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Graf Brockdorff-Rantzau

DOKUMENTE

Deutsche Verlagsgesellschaft für Politik und Geschichte m. b. H. in Berlin W8

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„Die Deutschen haben oft den Fehler begangen, sich durch Schicksalsschläge beirren zu lassen. Einzelwesen müssen sich in ihr Schicksal ergeben; Nationen - niemals."

Mmc de Stael: „De l'Allemagne"

Bereits unmittelbar nach meinem Rücktritt wurde mir nahegelegt, meine programmatischen Erklärungen gesammelt herauszugeben. Angesichts der Begründung, daß die Öffentlichkeit, auch außerhalb Deutschlands, ein Recht darauf habe, die Ziele zu kennen, die die auswär- tige Politik des Deutschen Reiches verfolgt hat, solange die Verantwortung für ihre Leitung in meiner Hand lag, habe ich mich jetzt entschlossen, diesem Wunsche nach- zukommen. Zwar war es mir nicht vergönnt, mein Pro- gramm durchzuführen; trotzdem glaube ich, daß es Ge- danken enthält, von deren Verwirklichung die Lösung der Krise abhängt, die im Jahre 1914 über die Welt hereinbrach und die durch den Vertrag von Versailles nicht abgeschlossen ist.

Annettenhöh vor Schleswig, im Februar 1920

BrockdorH-Rantzau

Inhalt

Seite Vorbemerkung . VII

Kopenhagen

9. Dezember 1918: *

Bedingungen für die Annahme des Postens als Staats- sekretär des Auswärtigen Amtes (Vertrauliches Schreiben

an den Volksbeauftragten Scheidemann) 3

Promemoria (Anlage zum Schreiben an den Volks- beauftragten Scheidemann) 7

24. Dezember 1918:

Programmatische Erklärung nach der Ernennung zum Staatssekretär des Auswärtigen Amts 13

Berlin Weimar

2. Januar 1919:

Programmatische Erklärung beim Amtsantritt .... 17

4. Januar 1919:

Zur Frage des Anschlusses Deutsch-Österreichs an Deutschland 19

15. Januar 1919:

Völkerbund und Selbstbestimmungsrecht der Völker (Ansprache an die Vertreter der deutschen Presse) . 22

23. Januar 1919:

Deutschland und Deutsch-Österreich 25

24. Januar 1919:

Rechtsfrieden, Schuldfrage, Völkerbund (Ansprache an

die Vertreter der ausländischen Presse) 27

2. Februar 1919:

Die deutschen Kolonien 32

14. Februar 1919:

Deutschlands auswärtige Politik (Programmrede vor der Verfassunggebenden Deutschen National -Versammlung) 37

17. Februar 1919:

Völkerbund und Weltparlament 64

Inhalt

23. Februar 1919: Seite

Internationale Regelung des Arbeiterrechts 68

24. Februar 1919:

Die Pariser Völkerbundakte 73

28. Februar 1919:

Der Anschluß Deutsch-Österreichs an Deutschland . . 77

5. April 1919:

Zur Schuldfrage 80

6. April 1919:

Die Möglichkeit neuer internationaler Koalitionen . . 81 10. April 1919:

Außenpolitik und Reform des Auswärtigen Dienstes (Rede vor der Verfassunggebenden Deutschen National- versammlung) 83

14. April 1919:

Wilsons 14 Punkte als Grundlage für die Friedens- verhandlungen — Die diplomatische Vertretung Deutschlands nach Friedensschluß 95

15. April 1919:

Ehrliche Verständigung Ziel der Friedensverhandlungen 100

Saargebiet und linkes Rheinufer 102

21. April 1919:

Wirtschaftlicher Ausgleich mit Frankreich Die Ge- fahr politischer Gruppenbildungen für den Völkerbund- gedanken 105

Versailles Weimar

4. Mai 1919:

Zurückweisung feindlicher Preßauslassungen . . . .111

7. Mai 1919:

Rede bei der Überreichung des Vertragsentwurfes durch ,-»~^""\ die Alliierten und Assoziierten Mächte / 113

10. Mai 1919:

Die Überreichung der Friedensbedingungen 119

13. Mai 1919:

Deutschland als freies, gleichberechtigtes Mitglied der Völkergemeinschaft /121

17. Mai 1919:

Die Ostfragen (Gegen die Irreleitung der öffentlichen Meinung Frankreichs) 126

Inhalt XI

21. Mai 1919: Seite

Der Vertragsentwurf ein Wortbruch der Gegner . . . 128

25. Mai 1919:

Verteidigung der Interessen der arbeitenden Klassen . 132

28. Mai 1919:

Ansprache an die nach Deutschland zurückkehrenden Mitglieder der Friedens-Delegation vor der Überreichung der deutschen Gegenvorschläge 136

29. Mai 1919:

Mantelnote zu den deutschen Gegenvorschlägen . . . 137 Die wirtschaftlichen Friedensbedingungen eine neue Einkreisungspolitik 146

30. Mai 1919:

Gegenseitigkeit Voraussetzung eines Friedens der Ge- rechtigkeit . . . " 150

2. Juni 1919:

Mündliche Verhandlungen Vorbedingung einer Ver- ständigung 153

4. Juni 1919:

Europäische Arbeitsgemeinschaft (Ein politisches Friedensprogramm) 156

6. Juni 1919:

Wesentliche Änderungen der feindlichen Bedingungen

Voraussetzung für Unterzeichnung 168

17. Juni 1919:

Gutachten der Deutschen Friedens-Delegation .... 171 20. Juni 1919:

Abschiedsgesuch an den Reichspräsidenten 183

Nachwort 187

Namen- und Sachregister 188

Kopenhagen

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Bedingungen für die Übernahme des Postens als Staatssekretär des Auswärtigen Amts

Vertrauliches Schreiben an den Volksbeauitragten Scheidemann

Kopenhagen, 9. Dezember 1918

An den Volksbeauftragten Herrn Philipp Scheidemann Vertraulich ! Berlin

Sehr geehrter Herr Scheidemann!

Der Appell, den Sie an mich richten, hat mich in eine sehr schwierige Lage versetzt. Ich glaube, nicht betonen zu brauchen, daß es mir weder an Mut, noch an Patriotismus fehlt, und daß ich jeden Posten zu über- nehmen bereit bin, auf dem ich auch nur entfernt hoffen darf, dem Lande zu dienen und Positives leisten zu können. Sie wissen, daß ich den Posten des Staats- sekretärs vor der Ernennung Dr. Solfs abgelehnt habe. Die Verhältnisse haben sich ja allerdings inzwischen wesentlich geändert, und zwar in einer Richtung, die mir die Arbeit bedeutend erleichtern würde; trotzdem trage ich schwere Bedenken, jetzt die Nachfolgeschaft Dr. Solfs anzutreten.

In dem beigefügten kurzen Promemoria habe ich die Bedingungen aufgezeichnet, die ich an meine Zu- stimmung knüpfe. Ich glaube, daß meine vertrauens- vollen Beziehungen zu Ihnen und Herrn Ebert mich zu einer rückhaltlos offenen Aussprache nicht nur be- rechtigen, sondern verpflichten. Und da muß ich auf Grund meiner eigenen Überzeugung, wie angesichts der

9. Dezember 1918

von mir hier auf einem neutralen, zu objektiver Be- obachtung besonders geeigneten Posten gemachten Er- fahrungen unumwunden feststellen, daß unsere inner- politische Lage bisher weder .klar, noch überhaupt in ihren Entwicklungsmöglichkeiten entfernt übersehbar erscheint.

Ich denke nicht daran, ungebetene Ratschläge er- teilen zu wollen; nachdem Sie, sehr verehrter Herr Scheidemann, mir aber im Namen Ihrer Partei und, wie ich zu meiner besonderen Genugtuung höre, auch auf Wunsch der unabhängigen Sozialdemokraten, das Ver- trauen erwiesen haben, mich für den Posten des Staats- sekretärs in Aussicht zu nehmen, fühle ich mich be- rechtigt, in der Aufzeichnung diejenigen Punkte zu berühren, die mir im gegenwärtigen Augenblick als die wichtigsten erscheinen, um das große Ziel, das jedem Patrioten vorschwebt, die Wahrung der Einheit des Reiches, trotz der unendlichen Schwierig- keiten zu erreichen.

Im einzelnen möchte ich hier ergänzend mit dem Anheimstellen, davon nach Ihrem persönlichen Er- messen Gebrauch zu machen, hinzufügen, daß ich be- züglich des dritten Punktes, der Schaffung einer republi- kanischen Armee, ein scharfes Vorgehen gegen die bol- schewistischen Umtriebe und ihre Leiter bis zu den letzten Konsequenzen für unumgänglich erforderlich er- achte. Anders sehe ich nicht die Möglichkeit, das größte Unglück abzuwenden. Es ist sicher die heilige PflichtjedergewissenhaftenRegierung, keinen Tropfen Blutes unnütz zu ver- gießen; die Entwicklung scheint mir

9. Dezember 1918

aber dahin zu treiben, daß, wenn um jedenPreisdieserGrundsatzjetztdurch- geführt wird, schließlich die Regierung selbst und mit ihr das ganze Land in einem Blutbad ersticken wird. Ich würde, wenn ich in die Regierung auf- genommen werde, diesen Standpunkt unbedingt vertreten.

Die Hauptbedingung, die ich an die Übernahme des Postens knüpfen muß, besteht darin, daß mir eine Mitarbeit auch bei der Losung der inne- ren Fragen eingeräumt wird, denn wie ich in der Aufzeichnung hervorhebe, ist heute mehr als je der Erfolg in der auswärtigen Politik des Reiches ab- hängig von der innerpolitischen Entwicklung. Wir haben bisher im Auslande kein Zutrauen dafür ge- funden, daß unsere Lage sich konsolidieren könnte; wir haben, wie ich hier feststellen mußte, damit dem Ver- nichtungswillen unserer Feinde Vorschub geleistet und die Neutralen auf das schwerste beunruhigt.

Was schließlich die Aufgabe, die mir speziell zu- fallen würde, den Frieden abzuschließen, anlangt, so möchte ich auch hier noch einen Punkt berühren, den ich nicht übergehen darf. Ich muß wissen, ob ich unter Umständen, das heißt, wenn die F r i e d e n s b e di n g u n g e n , die uns die F e i n d e dik t i e r e n w e r d e n , so ausfallen, daß sie eine auch nur annähernd men- schenwürdige E x i s t e n z m ö gl i ch k e i t für das Volk ausschließen, ermächtigtwäre, meine Unterschrift zu verweigern; oder

9. Dezember 1918

ob nur beabsichtigt wird, den Vertrag unter Protest zu vollziehen.

Das sind in der Hauptsache, kurz skizziert, die Fragen, die ich vorlegen möchte, ehe ich mich endgültig entscheide. Selbstverständlich bin ich bereit, im ge- gebenen Augenblick zu mündlicher Aussprache nach Berlin zu kommen. Ich „versage" also nicht!

Nur in einem Falle müßte ich entsagen, und das wäre, wenn der Arzt mir erklären würde, daß ich dem Posten physisch nicht gewachsen bin.

Die letzten vier Jahre waren bei der täglichen Nervenanspannung nicht ohne nachträgliche Folgen für meine Gesundheit vorübergegangen. Der würdelose Zusammenbruch und das Scheitern aller Pläne und Hoff- nungen, die ich auf einen günstigen Ausgang des Krieges, der bei vernünftiger politischer und militärischer Füh- rung gesichert war, gesetzt hatte, haben jetzt, im Laufe der letzten beiden Monate, mein Herz so angegriffen, daß ich bereits einen Arzt konsultieren mußte; er ver- langte unbedingt „Schonung und Ruhe"; ich denke nicht daran, mir beides zu gönnen, sondern will mitarbeiten und helfen aufzubauen; ich muß aber die Übernahme des verantwortungsvollen Postens von dem Urteil des Arztes abhängig machen, weil ich unter allen Umstän- den vermeiden will, körperlich zu versagen.

Sollte der Arzt mir verbieten, das Amt jetzt anzu- treten, so möchte ich bitten, trotzdem versichert zu sein, daß ich mit meinen Erfahrungen und meinen Kräften, soweit sie reichen, allezeit zur Verfügung stehe und zuversichtlich hoffe, in jedem Falle, in dem man mich braucht, zu den einschlägigen Beratungen und Arbeiten zugezogen zu werden.

9. Dezember 1918

Inzwischen darf ich wohl bitten, daß die Möglich- keit meiner Kandidatur unbedingt geheimgehalten wird, weil mir eine vorzeitige Erörterung in der Presse, sach- lich wie persönlich, gleich unerwünscht erscheint.

Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Scheidemann, den Ausdruck meiner ausgezeichneten Hochachtung.

gez. Brockdorff-Rantzau

Promemoria

Anlage zum Schreiben an den Volksbeauftragten Scheidemann

An den Rat der Volksbcauftragten, Berlin

Äußere und innere Politik sind praktisch untrenn- bare Begriffe. Ich bin außerstande, auswärtige Politik mit Erfolg zu treiben, ohne daß die innere mich stützt, ohne daß die innere sichere Vorbedingungen schafft. Was meines Erachtens heute in erster Linie nottut, ist eine absolute Stützung der Autorität der jetzigen Regierung. Sie existiert kraft revolutionären Rechtes und wird ge- tragen durch die sittliche Zustimmung aller denken- den, ordnungsliebenden Elemente unter den organi- sierten Sozialisten und gleichzeitig, was niemals unter- schätzt werden darf, durch die modern empfindenden demokratischen, die republikanische Staatsform bejahen- den Bürger.

Die Autorität muß sichtbar für ganz Deutschland und für das Ausland gestützt werden, und zwar so schnell und so gründlich, wie die gefährliche Zusammen- hanglosigkeit der deutschen Verhältnisse es gebieterisch

8 9. Dezember 1918

erheischt. Dafür ist die beschleunigte Ein- berufung der Nationalversammlung die unerläßliche Voraussetzung. Ich möchte verlangen, daß diese noch vor dem 16. Februar 1919 stattfindet. Es gibt technische Probleme, die un- endlich schwieriger sind als die Berufung dieser Kon- stituante binnen kürzester Frist, und die auch gelöst wurden. Die Spannung bis zu ihrem Zusammentritt ist kaum noch zu ertragen. Die ganze innere Unruhe, die bisher fruchtlosen Versuche der Spartacus-Gruppe und ihrer namenlosen Mitläufer, ebenso das gefährliche Miß- trauen des Auslandes werden aus dieser Spannung und dieser Unruhe genährt. Wenn die Regierung den festen Willen zeigt, die Nationalversammlung unverzüglich einzuberufen, damit die Grundlage für verfassungs- mäßige Exekutive und Kontrollinstanzen parlamentari- scher und sonstiger Art geschaffen wird, wird ihre Auto- rität befestigt. Nur so wird es möglich sein, bauende innere und infolgedessen auch äußere Politik zu treiben. Als eine der wichtigsten, sofort in Angriff zu neh- menden Arbeiten betrachte ich ferner die Sa- nierung und Konsolidierung unseres Kredits. Heute vegetiert Deutschland als Ganzes und auch in seinen einzelnen Teilen in zerbrochenen finanziellen und wirtschaftlichen Lebensformen. Es wird unmöglich sein, diese unhaltbaren Zustände zu beheben, wenn nicht einmal mit höchster Entschieden- heit alle Versuche abgewiesen werden, denen in den Arm zu fallen, die bisher den wirtschaftlichen Apparat geleitet haben. Der Unternehmer muß un- bedingt sicher sein, daß er in seiner

9. Dezember 1918

rein technischen Arbeit durch die di- 1 e 1 1 a n t e nh a f t e M i t r e g i e r e r e i nicht ge- he m m t w i r d. Es ist nicht entfernt davon die Rede, den Versuch zu machen, ihm seinen Unternehmer- gewinn oder seine Privatprofite zu sichern, ganz und gar nicht; das sind Dinge, die uns nichts angehen; aber die Volkswirtschaft als solche hat alles Interesse daran, den Mann mit Liebe bei seinem Werk zu erhalten. Nur so wird auch die Wiederherstellung des bürgerlichen Kredits das Wort in dem technischen Sinne Marx' genommen ge- lingen; es wird dann möglich sein, diesen bürgerlichen Kredit durch große Auslandsanleihen zu stützen, zu be- leben, ihm Zutrauen zu sich zu geben: und dieser bür- gerliche Kredit wird in erster Linie auf die amerika- nische Hilfe angewiesen sein.

Einem Volke, das keinen Staatssinn zeigt, das gestern noch die festest gefügte Staatsautorität besaß und heute nicht mehr fähig ist, eine neue moderne Staatsautorität zu errichten, wird der amerikanische oder jeder Auslandskredit versagt bleiben. Ohne die Gewährung von Kredit ist aber nicht abzusehen, wie wir aus dem gegenwärtigen Elend kommen und den Weg zu neuen Lebensformen beschreiten sollen. Ich denke mir, daß die Frage des ausländischen Kredits durch die geeignetsten finanziellen und wirtschaftspolitischen Kräfte des Reiches gründlich und sorgfältig geprüft wer- den muß, und es muß möglich sein, durch neutrale Ka- näle die nötigen Sondierungen vorzunehmen.

Wir wollen Frieden haben, wir müs- sen also auch alles tun, was die Her-

10 9. Dezember 1918

beiführung eines unser Dasein garan- tierenden Friedens ermöglicht. Dazu ge- hört, was sich von selbst ergibt, wenn die früher erwähn- ten Punkte auf ihre Konsequenzen geprüft werden, die Wiederherstellung einer bewaffneten Macht, das heißt die Errichtung einer republikanischen Armee. Daß die großen Mächte in ihrer imperialistischen Wehr dastehen und durch sie beim Friedenskongreß gestützt werden, ist selbstverständlich; daneben aber treten nun eine Reihe kleiner Mächte, die aus dem Zerfall der bisherigen österreichisch-ungarischen Monarchie entstanden sind, und die sämtlich mit eilfertiger Beflissenheit Armeen herstellen, um Deutschland macht- und wirtschaftspoli- tisch noch mehr in die Enge zu treiben und ihm den Nahrungs- und Lebensspielraum weiter einzuengen. Er- scheint Deutschland ohne eine militärische Sicherung seiner politischen Autorität auf dem Friedenskongreß völlig wehrlos, also der Willkür unserer Feinde und deren neuen Bundesgenossen ausgeliefert, so ist es klar, mit welchem Erfolg der Friedensunterhändler deutsche Interessen wird vertreten können. Er wird auf leere platonische Proteste beschränkt sein, und die Gegner werden bei dieser politischen Ohnmacht des Reiches sich im Überschwang ihrer Gefühle durch keine Rück- sicht beengt fühlen. Ich nehme an, daß Wilson, seinem Programm getreu, alles aufbieten wird, um Deutschlands Position unter den Völkern dieser Erde nicht ganz auf Null reduzieren zu lassen. Aber wenn wir ihm nicht helfen, unsere Sache zu vertreten, so wird seinem Bemühen schwerlich Erfolg beschieden sein. Er

9. Dezember 1918 \\

muß sich berufen können auf die deutsche Kraft, aus diesem Zusammenbruch ungeahnter und unerhörter Art schnell und gründlich die Konsequenzen gezogen und die Bahnen zu einer Neuordnung der innerpolitischen Verhältnisse gefunden zu haben.

Zum Schluß möchte ich noch auf die bisherige Stellung der Arbeiter- und Soldaten- räte hinweisen. Rührend an ihren Bemühungen ist der gute Wille, mit dem sie in das Labyrinth der inneren und äußeren Schwierigkeiten der deut- schen Lage sich hineingewagt haben. Es zeigt, wie gründlich der Krieg und der Aufenthalt im Schützen- graben die Massen des Volkes zu politisieren an- gefangen hat, aber gleichzeitig zeigen die Verhand- lungen und die bisherige Tätigkeit dieser Arbeiter- und Soldatenräte, daß ihnen die elementarste Technik poli- tischen Denkens und politischen Handelns fehlt. Sie ahnen nicht, wie verzweigt auch die einfachsten Pro- bleme politischer, wirtschaftlicher und finanztechnischer Art sind. Sie ahnen nicht, was dazu gehört, mit einiger Konsequenz die Exekutive zu kontrollieren, sie sehen nicht, daß selbst der unzulänglichste Parlamentarier früherer Art vor ihnen immer noch ein gewisses, durch die Praxis anerzogenes Gefühl für die politischen Pro- bleme voraus hat. Darum müßte man, mit aller Vorsicht, die Kompetenzen der Arbeiter- und Soldatenräte ein- schränken. Man müßte sie durch Vorträge von Be- rufenen über die großen Linien der politischen Maß- nahmen unterrichten, aber jedem Versuch, mit- und durcheinander zu regieren, mit äußerster Energie ent- gegentreten. Es wird sich kein politisch bauender

12 9. Dezember 1918

Mensch dazu hergeben, auf unklare und auf mangelnder Beherrschung des Stoffes beruhende Vorschriften oder Ratschläge dieser ungezählten Arbeiter- und Soldaten- räte einzugehen.

Das etwa sind die Hauptgesichtspunkte, unter denen für mich eine positive Arbeit in der heutigen Lage des Reiches auf dem Gebiete der auswärtigen Politik möglich wäre.

gez. Brockdorff-Rantzau, Deutscher Gesandter Kopenhagen, den 9. Dezember 1918.

24. Dezember 1918 13

Programmatische Erklärung

nach der Ernennung zum Staatssekretär

des Auswärtigen Amts

Kopenhagen, 24. Dezember 1918

Ich mache mir keine Illusionen über die ungeheu- ren Schwierigkeiten, die mich in meinem neuen Amte erwarten. Was mir aber Kraft und Zuversicht gibt, ist mein unerschütterlicher Glaube an das deutsche Volk und seine Zukunft. Die erste und vornehmste Aufgabe, die meiner harrt, ist die Her- beiführung eines Rechtsfriedens. Die Fundamente sind gelegt, sie finden sich in den 14 Punkten, in denen der Präsident Wilson seine Friedensbedingungen im Januar dieses Jahres zusammengefaßt hat, sowie in den darauf folgenden Erklärungen des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Sie sind durch das Waffenstillstandsangebot vom 5. Oktober dieses Jahres von Deutschland und durch die Note der Vereinigten Staaten vom 5. November auch von den Alliierten Regierungen mit den bekannten zwei Einschränkungen (verschiedene Auslegungen des Be- griffes der Freiheit der Meere und der Entschädigungs- frage) angenommen worden. Wenn es gelingt, einen Rechtsfrieden zu schließen, aber auch nur in diesem Falle, ist die Basis für einen Völkerbund gegeben, dessen Errichtung ich aus innerster Überzeugung anstrebe, und ich weiß, daß die Mehrheit des deutschen Volkes, das jetzt sein Schicksal selbst in die Hand genommen hat,

hinter mir steht.

Erklärungen gegenüber einem Mitarbeiter der Zeitung „Politiken"

Berlin Weimar

2. Januar 1919 17

Programmatische Erklärung beim Amtsantritt

Berlin, 2. Januar 1919

M c in B e s t r e b e n wird sein Wahrheit und Offenheit dem eigenen Volke wie dem Auslande gegenüber. Das deutsche Volk soll im Unglück seine innere Größe und Würde bewahren, Selbsterniedri- gung wie Überhebung vermeiden; zu meinem Teile hierzu beizutragen, bin ich entschlossen. Den Frieden will ich verhandeln und schließen als einen Frieden des Rechts. Einen Frieden der Gewalt, der Vernichtung und Verskla- vung lehne ich ab. Manche unserer Geg- ner verdächtigen die Revolution als den Versuch Deutschlands, sich den aus der Annahme des Wilsonschen Programms folgenden Verpflichtungen zu entzie- henrDieseBehauptungistebensounwahr wie der Glaube, das Deutschland der Revolution werde sich demütig den For- derungen der reinen Gewalt beugen. Solange ich an dieser Stelle stehe, wird dafür gesorgt werden, daß Deutschland seine Zusagen gewissenhaft einlöst, aber nicht um die Breite eines Haares über das hinausgeht, was es als Recht anerkannt hat. Ein Grundrecht der Völ- ker ist das Recht der Selbstbestimmung.

2

18 2. Januar 1919

Unsere Gegner haben es nicht nur an- erkannt, sondern zum Kampfruf ge- macht; Deutschland erkennt es gleich- falls an, fordert es aber auch für sich. Wenn der Grundsatz gelten soll: „Der Balkan den Balkanvölkern", so wird es auch heißen müssen: „Deutschland den Deutsche n".

„Wolffs Telegraphisches Bureau"

4. Januar 1919 19

Zur Frage des Anschlusses Deutsch-Österreichs an Deutschland

Berlin, 4. Januar 1919

Die letzten Vorgänge in der französischen Deputier- tenkammer zwingen dazu, mit größtem Nachdruck die Frage aufzuwerfen, ob aus den Keimen dieser letzten Jahre wirklich eine neue und bessere Welt erstehen soll. Herr Pichon erklärt unverhohlen, Frankreich werde die Angliederung Deutsch-Österreichs an Deutschland nicht dulden. Davon, wie die kulturellen Werte der einzelnen Nationen am besten dem Gesamtwohl der Menschheit dienstbar gemacht werden können und nach solchen Werten sehnt sich die ganze Welt , hörte man in Pichons Rede kein Wort. Aber daß es Frankreich darauf ankommt, Deutschland gewaltsam an dem Wiederauf- bau seiner inneren Einheit und seines Wirtschaftslebens zu hindern, das kam mit aller Klarheit zum Ausdruck. Man erfuhr auch, daß die französische Regierung zur Erreichung dieses Zieles über das Deutschland von heute hinauszugreifen bereit ist und das höchste Grundrecht des deutsch-österreichischen Volkes, das Recht auf Selbstbestimmung über die eigene Staatsform und Staatszugehörigkeit, rücksichtslos vergessen und preis- geben will.

Die neue Zeit spricht von dem Recht der freien Völker, in der französischen Deputiertenkammer aber hieß es, Frankreich werde den Anschluß Deutsch-Öster- reichs an Deutschland verhindern, selbst wenn die öster- reichischen Deutschen ihn forderten. Der Sieg, meinte

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20 4. Januar 1919

Herr Pichon, gebe Rechte gegen die Besiegten! Die ideal gesinnten Kräfte gerade, die heute auf das Selbst- bestimmungsrecht der Völker für die Zukunft der Län- der deutscher Sprache rechnen, glauben, daß der Satz von der Macht, die auch das Recht bedeute, keine Heimat haben darf in der neuen Welt, an deren Ausbau sie mitarbeiten möchten, und die sie als eine Gesellschaft Gleichberechtigter verstehen. Damit verträgt es sich aber nicht, daß die slawischen Nationen das Recht der Selbstbestimmung ohne jede Einschränkung erhalten, während es den Deutsch-Österreichern verwehrt werden soll. Ganz aus dem Geist aufrechten Mutes erscheint mir daher die Note Deutsch-Österreichs an die Entente geboren zu sein, in der angesichts einer Politik der par- teiischen Gewaltsamkeit das Recht der Selbstbestim- mung unzweideutig für die Deutsch-Österreicher in An- spruch genommen wird. Dies Recht der Selbstbestim- mung hat natürlich nicht nur die Wahl der eigenen Staatsform, sondern auch die ungehemmte Ent- schließungsfreiheit über die Vereinigung mit Deutsch- land zu umfassen. Wenn heute jeder Deutsche im Reiche in dieser Forderung Seite an Seite mit den Deut- schen Österreichs steht, so stachelt ihn nicht der Ge- danke an Macht. Auch keine Allianzen sind hierbei für ihn maßgebend, die Regierungen schlössen, deren Taten nicht von der Mitverantwortung des Volkes getragen waren. Ihn treibt vielmehr das Bewußtsein reichen ge- meinsamen geistigen Gutes, das in langer historischer Entwicklung erworben wurde. Wenn es der Entente wirklich um einen dauernden Rechts- und Versöhnungs- frieden und um Sicherung der Freiheit und der Selbst-

4. Januar 1919 21

bestimmung der Völker zu tun ist, wird sie sich einem solchen brüderlichen Zusammenschluß auf der Grund- lage einer legal gewählten Volksvertretung nicht wider- setzen können. Wir wissen wenig davon, wie die wahre Geistesverfassung der Völker ist, mit denen wir uns bis- her im Felde gegenüberlagen. Wir kennen die Reden ihrer politischen Führer und das, was in ihrer Publi- zistik unter den obwaltenden Verhältnissen gesagt wer- den kann. Wir müssen aber hoffen, daß sich überall in der Welt die Erkenntnis durchsetzt, daß der Weg des historischen Rechts eindeutig ist, und daß er nichts we- niger erträgt als die Vergewaltigung fremden nationalen Geistes.

Die volle moralische und politische Unterstützung des deutschen Volkes und der deutschen Regierung ist darum den Deutsch-Österreichern bei ihren Bestrebun- gen sicher. Die Grundlage wird die Nationalversamm- lung bilden müssen. Wie sehr die deutsche Regierung schon jetzt dem Wunsche der deutsch-österreichischen Bevölkerung entgegenzukommen bereit ist, ergibt sich aus der geplanten Verordnung über die Wahlen zu der Deutschen Nationalversammlung, die den im Deutschen Reiche lebenden Deutsch-Österreichern das Wahlrecht zur Deutschen Nationalversammlung gibt.

„Deutsche Allgemeine Zeitung"

22 15. Januar 1919

Völkerbund und Selbstbestimmungsrecht der Völker

Ansprache an die Vertreter der deutschen Presse

Berlin, 15. Januar 1919

Meine Herren! Der Umstand, daß die Deutsche Waffenstillstandskommission morgen in Trier mit Ver- tretern der Entente über eine Verlängerung des Waffen- stillstandes zu verhandeln beginnt, hat mir den Anlaß gegeben, Sie hierher zu bitten. Es liegt mir daran, durch Ihre Vermittlung dem deutschen Volke zu sagen, daß, wie schwere Anforderungen auch die nächste Zeit an uns stellen wird, ein Grund zum Verzweifeln nur dann vorhanden ist, wenn wir uns selbst nicht die nötige Kraft zutrauen, als einiges Volk zu den endgültigen Friedensverhandlungen zu gehen. Als unsere Waffen- stillstandskommission in dem Walde von Compiegne zu dem Abschluß des ersten Waffenstillstandsvertrages kam, da schien ihr in den Wilsonschen 14 Punkten und vor allem in der Idee des Völkerbundes die Grundlage für die Neugestaltung der Welt bestehen zu sollen.

Der Gedanke des Völkerbundes wurde von uns mit all dem Idealismus aufgenommen, der das Erwachen des deutschen Volkes zu einer neuen Staatsform kennzeich- net. Mit all diesem Idealismus stehen wir auch heute hinter ihm. Wir sind durch die Sachlage dazu ge- zwungen, Bedingungen, die uns der Gegner in den mili- tärischen Waffenstillstandsverhandlungen aufzwingt, als die Geschlagenen mit Protest hinzunehmen oder sie ab-

15. Januar 1919 23

zulehnen. Niemand kann uns jedoch durch Zwang und Gewalt dazu bringen, von der Überzeugung zu lassen, daß die sittlichen Kräfte in allen Ländern nach einem Neuaufbau der Ordnung zwischen den Staaten dürsten, und daß wir in dem Verlangen nach der Schaffung einer einigen großen Völkerfamilie uns der Zustimmung der edelsten Geister in der ganzen Welt sicher fühlen. Daß in einer solchen Welt, deren Zusammenleben sich auf ganz anderen Grundsätzen aufbauen wird, als sie bisher in der Sprache, den Methoden und den Gedanken- gängen der Politik üblich waren, kein Platz ist für eine Vergewaltigung des Selbstbestimmungsrechtes der Völ- ker, bedarf keiner Erwähnung. Ebenso ist es selbstver- ständlich, daß dieses Prinzip in dem gleichen Maße jedem Volke zugute kommen muß. Jedes gegenteilige Vor- gehen hieße neuen Haß zwischen die Völker säen, und zudem würde es nur diejenigen Kräfte stärken, die vor- geben, es bedürfe einer gewalttätigen sozialen Welt- revolution und der terroristischen Diktatur des Proleta- riats, um endlich menschenwürdige Zustände in der Welt herbeizuführen.

