermittenz, welche oft auf längere Zeit ein nur fehr jodarmes Waſſer liefert. Um nun die Verfchiedenheit der angeführten Analyſen des Mineralwaflers von Saron, und noch mehr, um die Intermittenz des Zodgehaltes zu erklären, ift es nöthig, vorerft noch die nähern Umgebungen der Quelle etwas genauer zu befchreiben. Die Quelle tritt gegenwärtig 10 bis 11 Fuß unter der Oberfläche aus einer etwa 8 Boll breiten mit Steintrümmern gefüllten Felsfpalte in einen von Grund aus aufge mauerten Schacht oder eine Brunnftube, in welcher das Waffer ftets 6 bis 7 Fuß hoch fteht. Diefer Schacht entleert fih feitwärts in einen etwa 3 Fuß fief in die Erde einge: fhnittenen Abzugskanal, durch welchen das in der Badanftalt nicht nothwendige Wafler abfließt. Ueber der Felsipalte befindet fich ein 2 Fuß Langer, 11 Fuß breiter und 2 Fuß tiefer Kaften, der, um Verunreinigungen zu verhüten, gewöhnlich mit einer großen Stein: — platte bedeckt iſt, welche man außerdem noch mit Steinen beſchwert hat. Ueber dem Kaſten iſt ein Waſſerbehälter von 7 Fuß Länge und 2%, Fuß Breite, zu welchem mehrere Stufen binabführen, von denen einige fi) noch unter dem Wafferfpiegel befinden. Diefer Behälter iſt mit einem ftarfen hölzernen Rahmen eingefaßt, welcher mit 2 Boll diden Brettern vernagelt it, bis auf einen mit Charnieren verfehenen Dedel von 21% Fuß Länge und 11% Fuß Breite, der gerade über dem tiefern Ende des Behälters angebracht ift, wo der Kaften und im Grunde desfelben die Felsſpalte fich befindet. Diefer Dedel iſt beftändig durch ein Vorlegeſchloß verwahrt; der übrige mit Brettern vernagelte Theil der Brunn- ftube ift mit Erde bedeckt. Aus dem Kaften führt eine Röhrenleitung das Waffer in nörd- licher Richtung in die etwa 300 Schritt entfernte Badeanftalt. Neben diefer neuen Zeitung befindet fi nocd eine aus 5 Boll weiten hölzernen Röhren beftehende ältere, die man vergeblich zu verftopfen fuchte, und die nun unterirdifeh in unbekannter Richtung unter dem bedeutenden Drudfe von 4 bis 5 Fuß Waffer einen Theil des Zufluffes der Duelle, vielleicht gerade den wirkſamſten ableitet. Nahe bei der Quelle bildet der unter das Niveau der Rhone-Ebene ſich verfenfende Fuß der Gebirgsfette der füdlichen Zhalfeite einen nah SW einjpringenden Winkel. Die eine ſüdliche Seite derfelben zieht fich ziemlich gleichlaufend mit der Hauptrichtung des Thales nad) NO und befteht aus einem gelblih-grauen, fandfteinähnlichen, harten, in zoll- bis fußdiden Lagen geſchichteten ſchiefrigen Kalfftein, deffen Schichten unter Winkeln von etwa 30 bis 40 Graden gegen NO einfallen. Die andere wetlihe Seite des Minfels zieht fih in faft nördlicher Richtung bis zum Iinfen Ende der mit der Landſtraße parallel liegen- den Badgebäude, bildet daſelbſt einen Vorfprung, biegt nah SW um, und verlängert fich in Diefer Richtung gegen Martina hin etwa 1000 Schritte weit ziemlich gleichlaufend mit der Hauptſtraße. Diefer Ausläufer erhebt fih zu einem mehrere hundert Fuß hoben Hügel, der zum Theil mit Wald und Gebüſch, zum Theil mit Weinreben, Aedern und Wiefen bedeckt ift, doch aber an vielen Stellen beträchtliche Felsabftürze zeigt, in denen das Geftein fih erfennen läßt. Won der Quelle big zum Badgebäude und von dieſem binweg in füdweftlicher Richtung bis zu einer ziemlichen Höhe befteht dasſelbe aus einem gelblihen von Weiten fich durch feine Farbe und fein löchriges, durchaus nicht gefchichtetes Ausfehen von dem weiter hinauf auftretenden Kalffchiefer fich auszeichnenden Rauchwacken— geftein. Diefes legtere ift überall, wo es zu Zage tritt, gelblih-braun bis grau, löcherig, voll Spalten und Riſſe, die mit einer bald gelblichen, bald orange oder rofafarbenen, weichen, marfigen oder erdigen Subftanz gefüllt find. Die Rauchwacke felbft ift nach allen Richtungen mit weißen, oft bedeutenden Adern von Kalfipath durchzogen. Friſch abge: fhlagen und in feuchtem Buftande zeigen Bruchſtücke derfelben einen fehr deutlichen Jod— geruch, der lange anhält. Die Felsſpalte im Grunde der Quelle fheint nad ihrer Rich» u = tung zu urtheilen ziemlich genau die Berührungslinie zwifhen dem Kalkfchiefer und der Rauchwacke zu bezeichnen und in deren Verlängerung zu liegen; auch beftehen die aus der Tiefe der Spalte gezogenen Steintrümmer fowohl aus Rauchwacke- als aus Kalkſchiefer— bruchſtücken. Eine im Jahr 1847 beim Graben des Kellers unter dem großen Saale des Badgebäudes am äußerſten linken Ende desſelben, thalabwärts, am Fuße des Rauchwackenhügels her— vorbrechende warme Duelle von 25° C. Wärme konnte, ungeachtet aller Mühe, nur un— vollfommen nach der Rhone abgeleitet werden, und feit der Zeit zeigt fich in dem Keller und in einer, in dem Fuß des Hügels gegrabenen Eisgrube eine wenig wechjelnde Tem— peratur von 14°,5 bis 15° C., fo daß weder Wein, noch viel weniger Eis, darin aufbe- wahrt werden kann. Gräbt man in diefem Keller ein Loch von zwei oder mehr Fuß Tiefe, fo fammelt fih in demfelben ein trübes Waffer von etwa 14° E. Wärme, das ftarf auf Jod reagirt, und bei drei Analyfen, von welchen die beiden erften die Herren von Fellen— berg und Kivier, die dritte Herr Brauns, Chemiker in Sitten, damit vornahmen, wurden 0,0675 Gramm, 0,0473 Gramm und 0,1645 Gramm Jod auf 1 Liter darin gefunden. Durch einen glücklichen Zufall entdeckte (am 25. Jan. 1853) Herr Brauns, daß die in den Löchern und Höhlungen der Rauchwade enthaltene, erdige Subjtanz ftarf jodhaltig fei. Zwar enthält das fefte Geftein felbft, nach den Analyfen des Herren Morin und ebenfo nach) denjenigen der Herren v. Fellenberg und Rivier feine Spur von Jod; werden aber Bruchſtücke der — an verfchiedenen Stellen der Umgebungen gefammelten — Rauch— wacke mit Faltem Waſſer abgefpült, oder einige Stunden ruhig bingeftellt, fo zeigt diefes Spülwaffer fehr deutlich Sodreactionen; ja ſchon bloß in feuchtes, mit Stärfefleifter geleim— tes Papier eingewidelte Bruchſtücke der Felsart färben das Papier nad) einiger Zeit blau, violett oder lila, je nad) dem größern oder geringern Jodgehalt des Steines. Nach Riviers Analyfe zeigt die erdige Subitanz für fich allein in 1000 Grammen 1,560 Gramme Jod, nad) derjenigen des Hrn. Brauns 1,674, alfo eine 15 bis 20 Mal größere Menge als in dem Waſſer der Duelle gefunden wurde. Aus allen diefen Wahrnehmungen ſcheint wohl unzweifelhaft hervorzugehen, daß der Jodgehalt der Quelle von Saxon mit dem jener, in der umgebenden Rauchwacke enthaltenen erdigen Subſtanz in einem engen Zuſammenhange ſtehe. Es bleibt aber noch auszumitteln, ob der Jodgehalt beider ſeinen Urſprung der gleichen Urſache zu danken hat, oder ob die Mineralquelle ihren Gehalt an Jod von der Rauchwacke beziehe, oder endlich ob die jodhaltige Subftanz der legtern eine Ablagerung der Mineralquelle felbft fei. Noch darf der Umftand nicht überfehen werden, daß in der Duelle nicht felten, wies wohl in fehr unregelmäßigen Intervallen, ziemlich ftarfe, feldft ſtürmiſche Gasentwicklungen Statt finden, welche meiſtens von Dämpfen begleitet find, die über dem klaren Waſſer— BA, |: 7 mei jpiegel fihtbar werden, und daß nad) jeder diefer Gasaufwallungen das Maffer oft nur auf Furze, oft aber auch auf längere, ganze Tage anhaltende Zeitdauer einen ftärfern Jodgehalt zeigt. Leider ift die Natur diefer Dämpfe und Gafe, fowie die mit dem Auf: ſtoßen derfelben wahrſcheinlich verbundene Zemperaturänderung noch nicht hinreichend unterfucht worden. Wäre erwiefen, daf diefe Dampfentwidelungen von Zoddämpfen ber: rührten, — was übrigens nicht wahrſcheinlich ift, da fih Diefelben durch Farbe und Geruch ſchon längft als foldhe zu erkennen gegeben hätten, — fo müßte wohl angenommen werden, daß das Jod der Quelle und dasjenige der Rauchwacke mittelbar wenigſtens von derfelben Urſache herrühren, und es wäre dann eben fo natürlich anzunehmen, daß die jodhaltige Subftanz der Rauchwacke almählig von dem Waffer abgefegt worden, oder doch mit den Beltandtheilen derfelben in eine Verbindung getreten fei. In diefem Falle aber müßte die Duelle unzweifelhaft feit ſehr langer Zeit, — wenn auch vielleicht nur intermittirend, — jodhaltig geweſen fein, was wir aber aus folgenden Gründen bezweifeln müffen: 1) Ein fo ſtark jodhaltiges Waffer müßte, da es auf ziemlich weite Streden und in offener Thalgegend, zumal in einem Lande und einem Gebiete desfelben, wo der Creti— nismus feine höchite Ausbildung zeigt, in einem weiten Gerinne zu Zage fließt, wenigſtens feit dem Bekanntwerden der ſpezifiſchen Eigenfchaften und Wirkungen des Jods längft fhon an feinen äußern phyfifchen, jelbft dem gemeinen Manne auffallenden Eigenschaften bekannt worden fein. 2) Die glüdlihen Kuren, welche der Gebrauch diefer Mineralquelle namentlich gegen Kropf und bei ferophulöfen Anlagen und arthritifchen und lymphatiſchen Affectionen zu Wege gebracht hat, datiren fih — nicht, wie es in einem Berichte über diefelbe irgendwo beißt: »d’un temps imme&morial« — zumal die Duelle erft feit 1840 aufgefunden und als Heilquelle benugt wurde, fondern fie feinen erft feit wenigen Jahren von den Aerzten beobachtet worden zu ſein. 3) Wenn die Quelle von jeher, wie gegenwärtig, wenn auch nur zeitweiſe, ſo reich an Jod geweſen wäre, fo müßten (da wenigſtens bis 1853 das Waſſer der Mineralquelle da3 einzige war, welches fowohl in der Küche als bei Tiſche gebraucht wurde) Zufälle ſehr bedenklicher Art bei den Perfonen, welche ſich diefes Waſſers als des gewöhnlichen Getränfs bedient haben, wohl unvermeidlic gewefen fein, da ſchon bei weniger bäufigem Gebrauche und fhmwächeren Jodwaſſern ſolche anderfeits als gar feine feltene Erſcheinung vorgefommen find. Da num die jodhaltige Subjtanz der Rauchwacke unzweifelhaft nicht neuerer Entjtehung ift, fondern wohl bei der Formation derfelben, oder in vorgejhichtlicher Zeit gebildet wurde (für welche Art des Vorkommens fi wohl auch Analoga finden ließen), fo bleibt 2) ET — uns alfo nur noch die Annahme übrig, daß die Mineralquelle ihren Sodgehalt von der Rauchwacke beziehe. Alsdann aber läßt ſich das Auftreten des Jods in der Mineralquelle von Saron wohl nicht anders als durch einen veränderten Lauf eines neuen Bufluffes zu der jeßigen Haupt- quelle erklären. Die Gründe, die wir für diefe Unficht aufzuführen Haben, find folgende: 1) Nach den mitgetheilten Thatfachen ſcheint ausgemacht, daß der Zodgehalt der Duelle erjt feit 1847 datirt, oder doc) erit feit diefer Zeit aus den glücklichen Kuren nach— gewiefen werden Fann. 2) Aus dem Verlauf der Darftellung ergibt fich, Daß, als im Jahr 1847 einige Bauten aufgeführt, und ein Keller gegraben wurde, zu welchem Ende hin ein Theil des Rauch— wadefelfens weggefprengt werden mußte, eine ftarfe warme —— von ungefähr 25° &. zu Zage trat. 3) Diefe Duelle, ungeachtet fie vom Badgebäude abgeleitet wurde, hat ſich dennoch) großentheils im Boden verloren, wie die Nachgrabungen im Keller des Haufes beweifen. 4) Diefe Nahgrabungen haben gezeigt, daß das Waſſer jener neuen Quelle ſehr jtarf jodhaltig ift. 5) Seit jener Zeit hat ſich die Menge des Waffers an der Badge fait verdrei- facht. Zur Beit der eriten von Heren Morin vorgenommenen Analyfe im 3. 184% Tieferte fie in der Minute 120 Liter, feit jener Baute im 3. 1847 bis 1852 nad dem Badearzt Pignant 420 bis 470 Liter, wobei indeffen nicht zu überſehen iſt, daß bei dem Erdbeben vom 24. Auguſt 1851, das auch) in jenen Gegenden wahrgenommen wurde, vielleicht eine oder mehrere jener in Rede ftehenden Wafleradern der Duelle zugeführt worden fein fonnten; zumal eine ähnliche Waffervermehrung fih nach jenem Zeitpunfte auch in der nur vier bis fünf Stunden von Saron entfernten Mineralquelle von Zavey zeigte, deren Temperatur zugleih um 70 C. erhöht wurde. Daraus folgt nun wohl, daß die Waffer diefer neu zu Tage getretenen warmen Duelle, wenn jie auch ſelbſt nicht jodhaltig waren, doch auf ihrem Laufe dahin aus der Rauchwacke Jod aufnehmen fönnen und müffen. Wenn alfo auch nur eine Ader derfelben durch eine ihr bei dem angeführten Baue oder in Folge des Erdbebens ertheilte ander- weitige Richtung der Badquelle zugeführt wurde, was durch den fofort ſich zeigenden beträchtlich größern Waffergehalt derfelben nicht nur wahrfcheinlich ift, fondern faft mit Gewißheit angenommen werden muß, fo ift die Erklärung vollftändig gegeben, warum die Mineralquelle von Saron erſt feit 1847 jodhaltig geworden ift. Diefe Anficht führt uns aber auch zu einer, wie uns ſcheint, fehr einfachen und un- gezwungenen Erflärung der Intermittenzerjcheinungen diefer Duelle. Nah dem Vorhergehenden beftehen in Saron zwei verjchiedene Quellfyfteme; das — . Me eine ift dasjenige, weldyes aus der jodhaltigen Rauchwacke felbit entfpringt (wir wollen e3 als die jodphaltige Quelle bezeichnen); das andere dagegen ift dasjenige, welches aus der Felsfpalte hervortritt, (wir nennen e8 Furzweg die Badgquelle). Von dem erftern Quelliyfteme ftrömt ein Theil durch die Klüfte des Felfens, vielleicht bis zu einer beträchtlichen Tiefe, und tritt in den Stammfanal der Badquelle, vorerft die Höhlungen und wohl auch weitere Klüfte der Rauchwacke anfüllend. Bei ihrem Ein- tritt in den Kanal der Badquelle übt fie einen Druck auf die auffteigende Mafferfäule, fowie hinwieder diefe legtere mit der Kraft, mit welcher fie in die Höhe getrieben wird, auf jene zurück wirft, und fie am Eindringen fo lange hindert, bis der Drud der abftei- genden Säule ftärfer ift, als derjenige der aufjteigenden. Diefes gefchieht bei geringerer Waffermenge der eindringenden Säule ftoßmweife, ja der Zufluß Fann für längere Zeit ganz gehindert werden. Erſt bei größerer Anfammlung und ftärferm Drude überwindet der Waſſerſtrom der jodhaltigen Quelle denjenigen der aufiteigenden Säule nahhaltig, und wird, bis das Gleichgewicht zwifchen beiden Kräften hergeftellt ift, in fortlaufendem Strome zur Ausflugmündung der Badquelle gelangen. Im erjten Falle zeigt die Badquelle gar Fein Jod, oder nur Spuren, im legtern dagegen nad Verhältnig der Zuflußgmenge und der Dauer des Bufluffes ift fie mehr oder weniger ftarf jodhaltig. Diefes Spiel kann fi in ganz kurzer Zeit fehr oft wiederholen. Diefe Vorftellungsweife erklärt nun aud) leicht: 1) Warum nah Entwidelung von Gafen und Dampfen das Waſſer ſich ftärfer, oft längere Zeit andauernd jodhaltig zeigt. 2) Warum nah anhaltendem Negen das Waſſer ftärfer jodhaltig, bei trodenem Wetter Dagegen weit weniger reich an Jod ift. 3) BWarım die Intermittenzerfheinungen am Hahne der Wafferleitung in der Bad- anftalt nicht genau mit denjenigen im Schachte coineidiren. Bezüglich auf den erſten Punkt haben wir bereit3 gezeigt, daß auf eine ftärfere An— fanımlung von jodhaltigem Waller, und einen dadurd vermehrten Druck auf die auf: fteigende Wafferfäule, auch ein andauernder und ftärferer Jodgehalt der Badquelle folgen müffe. Es ift aber eine alltäglihe Erfahrung, daß mit jedem in Röhren oder gefchloffenen Kanälen fliegenden Waller au Luft mechanisch fortgeriffen wird, welche oft an fich ſchon binveicht, den Wafferfaden zu unterbrechen, und dieß um fo mehr, wenn fie auf ihrem Wege fih in Höhlungen anfammeln Fann, bis duch Komprefjion ihre elaftifche Kraft fo ſtark angewachſen ift, daß fie den Druck des Waffers überwindet. Daß bei heißem Waſſer diefes auch mit den daraus auffteigenden Dampfen gefchehen kann, ift ebenfalls eine all- gemein anerkannte Thatfahe. Wenn nun nad länger zurücgehaltener Strömung des jodhaltigen Waſſers diefes zum Ausflug gelangt, jo werden unzweifelbaft die comprimirte 3 Bi Luft, fowie die frei werdenden Dämpfe gleichzeitig entweichen, und theilweife wenigſtens no vor, jedenfall3 aber aud mit dem jodhaltigen Waffer an der Ausflugmündung fich fund geben — worauf der Sodgehalt der Duelle, wie wir gefehen haben, längere Beit andauert. Der zweite Umstand ergibt fih nach unferer Darftellungsweife von felbft. Durch Regen wird auf dem ganzen Duellgebiete die jodführende Rauchwacke ausgelaugt, und derfelbe führt das jodhaltige Waffer mehr oder weniger ftarf imprägnirt der, vielleicht an fi nur wenig jodhaltigen Duelle zu; da aber bei vorangehender trodener Witterung die Anfammlung des Waflers nur langſam von Statten geht, fo wird das Erfiheinen des Jods in der Badquelle erft nach Eintritt der naffen Witterung fi einjtellen. Zur Erklärung des dritten Punftes gibt wohl das auf weite Streden ungeftörte Nebeneinander = Fortfließen zweier Wafjerftröme, die in ihren Eigenfchaften oft nur un— bedeutende Verfchiedenheiten aufzumeifen haben, die befte Wegleitung. Wir haben nämlich bei der Befchreibung der Faffung der Badquelle angeführt, daß eine Seitenöffnung das überflüffige Waffer nach der Rhone abführe, ohne es durch die Röhrenleitung in's Bad- gebäude zu führen. Wenn nun der jodhaltige Wafferfaden ſich in der Nähe jener Deffnung in den Behälter ergießt, fo ann der größte Theil desfelben ausfließen, ohne die hölzerne Köhrenleitung mit dem Hahn zu durchftrömen. Es Fonnte alfo bei der Unterfuhung das Waſſer an der Duelle vielleicht fehr ftarf auf Jod reagiren; während es am Hahn feine oder nur unbedeutende Spuren von diefem Stoffe zeigte. Aber auch umgefehrt Fönnte bei einem fo beweglichen Elemente der jodhaltige Waflerfaden zeitweife der Seite zugelenft werden, welche zunächit der Röhrenleitung das Waffer zuführt, wodurd das Verhalten des Waſſers in der Duelle und am Hahne gerade ein umgefehrtes würde. Gewöhnlich indefjen mifchen fi) wohl beide Wafferftrömungen fhon im Hauptfanal und es zeigen fi) alsdann ſowohl in der Duelle als am Hahne diefelben Reactionen. Man hat aud) verfucht, Diefe Verfchiedenheit der Reaction bei der Duelle und am Hahne der Röhrenleitung von der ungleichen fpezifiichen Schwere des jodhaltigen Waffers abzuleiten, fo daß das fchwerere jodhaltige Waffer nicht immer, oder nicht alles, zum Hahne gelange, fondern unterirdifch aus der Duelle abfließe. Es ift möglich, daß Diefe Urſache bisweilen gleichzeitig mit der eben angeführten thätig iſt, doch ift der Unterfchied des fpezifiihen Gewichtes des am meiften jodhaltigen Waſſers von demjenigen des jodfreien kaum fo beträchtlich, Daß es bei dem Reichthum der Duelle allein eine ſolche Ausscheidung veranlaßen Fonnte. Noch dürfen wir die von Hrn. Brauns aufgeftellte Meinung nit unbeachtet laffen, nach welcher die Intermittenz daraus zu erflären wäre, daß die Tagmwafjer, welche das FJodlager durchdringen, und fo Sodnatrium, Jodkalium und vielleiht Sodmagnefium auf: — AO. nehmen, in einzelnen Felsfpalten verfchiedene Entfernungen zu durchlaufen haben, mithin in fürzern oder längern Beitintervallen und in Bleinern Strömen in die Badquelle eintreffen. Es fcheint uns aber, daß einzelne Umftände durch dieſe Anficht nicht leicht erklärt wer- den fönnen. Die Frage endlich, woher denn der Zodgehalt der Rauchwacke ftamme, berührt nun eigentlich die Aufgabe, die wir uns geftellt haben, nämlich eine Erklärung der Intermittenz- erfcheinung zu geben, nicht; indeffen ließe fih, ungeachtet bis jegt nicht befannt geworden ift, daß in der Rauchwacke von Saron Petrefacten gefunden worden find, doch wohl an- nehmen, Daß jene erdigen Ausfüllungen die Ueberreſte von zerftörten Seepflanzen und MWeichthieren wären, deren Form und Struktur im Laufe der Zeit zwar zerftört, aber deren Jodgehalt erhalten worden wäre. Daß die jodhaltige Subſtanz in der Rauchwacke nicht ein Infiltrationsproduft der gegenwärtigen Badquelle fein Fann, erhellt übrigens and Daraus, Daß diefelbe weder Sulfate noch Chlorverbindungen einschließt, welche fich fonft unbedingt darin finden müßten. Doch wir fließen, indem wir fchon längft den uns geftatteten Raum überfohritten haben, mit der Bemerfung, daß wir weit entfernt find Die gegebene Erklärung als voll: ftändig und allen Einwürfen begegnend anzufehen. Bu einer foldhen ift eine mit Muße und Sachkenntniß ausgeführte längere Beobahtung und Unterfuhung der Quelle und der Umgegend unerläßlic. 63 bliebe nad) dem uns vorgefegten Plane no übrig, von der Temperatur umd den Beftandtheilen der Quellen, insbefondere der Mineralquellen zu reden, was wir indeſſen aus dem fhon angeführten Grunde einem Fünftigen Neujahrsblatte aufjparen müſſen. — nee — Aal Amlpim f it laupänil isn. ua Bi 2 antaue m * a ee er — * re — — — ni — D— e ; „Astoaptı 11a Anpassen Int Hefe a & — —A——— hm atzcunc xot gen ra" für unbe meuieske — son — + * ou —— ber! Van EB, bumsen in a De bat Wan jugeicolt‘ NR: MR } h. Bar na nic ha. rn AR ng er ae ee r Dann 00 unten; aba oundi ha EEE AN Be Kiyeli: old am Hobur PETE Sealtionen. 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Salim malbel Ousllen 4 Isdreiche aul. qmellon 6 Ausnehmungen " If e Binmmnsse ⸗ —— Minerale kim sind indisch — — ⸗— An Die zürcherifche Jugend auf das Jahr 1855. Don der Waturforfchenden Gefellfchaft. In dem legten Neujahrsblatte, welches von den Quellenerſcheinungen in der Schweiz handelte, haben mir verfprodhen, nod einige rückſtändige Punkte, namentlich die Tem— peratur der Quellen, ihre Beitandtheile und ihre Beziehungen zu den geognoftifchen Ver- hältniffen der Gegenden, in welchen fie entipringen, bei einer fpätern Gelegenheit zu erörtern. Wir werden daher verfuchen, diefe Gegenftände in Folgendem mit angemefjener Kürze zu befprecdhen. Temperatur der Quellen. Das Waffer der verjchiedenen Quellen zeigt bei feinem Austritt an der Oberflache der Erde fehr verfchiedene Temperatur-Erfcheinungen. Kommt eine Duelle nur aus geringer Tiefe hervor, bis zu welcher der Einfluß der täglich und jährlich wechfelnden Wärme dringt, fo befigt fie eine veränderlihe Tem: peratur; fie ift im Sommer wärmer, im Winter fälter. Quellen, welche dagegen aus einer Tiefe hervorfommen, bis zu welcher der Wechjel der äußern Temperatur feinen Einfluß mehr übt, zeigen meiftens eine gleih bleibende Temperatur, die duchfchnittlich ziemlich nahe mit der mittlern Temperatur *) des *) Unter mittlerer Temperatur eines Ortes verfteht man diejenige Temperatur, welche fich ergibt, wenn man die Summe aus einer langjährigen Neihe täglicher Beobadjtungen der Luftwärme eines Drtes durch die Anzahl der Beobachtungen dividirt. eg — —— r E 7 [ YY LVI. Stüd. — ſ — Mh he Ortes zufammenfällt. Wenn nämlich das Waſſer lange genug in derjenigen Ziefe ver: weilt, wo eine von dem Wechfel außerer Einflüffe unabhängige Temperatur herrſcht, fo nimmt dasfelbe allmalig eben diefe Temperatur an; Ddiefe leßtere ijt aber eben nahezu auch) die mittlere Temperatur des Ortes, indem jie Durch den langjährigen Einfluß der nämli- hen Urſachen, wie diefe eonftant geworden ift. Indeſſen ſcheint es nach neuern, zahlreihen und fehr forgfältigen Unterfuhungen, daß eine Quelle, welde eine conftante Temperatur befigt, ſtets eine et- was höhere Temperatur zeigt, als die mittlere des Drtes. — Immerhin aber fann man annähernd die mittlere Temperatur eines Drtes aus der Duellenwärme beftimmen, wenn man während wenigftens eines Jahres die Beobachtungen fortjegt und die Zeiten der größten und der geringften Wärme der Duelle fid) merkt (welche in unfern Gegenden in die Monate Februar und August fallen), dann drei Monate nachher (alfo im Mai und November) die Temperatur der Duelle beftimmt und aus Ddiefen beiden Beobachtungen das Mittel zieht; gewöhnlich wird diefes jehr annähernd, oft ganz genau mit der mittleren Temperatur des Drtes zufammenftimmen. Die wichtigften Momente, welche die Temperatur einer Quelle beitimmen, find alfo: die Tiefe, von welcher das Waller aus dem Innern der Erde emporfteigt, die abfolute Höhe in welcher fie zu Tage tritt, Die Dauer oder die Länge des Weges Die fie unter der Erde fortftrömt, und die Neichhaltigfeit oder die Waflermenge der Duelle. Außer diefen auf die Temperatur bei allen Quellen in mehr oder weniger hohem Grade Einfluß babenden Momenten gibt es noch eine Menge anderer, zum Theil minder allgemein, oft bloß lofal wirfender Urſachen, welche alle aufzuzählen hier nicht am Plage wäre. Es darf als eine durch die Erfahrung feitgeftellte Thatfache angefehen werden, daß die Temperatur im Innern der Erde im Aflgemeinen mit der Tiefe zunimmt; daS genaue Verhältniß Ddiefer Wärmezunahme zu der Tiefe unter der Erdoberfläche ift jedoch micht überall glei, und es ſcheint die geognoftifhe Formation, in welder die Beobachtung angeftellt wird, darauf einen wefentlihen Einfluß auszuüben. Aus einer ſehr großen Zahl von Beobadhtungen ſcheint fich indeß zu ergeben, daß innerhalb der Gränzen, zwi— fchen welchen diefelben angeftellt wurden, für eine Temperaturzunahme von 1° Gentes. durchfchnittlih eine Ziefezunahme von 116 bis 125 Pariferfuß*) erforderlich it. Die beobachteten Gränzwerthe gehen freilich unter ſehr verfihiedenen Verhältniffen ziemlich weit aus einander und zwar von 60 Fuß bis 350 Fuß. *) 4 Bariferfuß = 1,082798 Neu Schweizerfuß. Be Die Refultate einer Anzahl folder Beobachtungen find in folgender Tafel enthalten: Es zeigt fi eine Wärmezunahme von 1° E. auf eine Ziefezunahme von In franzöfifhen Kohlenbergwerken : f ? 76,8 Pariferfuß. In den Salinen zu Ber } . h ö k ; 80,0 & In englifhen Kohlengruben ! ’ } 100 bis 125,4 In Gruben des ſächſiſchen Ersgebirges : ; . 103 bi3 129 # In fchlefifhen Kohlengruben im Mittel x > 1215 2 In dem Goldbergwerk zu Peltarena . . . . 163 h In fchlefifhen Erzgeuben . . .. 1 r In dem Bohrloch der Saline von Schweizerhall . x 95,2 In dem Bohrlod des artefifhen Brunnens zu Grenelle 102 A Im Bohrloch zu Rüdersdorf in der Mark Brandenburg 114 — Im Bohrloch zu Pregny bei Genf 114,8 Grubenwaſſer in den Bergwerken von Cornwallis „418 . Allerdings müßten bei diefen Angaben, um fie unter einander vergleihbar zu ma- hen, die Ziefe, bei welcher fich diefe Werthe ergaben, die abjolute Höhe des Beobach— tung3ortes, die äußere Lufttemperatur und viele andere Umftände mit berücfichtigt werden. Um aber den Gang diefer Wärmezunahme durch Beifpiele zu beleuchten, mögen aus einer großen Zahl folder Beobahtungen nur einige herausgehoben werden. Sn den Salzwerfen zu Ber beträgt bei einer Tiefe von die Temperatur 332 Par.-Fuß. 149,4 €. 564°, 15°,6 677 ? 17°,4 In den Gruben von Giromagny bei Befort: bei 350 Par.-Fuß. 12°,5 €. 670 { 139,1 100 19°,0 140, 220,7 In der Erzgrube alte Hoffnung Gottes im ſächſiſchen Erzgebirge : bei 243%; Par.-Fuß. 9°,0 €. 56% 5 129,8 900 y 15°,0 1000 e 180,7 DEE EN Am Gneißgebirge zu Freiberg. (Mittel aus vielen an vier verfehiedenen Orten ans - geftellten Beobahtungen.) bei 55 Par.-Fuß. 80,75 €. 601 k 12°,8 953 3 15° 13484 A 180,75 In englifhen Bergmwerfen (im Mittel aus mehrjährigen Beobahtungen in nahe an 200 Gruben in Cornwallis und Devonfhire): in Schiefer in Granit bei 50 Fathom oder 281,5 Par.:Fuß 13° @. 10° ©. von 50 bis 100 ” oder 281,5 bis 963,0 * 15° 19,5 von 100 big 150 $ oder 563,0 bis 844,5 » 19° 170,8 von 150 bis 200 ,oder 844,5 bis 1126,0 : 24° 26°,5 von 200 und mehr „ od. 1426,0 und mehr * 28°,6 26°,5 In den Gruben von Gornwallis: Temperatur des Waſſers Temperatur der Luft bei 112,7 Par.⸗Fuß 100,4 C. 130,3 €. 25 12°,2 bis 159,6 130,9 bis 159,6 3380 14,7, 169,7 150,6 „ »160,7 4507 „ 16°%7 „ 179,8 170,8 ., 189,3 3 180,3 180,9 170,8. , 180,9 180,3, 189,9 6760 u 7) 1809. „ 19%,9 20°,0 en 2903, 239,3 2207 „ 23°,3 786 101 250,5 2209 „ 27°,1 850 20,4, 26°,7 2202 ,„ %°,7 In Gruben von Cornwallis betrug im Sommer im Winter bei einer Tiefe die Temperatur bei einer Tiefe die Temperatur von 18 Par.-Fuß 18°,5 ©. von 16,25 Par.-Fuß 11°,1 €. 28, 20°,5 298 j 1702 Bar, 20°,9 595 R 19°,0 SE 1°,7 952 2 21°,0 10707, 22°,7 1070 n 230,3 1131 — 26°,1 1189 n 25°,5 In den Gruben von Peſtarena betrug im März bei äußerer Zuftwärme v. 3°%,8&. Im Aug. bei äußerer Luftwärme v. 20° E. in einer Ziefe die Temperatur die Temperatur der Felfen des Grubenwaflers der Felfen des Grubenwafjers von 0 Par.:Fuß — 10°,3 €. — 120,5 C. 154 5°,1 €. 10°,2 12,5 ©. 12°,0 308 2 70,5 119,3 12,0 ir 462 f 10°,0 120,5 12,0 EL 770 1 119,3 13°,7 1202 = 1078 * 13°,1 149,2 13°,1 124 1386 n 15°,0 130,7 15°,0 130,7 2162 2 16°,3 160,5 4166,8 * Das Bohrloch der Saline in Schweizerhall im Kanton Baſel zeigte bei einer Tiefe eine Temperatur von 64 Berner-Fuß unter Tage = 57,77 Par.⸗Fuß 80,1 €. 214 — „000 =198,20: 50% „ 90,1 314 h } — 83,47 00, 10°,1 44 k 3 — 373,75 . 11°,1 Das Bohrloch des artefifhen Brunnens zu Pregny bei Genf zeigte bei einer Ziefe von eine Temperatur bei einer Tiefe von eine Temperatur 30 Par.-Fuß 8,4 €. 370 Par.-Fuß 11°,0 €. 60 80,5 0, 119,37 100°, 80,8 430. 0, 11°,50 142, 90,08 450 000, 11°,70 150 , 90,2 500° „ 120,20 200, 90,5 550,40 1, 120,63 250°, 10°,0 600, 130,05 300 0°, 10°%,5 50, 139,60 330 17, 109,6 680, 13°,80 350 n 10°,9 In dem Bohrlohe zu Rüdersdorf in der Mark Brandenburg betrug bei einer Tiefe die Temperatur von 655 Par.-Fuß 199,8 €. BB hir 219,5 Ss , 220,0 33070.) 220,5 2 240,5 — — In dem Bohrloch des arteſiſchen Brunnens von Grenelle bei Paris betrug bei einer Tiefe die Temperatur von 248 Metres = 761,454 Par.⸗Fuß 20°,0 &. BB = NIE, 290,9 0 ——, = 1231,378E,Wr, 230,5 481 4 — 1480,732 4 27°,03 505 0.5 == 155,614 K.011, 260,43 538 0, — 1686,987C €, 280,0 Wenn nun jhon bei fo unbedeutenden Tiefen*) übereinftimmend eine jo auffallende Zemperaturerhöhung Statt findet, fo darf man wohl der Vermuthung Raum geben, daß bei größern Ziefen die Temperaturzunahme vielleiht noch in einem weit vafchern Berhältniffe fteige. Ja es gewinnt felbjt die Anſicht, nach welcher im Innern der Erde eine ſo hohe Temperatur herrſchen ſoll, daß die meiſten Stoffe, aus welchen der Kern der Erde beſteht, ſich in glühendem oder gar in geſchmolzenem Zuſtande befinden, immer mehr an Wahrſcheinlichkeit, zumal fie auch durch anderweitige Erſcheinungen unterſtützt wird. Immerhin wird man nun leicht begreifen, daß das Waſſer, welches ins Innere der Erde dringt und daſelbſt auch nur eine Zeit lang verweilt, eine um ſo höhere Temperatur annehmen muß, je tiefer es unter das Niveau des Meeres herabſinkt, und daß folglich dasfelbe bei feinem Butagetreten, ſei es nun daß diefes in Folge des Gejeges der com— munieirenden Röhren oder vermöge der Erpanfionsfraft der Waſſerdämpfe geſchehe, im Allgemeinen eine jener Tiefe entfprechende Temperatur zeigen müffe. Viele heiße Quellen verdanken jedoch unzweifelhaft ihre hohe Temperatur der un: mittelbaren Erhigung duch vulfanifhe Maffen, welche durch ftattgefundene Hebungen der Erdoberfläche näher gerüct worden find, manche auch den von vulfanifhen Herden auffteigenden heißen Gafen und Dämpfen. Daraus erklären ſich wohl auch die zahlreichen beißen Quellen, welche in Gegenden entfpringen, wo zwar feine Bulfane mehr thätig ind, wo aber noch unverfennbare Spuren von folchen, wie Laven, Baſalte, Phonolithe u. dgl. fich vorfinden. Aus ähnlicher Urfache dürften nun auch die hohen Temperaturen vieler Quellen herzuleiten fein, welche an den Verwerfungsfpalten verfihiedener Gebirgs- formationen zu Tage treten. *) Als die größte bis jest durch künſtliche Schacht: oder Bohrarbeiten erreichte Tiefe nahm man früher diejenige in den Minen von Anzin bei Valenciennes in Franfreich an, welche 300 Metres oder 924 PBariferfuß beträgt; allein in den Kohlenkergwerfen von Whitehaven in England foll man die Tiefe von 1200 engl. Fuß oder 1110 Bariferfuß unter Meer erreicht haben. Nimmt man den mittleren Halbmeffer der Erde zu 860 geographifchen Meilen an, fo beträgt die größte erreichte Tiefe, auc) wenn man fie zu 1200 Fuß annimmt, Faum den 15,000ften Theil des Erohalbmeffers. Be Eee Einen nicht minder wichtigen Einfluß auf die Temperatur der Quellen übt au die abjolute Höhe aus, bei welcher ſie zu Zage treten. Es ijt befannt, daß die Klimate in den verjchiedenen geographifihen Breiten bei gleiher Höhe über dem Meere fehr verſchie⸗ den ſind, und daß z. B. die Gränze des ewigen Schnees unter dem Aequator erſt bei 14.520 Pariſerfuß beginnt, während fie in der Hauptfette der Alpen fchon auf 7800 bis 8200 Pariferfuß, und bei 70% nördlicher Breite gar bis zu 3300 Pariferfuß über Meer berabjinft. Ebenſo zeigt auch das Erdreich in feinen oberften Schichten eine mittlere Tem: peratur, Die um fo niedriger ift, je näher die fragliche Gegend dem Pole zurüdt. Es wird aljo die äußerſte Erdrinde eine um jo mehr erfältende Wirkung auf die aus gleicher Ziefe auffteigende Quelle ausüben, je größer die geographifche Breite, und je höher die Stelle ihres Sutagetretens liegt. Daß die Temperatur einer Duelle auch dadurch wefentlich modifiziert wird, wenn die— jelbe auf weite Streden in größerer Tiefe, oder aber in einer beträchtlichen Höhe unter der Erdoberfläche fortftrömt, ehe fie zu Zage tritt, bedarf wohl feiner umftandlichen Er- örferung. So fann eine Quelle, welche ihre Entjtehung dem Schmelzwaſſer einer Schnee- oder Firnmaffe verdankt, wenn fie erſt auf beträchtliche Weite im Innern der Erde fort⸗ ſtrömt, ehe ſie wieder zu Tage tritt, ſich merklich erwärmen, während eine aus der Tiefe emporſteigende heiße Quelle. wenn fie bis nahe an die Schneeregion anfteigt und in dieſer Höhe auf geraume Streden fortfließt, ehe fie zu Tage tritt, bedeutend erfaltet. Nicht minder einleuchtend ift es, daß die Menge des Waſſers, welche eine Duelle zu Tage fördert, einen wefentlichen Einfluß auf die Temperatur ausübt; denn es ift Flar, daß eine größere, bis zu einer gemiffen Zemperatur erhigte Waffermaffe beim Durd- ſtrömen dur ein Fälteres Mittel auf längere Zeit und weitere Streden ihre Wärme bei- behalt oder von derfelben weniger einbüßt, als ein dünnerer Wajferftrahl; und umgefehrt wird eine größere und Fältere Waſſermaſſe, die im Iunern der Erde aus der Höhe berab- frömt, von dem umgebenden Geftein in einer gleichen Zeit weniger Wärme aufnehmen, als ein jpärlich fließender Waſſerfaden. Duellen, deren Temperatur nun fortwährend unter der mittlern Lufttemperatur des Drtes oder höchſtens derfelben gleich ift, nennt man im Allgemeinen Falte Quellen (einige heißen fie wohl aud Krenen); dagegen find warme Quellen (Thermal: quellen oder Thermen) folde, deren Zemperatur ftets höher ift, als die mittlere Temperatur des Drtes ausweist. Da nun aber die mittlere Lufttemperatur in verjchie- denen Gegenden der Erde fehr verfchieden ift, fo Fann eine Quelle an einem Orte der Erdoberfläche als eine Falte erfcheinen, welde an einem andern Orte eine warme genannt werden müßte, und umgekehrt. Solche Quellen pflegt man relative Thermen zu nennen. —— Daß nun in einem ſo hoch gelegenen Lande, wie die Schweiz iſt, in welchem ein großer Theil der Gebirge bis über die Schneelinie emporragt, eine Menge von Quellen ſehr verſchiedener Temperatur ſich vorfinden, hat nichts Auffallendes, dagegen dürfte es weit mehr befremden, daß unter dieſen Quellen ſo viele ſind, welche eine ver— hältnißmäßig ſehr hohe Temperatur beſitzen. Allein gerade der Umſtand, daß bei den verſchiedenen Kataſtrophen, in welchen die äußere Erdrinde ihre nunmehrige Geſtaltung erhalten hat, die Schichten und Maſſen, welche dieſelbe bilden, auf mannigfaltige Weiſe verſchoben, über einander gehoben und umgeſtürzt wurden, erklärt dieſe Erſcheinung hin— reichend. Durch dieſe Bewegungen wurde das feſte Geſtein vielfach zerriſſen, und die entſtandenen Spalten verſchaffen nunmehr dem Waſſer, das unter die Oberfläche der Erde eindringt, ſtellenweiſe den Zutritt bis zu den Tiefen, wo es jene höhere Temperatur annehmen kann. Da wir indeſſen die heißen Quellen noch von einem andern Standpunkte aus zu betrachten haben, ſo verſparen wir die Aufzählung derſelben bis auf jenen Anlaß. Beſtandtheile der Quellen. Selten, vielleicht nirgends beſteht eine Quelle aus reinem Waſſer, d. h. bloß aus Sauerſtoff und Waſſerſtoff, ſondern es enthält das Quellwaſſer meiſtens verſchiedene Bei— miſchungen von Subſtanzen, die darin aufgelöst, oft auch nur mechaniſch demſelben bei— gemengt find. Die Arten und die Menge dieſer fremdartigen Beſtandtheile ſind in ver— ſchiedenen Quellen fehr ungleich, und es gibt ſolche Quellen, deren Waffer beinahe chemiſch vein ift, während andere oft einen nicht unbeträchtlichen Antheil ſolcher Stoffe enthalten. Die bis dahin in dem Waſſer verfchiedener Quellen in mannigfaltigen Verbindungen aufgefundenen Stoffe find: Sauerftoff, Wafferftof, Stikftof, Schwefel, Kohlenitoff, Chlor, Zod, Brom, Phosphor, Kiefel, Bor, Fluor, Calcium, Magnefium, Aluminium, Natrium, Kalium, Strontium, Baryum, Lithium, Eifen, Mangan, Arſenik, Antimon, Kupfer. Daneben finden fih in den meiften heißen und in fehr vielen Falten Quellen organijche Stoffe, welche die Chemiker mit dem allgemeinen Namen Ertractivftoff (Zoogen, Baregine, Theiothermin, Glairine u. f. f.) belegt haben; bisweilen auch Naphtha, jel- tener Quellfäure und Quellfagfäure. Außerdem führen viele Quellen beftändig oder nur zeitweife eine Menge bloß mechanijch fortgeriffener, mineralifher, vegetabilifcher und ani— malifcher Beftandtheile mit fich, welche fich bei ruhigem Stehen als Bodenfag abſcheiden, wie dieß in Beziehung auf die erftern bei den meiften Gletfherwaflfern, und rüdjichtlich der legtern befonders bei den aus Sodbrunnen gefhöpften Waſſern der Fall iit. Unter den oben angeführten Stoffen und ihren Verbindungen find die am häufigiten vorkommenden luftförmigen oder gasartigen: die Kohlenfäure, der Stickſtoff und der Schwefelwaſſerſtoff, feltener das KRohlenwafferftoffgas; und von den feften (firen) Beſtand— — theilen die Chlor-, Jod- und Brom-Verbindungen, die kohlenſauren und ſchwefelſauren, ſeltener die phosphorſauren Salze, und von den Salzbaſen die Alakaloide und Erden, namentlich in Natron, Kali-, Kalk-, Thonerde- und Magnefia- (Talk: oder Bittererde-) Salzen, fowie von den Metallen das Eifen. Quellen, melde einen oder mehrere der eben angeführten mineraliſchen Beitandtheile in größerer Menge enthalten, nennt man deßhalb gewöhnlid Mineralquellen, obgleich es ftrenge genommen nicht möglich it, eine ſcharfe Gränze anzugeben, welche Quellen nicht mehr zu dieſer Klaſſe gezablt wer- den jollen. Das Auftreten folder fremdartiger Beftandtheile ift nun zwar im Allgemeinen leicht zu erklären; denn da ſchon das kalte Wajfer eine Menge von Stoffen, namentlic Gas— arten und Dämpfe, und von feiten Subjtanzen viele binäre und ternäre Verbindungen, befonders Oxyde und Salze aufzulöfen im Stande ift, fo ift Flar, daß das atmoſphäriſche Waffer, indem es ins Innere der Erde eindringt, auf das Geftein feine auflöfende, und unter Umftänden auch eine zerfegende Kraft ausübt, und jo eine Menge der löslichen Beftandtheile in fih aufnimmt. Diefe auflöfende und zerfegende Kraft wird aber einer: feits durch Temperaturerhöhung, anderfeits dur hohen Druck für viele jener Stoffe mächtig geiteigert, fo daß, wenn ſchon in unfern Zaboratorien mit Hülfe diefer beiden Agentien eine Reihe dahin einfchlagender Erſcheinungen dargeitellt werden können, es der Natur, welcher nach beiden Richtungen unendlich höher gefteigerte Kräfte zu Gebote ſtehen, leicht fein muß, alle die Wirkungen bervorzubringen, von welchen bier die Rede ift. Außerdem ift befannt, daß viele von den durch anderweitige Prozeffe im Innern der Erde gebildeten Verbindungen, wie namentlich die Kohlenſäure, Schmwefelfäure, Salzjäure u, 1. f. als neue Auflöfungsmittel für andere Stoffe dienen, oder die Verbindung und Auflöfung einleiten und vermitteln; fowie auch viele Stoffe, befonders gasförmige im Augenblide der Entftehung Verbindungen eingehen, welde aus den bereits fertigen Stoffen nicht ges bildet werden Fönnen. Schwieriger ift es dagegen im Einzelnen von der Entftehungsweife und den Vorgängen, welche bei der Bildung vieler diefer Verbindungen Statt finden, genügende Rechenſchaft abzulegen. Unter den gasförmigen Stoffen kommt die Kohlenſäure in fo außerordentliher Menge fowohl frei ala im Waffer aufgelöst, und unter fo verfchiedenen Verhältniffen vor, daß man anzunehmen gezwungen ift, es feien bei der Bildung dieſes Stoffes verjchiedene Ur- fahen im Spiele. Unter diefen möchten die vulfanifche Thätigkeit, Die unter der Erdrinde unzweifelhaft weit verbreiteter ift, als ihre auf der Oberfläche der Erde zu Tage tretenden Erſcheinungen auf den erften Blick vermuthen laffen follten, die Zerfegung der in der Erde fo häufig vorfommenden Eohlenfauren Salze, namentlih des Fohlenfauren Kalfes 2 — 10 — (Kalkſtein, Marmor, Kreide u. ſ. f.) durch ſtärkere Säuren oder bloß durch Waſſerdämpfe von hoher Temperatur, und Erdbrände, welche in Gegenden, wo Stein- oder Braunkohlen— lager vorkommen, nicht felten find, Die wichtigften fein. Andere halten dafür, daß im Erdinnern forwährend Laven gebildet werden, wobei nothwendig eine ungeheure Menge Kohlenfäure frei werden müßte; noch andere nehmen an, ein Theil des Erdferns beſtehe aus CHyan-Metallen (Verbindungen mit Kohlen-Stickſtoff), die durch eindringendes Waſſer zerjegt werden, wobei ſowohl freie Kohlenfäure und Stickſtoff entwidelt, als auch doppelt fohlenfaure Salze gebildet würden, welche in Mineralwaffern fo haufig vorfommen. Auch zeigt Die Berechnung, daß ungeachtet der ungeheuren Menge von Kohlenfäure und feiten mineraliſchen Beitandtheilen, welche gewiſſe Quellen feit undenflicher Zeit geliefert haben, auch wenn man die durch annähernde Mefjung erhaltenen Kefultate noch vertaufendfadht, das dazu erforderliche Material nur einen, gegen die Maffen, denen fie entnommen werden mußten, verfhwindend Eleinen Theil ausmaden. Die Entitehung des ebenfalls jehr häufigen Kohlenwafleritoffgafes läßt ſich im Allge— meinen leichter erklären, da es zum Theil bei denfelben Prozeffen mit der Kohlenfäure, beim Zutritt von Wafler zu glühenden Eohlenhaltigen Mineralien, und nicht minder häufig durch Zerfegung organijcher Subjtanzen, fei es durch Erhigung oder durch Fäulniß, er: zeugt wird, und in Bergwerken durch fogenannte fchlagende Wetter und fenrige Schwaden, in Sumpfgegenden durch Die zahlreich aus dem Waſſer oder Schlamme auffteigenden Blafen fich Fund gibt. Nicht felten ftromt es auch unmittelbar aus der Oberfläche des Erdbodens oder aus den Ritzen und Spalten des Gefteins aus. Indeſſen iſt zu erinnern, daß Kohlenwaſ— jerftoff nur felten in Mineralwaffern gebunden erfheint, fondern meift frei fich entwidelt. Noch iſt es nicht gelungen, mit überzeugender Beftimmtheit den Vorgang zu erklären, welder bei der Entwicklung von Stieitoff Statt findet, die vorzüglich bei fait allen heißen Duellen und bei fehr vielen falten Mineralwaffern oft in ziemlich reichlichem Maße fc zeigt. Aus der Zerfeßung der mit dem meteorifchen Waffer mechanijch fortgeriffenen oder fonft durh Höhlungen, Spalten und Klüfte ind Innere der Erde eingedrungenen atmo- iphärifchen Luft, oder aus der Berfegung älterer oder neuerer in der Erde in Verweſung übergehender Subftanzen diefe Entwicklung von Stiefftoff zu erflären, dürfte nicht genügen. Eher könnte au hier die Annahme einer BZerfegung von Cyan-Metallen durch Waffer befriedigen, — wenn nur das Borhandenfein folder Cyan-Verbindungen im Innern der Erde nachgewieſen werden könnte. Der Gehalt an Schwefelmwafjerftoff in vielen falten Schwefelquellen läßt ſich aus Der Zerſetzung organiſcher Subſtanzen und Einwirfung der legtern auf fehwefelfaure Salze (Gyps, Glauberſalz u. |. f.) erklären, und durch Zerfegung von Schwefelkieſen, welde in vielen Gebirgsarten, befonders wo Flöge von Stein- oder Braunkohlen vorfommen, und a , Ir Ti in bituminöfen Mergelfchiefern in großer Menge vorhanden find. Die warmen Schwefels quellen dagegen fordern weder Kohlen: noch Kieslager zu ihrer Erklärung, fondern fie ver: danken ihren Schwefelwafferitoff ſehr wahrscheinlich der Zerfegung des in den Umgebungen vulfanifcher Herde vorfommenden Schwefelealeium durch Wafferdämpfe. Diefe Quellen entjpringen auch meiftens aus großer Tiefe und zwar ſehr oft unmittelbar aus Granit oder Gneiß, oder ſonſt aus fehr alten Gebirgsformationen. In Beziehung auf die firen Beftandtheile der Mineralquellen kann im Allgemeinen immer noch der alte Saß gelten: daß die Mineralquellen diejenigen löslihen Subſtanzen enthalten, welche in den Gefteinsarten vorkommen, durch welche fie ſtrömen; oder umge- kehrt, Die Gebirge aus denen Mineralquellen entfpringen, enthalten im Ganzen diejenigen Beitandtheile, welche in den Waſſern gefunden werden. So zeigen 5. B. die aus vulfanifchen Gefteinsmafen (Bafalt, Klingktein, Porphyr, Lava u. ſ. f.) entjpringenden Mineralquellen fait überall die gleichen Beitandtheile und diefe in fehr ähnlichen Verhältniffen verbunden, nämlich Natronfalze und Fohlenjauren Kelf, ganz wie dieſe Stoffe in jenen Felsarten enthalten find. Ja es ift den Chemifern gelungen, mit Hülfe genauer Analyfen der Gefteinsarten, aus welden folhe Mineralquellen fließen, durch chemifche Zufammenfegung der gefundenen Beltandtheile, ja ſogar durch unmittel- bare Einwirkung auf das Geftein felbft, durch Pulverifiven und Auslaugen desſelben, Diele Waſſer auf Fünftliche Weife genau nachzubilden. Auf diefen Anfichten und Erfahrungen beruht befanntlic die Verfertigung Fünftliher Mineralwaffer. ö Allein es gibt auch Mineralquellen, welche weit von vulfanifchen Gefteinen entfernt entjpringen, und dennod) oft fehr reich an Natron und Kalkfalzen, fowie an freier Kohlen: ſäure find; ja es finden dafelbjt auch foldhe Gasausftrömungen Statt, ähnlich wie in vul- kaniſchen Gegenden. Wir werden indeffen ſehen, daß ſolche Quellen immer da entfpringen, wo das Geftein bis tief ins Erdinnere zerriffen ift, und daß man fomit ebenfalls hier eine Verbindung mit dem vulfanifchen Herde, der auch’jenen vulfanifchen Gefteinen die Ent: itehung gab, anzunehmen berechtigt ift. In den tertiären und ſecundären Formationen finden fih ungeheure Kalfabfegungen und Gypsbänfe, weßhalb aud) die in ihnen entfpringenden Quellen häufig ſehr reich an fohlenfaurem und fchwefelfaurem Kalk find. In mergelveihen Gebirgsarten findet fich häufig in den Quellen fchwefelfaure Bitter: erde und fohlenfaurer Kalf. Es beitehen namlich die meiften Mergel aus Fohlenfaurem und fohmwefelfaurem Kalk, der nicht felten kohlenſaure Bittererde enthält, welche durch theilweifen gegenfeitigen Austaufch ihrer Säuren jenen Beftandtheilen der Quellen in den angegebenen Verbindungen ihre Entftehung geben Fönnen. Manche feeundäre Formationen, in unfern Gegenden z. B. der Mufchelfalf enthält Mr: — oft beträchtliche Lager von Kochſalz (Ehlornatrium), Anhydrit und Gyps (fhwefelfaurer Kalk) und diefe legtern werden meiftens von Dolomit (Magnefiafalfftein) begleitet. Das Kochſalz enthält aber, jo wie das Meerwafler, faſt immer, wenn glei oft in fehr ge- ringem Verhältnig, Verbindungen von Jod und Brom mit Kalium, Natrium, Magırefium, feltener borfaure und phosphorfaure Salze, und auch jene Kalfgebilde bejtehen nicht aus reinem kohlenſaurem Kalf, fondern fie enthalten oft in bedeutender Menge Thon und nicht felten, wiewohl in geringer Proportion und nur ftellenweife Baryt, Strontian, Lithium und Flußſpath. Dolomit und Gypslöfung zerfegen ſich aber wechfelfeitig, ebenfo taufchen Gyps und Kochſalz ihre Mifhungsbeitandtheile aus, und dasfelbe fann auch zwifchen Kochſalz und Bitterfalz gefihehen, auch ift Fluorcaleium in wäſſeriger Kohlenfäure löslich. Es ift daher nicht unmöglich anzunehmen, daß Waller, welches in ſolche Gebirgsformationen eindringt, nah Umftänden ichwefelfauren Kalk, jchwefelfaures Natron, fchwefelfaure Bittererde, Chlor-, Jod- und Bromverbindungen mit Kalium und Natrium, Eohlenfauren Kalf, Eohlenfauren Strontian, Kiefelerde, Fluor und Kiefelverbindungen u. f. f. enthalte. Und in der That finden fich alle diefe Beitandtheile wiewohl nicht alle zugleich in vielen Mineralguellen, welche in den angedeuteten Formationen entfpringen. Metallfalze, wo fie fih in Quellen finden, entitehen unzweifelhaft durch Berjegung von Erzen und Kiefen und Auflöſung und Berbindung der Oxyde mit Kohlenfäure, feltener (und meiftens nur in Erzgruben und in vulfanifchen Gegenden) mit Schwefelfäure. Aus den fohmwefelfaures Kupfer enthaltenden Cämentwaſſern wird dur Eintauchen von Eiſen— ftüden das Kupfer gewonnen, indem das Eifen fi orydirt und dann mit der Schwefel- ſäure des Kupfervitriols verbindet, wodurd das Kupfer niedergefchlagen wird. Den Eiſen— erzen dürfte auch meiftens der Gehalt an phosphorfauren Salzen einiger Mineralquellen zu verdanken fein; auc darf nicht unbeachtet bleiben, daß die neuern Analyfen in jehr vielen eifenhaltigen Waſſern Arfenif und, wiewohl weniger häufig, Antimon gefunden haben, welche Stoffe wahrſcheinlich ebenfalls auf Rechnung der Eifenerze zu jegen find. Die organifche Materie (Srtractivftoff 2c.) die fih in jehr vielen befonders warmen und jehmwefelhaltigen Mineralquellen findet, bejteht nach den neueften Unterfuchungen aus Algen und Infuforien (Nostoc thermalis Robiquet, eonferva thermalis, Oseillatorien ze.) und rührt jehr wahrscheinlich ſowohl von jegigen Thier- und Pflanzenreften, welche das me— teorifhe Waffer ins Innere der Erde führt, als auch von den Neberbleibjeln einer unter- gegangenen organifhen Schöpfung her, Die ſich überall durch zahlreiche Petrefacten und Kohlenlager, ja in ganzen Gebirgsmaffen Fund gibt. Und eben diefe organifchen Bildun- gen, die außerdem meiſtens reich an Jod», Brom-, Phosphor:, Stickſtoff- und Fluorver— bindungen find, vermitteln hinwieder den Prozeß zu andern Bildungen, indem durch dies felben namentlich ſchwefelſaure Salze zerjegt und wie oben angedeutet wurde, Schwefel: — waſſerſtoffgas und Kohlenſäure entwickelt werden und phosphorſaure, ſalpeterſaure und ammoniakaliſche Verbindungen entſtehen. Das Erdöl oder die Naphtha, welche an vielen Orten theils ſelbſtſtändig, theils in Begleit von Waſſer der Erde entquillt, ſcheint an vielen Orten einem Deſtillationsprozeß in Folge von Erdbränden oder dur Einwirfung erhigter Gefteine auf bitumindfe Maffen zugefchrieben werden zu müffen, was um fo wahrfcheinlicher ift, da an den meiſten Drten, wo folhe Erdölquellen vorfommen, Stein» oder Braunfohlenlager und andere Bitumen enthaltende Gefteinarten ſich vorfinden; ebenfo entjteigen denfelben Zokalitäten, wo Erdöl vorkommt, meift auch brennbare Gaſe und Kohlenfaure, deren Entftehung durch den glei— hen Deftillationsprozeß fich erflären läßt. Viele diefer Quellen finden ih im Bereiche noch thätiger Vulkane, und überall zeigt jich au) der Boden in den Umgebungen erlojchener Vulkane reich an Bitumen. Indeſſen dürften an vielen Drten diefe Erzeugniffe aud) von der Zerſetzung der in der Erde begrabenen vegetabilifchen Maffen, verfhütteten Wäldern u. ſ. f. berrühren; ja felbft ein bloß mechanifches Aufiteigen des von ſolchen Harz führenden in Braunfohlen verwandelten Wäldern abfließenden, durch Gährung theilweife veränderten ZTerpentins Fönnte jtellenweife die Erfiheinung des Erdöls erflären, das in feiner Zufam- menfegung völlig mit jenem übereinftimmt. Wir glauben nun hinreichend gezeigt zu haben, wie im Allgemeinen das Vorhanden— jein der in Mineralquellen aufgefundenen Stoffe auf ganz natürlihem Wege zu erklären iſt; indefjen ift es wahrfcheinlich, daß der Natur noch andere, als die angedeuteten Wege offen ftehen. Noch bleibt ung übrig, ehe wir an die Aufzählung der Mineralquellen in der Schweiz; gehen, von einigen Eigenthümlichfeiten vieler Waffer zu ſprechen, in welden ſich eine be- trächtliche Menge erdiger Beftandtheile aufgelöst findet. Enthält namlid das Wafjer eine beträchtliche Menge von kohlenſauren in überfchüffiger Kohlenfäure aufgelösten Kalk- und Magnefiafalzen,, welche die Hauptbeftandtheile gewiſſer fehr verbreiteter Gebirgsformatio- nen ausmachen, fo entweicht beim Austritt des Waffers ein Theil der überſchüſſigen Kohlen— fäure, das Waller fann alfo nicht mehr fo viel von den aufgelösten Erden zurüdbe- halten, und es fchlägt ſich daher ein Theil derfelben nieder. Das Gleiche gejchieht beim freiwilligen Verdunſten und ebenfo beim Kochen des Waſſers; ſolche Waffer nennt man barte Wafler; fie find zum Wafchen untauglid, da fie wegen ihres Kalfgehaltes die Seifen zerfegen und damit unlösliche feifenfaure Salze bilden ; ebenfo find jie zum Kochen namentlich von Gemüfen weniger geeignet, indem der Kalk fi auf die Oberfläche uud in die Poren der zu Fohenden Subftanzen abjegt und das Erweichen derſelben verhindert. Durch Bufag von etwas Doppelt Eohlenfaurem Natron werden dieje Hebelftände großentheils befeitigt. Quellen, weldhe Kalk und Kiefelerde zugleich aufgelöst enthalten, jegen dieſe beim u RR Erkalten oder Verdunften ald Tuff oder Sinter ab und überziehen damit die meiiten Gegenſtände, welche in diefelben gebracht werden, mit einer erdigen Krufte von mehr oder weniger beträchtliher Confiftenz und Härte, oder durchdringen Dielelben und erhärten in der Form und Geftalt diefer Gegenftände. Solche Waffer heißen Zuffwaffer, infru- ftirende oder verfteinernde Quellen. Eifenhaltige Mineralwaffer fegen aus ähnlihen Urſachen mehr oder weniger veihhaltige Ablagerungen von Eiſenocker (fohlenfaures Eiſenoxydulhydrat) ab, die oft fo beträchtlich find, daß fie Gegenftand der Ausbeutung werden. Endlich zeigen ſich in verfhiedenen Gegenden andauernde oder periodiſch wiederkeh— vende, bisweilen auch in untegelmäßigen Zeiträumen eintretende Schlammausbrüce. Die meiften diefer Erfcheinungen ftehen mit vulkaniſchen Urſachen im Zufammenhang und es find gewöhnlich diefe Ausbrücdhe mit Ausftrömungen von Kohlenoryd= und Kohlenwaſſer— ſtoffgas begleitet; allein es gibt auch ſolche Schlammquellen, bei denen kaum eine vulfa- nifche Thätigkeit vorausgejegt werden fann, und die wahrjheinlid in Folge des Durch— bruchs von unterirdifchen Waflern in Thon und Mergellagern zu Zage treten, weldy’ legtere, allmählig erweicht, dem Drud des Waſſers nicht länger widerftehen fonnten, Die Thermen und Mineralquellen heißen wegen ihrer Anwendung als Heilmittel nicht jelten auh Heilquellen oder Gejundbrunnen. Man pflegt in dieſer Hinfiht die Mineralquellen in allgemeine Claſſen zu bringen, je nad) der Natur der in ihnen vorberrfchenden Beftandtheile, und zwar am haufigiten in folgende: l. Schwefelwaffer, melde freies und gebundenes Schwefelmaflerftoffgas und meiftens zugleich auch fefte Schwefelverbindungen enthalten, oft auch alkaliſche und Erd— falze und ſehr häufig freien Stickſtoff, nach neuern Unterfuhungen auch eine merfliche Menge aufgelösten Sauerftoff, der aber an der Luft fofort entweicht, worauf ein Theil des Schwefels fi) niederſchlägt, und das Waſſer milchig erſcheinen läßt. Die Schwefel: waſſer fönnen warın oder kalt fein. N. Saliniſche und alfalifhe Waffer. Sie enthalten Chlor-Metalle, zum Theil mit Jod» und Brom-Metallen, Ratron- und Magnefiafalze, erdige, befonders Kalk— ſalze und andere Beftandtheile, jedoch in jehr untergeordneten Verhältniffen. Dahin ge: hören die Salzjolen (jeien fie ſiedwürdig oder nicht), das Meermwaffer, die Bitter- wafjer, die vorzüglich fchwefelfaures Natron und Kali und jhwefelfaure Magnefia (aud) Gyps- und Alaun), oft mit Chlorcaleium, Chlornatrium un. f. f. enthalten, und zum Theil auch die meiſten Quellen der folgenden Glaffe, ſowie die indifferenten Thermen mit faſt chemisch reinem Waller. Sie Fönnen ebenfalls warm oder Falt fein. ir he 11. Säuerlinge, d, h. Waffer mit reihem Gehalt an freier Kohlenjäure und fohlenfauren Salzen. Man theilt fie gewöhnlich a) in ähte Säuerlinge, Die wenige Salze, aber eine überwiegende Menge freier und gebundener Kohlenfäure enthalten, b) in alfalifche, mit vorherrjihendem Gehalt an fohlenfauren Alfalien, namentlich fohlen- faurem Natron, weßhalb man fie vorzugsweife Natronfäuerlinge nennt, ec) in Eifenfäuerlinge, melde neben der Kohlenſäure und den alfalifhen Salzen aud) noch kohlenſaures Eiſenoxydul in beträchtlicher Menge enthalten. Die zwei letzten Unterabthei— lungen können wegen ihres Gehalts an Salzen auch zur zweiten Hauptklaſſe, die dritte Unterabtheilung auch zu der folgenden vierten Hauptklaſſe gezählt werden. IV. Eiſenhaltige Waſſer. Diejenigen, welche vorzüglich kohlenſaures Eiſen— oxydul enthalten, meiſt mit überſchüſſiger Kohlenſäure und kohlenſauren Alkalien und Erden nennt man noch insbeſondere Stahlquellen. Diejenigen dagegen, in welchen das Eifen als Chlorür oder als Sulfat vorfommt (in diefem Fall meift zugleich mit ſchwefelſaurer Tbonerde und nicht felten mit Schwefelwajferitoff), heißen vorzugsweife Eifenwaffer. Alle diefe Waffer find Falt;. die eriteren Fönnen, befonders wenn fie freie Kohlenfäure enthalten, vielleicht beffer zur dritten Hauptklaffe gezählt werden. Neberhaupt ift es nicht möglich, feharfe Gränzen zu ziehen, in welche dieſer Klaffen eine Duelle vorzugsweife eingereiht werden müffe, da man viele derfelben ihrer Beitand- theile und Eigenfchaften wegen mit gleichem Rechte der einen oder andern zutheilen fann. Deßhalb ift die Beurtheilung und Benennung derjelben Duelle in verfhiedenen Schriften auch ſehr verjchieden. Was nun die Art und Weife anbetrifft, wie die Mineralquellen als Heilmittel wirken, jo liegt dieſe Unterſuchung außer den Grenzen des uns vorgefegten Planes, indeffen darf wohl angenommen werden, daß viele derfelben vermöge ihrer höhern Temperatur und ihrer Beſtandtheile bei länger andauerndem innerlihem oder äußerlichem Gebraude theils als auflöfend und erweichend, theils als öffnend und reinigend, theils als reizend, erwarmend und ftärfend wirken Fönnen. Dabei iſt aber nicht zu verfennen, daß bei jehr vielen, viel— leicht weitaus den meiften Fällen aud) die, wenigitens für einige Zeit notbwendig eintre- tende, Veränderung der Kebensweife, die Ruhe, bei Vielen die befjere und zwedmäßigere Nahrung, die Luftveränderung, und in nicht geringerem Grade auch pſychiſche Einflüffe, wejentlich zur Erzielung günftiger Kuren mitwirfen mögen. Den Mineralwafjern in the- rapeutiſcher Beziehung alle und jede Vorzüge vor gewöhnlichem Quellwaſſer abzujprechen, ſcheint ebenſo ſehr gegen die Erfahrung zu ftreiten, als es unzuläffig ift, ihre Wirkung einzig und in allen Fallen auf Rechnung der in denjelben enthaltenen Stoffe zu jegen. — 6— Die Schweiz und ihre nächſten Umgebungen ſind an Thermen und Mineralquellen verhältnißmäßig ſehr reich; die bedeutendſten derſelben ſind folgende: I. Thermalquellen. A. In der Schweiz. Höhe üb. d. Meer Temperatur Par.⸗Fuß. nach C. Beſchaffenheit. Leukerbad im K. Wallis 4356 (vie Quelle 8897), 53,75 bis 379,5. Indiff.; gypshaltig, kaum zu d. Schwefelqu. gehörend. Baden im K. Aargau 1074, 50° — 440,25. Sal. Schwefelquelle; mit Kalk: u. Natronfalzen. Pfäfers im 8. S. Gallen 2118, 380,75 —37°,5. Indiff.; faft hemifch rein. Zavey im K. Waadt 1333, 38°%,5 —37°,5. Saliniſch; kaum zu den Schwefelqu. zu zählen. Grana im &. Zeffin 3270, 35° Indiff.; etw. ſchwefelhaltig. Briegerbad b. Raters im K. Wallis 2080, 320,5 — 30°. Saliniſch; vielleicht zu den Schwefelgu. zu zahlen. Schinznach im K. Aargau 1060, 31°,25. Schwefelqu. mit fhwefeli. Natron und Kalk. Weißenburg im 8. Bern 2750,..,220.5; Salin. Duelle mit ſchwefelſ. Salzen. St. Peter in Vals, K. Graubündten 3850, 25,6. Sal. alfal. Schwefelwajfer. Yoverdon im 8. Waadt 1390, 25° — 240,5. Schwefelwaſſer. Saron im K. Wallis 1644, 25° — 249,5. Salin. Duelle, zeitweife ſtark jodhaltig. Am Rhonegletſcher im K. Wallis 5418, 229,5. Indif Quellen. B. Sn ven nächften Umgebungen. Höhe üb. vd. Meer Temperatur Par.:Fuß- nah ©. Befchaffenheit. Air les Bains in Savoyen 777, #7°bi843°,5. Starke falin. Schmefel- quellen. St. Gervais in Savoyen 1939, 419,25. Schwefelquelle, ohne Eifen. Bormio im Reltlin AUS, 470° — 40°. Sal. bitterfalzhalt. Therme. St. Martino in Pal Mafino (Veltlin) (2), 37%,5—35°. Sal. Therme. Natron- und bitterfalzhaltig. St. Didier im Noftathal (Piemont) 2687, 349,4. Salin. Schwefelmajfer- = he Diefe Quellen werden jammtlih, mit Ausnahme der von Fully, der von Waters und derjenigen am Rhonegletſcher, in mehr oder weniger wohl eingerichteten Badean- ftalten benugt. Die Quellen von Pfäfers werden zum Theil eine Stunde weit in Röhren- leitungen nad) dem Hof Nagag-geführt, ebenfo werden Diejenigen von St. Martino oberhalb Bormio auch nach den, eine Stunde unterhalb der alten Badehütte gelegenen neuen Bädern von Bormio geleitet, wo jie noch eine Temperatur von circa 409 C. zeigen, Die meilten diefer Quellen find jehr reichhaltig; jo liefern z. B. die Quellen zu Baden (wenigitens 21 an der Zahl) nad ungefährer Berehnung in der Stunde circa 2000 Par. Cubikfuß oder 136,100 Schweiz. Pfund Waſſer, und darin an feiten Beitandtheilen c. 500 Pfd., und 74,200 Eubifzoll oder nahezu 43 Cubiffuß freies Gas. Ebenſo find mehrere der war: men Quellen zu Zeuf (deren man ungefähr i2 zahlt) ſehr reich, namentlich die Zorenzen- quelle, die in der Stunde 1933 Y; Par. Cubiffuß oder 104,400 Pfd. Waller liefert, und als ziemlich ftarfer Bach hervorbridt. Die Duelle zu Saron liefert gegenwärtig dur: fhnittli 450 Litres in der Minute oder 27,000 Litres in der Stunde, d. h. 1000 Par. Eubiffuß; die Quelle zu Lavey giebt in der Stunde 120 bis 140 Cubikfuß. — Auch die Duellen zu Pfäfers find fehr reich. Ausgezeichnet reich find diejenigen von Wir les Bains in Savoyen, von denen Die beiden vorzüglich benugten in der Minute 1800 Litres (alfo in der Stunde 108,000 Litres oder 1296 Par. Eubiffuß) geben. Auch die Duelle von St. Didier iſt ſehr reich. — Bemerfenswerth iſt auch die Uebereinftimmung der untern Temperaturgränze bei den Quellen von Pfäfers, Leuk, Lavey und zum Theil auch von Weißenburg, St. Peter, Yverdon; — auffallend Dagegen, daß mitten unter den heißen Duellen von Leuk der Liebfrauenbrunnen entipringt, deifen Temperatur 0° bis 09,6 E. beträgt, und ebenfo jprudelt neben den zwei warmen Quellen bei Naters eine Falte Quelle hervor, ja unter dem Rhonegletſcher, umgeben von lauter Falten Quellen, erfcheinen 3 Ther— men, deren Wärme wohl weit beträchtlicher wäre, wenn ſich nicht die Falten Schmelzwaſſer des Gletjehers oder andere wilde Waſſer damit mengen würden. Der Erwähnung werth dürfte auch nody der Umftand fein, daß die eine der Quellen von Wir (die fogenannte Schwefel: quelle) bei dem Erdbeben von Liffabon im Jahr 1755 und bei dem von Galabrien im Jahr 1783 fich ſtark trübte und erfaltete, und daß ähnliche Erſcheinungen zur Zeit des erften Ereigniffes auch bei den Quellen von Naters fich zeigten, während oberhalb der: jelben gewaltige Maifen heißen Waters jih ergoffen haben jollen. Ebenjo ftieg die Tem— peratur der Quelle zu Zavey bei dem Erdbeben vom 24. Auguſt 1851 um 4° bis5° E. und, die Waffermenge vermehrte fih um 5 Procent. Gleichzeitig jcheint bei Saron eine Ver: mebhrung der Wafjermenge eingetreten zu fein, indem im Jahr 1852 wohl fait das Vier— fahe von dem Quantum ausftrömte, welches im Jahr 1847 gemeffen wurde. 3 ar NH. Schwefelwaffer. A. In der Schweiz. K. Aargau: Badenb.*); Schinznad b.; Herznach; Niederzeihen. K. Appen— zell: Trogen (in Zaad b. und im Kaſtenloch b.); Speicher; Heiden b.; Schönenbühl bei Wolfhalden b.; Unterrechſtein b.; Biſſau; Oberegg (in den Wäſſern); Walzenhauſen (im Leuchen). Keines von Bedeutung. K. Baſel: Ruch-Eptingen b.; Bubendorf b.; Gelterkinden b.; Dltingen f. b.; Arisdorf b. K. Bern: Gurnigel b. (Stodwaffer und Schwarzbrünneli, beide fehr itarfe Schwefelwaffer); Schwefelberg am Gantrifch b.; Shalgutbad b.; Arziele bei Bern b.; Wikartswyler oder Rütihübelibad b.; Krattigen; Gutenburg; Bellerive bei Delsberg b.; Häbernbad bei Hutwyl b.; Erlenbach b. und Därftetten im Simmenthal b.; an der Lenk im Simmenthal b. und ebendafelbft im Hirs- boden und im Sadgraben; das Turbach- und Zrommebad im Zurbadhthal b.; Langen- thal b.; Frutigen b. K. Freiburg: Schwarzfeebad am Lac Domene b., Mont: barry oder Bains du Paquier bei Greierz b.; Fin de Dom Hugon und aur Ciernes im Jaunthal; Bonn b.; Garmiswylb. St.Gallen: Balgach; Bleichebad bei Altſtätten b.; Ermetfhwyl; Rietbad bei Ennetbühl im Toggenburg b.; Grabs; Sar; Thal; Ransbad und Lämmlibad bei Oberegg b.; Gempelenbad bei Gambs b.; Wildhausbad b.; Roſen— garten bei Wattwyl; Mogelsberg; am Balfries; bei Gräplang; bei Sargans; Waldkirch; auf der Alp Fofen, Gemeinde Krummenau; auf dem Berg, Gemeinde Neßlau. Keines von Bedeutung. K. Glarus: Stahelberg im Linthal, fliegt jpar- lich, ift aber eines der Fräftigften Schwefelwaifer in der Schweiz, b.; Luchſingen; auf Der Wichlenalp, f. b.; am Walenberg, im Gegenlod bei Bilten; Reichenburg; bei der Rufi zu Mollis. 8. Graubündten: Alveneu an der Albula, eine jehr reiche und ftarf ihwefelhaltige Duelle, b.; Spinerbad bei Glaris b.; Klofters; drei Quellen im Sertig- thal; Serneus; Ganei f. b.; Jenaß f. b.; Surrhein; Ruſchein bei Ilanz; Thufis; Bergün; oberhalb Samaden,; bei Oberſchuls im Engadin, fehr ftarfe aber wenig be— nugte Quelle; am nördlichen Ende des Puſchlaver-Sees, bis jegt noch nicht benugt; Bagnes, früher bedeutend jtärfer, durch einen Bergfturz fait ganz verjhüttet. K. Lu— zern: Salwidenbad bei Sörenberg ; Rothenbad an der Emme; Luzelauerbad am Rigi, wenig bedeutend. K. Neuenburg: bei Les Ponts; La Brevine; Brot; Fleurier. *) Bei diefer nach alphabetischer Ordnung der Kantone gegebenen Aufzählung der Quellen find die wichtigeren mit gefperrten Letrern gedruckt; zu Bad- oder Trinfanjtalten benugte Quellen find durch ein b. bezeichnet; f. b. bedeutet früher benußt; durch ein Fragezeichen foll ein Zweifel ausge: drückt werden, ob die betreffende Duelle wirklich in die Claſſe, der fie eingereiht it, gehöre. _ —— 8. Schwyz: am Schlagberg bei Einfiedeln, ziemlich ftarfe aber wenig benugte Quelle ; bei Yberg, sehr ftarfes Mineralwaffer; auf der Alp Säbli im Alpthal. K. Solo- thurn: Loſtorf b. (ziemlich ſtark fchwefelhaltig); Waldeck; Artisholz. K. Teſſin: Stabbio b. K. Thurgau: Luxburg; Güttingen; Altnau; Hub; Arbon; Fraßnadt. Alle unbedeutend. K. Unterwalden: Schwendi- oder Kaltbad; im Rotzloch; am Lopperberg; bei Gſtad; bei St. Antoni; am Lungernſee (2). K. Uri: Moosbad am Bannberg zwifchen Altdorf und Flüelen, b.; bei Unterjhächen f. b.; bei Bauen, ſpärlich aber ziemlich) Fräftig. 8. Waadt: Zavey bei St. Maurice b.; Ber b.; Villeueuve 6.; Brent oberhalb Montreur; Alliaz; Puidour am Lac de Bret; Morges; Luffy; St. Prer; Prangins; Les eaur de Benez; St. Zoup b.; Drbe b.; Vallorbe b.; Vverdon b.; Grandeour ; Sullens; Henniez oder Eignyz Lucens; Chateau D’Der; Etivaz (Les Bains de Seisapels) b.; Les Moffes. 8. Wallis: am Rhonegletſcher, 3 Quellen ; bei St. Ulrihen an der Rhone; Naters (Briegerbad) f. b.; Zeuferbad b.; auf der Alp Asp bei Leuk; Bovernier, Chable f. b.; bei Morgin im Val d'Illier. K. Bug: Waltersmylf.b. K. Zürich: Nidelbad b.; bei der Waſſerkirche in Zürich; Nöslibad bei Zürich b.; Drahtſchmidli bei Zürich; Derlifon; Wyl bei Rafz. Alle jehr unbedeutend in Beziehung auf den Schwefelgebalt. B. In ven nächſten Umgebungen der Schweiz. In Sardinien: Mir les Bainsb., befonders 2 fehr reichhaltige und Fräftige Quellen; bei Challes unweit Chambery b.; die Quelle von La Caille b. am füdlichen Fuß des Saleve bei S. Gervais b; La Sare bei Cormayeur b. In Veltlin: Bormio b. In Tyrol: Prutz am Inn; Lande. 11. Saliniſche und alfalifche Quellen. A. In der Schweiz. a) Saliniſche. 8. Aargau: Badenb.; Rheinfelden, Ealine und Bad, b.; bei Big im Sulz— thal; Benfenberg; Lorenzenbad bei Ober-Erlinsbach b.; Wildegg b., artefijcher Brun- nen, reiches jodhaltiges Waffer; Oberhof; Gäbisdorf;z Birmenftorf b., itark bitterfalz- baltig; auch eine jodhaltige Quelle; Müllingen. K. Appenzell: Urftein bei Stein; auf der Schwägalp; am Kronberg. K. Bafel: Schweizerhall, Saline und Bad, b. 8. Bern: im Grubenwald; bei Boltigen im Simmenthal; bei Spieß; Därligen; Biel (Bohrverfuh); MWiedlisbah (Bohrverfuh). K. Graubündten: Zarajp 5b. und Schuls, fehr reihe und ftarfe Quellen bei Fettan; auf der Alp Solina bei Difentis; —— auf der Alp Staleira in Miſor. K. Luzern: im Rorigmoos bei Entlibuch; Eſcholz— matt. K. Schaffhauſen: Bohrverfuche auf Sal; bei Beggingen, Unterhallau, Schleit- heim — doch bis jegt vergeblih. K. Unterwalden: Wylenbad bei Sarnen b.; Wolfenfhieß; im Schlierenthal bei Alpnach. K. Waadt: Lavey b. (joll Spuren von Lithion zeigen); Ber, Saline (foll Spuren von Borfäure enthalten) ; Higle; Paner; Arveyres, am Chamoffaire; zu Chefieres. K. Wallis: Saron (periodifch ftarf jod- haltig); bei Saillon (jodhaltig); Combiollaz im Zehnten Herens; Augjtbordquelle am Riedberg; bei Ver; bei Nendaz. K. Zürich: Bohrverfuche (vergebliche) bei Ealifan. b) Alkaliſche. 8. Aargau: Baden b.; im Schwarzenberg bei Gundisweil; Niederweil bei Aar— burg; Kirchleerau; Lauterbachbad bei Bofingen (9. 8. Appenzell: Weißbad beim Wildfirhli in Guggerloch; am Kronberg, Dorfbad bei Appenzell; Urnäfch b.; Grüthbad hei Gais, Scheußenmühle; im Rohr; in der Gaiferau; Zeuffen (Löwenbadhli und im Son- der); im Stabbah; Wonnenftein; oben am Gmündertobel u. f. f. Die meiften fehr un- bedeutend. K. Bafel: Schauenburgbad, das alte und das neue; Ramſachbad b.; Ober- dorfbad bei Waltenburg. 8. Bern: Weißenburg im Simmenthal b.; Rofenlauibad b.; Limpahbad: Schnittweiherbad; Langnauerbad. K. Freiburg: Champ Dlivier bei Murten b.; auf der Dürrflub im Jaunthal. 8. St. Gallen: Kobelwies; Marbad. K. Genf: Frontener. K. Glarus: Niederurnenb. &.Graubündten: Tarafpb.; St. Peter in Bals b.; Flafch f. b.; bei Haldenftein; bei Krottenftein; Wilhelmsbad bei Maladers, 8. Luzern: Ibenmoos; Augſtholzbad. K. Schaffhauſen: Dfter- fingenbad (?). 8. Schwyz: Nuolen b.; Seewen b. 8. Solothurn: Xoftorf b.; Grenden b. (oder Bachtelnbad, oder Allerheiligenbad); Attisholzbad. K. Thurgan: Bizibad bei Bifhofszell; Mühlheim. K. Unterwalden: bei Gyswyl; im Gyfi bei Stans; auf Kureggen, Gemeinde Sachſeln. K. Zürich: bei Ehrlofen; das äußere Gyrenbad bei Zurbenthal, das innere Gyrenbad bei Hinweil; Wengibad; im Arni auf Boden; Richterſchweil. Die meilten von fehr unbedeutendem Gehalt. B. In den nächften Umgebungen. In Sardinien: a) Salinifche. Bei Cormayeur (La Vietoire und La Marguerite b.). b) Alkaliſche. Bei St. Bincent im Noftathal b.; bei Coëſe in der Nähe von Montmeillan (alkalinifche Bifarbonate, Jod und Brom enthaltend); bei Graveggia im Vigezza⸗Thal b. A A Bei den falinifchen und alfalifchen Quellen iſt es ſchwer eine fcharfe Grenze zu ziehen, welde derfelben als Mineralquellen im engern Sinne des Wortes aufgeführt zu werden verdienen, und es dürften unter den genannten mehrere fein, die fi von gewöhnlihem Quellwaffer nur wenig unterfcheiden. Sehr bemerfenswerth find die jodhaltigen Quellen wegen ihrer fpezififchen Wirfung gegen Kropf- und Drüfenleiden ſowohl als in Beziehung auf den Kretinismus, Mir fönnen deshalb nicht umbin, eines Umftandes zu erwähnen, welcher in dieſer Sache einiges Licht auf das plöglice Erſcheinen dieſer Krankheiten in Gegenden, wo früher dieſelben weniger bekannt waren, zu werfen im Stande ſein dürfte. Es iſt sehr auffallend, daß in Gegenden, wo die Kropfkrankheit in hohem Grade herrſcht, auch das wirkſamſte Heilmittel meiſt ganz in der Nähe bei der Hand iſt, ſo auch im Wallis, wo die jodreiche Quelle von Saxon ſtrömt. Allein weniger bekannt iſt, daß in Gegenden, wo jodhaltige Waſſer ihren Lauf verändert haben, oder wo andere Quellen als tägliches Getränke an ihre Stelle getreten ſind, ſich auch ſofort die Kropfkrankheit auf eine mehr oder weniger bedenkliche Weiſe eingeſtellt hat. Ein Beleg hiezu geben die beiden Gemein— den Fully und Saillon in Unterwallis am rechten Ufer der Rhone, Martina gegenüber. Beide Ortfchaften liegen mit ihren zahlreichen Weilern ziemlich in gleicher Höhe und unter den gleichen Flimatifchen Verbältniffen am Südabhange der Dent de Morcles. Dennod war jeit langer Zeit der Kretinismus in Fully in hohem Grade einheimiſch, während er in Saillon ganz unbefannt war, wo er aber nunmehr feit wenigen Sahren immer ſtärker auftritt. Zwiſchen beiden Ortſchaften ſtürzt die Salente, ein kleiner, meiſt klarer Bach, in die Rhoöne. Sn diefen Bach ergieft fich eine ſehr ftarfe, aus grauem Liaskalk entfprin- gende Quelle von zirfa 28° &,, welche in der Umgegend die warme Quelle oder das Eifenwaffer beißt. Das meifte in beiden Gemeinden gebrauchte Waffer wird aus der Salente gefchöpft, in Fully oberhalb der warmen Duelle, in Saillon unterhalb; allein feit einigen Jahren erhält Saillon, um feine Wiefen beifer wäſſern zu Fönnen, fein Waſſer theilmeife ebenfalld von oberhalb der Duelle, und feit diefer Zeit zeigt fich der Kretinismus auf feinem Gebiet. Das Waffer der Salente oberhalb der warmen Duelle iſſt nicht jodhaltig, während das Waſſer unterhalb Yo Milligramm im Litre (mehr als das Waſſer in Paris) enthält, die warme Quelle jelbft enthält 5 Milligramm. — IV. Sauerwajjer. A. In der Schweiz. Bemerfenswerth ift, daß von den ſchweizeriſchen Säuerlingen alle mehr oder weniger Eifen enthalten, und daf weitaus die meiften dem K. Graubündten angehören, namentlich im Engadin bei St. Moriz b., einer der ftärfften Säuerlinge in Europa, bei Sur- — 2 — leg b., Silvaplana; bei Brail; Berne, Fettan (im Valpüzza-Zobel); bei Schuls mehrere fehr ftarfe aber bis jegt wenig benügte Quellen; bei Tarasp b.; im Nemüfer- tobel. Ferner im Prättigau: bei Conters, Saas, Küblis, nnd mehrere Quellen im An: tönienthal (auf dem Badried, Gailenbad, Alp Bertnun, in der Schöri, auf Achuel, der Meißbrunnen); vorzüglich aber bei Fideris b., ein ausgezeichnet ftarfer Natronfänerling; Belvedere bei Chur f. b.; auf dem Weiterberg bei Chur; im Ried ob Malir; auf Gap- feders in Churwalden, auf dem Soppa; bei Ziefenfaften; bei Tinzen; bei Rhäzüns; Zomils; Samerz im Nandro- Thal, bei Canieul in Avers; auf der Alp Sterlera; am Splügen oberhalb Madefimo; und der ausgezeichnete Säuerling bei St. Bernardinob. in Miſocco; bei Beiden b. in Zugnez; bei Surrhein in Summwir. K. Bafel: bei Brüglingen; Gundeldingen. 8. Bern: auf dem Murosried am Brienzergrat; Brüttelen b.; bei Riggisberg b.; Engifteinb. RK. Luzern: Farnbühl b. 8. Schwyz: an der Sattelegg. 8. Wallis: bei Drfieres, B. In den nächften Umgebungen. Im Tyrol: beiRied, Prutz b.; Ladis b. und Dbladis b.; Stans. Im Velt- lin: St. Catharina in Valfurno (eifenhaltiger Natronfäuerling) b. V. Eifentaffer. K. Aargau: Unter-Entfelden, Gränichen; Fifibah db. 8. Appenzell: Gon- ten b.; Heinrihsbad bei Herisau b.; Walditatt; in den Erlen bei Speicher. K. Bafel: Waidhaldenbad bei Maifprah. KR. Bern: Blumenftein b.; Engiftein b ; Lochbad am Horisberg bei Sumiswald; bei Wiedlisbah; im Emdthal; bei Worben; Brüttelen; Mühlenen; der rothe Brunnen am Grimmiberg; Langeneibad; Dtteleuibad ; Sommerbhausbad bei Burgdorf; auf der Haslifcheidegg; Diemtigen. K. Genf: bei Drize. K. St. Gallen: Schmerifon b. 8. Graubündten: Pignen (jegt nah Andeer geleitet); Rothenbrunn 5.; bei Fuldera im Münjterthal; am Bazofel bei Chur; Bergün; Zobelmühle bei Fideris. K. Luzern: Knutwyld.; Rußwyl; Farnbühl— bad b.; Schüpfheim (Spuren von Antimon). 8. Neuenburg: Combe Girard b. 8. Schwyz: Seewen;z Rigiſcheidegg. K. Solothurn: Meltingen b.; Flüe bei Hof— ftetten; im Brunnenthal bei Meffen; Ammansegg b.; Lütersdorf; Schnottwyl; Mühle: dorf; Kipberg; Grenhen (zweite Duelle). 8. Teſſin: Aquaroffa b.; Dlivone; Ghirone; Campo; alle im Blegnothal. K. Waadt: bei Rolle; Fontaine de Jouvence; Laufanne (2a Poudriere und bei Valangy); Pampigny; Prabert bei Payerne; Morges; Luſſy. K. Wallis: Trois Torrens in Bal dv’ Illier; Saas im Saasthal; bei Saillon; Sembrandier; Vauvrier. 8. Zürich: bei Wiedifon, Ehrlofen. a Cämentwaffer find unfers Willens bis dahin in der Schweiz noch nicht aufge: funden worden. vi Grddlquellen und Asphaltlager. An die Mineralquellen reihen fi auc die zwar nicht zu Heilzweden benugten Erdöl oder Naphtha führenden Waffer, deren die Schweiz ebenfall$ mehrere aufzuweiſen hat. Doch darf man fie nicht mit denjenigen vergleichen, Die, wie am cafpifchen Meere bei Bafu, in der Krimm, bei Kuban, oder in Italien bei Bologna und Modena u. f. f., als jelbititändige Quellen auftreten, fondern es find gewöhnliche Quellen, auf denen in ge- vingerer oder größerer Menge Erdöl ſchwimmt. Die bisher befannt gewordenen Fund» orte find: KR. Margau: bei Narau. K. Basel: bei Ettingen. 8. Bern: Im Immerthal; im Mdelbodenthal; bei Wildenfhwand, und vorzüglih im Habfernthal. K. Genf: Bei Dardagny und Chalet. K. Neuenburg: in Bal Travers. K. Waadt: bei Drbe; bei Chavornay; bei La Mothe und Valeyres; in den Epoiſats am Fuß der Dent de Vaulion. vn. Sineruftirende Quellen, Tuffwaſſer, Mondmilch. K. Aargau: bei Biberftein. K. Bern: bei Toffen. KR. Neuenburg: das Wajfer in der Grotte aur Feed. KR. Luzern: auf dem Pilatus im Mondloch auf der Tomlisalp. RK. Waadt: bei Ehatelard. K. Zürich: bei Korbas u. v. a. m. vm Schlammquellen. Eine intereffante noch nicht gehörig unterfuchte Erfcheinung zeigen auch die unweit Biere im Kanton Waadt am füdlichen Abbang des Jura entfpringenden Bonds, etwa zwanzig an der Zahl, die alle aus Freisformigen Löchern hervorfprudeln, von denen das größte etwa 100 Fuß im Durchmeffer hat. Das Waſſer, das fie enthalten, ift ſchlammig und von graulicher Farbe. An ihren Rändern liegt bläulich-grauer Zehn, der mit Glim— merblättchen vermengt ift und beim Trodnen fehr hart wird. Man fol umfonft mit langen Stangen die Tiefe diefer Löcher zu ergründen verfucht haben. Von Zeit zu Zeit fieht man neue Bonds entitehen. So brad im Jahr 183% ein foldher hervor, der ſich ein Betr aus- böhlte und einen Bach bildete, der num eine Mühle zu treiben vermag. Gewöhnlich er: hebt fich in diefen Löchern zuerſt ein Kegel, und bald ergießt fi) Daraus der Schlamm nad allen Seiten wie beim Macaluba bei Girgenti oder bei den Saljen im Modeneſiſchen zc., obgleich hier von Nulfanismus nicht die Rede fein fann. Da man ohne Gefahr zu vers finfen den trichterförmigen Löchern nicht zu nahe treten darf, jo find diefelben eingezaunt, Beh > unbe deßhalb kann man fie nicht ganz in der Nahe beobachten; indeſſen bemerft man dod), daß fie immer vol Waſſer find, wenn ſchon dasselbe nicht in allen gleich hoc) ſteht, aud) tönt der Boden in ihren Umgebungen ganz hohl und das Gras, das darauf wächst, ift im Sommer bald verdorrt. Die Ebene von Champagne (fo heißt das umgebende Weideland zwifchen der Aubonne und der Toleure) bejteht aus Kiesboden, zu beiden Seiten it Sand— jtein und angefhwemmtes Land, nur die Strecke wo diefe Quellen fich befinden, beiteht aus vom Jura ftammenden Kalfgeröllen. Es ift daher nicht unwaährſcheinlich, daß das aus höhern Gegenden von den Abhängen des Jura, vielleicht jogar aus dem Joux-See, im Innern der Erde abfließende Waffer die unterften Mergel:, Thon: und Kalfiteinlager erweicht, nach und nach aushöhlt, zulegt durchbricht und ſo als Schlammquelle zu Zage tritt. IX. . Sasausftrömungen. A. Mofetten. In vulfanifchen Gegenden, bisweilen aber auch in der Nähe von Gypsgruben und Salzquellen und häufiger noch in den Umgebungen von Sauerbrunnen zeigen fich mehr oder weniger veichliche Ausitrömungen von Fohlenfaurem Gafe oder fogenannte Mofetten, die, wenn fie in Felfenhöhlen oder Vertiefungen des Bodens fih fammeln, auch Hunds- grotten genannt werden, weil Hunde oder Fleinere Thiere, welde mit dem Kopfe nicht über die zunächſt über dem Boden ſich lagernde Schicht des ſchweren mephitiihen Gaſes emporragen, Ichnell darin umfommen. Eine folhe Hundsgrotte befindet jich in der Nähe von Mittelfulz im K. Aargau, wo unfern mehrere ſchwache Salzquellen entfpringen. In derfelben fönnen Eleinere Thiere, welche darein gebracht werden, nicht lange aushalten, fallen bald betäubt um und iterben. In den Gypsgruben von Birmenftorf im K. Aargau entwicelt fih im Sommer fo viel kohlenſaures Gas, daß die Grubenlichter auslöfchen, und der Betrieb erft gegen den Winter Statt finden kann. — Nicht minder merfwürdig zeigt ſich eine ſolche Mofette in der Nähe des jtarfen Säuerlings, der fogenannten Vichquelle bei Oberſchuls im Engadin *). In einer etwas Waller haltenden Vertiefung von einigen Fuß Durchmeſſer fteigen aus dem weichen grauen Schlamm des Grundes ganze Ströme von Blafen auf, die aus einem Gemenge von Kohlenſäure, Stieftoff und erwas Schwefelwafferftoff zu bejtehen jcheinen. Sehr wahrscheinlich fteht diefe Gasentwiclung mit der Sauerquelle in Verbindung, indem Das Gas in dem weichen, zum Theil zerflüfteten Boden Gelegenheit finder, nach oben zu ent— weichen, während das ſchwerere Waffer tiefer einen Ausweg ſuchte. — Eine zweite, unter *) ©. Neujahrsblatt Nro. LI. für 1850 ©, 14. a ähnlichen Verhältniffen ausftrömende Mofette zeigt fi etwa eine Vierteljtunde weſtlicher unweit der Straße na Fettan, den Tarafperquellen in gerader Richtung gegenüber. Hier befindet fich ein etwa 50 Schritt im Umfange haltender Fleck unfruchtbares Land, der nur jpärliche und verfümmerte Halme zu treiben vermag, und man erblidt auf demſelben zwei Deffnungen von 6 bis 8 Zoll Breite, wenige Fuß von einander entfernt, ſchief zwifchen Geſchieben jich in die Tiefe ziehend. Der Eingang zu diefen Deffnungen ift von Hunderten todter Inſekten, befonders Käfern, bisweilen von todten Mäufen, jeltener von fodten Vögeln befegt, die ftatt eines Zufluchtsortes einen Giftpfuhl fanden, Aufrecht ftehend bemerft man nichts von dem verderblichen Gaſe; allein wie man fich etwa auf einen Fuß vom Boden büdt, bemerft man einen eigenen ftechenden Gerud, und wird von einem heftigen erſtickenden Huften ergriffen. Kleinere Thiere, wie Kagen, Hübner u. dgl., welche man abfichtlich dahin bringt, erjtiden auch hier nad wenigen Zudungen. Die Gasent- wicklung ſcheint eine ziemlich beträchtlihe Ausdehnung zu haben, indem etwa 20 Schritte weiter öftlich im Gebüſch eine mit einer Steinplatte bededte dritte Deffnung, und noch etwas tiefer ebenfall$ gegen Diten eine vierte ſich befindet, welche vorzüglih Schwefel- waſſerſtoff aushaudt. B. Ausjtrömungen von brennbarem ae. Es ift eine allgemein befannte Thatfahe, daß aus dem Boden oder Schlamme ftehender Gewäſſer, bejonders wenn derfelbe aufgewühlt wird, reihe Ströme von Luftblafen auffteigen, die oft eine geranıne Beit anhalten. Dieſe Blafen beitehen aus Kohlenwaflerftoff- oder Sumpfgas, fie find entzündlicy und verpuffen oder brennen, wenn man fi ihnen mit einem Lichte oder angezündeten Körper nähert. Allein weniger haufig find folde Gasausftrömungen, welde das ganze Jahr hindurch Fortdauern und ohne be— jondere äußere Veranlafjung Statt haben. Die befannteften Erfcheinungen Ddiefer Art finden fich in Italien bei Pietra Mala zwiſchen Bologna und Florenz, im Movdenefijchen und Piacentinifchen u. f. f. In neuern Beiten find aber ſolche Gasausjtrömungen auch in der Schweiz beobachtet worden, jo bei Cuarny im 8. Waadt, wo aus einem Bohr- lodhe in der Nähe einer Braunfohlenbanf brennbares Gas ausjtrömt, ebenfo bei Grand- cour unweit Payerne und bei Krattigen am Thunerfee. Das intereffantefte Vorkom— men dürfte jedoch dasjenige auf dem fogenannten brennenden Berg im Burgerwald bei Oberried (unweit Mouret) im K. Freiburg fein. Hier jtrömt in einer Gypsgrube an den mit Wald bewachſenen Trümmerhalden der Käferberge aus den Nigen und Waifer- dümpfeln eine ſolche Menge brennbaren Gajes hervor, daß es, wenn es entzündet wird, in mehrern Fuß hoben Flammen fo lange fortbrennt, bis es entweder abfichtlid, oder duch Regen und Windjtöße ausgelöfcht wird. Wa. , Allgemeine Beziehungen der Verbreitung der Mineralquellen ver Schweiz und ihrer nächjten Umgebungen zu den geognoftilchen Werhältniffen, in denen fie vorfommen *). Im Norden der Schweiz und noch jenfeits des Rheines tritt die Suraformation in ihrer ganzen Ausbildung auf. Im dem angränzenden Schwarzwald wird diefe Formation zum Theil von Alluvialgebilden bedeckt, auch bildet um denfelben der Mufchelfalf mit allen ihm eigenthümlicheg Formen (Dolomit, Kalfftein von Friedrihshall, Anhydrit, Wellen: falf) einen Gürtel, der bis tief in den Nargau und in den K. Solothurn hineinreicht. Die legtere Form ift befonders bemerfenswerth „weil fie die gewöhnliche Unterlage des Anbydrits bildet, welcher hier mit Lagen von Gyps, mit falzigem Thon und Mergel, Steinfalz und bituminöfem Kalfftein abwechſelt. Diefe Formation wird aber auf eine nicht unbeträchtlihe Ausdehnung von Gneiß unterbrochen, der bei Laufenburg quer durch den Rhein nach der Schweiz hinüber greift; auch erhebt fich mitten aus derfelben Granit, als eine große zufammenhängende Maffe. An der Gränze gegen Schaffhaufen tritt ein Streifen der Liasformation auf, an welche fi im Schaffhaufergebiet felbft wieder Mufchel- kalk und Keuper anfıhließen. Gegen den Bodenfee zeigen fich vorzüglich Tertiärgebilde und Molaffe, die aber im Höhgau merfwürdige Unterbrehungen dur vulkaniſche Gefteine (Bafalt und Phonolit) erlitten haben. — Es wäre num zu erwarten, daß ein aus jo man nigfaltigen Formationen zufammengefeßtes Gebiet fehr reich an Mineralquellen fich zeigen würde; allein diefes ift wenigftens längs der Schweizergränge nicht der Fall. Indeſſen find in neuefter Zeit doch nicht unwichtige Salzquellen aufgefihloffen worden, nament- lih zu Shmweizerhall zwifhen Muttenz und Prattelen in Bafelland, und zu Rhein: felden im 8. Aargau. uch bei dem Dorfe Big im Sulzthale (Aargau) entfpringen aus Gypsflögen, die theils von einer jüngern Kalkihicht, theils von thonhaltigem Mergel be- det find, einige ſchwache Salzquellen, und hier befindet fich auch bei Mittelfulz die oben erwähnte Ausftrömung Fohlenfauren Gafes. Weit intereffantere Erfheinungen bezüglid auf unfern Gegenftand bieten fi längs der aus der Terfiärformation auffteigenden legten oder füdlichften Jurafette dar. Be: Fanntlich hat der Sura mächtige Hebungen, Aufrihtungen und Verwerfungen erlitten, bei denen die Bewegung, nah den fcharfen, fteil abfallenden Gebirgsgründen und den tiefen fpaltenartigen Thälern, Engpäffen und Querbrüchen zu fehließen, eine fehr heftige, *) Weit entfernt, die in nachitehendem Abfchnitte aufgeftellten Anfichten für eine in allen, Theilen wohl begründete Theorie des Zufammenhangs der Mineralquellen mit den geognoflifchen Verhältniſſen halten zu wollen, geben wir diefelben bloß als einen Berfuch, wie die hierüber befannten Thatfachen, bezüglich auf die fehweizerifchen Mineralwafler, überfichtlich zufammenzuftellen fein dürften. er doc) kurz andauernde gewefen zu fein jcheint. Einen folhen Durchbruch zeigt nun auch einer der legten feitlihen Ausläufer des Jura, der Lägerberg bei Baden, ein oben auf- gebrochenes Gewölbe, von dejjen beiden Rändern der jüdlihe in Folge eines ſchief ge- vihteten Druds den Nordrand zurückbog oder theilweife überdeckte. In der Mitte des Riſſes, den die tiefften Maſſen der Schichtenfolge der Juraſſiſchen Formation, die Keuper- und Mufchelfalfbildungen einnehmen, entfpringen nun bei Baden die heifen Quellen, gerade auf dem Kreuzungspunfte des Längsriffes mit der Duerfpalte der Limmat, und zwar da, wo durch die ganze Folge der Schichtmaſſen eine Trennung fi bis in die größte Tiefe hinabzieht. In der Fortfegung des Südrandes dieſes aufgebrochenen Gewölbes er- ſcheint am Petersberge in den, den hellen Kalk unterteufenden Mergeln das Bitterwaffer von Birmenjtorf, und in der Nähe Diefer Quelle eine andere, welche Chlornatrium und Jod enthält, wobei noch zu bemerken ift, daß in den Schadhten, in welchen der itarf Bitterfalz haltige Gyps und Mergel gebrochen wird, ,.im Sommer fo ftarfe Ausſtrömun— gen von fohlenfaurem Gafe ſich zeigen, daß der Abbau nur zur Winterszeit geſchehen fann. — Raum zwei Stunden gegen Weiten entipringt ebenfalls im Mufchelfalf und Keuper auf dem Kreuzungspunkte des Langsriffes mit dem Querthal der Nare die warme Duelle des Schinznacherbades, und in geringer Entfernung davon wurde beim Graben eines artefifhen Brunnens die jodreihe Salzquelle von Wildegg entdeckt. — In der weit- lihen Fortfegung diefer Gebirgsfpalte finden ſich noch mehrere andere, doch weniger be- deutende Mineralquellen. In den im Jura jo häufigen Circusthälern, in deren Grund Lias, Keuper und Mufchelfalf entblößt liegen, entjpringen viele Quellen, die meift eine höhere Temperatur zeigen als der mittlern des Drtes entfpricht, und melde Bejtandtheile enthalten, Die wohl eher aus den tiefern, als aus den höhern Schichten der Juraformation gefchöpft find; fo z. B. die Mineralquellen von Dltingen, Eptingen, Oberdorf, Meltin- gen u. f. f. Auch längs dem Südabhang der ſüdlichſten Jurakette treten zahlreiche Mi- neralquellen auf, wie bei Ober-Erlinsbach, Loſtorf, Attisholz, Waldegg, Grenchen u. f. f. Der Bernerifhe und Waadtländiihe Jura bietet in Beziehung auf Mineralquellen weniger auffallende Verhältniffe. Eine nicht unintereffante Gruppe von meift fchwefelhaltigen Mineralquellen zeigt die Stockhornkette. Schon in den Umgebungen des Gurnigels, weitlih von Thun treten die kräftigen Schwefelquellen des Gurnigelbades, die Quellen des Feiß- und Mager-Bades, und am weftlichen Abhang des Gantriſch die eifenbaltige Duelle des Dtteleuibades, die Schwe⸗ felquellen des Schwefelbades und einige Schwefelquellen am Hochberg und Kleingantriſch her— vor, dann auf der Südſeite der Stockhornkette die berühmte Quelle des Weißenburgbades ze. auf. Es ſind aber auf dem ſchmalen Raume zwiſchen Dürrbach am nördlichen Fuße des Gurnigel, und Weißenburg im Simmenthal zwei große Verwerfungsſpalten, wiederholtes re Ausfallen wichtiger Formationen, und auf beiden Seiten des Gebirges Auflagerungen älterer Bildungen auf jüngere wahrzunehmen. — Auch vom Blumenfteinbade in der Rich— tung über das Stockhorn gegen Wimmis zeigen fih zwei durch Rauchwacke bezeichnete Perwerfungslinien, in deren Nähe ebenfalls einige, wiewohl weniger ausgezeichnete Mi- neralquellen, Blumenftein, Erlenbah, Diemtigen entipringen. Die ftarfe Schwefelquelle des Schwarzfeebades im K. Freiburg entfpringt im Gypfe, der auf der Gränze zwiſchen juraſſiſchen Bildungen und dem Flyſch oder Gurnigelfandftein, doch etwas feitwärts nördlich von der großen Verwerfungsfpalte längs des Nordabfalls der Stodhornfette ftreicht. Diefer Gyps tritt wieder in der Nähe von Marly bei Frei- burg hervor, wo bei Oberried in der Gypsgrube im Burgerwald jene beträchtliche Gas: ansftrömung (der fogenannte brennende Berg) zu Tage tritt. Ueberall wo dieſer Gyps fich hinzieht, zeigen fi an der Gränze desfelben, wenn gleich nicht ausgezeichnete, doch immerhin deutlich charafterifirte Mineralquellen. Eine der intereffanteften Partieen in der Schweiz auch in Beziehung auf Mineral» quellen und Thermen ift das Thal der Rhone. Gleich beim Eintritt in dasjelbe zwiſchen den Pyramiden der Dent de Midi und der Dent de Morcles entipringen im Bett der Rhone die warmen Quellen von Lavey. An der Gränze der nördlichen Gentralmaflen lagert bier Jurakalk auf Gneiß in vielfachen Windungen und Krümmungen. — Nur wenige Stunden weiter entfpringt in einer Felsfpalte auf der Gränze zwifchen Kalkichiefer, Do— lomit, Rauchwacke und kriftallinifhen Sciefern die merfwürdige, warme, intermittirend jodhaltige Duelle von Saron. — An der nördlichen Thalfeite gegenüber findet fich eben- fall3 eine jodhaltige Duelle bei Foully an der Gränze zwifchen Rauchwacke und Gneiß, und höher thalaufwärts find die berühmten heißen Heilquellen des Leuferbades am Fuße der Gemmi. Sie entfpringen aus den tiefen Schichten der Suraformation an der Gränze von Gneiß und Kalf, die hier fehr unregelmäßig ineinander greifen. Die ebenfalls jehr £räftige, aber wegen Mangel an gehöriger Badeinrihtung wenig benugte Duelle von Naters, einige Stunden oberhalb an der gleihen Thalfeite, entfpringt aus Ehloritfchiefer mitten in granitifchem Geftein, das in Gneiß und Zalfgneiß übergeht, deſſen fteiles Fallen an der Gränge der Schiefer bemerfenswerth ift. Auch dürfte die oben angeführte That: fache, die zur Zeit des Erdbebens von Liffabon fic ereignete, auf einen fehr tiefen Ur— fprung der warmen Duelle hinweifen. In der nämlichen Shermaljpalte brechen endlich auch noch die drei lauwarmen Duellen unter und nahe am Rhonegletſcher hervor, wo Gneiß den dunflen Kalfjchiefer verdrängt. Ein an Mineralquellen reiches Gebiet erftredt fih jüdlih vom Saleve bei Genf an der Gränze der alpinifchen und juraffifhen Bildungen, wo am Fuße des Saleve die Schwe- felquellen von 2a Eaille, neben der prächtigen Brüde Carl Alberts in einer tiefen von — — dem Bergſtrome Les Uſſes ausgefreſſenen Schlucht entſpringen; weiterhin die weltberühm— ten heißen Schwefelquellen von Aix les Bains; dann die warmen Quellen von Challes bei Chambéry; die jodhaltigen Mineralquellen von Goöfe bei Montmelian u. f. f. Merfwürdige Verhältniffe bezüglich auf das Hervortreten von Mineralquellen bieten die Umgebungen des Montblanc. Am weftlihen Ende der Kette genau an der Scheidungs- linie zwifhen dem Glimmerfchiefer und den tiefiten Lagen des fecundaren Kalfiteing ent- ipringen die heißen Quellen von St. Gervais. — An der Ditfeite des Montblane an der tiefiten Stelle, da wo fich die Ler Blanche und das Thal von Entröves vereinigen, und wo Die Doire zwifchen dem Mont Chetif und dem Mont de la Sare in einer mächtigen Gebirgsipalte ihr Bett tief eingefreifen hat, finden fich die Schwefelquellen von La Sare und die alfalinifch falinifchen Quellen von La Marguerite und 2a PVittoire kaum eine halbe Stunde von einander entfernt, an der Stelle, wo Protogyn- und Feldfpathichiefer aus dem Kalfe auftauchen. — Eine gute Stunde weiter entjpringen unter ähnlichen Ver— baltniffen in einer noch tiefern fpaltenartigen Schlucht die heißen Quellen von Pre-St.Divier. Auffallend arm an Mineralquellen und Thermen find die Umgebungen des Monte Rofa, und wir wüßten außer der eifenhaltigen Quelle bei Saas und der Glauberfalz bal: tigen Quelle von St. Vincent bei Chatillon im Xoftathale, am Weſtabhange des ſüdlichen Ausläufers, der das Tournanche-Thal vom Challant-Thal trennt, feine andern von einiger Bedeutung anzuführen. Diefe legtere ſehr befuchte Quelle entipringt da, wo aus den grünen und grauen Schiefern mächtige Mafjen von Hornblendegeftein bervortreten. In der Gegend der italienifhen Seen und im füdlichen Teſſin find, ungeachtet der geologifh fo intereffanten Verhältniffe, Feine Mineralqueller von aud nur einigermaßen hervorſtechenden Eigenjchaften befannt, ein alfalifhee Schwefelwaffer bei Stabbio und die Bitterfalz Haltende Duelle von Cornasca oberhalb Warenna am Comerfee etwa aus— genommen. Reicher an Mineralquellen zeigen fi) die Thäler zu beiden Seiten des hoben Gebirgs- fammes, welder Teſſin vom Formazza- und Antigorio-Thal fheidet. In legterm Thale entipringen die Quellen von Crodo in faſt fenfrecht ftratifieirtem Gneiß. Auch zeigt die Umgegend große Beritörungen durch ungeheure Felsbrüche. Etwas öftlih davon find die Bäder von Craveggia in einem Nebenthale des Vigezzathals, wo dunfelgrüne Hornblende- gejteine aus dem Gneiß hervortreten, und nördlid von diefem am Fuß der Ganna roſſa im Onfernone-Thal die warmen Quellen von Crana, wo ſenkrecht ftratificirter Gneiß mit horizontal liegendem auf feltfame Weife abwechfelt. Die Gotthardsgruppe ſcheint arm an Mineralquellen zu fein, und nur am füdlichen Fuße zeigen fich einige jedoch nur wenig bedeutende Spuren, fo bei Villa, bei Offasco und bei Fontana in ſchwarzem Schiefer und Dolomit von Hornblende überlagert. Bee; . ae Ziemlich reich dagegen fowohl an eifenhaltigen Quellen als an Sanerbrunnen tft die Gruppe des Woulagebirges. So finden fih im Blegno-Thale eine Reihe von eijenhaltigen Waffern bei Ghirone, Dlivone, Lottigna u. f. f.; ebenfo einige ähnliche Quellen im Ca— lanca:- Thale; vor allen aus aber ift der ausgezeichnete Eifenfauerling von S. Bernardino faft auf der Höhe des Bernhardins zu erwähnen, deffen Quellen in einer Art Mulde von fhwarzen Schiefern zwifhen dem Gneis des Mofchelhorns und des Tambo auftreten. — Nicht unbedeutende Mineralquellen haben auch die Thäler aufzuweifen, welde zwijchen den öftlichen und nördlichen Ausläufern der Adulagruppe fich herabjenfen. In dem Ge- biete des Hinterrheins finden fich die alkaliſch eifenhaltige Duelle von Pigneu (in Andeer benugt), das Schwefelwaffer von Thuſis, ein Säuerling bei dem Hofe Moos bei TZomils und das ftarfe Eifenwalfer von KRothenbrunn; dann im Gebiete des Vorderrheins in Zugnez der jtarfe Säuerling von Pleiden, die warme, dem Pfäferferwafler ähnliche Duelle zwifchen St. Peter und Camps, die bitterfalzhaltige Schwefelquelle bei Valac, und am Eingang ins Summwir oberhalb Surrhein, die eifenhaltige Schwefelquelle des Zeniger- bades. In den Thälern, welche in die Tödigruppe einſchneiden, finden wir zunächſt im Hin— tergrunde des Linththals etwa 900 Fuß über der Thalſohle am Abhang des Stachelbergs eine der ausgezeichnetſten Schwefelquellen, die in dem Bade von Stachelberg benutzt wird. Sie entjpringt in ſchwarzem Mergelſchiefer, wo derjelbe mit Nummulitenfalf und Sand— fteinfchiefern abwechfelt. Ziefer unten im Thale entipringt auf derjelben weitlihen Thalfeite eine ähnliche, Doch etwas ſchwächere Schwefelquelle bei Luchſingen, aud in jchwarzem Mergeljihiefer. — Ja der weitlihen Fortjegung desjelben Gebirgsfammes finden wir im Schächenthal, ebenfalls im Mergelichiefer, in welchem ausgedehnte Maffen von Nummu- litenfalf eingelagert find, die Schwefelquelle von Unterghahen, und am Fuße des Bann- walds, zwiſchen Fluelen und Altorf, das Schwefelwafler des Moosbades. Norvöjtli vom Pragel entjpringt in einer Gegend, wo die Gebirgsformation jehr verworrene Verhältniffe zeigt, und wo es an Zerreißungsflüften nicht fehlt, bei Yberg eine an Bitterfalz reihe Schwefelquelle und wenige Stunden nördlicher am Schlagberg bei Einfiedeln eine andere ebenfalls jtarfe Schwefelquelle. In der öftlihen Fortjegung des mächtigen Gebirgsfammes, der vom Tödi über den Kiſtengrat zum Hausſtock ſich zieht, findet fih am Fuße des Panirerberges auf der Wich— lenalp ein früher häufig benugtes Schwefelwaffer am Fuße einer Felswand. Auch hier wechjelt Kalk mit Nummuliten, Sandtein und Flyſch. — Derfelbe Gebirgsfamm jegt nun mehrfach ſich verzweigend über den Vorab und die Scheibe fort und endigt im Galanda, an deſſen nordweſtlichem Fuße in einer tiefen Gebirgsipalte aus ſchwarzem mit Nummu— litenfalf durchzogenen Schiefern, Die oft die auffallendften Krüämmnngen und Windungen u Bu Re zeigen, die faſt hemijch reine Therme von Pfäfers entipringt. — Am entgegengefegten öftlihen Fuße des Galanda quillt aus vderfelben Formation bei Friewis an einer ſchwer zugänglichen Stelle ein ähnliches doch unbenugtes Waffer bervor. Um die Santisgruppe herum und auf dem Hocplateau von Appenzell entipringen zwar eine Menge von Mineralquellen, von denen jedoch nur wenige von Bedeutung find. Eine durd den Reichthum an ausgezeichneten Mineralquellen auffallende Gegend ijt das Prättigau mit feinen Seitenthälern, Gleich in dem erjten gegen den Rhätifon an- jteigenden Thale finden fi) die drei alfalifhen Schwefelquellen von Ganey, und in dem etwas weiter öftlic) gelegenen Antönienthale eine Anzahl nicht unbedeutender, jedoch wenig benugter Mineralquellen; in der Thaljohie felbit die Säuerlinge von Konters, Saas, Küblis u. f. f. An den gegen Süden in die Kette des Hohmang einfchneidenden Thälern finden wir bei Jenag eine früher ziemlich ftarf benugte Schwefelquelle, dann bei Fideris den berühmten Sauerbrunnen und das Eiſenwaſſer in der Tobelmühle, und gegenüber die Schmwefelquelle im Schabernau, weiterhin die Schwefelquelle bei Serneus und eine ähn- lihe doch ſchwächere bei Klofters. — Alle dieje Quellen entipringen in einem leicht ver- witterbaren Flyſch, in welchem jedoch häufige Einlagerungen von dunfeln Kalffteinen und thonigen Kalkjhiefern im bedeutender Mächtigkeit vorfommen, und wo Verwerfungen und Umbiegungen mannigfaltiger Art nicht fehlen, fo z. B. an der Klus, beim verfallenen Ganeyerbad, bei Schiers, bei Küblis uw, a. a. D. ın. Nicht minder bemerfenswerth ift das Hochthal von Davos mit feinen Seitenthälern, am Fuße der Gebirgsfette, welde Davos vom Engadin trennt. Unbenugt entipringen im Sertigthale mehrere Schwefelquellen und Sauerbrunnen, ebenjo am Ausgang des Spinerthals bei Glaris und tiefer im Thale des Landwaſſers die reiche und ftarfe Schwe— felquelle von Alveneu, und unweit davon eine etwas jchwächere bei Filifur. Die meijten diefer Quellen entipringen da, wo rother Sandftein an der Gränze von Gneif und Kalf auftritt oder zwijchen dieſelben eingeflemmt ift. Ueberhaupt zeigt auch dieſe Gegend die großartigiten Verwerfungen und Zerreißungen der verſchiedenen, ſich mannigfaltig Freuzen- den Formationen. Weitaus die intereffanteite Parthie in Beziehung auf Minsralquellen bietet aber das jüdlih von Davos und parallel mit demfelben laufende Hochthal des Engadin. Am Fuße des Piz Mortels entipringt bei Surleg ein ziemlich ftarfer Sauerbrunnen aus Glimmer- ichiefer, welcher unter Kalf einfalt. Dann treffen wir bei St. Moriz den am Fuße des Roſatſch entjpringenden berübmten Eifenfäuerling, wo, umgeben von granitifchem Geitein, bedeutende Einlagerungen von Gneis und Glimmerfchiefer jih finden. — Bei Samaden tritt am nördlichen Gebirgsabhang eine ſchwache Schwefelquelle zu Tage. Auch bei Ponte, Brail, Berneg u. ſ. f. finden fich einige, wiewohl wenig bemerfenswertbe, eifenhaltige See pe Quellen. Die wichtigfte Gegend aber ift diejenige von Schuls und Zarajp im Unterenga- din. Hier entfpringen im Umfang von faum einer Duadratitunde mehr als zwanzig zum Theil fehr ausgezeichnete Mineralquellen *). Zunächſt bei Taraſp eine an Natronjalzen und freier Kohlenfäure äußerft reihe Quelle, und in unmittelbarer Nähe ein weniger jalziger, ftarfer Säuerling, und ein Eiſenwaſſer; zwei andere gasreihe Quellen werden vom Inn überfluthet; eine ſechſste Duelle, gegenüber am linfen Ufer des Inn, ahnlich der erften, jedoc) etwas ſchwächer. Etwas höher quellen aus einer jelbit erzeugten Sinter— anhäufung zwei andere eifenhaltige Wafler, von denen das eine Kohlenjäure entwidelt, das andere von bitterm tintenartigem Geſchmack, aber ochrigen Zuff abjegt, ein drittes liegt in der Seitenſchlucht von Valpüzza und mehrere andere über Fittan; dann oberhalb Taraſp ein fehr ftarker Säuerling und eine Schwefelguelle im Plafnatobel. Nicht minder veich ift die Umgebung von Schuls, wo unmittelbar oberhalb des Dorfes ein jehr jtarfer Säuerling, etwas weiter öftlic eine gasreiche, ſtark fohlenfoure, Falfhaltige, und eine ſtarke Schwefelquelle entipringen. Außerdem ift die Gegend auch durd mehrere oben an- geführte Gasausftrömungen merkwürdig. — Alle dieje Quellen entjpringen im eimem mannigfaltig veränderten blättrigen Schiefer, mit grauwadenartigen Zwiſchenſchichten, aus welchem an verfchiedenen Stellen Serpentin hervorbricht, während Die höhern Ge- bivgsfuppen, die fi) aus dem Thale erheben, einer mächtigen Kalkbildung angehören, welche gewaltige Umbiegungen zeigt und deren Maſſe bedeutende Veränderungen erlitten zu haben jcheint. Noch öftlicher entjpringt im Remüſertobel eine ftarfe, lauwarme, eijenhaltige Schwe— felquelle in einer aud) außerdem durch die Bildung von Erdpyramiden bemerfenswerthen Gegend. — Zahlreihe Sauerbrunnen und Mineralquellen treten aud) in der Fortjegung des Innthales bei Prug, Ladis, Obladis, Landeck, Stans u. ſ. w. auf. Wir ſchließen dieſe Aufzählung auffallender Lofalitäten mit der zunächſt an Die Schweiz angränzenden merfwürdigen Thermalfpalte, welche das Beltlin darbietet. Im Hinter: grunde des Majinothals, an dejjen Eingang bei Ardenno ebenfalls eine Mineralquelle auftritt, entjpringen in einem weiten, von hohen ſchroffen Granitwänden umgebenen Gireus, der in eine tiefe Gebirgsipalte fich öffnet, durch welche das Thalwaſſer ſich hin- durchzwängt, die heißen Duellen von St. Martino. — Höher binauf findet fich bei Puſchlav, ebenfalls im Granit, am Mordende des Sees, eine lauwarme Schwefelquelle. Die enge, tief eingeriffene Kluft, durch welche der Pojchiavino ſich hindurchzwängt, zeugt von ihrer Entitehung durch mächtige Kataftrophen, welche den Boden hier bis in große *) Vergl. Neujahrblait für 1850, Nr. LI. — 3 — Tiefe ergriffen haben. Die beträchtlichſte Therme des Thales aber iſt diejenige von Bor— mio, welche am ſüdlichen Fuße des Monte Criſtallo aus ältern ſchwarzen und grünen Schiefern entſpringt, in einer nicht minder durch großartige Umwälzungen ſehr bemerkens— werthen Gegend. — Wenige Stunden ſüdöſtlich quillt im Hintergrunde von Val Furva am Fuß des Mte. Confinale die Heilquelle von Sta. Catterina, ebenfalls aus ſchwarzen Schiefern. Faſſen wir nun dieſe Thatſachen zuſammen, die wir über das Vorkommen der ſchwei— zeriſchen Thermen und Mineralquellen aufgeführt haben, ſo ſcheint ſich zu ergeben: 1) daß ſich zwar Thermen und Mineralquellen in ſehr verſchiedenen Höhen über Meer finden, 2) daß aber die Mehrzahl heißer Quellen vorzugsweiſe in wilden tiefen Gebirgs— ſchluchten entſpringt, wo die Gebirgsformationen auffallende Störungen und Zer— reißungen erlitten haben; 3) daß zwar Mineralquellen ſehr verſchiedener Art in unmittelbarer Nähe neben ein- ander vorfommen fönnen, 4) daß aber längs eines Gebirgszuges, oder längs einer Verwerfungsfpalte ſehr oft eine Reihe in ihren Hauptbeftandtheilen ähnlicher Mineralquellen auftreten. Chemiſche Analyfen bejist man von folgenden ſchweizeriſchen Mineralquellen ; allein nur die Fleinere Zahl derfelben möchte ganz zuverläffig fein und den jegigen For- derungen der Wiſſenſchaft entfprechen. Aarzieli bei Bern (More). Allerheiligen- oder Bachtelnbad, bei Grenchen, K. Solothurn (Pfluger). Alliaz, 8. Waadt (Struve, Verdeil, Vellenberg 1847). Appenzell, Dorfbad oder Unterbad (Sulzer). Attisholz, K. Solothurn (Pfluger 1806, Völkel 184...). Baden im Yargau (Bauhof, Lömwig). Bellerive bei Delsberg (Merian). Bellevedere bei Chur (Capeller). S. Bernardino in Graubündten (Gapeller, Broglio). Ber, Source des iles und Source des mines (Mercanton, Morin). Birmenftorf, K. Aargau (Pechier, Bolley). Blumenftein, 8. Bern (Morell, Fueter, Fellenberg). =. Mi Bonn, K. Freiburg (Dougoz 1662, Favrat 1759, Rädle 1779, Schueler 1811). Brieger- oder Glyſerbad bei Waters, K. Wallis (Fellenberg). Bubendorf, 8. Bafelland (Stäheli). Champ Dlivier oder Nos bei Murten (Lüthy). Combe Girard, K. Neuenburg (Desfoffes). Combiolaz, Floßbrunnen, K. Wallis (Baup). Engiftein, 8. Bern (Morell, Pagenftecher). Eptingen, 8. Bafel (Stäheli). Fideris, 8. Graubiindten (Capeller). Fiſibach, K. Wargau (Laffon). Garmisweil, K. Freiburg (Lüthy). Gontenfhmweil oder Schwarzenberg, K. Aargau (Bauhof, Fueter). Grenchen, |. Allerheiligen. Gurnigel, K. Bern, a) Stockwaſſerquelle, b) Schwarzbrünneli (Morell, Bed, Pagenſtecher, Vellenberg). Gyrenbad, äußeres, bei Turbenthal, K. Zürich (Bauhof). Gyrenbad, inneres, bei Hinweil, K. Züri (Ziegler). Heinrihsbad bei Herisau (Bauhof). Fenag, K. Granubündten (Bauhof). Kaſtenloch, K. Appenzell (Rahn). Knutwyl, K. Luzern (Fir 1802). Lämmlibad, 8. Bern (Pagenftecher). Lauſanne, La Poudriere (Nenier, Mercanton). Lavey, 8. Waadt (Baup). Leiffigen, 8. Bern, Hauptquelle und Trinfquelle Morell, Pagenitecher). Leuferbad, K. Wallis, Lorenzenguelle und Armenquelle (Brunner und Pagen- ftecher 1827, Morell, Fellenberg 1844, Morin 1845). Limpachbad, 8. Bern (Studer). Lochbachbad, K. Bern (Morell). Lorenzenbad bei Dber-Erlinsbah, K. Wargau (Xöwig). Loftorf, 8. Solothurn (Bauhof, Aſchbach). Zurburg, K. Thurgau (Ittner, Gmelin, Irminger). Meltingen, K. Bafel (Stäbeli). Menzifon bei Reinah, K. Nargau (Aſchbach). Montbarry oder Dupagquier bei Greierz, K. Freiburg (Luüthy). Moosleerau, K. Aargau (Bauhof). FE St. Moriz im Engadin (Morefl, Capeller, Balard). Niederwyl oder Geißhubelbad, K. Yargau (Bauhof). Nuolen, 8. Schwyz; (Rüſch, Fromherz, Fuchs). Oberwyl am Bucheggberg, K. Bern (Schaffter). Oſterfingen, K. Schaffhauſen (Laffon). Otteleuebad, K. Bern (Fellenberg 1840). Peiden im Lugnez, K. Graubündten (Capeller). St. Peter in Vals, K. Graubündten (Capeller). Pfäfers, K. St. Gallen (Morell, Capeller, Löwig, Fellenberg 1841). Rheinfelden, Sohlbäder (Bolley). Rigiſcheideck, &. Schwyz (Löwig 2). Rolle, Fontaine de Jouvence, K. Waadt (Ebel, Pedhier). Rofenlauibad, K. Bern (Pagenfteder). Saron, 8. Wallis (Morin, Brauns, Heidepriem, Fellenberg und Rivier), Shinznad, K. Aargau (Morell, Bauhof, Pechier, Löwig 1844). Schmerifon, K. St. Gallen (Hüttenfhmid). Schuls im Engadin, Ehlozaquelle (Gapeller). Schüpfheim, K. Luzern (Bauer). Schwarzſeebad oder Bains du Lac Domene, K. Freiburg (freres Blane, Lüthy. Schwefelbergbad im Gantriſch, K. Bern (Studer). Seewen, K. Schwyz (Finsler, Löwig). Stachelbergbad, K. Glarus (Kielmajer, Rüelen). Sumiswald, Bad im Grünen, K. Bern Pagenſtecher). Taraſp im Engadin (Capeller, Löwig). Thalgutbad, K. Bern (Wagner, Morell). Thuſis, K. Graubündten (Capeller). Trois torrens, Rothwaſſer, in Wal d'Illier, K. Wallis (Goſſe). Waldegg, K. Solothurn (Pfluger und Kottmann). Waldſtatt, K. Appenzell (Sulzer). Weißenburg, 8. Bern (Morell, Brunner, Fellenberg 1846). Widartswyler- oder Rütihübelibad bei BWalfringen, K. Bern (Benteli). Wildegg, 8. Aargau (Löwig, Laué). Bohlen, K. Aargau (Löwig). Worben, K. Bern (Pagenftecher). Yverdon, K. Waadt (Struve, Morell, Pechier). 