Meine Herren! Uns liegt an dem end- gültigen Sieg der Demokratie in der Welt. Dieser Sieg kann nicht herbeigeführt wer- den durch die kleinlichen Mittel, durch Intrigen und Vorzimmergeheimnisse, wie sie das alte System anzuwenden beliebte. Ebensowenig dürfte er ge- fördert werden dadurch, daß wir versuchen, wie ein- zelne Preßorgane, die die alten Zeiten immer noch nicht verschwunden glauben, es vorschlagen, Verwirrung in die Reihen unserer Gegner zu bringen. Wenn wir diese

24 15. Januar 1919

Gegner erst uneinig machen müßten, um sie zu der Ein- sicht zu bringen, daß schließlich doch nur das Gute in der Welt von Bestand ist, dann könnten wir ja von vorn- herein bei ihnen nicht das voraussetzen, was das drin- gendste Erfordernis für die Zugehörigkeit zum Völker- bund bedeutet: die sittliche Überzeugung. Diese zu wecken, ist unsere Aufgabe, und hierzu, meine Herren, bedarf ich Ihrer Unterstützung. Wir brauchen hierzu einen Resonanzboden im deutschen Volk, das sich frei- gemacht hat von einem überlebten System und nunmehr der ganzen Welt die Freiheit wünscht, die es sich inner- halb seiner Grenzen zu schaffen im Begriff ist. Auf zer- trümmerten Geigen konnte auch ein Sarasate nicht spielen. So muß denn das deutsche Volk wieder zu einer inneren Einheit werden, wenn die Worte seiner Führer in der ganzen Welt Klang haben sollen. Wir wollen eine neue Politik für das deutsche Volk. Wir wollen eine Politik der Versöhnung mit dem Ausland, eine Politik, die den echten, von edlem Atem durch- drungenen Bund der Nationen bringt. Aber man wird uns fragen: Wen führt ihr in diesen Völkerbund? Dann müssen wir sagen können: Wir bringen ein einiges Volk, das den Frieden in der Welt will und das gesonnen ist, für jeden Fortschritt der Menschheit aufrecht und bewußt in die Schranken zu treten.

23. Januar 1919 25

Deutschland und Deutsch-Österreich

Berlin, 23. Januar 1919

Die Wahlen zur Nationalversammlung, die im großen und ganzen ohne Störung verlaufen sind, haben den energischen Willen des deutschen Volkes gezeigt, sich seine Zukunft nach neuen Grundsätzen aufzubauen. Eine der wichtigsten Fragen hierbei wird die Schaffung eines einzigen Reiches aller Deutschen sein, das heißt die Vereinigung Deutschlands mit Deutsch-Österreich.

Ich habe mich vor einigen Tagen darüber bereits öffentlich geäußert und zweifle nicht daran, daß die Nationalversammlung, an deren Wahl ja auch die in Deutschland befindlichen Deutsch-Österreicher teilge- nommen haben, es als eine ihrer ersten Aufgaben be- trachten wird, den Einigungsgedanken kräftig zu be- tonen, wie dies in fast allen Wahlprogrammen der ver- schiedenen Parteien deutlich vorgesehen ist. Die Wider- stände, die sich der Vereinigung von außen und innen vorläufig noch entgegenstellen, sind mir wohl bekannt. Von unseren Gegnern hat sich bisher allein Frankreich unbedingt dagegen ausgesprochen. Im Hinblick auf diese französische Politik habe ich in der erwähnten Unterredung bereits ausgeführt, daß das Recht der Selbstbestimmung, das z. B. den slawischen Nationen und Rumänien ohne jede Einschränkung gegeben werden soll oder schon gegeben ist, den Deutsch-Österreichern unmöglich verweigert werden kann. Wir haben die 14 Artikel des Präsidenten Wilson zur Grundlage des Friedensschlusses gemacht und werden unerschütterlich

26 23. Januar 1919

an ihnen festhalten. Anderseits machen sich innere Widerstände einzelner wirtschaftlicher Interessenten und gewisser noch zögernder politischer Kreise in Deutsch-Österreich gegen den Anschluß bemerkbar. Hier bin ich nun Optimist und hoffe, daß die großen nationalen und politischen Beweggründe, die für den Anschluß sprechen, über diese Tagespolitik der die Ver- einigung bisher bekämpfenden verhältnismäßig kleinen Kreise hinweg den Anschluß doch verwirklichen werden.

Alle Deutschen, sowohl in Deutschland wie in Deutsch-Österreich, sollten sich in diesen entscheidungs- schweren Tagen darüber klar sein, daß hier ihre Zukunft auf dem Spiele steht, und über den unvermeidlichen so- zial- und parteipolitischen Kämpfen des Tages das große, historische Ziel ihrer Wiedervereinigung nicht aus dem Auge verlieren dürfen.

Nur so wird dem gesamten schwergeprüften deut- schen Volke eine hellere Zukunft zuteil werden.

Ich bin dankbar, daß mir Gelegenheit geboten wird, mich an die deutsch-österreichische Öffentlichkeit zu wenden, und zweifle nicht, daß der große Gedanke der Einigung aller Deutschen auch in Deutsch-Österreich immer tiefere Wurzel schlagen wird.

Erklärungen gegenüber dem Berliner Vertreter der Wiener „Neuen Freien Presse", Dr. Paul Goldmann

24. Januar 1919 27

Rechtsfrieden, Schuldfrage, Völkerbund

Ansprache an die Vertreter der ausländischen Presse

Berlin, 24. Januar 1919

Meine Herren! Ich habe Sie hierher bitten lassen, weil mir daran liegt, die persönliche Fühlung mit Ihnen so bald wie möglich zu gewinnen, und da mir bei der Lage der Dinge keine Möglichkeit gegeben ist, Sie in absehbarer Zeit einzeln zu empfangen. Wenn ich auch die Herren der Presse derjenigen Länder, mit denen wir noch nicht wieder in normalen Beziehungen stehen, er- sucht habe, sich hier einzufinden, so bitte ich, dieses nicht mißzuverstehen. Ich weiß wohl, daß der Waffen- stillstand theoretisch eine Form des Kriegszustandes ist. General Foch hat denn auch bei den Waffenstillstands- verhandlungen erneut darauf hingewiesen, daß die Völ- ker hüben und drüben sich noch als Feinde gegenüber- stehen. Ich bin kein General. Wer wie ich eine aufrich- tige Verständigung anstrebt, dem kann es nicht dienen, bei jeder Gelegenheit formalistisch die Gegensätze zu unterstreichen. Wir müssen versuchen, menschlich auf die Dinge zu sehen und uns über die Grundlagen zu ver- ständigen, auf denen später ein friedlicher Verkehr er- wachsen soll.

Meine Herren! Meine erste Aufgabe an dieser Stelle wird es sein, daran mitzuwirken, daß die Neuord- nung der Welt, die auf den größten aller Kriege folgen wird, sich auf einem Frieden des Rechts auf- baut. Das ist der wahre Begriff des „Sieges der Gerech- tigkeit". Die Gerechtigkeit ist ein zu erhabener und

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tiefer Gedanke, als daß wir uns damit begnügen dürften, ihn allein auf die Vergangenheit zu beziehen. Nur der hat das Recht, als weiser Richter über die Fehler der Vergangenheit zu urteilen, der in sich Berufung, Kraft und Überzeugung fühlt, um der Zukunft eine Unterlage zu geben, die von Irrungen und Ungerechtigkeiten frei ist.

Meine Herren! Ich will offen zu Ihnen sprechen. Ich habe nur widerwillig die letzten Reden der franzö- sischen Staatsmänner bei der Eröffnung der Friedens- vorbesprechungen zur Kenntnis genommen. Es ist mir kaum möglich zu fassen, wie die Herren Clemenceau und Poincare von dem Siege der Gerechtigkeit sprechen können, nachdem Clemenceau noch vor einigen Tagen bekannt hat, er sei ein Anhänger des alten Systems in der Politik, dieses alten Systems der Allianzen und jenes fragwürdigen europäischen Gleichgewichts, das mehr als irgendeine Einzelperson die Schuld für das in den letz- ten vier Jahren vergossene Blut trägt.

Gegen eine solche Sinnesart mit einer Sintflut von Papier zu arbeiten, das hat wahrlich keinen Zweck; aber wir sind gerade im Interesse der Gerechtigkeit dazu verpflichtet, stets wieder auf die wahren Verhält- nisse in Deutschland hinzuweisen, damit uns die Ge- schichte nicht vorwerfen kann, wir hätten nicht genug für einen rechtlichen Abschluß der Feindseligkeiten ge- tan und hätten versäumt, gegenüber Forderungen, die sich als rücksichtslose Gewalt darstellen, auf den wahren Stand der Dinge mit Nachdruck hinzuweisen. Es scheint jedoch fast, als ob die Reden der französi- schen Staatsmänner mit besonderem Eifer versuchten,

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die Aufmerksamkeit der Welt von dieser zentralen Frage des Augenblicks abzulenken. Sie beschäftigen sich mit der Schuld am Kriege, von der sie wissen, daß sie tatsächlich alle gerechtdenkenden Menschen inter- essieren muß. Sie sehen aber in diesem Problem nur die Frage nach zehn oder zwanzig Personen, die etwa persönlich an dem Unglück, das wir erlebt haben, be- sonders schuldig sein sollen. Sie müssen diese Frage so sehen, denn sie sind ja, wie Herr Clemenceau sagte, Anhänger des alten Systems.

Nun, meine Herren, wir in Deutschland sind auch an der Aufdeckung der Schuld am Kriege aufs höchste interessiert. Es ist seitens der neuen deutschen Reichs- regierung bereits der Vorschlag gemacht worden, eine neutrale Kommission einzusetzen, die diese Frage auf der breitest möglichen Grundlage untersuchen soll: es wurde vorgeschlagen, daß ihr alle Akten und geheimen Archive der Welt für ihre Untersuchungen geöffnet werden sollen. Wir glauben, daß nur so ein wirklich objektives Bild der Vorgänge gewonnen werden kann, die im Jahre 1914 zum Ausbruch der Feindseligkeiten geführt haben. Es kommt darauf an, den Geist festzu- stellen, aus dem heraus Entschlüsse möglich waren, die den Tod von Millionen zur Folge hatten.

Auf die Änderung dieses Geistes haben die Staats- männer von heute und morgen ihr Augenmerk zu lenken. Solange derRevanchegedanke lebt, wird es Kriege geben. Solange nationale Gütervergewaltigtwerden,müssenVöl- ker im Drange nach Freiheit zu den Waffen greifen. Solange eslrredenten

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gibt, werden die Staatsmänner nur zö- gernd und ohne Offenheit miteinander sprechen können. Darum ist die Frage nach der Schuld am Kriege sicher einer der zentralen Punkte, an denen sich die Frage nach dem neuen System in der Po- litik und nach der Neuordnung zwischen den Völkern entscheiden wird. Aber es darf gerade deshalb, wenn man dieser Frage nachgeht, keine Einseitigkeit geben, und der Mut der Offenheit darf nicht nur von der einen Seite verlangt werden.

Meine Herren! Nur wer ein schlechtes Gewissen hat, kann sich dem Wunsche entziehen, das Seinige zu tun, damit die Frage der Schuld am Kriege eine so allsei- tige Beleuchtung wie möglich erhält. Ich meine mit dem schlechten Gewissen nicht etwa die Angst davor, daß Missetaten, die irgendwer irgendwo und irgendwann begangen hat, ans Tageslicht kommen. Das schlechte Gewissen ist bei allen denen zur Stelle, die nicht recht wissen, wie sie sich zu diesen und jenen Lebens- äußerungen des Systems vergangener Zeit zu stellen haben. Herr Poincare hat in seiner letzten Rede wieder die ganze wohlbekannte Greuelhetze gegen das deutsche Volk losgelassen. Es liegt ihm nicht daran, die öffent- liche Meinung endlich einmal zu entgiften. Moralische Siege werden nicht durch Beschimpfungen gewonnen. Moralische Siege gewinnt nur, wer sich selbst über- windet. Der moralische Sieg in der Po- litik müßte der gerechte Völkerbund sein, wo jedes Volk bereit ist, seine individuellen Wünsche in Friede und versöhnlicher Sinnesart mit den anderen zu besprechen. In diesen Völker-

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bund kann Deutschland nicht als ein Paria eintreten, und ebensowenig kann es seinerseits diesem Völkerbund Vertrauen entgegen- bringen, wenn man es bei seinem Eintritt mit Verleum- dungen und übler Nachrede empfängt. Auch hier liegt eine Erkenntnis, die ich den fran- zösischen Staatsmännern wünschen muß, falls sie in der kommenden Gesellschaft der Völker versuchen wollen, mit Autorität aufzutreten wenn anders ihnen überhaupt an dieser Liga der Nationen gelegen ist.

Meine Herren! Das deutsche Volk hat durch die Revolution seinen bisherigen Platz in der Welt mit einem neuen vertauscht. Es ist aus dem Zuschauerraum des Theaters, in dem das Stück von der Freiheit gespielt wird, aus eigenem Entschluß auf die Szene gestiegen und handelt nun selbst. Seine Aufgabe ist klar und ein- deutig die, nach dem Zusammenbruch ans Aufbauen zu gehen. Dieser Aufbau wird aber nur dann ein wirklich fruchtbarer sein und über die nächste Zeit hinaus Früchte tragen können, wenn das deutsche Volk gleich- berechtigt Seite an Seite mit den anderen Völkern gehen kann, jene Solidarität der Demokratie zu schaffen, die allein Glück, Friede und Wohlfahrt in der Welt zu sichern vermag.

„Wolffs Telegraphisches Bureau"

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Die deutschen Kolonien

Berlin, 2. Februar 1919

In diesen Tagen wird in Paris das Los über die deutschen Kolonien geworfen. Unsere Feinde sind be- schäftigt, die deutschen Schutzgebiete, deren sie sich unter Bruch internationaler Verträge, unter Preisgabe wesentlicher Interessen der weißen Rasse bemächtigt haben, untereinander zu verteilen. Ein allerdings un- beglaubigtes Reutertelegramm meldet sogar, daß Präsi- dent Wilson die Australische Regierung aufgefordert habe, ihm Rechtsgründe für die Besetzung der deut- schen Kolonien in der Südsee darzulegen.

Deutschland kann nicht zugestehen, daß über sein Eigentum ohne seine Zustimmung verfügt wird. Rechts- gründe für den Raub, der an ihm begangen wird, erkennt es nicht an. Es verlangt, bei der Neuordnung der Herr- schaft der weißen Rasse über die tropischen Gebiete und bei der Verteilung ihrer Erzeugnisse zugelassen zu werden.

Der fünfte der 14 Punkte Wilsons bezeichnet als Aufgabe des Weltfriedens eine freie, weitherzige und unparteiische Schlichtung aller kolonialen An- sprüche, bei der die Interessen der eingeborenen Be- völkerung ein gleiches Gewicht haben müssen wie die berechtigten Forderungen der Regierung, deren Rechts- anspruch auf koloniale Souveränität festgestellt werden soll. Während der Pariser Beratungen hat der Präsi- dent sodann, wenn wir zutreffend unterrichtet sind, den Grundsatz vertreten, daß die Kolonien unter eine inter-

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nationale Kontrolle gestellt werden sollen. Deutschland hat vor der Annahme der Waffenstillstandsbedingungen die 14 Punkte Wilsons anerkannt, und auch die Entente hat diese Punkte, insbesondere den fünften, ohne jede Einschränkung angenommen. Deutsch- land geht davon aus, daß der Grundsatz der internationalen Kontrolle auf die Kolonien aller Mächte des europäischen Kulturkreises Anwendung findet.

Zwar hat England versucht, durch ein verleum- derisches Blaubuch die deutsche Kolonialherrschaft als unerträglich darzustellen; dieser Versuch muß schon an den Zeugnissen scheitern, die die ersten Geister Eng- lands über die kolonisatorischen Sünden ihres eigenen Volkes abgelegt haben. Wir Deutschen sind fern davon leugnen zu wollen, daß in dem knappen Menschenalter, seitdem Deutschland Kolonialpolitik betreibt, Mißgriffe vorgekommen sind; wir behaupten nur, daß sie nicht entfernt an die Verheerungen heranreichen, die andere kolonisierende Nationen in den Anfängen ihrer Tätig- keit veranlaßt haben. Wir können uns auf eine große Anzahl von Zeugnissen fremder Besucher berufen, die bis kurz vor dem Ausbruch des Weltkrieges die deutsche Verwaltung in den Schutzgebieten gerühmt und als Muster hingestellt haben.

Das deutsche Volkhat seine Befähi- gung zu kolonisatorischer Arbeit in Asien und Afrika erbracht. Jedenfalls hat es, wie jedes andere Volk, Anspruch auf Teil- nahme an den Erträgnissen der tropischen Zonen und an der Bewirtschaftung der Gebiete, auf denen sie ge-

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wonnen werden. Es würde also auch für den Fall, daß sämtliche Tropenkolonien unter internationale Kontrolle gestellt werden sollten, eine angemessene ter- ritoriale Beteiligung an der Verwaltung des gesamten tropischen Kolonialge- bietes verlangen.

Wenn Frankreich, England und Belgien nach den Zeitungsberichten über den Gang der Pariser Verhand- lungen den Plan verfolgen, die deutschen Kolonien unter sich zu verteilen, so entfernen sie sich damit von den Grundsätzen, auf denen ein Völkerbund im Sinne der Wilsonschen Botschaften errichtet werden kann.

Ganz abgesehen von dem Bruch der Kongoakte würde die Übereignung der deutschen Kolonien an die Eroberer eine Legitimierung der Gewalt bedeuten, gegen die die Entente angeblich den Krieg geführt hat. Es liegt nicht im Interesse der Völkergemein- schaft, daß England bei jedem europäischen Kriege, an dem es teilnimmt, eine reiche Ernte an Kolonialbesitz einheimst, wie ihm das seit zweihundert Jahren regelmäßig gelungen ist. Es liegt nicht im Inter- esse der Völkergemeinschaft, daß Frankreich seinen Kolonialbesitz, dem es schon jetzt wirtschaftlich und bevölkerungspolitisch nicht gewachsen ist, immer weiter ausdehnt, um ihn seinen Finanzleuten durch künstliche Absperrung der übrigen Nationen aus- schließlich vorzubehalten. Wenn Frankreich Ka- merun und Togo erwirbt, so daß die französische und belgische Regierung gemeinsam fast ganz Mittelafrika beherrschen, so wird es sowohl um die Betätigung an- derer Völker in diesem reichen Gebiete tropischer Pro-

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duktion, wie um die Eingeborenen des Gebiets schlecht bestellt sein.

Die natürliche Entwicklung Mittel- afrikas drängt zur Internationalisie- rung. Es ist anzunehmen, daß die einzige große Ko- lonie der afrikanischen Rasse, der sogenannte schwarze Gürtel Nordamerikas, künftig in immer engere Bezie- hungen zu dem Mutterlande treten wird. Dem aufmerk- samen Beobachter konnte es nicht entgehen, in welch starkem Maße die Beziehungen des nördlichen Amerikas zu dem westlichen Afrika sich während des Krieges ver- dichtet haben. Amerikanischer Handel und amerika- nische Schiffahrt haben den Platz besetzt, der infolge der kriegerischen Inanspruchnahme europäischer Nationen offen blieb. Es ist nicht einzusehen, weshalb Afrika unter europäische Mächte territorial aufgeteilt werden soll, die keinen anderen Erwerbstitel als eine völker- rechtswidrige Eroberung für sich geltend machen kön- nen, während andere Nationen an der Erschließung der verteilten Gebiete mindestens das gleiche Interesse haben wie sie.

Ein besonders gehässiger Charakter würde der Tei- lung des Raubes unter Deutschlands Gegner dadurch aufgedrückt werden, daß diese während des Krieges mit unverantwortlicher Schroffheit gegen die deutschen Missionen vorgegangen sind, die sich anerkanntermaßen seit dem Anfang der Kolonisierung Afrikas die größten Verdienste um die Hebung der Eingeborenen erworben haben.

Nicht das ist das Ziel der deutschen Kolonialpolitik, daß alle Kolonien tropischen Charakters unmittelbar

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unter eine internationale Regierungsgewalt gestellt werden; vielmehr erscheint auch uns eine angemessene Zuteilung der Kolonialgebiete an einzelne Nationen zur Verwaltung unter eigener Verantwortung als die bessere Lösung. ÜberderVerwaltungdereinzelnen Staaten muß aber eine K o nt r ollin st anz des Völkerbundes stehen, die dem starken Ausbeutungsinteresse des Mutterlandes das Mensch- heitsinteresse einer wohlwollenden Behandlung der ein- geborenen Bevölkerung gegenüberstellt.

Erklärung gegenüber dem Berliner Vertreter der „Chicago Daily News"

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Deutschlands auswärtige Politik

Programmrede vor der Verfassunggebenden Deutschen National- Versammlung

Weimar, 14. Februar 1919

Meine Damen und Herren! Die neue Regierung hat mich als Minister des Auswärtigen in meinem Amte bestätigt. Das gibt mir Recht und Pflicht, Ihnen Rechen- schaft abzulegen über die Grundlinien, nach denen ich die auswärtige Politik des Reiches im Rahmen der all- gemeinen Regierungspolitik zu führen gedenke. Die bisherige Regierung, der ich meine Dienste zur Ver- fügung gestellt hatte, wurde von unseren Gegnern nicht in vollem Umfange als verhandlungsfähig anerkannt, weil ihr die Bestätigung des Volkswillens fehlte. Dieser Mangel ist jetzt behoben. Der Volkswille hat sich nach dem demokratischen Prinzip der Mehrheit erklärt, und dadurch ist auch für meine Geschäftsführung die feste Grundlage geschaffen, die zu ihrer Wirksamkeit unum- gänglich nötig war.

Auch jetzt entbehrt allerdings die deutsche Außen- politik jeder Bewegungsfreiheit. Die Erbschaft, die das zusammengebrochene alte System der neuen Regierung hinterlassen hat, ist eine Konkurs- masse, und doch weiß ich, daß ich vor der Geschichte regreßpflichtig gemacht werde, auch wenn ich diese Masse nicht nach freier Entschließung, sondern nach dem Willen der Gläubiger liquidieren muß. Ich stelle diese Tatsache fest!

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Aber es ist heute nicht die Zeit, zurückzuschauen und mit allen den Fehlern zu rechten, die vor dem Zu- sammenbruch begangen wurden. Ich wende mich daher zu dem, was mir in der nächsten und der ferneren Zu- kunft zu tun obliegt.

Ich kann die Aufgaben der deutschen Außenpolitik in zwei Gruppen zusammenfassen: die Beseitigung des Kriegszustandes und die Herstellung normaler Beziehun- gen zu der Völkergemeinschaft.

Die Beseitigung des Kriegszustandes ist ein dringendes Bedürfnis der ganzen Welt. An Deutschland hat es nicht gelegen, daß er noch besteht. Als sich die frühere deutsche Regierung mit der Entente und den Vereinigten Staaten auf die Wilsonschen Frie- densgrundsätze einigte und auf dieser Basis die harten Waffenstillstandsbedingungen annahm, konnte niemand glauben, daß der Friede noch so lange auf sich warten lassen würde. Leider hat Deutschlands freiwillige Ent- waffnung die Feinde nicht milder gestimmt, sondern ihnen nur die Möglichkeit gegeben, durch wiederholtes Drohen mit Erneuerung der Feindseligkeiten weitere Zu- geständnisse von uns zu erlangen. Neuerdings haben sie den Versuch gemacht, auf diesem Wege Fragen zu regeln, die unzweifelhaft zu den Gegenständen des Frie- densschlusses gehören und die sie unter dem Druck der Waffen einseitig zu unserem Nachteile zu lösen ge- dachten, während sie nach den vereinbarten Friedens- grundsätzen auf dem Boden der Gerechtigkeit und Gegenseitigkeit zu lösen waren. Ich habe diesen Versuch zurückgewiesen und werde auch zukünftig solche Versuche zurück-

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weisen. Verlassen wir in diesen Fragen den Boden der Gerechtigkeit und Gegenseitigkeit, so können wir uns nicht wundern, wenn wir auch beim Friedensschluß als Parias behandelt werden. Man kann uns Ge- walt antun, man kann uns aber nicht zwingen, Gewalt als rechtsverbindlich anzuerkennen.

Wir haben einen baldigen Frieden erwartet, weil die Waffenstillstandsbedingungen nur Sinn hatten, wenn sie auf kurze Dauer angelegt waren. Wir sind im Be- griff, die ganze bisherige Streitmacht aufzulösen und unser altes Friedensheer, das wir jetzt im Osten gut brauchen könnten, durch eine neue republikanische Truppe zu ersetzen. Trotzdem werden die Bedingungen des Waffenstillstands von Monat zu Monat verschärft. Wenn die Gegner glauben, uns strafen zu müssen, so dienen sie der Rache statt der Gerechtigkeit und töten den Geist, in dem nach ihren eigenen Erklärungen der Friede geschlossen werden sollte. Um die vorgeblich immer noch gefürchtete deutsche Streitmacht unfähig zur Wiederaufnahme des Kampfes zu machen, behalten die Gegner einseitig die deutschen Kriegsgefangenen zurück, halten sie die Hungerblockade gegen Deutsch- land aufrecht. Jetzt ist Deutschland längst kein Gegner mehr, den die Entente militärisch zu fürchten hätte. Die Demobilisierung ist vollzogen. Wir haben mehr getan als demobilisiert. Die Demobilisierung, zu der uns der Waffenstillstand verpflichtet, bedeutet die Zurückfüh- rung des Feldheeres auf den Friedensstand. Deutsch- land hat die Folgen seiner Niederlage auf sich genommen und ist entschlossen, die Bedingungen zu halten, die es

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mit den Gegnern vereinbart hat; diese Bedingungen be- deuten eine völlige Abkehr von den politischen Zielen des früheren Deutschland und eine Anerkennung der Wahrheit, die einer der Großen von Weimar in die Worte gekleidet hat: Die Weltgeschichte ist das Welt- gericht. Aber unsere Feinde lehnenwir als Richter wegen Befangenheit ab. Ihre Zahl macht ihre Zuständigkeit nicht größer. Nicht dem Spruch des Siegers, nur dem Urteil des Unparteiischen können wir uns innerlich beugen.

Deshalb werde ich mich von den Punkten des Wilsonschen Friedensprogramms, wie es von beiden Seiten anerkannt ist, nicht abdrängen lassen. Dazu gehört in erster Linie die bindende Unterwerfung unse- rer Differenzen mit anderen Staaten unter eine inter- nationale Schiedsgerichtsbarkeit und der Verzicht auf eine Rüstung, die es erlau- ben würde, einen Nachbar mit Machtmitteln zu überfal- len. Zu beiden Beschränkungen unserer Souveränität sind wir bereit, wenn unsere bisherigen Geg- ner und unsere künftigen Nachbarn sich den gleichen Beschränkungen unter- werfen.

Wir erkennen an, daß die Stellung, die Deutschland bei den Haager Friedenskonferenzen in diesen beiden grundlegenden Fragen eingenommen hat, eine histo- rische Schuld in sich schloß, für die unser ganzes Volk jetzt büßen muß. Sie war nicht nur durch eine über- triebene Scheu vor den Schwierigkeiten der Lösung, sondern auch durch eine falsche Einschätzung des poli- tischen Wertes von Macht und Recht veranlaßt.

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Dieses Bekenntnis schließt aber keineswegs das Geständnis ein, daß das deutsche Volk im Sinne feind- licher Behauptungen allein den Weltkrieg verschuldet und daß es ihn mit einer Barbarei geführt habe, die ihm ausschließlich eigen sei. Wir haben uns über jahrelange Kriegspläne unserer Gegner und über schwere Grausamkeiten ihrer Kriegführung zu beklagen und sind bereit, über die Schuld am Kriege und Schuld im Kriege unparteiische Männer urteilen zu lassen, die das Vertrauen aller Kriegführenden genießen. Deshalb halten wir an den Wilsonschen Grundsätzen fest, daß dem Sieger keine Kriegskosten zu bezahlen ( und keine Gebiete der Besiegten abzutreten sind. Ver- pflichtet und bereit sind wir, die Schäden wieder gutzu- machen, die in den von uns besetzten Gebieten der Zivilbevölkerung durch unseren Angriff entstanden sind. Wenn wir aber in diesen Gebieten das Zerstörte wieder aufbauen, so wollen wir dies durch unsere freie Arbeit tun. Wir verwahren uns dagegen, daß man unsere Kriegsgefangenen solche Arbeit als Sklaven verrichten läßt und etwa den Kriegszustand deshalb verlängert, um einen völkerrechtlichen Vorwand für diese Fronarbeit zu haben. Unsere Gegner verdanken den Sieg zu über- wiegend großem Teil nicht ihrer militärischen, sondern ihrer wirtschaftlichen Kriegführung. Daraus folgt, daß der Friede, den wir schließen wollen, nicht nur ein poli- tischer, sondern wesentlich auch ein wirtschaftlicher Friede sein muß. Mit Recht hat Präsident Wilson den Grundsatz wirtschaftlicher Freiheit und Gleichberech- tigung als eine Hauptbedingung für einen gerechten und dauerhaften Frieden bezeichnet, für den er seine hohe

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Autorität eingesetzt hat. Wir dürfen daher annehmen, daß die Beschlüsse der Pariser Wirtschaftskonferenz von 1916 fallen gelassen werden. Sie laufen darauf hinaus, die Deutschen auch nach dem Frieden unter ein Ausnahmerecht zu stellen, das gleichzeitig für ihre Ehre entwürdigend und für ihre wirtschaftliche Betätigung in der Welt lähmend und vernichtend sein würde. Es ist klar, daß auch eine nur zeitweise Differenzierung Deutschlands auf dem Gebiete des Handels und Ver- kehrs für uns unannehmbar wäre. Man darf ein Volk wie das deutsche nicht als Volk zweiterKlassebehandeln, man darf ihm nicht vor Eintritt in den Völkerbund eine Quarantänezeit auf- erlegen, so wie man ein Schiff wegen Pestgefahr vor dem Hafen zurückhält. Wenn wir uns auf gerechte Friedens- bedingungen einlassen und für ihre Erfüllung die Sicher- heit stellen, die ein verständiger Vertragsgegner fordern kann, so liegt kein Grund vor, uns die Meistbegünstigung zu versagen.

Allerdings müssen auch wir auf dem Gebiet der Handelspolitik umlernen. Wir haben uns nicht immer von der Wahrheit leiten lassen, daß auch in den Beziehungen der Völker der Satz gilt: Wenn du nehmen willst, so gib. Das hängt gewiß zum Teil mit der ein- seitig bureaukratischen Besetzung unseres auswärtigen Dienstes zusammen. Mit bureaukratischen Mitteln lassen sich die wirtschaftlichen Beziehungen der Völker, die durch den Krieg tief zerrüttet sind, nicht wieder- herstellen. Es kommt nicht darauf an, daß der eine dem anderen mit den Mitteln der alten diplomatischen Technik wirtschaftliche Vorteile abgewinnt; auf solche

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Weise macht man aus Wirtschaftsverträgen, die die Völker fester miteinander verknüpfen sollten, Gegen- stände des Streits und Gründe der Entfremdung. D i e wirtschaftlichen Unterhändler müssen sich von dem Geiste des ehrlichen Kauf- manns leiten lassen, der das Geschäft für das beste hält, an dem beide Teile ver- dienen. Deshalb ist es mein Plan, erfahrene Prak- tiker mehr als bisher in den auswärtigen Dienst einzu- stellen. Den Anfang habe ich bereits gemacht. Ich ver- traue darauf, daß unser wirtschaftlicher Auslandsdienst künftig die Handelsfreiheit, die uns ein Rechtsfrieden bringen muß, in einer Weise ausnutzen wird, die gleich weit von unsolider Schleuderwirtschaft wie von eng- herziger Krämerpolitik entfernt ist. Auf diesem Wege werden wir am ersten die Abneigung anderer Völker gegen Deutschlands geschäftliche Methoden aus dem Wege räumen, die wesentlich dazu beigetragen haben, die Atmosphäre des Krieges vorzubereiten.