3ofingen, Römerbad, A. Aargau (Anal. von 2). ra — | Bon den angeführten Mineralquellen außerhalb der Schweiz jind analyfirt die— jenigen von Nirles Bains in Savoyen, Schmwefelquelle 1, Mlaunquelle 2, Fleuryquelle 3, Chevillardquelle 4, St. Simongquelle 5. (Bonvoifin I u.2, Soequet I u. 2, Thibaud 1,2, 3, 4, St. Martin 5, Bonjean 1839). Bormio md S. Martino in Veltlin (Ballani, Demagri). La Eaille in Savoyen (Morin). Sta. Catterina in Bal Furva, Veltlin (Demagri). Challes bei Chambery, in Savoyen (Bonjean). Eoöfe bei Montmeillan, in Savoyen (Morin). Alla Cornasca bei Regoledo, oberh. Warenna, am Comerjee (P. Dit. Ferrario). St. Didier im Moftathal, obere und untere Duelle (Abbene). Evian, Eau de Cachat, in Savoyen (Pechier). St. Gervais in Savoyen (Bouillon, La Grange). St. Martino im Mafino:Thal in Veltlin (Demagti). 2 — — An Die zürcherifche Jugend auf das Jahr 1856. Bon der Maturforfchenden Gefellfchaft, LVIH. Stüd. Vorwort. Die vorliegende Schrift war ihrem wefentlichen Inhalt nach ſchon Ende Septem- ber vollendet, und follte damals gleich veröffentlicht werden. Nach dem Wunſch des Hin. Dr. Keller, Präfidenten der Kommiffton für die Neujahrsblätter der Naturfor- fhenden Gefellfchaft, ift fie aber fo lange zurüdgehalten worden, um jegt als Neujahrs« blatt zu erfiheinen. Viele Berichte über das Erdbeben im Bifperthal find feither befannt geworden; daher es nicht fehlen fann, daß viele der hier gemachten Mit- theilungen nicht mehr neu find. Ich erwähne von folchen Berichten hier bloß den des Hin. Prof. Noeggerath in Bonn, der in der Köllnifhen Zeitung vom 11.—15. Oft. erfchienen, durch einen Auszug in der Eidg. Zeitung aber auch dem Zürcher Publikum feinem Hauptinhalt nad) befannt geworden ift. Ich hätte allerdings jegt die verfchie- denen Schilderungen mit einander vergleichen, das Wefentliche aus allen ausziehen und mit den von mir feldft gemachten Beobachtungen zufammen die volftändigfte und genauefte Befchreibung der Ervbeben-Erfcheinungen im Viſper-Thal liefern fönnen. Das er ie habe id) nicht gethan. Durch das Lefen der Schilderung Anderer werden die eigenen urfprünglichen Eindrücke und Anfichten unwillführlic) modifizirt. Für eine unbefangene und wahre Beurtheilung aller Erfcheinungen wird e8 aber gewiß nur vortheilhaft fein, wenn möglichft viele Berichte Solcher vorliegen, die nad) eigener Anſchauung ein Bild der Zerftörungen geben. Da ich felbft, vielleicht länger als ein Anderer, mich im Viſper-Thal aufgehalten, und die Verheerungen zu Berg und Thal vielleicht vollftändiger gefehen als irgend ein Anderer, jo wollte ich nicht darauf verzichten, einen Driginal- bericht zu liefern. Ich veröffentliche alfo hiemit die ſchon Ende September vollendete Arbeit, nur daß jest noch die Nachrichten hinzu gefommen find, Die ich feither, aber auch nicht aus Zeitungen oder befonderen Schriften, fondern von einem Augen- und Dhrenzeugen aus dem Viſper-Thal erhalten habe. Indem ic) um eine nachfichtige Beurtheilung meiner Arbeit bitte, mache ich noch darauf aufmerffam, daß die vorliegende Schrift „für die zürcherifche Jugend“ beftimmt ift. Wenn ih nun aud) hoffen darf, daß mancher Naturforfiher meine Beobachtungen nicht ganz ohne Intereſſe lefe, fo verfteht es fich doch von ſelbſt, daß derjenige Theil der Schrift, der ſich auf Erflärungen einläßt, und nicht auf Driginalität Anfpruch macht, nicht für den Naturforfcher gefchrieben ift, fondern von diefem bilfigerweife ungelefen bleiben mag. Das Titelfupfer, jo wie drei andere Abbildungen der durch das Erdbeben im Viſper⸗Thal hervorgebrachten Zerftörungen, die nädhftens aud) im Drucke erjcheinen wer— den, fommen aus der geſchickten Hand eines jungen Zürcher-Künftlers, deſſen Befcheidenheit feinen Namen bier nicht wollte nennen laffen. Dafür möge er mir wenigftens erlauben, daß ich ihm öffentlich meinen . beften Dank ausfpreche, fowohl für die freundliche Bereit- willigfeit, mit der. er ausfchlieglich zu dem Zweck die Reife nad) dem Wallis unternoms men, ald auch für die höchit gelungene Ausführung feiner Arbeit, Dr. 3. Ch. Heuffer. Ye * T Das Erdbeben im Bifper- Thal im Jahr 1855. „Sit der Boden da drinnen vulkaniſch?“ Dies ift die Frage, mit ver id), yon meiner Reife aus dem Wallis zurücgefehrt, von Freunden und Bekannten beftürmt wurde. Unter der Frage, „it der Boden im Wallis vulkaniſch?“ verſtehen die meiften Frage ſteller nichts Anderes, ald „haben wir in der nächſten Zukunft im Wallis einen wirklichen vulkaniſchen Ausbruch, wie folde am Veſuv, Aetna und andern feuerfpeienden Bergen yon Zeit zu Zeit erfolgen, zu erwarten?" Mir ift bei diefer Frage ungefähr fo zu Muthe, wie ed einem jungen Arzte fein mag, wenn er gefragt wird: „wird der Kranfe genefen?* Dies ift die Frage, womit man dem Arzt felbjt den Puls fühlt über fein Wiffen und feine Kunft. Unter Aerzten gefteht er offen ein: ich weiß es nicht; den trauernden Freunden des Kranken darf er aber feine Rathlofigkeit nicht eingeftehen, er muß eine entſcheidende oder ausweichende Antwort geben. Der alte erfahrene Arzt wird eher zu jener, der junge unerfahrene eher zu diefer feine Zuflucht nehmen. — Die Antwort auf die Frage: Iſt der Boden im Wallis vulkaniſch?“ Hat viel größere Tragweite, als die Frage: „wird der Kranke geneſen?“ Jene entjcheidet über den möglichen Untergang son vielen Hunderten son Menfchenleben. Selbſt der erfahrene und bewährte Naturforfcher wird fi hüten, gleich dem alten Arzte ein entſchei— dendes „Ja“ oder „Nein“ auszufprehen. Um jo mehr wird man es daher dem jungen Na— turforfcher verzeihen, wenn er eine entfcheidende Antwort zurüdhält. Ausweichend foll aber meine Antwort aud) nicht fein, wie diejenige des jungen Arztes; ſondern ich will verſuchen, nachdem ich eine objektive Schilderung alles deſſen gegeben, was ich won den Folgen des Erdbebens felbft gefehen oder habe in Erfahrung bringen können, ganz offen, und fo gut «8 mir möglich ift, ein weiteres Publifum vertraut zu machen mit ven Anfichten und Hypo— thefen, welche die Naturforfcher in ihrer großen Mehrzahl ſich über ven Grund der Erdbeben und der bei denfelben drohenden Gefahr gebildet haben. Der unmittelbare Eindruck des Erdbebens auf den Menſchen wird allen, melde dieſe Schrift Iefen, befannt fein yon den Stößen her, die in der ganzen Schweiz am 25. und 26. Juli verfpürt wurden. Diefer Eindruck war im Wallis Fein anderer, er war nur inten- fiver, und läßt fidy vielleicht am beſten Wergleichen mit vem Schwindel, der durch das Schwans fen eines Schiffes auf der See hervorgerufen wird. Wie übrigens die Menſchen für viefe Se) — Wirkung ungleich) empfänglich find, fo aud für die des Erdbebens. Es fcheint mir übrigens faft, ald ob man durch die oft fich wiederholenden Stöße empfindlicher für die Wirkungen desſelben werden könnte. Ich habe mic etwa 14 Tage (in der zweiten Hälfte des Auguft) im Bifper-Thal aufgehalten, faſt täglich wurden von den Bewohnern Eroftöße gemeldet, wäh- rend ich feldjt nicht Ein Mal Eine unzweifelhafte Wirkung verfpürte. Montag den 27. Aug. Morgens 3 Uhr erwachte ich mit etwas Schwindel, und fonnte feinen Schlaf mehr finden, obgleich ich Tags vorher mich fehr müde zu Bette gelegt, Morgens wurde id) befragt, ob id) etwa um 3 Uhr das Erdbeben verſpürt habe. Ohne Ziwveifel war mein Erwachen Folge desfelben geweſen, ohne daß ich die Stöße ſelbſt verſpürt hatte. Den fehlagenven Beweis, daß nicht alle Leute gleich empfänglich feien, gab mir übrigens folgendes Erlebnig: Während id) mich) Sonntag den 2. Sept. Abends gegen 7 Uhr in Törbel mit dem Pfarrer des Orts, Heren Tſcheinen, lebhaft unterhielt, unterbrad) mid) diefer plöglich mit der Srage: fpüren Gie das Grobeben ? und während er dies fagte, entfernte fi ein Bild yon der Wand, und fchlug im Zurücffallen deutlih an die Wand an. Ohne diefe unyerfennbare Wirkung des Stoßes hätte ich der Ausfage des Hrn. Pfarrer kaum Glauben geſchenkt. — Eine andere Erſchei— nung, die oft aber nicht immer die Erdſtöße im Wallis begleitet, die aber in den übrigen Theilen der Schweiz meines Wiffens wenig oder gar nicht beobachtet worden, ift das unter— irdifche Getöfe, das ich am eheſten einem fernen Donner tief im Innern der Erde vergleichen möchte. Montag den 3. Sept. gegen 12 Uhr faß ich bei dem ſchönſten Sonnenfhein an der neu entflandenen Duelle zwiſchen Viſpach und Stalden, als ic) plöglich dieſes Getöfe hörte, das mir zwar ganz leife vorkam, aber dennoch deutlich neben dem lauten Toſen der vorbei— raufhenden Viſp zu vernehmen war. Don einer ſchwankenden Bewegung fpürte ic) wieder nichts. Der helle Simmel und die deutliche Nichtung des Schalles aus dem Innern der Erde ließen mich aber nicht zweifeln, daß dies das Getöfe des Erobebens fei, und in der That erfuhr ich eine Stunde nachher, daß man zu diefer Zeit in Viſpach auch deutliche Stöße ver— fpürt Habe. Nicht unintereffant mag es fein, den Eindruck, den die gewaltigen Stöße der erften beiden Tage auf die Bewohner des Bifper-Thales machten, von einem Manne zu ver— nehmen, der diefelben felbft erfahren, und son Anfang an alle mit einer Aufmerkfamfeit beobachtet und notirt hat, wie kaum ein Anderer. Es ift Dies der bereits erwähnte Herr Pfarrer Ifcheinen in Törbel, der mir fehreibt: „25. Julius. Um 1 Uhr und 10 Minuten fünf bis ſechs aufeinander bligesfchnell folgende Donner, mit fo furchtbaren Erdbeben-Stößen, daß mein Haus, aufwärts rechts, Links und gegen Mittag ſchwankte, doch ohne befonderen Schaden; mit einem furchtbaren Getöfe; dad Gewölbe der Kirche flürzte ein, warf die Orgel fammt ver obern Gallerie herunter, zerihmetterte felbe, fammt ver Kanzel, Betftühlen, Statuen, Seiten- Altären, Steinplatten a . des Bodens und Staffeln des Chords; die Eifenbänder oder Schlüfjel wurden wie ſchwacher Eifendraht an die Wände gedrüdt, und die dien Holzbiume, ebenfalls Bindſchlüſſel, wie Schwefelhölzhen zerbrohen. Während diefem Schredens-Getöfe und Kirchen⸗Verwüſtung befand ſich ein Mann in der Kirche, der wie durch ein Wunder am Leben blieb. Eben zur ſelben Zeit ſchrien viele Leute, ſo um die Kirche liefen: „der Thurm fällt, der Thurm fällt!“ Wirklich ſchwankte er mehrmals ein Klafter gegen Mitternacht und zurück. Gin neuer gewal⸗ tiger Donner machte die Erde ſchwanken, der hohe Thurm wankte flarf gegen Süden, und langſam nur in die vorige Stellung. Abermals brüllte es unter uns, jo daß Viele meinten, es müſſe fid) die Erde öffnen. „Flieht, flieht! * riefen die Leute, „der Ihurm ftürzt auf ung !* Es war wirklich fehauerlic, wie ein hohes neues Ihurmgebäude gegen uns wanfte und feine majeftätifche Verbeugung machte; mein Haus, hart am Thurme, ftand in der größten Gefahr, zertrümmert zu werben. Doch Gott jchonte der Hütte des Armen — der Thurm fiel nicht. Denfe man, fo groß war der Schredfen der Bewohner, daß man erft dann die Verwüftung der Kirche wahrnahm, als aus den Staubwolfen, weldye ſich aus den Pforten mwälzten, ein fchneeweißer, ganz blutiger Mann hervorfrod), es war der ſchon Genannte, ſchwer verwundet, doch nicht gefährlich. Auf den erften Stoß folgte in St. Nifolas ein jo grauensoller Lärm, daß die Leute todtenbleidy einander anſchauten und mit zitternder Stimme ausriefen: „ver jüngfte Tag, Jeſus Maria, der jüngfte Tag!“ Es war wirklid ein fo gräßliches Getöfe, Boltern, Raufchen, Fallen und Stürzen, daß man hätte meinen können, Viſper-Thal fei unter feinen Bergen begraben, und wir als Zufchauer beftimmt. Was Allem nody mehr Grauen beilegte, war der dichte Nebel, in ven Alles eingehüllt war. Nicht zu vergeſſen, daß beim eriten Stoß die 5 Glocken im Thurm alle anſchlugen, Leute auf den Straßen niederfielen, das Vieh auf ven Waidplätzen einige Minuten lang in ftarrer Unbemweglichfeit mausſtill ſich verhielt, die Hirten am Grafe der Weiden ſich feithielten 2e. Bis um 12 Uhr Nachts fait beſtändig fort ftärfere oder jchwächere Erdſtöße mit Donnergetöfe.” „26. Juli, Bon 12—6 Uhr Morgens öfteres, aber fhwächeres Erdbeben — doch hörte man, jo wie geftern Nachmittag, auch die ganze Nacht vorwärts einen gewaltigen unter irdischen Kampf: „unterirdifches Getöfe, Rauſchen, Donnern, wie Kanonenfalven, wie Lawi— nenftürze, wie Getöfe und Naufchen großer Gewäſſer, die fich einen Ausweg brechen wollen ; die Erde zitterte beftändig ; im Zimmer, wie auf den Straßen, ſchwankte der Boden, und der meiften Leute bemächtigte fi) ein ftarfer Schwindel. Ein faft beftändiges Brummen und Anfchlagen gegen unfere Füße, fo daß Jever glaubte, er fühle allein unter feinen Füßen Die Streihe. Eine große Schwermuth und DVerzagtheit bemächtigte ſich faſt Aller, das Vieh gab weniger Milch und zeigte ſich ſehr furchtſam, und man bemerkte während den erſten 3—4 Tagen feine Vögel mehr. Obwohl die Eroftöße heute nicht fo ftark waren, wie geftern, jo — waren doch die Leute ſo erſchrocken, daß ſie nicht mehr in den Häuſern bleiben wollten. Das freie Feld war voll Greiſe, Mütter mit Säuglingen, Wiegen und Kinder. Faſt alle Kinder hatten eine große Furcht vor dem Erdbeben. Kaum daß man ein unterirdiſches Gebrülle wahrnahm, fo hörte man die Kinder laut aufſchreien, und ſah fie an die Eltern ſchmiegen. Die Leute fonnten nicht3 arbeiten, fondern fanden und irrten verwirrt und unſchlüſſig herum, Um 10 Uhr Morgens fing e8 an, wieder fo gewaltige Stöße zu geben, daß ver Kirchthurm wieder anfing zu ſchwanken; der Boden fing an, ftückweife fo wellenförmige Bewegungen zu machen, daß die Leute, hier und dort, vom Schwindel ergriffen, ſich auf die Erde warfen und fid) am Gras fefthielten. Diefe Stöße wiederholten fi von Halb zu Halb Stunden, faft bis 6 Uhr Abends, von da an die ganze Nacht durd) ftetes Erobeben und Donnern. Dies war auch der Schredenstag für Vifp, St. Niklaus, Stalden, Unterbädy und Bürchen.“ „Der Schaden, den es in Viſp und andern eben genannten Orten anrichtete, durch Zer— ftörung der Häuſer, Kapellen, Kirchen, Ställe und Speicher, ift zur Genüge befannt. Der größte Schreefen herrfchte, ungeachtet das Grobeben in St. Nifolas viel grauenhafter und drohender wegen den Felsſtürzen hervortrat, dennoch in Vifp. Unter den im Freien aufge f&hlagenen Zelten hielt man, unter Ausfesung des Allerheiligiten, das 40ſtündige Gebet, Tag und Nacht vorwärts; immerwährend wurde gebeichtet und die Kommunion ausgetheilt, unter geiftlihem Gehorſam verboten, in den Käufern und Straßen der Burgſchaft ſich mehr aufzuhalten, und am 31. Juli der Papftfegen ertheilt, nebjt der Ermahnung, den Drt zu verlaſſen und eine andre Wohnung fid) aufzufuchen; Obrigfeiten und Bewohner liegen Haus und Habe im Stich. Diefen gegemüber verhielten fi) die ringsumliegenden Bergbewohner ganz ruhig, nie dachten ſie daran, „Eleingläubig Alles zu verlaſſen.“ Die traurigen und verheerenden Wirkungen äußerten ſich namentlid im Ginfturz von Gebäuden und im Aufreißen der Erde, in der Entitehung von großen Spalten und Riffen, aus denen dann vielfach neue Quellen hervorfprudelten. Ueber das Einftürgen der Gebäude haben die Zeitungen mannigfaltig berichtet ; e8 wird ſich in diefer Beziehung nicht viel Neues fagen lafjen, doch wird eine Schrift, deren letzter Zweck es nicht ijt, das Mitleiden für die fo hart getroffenen Wallifer zu wecken, diefe traurigen Wirkungen des Erdbebens nicht ganz außer Acht laſſen können. Auch die neu entftandenen Riffe und Spalten und die hervor— fprudelnden Quellen find vielfach erwähnt, die größten verfelben aber meines Wiffens nirgends von einem Augenzeugen befchrieben worden, weil diefelben nicht am Thalweg, fondern hoch über demfelben am Bergabhang ſich vorfinden; ich Hoffe daher in der Befchreibung verfelben nicht bereits Befanntes zu wiederholen. Am ftärkiten hat dad Erdbeben die Dörfer Viſpach, Stalden und St. Nikolas betroffen. In allen drei Dörfern ift Hielleicht nicht Gin fteinernes Haus ganz unverfehrt geblieben ; alle N MER find mehr oder weniger beſchädigt. Uebertriebene Vorftellungen find es jedoch, wenn man glaubt, die drei Dörfer feien zu Schutthaufen zufammen gefallen; son einzelnen Säufern in St. Nikolas ift dies allerdings wörtlid wahr, wie man ſich beim Anblick unferer Abbildung überzeugen fann, jo daß dies Dörfchen wirklich ven Eläglichiten Eindruck varbietet. Viſpach dagegen ſieht von außen nicht ſo traurig aus; deswegen iſt aber die Lage der Bewohner von Viſpach nicht viel beſſer; geht man im Dorfe herum, ſo ſieht man keine größere Mauer mehr ganz; einzelne ſind vollſtändig herausgefallen, der Dachſtuhl des Hauſes aber doch auf den drei andern Mauern ſtehen geblieben; von andern Mauern ſind einzelne ſcharf begrenzte Stücke herausgefallen, ſo daß man ſich mit Erſtaunen fragen muß, wie kann eine Kraft, anders als ſenkrecht zur Mauer wirkend, ſolche Stücke herauswerfen? Alle Mauern aber, die noch ſenk⸗ recht ſtehen, ſind, ich glaube ohne Ausnahme, von unten nach oben geſpalten. Dieſe Riſſe in den Mauern ſind natürlich verſchieden breit, einzelne wohl gegen einen Fuß, andere ſchmäler in allen Uebergängen. Ganz beſonders ſieht man dieſe Zerſtörungen natürlich im Innern der Häuſer, und es wird, wer hier ſich umgeſehen, begreifen, daß ſämmtliche Be— wohner von Viſpach nach der erſten heftigen Wirkung den häuslichen Herd verließen, und bei den immer fortdauernden Stößen einzig im Freien ſich ſicher fühlten. Die Richtung, nach | welcher die Mauern eingefallen, ift durchaus Feine Eonftante; id) glaube faum, daß man be— haupten Eönne, daß in einer beftimmten Richtung mehr Mauern eingefallen feien, als in einer andern. Ih ſah 3. B. zwei Mauern, die ald Umgäunungen von Gärten rechtwinklig auf einander ſtanden, beide eingefallen; ebenſo traf ich wiederholt in ein und demſelben Hauſe Spalten in zwei auf einander rechtwinkligen Mauerwänden. Von dem einen Kirchthurme iſt das große eiſerne Kreuz, das früher die Spitze gebildet, heruntergeſtürzt, und zwar in nord- Öftlicher Richtung; dasjelbe ift nämlich auf das Dad) des Pfarrhaufes, und nachdem es das— ſelbe durchbohrt, in die Stube des Pfarrhauſes gefallen, wo ich es um die Mitte des Auguſt noch ſelbſt geſehen habe. Die Mauern beider Kirchen ſind vielfach zerriſſen, und außerdem bildete das Innere beider einen wahren Schutthaufen, indem Orgel, Mauerwerk, Heiligenbilder, alles bunt durch einander, heruntergeworfen warf Hölzerne Häufer haben viel weniger, wenn fie nicht alt und baufällig waren, gar nicht gelitten. Eigenthümlidy gebaut find in dieſer Gegend die jogenannten Stävel (Speicher für Früchte aller Art). Auf vier fteinernen Pfeilern von etwa 3 bis 4 Fuß Höhe, die in den vier Ecken eines Quadrats erbaut find, Liegen ziemlich große Ereisrunde Platten yon Stein; auf diefen Hier Platten ruht dann das hölzerne Gebäude, das in feiner Konftruftion meiter nichts Cigenthümliches mehr Hat. Beiläufig gejagt hat diefe Bauart den Zweck, die Mäufe son den Speichern abzuhalten ; dieſe fönnen zwar eine fenfrechte Wand hinan, aber natürlich nicht auf der untern Seite einer horizontalen Fläche Hinfpazieren. Diefe Speicher nun find a N aa fehr häufig ganz unverſehrt von ihrem Fußgeftell heruntergeworfen worden, aber wieder nicht in einer fonftanten Richtung, fondern ich habe ſolche nad) verſchiedenen Richtungen hinunter- geworfen gefunden. So fehen wir gerade in unferer Abbildung einen folden Stavel, der nicht nad) Nord oder Nordoft umgefallen, während doch dies die Richtung ift, welche nad) andern Beobachtern vorherrſchen fol bei ven eingefallenen Mauern, und von welder dann Schlüfje auf die Richtung des Erdbebens gemacht werden. Der eben erwähnte Stadel unter- ſcheidet fi) von den vorher befchriebenen nur dadurch, daß feine vier Pfeiler nicht unmittelbar auf den Boden, fondern auf einen Stall für kleines Vieh geftellt find. Diefer Stadel befindet fi) an dem Wege, der durch das Dörfchen St. Nifolas, alfo in ſüdweſtlicher Richtung, fi fortzieht, und er ift nicht nur in der Richtung des Weges, fondern aud) in ver Richtung gegen das Waffer, d. h. alfo öſtlich oder ſüdöſtlich verſchoben. Zwiſchen Bifp und St. Nifolas faft in der Mitte liegt das nicht weniger als jene beiden Dörfer betroffene Dorf Stalden. Der’Ort hat zwar weniger fleinerne Käufer, daher wol der Schaden nit fo groß, als in Vifp und St. Nikola; hingegen find in Stalden felbft hölzerne Häuſer ftarf mitgenommen worden, fo daß ohne Zweifel die Stöße hier vollkom— men fo ftarf gemwefen find als irgendwo. — Der Grund, warum hölzerne Häuſer überhaupt Hiel weniger gefchädigt worden, als fteinerne, Liegt ziemlich nahe. Steinmauern haben zwar größere Feftigfeit, als hölzerne Wände, wenn aber ein Stoß fo ftarf ift, daß fie in Bewe— gung gefegt werben, dann geben fie auch dem Stoß bald nad) und flürzen zufammen, ba bie . Steine fpröde find; das Holz dagegen ift nicht, fpröde, ſondern gibt nad), biegt fi), daher eine hölzerne Wand durch diefelbe Kraft zwar im größere Entfernung von der Gleichgewichts— lage verfegt werden fann, als eine fteinerne, von derfelben aber zurück kommt und in Schwan— fungen verfeßt wird, ohne zu fallen. Bei der großen Anzahl von größern und Eleinern Steinen, die an den fleilen Bergab- hängen lofe herumliegen, konnte e8 nicht fehlen, daß in Folge des Erdbebens eine Menge derfelben ins Thal ftürzten, und fo aud) ibrerſeits Schaden anrichteten. So habe id) z. B. furz vor St. Nikolas einen Stavel gefunden, auf deffen Trümmern das Felſenſtück, welches in feinem Falle ven Stadel: getroffen und nievergefchmettert hatte, noch zu fehen war. Auch wurden mehrere Menſchen durch ſolche herunterrollende Steine verlegt. Im Ganzen ift aber der durch die Grobebenftöße ſelbſt hervorgebrachte Schaden an Gebäuden aller Art viel größer, und id) habe in den erwähnten drei Dörfern felbft viel mehr von dem ſchaurigen Anblick und dem Donner der herunterrollenden Steine, als von ven durch diefelben bewirkten Zertrüm— merungen fpredhen hören. | Die Zerftörungen, die am Harteften die drei genannten Dörfer betroffen, treten nun natürlid) in Herfchiedenen Abftufungen in einem viel größern Bezirk auf, und es mag nicht — unintereſſant ſein, auf den ganzen Bereich der ſchädlichen Folgen des Erdbebens hier noch einen kurzen Blick zu werfen. Geht man das Hauptthal der Rhone herunter, ſo trifft man die erſten Spuren der Verwüſtung in Naters an, wo Kirche und das ſteinerne Pfarrhaus ſchon von großen Sprüngen zerriſſen ſind. Hierauf folgt Brig, das, faſt ausſchließlich aus ſteinernen Häuſern erbaut, abſolut allerdings ſehr großen Schaden erlitten haben mag, jedoch noch kaum von ebenſo intenſiven Stößen, wie Viſp, Stalden und St. Nikolas in Bewegung geſetzt worden iſt. Im demſelben Grade ungefähr mag das Erdbeben die Dörfchen und Dörfer betroffen haben, die im Kauptthal der Nhone abwärts bis Turtmann, und zu beiven Seiten des Fluſſes bis hoch in den Berg hinauf gelegen find, fo Glys, Mund, Eichholz, Eggerberg, Außerberg, Naron und Turtmann. Viel intenfiser aber, als im Sauptthal, zeigten ſich die Erdbebenſtöße in dem GSeitenthal der Rhone von Viſpach bis St. Nikolas. Bei Stalven trennt ſich dies Seitenthal der Viſp felbft wieder in zwei Arme, ins Nikolai- und Saasthal; jenes nimmt anfangs eine ſüdweſt— liche, dieſes eine ſüdöſtliche Richtung, ſpäter laufen aber beide wieder ziemlich parallel yon Nord nad) Süd, getrennt durd) den hohen Saasgrat. Merkwürdigerweiſe hat ſich nun das Gröbeben im Saasthal gar nidyt mit derfelben Intenfität gezeigt (menigftens ift mir von ſchädlichen Wirkungen hier nichts Auffallendes befannt geworden), fonvern es ift ausſchließlich der ſüdweſtliche Arm, das Thal der Matter-Viſp, oder das Nikolai-Thal ſo hart betroffen worden, und zwar auch noch über St. Nikolas hinaus, allmälig abnehmend bis Zermatt. In Randa ift z. B. noch die Spitze des Kirchthurms heruntergefallen, weiter aber Fein bedeu— tender Schaden angerichtet worden. Zermatt felbit Hat feinen Schaden mehr genommen, des— wegen find aber doch nicht etwa bloß die heftigften Groftöße vom 25. und 26. Juli, fonvern aud) fpäter die ſchwächern bis Ende Auguft verſpürt worden. — Ebenſo wie im Hauptthal der Nhone yon Brig bis Turtmann herunter aud) die hoch an den Geitenabhängen liegenden Dörfer ziemlich gleihmäßig betroffen worden find, wie die Dörfer im Thale ſelbſt, ganz ebenſo verhält e8 fi im Seitenthal der Viſp. So haben wir zunächit, ehe ſich dasfelbe trennt, vielleicht 1500 Fuß über der Viſp, rechts und links die Dörfer Viſp-Terminen und Zeneggen, legteres auf einer Felswand, die fich faft ſenkrecht ins Thal ftürzt. Ebenſo haben wir oberhalb Stalden, wo jid) die beiden Arme getrennt, rechts Grächen, links Emd und Törbel, alle drei Dörfer noch höher gelegen als Zeneggen und Viſp-Terminen. Beide Seitenabhänge find fo fteil, daß in einer horizontalen Projektion feines diefer Dörfchen Y, Stunde vom Fluß entfernt wäre; ſie liegen daher auch noch recht mit über dem Heerd des Erdbebens, und, daß dasfelbe mit nicht geringerer Intenfität hier gewirkt, als im Thal, fieht man an den Zerftörungen ihrer Kirchen, der einzigen fteinernen Gebäude diefer Ortfhaften. Viſp-Terminen habe id) übrigens nicht beſucht, kann daher mit Beziehung auf diefen Ort nicht für das Gefagte einftehen. 2 re Gehen wir nun zu den im Boden entjtandenen Riſſen und Spalten über, und begeben wir und glei) an den Ort, wo diefelben am größten und gefährlichiten ſich gebilvet haben, in den Wald, der son Stalden bis St. Nifolas auf der rechten Seite der Viſp den fteilen Abhang bedeckt, und näher an Stalden den Namen Blattmatt>, näher gegen St. Nikolas ven Namen Küpfen-Wald trägt. Bon Stalden nad) St. Nikolas führt ver Weg zunächft nod) eine halbe Stunde auf der lin- fen Seite ver Matter-Vifp, dann geht er auf die rechte Seite über und führt auf derfelben durch Waldung nicht hoch über dem Flußbett bis etwa Y/, Stunde vor St. Nifolas. Diefer Wald- weg num ift es, der durch Erdſchlipfe vielfach zerftört ift, wie die Zeitungen berichtet haben. Wil man fi) aber yon dem ganzen Umfang des Schadens und der noch drohenden Gefahr eine richtige Vorftellung maden, fo muß man vom Weg aus den ganzen Wald bis nad) Grächen Hinauffteigen; der Abhang ift fehr fteil, und man wird vom Fluß bis zum obern Saum des Waldes wol faum in einer Stunde gelangen können; über dem Wald erheben ſich dann grüne Wiefen, viel weniger fteil anfteigend, etwa eine halbe Stunde weit bis zu neuen Wäldern, die wieder fteiler gegen die fahlen Zelfen des Balfrin anfteigen. Auf diefen Wiefen liegt das freundliche Dörfchen Grächen, Geburtsort des bekannten Thomas Platter, der als Knabe an jenen Felſen feine Ziegen hütete. Das fruchtbare Erdreich (der Humus), auf dem das Grad wächdt, ift hier nicht tief, im Durchſchnitt vielleicht %—A1 Buß, darunter liegt eine Schicht Sand, und unter dieſem, unmittelbar auf dem Felfen ruhend, Thon und Lehm. Dies Diluvium (das auf dem Friftal- liniſchen Gebirge aufliegende Erdreich) zeigt nun wenig unterhalb Grächen, nod) ob dem Wald, jene sielbefprochenen Riffe und Spalten, die dann im Walde felbft, wo der Abhang fteiler wird, noch viel zahlreicher und größer werden. Das Diluvium iſt fehr verſchieden mächtig, bald mehrere Klafter tief, bald nur einige Fuß, bald tritt der kahle Fels (Gneis) zu Tage. Den Felfen habe ich felbft hier nirgends gefpalten gefunden, dagegen verſichert mir der im Vorwort ermähnte Künftler, daß er beim Durchftreifen dieſes Waldes auch den Felſen felbft an einigen Stellen gefpalten gefunden habe. Im Allgemeinen gehen die Riſſe ver Richtung des Thales parallel, und find oft ſehr lang. So habe ich yon Grächen in gerader Richtung gegen den Fluß her— unterfteigend oben im Wald eine folde Spalte gefunden, die id) in nordöſtlicher Richtung, alfo nady Stalven hin, eine halbe Stunde weit Yerfolgte; im Marimum war diefe Spalte gegen 2 Fuß, meift aber bloß einige ZoW breit; einmal verlor fie ſich unter Geröll, dann fand ic) Diefelbe wieder auf, bis fie ſich, wie gefagt, nad) einer halben Stunde wieber Yerlor; möglicher Weife ſetzt fie fich noch viel weiter fort, bis zur Vereinigung beider Flüſſe; nad) der entgegengefegten Richtung, ſüdweſtlich gegen St. Nifolas, habe ich diefelbe nicht verfolgt; möglich ift, daß fie auch da ſich noch meit fortfegt, und fo Hielleicht gegen zwei Stunden — — lang iſt. — Dieſe Spalte geht, ſoweit ich ſie verfolgte, ziemlich der Richtung des Thales parallel, d. h. bleibt in gleicher Höhe über dem Fluß; bisweilen biegt ſie allerdings plötzlich einige Schritte ſenkrecht um gegen den Thalgrund zu, aber bloß wenn ſie auf einen kahlen Felſen trifft, um denſelben zu umgehen; den Fels ſelbſt fand ich, wie geſagt, nicht geſpalten, ſondern das Erdreich einige Zoll von demſelben entfernt; auf der andern Seite ſetzt ſich dann die Spalte wieder ziemlich horizontal fort. Im Gegenſatz zum Felſen ſind aber die Lerchen und Tannen, welche die Spalte in ihrer Längsrichtung getroffen, vielfach geſpalten, und zwar bis zu einer Höhe von etwa 8 Fuß. Im die Tiefe reicht die Spalte ohne Zweifel bis auf den Felfen, doch kann man den Felfen nirgends fehen, weil Erve im dieſelbe Hinein- gefallen ift. Etwas weiter gegen den Thalgrund abfteigend traf ich auf eine Spalte, die mehrere Klafter breit ift, und in diefer Breite jich vielleicht 100 Schritte fortzieht, dann wird fie zu beiden Seiten fehmäler; weiter in die Länge habe ich diefelben auf Feiner Seite verfolgt. Auch diefe Spalte wird ohne Zweifel in die Tiefe bis auf den Fels geben, ift aber mit Erd— reich, mit Geſträuch und ven herrlichiten Lerchen, die mit hineingefallen find, angefüllt. Hier in der Gegend diefer großen Spalte ift auch der Boden am ſtärkſten zerrifien ; Eleinere Spalten mit derfelben Längsrichtung ziehen fih noch in Menge durch, eine von der andern um wenige Fuß entfernt; und da finden fidy venn allerdings auch viele Duerfpalten, ſenkrecht auf den Thalgrund zulaufend, welche die größeren parallelen vielfach mit einander verbinden; Furz, man kann hier wörtlich kaum feften Boden fafjen, ſondern läuft bei jedem Schritt Gefahr, dag das Erdreich, auf das man getreten, der nächſten Spalte zurutfcht, der vielen kleinen und großen Steine nicht zu gedenken, die ganz loſe herumliegen und bei der geringiten Be— wegung des Bodens herunterrollen. Hier in der Nähe, nur nody etwas näher gegen das Waſſer herunter, ift denn aud der Urfprung jener Erdſchlipfe; da wo der Abhang gar fteil ift, konnte nämlidy, nachdem der Ni fich gebildet, das gegen ven Fluß zu liegende Erdreich ſich nicht mehr Halten, fondern fing an zu rutfchen, und riß jo alles in der Richtung des Schlipfes Liegende mit fort bis in den Fluß hinunter, wodurch dann eben die Straße viel— fach zerftört wurde. Im der Richtung des heruntergerutfchten Erdreichs fliegen nun Bäche, die früher nicht vorhanden waren, deren Gntftehung wir übrigens bei der Behandlung der Duellen uns leicht werden erklären können. — Vielleiht in der Mitte zwifchen dem Thalweg und dem obern Ende des Waldes liegen einige Hütten von grünen Wiefen und einem Gärt— hen umgeben; der Abhang ift aber doch fo fteil, daß das Gärtdhen auf der untern Geite durch eine Mauer geftügt wurde; diefe Mauer ift eingeftürzt, und hat ein sierjähriged Kind unter fi begraben, merfwürdigermeife das einzige Menfchenleben, mweldyes dem Ervbeben zum Opfer gefallen ift, fo viel ich mwenigftens habe in Erfahrung bringen können. = Man * Auf dem dieſem Walde gegenüberliegenden Abhang, alſo zwiſchen dem Fluß und den Dörfern Emd und Törbel, find zwar ähnliche Spalten auch vorhanden, aber nicht fo zahlreich und nicht fo breit und lang, wie unterhalb Gräben. Darum haben auch feine Erorutjche ftattgefunden, und es ift die Straße von Stalden weg, fo lange fie auf der linfen Seite bleibt, gar nicht befchädigt worden. Davon fann nicht die Nede fein, daß die Erdſtöße hier minder intenfig geweſen feien, al3 auf der andern Seite; der wahre Grund ift wohl folgender : Der Abhang ift Hier mehr terrafienförmig, d. h. kahle, faſt ſenkrechte Felſen mechfeln ab mit wenigen fteilen Wiefen und Aeckern. Die Felfen find eben fo wenig gefpalten als auf der andern Seite, und das Diluvium mwahrfcheinlich deswegen nicht, weil e3 nicht fo fteil abfällt; auch beſteht dasſelbe hier nicht aus Lehm und Sand, jondern bloß aus einer nicht fehr mäch— tigen Humusſchicht. — Steine find aber hier in Menge heruntergefallen, und haben die in der Nähe von Stalden gelegenen Weinberge zerftört. Herr Pfr. Ifcheinen ſchreibt mir übrigens am 20. Noy., daß zwifchen Törbel und Stalden ähnliche Erdrutfche und Spalten ſich zu bil— den angefangen haben, wie im Küpfen-Wald, und daß die Bewohner von Z’brunnen, einem feinen Dörfehen eine Stunde unterhalb Törbel, behaupten, ihre ganze Gegend habe jid) mehr als 2 Schuh gefenkt. — Kehren wir nun nod) einmal auf den andern Abhang zurüd, fo wird gewiß beim Anblick dieſes zerrifjenen Bodens in jedem unbefangenen Beobachter die Beſorgniß entftehen, daß hier alles auf dem Felfen aufliegende Dilupium fammt dem ſchönen Wald in die Tiefe herunterrutfchen Eönnte. Dies ift bereits yon einem Genfer Beobachter ausgeſprochen worden; ed mar auch mein erfter Gedanke, al3 ich die Verwüftung ſah. In der That ift nicht einzufehen, wie das fo zerriffene und bereitö ganz lofe auf dem Fels aufliegende Dilu— vium ſich halten könnte, wenn z. B. ſtarke Negengüffe eintreten, oder wenn die Erdſtöße noch einmal in derſelben Intenſität ſich wiederholen ſollten. Glücklicherweiſe iſt die Gegend bis jetzt von beiden verſchont geblieben; drohend ſteht aber der Winter vor der Thür, der uns lehren wird, ob die ausgeſprochene Gefahr begründet iſt oder nicht. Bekanntlich dehnt näm— lid) das Waſſer beim Uebergang in den feſten Aggregatzuſtand, in Eis, ſich um etwa 1, feines Volumens aus, und zwar mit einer unwiderftehlichen Kraft. Wenn nun diefe zahllofen Spal- ten im Laufe des Herbſtes ſich mit Waffer anfüllen, fo wird dasfelbe nachher bein Gefrieren die Spalten felbft nothmendig größer machen; wenn nun vollends im Frühjahr der Schnee ſchmilzt und das ganze Erdreich wieder lodfer wird, fo werden ohne Zweifel von den fo erwei— terten Spulten die unten gelegenen Theile mafjenhaft gegen den Thalgrund herunterrutſchen; es müffen fo neue Erofchlipfe entjtehen. Im melden Schranken ſich diefelben halten werden, das Fünnen wir natürlidy nicht wiffen. An die Folgen aber, die das Herunterrutfchen des ganzen Abhanges mit ſich führen würde, darf man wirflid faum denken. Zunächſt würde gewiß der Fluß geftaut, und ein See entftehen, der ohne Zmeifel St. Nikolas und die [hönen — 13 — grünen Wiefen um dies Dörfchen herum bedecken würde; wie weit Thal aufwärts, fann auch nicht ungefähr angegeben werben, ohne eine ungefähre Kenntniß des Volumens des herunter- gefallenen Groreichs. So viel ijt aber wohl fiher, daß die wilde Viſp, welche die Gewäſſer vom größten Gletfcherfompler, der in den Alpen eriftirt, mit ſich führt, einen folden Damm bald durchbrechen würde; welches Schickſal dann das Dorf Viſpach treffen müßte, deſſen meifte Häufer ſchon jet tiefer liegen, als der Warferfpiegel der Vifp, ift wohl klar; von melden Folgen aber die Ueberſchwemmung für dad Hauptthal der Rhone felbft fein müßten, das läßt fih wohl faum vorausſehen. Im Wallis felbit ſcheint diefe Furcht Keine Wurzel gefaßt zu Haben; fo hörte ich von zwei wichtigen Stimmen aus dem Wallis, ähnlihe Fälle feien ſchon wiederholt in jenen Bergthälern vorgefommen ; ic) erlaube mir aber einen befcheidenen Zweifel auszufpredhen, daß irgendwo, und irgendwann der Boden fo zerriffen geweſen fei, und einen fo gefährlichen Sturz habe befürchten lafjen, wie dies im Grächener Wald in Folge des Erdbebens der Fall ift. Jedenfalls glaube ic), daß das Entjegliche der möglichen Folgen eine genaue Unterfuchung ver Lage dur) Sachverſtändige unter allen Umſtänden rechtfertigen würde. Die erwähnten, im diefem Walde neu entftandenen Quellen waren ganz Elar, zeigten gar feinen auffallenden Gefhmad, und eine Temperatur von etwa 620 C. bei 190 Lufte temperatur. Ich habe ihre Temperatur nur Einmal gemefjen, und zwar Dienftag ven 21. Auguft. In den grünen Matten etwa Y, Stunde oberhalb Grächen, wo das Terrain weniger fteil, und aud) nicht yon jo zahlreichen Sprüngen durchſetzt ift, ift ebenfalls eine ſehr ſtarke neue Quelle entftanden, deren Temperatur ic) zwei Mal gemefjen, und konſtant gefunden habe; und zwar ergab ſich diefelbe Mittwod) den 15. Auguft zu 3Yz0 bei einer Temperatur der umgebenden Luft son 159%, und Montag den 20. Auguft ebenfall3 zu 31/20 bei einer Tempe— ratur der Luft von 24%. Diefe Quelle war fehr ftarf, jprudelte über einen halben Fuß hoch aus dem Boden hervor, und zeigte ebenfalls feinen auffallenden Gefhmad; fie war indeß ganz trübe, indem fie unmittelbar aus dem fandigethonigen Erdreich hersorquoll. Bevor wir und zu den mweitern Spalten und neuen Quellen Thal-abwärts wenden, will id) nod) befonders herborheben, daß diefer Grat, der die Matter- und Saafer-Vifp trennt, und auf defjen weſtlichem Abhang Grächen liegt, auf feinem öftlichen Abfall, der nicht minder fteil ift, al3 jener, gar feine Spalten und Riſſe zeigt. Wenigftens habe ich feine ſolchen gefunden, obgleich ich zwei Mal auf ganz verſchiedenen Wegen dieſen Abhang unterfuchte. Mittwoch den 15. Auguft nämlidy flieg ich yon Grächen hinauf nad) ver Alp Hanoek, von da, bereitö auf dem öftlichen Abhang, ziemlich hoch gegen ven Balfein hinauf, und dann erft herunter ind Saasthal, das ih etwa %, Stunden vor Balen erreichte. Auf dem Rückweg — Ak — aber aus dem Saasthal ging id) viel weiter im Sauptthal herunter, bis Zeräſte, und ftieg erft yon dort wieder nad) Grächen hinauf. Eine große Spalte hat fi nun ferner gebildet zwifchen VBifpah und Stalven auf dem rechten Ufer des Fluſſes, kurz beyor man aufmärtägehend zur neuen Brücke gelangt. Diefe Spalte ging parallel dem Flußlauf, alfo von Norden nad) Süden, ift aber nicht Spalte geblieben, jondern der untere, dem Fluß zu gelegene Theil des Erdreichs ift herunter gefallen, und hat hier einen fchönen großen Weinberg mit in den Fluß herunter geriffen. Auf dieſe Weiſe ift ſenkrecht zur Viſp ein Fleineres GSeitenthal, oder wenigftend eine Seitenſchlucht, gegen. Vifperterminen hinauf entitanden, aus welcher mın aud) ein Elarer Bad) herunter läuft, von dem früher feine Spur vorhanden geweſen war. Etwa hundert Schritte über dem Thal— weg entfteht der Bad aus 10—20 verſchiedenen Quellen. Ich mar hier das erfte Mal Dienftag den 14. Auguft und fand die Temperatur der größten Quelle 139 bei einer Tem— peratur der Luft von 269%; dies Waffer ſchien mir nicht ganz geſchmacklos, auch war alles Geftein, über welches das Waſſer floß, roth gefärbt, jevdod) bloß an ver Oberfläche, wovon id) mid) durch Anfchlagen mehrerer Stüce überzeugte. Man verficherte mic in Viſp, daß früher hier feine voth gefärbten Steine zu fehen geweſen feien, jo daß aljo die Farbe durd) das Waffer erzeugt fein mußte, obgleich es erjt drei Wochen über das Geftein gefloffen war. Auch mein Arm, den ich fo weit als möglich in die Deffnung der Quelle hineinſteckte und mit welchem ich die Wand des Kanals berührte, war nad) dem Herausziehen ganz roth gefärbt, ein Beweis, daß das Waffer hier aus Eiſenoxyd-haltigem Erdreich hervorquoll. Montag den 3. September befuchte ich Diefelbe Quelle wieder, fand die Quantität ungerändert, die Tem— peratur ebenfalls nody 130 bei einer Lufttemperatur von 250; das Geftein war aber offenbar Biel intenfiver roth gefürbt; das Eiſenoxyd hatte fich bereits im einer Schicht abgefegt, daß man mit dem Mefjer etwas davon abſchaben fonnte. Die Temperatur der Duelle war ganz diefelbe auch nody Donnerftag am 28. September, ald Hr. stud. Riedmatten von Sitten fid) hinbegab, um Waſſer der Quelle zu fafien und für eine Analyfe nad) Zürich zu ſchicken. Die Analyfe, Die noch nicht beendigt, wird zeigen, ob das Waſſer noch andere mineralifche Beitandtheile als Eifen enthält. Im Dorf Viſpach ſelbſt follen unmittelbar nad) den Stößen vom 25. Juli eine Menge Riſſe in: den Straßen felbft entitanden, und aus denfelben Falte Quellen hervorgeſprudelt fein. Bald nahher nahm die Wafjermenge bedeutend ab, und viele dieſer Spalten jchlofjen ſich wieder, fo: daß ich am 14. Auguft nur nody ganz unbedeutende Quellen im Dorfe ſelbſt ah. Wie mir mein Führer im Dorfe herum, Hr. Clemens, Wirth in dem fehr empfehlenswerthen Gafthof zur Poſt, auf das beftimmtefte verficherte, Hatten dieſe Quellen niemals eine höhere Temperatur, nod auch auffallenden Geſchmack gehabt, fo daß jene in vielen Zeitungen — 495 = gebrachte Nachricht von der Entjtehung warmer Quellen in Viſpach entfchieden unwahr ift. — Was die Richtung der Spalten betrifft, jo läßt fich bier ebenfo wenig etwas Konftantes nach⸗ weifen, als beim Ginfallen der Mauern; die Straße foll in ver Nähe des Gafthofs zur Poſt ſenkrecht zu ihrer Längenrichtung gefpalten gewefen fein, alfo von Nord nad) Süd, und zwar jo ftarf, daß man eine Sand der Breite nady hineinſtecken konnte; bald nachher ſchloß fich dieſe Spalte wieder, dagegen ſah ich noch ganz deutlich eine Spalte, die der Richtung der Straße annähernd parallel, alſo unter etwa 60—700 zu jener erſt erwähnten Spalte geneigt war. Endlich darf ich nicht vergeffen zu erwähnen, daß im Dorf ver Fels ſelbſt (grauer Schiefer), auf dem die Kirche, deren Kuppel beruntergefallen ift, ſteht, gejpalten ift. Nach der Seite der Bifp füllt verfelbe fteil ab; man ſieht Hier deutlich das Süd-Fallen der Schichten. Während dasſelbe etwa 30 bis 400 betragen mag, fo geht dagegen der Riß fast fenfrecht yon oben nad) unten. Die Deffnung betrug, als ich fie jah, 1% Fuß bis 1 Fuß, mag früher weiter geweſen fein, feither aber ſich noch mehr verengert Haben. Eine fernere neu entftandene, und zwar ſehr ftarfe Quelle liegt an dem bewaldeten fteilen Bergabhang am linken Nhoneufer, oberhalb Eichholz, einem Kleinen Dörfchen an der Strafe zwifhen Brig und Vifp, 1% Stunde yon Bifp. Hier Fam vom Berge herab ſchon längſt ein Heiner Bad), der die Bewohner des Dörfchens mit Trinkwaſſer verſah. In Folge des Erd— bebens vom 25. nahm das Waſſer an Menge bedeutend zu, ohne aber ſeinen Geſchmack zu verändern. Als die Leute den Bach aufwärts verfolgten, fanden fie, daß etwa 3%, Stunden oberhalb zwei verſchiedene Arme zufammenfloffen ; früher hatte bloß ver eine derſelben konſtant Waſſer geführt, der andere aber bloß nach ſtarken Gewittern; jetzt floß der erſtere ſtärker als früher, und der zweite eben ſo ſtark als der erſte; auch war das Geſtein des zweiten, grauer Schiefer, intenſiv roth gefärbt, was vorher auch nicht der Fall geweſen. Verfolgte man das Waſſer des zweiten Betts noch etwa 10 Minuten aufwärts, fo fand man deffen Urfprung in mehreren Quellen, die theils zwifchen dem Dilusiunr und Fels, theil3 aus Riſſen des Felfens felbft Herborquollen. Ich war hier am 13. Auguft und 3. September; beide Male fand ich die Temperatur der größten Duelle 10%; die Waffermenge war ebenfalls ziemlich diefelbe; ob das Wafjer außer Eifen noch andere mineralifche Veftandtheile enthält, wird die Analyfe, die ebenfalls gemacht werden foll, lehren. Eine lange Spalte will ich hier noch erwähnen, die ich etwa 10 Minuten über dem Dörfchen Eichholz fand; fie hatte die Richtung parallel dem Lauf der Rhone, alfo son Weit nad) Oſt; mie weit fie fi) öftlich gegen Brig hin erſtreckt, weiß ich nicht, da ich fie nicht weiter verfolgte; als ich fie ſah, war fie kaum nod) einige Zoll breit, foll aber früher breiter gemwefen fein. Sp wie num auf der einen Seite neue Onellen entjtanden find, jo find auf der andern 2 le > seine Menge alter in Folge des Erdbebens verſchwunden, und e3 find durd dies Verſchwinden einzelner Quellen ganze Gemeinden in nicht geringe DVerlegenheit gefommen. Co find in Außerberg, einem Dörfchen %, Stunden hoch am Bergabhang auf dem rechten Rhoneufer gegenüber Bifp, doch etwas mehr Thalsabwärts, die beiden einzigen Quellen, die früher reines Trinkwaſſer lieferten, verfiegt, und es find jebt die Bewohner yon Außerberg gezwungen, fid) mit dem unreinen Gletfeherwaffer, das ſchon früher zum Bewäſſern der Wiefen in einem höl—⸗ zernen Kanal vom Baltfchiedergletfcher hergeleitet worden war, zu begnügen, over aber das Waſſer faft eine Stunde weit unten im Sauptthal zu holen. Hier unten in Baltſchieder felbft ift dafür in Folge des Erdbebens eine ftarfe neue Duelle von reinem Waffer entftanden. Ebenſo find in der Gemeinde Zeneggen laut Nachrichten, die ich der gütigen Mittheilung des Pfarrers dieſes Dörfchens, Hrn. Kämpfen, verdanke, bis zum 8. Dftober 11 Quellen verſiegt, 3 neue entftanden, und mehrere früher ſchon vorhandene find mafjerreicher geworden; zwei der neu entftandenen follen unten im Thale liegen, und zwar in grader Linie von einzelnen ver— flegten aus gegen den Fluß zu. — Auch von der Gemeinde Törbel fchreibt mir Kr. Pfarrer Ticheinen am 4. Oftober, daß bereits 21 Quellen verfiegt, 1 neu entftanden und mehrere wafjerreicher geworden feien; und ferner am 4. November, daß immer noch mehr Quellen berfiegen, während andere reicher werden. Schon ver Umftand, daß alle vie befprocdhenen neu entftandenen Quellen ganz gemöhn- liche Temperatur haben, läßt ung mit Sicherheit darauf fließen, daß diefelben keineswegs mit dem eigentlichen Heerd des Erdbebens in Verbindung ftehen; ein folder Fall, wie ver in Außerberg, Zeneggen und Törbel, wo fo ziemlich viefelbe Menge Wafjerd, die in den einen Quellen verloren gegangen ift, ganz in. der Nähe in andern neuen over früher ſchon da geweſenen Quellen wieder erfcheint, bemeifen aber ganz fchlagend, daß alle diefe neu ent— ftandenen Quellen bereits früher vorhanden gewefen find, und daß deren Lauf unter dem Boden durch die Stöße des Erdbebens bloß vielfach Herändert worden ift. In der That find ja die Quellen nicht8 Anderes als die Deffnungen unterirdifcher Kanäle, in welchen die Ge- wäſſer von den Spigen der Berge in die Thäler fließen. Sind nun diefe Kanäle durch die gewaltigen Erfchütterungen des Bodens irgendwo verftopft worden, fo mußten natürlich die Waſſer fi) einen andern Ausweg fuchen, anderswo zu Tage treten, fei e8 nun in einer ganz neuen Deffnung, oder in einer andern früher ſchon da gemefenen, d. h. e8 war an einem Ort eine Duelle verſiegt, an einem andern eine neue entftanden, oder bereitö vorhandene derftärft worden. Ich muß num zwar offen geftehen, daß nicht überall das Verfiegen alter und ‚Entftehen neuer Quellen jo Sand in Hand gehen, mie in Außerberg, Törbel und Zeneggen. So habe id) in der Nähe von Eihholz, aud) in Viſpach felbft, und in der Nähe der neuen Brüce zwifchen Viſp und Stalden Nichts yon Yerfiegten Quellen gehört, ebenfo = — wenig in Grächen, und in dem Wald zwiſchen Grächen und der Matter-Viſp. Dies ſpricht aber durchaus nicht gegen die ausgeſprochene Anſicht über die Entſtehung neuer Quellen, Bekanntlich laufen Hunderte von Quellen von den Bergen den Thälern zu, und ergießen fid) in Flüffe, oder ins Meer, ohne daß fie jemals an der Grooberfläche erfchienen find. Es ift dies dann der-Fall, wenn diefe Gewäſſer unter einer wafjerdichten Erdſchicht ihren Ablauf finden. Wird diefe waſſerdichte Schiht im Thal irgendwo durchbohrt, fo ſprudelt das reinfte Quellwaſſer als artefifcher Brunnen empor. Solde artefifhe Brunnen haben wir im Gräd)- nerwald, nur mit dem Unterfchied, daß die unter der wafjerdichten Erofchicht laufenden Wafjer nicht 6i8 zum Thal gelangt find, ſondern ſchon am Bergabhang eine Deffnung durch jene gefunden haben, und daß diefe Deffnung nicht durdy Menſchenhand, fondern durch das Erd— beben bewirkt worden ift. Im der That gehören jene bereits beſprochenen Thon- und Lehm— fhichten zu den von dem Waſſer undurchdringlichen; die vom Balfrin abfließenden Gewäſſer find daher früher großentheils, ohne irgendwo zu Tage zu treten, zwifchen dem Feld und ver Thonſchicht Hinuntergefloffen in die Viſp. Sowie aber die Stöße des Grobebens die Ihon- ſchicht ſprengten, und fo manigfaltig zerriffen, wie wir dies gefehen haben, jo fprudelten eben neue Quellen heraus, vereinigten fih, wurden zu Bächen, und trugen das Ihrige dazu bei, um das bereit loſe Erdreich als Erdſchlipf mit in die Vifp Hinunterzufpülen. Bei diefen großen Spalten und Niffen, die das Diluvium und theilweife fogar der Felfen erlitten, könnte man erwarten, daß die Gletfcher noch viel ftärfer zerfpalten wären, und bei fteilem Abfall ins Ihal hätten ftürgen müſſen. Nun liegt allerdings im Bereich ver ſtärkſten Wirkungen des Grobebens ein Gletſcher, der fogenannte Niedgletfcher, deſſen unterfte Spite nicht mehr fern liegt yon St. Nikolas, wo ja das Erdbeben vielleicht am allerheftigften ge— wüthet. Vom Gletfher aus find aber Feine DVerheerungen erfolgt, es find Feine größeren Parthieen ind Hauptthal heruntergerutfcht; Kleinere Spalten mögen ſich in demfelben wohl gebildet haben; doch weiß ich davon nichts aus eigener Anſchauung. Um Zermatt, mo freilid) das Erdbeben nicht fo heftig, aber doch auch andauernd auf getreten iſt (— wenigftend wurden, während ich hier anmwefend war, in der zweiten Hälfte des Auguſt nody Stöße verfpürt —), zeigen ſich an den Gletſchern Feine Spuren des Erd— bebend. Ich bin auf dem Findelen» und Gomergletjcher Tage lang herumgeftreift, ohne die mindeften neuen Spalten oder andere Spuren des Erdbebens zu finden. Auch fagte mir mein Führer, Joh. Perren, ein Mineralienfammler son Zermatt, ganz naiv, er hätte gehofft, ver „Erdbidem“*) Habe doch wenigſtens Cine gute Folge gehabt, nämlich durch Sprengen und Herunterrutfchen des Gletſchers Mineralien ans Tageslicht zu fürdern, und habe ſich deswegen *) Ein im Biper-Ihal ziemlich allgemein verbreiteter Ausdrud für Erdbeben. 3 AB gleich im den legten Tagen des Juli auf den Gletſcher begeben und eifrig nachgeſucht, aber leider gar nicht3 gefunden. Was nun die Erklärung der Erſcheinungen betrifft, fo it die Frage, „melde Richtung hatte das Erdbeben?“ faſt epidemifch geworden, und während man glaubt, aus dem Schwan— fen und Einfallen yon Mauern und Kirhthürmen fihere Schlüffe auf die Fortpflanzung des Erdbebens machen zu fönnen, täuſcht man fich felbft, und ift vielleicht weiter vom Ziele, als wenn man son einer Richtung gar nicht gefprochen hätte. Im Viſper-Thal felbft ift die Mei- nung ziemlich allgemein serbreitet, daß fi das Erobeben yon Süd nad) Nord, oder noch genauer yon Südweſt nad Nordoft verbreitet habe, man ſchließt dies daraus, daß die Mehr- zahl der eingefallenen Mauern nad Norvoft oder Südoſt gefallen feien. Angenommen nod), dies fei der Fall (was übrigens aus meinen Mittheilungen keineswegs mit Sicherheit hervor— geht), und angenommen ferner, der Schluß vom Fall der Mauern auf die Richtung des Erd— bebens fei richtig, jo Fann man einmal unmöglich wiſſen, ob die Fortpflanzung yon Südweſt nad) Nordoft, oder umgekehrt yon Nordoſt nad) Südweſt gefhehen ift, wenn man nicht die allererfte Bewegung eines ſolchen freiftehenden Gegenftandes, etwa des Kirchthurms, gefehen hat; und dies erfte Schwanfen hat, wie man mir allgemein zugeben wird, Niemand gefehen. Um uns über die Nichtung der Fortpflanzung des Erdbebens eine auch nur einigermaßen richtige DVorftelung zu machen, wird es nothwendig fein, daß wir und zuerft darüber ver— ftändigen, melde Kraft wohl die feite Erdrinde in fo gewaltige Bewegung zu Yerfegen im Stande if. Man hat diefelbe in der Elektrizität, man hat fie im Magnetismus und Gal- vanismus gefucht; beide Anfichten konnten aber bei einer ftreng wiffenfchaftlichen Prüfung nicht beſtehen. Die große Mehrzahl der Naturforfcher ift vielmehr gegenwärtig geneigt, jene Kraft in ver Glaftizität unterirvifcher Dämpfe zu fuchen, und ich will gerfuchen, dieſe Anficht, die freilich auch nicht mehr als eine Hypotheſe ift, einem weitern Publikum etwas anſchaulich zu machen. Nach ven Erfahrungen, die man in Bohrlöchern, arteſiſchen Brunnen, und den Gruben von Bergwerken gemacht hat, nimmt die Temperatur nad) dem Innern der Erde zu, und zwar je für 92 Fuß um einen Grad der Hunderttheiligen Skala. Nimmt man nun an, daß in demſelben arithmetifchen Verhältniß die Temperatur in den dem Zentrum nähern, und unzugänglicyen Schichten ver Erve zunehme, fo kommt man zu vem Schluß, daß ſchon in einer Tiefe von fünf geographifchen Meilen eine „Granit ſchmelzende Gluthige” (9. Humboldt's Kosmos, Ir Bd. ©. 277 u. ©. 181) Herrfche. Im fast gleicher Tiefe ſchmelzen die unzweifelhaft im Innern der Erde vorkommenden Metalle. Nun lehrt uns die Chemie, daß, wenn man gewöhnliche Wafferdämpfe über glühendes Eifen leitet, diefelben in ihre einfachften chemiſchen Beftandtheile, Sauerftoff und Wafjerftoff, zerlegt werden. Von diefen beiden Gasarten ver— — I = bindet fid) der Sauerftoff mit dem Eifen, das Eifen wird orydirt, während dagegen der Wafferftoff ein permanentes, d. h. bis jest auf feine Weiſe in den flüfjigen over feiten Aggregatzuftand zurückgeführtes Gas, bleibt. Durd) einen ähnlichen chemiſchen Prozeß bilvet fih beim Zufammentreffen von Waſſer mit Schwefelfies, einem mafjenhaft vorfommenden Mineral, ein Gas, Schwefelwafferftoff, das auch in der That ſchon bei wirklichen vulkaniſchen Ausbrüchen öfters beobachtet worden ift. Dergleihen Zerfegungen im Innern der Erde, und das Entſtehen noch verſchiedener an— derer Gasarten ganz nad) befannten chemifchen Gefegen können wir ohne Schwierigkeit anneh- men. Alle dieſe Gasarten haben nun aber eine Spannfraft, die mit der Temperatur wächst, ganz ebenfo, wie died beim Wafferdampf der Fall ift, deſſen Spannfraft jo unendlich man— nigfaltig zu technifchen Zwecken benugt wird. Je weiter im Innern der Erde fich jene Gafe entwickeln, mit um fo größerer Kraft werden fie alfo ſich einen Ausweg zu verſchaffen fuchen. Da nun das Ginfickern des Waffers durch die Felfenfpalten ins Innere der Erde ohne Zweifel ununterbrochen ftattfindet, jo werden auch die eben erwähnten Zerfegungen im Innern der Erde fortwährend vor ſich gehen. Die ftetsfort fi entwickelnden Gafe werden aber irgendwo eine Deffnung oder einen Ausweg an der Grooberfläche wieder finden, ſonſt müßten fie zuleßt die über ihnen liegende Erdkruſte, fo dick diefelbe fein möchte, fprengen und ſich fo gewaltfam einen Ausweg verfchaffen. Diefe Deffnungen find num theils die heißen Quellen, theils vie immer noch thätigen Vulkane. Da aber fomohl diefe als jene nur fparfam auf der Oberfläche sertheilt find, das Einſickern des Waſſers aber yon der ganzen Oberfläche gefchieht, und ſo— mit die Gasbildung auf einer ganzen dem Mittelpunkt der Erde näher liegenden Kugel- ſchale ftattfinden muß, fo find wir zu der Annahme son hohlen Räumen, Gängen, Kanälen gezwungen, die tief im Innern der Erde jene Gafe fortleiten, und irgend einem Vulkane zuführen. Wenn nun foldye Gänge tief im Innern der Erde zur Abführung der bier entwickelten Gafe durch die Kratere der Vulkane wirklich eriftiren, wie können dann diefe Gafe ſenkrecht gegen die Oberfläche wirken, und diefelbe in die befannten Schwankungen verfegen? Dffenbar nur dann, wenn entweder die Kratere der Vulkane ſelbſt verftopft find, oder wenn die Vers bindung durch die Kanäle irgendwo momentan gehemmt, wenn die Gänge irgendwo ganz oder theilmeife gefchloffen werden. In Beziehung auf den erftern Punkt erinnern wir an die ziemlich allgemein gemachte Erfahrung, daß ven vulkaniſchen Ausbrüchen immer Grobeben in Fleinerer oder größerer Entfernung vorangehen. In Unteritalien ift es auch allgemein ver— breitete Anficht, daß man durch Ausbrüche des Veſuv oder Aetna für einige Zeit von Erd— beben befreit werde. U. v. Humboldt hat aber ven Zufammenhang zwifchen Vulkanen und Erdbeben viel entfernterer Gegenden wahrfcheinlich gemacht, jo vie Erſcheinungen, welche drei — — Mal im vorigen und Ein Mal in dieſem Jahrhundert in Peru und Mexiko ſich zeigten. X. 9. Hoff geht ſogar noch weiter und ſtellt alle die Erdbeben, die von 1750—1761 über die Hälfte der Erooberfläche ſich verbreiteten, und von denen die Zerſtörung von Liſſabon 1755 nur eine vereinzelte Erſcheinung war, in innigen Zuſammenhang. Auf das Einzelne dieſer Erdbebenerſcheinungen können wir uns natürlich hier nicht einlaſſen, ſondern verweiſen auf die ſchöne Zuſammenſtellung derſelben in Fried. Hoffmann's Geſchichte ver Geognoſie p. 431—458. Was die Verſtopfung der Kanäle ſelbſt betrifft, ſo ſind wir allerdings in Beziehung auf die Urſachen derſelben wieder rein auf Hypotheſen angewieſen. Eine ziemlich nahe liegende ſcheint aber die zu ſein, daß im Innern der Erde, wie an der Oberfläche Einſtürze größerer Geſteins— maſſen ſtatt finden können; und durch ſolche wäre in der That eine Verſtopfung der Kanäle gedenkbar. Viele dieſer Kanäle werden gewiß nur mit Einer Oeffnung, nur mit Einem Vulkan in Verbindung ſtehen, denn bei denjenigen, die mit zweien in Verbindung ſtehen, müßte zur Verhinderung des Austretens der Gaſe eine ſolche Verſtopfung zugleich an zwei Orten ſtatt finden. Angenommen nun es ſeien zwei durch ſolche Kanäle mit einander in Verbindung ſtehende Vulkane geſchloſſen, oder es ſei ein Kanal mit bloß Einer Oeffnung an irgend einer Stelle verſtopft, ſo werden die ſtetsfort ſich bildenden Gaſe ſich nach allen Seiten gleichmäßig aus— zudehnen ſtreben, nnd fo auch die Oberfläche allmälig etwas heben; bald werden ſich aber die Gafe nad) irgend einer Richtung einen Ausweg verſchaffen müffen, ſei es daß die eingefallenen Mafjen durchbrochen, oder irgend eine neue Verbindung mit einem andern Kanal hergeftellt wird. Sowie aber eine ſolche Oeffnung hergeftellt ift, ſtrömen die komprimirten Gafe mit ungeheurer Schnelligkeit dort hinaus, die früher etwas gehobene Grorinde fällt ein, und es entfteht auf diefe Weife eine mwellenförmige Bewegung, die fid in der Nichtung fortpflanzt, nach welcher die unterirdifchen Gafe abfließen. Nun Haben wir gefehen, daß der Schauplag der heftigiten Wirkungen des Erdbebens im Wallis zwifchen Brig und St. Nikolas liegt. Wir haben alfo wohl den Heerd des ganzen, um diefe Seit in Europa verſpürten Grobebens hieher zu verlegen, d. h. anzunehmen, daß ein unter dem Vifperthal durchgehender Kanal verſtopft worden ift, und zwar gleichzeitig an Einem oder am zwei Orten, je nachdem derfelbe mit Einer oder mit zwei Mündungen an der Ober- fläche in Verbindung geftanden hat. Sehr wahrfcheinlich ſcheint zu fein, dab fid) die kom— primirte Luft nicht bloß Einen, fondern verſchiedene, und zwar wenigftend zwei Auswege ziemlich nad) entgegengefegten Richtungen verfchafft Habe. Dies geht daraus hervor, daß das Erdbeben nicht bloß im Norden, fondern auch) im Süden des Vifper-Ihals, in Piemont und der Lombardei verſpürt worden ift. Sollten nody mehr unterirdifche Durchbrüche in ganz ver— ſchiedenen Richtungen fattgefunden Haben, fo müßte alfo auch von ver Fortpflanzung des - 1 — Erobebend nad) verſchiedenen Richtungen die Rede fein; die Bewegungen der Erdoberfläche würden jid) aber dann gewiß fo geftalten, daß Niemand mehr daran venfen Fönnte, aus dem Schwanfen oder Fallen yon Mauern und Thürmen, dieſe verſchiedenen Richtungen des Erd— bebens fejtitellen zu wollen. Bleiben wir daher bei der Anfiht, daß die fomprimirte Luft fih nur nad) Einer Rich— tung Bahn gebrodyen habe (gewiß der günftigiten Anficht für die, die aus dem Falle von Mauern und Ihürmen etwas ſchließen wollen), jo wird aljo eine wellenförmige Bewegung des Bodens enttehen und ſich in der Richtung fortpflangen, in welcher die unterirdifche Luft abfließt. Die mwellenförmige Bewegung des Bodens wird fih nun natürlich) allen auf dem— felben befindlichen Gegenftänden mittheilen; dabei ift aber wohl zu bevenfen, daß dieſelben auf ſehr verſchiedene Art an der Oberfläche befeitigt find, und daß die Bewegung, die dieſen mitgetheilt wird, abhängt yon der Art und Weife, mie fie im Boden feitfigen, bei Käufern son ihrem Fundament, bei Bäumen von ihren Wurzeln; kurz es wird die Bewegung aller diefer Gegenjtände fchon eine Refultirende Herfchiedener Kräfte fein, und niemald genau mit der Schwanfung der Erdoberfläche ſelbſt übereinftimmen. Man hat fogar als Beweis für die Richtung des Erdbebens die Schwingungen von an der Wand hängenden Bildern, oder fonft zufällig aufgeftellten Pendeln angeführt; die Richtung der Schwingung jedes Pendels hängt von der Art und Weife feines Aufhängepunfts ab; bier aber hat der Aufhängepunft feinen Stoß erft von der Mauer erhalten, deren Bewegung felbft wieder, mie wir gefehen haben, son ihrem Fundament abhängt; man wird alfo mit fehr geringer Wahrfcheinlichkeit von der Richtung der Schwingung eines hangenden Körpers auf die Richtung der Fortpflanzung des Grobebens ſchließen können. Wie gefagt, ſprechen meine Beobachtungen nicht dafür, daß, mie die meiften andern Berichte behaupten, die Mauern vorherrſchend nad) Nordoft eingefallen ſeien. Sollte eine ſolche Uebereinftimmung ftattfinden, jo wäre man allerdings unter den bisher gemachten An— nahmen zu etwelchen Schlüſſen berechtigt. Ich will meine Beobachtungen durchaus nicht als untrüglich binftellen; fichere Beobachtungen hätten einzig während oder unmittelbar nad) den Stößen vom 25. Juli gemacht werden können; und diefe find nicht gemacht worden. Aber angenommen nun auch, von den fpäter gemachten Beobadytungen wären diejenigen die richtigen, weldye die Gegenftände in ihrer Mehrzahl (von gänzlicdyer Uebereinftimmung kann fiher nicht die Rede fein) wollen nad) Nordoſt gefallen wiſſen, mie fteht es denn mit den durd) die Stöße entftandenen Spalten? Wenn das Erobeben fi) wirklich son einem bejtimm- ten Bunfte aus nad) Nordoft fortpflanzte, d. h. Die wellenförmigen Bewegungen des Bodens yon Südweſt nad Norvoft fortfchritten, jo mußten die Riffe an der Oberfläche nothwendig nidyt parallel zu dieſer Fortpflanzungsrihtung, ſondern ſenkrecht darauf entjtehen, eben fo — gut, als eine Eisdecke unter dem Marſch eines im Schritt über dieſelbe marſchirenden Bataillons nicht parallel, ſondern ſenkrecht zu der Richtung brechen würde, in welcher die Soldaten mar— ſchiren. Nun habe ich aber im ganzen Thal von Viſp bis hinter St. Nikolas nicht eine einzige Spalte gefunden, die ſenkrecht zum Lauf des Fluſſes ſtand; alle gehen ungefähr pa— rallel dem Lauf des Fluſſes, alſo von Südweſt nach Nordoſt, oder auch direkt von Süd nach Nord. Jene kleinen Querſprünge im Grächenerwald, die nur hie und da die langen dem Flußlauf parallelen Hauptſpalten, wenn ſte einander näher rücken, mit einander verbinden, dienen offenbar nicht als Gegenbeweis. — In Viſpach ſelbſt habe ich allerdings kleinere Spalten von der verſchiedenſten Richtung geſehen, und oberhalb Eichholz eine ſolche, die ziemlich weit parallel dem Hauptthal der Rhone, alſo von Weſt nach Oſt fortging. Wenn man aber von einer vorherrſchenden Richtung der Spalten ſprechen will, ſo muß man jedenfalls diejenige von Südweſt nach Nordoſt, alſo die Richtung des Erdbebens von Südoſt nach Nordweſt, anneh— men, und dies würde ja gerade der vom Fall der Gebäude hergeleiteten Richtung widerſprechen. So glaube ich thut man am beften, wenn man das Vifper-Thal ald Herd des Erdbebens anfieht, innerhalb vdesfelben nicht von der Fortpflanzung des Erdbebens zu ſprechen; und wo— bin dasfelbe vom Xifperthal aus fich gewendet, das lehren uns eben die Thäler und Gegen— den, wo man dasfelbe perfpürt, gewiß weit beffer, als eingefallene Mauern und das Schwanfen yon Kirchthürmen und beliebigen Pendeln. So hat ſich befanntlid) das Erdbeben yon Viſp aus weftlich durch das ganze Hauptthal der Rhone bis herunter an den Genferfee Herbreitet, und eben fo yon Brig dem Hauptthal der Nhone nad) aufwärts und weiter öſtlich nach Urſern und dem Vorderrheinthal. Von Bifp oder vom Kauptthal ver Ahone mögen pielleicht nörpliche Seitenfanäle durch die verfchiedenen Thaler die Fortpflanzung nad) dem Berneroberland und der ebenen nördlichen Schweiz gebildet haben. Spezielle Nachrichten aus diefen nörblichen Seitenthälern habe ich nur yon einem, von Leuk, wovon gleich noch näher die Rede fein foll. Südlich hat ſich das Erobeben, wie bereit3 bemerkt, auch nach Piemont und der Lom— barvei hinein verbreitet. Dom Herd aus, d. h. von Stalden und St. Nifolas, feheint ein Durchbruch unter dem Nifolaithal, und dem Weißthor durd nad) Macugnayn flattgefunden zu haben, wo das Grobeben bedeutend Yerfpürt worden fein foll; nicht aber auf dem fürzeren Meg unter dem Saasthal durch, da wenigſtens das ganze Saasthal nur ſchwache Wirkungen des Grobebens und nicht fo anhaltend, wie das Nikolaithal verfpürt hat. Eines wird bei diefer Fortpflanzung des Erdbebens noch nothwendig fein, in Erinnerung gebracht zu werben. Es ift nämlich befannt, daß jene ftärfften Stöße am 25. Juli überall, wo fie überhaupt verſpürt wurden, ungefähr um 1 Uhr verſpürt worden find. Man wird fich nun Yielleicht wundern, daß von einem Mittelpunkt die Rede fein könne, von dem nad) allen Seiten die Wirkung ſich verbreitet hätte, während faft um diefelbe Zeit die Wirkungen — 232 — s überall, in Entfernungen son über 100 Stunden Herfpürt worden find, Ganz gleichzeitig können allerdings die Wirkungen nicht überall gewefen fein, wenn ein Zentralherd eriftiren fol. Indeß ift die Glaftizität der Dämpfe als fo groß anzunehmen, daß ihre Ausdehnung und Verbreitung mit einer ungeheuren Schnelligkeit erfolgt, und außerdem ift zu bedenken, daß die Fortpflanzungsgefehwindigkeit an der Oberfläche nod) größer ift als diejenige der Gafe felbft, und zwar wird der Unterſchied um fo größer fein, je tiefer die Gafe liegen. Jenes oben erwähnte GSeitenthal, deſſen id) Hier nod) zu erwähnen habe, ift dasjenige son Leuf. Herrn Dr. Steiner, Badarzt in Leuf, verdanke id) über die Wirfungen des Erd— bebens im Leuferbad folgende Nachrichten: Auch Hier waren die erſten Stöße am 25. Juli Nachmittag 1 Uhr die ftärfften, Hatten aber Feine jehr bedeutenden Wirkungen zur Folge; nachher wiederholten ſich dieſelben in ſchwächerem Maße bis zum 9. Dftober. Weiter reichen meine Nachrichten von Leuf nit. Wichtiger als die Andauer der Stöße ift aber Hier ver Umftand, daß eine der vielen Quellen im Leuferbad, die fog. Fußbadquelle, 2 Stunden nad) den ſtärkſten Stößen vom 25. Juli ſich trübte, etwa das Vierfache des frühern Waſſerquan— tums lieferte, und um mehr ald 20 Reaumür an Temperatur zunahm, nämlid) son 311, 0 auf 33'/2 ftieg. So weit meine Nadrichten gehen, nämlidy bi3 zum 9. Dft., find Tempe— ratur und Waffermenge diefelbe geblieben, wie fie fid nad) dem Erobeben vom 25. Juli geftaltet. Man möchte bei der einfahen Nachricht yon der Temperatur-Erhöhung diefer Duelle geneigt fein, dieſelbe durd) einen direkten Zufammenhang verfelben mit den unterirdifchen Gafen zu erklären, was nad) den oben angeftellten Betradytungen in der That nicht unmöglid) wäre. Die Fußbadquelle war aber vor dem Erdbeben eine der ſchwächſten, und ihre Tempe— ratur aud) im DVerhältnig zu ven übrigen niedrig; die Temperatur diefer verſchiedenen Quellen varirt nämlich zwifchen 30 — 40%, und die ftärffte, die fog. Lorenzquelle, ift aud) zugleich) die heißefte mit 40 — 40% R. Da nun bloß die eine ſchwache Duelle an Temperatur zu= genommen hat, ift es wohl wahrſcheinlich, daß fid) in Folge des Eräbebens ein anderer Arm diefer warmen Quellen, ver, felbft von höherer Temperatur ald die Fußbadquelle, biäher, ohne irgendwo zu Tage zu treten, der Nhone zugefloffen war, mit der Fußbadquelle vereinigt babe. Auf diefe Weife ift nicht bloß die Zunahme der Temperatur, ſondern aud) diejenige des Waſſerquantums bei der Fußbadquelle erklärt. Was die Trübung der Quelle betrifft, jo wird viefelbe herrühren von mechanifc beige mengten Theildyen des Dilusialbodens, aus welchem die Quelle austritt. Dadurch, daß die— felbe fih um das Vierfache vermehrte, wurde der frühere Kanal zu Elein, und die Quelle fuchte denfelben zu erweitern, und fpülte fo kleine Theilchen von diefem Erdreich mit aus. In der That jchreibt mir aud) Sr. Dr. Steiner: Wenn man dad Wajler ruhig jtehen läßt, fo mr bildet fi) in weniger al3 einer Stunde ein Nieverfchlag von ſchmutzig blauſchwarzem Aus- fehen, der aus blauem Thonerde- Schiefer zu beftehen fcheint, Eine intereffante Beobachtung, die mir aus der Nähe von Leuf mitgetheilt wurde und ohne Zweifel vielfach in den Gebirgen und Thälern des Wallis hätte gemacht werden Eönnen, will ich hier nod) folgen laſſen. Bei einem ver ebenfalls noch ftarfen Stöße von Ende Auguft wurde Eonftatirt, daß derfelbe in Schwarrenbah, d. h. auf der Höhe des Leuferpaffes viel ftärfer verſpürt wurde, als zu beiden Seiten in der Tiefe, in Kanderfteg und Leuk. Es ift dies leicht zu begreifen, und ift ohne Zmeifel nicht bloß bei dem einen, fondern bei allen Stößen der Fall gemwefen; Schwarrenbach liegt unmittelbar auf dem Feld, Kanderfteg und Leuf dagegen auf dem Dilupialboden; jener ift elaftifch, diefer nicht. Wenn man irgend einem sollfommen elaftifhen Körper einen Stoß gibt, jo wird derſelbe mit ungeſchwächter Intenfität am entgegengefegten Ende verſpürt, im geringerem Maße bei einem weniger elaftifchen Körper, und nur bis in eine gewiſſe Entfernung, weiterhin dann aber gar nicht mehr, bei einem gang unelaftifhen Körper. Der Dilupialboden ift zwar ganz unelaftifch, aber eben in zu geringen Schichten auf dem Felfen liegend, als daß durch denfelben die Bewegungen des Felſens in Kanderſteg und Leuf nicht bis zur Oberfläche Hätten fortgepflanzt werden müffen. Es bleibt mir endlidy noch übrig, dasjenige, was id) über die meteorologifhen Verhält- nifje, welche dies lang andauernde Erdbeben begleiteten, in Erfahrung bringen fonnte, mit— zutheilen. Man hat die Frage, ob die Erdbeben auf eine gewiſſe Jahreszeit beſchränkt feien, oder auch nur in einer bejtimmten Jahreszeit beſonders häufig auftreten, nad) den bis jet gemach— ten Erfahrungen mit „nein” beantworten müſſen. Eben jo wenig jiheinen die Gröbeben von den Tageszeiten, vom Barometerftand, oder andern meteorologifchen Verhältniffen abhängig zu fein. Noch weniger kann ich an die Wahrheit der allerdings nicht vereinzelt daftehenden Nach— richten glauben, daß den Erdbeben ein eigenthümlicher Zuftand der Atmofphäre vorangehe, welcher Menfchen und Thiere mit Bangigfeit erfülle und ungewöhnliche Greigniffe ahnen laffe. Trotzdem theile ih vollkommen die Anſicht, welche Hr. Rathsherr Merian zum Schluß feiner Schrift: „Ueber die in Bafel wahrgenommenen Grobeben nebft einigen Unterfuhungen über Erdbeben im Allgemeinen”; — mit folgenden Worten ausfpridt: „Wir wollen die verbreiteten Bolksmeinungen nicht ſchlechthin verwerfen; wir wollen aber folde Volksmeinungen erft dann in die Neihe anerkannter Thatſachen aufnehmen, wenn fie die Probe einer wifjenfchaftlichen Prüfung beftanden haben.” Soldye Nachrichten Yon dem Grobeben im Viſper-Thal ſcheinen eine Prüfung nicht aus— Halten zu können. Die einzigen Nachrichten yon meinem zuserläfftgen Gewährsmann, die jo — eh gedeutet werden fünnten, find die bereit3 mitgetheilten, „daß das Vieh auf ven Waiveplägen einige Minuten lang in ftarrer Unbeweglichkeit mausſtill ſich verhalten”, „daß die Kinder laut aufgeſchrieen und fi am die Eltern angefhmiegt”, „daß Leute vom Schwindel ergriffen, ſich auf die Erde geworfen und fih am Gras feitgehalten haben“, und „daß die Vögel auf einige Tage verfhmwunden feien." Wohlverftanden geſchah aber alles dies nad) dem Grobeben, und ich mache mit Nachdruck darauf aufmerkſam, daß ic von Hrn. Pfr. Tſcheinen aud) nicht eine Andeutung davon erhalten, daß irgendwo Menſchen oder Thiere unmittelbar vor dem Erd— beben etwas Ungewöhnlidhes in ver Atmofphäre verſpürt haben. Was die Abhängigkeit der Erdbebenſtöße yon den denfelben unmittelbar vorangehenden meteorologifhen Verhältniffen betrifft, fo befige ich von Hrn. Pfr. Ifcheinen ein vollſtändiges Verzeichniß aller Stöße, fo wie der Witterungssperhältniffe unmittelbar vor und nad) venfelben, vom 25. Juli bis 20. November. Herr Pfr. Tſcheinen wird das Verzeihniß bis zum Schluß des Erdbebens fortführen, und ich gedenke dasselbe feiner Zeit vollftändig zu veröffentlichen ; man wird fid) dadurch am beften von der Genauigkeit und Gewiffenhaftigfeit unfers Beobachters überzeugen fünnen. Für die vorliegende Schrift aber möge folgender Auszug genügen. Es wurden in Törbel folgende Stöße yerfpürt : Bei Eonftant ſchönem Wetter: Ber trübem und veränderlihem Wetter: Bei entſchiedenem Regenwetter: 31. Juli. 26. Juli. 25. Juli. 1. Auguft. 272 u 20. Auguft. 2. ö ui u 2. September. 3 " —A 3. 4 Ani) 30. , 10. v 6. * 8. Auguſt. 12. v 7 ö ARE un. 10. Dftober. 9. ID 5 28. = 142 en, 15. e 29. d 18. P 30. 5 Big 19. ” 4. September. 5. November. 21. F b. * b. 22 — 11 j 23 * 13 4 Dr 19 m A 28. u u 29. z 2. A d. Oftober. — Bei konſtant ſchönem Wetter: Bei trübem und veränderlichem Wetter: 28. Auguſt. 6. Oktober. 29. * — 31. r 8. — 1. September. 9. 5 : " 12. " 17. = 13. F 24. 7 . 16. # 25. J 17. 7 26. 4 18. J 11. Oktober. 19; f . 22. — 25. " 23. n 26. " 4. November. 1. November. n $ " 10. m 13. u An den hier nicht verzeichneten Tagen find Feine wirklihen Stöße erfolgt; dagegen ver— ging fein Tag bi zum 20. November, an dem nicht jenes Getöfe im Innern, Beben und Zittern des Bodens bemerkt wurde. Offenbar find aber die wirklichen Stöße des Erdbebens weder an gutes, noch an ſchlechtes Wetter gebunden, fondern ließen fid) im Viſper-Thal ziem— lich gleichmäßig bei jenem wie bei diefem verſpüren. Noch will ich erwähnen, daß Sr. Pfr. Tſcheinen am 30. Juli nievergefchrieben hat: „Bis jest habe ich bemerkt, daß ein Wind von Nordweſt nad) Südoft immer der Vorbote des Erdbebens war; 1 oder 2 Stunden nad) dem— felben Fam ficher das Erdbeben.“ Ich glaube aber doch, daß dies ein zufälliges Zufammen- treffen war; diefer Noroweftwind, als ein Negenwind, wird wahrſcheinlich während jener regnerifhhen Tage zu Ende Juli ftetS mehr oder weniger ftarf gemeht haben, und da aud) die Erdſtöße faft ununterbrochen ftatt fanden, fo konnten diefe wohl ziemlich regelmäßig 1 bis 2 Stunden nad) jenem Winde erfolgen, Auch ift wohl ſchon darum fein Gewicht auf diefen Wind zu Iegen, weil Sr. Pfr. Tſcheinen venfelben nad) dem 30. Juli gar nicht mehr erwähnt. Was die Vertheilung auf die Tageszeiten betrifft, fo ließen fi) die Stöße während ver erften drei Tage bis den 28. gegen Abend faft ununterbrochen perfpüren ; von da an aber Bei der Nadıt: Vom 28. zum 29, Juli. BIER, Pa a » 31. Juli zum 1. Auguft. „ 4. zum 2. Auguft. ” 2. n 3. ” Be, RO, » Morgensum1 Uhr. " 6. ” 7 " v IR AR „ Don 11 bis 1 Uhr. Pal. 55 2 005 „ Um 21% Uhr. „10 gen. » Don 11 bis 1 Uhr. Er — Bon 12 bis 3 Uhr, „ 43. „ 14. " Am 15. Auguft um 3 Uhr. „ 17... Morgens nad) 3 Uhr, „ 18. „ Abends 10 bis 11 Uhr. „1; „ um 21% Uhr. „ 21. „ son 10 bis 11 Uhr. „?4. „ umi Up. Dom 26. zum 27. Auguft von 11 bis 3 Uhr. Am 28. Auguft um 10 Uhr Abends. „ 4. Sept. um 3 Uhr Morgens, Dom 1. zum 2. Sept. um 12 Uhr. „6. „ 7. „ gegen 12 Uhr umd Morgens 4—5 Uhr. » 9. „10. „ mil. un JG, Am 18. Sept. um 9-10 Uhr Abends. Dom 23. zum 24. Sept. Am 26. Sept. Abends 917 Uhr. Dom 28. zum 29. Sept. um 12 Uhr. *) Wo ein Zeitraum von einigen Stunden angegeben ift, „von 11 bie 4 Uhr“, da find mehrere Stöße erfolgt. Wo gar feine Stöße faft ununterbrochen verſpürt worden, wie in den e 8. Auguft find die nicht näher von Hm. Pfr. Tſcheinen angegeben, ITN— Bei Tage: Am 31. Juli *), 1. Auguft um 12 Uhr. Morgens 5 Uhr. Abends 4 Uhr. Morgens 6 Uhr. Nachmittags 1, Uhr und Abends 63), Uhr. Nachmittags um 2 Uhr, Abends 6 Uhr. Morgens 9 Uhr. Nahmittags um 1 Uhr. Nachmittags um 3 Uhr. um11,12 und 6%, U. Abends, um 10'/ Uhr Morgens. um 5 Uhr Morgens. . Sept. um 5 Uhr Morgens‘ um 41% Uhr Abends. Morgens 91/, Uhr. " 8, " Nachmittags 3, Uhr. . Morgens 101% Uhr. um 121, Uhr. um 11, Uhr. Abends 5 Uhr. um 31%, 4, und Ya Uhr. um 8/ Uhr Morgens. . Nachmittags 31, Uhr. Abends 5 Uhr. wie z. B. in der Naht vom 7. zum Stunde angegeben ift, da tften Tagen, oder aber, es ift mir die Zeit wie dies befonderd bei der Nacht Teicht zu begreifen iſt. Bei der Nacht: Vom 7. zum 8. Okt. vi Brei, um 91% Ube und 21; Ur, no er, 10 aaa Uhr, „ 10. „ 41... um 91%, 10 un 1 Ur: „ul „ 8, umd9, 10, 12,2 un 5 MÄR. Baer, 9 ee in 4 Uhr: Am 25. Oft. Abends um 101, Uhr. „ 38 „ Morgens 3 und 4 Uhr. Dom 28. zum 29. Okt. Am 31. Oft. um 81% und 111% Uhr. Dom 1. zum 2. Nov. um 11 und 5 Uhr. Am 4. Nov. um 3 Uhr. n 6. ” ” 4 " „10. " no 3°: u „ 13. „ Abends gegen 6 Uhr und um 10 Uhr. Bei meiner Anmwefenheit im Viſper-Thal, in ver zweiten Hälfte des Auguft, ſchien man allgemein zu glauben, daß die Eroftöße mehr an die Nachtzeit gebunden feien; in ver That treten diefelben, wie man aus diefer Tabelle fteht, im Anfang auch befonders zahlreich ein bis zwei Stunden vor und nad) Mitternadht, und im Ganzen find allerdings bis Mitte No— vember bei der Nacht mehr Stöße erfolgt, als bei Tage. Indeß iſt der Unterſchied nicht fo groß, und gerade die erften heftigiten Stöße am 25. Juli find ja um Mittag erfolgt, fo daß man faum in der Nachtzeit ein Moment finden kann, weldyes das Erdbeben begünftigt. Aus den gemachten Mittheilungen geht hervor, daß die Grobebenftöße kaum irgendivie yon meteorologifchen Ginflüffen unmittelbar abhängen. Sehen wir aber einige Monate zurüd, fo jcheint mir, Eönnte man vielleicht in ven meteorologifchen Verhältniffen des vorigen Win- ters einen Faktor finden, der zwar wohl nicht das Erdbeben felbft veranlaßt, aber vielleicht doch die Wirkungen desfelben Herftärkt, und feine Dauer verlängert hat. Im Yerfloffenen Winter 18%/,; fiel nämlich nicht nur im Wallis, fondern aud) in einem weitern Theile der Alpen, eine ganz ungewöhnliche Menge Schnee. Dies wurde mir fpeziell für die Vifper-Thäler vielfach Herfichert, und ich habe mich felbft überzeugt, wie im Saasthal nad) ver Mitte des Auguft noch einzelne Punkte unter Schnee iagen, die im Sommer vorher fhon Ende Juli fchneefrei waren. In Zermatt Elagte mir der bereits erwähnte Mineralienfammler darüber, daß dies Jahr die ſchönen Granate und Idokraſe nicht zu befommen feien, weil fie nody unter Schnee — liegen. Kurz, die Thatſache ſteht feſt, daß im Winter 185%; eine ganz ungewöhnliche, viel⸗ leicht jeit 50 Jahren nicht gefehene Menge Schnee gefallen. In Folge defjen muß im Frühling eine ungewöhnliche Menge Waſſers entjtanden und daher auch wohl mehr Wafler, als ge- wöhnlich, durch die Spalten ins Innere der Erde geficert fein. Damit wäre denn ein Grund zu viel mafjenhafterer Gasentwidlung gegeben. Ohne daß ich auf diefe Vermuthung Gewicht legen möchte, ſcheint e8 mir doch Die einzig möglicye zu jein, die irgend welche meteorologifche Einflüffe in direkten Zufammenhang mit den Erdbeben-Erſcheinungen bringt. Id) komme zum Schluß auf die erfte Frage zurück: „It der Boden im Vifper- Thal vul— kaniſch?“ Wir haben e3 als wahrſcheinlich vargeftellt, daß die Urſache des Erdbebens dieſelbe ift, Die wirkliche vulkaniſche Ausbrühe an den fog. feuerfpeienden Bergen zur Folge hat. Unmöglid) wäre e3 nad) diefer Anfiht in der That nicht, daß die Gasarten, weldye die Oberflähe lange Zeit heben und zittern machen, dieſelbe einmal durchbrechen würden, Bei der großen Tiefe, in der die Gasfanile ohne Zweifel unter der Oberfläche ſich befinden, ift e3 aber immerhin viel wahrfcheinlicher, daß die fomprimirte Luft unterirdifch fih Bahn zu brechen, die Verbindung mit andern Kanälen herzuftellen, und durdy in der Gegenwart nod) thätige Vulkane einen Ausweg ſich zu verſchaffen vermag. Dies ift in ver That, wie wir gejehen, befonders in den Ländern, wo Erdbeben häufig find, der Fall. Aber aud) das Erd— beben im Wallis vom Jahr 1855 ift nicht Das einzige in diefer Gegend erlebte; vielmehr ift das Wallis befannt als ein Land, in dem ſchon wiederholt und öfter Erdbeben ftattgefunden haben. Die vollitändigfte Zufammenftellung verfelben hat Perrey gegeben; er erwähnt Erd— beben im Wallis im Sten, 6ten, 16ten, 17ten, 18ten, und bereit$ mehrere vor dem dies— jährigen im 19ten Jahrhundert. Wahrfcheinlich werden auch in den hier nicht erwähnten Jahrhunderten Erobeben ftattgefunden haben, aber feine Nachrichten darüber auf ung gekom— men fein. Am meiften Interefje Hat für uns jedenfalls das Grobeben vom Jahr 1755 und 1756, theild weil es das erfte, über weldyes wir genauere Nachricht haben, theils weil fein Hauptjhauplag Brig, alſo ganz nahe dem Hauptſchauplatz des diesjährigen Erdbebens war. Dasfelbe dauerte über Hier Monate, der erfte Stoß erfolgte am 1. Nov. 1755, und zwar in derfelben Stunde, in welcher Lifjabon auf fo furdtbare Weife zerftört wurde; ver Ieste ift erwähnt am 7. März 1756. Innerhalb dieſes Zeitraums wurden in Brig und Umgegend Stöße verfpürt: am 14. November, 9. Dezember (mehrere an vemjelben Tag), vom 10. bis 28. Dezember täglid) ; ferner am 30. Dezember, 2. Januar 1756, 3., 6., 7., 8., 11., 12, 13., 14., 15., 18., 19., 21., 22., 23., 24., 25, 26., 27. Januar, dann vom 28. Januar bis 6. Febr. täglich, doch fhmwächer, ferner am 14., 15., 18., 19., 23., 26. Februar, 3., 5. und 7. März. Neben diefen Stößen ift auch ſchon ein faft Fontinuirliches Zittern und Beben des Bodens, u = jo wie da3 unterirhifche Getöfe erwähnt. Was id über dies Erdbeben in Brig finde in einer Shhrift, betitelt: „Das glücklich und unglücliche Portugal und erſchreckte Europa in ven groffen und vielfältigen Erd= und Waffers Bewegungen, welche yom ten November 1755. bis den 20. Februar dieſes Jahres, zu unterfchiedenen Zeiten ſich ereignet und fo viele Städte und Länder beſchädiget haben. Verfaßt, yon I. H. Kühnlin. Frankfurt und Leipzig, 1756." — das paßt wirklich faſt wörtlich auf das diesjährige Erdbeben im VBifper- Thal. Es Heißt dort pag.209: „In den Gebürgen und mit lauter Bergen umgebenen Wallis, eine befondere Nepublie der Hochlöbl. Eydgnoßſchaft, ift das Erdbeben hingegen viel flärfer als an allen andern Derten der Schweig geweſen. Die Berichte, weldye vom 9. December bis zum 30. dito daher gekommen, waren alle jehr traurig. Das Städtlein Brieg ift fo unglücklich gewefen, daß der gröfte Theil feiner Häuſer heftig zerrüttet und viele davon gänzlid) zufammen geftürzet worden. Die Jefuiten, die Nonnen und alle Einwohner waren genöthiget, aus Furcht unter den Schutt begraben zu werden, fi in das offene Feld zu flüchten, und bei 3 Tag und Nächte aufzuhalten. Der allvafige Thurn von der grofjen Kirche ift um die Helfte eingeftürzet, und in einer andern Kirche die Gallerie zu Boden gefallen. Während dem Erdſchüttern fpal- tete ji hin und wieder die Erde, daß gewaltige Lüken wurden, aus welchen hernach eine Menge warmes und fiedendes Waſſer hervor quillete, welches als das merkwürdigſte eben fo heis ware, als wann es erft bey dem Feuer gekochet und ſiedend heis gemachet worden. Diele Berge bärfteten und ſtürzten ihre Spiten oder fonften ganze Felfen-Stude herab in dieſes hal. Das Gotteshaus St. Maria und die Rhone-Brüke wurde eingeftürzet und fielen zu Haufen.” Nur die Nachricht yon den heißen Quellen gilt nicht für das diesjährige Erdbeben, ift übrigens aud) für dasjenige vom Jahr 1755 nicht verbürgt. In ven „transactions philo- sophiques“ XLIX p. 511, aus denen Perrey auch feine Nachrichten gefchöpft, ift wenigſtens bloß Yon neuentftandenen Quellen, aber nicht yon warmen die Rede. Es ift leicht möglich, daß eines oder mehrere der in den frühern Sahrhunderten erwähn- ten Grobeben, diefelbe Dauer hatten, wie diejenigen vom Jahr 1755 und 1855, und daß und über jene nur genauere Nachrichten fehlen. Jedenfalls kann die Gemwißheit, daß folde Erd— beben, oder wenigftend Gin ſolches, wie das diesjährige, in derfelben Gegend aud) ſchon auf- getreten ift, und ohne wirklichen vulkaniſchen Ausbruch geendigt hat, für die Bewohner des Bifper- und Rhone-Thales, fowohl für die Gegenwart (wenn das diesjährige fein Ende nod) nicht erreicht Haben follte) als auch für die Zukunft nur beruhigend fein, und fiher hoffen laſſen, daß ihre liebe Heimath, wenn fie auch von neuem wieder von den unterirdifchen Mächten beunruhigt werden follte, doch nie unter feurigen Flüffen und Lavaſtrömen begraben werde. Der beſte und fihherfte Troft für die arınen, ſchwer heimgefuchten Brüder liegt aber immer — 3 in dem Glauben, daß auch ihr Bergthal mit feinen wankenden Gebirgen und fallenden Felſen in der Hand deſſen fteht, der überall in der Natur aus Tod und Zerftörung neues Leben hervorruft. Liegt doc ſchon in der fat wunderbaren Bewahrung aller Menfchenleben bis auf ein einziged, im welchem, wie es fo oft bei ſchweren Geſchicken in der Menfchengefchichte vorkömmt, gerade die Unſchuld zum Opfer fiel, ein Zeichen höherer Obhut! Gin zweites mußte den Verunglückten die herzliche brüderliche Theilnahme fein, vie alsbald in allen Gauen unferd DVaterlandes rege wurde. Möge fie nody nicht erlöſchen, und möge auch dieſe Darftellung des furchtbaren Greigniffes noch hie und da einen zur That werdenden Gedanken an die armen Viſper ins Leben rufen! I — IL rien teilung Die ri TR eg IE PIE Marke —J yrdah” a ee er Men wie Hanuta Arta EA LELE FE —— — Beer * be De ea. we BE 20 U 1 airzu a 5 nehmen —— ; — BEINE —B— — — Fee er raten Mh re a DE In 2 “ a Te er — We RE re Ba, ler: ie a ae Wie ae ee ker rer ken J a, Ä | ER Ba RE alt, EEE WE ie Br, * wir won WR. a un * MN up — Ad —— ei Jjer- P Er f „ll J — — — lien Bir Me — — a Fi UN R ar in ee Bi abe OEL J Rinne, tr BR a. — N EEE — Yin“ Arnd ads Kain: Serrch 2‘ N Ü x ae Win hingen wre, Wi — N Wr ———— | : —— vn II Ra hp — — a oe RE Miet Ycte ar gr —— 9 208 RE Ak a DR Kathi: Air” Sonne es Pe Se A 1 ARE rin za. yus: ehe Er — non N gi ’ | 22: “u ir —E — E—— — —— ei F m er * —2 — 7 Et Kanne ı —— — re 9— la en EN die seit u Serie met Wdikeo sn +3, BR We Nahen N ER ER RE era ci ran wen nun a rat marken Heil a — LA var he 2 — a ati ie ! | DIN x K x‘ J * a; F WE A —* * *F PR #PBragır die süeerifihe Jugend auf das Jahr 1857. Von der Waturforfchenden Gefellfchaft. LIX. Stüd. Skizzen ans der niedern Lebenswelt des Waflers. Wo an der Oberfläche der Erde offenen Blides das Auge weilt, überall faft zeigt fich Le— bensreichthum in Fülle. Insbefondere ift auch das Waſſer für unzählige Weſen Heimat und Dafeinsbedingung,, großartig wie in feinen übrigen Beziehungen, fo auch in denen zu jeiner pflanzlichen und thierifchen Bevölkerung. Wenn es fchon ſchwer hält, über die Bewohner des Landes allmälig eine gründfiche und fichere Einficht zn gewinnen, fo ftellen fich dem Unterfucher der Bevölkerung des Waffers in gefteigertem Maafe Schwierigkeiten entgegen und es fann daher nicht auffallen, wenn Vieles unter mehr oder weniger dichtem Schleier noch verborgen liegt. All mälig aber lüftet fich ftellenweife auch diefer uud geftattet dem unermüdlichen Forſcher bier und da einen Blid in die bewegliche Tiefe und die hier waltenden Gefege. Was noch vor Kurzem als undurhdringliches Geheimniß erfchien, tritt ung nunmehr als klares lebendiges Bild entgegen, erweitert den Kreis unfers Willens und bietet uns eine Quelle des Genuffes und vielfacher Vor: theile. Ein foldyes, feiner Löfung num allmälig entgegengeführtes Räthſel war bis vor wenigen Zahren die Naturgefchichte der Wafferfchwänme oder Spongien ; die Löfung aber ward vermittelt und erleichtert, ja vielfach bedingt durch Vorausgewinnung und gleichzeitige Erweiterung umfaffender Kenntniffe über mehrere große Abtheilungen des mifroffopiichen Lebens des Waſſers. Neber einige derfelben möge denn auch bier eine kurze Skizze vorausgeben. (&.)- a — Das Waffer als Wohnfig einer Lebenswelt von mifroffopifch Fleinen Thieren. Sm Waffer eines Grabens, einer Pfüge, eines Teiches oder einer ftillen Meeresbucht, die wohldefegt mit Schlamm und Pflanzenjchleim, mit Waſſerfäden und manchen andern Pflanzen ung entgegentreten, welch Tebensvolles Bild enthüllt in ihm das Mifroffop dem Blick! Pfeilſchnell durcheilt ein Wefen hier das Sehfeld, kaum einen Eindruf unferm Auge hinter: laffend ; in fonderbarem Reigen drehen fich dort andere und wieder andere beluftigen fih in tollen Sprüngen; wie unterfuchend fchreitet ein viertes, bald bier, bald da anhaltend, langfam weiter; forgfam durchmißt ein fünftes, fich wechjelnd dehnend und zufammenziehend, das Beobachtungsfeld, während ein fechstes gravitätifch wie auf Stelzen einhergeht; andere fcheinen an den Drt gebannt, und wieder andere haften mit befonderen Stielen, auf denen fie gleich Blumen, oft gefellig, figen, an andern Körpern, ſelbſt an Waflerthieren feft, beide nur durch Ausdehnung und Zufammenziehung ihres Körpers die thierifche Natur verrathend oder, durch eigenthümliche Schwingungen feiner Wimpern das Waffer ſammt feinem fein zertheilten Inhalt in ftrudelnde Bewegung feßend ; von den geftielten wohl auch einige durch Streden oder unter Zuden erfolgendes fihraubenförmiges Zufammendrehen des Stieles auf gewiſſe Weiten von ihrer Bafis vor- oder rückwärts ſich ent- fernend x. x. Sn diefer oder mancher andern Weife verhalten fich die verfchiedenartigften Weſen; bunt bewegen fie fih durcheinander, vielfach ihre Bahnen Freuzend, hier ſich juchend, dort fich fliehend und oft in voller Jagd fich folgend ze. ꝛc. Doc) verlieren wir uns nicht in dem wirren Getümmel, heften wir vielmehr aufmerffam den Blik auf einen Gegenftand, der eben den Kleinen Schauplatz hat und wohl auf längere * ſich unſerer Betrachtung nicht entziehen wird. Wurzelfüſſer, Rhizopoda. Ein gallertartiges, beſtändig die Geſtalt veränderndes Geſchöpf, welches bald wie ein zer— fließender Wachstropfen, bald wie ein ungeftalteter Klumpen erſcheint, läßt aus feiner mit zahlreichen kleinen Körnchen durchläeten Maſſe finger - oder wurzelartige Fortſätze hervortreten, die in Geftalt und Dimenfionen, rückſichtlich des Ortes ihres Auftretens fo wie nach der Dauer ihres Erfiheineng eben jo unbeftändig find, wie die Form des Körpers jelbft, deutlich aber dem Thiere zum Taften, befonders aber zum Anheften und Fortbewegen dienen, und darum Wurzelfüffe oder wohl auch Afterfüffe (PBfeudopodien) genannt werden. Sonft findet fih fein Außeres Drgan, nicht einmal eine derbere Hautjchicht ; und aus dem Innern jcheinen durch die zarte granulirte, wahrfcheinlich eine mit Flüffigfeit erfüllte Höhle ums gebende Gallertmaffe auch nur ein dunklerer Kern, ein heller pulfivender Raum und mehrere nicht pulfirende Hohlräume, Vacuolen, hindurd. Beobachten wir das fo einfach gebaute Thierchen weiter, fo gelingt e8 uns wohl, ung einen — — Begriff von der Art und Weiſe zu verſchaffen, wie es beim Mangel eines Nahrungskanales, ja nach der bisherigen Annahme ſelbſt eines Mundes, dennoch für ſeine Erhaltung ſorgt. Kommt es mit einem geeigneten Gegenſtande (kleine Pflanzen und Thiere bilden ſeine Nah— rung) in Berührung, fo umſchließt es denſelben mit feiner Körpermaſſe und löst dieſe erſt dann ab, wenn die Beute bis auf die unverdaulichen Nefte völlig aufgelöst ift und die flüffigen Nähr— ſtoffe in's Innere eingedrungen find; feite Gegenftände follen dagegen durch einen Riß der nach— giebigen Körpermaffe (Mund?) in's Innere geprept, die Nahrungsrefte aber auf ähnliche Weife durch einen Riß (After 2) entfernt werden. Die Bacuolen, bald entitehend, bald verfchwindend, nehmen die Nahrung auf und geben fie an einander ab, während der pulfivende Raum in rhythmiſchen Erpanfionen und Gontractionen von jenen die Nahrungsflüffigfeit anzuziehen und durch die Gallertmaife des Körpers zu treiben und fomit die erfte Andeutung eines Kreislaufapparates zu fein fcheint; Manche wollen dagegen in dem contractilen Naum eine Art von Athmungsorgan erfennen, welches durd äußerſt feine Kanäle, deren Mündungen freilich noch nicht aufgefunden find, Waſſer aufnehme und abgebe. Unfer zerfliegendes Wechſelthierchen des Süßwallers, Amoeba diffluens (denn diefen Namen haben die Forfcher dem kleinen Wefen gegeben), gehört mit einer beträchtlichen Menge anderer Arten (man kennt bereits über 1000 Lebende und faft gleich viel fojfile) in eine bejondere Thierklaffe, die Klaffe der Wurzelfüffer, Rhizopoda, welche im Befige einer äußerſt con— tractilen, förnig-gallertartigen Körpermaffe, Sarfode, durch die veränderlichen, ja bei manchen Thierchen unter ſich zufammenfließenden und dann nicht felten zum Fange, ja felbit durch Abſon— derung eigenthüimlicher Säfte zum Tödten der Beute dienenden Ausftülpungen, Wurzelfüſſe, hinreichend charakterifirt ift. Nur wenige Wurzelfüffer bewohnen unfer Süßwaſſer, bei Weitem die meiften leben im Meere in ruhigen Lagen mit fandigem Boden, namentlih an flachen Küften und in geringen, weniger in bedeutenderen Tiefen, obwohl man aus einer foldyen von 90 Faden noch lebende empor— gefördert hat. In reichlichfter Menge finden fie fi) in wärmeren Erdgegenden, wo fie jo maſſenhaft erjcheinen, daß fie nicht bloß fchaarenweife an Meerespflanzen, Seeſchwämmen, Polypen, Sertur larien, Moosforallen zc. zc. ſich herumtreiben, fondern abgeftorben einen wejentlichen Antheil an der bedeutenden Schlamm- und Sandbildung haben, welcher manche dieſer Lofalitäten unter worfen find. Dieß, wie die bereits erwähnte Thatfache, daß aus beträchtlichen Tiefen mittelft des Lothes lebende Rhizopoden empor gefördert wurden, mag fonderbar Flingen, wenn man fich erinnert, daf unfere Amöbe aus äußerft weicher, darum nothwendig leicht verlegbarer und verweiendet Sarfode befteht; und es wäre Beides auch unmöglich, wenn fich die übrigen Wurzelfüffer vollfommen glei) verhielten. Dem ift aber nicht fo; denn die Mehrzahl diefer zarten Weſen ift von bornartigen ' er Schalen umfchloffen, in welche bei den dem Meere angehörigen durchfchnittlich Fohlenfaurer Kalk, felten Kiefelerde in reichlicher Menge abgelagert ift, um dem Gehäufe Halt und Dauer zu verleihen. So bleiben denn die Schalen, wenn ſchon die Sarkode verweft, nicht einzelne, ſondern viele Taufende von Jahren unverändert; fie bilden an vielen Orten vorherrfchend jegt den Sand des Meeres, fie find aus Schöpfungsperioden, die hinter der Erfchaffungszett des Menſchen in unbe— rechenbarer Ferne zurüdliegen, im beften Zuſtand unfern Tagen überliefert worden und lehren ung zum Theil in fcharfen Zügen die Geſchichte unfrer Erde. Denn wenn ihre Schalen jetzt in mancher Gegend ausgedehnte trodene Lager auf dem Lande oder gar den wefentlihen Theil von großen Höhenzligen bilden, fo deutet dieſes abweichende Borfommen unleugbar auf eine Hebung jener Landesitriche aus dem Meere, ihr Vorkommen in höheren Breiten oft auf ein früher wärmeres Klima diefer Gegenden ; und da die Formen diefer Schalen für verfchiedene Epochen der Schöpfungs- geichichte bezeichnend find, jo dienen fie in manchen fonft zweifelhaften Fällen zur richtigen Ber ftimmung des Alters der Gebirgsichichten. Bon der Mannigfaltigfeit der Formen, welche die jtarren Panzer diefer durch fteten Geftalt- wechfel im Wefen formlos fich darftellenden Thierchen zeigen, von der Regelmäßigkeit und Schönheit ihrer Bildung, von den bemerfenswerthen Vorrichtungen, welche getroffen find, um den einge: fchloffenen Tieren den Verkehr mit der Außenwelt zu geftatten, können abgelöste, ftaubartige Theilhen der Schreibfreide, Theilchen verfchiedener Mergel- und Sandlager, gewiffer Arten von Meeresfand und der jandartigen Anfammlungen in Kiften und Schubladen, welche in Kaufläden zur Aufbewahrung von Waſchſchwämmen dienen, einen annähernden Begriff gewähren, jo wie unfere Figuren von Polystomella strigilata (Fig. 1. Schale mit, 2 und 3 ohne Thier; 2 im Durch— ſchnitt, 3 von vorn). Das Erfte, was uns an den meiften Rhizopodenfchalen auffällt, ift eine gewiſſe Aehnlichkeit ihrer Form mit derjenigen unferer Schnedengehäufe; die einen find nämlich abfteigend fchrauben- förmig gewunden, wie die Schale einer Schnirkelfchnede, die andern in einer Ebene fpiralig auf gerollt, wie diejenige einer Tellerſchnecke. Neben diefer Aehnlichkeit ftellen fich aber unferm Auge fofort erhebliche Unterfchiede dar, von denen zwei befonders wichtig erjcheinen, nämlich einmal die Trennung der Schalenhöhle mittelit befonderer Scheidewände in einzelne durch VBerbindungsröhren communieirende Kammern (folche vielfammerige Schalen mit Berbindungsröhren fommen bei man- hen Kopffüßlern vor, 3. B. bei den Schiffsboten, Ammonshörnern ꝛc. 2c., daher man die Rhizo- poden mit vielfammerigen Schalen früher den legtern verwandt glaubte und im Syftem anſchloß) und zweitens das durchfchnittliche Vorkommen zahlreicher Löcher in den Schalenwänden, wodurd die Kammern mit den äußeren Umgebungen in Verbindung treten. Wegen diejer beiden Eigen- Ichaften der Gehäufe Hat man diefe Rhizopoden auh Bielfammerige, Polythalamia, oder Loch— träger (Schiebfchalige), Foraminifera, genannt. Faffen wir nun unter den Polythalamien oder Foraminiferenfchalen, welche eben im Sehfeld Ban, 77 des Mikroſkops erfcheinen, eine Anzahl in allen weientlihen Charakteren übereinftimmender in's Ange, jo wird eine jorgjame Bergleichung uns bald zeigen, daß die einen eine größere, die anderen eine geringere Anzahl von Kammern haben, ja es wird ung vielleicht ein Exemplar mit übrigens gleichen jonftigen Merkmalen auffallen, das nur eine einzige Kammer von der Größe einer einzigen oder der Anfangsfammer einer entfprechenden vielfammerigen Schale befigt. Daraus ſchloß man, dag das vielfammerige Gehäufe ein einfammeriges zur Grundlage hatte und erft nach und nad) durch Zugabe einer zweiten, dritten Kammer ꝛc. zc. zum ———— wurde. Und was man ſchloß, das hat ſich ſpäter durch die Erfahrung bewährt. Die Schalen ſind aber ein Erzeugniß des umſchloſſenen lebenden Wurzelfüſſers, welcher, wie unſere Gehäusſchnecken, die Fähigkeit beſitzt, einen Stoff auszuſondern, der in Berührung mit den umgebenden Medien erhartet und ſo zur feſten Schale wird, und dieſe ſtimmt mit der Schnecken— ſchale weſentlich noch darin überein, daß ſie meiſtens noch außer dieſer geſtaltgebenden hornartigen Maſſe aus eingebettetem kohlenſaurem Kalke (oder aus eingelagerter Kieſelerde) beſteht. Die allmälige Vermehrung der Kammern ſetzt aber entſprechende Vorgänge am Rhizopoden-Körper voraus, denen ſolche an der Schale parallel laufen mußten. Wir erklären uns wohl den Zuſammenhang dieſer Vorgänge am beſten auf folgende Weiſe: Urſprünglich war nur ein einfacher nackter oder beſchalter Rhizopoden-Körper vorhanden. Im letztern Falle geſtattete die umſchließende Schale den Verkehr mit der Außenwelt nur in beſchränktem Grade; das Vorderende des Körpers und die Wurzelfüſſe allein konnten denſelben vermitteln. Nichts deſto weniger war dieſer Verkehr hinreichend, um Ernährung und Wachsthum der Thiermaſſe zu bewirken. Anſchwellend gleich einer Knospe trat ſie aus der vorn gelaſſenen Oeffnung hervor, wuchs unter freiem Geſtaltenwechſel bis zu einem gewiſſen Maaße und ſonderte, vom Grunde beginnend und allmälig gegen das Ende fortſchreitend, ein neues, durch Aufnahme von Kalk- oder Kieſelerde in gleicher Richtung erhartendes Schalenſtück ab. So bildete ſich ein zweites Glied des Körpers und eine zweite dasjelbe aufnehmende Kam— mer; und auf gleiche Weiſe entjtand im weitern Verlaufe Glied um Glied und Kammer um Kammer, bis aus dem Einzelthier eine Thierfette, aus der einfammerigen Schale eine vielfammerige hervors gegangen war. Die Form und Richtung des durch Anospung oder Auswachſen entitandenen Balles gegen das ſchon vorhandene Starre, jowie die Abgangsftelle oder Bertheilungsweife der Wurzelfüſſe beftimmte aber im allmäligen Fortgang die Gejammtform und den Charakter der Polythalamie. Halten wir die Reſultate unferer Anfchauungen und Beobachtungen feſt, jo werden wir nicht allein die von den Forſchern gemachte Eintheilung der Klaffe der Nhizopoden in Nadte, Nuda, und Bejchalte, Testacea, und die der legtern in bleibend Einfammerige, Mono- thalamia , und Bielfammerige, Polythalamia, fondern auch die weitere Trennung der Biel fammerigen in die Gruppen der Helicoideen, Rhabdoideen und Soroideen begreifen, Me von denen die erſte durch jpiralig angeordnete, die zweite durch einreihig in gerader oder gebogener Linie geftellte, die legte durch unregelmäßig gehäufte Schalentammern fich auszeichnen; und es wird ung nunmehr auch Elar fein, wie in der Natur bei gleichbleibender Grundlage oft nur durch geringe Modificationen in der IThätigkeitsrichtung die größte Mannigfaltigkeit der Formen und Erfchei- nungen erzielt wird. Im Einflang mit, der Viannigfaltigkeit der Rhizopodenformen fteht aber eine weitere Erz ſcheinung in deren Leben, nämlich das mafjenhafte Auftreten der Individuen. Daß in einer Unze des Meeresfandes von Rimini an 6000, iu einem gleichen Gewichtstheile ſolchen Sandes von den Antillen gar gegen + Millionen Polythalamienfhalen gefunden wurden, dünkt ung ſchon wunderbar; wie jehr wächft aber unfer Erjtaunen über die Menge fofjiler Polythalamien, welche ausgedehnte Lager, Hügel und Felsmaffen, ja fogar langgeſtreckte Höhenzüge wejentlich zufammenfegen. Ausgedehnte Lager ihrer Schalen befinden fich in der Gegend von Brünn. Charlestown in Amerika fteht auf einem mehre hundert Fuß tiefen, von ſolchen Schalen zufammengefegten Boden. Die Kreidefelfen in Libyen und Arabien, die ausgedehnten Züge von Kreidehüigeln im füdlichen England, im nördlichen Frankreich 2c. 2c., denen wir die für verfchiedene Bedürfniffe fo werthvolle Kreide entlehnen, der Mitiolitenfalf, welcher Paris und deffen Umgebungen zum Häuferbau, der Nummulitenkalk, welcher Aegypten zur Errichtung coloffaler Pyramiden das Material lieferte, verdanfen vorzüglich Polythalamien ihre Entftehung. Ebenſo geben die Steinferne, welche im Grünfande und anderen Gebilden an die Stelle der aufgelösten Polythalamienfchaalen getreten find und ung über den wundervollen innern Bau diefer Gehäufe belehren, einen Beleg über das maffen- hafte und weit verbreitete Auftreten der Bolythalamien in frühern und fpätern Schöpfnngsperioden und find im Verein mit dem Vorftehenden ein Tprechendes Zeugniß für ein vielfach in Anwendung fommendes Gefeg in der Natur, nach welchem diefe fich des in's Unendliche vermehrten und ange: häuften Kleinen zur Erzielung der großartigften Erfolge bedient. Aus dem Gefagten ergiebt ſich aber weiter, daß der Schöpfer diefe mifroffopifhen Wefen mit einer außerordentlichen Vermehrungsfähigkeit ausgeftattet haben müffe. Wie aber die Ver: mehrung gefchehe, ift noch nicht nach allen Richtungen beftimmt ermittelt. Nur jo viel ift ficher beobachtet, daß einzelne NRhizopoden nach vorausgegangener innerer Brutbildung lebendige, die behalten bereits mit PBanzern verfehene Zunge gebären, und es feheint ebenfo ausgemacht, daß die Schale ein Abjonderungsproduet der Thiere, Feineswegs eine Anfammlung fremdartiger Frag: mente iſt. Ueberhaupt fiheinen die befchalten Nhizopoden aus dem umgebenden Medium die Kalk: oder Kiefelerde an fich zu ziehen und zur Bildung ihrer Schalen zu verwenden. JInfuſions- oder Aufgußthierchen, Infusoria. Bei unfern erften Blick in’s Mikroffop fahen wir das Waller befonders von Gefchöpfen diefer Klaffe belebt. Bringen wir nun einen neuen Tropfen auf unfer Objectglas und darüber s A Gr ein möglichtt dünnes Dedgläschen, fo wiederholt fich in mehr oder weniger ähnlicher Weife das Schaufpiel. Aber auch jegt ift es gerathen, unter den verfchiedenen Formen diejenige für die Ber trachtung feftzuhalten, welche am wenigften den flüchtigen Charakter zeigt, vielmehr in gewiſſe Grenzen feftgebannt erfcheint. Dazu eignen fich die auf fefthaftenden Stielen fitenden Wefen, die ung bereits von früher her befannt find und von denen wir glüdlicher Weife auch jetzt wieder Gruppen antreffen. Im ausgeftrediten und entfalteten Zuftand erinnern uns die einzelnen Thierchen an Glocken— blumen, welche auf ſchlankem Blüthenftiele ſich zierlich wiegen, daher fie auh Glockenthierchen, Vorticellae, genannt werden. Plötzlich zuden die Thiere einer ganzen Gruppe zufammen, der Stiel windet ſich dabei ſpiralig auf, die Glode verwandelt fi) zum Fugeligen Ball; nad) einiger Zwifchenzeit aber ſtreckt ſich allmälig abermals der Stiel, der Ball wird wiederum zur Glode. Sept bemerfen wir im freien Glodenrand ein fonderbares Flimmern und vor demfelben im Waffer einen Strudel, von welchem die kleinſten noch fichtbaren Körperchen fortgeriffen werden. Bei genauerer Beobachtung entdeden wir als Urfache beider Erfcheinungen fehnell und in beftimmter Richtung fchwingende Bewegungen unzählbarer feiner Wimpern, welche an einer der Mündung entjprechenden, bald diefer fich anfchliegenden, bald von ihr abftehenden geftielten Scheibe, der Stirn oder dem Wimperorgane, in fpiraliger Anordnung befeftigt find. Bei jeder Zufammenziehung verjchwindet das Wimperorgan unter dem fich fchließenden Glodenrand, e8 verfchwinden die Wimpern und mit ihnen jede Spur des Flimmerns und des Strudels; der legtere ift mit feiner Spitze nach dem Thierchen gerichtet und zeigt deutlich Strö- mungen zu deſſen Körper und von demfelben ab; bisweilen endlich bemerft man, daß von ihm berbeigeführte Theilchen in einer feitlih am Rande befindlichen Grube durch eine Deffnung und einen kurzen Kanal in’s Innere des Körpers fchlüpfen und daß aus einer zweiten in eben dieſer Grube mündende Deffnung Ballen aus dem Innern treten. Die eine Deffnung in der feitlih vom freien Glodenrand hereintretenden Grube trifft man ganz richtig als Mund, den Kanal als Schlund an, die durch diejelben eintretenden Partikel— hen als Nahrung, den Wimperdedel als Strudelapparat, die ftrudelnde Bewegung als Bermittlerin der Nahrungszufuhr, doch zugleich der Ausfuhr der Nahrungsrefte, wohl auch als diejenige der Athmung, die andere Deffnung aber als Ausführungsmündung für die Auswurfsitoffe, als After. Sonft erkennen wir in dem äußerft contractilen, aber nicht wachsartig zerfliegenden,, von einer dichtern Haut begrenzten Körper diejelbe um eine Körperhöhle gelagerte Sarfode wie bei den MWurzelfüffern, mit contractilem Raume, zu diefen führenden zeitweife ſich erweiternden Kanälen, und Kern fammt Kernförperchen; im Stiele endlich einen contractilen Faden oder Muskel. Wer fentlich diefelbe, ja noch größere Einfachheit im Baue finden wir bei den übrigen Infufionsthierchen. Nirgends aber hat man, obwohl die betreffenden Funktionen den Infuforien keineswegs abgefprochen werden können, einen eigenen Athmungss und Abfonderungsapparat, außer dem Kern nirgends Mn Bes beſtimmt ausgeprägte Fortpflanzungsorgane und deren Produkte, nirgends (mit Ausnahme des contractilen Fadens im Stiele der Glodenthierchen) Muskeln oder Nerven oder (mit Ausnahme des fofort zu erwähnenden uhrglasförmigen Körpers) entichieden charafterifirte Sinnesorgane neuerdings aufzuweifen vermocht. Eine befondere Beachtung verdient aber die neuere Entdefung eines licht⸗ brechenden uhrglasförmigen Organes in der Nähe der Pigmentanhäufungen, welche man für Augen hielt und wirklich mit dem Namen „Augenpunkte“ belegte. Das Vorkommen eines lichtbrechenden Mittels dürfte bei den betreffenden Infuſorien auf Sehvermögen oder wenigſtens auf erhöhte Wahrnehmung der Lichteindrücke hindeuten. Uebrigens iſt die Anweſenheit des uhrglasförmigen Organs nicht von der Anweſenheit eines Pigmentfleckes abhängig, indem jenes oder dieſer ohne gleichzeitiges Vorkommen des andern auftreten kann, ſehr häufig aber auch beide fehlen. Nach dem Vorhandenſein oder Mangel eines deutlichen Mundes hat man die Infuſorien in Mundführende, Stomatoda, und Mundloſe, Astoma, getheilt und es wird dieſe Einthei⸗ lung noch durch ein zweites nicht minder bezeichnendes Merkmal geſtützt; den Mundloſen nämlich fehlt mit einziger Ausnahme den mit eckigen Schalen bekleideten Peridiniden, welche in einer queren Lücke der Schale einen ringförmigen Wimperkranz haben, durchgehends die Wimperbeklei⸗ dung, während die mit einem Munde verſehenen ohne Ausnahme eine ſolche beſitzen, daher die erſtern auch Nackte, Gymnica, die letztern Bewimperte, Ciliata, genannt werden können. Bei den Bewimperten find die Wimpern bald über den ganzen Körper vertheilt, bald auf einzelne Stellen befchränft und mehr oder weniger regelmäßig angeordnet; bisweilen gefellen fich zu den Wimpern noch Borften, Griffel, Hafen. Die Nadten fammt den Peridiniden haben allgemein geiffelförmige Anhänge, welche lebhaft im Waffer hin und her jchwingen und, gleich den Wimpern, Borften 2c. ꝛc., die Bewegung bewirken. Die leßtere ift in der Negel ein Schwimmen, feltner ein Kriechen oder Hüpfen, nie aber ein Fortfchieben oder Fortziehen durch Wurzelfüſſe. Die Infuforien find über die ganze Erde verbreitet, und einzelne Arten in den entfernteften Erdgegenden diefelbenz fie leben zum größten Theil im ſüßen Wafler und im Meere ; einige paras fitifch auf andern Infuforien oder in den Eingeweiden niederer oder höherer Thiere und find wie die Wurzelfüffer mifroffopifch Elein, zwifchen Ys — Yıooo”, jo daß von der kleinſten, z. B. unter den zu den Nackten gehörenden Monaden, möglicher Weife 500-1000 Millionen in einem Tropfen Waſſer bequem fich