Handel und Schiffahrt gehören untrennbar zusam- men. Die Freiheit des Handels aber setzt Freiheit der Meere voraus. Deshalb ist für Deutschland der Punkt des Wilsonschen Programms, der von der Freiheit der Meere spricht, einer der wichtigsten. Dabei kommt es uns weniger auf die Regeln des Seekriegsrechts an. Wir wollen jetzt nicht von neuen Kriegen reden, als vielmehr von friedlicher Benutzung der Straßen der See und ihrer Küsten und Häfen. Über diesen Hauptpunkt des künf- tigen Friedensrechts herrscht aber noch keine Klarheit. Die Entente hat sich im vorigen Herbst ihre Zustimmung dazu vorbehalten, und die Bedingungen, die sie Deutsch-

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land im Zusammenhang mit dem Versprechen dei Liefe- rung von Lebensmitteln und mit Verlängerung des Waffenstillstands gestellt hat, lassen befürchten, daß sie Deutschland, seiner gesamten Handelsflotte berauben will. Was bedeutet aber für uns die Freiheit der See, wenn wir keine Schiffe haben, um sie zu befahren? Wie können wir unsere Einfuhr und Ausfuhr mit unseren Wirtschaftsbedürf- nissen in Einklang bringen, wenn wir darauf angewiesen sind, die fremde Tonnage zu benutzen, die uns die an- deren Völker vielleicht widerwillig und zu Wucher- preisen ablassen? Wollte man Deutschland zwingen, ohne Handelsflotte in den Völkerbund einzutreten, so bedeutete das eine gewaltsame Umkehrung seiner Wirt- schaftsentwicklung. Eine solche Umgestaltung kann sich nicht ohne krampfhafte Zuckungen vollziehen, die eine stete Bedrohung des allgemeinen Frie- dens bedeuten würden.

Ohne Kolonien kann Deutschland ebensowenig in den Völkerbund eintreten wie ohne Handelsflotte. Nach Wilsons Programm sollen Kolonialfragen eine freie, weitherzige, unbedingt unparteiische Schlichtung finden. Im Sinne dieses Programms erwarten wir Rück- gewähr unseres Kolonialbesitzes, der uns zum Teil unter Bruch internationaler Verträge, zum Teil unter faden- scheinigen Vorwänden genommen worden ist. Wir sind bereit, über Abtretung dieser oder jener Kolonie zu verhandeln, aber wir wollen das als rechtmäßige Eigen- tümer tun.

Die künftige Kolonialpolitik soll, wie Präsident Wilson verlangt, die menschenwürdige Behandlung der

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Eingeborenen unter allen Umständen gewährleisten. In dieser Richtung sind wir müssen es bekennen auch von uns Fehler begangen. Die Tätigkeit der Missionen, an der Deutschland einen großen, jetzt leider durch den Krieg schwer beeinträchtigten Anteil hatte, muß schon im Interesse der Eingeborenen gesichert werden. Im Zusammenhang hiermit stimmen wir dem Gedanken einer internationalen Kontrolle über Tropenkolonien unter der Voraussetzung zu, daß sich alle Kolonial- mächte ihr unterwerfen und daß Deutschland an der Verwaltung und den Erzeugnissen der Kolonien einen angemessenen Anteil erhält, freilich wird die Beteili- gung an kolonialer Tätigkeit für uns nur Bedeutung haben, wenn den tüchtigen Firmen, die als eigentliche Träger der praktischen Kolonialpolitik Deutschlands zu betrachten sind, Ersatz für die Schäden geleistet wird, die ihnen durch die Feinde zugefügt worden sind.

Wenn wir uns also gegen die Beschlagnahme unse- rer Kolonien mit allem Nachdruck verwahren, so müssen wir auf der anderen Seite darauf gefaßt sein, von dem eigentlichen Reichsgebiet wertvolle Teile zu verlieren. Das gilt vor allem von Elsaß-Lothringen, un- seren Reichslanden, deren Wiedergewinn die Frucht un- serer Siege und das Symbol der deutschen Einheit war. Sie wissen, daß Präsident Wilson die Forderung aufge- stellt hat: Das Unrecht, das Deutschland 1871 durch An- nexion Elsaß-Lothringens begangen hätte, sollte wieder gutgemacht werden. In der Tat, vom Standpunkt der neuen internationalen Moral, die Wilson vertritt, nach der die Bevölkerungen im Spiel der Mächte nicht wie Schachfiguren hin- und hergeschoben werden dürfen, war

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es ein Unrecht, über Elsässer und Lothringer ohne ihren Willen, ja ohne Beachtung der Sprachgrenzen, zu ver- fügen. Ich will hier nicht auf früheres Unrecht hin- weisen, das zuerst dem deutschen Volke zugefügt wurde. IchakzeptiereWilsonsStandpunkt,weil es auf das Recht der gegenwärtigen Be- völkerung Elsaß-Lothringens ankommt. Diesem Recht wird Gewalt angetan, wenn jetzt die fran- zösische Okkupationsmacht das Land wie ein endgültig erobertes behandelt, wenn sie alle Elemente vertreibt oder gefangensetzt, in denen sie ein Hindernis gegen ihre imperialistischen Pläne sieht und wenn sie den natür- lichen Anspruch eines Volkes auf seine Sprache durch gewaltsame Verwelschung antastet.

Noch hat die Friedenskonferenz nicht ihr Siegel unter Elsaß-Lothringens Schicksal gedrückt, noch ist Elsaß-Lothringen von Rechts wegen Reichsland. Daraus leiten wir die Befugnis her, für das Recht der Elsaß- Lothringer einzutreten, daß ihre Stimme bei der Ent- scheidung über ihr Schicksal gehört wird. Mögen sie französische Departements werden wollen oder deut- scher Freistaat, mögen sie Autonomie vorziehen oder volle Selbständigkeit, Deutschland wird nicht eher glauben, daß das neue Europa auf G er e c h t igk e i t g e g r ün d e t i s t , ehe nicht die feierliche Zustimmung des ganzen e ls -1 o t hr ingis c he n Volkes den Frie- densartikel bekräftigt hat, der die Zu- kunft des Landes feststellt.

Geht schon die Behandlung der Reichslande über das vereinbarte Friedensprogramm hinaus, so bedeutet

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der französische Plan, das preußische Saar- gebiet oder die bayerische Pfalz an Elsaß- Lothringen anzugliedern, eine imperialistische Vergewal- tigung, die genau so scharf verurteilt werden muß, wie die früheren Pläne deutscher Chauvinisten, das Becken von Longwy und Briey für das Reich zu annektieren. Die historische Begründung, die man auf französischer Seite für den Raub des Saargebiets ins Feld führt, ist zu hin- fällig, als daß es sich lohnte, sie zu widerlegen. In Wahr- heit kommt es den Franzosen dabei nur auf die Kohlen- schätze des Saarbeckens an wie den deutschen Imperia- listen damals auf die Bodenschätze des Brieybeckens. Sollten solche Gründe bei den Friedensverhandlungen durchschlagen, so lasse man jede Hoffnung auf Verede- lung der internationalen Beziehungen fahren. Die Schätze dieser Erde werden dann immer wieder nach dem Gesetz des Stärkeren von Hand zu Hand gehen und eine Beute der Gewalt werden.

Wer objektiv ist, muß zugeben, daß Frankreich an jeder Schwächung Deutschlands politisches Interesse hat, solange diese beiden großen Nationen sich gegen- seitig als Erbfeinde betrachten und deshalb bis an die Zähne bewaffnet gegenüberstehen, jeder in der Furcht, von dem anderen überfallen zu werden. Aber eine solche Gesinnung zwischen uns und unseren Nachbarn kann die Welt auf die Dauer nicht zulassen. Es wird Aufgabe der Friedenskonferenz sein, Garantien zu schaffen, die einen solchen Zustand als sinnlos erschei- nen lassen. Nur versuche man nicht die Ga- rantien darin zu finden, daß man Teile des Reichsgebietslosreißt, die zu seinen

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wesentlichsten und lebenswichtigsten Gliedern gehören. Sie wissen, welche Gedanken von Frankreich und Belgien her mit verdächtigem Eifer in rheinischen und westfälischen Landen verbreitet werden: Errichtung einer selbständigen Republik, die bald unter französische Führung geraten würde, nach- dem die französischen und belgischen Grenzen in deut- sches Land vorgeschoben worden wären. Mit großem Geschick machen sich diese Pläne zentrifugale Kräfte zunutze, die durch übermäßige Zentralisierung des ganzen Wirtschaftslebens in den Kriegsorganisationen der Reichshauptstadt und neuerdings durch gewisse Berliner Begleiterscheinungen der Umwälzung in unse- rem Westen ausgelöst wurden. So werden auch treue Deutsche und redliche Anhänger des Reichsgedankens Opfer einer gefährlichen Verführung, vor der ich im Interesse jeder gesunden deutschen Außenpolitik nur aufs nachdrücklichste warnen kann.

Dieselbe Warnung darf ich auch an gewisse Kreise im Süden unseres Vaterlandes richten, bei denen der Ruf „Los von Berlin" ein bis zu einem gewissen Grade zwar verständliches, aber darum nicht weniger be- klagenswertes Echo findet. Mag die Wiederher- stellung der Mainlinie für den Augenblick vielleicht Vorteile versprechen, die schon während des Krieges eine unterirdische Propaganda unserer Feinde der Bevölkerung glaubhaft zu machen versuchte, auf die Dauer das lehren die Jahrhunderte deutscher Ge- schichte — wird eine solche Trennung mit Sicherheit zum Untergang staatlicher und wirtschaftlicher Selb- ständigkeit der getrennten Glieder führen. Das

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deutsche Volk ist über alle staatlichen Grenzen, auch über die Grenzen des alten Reiches hinaus, eine lebendige Einheit, und das einige Reich ist seine natürliche Lebensform.

Es liegt mir fern, hier die Weltgeschichte rückwärts revidieren zu wollen und pangermanistische Ziele zu predigen. Blutsverwandte Völker, die in vielen Jahr- hunderten eigener Geschichte sich das Recht erworben haben, als selbständige Nationalität zu gelten, rechnen wir nicht zu den Volksgenossen. Wir denken weder daran, aus Schweizern noch aus Niederländern Deutsche machen zu wollen; von den skandinavi- schen Völkern annektieren wir nur die Sagen ihrer Vorzeit und die Dichter ihrer Gegenwart; aber mit unseren österreichischen Brüdern hatten wir bis zum Zusammenbruche des Römischen Reiches deutscher Nation die gleiche Geschichte. Wir saßen mit ihnen in der Paulskirche zusammen, und die kriegerische Auseinandersetzung, die statt der groß- deutschen die kleindeutsche Idee verwirklichte, ist für die Besten unter uns immer ein Bruderkrieg gewesen. Wenn wir uns jetzt wieder zusammenfinden, nachdem ihnen alle nichtdeutschen Stämme der habsburgischen Monarchie die Freundschaft gekündigt haben, so wissen wir, daß wir nur eine späte Korrektur an einem Fehler der Reichsgründung vornehmen, der die Friedenskonfe- renz ihre Sanktion ganz gewiß nicht versagen wird.

Schon jetzt darf die Deutsche Nationalversammlung und darf ich als Leiter deutscher auswärtiger Politik Verwahrung einlegen gegen die Unbill, die Deutscli-

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Österreich von ehemaligen Reichsgenossen angetan wird. Der neue tschecho-slowakische Staat ver- letzt das Gesetz, dem er die Selbstentstehung verdankt, indem er nicht nur die Deutschen Böhmens und Mäh- rens mit Waffengewalt unter seine Botmäßigkeit zu zwingen sucht, sondern auch naqh Südosten hin von Deutschen bewohntes Gebiet beansprucht. Das öster- reichische Schlesien und Gebiete Niederösterreichs, da- zu deutsche Siedlungen in den österreichisch-unga- rischen Grenzgebieten, will der neue Staat unter seine Herrschaft beugen, um seinen wirtschaftlichen Ausdeh- nungsdrang zu befriedigen. Selbst auf deutsches Reichs- gebiet droht er überzugreifen. Gegen solche Übergriffe muß scharfer Protest eingelegt werden. Über die wirt- schaftlichen Bedürfnisse des tschecho-slowakischen Staates, die aus der Abgeschlossenheit vom Meere her- zuleiten sind, wird ruhig verhandelt werden können. Das neue Deutschland hat am Gedeihen des aufstrebenden Nachbarn ein glei- ches vitales Interesse wie dieser an Deutschlands wirtschaftlicher Gesund- heit. Nichts würde für das Zusammenleben der beiden Staaten schädlicher sein, als wenn ein Volkskörper dem anderen jetzt Wunden schlüge, die nicht vernarben können, sondern immer wieder zur Vergeltung reizen müßten.

Sind wir hiernach entschlossen, ringsumher zu- gunsten deutscher Brüder das Recht der Nationalität geltend zu machen, so wollen wir das Recht auch da anerkennen, wo es sich gegen unsere jetzige Machtstel- lung wendet. Das gilt vor allem für das Volk der

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Polen. Wir haben uns bereit erklärt, alle unzweifel- haft polnisch besiedelten Gebiete unseres Reiches mit dem polnischen Staat verbinden zu lassen. Wir wollen das Versprechen halten. Welche Gebiete unter den 13. Punkt von Wilsons Programm fallen, ist strittig. Eine unparteiische Instanz mag darüber entscheiden; bis sie entschieden, gehören diese Gebiete zum Reich. Niemand ist befugt, in ihnen Hoheitsrechte auszuüben, als der preußische Staat und die Reichsregierung. Die leidenschaftliche national-polnische Propaganda hat die Entscheidung der Friedenskonferenz nicht abwarten wollen, sondern sich mit Gewalt gegen deutsche und preußische Behörden erhoben. Verlockt durch die leichten Erfolge, die ihnen der militärische Zusammen- bruch Deutschlands ermöglichte, haben die Preußen polnischen Stammes auf unzweifelhaft deutsch besiedel- tes Gebiet übergegriffen, um mit möglichst günstigem Besitzstand in die Friedensverhandlungen einzutreten. So tragen sie die Schrecknisse des Krieges von neuem in den deutschen Osten, der gleichzeitig von der größe- ren Gefahr des bolschewistischen Imperialismus bedroht ist. So verhindern sie uns, die preußischen Ost- provinzen wirksam vor dem gemeinsamen Gegner zu schützen.

Man sollte denken, diese Tatsachen müßten aus- reichen, um jedem Politiker klar zu machen, daß es die erste Aufgabe ist, die preußischen Polen zur Ordnung zu rufen, damit sie bis zur Friedenskonferenz von der angemaßten Gewalt Abstand nehmen. Sie können sich nicht mehr auf Notwehr berufen, denn die neue deutsche Regierung hat die drückenden Sondergesetze

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aufgehoben und war bereit, Polen auch in der Beamten- auswahl entgegenzukommen. Trotzdem stellen die Polen uns als Angreifer dar man wird wirklich an die alte Lafontainesche Fabel erinnert , und die En- tente unternimmt es, uns Anwendung von Gewalt gegen die Polen in unserem eigenen Lande zu untersagen. Die Reichsregierung hat diese Zumutung abgelehnt und die Entfernung aller bewaffneten polnischen Formationen aus dem jetzigen Reichsgebiet gefordert. Für jede andere Form der Einwirkung, mit der die alliierten und assoziierten Mächte Ruhe in polnischen Gebieten her- stellen wollen, wird die deutsche Regierung volles Ver- ständnis haben. Wir sind durch das Waffenstillstands- abkommen verpflichtet, Abordnungen unserer Gegner zu diesem Zweck Durchzug von der Ostsee nach Kon- greßpolen zu gestatten, und werden die Reise der Kom- mission, die sie uns angekündigt haben, in jeder Weise erleichtern und unterstützen.

Unser eigener Vorteil verlangt, daß die Haßatmo- sphäre, die augenblicklich die deutsch-polnischen Be- ziehungen vergiftet, noch vor Beginn der Friedensver- handlungen reinerer Luft des gegenseitigen Verständ- nisses weicht. Leider können wir nicht vor- aussehen, daß wir im polnischen Staat einen bequemen Nachbar haben werden. Es muß und wird unser Bestreben sein, durch sorgfältige Pflege der gemeinsamen Interessen und durch gegen- seitige Schonung der so verschiedenen nationalen Eigen- art einen modus vivendi zu finden. Dazu gehört vor allem die Anerkennung der polnischen Rechte auf ge- sicherten Verkehr mit der Ostsee. Das Problem kann

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durch vertragsmäßige Regelung der Weichselschiffahrt und durch Konzessionen auf dem Gebiet der Eisen- bahnen und des Hafenwesens gelöst werden, ohne daß die Reichshoheit über unveräußerliches westpreußisches Gebiet angetastet zu werden braucht. Wenn Polen ver- langt, daß diese Rechte, wie überhaupt seine staatliche Selbständigkeit, unter internationale Garantien gestellt werden, so wird Deutschland nichts dagegen einzu- wenden haben, solange darin keine Spitze gegen einen bestimmten Nachbarn enthalten ist.

Was den deutschen Polen recht ist, ist den deut- schen Dänen billig. Die deutsche Regierung faßt es als Pflicht auf, das Selbstbestimmungsrecht den Dänen zu gewähren, das sie für die Deutschen verlangt. Nach der Entwicklung, die die Dinge genommen haben, hoffe ich, daß an unserer Nordgrenze ein Vorbild geschaffen wird, wie in freier Verständigung, in redlichem Aus- gleich langjähriger Völkerzwist zu aufrichtiger, dauern- der Völkerversöhnung geführt wird. Das deutsche Volk ist in dem Wunsch einig, mit dem dänischen in guten, durch keinen heimlichen Groll gestörten Beziehungen «zu leben. Das dänische Volk wird gewiß in seiner Mehr- heit dafür eintreten, daß Deutschlands Niederlage nicht mißbraucht wird, um deutsches Land dänisch zu machen. Wer aufrichtig ein gutes Verhältnis beider Nachbarländer zueinander wünscht, kann die Gefahren nicht verkennen, die die Schaffung einer Ir- re d e n t a unvermeidlich nach sich zöge.

Die Probleme der Gebiets- und Wirtschaftspolitik, die ich bisher gestreift habe, sind in der einen oder anderen Form von jeher der Gegenstand der Friedens-

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Verhandlungen gewesen, mit denen die Kriegsperioden der Weltgeschichte ihren Abschluß gefunden haben. Die Verhandlungen, die uns erwarten, werden aber einen Gegenstand enthalten, durch den sie sich von allen früheren charakteristisch unterscheiden. Er spielt keine Rolle in dem Wilsonschen Programm, aber in allen Völkern, die an dem Kriege beteiligt waren und welches Volk der Welt wäre nicht an ihm beteiligt? , verlangen Millionen Herzen, daß diesem Gegenstand die ernsteste Aufmerksamkeit gewidmet wird, und mühen sich die besten Köpfe, an der Lösung mitzuarbeiten. Ich spreche von der internationalen Regelung der sozialen Frage,

Meine Damen und Herren! Wie nach den Stürmen des Reformationszeitalters Friedensschlüsse undenkbar waren ohne Bestimmungen über religiöse Freiheit, wie nach den Erschütterungen der französischen Revolution die Frage der politischen Freiheit die Friedenskongresse bewegte, so muß nach dem Weltkriege der Volksmassen die Frage der sozialen Be- freiung der Arbeiterschaft internatio- nal entschieden werden. Man kann diese Forderung schon auf dem Prinzip der wirtschaftlichen Gleichberechtigung begründen, denn dieses Prinzip will jedem Gliede der Völkergemeinschaft auf den Welt- märkten gleiche Möglichkeiten eröffnen. Es würde zum Nachteil sozial gewissenhafterer und fortgeschrittener Nationen ausschlagen, wenn es den Ausbeutern mensch- licher Arbeitskraft freistünde, den ungerechten Vorteil ihrer niedrigen Produktionskosten zur Ausschaltung ihrer Mitbewerber auszunutzen. Schon deshalb ist es

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ein gemeinsames Interesse der Arbeiterschaft aller Länder, daß der Arbeitsausbeutung in jeder Form durch eine internationale Annäherung der sozialen Gesetz- gebung ein Ende gemacht wird. Aber das Ziel, das hier verfolgt wird, ist nicht nur materiell, es ist edlerer Na- tur, ihm liegt der Gedanke zugrunde, die allen Menschen gemeinsame Aufgabe, das Leben innerlich reicher und vollkommener zu gestalten und nicht inmitten gestei- gerter Zivilisation zu Maschinenteilen des Produktions- prozesses herabzusinken. Dieser Gedanke hat sich mit so elementarer Kraft Bahn gebrochen, daß Kreise, die ihm jetzt noch widerstreben und ihn durch andere Ideale ersetzen möchten, seien es Ideale des Händlers oder des Helden, sich schließlich vor der Wucht sozialer Kräfte werden beugen müssen. Ich denke dabei nicht an gewaltsame Entscheidungen, im Gegenteil sehe ich z. B. in der Gewaltpolitik der russi- schen B o 1 s c h e wi s t e n einen Hauptgrund dafür, daß die sozialen Gedanken, die in ihrer Bewegung enthalten sind, zum Elend statt zum Aufstieg geführt wer- den. Es handelt sich um friedliche Verständigung über den Weg, den die soziale Entwicklung nehmen soll. Gerade Deutschland läuft hier nicht die Gefahr einer zerrüttenden Umgestaltung seiner Verhältnisse. Seit Jahrzehnten hat das Deutsche Reich auf jenem Wege, den alle gehen müssen, bedeutsame Fortschritte gemacht. Der Gedanke sozialer Befreiung ist nirgends mehr zu Hause als in Deutschland. Das legt uns die vornehme Pflicht auf, Frieden nicht zu schließen ohne den Versuch, unser soziales Programm international zu

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sichern. Es war eine Verleugnung unseres sozialen Geistes, daß die Friedensver- träge, die Deutschland mit den Ost- mächten abschloß, reinkapitalistischen Charakter trugen. Solche Verträge sind heute für jeden Sieger eine Gefahr. Die deutsche Regierung ist entschlossen, sich bei den Vorschlägen für Friedens- bestimmungen über Arbeiterrecht, Arbeiterschutz und Arbeiterversicherung wesentlich auf den Boden der Be- schlüsse der bekannten Konferenzen in Leeds und Bern zu stellen. Die Fülle dieser Bestimmungen, die gewiß für manchen der beitretenden Staaten umwäl- zende Neuerungen bedeuten werden, bedürfen zur Ver- wirklichung fortlaufender internationaler Kontrolle. Der Regierungsentwurf regelt daher die Arbeitsaufsicht unter Zuziehung der Berufsorganisationen und will inter- nationale Instanzen zur Überwachung und Fortführung der sozialen Gesetzgebung einrichten. Geplant ist eine alle fünf Jahre in Bern zusammentretende soziale Kon- ferenz; eine ständige Kommission soll die laufenden Ge- schäfte führen und mit dem internationalen Arbeitsamt in Basel dauernd Fühlung halten.

Meine Damen und Herren! Dieses große Programm einer internationalen Sozialpolitik kann nicht durchge- führt werden ohne ein dauerndes, vertrauensvolles Zu- sammenarbeiten aller zivilisierten Nationen.

Vom kommenden Frieden erwarten wir, daß er der Welt in dem von Wilson verkündeten Völkerbund eine feste Organisation schafft, die allein eine solche Zusam- menarbeit ermöglicht. Der Gedanke der Liga der Nationen, der kürzlich noch als Traumbild

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ideologischer Schwärmer erschien, steigt jetzt aus dem Nebelland der Utopien in das klare Licht der Wirklichkeit, in dem praktische Staatsmänner arbeiten. Schon hat man in Paris dem kommenden Völkerbund große Mengen brennender Streitfragen überwiesen, die man im Meinungsaustausch der Interessen nicht erledigen konnte.

Deutschland ist entschlossen, an der Ausgestaltung des Bundes rückhaltlos mitzuarbeiten, obwohl die an- deren uns nur mit tiefem Mißtrauen zulassen werden, und der Bund in erster Linie gegründet wird, um Deutschland an der Fortsetzung einer Jcriegerischen Politik, die uns doch völlig fernliegt, zu hindern. Dieses Mißtrauen müssen wir durch Beweise aufrichtiger Friedensliebe überwinden.

Ein solcher Beweis wird zunächst in unserer ent- schlossenen Abkehr von jeder Rüstungspolitik liegen. Die Abkehr wird uns Deutschen nicht schwer fallen, denn kein Volk hat stärker als wir empfunden, wie sich der Rüstungswahnsinn schließlich ad absurdum führt. Schon aus wirtschaftlichen und finanziellen Gründen ist Deutschland darauf angewiesen, eine Rüstung auf das Maß zu beschränken, das mit der Aufrechterhaltung der Ordnung im Innern und der Sicherung der Grenzen nach außen irgend vereinbar ist. Sollten uns, was ich nicht annehmen will, militärische Vorbereitungen unserer Nachbarn künftig zwingen, über jenes Maß hinauszu- gehen, so werden gerade wir das als schwere Last emp- finden, denn unsere ganze Kraft an Menschen und Mit- teln gehört dem inneren Wiederaufbau unseres Vater-

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landes. Es wäre ein Irrtum zu glauben, daß bei der Konzentrierung der Kräfte auf die friedliche Arbeit im Innern die äußere Politik zu kurz käme. Denn eine Außenpolitik, die sich auf überlegene Waffenmacht stützt, ist zwar eine bequeme, aber meist eine schlechte und unfruchtbare Politik. Von mir jedenfalls werden Sie nur eine solche Führung der R e i c h s g e s c h ä f t e erwarten dürfen, die nicht alle Augenblicke ans Schwert schlägt, um ihre Absichten durchzu- setzen, sondern den Gegner davon über- zeugt, daß es sein eigenes Interesse i s t , a u f u n sere Absich t e n e i n z u g e h e n.

Die äußere Abrüstung allein genügt aber nicht, es muß die geistige Abrüstung mit ihr Hand in Hand gehen, und die Nation, die ihrer Jugend die edleren Ziele zeigt, wird sicherlich nicht am schlechtesten dabei fahren.

Alle Differenzen rechtlichen Charakters, die zwi- schen uns und einem anderen Volk auftauchen, müssen wir in versöhnlichem Geiste behandeln, und wenn sie diplomatisch nicht zu schlichten sind, dem Urteil des Schiedsgerichts unterbreiten. Auch auf die Gefahr hin, daß uns einmal Unrecht geschehen könnte; weil wir verkannt werden, müssen wir an dem Schiedsge- richtsgedanken festhalten. Daneben werden wir uns angelegen sein lassen, für Interessenfragen, die sich rein rechtlicher Beurteilung entziehen, internationale Einrichtungen zur Vermittlung und Einigung auszubauen. Ein Vorbild für solche Einigungsämter bilden die be- kannten Bryanschen Verträge, die schon jetzt zahlreiche Staaten verbinden und sie vor übereilten militärischen

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Entschlüssen zu bewahren bestimmt sind. Der Ausbau des Vermittlungswesens im Völkerbund wird dazu füh- ren, daß Meinungsdifferenzen zwischen seinen Mitglie- dern beigelegt werden, ehe sie die Schärfe angenommen haben, die einen Richterspruch fordert. Ich bin über- zeugt, daß die positiven Aufgaben, die dem Bund zu- künftig gestellt werden, sich nur bei fester dauerhafter Organisation werden erfüllen lassen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit gemeinsamer Verwaltungsbehörden und einer Art Bundesparlament, wie es von der inter- parlamentarischen Union vorbereitet ist.

Schließlich bedarf der Völkerbund gewisser Zwangs- mittel, um seine Beschlüsse. zu vollstrecken. Damit be- rühre ich einen der heikelsten Punkte, weil der Staat, der sich im voraus mit einer gewaltsamen Vollstreckung von Entscheidungen einverstanden erklärt, die gegen ihn selbst ergangen sind, auf einen erheblichen Teil seiner Souveränität verzichtet. Ein solches Opfer kann einem freien Volke nur zugemutet werden, wenn es an der Exekutive beteiligt ist und auch seinerseits die Mittel des Zwanges zur Verfügung stellt. In einen Völkerbund, bei dem wir ausschließ- lich Objekt der Exekutive sein würden, werden wir nicht eintreten können.

Im einzelnen wird die Art der Beteiligung der Staaten an den Organen des Bundes sowie die Zustän- digkeit der Organe und ihre Geschäftsordnung manche Schwierigkeiten bereiten. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß die durch den Weltkrieg gemarterte Menschheit diese neue bessere Regelung des Völker- verkehrs als Frucht so vieler Opfer und Leiden davon-

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tragen wird. Dann wird es möglich sein, daß der Haß, der uns jetzt noch von unseren Gegnern trennt, allmäh- lich wieder der Achtung Platz macht, ohne die kein menschlicher Verkehr bestehen kann. Das gilt nicht nur für die feindlichen Nationen, mit deren Vertretern wir jetzt im Westen verhandeln, sondern auch vom Nachbarn im Osten, mit dem der Krieg zuerst ausbrach und der erste Friede geschlossen wurde, mit dem wir aber jetzt ohne Vertrag und diplomatische Beziehungen in tatsächlichem Kriegszustand leben. Die russische Sowjet-Republik hat der Entente erklärt, sich mit ihr in Verhandlungen auf der Grundlage einlassen zu wollen, daß sie die bolschewistische Propaganda bei anderen Völkern einstellt, dafür aber die politischen Verhältnisse Rußlands ohne fremde Einmischung regelt. Was Deutschland anlangt, so sehe ich kein Bedenken, auf dieser Grundlage eine Verständigung mit Rußland anzu- streben. Man sollte denken, daß ein solches Pro- gramm Staatsmänner aller am Kriege beteiligten Völker zusammenführen müßte. Nur die eine Bedingung wäre zu stellen, daß auch Rußland den Punkt der Wilsonschen Forderungen annimmt, der vom Selbstbestimmungsrecht der Völker handelt.

Der Völkerbund würde aber ein Torso bleiben, wenn nicht auch diejenigen Völker zugezogen würden, denen es möglich gewesen ist, sich vom Krieg mili- tärisch fernzuhalten. Es wird nicht angehen, Bundes- einrichtungen endgültig festzulegen, ohne daß die neutralen Staaten gehört werden! Die kriegführenden Nationen werden sie um so weniger

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ausschließen wollen, als sie den Neutralen vielfach zu großem Danke verpflichtet sind für die Leistungen und Opfer, die diese im Verlauf des Krieges zugunsten Angehöriger der Kriegsparteien auf sich genommen haben. Ich benutze die Gelegenheit, den Teil der Dankesschuld, der auf Deutschland entfällt, im Namen des ganzen deutschen Volkes freimütig anzuerkennen, und bin dabei der Zustimmung der Deutschen National- versammlung gewiß. Ich denke besonders an die her- vorragenden unvergeßlichen Dienste, die Volk und Re- gierung in Dänemark, in Schweden und Norwegen, in den Niederlanden, in Spanien und in der Schweiz den deutschen Internierten und Gefangenen geleistet haben, und der freundlichen Aufnahme, die dort viele unserer Kinder und Kranken während des Krieges finden durften. Möge aus diesen Wohltaten eine Saat völker- bindender, rein menschlicher Gesinnung entsprießen, die dauernder als die Drachensaat des Krieges ist.