tummeln fönnten. Ihre Nahrung beiteht aus zerjeßten oder frifchen, todten oder Lebenden Drganismen, bejon- ders aus gleichfalls mifrofkopifchen Ihieren oder Pflanzen, und gelangt entweder wie bei den Glockenthierchen durch den Mund in’s Innere des Körpers oder wird im flüffigen Zuftande durch die Haut aufgefogen; bei einigen, den feftfigenden Acinetinen, kommen zu dieſem Zwecke bejondere ftrahlig abftehende Saugröhren vor, mit denen die Beute feitgehalten und ausgeſaugt wird. (Fig. 4. Acineta ferrum equinum, im Begriff, ein Exemplar von Enchelys farcimen auszujaugen, wel ches felbft ein Eleines Infuſorium verfchludt hat.) Die Infuforien verdanken ihren Namen dem I Umftande, daß fie fih in wäflerigen Aufgüffen oder Infufionen gewiffer pflanzlicher oder thieris iher Stoffe alsbald einftellen und hier erftaunlich vermehren. - Nach der jet ziemlich allgemein Herrichenden Anficht gelangen fie oder ihre Keime dahin mit der zu den Infufionen tretenden Luft. Es ift dies um jo wahrjcheinlicher geworden, feit man die außerordentliche Lebenszäbigfeit dieſer Gefchöpfe entdedt bat. Denn wenn durch Einwirkung der Sommerhite das Waller ihrer Wohnftätten verdunftet, wenn der Schlamm zur feſten Krufte erhartet oder zu Staub zerfällt und alles Leben erlojchen jcheint, erwedt die wiederfehrende Näſſe Myriaden und befreit fie aus dem engen Kerfer, in den fie fich vor Eintritt der mit Bertrodnung drohenden Kataftrophe auf die Tpäter zu beichreibende Weile eingefchloffen, aus dem Scheintod. Wie viele diefer eingeferferten (encyſtirten) faſt gewichtlofen Sufuforienförper, wie viele ihrer noch bei weitem Fleineren Keime mögen ſchon durch die bloße Verdunftung, gefchweige denn durch Winde in die Luft gehoben, über weite Streden nad) allen Richtungen getragen und fo verbreitet werden, daß ohne befondere Gautelen fein Gefäß mit Infufionen ihrem Zutritte verfchloffen bleibt. In der That follen fih auch niemals Infuforien einftellen in Aufgüffen, zu denen, nad) Vernichtung des in ihnen etwa noch vorhandenen organifchen Lebens durd Sieden, der Zutritt der Luft entweder gänzlich verhindert oder nur durch einen Apparat möglich gemacht iſt, in welchem ohne Veränderung der Luftmifchung (2) jede Spur organischen Lebens durch Schwefelläure oder andere äzende Subftanzen getödtet wird. In jedem offenen Wafferbehälter werden wir daher auch Infuſorien, freilich nach der ver— ſchiedenen Natur derfelben verſchiedene antreffen ; über alle Gegenden der Erde, mit einziger Aus- nahme der wenigen Localitäten, in welchen überhaupt fein organifches Leben gedeiht, werden wir fie verbreitet finden und die Atmofphäre als wichtigen Vermittler diefer Verbreitung und über- haupt als Träger unzähliger Keime organifchen Lebens zu betrachten haben. Früher dagegen glaubte man, überall da, wo in Zerfegung begriffene Thier- und Pflanzenz ftoffe bei Einwirfung hinreichender Wärme mit Waffer und Luft in Berührung fommen, überall da jei eine Quelle für neu fich bildendes und in verfchiedenen Richtungen ſich entfaltendes Leben, überall da entftehen auch wirklich Thiere und Pflanzen. Man nannte diefe Entitehungsweile Urs zeugung und erflärte durch fie alle räthjelhaften Fälle von unerwartetem und insbejondere majlenz haftem Auftreten gewiffer Gejchöpfe. Allmälig aber, wie fih die Summe der Entdeckungen über die Fortpflanzung und Vermeh- rung der organifchen Wefen, über ihre Entwidelung und Formenwechſel, über die Bedingungen ihrer Begünftigung oder Beſchränkung 2c. ꝛc. mehrten, wurde auch das Gebiet, auf dem ſich die Urzeugung bewegen follte, enger und enger umgrenzt. Am längften erhielten fich die Zweifel über die Entftehungsweife der Eingeweidwürmer, der Infuforien und ihrer nächiten Verwandten unter den Thieren, der Algen und Pilze unter den Pflanzen. Aber auch hier mehrte fich die Summe von Thatjachen, welche der unbedingten Annahme einer Urzeugung ungünftig waren, bis endlich “ 2 u nur die niederften Entwiklungsftufen in den genannten Abtheilungen der organifchen Schöpfung diefelbe zuließen. Hier aber weifen in der That einzelne neuere Entdeckungen Nägeli’s, Eder’s und Lebert’s die Entftehung verfchiedener Monaden-, Pilz» und Algenformen in lebenden, erfranften, abgeftor- benen und in Zerfeßung begriffenen organifchen Körpern, z. B. in der Stärke erkrankter Kartoffeln, in dem abgeftorbenen Dotter der Eier der Schlammfchneden, in dem Inhalte abgeftorbener Zellen der Arnleuchter oder Charen, wie in den verfchiedenen Entwicklungsformen des Seidenfpinners, unleugbar nad); und es find diefe Entdefungen um fo beachtenswerther, da die meiften den ganzen Entwickelungsgang der neu entjtehenden Wefen nach allen Details aufs Genauefte jchildern und auf beſtimmte Bildungsgefege zurüdführen. Schon die große Verbreitung der Infuforien deutet auf die wichtige Stellung hin, die fie im Haushalte der Natur einnehmen; noch entfchiedener wird diefe Bedeutung nachgewiefen durch ihre zabflofen , oft durch dicht gedrängtes Auftreten das Waſſer auffallend färbenden Mengen an geeigneten Pocalitäten des Meeres und Feftlandes, namentlich ſolchen, deren Gewäſſer reich find an organifchen, zum Theil in Zerſetzung begriffenen Stoffen; denn die Infuforien nähren fic) vor— herrſchend von legtern und tragen fo wefentlich zur Reinigung ihres eigentlichen Lebenselementes bei, während ihre Peiber eine unerfihöpflihe Nahrungsquelle für andere Bewohner des Waflers bilden, die ihrerfeits den größern zum Unterhalt dienen. Das maffenhafte Auftreten aber beruht wiederum auf ihrer großen Bermehrungsfähigfeit, rückfichtlich welcher in der That höchſt auffallend, ja fabelhaft Elingende NRefultate aufmerffamer Berechnung vorliegen. Nach einer diefer Berechnungen überfteigt bei einigen Arten die Nachfommenfchaft eines Individuums nach einem Zeitraume von vier Wochen die Zahl von 268 Millionen, bei andern im Verlaufe von etwa fieben Tagen die Summe von einer Million und wieder bei andern beträgt fie ſchon nach einem Tage 4096, nad) zweien 8 Millionen und nad) vieren 140 Billionen. Es ift aber diefe mafjenhafte Vervielfältigung in den meiften Fällen eine Vermehrung durch Theilung oder Knoſpung, felten eine Fortpflanzung durch Entwicklung junger Thierchen im Innern des Mutterthieres. Sie ift übrigens bei verſchie— denen Infuſorien verſchieden; alle drei Arten finden fich bei unfern Glodenthierchen,, welche wir daher wieder fpeciell in's Auge fallen wollen. Bei der erften Art nimmt das Thierhen an Umfang zu, zieht Stirn und Glodenrand am Borderrande ein und wird zum fugeligen Ball. Bald bemerkt man eine Theilung des bandfürz migen Kernes im Innern und an der Oberfläche eine Furche, welche den Körper von vorn nad ‚hinten umzieht und, von dorther immer tiefer werdend, in zwei Hälften theilt, denen der urfprüng- liche Stiel zur gemeinfamen Stüge dient. Nur eine diefer Hälften aber bleibt auf demfelben fiten ; denn nachdem die andere nahe dem Grunde einen Wimperkranz erhalten, löst fie fih ab und fchwimmt eine Zeit lang frei im Waller umher; endlich fest fie fich feft und bekommt ftatt des verfchwindenden Wimperkranzes ihren eigenen Stiel. So find bei dem Glodenthierhen a mr aus einem Individuum durch Theilung deren zwei geworden; auf diefelbe Weife geſchieht im Wefentlichen die Vermehrung bei der Mehrzahl der übrigen Infuforien, bald vom Kern einge leitet, bald den Kern erſt ſpäter treffend; meift beginnt der Theilungsproceh mit Neubildung eontractiler Blaſen. Nicht felten umgiebt fih das zur Ruhe gelangte Thierhen vor Eintritt der Theilung mit einer Gallerthülle, wie bei der weiter unten zu bejprechenden Fortpflanzung. Die Theilung aber wiederholt fich bald an den Hälften und an den Nachkommen diefer, unabhängig von Größe und Alter, jo daß in furzer Zeit zabllofe Maffen von Individuen hervorgebracht werden. (Fig. 5, 6, 7. Vorticella microstoma mit beginnender, fortgefchrittener und vollendeter Theilung, in 7. rechts der fich lostrennende Theilungsiprößling.) Nahe verwandt mit der hälftigen Theilung, welche hier als Längs-, dort als Querz theilung auftritt, bisweilen aber auch in fchiefer Richtung gefchieht, ift die zweite Vermehrungsweife, welche mit dem Namen Knofpung belegt wird. Unſer Glodenthierchen treibt an irgend einer Stelle des Körpers eine Anfchwellung hervor, welche eine Ausſackung der Berdauungshöhle des Mutterthieres aufnimmt, allmälig in Geftalt und Bau dem legtern ähnlich wird, dann wor dem dünnern Grunde einen Wimperkranz befommt, darauf fich ablöst, nad) längerem oder fürzerem Herumſchwimmen im Waſſer ſich endlich feftjegt, einen Stiel erhält und zum vollfommenen Glocken— thierchen wird. (Fig. 8. Vorticella mierostoma mit junger Knofpe und reifem Knofpenfpröfling.) Zur dritten Bervielfältigungsart trifft das Glodenthierchen gleichfam eine befondere Vor: bereitung. Nachdem es die bewimperte Scheibe zurüdgezogen und den Glodenrand darüber geſchloſſen, nimmt es eine Fugelige Geftalt an und fondert an feiner ganzen Oberfläche eine gallert- artige, allmälig feiter werdende Maffe ab, welche eine ringsum gejchloffene Hülle oder Kapſel, oder nach dem gebräuchlichen Ausdrud eine Cyſte bildet; es encyftirt ſich. Anfangs erkennt man durch diefe Cyſte noch den Kern und die Bacuolen; bald aber wan— delt fich der eingefchlojfene Körper in eine einfache Blafe ohne erkennbare Organe, die Mutter: blaf e, um; dieje erhält einen oder mehrere Fegelfürmige Vorjprünge, von denen wenigſtens einer die Cyſte durchbricht und, an der Spitze berftend, eine Menge Fleiner monadenartiger Wefen aus— treten läßt, welche fid) bald im Waſſer zerftreuen ; oder es trefen in der Mutterblaje große Kugeln, Tochterblaſen, auf und diefe treiben die Eyfte durchbrechende und an der Spiße beritende Fortjäge, aus denen der gallertartige Inhalt ſammt der Brut der Embryonen entleert wird. (Fig. 9, 10, 11. Cyſte von Vorticella microstoma, 9. mit nod) ziemlich glatter, 10. mit in vier fegel- förmigen Fortfäßen hervorgetretener, 11. mit ihres gallertartigen, lebendige Brut enthaltenden Inhalts entleerter Mutterblafe.) Lebtere aber entftehen wahrfcheinlich im Kerne oder in Theilen desfelben, trennen fih fpäter von einander und treiben ſich eine Zeit lang in der gallertartigen Maſſe der Mutterblafe oder der Tochterblafen herum. Während hier und in einigen andern Fällen die Embryonenbildung in eneyſtirten Thieren gefchieht, erfolgt fie fonft vielfach ohne vorausgegangene Encyftirung. Hier geht fie entjchieden im — — Kerne oder einem Theile desſelben vor ſich und wird gewöhnlich durch eine Theilung desſelben eingeleitet; dieſer aber iſt von einer beſondern Haut umſchloſſen und enthält im Innern eine Höhle. An oder in der Wand des Kernes oder eines Theilungsproductes desſelben bemerkt man bisweilen kleine runde Kügelchen, welche an Größe zunehmen, eine contractile Blaſe bekommen, zu Embryonen werden, endlich mit Wimpern verſehen aus dem Mutterthier hervortreten und frei umherſchwimmen. Es können ſich in einem Thiere ein oder mehrere bis viele Embryonen ent— wickeln und dieſe haben meiſtens eine von der des Mutterthierchens abweichende Geſtalt; welches weitere Schickſal aber dieſelben nach ihrer Geburt haben, iſt für die meiſten noch nicht bekannt. Einer der Fälle, in welchen die weitern Vorgänge durch die neueſten Entdeckungen ermittelt ſind, betrifft den Schwärmſprößling der Acineten und verwandter Thiere, z. B. der Podophryen, welche man eine Zeit lang für Entwickelungsformen encyſtirter Glockenthierchen gehalten hatte. Der im Innern der Acinete oder Podophrya vom Kerne aus gebildete eiförmige Schwärmſprößling (Fig. 12. Eine Podophrya mit noch eingefchloffenem, aber bald austretenden Schwärmfprößling ; Fig. 13. ein freier Schwärmfprößling), welcher vor dem fehmälern Ende mit einem Wimperfranz, an dem weitern dagegen mit einem Munde verjehen it, gelangt, nachdem er ausgetreten und eine Zeit lang frei im Waffer herumgefhwärmt, zur Ruhe, verliert feine Wimpern und entwicelt die firahligen Nüffel oder Saugröhren, die ihn als Ueinete oder Podophrya charakterifiren. Während die gefchilderten Vorgänge auf Vermehrung und Fortpflanzung abzielen, ericheint die bisweilen mit diefer verbundene, oft aber auch ohne diejelbe erfolgende Encyſtirung vorzüglich als Schugmittel gegen Äußere ungünftige Berhältniffe, wohin namentlich das Gefrieren und die Austrodnung der Wafferanfammlungen, in welchen Infuforien leben, zu rechnen find. Eine bis dahin räthſelhafte Erſcheinung ift endlich noch die zeitweife Verbindung zweier oder mehrerer gleich artiger Infuforien, z. B. Podophryen durch Aneinanderlegen, die Gonjugation. (Fig. 24. Zwei Podophryen in Gonjugation getreten.) ? Am Schluffe diefer Andeutungen über die Infuforien mag es genügen, kurz noch anzuführen, daß diefe Gefchöpfe, von denen einige rothgefärbte Arten an dem fonderbaren Phänomen gewiſſer Blutregen betheiligt find, meift getrennt, feltener zu gefelligen Vereinen verbunden, nie aber zu Ketten verwachfen auftreten, daß fie nur felten gepanzert erfcheinen und daß ihre Panzer als orga- nifche Grumdlage zwar gleichfalls eine homartige Subftanz, als eingebetteten unorganifchen Stoff dagegen ftatt des in den Rhizopodenſchalen vorherrfchenden kohlenſauren Kalkes Kiejelerde enthalten. Solche Kiefelpanzer befigen die jchon früher erwähnten Peridiniden (Fig. 15. Peri- dinium tripos), welche aus der Periode der Kreide, deren Feuerfteinfnollen zum Theil aus Kiefel- panzern hierher gehörender Arten beftehen, in unfere Schöpfung hereinwagen und in der legtern mit andern Infuforien an dem vielfach von Reifenden und Naturforichern in begeifterter Sprache gefchilderten, übrigens auch von verjchiedenen andern Seethieren erzeugten Leuchten des Meeres Antheil haben. — — Bacillariae, Kieſelſtäbchen. Im Vorbeigehen ſei auf jene merkwürdigen Weſen hingedeutet, welche als Bacillarien, Stabthierchen, früher faſt durchgehends (jegt noch von Manchen) den Infuſorien beigezählt wurden, neuerdings aber eben jo allgemein als Diatomeen, Spalt- oder Stüdel-Algen im Pflanzenreiche den einzelligen Algen eingereiht werden, weil diefe Wefen in geologijcher Hinficht mit den Rhizopoden, Infuforien und Waſſerſchwämmen aufs Innigfte verbunden find. Sonderbar Ichwingende und gleitende Bewegungen, eine fiefel- , bisweilen zugleich eifenhaltige, mehr oder weniger edige und gewöhnlich durch Streifen bezeichnete Hülle und in der Regel eine äußerft geringe Größe, verbunden mit einer erftaunlich raſchen Vermehrung durd) Theilung , find für die jelben charafteriftiiche Merkmale. Zu diefen Eigenschaften ftehen die Unverweslichkeit und Unauf- löslichkeit, die Umverbrennlichfeit und Unſchmelzbarkeit, die Feftigkeit und Härte fowie die Leich- tigfeit ihrer Hüllen in genauer Beziehung und erklären zur Genüge die auffallenden Erſcheinungen in Vorkommen, Verbreitung und Verwendbarkeit der letztern. Wir begreifen es nunmehr, daß durch exceſſive Vermehrung ihrer Hüllen Hafenbecken und Flußmündungen verſchlammen, daß maſſige Lager der jetzigen und früherer Schöpfungen entweder allein oder doch zum Theil aus dieſen beſtehen, daß die letztern an der Bildung der Feuerſteine und Halbopale einen bedeutenden Antheil haben, daß fie vielfach im Humus ſich finden, mit bacil— larienreichen Erden in den Berdauungsfanal gewifler Vögel gelangen und dann im Dünger diejer Vögel, dem jogenannten Guano, vorkommen, dag fie ſelbſt in Aſchenausbrüchen thätiger. Vulkane ganz wohlerhalten fich finden, daß fie fchwebend in der Luft durch deren Strömungen nad allen Richtungen verbreitet werden und namentlih im Paffatftaube eine bedeutende Rolle ivielen, daß fie, oft durch atmoſphäriſche Niederfhläge, mit vielfachen andern mifroffopifchen Gebilden, 3. B. Blumenftaub und Bärlappfamen im jogenannten Schwefelregen oder mit dem aus Fadenalgen befte- henden, dichten und bisweilen auch dien Ueberzuge ſumpfiger Wiefen, Wiefenpapier, gelegentlich vom Winde emporgewirbelt, dann ald Meteorpapier wieder zur Erde gelangen x. x., daß fie in einer Meerestiefe von 12,900° unter dem Drude von vielen Atmofphären zu exiſtiren vermögen, daß die von ihnen gebildeten Kiefelguhre, Bergmehle, Polirfhiefer, Tripel x. ꝛc. zum Poliren des Silbers und ſelbſt härterer Subftanzen ſowie zur Bereitung des Glafes und zur Darftellung äußert leichter, auf dem Waſſer ſchwimmender Baditeine ſich eignen, daß einzelne aus ihren Hüllen gebildete Maſſen als färbender Ocker, möglicherweife jogar zur Eifengewinnung verwendet werden . Lönnen x. ze. Eine Erſcheinung aber ift immer noch unerklärt, wie es nämlich fomme, daß Berg- mehle und einzelne bacillarienreiche Erden in manchen Ländern regelmäßig von den Gingeborenen gegeffen werden. Doch verlaffen wir die Gruppen der Rhizopoden, Infuforien und Diatomeen, bei deren Skizzirung wir vorzüglich den trefflichen Arbeiten eines Ehrenberg, Mar Sigm Schulge, ———— Stein, Claparède, Lieberkühn und Lahmann gefolgt find, und wenden wir und zu der Naturgefchichte der Waſſerſchwämme, Spongiae. Aus der bedeutenden Menge hierher gehöriger Bildungen find der gemeine Waſchſchwamm des mittelländifchen, rothen und indifhen Meeres, fowie der gefchäßte Badeſchwamm von den amerifanifchen Küften allgemein befannt. Der eritere wurde jchon von den Griechen und Römern, wie bei ung noch, vielfach zu häuslichen Bedürfniffen und Heilzweden verwendet und die Soldaten trugen ihn wegen feiner Glaftieität als Schugmittel gegen die Gewalt der Hiebe unter Helmen und PBanzern. Bon jeher fielen fie durch ihren lodern und poröfen Bau, durch ihre Eigenfchaft, begierig Waſſer einzuziehen, durch ihre Leichtigkeit im trocknen, durch ihre Schwere und größere Ausdeh— nung im getränkten Zuftande auf und gaben die wejentlichen Merkmale für den Begriff des Schwammigen. 1 In ihren äußern Formwerhältnifien ähneln die Spongien auffallend den Korallen des Meeres, zum Theil auch den Schwämmen unferes Landes. Bald find fie Maffen von unbeftimmter wechfelnder Geftalt, bald teller⸗, trichterz, becher- oder keulenförmig, bald fugelig, bald röhrig oder ſackförmig, bald einfach, bald durch fingerartige Vorfprünge handförmig oder durch widerholte Berzweigung baumartig veräftelt; nach der Beſchaffenheit ihrer Querdurchmeffer aber erfcheinen fie theils rund, theils flach, theils die, theils dünn. Ebenſo verfchieden ift ihre Größe, welche von faft mifroffopifchen Verhältnifien bis zu einer Höhe von einem Fuß, bisweilen felbft beträchtlich darüber fich erheben kann. Auch die Maffe ihres Körpers ftellt fi) verfchieden darz bald ähnelt fie der Subftanz des Hornes, bald der des Knorpels oder Korkes ꝛc. Dabei ift fie feft oder weich und im getrodneten Zuftande entweder brüchig Ipröde, oder nachgiebig biegfam und zufammendrüdbar. Die gröbern, mit bloßem Auge wahrnehmbaren Structurverhältniffe find nicht minder man— nigfach, von faft compactem Anfehen finden ſich allmälig Uebergänge durch das Filzige, fein und grob Poröfe bis zum lodern Zartmafchigen. Die feinere Structur der Schwämme läßt fih auf folgende Momente zurüdführen. Gewöhnlich beftehen diefelben aus einem Negwerfe hornartiger Fäden oder Balken, die ſich nach allen Richtungen durchflechten und fo ein Syſtem unter ſich ver bundener Mafchen darftellen. In diefe Fäden oder Balken find bei vielen Schwämmen in großer Anzahl verfchiedengeftaltete, meift nadelförmige Gebilde, Shwammnadeln, Spieula, aus Kiefel- oder feltener Kalkmaſſe eingelagert. Bei den Schwänmen des füßen Waſſers, Spongillae, bei deren Schilderung wir den gründlichen Unterfuchungen Lieberfühn?g folgen, werden die Kiefel- nadeln an ihren Enden durch ein befonderes Berbindungsmaterial zufammengehalten und find im Weitern fo angeordnet, dag ihrer mehrere zu einem Stabe zufammentreten, welcher fich mit feinen a ae Spigen an die Spigen gleicher Stäbe unter einem ftumpfen Winkel anſchließt. Solche Stabreihen ragen nach außen etwas über die Dberfläche des Schwammes hervor und find unter einander wieder durch Nadelgruppen verbunden. Die Geftalt der Nadeln ift bei verfchiedenen Schwammarten, bisweilen felbft beim gleichen Schwamm verfchieden, bald gerade, bald gekrümmt (Fig. 16. Gebogene Nadel aus dem Gerüſte eines Seefchwammes aus dem mezieanifchen Meerbufen bei Florida), bald an beiden Enden zuge: fpigt, bald an einem Ende mit einem Knöpfchen verfehen, bald ftatt des letztern in eine zweis oder dreizinfige Gabel übergehend (Fig. 17. Dreizinfige Nadel des gleichen mericanifchen Seeſchwammes, dje eine Zinfe abgebrochen), bald drufenartig drei- oder mehrftrahlig, bald krükenförmig ze. ac. Ihre Oberfläche ift entweder glatt oder mit Höckern oder Dörnchen befegt. Eben fo wechjelnd ift ihre Größe bei verfchiedenen Schwammarten; finden fich bei ein und derfelben Schwammart vers fchiedenartige Nadeln von ungleicher Gejtalt, jo weichen fie gewöhnlich auch in Größe ab. Im Innern erjcheinen fie vom todten Schwamme nicht felten der Länge nach von einem Kanale durchſetzt. Das hornartige Nebwerf und die Nadeln find beim länger abgeftorbenen und namentlich beim getrodneten Schwamme die einzig deutlich zu erfennenden Beftandtheile ; beim lebenden, in feinem Elemente unterfuchten dagegen bilden entweder jene allein, oder beide zufammen ein feftes Gerüfte für die lebende Subftanz des Schwanmes, nämlich für eine gallertartige, in Confiftenz dem Eiweiß ähnliche Mafje, welche ſämmtliche Mafchen des Negwerfs erfüllt, felbft aber einzelne Höhlen und Kanäle zwifchen fich läßt und vom Gerüfte abfließt, wenn der Schwamm aus dem Waſſer genommen wird. Diefe Maſſe befteht aus mifroffopifchen Bläschen oder Zellen, welche bei den Süßwaſſer— jhwämmen während des Lebens, feien fie noch in gegenfeitiger Verbindung oder getrennt, fich unabhängig von einander wie Amöben oder Wechſelthierchen bewegen, im Innern nach Carter je einen oder mehre contractile Räume haben ſollen, zur Ruhe gekommen aber jedes deutlich Kern und Kernkörperchen oder doch das letztere unterſcheiden laſſen. (Fig. 48. Spongillenzelle mit Kern und Kernkörperchen und amöbenartigen Fortfägen.) Aufer den erwähnten Bläschen kommen bei den Spongillen im Frühling noch andere vor, welche auf einem Theile ihrer Oberfläche eine Art Wimpern tragen, mitteljt derfelben fehnell von der Stelle rüden und an der wimperfreien Seite amöbenartig Fortjäge hervorftreden und wieder einziehen. Diefe amöbenartigen Zellen liegen in einer ſchleimigen Zwifchenfubftanz, welche von ihnen abgefondert wird und Rd zum hornartigen Gewebe des Gerüftes umgeftaltet. An diefe Lebensäußerungen der einzelnen Zellen reiht fidy eine zweite nicht minder aufs, fallende Erſcheinung, die auf einen lebendigen Verkehr des Schwammes mit dem umgebenden Mes dium und deſſen Inhalt deutlich hinweist. An feiner Oberfläche bemerkt man nämlich, Deffnungen, welche in die oben erwähnten Höhlen und Kanäle führen. Die Deffnungen find von zweierlei Art, vereinzelt ftehende große und mehr oder weniger zahlreiche, oft faſt allgemein verbreitete kleine. SE ME Erſtere befinden fich öfter am Ende vöhriger, oder kegeliger Vorſprünge, find verfchließbar und laffen aus dem Innern einen Flüffigkeitsftrom hervortreten, der viele Kleine, zum Theil feite Theil- chen mit ſich fortreißt, legtere dagegen nehmen zeitweife mit Waſſer fremde Subftanzen auf, welche durch die Kanäle und Höhlen der Gallertmaffe nad) allen Richtungen verbreitet werden. Bon diejen beiden Strömungen vermittelt die zweite die Nahrungszufuhr zu den lebenden Schwammzellen, die erfte dagegen die Entfernung der Auswurfstoffe; beide im Vereine mögen wohl auch zur Unterhaltung des Athmungsprozeffes dienen. Sie jelbjt aber werden, entichieden wenigjtens bei manchen Schwänmen, durch lange, bejtändig hin und her jehwingende Fäden oder durch Fürgere oder längere Wimpern erzeugt, die an befondern, die Gallertmaffe gegen die Kanäle und Höhlen im Innern begrenzenden Zellen, jene einzeln, dieſe in größerer Anzahl fetfigen und an die geiffelförmigen Fortfäge und Wimpern erinnern, mitteljt deren fich die Infuforien im Waſſer bewegen oder in demjelben eine ftrudelnde Strömung erzeugen. Das fefte Gerüfte dient bei den Schwämmen offenbar dazu, die Functionen der Schwanmz zellen möglich zu machen und es dürfte daher leicht die Anficht entftehen, daß Gerüft und Schwammz zellen ungertrennlich verbunden jeien. Indeſſen haben wir ſchon oben gehört, daß an dem aus dem Waffer genommenen Schwamme die aus leßtern bejtehende Gallertmaſſe abfliept und die Erfahrung lehrt, daß nicht jelten bloße Gerüfte ohne alle Spur von Schwanmzellen im Waſſer fich finden. Sn der That hat man gefunden, daß die thierifche Maffe des Schwammes unter gewiſſen Verhält— niffen fich ganz oder theihweife vom Gerüfte ablöst; es geichieht dieß entweder vor dem Abfterben oder vor Eintritt eines längern Ruhezuftandes der lebendigen Maſſe. Uns intereffirt hier nur der leßtere, weil er die Erhaltung der Schwammzellen bezweckt, gleichzeitig eine befondere Art von Vermehrung der Schwämme einleitet und mit einem Proceſſe verbunden ift, den wir bei den Infuforien als Gneyftirung fennen gelernt haben. Bei unfern Spongillen erfolgen diefe Vorgänge befonders im Herbfte. Die vom Gerüfte abgelöste Maffe bildet nämlich Eleinere Haufen von Schwanmzellen, von denen jeder im weitern Verlaufe eine fugelige, bei andern Schwämmen bisweilen eine ovale Geftalt annimmt, ſich mit einer befondern Haut und darüber mit einer entfprechend geftalteten Hülle oder Kapjel umgiebt. Jeder ſolche Verein von Schwammzellen in feiner umfchliegenden Kapfel wird mit dem Namen Gemmula (Knöſpchen) belegt und erjcheint bisweilen no dem bloßen Auge als winzig Eleines Pünktchen ; unter dem Mikroſkope aber läßt die Gemmula je nach der Schwammart verjchiedene Eigenfchaften und davon abhängig Zeichnungen der Oberfläche erkennen. Denn die Genmulafapfel wird von einer Krufte gebildet, die aus dicht gedrängten und bis- weilen ſehr eigenthümlich geftalteten Formen von Schwammnadeln befteht. Bald treten diejelben bei einfacher Geftalt wenig oder kaum über die Oberfläche hervor, bald find fie kurze pfriemliche, bald längere nadelförmige Stacheln, bald erfcheinen fie als Fegelige Zapfen, bald (bei mehreren Spon- gilfen) als Doppelfcheibchen, Amphidisfen, welche durch einen Zwifchenftab, wie zwei zufammen- ie A —— gehörende Räder durch die gemeinfame Achſe, verbunden find x. ꝛc. Nach diefen Verhältniffen erfeheint die Oberfläche dev Gemmulafrufte glatt, aber in der Negel zierlich getäfelt oder igelartig ſtachelig, nicht höderig ze. (Fig. 19. Gemmulen aus dem megicanifchen Seeſchwamm, deffen Nas deln in Fig. 16 und 17 abgebildet find, in der Vergrößerung, wie diefe; Fig. 20 diefelben Gem: mulen, noch mehr vergrößert, um die Zapfen oder Dornen der Krufte deutlich hervortreten zu laffen. Fig. 26. Amphidisfus aus Spongilla erinaceus.) Die verfchieden geftellten Schwammnadeln, welche die Gemmulafrufte bilden, entwideln fi übrigens, wie die Nadeln des Gerüftes, in befonz dern Zellen (Fig.23, 24, 25. Amphidisfen in Bläschen, wie fie auf den fich bildenden Gemmulen vorkommen), was darauf hinweist, daß die Umhüllung oder Eneyftirung der Schwantmzellenhaufen von einem Zellenbildungsproceß begleitet it, während, wie beim Gerüfte des Schwammes, als Ab- fonderungsproduet der Zellen ein Zwifchenzellenjtoff entiteht, welcher die Verbindung der Nadeln vermittelt. Sn der Gemmulafrufte befindet fich ftets eine Fleine Deffnung, Borus, durch welche fpäter diefelben Weſen, welche die Grundlage zur Gemmula gegeben haben, freilich nach gewiffen Verän- derungen, die fie eingegangen, bei unfern Spongillen im folgenden Frühjahr, ausfriechen. (Fig. 21. Eine durchfchnittene Gemmula von dem mehrfach erwähnten mericanifchen Seeſchwamm; oben ift der Porus, unter den zapfenförmigen Nadeln dagegen die Gemmulahaut fichtbar. Fig. 22. Zelle aus einer Spongillengemmula, mit Bläschen gefüllt.) Während im Winter die aus der Gemmula ausgepreßte oder von felbjt ausgetretene Maffe zerfloß und Feine Lebensäuferung darbot, zeigt fich diefelbe im März deutlich zellig und die Zellen bewegen fich wieder amöbenartig. Endlich erfolgt in mehrtägigem Zeitraum aus dem Porus hervor der Austritt der Schwammzellen , welche fich in der Umgebung der Gemmula feftiegen und ausbreiten. Allmälig fließt der Inhalt der verſchie— denen Gemmulen zufammen, jo daß man bald die urfprünglichen Grenzen der einzelnen Gruppen nicht mehr erkennt; es zeigen fich die erften Spuren der Nadelbildung und es beginnt der Aufbau neuer Schwammmaſſe unter Zellentheilung und Bildung neuer Nadeln. Wir gehen bier in diefen Borgang nicht fpecieller ein, da wir ihn fpäter bei Gntwidlung der Schwärmfpore zu betrachten haben. Borherrfchend an der Bafis des Schwammes, welche auch von den Gemmulen befonders gerne eingenommen wird, erfcheinen bei Spongillen zeitweife in ungeheuern Mengen kleine, meift aber mit bloßem Auge noch wahrnehmbare, mit einer Schleimumhbüllung überzogene fugelige Vers eine mifroffopifcher, ebenfall® meift fugeliger, felten linfenförmiger Körperchen. Man hat die legtern Keimförner (Fig. 27, 28, 29. Keimförner von verfchiedener Größe), die erftern aber Keim— förnerconglomerate genannt. Die legtern find größer oder Kleiner und diefe laffen bisweilen, ohne ſich indeß vom Drte zu bewegen, durchfichtige Fortfäße hervortreten und wieder verfchwinden. In einzelnen Fällen famen Fleine Keimförperconglomerate vor, welche außer feinen Körnchen 3 ee Syn einen Kern mit eingefchloffenem großen Kernförperchen enthielten und wahrfcheinlich ald Eier anzus fehen fein dürften (Fig. 30. Ein Ei). Es erjcheint diefe Deutung um fo mehr begründet, als man bei den Spongillen außer dieſen Keimkörnerconglomeraten noh von Schwammzellen rings umlagerte Fugelige Behälter mit durchſichtigen Hüllen gefunden hat, welche lange, mit einem. Köpf— hen verfehene Fäden, Shwärmfäden, (Spermatozoiden) enthalten, die fih in ihrem Behälter ſehr fehnell Hin und her bewegen, bis dieſer an einer Stelle aufplagt, dann aber in größern oder Hleinern Gruppen unter beftändigem Hinz und Herſchwingen der Fäden nach den verfchtedenften Richtungen aus einander ſchwimmen. (Fig. 31. Behälter der Schwärmfäden; Fig. 32. einige der leßtern in verjchiedenen Entwickelungsſtufen.) Sind die zulegt erwähnten Keimförnerconglomerate wirklich Gier, dann würden fie von den Schwärmfäden befruchtet und den Urfprung zu den jofort zu betrachtenden Schwärmfporen oder bewimperten Embryonen bilden ; indem der Kern (das Keim bläschen) verfchwände und die Körnchen zu Keimförnern würden. Gegen Ende des April nehmen die Keimförnereonglomerate unferer Spongillen eine ovale Geftalt an, erhalten eine aus bewimperten (je mit einer Wimper befegten) Zellen gebildete Ober⸗ haut und unter derfelben zwei verfehledene Schichten, von denen die äußere, die Rindenſubſtanz, eine gallertartige Umbüllung rings um die innere, die Markmaſſe, bildet, während dieje ein waſſerhelles Vorderende und ein blendend weißes Hinterende mit Kiefelnadeln, bisweilen mit uns veränderten Keimförnern und ſonſt mit verfchiedenen andern Inhaltstheilen zeigt, und fangen an fih zu bewegen. Diefe aus den Keimförnerconglomeraten hervorgegangenen bewimperten Embryonen wers den auch Schwärmfporen genannt. (Fig. 33. Berwimperter Embryo oder Schwärmſpore; Fig. 34. Stückchen feiner bewimperten Oberhaut.) Mittelſt ihrer Wimpern ſchwimmen ſie in den verſchiedenſten Richtungen umher; zeitweiſe treiben ſie ſich an der Oberfläche herum, dann gehen fie in die Tiefe, gleiten dem Boden entlang, erheben ſich wieder in die obern Schichten der Flüſ— ſigkeit zc. ꝛc. Sie ſchwimmen in geraden Linien, öfter drehen fie fi auch im Kreife herum; treffen zwei Exemplare zufammen, fo ſchwimmen fie oft Minuten lang an einander herum und entfernen ſich wieder; oft bleiben fie eine Zeit lang unbewegt und beginnen dann ihre Bewegungen von Neuem. Stehen fie Hl und man ftößt fie an, fo ſchwimmen fie fort. In folhem Zuftande halten fie fich meift einen, zwei bis acht Tage, dann aber ftellen fie ihre Bewegungen ein und liegen loſe am Boden des Gefüres. Jetzt verlieren fie ihre Wimpern, ergießen einen größern und verschiedene Kleinere Durchfichtige Fortfäge, verlieren die ſcharfe Scheidung zwifchen Rindenſubſtanz und Markmaſſe und erſcheinen wie eine Amöbe, mit Keimkörnern und Schwammnadeln, hin und wieder auch mit kleinen Va⸗ euolen im Innern, fließen langſam Hin und her, dehnen ſich aus und ziehen ſich wieder zufammen und treiben bisweilen auch zadige Fortfäge. Bald breiten fie fich nach allen Seiten aus und = wi erscheinen durchfichtig an der Peripherie, weiter nad innen aber mit Körnchen, Keimkörnern und unregelmäßig durcheinander liegenden Schwammnadeln erfüllt, legtere bisweilen mit ihren Spitzen bis an den durchfichtigen Rand hervortretend. Die Keimkörner aber zerfallen in kleinere Stüde und erhalten zulegt das Anſehen von Schwanmzellen. Nun vermehren fih die Nadeln und nehmen beftimmte Stellen ein; die meiften liegen in der Mitte zu mehreren Bündeln vereinigt und erheben ſich mit ihren Spigen. Die Keimförner aber löfen fich völlig in eine Maſſe von Körnchen auf, welche in Haufen von der Größe der Spons gillenzellen zufammengelagert find (Fig. 35. Körnerhaufen aus dem zerfallenden Keimforn entitanden); und es ericheinen in ihrem Innern ein Kern mit Kernkörperchen. Die am Rande gelegenen Haufen ändern bisweilen ihre Form, bilden jpige und ftumpfe wieder verſchwindende Fortfäge und zeigen im Innern außer Kern und Kernförperchen nod Die fugeligen Anfänge junger Kiejelnadeln von der Größe der legtern und neben diejen fugelige Körperchen, welche gegenüberliegende kleine ſpitze Auswüchſe befigen, die wiederum bei andern fo lang erjcheinen, daß das ganze Körperchen die Form einer in der Mitte kugelförmig aufgefchwollenen Kiejelnadel hat (Fig. 36. Kiejelbildungen aus Schwärmfporen; Fig. 37. junge Spongillenzelle mit Kern und Kernförperchen und einer Fleinen Kiefelnadel im Innern). So jihreitet das Wahstyum der Kiefelnadeln, denn als jolche erweiſen fie ſich, durch ihre Feuerbeftändigkeit, fort nicht blos in ‚Länge jondern auch in Dide und in gleicher Weiſe wächlt auch die Spongille jelbft. Mehrere Wochen nach dem Zurrubefommen und Abjegen der Schwärmfporen hat die junge Spongille an Breite etwa um die Hälfte, an Höhe vielleicht um das Sechsfache der urjprünglichen Größe zugenommen ; die Nadeln haben die charafteriftifche Lage wie bei den Spongillen und ragen, in Bündeln zu dreien und mehren vereinigt, über die Oberfläche hervor; dieje Bündel aber find wieder durch einzelne Nadeln oder durch Nadelbündel unter einander verbunden. Die einzelnen Bündel aber werden durd eine mehr oder weniger deutliche Haut oder Hüllſubſtanz zufammen- gehalten und zum Schwammgerüſte vereinigt. An vielen jungen Spongillen, feien diefelben hervorgegangen aus den vorher in Gemmulen eingefchloffenen Schwammzellen oder aus den durch Keimförnerconglomerate entwidelten Schwärm- fporen, bemerft man eine fegelförmige, fpäter röhrige Hervorragung, welche von einer gallertartigen Hüllſubſtanz mit eingebetteten Schwammzellen und Kiefelnadeln gebildet wird, ‚bei Bewegungen des Waſſers hin und herfchwingt und eine Freisförmige, verfchließbare Deffnung wahrnehmen läßt. (Fig. 38. Junge Spongille, acht Wochen nach dem Abwerfen der Wimpern.) Wir fennen diejen Apparat ſchon aus dem Obigen; aus feiner Deffnung ftrömt auch hier beftändig Waſſer aus und fortwährend werden in furzen Zwifchenräumen Heine Stücdchen von zerfallenen Subſtanzen, bie- weilen auch Bacillarienfchalen mit großer Heftigfeit ausgeftogen. Die röhrenfürmigen Fortläge jelbft werden mitunter, jedoch äußerſt langſam bis zum Verfchwinden auf längere oder Fürzere ee — Dauer eingezogen. Die Aufnahme von Subftanzen aber gejchieht Hier durch eine oder zwei Deff- nungen in einiger Entfernung von der Fegelförmigen Erhebung; aufgenommene gefärbte Subftanzen, z. B. Theile von abfichtlich dem Waſſer zugeſetztem Garmine fanden ſich fpäter im Innern der Schwanmzellen. Ausftopung und Aufnahme erfolgen bei den jungen Spongillen in einer Weife, daß der ganze Vorgang durch Wimpern bedingt jcheint. An den unverfehrten Spongillen fonnten zwar feine folhen aufgefunden werden, an zerfalerten Spongillenftücen aber zeigten fich ſpäter einzelne Wimperzellen, jede mit einer langen dünnen Wimper, amöbenartige Stüde mit Wimperzellen und Stüde von der Ausdehnung einer großen Schwammzelle, im Innern mit einer runden Höh— lung, die vollftändig mit einer einfachen Lage von Wimperzellen bededt war. An jungen Spon: gillen trennten fich bisweilen eine oder ein Gonglomerat von mehreren Zellen langſam vom Ger fammtförper und zeigte noch nach mehreren Stunden amöbenartige Bewegungen. Hierher gehören vielleicht aucd) die jonderbaren Erfcheinungen, welhe Carter an fih entwidelnden oftindifchen Süßwaſſerſchwämmen beobachtet hat und folgendermaßen fchildert : In einem Falle jah er eines dieſer amöbenartigen Wejen fih einem Gallertförper nähern, der einem trägen oder todten der gleichen Art einigermaßen ähnlich jah und ihm an Größe gleich- Fam; nachdem ex fich jo geftrecdkt hatte, daß er denfelben umgürtete, fandte er von beiden Seiten und unter ihn Fortfäße, welche, fich mit einander verbindend, zulegt längs ihrer ganzen Ausdeh— nung mit einem völligen Aneinanderjchliegen der beiden entgegengefegten Ränder des Zellenwalles endeten und den Einſchluß des Gegenftandes in die Duplicatur vollbrachten. Im gleichen Zeit punfte, als das amöbenartige Geſchöpf feine Subftanz in eine gejchloffene Kapfel ausbreitete, um einen jo großen Gegenftand zu umfaffen, ward von ihm eine röhrige Verlängerung in einer andern Richtung ausgefandt, um auf gleiche Weiſe einen nahe liegenden Spongillenfeim zu fangen und einzufihliegen. Nachdem das Geſchöpf fich beider Gegenjtände verfichert, verfolgte es etwas lang- famer als vorher feinen Weg, aber noch mit großer Lebhaftigkeit feine zahlreichen Fortſätze vorz treibend. Es brauchte etwa %, Stunden, um beide Zwede zu erreichen. Nicht felten beobachtete Carter Kämpfe zwiichen zweien diefer fonderbaren Weſen; dann umfchlangen fich die Kämpfer, wenn fie faft gleiche Größe hatten, auf furze Zeit und trennten fich wieder; wenn aber der Unterfchied in der Größe bedeutend war, dann verfchlang der größere den Heineren ohne Schonung. Einmal jah er ein ſolches Weſen ein Eleines mit feinen fingerförmigen Fortfägen fangen und diefes unter feinen Körper bringen, jo daß das Fleine zwifchen dem Körper feines Fängers und dem Glafe lag, in welchem beide eingefchlojfen waren. Einen Augenblid blieb das Eleine in diefer Lage, dann erhob ſich das große in Form eines Domes über jenem und bildete auf diefe Weife eine Höhle, in welcher das Eleine amöbenartige Wefen Hin und her zu friechen begann, um einen Ausweg zu Juchen ; jest aber ſchloſſen fich die Ränder des Zellenwalles gleich a —— einem Schliegmusfel unter ihm und e8 wurde gleichfam in das Innere emporgefchoben und ficher eingefihloffen. Nach unfern bisherigen Darlegungen dürfte fih ohne Zweifel ergeben, daß die Waſſerſchwämme dem Thierreiche zugehören und, wenn ſchon in vielfacher Hinficht den Rhizopoden verwandt, jedenz falls als Glieder einer befondern Thierklaſſe in's Syſtem einzureihen find. In diefer Stellung würden fie als Thiere zu betrachten fein, welche aus Schwärmfporen hervorgehen und fich äußerſt träge, mittelft einer Art von Afterfüffen bewegen, die fie aus unter einander verbundenen contracs tilen Zellen, gewiffermaßen Vertretern der Muskeln höherer Thiere, hervortreten laffen ; welche im entwicelten Zuftande mindeftens eine Deffnung zur Einführung feiter und flüffiger Stoffe und einen kegel- oder röhrenförmigen Fortjag zur Ausführung der Auswurfsitoffe haben, im Innern bewimperte, möglicherweife als Abtheilungen eines ununterbrochenen darmähnlichen Rohres zu betrachtende Höhlungen zeigen, ſich durch Schwärmfäden und Eier fortpflanzen und durd Gem— mulen vermehren. Aus der thierifchen Natur würde es fich weiter erklären, daß bei plößlichen Erſchütterungen des Schwammes die röhrenz oder fegelförmigen Fortfäge ſich zurüdziehen und deren Deffnungen verfihloffen werden, daß die auf eine lebende Schwammmaffe unter Waller gelegte Hand eine eigenthümlich zudende Empfindung haben joll, vielleicht auch die Erfahrung, daß manche Schwänme, ſelbſt einige Spongillen einen auffallenden, widrig thierifchen Geruch verbreiten. Die Waſſerſchwämme, von denen nur wenige, nämlich diejenigen der Gattung Spongilla, unfere füßen Wafler, beſonders Seeen, Teiche und langfamer dahinftrömende Flüffe bewohnen (in der Schweiz find der Zürcher-, Kaben- und Vierwaldftädter-See befannte Zundftätten diejer Gebilde), der großen Mehrzahl nach aber dem Meere angehören, finden fich in allen Zonen, vom Aequator bis zu den Polargegenden, dort aber in größter Mannigfaltigfeit der Formen, in bedeutend» fter Individuenzahl, in den maſſigſten Größenverhältniffen, zum Theil auch in den lebhaftern Far— bennüancen, wie Geld, Drange, Roſen-, Scharlachroth und Violet, während die gewöhnlichen Farben weißlich, graulich, gelblih, braun und bei den Spongillen grün find. Was ihnen nur irgend als Stüße dienen kann, das benußen fie zu ihrer Anfiedlung; bald feßen fie fih in Lagen, welche nur bei ftarfer Ebbe troden liegen, mit ſchmaler Bafis zwifchen Klippen und in Höhlungen vom Felfen feit und wachlen da bisweilen in großer Menge neben einander; bald wählen fie fich Steine, Pfähle, Muſchel- und Scnedenfchalen oder Korallen ze. ꝛc.; bald Hängen fie fluthend an Waſſerpflanzen; bald dienen ihnen aber auch lebende Thiere oder deren wandernde Gehäufe zur “ Unterlage. So laffen ſich z. B. junge Spongillen bisweilen von den Larven der Phryganeen oder Köcherjungfern auf deren Röhren herum tragen; fo fah Johnſton einen Schwamm auf dem Rüden einer Eleinen lebenden Krabbe fi erheben, „eine Bürde, offenbar fo unverhältnifmäßig wie die- jenige des Atlas war — und doch wurde das Thier dem Anfcheine nach wenig von feinem baums a artigen Auswuchſe beläftigt ; denn es trug bei ſich Eier, welche zur Ablage reif waren. In der That dürfte der Schuß und die Sicherheit, welche die Krabbe dem Schwamme verdankte, das ihrer "Freiheit und Beweglichfeit entgegengefeßte Hindernig mehr ald aufwiegen. Während die Krabbe ruhte, mochte ihre Beute ohne Ahnung der in unmittelbarer Nähe drohenden Gefahr das zwiſchen den dichten Zweigen des Schwammes gebotene Obdach aufſuchen; wenn ſie ſich aber bewegte, konnte ſie unter dieſer Maske wohl kaum von einem Feinde erkannt und ſelbſt im ungünſtigen Falle durfte auch der kühnſte Räuber beim Anblick ſolch eines Ungeheuers ſtutzig werden.“ Zu den intereſſanteren Erſcheinungen im Leben der Schwämme gehört die gewiſſen Arten von Cliona und einigen verwandten Gattungen inwohnende Kraft, ſich in lebende und todte Mufchel- und Schneckenſchalen, in Korallen und Felſen einzubohren. Dieſes Einbohren geſchieht indeß nur ſo weit, daß der Schwamm durch ſeine Löcher mit dem umgebenden Waſſer im Verkehr bleibt. Lebende Weichthiere können ſich gegen dieſen gefährlichen Eingriff in die Continuität ihrer Schalen dadurch einigermaßen ſchützen, daß ſie zwiſchen ihre weichen Körpertheile und den Ein— dringling eine feſte Scheidewand ausſondern, todte Maſſen aber ſcheinen auf dieſe Weiſe allmälig dem Zerfallen zugeführt und dadurch zu anderweitiger Verwendung im Kreislaufe des Naturlebens geeignet zu werden. Die erwähnten Schwämme ſind verzweigte Gebilde oder beſtehen aus Lappen, welche durch zarte Stämme verbunden ſind. Das Einbohren ſelbſt ſoll durch eine Menge an der Oberfläche haftender kleiner kryſtalliniſcher Kieſeltheilchen geſchehen, welche durch Wimperthätigkeit in Bewegung geſetzt werden. Die Waſſerſchwämme nähren ſich wahrſcheinlich von mikroſkopiſchen Thieren und Pflanzen, namentlich von Rhizopoden, Infuſorien, Diatomeen und kleineren Algen; ſie ſelbſt aber, nämlich ihre lebende Gallertſubſtanz, ſind gewiß vielfachen Angriffen anderer Weſen ausgeſetzt, und es dürften in dieſer Hinſicht verſchiedene Würmer, namentlich Nereiden, ferner Schnecken und Mu— ſcheln, viele Kruſtenthiere und vielleicht auch einzelne Fiſche eine Beachtung verdienen, bei Spon— gillen überdieß einzelne Wafferinfekten im ausgebildeten Zuftand oder auf der Stufe der Larve. Außerdem dienen ihre Gerüfte einer Menge von thierifchen und pflanzlichen Weſen zum ſchützenden Obdach fowie ald Stütze zum Anheften. Während fie jo als lebende Wefen und todte Gerüfte im Haushalte der Natur eine bedeu- tende Rolle jpielen, find fie nach dem Zerfallen ihrer Subſtanz wegen ihrer unverweslichen Nadeln in großartigem Maßſtab an der Bildung des Bodens betheiligt, nicht für ſich allein, ſondern in Verbindung mit den Panzern und Schalen und Hüllen unſerer oben behandelten Weſen, der Rhi— zopoden, Infuſorien und Diatomeen, mit den Hüllen der den letztern verwandten Desmidiaceen, mit den zierlichen Schalen der, gleich jenen mikroſkopiſchen, Bewohner tieferer Meeresſchichten, der Polycyſtinen Ehrenberg’s, und mit den Kieſelgebilden der den Schwämmen nahe ver— wandten, aber frei auf der Oberfläche des Meeres herumtreibenden Gallertmaſſen, welche unter dem a Reh: Namen der Meerqualfter in neuerer Zeit durch Johannes Müller’s Unterfuchungen genauer befannt wurden. Welche Bedeutung alle diefe Weſen für die jegige Schöpfung wie für die verfchiedenen Schöpfungsepochen der Urzeit, für die lojen und zufammenhängenden Süßwaſſer- und Meeres- bildungen, namentlich aber für die Entwidlungsgefchichte der Erde ald Ganzen in Raum und Zeit haben, darüber hat ung Ehrenberg in feinem großartigen Werke „Zur Mifrogeologie” ein glänzendes, unvergängliches Zeugniß gegeben. De - cs ——— Den Rene de Re siert Mia Annie" Ara, Vie en EN 0 2 ————— Dieises — — Die Rei, h — ei A wage Marseille rn x >. hg: Hukähehe Bhekbrinaiet: sudfiigbent, —— mae men übe Be be BE, * Be Ber gefühl Bun I igpehgfäits ge werke, Mir eraländent lien: Ft zenpnhete Gebilbe aber Feickun ans Sippe aaa Baar ran Mitrea vermuuteofteh. Die @inbekran FeünR- Tank manch eine“ Beyer irn. 20 19 Ba spe MOM BHACKOBNS EIN EEE IE Vune png — —— X A ig wie wet se rn he | er u ang a re um Feten ER - Malelade haste a1 Athen, ee re ER , J EHRE RR La Be wien BEE ae ne 222 5 le Bste Feinden. Bar Ar na Dam Necialten. 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Statt einer beſonders für dieſen Zweck gefertigten Arbeit Bremi's ſolgt aus der Feder eines ſeiner Freunde als ſchwacher Erſatz für ſeine Gabe und als Nachruf an den trefflichen Mann eine kurze Lebensſtizze des zu früh der Wiſſenſchaft Entriſſenen, begleitet von einem gedrängten Auszuge aus einigen feiner Arbeiten. Möge fie ald Erinnerung an unfern wadern Mitbürger freundliche Aufnahme finden. In der Gejchichte der Entomologie gehört e8 zu den merkwürdigen Erjcyeinungen, daß die Biologie der Infekten wejentlich gefördert wurde durch zwei Schweizer, welche, eines Sinnes beraubt, die übrigen Sinne zu einer Staunen erregenden Schärfe ausbildeten und ihr Beobachtertalent zu ſolcher Höhe entwidelten, daß ihre Leiftungen mit Necht zu den bedeutenden gezählt werden. Wenn Genf mit Stolz auf feinen Francois Huber zurüdblidt, der trog des Mangels der Sehfraft die Naturgefchichte der Honigbiene und diejenige der Ameifen in vorher ungeahnter Klarheit beleuchtete, fo mag Zürich mit nicht geringerem Stolze feinen Joh. Jakob Bremi nennen, der, obwohl des Gehöres beraubt, in allen Drdnungen der Inſekten Leben und Thätigkeit mit feltener Ausdauer und Genauigkeit belaufchte und über ihre Beziehungen zum Naturleben die glücklichſten Entdeckungen machte. Wäre dem letztern gleich Frangois Huber ein geſchickter und für feine Forſchungen begeifterter Burnens zur Seite geftanden, wir hätten heute wohl nicht zu beflagen, daß Bremi gerade in demjenigen Zeitpunfte, in welchem ev an die Zufammenftellung der Reſultate feiner Forſcherthätigkeit fehreiten wollte, uns entriffen wurde und daß durch feinen Tod der Alles durch— dringende und verbindende rothe Faden ſammt taufenden nur ihm befannter Ginzelheiten ver: loren gieng. Stehen wir doch auch jest verwundert vor dem reichhaltigen, finnig und originell behan— delten, zum Theile auch wohlgeordneten Materiale und vor den zugehörigen Notizen und bezüglichen Aufzeichnungen und vor den taufend und taufend Zeugen raftlojer und vieljeitiger Ihätigfeit des Mannes, deifen Lebensgefhichte in kurzen Zügen zu ſtizziren hier unfere Aufgabe ift. Johann Jakob Bremi war der Sohn des Decan Joh. Heinr. Bremi und der Frau Anna Gleophea, geb. Goßweiler (beide von Zürich) und unter 5 Kindern, von denen drei in frühefter Jugend ftarben, das jüngfte. Er wurde geboren den 25. Mai 1791 in Dübendorf, dem damaligen Wirfungskreife feines Vaters, welcher in dem Zeitraum von 1791 — 1832 Pfarrer diefer Gemeinde war und um diefelbe als treuer Seelforger und wahrer Menjchenfreund fich namhafte Verdienfte, in weien Kreifen aber durch feine anderweitigen trefflichen Gigenfchaften Freunde und Achtung erwarb. | Das Gefchlecht der Bremi, urſprünglich in Rapperfchweil (Kanton St. Gallen) einheimiſch, von da aber 1537 des reformirten Glaubens wegen vertrieben und im nahen Zürich nicht allein gaftlich aufgenommen, fondern auch bald verbürgert, bewahrte durch alle Generationen einen tief religiöfen, wahrhaft frommen Sinn, welcher auch feine Eltern befeelte und bei der Erziehung Jakobs wie feiner Schwefter, des zweiten unter den Bremi'ſchen Kindern, der noch jeßt lebenden Frau Sulzer, ein bedeutendes Moment bildete. Bremi’s Vater foll ein begabter und fenntnigreicher Mann, feine Mutter eine geiftreiche, finnige, gemüthvolle und mit der wärmften Gläubigfeit erfüllte Frau gewefen fein; ficher ift, daß beide Eltern, jedes in feiner Stellung, Far, umfichtig, genügfam, bis zur Genauigkeit ordentlid) und thätig waren, daß fie im häuslichen Kreife innig zufammenwirkten und in der Erziehung ihrer Kinder Liebe mit Strenge, Heiterfeit mit Ernft im richtigen Verhältniß vereinten. Dieß Hatte denn auch zur Folge, daß die beiden Lieblinge die Hingabe der Eltern mit freudigem Anſchluß und bereitwilligem Gehorfam erwiderten und unter fich ſelbſt ein enges, mit —— den Jahren ſich feſtigendes Band ſchloſſen; und es führte dieſes Wechſelverhältniß nach innen zu dem reinſten Familienglück, nach außen zu dem freundlichſten Verkehre mit den Menſchen und übte auf die ſpätere Entwickelung und Charakterbildung der Geſchwiſter und insbeſondere unſeres Bremi einen mächtigen Einfluß. Was dieſen ſchon im zarten Knabenalter bezeichnete, war ſein für alles Gute und Schöne offener Sinn, ſeine Freude an der Natur, ſeine leichte und gemüthliche Auf— faſſung, ſein Wiſſensdurſt, ſein Thätigkeitstrieb verbunden mit einer geſchickten Hand und unermüd— licher Ausdauer. Dazu geſellten ſich Wahrheitsliebe und Offenheit, Leutſeligkeit und Herzlichkeit, ein munteres lebhaftes Weſen, geregelt durch liebenswürdige Beſcheidenheit, Heiligachten der Rechte Anderer und Dankbarkeit für die geringſten Gefälligkeiten, ſowie Dienſtfertigkeit und Wohlwollen gegen Jedermann. Mit diefen Eigenfchaften ausgeftattet, berechtigte der Knabe zu den jchönften Hoffnungen ; und wenn der Bater, neben der Mutter der erjte und bis zum 11. Altersjahre auch einzige Bildner, Erzieher und Lehrer Jakobs durch die Fortjchritte dejjelben erfreut in ihm einen Nachfolger im Berufe, einen tüchtigen Theologen und wadern Seeljorger heranzuziehen und ausbilden zw laffen fich entichloß, wenn der Sohn in diefen Lieblingsgedanfen der Seinen freudigft einging und ihren Wunſch zum Ziele erfor, fo entſprach dieß der ganzen, von Geſchlecht zu Gefchlecht vererbten religiöfen Richtung der Familie Bremi, und es war vorausjufeben, daß weder dem Sohne, noch den Eltern ein Opfer zu groß erjcheinen würde, um das erfehnte Ziel zu erreichen. In der That war ſchon frühe der Unterricht in den Elementen der Wiſſenſchaften, insbejfondere auch in den Anfängen der lateiniſchen Sprache begonnen; da durchfreuzte ein folgenfhweres Ereigniß den Lieblingsplan der Eltern und des Sohnes. Schon im neunten Lebensjahre war Bremi nur mit Mühe einer drohenden Gefahr entriſſen worden. Damals ward er von den in Dübendorf und der Umgegend furchtbar graffirenden Men: Ihenpoden in einem Grade befallen, daß die beiden ihn behandelnden Aerzte verficherten, die Krank: heit noch nie in gleicher Stärke beobachtet zu haben; in Folge der Krankheit ftand er zeitweile am Rande des Grabes und hatte 14 Tage lang die Sehfraft verloren; doc war es endlich dem umfichtigen und treuen Zufammenwirfen der Aerzte und Angehörigen gelungen, ihm das Leben zu erhalten, die Gefundheit zurücdzuführen und das Licht des Auges wieder zu gewinnen. Im eilften Lebensjahre (Februar 1802) erkrankte Bremi aufs Neue, nämlich am Betechialz typhus, und abermals jtand das Leben in Frage; wiederum ward der Knabe gerettet, diesmal aber mit Berluft des Gehöres, welcher am 5. Tage der Krankheit in dem eriten Schlafe, der dem Kranken gegönnt war, ſich einftellte. Bremi’s und der Seinen hohes Gottvertuauen, die tröftlichen Aeußerungen des Arztes und die kurz vorher gemachte Erfahrung über die Rückkehr des Gefichts hielten auch jegt die Hoffnung rege, der Verluft des Gehöres werde ein worübergehender fein; die tüchtigften Aerzte wurden berathen, ſyſtematiſche Euren im elterlichen Haufe, wie an andern Drten, z. B. in Aarau, darunter eine galvanijch- eleftrifche, verfucht; vergeblich. „Gott hatte“, wie fich — Bremi ſpäter gelegentlich ausdrückte, „die Thüren zu ſeinen Ohren geſchloſſen und den Schlüſſel in den Sack geſteckt; die Menſchen konnten nicht aufthun.“ Eine Zeit lang ſchien das Uebel allerdings ſich beſſern zu wollen; Bremi konnte wenigſtens im Sommer laut zugerufene bekannte Namen hören; aber beim Bombardement von Zürich, als 12 Jäger das Pfarrhaus in Dübendorf beſtürmten, verfiel Jakob in Folge des heftigen Schreckens in ein neues Fieber und während deſſelben wieder gänzlich in den vorigen Zuſtand. Unter den Verſuchen, den verlorenen Sinn wieder zu gewinnen, waren mehr als zwei Jahre verſtrichen, ein Zeitraum voll von Erwartungen und Täuſchungen, voll von Wünſchen und Befürch— tungen, aber zugleich ein Zeitraum der umſichtigſten Thätigkeit, der freundlichſten Theilnahme und Unterſtützung, der dankbarſten Aufnahme und Aneignung, des eifrigſten Beſtrebens, den etwa bleibenden Verluſt möglichſt zu mildern und zu erſetzen. Und gerade dieſer Zeitraum war für Bremi's künftige Forſcherthätigkeit der beſtimmende und begründende, der anregende und ermunz ternde. Denn Bremi ſah in der Natur und ihren unerſchöpflichen Reichthümern einen vorzüg— lichen Erfag für den verlornen Gehörfinn und gab ſich dem Zuge feines Herzens, die von ihr gebotenen Freuden in vollem Maße zu genießen, auf's Zreudigite Hinz und mit dem Feuereifer der Jugend gieng er an Alles, was ſich auf diefen Genuß bezog. Wenn der. 12jührige Safob, welchem auf die Bitte um eine Schachtel, um Schmetterlinge zu jammeln, von feiner Mutter diefe mit der Weifung abgejchlagen ward, „du jollit Feine Thiere anſtecken und tödten!