Meine Damen und Herren! Die Regierung, in deren Namen ich auswärtige Politik treiben soll, steht unter der Führung der deutschen Arbeiterschaft. Aber es ist eine Regierung vereinigter sozialer und bürgerlicher De- mokratie. An dem denkwürdigen Tage, der dem Deut- schen Reiche das erste selbstgewählte Oberhaupt gab, wurde darauf hingewiesen, daß die Vertreter des demo- kratischen Deutschland gegenüber dem Auslande jetzt erst mit vollem Recht im Namen des deutschen Volkes sprechen können. Das bedeutet für mich, solange ich mich vom Vertrauen der deutschen Volksvertretung ge- tragen weiß, eine mächtige Hilfe, die meine Vorgänger entbehren mußten. Das Vertrauen, das ich von Ihnen

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erbitte, wird nicht beeinträchtigt werden durch den Namen, den ich von meinen Vorfahren überkommen habe. Ich hoffe, Ihnen zu beweisen, daß man zugleich Graf und überzeugter Demokrat sein kann. Demo- kratie bedeutet ja nicht Herrschaft der Masse als solche; herrschen und führen sollen immer nur die Besten. Ein gesundes Volk will es nicht anders. Der Volkswille mag in der Auswahl der Führer daneben greifen, aber er hat die Mittel, einen Fehler zu verbessern. Ich weiß, daß ich nur so lange auf diesem Platze bleiben werde, als Sie mit meiner politischen Geschäftsleitung einverstanden sind.

Meine Damen und Herren! Sie sind hier zusammen- getreten, um den Bau des neuen Deutschen Reiches aufzurichten, einen Bau, der nicht kriegerischen Macht- zwecken, sondern Werken des Friedens und der Ge- sittung dienen soll. Wenn ich Ihre Zeit solange für Fragen auswärtiger Politik in Anspruch genommen habe, so leite ich das Recht dazu aus dem Umstände her, daß diese Nationalversammlung auch die entscheiden- den Beschlüsse darüber fassen muß, wie Deutschland den Weltkrieg beenden soll. Die Verfassung, die Sie dem neuen Reiche geben, wird der feste Grund sein, auf dem die deutschen Vertreter die Verhandlungen mit den Feinden führen werden. Der Geist, der Ihre De- batten leitet, wird für die Frage entscheidend sein, ob die Sieger das deutsche Volk als gleichberechtigt an- erkennen oder ob sie ihm Bedingungen zumuten, die es zwingen würden, lieber die äußersten Folgen zu er- tragen, als sich diesen Bedingungen zu unterwerfen. Ge-

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wiß, wir haben nach innen und außen manches gutzu- machen, besonders gegenüber Belgien, und daher haben wir keinen Anlaß, hochfahrende Worte zu führen. Aber wir haben auch unschätzbare wertvolle innere und äußere Güter zu verteidigen und deshalb die Ver- pflichtung, unsere Eigenart und Selb- ständigkeit auch dem Sieger gegen- über zu behaupten.

Wir sind besiegt, aber nicht ent- ehrt! Der größte Dichter der deutschen Freiheit sagt: Nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr alles setzt an ihre Ehre! Die Freudigkeit mag manchem von uns vergangen sein, aber der Wille, der un- erschütterliche Wille, bleibt bestehen. Zu einem Teil ist des deutschen Volkes Würde in meine Hand gegeben, und ich gelobe, daß ich sie bewahren will.

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Völkerbund und Weltparlament

Weimar, 17. Februar 1919

Frage: Wie ist die Stellung Euerer Exzellenz zu dem Pariser Völkerbundsentwurf?

Antwort: Ich habe den Text nur in den Zeitungen gesehen, aber mein allgemeiner Eindruck ist der, daß der Entwurf bis jetzt wenig mehr als ein Verteidigungs- bündnis auf diplomatischer Grundlage vorsieht. Als Diplomat erkenne ich die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, dem Völkerbund eine demokratischere Basis zu geben. Es ist wenigstens ein sehr großer Ge- winn, daß der gegenwärtige Entwurf die Aufhebung aller gegen die Satzungen des Völkerbundes verstoßen- den Verträge, die Unterordnung aller neuen Verträge unter diese Satzungen, sowie in allen Fällen die Ver- öffentlichung der Verträge sichert. Aber die Dele- giertenversammlung ist anscheinend nur eine diplo- matische Konferenz, und der Vollzugsrat läßt sich mit dem Europäischen Konzert vergleichen. Der Entwurf mag für Sie genügen, uns genügt er nicht. Durch unsere ungünstige politische und geographische Lage sind wir für einen zukünftigen Frieden draußen und im Innern vom Völkerbund abhängig. Wenn wir an der Vor-* bereitung des Entwurfes Anteil genommen hätten, so würden wir darauf hingearbeitet haben, ihm, soweit dies möglich ist, eine demokratische Grundlage zu geben. Wir werden unseren Vertretern einen möglichst re- präsentativen Charakter geben und werden darauf hin-

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wirken, daß die Delegiertenversammlung zu einem Weltparlament, der Vollzugsrat zu einem diesem ver- antwortlichen Kabinett ausgestaltet wird Die deutsche Demokratie kann nicht sicher sein, bevor nicht die Demokratie bis zu einem gewissen Grade im Völker- bund gesichert ist, und eine europäische Demokratie ist nur dann sicher, wenn die deutsche Demokratie es ist.

Frage: Wann und wie wird Deutschland dem Völkerbund beitreten?

Antwort: Leider hängt das nicht von uns ab. Dem Entwurf nach tritt Deutschland anscheinend ent- weder sofort als Unterzeichner oder später auf Grund der Stimmen von zwei Dritteln der Delegiertenver- sammlung in den Völkerbund ein. Wenn der Völker- bund wirklich auf demokratischen Grundsätzen auf- gebaut ist und nicht auf diplomatischen Berechnungen d. h. auf allgemeingültigem Recht, nicht auf einem Übergewicht der Macht dann muß Deutschland sofort als Unterzeichner beitreten. Die Einleitung des Präsidenten Wilson zu dem Abkommen halte ich nicht für zu optimistisch. Der Glaube Wilsons an die mo- ralische Stärke der öffentlichen Meinung die doch zuletzt ausschlaggebend ist, so unvollkommen auch die Art ihres Ausdruckes sein mag war zweifellos ge- rechtfertigt.

Ich stehe auf dem Standpunkt, daß Deutschland trotz allem zur Mitgliedschaft im Völkerbund ebenso wie jede andere Nation und mehr als manche befähigt ist. Seine Einrichtungen sind jetzt die demokratischsten der Welt. Es ist mehr entwaffnet als jede andere Macht.

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Sein militärisches System ist unter fremder Aufsicht. Seine soziale Gesetzgebung überragt die anderer Völker. Die neue Finanzgesetzgebung läßt vernünftiges Haus- halten erwarten. Unter großen Schwierigkeiten und Opfern macht Deutschland den Versuch, in ein zu- friedenstellendes Verhältnis zu den Nachbarvölkern zu kommen,

Frage: Welche Hoffnungen knüpfen sich an eine Verständigung mit Polen?

Antwort: Durch die Anerkennung der gegen- wärtigen Grenze als vorläufiger Grenze, wie es in den letzten Waffenstillstandsbedingungen vorbehaltlich der endgültigen Festlegung durch den Friedensvertrag geschieht, ist diese Schwierigkeit beseitigt. In Zukunft setzt das Bestehen des Völkerbundes Deutschland und Polen in den Stand, sich gegenseitig Garantien zu geben. Eine Verständigung zwischen Deutschland und Polen ist durchaus notwendig für einen Frieden beider Völker und für den Frieden ganz Europas.

Die Frage, wie weit Deutschland und seine Ver- bündeten ihre Kriegsschuld durch Gebietsabtretungen bezahlen sollen, gehört in den Friedensvertrag und ist eine Frage, die ihn und die gegenwärtigen Bewohner dieser Gebiete angeht. Der Eintritt in den Völkerbund zu Bedingungen, die jeden Protest und jede Weigerung Deutschlands im voraus als Verletzung ansehen der Völkerbund auf solcher Grundlage unter dem Vorwand des „allgemeingültigen Rechtes" ist hier als ein diplo- matisches Manöver zu betrachten, mit dem man uns schon vor dem Eintritt des Rechtes berauben will, das doch den Zweck des Völkerbundes darstellt: Sicherheit

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für alle Völker, gleichgültig, ob sie hilflos oder gar ver- haßt sind.

Frage: Ist dies vielleicht der Preis, der gefordert wurde, um Deutschlands Beitritt trotz schärfster Gegnerschaft durchzusetzen?

Antwort: Das mag wohl sein, aber es ist trotzdem ein unschöner Makel, den man besser vermieden hätte.

Unterredung mit dem Spezialkorrespondenten der Londoner „Daily News", George Young

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Internationale Regelung des Arbeiterrechts

Weimar, 23. Februar 1919

Ich habe in meiner Rede in großen Linien die Grundzüge dargelegt, nach denen wir verfahren wissen wollen. Wir sind aber überzeugt, daß es gilt, nicht nur theoretische Gedanken zu äußern, sondern praktische Vorschläge zu machen und so die Widerstrebenden zur Mitarbeit zu nötigen. Eine nicht zu unterschätzende Vorarbeit ist ja durch die Konferenzen der A r b e i t e r v e r t r e t e r der kriegführenden und neutralen Länder in Leeds und Bern geleistet worden. Vor allem aber haben die viereinhalbjährigen Erfahrungen des Krieges, die zum ersten Male die Massen des Proletariats in allen Ländern in erster Linie zum Träger der Leistungen und Opfer gemacht haben, die sozialpolitischen Bestrebun- gen der Menschheit zu einer, oder man kann vielleicht sagen zu der geschichtlichen Aufgabe der nächsten Zu- kunft gemacht. Die Arbeiterschaft der ganzen Welt verlangt, daß der große Friedensvertrag, welcher den Weltkrieg abschließen wird, nicht mehr kapitalistischen Geist atmen darf, und daß er der Ausgangspunkt einer internationalen Regelung des Arbeiter- rechts sein muß.

Wie mächtig der Zwang dieser Idee ist, offenbart sich schon darin, daß auch die Entente in dem Entwurf eines Völkerbundes in § 20 einen schüchternen Versuch macht, diese Idee aufzunehmen. Es wird darin in Aus- sicht gestellt, daß die Mächte sich bemühen würden,

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billige menschliche Arbeitsbedingungen für Männer, Frauen und Kinder herzustellen; ferner soll eine dau- ernde Geschäftsstelle für Arbeiterfragen beim Völker- bund eingerichtet werden. Ich will den Wert dieser Absichten nicht herabsetzen, aber sie scheinen mir doch allzu deutlich den Stempel einer unwilligen Konzession zu tragen. Wir wollen uns mit solchen Allgemeinheiten nicht begnügen, sondern mit der internationalen Ar- beiterschaft in eine Diskussion der praktischen Einzel- forderungen eintreten. Wir haben damit auch schon begonnen, und ich kann Ihnen mitteilen, daß das Reichs- arbeitsamt unter Mitwirkung des Auswärtigen Amtes und sozial interessierter Kreise einen Entwurf ausarbeitet, der die modernen und humanen Gedanken des Sozialismus verwirklichen wird. Der Entwurf enthält zu- nächst Bestimmungen, die die Freizügigkeit der Ar- beiterschaft der ganzen Welt durchführen und sichern. Das Koalitionsrecht der Arbeiter und Angestellten soll nicht mehr durch die Staatszugehörigkeit beschränkt sein, sondern jedem in jedem Staate zustehen; ferner soll jeder ausländische Arbeiter in Lohn- und Ar- beitsbedingungen die gleichen Vorteile ge- nießen, die der inländische Arbeiter auf Grund der Gewerkschaftsverträge mit dem Arbeitgeber genießt.

Ich will Ihnen aus dem übrigen Inhalt des Entwurfs noch einige Einzelheiten mitteilen, um Ihnen ein Bild von der ganzen Tendenz zu zeigen, die uns leitet. Um den Zu- und Abfluß der fremden Arbcitermasscn nach sozialen Gesichtspunkten zu regeln, wollen wir eine internationale Arbeitsstatistik begründen

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und durchsetzen, daß die Anwerbung von Arbeitern im Widerspruch zu den Gewerkschaftsbedingungen ver- boten und die Einwanderung so angeworbener Arbeiter untersagt wird. Die Versicherung der Arbeiter gegen Alter und Invalidität, gegen Krankheit und Betriebs- unfälle soll den Vertragsstaaten zur Pflicht gemacht werden. Ebenso ist eine Hinterbliebenen- und Mutter- schaftsversicherung einzuführen, und alle sozialpoliti- schen Gesetze sollen auf die Heimarbeit angewendet werden. Die ausländischen Arbeiter sind während ihres Aufenthaltes im Inland den inländischen Arbeitern gleichzustellen, und, wenn sie nach ihrer Heimat zu- rückkehren, sollen Bestimmungen über die Fortdauer ihrer Rentenbezüge schützend eingreifen. Ein wichtiger Punkt des Entwurfes ist die allgemeine Arbeiterhygiene, besonders zur Verhütung von Unfällen in Betrieben und zum Schutz gegen Gesundheitsstörungen durch mangel- hafte Einrichtung von Arbeitsräumen usw. Die Ver- tragsstaaten sollen ihre Erfahrungen in bewährten Schutzvorrichtungen gegen Unfallsgefahr und Berufs- krankheiten mitteilen, so daß man auf diese Weise zu einer einheitlichen Ordnung gelangen kann. Für See- leute sieht der Entwurf die Schaffung eines besonderen internationalen Seemannsrechts vor. Daß Arbeitsdauer und Arbeitsalter international geregelt werden sollen, versteht sich von selbst. Der Entwurf schlägt als täg- liche Arbeitsleistung acht Stunden und als Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur Lohnarbeit das vier- zehnte Lebensjahr vor. Ein weiteres Kapitel betrifft den Fach- und Fortbildungsunterricht der jugendlichen Ar- beiter, ein anderes das Arbeitsverbot für Frauen vor und

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nach der Niederkunft. Die Arbeitsaufsicht soll unter Hinzuziehung der Berufsorganisationen ausgeübt werden, und eine ständige internationale Instanz wird mit der Kontrolle und der Fortführung der internationalen Ge- setzgebung beauftragt. Zur wissenschaftlichen und ein- heitlichen Bearbeitung und Begutachtung aller hierher gehörenden Materien ist eine soziale Konferenz geplant, die alle fünf Jahre etwa in Bern zusammentreten könnte. Bekanntlich besteht schon das internationale Arbeits- amt in Basel, dessen Tätigkeit ja schon einen Anfang in der Richtung des von uns Beabsichtigten bedeutet.

Zwischenfrage: Wie hofft Deutschland diesen Ent- wurf zur Annahme bringen zu können?

Antwort: Der Entwurf stellt nicht einen Gesetz- entwurf im landläufigen Sinne dar, sondern ist das Er- gebnis unserer langjährigen sozialpolitischen Erfahrun- gen und unseres ehrlichen sozialen Willens, angewendet und erweitert auf die internationalen Bedürfnisse. Wir dürfen wohl annehmen, daß diese Absicht in der Welt keiner Verkennung ausgesetzt sein wird, wie so manches, was Deutschland redet oder tut. Unsere Zwecke liegen klar und offen zutage: wir wollen an dem Wohlergehen und der Versöhnung der Klassen und Völker mitarbeiten. Wir sind überzeugt, daß alle anderen Regierungen, auch die feind- lichen, sich nicht weigern können, mit uns darüber zu verhandeln, wenn wir erst am Konferenztisch sitzen. Denn ihre Völker würden eine Weigerung oder eine kleinliche Durchkreuzung unserer Absichten weder ver- stehen noch dulden. Bei den Neutralen aber wird, dessen bin ich sicher, unser Vorhaben Verständnis und

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Bereitwilligkeit finden, wobei ich im besonderen an die sozialpolitisch fortgeschrittenen skandinavischen Länder, an Holland und die Schweiz denke. So wird, wie ich hoffe, dieser Krieg für die schwergeprüften Völker auch etwas Gutes bringen. Und wenn sich an diesen Segen der Name der deutschen Mitarbeit knüpfen läßt, so haben wir erreicht, was wir wollen.

Erklärungen gegenüber dem Vertreter der „Agence Centrale" in Luzern

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Die Pariser Völkerbundakte

Berlin, 24. Februar 1919

Frage: In der Nationalversammlung in Weimar haben mehrere Redner sich sehr ablehnend über die Satzungen des Völkerbundes ausgesprochen, die der Präsident Wilson am 14. Februar auf der Pariser Konferenz vorgelegt hat. Teilen Euere Exzellenz die Ansichten der Redner?

Antwort: Die Beurteilung der Völkerbundakte vom Standpunkt der deutschen Außenpolitik ist nicht leicht. Viele Artikel sind so gefaßt, daß sie auf sehr verschie- dene Weise ausgelegt und ausgeführt werden können. Vielleicht hängt das damit zusammen, daß die Bundes- akte englisch entworfen und erst bei den Beratungen in Paris in die französische Diplomatensprache übersetzt worden ist. Ferner merkt man den Artikeln an, daß sie ein Kompromiß widerstreitender Ansichten darstellen. Durch die ganze Bundesakte zieht sich wie ein roter Faden das äußerste Mißtrauen. Charakteristisch ist auch, daß in der gleichzeitig veröffentlichten Teil- nehmerliste nur die Staaten vorgesehen sind, die mit Deutschland Krieg geführt oder doch die Beziehungen zu Deutschland abgebrochen haben, und daß Präsident Wilson es für nötig befunden hat, in seiner Einführungs- rede sehr harte Worte gegen die Deutschen zu ge- brauchen.

Frage: Meinen Sie, daß die Bundessatzung deshalb für Deutschland unannehmbar ist?

Antwort: Wir müssen, wenn irgend möglich, in

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positiver Form an der Entwicklung mitarbeiten, die sich durch den vorläufigen Abschluß des Wilsonschen Völkerbundplans angebahnt hat. Ich bin überzeugt, daß das Ziel der Menschheit nur auf dem Wege friedlicher Organisation der Völker erreicht werden kann, und wenn die ersten Schritte auf diesem Wege auch zögernd und über allerlei Hindernisse hinweggemacht werden müssen, so führen sie doch dem Ziele näher.

Frage: Wie denken sich Euere Exzellenz eine posi- tive Mitarbeit?

Antwort: Wir werden versuchen, mit Hilfe der öffentlichen Meinung die Mängel zu beseitigen, die der Satzung anhaften. Im allgemeinen hat sie, wie ich mit Bedauern feststellte, einen mehr oligarchischen als demo- kratischen Charakter. Der ausführende Rat hat eine so überragende Stellung, daß von einer wirklichen Verant- wortlichkeit gegenüber einem Weltparlament kaum mehr die Rede ist. Dieser Umstand dürfte Deutschland aber nicht abhalten, in einen Völkerbund einzutreten; denn die siegreiche Macht der demokratischen Idee wird sich auch dort durchsetzen, wie sie es in den Staaten tat, die sich jetzt den maßgebenden Einfluß im ausführenden Rat und damit die Leitung des Völkerbundes vorbehalten haben.

Frage: Sie empfehlen also Deutschland, in der Hoffnung auf Verbesserung der Satzung, dem Völker- bund beizutreten?

Antwort: Im ganzen, ja. Unannehmbar in ihrer jetzigen Form erscheinen mir nur die Bestimmungen über „die Kolonien und Gebiete, die infolge des Krieges aufgehört haben, unter der Oberhoheit der Staaten zu

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stehen, die sie vorher beherrschten". Ich kann zunächst nicht zugeben, daß die Oberhoheit Deutschlands über seine Kolonien völkerrechtlich aufgehört hat. Bis zum Friedensschluß handelt es sich nur um das Recht der Okkupanten. Die Art, wie hier der Besitz Deutschlands und der Türkei beauftragten Mächten zugewiesen wird, erinnert wahrlich mehr an die Verteilung von Sieges- beute zwischen machthungrigen Eroberern als an die von dem Präsidenten geforderte weitherzige und ge- rechte Regelung der kolonialen Fragen.

Frage: Können Sie mir Bestimmungen der Bundes- akte bezeichnen, an denen eine positive Kritik Deutsch- lands einsetzen würde?

Antwort: Ich will hier nicht auf Einzelheiten ein- gehen, dafür ist die Urkunde zu lang; aber ich muß darauf hinweisen, daß die Frage der Meeresfreiheit ganz übergangen, die der Handelsfreiheit eigentlich nur in den Punkten berührt wird, wo Ausnahmen von ihr nötig erscheinen; es fehlen also zwei wichtige Punkte des Wilsonschen Programms. Das große Gebiet des inter- nationalen Arbeiterrechts, die grundsätzlich neue und fruchtbarste Aufgabe des Völkerbunds, wird völlig un- genügend geregelt. Auch die Bestimmungen über die Erledigung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedern des Völkerbunds werden keineswegs allen den wertvollen Anregungen gerecht, die sich in der letzten Zeit aus der Friedensbewegung ergeben haben.

Frage: Glauben Sie hiernach, daß Deutschland in den Völkerbund eintreten wird?

Antwort: Das wird ganz von den Bedingungen ab-

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hängen, unter denen man Deutschland in den Völker- bund aufzunehmen bereit ist. Werden wir auf dem Ge- biete der Weltwirtschaft und der kolonialen Entwick- lung als Parias behandelt, enthält der Friedensvertrag, den uns die Gegner vorzulegen gedenken, Wider- sprüche zu den Wilsonschen Grundsätzen, so mag die Welt wissen, daß das deutsche Volk nicht aufhören wird, gegen den ungerechten Zwang, den man ihm antut, zu protestieren. Wir werden uns dabei auf die Tatsache stützen können, daß im Anfang November, ehe Deutsch- land die Waffenstillstandsbedingungen annahm, durch Vermittlung der amerikanischen Regierung eine Willens- einigung zwischen Deutschland und seinen Gegnern über die Grundlage des Friedens zustande gekommen ist. Beide Teile haben die 14 Punkte der Kongreßrede des Präsidenten Wilson vom 8. Januar 1918 und die Grund- sätze seiner späteren Botschaften mit den Maßgaben angenommen, die in der Note des Staatssekretärs Lan- sing an die Deutsche Regierung vom 5. November 1918 angegeben sind. Es liegt hier zwar kein völkerrechtlicher Vertrag in den üb- lichen Formen vor, aber eine feierliche Vereinbarung, derenTragweite sich alle Beteiligten wohl bewußt waren. Kein Friedewird der Weltdie Ruhe geben, der dieser Vereinbarung widerspricht.

Unterredung mit dem Berliner Vertreter der „Frankfurter Zeitung", Max Wiesner

28. Februar 1919 77

Der Anschluß Deutsch-Österreichs an Deutschland

Berlin, 28. Februar 1919

Sie werden bemerkt haben, mit welcher Genug- tuung die deutsche Öffentlichkeit die Anwesenheit des Staatssekretärs Dr. Bauer und seiner Begleiter in Berlin begrüßt. Es ist dies eigentlich selbstverständlich. Denn soviel Trauriges und Schweres Österreich wie Deutsch- land durcherleben mußten, eine alte Hoffnung scheint in Erfüllung gehen zu können. Der Gedanke des Zu- sammengehörens, den unsere Väter vertraten, wird sich, ich hoffe es zuversichtlich, verwirklichen. Es ist mir eine außerordentliche Genugtuung berufen zu sein, an erster Stelle an seiner Durchführung mitarbeiten zu dürfen. Ich habe lange Zeit, wie Sie wissen, in Wien gelebt, ich kenne Österreich, ich habe es verstehen und schätzen gelernt, und in Gedanken weile ich oft in Wien, an das mich die Erinnerung der glücklichsten Jahre meiner Karriere knüpft. Aber der Staatsmann hat nicht nur nach seinen Gefühlen zu urteilen, so sehr sie auch ihn in Besitz genommen haben mögen. Die abwägende Vernunft muß zur Kontrolle dieser Gefühle dienen.

Als Präsident Wilson seine 14 Punkte veröffent- lichte, als dann die Revolution eintrat, die den Zerfall der bisherigen Doppelmonarchie unter habsburgischer Herrschaft im Gefolge hatte, da mußte sich jeder den- kende Politiker bei Ihnen und bei uns darüber klar sein, daß auf Grund dieses Programms, auf Grund des Selbstbestimmungsrechts der Völ'ker,

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wir das Recht haben, uns wieder zu ver- einen. Das mag manchem in der Welt nicht genehm sein, aber wenn einmal das Nationalitätenprinzip als oberster Grundsatz für die Völker aufgestellt ist, so kann und darf es für die deutsche Nationalität keine Aus- nahmen geben. Auf diesem Boden stehen wir und wir werden ihn nicht verlassen.

Wenn diese Einigung eine wirklich dauernde und nutzbringende für beide Teile sein soll, so müssen sich beide, wie in einer guten Ehe Mann und Frau, inein- ander schicken. Jeder Teil muß etwas von seiner Indi- vidualität opfern, damit ein Zusammenleben, ein Inein- anderaufgehen möglich ist. Natürlich verstehe ich unter dem Begriff des Ineinanderaufgehens nicht, daß Öster- reich seine Eigenart verlieren soll, daß Wien ein zweites Berlin sein müsse oder Berlin sich Wien unterordnen sollte. Das wäre schädlich, ganz abgesehen davon, daß es unmöglich ist. Wir müssen aber einander noch mehr verstehen lernen. Ihre kulturellen Vorzüge müssen zu unserem Vorteil dienen, und ich glaube, auch Sie wieder- um in Österreich können manches von dem vielver- schrienen Deutschland in sich aufnehmen. Wenn ich von einer guten Ehe sprach, so sagt Schopenhauer ein- mal, daß eine solche auch wirtschaftlich gut begründet sein muß; und darauf wird es selbstverständlich eben- falls bei der sich hoffentlich bald vollziehenden Ehe zwischen Deutschland und Deutsch-Österreich an- kommen. Wir wollen keiner den anderen übervorteilen, das liegt Ihnen fern, und, weiß Gott, auch uns. Aber wir wollen stabile Verhältnisse schaffen,

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in welcher Form auch immer. Das wird nicht ganz leicht sein. Es werden Gegensätze sich ergeben, die unbedingt ausgeglichen werden müssen, wenn wir zu einem guten Ende kommen sollen. Ich denke aber, wir werden alle Hindernisse überwinden, schon darum, weil wir die Vertreter unserer Völker oder vielmehr eines Volkes sind, das den Wunsch hat, nicht mehr getrennt zu leben.

Die Persönlichkeit des hervorragenden Staats- mannes, der an der Spitze Ihrer Mission steht, ist mir eine Gewähr dafür, daß die Verhandlungen sich in der besten und freundschaftlichen Weise abwickeln werden. Ebenso ist sein ausgezeichneter Mitarbeiter, Exzellenz Riedl, der mir seit Jahren befreundet ist, der geeignete Helfer, um zum gewünschten Ziele zu gelangen. So gehen wir mit guten Erwartungen an die große Arbeit, und trotz allem, was zu überwinden ist, meine ich, wir werden es überwinden können.

Erklärung gegenüber dem Vertreter des „Wiener Telegraphen-Korrespondenz-Bureaus"

80 5. April 1919

Zur Schuldfrage

Berlin, 5. April 1919

Frage: Wie verhält sich die deutsche Regierung zu der Nachricht, daß die Pariser Konferenz beabsichtige, einen einseitigen Schuldspruch gegen Deutschland als alleinigen Urheber des Weltkrieges zu fällen, und daß ein Ententegerichtshof eingesetzt werden solle, um die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen?

Antwort: Ich muß die Nachricht als wenig wahr- scheinlich bezeichnen. Die deutsche Regierung würde sich ein so einseitiges Verfahren den Ver- such, uns eine Schuld ohne jede objektive und unpar- teiische Prüfung des Sachverhalts zuzusprechen nicht gefallen lassen. Die Entente will als Kläger auftreten, sie kann deshalb nicht zugleich Richter sein, dies um so weniger, als sie offenbar den neutralen Gerichtshof fürchtet, den wir vorgeschlagen hatten; denn wir sind ebenfalls in der Lage, Anklagen vorzubringen und gut zu begründen.

Von der Feststellung des wahren Sachverhalts ver- sprechen wir uns die Entgiftung der internationalen Be- ziehungen. Das ist es, worauf es nach allen Fehlern der Vergangenheit für die Gegenwart und Zukunft ankommt, und ich sehe darin meine hauptsächlichste Aufgabe. So- weit dies durch die Klärung der Schuldfrage geschehen kann, werden wir unsererseits durch die beabsichtigte Einsetzung eines Staatsgerichtshofs auch ohne die Mit- wirkung unserer Gegner dazu beitragen.

Äußerung gegenüber einem Vertreter der „B. Z. am Mittag"

6. April 1919 8j

Die Möglichkeit neuer internationaler Koalitionen

Weimar, 6. April 1919

Frage: Die ausländische Presse erörtert die Mög- lichkeit neuer internationaler Koalitionen. Glauben Euere Exzellenz, daß Deutschland zukünftig Bundes- genossen zu suchen hat?

Antwort: Es scheint, als ob die ganze Welt bereits wieder von dem cauchemar des coalitions befallen sei, der schon so manchem Staatsmann zum Unheil gereicht hat. Nach meiner Auffassung wäre es nunmehr an der Zeit, mit den alten diplomatischen Begriffen zu brechen. Die Bündnispolitik, die das hervorragendste Charak- teristikum der internationalen Beziehungen in der letzten Geschichtsperiode bildet, hat immer wieder zu Kriegen und bewaffneten Konflikten geführt. Ich ge- höre nicht zu denen, die aus naturwissenschaftlichen Er- wägungen heraus Kriege für notwendige Begleiterschei- nungen der Weltentwicklung halten. Jedenfalls soll man alles tun, um sie zu vermeiden. Der Geist jeder Bündnispolitik, der ja gerade von dem Gefühl einer Gegensätzlichkeit in den Interessen der Staaten oder Macht- gruppen erzeugt wird, muß notgedrun- gen die Atmosphäre für Konflikte vor- bereiten. Noch alle Bündnisse hießen „defensiv", nahmen aber bei irgendeinem anderen Bündnis die Ab- sicht der Aggressivität an. Der geistige Gehalt der Po- litik wird nicht weiterentwickelt, wenn man die eine

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Konstellation der Staatengruppen durch eine neue er- setzt. Welche Sicherheiten werden dadurch gewonnen, daß man die Allianzen, die sich in diesem Kriege gegen- überstanden, erst atomisiert, um sie dann wieder in ver- schiedene Organisationen miteinander widerstrebenden Interessenkomplexen zusammenzufassen? Es ist ganz sicher richtig, daß gute Bündnisse der Entwicklung der beteiligten Staaten auf einige Jahrzehnte genützt haben. Aber was ist diese Entwicklung wert, wenn ihre Früchte dann diesem oder jenem Interessenkonflikt wieder zum Opfer fallen? Länger als einige Jahrzehnte ist das Glück noch keiner Koalition treu geblieben. Es müssen end- lich einmal neue Wege gegangen werden, natürlich vor- ausgesetzt, daß sich der Geist des internationalen poli- tischen Gremiums als reif für solche neue Wege erweist. Es gilt, alle Staaten um ihre gemeinsamen Interessen zu sammeln, das heißt die Idee des Völkerbundes in ihrer aufrichtigsten und vornehmsten Auswertung real- politisch und kulturell fruchtbar zu machen. Über Bündnispolitik irgendeiner Art kann also erst dann gesprochen werden, wenn es sich erweisen sollte, daß die kommen- den Friedensverhandlungen keine Platt- form für die ehrliche Durchführung des Völkerbundes zu schaffen vermögen, den ich früher schon einmal als eine Ge- sellschaft Gleichberechtigter charak- terisierte.