“ troß feines Abfcheueg vor Thierquälerei, troß feines im Uebrigen unbedingten Gehorſams und jeiner Bejcheidenheit, fich die Bemerkung erlaubt, Herr Dr. Schinz jammle viele Schmetterlinge; wenn er auf die weitere Aeußerung, Herr Dr. Schinz ſei ein Naturforfcher, im wärmjten Eifer mit der Hand auf den Tiſch ſchlägt und fpricht: „ich will auch ein Naturforicher werden“, — ſo liegt hierin mehr als die bloße Laune eines begehrlichen Knaben. Und wenn Damals und bald darauf Männer wie Schinz feit 1804 und Provifor Wagner in Aarau feit 1806 fich verpflichtet fühlten, den Knaben zu ermuntern, durch eigene Mittheilungen zu erheitern und zu belehren und durch Literarifche Hilfsmittel zu unterftügen, durch Beiträge zu feinen Sammlungen ihn zu erfreuen und ihm auf eigene Erfahrungen begründete Anweiſung zum Sammeln und Aufbewahren von Inſekten zu geben; wenn weiter aus den Jahren 1804 — 1807 Schilderungen über Farbe und Schmud des Himmels, Witterungsbeobachtungen, Schlüffe aus gegebenen Temperaturverhältniffen und Niederjchlägen des Winters auf das Inſektenleben des nächjtbevorfichenden Jahres, Notizen über das Sammeln von Mineralien, Pflanzen, Inſekten ꝛc., über die Frequenz einzelner der leßtern vorliegen u. A. m., — fo beurfundet dieß jedenfalls, daß Bremi den Beruf des Forſchers in fich fühlte und in der That auch trug. Die nächſte Sorge Bremi’s und feiner Angehörigen war nunmehr darauf gerichtet, ihm die weitere geiftige Ausbildung und den Verkehr mit den Menfchen, fo weit c8 die durch den Gehörverluft geſteckten Grenzen nur irgend geftatteten, möglich zu machen. Lippenz, Geberden-, oO dee Zeichen und Schriftiprache wurden Gegenftand der eifriaften Pflege und es geſchah dieg mit jolcher Liebe und Hingebung, daß Bremi von dem bei gehörlos Gewordenen fo leicht fich einftel- lenden Miptrauen, von der ihnen font eigenen Ungeduld und deren Folge, dem Mißmuthe, frei blieb. So lernte er mit dem Auge das Wort, den Gedanken zu lefen und erlangte in diefer Kunft eine große Gewandtheit und Schärfe, welche ihm fpäter in vielen Lagen zu Statten fam und die ihm eigene richtige Beurtheilung der Menſchen, Gegenftände und Verhältniffe erklären. Hören wir aber weiter darüber Bremi’s eigene Worte, wie fie ung in der Furzen Selbftbiographie, welche er 1811 als 20jähriger junger Mann fchrieb und fpäter in den Alpenrofen von 1814 ©. 231 bis 239 mittheilte, ©. 236 überliefert find. „Sp mußte denn aufs Neue aller Unterricht und alles bei demfelben Mitzutheilende fchrift- lich erflärt werden. — Welch ein Segen war’s jest für mich, noch vor meinem Verluſte die Elemente der Wilfenichaften erlernt zu haben; denn jo war mir Feineswegs der Faden zu weiterer Ausbildung abgefchnitten, und im Gegentheil, von der einen Seite war id) mehr gefördert. Fand ich mich gleich zu mündlichen Unterricht fait unfähig, jo öffnete ſich mir durd das Leſen ein deito veicheres Feld, wo ich ungeftört erndten Fonnte, weil fein Geräuſch mein Nachdenfen unterbrach und feine Gejpräche von anderer Seite die Aufmerkſamkeit theilten. Da lernte ich den Werth der Stille fennen (diefer Freundin der Mufen), den ich aus vollem Herzen in meinem Gedichte (1. unten) preife.“ Neben dem wiſſenſchaftlichen Unterricht, den Bremi täglich von feinem theuren und unermüd— lichen Vater erhielt, bejchäftigte er fich vielfach mit Leien und Schreiben, namentlih auch mit Excerpiren und mit Aufzeichnen feiner eigenen Gedanken, ſowie mit Gorrefpondiren mit Freunden. Als Lehrftoff intereffirten ihn am meiften naturwiffenichaftliche Bücher, Werke über Welt» und Bölfergefchichte, Biographieen und Reifebefchreibungen, Lavaters phyfiognomijche Regeln, jpäter Mittheilungen über Galls Phrenologie, ferner religiöfe und insbefondere poetifche Schriften, daher wir e8 begreifen, daß bei der reichen Phantaſie dejjelben die mündlichen und jchriftlihen Mitthei- lungen nicht jelten poetifchen Charakter, ja fogar poetiſche Form annahmen und daß er ſpäter in Fleineren dichterifchen Erzeugniffen zur Feſthaltung wichtiger Erlebniffe, zu freundlicher Begrüßung und Ansprache von Freunden und Verwandten gelegentlich fich vielfach ergieng, worüber er in der Selbftbiographie, ©. 238, ſich folgendermaßen ausdrüdt: „Schon frühe fühlte ich in meiner länd- fihen Einfamfeit innern Trieb zur Poeſie, der immer mehr durch den jo vertrauten Umgang mit der Natur und durch Lefen religiöfer Dichtung gewedt wurde, die mir zugleich jene Höhe noch gewiffer machte, auf der man über dem Schickſal fteht. Ahnung von diefer Höhe durchwehte ſchon frühe mein ganzes Wefen als ein unnennbares Etwas, wenn ich bei meiner Unterhaltung in der freien Natur das Nichthören vergaß. Lavater bildete meinen Sinn für evangelifchzreligiöfe, Klop— ſtock für epifche Dichtkunft, für Erhabenheit in der Phantafie. — Gefners Idyllen jchärften meine Aufmerkfamkeit für das Liebliche, Unfchuldsvolle des Landlebens, und Salis und Matthifon ant— 2 ri worteten jedem Klange meine Empfindungen. — Dieje ſuchte ic) nachzuahmen in manchem Ber- fuch, — aber mit ohnmächtigen Schwingen“ u. ſ. w. Bremi’s Handſchrift zeigte ſchon in diefem Zeitraume die Anlage zu Feſtigkeit, Sicherheit und Leferlichkeit und deutete bereits auf ihre ſpätere Gefälligfeit und Nettigkeit bin, wenn fie ſchon hier und da noch ungleich, zum Theil auch eilfertig und ſchief erfchien. Seine Notizen aus jener Periode find zwar noch fnabenhaft, zeugen aber doc) ſchon von großer Sorgfalt und Genauigfeit, namentlid) aber von derjenigen Drdnungsliebe, welche ſich ſpäter in allen feinen Arbeiten zu erkennen gab, daher fih auch jhon damals Bremi bei gegebener Beranlaffung über alle Erlebniſſe, über die fpeciellften Gegenftände feines Befies, über den Ort ihrer Aufnahme ꝛc., ja jogar über die interefjanteren Befisthümer feiner Freunde und Anderer jofort zurechtzufinden wußte. Ebenſo beſchäftigte ſich Bremi mit Zeichnen, worin er von Kupferitecher Meyer in Zürid) Unterricht empfing; er fertigte damals Landjchaften und Figuren, Copieen aus Bertuchs Bilderbuch, wagte ſich auch an Berfuche, Inſekten nad) der Natur zu zeichnen und machte darin bald jo gute Fortichritte, daß zwei jeiner Inſektenblätter (Schmetterlinge) 1805 auf der Kunftausjtellung in Zürich freundliche Aufnahme fanden. Nach ſolchen Vorgängen wird es begreiflicdy fein, mit welcher Freude Bremi Röſels Injektenbeluftigungen, Sulzer's Kennzeichen der Injekten und ähnliche Werke, welche ihm bald darauf zu Geficht kamen, aufnahm, betrachtete und jtudirte. Unwiderfteplich aber z0g es ihn auch in die freie Natur oder zu praftifhen Beichäftigungen der Landwirthfchaft, ſowie zum Sammeln der Erzeugniffe der erfteren, und er jagt in jeiner Biographie: „Zu mir fprach die Natur durd) erftaunenswürdige Schönheit, Größe und GErhabenheit, die ich tief empfand und in ihren Eleinften Gegenſtänden beobachtete. Diefe Bilderfprache, diefer ftumme und doch fo beredte Unterricht ward mir über Alles lieb und ein reicher Erſatz, — denn er ſprach Kopf und Herz gleich würdig und gleich eindringend an’; und weiter: „Jene Sammlungen (won Inſekten, Pflanzen und Mineralien) werden fortgefegt, und meine Liebe zum Landleben, die fein Aufenthalt in der Stadt ſchwächen konnte, macht mir dieß Leben zu einem Paradies, indem ich den Freudenbecher alles Schönen, den mir die Natur hoch anfüllt, mit vollen Zügen trinke, — Zuweilen fahre ich über das Gleis alltäglicher Ordnungen hinweg und mache fleine Ereurfionen in meinem jchönen Baterland.“ Für Freundfchaft und Yiebe in hohem Grade empfänglih und gejellig, mittheilfam und lernbegierig, benußte er jede Gelegenheit zu mündlichem Austaufch und feine Lebhaftigfeit in der Unterhaltung war fo groß, daß Zremde damals und fpäter troß des eigenthümlichen Klanges feiner Rede und der vielfach auffallenden Aecentuation oft längere Zeit, bisweilen gar nicht bemerften, dak er gehörlos war. Mit gleicher Lebhaftigkeit weilte übrigens Bremi, auch einfam, in der Erinnerung, und wenn ihm auch das Neich der Töne verfchloffen war, immer belebte er die lebendige Welt mit denjenigen Tönen, welche aus feinen erften Kinderjahren in feinem Geifte nachhallten, und es kann daher nicht auffallen, wenn er am 3. Mai des Jahres 180% begeiftert folgende Worte jchreibt: — Wi „herrlich ſchöner Tag, ohne feines Gleichen! wie duftete jede Blume, wie jubelte jeder Vogel, wie jchön blüheten die Bäume; nie, nie ift die Natur jo ſchön wie in diefem Monat.“ So lebte Bremi, obſchon gehörlos, doc geiftig hörend in der lebenden Welt, mit den übrigen Sinnen und namentlich mit dem offenen Auge Alles begierig aufnehmend und demjelben Stimme und Sprache verleihend; wo aber die übrigen Sinne nicht in der Weife bethätigt waren oder bethätigt fein fonnten, um die empfangenen Gindrüde durch Combination auf das geiftige Ohr zu übertragen, da war er für die Außenwelt taub, entbehrte in taufend Berhältniffen des Lebens der fihern Leitung, wie fie allein dem Hörenden zu Theil wird und gerieth bisweilen in Ichwierige Verhältniffe und hie und da jogar in Lebensgefahr. Bemerfenswerth ift übrigens , daß Bremi’s inneres Dhr durch Berührung tönender Inſtrumente mit den Fingerfpigen mächtig ergriffen, freilich aber auch jo tief erfchüttert wurde, da er auf diefen Genuß freiwillig verzichtete. Am angenehmften und harmoniſchſten berührten ihn die Schwingungen des Nefonanzbodens am Glaviere, ſowie die Schwingungen der Drgelpfeifen, äußerft empfindlich aber diejenigen der Blechinſtrumente, namentlich bei raufchender Muſik; bemerfenswerth ift weiter, daß er die Güte der Metalle, z. B. des Meſſings, welche Andere durch den Zon prüfen, eben fo ficher durch die der Hand mitgetheilten Schwingungen jchäßte. Von einer Abhandlung über das Fühlen der Töne finden wir in Bremi's Nachlaß leider nur ein Fleines Einleitungsfragment. Bremi empfand den Gehörverluft tief, obwohl er fich mit der ihm eigenen Ergebung in das Umvermeidliche fügte und niemals Flagte, vielmehr in Allem ihm von der Natur Dargebotenen einen mehr als reihen Erſatz für das ihm Verfagte erfannte und dafür jeinem Gotte aufs Innigſte und in einer Weije dankte, welche mit feinen eigenen Worten (Selbitbiogr. ©. 239) eingeführt fein Weſen am beften zeichnen wird: „Wahrlich! Hörende machen fich eine zu grämliche Vorftellung von dem Uebel des Nichthörens! In 11 Jahren babe ich nun alfe mit diefem Zuftande vereinten Vortheile nah ihrem Werthe Fennen gelernt. In mancher Stunde des Nachdenkens über mein Schidfal erfüllten mich foldhe Betrachtungen mit anbe- tender Freude und mit Danf gegen Den, der Alles jo weislich giebt und nimmt; in einer jolchen Stunde verfuchte ich e8, meine Gedanken und Erfahrungen darüber poetiich zufammenzureihen, und jo entitand das beiliegende Gedicht;*) es machte meinen Eltern (die meine erften und vertrauteften Freunde find) unausiprechliche Freude.” Sch höre nicht! Drob möcht ich mich nicht grämen, Sch weiß von wen das Schickſal Fommt. Gott fand es qut mir diefen Sinn zu nehmen, Und weiß wozu mir’d frommt. Ay Wir geben das Gedicht unverändert nach dem Original, in ſeiner urſprünglichen Faſſung trotz mancher Härten und Verſtöße gegen die Proſodie, da ung daſſelbe in den Alpenroſen von 1814, S. 227 — 233 durch die von der Redaftion vorgenommene Gorrectur hie und da wejentlich gelitten zu haben fcheint, = Wi Und wenn die Liebe was entzogen, Wie mißte das uicht Liebe gern? Mir nahm fie nur, gerecht gewogen, Die Schale, nicht den edeln Kern! Sch höre nicht ! Doch ſprichts mir laut im Herzen, Und diefe Stimme hör’ ich noch! Bon Gott gefandt find Leiden oder Schmerzen, Ein väterliches fanftes Joch. Mit einer Hand entzog er mir den Segen, Die and’re fpendet taufendfac Auf allen meinen Lebenswegen Für das Entzog’ne wieder nad ! Ich höre nicht Des Donnerd hehres Drohnen, Wenn Gott daher im Wetter zieht, Die ernfte Stimme die den Erdenfühnen Mit Bligen in dag Antlig glüht. Doch hallt's gemildert in des Herzens Tiefen Wie Harfenlispeln wieder nach, Grmunternd ernfter, mid) zu prüfen, Und heiliger wird Ehrfurcht wach! Sch höre nicht Der Nachtigallen Flöte, Nicht ihre jeelenvollen Melodien; Mich kann nicht bei dem Strahl der Morgenröthe Ein Lerchenlied erfreun ! Doch feuriger als diefeg Liedes Klänge Hebt zur Anbetung meinen Geijt Der Anblick einer Wundermenge, Die ſchweigend Gottes Größe preist. Ich höre nicht Die ernften frohen Lehren Der Gottesreichs-Verkündiger; Nie ftammeln meine Lippen mit den Chören Das Zonlied feiner Harfener. Doch ſchöpf' ich brünftger nur aus heil’ger Quelle, Wo Gottes Wahrheit fihtbar quillt; Dieß Licht macht es in meiner Seele belle, Dieß Licht, Das jede Schnfucht ftille. en Ich höre nicht ! Um tiefer zu empfinden, Hat Gott mir zartered Gefühl verliehn, Und von dem Drang, die Tiefe zu ergründen, Befeligt inniger zu glühn. So quillt in mir ein Born von höhern Freuden! — Und diefe hehre Sprache der Natur Von ihrer Bilderhülle zu entkleiden Brauch' ich des Lichtftrahls nur. Mein Auge bört! In ihm ſchwebt um die Blüthe Der Gegenwart mein froher Geift Und ſättigt fih im Anfchaun einer Güte, Die jede Sehnſucht fpeist. Im Sonnenftrahl der Sternenmeere, Im Früblingsfchmel; der Blumenflur, In Formen aller Weſenheere Spricht dieſe Zauberftimme nur. Ich höre nicht, Wie froher Scherz, wie Liebe, Wie Wiſſenſchaft lebendig ſprach; Doch bringen mir's die ſchöpferiſchen Triebe, Der Kunſtſinn wieder nad). Auch ſchwebt nicht nur auf Toneswelle Des Aethers rein der Liebe Bild, Sie ftrahlt im Auge warm und belle, Sie fpricht in That und Werken mild. Sch höre nicht Das wilde wüfte Toben Des Weltgeifts, der vor Tugend flieht, Ich höre nicht, wie auf den Thron gehoben Die Leidenschaft entglüht. Heil mir, daß mitten im Gewühle So Sabbatitille mic ummebt, Und immer, daß fein Poltergeift mich jtöre, Gleich einem Tempel offen fteht. D Stille du! Du Wolluft meines Lebens, Ih fühle deinen Segen ganz und rein! Mir ward das Loos, fucht Mancher es vergebens, In deinem Schooß gewiegt zu fein. — U: ee: Die Stunden, die zu ernfteren Gedanfen So Manchem nur die Rampe gibt, Sind immer mein, — wie fann id danfen Dem Bater, der fo nimmt und gibt? D Stille! nur In deines Tempels Hallen Birgt fi der Inbrunft Hochaltar, Bon dem der Andacht Opferdüfte wallen Zu Gott empor, empor! D Mütterliche! deiner fanften Pflege Gedeiht das Edelfte des Herzens nur; An deiner Hand, auf deinem Wege Führt du mich zu der Heimat Flur. Ich höre nicht! Was miſſ' ich denn auf Erden? Nur einen Theil von Unvollkommenheit; Die Roſe nur, bis wir unſterblich werden, Von Dornen überſtreut. Einſt wandelt ſich der Leib von Staube In ew'ge Urvollkommenheit, Wo dann, wie ich anbetend glaube, Die Sinne heiliger Genuß erfreut. Einſt hör' ich, einſt! Dieß wird dieß Jetzt verſchlingen; Mein Glaube ſchaut dorthin. Am Throne werd ich feuriger lobſingen, Daß ich gehörlos bin. Vollkommenheit trägt keiner Erde Spuren, Sie wohnt allein im Reich des Lichts; Verwandelt wird in göttliche Naturen Das Reich des Unterrichts. 181. Die von Vater und Sohn bejchloffene theologiihe Richtung war in Folge des Gehörver— {uftes für diefen zur Unmöglichkeit geworden. Freunde und insbefondere Kupferjtecher Meyer gaben nunmehr, auf Bremi’s Anlage zum Zeichnen binweifend, den Rath, denjelben zum Maler oder Kupferftecher ausbilden zu laffen; er felbft aber glaubte, einen Rettungsanfer zu finden in dem pharmaceutifchen Berufe, welcher feinen Neigungen und Anſchauungen, feinen Wünfchen und Beftrebungen volle Nahrung zu bieten ſchien, und mit Zeuereifer gab er fich dem Gedanken hin, diefen Beruf erlernen zu können. Diepmal aber verfagten die Eltern ihre Zuftimmung; denn fie > a: glaubten gerade in diejen Berufsarten jo viele Gefahr für das Auge ihres Sohnes zu erkennen, daß e8 mehr als verwegen erjchien, beim Mangel fchon eines wichtigen Sinnes, auch den zweiten Preis zu geben. In diefem DVerfagen war die Entjcheidung über Bremi’s Zukunft enthalten; vom Gin: ichlagen einer wiſſenſchaftlichen Berufsrichtung konnte fortan nicht die Rede mehr ſein; höchſtens handelte es ſich noch darum, ein Handwerk zu ermitteln, welches ohne nahe liegende beſondere Gefahren in gewiſſem Maaße geiſtige und gemüthliche Anregung und Stoff zu entſprechender Uebung der Kräfte darzubieten vermochte; in wiſſenſchaftlicher Hinſicht aber mußte Bremi die ſchwierige, vielfach gefährliche Bahn eines Autodidakten betreten. Bremi’s Eltern wählten für ihn den Drecslerberuf und Anfang Juli des Jahres 1807 trat ex wirklich bei einem ihlichten aber wackern und für feinen neuen Lehrling väterlic) bejorgten Meifter in Zürich in die Lehre. Es war für Bremi ein ſchwerer Schritt, gefolgt von einer langen Zeit der Entjagung; Fam er dod aus dem Eiternhaufe, wo ibn die liebevollite Aufmerkſamkeit umgab und in einem Alter, welches bereits auf Geltung Anfpruch macht, vielfah in Berührung, ja in Abhängigkeit zu Perfonen, welche ihm völlig fremd waren und dachten, welche ihm weder verftanden, noch zu verftehen Beruf fühlten und darum aud) feine feiner Neigungen, feine feiner Beftrebungen zu würdigen wußten; war doch der ibm gewordene Beruf feiner bisperigen Richtung vielfach geradezu entgegengejegt. Aber eine Individualität gleich derjenigen Bremi’s, die in Allem eine höhere Fügung, eine weile Anordnung und liebevolle Fürſorge erblickte, dabei zunächit ſich und die Verhältniffe prüfte, ehe fie ſich ein Urtheil oder eine Handlung erlaubte, die überall die Wahrheit juchte und anftrebte, eine ſolche Individualität fonnte auch unter diefen, freilich oft ſchwer drückenden Umſtänden nicht erliegen. Unter der Schale fand fie vielmehr den Kern und wußte ſich dieſen anzueignen; im Handwerk ward ihr ein goldener Boden zu Theil, nicht des materiellen Erwerbes, ſondern der Uebung der körperlichen und geiſtigen Kräfte, der Geſinnungs⸗ tüchtigkeit und Tugend, wie Bremi's Briefe und Notizen aus der Lehrzeit oder von ſeinem 16.— 19. Altersjahre (von 1807—1810) auf äußerſt gemüthliche und kindlich fromme Weiſe aus⸗ ſprechen; in der Werkſtätte des Meiſters gewann er die Selbſtſtändigkeit und Gediegenheit des Charakters, die hohe Achtung für die Berechtigung anderer Anſichten und die Duldſamkeit gegen Andersgeſinnte, die Gerechtigkeit und Liebe gegen Freund und Feind; in der Werkſtätte des Meiſters, bei der geordneten Arbeit, legte er auch den Grund zu planmäßiger wiſſenſchaftlicher Thätigkeit, während er vorher bald da bald dort, bald dieß bald das gleichſam in Fieberhitze ver- ſchlungen hatte und Vieles kaum zu verdauen im Stande geweſen war. Bremi faßte übrigens feinen Beruf nicht als Handwerk, jondern als Kunft auf, und dieje Auffaffung ſprach ſich auch in den Erzeugniſſen ſeiner Handarbeit, namentlich aber in der geſchmack⸗ vollen und zweckmäßigen Behandlung alles Deſſen aus, was er damals und ſpäter für feine willen: Ichaftlichen und Forſcher-Bedürfniſſe anfertigte. Bei der Arbeit ſelbſt legte er jedem Gegenſtande, _ pp — auch dem einfachften und untergeordnetften eine finnige Beziehung, eine höhere Bedeutung bei und gewann ihm ein befonderes Intereffe ab; dadurch wurde die materiellfte Beichäftigung eine geiftige Uebungsſchule für ihn, dadurd ward ihm fein Beruf lieb und darum galten ihm deffen Anforz derungen als nächfte Pflicht, welche er denn auch mit folcher Gewiſſenhaftigkeit erfüllte, daß ihm damals und fpäter nie beifiel, der beftimmten oder der durch die jeweiligen Beftellungen oder feft- gejetsten Aufgaben erforderten Arbeitszeit für andere Zwecke den geringften Theil zu entziehen. Die Zeit aber, welche er zu freier Dispofition hatte, verwendete er um fo eifriger für feine höheren Bedürfniffe. Nach dreijährigem Zeitraum, welcher unſerm Bremi, je näher dem Ziele, um fo ſchneller und leichter ablief, wurde er endlich mit dem beften Zeugniffe feines Verhaltens und wohl: angewandter Lehrzeit von feinem Meifter entlafjen. Wie tüchtig übrigens Bremi während der Lehrzeit auch für feine geiftige Ausbildung gear— beitet hatte, darüber giebt außer vielem Anderen auch ein lebhafter und umfangreicher Briefwechjel Aufſchluß, den er im Jahre 1811 mit einem Freunde R. L. über Fragen pflog, welche gleichzeitig die Philofophie und Theologie berühren; und es erfüllt uns in der That mit befonderer Achtung und Zuneigung gegen den anfpruchslofen Handwerker, wenn wir ihn gegenüber dem durch fpezielles Studium vielfach im Vorteil ftehenden Theologen eine beachtenswerthe Fülle von Kenntniffen und gefunden Anſchauungen entwideln und mit glübender Begeifterung, würdigem Ernſte und liebens— würdiger Befcheidenheit Klarheit und Schärfe der Begriffe und logijche Daritellung der Gedanken verbinden jehen. Sp war denn Bremi rüdfichtlich feines doppelten Berufes ald Handwerker und nach einem höheren Ziele firebender Mann wader vorbereitet aus dev Lehre getreten. Noch aber ftand er nicht am erfehnten Ziele. Nach den damals beftehenden Gejegen konnte nur derjenige Handwerker, welcher nach Ablauf der Lehrzeit feine weitere Ausbildung in der Fremde erworben hatte, Meifter werden und von da an felbititändig feinen Beruf treiben. Die Bedingung der Wanderfchaft aber konnte Bremi faum erfüllen und zudem verweigerten die Eltern, insbefondere die ängftliche Mutter, entfchteden die längere Vertauſchung der heimischen Umgebungen mit der für den Gehörlofen nahezu verfchloffenen Fremde. Nach vielfahen Bemühungen indeß gelang es endlich, eine billige Berüd- fichtigung der bei Bremi obwaltenden Ausnahmsverhältniffe zu erzielen und nad) Befeitigung der legten Schwierigkeiten wurde fofort für Die zur Ausübung des Handwerfes nöthigen Einrichtungen im elterlihen Haufe geforgt. Die Betreibung des Berufes in dem legtern war für Bremi in jeder Hinficht wohlthätig ; die freie freundliche Lage und die weiten Räume des Pfarrhaufes, der Viehftall und der Hühner: hof, der Blumen-, Gemüſe- und Baumgarten, das freundliche Ausgelände, das heimifche Düben— dorf, zum Theil an der die Waſſer des Greifenfees in langjamem Laufe dem Nheine zuführenden Glatt gelegen, die mannigfach abwechfelnden Umgebungen, Felder und Wiefen, von Bächen durch— ftrömt, hie und da durd Sümpfe und Moorgrund unterbrochen, bald in der weiten Thalfohle 13 — gelegen, bald an den Abhängen der benachbarten Hügel und Berge fih Hinziehend und hier von Gebüfhen und Wäldern zc. begränzt; — wirkten nicht blos erheiternd auf das Gemüth, fondern fie boten taufend Stoff zum Sammeln und Beobachten, fie luden zu fürzern oder längeren Aus- flügen ein und liegen diefe auf die leichtefte Weile ohne irgend welche Vorbereitung, oft von der Werfftätte aus und im Arbeitsgewande, gefchehen; das elterliche Wohnhaus endlich bot Raum zum Auffpeichern und Drdnen der gefammelten Schäge und die Geräufchlofigfeit und Stille, das ganze friedliche und heimelige Weſen geftattete ungeftörte Beichäftigung. Die Liebe der Familienglieder, die Anhänglichfeit des Hausgefinndes, das freundliche Entgegenfommen der meiften Gemeindeange- bhörigen und Kirchgenoffen, jowie der Bewshner der Nachbargemeinden, die Bejuche von Freunden und Bekannten aus Zürich) und andern Gegenden und Bieles Andere vereinigten ih, um Bremi in feinen Beftrebungen zu ermuntern, zu unterftügen, zu erheitern, zu feiner weitern Ausbildung beizutragen und ihn über den lieblofen Spott und die ſchadenfrohen Chifanen einzelner herzlofer Menschen zu tröften. Zu dem mündlichen Verkehre gejellte ſich der fchriftliche mit Gönnern und Freunden und erfüllte vielfach die Lücken, welche jener ließ; die Anlage einer kleinen Bibliothef, welche den nächiten Bedürfniſſen genügte, und, mit Eifer benußt, eine gründliche Bafis zu weiteren Studien und jelbitftändigen Berfuchen wurde, der regelmäßige Eingang einiger wiffenfchaftlichen Zeitfchriften und die wiederholte Ankunft literarifcher Schäße aus Zürich, förderten wefentlich den Fortichritt. So wurde Bremi von Tag zu Tag fenntnifreicher und erfahrener, freudiger und vertrauensvoller, umfichtiger und jelbititändiger, unternehmender und productiver und bewahrte dabei zugleich feinen frühern Eindlichfrommen Sinn, feine Anfpruchlofigfeit und Beſcheidenheit, feine Mittheilfamkfeit und Gefälligfeit und feinen Drang, mit Männern und Füngern der Wiſſen— ichaft empfangend, austaufchend und darbietend zu verfehren. Sn dieje ſchöne Periode, von 1810 — 1832 oder vom 19. — 41 Lebensjahre unferes Bremi, fallen die freundfchaftlichen Beziehungen, welche er mit nachbenannten Männern theils in entomos logiſcher, theils in botanifher Hinficht anfnüpfte und denen er zum Theil Bereicherung feiner Sammlungen, zum Theil anderweitige Beiträge, Mittheilungen und Unterftügung verdankte. Einen Beleg für die innige Dankbarkeit, mit welcher Bremi dieſe Gefälligfeiten aufnahm, finden wir in der freundlichen Gedächtnißtafel, die er jenen, ſowie den ſpäter zu nennenden Förderern feiner Studien errichtete und die er bis in fein legtes Lebensjahr fortiegte. An der Spige diefer Gedächts nißtafel bemerfen wir den vielverdienten Senior unferer züricherifchen naturforjchenden Gejellichaft, den leider feit mehreren Jahren durch Schwinden der Kräfte auf jein Zimmer gebannten Prof. Dr. R. Schinz, welchen Bremi wegen der mannigfachen von früher Jugend bis ins reifere Alter ftets mit freudigfter und uneigennügigfter Bereitwilligkeit geleifteter Unterftügung dur Rath und That gleich einem zweiten Vater ehrte, fowie den ſchon oben erwähnten Provifor Wagner in Aarau; die übrigen aus diefer Periode zu erwähnenden, zum Theil auch im weiteren Verlaufe zu Bremi in freundfchaftlicher Beziehung ftehenden Männer find Pfarrer Steinfels in Züri Ze feit 1812, Jacques Hagenbach, damals Student in Bafel und Eſcher-Zollikofer in Zürich feit 1820, Dswald Heer von Matt in Glarus, jetzt Profeffor am eidgenöffiihen Polytechnikum und an der Univerfität in Zürich feit 1827, Seiler, Kaufmann in Echaffhaufen, Pfarrer Ror- dorf in Seen, J. 3. Hagnauer (bis 1850 Schuldireetor in Zofingen, von da an Pfarrer in Auenftein) und Dr. Imhof in Bafel feit 1828, Profeffor Germar in Halle und Kaufmann Lefebvre in Paris feit 1829 und Lehrer Fridart in Zofingen feit 1830. Eine ähnliche Gedächtnißtafel den Fürderern feiner botanifchen Studien zu errichten, lag nach einem aufgefundenen Namensverzeichnig zu fchließen, gleichfalls im Plane; es find für dieſe Beriode folgende auszuheben, von deren meiften zugleich Gorrefpondenzen vorliegen: Straub ſeit 1808, Barth, Pharmaz, C. Leop. Bader, Pharmaz., fpäter Apotheker in Mühleberg im Großherzth. Baden und H. Wydler, Studirender der Forſtwiſſenſchaft, ſpäter Gonfervator der Herbarien und Bibliotheken De Candolles in Genf feit 1821, L. Schultheg im Lindengarten, Director des botanischen Gartens in Zürich feit 1822, Ferd. Krauß, Pharmaz. in Tübingen feit 1826, Nonier, Fr. Theod. Hübfhmann, Pharmaz. in Züri und Schaffhaufen und Osw. Heer feit 1827, Statthalter 3. 3. Hegetfchweiler, Med, Dr. in Riffersweil und Dr. Franz Lagger in Freiburg in der Schweiz ſeit 1828, Meyenhard feit 1829, R. Fr. Hohenader, Miffionär in Helenendorf bei Schuſchy im Kaufafus jeit 1830 und Maler Römer in Zürid. In conchyliologifcher Hinficht ſchließen fih noch an: Ferd. Wydler, Apotheker in Yarau und ©. 2. Zyli in St. Gallen, leßterer zugleich im Verkehre mit Mineralien und Betrefacten. In diefelbe Periode, aus welcher außer zahlreichen Beweifen vielfeitiger Thätigfeit feit 1816 regelmäßige Witterungsbeobadytungen und Aufzeichnungen der Barometer- und Thermometerftände vorliegen, fallen nad Bremi’s Aufnahme in die allgemeine Tchweizerifche naturforfchende Gefell- ichaft (1827), der Verſuch einer theilweifen Beantwortung einer Neihe von diefer 1827 als Preis- aufgabe geftellter Fragen über die während der Blüthezeit den Obſtbäumen jhädlichen Käfer und Schmetterlinge aus dem Jahr 1828 und 1829, ein Verfuch der Herausgabe von Inſekten- und Pflanzen Decaden und Genturien und ein Verſuch der Begründung eines ſchweizeriſchen entomo- logijhen Bereines (aus dem Jahre 1830). Bom Fahre 1820 an jehen wir Bremi als Entomologen mit Entomologen, ale Botaniker mit Botanifern verkehren, überall als competenten Studiengenoffen anerfannt und allenthalben mit Beweifen der Achtung in feine Thätigkeit und Leiftungen geehrt. So erbittet fi in diefem Zahre Jacques Hagenbac Beiträge zu feinen Symb. Faun. insector. helvet., fowie zu der in Verbindung mit Nees von Ejenbed beabſichtigten Bearbei- tung einer Monographie der Eynipfarien und Diploleparien mit dem Bemerfen: „Bon Ihnen erwarte ich Erftaunliches“, und ein Jahr fpäter fchreibt er: „Wahrlich, meine Freude wäre unge: mein, wenn ich von jedem meiner Gorrejpondenten mit jo inhaltfchweren Briefen erfreut würde u A wie von Ihnen. Sie find ein waderer Naturforfcher, fo wenig Muße und doch fo viele Beobach- tungen und doch jo Biel zufammengebradht; könnte ich doch auf einen Augenblid in das liebe Dübendorf mich verfegen, um Shre lehrreiche Unterhaltung zu genießen.” Im Frühlinge des gleichen Jahres hatte er fich über Bremi's Sammels und Beobachtungseifer folgendermaßen gegen diefen fchriftlich geäußert: „Sch möchte nur bei Ihnen fein, um die Freudenfprünge zu jehen, die Sie beim Erſcheinen Ihrer alten Bekannten und Ihrer neuen Mitbürger (er meint die Injeften) machen!“ Aus diefer Gorrefpondenz erfehen wir, daß Bremi fi jchon damals mit befonderer Borliebe feinen fpätern Lieblingen, den Gallwefpen, Phryganeen, minirenden Inſekten zc. und ihren Erzeugniffen zugewandt und über fie wie über andere Inſekten manche wertvolle Beobachtungen gemacht hatte, worüber in Hagenbach's Gorrejpondenz an Bremi jich ebenfalls eine bezeichnende Stelle findet: „Sie find von der Vorſehung zum Beobachter geboren. Trachten Sie, dieß verlichene Talent jo hoch und weit wie möglich auszubilden.” Wir übergehen im Folgenden ähnliche Aeuße— rungen Underer und brauchen hier, ebenfalls ohne jpäter in ähnlichen Fällen darauf zurüczufommen, nur anzudeuten, daß Bremi aus feinem Verfehre mit Hagenbady natürlich auch für fich vielfache Vortheile zog, wie Beltimmungen zugefandter Infeften, Beiträge zu feiner Sammlung, Berglei- chungspunfte über die Verbreitungsgefege der Inſektenwelt aus der Durchſicht eingefandter und eigens gefertigter Gataloge, jowie aus Excurſions- und Reifeberichten, Belehrungen über manche wichtige Frage, Hinweilung auf Gegenftände würdig genauerer Erforfchung, Aufſchlüſſe über beffere Methoden des Sammelns, Tödtens, Präparirens, Confervirens und Verſendens, Bekanntſchaft mit der neueften Literatur durch Angabe der beften und neueften Werke und durch Zufendung einzelner Werke, Bereicherung feiner Bibliothek durch Beſchenkung mit Abhandlungen des Verfaſſers x. Durch Efher-Zollifofer, welchem Bremi jchweizerifche Inſekten lieferte, wurde er mit Meigens trefflichem Werke über die Zweiflügler befannt und bald mit diefer Ordnung fo vers traut, daß jener, deſſen Dipterenfammlung Bremi beftimmen follte, im Jahre 1828 dem legtern ſchrieb; „Geben Sie um Gottes Willen bei den Dipteren nicht nach; ich jchaudere jchon bei dem Gedanken; wer wollte, wer dürfte in Ihre FZußftapfen treten?“ daß er weiter im Jahre 1830 nad) dem Erjcheinen von Meigens 6. Bande, als er diefen den übrigen nachjandte, jchrieb: „Behalten Sie das Werk ſammt Abbildungen, jo lange Sie wollen; wie fünnte es in beffern, würdigern und gejchieteren Händen fein,“ daß er endlich 1831 über den Neichthum der von Bremi aufges fundenen Dipteren fi in folgenden Worten ausſpricht: „1300 Arten Dipteren nur in der Gegend von Dübendorf jcheint mir etwas Unerhörtes; wie reich muß die Drdnung diefer Inſekten fein! ich glaube, es würde feine andere nur die Hälfte jo viel liefern.‘ Auch fheint Bremi’s Idee, die Entomologen der Schweiz zur gemeinfamen Begründung einer jehweizerifchen Gentralfammlung als Bafis zu entomologifchen Studien und Arbeiten über helvetiſche Inſekten und Entomologie zu veranlaffen, in dem Sinne auf Efcher-Zollifofer eingewirft zu haben, daß er ſich beftrebte, feine Sammlung durch Herbeiziehung von Beiträgen aus allen a ya Richtungen, namentlich auch durch Vervollftändigung feiner ſchweizeriſchen Inſekten, ſowie dur Gewinnung der beften Kräfte für deren Beltimmung, z. B. Heer’s für diejenige der Goleopteren, auf eine Stufe möglichit Hoher Ausbildung zu bringen. Die erften freundfihaftlichen Beziehungen Bremi’s zu diejem Manne rühren aus einer Zeit, als diejer nody im väterlichen Haufe zu Matt im Kanton Glarus die wenige freie Zeit mit jugend- lichem Eifer dazu benußte, die Gebirge feiner Heimath nach den organifchen Erzeugniſſen der Alpennatur zu durchſpähen und erhielten fich bis zum Hinfchiede unſers Bremi. Damals richtete fid) der Verkehr zwifchen Heer und Bremi auf einen Austauſch von Inſekten und Pflanzen aus den Umgebungen von Matt und Dübendorf, wobei diefer den ftrebjamen Jüngling mit jeinen Erfahrungen und Kenntniffen, jowie mit Literatur zu fördern ‚trachtete, während der danfbare Heer mit mancher intereffanten Mittheilung aus den Alpen Erſatz zu bieten juchte. Als legterer zum Beginne feiner theologifchen Studien die Univerfität Halle bezog, begleitete ihn eine von Bremi dargebotene, beſtimmte und geordnete Kryptogamenfammlung als hochwillfommenes Hilfsmittel für die betreffenden Studien unter Kaulfuß und Sprengel und eine von Bremi zujammengejtellte Auswahl von diefem für neu gehaltener Inſekten, unter denen Germar wirklich einige neue Ent— defungen fand, und es freute Heer herzlich, unjerm Bremi jpäter mittheilen zu können, daß ihm zu Ehren (fpäter gefhah dieß mit Bezug auf Inſekten und Pflanzen noc manchmal) ein Käfer diefer Auswahl unter dem Namen Nebria Bremii in Ahrens Fauna Insect. europ. von Germar befchrieben worden ſei. An diefe Mitteilungen reihten fi, folche über jeine Reife nad) und über jeinen Aufenthalt in Halle, über Infekten aus den Umgebungen diefer Stadt, über einen Ausflug nach Helgoland und eine Begrüßung mit Pflanzen diefer Infel. Von hier an fand Bremi auch in wiffenfchaftlicher Gorrefpondenz mit Germar und lieferte demjelben manche werthvolle Beiträge, bejonders von Kleinzirpen, während nad Heer’s Rückkehr ins Vaterland die gegenfeitigen Mit: theilungen und Dienftleiftungen immer weitere und höhere Anſchauungen vermitteln und inmer entjchiedener die eigenthümlichen Richtungen beider Forſcher bezeichnen. Sn Seiler, Heer's Jugendfreunde, und Hagnauer gewann Bremi nicht blog für feine wiſſen— fchaftlichen Beftrebungen, ſondern zugleich für das Leben treue theilnehmende und für Bremi’s zahlreiche Dienftleiftungen und Gefälligkeiten dankbare Freunde. Seiler nügte ihm übrigens noch durch Faufmännifche Nührigfeit, indem er in allen naturgejchichtlichen Zweigen, welche Bremi eultivirte, für Taufh, Kauf und Verkauf Verbindungen anfnüpfte und zum Theil auch den Ber- trieb bejorgte. Die Verbindung mit Hagnauer war Bremi befonders darum bedeutungsvoll, weil er in ihm, wie fpäter in Boffard und Major Am Stein einen in religiöfer Hinfiht gleichgefinnten Mann gefunden hatte, dem er die innerften Züge feines Gemüthes aufjchliegen und dadurd in allen Lagen des Lebens Troſt und Beruhigung, Ermunterung und Erhebung finden fonnte. Der Austaufh mit diefen Männern war ihm bei feiner ganzen Richtung geradezu Bedürfnig; denn Bremi forjchte nicht blos für fih und jeine Befriedigung; fein Forfcherleben jollte die Werke Gottes preifen and ihm allein die Ehre geben. Auch ward ihm von diefen Männern eine hohe Achtung und die innigfte Freundesliebe erwiefen, welche fih oft, zur Ehre für Bremi jowohl wie für fie jelbit, in Worten der Unerfennung und des herzlichiten Zurufes ausſprach. Gefälligfeit und Bereitwilligfeit, Uneigennügigfeit und Freigebigfeit, Drdnungsliebe und Genauigkeit, Pünft- lichkeit und Gewiffenhaftigkeit, Baterlandsliebe und Biederfinn treten in ihren ausgedehnten Gorre- Ipondenzen, die bis wenige Tage vor Bremi’s Tode fortdauerten, taufendfältig wohlthuend und erfrifchend zu Tage, während Seiler auch jenfeit des Oceans, ald er mit feiner Familie im Staate Wisfonfin 1848 fich angefiedelt hatte, nicht minder die treue Freundjchaft bewahrte. In Bafel Hatte inzwifchen Dr. Imhof die Fortfegung der Hagenbach'ſchen Symbola Faunae insector. helvet. unternommen und für diefen Zwed unfern Bremi um Beiträge an Inſekten wie um Mittheilungen von Beobachtungen über Entwidelungsgefchichte, Lebensart und ſonſtige Eigenthümlichfeiten folcher erfucht, und es hatte diefer Verkehr für Bremi dadurch bejon- dern Werth, dag feine Mitteilungen, mochten diejelben wiflenfchaftlicher Natur fein oder fonftige entomologifche Plane und Unternehmungen betreffen, mit ftrengfter Kritif geprüft und durch viele intereffante Notizen und Bemerkungen erwidert wurden. Während die oben genannten Männer Bremi vorzüglich Beiträge aus der Heimath lieferten, Hagenbach, Heer, Seiler, Imhof und Hagnauer aus allen Drdnungen der Inſekten, der legte aber namentlich und Rordorf, der ausgezeichnete Raupenzüchter, faft ausfchlieglich aus der Ordnung der Schmetterlinge, bereicherten Efcher-Zollikoffer und Lefebvre deffen Sammlungen bejonders mit exotiſchen Schäßen, und welche Freude ihm durch die Aequifition neuer intereffanter Gegenftände verurjacht wurde, möge die folgende Stelle aus einem Briefe an den legtgenannten zeigen: „Hoch lebe Lefebvre, der biedere Freund, der hochherzige Pariſer! jo rief ich erfreut, als ich den 6. Det. 1829 Ihre gütige Sendung eröffnete und den Inhalt erblidte. — D die Nemopteren entzüdten mich! Wunderbarere und naturgefchichtlich merkfwürdigere Inſekten hab’ ich nie gefehen, und ich bin jtolz geworden auf Ihre Freundichaft, die mir jolche Seltenheiten mitzutheilen die Güte hatte.“ Bon den übrigen Verbindungen aus diefer Periode erlauben wir uns nur noch diejenige mit $. 3. Hegetihweiler Hervorzuheben, weil fie insbejondere für Bremi’s Thätigfeit in der Kryptogamenkunde, jowie für Hergusgabe von Kryptogamenfammlungen von Bedeutung war; überdieß ſcheint Bremi durch feine Mittheilungen an Hegetjchweiler zu deſſen verdienftlicher Arbeit über die jchädlichen Baumraupen (welcher von der allgem. ſchweiz. naturf. Gefellich. das Acceſſit zuerfannt wurde und die ſpäter im 2. Bande der Denkichriften dieſer Gejellichaft erſchien) gewiſſer— maßen in Beziehung zu ftehen. Diefe Preisaufgabe, veranlagt durch wiederholte Mifernten des Dbftes in den Jahren 1826, 27, 28, troß ausgezeichneten Blüthenreihthums der Bäume, galt unferem Bremi, für welchen die Erſcheinung ohnedieß ſchon ein hohes Intereſſe gehabt, ald Beweis für die Wichtigkeit fortgeſetzter Beobachtung und führte ihn wohl mittelbar entchiedener auf die Bahn der biologiſchen Forfchungen 3 = in dem Gebiete der Inſektenwelt. Vremi beſchränkte fich in feiner betreffenden Abhandlung durch— aus auf eigene Beobachtungen aus dem engen Gemeindbezirt Dübendorf und ebenjo auf die zeit— fichen Grenzen der Jahre 1828 und 1829. Obſchon diefe Abhandlung nur kurz ift, fo zeugt fie dennoch von Beobachtungsgabe und Urtheilsfchärfe, von Combinationsvermögen und praftifhem Sinne und giebt einen Beleg für fein Boftreben, die Wiffenfchaft für das Leben fruchtbringend zu machen. Durch zeitweife erfcheinende Decaden einzelner bejonders intereffanter oder neuer oder noch) nicht genau feftgeftellter Arten von Pflanzen und Inſekten, wollte Bremi Botanif und Entomo- logie fördern und durch Abgabe ſyſtematiſch geordneter Genturien von Gattungsrepräfentanten aus verfchtedenen Ordnungen der Kryptogamen und Inſekten Intereſſe für die niedere Pflanzenwelt, jowie für die Entomologie in weiten Kreifen weden. Daneben bejchäftigte er fich eifrigft mit dem Berfuche, einen entomologifchen Berein ins Leben zu rufen, welcher auf dem Wege der Girculation durch gegenfeitige Handichriftliche Mittheilungen feiner Mitglieder, Entomologen und Liebhaber der Entomologie, nämlich durch Befchreibungen neu entdecter Inſekten, Discuffionen über zweifelhafte Arten, Localverzeichniffe, Monographieen, Berichte über entomologijche Excurſionen oder interefjante Erſcheinungen in der Entwidelungsgefchichte und Lebensweife, Anzeigen neuer Literatur und Kritiken darüber, Belchrungen über neue Zuchtapparate, Sammeln, Tödtungs- und Präparir— methoden, Aufbewahrungsbehälter und Gonfervirmittel, Dfferten und Defiderien für Tauſch- und Kaufverkehr, Anzeigen über Sammlungen 2. das Intereffe für Entomologie ftets fort belebe und nähre, Umfang des Wiffens, Sicherheit und Gewandtheit erhöhe, für die Wiffenichaft wie für das Leben nusbringend mache und insbejondere endlich Material zu einer Bearbeitung wenigſtens eines Prodroms einer fchweizerifchen Infeftenfauna fammle und durch Bertheilung der Kräfte die Bear- beitung ſelbſt ermögliche. Wenn diefe Vorfchläge Bremi’s in mancher Hinficht unpraftijc waren und von verjchiedenen Seiten, insbejondere von Imhof, Ausftellungen erfuhren, jo hatten fie doch das Verdienſt, die Notwendigkeit einer Vereinigung der Kräfte zur Bearbeitung einer fchweizerifchen Fauna ſcharf zu betonen, einzelne geeignete Mittel näher zu bezeichnen und zur Anhandnahme der Sache einen fräftigen Anftoß zu geben und waren, wenn ſchon das nächte Reſultat, die Begründung des Bereing in der oben erwähnten Form, fein glänzendes war, indem dem Vereine außer Bremi nur noch 3 Männer beitraten, Seiler, Bofjard und Dr. X. Dith in Bern, dennoch ficher auch in weiteren Kreifen nicht ohne wohlthätigen Einfluß, vielleicht felbft auf die ſpätern betreffenden Beichlüffe der allg. ſchweiz. naturf. Gejellichaft. Es bleibt uns noch übrig, einige andere Ereigniffe in dem befcheidenen Lebenslaufe Bremi’s aus diefer Lebensperiode zu erwähnen, welche, jo einfach fie auf den erften Blick ericheinen, doch für ihn von Bedeutung waren. Bis zum Sabre 1815 hatte Bremi nur wenig von feinem Vaterlande gejehen; feine Ban: u derungen hatten fich mehr auf die ebeneren Theile des Heimathsfantones, zum Theil auch des Aargau bejchränft, waren meift von furzer Dauer gewejen und fait nur in Gefellichaft feiner nächiten Angehörigen in der Negel zu Verwandten oder näheren Bekannten unternommen worden. Der Drang zum Wandern, ſchon in der Kindheit durch Ausflüge an die intereffanteften Punkte des Heimathsfantones, z. B. den Rheinfall, Kyburg, den Uetliberg, die Lägern 2c. angeregt und durch die Erinnerung an ihre herrlichen Genüffe erhalten, jollte von nun an öfter und zwar auf weitere Entfernungen hin Nahrung finden; ausnahmsweife hatte nämlich die bejorgte Mutter dem gehor- jamen Sohne einige größere Neifen geftattet. Ein Bejuch bei Freunden in St. Gallen, eine in Begleitung eines Verwandten unternommene Reife nad) Bafel und zwei in den Jahren 1815 und 1819 in Gejellihaft feines Schwagers Sulzer und dann feines Schwagers Wolf ausgeführte Bejteigungen des Nigi waren die Folge, vielfache Anregung, erweiterte Anfhauungen und man: cherlei Bereicherung feiner Sammlungen das Ergebniß diefer Reifen. Ueber den erften Beſuch des Nigi liegt das Fragment einer Befchreibung vor, welche von vielfachen Kenntniffen in der vaterländifchen Geichichte und in der poetifchen Literatur zeugt: Dem zweiten Rigibefuche war ein für Bremi nicht minder wichtiges Greigniß vorangegangen, nämlich die Begründung eines eigenen Familienlebens durch jeine 1818 erfolgte Verehelichung mit Magdalena Barbara Wolf, Tochter von Andreas Wolf, Pfarrer in Hedingen; und die Geburt dreier Kinder, Eleophea Barbara 1819, Heinrih Jakob 1821 und Anna Elifabetha 1826, brachte eine Fülle häuslicher Freuden. Freilich giengen diejen Freuden auch manche fummervolle Erlebniffe varallel, namentlic ein länger andauerndes jchweres Nervenleiden feines Heinrich. Nach feinem Austritte aus der Lehre lebte Bremi faft 22 Jahre feinem Beruf und feinen Studien in Dübendorf und erwarb fich in diefem Zeitraum durch unabläffiges Sammeln, Beftim- men und Beobachten eine eindringende Kenntnig der Gegend im Allgemeinen ſowohl, wie in den jpeciellften Zügen, namentlich ihrer geognoftifchen Verhältniffe, ihrer Flora und Fauna und der Beziehungen diefer zu einander, der Eigenthümlichfeiten beider legtern je nach den Localitäten, ihrer Abhängigkeit von den Zeitverhältniffen, den atmofphäriichen Vorgängen zr. Augenzeugen erzählen ung aus jener ‘Beriode, welchen Genuß es unjerm Bremi bereitete, den im Pfarrhauſe Dübendorf einfehrenden und ſtets herzlich aufgenommenen Freunden, Bekannten und jonftigen lieben Gäften feine gefammelten Schäge zu zeigen und über diefelben zu ſprechen; fie erinnern fih immer noch mit Theilnahme der lebhaften Mittheilungen über die intereffanteften Gegenftände derjelben, wie über die vielen in- und ausländiichen Pflanzen, weldye er in jeinen Garten verfegte, auf's Sorgjamite pflegte und richtig zu beftimmen fuchte, wie er mit Exemplaren der jchöneren Arten bald Diefem, bald Jenem Freude zu bereiten trachtete, wie er dabei die Neigungen oder Wünjche jeiner Bejucher zu errathen ftrebte und jeine Gabe meift unerwartet, ftets im richtig gewählten Momente und auf die finnigfte und zartefte Weiſe darbrachte; wie innig vergnügt er war, wenn er feinen Zwed, Freude zu bereiten, in Wirflichfeit erfüllt ſah; mit welcher a jprechenden und aufrichtigen Dankbarkeit er aber auch die Gaben Anderer aufnahm und wie gerne er jede Gelegenheit benuste, um junge Leute zum Sammeln und Drdnen von Naturalien anzus leiten und anzuregen, aufzumuntern und zu belehren. — Ebenfo liegen aus diefer Periode vielfache Zeugniffe von der innigen Theilnahme Bremi's bei freudigen oder traurigen Erlebniffen feiner Angehörigen, bei glücklichen oder unglüdlichen Schidfalen Anderer, ihm näher oder ferner Stehen- der, bei wichtigen Greigniffen in der Heimath oder im weitern Baterlande vor und von feinem lebendigen Streben, überall zu rathen und zu helfen, wo und joweit es in feinen Kräften lag. Diefes regſame und glüdliche Leben in Dübendorf follte aber enden und der Moment der Trennung von allen bisherigen Quellen der Freude und des Genuffes trat unaufhaltbar heran. Wegen zunehmender Altersichwäche refignirte nämlich fein 83jähriger Vater auf die Pfarritelle; und Großeltern, Eltern und Kinder zogen am 19. März 1832 nad Zürich, das ftille Landleben gegen das geräufchvolle Treiben der Stadt, die freie Lage gegen eine enge Gafle mit alljeitig begrenzter Ausficht, die weiten Räume der bisherigen Wohnung gegen ein Eleines Häuschen, die zwanglofefte Bewegung gegen conventionelle Schranken vertaufchend. Bremi nahm diefe Veränderung nicht leicht; fie war ihm ein ſchweres, beängftigendes Greigniß, in welchen er, wie in allen Angelegenheiten des Lebens, Licht, Troft, Zufriedenheit und Ergebung von Oben ſich erflehte- Bald aber war er gefaßt und beruhigt, ja mit freudigem Muthe erfüllt, fo daß er von Stund an am neuen Wohnorte fih glücklich fühlte. In der That fand er auch reihen Erſatz; Zürichs wiffenfchaftlihe Schätze fürderten feine Arbeiten; die Gelegenheit, mit Freunden über feine Lieblingsbefchäftigungen, über wiflenfchaftliche Fragen 2. ſich auszutaufchen, diefelben Häufig zu jprechen, manc Neues und Schönes zu jehen und Eennen zu lernen, erhob ihn; die freundliche Aufnahme und Unterftügßung, welche ihm viefach zu Theil ward, diente ihm zur Anregung und Ermunterung; die Achtung, welche man dem jehlichten befcheidenen Manne erwies, wirkte ermuthigend auf feinen freundlichen und dienftfertigen Charakter und wohlthätig auf jein offenes, durch und durch redliches Weſen. Zudem fiel jein Einzug nad) Zürich in eine Periode der NRührigfeit, voll von Keimen und Entfaltungen eines regen geiftigen Lebens, in welches einzu— greifen auch ihm in feiner Weije bejchieden war. Zwar fehlte es nicht an Dornen auf feinem nunmehrigen Wege und eben fo wenig an herben Berluften; jo ward ihm z.B. ſchon im December 1832 der Vater und im nächftfolgenden Jahre auch die Mutter durdy den Tod entriffen. Aber Bremi’s Muth ward dadurch Feineswegs gebeugt, feine Heiterkeit nicht auf die Dauer getrübt; folgte doch auf Regen Sonnenfchein, hatte er doc, „einen treuen Führer zur Seite, der über die Schwelle des Todes zum Leben führt und die Bitterfeit der Trennung in frohes jeliges Wieder- jehen umwandelt“ — und in der Natur eine unerſchöpfliche Quelle des reinften und erhabenften Genuifes. Und welcher Drt konnte ihn in diefer Hinficht mehr bieten wie Zürich mit feinen herrlichen Umgebungen, welche das Liebliche mit dem Erhabenen auf das Schönfte vereinigen, in feinem u we Innern, in der unmittelbarjten Nähe wie in geringern oder größern Entfernungen durch Mannig- faltigfeit der Lage, der Boden- und Bewäſſerungs-, der Höhen» und Eulturverhättniffe und jomit auch duch Mannigfaltigkeit der Naturerzeugniffe fih auszeichnen? In der That wurde Bremi allmälig in Zürich fo heimifch, daß er fih, obwohl feine Sammel» und Beobahtungsthätigfeit im Freien durch die vielfachen Umgeftaltungen im Weichbilde der Stadt von Zahr zu Jahr weiter aus den jtädtifchen Grenzen, jowie von den Ufern des Sees und der Limmat verdrängt wurde und mandye Fundſtätten gänzlich eingiengen, unfers Willens doch niemals nach Dübendorf zurüdjehnte; und im gleichen Maße wurde ihm fein Fleines winfeliges Häuschen Hinter dem Münfter ein lieber Aufenthalt, da ihm Hier in der Periode von 1832 — 1843 manche Freuden bejchieden waren, an deren Erinnerung er fi) noch in fpäteren Jahren erwärmte. Bon hier aus unternahm er, wie jpäter, wiederholte Ausflüge nach verjchiedenen Partieen des Albis, des Hochezel und der hohen Rohne, nach dem Kagenfee, nach der Lägern, dem Srchel und in andere Theile des Keimifchen und der benachbarten Kantone; von hier aus machte er mit feinem Sohne die ihm ſtets unvergeplichen Reifen in die herrliche Gebirgswelt, 1835 nad) dem Hörnli und Schnebelhorn, 1836 nadı Engel» berg, über die Surefien nad Altorf und von da über Morgarten und Menzingen zurüd, 1837 über den Gotthard bis Airolo, 1838 nad) Glarus, der Bantenbrud, dem Klaufen und ins Schächenthal; und der Eindrud, welchen die großartige Natur der Alpenwelt auf unfern Bremi machte, war ein gewaltiger, wie ſich aus folgenden Anfangsworten eines Schreibens an die Seinen aus Urjeren d. d. Donnerstag den 27. Zuli 1837 ergiebt: „Hallelujah dem hocherhabenen Allmächtigen! Ich bin ganz Entzüden und Anbetung über all das Herrliche, das wir jehen. Wenn ich davon ſchreiben will, jo kommen mir die Thränen in die Augen.” Daß er von allen diefen Reifen mit Schägen beladen zurüdfehrte und die Erinnerung an die wichtigften derjelben durch Zufammenftellung befonderer Sammlungen zc. fefthielt, läßt fich begreifen. Aber auch fonft mehrten fih in diefem Zeitraum namentlich in Folge vielfacher Beobach— tungen im Freien und fortgefegter Zuchtverfuche im Haufe jeine Sammlungen und die an dieje ſich anſchließenden Kenntniffe und Erfahrungen zu bedeutendem Umfang, und die Gelegenheit, die fegtern mitzutheilen, ward durch feine Aufnahme in die naturforfchende nnd die techniiche Gefell- ihaft Zürihs in den Jahren 1835 und 1839, ſowie durch Erweiterung der Verbindungen mit Männern der Wiffenfchaft in höherem Maße geboten; während die überjchüffigen Vorräthe, zu or gſam beftimmten Sammlungen verjchiedenen Inhalts und Umfangs zujammengeftellt und bald dahin, bald dorthin abgegeben, für Manche eine Grundlage zu eigener Thätigfeit oder in höhern und mittleren Lehranftalten eine willfommene Bafis des Unterrichts wurden. An diefe Thätigkeit ſchloß fich die Beftimmung einzelner Eremplare und ganzer Sammlungen von Naturalien, welche Freunden und andern Privatperfonen oder Anftalten zugehörten, ſowie wenn er damit einen Dienft erweijen Fonnte, die Sorge für die Berwertfung oder doch für Rn, Ermittlung von Abfagwegen in Betreff folder Sammlungen, welche dem Nachlaß hingeichiedener Freunde angehörten, oder Zufendungen von Bekannten aus fernen Ländern bildeten. Zu den früher angefnüpften und feitdem unterhaltenen Berbindungen gejellten fih neue Beziehungen, durch welche Bremi’s Sammlungen oder Kenntniffe vielfach bereichert wurden. Für Entomologie zu erwähnen find insbefondere diejenigen mit Benj. Boßard von Zofingen, Pfarrer in Nued und nunmehr in Mandach 1833, Major Am Stein in Malans, Bietet de la Rive in Genf und Dr. Herrih-Schäffer in Regensburg feit 1835, Ferd. Keller, V.D.M. und Dr. Phil. in Zürich, Apotheker Laffon in Schaffhaufen feit 1836, 3. J. Siegfried, V. D. M., Lehrer an den Stadtfehulen in Zürich 1840, W. Hartmann, Kupferftecher in St. Gallen, Kaufmann Blaß in Rio de Zaneiro, Dr. R. Heß in Zürih, Meyer-Dür, Kaufmann in Burgdorf, Präparator Widmer in Zürih und Math. Sheudzer, Kaufmann in Chur feit 1842 und dem in 22jähriger Freundfchaft ihm verbundenen DVerfalfer. Bejonders hervorzuheben find endlich noch feit der Begründung der Züricherifchen Hochichule feine Beziehungen zu Oken, der in dem fchlichten Handwerfsmanne den tiefen, finnigen Forſcher fchäßte und deſſen Begeifterung für die Wiffenfchaft, deffen Gründlichkeit und Ausdauer im Beobachten, deſſen Thätigfeit und Leitungen anerkannte, nach Kräften unterftüßte, der ihn zu Veröffentlichung feiner Entdedungen , in der Iſis aufmunterte und aufforderte und ihn als nahahmungswürdiges Beifpiel in feinen Vorträgen über Naturgefchichte, bei Behandlung des entomologifchen Theiles, feinen Zuhörern rühmlichft hervorhob. Bon neuen Verbindungen mit Botanifern find zu nennen: diejenige mit 3. Hegetichwei- ler, Med. Dr. in Stäfa, fpäter Negierungsrath in Zürich feit 1830, Dr. R. Schultheß in Zürich feit 1833, Schweizer, Gärtner in Zürich, Laffon, Apotheker in Schaffhaufen, Koch, Stud. von Zug feit 1834 und Münch, Pfarrer in Bafel jeit 1835, Kircher und Lempe, Pharmaz. feit 1837, Alb. Kölliker in Zürich, jebt Prof. in Würzburg, Siegfried, V.D.M. in Zürich und Stud. Ammann feit 1838, Jak. Hirzel, Dredsler in Winterthur, 3. J. Stäger, Pharm. in Stäfa und einer, Apotheker in Gonftanz feit 1839, Shuttleworth und Dr. 3. C. Schmidt, beide in Bern, 3. Fr. W. Vogel, Apotheker in Zürih, Carl Nägeli in Kilchberg, jebt Prof. in München und Hasler, Lehrer in Oberftammheim jeit 1841 und Math. Scheuchzer in Chur jeit 1812. Als wiffenfchaftlihe Beiträge Bremi's aus diefer ‘Periode find zu erwähnen: 1. Relation über die Arbeit an der Dipterenfauna der Schweiz und einige Mittheilungen über Gallen und Blattfraß, in den Verhandlungen der allg. ſchweiz. naturf. Gefellich. zu Freiburg 1840; 2. Die Flora der Limmath, Vortrag in der zürich. naturf. Gefellih. 