Unterredung mit einem Vertreter des „Berliner Tageblattes"

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Außenpolitik und Reform des auswärtigen

Dienstes

Rede vor der Verfassunggebenden Deutschen National- Versammlung Weimar, 10. April 1919

Meine Damen und Herren! Die Ausführungen, die zum Haushalt des Auswärtigen Amtes zu machen sind, habe ich der Nationalversammlung im wesentlichen schon in meiner Programmrede vom 14. Februar ge- geben. Eine neue Rede zum Etat könnte deshalb über- flüssig erscheinen. Aber die äußere Lage Deutschlands hat sich seitdem nicht unwesentlich geändert. Zwar ist der Krieg immer noch nicht beendet; unsere Gegner halten uns nach wie vor in der Zange, deren Hebel die Besetzung der Westprovinzen und die andauernde Blockade bilden. Man darf jedoch annehmen, daß der Friede vor der Tür steht, und so sind einige Worte zu den Friedensvorbereitungen am Platze. Dazu kommt, daß ich das Bedürfnis habe, der National- versammlung, bevor sie mir die im Etat ausgeworfenen Gelder bewilligt, über meine Pläne zur Reform des Außendienstes Rechenschaft abzulegen.

In mancher Hinsicht ist es verhängnisvoll, daß die Friedensarbeit und die Reformarbeit zusammenfallen. Es bedürfte friedlicherer Zustände, um den auswärtigen Dienst des Reiches durch Reformen auf die volle Höhe zu bringen; und es bedürfte eines möglichst vollkomme- nen Apparats, um aus der unerhört schweren Lage, in der sich Deutschland befindet, zu einem erträglichen Frieden zu gelangen. Nach beiden Richtungen dürfen

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wir nicht zu hoffnungsvoll sein, aber auch nicht ver- zweifeln.

Unsere Gegner haben uns während des Winters durch die immer maßloseren Forderungen an Schaden- ersatz und Landerwerb, die ihre Presse erhob, zu er- schrecken und an das Schlimmste zu gewöhnen versucht. Jetzt hört man mildere Töne; jetzt wird erklärt, Deutschland werde überrascht sein, wie maßvoll die Forderungen sind, die man zu stellen gedenkt. Wir wollen uns weder durch die düsteren noch durch die freundlicheren Zukunftsbilder aus der Stellung drängen lassen, die wir am Friedenstisch einnehmen müssen. Wir stehen vor harten und kühl rechnenden Feinden und haben ihnen gegenüber nur eine Waffe, das ist die Be- rufung auf die Friedensgrundlagen, über die wir Anfang November, ehe wir unsere Waffen und unser Glacis aus- lieferten, einig geworden sind. Einen Frieden, der sich von dieser Grundlage in einem wesentlichen Punkte ent- fernt, können wir nicht unterzeichnen.

Die territorialen Forderungen der Gegner, die ich früher ausführlich besprochen habe, geben mir jetzt nur zu wenigen Bemerkungen Anlaß.

Erneut muß ich die deutsche Forderung anmelden, daß der elsaß-lothringischen Bevölke- rung das Recht zuerkannt wird, über ihr zukünftiges Geschick durch unbeeinflußte Willensäußerung selbst zu bestimmen. Unsere Gegner sollten einsehen, daß die Art, wie Elsaß-Lothringen jetzt behandelt wird, für den künftigen Frieden Europas und der Welt ausschlag- gebend ist. Es sollte aus einem Zankapfel ein Binde- glied zwischen den beiden großen Völkern werden, die

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künftig noch mehr als bisher auf gute Nachbarschaft angewiesen sind.

Im Osten haben wir eine schwere Krise durch- gemacht. Sie scheint vorläufig überwunden; denn die Entente hat sich bereitfinden lassen, auf den Durch- marsch polnischer Truppen durch Danzig nach War- schau zu verzichten. Aber sie hat ihren Anspruch dar- auf in aller Form aufrechterhalten. Es bedarf größter Wachsamkeit, damit die Forderung, die wir aus sach- lichen und rechtlichen Gründen unbedingt ablehnen mußten, nicht wiederholt wird.

In der Frage N o r d s c h 1 e s wi g s haben sich dieDinge zugespitzt. Mehr oder weniger unzuständige Unterhändler Dänemarks suchen bei der Entente immer weitergehende Forderungen auf Kosten des geschwächten Deutschlands durchzusetzen. Eine skrupellose Agitation möchte den Hunger auch der Deutschen Mittelschleswigs zur Erpressung von Zu- stimmungserklärungen in dänischem Sinne ausbeuten. Diesen Machenschaften kann nicht scharf genug ent- gegengetreten werden. Einsichtige dänische Politiker sind sich darüber klar, wie schwer ihr Land unter einer deutschen Irredenta leiden müßte und wie trügerisch der Gewinn wäre, den Dänemark jetzt als Danaergeschenk der Entente davontragen könnte. Wenn die frühere deutsche Regierung im vergangenen Herbst erklärt hat, daß sie auch auf die streitigen nordschleswigschen Ge- biete die Wilsonschen Grundsätze anzuwenden ent- schlossen sei, so hat sie dabei nur unzweifelhaft dänisch besiedelte Bezirke im Auge gehabt.

Bezüglich der Angliederung Deutsch-

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Österreichs habe ich dem, was ich Ihnen früher hierüber sagte, kaum etwas hinzuzufügen. Die Vorbe- reitungen für den Zusammenschluß sind in der Zwischen- zeit weiter gediehen; die österreichische Kommission unter Führung des berühmten Rechtsgelehrten und ehe- maligen Ministers Klein ist in ihrer Zusammensetzung schon bekannt, und auch die deutsche Kommission wird bald bekanntgegeben werden. Unterströmungen, die dem Zusammenschluß entgegenwirken, beirren mich nicht. Wir stehen vor einer historischen Entwicklung, die mit innerer Notwendigkeit ihren Lauf nimmt. Dar- um möchte ich davor warnen, diese Ent- wicklung zu überstürzen; es ist nicht nötig, und es könnte schaden. Es genügt, wenn wir ruhig und sachlich an der Aufgabe fortarbeiten.

Unseren Gegnern machen offenbar die finan- ziellen Forderungen mindestens ebenso große Schwierigkeiten wie die territorialen. Das ist kein Wunder. Erscheint es schon ungereimt, daß man sich in Paris seit Monaten über deutsche Territorien unter- hält, ohne daß wir, die Nächstbeteiligten, gehört werden, so ist es ganz ausgeschlossen, die Frage der finanziellen Ansprüche an Deutschland ohne Verhandlung mit un- seren Sachverständigen zu lösen. Wir sind bereit, am Friedenstisch den Gegnern sowohl auf ihre Schadens- forderungen wie auf ihre Fragen nach unserer Zahlungs- fähigkeit mit voller Offenheit Rede und Antwort zu stehen. Es wird rascher zum Ziele führen, wenn sie mit uns verhandeln, als wenn sie von Woche zu Woche, von Monat zu Monat versuchen, untereinander über Sätze einig zu werden, die vor der Wirklichkeit die

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Probe doch nicht bestehen. Unsere Gegner sollten die politische und wirtschaft- liche Lage Deutschlands bei ihren Be- rechnungen leidenschaftslos ins Auge fassen. Sie können es nicht zerstückeln und lähmen und dabei gleichzeitig aus seiner Volkswirtschaft die gewaltigen Überschüsse herausziehen, die sie von ihm erwarten. Nur ein wirtschaftlich erstarkendes Deutschland kann seinen bisherigen Feinden helfen, wirtschaftliche Schäden des Krieges wieder gut zu machen. Dazu bedürfen wir der Freigabe des industriell und landwirtschaftlich so wichtigen Westens, der jetzt nicht nur vom Feinde besetzt, sondern entgegen dem Waffenstillstandsabkommen vom übrigen Deutschland abgeschnürt ist. Wir bedürfen der schleunigen Auf- hebung der Blockade, dieser grausamsten Maßregel, mit der man trotz Waffenstillstands weiter gegen uns Krieg führt. Wir brauchen endlich die Zuführung von Lebensmitteln unter Bedingungen, die uns ihren Ankauf überhaupt erst möglich machen.

Meine Damen und Herren! Ich verkenne nicht die hochherzige Gesinnung mancher, die sich um die Be- lieferung der Zentralmächte mit Lebensmitteln bemüht haben. Ganz besonders mochte ich auch von dieser Stelle Seiner Heiligkeit dem Papste danken, der noch in jüngster Zeit seinen Einfluß für eine schleunige Hilfe gegen die Hungersnot eingesetzt hat. Bei der Aus- führung handelt es sich aber um eine Maßregel, die rein verstandesmäßiger politischer Erwägung entspringt und die sich in sehr kühlen geschäftlichen Formen vollzieht.

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Die Höhe des Preises und die Art der Bezahlung ge- statten uns, diese Lieferung nicht als Wohltat zu emp- finden, und ein Vergleich mit der Art, wie die deutschen Behörden das belagerte Paris nach dem Waffenstillstand mit Lebensmitteln versahen, fällt nicht zu ihren Un- gunsten aus. Aber, meine Damen und Herren, wir er- warten mehr von unseren westlichen Gegnern als Lebensmittel, wir brauchen Rohstoffe, um wieder zu arbeiten, und um diese Rohstoffe zu kaufen, brauchen wir Kredit. Wenn die Gegner Deutschland wirklich für fähig halten, ihnen so viel zu leisten, wie sie sagen, so müssen sie an seine Zukunft glauben, wie ich an seine Zukunft glaube; dann müssen sie aber auch zur Gewäh- rung von Kredit bereit sein. Zu jedem Geschäft gehört Vertrauen, und wer es uns schenkt, wird nicht ent- täuscht werden.

Ein ähnliches Verhältnis wirtschaftlicher Ergänzung besteht zwischen Deutschland und dem Osten. Auch nach dieser Richtung habe ich nichts von dem zurück- zunehmen, was ich am 14. Februar sagte. Nachdem die Furcht vor der Unterjochung der russischen Wirtschaft durch deutsches Kapital jeden Daseinsgrund verloren hat, sollten sich das deutsche und das russische Volk auf das besinnen, was sie einander zu bieten haben. Dazu gehört freilich, daß das neue Rußland von jeder Form der Vergewaltigung uns gegenüber Abstand nimmt.

Der Herr Abgeordnete Hoch hat soeben an mich die Frage gerichtet, ob es zutrifft, daß die russische Re-

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gierung ausdrücklich und auf das bestimmteste unserer Regierung erklärt hat, sie sei bereit, Frieden zu schlie- ßen, und daß sie gar nicht daran denke, ihre Heere über unsere Grenzen zu führen, daß sie nur verlange, daß auch unsere Heere innerhalb unserer Grenzen bleiben. Eine derartige Erklärung an die deutsche Regierung ist seitens der russischen Regierung nicht erfolgt.

Meine Damen und Herren! Ich habe die dringend- sten Probleme der Gegenwart und der nächsten Zukunft nur flüchtig streifen können. Sie stellen dem Ministe- rium des Auswärtigen, das werden Sie zugeben, Auf- gaben schwerster Art und in größter Zahl. Überall handelt es sich um Neubau, meist um Neubau aus Trümmern heraus. Wie sind diese Aufgaben mit den vorhandenen Kräften zu bewältigen? Ich weiß, daß es eine alte Übung ist, meinem Ministe- rium das Vertrauen zu versagen; die Lösung der Aufgaben wird dadurch nicht erleichtert. Ich weiß, daß man erklärt, im Aus- wärtigen Amte gehe alles seinen alten Schlendrian weiter. Wer das sagt, hat keinen Einblick in die Wand- lungen, die sich bereits vollzogen haben und noch vor- bereiten. Ich habe nicht die Neigung, von derKritik m e i n e r V o r g ä n g e r zu leben; es mag zwar eine reichliche Nahrung sein, aber sie wäre unverdaulich. Ich bin fest entschlossen, Wandel zu schaffen.

Es handelt sich zunächst um eine Reform der Orga- nisation. Statt der bisherigen Einteilung nach Materien führe ich das Regionalsystcm ein. Wäh- rend jetzt Politische Abteilung, Handelsabteilung,

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Rechtsabteilung, Presseabteilung in einer weitgehenden, manchmal verhängnisvollen Selbständigkeit nebenein- ander arbeiteten, werden künftig die Abteilungen nach den großen Kulturkreisen der Erde unterschieden sein, wird jedes wichtige Land seinen Spezialreferenten nicht nur- für hochpolitische, sondern auch für handelspoli- tische und rechtspolitische Angelegenheiten und für An- gelegenheiten des Nachrichten- und Pressewesens haben. Damit wird einerseits die politische Behandlung der einzelnen Länder straffer konzentriert, anderseits eine Reihe wirklicher Sachkenner herangebildet, die das Land in der Gesamtheit seiner Beziehungen übersehen. Außerdem beabsichtige ich, unseren Auslandsmissionen besondere Sachverständige zuzuteilen, denen die Aufgabe z u f a 1 1 e n w i r d t die sozialen Einrichtungen des Landes zu studieren und Fühlung mit den dortigen Arbeiterkreisen zu gewinnen. Eine weitere Einrichtung wird für die Beschaffung wirtschaftlicher Nachrichten getroffen; die jungen Beamten des auswär- tigen Dienstes sollen gerade nach dieser Richtung aus- gebildet und zu eigener Tätigkeit herangezogen werden. Die Einzelheiten der Reform werden die damit beauf- tragten Herren meines Ministeriums im Hauptausschuß darlegen.

Neben der organisatorischen Reform habe ich eine Reform des Personals in Angriff ge- nommen. Sie wissen, daß künftig die Unterscheidung zwischen diplomatischer und konsularischer Laufbahn wegfällt. Dadurch wird die Auswahl unserer Anwärter für die höchsten Posten auf eine wesentlich breitere

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Grundlage gestellt und der Brauch abgeschafft, der diese Posten einem kleinen, auserwählten Kreise vorbehielt.

Es wird sich als notwendig herausstellen, um die Wandlung, die Deutschland innerlich vollzogen hat, auch nach außen zum Ausdruck zu bringen, Verände- rungen auf einigen neutralen Auslandsposten herbeizu- führen, deren jetzige Inhaber aber nicht schon deshalb sämtlich aus dem Reichsdienste endgültig auszuscheiden brauchen. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß es der Regierung offenstehen muß, an einzelne Posten wich- tiger Art im Auslande Männer zu setzen, die durch ihre öffentliche Arbeit das Vertrauen der Heimat gewonnen haben, daß es aber doch die Hauptsache blei- ben wird, für einen hochwertigen fach- männisch gebildeten Eigenersatz zu sorgen.

Für die Durchführung der Reform bedarf es einer erheblichen Vermehrung des Personalbestandes. Am 1. April 1914 zählte der Etat 335 höhere Beamte des auswärtigen Dienstes, am 1. April 1918 waren von diesen 335 nur noch 184 vorhanden. Der Abgang ist nicht nur auf den Abbruch so vieler diplomatischer Beziehungen Deutschlands zurückzuführen, denn seit dem 1. Iuli v. J. hat sich die Zahl wieder um 39, also um beinahe 25 v. H., verringert.

Aber, meine Damen und Herren, vergessen Sie nicht, daß die Reform unter sehr ungünstigen Bedin- gungen erfolgt. Ich kämpfe mit fast unübcrwindbarcn Hindernissen. So seltsam es klingt, das schwerste Hemmnis ist jetzt für mich der mangelnde Raum. Ich bedarf statt des veralteten und auch in seinen neueren

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Teilen unpraktisch gestalteten Dienstgebäudes eines Baues, der auf seinen Zweck hin angelegt ist und für die erforderlichen Arbeiter angemes- sene Arbeitsräume enthält.

Das zweite Hemmnis hängt mit der Finanzlage Deutschlands zusammen. Ich weiß wohl, daß wir mehr als je darauf angewiesen sind, zu sparen und uns einzu- schränken, aber gute Arbeit bekommt man auch heute, und heute mehr als je, nur für gute Entloh- n^u n g. Soll das Auswärtige Ministerium dem deutschen Volke künftig bessere Dienste leisten, als es nach dem Urteile der Welt in den letzten Jahrzehnten geleistet hat, so muß man ihm die nötigen Kräfte schaffen. Ich hoffe deshalb, daß Ihr Hauptausschuß und Sie selbst, meine Damen und Herren, bei aller Sorgfalt der Prüfung und aller Gewissenhaftigkeit im Sparen doch den For- derungen, die ich zu stellen habe, wohlwollendes Ver- stehen entgegenbringen.

Zum Schluß noch eins: auch mit der besten Orga- nisation und dem besten Personal ist keine gute aus- wärtige Politik zu treiben, wenn die Quelle, aus der wir die Kraft für den Außendienst schöpfen, vergiftet wird oder versiegt, wenn das Volk, für das wir arbeiten sollen, sich in innerem Kampf verzehrt und zum Aufbau neuer Werte unfähig wird.

Wenn ich nicht an Deutschlands Zukunft glaubte, hätte ich mein Amt nicht übernommen und stände ich heute nicht vor Ihnen. Lassen Sie mich dem zuver- sichtlichen Vertrauen Ausdruck geben, daß I h r W i 1 1 e zurEinigkeitüberalleParteigegensätze hinweg unserem Volk den Ausweg aus den Gefahren

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zeigen wird, die uns heute von allen Seiten umdrohen, und die doch schließlich nur in einer vertrauensvollen Arbeitsgemeinschaft aller Völker überwunden werden können.

In der Tat, meine Damen und Herren, alle Staaten, die in diesen Weltkrieg verwickelt worden sind, Freunde und Feinde, Sieger und Besiegte, sind in der gleichen Not. Wohl hat Deutschland den tiefsten Sturz durch- gemacht, aber die Zerstörung von Kulturwerten, die dieser Krieg zur Folge hatte, trifft auch die Völker, die sich jetzt im Glanz kriegerischer Erfolge sonnen möch- ten. Sie alle haben Unermeßliches an nationalen Werten opfern müssen. Kaum ein Volk wird von dem Frieden, der in Paris geschlossen wer- densoll,nichtenttäuschtsein,unddiese Enttäuschung birgt in sich eine furcht- bare Gefahr.

Hatte der Krieg, der überall die alten Ordnungen auflöste und die Massen in ein ungewohntes und gewalt- sames Dasein hineinzwang, anarchistischen Ideen Vor- schub geleistet, so wird der Frieden, der statt des er- sehnten Behagens wiederum Mühsal und Entbehrung bringt, den zersetzenden Einflüssen weiter Vorschub leisten. Hier steht der allgemeine Feind, hier ist die allgemeine Aufgabe. Hier hilft kein gegenseitiges Be- schuldigen, kein Grübeln über die Vergangenheit, wir müssen gemeinsam die Hand an das Werk legen, das unseren Kindern und Enkeln eine würdige Zukunft sichern soll.

Ein Symbol dieses Entschlusses ist Deutschlands Verpflichtung, Belgien und Nordfrankreich wieder auf-

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zubauen. Wir sind die Verpflichtung eingegangen in dem vollen Bewußtsein, daß wir sie nur in werktätiger Gemeinschaft mit unseren Gegnern erfüllen können, und wir beklagen es doppelt, daß ihr Mißtrauen die Erfüllung durch gehässigen Mißbrauch unserer Kriegsgefangenen zu erzwingen sucht. Dadurch wird, was ein Werk der Versöhnung sein sollte, eine Saat neuen Hasses.

Wer in Wahrheit danach strebt, daß der Krieg der Welt eine neue Auffassung von dem Zusammenleben der Völker bringen soll, der muß alle Motive des Hasses, der Rache, der Vergeltung aus den Friedensbedingungen zu entfernen suchen. Wenn wir die Frage nach der Schuld stellen und sie offen und wahr beantworten wollen, so geschieht es nicht aus solchen Motiven, son- dern, um die vergangenen Fehler zu erkennen und einen deutlichen Strich unter sie zu machen.

Die Erforschung der Schuld darf nur ein Mittel der politischen Erziehung sein; auch dabei soll der Blick nicht nach rückwärts, sondern nach vorwärts gerichtet werden, in eine Völkergemeinschaft hinein, in der die För- derung der nationalen Interessen nicht mehr im Gegensatz zu dem Dienst an der Menschheitsentwicklung steht.

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Wilsons 14 Punkte als Grundlage für die Friedensverhandlungen Die diplomatische Vertretung Deutschlands nachFriedensschluß

Weimar, 14. April 1919

Frage: Welche Ansprüche wird Deutschland am Friedenstisch erheben?

Antwort: Die Rolle Deutschlands am Friedenstisch wird nicht die sein, Ansprüche zu erheben, sondern An- sprüche abzuwehren. Die deutschen Delegierten wer- den jede Forderung zurückweisen, die sich in wesent- lichen Punkten von dem Programm des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika entfernt. Wir können ebensowenig zugeben, daß deutsches Gebiet unseren Feinden gegeben wird, es sei denn auf Grund der Be- dingungen, über die wir im November 1918 einig ge- worden sind, als Deutschland übertriebene Ersatz- ansprüche zu erfüllen vermag. Wenn Sie von einem deutschen Anspruch reden wollen, so ist es der, daß man die Lebensinteressen Deutsch- lands, ohne deren Wahrung ein dauern- der Weltfrieden unmöglich ist, nicht aus Rachsucht oder aus mangelnder Einsicht verletzt. Zu diesen Lebensinteressen gehört vor allem auch koloniale Betätigung. Es ist im deutschen Volke besonders schmerzlich empfunden worden, daß Präsident Wilson über die deutsche Kolonialarbeit in seiner Einführungsrede zum Völkerbund ein so unge- rechtes Urteil gefällt hat. Mag er das Urteil auch auf

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Urkunden gestützt haben, die ihm von unserem schärf- sten Wettbewerber vorgelegt worden sind, so gebietet es doch der älteste Grundsatz des Rechts, daß er auch den Angeschuldigten hört. Wir hoffen, ihm beweisen zu können, daß das neue Deutschland nicht die Miß- griffe und Vergehungen, an denen kein kolonisierendes Volk der Erde unschuldig ist, sondern die guten Tradi- tionen der jungen deutschen Kolonialpolitik fortzusetzen entschlossen ist.

Frage: Wird Deutschland nach Friedensschluß ein neues diplomatisches Korps ins Ausland schicken?

Antwort: Der auswärtige Dienst des Reiches ist durch den Weltkrieg fast aufgelöst worden. Die große Anzahl der Staaten, die ihre diplomatischen Beziehun- gen mit Deutschland abgebrochen haben, macht eine völlige Neugestaltung der deutschen Auslandsvertretung notwendig. Nach Friedensschluß kann es nicht darauf ankommen, in alle Hauptstädte wieder die Personen zu schicken, denen man bei Kriegsausbruch die Pässe zu- stellte; denn seit jener Zeit hat sich ja auch bei uns ein völliger Umschwung vollzogen. Neue Männer werden nötig sein, und das diplomatische Korps der Zeit nach dem Kriege wird als Ganzes ein anderes Antlitz tragen als das diplomatische Korps vor dem Kriege.

Frage: Welcher Typus von Diplomaten wird Deutschland künftig im Auslande vertreten?

Antwort: Ich habe nicht die Absicht, mich auf einen bestimmten Typus festzulegen. Man wird die besten Kräfte da nehmen, wo man sie findet. Die Haupt- sache wird immer bleiben, daß durch eine sorgfältige, den modernen Anschauungen und Verhältnissen ange-

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paßte Ausbildung ein Ersatz tüchtiger und technisch geschulter Kräfte, deren politische Überzeugung ihnen erlaubt, Vertreter eines demokratischen Deutschlands zu sein, im Auswärtigen Ministerium selbst herangezogen werden. Daneben werden aber Männer des öffentlichen Vertrauens, denen Beruf oder Neigung eine Kenntnis auswärtiger Verhältnisse verschafft hat, an leitende Stellen des diplomatischen Dienstes berufen werden.

Frage: Wer wird wohl nach Washington gesandt werden?

Antwort: Über den künftigen Vertreter Deutsch- lands in Washington ist ein endgültiger Beschluß noch nicht gefaßt, und es steht mir nicht zu, dem Reichs- präsidenten durch vorläufige Mitteilungen in seiner Ent- scheidung vorzugreifen. Jedenfalls aber wird nur ein Mann nach Washington gesandt werden, der mit dem amerikanischen Geiste vertraut ist und den die Regie- rung der Vereinigten Staaten als genehm bezeichnet. Wir sind zu sehr überzeugt von der Wichtigkeit unserer künftigen Beziehungen zu dem großen Gegner, der ohne materielle Ziele in den Krieg eingetreten ist, als daß wir nicht den größten Wert darauf legen sollten, bei seiner Regierung in würdigster Weise vertreten zu sein.

Frage: Wird die innere Politik einen Einfluß auf die Auswahl oder die Instruktionen der diplomatischen Vertreter Deutschlands ausüben?

Antwort: Ich habe schon gesagt, daß keine Per- sönlichkeit das neue Deutschland im Ausland vertreten kann, die seiner jetzigen Gestaltung innerlich feindlich gegenübersteht. Im übrigen aber ist es mein fester

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Wille, die auswärtige Politik von den Schwankungen der inneren Verhält- nisse und von dem Einfluß der Tages- meinungen unsererZeitungen und Parla- mente unabhängig zu machen. Selbstver- ständlich muß die auswärtige Politik mit den inneren Verhältnissen in Fühlung bleiben. Dafür wird die neue Einrichtung eines Ausschusses für äußere Politik sorgen, der bei der Nationalversammlung gebildet wird und ver- mutlich seine Fortsetzung in einem Ausschuß des spä- teren Reichstages findet.

Frage: Können Sie mir nicht selbst noch einiges mitteilen, was das amerikanische Volk interessieren würde?

Antwort: Vielleicht ist es für Ihre Öffentlichkeit von Wert, wenn ich meiner Überzeugung Ausdruck gebe, daß Deutschland in Zukunft bei dem Wiederauf- bau seiner durch den Krieg und die Revolution an den Rand des Verderbens gebrachten Volkswirtschaft auf die materielle und geistige Beihilfe Amerikas in beson- derem Umfange angewiesen ist, und daß es diese Hilfe gerade von Amerika aus dem Grunde gern annehmen wird, weil es von dieser Seite keine politische Benach- teiligung zu fürchten hat. Es ist der Revers der Monroe- Doktrin, daß die Vereinigten Staaten an Deutschland keine territorialen Ansprüche stellen und sein Gebiet nicht mit politischen Hypotheken belasten. Über kolo- niale Fragen werden wir uns verständigen müssen. Das amerikanische Volk kann uns aber noch mehr geben als wirtschaftliche Vorteile. Die deutsche Verfassung, die

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wir neu zu gründen im Begriff sind, enthält viele Pa- rallelen zu der amerikanischen, und bei ihrer Durchfüh- rung werden uns amerikanische Staatsmänner und Rechtslehrer als Wegweiser von großer Bedeutung werden können.

Unterredung mit dem Vertreter des „International News Service", New York, Alfred G. Andersen

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Ehrliche Verständigung Ziel der Friedens- verhandlungen

Weimar, 15. April 1919

Frage: Haben Euere Exzellenz die Nachrichten in der Presse über die Uneinigkeit der Alliierten in Paris gelesen und davon gehört, daß man vermutet, Deutsch- land werde diese Uneinigkeit ausnützen, um den einen Gegner gegen den andern auszuspielen.

Antwort: Allerdings habe ich die Meldungen der Presse über diese Vorgänge gelesen; aber ich glaube, daß man diese Uneinigkeit nicht überschätzen darf. Die Verbindung zwischen unseren Gegnern hat vier Kriegs- jahre überdauert. Das schafft so viele Gemeinsamkeiten, so viele Fäden von einem Land zum andern, daß ich nicht recht an Schwierigkeiten glauben kann, die so un- überwindlich wären, daß sie einen Bruch zwischen un- seren Gegnern herbeiführen könnten.

Frage: Man hat doch aber Grund anzunehmen, daß es Uneinigkeiten sehr starker Natur sind, die sich auf der Konferenz geltend machen!

Antwort: Sie wollen mir also durchaus die Rolle eines Talleyrand bei der kommenden Vorfriedensbe- sprechung aufzwingen. Aber es kommt heute auf ganz andere Dinge an als vor hundert Jahren. Heute nehmen die Völker selbst aktiv an dem Gang der Geschichte teil. Das gibt einen ganz anderen Hintergrund für Friedens- verhandlungen. Außerdem wäre es auch ein törichtes Unterfangen, den einen unserer Gegner gegen den an- deren ausspielen zu wollen. Es bestehen hier viel zu

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nahe Beziehungen, als daß ein solcher Versuch nicht bald ans Tageslicht käme. Ich glaube, daß es der Frie- densdelegierten einer Nation von 70 Millionen würdiger ist, offen und ehrlich alle Gegner von der Rechtmäßig- keit alles dessen zu überzeugen, was wir erstreben, als durch kleinliches Intrigenspiel die politische Atmo- sphäre, die noch immer von der ganzen Hetze der Kriegsmacher vergiftet ist, bereits wieder mit neuem Explosivstoff zu füllen. Nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt hat in diesen vier Jahren so schwere Wunden davongetragen, daß alle an einem möglichst ge- regelt verlaufenden Heilungsprozesse interessiert sein müssen. Vor allem, was die ökonomische Sanierung der Welt angeht, so muß allen unseren Gegnern gleichviel daran gelegen sein, daß wir die Fähigkeit behalten, un- seren Verpflichtungen nachzukommen, ebenso wie wir daran interessiert sind, in unserem künftigen Handels- verkehr mit Kontrahenten zu tun zu haben, auf deren Solidität wir uns verlassen können. Es ergeben sich hieraus für alle Teilnehmer der endgültigen Friedens- besprechungen so viele gemeinschaftliche Interessen, daß bei einigermaßen gutem Willen ein Boden für eine ehr- liche Verständigung gegeben ist. Ehrliche Verständigung aber bedeutet uns Rechtsfrieden. Ein Talleyrand, der Politik mit Personen und nicht mit Völkern treibt, würde einen solchen jedoch heute ebensowenig zustande brin- gen wie vor hundert Jahren.

Unterredung mit dem Berliner Vertreter der Wiener „Neuen Freien Presse". Dr. Paul Goldmann

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Saargebiet und linkes Rheinufer

Weimar, 15. April 1919

Frage: Welche Stellung nimmt die Deutsche Re- gierung zu der anscheinend halbamtlichen Havas-Mel- dung ein, die von der in Paris getroffenen Entscheidung über die Saar-Frage und die militärische Grenzlinie am Rheinufer berichtet?

Antwort: Ich kann zunächst nicht glauben, daß der Bericht mehr als ein Versuchsballon ist, um festzustellen, welche Zumutungen die öffentliche Meinung in Deutsch- land ertragen kann. Der angebliche Inhalt der Bestim- mungen steht zu sehr im Widerspruch mit den Grund- sätzen, die Präsident Wilson als Unterlagen für den Friedensschluß verkündet hat, und die von beiden Kriegs- parteien im November 1918 angenommen worden sind.

Frage: Aber die Meldung legt doch gerade Gewicht auf die Auffassung, daß die Grundsätze des Völker- bundes auf die vorgeschlagene neue Regelung der Saar- Frage Anwendung finden sollen!

Antwort: Das ist eben eine sehr kühne Behauptung. Wenn Frankreich das dauernde Eigentum an den Kohlenbergwerken der Saar erhält, wenn französische Gesetze dort maßgebend sein sollen, wenn die Ein- wohner keine Abgeordneten in das deutsche Parlament entsenden dürfen, wenn Frankreich die Polizeirechte ausübt, und wenn dieser Zustand 15 Jahre andauert, be- vor die Einwohner über ihre künftige Nationalität ab- stimmen dürfen, so ist das nichts als eine schlecht verhüllte Annexion. Gewalt würde

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der ganzen Bevölkerung angetan, weil ein fremder Staat die Schätze ihres Bodens besitzen will.

Frage: Aber die Staatsgewalt über jenes Gebiet soll nach der Havas-Meldung doch der Völkerbund über- nehmen?

Antwort: Was bleibt von der Staatsgewalt für den Völkerbund übrig? Das ist nichts weiter als eine Ver- beugung vor der Idee des Völkerbundes, einer Idee, die man durch diese Tat aufs schwerste verletzen würde. Es ist ausgeschlossen, daß die gut deutsche Bevölkerung der Saar sich freiwillig einer solchen Staatshoheit unter- werfen würde.

Frage: Sind Sie nicht dennoch der Ansicht, daß Deutschland den Vorschlag annehmen sollte, um Frank- reich für die Zerstörung der Kohlenbergwerke in seinen nördlichen Provinzen zu entschädigen?

Antwort: Ich werde einen Friedensvertrag, der diese Bestimmungen enthält, niemals unterzeichnen, und ich weiß, daß ich damit nur die Auffassung der ganzen gegenwärtigen Regierung vertrete. Ich bin aber auch überzeugt, daß selbst, wenn die Delegierten zur Unter- schrift geneigt wären, die Deutsche Nationalversamm- lung den Friedensvertrag ablehnen würde. Selbstver- ständlich hat Frankreich einen Anspruch auf Schaden- ersatz für seine zerstörten Bergwerke. Deutschland ist bereit und fähig, diesen Schadenersatz zu leisten. Wenn an Stelle von Machtpolitikern erfahrene Geschäftsleute diese Frage zu regeln hätten, so würden sie einen Weg finden, der Frankreich sicherer zu einem hinreichenden Ersatz verhelfen und dabei zu einer Annäherung statt zu einer dauernden Entfremdung der beiden Völker

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führen würde. Wir sind bereit, den französischen Friedensdelegierten entsprechende Vorschläge zu machen, und wir hoffen, daß sich bei den Verhand- lungen das Mißtrauen zerstreuen läßt, das der Entente bisher ihre unzweckmäßigen und vom Standpunkt einer höheren politischen Warte aus nicht zu rechtfertigenden Verdächtigungen aller deutschen Handlungen im Welt- kriege eingegeben hat. Der Weltkrieg sollte uns doch durch die Erfahrungvon der S o - lidaritätdesLeidens, die erunsgebracht hat, über die Solidaritätunsererwahren Interessen aufgeklärthaben.

Frage: Ist die Haltung der Deutschen Regierung in der Frage des linken Rheinufers die gleiche wie in der Saar-Frage?

Antwort: Eine Entwaffnung Deutschlands an seiner Rheingrenze würde erträglich sein, wenn sie auf Gegen- seitigkeit beruhte. Unerträglich ist aber ein einseitiges dauerndes Besetzungsrecht Frankreichs hinsichtlich der Brückenköpfe und Eisenbahnknotenpunkte der Rhein- lande. Der Gedanke, finanzielle Verpflichtungen ließen sich nur durch territoriale Okkupationen sichern, ist ver- altet und mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker nicht vereinbar. Im übrigen sind die auf die Besetzung bezüglichen Angaben des Berichtes der ,,Agence Havas" nicht klar genug, um ein abschließendes Urteil zu er- möglichen. Die Deutsche Regierung hält jedenfalls an der Notwendigkeit fest, daß mit Abschluß des Friedens der Grund für die Besetzung deutschen Gebietes durch feindliche Truppen fortfällt.

Unterredung mit dem Sonderkorrespondenten der „New York^Sun", Karl^H. von Wienand

21. April 1919 105

Wirtschaftlicher Ausgleich mit Frankreich

Die Gefahr politischer Gruppenbildungen für

den Völkerbundgedanken

Berlin, 21. April 1919

Frage: Das deutsche Volk ist in schwerster Sorge wegen des Saargebietes, dessen Losreißung ihm droht, wenn der Bericht der Agence Havas über die ihm zuge- muteten Friedensbedingungen zutrifft. Wie kann und wie soll der Gefahr begegnet werden? Kann die Mög- lichkeit, die angekündigten Bedingungen anzunehmen, überhaupt erwogen werden?

Antwort: Wie ich schon bei anderer Gelegenheit betonen konnte, waren die Nachrichten über die Forde- rungen der Entente bisher so widerspruchsvoll, daß man auch jetzt in der Stellungnahme zum Bericht der Agence Havas vorsichtig sein sollte. Wir fußen auf dem Wilson- programm, das nichts davon enthält, daß über Gebiete, deren nationale und geschichtlich überlieferte Zuge- hörigkeit zu unserem Staatswesen außerhalb jeder Er- örterung steht, irgendwann, gleichgültig ob jetzt oder später, abgestimmt werden soll. Wir erkennen keine Möglichkeit, die Frage auch nur zu erwägen, ob wir das Saargebiet der Kontrolle unterwerfen sollen, von der die Agence Havas spricht; wir sind aber bereit, die Frage eines wirtschaftlichen Ausgleiches mit Frankreich ganz unbefangen und mit dem besten Willen zur Verständigung zu prüfen. Die Bedingungen, unter denen dieser Ausgleich stattfinden könnte, sind von der Natur selbst gegeben, und wir, wie unsere Nach-

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barn, brauchten diese geographisch-wirtschaftlichen Verhältnisse nur zu akzeptieren, wie sie das Schicksal uns darbietet, um die Interessen und die berechtigten Ansprüche auf beiden Seiten zu befriedigen.

Frage: Glauben Sie, Herr Graf, daß der Druck des öffentlichen Gewissens in den westlichen Ländern mit der Zeit doch stark genug werden könnte, um die Re- gierung von der gefährlichen Bahn einer Politik abzu- bringen, die, indem sie uns zur Verzweiflung treiben müßte, den Frieden selbst mit Verderben bedrohen würde?

Antwort: Statt der Antwort nur ein Hinweis, der auch Sie speziell interessieren wird: Wir hören von der Gegenseite kein präzises Wort der Verweigerung des Zusammenschlusses zwischen uns und Deutsch-Öster- reich. Wir hören und erfahren wohl, daß diese natur- notwendige Entwickelung teils mit verdrossenen Mienen als eine Unvermeidlichkeit anerkannt und teils bekämpft oder vielmehr unterwühlt wird; aber ein energisches Nein haben wir bisher nicht vernommen. Wie kommt das? Nach meiner Meinung daher, daß auch die bitterste gegen uns gerichtete Feindseligkeit eine Scheu emp- finden muß, den unwiderstehlichen Triebkräften des nationalen Gemeinschaftslebens Gewalt anzutun.

Frage: Was aber wird geschehen, wenn die Entente- forderung hinsichtlich des Saargebietes abgelehnt wird?

Antwort: Unsere Ziele sind derart, daß die Völker der Entente in ihnen ebenso wie wir die Erfüllung des Wilsonschen Programms der Versöhnung und der Ge- rechtigkeit erblicken müßten. Wir wollen die Durch- führung dieses Programms. Ich habe mich neulich da-

21. April 1919 107

gegen ausgesprochen, daß immer wieder Untersuchungen darüber angestellt werden, welche Bündnismöglichkeiten wir in Zukunft wählen, welche wir ablehnen sollen. Ich benutze gern die Gelegenheit, um es zu wiederholen: Eine Rückkehr zu dem früheren System einer auf i m p e r i a 1 i s t is c h e r G r u n d 1 a g e beruhenden Politik der Gruppenbildun- gen würde bedeuten, daß der Völker- bundsgedanke in dem Augenblick ent- wertet wäre, wo er verwirklicht werden soll. Und weil es uns ernst ist mit der Sicherung des Friedens für die allzulange gequälte Welt, darum müssen wir daran festhalten, daß kein Friede möglich ist, der auch nur einen Rest von Vergewaltigung enthält.

Unterredung mit dem Vertreter des „Neuen Wiener Tagblattes"

Versailles Weimar

4. Mai 1919 111

Zurückweisung feindlicher Preßauslassungen

Versailles, 4. Mai 1919

Ich gelte bei einigen Leuten als ein Scharfmacher, aber das sind Leute, die mich nicht kennen oder ihre eigenen Zwecke verfolgen. Es fällt mir nicht ein, etwas zu tun, was die heikle Situation noch heikler macht. Wo sich die Möglichkeit einer Anbah- nung ergibt, wird sie verfolgt. Halten Sie es für keine Phrase, wenn ich sage, ich habe keinen anderen Ehrgeiz als den, meinem Lande nach bester Einsicht zu dienen. Es ist auch falsch, daß ich jemals die Politik verfolgt hätte, auf Mißhelligkeiten zwischen den Alliierten zu rechnen. Eine solche Spekulation halte ich für eine schlechte Politik, weil sie unehrlich, töricht und aussichtslos ist. Weniger die politischen, als die wirtschaftlichen Fragen schmieden un- sere Gegner so fest zusammen, daß es kaum denkbar ist, sie auseinanderzubringen. Wenn heute aus Amsterdam gemeldet wird, Amerikaner und Engländer suchten mit Deutschland in wirtschaftlichen Fragen Füh- lung zu nehmen, so halte ich dies für eine Meldung, die ganz wo anders gemacht ist als in Amsterdam. Ich weiß davon nichts. Was wird überhaupt nicht alles erzählt. Da steht in Pariser Zeitungen, ich hätte mich vor C a m b o n gebeugt und ernst gestanden; als die Voll- machten ausgetauscht wurden, hätte ich mich tief ver- beugt und mit Grabesstimme gesagt: Je vous remercie profondement. Ja, mein Gott, ich habe doch kein Theater gespielt. Gebeugt habe ich mich, weil ich

112 Mai 1919

länger gewachsen bin als Herr Cambon, ernst mag ich auch gewesen sein, denn wir sind ja auf keiner Vergnü- gungsreise; aber Grabesstimme, nein, da muß ich bitten. Und weshalb soll ich für den ganz selbstverständlichen Wunsch, daß wir zu einem Frieden kommen sollen, ge- dankt haben? Ich habe überhaupt keinWortfran- zösischgesprochen, sondern nur deutsch. Nach den ersten Worten habe ich Minister Landsberg vorgestellt, und der hat die Unterredung über die For- malien weitergeführt.

Äußerungen gegenüber dem Sonderberichterstatter des „Berliner Tageblattes", Paul Block

7. Mai 1919 113

Rede bei der Überreichung

des Vertragsentwurfes durch die Alliierten

und Assoziierten Mächte

Versailles, 7. Mai 1919

Meine Herren! Wir sind tief durchdrungen von der erhabenen Aufgabe, die uns mit Ihnen zusammen- geführt hat: der Welt rasch einen dauernden Frieden zu geben. Wir täuschen uns nicht über den Umfang un- serer Niederlage, den Grad unserer Ohnmacht. Wir wissen, daß die Gewalt der deutschen Waffen gebrochen ist; wir kennen die Wucht des Hasses, die uns hier ent- gegentritt, und wir haben die leidenschaftliche Forde- rung gehört, daß die Sieger uns zugleich als Überwun- dene zahlen lassen und als Schuldige bestrafen sollen.

Es wird von uns verlangt, daß wir uns als die allein Schuldigen am Kriege bekennen; ein solches Bekenntnis wäre in meinem Munde eine Lüge. Wir sind fern davon, jede Verantwortung dafür, daß es zu diesem Weltkriege kam, und daß er so geführt wurde, von Deutschland ab- zuwälzen. Die Haltung der früheren Deutschen Regie- rung auf den Haager Friedenskonferenzen, ihre Hand- lungen und Unterlassungen in den tragischen zwölf Juli- tagen mögen zu dem Unheil beigetragen haben, aber wir bestreiten nachdrücklich, daß Deutschland, dessen Volk überzeugt war, einen Verteidigungskrieg zu führen, allein mit der Schuld belastet ist.

Keiner von uns wird behaupten wollen, daß das Unheil seinen Lauf erst in dem verhängnisvollen Augen- blick begann, als der Thronfolger Österreich-Ungarns

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114 7. Mai 1919

den Mörderhänden zum Opfer fiel. In den letzten 50 Jahren hat der Imperialismus aller europäischen Staaten die internationale Lage chronisch vergiftet. Die Politik der Vergeltung wie die Politik der Expansion und die Nichtachtung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker hat zu der Krankheit Europas beigetragen, die im Weltkrieg ihre Krisis erlebte. Die russische Mobil- machung nahm den Staatsmännern die Möglichkeit der Heilung und gab die Entscheidung in die Hand der mili- tärischen Gewalten.

Die öffentliche Meinung in allen Ländern unserer Gegner hallt wider von den Verbrechen, die Deutsch- land im Kriege begangen habe. Auch hier sind wir be- reit, getanes Unrecht einzugestehen. Wir sind nicht hierhergekommen, um die Verantwortlichkeit der Männer, die den Krieg politisch und militärisch geführt haben, zu verkleinern und begangene Frevel wider das Völkerrecht abzuleugnen. Wir wiederholen die Erklä- rung, die bei Beginn des Krieges im Deutschen Reichs- tag abgegeben wurde: Belgien ist Unrecht geschehen, und wir wollen es wieder gutmachen.

Aber auch in der Art der Kriegführung hat nicht Deutschland allein gefehlt. Jede europäische Nation kennt Taten und Personen, deren sich die besten Volks- genossen ungern erinnern. Ich will nicht Vorwürfe mit Vorwürfen erwidern, aber wenn man gerade von uns Buße verlangt, so darf man den Waffenstillstand nicht vergessen. Sechs Wochen dauerte es, bis wir ihn er- hielten, sechs Monate, bis wk Ihre Friedensbedingungen erfuhren. Verbrechen im Kriege mögen nicht zu ent- schuldigen sein, aber sie geschehen im Ringen um den

7. Mai 1919 115

Sieg, in der Sorge um das nationale Dasein, in einer Leidenschaft, die das Gewissen der Völker stumpf macht. Die Hunderttausende von Nichtkämpfern, die seit dem 11. November an der Blockade zugrunde gingen, wurden mit kalter Überlegung getötet, nachdem für unsere Geg- ner der Sieg errungen und verbürgt war. Daran denken Sie, wenn Sie von Schuld und Sühne sprechen.

Das Maß der Schuld aller Beteiligten kann nur eine unparteiische Untersuchung feststellen, eine neutrale Kommission, vor der alle Hauptpersonen der Tragödie zu Worte kommen, der alle Archive geöffnet werden. Wir haben eine solche Untersuchung gefordert, und wir wiederholen die Forderung.

Bei dieser Konferenz, wo wir allein, ohne Bundes- genossen, der großen Zahl unserer Gegner gegenüber- stehen, sind wir nicht schutzlos. Sie selbst haben uns einen Bundesgenossen zugeführt: das Recht, das uns durch den Vertrag über die Friedensgrundsätze gewähr- leistet ist. Die Alliierten und Assoziierten Regierungen haben in der Zeit zwischen dem 5. Oktober und dem 5. November 1918 auf den Machtfrieden verzichtet und den Frieden der Gerechtigkeit auf ihr Panier geschrie- ben. Am 5. Oktober 1918 hat die Deutsche Regierung die Grundsätze des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika als Friedensbasis vorgeschlagen, am 5. No- vember hat ihr der Staatssekretär Lansing erklärt, daß die Alliierten und Assoziierten Mächte mit dieser Basis unter zwei bestimmten Abweichungen einverstanden seien. Die Grundsätze des Präsidenten Wilson sind also für beide Kriegsparteien, für Sie wie für uns, und auch für unsere früheren Bundesgenossen bindend geworden.

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116 7. Mai 1919

Die einzelnen Grundsätze fordern von uns schwere nationale und wirtschaftliche Opfer. Aber die heiligen Grundrechte aller Völker sind durch diesen Vertrag ge- schützt. Das Gewissen der Welt steht hinter ihm; keine Nation wird ihn ungestraft verletzen dürfen.

Sie werden uns bereit finden, auf dieser Grundlage den Vorfrieden, den Sie uns vorlegen, mit der festen Ab- sicht zu prüfen, in gemeinsamer Arbeit mit Ihnen Zer- störtes wieder aufzubauen, geschehenes Unrecht, in erster Linie das Unrecht an Belgien, wieder gutzumachen und der Menschheit neue Ziele politischen und sozialen Fortschritts zu zeigen. Bei der verwirrenden Fülle von Problemen, die der gemeinsame Zweck aufwirft, sollten wir möglichst bald die einzelnen Hauptaufgaben durch besondere Kommissionen von Sachverständigen auf der Grundlage des von Ihnen vorgelegten Entwurfs erörtern lassen. Dabei wird es unsere Hauptaufgabe sein, die verwüstete Menschenkraft der beteiligten Völker durch einen internationalen Schutz von Leben, Gesundheit und Freiheit der arbeitenden Klassen wieder aufzurichten.

Als nächstes Ziel betrachte ich den Wiederaufbau der von uns besetzt gewesenen und durch den Krieg zerstörten Gebiete Belgiens und Nordfrankreichs. Die Verpflichtung hierzu haben wir feierlichst übernommen, und wir sind entschlossen, sie in dem Umfang auszu- führen, der zwischen uns vereinbart ist. Dabei sind wir auf die Mitwirkung unserer bisherigen Gegner ange- wiesen. Wir können das Werk nicht ohne die tech- nische und finanzielle Beteiligung der Sieger vollenden; Sie können es nur mit uns durchführen. Das verarmte Europa muß wünschen, daß der Wiederaufbau mit so

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großem Erfolg und so wenig Aufwand wie möglich durch- geführt wird. Der Wunsch kann nur durch eine klare geschäftliche Verständigung über die besten Methoden erfüllt werden. Die schlechteste Methode wäre, die Ar- beit weiter durch deutsche Kriegsgefangene besorgen zu lassen. Gewiß, diese Arbeit ist billig. Aber sie käme der Welt teuer zu stehen, wenn Haß und Verzweiflung das deutsche Volk darüber ergreifen würde, daß seine gefangenen Söhne, Brüder und Väter über den Vor- frieden hinaus in der bisherigen Fron weiter schmach- teten. Ohne eine sofortige Lösung dieser allzulange verschleppten Frage können wir nicht zu einem dauern- den Frieden gelangen.

Unsere beiderseitigen Sachverständigen werden zu prüfen haben, wie das deutsche Volk seiner finanziellen Entschädigungspflicht Genüge leisten kann, ohne unter der schweren Last zusammenzubrechen. Ein Zusam- menbruch würde die Ersatzberechtigten um die Vorteile bringen, auf die sie Anspruch haben, und eine unheil- bare Verwirrung des ganzen europäischen Wirtschafts- lebens nach sich ziehen. Gegen diese drohende Gefahr mit ihren unabsehbaren Folgen müssen Sieger wie Be- siegte auf der Hut sein. Es gibt nur ein Mittel, um sie zu bannen: das rückhaltlose Bekenntnis zu der wirt- schaftlichen und sozialen Solidarität der Völker zu einem freien und umfassenden Völkerbund.

Meine Herren! Der erhabene Gedanke, aus dem furchtbarsten Unheil der Weltgeschichte durch den Völkerbund den größten Fortschritt der Menschheits- entwicklung herzuleiten, ist ausgesprochen und wird sich durchsetzen; nur wenn sich die Tore zum Völkerbund

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allen Nationen öffnen, die guten Willens sind, wird das Ziel erreicht werden, nur dann sind die Toten dieses Krieges nicht umsonst gestorben.

Das deutsche Volk ist innerlich bereit, sich mit seinem schweren Los abzufinden, wenn an den verein- barten Grundlagen des Friedens nicht gerüttelt wird. Ein Frieden, der nicht im Namen des Rechts vor der Welt verteidigt werden kann, würde immer neue Wider- stände gegen sich aufrufen. Niemand wäre in der Lage, ihn mit gutem Gewissen zu unterzeichnen, denn er wäre unerfüllbar. Niemand könnte für seine Ausführung die Gewähr, die in der Unterschrift liegen soll, übernehmen.

Wir werden das uns übergebene Dokument mit gutem Willen und in der Hoffnung prüfen, daß das End- ergebnis unserer Zusammenkunft von uns allen gezeich- net werden kann.

10. Mai 1919 119

Die Überreichung der Friedensbedingungen

Versailles, 10. Mai 1919

Frage; Die Pariser und die englische Presse ent- hält wieder abenteuerliche Gerüchte über die Absichten der deutschen Delegation, besonders über die angeblich bevorstehende Abreise Euerer Exzellenz. Wie ist Ihre Stellungnahme zu diesen Gerüchten?

Antwort: Die meisten Nachrichten der feindlichen Presse sind vollständig aus der Luft gegriffen. Die Arbeit der Delegation und ihrer Kommissionen, die täglich zu Sitzungen zusammenkommen, gehen in aller Ruhe weiter. Einige Mitglieder der Delegation sind nach Berlin abge- reist, da ihre dortige Anwesenheit durchaus notwendig ist. Ich bleibe auf alle Fälle vorerst in Versailles.

Frage: Zu diesen Gerüchten gehört auch die heu- tige Pressenotiz, wonach Sie, Herr Minister, Mittel und Wege suchen, um Fühlung mit Wilson und Lloyd George zu bekommen?

Antwort: Diese Absicht liegt mir, abgesehen da- von, daß ich von der Unmöglichkeit ihrer Verwirk- lichung überzeugt bin, völlig fern. Daß ich mich am Tage nach der Übergabe der Friedensbedingungen be- sonders eingehend mit den Mitgliedern der Delegation beschäftigt habe, liegt auf der Hand. Die feindliche Presse sucht von der Verlegenheit, in die der Verband durch meine Erklärungen geraten ist, die Aufmerksam- keit der Öffentlichkeit abzulenken. Sie bezichtigt mich der Unhöflichkeit, deren ich mich dadurch schuldig ge- macht hätte, daß ich während meiner Erklärungen nicht aufgestanden, sondern sitzen geblieben sei. Dann wieder

120 10. Mai 1919

behauptet sie, Clemenceau's Worte hätten so auf mich gewirkt, daß mich alle Kraft verlassen hätte. Ferner hätte ich, abgesehen von meiner Totenblässe, meine Aufregung dadurch gezeigt, daß ich ein auf dem Tisch liegendes Papiermesser zerbrochen und beim Verlassen des Saales eine brennende Zigarette vor die Füße eines Offiziers geworfen hätte. Ich kann über diese albernen Bosheiten nur mitleidig lächeln. Das Messer, das vor mir gelegen haben soll, habe ich überhaupt nicht ge- sehen. Wenn ich sitzen blieb, während Clemenceau stand, so hatte das seinen wohlerwogenen Grund. Daß ich die Minister der Entente in Verlegenheit gebracht habe, geht am besten daraus hervor, daß die Pariser Blätter mich als arrogant bezeichnen, während die japanische Presse be- hauptet, meine Rede habe verdient, von der Welt gehört zu werden.

Frage: Heute veröffentlicht der „Temps" die dem Verbände überreichten deutschen Noten. Ist daraufhin irgend etwas von seiten des Verbandes erfolgt?

Antwort: Bisher nicht. Wir haben aber noch weitere Noten verfaßt, die heute überreicht werden sollen, darunter den Entwurf eines Abkommens über inter- nationales Arbeiterrecht.

Frage: Warum wurde als erster deutscher Gegen- vorschlag der deutsche Völkerbundentwurf überreicht?

Antwort: Diese Reihenfolge ergab sich daraus, daß ja auch die Artikelfolge der Friedensbedingungen mit dem Völkerbund beginnt. Es hat im übrigen nahegelegen, gerade mit diesem Vorschlag anzufangen.

Unterredung mit dem Sonderberichterstatter der „Deutschen Allgemeinen Zeitung"

13. Mai 1919 121

Deutschland als freies, gleichberechtigtes Mitglied der Völkergemeinschaft

Versailles, 13. Mai 1919

Frage: Nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt ist die Ansicht hervorgetreten, daß der Ent- wurf eines Präliminarfriedens, der der Deutschen Frie- densdelegation in Versailles vorgelegt ist, nichts als innere Widersprüche enthält, und daß es deshalb un- verständlich ist, wie Staatsmänner von der Erfahrung und der Bedeutung eines Clemenceau, eines Lloyd Ge- orge und eines Wilson solche in sich widerspruchsvollen und zum großen Teil undurchführbaren Forderungen und Vorschläge aufstellen konnten. Angesichts dieser Tatsache erscheint die Frage um so berechtigter, wie Deutschland sich gegenüber diesen Wünschen der En- tente verhalten kann und muß?

Antwort: Es ist zutreffend, daß der Entwurf des Vertrages, den wir seit letztem Mittwoch studieren, zu- nächst einfach unverständlich erscheint, weil er Unmög- liches von Deutschland verlangt. Trotzdem ist es aber notwendig, sich Klarheit darüber zu verschaffen, aus welchen Überlegungen heraus die Entente zu diesem Entwurf gekommen sein mag, und welches Ziel sie mit ihm erreichen will. Nach meiner Überzeugung ist nun der Zweck, den die Entente mit ihrem Friedensentwurf verfolgt, die Erlangung materieller Garantien gegen Deutschland. Dieser Umstand beweist aber nach meiner Auffassung, daß die Entente sich mit moralischen Ga- rantien von unserer Seite nicht begnügen will, und daß

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sie glaubt, sich mit ihnen nicht begnügen zu können. Mit anderen Worten: der Entwurf der Entente ist vom tief- sten Mißtrauen gegen Deutschland eingegeben. Sie will sich nicht darauf verlassen, daß Deutschland von sich aus das Wort hält, das es bei der etwaigen Unterzeich- nung eines Friedensvertrages geben wird. Die Entente will alle Mittel selbst in der Hand haben, um die Durch- führung eines solchen Vertrages überwachen und, wenn nötig, ohne besondere Kraftaufwendung erzwingen zu können.

Frage: Wenn das unbedingte und unbegrenzte Miß- trauen gegen Deutschland die Grundlage des Vertrags- entwurfes der Entente ist: wie glaubt Deutschland die- sem Mißtrauen entgegenzutreten und es widerlegen zu können?

Antwort: Durch die Tat. Wir selbst wissen, daß das neue Deutschland mit den Grundsätzen und Ge- wohnheiten gebrochen hat, die die Ursachen für das Mißtrauen unserer Gegner sind. Aber wir müssen uns klar machen, daß wir bisher noch keine Gelegenheit ge- habt haben, auf dem Boden internationaler Verhand- lungen den Nachweis hierfür zu liefern. Wir können deshalb auch vorläufig nicht verlangen, daß unsere Geg- ner blindlings unseren Versicherungen über die bei uns eingetretenen äußeren und inneren Umwälzungen Glauben schenken. Verlangen können und verlangen müssen wir dagegen, daß die Entente uns Gelegenheit gibt, durch Handlungen den zwingenden Beweis für die neue Gesinnung des neuen Deutschland zu liefern. Nicht durch Worte allein, sondern vor allem durch Taten müssen wir etwas anderes, etwas Neues und Besseres

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an Stelle der Politik setzen, die seinerzeit die Vertreter des früheren Deutschland bei den Friedenskonferenzen im Haag und auch noch während des Krieges befolgt haben. Die erste Gelegenheit hierzu werden uns die Verhandlungen bieten, zu denen die Deutsche Republik uns nach Versailles gesandt hat. Die wichtigste Vor- aussetzung dafür ist aber, daß unsere Gegner nichts Un- mögliches von uns verlangen. Da ich weiß, daß das neue Deutschland gerade im Punkte der internationalen und diplomatischen Glaubwürdigkeit sich von der Ver- gangenheit in allen wesentlichen Punkten unterscheidet, da ich weiß, daß wir aufrichtig und ohne Hintergedanken handeln wollen und handeln werden, so bin ich auch davon überzeugt, daß unsere Gegner diesen Tatsachen gegenüber die Augen nicht werden verschließen können.

Frage: Ist es wahrscheinlich, daß alle Mitglieder der Entente gleichmäßig und gleichzeitig zum Bewußt- sein dieser inneren Wandlung Deutschlands kommen werden?

Antwort: Meinen Sie damit etwa, daß wir auf Meinungsverschiedenheiten im Lager unserer Gegner rechnen und daraus Nutzen ziehen sollten? Wenn Sie das tun, so muß ich Ihre Frage entschieden ablehnen. Meinungsverschiedenheiten zwischen unseren Gegnern auszunutzen oder sie vielleicht sogar zu fördern, würde ein Rückfall in die Methoden einer Politik sein, die wir, ich kann wohl sagen, für immer, aufgegeben haben. Ich weiß, daß diese meine Erklärung als ein neuer Beweis unserer Hinterlist ausgelegt werden, und daß man in dieser Ablehnung jeder Intrige die raffinierteste Intri- genpolitik erblicken könnte. Aber ich glaube diesem

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Einwand am besten dadurch zu begegnen, daß ich die Folgen darlege, die nach meiner Überzeugung eine solche Uneinigkeit unserer Gegner für uns haben könnte. Deutschland würde die festen Grundlagen für seine wei- teren Entschließungen unter den Füßen verlieren und sich aufs neue auf einem unbegrenzten Meere der Un- gewißheit ausgesetzt sehen. Jeder Mensch, der jemals im Leben praktisch tätig gewesen ist, weiß, daß kein Unglück so groß ist wie die Ungewißheit über die nächste Zukunft. Deutschland und sein Schicksal würde der Gegenstand des Zankes zwischen unseren Gegnern wer- den. Wir würden das Streitobjekt und zugleich der Kampfplatz dieses Streites werden, und dabei würde das Wenige, das herzlich Wenige, was uns in unserem Zusammenbruche noch geblieben ist, endgültig zerstört werden. Wir würden also nichts durch einen solchen Zank gewinnen, wohl aber alles bis auf das Letzte aufs Spiel setzen.

Wir wünschen eine organisierte Welt, in der Deutschland als gleichberechtigter Genosse der anderen Völker gemeinsamen friedlichen Zielen zustrebt, nicht eine Wiederherstellung des labilen Gleichgewichts der Macht ängstlicher Rivalen, die den deutschen Interessen widerspricht. Deutschland muß auch in der Zukunft mit festen, gegebenen Verhältnissen rechnen können, wenn es sich zu neuen Formen des sozialen und politischen Daseins durchringen will. Es kann die Arbeit, die seiner während der kommenden Jahre und Jahrzehnte wartet, nur unter der Voraussetzung verrichten, daß es selbst ebenso wie die ganze Welt nicht als geknechtetes, son- dern als freies Volk einen erträglichen Frieden auf der

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Grundlage gesicherter Einrichtungen und Beziehungen hat. Unser Interesse also verlangt von uns, daß wir auch in diesem Punkte unsere Haltung gegenüber unseren Gegnern durch jene Aufrichtigkeit und Offenheit be- stimmen lassen, die überdies nach meiner Überzeugung und nach der der jetzigen deutschen Regierung der ein- zige Leitstern einer zielbewußten Politik sein muß.

Unterredung mit dem Vertreter des Bureaus „Europa Preß"

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Die Ostfragen

Gegen die Irreleitung der öffentlichen Meinung Frankreichs Versailles, 17. Mai 1919

Sie verfolgen ja auch die französischen Blätter. Ist Ihnen nicht aufgefallen, wie die wahre Meinung Deutsch- lands darin verschleiert wird? Ganz gleich, welches Blatt man zur Hand nimmt, überall vielleicht mit Ausnahme der paar ausgeprägt sozialistischen Blätter werden die Dinge so dargestellt, als ob das deutsche Volk gleichgültig gegen die Tatsache dieser Bedingungen wäre, als ob nur die Mache der Regierung eine künst- liche Bewegung ins Leben rufe. Wer, wie ich, täglich Hunderte von Adressen und Briefen aus Deutschland zu Gesicht bekommt, den erschütternden Schrei aus dem Osten liest, der weiß, wie die Dinge in Wahrheit liegen. Noch auffälliger und außerordentlich erstaunlich ist die in den letzten Tagen deutlicher hervorgetretene Taktik, den Anschein zu erwecken, als ob Deutschland unter allen Umständen diesen Frieden zeichnen werde, auch wenn an den Bedingungen fast nichts geändert würde. Ich frage mich: worauf stützt sich diese These, zu der weder die Haltung der deutschen Regierung, noch der Bevölkerung, noch unsere Arbeit in Versailles eine Unterlage gegeben hat? Ich kann mir nur denken, daß man das französische Volk, das ja noch immer den ge- nauen Text der Friedensbedingungen nicht kennt, über die Schwere der Entscheidung hinwegtäuschen will. Man will die Meinung Frankreichs, die nach Frieden ver- langt, einwickeln, man will vielleicht ein „fait

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accompli" schaffen, man will vermeiden, daß über den möglichen Ausgang dieser Tage von Versailles nach- gedacht wird, und meldet und verbreitet mit allen Mit- teln des politischen Aufsatzes, des Berichtes, des Feuille- tons, daß alles in Ordnung wäre: die deutsche Regierung unterzeichne, und schließlich, das Volk sei müde und wolle vergessen. Muß ich Ihnen sagen, für wie fahrlässig ich diese Taktik halte?