1841; 3. Ueber die Eiche, in demielben Jahr; %. Ueber die Metamorphofen der Snfekten, vorgelegt in der allg. ſchweiz. naturf. Geſellſch Zürich 1841, gedruckt in den betreffenden Verhand— lungen; 5. Ueber den Schwamm der Gebäude und 6. Leber einen bejondern Haus- u re ſchwamm in Zürich, beide Arbeiten vorgetragen in der technifchen Geſellſchaft 1842; 7. Die Schwämme als Nahrungsftoff der Injekten. Einen bejondern Einfluß auf Bremi’s Thätigfeit in diefem Zeitraum übte feit 1834 der Aufruf des Gentralausfchuffes der allg. Schweizerifchen naturf. Gefellih. zur Herftellung einer vaterländifhen Fauna und die bald darauf erfolgte Uebereinfunft rücfichtlich der Bertheilung der befonderen Zweige, nad) welcher Schinz die Wirbelthiere, Heer die Käfer, Imhof die Grad- und Hautflügler, Bremi die Zweiflügler, Pictet de la Rive der Nesflügler, Seiler die Halbflügler und Gharpentier die Kruftenthiere zur Bearbeitung übernehmen wollten. Heer hatte bereits zwei Jahre vorher die von ihm gewählte Aufgabe vorbereitet und die Rejultate feiner betreffenden Arbeiten „Die Käfer der Schweiz, mit bejonderer Berüdfich- tigung ihrer geographifchen Verbreitung” und die „Fauna Coleopterorum helvetica‘‘ wurden jeit dem Jahre 1837 vom entomologifchen Publifum des In- und Auslandes freudigft begrüßt, obwohl beide ihrer Vollendung noch entgegenfehen. Unter den zahlreichen von Heer zu dieſem Zwecke eingejehenen Sammlungen lieferten diejenigen von Imhof, Seiler und Bremi das reichite Material und die Bremifhe Sammlung von Dübendorfer Käfern, dur) Heer genau beftimmt, ift noch jest als eine auf beide Werke ſich beziehende Driginalfanmlung von hohem wiffenfchaftlichem Werthe zu betrachten. Auch in anderer Hinficht war der Verkehr zwifchen Heer und Bremi aus- gedehnt und rege umd die Beziehungen beider Männer trugen das Gepräge gegenfeitiger Freund- Ihaft, wie aus folgenden theilnehmenden Worten Heers aus einem Schreiben an Bremi vom 30. Mai 1841 erhellen mag: „Sch hoffe, daß die Schwäche in Ihrem rechten Auge nur vorüber: gehend jei; möge Gott Ihre Augen recht bald wieder fräftigen! Diefe Augen, die fchon fo viele jeiner Wunder geſehen und Ihnen eine jo herrliche Welt aufgefchloffen haben.“ Bremi's dipterologiſche Studien, zunächſt gleichfalls auf die Bearbeitung eines Verzeich- niſſes und einer fpeziell ausgeführten Fauna gerichtet, wurden befonders durch Am Stein gefördert, welcher allmälig feine Vorräte an Zweiflüglern fammt Catalog, Beſchreibungen und zahlreichen Abbildungen nebft anderweitigen Notizen, Schilderungen der natürlichen Verhäftniffe feines Sam- melbezirfes 2c. einfandte. Parallel diefen dipterologifchen Studien Tiefen indeffen ſolche über alle übrigen Injeftenordnungen, über Spinnen, Vielfüßer, Kruſten- und. Weichthiere, über Würmer und Infuſorien, jowie über die phanerogamifche, namentlich aber über die Fryptogamifche Pflanzen welt, welche legtere insbefonders durch den weitern Verkehr mit 3. 3. Hegetichweiler (über Farren, Mooje, Flechten, Algen und Pilze) und durch die Verbindungen mit Schmidt und Shuttleworth, ſowie mit Nägeli (über die beiden legten Gruppen) mehr und mehr erſchloſſen wurde. Bremi begnügte fich übrigens bei feinen Studien nicht mit der Kenntnif der vollendeten Weſen; die Gejege des Werdens, der allmäligen Entwidelung, der Aeußerung ihrer Lebensthätig- feit, ihrer gegenfeitigen Beziehungen und Zahlenverhältniffe, ihres Vorfommens und ihrer Ber- PR. a breitung waren ihm die Hauptgefichtspunkte feiner Forſchungen und je geheimnißvoller die Gegen- ftände feiner Beobachtung fih vor dem Blide des Forfchers verbargen, defto Höher ftieg in diefem der Eifer, die verdedende Hülle zu löſen, deſto raffinirter wurden die Mittel, defto zäher die Aus- dauer. Im mannigfachften Zickzack führte er feine Laufgräben der zu erftürmenden Feftung entgegen, bis es ihm gelang, den richtigen Moment und die pafjende Stelle zur Anlage einer Brefche zu erfunden, und nachdem fie eröffnet worden, unaufhaltfam im Sturme vorzudringen, bis der Sieg ihm zu Theil ward. Einzelne feiner Beobachtungen verlangten jahrelange Geduld und nur Schritt um Schritt errang er fich ftücweife die Elarere Einficht. Diefe Unternehmungen auf dem Gebiete der Lebensfunde und Lebensgefchichte find Bremi’s vorzüglichite Forfcherthaten; hier war er Meifter, er war Biolog im vollen Sinne des Wortes und reihte fich würdig an die biologijchen Coryphäen des leßtverfloffenen Jahrhunderts. Seine Beobachtungen gefhahen im Freien ſowohl wie im Zimmer; leßteres war ganz für diefelben eingerichtet, und mit den verfchiedenartigiten Beobachtungsapparaten und Geräthichaften, Zuchtbehältern ze. für diefen Zwed erfüllt. In diefen biologijchen Forfchungen, bei welchen er eine der interejfanteften Sammlungen vorzüglic durch eigene Thätigkeit jchuf, eine Sammlung von erftaunlichem Umfange, unfhägbarem Werthe und wohl einzig in ihrer Art, wurde er unaufhaltfam vorwärts getrieben, und wir begreifen es daher wohl, wenn er troß der dringenditen Vorftellungen feiner Freunde die Bearbeitung der Dipteren- fauna einem weiter geftedten, alle Gruppen der Inſekten umfaffenden Ziele unterordnete. Namentlich für feine biologifchen Forſchungen erhielt Bremi mancherlei Beiträge von Heer, Keller, Siegfried, Widmer und Heß, welcher leßtere ihm auch Ueberſetzungen verfchiedener Abhand- lungen aus Reaumur beforgte und den freieften Gebrauch der durch Kauf acquirirten Rordorf’ichen Schmetterlinge geftattete. Scheuchzer machte Mittheilungen über Dipteren, andere Inſekten und Conchylien, namentlich aber über Spinnen aus Bündten, von denen er eine äußerſt zierlich gemalte Sammlung einfandte, während Hartmann durch Einfendung herrlich gemalter Mifrolepidopteren, verjchiedener ISnfekten und Conchylien aus St. Gallen Bremi erfreute. Einer befondern Hervorhebung endlich verdient folgende bezeichnende Stelle aus einem Briefe Fridarts an Bremi vom Jahre 1842: „Es freut mid) befonders, daß Sie als in der Wiſſenſchaft fchon vorgerüdt, ſich dennoch auch zum Anfänger Herablaffen, dur Ihren wohlwollen- den und freundlichen Umgang ihn zu Shnen heraufzuziehen fuchen und dadurch die Luft zur rechten Naturforihung in ihm weden. Ich wünſchte, alle Naturforfcher Hätten diefen Sinn.” Doc wenden wir uns zu den Arbeiten Bremi’s aus diefer Periode, welche ihres beſchränk— ten Umfangs wegen leichter gleichfam ein Gefammtbild feiner Thätigfeit darzuftellen vermögen. In der Relation über die Dipterenfauna der Schweiz, in welcher Bremi aus der ſüdweſtl. und aus den übrigen Theilen der Schweiz befonders aus den Familien der Tipularien und Museiden nur ſparſames Material erhalten hatte, zählt er bereits 1400 ihm befannt gewordener Arten auf und macht auf die Wichtigkeit maffenhaften Fangens, Tödtens und nachträglichen Sor- Sr tirens und Zählens der gefangenen Inſekten aufmerffam, indem durch diefe Methode allein eine richtige Erfenntnig der Zahlenverhältniffe der Individuen zu den Arten, der Arten zu den Gat- tungen, diefer zu den Familien und der Ießtern zu den Drdnungen und insbejondere auch der Beziehungen der Infekten zu gegebenen Localitäten, Elevationen 2c. erworben werden. Bremi führt in diefer Hinficht mehrere frappante Beifpiele auf, aus welchen herworgeht, daß unter allen Inſek— tenordnungen und von allen Localitäten diefe Art Zählungen die Dipteren nad Individuen, Arten- und Gattungszahl als überwiegend und fomit das Studium diefer Drdnung als ein vorzüglich lohnendes und zahlreiche Entdeckungen verfprechendes erweist, namentlich wenn das Schöpf- garn fleigig in Anwendung fomme auf Moos und niedrigen Gefträuchen von Buchenwäldern, auf dem Grafe Lichter Nadelholzwaldungen, an den untern Ueften dichter Tannen» und Fichtenwälder, befonders der höhern Regionen, an Pflanzengruppen in den nächiten Umgebungen von Wafferfällen und bemoosten Zelfen, auf den Alpen an Syngenefiften überhaupt und Garduaceen insbefondere, vorzugsweile in den Monaten Augujt und September. Nicht minder glüdliche, zugleich aber bejonders werthvolle und belehrende Refultate veriprechen die Erziehungsverfuche aus den Larven; Bremi macht in diefer. Hinficht namentlich aufmerkffam auf Hutſchwämme, Minen in Blättern vers ichiedener Pflanzen, auf feuchte Erde, auf die erdigen Ueberzüge an untergetauchten Pflanzen ftehender und fließender Gewäfler und erwähnt hierbei der Kunfterzeugniffe mehrerer Mücdenlarven und der Simulien, des von andern mit einem Spinnapparate verfehenen Zweiflüglerlarven gefertigten feinen Gewebes, unter deffen Schuge diejelben oberflächlich niedere Pflanzen benagen, ſowie des merfwürdigen Umftandes, dag mehrere Mückenarten aus den Gattungen Trichocera und Chiro- nomus ihre Entwidelung durch den Winter hindurch fortfegen ; endlich fpricht er die Erfahrung aus, daß die Mehrzahl der Zweiflüglerarten von thierifhen Stoffen (als Raubthiere, Barafiten, Blutfauger und Aasfreffer) oder von Auswurf ſich zu nähren fcheinen und daß die pflanzenfreſſen— den Dipteren durch maffenhafte Sndividuenzahl fich auszeichnen. In der Flora der Limmath theilt Bremi die Refultate feiner Forſchungen über die pflanzliche Bevölkerung einer bei ihrer geringen Ausdehnung (von der Seeſchanze bis zur Platz⸗ jpige) durch Artenreichthfum, zum Theil auch durch eigenthümliche Formen um fo intereffanteren Strede dieſes durch die Klarheit feiner Gewäffer ausgezeichneten Abfluffes unfers Seebedens mit. Es erſcheinen unter diefen Bewohnern der Limmath und ihrer wenigſtens benegten Ränder 7 Phane— rogamen und 50 Kryptogamen; von den erftern kommen 3 auf die Dicotyledonenfamilien der Halorageen (1) und Ranunculaceen (2), 4 auf die Monocotyledonenfamilie der Najaden; von den legtern gehören 7 der Gruppe der Laubmoofe, 43 derjenigen der Algen an und unter diejen wiederum 4 der Familie der Characeen, 3 derjenigen der Noftochgewächfe, 4 den Dscillatorien und 7 den Gonferven; die übrigen fallen den einzelligen Familien der Desmidiaceen und Diatomeen zu. Die große Mehrzahl diefer niedern Algen ift der Limmath innerhalb des Stadtbannes eigen: thümlich, außerhalb deffelben findet fich von den meiften feine Spur, wiewohl fie in vielen andern 4 ⸗ Re, Gewäſſern wiederfehren; der Limmath ausfchlieplich eigen ift Leptomitus plumosus Br.; die Brunnen in Zürich haben nur wenige Algen mit der Limmath gemein, fie befißen mehr eigenthüm- liche Arten, jowie auch andere Flüffe, z. B. die Töß und Glatt befondere Algen enthalten. Die Abhandlung über die Stieleiche, Quercus pedunculata, entwirft ein lebendiges Bild über die Beziehungen der Eiche zum Menſchen und zum Naturleben. Bei Hervorhebung der technifchen Verwendung theilt Bremi feine Erfahrungen über die Entftehungsweife des Majer, über die Fropfartigen Berdidungen, welche zum Unterfchiede vom Mafer nicht Zweige, fondern nur Blätter tragen, jowie über die budeligen Anfchwellungen des Holzes an der Baſis neuer Knojpen an jungen Zweigen mit; dann weist er auf die merkwürdige Stetigfeit des Wachsthums der Eiche, auf die vielgeftaltigen Abweichungen von der Normalform der Blätter an jungen bis zu 10— 15° hohen Individuen Hin und fpricht von dem faft in allen Torfmooren vorfommenden ſchwarzen Eichenholze, welches von einer zwar ausgeftorbenen, dennoch aber der jeigen Schöpfungs- periode angehörenden Eiche herzurühren fcheine. Am ausführlichiten verbreitet ſich die Arbeit über die auf der Eiche vorfommenden Fryptogamifchen Pflanzen und über die auf ihr fich anfiedelnden Snfeften. Von erftern waren Bremt aus der Schweiz damals 127 Arten befannt, unter welchen jedoh nur etwas mehr als ein Drittheil, vorzugsweife der Gruppe der Pilze angehörend, aus— jchließlich auf die Eiche angewiefen find. Die Flechten und Moofe, obſchon auf verfchiedenen andern Bäumen ebenfalls vorfommend, finden ſich auf feiner Baumfpecies in jo vielen Arten. Die Mannigfaltigfeit diefes Vorkommens wird übrigens durch geographijchen Standpunft und Local: verhältniffe bedingt, bei den Pilzen überdies noch durch Witterungsgang und Lufttemperatur. Auch das Alter der Eiche ift ein Bedingnig der großen Menge von Pflanzenarten, die ſich auf ihrer Rinde anfiedeln und beftimmt mit feiner Zunahme das fucceffive Auftreten ftets neuer und anderer Arten, unter welchen die vollfommenften zulegt erjcheinen, während die mehlartigen Ent: widelungsformen zwijchen jenen auf die reife Rinde fich einniften; die höhern Flechtenformen ftellen fi übrigens nur auf Stämmen ein, die in feuchten Niederungen oder auf gejchüßten eingefchlof- jenen 2ocalitäten ftehen, und zwar nur an der Lichtleite derfelben. Die dominirenden Flechten wechjeln übrigens ſtark nach Localverhältniſſen ab. Ueber die Inſekten der Eiche treten wir hier nicht ein. Sn der Abhandlung über die Metamorphofen der Snfeften verbreitet ſich Bremt über einige intereffante Formen von Giern, über die Raupenfäde aus der Familie der Schaben, über die Röhren der Phryganeenlarven, über die Kunfterzeugniffe verfchiedener Zweiflüglerlarven, über einzelne durch Zweiflüglerlarven erzeugte Gallen, über mehrere intereffantere Bauwerfe ver- jchiedener bienenartiger Thiere, erinnert an die verfchieden geftalteten Cocons der Schlupfweipen, macht auf ein Gejpinnft aufmerfiam, welches ftetS von einem Paar von Raupen angelegt wird und Ipäter zwei Puppen als Cocon dient, Ipricht über eine Reihe von Gall» und Blattweſpen erzeugter Gallen, über die blattminirenden Inſekten und die verjchiedenen Formen ihrer Minen, fchließt = Bemerkungen über die Blattwicler und über deren Art ſich einzuwideln an und legt eine Reihe an Pflanzen auftretender und vorläufig unter dem Namen Ekphymata zufammengefaßter räthiel- bafter Gebilde zu genauerer Prüfung und Vergleichung vor. Durch zierlicye Form eines feinen hautartigen Saumes von weißer Farbe zeichnen ſich die glänzendjchwarzen fait walzigen Eier einer auf Eichen lebenden Raubwanze, Harpactor annulatus, aus; der falterähnliche gelb und ſchwarzgefärbte Umeifenlöwe, Ascalaphus meridionalis, legt feine gelblichen Eier gegen 3° Hoch reihenweife an Grashalme, jo dag beim Ausjchlüpfen die unter Moos oder in jandiger Erde dem Staube nachgehenden Larven auf den Boden herabftürzen, ähnlich einigen im Larvenzuftande Sümpfe bewohnenden Zweiflüglern und Libellenarten, welche ihre Eier hoch über dem Waſſer überhängenden Gebüfchen ze. anvertrauen. Nicht minder bemerfenswerth ift das Berfahren eines Käfers, der Lagria hirta, jeine Gier in einen auf jchwanfendem Faden hängenden Beutel zu ſammeln; bejonders frappant ift aber die Beobachtung, dag Schmetterlinge, deren Raupen einfiedlerifch zerftreut auf Gebüfchen und Bäumen leben, je ein Pärchen von Eiern zufammenlegen, aus denen jchlieplich, wie beim Gabeljchwanz, Harpyia vinula, ein Männchen und ein Weibchen hervorgehen. Die fadtragenden Raupen halten ſich zwar an der Unterfeite der Blätter auf, verrathen fich aber durch die Eleinen Fleden abgenagten Zellgewebes und bei häufigerm Vorkommen, wie die Räupchen von Ornix otidipennella auf Zäunen und Weißdorn, durch Verunſtaltung der gefchädige ten Bäume und Gebüfche. Der Stoff zu den Säden tft bei verfchiedenen Arten verjchieden, meift den Nahrungsitoffen der Raupe, bisweilen aber auch fremdartigen Körpern entlehnt; einige dieſer Säcke haben außer der eigentlichen, zum Austritte des Kopfes beftimmten Mündung am entgegen- gejegten freien oder obern Ende eine elaftiiche Klappe, durch welche die Exeremente entleert werden; bei der Verwandlung kehrt fih das Räupchen in dem meiſt fnapp anliegenden Sade um, fo daß der Kopf der Puppe unter diefe Klappe zu liegen fommt. Die im Waſſer lebenden Raupen von Zünslern bededen fich mit zwei leicht zufammengejponnenen Blattftüdihen, während die Raupe von Nymphala lemnalis in abgebiffene Stüdchen hohler Pflanzenſtengel friecht. Unter den Phryganeenröhren rühren die leichten, jchwimmenden Gehäuſe aus Blättern und Srashalmen von den größten und ftärkften, aber an der Dberfläche des Waſſers lebenden Phry— ganeen, die jchweren, aus groben Sandförnern gebauten von den zarteren Hydropiychiden, die mehrentheils an der untern Seite von Steinen feitgeiponnenen Gehäuſe endlich von den lange fühlerigen Myſtaciden. Die Röhren werden nach Art der Schnedengehäufe am Miündungsrande vergrößert; für diefe Art des Wahsthums ſprechen die Weichheit des Mündungsrandes an der nicht ausgewachſenen Röhre, die Vergrößerung der Röhre nur in der Dimenfion der Länge, der Mangel der Bauchfüße bei den Larven und die manche Gehäufe harafterifivende fucceffive Ver— wendung verjihiedenartigen Materials, entiprechend der Veränderung der Stoffe auf dem Boden des Waſſers je nach den verfchiedenen Jahreszeiten. Die feitiigenden Gehäufe dürften die Puppen— >. hüllen von Phryganeen fein, welche im Larvenzuftande frei und ohne Hülfe ihrer Nahrung nach⸗ gehen, nicht die Wohnungen der Larven felbft, wie Andere glauben, welche dann annehmen, es werde den in folhen Gehäufen lebenden Larven die Nahrung durch die Strömung des Waffers zugeführt; dieſe Annahme könne wenigfteng nicht von jenen gelten, welche in reinem ſchnellfließen— dem Waſſer an der obern Seite von Steinen figen, die feinerlei Bekleidung mit fryptogamifchen Pflanzen zeigen. Sind aber diefe feftfigenden Gehäufe Puppenhüllen, fo ift es unmöglich, daß deren Einſaſſen beim herannahenden Ausfriechen des vollkommenen Inſektes an die Oberfläche des Waſſers Friechen und es dürfte dieß überhaupt nur bei wenigen Arten der Fall fein, da ſich mehrere ganz mit einem Seidengewebe einfihließen und die andern wohl nicht immer Gegenftände finden, die an die Oberfläche des Waffers reichen; vielmehr jeheint e8, daß nach dem Ausfriechen das vollfommene Inſekt aus der Tiefe des Waſſers unmittelbar an die Oberfläche fteigt, und es verdient in diefer Hinficht Beachtung, daß Bremi einmal eine auffteigende Luftblafe bemerkte, aus welcher, jo wie fie an die Dberfläche des Waſſers angelangt, zerplaßte, ein Infekt an der Stelle fich erhob. Unter den Dipteren machen fih nur Larven von Müden durch Anfertigung von Kunftwerfen bemerklih. So baut Sciaphila cellaria jchwarze bettflafchenförmige Gehäufe aus faulem Holze auf die Unterfeite nahe über dem Waſſer weggehender Brüden oder an die Holzröhren von Sod— brumnen, Die ſtets offene Mündung gegen den Spiegel des Waffers gekehrt. — Die Larven der Simulinen hängen mit dem Schwanzende, dicht ameinandergefchaart, an Steinen und Pflanzen und fluthen mit dem Kopfe im Waffer, und die damit wie mit einer compacten Gallerte bejeßten Steine find jo jehlüpfrig, dag man auf ihnen nicht zu fußen vermag; in Eleinen Bächen finden fie jich bisweilen in folcher Menge, daß bei zufälligem Austrodnen ihre maſſenhaft anweſenden Leich— name die Luft verpeften. Die Puppenhülle von Simulia sericea ift von falfartiger Subftanz, faft edig und gefrümmt, um die Deffnung mit 4 Borften beſetzt; die von Sim. reptans bejteht aus einem hautartigen Gewebe von fijchreufenförmiger Structur mit einem Kranze jteifer Borften um die weite Mündung und einem eingejenkten jehr converen Dedel. — Die Larven vieler Müdenarten befigen Spinnorgane und verbinden mit äußerft feinen Fäden Eleine Sandförner oder erdige Theil- hen zum Schutze für fie in lange Röhren. Die Unreinigfeiten an untergetauchten Pflanzentheilen im Frühjahr find die zufammengefponnene Dede noch ganz Fleiner, unter diefer noch gemeinſam wohnenden Chironomuslarven. Andere Larven, befonders aus der Gattung Cecidomyia verfertigen aus jehr compactem Gewebe Zönnchen oder jie bedecken ſich nur mit einem flachen weißen Zelte, oder fie umwickeln fich, jelbft wenn fie unter eingeroflten Blättern (eben und bier ihre Verwand⸗ lung bejtehen, noch mit weißer Seide. Dder fie erzeugen holzharte kegelige Gallen mit fcharfer Spige wie auf den Blättern der Rothbuche, oder fie legen ihre Eier zwifchen die Eleinen End- blätter junger Zweige, und während die Larve aus den Zweigſpitzen die Säfte jaugt, jchwellen die Be Blättchen an ihrer Mittelfläche an und ſchließen mit den Rändern zufammen, und über das Ganze breitet fich eine Anhäufung krankhafter weißer wollenartiger Haare. Unter den Bauwerfen der Hautflügler geſchieht einer in Fächer getheilten, aus Erlenblättern zufammengedrehten Röhre, muthmaßlich von einer Anthophora, einer gleichfalls aus Blättern zufanmengefegten und an den Rändern mit erdartigem Kitte verftrichenen Kapfel von Eucera longicornis, des Gintragens von Föhrennadeln durch Osmia cornuta, eines flachen mit jeitlicher Deffnung verfehenen Lehmdedels wahrjcheinlich von einem Eumenes, fugeliger Wachgzellen wahr— Iheinlich von einer Osmia, ſowie verfchiedener Cocons von Schlupfweipen Erwähnung. An den Gallen hebt Bremi die auffallende Erfcheinung vor, daß auf derjelben Pflanzenart, ja auf dem— jelben Blatte der Reiz, welcher durch den von ganz ähnlichen Inſekten verurfachten Stich und das Vorhandenſein des dabei in das Blatt verfenkten Eies, ſowie durch die Angriffe der aus ihm ſich entwicelnden Larve hervorgerufen wird, je durch die Inſektenart beftimmte Auswüchfe der verſchie— denten Textur, Form und Farbe entftehen, fügt hinzu, daß auf die nur auf Weidenblättern vorfom- menden Gallen der Selandrien die Bekleidung diefer Blätter ſtark einzuwirken jcheint,. indem die Gallen ebenfo mit Haaren bedeckt erfcheinen wie das Blatt felbft, weist auf die merkwürdige Defonomie, nach welcher die jhon von ihren normalen Einwohnern und deren Einmiethern aus- gebeutete Galle fpäter nicht nur von Holzläufen, fondern felbit von Mottenraupen in Beſitz genommen wird, ſowie auf die außerordentliche Bevölkerung mancher Gallenarten, z. B. der ſchwam⸗ migen Gallen der Eichen Hin, von denen 5 Stück allmälig 733 Individuen des erzeugenden Inſektes, Teras terminalis, 45 Individuen von Torymus gallarum und nody 2 Individuen eines Scelio austreten ließen. Minen werden von Käfer-, Immen-, Schmetterlings>, Zweiflügler und Halbflüglerlarven erzeugt; unter diefen gehört mehr als die Hälfte den Dipteren zu; ihnen ftehen in der Betheiligung am Miniren zunächit die Hymnopteren ; dann folgen mit ziemlich gleicher Betheiligung die Lepidop- teren und Goleopteren, während unter den Hemipteren einzig Monanthia convergens und zwar nur bis zur erften Häutung minirt. Nach der Zorn laffen fih 1. blafenförmige, 2. flecken— förmige, 3. gefchlängelte, A. parallelogramme und 5. ausgeihnittene Minen unterfcheiden. Die erfte unterfcheidet fi von den Gallen nur dadurch, daß feine härtliche Ber- difung des Parenchymes mehr Statt findet und geht allmälig in die beftimmter Grenzen ent- behrende zweite über, die felbft wieder bisweilen mit der dritten beginnt. Dieſe ift die artenreichite, durch Form und Ausbreitung der Schlängelung das minirende Infekt harakterifivende und läßt wieder zwei untergeordnete Formen unterfcheiden, indem fie bald von der Mittelrippe des Blattes ausitrahlende Gänge darftellt, bald nur durch die Ablagerung der Erxeremente in der einen ganz minirten Blatthälfte das geichlängelte Fortrüden des inwohnenden Minirers verrät. Die Minen der vierten Form Halten ſich genau zwifchen je zwei primäre Seitenrippen und jcheinen einzig durch minirende Blattweipenlarven erzeugt zu werden. Die legte Form erjcheint zuerit als Blafe; Re nach vollendetem Wachsthum aber Löst die Larve ringsum die Verbindung mit dem Blatte, fällt mit der jo gebildeten Taſche oder Kapfel zur Erde und verwandelt fich hier in derfelben. Im minirten Blatte wird das Parenchym entweder durch die ganze Dide oder nur auf einer Seite aufgezehrt; im Allgemeinen ift die Form der Minen weniger für größere ſyſtematiſche Snjeften» Gruppen, als höchſtens für die Urten ein und derfelben Gattung conftant. Webrigens iheint nicht jede Art von Minirern auf ein und diefelbe Pflanzenpecies bejchränkt zu fein und nad) weitern Beobachtungen fcheinen von einer minirenden Inſektenart mehr Individuen vorzu- fommen als von derfelben minirte Blätter. Die Pflanzen, deren Blätter von Inſekten minirt werden, gehören faft zu allen phanerogamifchen Familien, doch werden verfchiedene Familien vers Ichieden bevorzugt; nur ein Beifpiel Hatte Bremi big dahin auf Orchideen und ebenjo nur eines auf Helobien, gar feines dagegen auf Glumaceen, Zuncienen, Enfaten, Aroideen und Goniferen gefunden. Bis zu welchen Höhengrenzen Blattminirer vorkommen, darüber zu urtheilen fehlte es Bremi an genügenden Erfahrungen; einzelne minirte Blätter hatte er noch bei der Pantenbrücke, s Stunde oberhalb Engelberg und nahe am Klaufenpaß an Aconitum Napellus und Rumex alpinus aufgefunden. Ueber die Blattwickler kurz hinweggehend, verweilt Bremi länger bei den Ekphymaten. Es find diefelben förnige oder wollige Auswüchfe oder Entfärbungen auf Blättern, nach Bremi’g Anficht durch Kerfftihe und nachfolgendes Saugen des Saftes veranlaßt und durch die Art des Stiches, namentlich aber durch die Natur der Pflanze, deren Saft dem anftechenden Geſchöpfe zur Nahrung dienen foll, in verfchtedener Weife fich geftaltend. Es laffen fich folgende Formen von Ekphymaten unterfcheiden : 1. Hornhäufung, 2. Rnöpfchenhäufung, 3. Sadhäufung, 4. Blattkräuslung, 5. Säumung, 6. Wollehäufung, 7. Fledenhäufung und 8. Rothfärbung. Die Hornhäufung, Koretoneon, ift noch nahe verwandt mit den von Chermes Ulmi erzeugten Blätterblafen und rührt bei Kerat. erispum wenigftens entjchteden von einem Chermes her. Die übrigen Ekphymata find nicht permanente Zellen für eingefehloffene Larven, fondern franfhafte Evolutionen der Blattfubftanz, erregt durch Anftechen und Saugen, worauf ſchon bei der Knöpfchenhäufung Uebereinftimmung der Haare der Anöpfchen des beſetzten Blattes hinzudeuten icheint. Die Gefchöpfe, welche hierbei in Betracht kommen Fönnen, find weder Fauend, noch gleich den Schmetterlingen bloß aufchlürfende Thiere, ſondern wirklich anftechende, wie Gulteinen, Rynchoten und Milben, namentlich die zweiten, welche nächft den Cynipfarien durch Erregung abnormer Bildungen am tiefften auf die Pflanzenvegetation einzuwirfen feheinen. Durch welche Thiere die Sadhäufung veranlaßt wird, darüber fehlten Bremi befondere Erfahrungen; die Blatt: fräufelung rührt aber ficher von Blattläufen, die Säumung von Blattläufen oder Gallmüden, die Wollehäufung wohl ebenfalls von Thieren der leßtgenannten Gruppe, während die Fledenhäufung BE ihre Entftehung wohl jehr verfchiedenartigen Inſekten, die befondern Charaktere aber theils der Individualität des beftechenden Infektes, theils den Einwirkungen des Lichtes zu verdanken fcheint. Für die Erzeuger der Rothfärbung endlich Hält Bremi Milben. In der Abhandlung über den Schwamm der Gebäude oder Thränenſchwamm, Merulius laerymans, giebt Bremi zunächſt eine Beichreibung des Schwammes ſelbſt, befpricht fodann die defien Auftreten begünftigenden Umftände, fowie die Mittel, feiner Entwidlung vorzubeugen und dem ſchon vorhandenen Uebel Schranken zu fegen. Wir übergehen die erfte, ſowie die Nejultate der durch Herrn Apotheker Lavater angeftellten chemifchen Unterfuchung, heben dagegen der Wich— tigkeit wegen das Wefentliche aus den beiden legten Abjhnitten aus, für welche unferm Bremi werthvolle Beiträge von Statthalter Hegetjchweiler in Niffersweil geliefert wurden. Feuchtwarme Witterung des Frühjahrs und Sommers und Mangel der Lufteireulation in Verbindung mit Feuchtigkeit des Holzes, Tpielen mit Bezug auf das Auftreten des Schwammes eine bedeutende Rolle. In der That ftellt fich in Häufern das Uebel zuerft ein an Balfenföpfen, welche im feuchten Zuftande mit Mauerwerk umfchloffen wurden; überhaupt erfcheint der Schwamm befonders gerne an demjenigen Holze, welches nicht in den Hartmonaten geichlagen und zudem feucht verwendet wurde; häufig tritt er auch an Localitäten auf, wo zur Gewinnung neuer Bauftellen Düngergruben verfchüttet, oder in Häufern, welche auf Brandftätten erbaut wurden, im leßgenannten Falle wohl vorzüglich wegen der beftändig Feuchtigkeit aus der Luft anziehenden Aſche, oder vielmehr eines HauptbeftandtHeiles derjelben, der Potafche; aber auch Säuren und ftidjtoffhaltige Verbindungen dürften dabei in Betracht fomımen. Die Mittel zur Verhütung des Uebels ergeben fi) zum Theil aus der Wefenheit der begünftigenden Momente von jelbit; wo Balfenföpfe nicht ganz luftig und troden gelegt werden fönnen, da dürfte nad) Hegetichweiler ein Bejtreichen derfelben (namentlich über Hirn) mit heißem Theer oder einem Firnig aus Kautjchuf ſchützen; wo der Schwamm fich bereits eingeftellt hatte, da erwies fich wiederholtes ftarfes Beftreichen alles Mauerwerfs, mit welchem Holz in Berührung und insbefondere des legtern jelbft, mit Erdöl als vortheilhaft. Bremi gjaubt auch, daß möglichit ausgetrodneter Abfall von Torf zur Ausfüllung von Böden, welche auf die Erde zu liegen kommen, zur Abhaltung der Feuchtigkeit eben jo gut wäre als Kohlenftaub, da Torf immer Erdöl enthält und Waſſer ſich ſchwer mit trodnem Zorfftaube ver: bindet. Wenn aber der Schwamm bereits folche Ausdehnung genommen, daß er zu thränen anfängt und das Holz bis ins Mark: hinein verdorben ift, dann ift Entfernung der angeftedten Holzftüde und Beftreichen der verdächtigen mit verdünnter Schwefelfäure, wie e8 Fries vorge ichlagen, wohl das einzige Mittel, welches noch einige Abhilfe verſpricht. Das Referat über einen befondern Hausſchwamm in Zürich ſchließt fich aufs Innigſte an die vorfiehende im Auszuge mitgetheilte Abhandlung und verbreitet ſich über die Angriffe eines Schwammes, welcher in einem von Ziegler-Peftalozzi als Literaturmagazin benugten Zimmer der. Froſchau ſich eingeniftet, das. Holzwerf des Bodens und theilmeiie auch einzelme Blätter Bapier Be ee beiderfeitS überzogen hatte. Der Schwamm gleicht in feiner Entwidelungsweile ganz einem Merulius, unterfcheidet fich aber vorzüglich durch eine dichte Schichte rundlicher gallertartiger Körner, welche feine Oberfläche bedecken, Feimfähig zu fein fcheinen und vielleicht durch Beftreichen mit verdünnter Schwefelfäure getödtet werden. In der Arbeit „die Schwämme als Nahrungsftoffe der Inſekten“ entrolft ung Bremi an einem einzigen Beifpiele ein merfwürdiges Gemälde des Inſektenlebens in diefen Pflanzen. Aus einem Polyporus citrinus von 8” Höhe, 1° 5” Länge und 9* Breite erhielt er theils gleich- zeitig, theils jucceffiv vom 1. Juni bis in den November 1103 Individuen aus 13 Arten, von denen der Drdnung der Käfer 7 (mit 836, 47, 5, 3, 4, 1 und 1 Indiv.), der Zweiflügler 2 (mit 6 und 5 Indiv.), der Aderflügler 2 (mit 26 und 2 Indiv.), der Schmetterlinge 1 (mit 1416 Indiv.), der Flügellofen 1 (mit 45 Indiv.) angehörten; übrigens find von diefen 13 Arten nur 10 wahre Pilzfreffer, zwei (eine Ameife und ein Springfchwanz) find nur als Näfcher zu betrachten und eine (eine Springwefpe) lebt im Larvenzuftande jchmarogerifch in den Larven verjchiedener Schwamm bewohner. Die beträchtliche Vergrößerung der Sammlungen und anderweitige Umftände bewirkten, daß die Räume des Häuschens hinter dem Münfter den Bedürfniffen immer weniger genügten und Bremi gezwungen war, an die Erwerbung eines größern Haufes zu denfen. Endlich bot ſich auch hierzu die Gelegenheit und e8 war Bremi ein befonderer Genuß, ein Gebäude zu erlangen, welches nicht allein eine freiere und fonnige Lage hat, fondern insbefondere auch durch jeine gejchichtlichen Erinnerungen und jpätere Verwendung von Intereſſe if. Das Haus, welches Bremi zu Faufen Gelegenheit hatte, war nämlich das unter dem Namen „zum Loch” in Zürichs Annalen ale Hof- burg Karl des Großen berühmt gewordene Gebäude, deffen Räume im ebenverflojfenen Jahrzehend der jungen 1833 eröffneten Hochfchule Zürich zu Hörfälen gedient hatten. Wie werthvoll und bedeutfam war gerade diefe Aequifition unferem Bremi; wie freudig gieng er an die Einrichtungen für feine eigenen Bedürfniffe; wie aufmerkſam forgte er insbefondere für die Herftellung derjenigen Räume, welche die Werkftätten feiner Berufs» und feiner wiſſenſchaftlichen Thätigfeit werden jollten; welches Freudenfeft war es für ihn, als er am 18. Auguft 1843 in feinem „Münfterhaus” (denn jo hatte Bremi fein neues Befisthum getauft, ſich jelbft aber nannte er bisweilen im Scerze den „Münfterhäusler”) feinen Einzug hielt! Er machte darüber in einem Schreiben an Boffard am 15. Nov. 1843 folgende Mittheilung: „Am 18. Auguft fand der Einzug ftatt, mit heiterm ruhigem Herzen, unter den Segenswünjchen liebender Gefchwifter und vom ſchönſten Wetter begünftigt. Auch die, 2 Wochen ver und nad) dem Einzug ftattfindende Translocation von all den Unendlichkeiten ift Gottlob! ganz vollfommen glücklich von Statten gegangen. Aber ja, das Herumfchleppen, Aus und Einräumen war eine befchwerliche, mühevolle, furhtbar Zeit raubende Arbeit, deren ich herzlich müde und fatt ward, jo daß ich, wag meine Sammlung anbetrifft, nur das Nothwendigfte, was die veränderten Locali- BB — täten im Allgemeinen erforderten, vornabm, mit dem Speciellen aber, deſſen noch unendlich viel zu ordnen it, nun einige Monate ausjege. Mein liebes, lichterfülltes, bequemes Haus mit feiner unterhaltenden Ausſicht gefällt Jedermann.“ Den nunmehr folgenden Lebensabjchnitt haben wir nach Bremi’s eigener Bezeichnung ale denjenigen der divecten Vorarbeiten zu betrachten; die Zufammenftellung, Bearbeitung und Ver: öffentlichung der Nefultate feines Foricherlebens follte gerade da beginnen und hatte einigermaßen begonnen, als er erkrankte und nach Smonatlichem Leiden aus dem Leben abgerufen wurde. Es iſt dieſer Abjchnitt jedenfalls der hervortretendfte, concentrirtefte und Bremi im klarſten Lichte darſtellende, reich an Unternehmungen, reich an Erfolgen und Erzeugniſſen, nicht minder reich an Anerkennung, welche ihm nah und fern in hohem Maße zu Theil ward. Gefördert wurde Bremi in diefem Zeitraume befonders dadurch, daß er nach Rückkehr feines Sohnes aus der Fremde 1845 erſt in deſſen Beihülfe Unterftügung im Drechslerberufe fand, fpäter aber, von 1850 an, die Fortführung des legten getroft in deſſen Hände übergeben konnte. Wie hoch willfommen ihm die Rückkehr jeines Heinrich war, erjehen wir aus folgender Stelle aus einem Briefe an Boffard vom 20. April 1845: „Diejer Tage hat mic) Gott mit einem großen Geſchenke Seiner Vaterliebe erfreut, indem Er mir meinen Sohn gejund, unverdorben und feſt im Glauben in meine Arme zurüdführte. Wie glücklich bin ich, meinen Sohn wieder zu haben. Er ift zwar Klein geblieben am Leibe, aber gewachjen im Glauben und allem Guten und jehr tüchtig in feinem Beruf, foweit jeine ſchwachen Augen es zulaffen, und jehr Arbeit liebend.“ Ermunterung und Unterftügung fand er durch feine Aufnahme in den entomologijchen Berein zu Stettin 1846, in die Gejellichaft zur Beförderung der Naturwiffenfhaften zu Freiburg im Breisgau 1847, in den zoologiſch-botaniſchen Verein zu Wien 1853 und in den Zürcherifchen Rantonalerein für Landwirthichaft und Gartenbau 1851. Die Unternehmung größerer Reifen hat aufgehört und an ihre Stelle treten zahlreiche kleinere Greurfionen nach allen Richtungen, gelegentlich aud auf den Rigi, den Hochezel und die hohe Rohne, in ſpäterer Zeit weniger dem mafjenhaften Sammeln, als dem Verifieiren und Ergänzen früher gemachter Wahrnehmungen, jowie dem Anftellen neuer Beobachtungen gewidmet; durd) aus— gedehnte Eorrejpondenzen, regelmäßigen Beſuch der Berfammlungen der allg. ſchweiz. naturf. Gef., der Sigungen der Zürcherifchen naturf. Geſ., in den erften Jahren auch der technifchen und fpäter der Gartenbaugelellichaft jucht er feinen Geſichtskreis, fein Wiffen und Können zu erweitern; durch Wort und Schrift ftrebt er der Entomologie Freunde und Pfleger zu erwerben, er gründet in Züri 1846 einen entomologijchen Verein und ift deſſen Seele; und nachdem derjelbe durch Zuſam— menwirken verjchiedener ungünftiger Umftände 1849 feine Thätigfeit eingeftellt, ermuntert er einen Kreis jugendlicher Kräfte, im gleichen Sinne zufammenzutreten und zu arbeiten. Endlich trifft er, insbejondere jeit 1850, die Vorbereitung zur Verwirflihung des Planes, unter dem Titel: „Beiträge zur Kenntniß der jchweizerifchen Snjeftenfauna“ eine UWeberficht der - D) DE Inſekten aller Ordnungen mit befonderer Berudfihtigung der geographijchen Verbreitung und Lebensweife, des Aufenthaltsortes und der Metamorphofe in einem Bande mitzutheilen, welcher nad) einer allgemeinen Einleitung a. eine kurze Gefchichte der fchweizerifchen Entomologie, b. eine Ueberficht der zugehörigen Literatur, e. einen Bericht über die gegenwärtig in der Schweiz eriftie renden größern oder Fleinern Sammlungen, d. eine Anleitung zum Beobachten, Sammeln und Grziehen der Inſekten, e. eine Ueberficht dev 1. Drthopteren, 2. Neuropteren, 3. Hemipteren, 4. 2epidopteren, 5. Dipteren, 6. Hymenopteren, 7. Goleopteren, 8. Miyriopoden und Xraneiden, f. eine Befchreibung der noch nirgends befchriebenen Arten, ferner eine befondere nomeneclatoriſche Zufammenftellung g. der Alpeninfeften und h. der Inſekten des Gemeindebezirfes von Dübendorf, i. den Entwurf einer Entomoftatif der Schweiz und k. die entomologifche Botanik enthalten jollte. Zu diejem Zwede zieht er von allen Seiten die für die Ausführung feines Planes wichtige Literatur herbei, excerpirt und ftudirt, beobachtet und unterfucht, beſchreibt und zeichnet, beftimmt und ordnet, entwirft Verzeichniffe und Ueberfichten nad) beftimmten Geſichtspunkten und fertigt eine ziemliche Anzahl Eleinerer Mittheilungen. Unterftügt wird er in diefer Thätigkeit, wenn ſchon auch vielfad) in Anfpruch genommen und in feiner Zeit bejchränft durch Beftimmungen und vielfache andere Gefälligfeiten und Peiftungen für Freunde und Bekannte. Den früher geichloffenen entomologifchen Berbindungen ſchließen ſich zahlreiche neue anz durch jie wie durch Beiträge heimifcher und aus wärtiger Freunde werden Bremi’s Sammlungen um manches Foftbare Stück, feine Kenntniffe um manche werthvolle Beigabe bereichert; auf der Gedächtnigtafel unfers dankbaren Bremi finden wir weiter die Namen folgender Entomologen aufgezeichnet: Schmidt, Kaufmann in Paibah, 3. Macquard, Staatsmann in Lille und Dr. Joſ. Kriehbaumer, Prof. in Chur 1846, Dr. H. Loew, Prof. in Pofen, P. E. Zeller, Ober: fehrer in Glogau und 2. Sordet, Staatsarchivar in Genf 1847, v. Heyden, Senator in Sranffurt a. M. und E. Frey, Mehanifus in Yarau 1848, 3. Jak. Stutz, Secundarlehrer in Mettmenftetten und Guft. Stierlin, Med. Dr. in Schaffhaufen 1849, Francois Venetz, Ingenieur in St. Legier, Dr. Heinr. Frey, Prof. in Zürich, R. Vögeli, Vergolder in Zürich, Fairmaire in Paris und 3. de [a Harpe, Med. Dr. und Spitalarzt in Yaufanne 1850, Ed. Gräffe, Stud. med. in Zürich, Leonhard Schaufelberger, Ingenieur in Petersburg, M. Bach, Lehrer in Boppard, Dr. Carl Theod. v. Siebold, Prof. zu Freiburg im Breisgau, ſpäter in Breslau und endlich in München, 3. F. Urech, Pfarrer in Birrwyl und Dr. Fiſcher zu Freiburg im Breisgau 1851, Dr. H. Hagen in Königsberg, Guft. Leop. Mayr, Med. Dr. in Wien und Mene&tries in Petersburg 1852, Aler. Schläfli, Stud. med. von Burgdorf, Dr. Wilh. Rofenhauer, Privatdocent in Erlangen, 3. Kasp. Dietrich, Lehrer in Wülf— fingen, jegt in Nürenftorf, Boll, Apotheker in Bremgarten und Sartorius in Wien 1853. Außerdem find zu. erwähnen: Arn. Förfter in Aachen und Camillo Rondani in Barma feit 1819, 2. Bellardi in Turin und Alex. Yerfin in Morges 1855. — 5 Bon botanischen Verbindungen dürften befonders diejenigen mit Dr. Aler. Braun, jetzt Prof. in Berlin, mit Dr. Ed. Regel, jetzt wiſſenſchaftl. Director des botaniſchen Gartens in Petersburg, mit dem Flechtenforicher Dr. Hepp in Zürih und Kohler, Seminarlehrer in Küsnach zu nennen fein. In conchyliologifcher Hinficht find hervorzuheben: Dr. Alb, Mouffon, Prof. in Zürih und Heinr. Denzler, V. D. M. Dberlehrer in Zürich. Einzelne werthvolle Gaben, Mittheilungen und Dienftleiftungen verdankte übrigens Bremi noch ſehr verichiedenen Männern in Zürich und andern Gegenden der Schweiz, z. B. 3. Jak. Horner, Bibliothekar in Zürich, Rud. Wolf, früher in Bern, jegt Prof. in Zürich, Arn. Eicher von der Linth, jebt Prof. am eidgen. Polytechnikum. Die Arbeiten, welche diefer Periode ihre Entftehung verdanfen und vollendet vorliegen, find nad) der Zeitfolge geordnet nachitehend aufgeführte: 1. 1844. | mw 1845. non * ‘ 1846. 1847. | | N Aphorismen über die Cecidomyien. Borgelegt in der allgem. ſchweiz. naturf. Gef. in Chur 1841. Hausinfeften Zürichs. Vorgetragen in der techniſchen Geſellſchaft 1844. Snfuforien in der Tehnif. org. in der techn. Ge. 1845. Beiträge zur Kunde der Dipteren. 1845 in der Iſis. Sammeln der Dipteren (vom Sabre 1814). PBrodromug der Gattung Cecidomyia. 1845. Ueber blattminirende Inſekten. Vortrag in der zürich. naturf. Gef. 1845. Ueberſicht minirter Pflanzen. Thieriihe Materialien in der Technik. Vortrag in der technifchen Gefellfhaft 1846. Ueber das Fangen und Tödten der Injekten in Maſſe. Vorgetragen in der jchweizerifchen naturf. Gejellich. in Winterthur 1816. Gallwejpenerzeugnifje, im Kanton Zürich beobachtet. 1816. Ueber die Zebensweije von Rhyacophila vulgaris. Beobahtungen und Gedanken über die Fühlhörner der Inſek— ten. 1847. Ueber die Klaujen der Phryganeen, Im entomol. Bereine in Zürich. » 0» Wirkungen des Saugens der Nhynchoten. Ebenda. „» » fünftlihen Raupenjäde Heiner Schmetterlinge. Ebenda. „ „ Neueften Erfindungen in der Bienenzudt. Techniſche Gefellih. 1847. Inſekten der Eichen. Vortrag in der zürich. naturf. Gefellich. 1847, gedrudt in den Mittheilungen derjelben Bd. 1, Nr. 14, ©. 1 ff. Ueber die Schildläufe. Vortragin der allg. fchwz. naturf. Gef. in Schaffhaufen. 28. 29. a — Ueber die Inſekten beſonderer Pflanzen und über die Phyſiognomie der Inſekten nach ihren Pflanzen. Vortrag im entomol. Vereine in 3. Verzeichniß der Ihweizerifhen Gymnognathen, vorgel. im entomol. V. a ’ } Rhynchoten, ebenda vorgelegt. Ueber einige merfwürdige und bis dahin wenig befannte und beobachtete Erfheinungen an Inſekten, nämlih: I. Abnorme Bil- dungen, 1. DVerfrüppelungen, 2. Berftümmelungen, 3. Geſchwülſte, 4. über: zählige Glieder, 5. Zwitterbildungen; IL. Eingeweidewürmer; III. Inſektenläuſe; IV. Pilze in und an Inſekten. Vortrag im entomol. Verein. Einige Notizen über das Charakteriſtiſche des Fraßes der Inſekten an den Blättern der Pflanzen. Vortrag im entomol. Verein. Vergleichung der von Schmetterlingsraupen als Nahrung benutz⸗ ten phanerogamiſchen Pflanzen von Deutſchland und der Um⸗— gegend Zürichs. Vorgetragen im entomol. Verein. Aphoriſtiſche Ueberſicht der ſchweizeriſchen Dipteren. Tabelle über die ſchweizeriſchen Dipteren nach ihrer Lebensweiſe, Nahrung ꝛc. Vorgelegt im entomol. Verein. Ueber ein Phryganeengehäuſe aus Braſilien. Vorgetragen in der zürich. naturf. Geſ. und gedruckt in deren Mittheilungen Bd. 1, Nr. 18, ©. 61. Mittheilungen an die allg. ſchweiz. naturf. Gefellfch. in Solothurn über den Fort: gang der ſchweizeriſchen Inſektenfauna mit einem Ankange über neuentdedte Erzeugniffe von Gallmüden und einem andern über eine neue Entdeckung in der Lebensweiſe der Phryganeen. Ueberſicht der ſchweizeriſchen Rhynchoten. Vorgelegt im entomol. Verein 1819 und in der zürch. naturf. Geſ., gedruckt in deren Mittheil. Bd. 1, Nr. 34, ©. 325— 339. Einige Züge aus dem harafteriftifhen Unterfchiede der Dipteren nach ihrem Gefchlechte. Vorgetragen im entomol. Verein. Tabelle über die Dipterenwirthe aus dem Thier- und Pflanzenreiche. Borgelegt im entomol. Verein. Dipteren als Wirthe von Schneumoniden. Vorgel. im entomol. Berein. Ueber die Vertilgung der Blattläufe. Vortrag im zürich. Gartenbau- verein, gedrudt in der Gartenflora I, ©. 112 ff. Ueber eine Krankheit der Möhren im Sommer 1851, erzeugt durd) Psila rosae. PVortrag in der züricherifchen Gartenbaugefellfchaft, gedrudt in Negels Gartenflora I, S. 110. a wi er: Er Zur Statiftik der deutjchen Lepidopteren. Stettiner entomologijche Zeit. 1851, ©. 83, 35. Ueber die jhädlihen Garteninfeften. Vortrag im Gartenbauverein 1853. 1853, gedrudt in Negels Gartenflora. 36. Ueber einige Pilzbildungen an Obftbäumen. Cbenda. en | 37. Ueber Thripfiden. Vorgetragen im Gartenbauverein 1854, gedruckt in Regels Gartenflora II, S. 260. 38. Weber einige für Gartenbau und Landwirthſchaft befonders beachtenswerthe Erfheinungen im Jahre 1855. Auszugsweiſe in der Landwirthichaftlihen Zeitung des Kantons Zürich. 39 39. Ueber den ſchwarzen Schnee. Vortrag im Gartenbauverein. 10. Beſchreibung einiger muthmaßlich neuer oder doch noch nicht beſchriebener ſchweizeriſcher Käfer. Stettiner entom. Zeit. 1855, ©. 196. nn 44. Gatalog der fhweizerifhen Coleopteren. Zürich 1856, in Commiſſion bei Fr. Sculthep. An dieje Arbeiten reihen fih Berichte über die fchweizerifchen Inſektenſamm— lungen an die ſchweiz. naturf. Gefellich. bei ihren Verfammlungen zu Glarus 1851, Verhandl. ©. 145, dieſer angejchlofjen eine Arbeit über die Gebiete der ſchweizeriſchen Inſekten— fauna, Pruntrut 1853, Verh. 224, und Baſel 1856, Verh. 127 an, Iegterer angejchloffen eine Abhandlung über das Verhältnig der Inſekten zu den Pflanzen, ©. 135 ff., endlich eine Eleine Abhandlung über Torfbildung. Ferner ift zu erwähnen ein Fauna des Uetli— berges in „Das Panorama vom Wetliberg, Zürich bei Orell, Füßli u. Comp.” ©. 137—164. Außer den oben aufgezählten Fleineren Abhandlungen Liegen aus diejer Periode vor Ent: würfe zu den Beiträgen zur Kenntniß der jehweiz. Inſektenfauna, Verzeichniſſe des einzureihenden Stoff? mit andern Vorarbeiten, Beichreibungen und einzelne Anfänge einzelner Kapitel; die wich- tigften darunter find folgende: 1. Phytographiſche Entomologie. 2. Verzeichniſſe zur Fauna helvetica, im einzelnen Abtheilungen mit befondern Notizen, fo ein Berzeichniß der Hymenopteren, der Orthopteren, Neuropteren und der Dipteren. 3. Botaniſche Entomoftatif, einige Bogen. 4. Beichreibung neuer Inſekten und Zeichnungen von ſolchen. Die Aufnahme in den Stettiner entomologifchen Verein wurde durch eine Meldung v. Siebolds an diefen über die Erfolge veranlaßt, mit welchen Bremi entomologifche Beobachtungen anftelle. Siebold hatte in demfelben Jahre in der entomologifhen Zeitung S. 197 über die Leiftungen der Schweizer Naturforfcher im Gebiete der Entomologie während der Jahre 1810 bis 1845 veferirt, in feinem Referate vielfach auf Bremi’s Leiftungen hinzuweiſen Gelegenheit gefunden, Be die oben aufgenommene Abhandlung über die Metamorphojen der Inſekten wegen des Schatzes von intereffanten Beobachtungen über bisher ganz unbekannt gebliebene Lebensverhältnife der Inſekten fat wörtlich mitgetheilt und ſpäter bei einem Beſuche in Zürich Bremi’s biologiſche Sammlung gefehen, und drüdt ſich in einer Anmerkung, in welcher er jeden Entomplogen, der etwa auf einer Reife Zürich betreten follte, zu einem Beſuche „des freundlichen Beſitzers dieſer Sammlung“ aufmuntert, folgendermaßen aus: „Ich war überrajcht über die Kenntniffe und Erfah: rungen, welche ich bei diefem ſchlichten Manne in Bezug auf Lebensweie der Inſekten aufgehäuft fand, und man müßte e8 im höchften Grade bedauern, wenn diefe Erfahrungen der Wiſſenſchaft verloren giengen.” In Folge diefer Meldung wünfchte der Stettiner entomol. Verein mit Bremi in nähern Verkehr zu treten, ernannte ihn zum ordentlichen Mitgliede und überfandte ihm durch v. Siebold das Diplom feiner Ernennung mit der Bitte, Bremi möge recht fleißig feine Erfah- rungen, Entdelungen und erübrigten Doubletten von gefammelten entomologifchen Gegenftänden ihm zuwenden. In ähnlich ehvenvoller Weiſe wurde Bremi, obwohl als Ausländer unter die Ausnahmen fallend, von der oben genannten Freiburger Gefellichaft zum correjpondirenden Mit— gliede ernannt, und von dem eben begründeten zoologiſch-botaniſchen Vereine in Wien nebſt Heer mit dem Diplome der Ernennung zum Mitgliede beehrt und als mit Bezug auf Annahme der fegtern beide Männer ihre Bedenken äußerten, wurden diefe durd) nachftehende Bemerkung in einem betreffenden Schreiben Guft. Leop. Mayrs befeitigt: „In Bezug des hiefigen Vereines machen Ew. Wohlgeboren und Herr Profeſſor Heer fich zu viele Serupel; wir haben bisher mehr als 350 Mitglieder, von denen vielleicht faum 50 — 100 in ihrem Leben einen Aufſatz liefern. Aus- wärtige liefern ſchon gar Nichts, weil fie anderfeits in Anſpruch genommen find. Doch dieß hindert Nichts; dem Verein in Wien macht es eine Ehre, Sie und Herrn Profeffor Heer zum Mitgliede zu haben und Sie erfahren in den Vereinsichriften manches Intereſſante.“ Der Berein entomologifcher Freunde in Zürich, (deffen Entftehung v. Siebold mit folgenden Worten begrüßt: „Zur Gründung und zum Gedeihen Ihres entomologifchen Vereines wünſche ich Ihnen von Herzen Glüd; fo iſt's recht, nur vereinte Kräfte können Etwas leiften; was- helfen die Ichönften Entdefungen, wenn man fie nicht mittheilen kann? das regt an und muntert auf.“) zählte bei defjen Begründung nur wenige Mitglieder: Bremi, Dr. Heß, Rud. Zeller, Fabrifant in Hirs— landen und Menzel. Seine Berfammlungen, in 14tägigen Friften an beftimmten Abenden völlig zwanglos abgehalten, waren für jümmtliche Theilnehmer erfehnte fröhliche Stunden, welche meiſt auf dem Zimmer eines der Mitglieder, bisweilen auch im Freien auf einen gemeinfamen Spazier- gange genofen wurden. Was Jeder für gemeinfame Unterhaltung, Belehrung und Anregung zu bieten im Stande war, das wurde freudigft geboten; aber Bremi bot auch hier wieder das Anregendfte, Beſte und Umfaſſendſte in der freundlichiten, herzlichiten Weile und überall geſchah es mit Leichtigkeit, Klarheit, einem gewilfen methodiihen Takte und oft mit trefflihem Wit und munterem Humor, fo daß fi vielfach unwillkürlich die Frage aufdrängte, was wäre der 39 hörende Bremi, wenn jchon der gehörlofe als Meifter im Lehren fich erweist? Denn in der That, Bremi hatte die Zähigfeit, feinen Gegenftand inftructiv, zierlich und intereffant zu behandeln und jeine Mittel in jedem Momente aufs Zwedmäßigfte zu benugen; und wenn jeine reichen Kennt: niffe gleich einem unverfiegbaren Springquelf fich bervordrängten, dennoch hielt er ſtets das weifefte Map und verfiel nie in den Fehler gehaltlojer oder jelbftgefälliger Geſchwätzigkeit. Während aber Bremi mit vollen Händen bot, nahm er die Gegenleiftungen feiner Freunde mit dem innigjten Danke auf und ermuthigte durch Wort und That. Die dem Vereine ſpäter beigetretenen Mitglieder find: Matth. Sch euch zer, Gujtav Pfau-Schellenberg von Winterthur, jetzt Gutsbeſitzer im Thurgau, Emil Frey, Mechan. von Aarau, J. Rud. Vögeli, Vergolder in Zürich, Joh. Widmer, Präparator in Zürich, Dr. Heinr. Frey, Prof. an der Univerſität Zürich und Wittlinger, Zahnarzt in Zürich, jetzt im Thurgau. Auch erfreute ſich der Verein des Beitritts und verſchiedener werthvoller Mittheilungen einiger auswärtiger Mitglieder: Guſtav Stierlin, Dr. Med. in Schaffhauſen, Kriehbaumer, Prof, Ingenieur Mengold von Chur und 3. 3. Stug von Mettmenftetten, Es würde unfere Grenzen überjchreiten, wollten wir die Ihätigfeit des Vereines in dem 3jährigen Zeitraume feines Beftehens aud nur dur Aufzählung der Gegenftände feiner Verhandlungen bezeichnen; genug, day feine Ginftellung feit dem Sommer 1849, veranlaßt durch eine Bereinigung ungünftiger äußerer Umſtände, wie andauernde Krankheit bei Dr. Heß, Wegzug von Zürich bei Scheuchzer, Emil Frei und Wittlinger 20. unferm Bremi jehr zu Herzen gieng, daher es ihn aufs Freudigſte berührte, als er im Herbfte 1851 einige für Entomologie lebhaft begeifterte Studirende Ed. Gräffe von Zürich, Aler. Schläfli von Burgdorf, Guf. Schoch von Pfäffikon und Julius Künzli von Winterthur veranlaffen fonnte, monatlich zu einer entomologifch-biologifchen Unterhaltung in feinem Haufe fich zu verfammeln. Auch diefer Verſuch fand bei v. Siebold die regſte Theilmahme, wie aus nachftehenden aufmunternden Worten eines Schreibens an Bremi aus dem Jahre 1852 erhellt: „Ihr Privatiffimum, das Sie einigen angehenden Entomologen geben, möchte ich jelbit gerne benußen können.“ Ueber die ausgedehnte wilfenjchaftliche Aufgabe, welche ſich Bremi für den Abend feines Lebens geftellt hatte, deren Löfung ihm aber nicht gegönnt war, nämlic über feine „Beiträge zur Kenntnig der fchweizerifchen Infektenfauna“, Fönnen wir hier nicht näher eintreten; es möge die einfache Mittheilung genügen, daß alles Dasjenige, was fih zur Veröffentlichung paßt, am geeigneten Orte mitgetheilt werden joll. Ebenſo müffen wir uns über jeine vielfeitige Thätigfeit und über feinen ausgedehnten Verkehr während diefer Periode auf die engften Grenzen befchränfen und dürfen von feinen zahlreichen Abhandlungen aus diefer Periode nur die nachftehende hier mitzutheilen uns erlauben. Sn den „Hausinfeften von Zürich” theilt Bremi über eine für das Leben der Menfchen tief eingreifende Gruppe von Inſekten, Arachniden und Kruftaceen feine Beobachtungen und Erfahrungen aus einem zehnjährigen Zeitraum mit. "ee Nah den Nahrungsftoffen, von denen die Inſekten, vorzüglich im Larvenzuftande, leben, zerfallen diefelben in i 1. ſolche, welche ausschließlich von pflanzlichen Stoffen ſich nähren (PBflanzenfreffer). . 2. jolhe, welche unfern Zebensmitteln, gleichviel ob aus dem Pflanzen oder Thierreiche zubereitet, nachſtellen und in dem Abfall oder der Vernachläſſigung der VBorräthe folcher Nahrung und Schlupfwinfel zugleich finden (Allesfreifer). 