Wir sprachen vorhin von den Briefen und Adressen vom deutschen Osten, und Sie erwähnten, daß Sie die Stimmung in Bromberg, in Danzig, in Schlesien kennten. Ich kenne sie auch, und ich bin mir über den Ernst dieser Frage keinen Augenblick im Zweifel. Wir arbeiten ge- rade mit den Sachverständigen über diese Dinge, und je mehr man sich vertieft, desto ungeheuerlicher erscheinen die Bedingungen und Klauseln. Ich möchte, mitten in der Arbeit, über diese Gebiete nicht mehr sagen. Aber über die einmütige Stimmung, die Empörung und Ver- zweiflung der Bevölkerung ist ein Zweifel ja gar nicht möglich. Wir müssen arbeiten, zusammen arbeiten, mehr ist nicht zu sagen. Die Vernunft der Welt wird nicht ewig mit verbundenen Augen stehen.

Äußerungen gegenüber dem Berichterstatter der „Täglichen Rundschau", Rolf Brandt

128 21. Mai 1919

Der Vertragsentwurf ein Wortbruch der Gegner

Versailles, 21. Mai 1919

Als wir am 7. Mai den Entwurf des Friedensver- trages erhielten, war uns selbst nach flüchtiger Durch- sicht klar, daß die Antwort, die auf dieses Schriftstück erfolgen könne, ein einfaches „Unannehmbar" sein müsse. Wir waren, ehe wir ins Trianon-Palast-Hotel gingen, darauf gefaßt gewesen, schwere Bedingungen zu vernehmen, die man uns auferlegen würde, und wir waren gewillt, sie anzunehmen, wenn sie uns auch hart erscheinen mochten, sofern sie nur die Lebensfähigkeit des Deutschen Reiches sichergestellt und die Grundlage nicht verletzt hätten, die wir bei dem Abschluß des Waffenstillstandes mit Präsident Wilson vereinbart hatten, daß nämlich ein Friede auf der Basis seiner 14 Punkte mit den bekannten zwei Ausnahmen, die ge- macht worden waren, geschlossen werden soll. Wer den der Deutschen Delegation übermittelten Friedensentwurf auch nur oberflächlich prüft, wird zugeben müssen, daß diese Grundlage, die natürlich für beide Teile rechtsver- bindlich sein müßte, immer wieder überschritten und verletzt wird. Diese einzelnen Verletzungen aus dem vollen Text der Friedensbedingungen aufzuzählen, führte zu weit, aus den Zeitungsauszügen sind sie in Deutsch- land jedermann geläufig geworden.

Nun trat natürlich schon am 7. Mai die Frage an die Delegation heran, ob es diesem Frieden gegenüber überhaupt noch irgendein Verhandeln gäbe, oder ob die

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rasche und unbedingte Ablehnung nicht vorzuziehen sei, unbeschadet aller Nachteile, die daraus entstehen mochten. Wir wählten diesen Weg nicht, der populär sein konnte, der vielleicht auch der Stimmung in Deutschland am meisten entsprochen hätte, sondern wir machten von dem uns eingeräumten Recht Gebrauch, unsere Einwendungen zu erheben und sie in der von den Alliierten und Assoziierten Mächten vorgesehenen Frist diesen zur Kenntnis zu bringen. Mit Anspannung aller Kräfte wurde er von allen beteiligten Herren, sowohl Delegierten wie Sachverständigen, bearbeitet, wie ich erneut anerkennen möchte. Aber je weiter wir in dieser Tätigkeit fortfuhren, desto mehr mußten wir zur Er- kenntnis gelangen, daß der Friedensvertrag uns zu so vielen Einwendungen berechtigte, ja verpflichtete, daß wir mit den eingeräumten zwei Wochen nicht auskom- men konnten. Die Delegation hat daher den Antrag auf Verlängerung der Frist gestellt, um alle Bedenken, die wir dem Friedensvertrag gegenüber haben, zu äußern. Schon aus dieser Tatsache, daß wir bei unseren Gegen- vorschlägen nicht unerwähnt lassen wollen, was uns an dem Vertrage unannehmbar erscheint, kann die deutsche Öffentlichkeit ersehen, daß wir nicht nur ganze, sondern vor allem ehrliche Arbeit leisten wollen. Wir wollen nicht über Gesichtspunkte, so unerträglich sie uns er- scheinen mögen, stillschweigend hinweggehen, in der Hoffnung, es werde sich nach dem Abschluß des Frie- dens Gelegenheit finden, darüber zu reden, oder in der Praxis werde deren Durchführung nicht so scharf ge- nommen werden, wie es nach dem Text des Friedens- vertrages den Anschein hat. Wir wollen, wozu wir als

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besiegtes Volk uns vor allem verpflichtet fühlen, uns bei den Friedensverhandlungen nur von den Grundsätzen der Redlichkeit leiten lassen, wollen für unser Recht kämpfen, wie es uns beim Abschluß des Waffenstill- standes zugebilligt wurde, und deshalb sagen wir den Alliierten und Assoziierten Mächten mit unseren Gegen- vorschlägen alles in vollster Aufrichtigkeit, was wir zu leisten vermögen und was wir ablehnen müssen, wenn wir den Frieden in ehrlichem Sinne unterzeichnen sollen. Wir wollen nur einen solchen Frieden unterzeichnen, den wir auch wirklich halten können. Wir verabscheuen jede Hinterhältigkeit, jede Täuschung, jede reservatio men- talis. Als ehrliche Leute wollen wir halten, wozu wir uns verpflichten.

Um dies zu vermögen, ist es natürlich nötig, daß die Ententestaaten uns entgegenkommen, daß sie es über sich bringen, uns Bedingungen zu gewähren, durch die dem deutschen Volke seine Lebens- und Entwicklungs- fähigkeit gelassen wird. Wenn wir arbeiten können, voller Freiheit arbeiten könnten, sind wir imstande, un- sere Schulden abzutragen und unseren Verpflichtungen nachzukommen. Ich kann heute natürlich nicht sagen, inwieweit die Vertreter der feindlichen Mächte uns ent- gegenzukommen bereit sein werden. Ich kann nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß sie sich von unseren Ar- gumenten, die wir mit ausführlichen Belegen versehen, überzeugen lassen mögen, daß ihre Einsicht und ihre Kenntnis unserer Lage sie dazu bringen möge, den Grundsätzen, auf die sie sich im November 1918 fest- legten, im endgültigen Friedensvertrag weitesten Raum zu gewähren. An dieser Hoffnung hält die deutsche

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Friedensdelegation fest. Was geschehen würde, wenn unsere Gegenvorschläge in entscheidenden Punkten ab- gelehnt würden, vermag ich heute noch nicht zu sagen. Wir bemühen uns, den Gegnern zum Bewußtsein zu bringen, daß wir nur das fordern, was unser gutes Recht ist. Mit allem Nachdruck möchten wir noch darauf hin- weisen, daß in dieser Auffassung die gesamte Delegation einig ist, und daß sie auch von der Reichsregierung in Berlin vollkommen geteilt wird.

Erklärungen gegenüber dem Sondervertreter des „Hamburger Fremdenblattes", Dr. Friedrich Hirth

132 25. Mai 1919

Verteidigung der Interessen der arbeitenden

Klassen

Versailles, 25. Mai 1919

Frage: Wie beurteilen Euere Exzellenz die letzten Kundgebungen der Unabhängigen zugunsten der Unter- zeichnung um jeden Preis?

Antwort: Ich kann die tiefe Sehnsucht der arbei- tenden Massen, die während dieser fünf Jahre entsetz- lich gelitten haben, nach der endlichen Wiederkehr des Friedens nur zu gut begreifen, und ich werde auch nichts unterlassen, um das Ziel dieser Sehnsucht zu erreichen. Auch bin ich nach Versailles mit der festen Absicht ge- kommen, das, was an früherem Wohlstand und Glück des deutschen Volkes noch übrig bleibt, zu verteidigen und zu retten aber auch dieser letzte Rest wäre durch die uns überreichten Friedensbedingungen vernichtet, und da fragt es sich, ob nicht durch eine Verweigerung der Unterschrift diese Rettung eher zu erreichen wäre als durch eine Unterwerfung, wie sie die Unabhängigen ver- langen. Gewiß, ich werde kämpfen bis zuletzt, um auf dem Wege der Verhandlungen zu versuchen, das Schick- sal der arbeitenden Massen Deutschlands zu verbessern. Aber die deutschen Delegierten würden sich a n d e n Interessen gerade der deutschen Ar- beiterklasse schwer versündigen, wenn sie Bedingungen unterschrieben, die nichts anderes als verewigte Hungers- not und Arbeitslosigkeit bedeuten.

In seiner letzten Antwortnote hat Herr Clemenceau

25. Mai 1919 133

bestritten, daß die Folgen der Friedensbedingungen so katastrophal für das deutsche Volk wären, wie wir sie in unserer Entgegnung darstellten. Er spricht wiederholt von starken Übertreibungen und meint, es wäre unvor- sichtig, zuviel Gewicht auf diese , .Mutmaßungen" zu legen. Bestreiten heißt nicht beweisen, und mit diesem Satz wird nichts bewiesen. Im übrigen wird die Rich- tigkeit unserer „Mutmaßungen" auch auf der anderen Seite anerkannt. Ein rechtsstehendes Pariser Blatt, die „Action Francaise", war das erste, das noch vor Abgang unserer Note schadenfroh feststellte, dieser Friede bedeute die Versklavung des deutschen Volkesaufmindestens 50 Jahre, und zu einer Zeit, wo der Wortlaut unserer Note über die wirtschaft- lichen Folgen des Friedensentwurfs für Deutschland hier noch nicht veröffentlicht werden durfte, schrieb bereits ein englisches liberales Blatt, die „Daily News", alles, was in dieser Note angeführt wäre, entspräche den Tat- sachen, also auch die Erklärung, daß diese Bedingungen die Vernichtung von Millionen Deutscher bedeuten. Sollte ich da unter dem Drucke eigener irregeführter Volksgenossen dieses Todesurteil unterschreiben?

Frage: Fürchten Sie nicht, daß diese Kundgebungen doch Erfolg haben könnten?

Antwort: Jedenfalls nicht den Erfolg, daß sie mich veranlassen könnten, meinen festen Entschluß aufzu- geben, nichts zu unterschreiben, was nach meiner und aller Sachverständigen Überzeugung einer Vernichtung des Volks gleichkäme. Aber einen Erfolg haben sie ge- habt: Lesen Sie in den Pariser Zeitungen von heute die spaltenlangen Berichte über die Kundgebungen in Berlin,

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im Lustgarten, im Groß-Berliner Arbeiter- und Soldaten- rat usw. Sie werden mir bezeugen können, daß diese Kundgebungen die ohnehin schwere Lage der deutschen Delegierten nicht erleichtert haben!

Frage: Haben Euere Exzellenz nicht die Empfin- dung, daß Sie unter den arbeitenden Massen, vielleicht wegen Ihrer Abstammung, einem gewissen Mißtrauen begegnen?

Antwort: Bisher habe ich diese Empfindung nicht gewonnen, wenigstens nicht bei der deutschen Arbeiter- schaft. Die deutsche Delegation ist von allen Missionen der Friedenskonferenz diejenige, die unzweifelhaft am demokratischsten zusammengesetzt ist. Auch der radi- kalste Arbeiter in Deutschland sieht wohl ein, daß unter diesen Umständen die Abstammung und Stellung des Führers unserer Delegation an den Bedingungen nichts ändern könnte und ihrer etwaigen Milderung nicht im Wege steht. Wenn nun in der Arbeiter- schaft der Entente ein solches Mißtrauen vorhanden ist, weil es absichtlich genährt wurde, so kann man nicht von einem Volke, daß nicht einmal den Wortlaut der uns gestellten Bedingungen kennen darf, erwarten, daß es über die vergangene politische Tätigkeit eines einzelnen Delegierten richtig unterrichtet ist. Ich hoffe, daß ich schließlich das Vertrauen auch der arbeitenden Massen in der Entente gewinnen werde, und zwar durch meine Haltung während der Verhandlungen selbst. Die arbei- tenden Massen aller Länder dürften schließlich doch ein- sehen, sofern man sie richtig unterrichtet, daß die Inter- essen ihrer Klasse am wärmsten und energischsten von der deutschen Delegation verteidigt werden.

25. Mai 1919 135

Frage: Was halten Sie von der Äußerung Haases, der Friede müsse unterschrieben werden, die kommende Weltrevolution werde ihn zu einem Fetzen Papier machen?

Antwort: Überhaupt hört man jetzt sehr oft hüben und drüben dieses letzte Wort. Als ich nach Versailles kam, hatte ich die feste Hoffnung, daß die Zeit der Papierfetzen endlich abgeschlossen sei, und daß ein neues Zeitalter beginnen würde, in dem man nur Unter- schriften vollzieht, die von beiden Seiten geachtet sein würden. Diese Hoffnung auf eine Gesundung der inter- nationalen Moral habe ich nicht aufgegeben, und ich werde auch danach handeln. Ein „scrap of paper", ein bloßer Fetzen Papier, wird meine Unterschrift niemals tragen!

Unterredung mit dem Sonderberichterstatter des „Vorwärts", Viktor Schiff

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Ansprache an die nach Deutschland zurück- kehrenden Mitglieder der Friedens - Dele- gation vor der Überreichung der deutschen Gegenvorschläge

Versailles, 28. Mai 1919

Es ist mir ein Bedürfnis, den Herren, die heute Ver- sailles verlassen, im Namen der Delegation von Herzen für ihre aufopferungsvolle Tätigkeit zu danken. Ich freue mich besonders der harmonischen Zusammenarbeit und weiß, daß wir alle überzeugt sein können, Positives geleistet zu haben. Wenn unser Wirken nicht zu dem Ziel führt, das wir erstreben, dann trifft uns kein Ver- schulden, die schwere Schuld fällt auf unsere Gegner. Noch heute wollen wir die Hoffnung nicht aufgeben, daß sie auf die Stimme des Gewissens und der Vernunft hören werden, tun sie es nicht, dann soll uns das ein An- sporn sein, uns noch enger zusammenzuschließen. Deutschland darf und kann nicht ver- nichtet werden; seine Weltmission für dieMenschheitstehtfest,undeswirdsie erfüllen. Ich spreche nicht von Revanche, das liegt mir hier fern; aber unsere Gegner sollen auf der Hut sein; sie haben den Krieg gewonnen, aber sie können den Frieden verlieren. Wenn unsere Feinde der Vernunft nicht entsagen, so werden sie ein- sehen, daß nur mündliche Verhandlungen die Kluft, die uns jetzt trennt, überwinden können. In diesem Falle bitte ich die Herren, sich zur Verfügung zu halten.

29. Mai 1919 137

Mantelnote zu den deutschen Gegen- vorschlägen

Versailles, 29. Mai 1919

Herr Präsident! Ich habe die Ehre, Ihnen in der Anlage die Bemerkungen der deutschen Delegation zu dem Entwurf des Friedensvertrages zu überreichen. Wir waren nach Versailles in der Erwartung gekommen, einen auf der vereinbarten Grundlage aufgebauten Frie- densvorschlag zu erhalten. Wir hatten den festen Willen, alles zu tun, was in unsern Kräften stand, um den schweren, von uns übernommenen Verpflichtungen nach- zukommen. Wir hofften auf den Frieden des Rechts, den man uns verheißen. Wir waren entsetzt, als wir in jenem Dokument lasen, welche Forderungen die siegreiche Ge- walt des Gegners an uns stellt. Je tiefer wir in den Geist dieses Vertrages eindrangen, um so mehr überzeugten wir uns von seiner Undurchführbarkeit. Die Zumutun- gen dieses Vertrages gehen über die Kraft des deutschen Volkes.

Wir sollen zur Wiederherstellung des polnischen Reiches auf unbestritten deutsches Gebiet verzichten, fast auf die ganze überwiegend deutsche Provinz West- preußen, auf deutsche Teile Pommerns, auf das kern- deutsche Danzig, sollen die alte Hansestadt in einen Freistaat polnischer Souveränität umwandeln lassen. Wir sollen darein willigen, daß Ostpreußen vom Staats- körper amputiert, zum Absterben verurteilt und seines nördlichsten Teiles mit dem rein deutschen Memel be- raubt wird. Wir sollen zugunsten Polens und Tschecho-

138 29. Mai 1919

Slowakicns auf Oberschicsien verzichten, obgleich es seit mehr als 750 Jahren in enger politischer Verbindung mit Deutschland steht, von deutschem Leben erfüllt ist und die Grundlage für die Industrie im ganzen östlichen Deutschland bildet. Überwiegend deutsche Kreise sollen an Belgien abgetreten werden, ohne genügende Garan- tien für die Unabhängigkeit einer erst nachträglichen Ab- stimmung. Das rein deutsche Saargebiet soll von un- serem Reiche gelöst und seine spätere Angliederung an Frankreich vorbereitet werden, obgleich wir Frankreich keine Menschen, sondern nur Kohlen schulden.

Fünfzehn Jahre lang soll rheinisches Gebiet besetzt sein, und die Alliierten es nach fünfzehn Jahren in der Hand haben, die Rückgabe des Landes zu verweigern; in der Zwischenzeit können sie alles tun, um die wirt- schaftlichen und moralischen Verbindungen mit dem Mutterlande zu lösen und schließlich den Willen der ein- heimischen Bevölkerung zu fälschen.

Ein so zerstückeltes und geschwächtes Deutschland soll sich, obgleich auf Erstattung der Kriegskosten aus- drücklich verzichtet wurde, grundsätzlich bereit erklären, alle Kriegskosten der Gegner zu tragen, Summen, die das gesamte deutsche Staats- und Privat- vermögen um ein Mehrfaches übersteigen würden. Einstweilen fordern die Gegner über die vereinbarte Grundlage hinaus Ersatz der Schäden der Zivilbevöl- kerung, wobei Deutschland auch für seine Bundes- genossen haften soll. Die zu zahlende Summe soll von den Gegnern einseitig festgesetzt werden und späterer Abänderung und Erhöhung unterliegen. Die Grenze soll die Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes bilden,

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abgestuft nicht nach seiner Lebenshaltung, sondern lediglich nach seiner Fähigkeit, die Forderungen der Feinde durch seine Arbeit zu erfüllen. Das deutsche Volk wäre also zu dauernder Sklavenarbeit verurteilt.

Trotz solcher ungeheuerlichen Forderungen wird uns gleichzeitig der Wiederaufbau unseres Wirtschafts- lebens unmöglich gemacht. Wir sollen unsere Handels- flotte ausliefern. Wir sollen auf alle Auslandswerte verzichten. Wir sollen das Eigentum an allen deutschen Auslandsunternehmungen, selbst in den verbündeten Ländern, auf die Gegner übertragen. Auch nach Frie- densschluß sollen die feindlichen Staaten das Recht haben, alles deutsche Vermögen zur Einziehung zu bringen. Kein deutscher Kaufmann wird in ihren Län- dern vor solchen Kriegsmaßnahmen geschützt sein. Auf unsere Kolonien sollen wir vollständig verzichten. Nicht einmal dort sollen deutsche Missionare das Recht haben, ihren Beruf auszuüben. Wir sollen also auf jede poli- tische, wirtschaftliche und ideelle Betätigung verzichten.

Sogar im Innern sollen wir unser Selbstbestim- mungsrecht aufgeben. Die internationale Kommission für Wiedergutmachung erhält diktatorische Gewalt über unser gesamtes Volksleben in Wirtschaft und Kultur, ihre Befugnisse gehen weit über die hinaus, die der Kaiser, der deutsche Bundesrat und der Reichstag zu- sammen jemals im Reichsgebiet besessen haben. Diese Kommission verfügt unbeschränkt über die Wirtschaft des Staates, der Kommunen und der einzelnen. Auch das gesamte Bildungs- und Gesundheitswesen ist von ihr abhängig. Sie kann das ganze deutsche Volk in gei- stiger Knechtschaft halten. Sie kann, um die Fronzah-

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lungcn zu erhöhen, die soziale Fürsorge für die deutschen Arbeiter unterbinden.

Auch auf anderen Gebieten wird Deutschlands Sou- veränität aufgehoben. Seine Hauptströme werden inter- nationaler Verwaltung unterstellt, es muß auf seinen Ge- bieten die von den Gegnern gewünschten Kanäle und Eisenbahnen bauen, es muß den Verträgen unbekannten Inhalts zustimmen, die von seinen Gegnern mit den neuen Staaten des Ostens geschlossen werden sollen, selbst über seine eigenen Grenzen. Das deutsche Volk ist aus dem Bunde der Völker ausgeschlossen, dem alle gemeinschaftliche Arbeit der Welt anvertraut ist.

So soll ein ganzes Volk seine eigene Ächtung, ja sein Todesurteil unterschreiben.

Deutschland weiß, daß es Opfer bringen muß, um zum Frieden zu kommen. Deutschland weiß, daß es solche Opfer vertragsmäßig zugesichert hat, und will darin an die äußerste Grenze dessen gehen, was ihm möglich ist.

1. Deutschland bietet an, mit der eigenen Entwaff- nung allen anderen Völkern voranzugehen, um zu zeigen, daß es helfen will, das neue Zeitalter des Rechtsfriedens herbeizuführen. Es gibt die allgemeine Wehrpflicht auf und verringert, von Übergangsbestimmungen abgesehen, sein Heer auf 100 000 Mann. Es verzichtet sogar auf die Schlachtschiffe, die ihm seine Feinde noch lassen wollen. Aber es setzt voraus, daß es sofort als gleichberechtigter Staat in den Völkerbund aufgenommen wird. Es setzt voraus, daß ein echter Völkerbund entsteht, der alle Na- tionen einschließt, die guten Willens sind, auch die Feinde von heute. Der Bund muß von einem Verant-

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wortungsgefühl gegenüber der Menschheit getragen werden und über eine Zwangsgewalt verfügen, die stark und zuverlässig genug ist, um die Grenzen seiner Mit- glieder zu schützen.

2. In territorialen Fragen stellt sich Deutschland rückhaltlos auf den Boden des Wilsonprogramms. Es verzichtet auf seine Staatshoheit in Elsaß-Lothringen, wünscht aber dort eine freie Volksabstimmung. Es tritt den größten Teil der Provinz Posen, die unbestreitbar polnisch besiedelten Gebiete nebst der Hauptstadt Posen an Polen ab. Es ist bereit, den Polen durch Ein- räumung von Freihäfen in Danzig, Königsberg und Memel, durch eine Weichsel-Schiffahrtsakte und durch besondere Eisenbahnverträge freien und sicheren Zu- gang zum Meere unter internationaler Garantie zu ge- währen. Deutschland ist bereit, die wirtschaftliche Ver- sorgung Frankreichs mit Kohlen, besonders aus dem Saargebiet, bis zur Wiederherstellung der französischen Bergwerke zu sichern. Die vorwiegend dänischen Ge- biete Schleswigs werden auf Grund einer Volksabstim- mung Dänemark überlassen. Deutschland verlangt, daß das Selbstbestimmungsrecht auch zugunsten der Deut- schen in Österreich und Böhmen geachtet wird.

Es ist bereit, seine sämtlichen Kolonien der Ge- meinschaftsverwaltung des Völkerbundes zu unterstel- len, wenn es als dessen Mandatar anerkannt wird.

3. Deutschland ist bereit, die ihm nach dem ver- einbarten Friedensprogramm obliegenden Zahlungen bis zur Höchstsumme von 100 Milliarden Mark Gold zu leisten, und zwar 20 Milliarden Mark Gold bis zum 1. Mai 1926, alsdann die restlichen 80 Milliarden Mark

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Gold in unverzinslichen Jahresraten. Diese Raten sollen grundsätzlich einen bestimmten Prozentsatz der deut- schen Reichs- und Staatseinnahmen ausmachen. Die Rate wird dem früheren Friedensbudget nahekommen. In den ersten zehn Jahren soll die Rate je eine Milliarde Gold nicht übersteigen. Der deutsche Steuerzahler soll nicht weniger belastet sein als der deshöchstbelastetenin der Wiedergutmachungskommission vertretenen Staates. Deutschland setzt hierbei voraus, daß es keine weiteren territorialen Opfer als die vorerwähnten zu bringen hat und wieder wirtschaftliche Bewegungsfrei- heit nach innen und außen erhält.

4. Deutschland ist bereit, seine gesamte wirtschaft- liche Kraft dem Dienst der Wiederherstellung zu wid- men. Es wünscht bei der Wiederherstellung der zer- störten Gebiete in Belgien und Nordfrankreich werk- tätig mitzuarbeiten. Für den Produktionsausfall der zerstörten Gruben Nordfrankreichs sollen während der ersten fünf Jahre bis zu 20 Millionen Tonnen Kohle jähr- lich, während der nächsten fünf Jahre bis zu 8 Millionen Tonnen Kohle jährlich geliefert werden. Deutschland wird weitere Kohlenlieferungen für Frankreich, Belgien/ Italien und Luxemburg ermöglichen.

Ferner ist Deutschland zu bedeutenden Lieferungen von Benzol, Steinkohlenteer, schwefelsaurem Ammo- niak sowie Farbstoffen und Arzneimitteln bereit.

5. Schließlich bietet Deutschland an, seinen ge- samten Handelsschiffsraum in einen Weltpool einzu- bringen, einen Teil der Frachten dem Gegner zur Ver- rechnung auf den Schadenersatz zur Verfügung zu stellen und ihnen für eine Reihe von Jahren auf deut-

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sehen Werften Tonnage in einer ihre Forderungen über- steigenden Höhe zu bauen.

6. Zum Ersatz der in Belgien und Nordfrankreich vernichteten Flußschiffe bietet Deutschland Flußfahr- zeuge aus eigenem Bestände an.

7. Deutschland glaubt, zur beschleunigten Erfül- lung seiner Entschädigungspflicht in der Überlassung von industriellen Beteiligungen, insbesondere an Koh- lengruben zur Sicherung der Kohlenbezüge, einen ge- eigneten Weg zu sehen.

8. Deutschland will, in Übereinstimmung mit dem Willen der organisierten Arbeiter der ganzen Welt, die Arbeiter in allen Ländern frei und gleichberechtigt sehen. Es will ihnen im Friedensvertrage das Recht sichern, über die Sozialpolitik und die Sozialversiche- rung selbst entscheidend mitzubestimmen.

9. Die deutsche Delegation stellt erneut ihre For- derung nach einer neutralen Untersuchung über die Verantwortlichkeit für den Krieg und die Schuld wäh- rend des Krieges. Eine unparteiische Kommission sollte das Recht haben, die Archive aller kriegführenden Län- der einzusehen und alle hauptbeteiligten Personen ver- antwortlich zu vernehmen.

Nur die Zuversicht, daß die Schuldfrage unbefangen geprüft wird, kann den verfeindeten Völkern die Ge- sinnung geben, die notwendig ist, um den Völkerbund zu bauen.

Das sind nur die wichtigsten Vorschläge, die wir zu machen haben. Wegen weiterer großer Opfer sowie wegen der Einzelheiten verweist die Delegation auf die beiliegende Denkschrift und ihre Anlage.

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Die für die Ausarbeitung dieser Denkschrift uns gesetzte Frist war so kurz, daß es unmöglich war, alle Fragen zu erschöpfen, eine fruchtbare und aufklärende Verhandlung könnte nur in mündlichen Unterredungen stattfinden. Dieser Friede soll das größte Vertrags- werk der Geschichte werden. Es gibt kein Beispiel, daß so umfassende Verhandlungen nur durch schrift- lichen Notenaustausch geführt worden sind. Die Emp- findung der Völker, die so ungeheure Opfer gebracht haben, verlangt, daß die Bestimmung über ihr Geschick in offenem, rückhaltlosem Gedankenaustausch erfolgt, nach dem Grundsatz: „Offene Friedensverträge, die offen zustandegekommen sind; und danach sollen keine internationalen Vereinbarungen irgendwelcher Art mehr getroffen werden, sondern die Diplomatie immer offen und vor aller Welt arbeiten."

Deutschland soll den ihm vorgelegten Vertrag mit seiner Unterschrift versehen und ihn erfüllen. Auch in seiner Not ist ihm das Recht zu heilig, als daß es sich dazu hergeben könnte, Bedingungen anzunehmen, für deren Erfüllung es nicht einstehen kann. Wohl haben immer wieder in der Geschichte der letzten Jahrzehnte die Friedensverträge der Großmächte das Recht des Stärkeren verkündet. Aber jeder von diesen Friedens- schlüssen gehört zu den Urhebern oder Verlängerern des Weltkrieges. Wo in diesem Kriege der Sieger zum Besiegten gesprochen, in Brest-Litowsk und Bukarest, waren seine Machtworte nur eine Aussaat künftigen Unfriedens. Die hohen Ziele, die zuerst unsere Gegner für ihre Kriegführung aufgestellt haben, das neue Zeit- alter gesicherten Rechtsfriedens, erfordern einen Ver-

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trag von anderer Gesinnung. Nur ein Zusammen- arbeiten aller Völker, ein Zusammenarbeiten der Hände und der Geister kann einen Dauerfrieden schaffen. Wir täuschen uns nicht darüber, wie stark der Haß und die Erbitterung sind, die dieser Krieg erzeugte; und doch sind die Kräfte, die für eine Einigung der Mensch- heit am Werke sind, jetzt stärker als je zuvor. Es ist die geschichtliche Aufgabe der Friedenskonferenz von Ver- sailles, diese Einigung herbeizuführen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, den Ausdruck meiner ausgezeichneten Hochachtung.

gez. Brockdorff-Rantzau Versailles, den 29. Mai 1919 *

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Die wirtschaftlichen Friedensbedingungen eine neue Einkreisungspolitik

Versailles, 29. Mai 1919.

Es unterliegt für mich keinem Zweifel, daß, wie alles in der Welt, so auch die Wirtschaftsstruktur, nichts Beständiges ist, sondern daß auch hier stets eine mehr oder weniger schnelle Entwicklung aus alten Formen stattfindet. Daß diese Entwicklung zu neuen Wirt- schaftsformen in der Kriegszeit besonders bei allen kriegführenden Ländern rasche Fortschritte gemacht hat, ist begreiflich. Alle Länder waren genötigt, so- genannte Kriegswirtschaft zu betreiben, und in allen Ländern sind durch diese Kriegswirtschaft Verände- rungen in den Tatsachen und Begriffen eingetreten, von denen nicht erwartet werden kann, daß sie ohne dauernden Einfluß auf die wirtschaftliche Struktur der ganzen Welt bleiben. Dazu treten, besonders in Deutschland, noch viele Ideen, die durch die politische Umwälzung auch auf wirtschaftlichem Gebiete Fuß fassen konnten. In allen Ländern spielt sich, und das ist bezeichnend, der gleiche Kampf ab, und zwar zwischen den sogenannten Theoretikern, die an man- chen Errungenschaften der gebundenen Wirtschaft fest- halten wollen, und den Anhängern des freien Handels, die das Heil aller Dinge in dem sogenannten „freien Spiel der Kräfte" sehen. Ich bin der letzte, der die schweren Folgen der Kriegswirtschaft nicht voll über- sieht und der nicht ihre demoralisierenden Folge- erscheinungen erkennt und beseitigt zu sehen wünscht.