3. folche, welche ausichließlich von thierifchen Stoffen leben. Die Inſekten der erften Gruppe fchaden entweder a. unſerm Holzwerke, Holzfreifer, oder fie jehmälern b. bald unſere Borräthe an Getreide, bald diejenigen an andern eßbaren Samen, Samenfreffer. Diejenigen der dritten Gruppe gehen a. trodnes todtes Fleiſch an, oder b. nähren jich von Haaren und Wolle, oder e. jaugen Blut oder d. führen Krieg gegen andere Inſekten und zwar entweder ald Räuber over ald Inquilinen, welche ihre Eier an andere Inſekten, deren Larven oder Gier legen, nach dem Ausjchlüpfen in deren Körper eindringen und als Larven, gleich Eingeweidewürmern, von deren Innerem fih nähren und ung dadurch nützlich werden. Mehr indifferent verhalten ſich verjchiedene (6) Fliegenarten, deren Larven in feuchten Unveinlichfeiten leben. Un die Raubinſekten ſchließen fih die Spinnen, Weberfnecdte und Bücherfcorpione an, während die Milben in ihrer Lebensweife und ſomit auch in ihrer Beziehung zu unferm Eigenthume ſich aüßerſt verfchieden verhalten. Unter den Holzfreffern ift der beachtenswerthefte der glänzende Klopffäfer over die Todtenufr, Anobium nitens, der im Juni und Juli ericheint und nad) 8 bis 14 Tagen an winddürres Holz der Tannen und Föhren feine Eier anlegt; feine Larve nagt vom September bie in den Mai nad) allen Richtungen Freisrunde Gänge ins Holz, füllt diefelben Hinter fich mit Holz- mehl, dem Ueberrefte der bei der Verdauung afjimilirten Nahrung und it gewifjermaßen für das Holzwerf der Alles zerftörende Zahn der Zeit; die Verwandlung zur Buppe, die Puppen- ruhe und die Begattung der ausgebildeten, durch geringe Größe und holzähnliche Farbe leicht dem Auge entgehenden Käfer gefchehen im Innern des Holzes und ihre Anwejenheit verräth fih nur durch die Häufchen von Holzmehl (Wurmmehl) und dur die runden Löcher an der Oberfläche des Holzwerfs. Am eheſten ift noch die Abwehr durch Bemalen des trodenen, noch nicht anger gangenen Holzes mit Delfarbe möglich, fehwieriger ift fchon die Bertilgung furz nad) dem Beginne der Angriffe, vergeblich find dagegen alle Bemühungen, fobald das Holz einmal Y2“ tief minirt ift. Die wirffanften Abwehr- und Bertilgungsmittel find neben ſcharfer Aufmerkſamkeit Beftreichen mit Terpentin oder Sublimatlöfung, weniger das Uebertünchen mit Kalk oder Delfarbe, Dem glänzenden Klopffäfer reihen fih an Anobium striatum, castaneum Fab., molle Fab. und paniceum Fab., ferner Ochina abietina, Bulbifer Iymexylon und Rhyncolus crassirostris. = Wr Unfere Mobilien von Nußbaumholz leiden von dem geftreiften Klopfkäfer, An. striatum, und fammhörnigen Bohrfäfer, Xyletinus peectinicornis; mehr vereinzelt und darum von weniger bedeutendem Schaden find An. perlinax Fab. und rufipes Fab. In Kellern durchbohrt das Holz leerer Fälter die Larve des Faßkäferchens, Cryptophagus vini, und neben ihm treten ebenda in mehr oder weniger jchädlicher Weije Cryptophagus cellaris, fimetarius Gyll., nigri- pennis Gyll., villosus Ulr. und pusillus Panz., ferner Lathridius Ailiformis Gyll. und elonga- tus Schüpp. und Nudaria mundana auf; durch Anftreichen mit guter ftarfer Delfarbe, Binden mit eifernen Reifen und fleißiges Abkehren der an den Fäſſern ſich anfegenden Faferpilze werden diefe Thierchen abgehalten. In Bibliothefen minirt Gibbium scotias anfänglic im Dedel in Holz gebundener Bücher, dann aber geht fie ind Papier und durchbohrt oft ganze Bände. In Magazinen von Stammholz jihadet von Bodfäfern Callidium variabile durd Miniven zwifchen Rinde und Splint und durch Einbohren tiefer Löcher ins Holz; ähnlich verhalten ſich Hylotrupes bajulus und Griocephalum rusticum. Wo man das Aufreigen des Holzes nicht jcheut, da würde Abjchälen der Rinde jogleich nad) dem Fällen und vor dem Einftellen vor den Angriffen diefer Käfer fichern- In eichenen Faplageın findet fih die Larve des Schröters, Lucanus cervus, und in Balfen diejenige der großen Shwanzweipe Sirex gigas. ! Unter den Samenfrefjern find die Raupen zweier Schmetterlinge, Tinea granella, Kornihabe, und Myelois ceratoniella, und die Larven zweier Käfer, Galandra granaria, ihwarzer Kornwurm und Trogosita caraboides höchſt jchädlich; aus den Kornwürmern ſoll man als einigen Erfaß ein nugbares Del preſſen können. Die Reihe der Allesfreifer beginnt mit der Küchenfchabe, Blatta orientalis, (fonit Schwab oder Kakerlak und hier ziemlich allgemein ſchwarzer Käfer genannt), welche, urſprünglich in Borderafien einheimiſch, ſeit Langem ſchon durch Colonialwaaren über den größten Theil von Europa verbreitet ift. Alles ohne Unterſchied verzehren fie, ſelbſt Tintengefäße wurden von ihnen ohne Nachtheil für fie ausgeleert. Sie gehen nur des Nachts oder an ſtets dunklen Orten ihrer Nahrung nach, bei Tage aber halten fie fich ruhig in Schlupfwinfeln; daher fie erft oft nad) ftarfer Vermehrung bemerkt werden. Beſonders gerne fiedeln fie fich in Bädereien an und zwar periodifch und abwechjelnd in verfchiedenen Quartieren. Spalten in den Mauern und Fußböden unter Dfen, in Küchen, Speifefammern und Magazinen find ihre Schlupfwinfel; alle Arten von Früch- ten, Brot und Abfall davon, Kleie, Mehl, Badwerf und Fleifchipeifen jeder Art, wenn fie offen oder unvollftändig verichloffen daftehen, ihre Nahrung. Ausfüllung und Verſchluß der Riten, Reinlihhalten der von ihnen bewohnten Drte, insbejondere jchnelle Befeitigung jeglichen Nahrungsabfalles, jowie genauer Verſchluß der Behälter für Speifen und Borräthe verfcheuchen diefe unwillkommenen Gäfte und find überhaupt der jihere Talisman zur BVertilgung des 6 Pe größten Theiles der Hausinfekten; mweggefangen werden die Schaben mittelft einer tiefen Schachtel, in deren Dedel eine ſchmale Deffnung gefchnitten und deren Inneres mit Lockſpeiſen belegt ift; die Schachtel ftellt man in dunfle Winkel ihres Aufenthaltes, fieht jeden Morgen nad) und tödtet, was ſich gefangen hat. Bielleicht dur) die oben anempfohlenen Maßregeln, wahrfcheinlicher durch die viel gefräßigeren Schaben verdrängt ift die früher vielverbreitete, hier vorzüglich unter dem Namen Heinimucher befannte Hausgrille oder das Heimchen, Gryllus domesticus, welde in Aufenthalt und Lebensweife mit der Küchenfchabe übereinftinunt, Die Hausameife, Formica cunicularia, legt ihre Nefter in Balken unferer Häufer an und wählt dazu die Sonnenfeite folcher Gebäude, welche entweder unmittelbar an Gärten anftoßen oder in deren Nähe ftehen. Die Nefter felbft find ftets verborgen und ihre Zugänge in der Regel nur dann entdekbar, wenn man zufällig zu der Stunde hinzufommt, in welcher ihr jährlicher Schwarm auszieht. Von hier aus entfendet eine einzige Colonie für viele Gärten und Häufer genug Ameifen auf die Weide. Mit dem feinften Geruche begabt, entdeden fie auch in den ent— legenften und verborgenften Localitäten die ihnen fo angenehmen Syrupe, Gonfituren, Früchte und dleifchipeifen, gelangen auf den ungeahnteften Ummwegen dazu und conjumiren im Verhältniß ihrer Größe außerordentlich viel; auch an der Außenſeite der Häufer, wenn diefe mit Spalieren bezogen find, naſchen fie die reifenden Früchte und fchädigen aud auf andere Weife. Das Wegfangen und Zödten der Ameiſen gefchieht mittelft einer Fleinen Schachtel, in deren Dedel eine längliche und Ichmale Deffnung gefchnitten und deren Innenwände mit diem Honig ftark beftrichen find; folche Schachteln ftellt man in der Speifefammer dicht neben die angegriffenen Gegenftände, an Spalieren aber neben die untern Gabeläfte oder in die Nähe der reifenden Früchte, hebt diefelben jeden Abend 1/e Stunde vor Sonnenuntergang jachte weg und wirft fie in fiedendes Waffer; zur Vertilgung der Nefter aber ift Wegnahme des minirten Holzes im Spätherbfte nöthig. Minder wichtig find die Näfchereien der Welpen, von denen übrigens zur Aufnahme der aus Holzfafern gefertigten Neiter gleichfalls bisweilen Räume unferer Wohnungen in Anfpruch genommen werden; die am häufigften mit ung in Berührung kommende Welpe ift Vespa vulgaris L. Die Larven des Mehlfäfers, Todtenfäfers, Tenebrio molitor (und von Phaleria culinaria) leben zwar allermeift in Kleie, Mehl und Brodabfall, doch gehen fie auch an mancherlei animalifche Stoffe, und Bremi hat fie jelbft in Weſpen- und Horniffenneftern gefunden. Tödten des Käfers, wo er fich zeigt, und Entfernen des Kehrichts von Kleie, Mehl ze. und hinter Schränfen hervor führt zu deſſen Verſchwinden. Diefelbe Maßregel ift auch gegen die Fleinen Schmetterlinge Pyralis pinguinalis (und calvarinalis) und Asopia pollinalis (jowie Galleria tribunella) zu beobachten. Die Bohrfäfer, Plinus (latro Fabr., rufipes Fabr., imperialis Fabr. und 6-punctatus Panz.) verderben getrocfnete Stoffe (Obft und Wurzeln, Holz, ausgeftopfte Thiere, Inſekten und — Lederwaaren) und verrathen ihr Daſein durch ihre Exeremente, welche wie glänzend ſchwarze, lange gegliederte Fäden erſcheinen. Fleißiges Nachſehen, Vernichten der angeſtochenen Früchte, längeres Einſenken der Inſekten in Weingeiſt und Tränken angegriffener Pflanzentheile in Herbarien mit Terpentingeiſt kann ihre Vertilgung bewirken. Staubläuſe, Troctes pulsatorius und fatidieus, häufig in Brotſchränken und Bib— liotheken, verzehren den Kleiſter der Einbände und in Sammlungen zarte kleine Mücken und Schmetterlinge. Vermengen des Kleiſters mit Coloquinthenextraet macht fie für Bücher unſchädlich, der Geruch von Anisgeijt verdrängt fie aus Sammlungen. Der Zudergajt, Lepisma saccharina L., nad) der gewöhnlichen Annahme von gleichen Stoffen ſich nährend, ift nad Bremi’s Anficht vielmehr durch die Jagd auf Staubläufe nüglich und dann wohl eher zu den Raubinſekten zu ftellen. Aus der Klaffe der Kruftaceen jchließt fih den Allesfreffern noch die Haus aſſel, Por- cellio melanocephala, an, welche vom Kellerboden bis unter die Dachfirfte ſich in alle Winkel und Spalten eindrängt und, wo fich irgend eine Feuchtigkeit hält, ihre Nefter etablirt, früher in der Mediein angewandt wurde und noch jeßt bei Zahnjchmerzen bie und da Dienite leitet. Durch äußerſt feine Riten ſich durchdrängend, verurjacht fie häufig das frühe Abfallen des Mörtels an Dächern und den Winfeln von Mauern an Dachboden; durch die Abzugslöcher von Blumentöpfen dringen fie von den Unterfaßnäpfen ing Innere, benagen die Wurzel und veranlaffen Fäulniß, oder fie friechen bei Pflanzen, die der Erde aufliegende Blätter und Zweige haben, zwifchen dieje und fügen gleicher Weiſe Schaden zu. Bertilgung der Einzelnthiere fowie der ganzen Golonieen, wann und wo immer man fie antrifft, it das einzige Schugmittel gegen ihre jhädlichen Ein- wirfungen. Die Gruppe der von thieriihen Stoffen ſich nährenden Inſekten be innt mit einigen Käfern, welche den ungegerbten Fellen und Sammlungen ausgeitopfter oder ſonſt getrodneter Thiere jchädlich find und auch fonft in Häufern hie und da Etwas zu nafchen finden. Der befanntefte ift der Pelzkäfer, Attagenus pellio, unpaſſend auch Brotfäferchen genannt, welcher fich oft in außerordentlicher Menge auf Kirchhöfen einftellt; ihm jchliefen fi) an Demerstes lardarius und murinus und Anthrenus museorum. Kampher in beträchtlicher Menge in die Schränfe und Schachteln von Sammlungen gelegt, hält den Käfer zurüd; Quedfilber dagegen erwies ſich als erfolglos. Gegen die Angriffe der Fleifchfliege, Musca vomitoria, verwahrt man gedörrtes Fleiſch in wohlverfchloffenen Defen, friiches in irdenen Gefäßen mit genau paſſenden Dedeln. Dem Pelzwerk und wollenen Kleidungsitüden jchaden Tinea pellionella, rusti- cella, tapetzella und crinella. Unter den Blutfaugern haben fi die Bettwanzen, Acanthia lectularia, jeit die Seiten: wände der Bettitellen mittelft eiferner Hafen eingehängt werden, beträchtlich vermindert; wo man Ser A ae fie aber noch in Schlupfiwinfeln bemerkt, da leiftet Beftreichen mit fiedendem Unſchlitt die beften Dienfte- Gegen die Flöhe, Pulex irritans, würde eine feine compacte Compofition zur Ausfülung der Spalten in den Zimmerböden vortrefflich fein, leider aber ift eine ſolche bis dahin noch nicht gefunden. Wenn die Räuber und Snquilinen, welde gegen andere Inſekten in einem bejtändigen Vertilgungskriege leben und uns daher in Beichränfung der ſchädlichen unter ihnen unterftügen, im Allgemeinen gegenüber den an Individuenzahl ſich auszeichnenden Pflanzenfreffern reicher an Gattungen find, fo ſcheint von diefem Geſetze mit Bezug auf die Hausinfeften gerade das Gegen— theil Statt zu finden, was indeß daher rührt, dag jene in die Zimmer und Speifefammern feinen freien Zutritt finden fünnen. Unter den Räubern treten uns zuerft als Bewohner unferer Keller einige große fehwarze Käfer entgegen. Aus der Familie der Lauffäfer nügen ung hier Sphodrus planus und Abax striola, welche neben Inſekten auch Schneden und Regenwürmer verzehren; gelegentlich kommen wohl auch andere größere Lauffäfer in ihr Territorium, ohne jedoch zu den Hausinſekten gerechnet werden zu fönnen. Ob Blaps fatidica Erz. und obtusa Crz., äußerft langjame und träge, ſcharf und widrig riechende Käfer, welche an den finfterften Orten wohnen, nur des Nachts ihrer Nahrung nachgehen und jehr lange falten fünnen, zu den Räubern gehören, ift zweifelhaft. Sn unfern Wohnzimmern geht die Schwarze Fliegenwanze oder Kothwanze, Reduvius personatus, hinter Käften und Tableaux den Fliegen nach und ſaugt fie aus; ihre Larve ift ftets in Staub eingehüllt, der fih auf ihre Flebrige Haut anhängt. Un der Außenfeite der Häufer ſchweift die zarte niedliche Ploiaria vagabunda herum, welche Inſekten, die weit größer find, bezwingt. Auf den Dachböden, befonders älterer Häufer, erfcheint im Auguft in unzähliger Menge der winzig fleine Psocus domesticus, deſſen Larve nad) Bremi’s Anficht fih von Staub: läufen nährt. Selten bemerft man die Eleine Kameelhalsfliege, Raphidia domestica, deren gefräßige Larven fih in Holzipalten verfteden. Auf unfern Eftrihen oder Winden ftellen fih oft, um Käfer oder Fliegen zu haſchen, ver— ſchiedene wefpenartge Infeften ein, Odynerus parietinus und nigripes, Pterochilus spiricornis und Chrysis ignita, welche die gefangene Beute tödten, in Zöcher jchleppen, die von andern Inſekten in Balken gemacht wurden. und mit ihren Eiern belegen. Doch giebt es auch) folhe, die felbft Holz aushöhlen und dadurch wiederum ſchaden. Die nüglichften Räuber find aber entichieden die Spinnen, von denen jeder Raum des Haufes (Fenfter, Zimmer, Speifefammern, Küchen und Keller, Abtritte, Holzipalten, Schubladen ze.) feine eigenen befigt; namentlich finden ſich viele an der Inmenfeite der Dachziegel, weil da immer Mücken in-Menge durhpaffiren. Die meiften unter ihnen fertigen zum Fangen der Beute Nepe, jede Species ihre befondere Art; unter den Spinnen der Keller aber erjagen einige ihre Beute im Laufe und zwar während der Nacht und es fchliegen ſich dieſen auch die MWeberfnechte ii (Phalangium cornutum) an; einige Spinnen endlich hafchen ihre Beute, befonders an der Außen: feite der Häufer, diefelben bejchleichend, im Sprunge. Zu den Spinnen unferer Häufer gehören: Epeira teclorum und diadema, Enophrys domesticus, Drassus elandestinus und lucifugus, Eucharia Hera und bipunctata, Tegenaria domestica und civilis, Meta fusca, Clubiona elaustraria und Saltieus scenieus. Die Vermehrung der Spinnen, obſchon an und für ſich ftark, wird theils durch Fleine Vögel, theils durch Eleine Schlupfwefpen, welche die Spinneneier anftechen und zu taufenden vernichten, in Schranfen gehalten; viele andere auch von den Menfchen vertilgt oder doch) verjcheucht, obwohl fie cher jorgiame Beachtung als Verfolgung von unferer Seite ver dienen. Der Verwendung der Spinnweben zu Handjchuhen ꝛc., gegen das Wechelfieber und zum Blutftillen bei Schnittwunden wird nebenbei noch furz erwähnt. Den Schluß der eigentlichen Räuber bildet, gleichfalls der Klaſſe der jpinnenartigen Thiere angehörend und hier häufig in Schränfen vorfommend, der Bücherfcorpion, Chelifer cancroides, welcher mit feinen Scheeren die Staubläufe, junge Lepismen und andere kleine Kerfe ergreift und dann ausjaugt. Als Inquilinen in Hausinfeften find zu erwähnen: Mesochus gladiator, Exochus frenator und mensurator, Ephialtes carbouarla, Glypta moderator, Spathius elavatus und namentlich) die in den Larven der Klopffäfer jchmarogende Belyta. Die ſechs indifferenten Fliegenarten find Anthomyia calyculata und serrata, Lonchaea chorea, Drosophila cellaris, Piophila casei und Scenopinus fenestratus; die Stubenfliege gehört indeß nicht zu den eigentlichen Hausinfekten. Unter den den Häufern eigenthümlichen Milben (Gamasus arcualis Koch, marginalus Her., Scipina diaphanus K., Actinedia cornigera Her., Erythraeus parielinus Her., Acarus Farinae L., siro L., eubicularis K., oblongulus K., setosus K.) nähren fidy einige von Pflanzen, andere von Mehl, Zleifh, dürrem Obft, Körnern, Käſe, andere aber als Jäger von Shresgleichen. Ein verdorbener, gährender Zuftand von Hüljenfrüchten, gedörrtem Obſt und Fleiſch begünftigt ihr Auftreten, durch Ablegen vieler Eier oder durch rajches Gebären lebendiger Jungen vermehren fie ſich oft zu ungeheurer Individuenzahl und verurfachen dann bedeutenden Schaden troß ihrer mifrojfopifchen Kleinheit. Die von Milben angegriffenen Früchte müſſen wieder in den heißen Dfen gebracht, Sämereien aber dur die Windmühle getrieben werden; wo 08 aber die Natur der bejegten Gegenftände erlaubt, da werden diejelben mit kochendem Waſſer abgebrüht. Auf jeden Fall aber müffen die gereinigten Gegenftände in neuen Gefäßen aufgehoben und diefe an andere, von den bisherigen möglichft entfernte Zocalitäten verfegt werden. Tetranychus telarius L. bejegt in trodenen Sommern die Blätter verfchiedener Topfpflanzen vor unjern Fenftern und verurfacht ein flediges Gelb- und Welfwerden derjelben. Dieſe Kranfpeit wird den Pflanzen zuweilen tödtlidh; man muß defwegen fofort die blaß und welf werdenden Blätter abjchneiden und den Topf in freie Luft unter den Einfluß von Than, Wind und Regen ftellen, I ie Me Die in der vorftehenden Aufftellung genannten Haus-Inſekten, Arachniden und Kruftaceen umfafjen eine Anzahl von 96 Arten, ohne daß damit die Zahl erfchöpft wäre; natürlich werden nicht alle dieſe Arten zufammen in jedem Haufe angetroffen, im Häuschen Hinter dem Münfter beobachtete Bremi aljährlid) 60—70 Arten. Die BVertilgung hat übrigens ihre Schwierigkeiten ; denn fobald nicht mehrere Jahre hinter einander allgemein die geeigneten Vertilgungsmaßregeln getroffen werden, fliegen fie aus den Befigungen des Nachbars wieder zu; manche Arten haben in der Larheit der Hauspolizei ihren fichern Hehler; bei den Kleinen Holzfreffern ift völlige Abwehr wohl kaum völlig möglich. Um fo wichtiger ift Schonung der Räuber und Inquilinen, äußerfte Reinlichkeit in allen Winfeln der Häufer, ftrenge Ueberwachung der Kleider und Nahrungsftoffe, fleigige Bewegung und Lüftung, ſowie Sorge für genau fchliegende Gefäße; nur dann werden die ſchädlichen Hausinjekten ſich allmälig verlieren und mit ihnen von jelbft auch deren Jäger. Nur unter Dächern müſſen die Spinnen ftetsfort auf dem Piquet ftehen, denn da giebt es für fie vom Frühjahr bis in den Spätherbft beftändig zu fchaffen und vollauf zu thun, wie aus der einzigen Bemerfung erhellen mag, daß Bremi Mitte November 1843 eines Morgens an einem Fleinen Fenſter auf der Winde des Münfterhaufes über 500 zu 26 Gattungen gehörende Inſekten antraf. Wenden wir ung nunmehr wieder zu Bremi’s Thätigfeit in diefer Periode. Die biologifchen Studien treten in den Bordergrund, eben fo find feine Beftrebungen vorzüglich darauf gerichtet, Andere für diefelben zu gewinnen, dadurch eine tiefere Anfchauung des Naturlebens zu begründen und möglicherweife auch feine betreffenden Sammlungen und den Schaß der darauf ſich beziehenden Kenntniffe zu bereichern. Während aber Bremi gegen das geiftlofe Jagen, blog um in Sammlungen aufzufpeichern oder höchſtens Kenntnig einer Summe von Namen zu erwerben, eifert, bezeichnet er die forgjame ; Beftimmung der Arten und die Fortjchritte im Syſteme als die unentbehrliche Baſis der biologi- ſchen Forſchung und legt namentlich dem angehenden Entomologen die Uebung im Selbftbeftimmen and Herz, indem nur Diefes zu gründlichen Fortjchritten befühige; und wie er nie einem Andern zumuthete, bloß dem Worte zur folgen, jo geht er auch hierin nach Kräften mit dem Beifpiel voran. Daß aber bei der Ausdehnung über eine Menge von Zweigen, von denen jeder einzelne ſchon die Kraft eines Mannes in Anſpruch nimmt, Bremi unmöglich überall mit Sicherheit ſich bewegen Eonnte und bald da bald dort zeitweife in Nücftand fam, ift erflärlih und er nahm daher, wo irgend möglich, die Unterftüßung von Fachmännern in Anfprud und dankbarft die Anerbieten und Gefälligfeiten von denfelben auf, erwiderte diefe Leiftungen aber nach Kräften durch Gegenleiftungen. Für das Studium der fehweizerifhen Fauna war übrigens auch die Erwerbung einer Kenntniß des Inhalts der verfchiedenartigiten im Vaterland zerftreuten Sammlungen und der an fie ſich anfihließenden Beobachtungen und Erfahrungen ihrer Befiger erforderlich und es mußte, wenn irgend thunlich, eigene Anfchauung jener und Gewinnung von Mittheilungen diefer angebahnt werden. Hierauf beziehen fich zahlreiche durch Kreisfchreiben der allgem. ſchweiz. naturf. Gefellih. Be unterftügte Nachforichungen und Unterfuchungen, fowie betreffende Berichte Bremi’s, durch welche die Schmweizeriichen Sammler und Sammlungen befannt und ein engerer Verkehr zwiichen den fchweizerifchen Entomologen unter ſich und mit ausländijchen Entomologen vorbereitet wurde. Ferner hatte es Bremi fih zur Pflicht gemacht, eine jede wilfenihaftliche Unternehmung, der er irgend welche Beiträge liefern konnte, zu unterftügen, mochte diefelbe direkt zu feinen eigenen Forfhungen und Arbeiten in Beziehung ftehen oder eine eigenthümliche Richtung verfolgen; denn er verglich in wiſſenſchaftlicher Hinficht feine Sammlungen, Kenntniffe und Erfahrungen einem Gapitale, welches nur bei lebendiger Gireulation unmittelbar Nugen zu jtiften oder neuen Schöpfungen zu rufen und neue Schachte zu erfchliegen im Stande jet. Endlich unterfuchte Bremi gern und häufig unter dem Mifroffop ſowohl entomologiiche als botanifche Gegenftände, bejonders auch Infuforien, über welche er zeitweife mit Dr. Wäcderling, Bezirksarzt in Regensdorf, verkehrte und verjuchte ſich auch mit Darftellung mikroſkopiſcher Präparate. AU das aber verlangte unabläffige Thätigkeit im Haufe und im Freien, führte zu vielfachen mündlichen Befprechungen und Gorrejpondenzen, zum Erkunden, Austauſch und Darleihen von Literatur, zu Hervorfuchen und Ausiteden von Stoff aus feiner Sammlung, zu Berpadungen und Berjendungen, zu Durhfihten und Unterfuhungen von Zufendungen geringeren oder größeren Umfanges, zu wiederholter Eins und Umordnung in feinen eigenen Sammlungen, zur Anfertigung von Zujammenftellungen ac. Die Bürde, welche dadurch Bremi ſich aufgeladen Hatte, drückte ihn allerdings bisweilen fchwer und er jah je länger je mehr das Bedürfniß möglichiter Concentration ein. Wenn er aber, wie dies in ſolchen Augenbliden ängftlicher Beforgniß ftets geihah, „fh in die Arme der Natur warf und Gottes wundervolle Schöpfung gleich einem foftbaren Buche vor ihm aufgefchlagen jah und in leuchtenden Schriftzügen durch die unerjchöpfliche Mannigfaltigfeit hindurch Einheit und allenthalben erhabene Weisheit erfantte, dann erfüllte ihm die Luft zu forfchen und zu ichaffen den Bufen aufs Neue, dann kehrte das Bertrauen in feine Kraft wieder und mit friſchem Muthe förderte er fein Werk, überzeugt, daß feine Arbeit, wenn auch nicht zur Vollendung gelangend, doch nicht vergeblich fein werde.” Hinfichtlich der Biologie verkehrte er wie früher, jo jest vielfach mit den genannten früheren Bekannten und dem Verfaſſer, ſowie mit Bögeli, Gräffe, Pfau, Stutz, Dietrich, Venetz, v. Siebold, Aler. Braun, A. Amann, Lithograph in Breslau, Rofenhauer, Mayr, Hagen u. U. Ueber Inſek— ten überhaupt verhandelte er vorzüglic mit Heer, Imhof, Seiler, Boffard, Hagnauer, Scheuchzer, Menzel, Am Stein, Stu, Gräfe, Schäfli ꝛc. Seine Kenntniß in der Goleopterologie wurde wejentlich erweitert durch Dietrich, Kriehbaumer, Stierlin, Em. Frey, Venetz, Nofenhauer, Stuß, Guillibeau, Mayr und Sartorius; Heer endlich ftellte zu Bremi’s fauniftifchen Arbeiten feine coleopterologiichen Manuferipte zur Verfügung. Ueber die Hymenopteren verfehrte er lebhaft mit — Me Imhof, dem DVerfaffer, Kriechbaumer, Gräffe u. A. In der Schmetterlingsfunde wurde er gefördert durch Prof. H. Frey, Meyer-Dür, de la Harpe, die beiden Zeller im Balgrift, von welchen der treffliche Künftler Conrad 3. Tehr ſchöne Abbildungen einzelner Mifrolepidopteren einfandte, Hagnauer, Wullfchlegel, Boll, Vögel, Widmer u. A., im Zweige der Dipteren dur Macquard, Loew, Am Stein, Sordet, Hartmann, Menzel u. U. Ueber Neuropteren ftand er in lebhaftem Verkehr mit Hagen, über Drthopteren mit Fifcher und Verfin; über Hemipteren mit Seiler, Meyer-Dür, Mayr u. A. Meyer-Dür ftellte ihm überdies fpäter für die fauniftifchen Arbeiten fein ganzes früher gefammeltes und in Manuferipten niedergelegtes Material zur Dispofition. Er felbft aber lieferte Stoff zu Heers Schilderung der Naturwelt des Kantons Glarus und zu deſſen herrlicher Arbeit über die fofftlen Inſekten; ferner zu Meyer» Dür’s, de la Harpe’s, Prof. H. Frey's fauniftifchen Beiträgen über die Gapfinen und Tagfalter, über die Geometriden und Pyraliden, über die Tineen und Pterophoren der Schweiz; weiter zu Mayr's, Hagen’s und Fiſcher's Arbeiten über die Ameifen, Neuropteren und DOrthopteren ꝛc., in gewiffer Weile auch zu v. Siebolds interefjanter Abhandlung über Partheno— genefis. Bei diefen Gelegenheiten wurden einzelne Abtheilungen feiner Sammlungen von Fach— männern beftimmt und vermehrt (er ſelbſt juchte neben Bereicherung der einheimifchen Gattungen an Arten mit Bezug auf die exotifchen Inſekten eine möglichſt vollftändige Repräfentation der Gattungen zu gewinnen); zugleich aber wurde er mit den Fortichritten der Wifjenfchaft und den intereffanteften Entdeckungen in den einzelnen Zweigen befannt. Unter den uns vorliegenden Gorrefpondenzen aus diejer ‘Periode find die intereffanteiten und reichhaltigiten entichteden diejenigen von Dietrich und Hagen, ferner von Venetz, Stierlin, Kriechbaumer und Am Stein; von Bremi’s Arbeiten aus dieſer Periode aber Hat befonders die über die Gecidomyien vielfeitige Anerkennung gefunden übrigens wurden auch) feine andern Arbeiten und Mittheilungen, welche er bei verſchiedenen Gelegenheiten, ſtets mit Borweifungen der betreffen- den Gegenftände aus feiner Sammlung begleitet, durch einen oder den andern feiner näher ftehenden Freunde vorlefen ließ, immer und überall mit freundlicher Theilnahme begrüßt. Die Sikungen der Züricher, ſowie der allg. jchweiz. naturforſchenden, zum Theil auch der technifchen Gefellfhaft und des Gartenbauvereines gewährten ihm großen Genuß, und er bot gern, was er zu bieten im Stande war; einzig erregte ihm der Gedanke, die Aufgabe der technifchen Geſellſchaft fer eine ſolche, für welche er kaum Geeignetes zu bieten im Stande jet, mehr und mehr Bedenken, fo daß er fich zum Austritt eutichloß. Dagegen nahm er ununterbrochen an der naturf. Geſellſchaft in Zürich den regften Anteil und gab mit die Beranlaffung zu einer Neorganifation, durch welche ein innigerer Anſchluß der Gefellichaft and Leben, das SHerbeiziehen der auf dem Lande zerftreuten Kräfte und der Studirenden angeftrebt wurde; das nächte Ergebniß Diefer Reorganifation war die Einführung öffentlicher Vorträge während des Winters und die Begrün- dung einer regelmäßig erfcheinenden Vereinsſchrift „Mittheilungen der naturforichenden Geſellſchaft A in Zürich” von 1849—1856, welche von da an in erweiterter Form unter dem Titel „Vierteljahrs- Schrift der naturforjchenden Gejellihaft in Zürich“ fortgefegt werden. Die Herausgabe einer Zeitjchrift über die Defonomie der Infekten lag 1837 in Heers Plane und ſpäter jollte ein natur: wijjenichaftliher Anzeiger, gewiflermaßen als Fortfegung des Meißner'ſchen, bejonders durdy die fchweizerifchen Entomologen angeregt, begründet werden und für beide wurde Bremi’s Hülfe ange: Iprochen. Sein Interejfe an den Berfammlungen der allg. ſchweiz. naturf. Gefellih. möge folgende Stelle aus einem Schreiben an Bojfard vom 11. Aug. 1844 zeigen: „In Chur machte ich mehrere neue Bekanntichaften, lernte jehr Vieles, konnte mich nicht genug erfchauen an den Felswänden feiner Gebirge und an den zahlreichen Burgruinen, ftand Y2 Stunde bei dem fchauerlich bedrohten Belsberg, genoß ein fürftliches Abendeilen von unferm Präfidenten, Obriſt von Planta, in feinem Schloß Reichenau und zerihmolz fait in Entzüden über die erhabene Natur dajelbit. Bei den Freunden Scheuchzer in Chur und Am Stein in Malans jchwelgte ich in unerwarteten conchyliologiichen und entomologifhen Schägen und befuchte auf der Heimreife mit Prof. Schinz dag merkwürdige Pfäffers. Eine Mittheilung, welche ich in der zoologiſchen Sectionsfißung in Chur, mit Vorweiſungen begleitet, über die Productionen der Gallmüden machte, hatte den Zwei, zur Mitwirkung in Erforfhung jener merfwürdigen Erfcheinungen anzuregen.“ Rückſichtlich der Correfpondenzen und jchriftlichen Arbeiten mag beigefügt werden, daß Bremi gern, jchön und gejchmeidig, wahr und getreu fhrieb, daß ihm, was er jchrieb, leicht aus der Feder flog; daß er fich dagegen gewöhnlich erft nach genauer Prüfung und ftrenger Correetur entſchließen fonnte, feine Arbeiten aus der Hand zu geben, und meiftentheils eine Abjchrift zurüd behielt. Bezeichnend ift ferner noch, daß er aufs Gewiſſenhafteſte Jedem das Seine fiherte, fremdes Ver— dienjt hoch anjchlug, feine eigenen Leiftungen dagegen nad) dem ftrengften Maßſtabe beurtheilte und vielfach unterfchäßte. — Beſuche durchreifender Entomologen, wie außer vielen der oben grnannten Männer von Prof. Leunis in Hildesheim, Dr. Schaum in Berlin, Viector Motſchulsky von Petersburg zc., waren ihm Feftftunden; er widmete ihnen alle zu Gebote ftehende Zeit, ward nicht müde im Borzeigen und Erklären feiner Sammlungen und freute jich herzlich ihrer Mitthei- lungen; ebenjo gab er feinen Freunden und angehenden Entomologen, wenn fie Reifen unternahmen, alle möglichen Anweifungen und Nathicyläge, zum Theil auch Sanmelgeräthe, um ihre Reife für fie und die Wiſſenſchaft nußbringend zu machen, und jehnte jih) dann auf deren Rückkehr, um die Erfolge zu erfahren. Belonders gern machte er auch Ereurfionen mit Freunden und, obgleich er auf dieſen unab- läſſig mit Suchen und Beobachten bejchäftigt war, war er doch ſtets zur Unterhaltung bereit und führte fie mit unermüdlichem Eifer und inniger Freudigfeit; dabei zeigte er in allen Ziveigen der Naturgefchichte beachtenswerthe Kenntniffe, jo daß für die Freunde die Ereurfionen äußerſt genuf- reich wurden; befonders waren es der Gang zum Zielpunkt der Exeurſion und von diefem zurüd, oder bei längern Ausflügen die zur Einnahme einer frugalen Erfriſchung gewählten Haltpunkte, 7 — wo Bremi's Erzählungs- und Darſtellungstalent, ſein Eindringen in alle Verhältniſſe des Lebens, ſeine Theilnahme an den Intereſſen der Menſchheit, des Vaterlandes, des Heimatskantones und der Vaterſtadt, ſeine klare Auffaſſung des Volkslebens, ſeine Theilnahme an den Fortſchritten der Wiſſenſchaften und Künſte, ſein kindlich frommer Sinn, ſeine Ueberzeugungstreue, ſein feſter mannhafter Charakter auf's Schönſte ſich kund that, und wo auch ſeine originelle Auffaſſung der Natur, ihrer Erſcheinungen und Erzeugniſſe am leuchtendſten hervortrat. Jede Excurſion brachte ihm, wenn die Rejultate auch noch) jo gering waren, immer wenig- ftens in dieſer oder jener Hinfiht Gewinn und Bremi war damit zufrieden; aber auch im Haufe und an den unbeachtetften Localitäten wußte er zu finden und zu erwerben. Sonſt ergriff er mit Lebhaftigfeit eine jede Gelegenheit, um über außergewöhnliche Erjcheinungen von mehr allge- meinem Snterefje durch eigene Anſicht und Unterfuchung fich zu belehren, wie über maffenhaftes Auftreten der Blattläufe, zeitweifes Erfcheinen von auffallend vielen und großen Ameiſenſchwärmen, das Borfommen ungewöhnlich vieler Leuchtkäfer und ihrer Larven während der ausgedehnten Entwidelung der Kartoffelfranfheit, über Wurm» und Blutregen, über den jchwarzen Schnee, über das Vorkommen von Käferlarven in Gejchwüren zc. Inmitten diefer Thätigfeit flog unferm Bremi die Zeit vom Herbfte 1843 bis Frühling 1856 ziemlich ungetrübt dahin; nur felten traten Greigniffe ein, welche tiefer in jeinen Lebensgang einz griffen. Im Herbfte 1846 ward er von einem Leiden der Harnorgane befallen, welches, obgleich ohne auffallende Refiduen noch im gleichen Jahre befeitigt, dennoch ſpäter ein gewiſſes zeitweife eintretendes Gefühl herannahender Altersfchwäche im Gefolge hatte und wohl ficher den Grund zur jpätern, unaufhaltbar dem Tode entgegenführenden Krankheit legte. Ueber ein zweites Ereigniß fchreibt Bremi an Boffard nnterm 2. Februar 1851 Folgendes: „Es drängt mich zum erftenmale im Jahre 51, mit einigen Zeilen ins liebe Pfarrhaus Mandach einzutreten und den wohlehrwürdigen Paſtor in einem Athemzug von vornen herein und frifch von der Leber weg anzufragen: Wie gehts? Wie ftehts? Iſt's Euch, Ihr Lieben Ale, . inwendig und auswendig heiter und klar im neuen Jahr? Was für Gotteserfahrungen und Schulpenſen habt Shr empfangen? Ic denfe mir, Du gebeft an mic; diefelben Fragen zurüd; und da will ic Dir zuerft die Frage nad) den Gotteserfahrungen beantworten; denn diefe waren in Allwege groß und zu Seinem Preiſe; darum darf ich die Mittheilung davon nicht ver- fchweigen. Den 6. Januar Abends zwifchen Licht ward mein lieber Heinrich von dem großen Schwungrad in der Werfftätte eivca 6° tief herunter gefchleudert; mit dem Rüden fiel er auf den fcharfen Rand einer mit Holzklögen gefüllten Kifte. Der Gejelle hörte Nichts davon und Heinrich hatte für die erften Momente die Stimme verloren, raffte ſich aber bald allein auf, fühlte feine Schmerzen, fo daß er noch Y, Stunde drehte; dann aber ftellten ſich einige Schmerzen ein; äufer- fih war nur unter dem rechten Schulterblatt eine rothe Schramme zu jehen. Die Nacht durch fchlief er gut, aber am Dienftag regten ſich mit jeder Stunde heftigere Schmerzen; der Arme konnte nur noch gebüdt gehen. Der herbeigerufene Wundarzt gewann bei der erften Unterfuchung nod) 1 feine Gewipheit, ob eine innere Verlegung ftattgefunden habe und verordnete wegen der örtlichen Entzündung unverzüglidd Schröpfen, worauf fogleich Erleichterung der Schmerzen eintrat. Etwa 8 Tage mußte er beitändig liegen und 14 Tage fonnte er den Rüden gar nicht biegen und die ganze Seite war jehr geichwächt. Nun aber ift er, Gott fei Dank! vollfommen. hergeftellt. Der Arzt, als man ihm die Stelle des Falles zeigte, ftaunte über die gefahrvollen Berhältniffe und erkannte die Wunder der Bewahrung Gottes." Im gleichen Briefe ſpricht er ſich Hoch erfreut über die günftigen Nachrichten aus, welche aus Madeira über Heers Befinden eingelaufen feien, und äußert fi dann über die ihm gewordene Aufgabe folgendermaßen: „Zu meiner Arbeit jammle ich noch immer Materialien, fange an das Fundament zu graben und Baurijfe zu bereinigen — jehe dabei immer Flarer, welche jchwere Arbeitslaft ich auf meine ohnehin ſchwachen und noch dazu alten Schultern geladen. Ich darf’s natürlich nicht willen, ob es Gottes Wille jei, daß ich diefe Arbeit vollende; ich muß nur immer- fort um Muth und Demuth bitten und möchte nur lernen, wie ich fie machen joll, daß fie zur Ehre Gottes gemacht jei und wie ich allein ihm die Ehre gebe.” Gegenüber dieſem Ernfte jehen wir dann öfter feinen fröhlichen Humor in den heiterften Zügen hervortreten, wie in folgenden Stellen einer Briefe an Bofjard; jo vom 31. Auguft 1852: „Aber nun ftelle ich den wohlehrwürdigen Herrn Pfarrer und den vielgeliebten Freund auf die Seite und falle barich den Naturforſcher aufs Kom. Das ift zum Haarfträuben von einer folhen naturwiffenfchaftlichen Erlaubt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, dergleichen Leute einzufangen und an einen Gollegen zu fpediren, ohne den Heimatsjchein mitzugeben. Weiß Er denn nicht, dag man heutzutage nicht nur willen will, was für Gejchöpfe unjer Herr Gott in die Welt gejeßt hat, — fondern aub, wohin Er fie placirt, was Er ihnen für ein Metier angewiejen, wo Er für fie den Tiſch gededt x. Hör Er, das muß ich haarklein wiffen; fonft müßte ich Ew. Exell. — nein — das mag ich nicht ausfprechen!” und am 2. Jan. 1853: „Ich bin übrigens nicht einmal jo fromm, meine Neigungen ganz zu unterdrüden, um damit nicht einen Freund in Verfuhung zu führen, aber doch jo ehrlich, um ihn vorher davor zu warnen; z. B. ich habe allen Refpect davor, daß Du alle Inſektenjägerei und was damit zufammenhängt, aufgeben willft, ja ih muß Dich in diefem Vorſatz Deines Amtes willen zu beftärken juchen; — aber während Du Amts halber auf die Jagd gehft nach dem jchädlichen Ungeziefer, das in den Köpfen und Herzen Deiner Anbefohlenen jpucdt und Du dabei dem Wege nad, jo im Vorbeigehen, auch Beobachtungen macht über dag Ungeziefer, deſſen Lebensgefchichte ich fchildern möchte — To gelüftet mich doch, Notizen davon zu meinem Nutz und Frommen zu erlangen! — aljo — nimm Did vor mir in Acht” — und weiter zum Schluß: „Ber Zeit da hatte — und ſuchte — fand Käfer die Menge. . D weh! mich lodt wieder mein Stedenpferd arg ind Gedränge, Leb wohl mein Lieber! Thu recht Deines Priefteramts pflegen, Und ftraf mich Verführer mit Deinem geiftlihen Degen!“ BB — Wie jehr übrigens Bremi den Humor auch an andern liebte, ergiebt fic) aus der Zreude, welche er ftetS über die jovialen Erzeugniffe C. U. Dohrn's in der Stettiner Entomologifchen Zeitung hatte und die ihn veranlaßte, auch nachitehende Stelle aus einem Schreiben A. Zſchokke's an Emil Frey forgfältig aufzubewahren, zumal diefelbe durch Bremi’s Wunfh, Zſchokke's Coleop⸗ terenverzeichniß einzufehen, veranlaßt war. — Meine Berlegenheit zu Frönen, kommt nun Dein Geſuch, mit welchem Du um mein ftruppiges Haupt einen freundlichen Käferlorbeer winden willft. Doch wie ein Panagaeus crux major, der auch fein Kreuz geduldig trägt, fügte ich mid) dem unausweichlichen Verhängniß, flog wie eine Cicindela campestris auf mein Büchergeftell (08, beroch als Silpha atrata alle Bücher, ob ich nirgends das Aas von Käferverzeichniß finde, bohrte endlich, da alles nichts Half, wie ein Attelabus coryli, meinen Rüſſel, ftatt aber in Hafel- nußblätter, in Papierblätter, und als ich gar nichts fand, ſchoß ich wie ein Brachinus crepitans, nach hinten und vorn erplodirend aus den Papieren hinaus, plumpte in Xerger und Verdruß, Dir nicht dienen zu fünnen, aufs Kanapee zurüd, wo ich eine Weile wie ein Byrrhus pilula mit ein- gezogenen Füßen und Fühlern unbeweglich lag, während meine Kinnladen allein widereinander- fletichten, wie wenn ein grüner „Heuftröffel“ brennenden Zunder freſſen joll. Was joll ich machen? ... — Dieſem fröhlichen harmloſen Sinn entſprach auch Bremi's äußere Erſcheinung. Von Statur eher klein als groß, im ganzen Weſen einfach, in feinen Geſichtszügen wie in der ſonſt zwangloſen Haltung nicht ohne den eigenthümlichen Ausdruck des Gehörlofen zog er zwar die Aufmerffamfeit des Fremden wohl faum auf fi, es mußte denn durch feine Sammel» und Beobachtungsthätigfeit gefchehen; aber aus feinen Mienen ſprach Wohlwollen und Freundlichkeit, aus feinem Auge Gemüth und Geift und machten fih im mündlichen Verfehre, welcher ein Flares Spiegelbild feines Innern war, ſofort bemerflich. Seinen Freunden und Bekannten war er ftets eine liebe Erfcheinung; befonders wenn fie ihn bei feinen Lieblingsgefihäften, ohne daß er es ahnte, beobachten Fonnten. So fand man ihn z. B. in der wärmeren Sahreszeit regelmäßig etwa um 5 Uhr des Morgens auf der obern Brüde, jchwelgend im Anblid der herrlichen Landjchaft mit ihrem weit ausgedehnten fpiegelnden See und feinen freundlichen Umgebungen mit den feitlich und im Hintergrunde fi erhebenden Gebirgen und den über die Teßtern majeftätifh emborjteigenden Alpen. Von hier aus beobachtete er die mannigfahen Wechfel der Beleuchtung und der atmojphärifchen Vorgänge, von hier aus verfenfte er fein Auge bis auf den Grund der Eryftallflaren Limmath, um das Leben im Waffer zu belaufchen; von hier aus mufterte er aufmerffam die Mauern der Gebäude, Quais und Brüde, um irgend eine Entdedung oder einen Fang zu machen. Ueberrafchte man ihn bei diefen Gefhäften und Flopfte ihm unerwartet auf die Schulter, dann Fehrte er fih behend um umd grüßte mit freudigem Blick und freundlicher Miene, ſchüttelte Herzlich die dargebotene Rechte und öffnete die Schleußen feines tiefen Gemüths, feiner fcharfen Beobachtungsgabe und originellen nn Anſchauung; und felbit der Laie wurde durch die feurige- Mittheilung erwärmt und mit Sntereife für die Gegenftände erfüllt, welche Bremi fo mächtig zu begeiftern vermochten. Ein fteter treuer Begleiter auf feinen Wegen und im Haufe war für Bremi früher die Pfeife, ſpäter die Cigarre, fowie die Dofe und er war ein eifriger Lobredner der Vortheile des Rauchens. Dagegen war er im Genuß der Speifen und Getränke, jelbft bei feitlichen Anläffen, äußert frugal; auf den anftrengendften Ereurfionen begnügte er fich mit einem Stüdchen Käfe, den er jehr liebte, und einem Glaje Wein; während des Marfches und Sammelns genoß er gar Nichts, außer bei Heftigem Durfte ein Stüdchen Zuder, deren er immer ein Schächtelchen voll feinem übrigen Gepäde beigeftekt hatte; in die Hitze zu trinken erlaubte er fich niemals. Bremi ftand früh auf, gieng fpät zu Bette und hielt in allen jeinen Gejchäften und Unter: nehmungen eine ftrenge Drdnung ein; beftimmte Stunden des Werftages waren beftimmten Arbeiten geweiht, die Morgenftunden des Sonntags nad) dem Gottesdienfte aber dem Beſuche feiner intimeren Freunde, der Samftag Abend und Sonntag Nachmittag gänzlich feiner. Familie. Bei diefer Regelmäßigfeit, Genügfamfeit und Enthaltfamfeit, der häufigen Bewegung, der ftets fröhlichen Stimmung und dem Mangel an Nahrungsforgen lag der Gedanke an eine lange Lebensdauer und, als im Jahre 1856 fein längeres Leiden fi) einſtellte, die Hoffnung auf erfolg: reiche Aufraffung feiner noch nicht durch höheres Alter gefchwächten Lebensfräfte nahe. Diefe Hoff: nung aber hegten nicht blos die Seinen und er jelbft, nicht blos feine wiffenichaftlichen, fondern alle feine übrigen Freunde, und jolcher zählte Bremi Viele; denn es hatte ihn feine Haltung als Bürger und Menſch und insbefondere jeine religiöfe Gefinnung mit Vielen verbunden, ihm eine ausgedehnte Theilnahme und in gewiffer Hinficht auch eine einflußreiche Stellung verihafft, und fein Haus zum Site der herzlichften Gaftfreundfchaft gemacht. Bremi folgte nämlich dem Gange der allgemeinen und fpecielleren Ereigniffe mit lebendigem Intereffe und der ganzen Entſchiedenheit jeines Charakters; in Zeiten des Kampfes ſehen wir ihn nach Wiffen und Gewiffen Partei nehmen, für feine Ueberzeugungen mit Leib und Gut einftehen, an feiner Berfammlung fehlen, in welcher an der Stimme des Einzelnen gelegen war. Zu jeder gemeinnügigen und wohlthätigen Beftrebung die Hand reichend und nad Kräften mitwirfend, im Geben ftets Luft empfindend und freudig gehoben, wenn er Anderer Glüd jehen und befördern konnte, verbreitete er auf feinem Lebenswege taujendfachen Segen um fich und jein Haus und erndtete eben fo vielfach Liebe, wie er fie gefäet. Getragen aber wurde diefe Liebe, getragen feine ganze Thätigfeit durch feinen Glauben und, feine religiöfe Gefinnung, welche am reinften in der Krankheit der legten 8 Lebensmonate zu Tage trat. Im Frühlinge 1856 zeigten fich die erften Andeutungen derfelben; ſchon damals Flagte er öfter über Schläfrigfeit jelbft bei Vornahme der intereffanteften Beihäftigung; die erhebenden Ein- wirfungen des Naturlebens giengen zeitweife an ihm vorüber, ohne ihm wie chedem freudig zu flimmen, eine gewifle geiftige und förperliche Müdigkeit bemächtigte fich feiner, und wie von einer Vorahnung ergriften ſprach er hier und da feinen Freunden gegenüber vom Tode; bei einem herr- lichen Sonnenuntergange von den Seinen auf die Pracht der Erſcheinung aufmerkſam gemacht Sn = eriwiederte er gleichfam wehmüthig: „es genügt mir nicht mehr.“ Nichtsdeftoweniger verharrte a fo lange es noch irgend möglich war, bei der gewohnten Lebensweije, machte noch Eleinere und größere Excurſionen, eine am 16.—18. Juni nad Auenftein, die vorlegte mit Prof. Heinz. Frey und Vögeli auf die Seitengrate des Uetlibergs, von wo er im Schweiße gebadet und, wie er fagte, wie neugeboren, zurüdfehrte, die legte den 25. Juni, am Tage der Eifenbahneinweihung, mit Bögeli auf die Hohe Rohne. Bon diefer Zeit an wurde ihm aber das Steigen, ſelbſt im Haufe befchwerlich, daher er das mehrere Treppen über feiner Wohnung gelegene Zimmer, in welchem jeine Sammlungen befindlich waren, jeltener und nur auf fürzere Dauer bejuchte und hiervon nur bei Anweſenheit des Prãſi⸗ denten des Stettiner entomologiſchen Vereines, C. A. Dohrn am 30. Juli eine Ausnahme machte, indem er dieſem Beſuche in jenem Zimmer 24, Stunden widmete. Schon von Huſten und Enge geplagt und fonft ſich unwohl fühlend vollendete er die Herausgabe feines Gataloges der ſchwei⸗ zerifchen Goleopteren im Zuli, arbeitete unverdrofjen weiter und unterzog fich mit demfelben Eifer wie früher Geſchäften, welche auf Linderung des Elends abzielten. Seine Sammlungen für Schleins waren in der That vom glänzendften Erfolge gekrönt und die reichen Gaben, welche für die Abgebrannten ihm zu Theil wurden, zeugten von dem Gewichte feines dringenden Hilferufs an feine Mitbürger. Unterm 8. Auguft fehreibt er an Hagnauer: „Jetzt hat mir Gott Feierabend auferlegt und führt mich in Krankheit Hinein, um da die noch größern Wunder feiner Gnade fennen zu lernen und darin zu leben.“ Nun gefellten fich zu den früheren Leiden Störungen in der Harnegeretion und eine harte Gefhwulft im Unterleib, fpäter Mangel der Eßluſt, Trodenheit der Zunge und der Mundhöhle überhaupt, Berdauungsbefchwerden, Erbrechen zühen Schleimes und der genoffenen Speifen, Abge— fchlagenheit und ödematöfe Anfchwellungen der Beine. Dieje Uebel nahmen ftetig zu bis zur Zeit der Weinlefe, verlangten täglich längeres Verweilen im Bette und geftatteten nur zeitweife Genuß der frifchen Luft durch Ausfahren. Da ward durch länger fortgefegten und genau geregelten Genuß des gährenden Weines die Lebenskraft wieder aufgeregt und es hatte den Anſchein, ald ob Bremi fi) erholen würde; er gab fid) ſogar Ende December dem Genuffe des fröhlichen Feſtes, welches zu Ehren des nach) langem Sehnen endlich eingetretenen Familienereigniffes, der Geburt und Taufe einer Enkelin, veranftaltet wurde, mit feiner ganzen, alle Umgebungen erheiternden Freudigkeit hin. Diefe Theilnahme aber follte die legte, fie follte der verhängnipvolle Wendepunkt in der bis dahin noch immer einige Hoffnungsblide zulaffenden Krankheit fein. Mit Riefenichritten janfen von da an die Kräfte, es ſchwand der Förperliche Umfang und die Züge des Gejichtes nahmen einen lei- denden greifenhaften Ausdrud an. Nichtsdeftoweniger bewahrte Bremi Geduld und Ergebung, Heiterkeit und Geiftesfriiche, Willenskraft und Thätigkeit und namentlich feine innige Theilnahme an Allem und für Alle. Trotz der vielfachen Befchwerden keine Klage, fein Mißmuth, vielmehr nur Dank und Erfenntlichfeit für jede Linderung, für jede Dienftleiftung; nach wie vor diefelbe Mittheilfamfeit, dieſelbe Klarheit — a een und Gründlichfeit und fein Verfinfen im Kleinmuth, Unfhlüffigkeit oder müffiges Dahinbrüten. Emfig, joweit e8 irgend die Kräfte geftatten, liest er täglich die ihm intereffanteren Schriften, Schreibt das ihm zunächſt Liegende, ſetzt insbefondere regelmäßig feine meteorologifchen Notizen fort (bis zum 14. Febr.), beftimmt für fih und für Freunde (fo noch big in die erften Tage des Februar eine Sammlung von Inſekten für Dberrichter Suter), correfpondirt mit feinen entfernteren intimeren Freunden Bofjard, Amſtein, Dietrich und Hagnauer und nimmt die Beſuche der Hier lebenden freudig an; wo er noch rathen und helfen, Noth lindern und erheben kann, da fehlt er auch jett nicht; die gefahrvolle Lage des Vaterlandes, die großartige Erhebung des ganzen Volkes zu feinem Schug und feine wunderbare Rettung ergreifen ihn mächtig, aber von Anbeginn an hebt ihn Ver— trauen und Zuverfiht und der Ausgang erfüllt ihn mit findfichem Danke, So ift Bremi auch im Leiden der Gleiche und jemehr er feinem Ende ſich naht, defto reiner, deito mannhafter, und wir dürfen wohl des Ausdruds uns bedienen, defto größer. Denn nod) in der erſten Hälfte des Februar hatte er, wenn fchon hier und da an den Tod denfend, auf eine längere Lebensdauer gerechnet. Am 19. hatte zwar feine Hand eine Unficherheit angenommen, daf er jelbjt über die Entjtellung feiner Schriftzüge erfchraf und am 20. war es ihm wegen eines hohen Grades von Unwohlfein zum erjten Male unmöglich gewejen, ſich mit dem ihm befuchenden Berfaffer zu unterhalten; aber das klare Bewußtſein des nahe bevorftehenden Todes trat erit am 22. an ihn heran, nachdem er zum legten Dale fein für den Winter beftinuntes Arbeitszimmer befucht, mit Mühe die lebte jchriftliche Notiz in fein Tagebuch geichrieben und dann von großer förperliher Schwäche befallen ward. Dieſes Bewußtſein baldiger Trennung von Allem, was ihm hier lieb gewejen, erfüllte ihn allerdings für einige Zeit mit tiefem Schmerze und unausfprechlicher Wehmuth; aber es erjchütterte den gottesfürchtigen, gläubigen und feiten Mann nur für kurze Momente; dann Fehrte die heiterfte Ruhe zurück und feste ihn in den Stand, auf den Moment der baldigen Trennung ich vorzuber reiten. Erſchien ihm doch dieje als Fügung einer höhern Weisheit, als Ausflug unveränderlicher Liebe und Gnade; galt ihm doch der Tod als Eingangspforte zu einem beifern Leben vom Ahnen zum Schauen, vom Forjchen zum Erkennen, vom Scheine zur Wahrheit; ſah er doch durd ihn fein Sehnen nad) Bereinigung mit den vorangegangenen Lieben, nach ewiger Vereinigung mit feinem Gott und Heiland erfüllt, dem er ſchon hier jein Leben geweiht, zu deſſen Preis und Ehre er gearbeitet und geftrebt. Bon diejer Zuverfiht durchdrungen tröftet er heitern Muthes die tief- betrübten Seinen, fpricht zu ihnen unvergeplihe Worte der Ermahnung und Ermunterung, ertheilt ihnen Allen den Segen des Gatten, des Vaters; ruhig und gelaffen beruft er jeine zahlreichen Freunde und Verwandten, höher gehoben und in feinem ganzen Wejen verflärt nimmt er von Allen mit innigem Dank und freundlichem Zuſpruch Abjchied. Und nun gedenft er noch wonnig der vielen Zeugen göttlichen Waltens in der Natur, die er zu jammeln und zu erforjchen, der Liebe und Unterftügung, die er dabei zu finden, der taufend und aber taufend Freuden, die er durch fie zu genießen oder zu bieten fo reichlich Gelegenheit hatte; u: durch das frohe Bewußtfein treuer Verwaltung bejeeligt, fagt er auch ihnen ein freundliches Lebe: - wohl, nicht befümmert durch die Trennung von dem nur anvertrauten Gute, nicht betrübt durch den Gedanken, daß es ihm unmöglich geweſen, feine wiffenfchaftliche Aufgabe zu löſen, freilich aber bedauernd, daß er zur Zeit Keinen wifle, der das begonnene Werk weiter verfolgen und der Voll endung entgegenführen werde, daß er Keinem den Schatz von fpeziellen, nicht aufgezeichneten Reſul— taten feiner Forfcherthätigfeit zu Hinterlaffen vermöge und daß er felbit das Material in einem unvollfommen geordneten Zuftande zu übergeben gezwungen ſei. Die Willensverordnungen über feine Sammlungen, Bücher und Manuferipte bejchäftigen ihn in den legten drei Tagen, nachdem er am Tage vorher, dem lebten, an dem er noch, mit Auf— raffung feiner ganzen Kraft, einige Zeit außer dem Bette verweilte, durch Zurüdiendung aller ihm anvertrauten Bücher feiner Berbindlichkeiten gegen Die Darleiher fich entledigt. Heitern Muths geht er ang Werk, feften Willens und mit der gewohnten Ausdauer, obſchon der förperlichen Schwäche faft erliegend und oft ins Kiffen zurückſinkend, führt er dafjelbe zu Ende; wahrlich ein ſchweres Merk für einen Mann, der in den legten Nächten nur wenig Ruhe und feinen Schlaf mehr gefun- den. Nichtsdeftoweniger theilte er dem herbeigerufenen Freunde täglich mit Aufopferung einer Stunde wohlgeordnet und beitimmt die legten betreffenden Willensiußerungen mit und überträgt ihm die Sorge für deren getreue Ausführung ; feligen Blides danft er nad) der Vollendung auch diefer Aufgabe dem tiefergriffenen Freunde und richtet an ihn die herzliche Bitte, ihn noch einmal im Leben am gleichen Abend zu bejuchen. Es war die legte Bitte an den Freund, es war das legte Sehen von Aug zu Auge. Nach der Entfernung wünfchte der Kranfe von der gewaltigen Aufraffung Erholung durch Ruhe; diefe Ruhe aber jollte der Vorläufer des Todes jein; denn vor der verabredeten Frift war Bremi am 27. Februar 1857 gegen 4 Uhr des Abends entichlafen, nachdem er kurz zuvor vollen Bewußtfeins mit gefalteten Händen noch einmal hienieden lobpreifend dem Herrn feine Seele empfohlen. Heiter und ruhig, wie die Züge des Lebenden, jo waren auch die Züge des Todten. Die Section ergab eine Affeetion der Nieren, insbejondere aber eine außer- ordentliche Ausdehnung der Harnblafe und als Folge derfelben Dislocation der Unterleibseingeweide. Sprechen wir nicht von dem Verlufte, den feine Familie durch den Tod des trefflichen Gatten und Vaters, den feine nächften Verwandten durch den Heimgang des geliebten Bruders und Schwagers ze. erlitten. Haben doch feine Mitbürger in allen Schichten der Bevölkerung feinen Hinz Ihied als gemeinfamen Berluft theils in den anerfennenden Anzeigen aller Zürcheriichen Blätter, theils durch die außerordentliche Theilnahme an feinem Leichenbegängnig aufs Sprechendfte bezeugt. Züri hat in Bremi einen feiner beften Bürger, einen Mann in der ganzen Bedeutung des Wortes, in wiffenfhaftlicher Hinficht eine Zierde verloren. Sein Andenken, immerfort rege erhal- ten duch) das koſtbare Vermächtniß an feine Baterftadt, durch feine unvergleichliche biologiiche Sammlung, wird wahrlich in Ehren bleiben!, 24 NOV 1588 ß 9) E — J ——— ER } 4 r i ap a j * Mn) Lan 2 * — FH i Wan Dart FE Tu J Di Fri > J —— — = K> — — ET N EL en BER — ze — — — — — ——. * we = — — — — — — — — — aeg — — — — EHELEUTE — REIS I“ 4 *9 al) 9 J RR Baal — —— — TE ——— — a ——— — — — — 5 4 J J — Bun — 2 —— “4 4 39— Kr Li Nike Br LE N y, 4 * —0 9 — — — — SEEN — en = EEE — — GE = = = IER = — — a ann ne = ea Mer N KU, —J— 4 te: ir Bro BI ven x Kr are —336 RE sy Kan = 7 : > — SR a ee er * * — TE > — ——— * EIER, Kl Ki 5 J ah — u } N In 9 — Mahal —2 N 1294 SE 9 —53 RER NH Y ?' 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