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Theoretisch haben ohne Frage diejenigen recht, die aus- schließlich von dem freien Spiel der Kräfte eine Ge- sundung der Wirtschaftsverhältnisse in allen Ländern erwarten. Aber hatte die Welt denn in der Vorkriegs- zeit ein freies Spiel der Kräfte, für das diese Bezeich- nung in vollem Umfange richtig ist? Lag nicht gerade darin, daß durch Zollschranken und wirtschaftliche Ri- valitäten dem freien Spiel der Kräfte eine nationale Fessel angelegt wurde, einer der wesentlichsten Gründe für die Weltkatastrophe, deren Ende der Friede von Versailles sein soll. Können sich unsere Feinde wirk- lich wundern, wenn die neuen Ideen der Gemein- wirtschaft und der Sozialisierung gerade besonders stark in Deutschland Wurzel gefaßt haben, wo Deutschland viel früher und in viel stärke- rem Maße durch völkerrechtswidrige Blockade ge- zwungen war, jede freie individuelle wirtschaftliche Be- tätigung innerhalb seiner Landesgrenzen mehr und mehr zu unterbinden? Glauben Sie, daß das Friedensinstru- ment, das uns vorgelegt wurde, geeignet ist, gerade diejenigen Bestrebungen in Deutschland zu schwächen, die mit den Begriffen Sozialisierung und Gemeinwirt- schaft den Versuch machen, einen neuen demokrati- schen Wall in die Wirtschaftsstruktur zu bringen, der die zusammengebrochene Wirtschaft Deutschlands durch die straffe Organisation einer nationalen Sparwirtschaft wieder leistungsfähig machen soll? Was ist denn die „Reparation Commission" anders als der Zwang, Deutschland gemeinwirtschaftlich zu organisieren? Fremden Kontrollkommissionen soll die Entscheidung darüber zustehen, ob und wieviel Rohstoffe Deutsch-

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land einführen kann. Wie ist es unter einem solchen System überhaupt möglich, an die Wiederaufnahme nor- maler Handelsbeziehungen zu denken? Denn welchen Kredit würde, wenn die Friedensvorschläge der Entente sich realisieren lassen würden, der deutsche Kaufmann persönlich im Auslande haben? Durch einseitige Be- stimmungen und unerhörte Härte soll gerade der deutsche Kaufmann im Auslande vollkommen vernichtet werden. Alles, was er in mühsamer vierzigjähriger Ar- beit an Beziehungen und Besitz in der Welt geschaffen hat und was ihm ermöglichen würde, jetzt im freien Spiel der Kräfte für die Wiederinbetriebsetzung der deutschen Wirtschaft tätig zu sein, würde hier mit einem Federstrich durch die Aufrechterhaltung der Liquidation weggenommen werden. Und was noch schlimmer ist, er kann auch nicht daran denken, zu versuchen, neu auf- zubauen, denn das Recht unserer Gegner, deutschen Vermögensbesitz zu liquidieren, soll ja auch für alle Zu- kunft aufrechterhalten werden. Was bleibt da dem deutschen Volke anderes übrig, als den Versuch zu machen, sich gemeinwirtschaftlich zu organisieren, d. h. also gerade denjenigen Weg zu beschreiten, den früher die Ententestaaten mit dem größten Mißtrauen und den größten Befürchtungen in bezug auf die Folgen für ihr eigenes Land betrachteten. Die Sozialisierung des Wirt- schaftslebens soll in den wirtschaftlich denkenden Kreisen unserer Feinde mit dem nunmehr zusammengebrochenen preußischen Militarismus verglichen werden. Eine ge- wisse Wahrheit liegt in diesem Vergleich, denn ohne Frage könnte eineGefahrfürdenFriedender Welt entstehen, wenn an Stelle eines na-

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tionalistischen Kapitalismus ein natio- nalistischer Sozialismus treten würde, wenn der Nationalismus sich als Waffe, als eine Armee eine bis auf das Letzte durchorganisierte Wirtschaft schaffen würde.

Jeder Druck erzeugt Gegendruck. Wenn Deutsch- land in der Vergangenheit infolge seiner ungünstigen geographischen Lage und unter dem Druck der Einkreisungspolitik sich militärisch organi- sierte und sich deswegen das kritiklose Mißtrauen seiner Nachbarn zuzog, so sollten diejenigen, die diese unerhört scharfen wirtschaftlichen Bedingungen gegen Deutsch- land ausgeheckt haben, sich wohl der Gefahr bewußt sein, daß auch diese neuartige Einkreisungspolitik ihre Folgen haben muß, und daß dieser neue Druck Gegen- druck erzeugen muß. Dann würde allerdings die neue Entwicklung der wirtschaftlichen Struktur, deren An- satz wir hier in Deutschland erleben, sich nicht in friedlicher Evolution vollziehen, sondern sie würde fraglos eine Revolution der welt- wirtschaftlichen Anschauungen bedeuten und Zustände herbeiführen, wie sie gerade die Kapi- talisten in England und Amerika, die heute die Entwick- lung in Deutschland mit Mißtrauen betrachten, zu ver- meiden wünschen.

Unterredung mit dem Vertreter des Bureaus „Europa Preß"

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Gegenseitigkeit Voraussetzung eines Friedens der Gerechtigkeit

Versailles, 30. Mai 1919.

Frage: Glauben Euer Exzellenz, daß die deutschen Gegenvorschläge zu wirklichen Verhandlungen über den Inhalt des Friedensvertrages führen werden?

Antwort: In solchen Dingen habe ich mir das Glauben abgewöhnt. Ich tue, was ich für richtig halte, und warte die Folgen ab. Als uns die Gegner ihre Be- dingungen vorgelegt hatten, fing in der französischen Presse das Fragespiel an: signeront-ils ne signeront-ils pas? Wir sollten uns hüten, es jetzt unserseits mit dem Fragespiel zu erwidern: Werden sie verhandeln oder werden sie nicht verhandeln?

Frage: Die Gegenvorschläge scheinen mir dem deutschen Volk eine geradezu ungeheure wirtschaftliche Last aufzubürden; sollte das den Feinden nicht ge- nügen?

Antwort: Ich weiß es nicht. Nach dem gestrigen Leitartikel des „Temps" scheinen unsere Gegner anzu- nehmen, daß die deutschen Gegenvorschläge die Gren- zen überschreiten, innerhalb deren sie uns eine Be- sprechung des Friedensinhalts gestatten wollen. Wenn der Artikel die Meinung der feindlichen Führer wieder- gibt, sehe ich kaum eine Aussicht auf Verständigung. Es bleibt dann dabei, daß man uns nicht den Vorschlag zu einem Vertrage, sondern den Tenor eines Strafurteils vorgelegt hat. In diesem Fall wundere ich mich nur, daß die Gegner soviel Wert darauf legen, unsere Namen

30. Mai 1919 151

unter dem Dokument zu sehen; denn soviel ich weiß, hängt in keinem Lande der Welt die Rechtskraft eines Strafurteils davon ab, daß der Angeklagte es selbst unterzeichnet.

Frage: Halten Sie den Abstand zwischen den Forde- rungen der Gegner und dem Angebot Deutschlands für unüberbrückbar?

Antwort: An sich liegt ihm ein prinzipieller Gegen- satz zugrunde, der nicht auszugleichen ist. Man kann über die materielle Leistungsfähigkeit eines geschlage- nen und ausgehungerten Volkes verschiedener Meinung sein und sich doch darüber verständigen; aber es gibt keinen Ausgleich über die Frage, ob dieses Volk als Verbrecher Buße tun oder als Vertragspartei Verpflichtun- gen erfüllen soll. Hätte man dem deut- schen Volk im Oktober 1918 statt des Vor- vertrages über die F r i e d e n s gr u n dl ag e n ein Sündenbekenntnis zur Annahme vorgelegt, so würde es weitergekämpft haben. Jetzt kann es nicht mehr kämpfen, aber es kann immer noch sagen: Nein!

Frage: Halten Euer Exzellenz bei diesem Gegen- satz der Auffassung jede Möglichkeit eines Ergebnisses Ihrer hiesigen Tätigkeit für ausgeschlossen?

Antwort: Ich halte an der Hoffnung fest, den Geg- ner davon zu überzeugen, daß die Herren Wilson, Lloyd George und Clemenceau vor der Weltgeschichte nicht verpflichtet sind, die Rollen der drei Richter der Unter- welt, des Minos, Aiakos und Radamanthys, zu spielen. Wenn ich mich in ihre Lage hineindenke, so würde mir

152 30. Mai 1919

bei meiner Gottähnlichkeit bange sein. Mit dem Augen- blick, wo der moralische Aufputz der Strafjustiz aus dem Friedensdokument entfernt wird, ist es in einem gewissen Umfange für Deutschland erträglich. Daß wir als Besiegte Opfer bringen müssen an Macht und Gut, sehen wir ein; als Verbrecher unsere Ver- setzung in die zweite Klasse des Natio- nenstandes zu unterschreiben, lehnen wir ab.

Frage: Mit der Änderung, die Sie verlangen, fällt aber doch der ganze Aufbau des Friedensentwurfes zu- sammen?

Antwort: Das möchte ich nicht schlechthin be- haupten. In dem Entwurf steckt eine erstaunliche Summe solider Gedankenarbeit, die nutzbar verwendet werden könnte, wenn man die Bestimmungen, die jetzt in schroffster Einseitigkeit nur zugunsten unserer Geg- ner formuliert sind, unter dem Gesichtspunkt umredi- giert, der allein einem Frieden der Gerechtigkeit ent- spricht: dem der Gegenseitigkeit. Eine solche Arbeit würde allerdings noch viele Steine des Anstoßes stehen lassen, die auf andere Weise aus~dem Wege geräumt werden müßten. Aber die erste Voraussetzung eines Verständigungsfriedens wäre dann erfüllt.

Unterredung mit dem Chefredakteur der „Transocean-Gesellschaft" Dr. Albert Haas

2. Juni 1919 153

Mündliche Verhandlungen Vorbedingung einer Verständigung

Versailles, 2. Juni 1919

Frage: In bestimmten Kreisen Deutschlands ist nach Kenntnisnahme der Denkschrift die Besorgnis auf- getaucht, die Versailler Delegation könne durch Kon- zessionen der Gegner in diesem oder jenem Punkt sich zum Verzicht auf andere wichtige Forderungen be- wegen lassen. So befürchten die Danziger, daß die deutschen Delegierten sich bereit finden würden, den Frieden zu unterzeichnen auf Kosten ihrer Vaterstadt, wenn wenigstens in bezug auf Oberschlesien, die Kolo- nien oder die Handelsflotte ein Entgegenkommen auf der Gegenseite erreicht würde. Wie ist die Stellung Eurer Exzellenz in dieser Frage?

Antwort: Sie können versichert sein, daß ich alle Interessen gleichmäßig vertreten werde. Die großen finanziellen Opfer können von Deutschland nur unter der Voraussetzung gebracht werden und sind auch nur unter der Voraussetzung angeboten worden, daß man auf der Gegenseite die deutschen Vorschläge gewisser- maßen als ein zusammenhängendes Ganzes auffaßt, von dem nicht wichtige Teile losgerissen werden können, ohne den ganzen Bau in die Gefahr des Zusammensturzes zu bringen. Unsere Gegenvorschläge sind auch nicht als „Bedingungen" aufzufassen. Wir haben nicht die Wahl des Siegers, diese oder jene Leistung je nach Wunsch anbieten zu können, sondern die Denkschrift stellt die äußerste Grenze dar, bis zu der wir nach unserer

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ehrlichen Überzeugung gehen könnten, ohne Ver- sprechungen ins Blaue hinein zu machen, die dann doch nicht zu halten wären.

Mir ist daher der Vorwurf nicht verständlich, der in letzter Zeit hier und da in der gegnerischen Presse aufgetaucht ist, daß wir in unseren Gegenvorschlägen mit der Arroganz von Nichtbesiegten aufgetreten wären. Die Delegierten haben sich von den besten und ernst- haftesten Kennern deutscher Leistungsfähigkeit beraten lassen. So ist z. B. das finanzielle Anerbieten zustande- gekommen, das auf Jahrzehnte hinaus ein Höchstmaß deutscher Arbeit in den Dienst unserer Vertragsgegner stellt. Jeder Unbefangene muß hierin, wenn er nicht von Haß verblendet ist, den aufrichtig guten Willen Deutschlands sehen, im Interesse einer friedlichen Lösung den Gegnern bis zur äußersten Möglichkeit ent- gegenzukommen. Mehr anzubieten, wäre unehrlich ge- wesen.

Wir wollen dauernden Frieden und Erholung für die Menschheit nach entsetzlichen Leiden. Aber gerade deshalb können und dürfen wir nicht weitergehen, als nach unserer besten Überzeugung dieses für alle so not- wendige Ziel nicht gefährdet wird.

Zwischenbemerkung: Im Lager der Entente und be- sonders in Frankreich ist man trotz unserer Bereit- willigkeit zur Abrüstung noch immer von Mißtrauen erfüllt.

Antwort: Ich glaube, daß, wenn wir in mündliche Verhandlungen eintreten könnten, sich eine Verstän- digung viel rascher erzielen ließe und viele Miß- verständnisse aufgeklärt werden könnten. Es ist nicht

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einzusehen, warum uns eine mündliche Aussprache verweigert werden soll. Wir wünschen sie nicht etwa in der Hoffnung, die Gegner dadurch übertölpeln zu können. Abgesehen davon, daß es mir im Innersten widerstrebt, schätze ich ihre Urteilskraft zu hoch ein, um mir irgendeinen Erfolg von solchem Versuche zu versprechen. Was ich erstrebe, ist im Gegenteil eine bessere Gelegenheit, von Deutschlands Ehrlichkeit zu überzeugen, als sie der Wechsel von Noten bietet, und dazu beizutragen, Grundlagen für ein Zusammenarbeiten der Völker herzustellen, das in der neuen Welt fried- lichen Geistes unbedingt erreicht werden muß.

Unterredung mit dem Sonderberichterstatter der „Nationalzeitung", Dr. Edgar von Schmidt-Pauli

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Europäische Arbeitsgemeinschaft

Ein politisches Friedensprogramm Versailles, 4. Juni 1919

Frage; Euere Exzellenz haben in wiederholten öffentlichen Kundgebungen während Ihres Versailler Aufenthalts und vorher auf bestimmte Grenzen hinge- wiesen, die Ihrer Bereitwilligkeit, auf die gegnerischen Friedensbedingungen einzugehen, gezogen seien. Bisher haben sich diese Einschränkungen meist nur auf be- stimmte Einzelfragen bezogen oder auf einen nur negativ definierten Gesamtcharakter des Friedens. Bisher haben Euere Exzellenz nur erklärt, welchen Frieden Sie nicht annehmen können.

Antwort: Die scheinbar negierende Haltung, die ich in Versailles einnehmen mußte, entspricht nicht meinen eigenen Wünschen, sondern ist mir durch die Verhand- lungsvorschriften unserer Gegner aufgezwungen. Es handelt sich hier zu meinem Bedauern nicht um den Austausch von Gedanken über den Frieden und die darauf zu gründende neue Weltordnung, sondern nur um die Kenntnisnahme eines von der Gegenseite fertig- gestellten Plans, zu dem wir nur in enggezogenen Gren- zen Stellung nehmen durften. Deshalb ist es auch un- richtig, wenn man in der gegnerischen Presse unsere Denkschrift, womit wir den Entwurf der Alliierten be- antworteten, mit dem Ausdruck „Gegenbedingungen" bezeichnet. Die Denkschrift ist nur eine Reihe von Bemerkungen, die die deutsche Delegation bzw. die deutsche Regierung in aller Eile zu dem Vertragsent-

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wurf der Alliierten machen konnte. Sie kann um so weniger ein geschlossenes politisches Weltbild wieder- geben, als sie auf fremden Gedankengängen aufgebaut ist. Sie ist deshalb trotz unserer ernsthaften Versuche, fruchtbare Gedanken hineinzuverarbeiten, in ihrem Ge- samtcharakter doch mehr kritisch als geistig schöpfe- risch. Ich bedauere das um so tiefer, als die ungeheuren Probleme, die die Kulturwelt nach dem Unheil dieses Krieges und an dem großen entwicklungsgeschichtlichen Wendepunkt, der durch den Krieg markiert wird, zu lösen haben wird, die Anspannung aller geistigen Kräfte erfordern würden. Wenn das deutsche Volk und seine Führer in dieser Stunde zur Unfruchtbarkeit verurteilt sein sollen, so verlieren sie dadurch nicht nur die er- sehnte Gelegenheit, durch eine geistige Tat das Miß- trauen und die Vorurteile einer Welt zu entwaffnen, sondern sie sehen sich auch in der Erfüllung ihrer vornehmsten nationalen Pflicht gehindert. Diese Pflicht ist die Mitarbeit an der Auf- wärtsentwicklung der Menschheit.

Aber ich weiß, daß die Deutschen trotz aller Er- schwerungen die Wege finden werden, dieser Pflicht zur geistigen Mitarbeit dennoch zu genügen. Und es liegt mir daran, wenigstens in knappen Umrissen zu zeigen, welches politische Weltbild uns vorschwebt, und aus welchem Geiste heraus die Vorschläge entstanden wären, die wir machen würden, wenn uns die Gelegen- heit zuteil würde. Ich will vorausschicken, daß unser Bestreben, eine eigene Initiative bei der Festsetzung der Friedensbedingungen entwickeln zu dürfen, keineswegs den Versuch bedeutet, unsere Stellung als Besiegte in

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Zweifel' zu ziehen oder Lasten von uns abzubürden, die zu tragen wir von vornherein nicht nur zugesagt haben, sondern auch für unsere moralische Pflicht gegenüber Europa halten. Wenn wir uns andauernd dagegen ver- wahren, eine Buße für verübtes Unrecht auf uns zu nehmen, so soll dadurch .der materielle Inhalt unserer Verpflichtungen keineswegs verringert werden.

Frage: Wie ist Euerer Exzellenz persönliche Stellung zur Schuldfrage?

Antwort: Ich stimme mit den Alliierten vollkommen darin überein, daß die Fragen nach den mittelbaren und unmittelbaren Ursachen dieses furchtbarsten aller Kriege endgültig aufgeklärt werden *muß. Ein solcher Akt der Selbstbesinnung ist die notwendige Voraussetzung dafür, daß die Grundlagen der künftigen Politik und der inter- nationalen Beziehungen wirklich erneuert werden. Ich kann mich aber nicht damit einverstanden erklären, daß die Untersuchung von einer der bisher in den Krieg ver- wickelten Parteien einseitig und gegen die andere ge- führt wird, und daß diese eine Partei auf Grund ge- heimer Feststellungen bereits das Urteil gegen die andere Partei fällt, ehe noch die öffentliche Verhand- lung begonnen hat. Wenn die Untersuchung der Schuld- frage eine Einkehr und Abkehr der Welt gegenüber ihren bisherigen politischen Maximen sein soll, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten, diesen Zweck zu erreichen: Entweder alle Kriegführen- den unterwerfen das letzte Stück ihrer politischen Geschichte rückhaltlos einem einheitlichen und unparteiischen Urteilsspruch, oder jedes einzelne Volk

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sitzt zu Gericht über diejenigen, die bis zum Ausbruch der Katastrophe seine Führergewesen sind. Der erste Weg ist von uns seit Monaten immer wieder gefordert worden, aber unsere Gegner haben ihn abgelehnt. Deutschland kann sich nach meiner Überzeugung nicht mit dem bloßen Protest gegen diese Ablehnung begnügen. Es ist viel- mehr vor sich selbst dazu verpflichtet, nunmehr den zweiten Weg einzuschlagen. Denn das deutsche Volk, das durch eine gewaltige Revolution den Bruch mit einer unheilvollen politischen Überlieferung praktisch vollzogen hat, muß diese Revolution nunmehr auch geistig vollenden, indem es selbst die Vergangenheit klarstellt, der es nun endgültig den Rücken gekehrt hat. Die Maßnahmen zu diesem Volksgericht werden seit längerer Zeit vorbereitet. Ich hoffe, daß Staaten- ausschuß und Nationalversammlung binnen kürzester Zeit die Vorlage über die Errichtung eines Staatsgerichtshofes erledigen werden, und daß vor diesem Tribunal alle früheren Träger der politischen und militärischen Gewalt in Deutschland er- scheinen werden, gegen die ein Grund zur Anklage vor- liegt. Das amtliche Aktenmaterial, das die Basis dieses gerichtlichen Verfahrens bilden soll, wird ebenfalls seit längerer Zeit in den zuständigen Ämtern zusammen- gestellt. Heute darüber zu sprechen, welchen Teil der Schuld das frühere Deutschland mittelbar oder unmittel- bar an dem Ausbruch des Krieges trägt, hieße den Er- gebnissen eines geordneten Gerichtsverfahrens vor- greifen. Aber dieses noch unsichere Resultat kann auf die Friedensbedingungen einen Einfluß ausüben, wenn

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erst feststeht, daß das deutsche Volk und seine Führer unzweideutig den Entschluß kundgeben, aus eigenem Antrieb und als Akt seiner geistigen und sittlichen Re- volution solche Verfehlungen aufzuhellen und Rechen- schaft dafür zu fordern. Wenn wir auch keinen prak- tischen Einfluß auf die anderen bisher kriegführenden Staaten ausüben können, so können wir doch den Wunsch nicht unterdrücken, daß auch sie vor aller Öffentlichkeit unserem Beispiel folgen und einen ähn- lichen Reinigungsakt gegenüber ihrer Vergangenheit vornehmen. Wir wünschen dies in der Hoffnung, auf diesem Wege die seelisch befreiten Völker einander näher zu bringen und wenigstens die ersten Schritte zu jener Versöhnung zu tun, die das wichtigste Er- fordernis ist, wenn das Selbstgefühl der einzelnen Nation nicht mehr gleichbedeutend sein soll mit feind- seligen und mißtrauischen Gefühlen gegen die anderen Völker.

Diese Sinnesrichtung des deutschen Volkes und ihre bevorstehende praktische Äußerung scheint mir die beste Garantie für die Sicherheit unserer Nachbarn zu sein. Wir haben schon durch die Bereitwilligkeit weit- gehender Abrüstung dieser Gesinnung Ausdruck ver- liehen. Sie bürgt aber auch weit besser als alle Kon- trollmaßnahmen und Besatzungen dafür, daß Deutsch- land die Verpflichtungen einhalten wird, die es nicht als überführter Verbrecher, sondern als bewußtes Mitglied der europäischen Völkerfamilie zu übernehmen bereit ist, um den wirtschaftlichen und kulturellen Aufbau dieses Erdteils zu fördern, mit dessen künftigem Wohl und Wehe seine eigenen Schicksale untrennbar ver-

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knüpft sind. Die Anerkennung der hier gekenn- zeichneten moralischen Voraussetzungen und die darauf beruhende Gleichheit der Rechte und Pflichten als Grundlage der künftigen gemeinsamen Arbeit würde Deutschland erst zu den höchsten Leistungen befähigen. Das europäische Festland mit seiner dichten Bevölke- rung auf verhältnismäßig kleiner Fläche und mit seiner im Vergleich zu den Bedürfnissen qualitativ und quanti- tativ beschränkten Rohstoffproduktion hat nur eine Stärke, die die natürliche Überlegenheit der großen Überseemächte zu balanzieren vermag, nämlich die Arbeitskraft seiner Bevölkerungen. Wenn das neue Eu- ropa nicht verarmen und nicht zum Almosenempfänger reicherer Erdteile herabsinken soll, so muß die inten- sivste Produktion die Grundlage seiner künftigen Wirt- schaftsform sein.

Die Produktion kann aber nach Menge und Wert nur durch Organisation der Arbeit gesteigert werden. Und diese Organisation ist um so aussichtsvoller, je größer der Kreis der verschiedenartigen nationalen Individualitäten ist, die durch Teilung der Arbeit und Ergänzung der Leistungen zusammengefaßt werden sollen. Es ist klar, daß eine solche europäische Arbeitsorganisation, deren erste Aufgabe selbstverständlich die Wiederherstellung der Arbeits- fähigkeit der geschädigten Teile Europas sein müßte, die Souveränität der einzelnen Staaten im bisherigen Sinne nicht unberührt lassen würde. In dem Augenblick, wo die wirtschaftliche Entwicklung den Rahmen der Staatsgebiete sprengt, müssen die Staaten in wirtschaft- licher Hinsicht einen Teil ihrer bisherigen Souveränität

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an eine neue, höhere Instanz abtreten, deren Wirkungs- kreis das organisch entwickelte neue Wirtschaftsgebiet ist, im vorliegenden Falle also Europa. Ich würde es als eine große Tat begrüßen, wenn die in dem gegnerischen Vertragsentwurf vorgesehene Wiedergutmachungs- kommission eine Verfassung und einen Wirkungskreis erhielte, wodurch sie zum Träger des hier angedeuteten europäischen Wirtschaftsgedankens würde. Dazu würde es freilich nötig sein, daß die Zusammensetzung und Tätigkeit dieser Kommission nicht einen Gegensatz zwischen Deutschland einerseits und dem übrigen Eu- ropa anderseits konstruiere, sondern daß gerade durch sie der europäische Einheitsgedanke zum Ausdruck käme. Die Differenzierung der einzelnen Staaten ent- sprechend dem Grad ihrer Leistungsfähigkeit soll nicht durch die Abstufung ihrer Rechte, sondern durch die ver- schiedene Verteilung ihrer Lasten und Pflichten ver- sinnbildlicht werden.

Die Zugrundelegung des gesamteuropäischen Ge- dankens würde auch einen besseren Maßstab für die Pflichten abgeben, die Staaten, besonders Deutschland, im Interesse der Gesamtheit auferlegt werden müssen. Es ist nicht zu leugnen, daß den Leistungen der einzel- nen Mitglieder einer europäischen Wirtschaftsgemein- schaft weder zeitliche, noch absolut zahlenmäßige Grenzen gezogen werden können. Wenn eine solche Ge- meinschaft erst vorhanden ist, dann werden die Pflichten ihrer Mitglieder nur durch ihre Leistungsfähigkeit beschränkt. Die Vorschläge, die in unserer Denkschrift für die Beteiligten Deutschlands an dem Wiederaufbau Europas gemacht wurden, konnten aber noch gar nicht

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auf das Niveau des gesamteuropäischen Gedankens ge- bracht werden, weil ihre Voraussetzung, nämlich der Vertragsentwurf der Alliierten, diesen Gedanken völlig unberücksichtigt ließ. Solange Deutschland dazu ver- urteilt bleibt, in den engen und drückenden Grenzen der Einzelwirtschaft der ganzen Welt gegenüberzustehen, kann es nur eine ziffernmäßig begrenzte Verpflichtung auf sich nehmen. Solange ferner die Lasten, die Deutsch- land zugemutet werden, den Charakter einer einseitigen Verpflichtung, wenn nicht gar einer Sühne an sich tragen, müssen sie zeitlich begrenzt sein, wenn sie nicht dauernde Knechtschaft und Tributpflicht bedeuten sollen. Deutschland würde es aber vor- ziehen, seine wirtschaftliche Kraft schrankenlos in einer europäischen Ge- meinwirtschaft aufgehen zu sehen, wenn es die Gewißheit hätte, selbst in dieser Gemeinschaft leben und gedeihen zu dürfen.

Durch die Stellung Deutschlands innerhalb des euro- päischen Wirtschaftssystems ist auch die Haltung seiner Regierung in den Gebietsfragen bedingt. Ich be- trachte den Staat als ein lebendiges Wesen, und damit ist schon gesagt, daß er eine natürliche Grundlage besitzen, daß er letzten Endes also Nationalstaat sein muß. Jeder Staat besitzt demnach vorerst den rechtlichen Anspruch auf die geschlossen von Volksgenossen besiedelten Ge- biete. Das Schicksal gemischtsprachiger Landesteile kann nur durch den Willen der Mehrheit, also durch Volksabstimmung, entschieden werden. Durch diese Forderung ist der Staat als politische und kulturelle

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Einheit umrissen. Sie können ohne Reibungen zwischen den benachbarten Nationen erfüllt werden, wenn man aufhört, die Staaten auch als Wirtschaftseinheit zu be- trachten. Verlieren die Grenzpfähle ihre bisherige Be- deutung für das Wirtschaftsleben, dann erübrigt es sich für alle Teile, Gebietsansprüche zu stellen, die zum nationalen Selbstbestimmungsrecht in Widerspruch stehen. Dann fällt auch der wichtigste Grund für jene Konflikte fort, die bisher das einträchtige Zu- sammenleben und Zusammenarbeiten der europäischen Völker verhindert haben und, wie ich nach dem bisherigen Verlauf der Friedensverhandlungen fürchten muß, auch weiter gefährden werden. Deutschland würde es vorziehen, keinen Teil der Schuld an solchen künftigen Zwistigkeiten und na- tionalen Ungerechtigkeiten auf sich zu nehmen. Es würde bereit sein, seine Grenzen dort, wo sie nicht durch die Art der Siedlung von selbst gezogen sind, auf Grund von Volksabstimmungen festsetzen zu lassen. Aber es würde seine Lebensfähigkeit ebenso wie seine Leistungs- fähigkeit preisgeben müssen, wenn es gezwungen würde, als ein isoliertes Wirtschaftsgebiet Gebiete zu verlieren, die für die erzwungene Aufrechterhaltung einer deut- schen Sonderwirtschaft nicht entbehrt werden können. Die Vorbehalte, die in dieser Hinsicht in unserer Denk- schrift gemacht worden sind, kommen daher, daß der uns vorgelegte Friedensvertrag uns über die ihm zu- grunde liegenden Prinzipien zumindest im unklaren ge- lassen hat. Er scheint die europäischen Staaten als wirtschaftliche Sondergebiete zu betrachten, wenn er

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ausgesprochen deutsches Land (Westpreußen, Danzig und anscheinend auch das Saargebiet) zur wirtschaft- lichen Abrundung von Nachbarstaaten fordert. Er be- folgt aber auch zu unseren Ungunsten ein Nationalitäten- prinzip, das bei europäischer Gemeinwirtschaft durch- führbar wäre, indem er Gebiete wie Oberschlesien auf Grund ihrer ethnischen Beschaffenheit aus dem deut- schen Wirtschaftskörper losreißt.

Alle diese Schwierigkeiten und Reibungen würden sofort verschwinden, wenn die Friedensverhandlungen dem Zweck dienstbar gemacht würden, Europa auf Grund einer gerechten und möglichst reinen nationalen Scheidung und einer organisierten wirtschaftlichen Zusam- menarbeit aufzubauen. Daß dieser europäische Gedanke keine Spitze gegen die übrigen Weltmächte in sich birgt, geht schon daraus hervor, daß wir alle auf dem Festland die Hilfe gerade- der wirtschaftlich stärk- sten Überseemächte beanspruchen müssen. Aber wenn Arbeitskraft das wichtigste und fast einzige Kapital der europäischen Festlandsvölker ist, so können sie nur durch organisierte Arbeit dieses Kapital so hoch ver- zinsen, daß sie die Gegenwerte für die zu erwartenden Leistungen schaffen und auf diese Weise zu verhand- lungsfähigen und zahlungskräftigen Partnern werden. Es ist durchaus zu verstehen, daß unsere künftigen Gläubiger uns nicht völlig unbeaufsichtigt lassen werden. Die Beziehungen zwischen Europa und den übersee- ischen Mächten bedürfen genau so der Regelung wie die innereuropäischen Beziehungen. Den Rahmen für diese Organisation sehe ich im Völkerbund. Und darum

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scheint es mir logisch zu sein, daß Deutschland gleichzeitig mit seinem praktischen Eintritt in die europäische Wirtschafts- gemeinschaft auch die Mitgliedschaft des Völkerbundes erwirbt. Im Rahmen dieser beiden Gemeinschaften würde Deutschland auch am leichtesten den Platz finden, von dem aus es seiner Pflicht zur Kolonisation Genüge zu leisten vermöchte. Es ist Pflicht eines jeden Kulturvolkes, an der Erziehung minderentwickelter Völker zu den Lebensformen und Arbeitsmethoden höherer zivilisatorischer Entwicklungs- stufen mitzuarbeiten. Und es ist eine ebenso hohe Pflicht, an der Hebung unerschlossener Naturschätze mitzuwirken, an deren Verarbeitung das materielle und schließlich auch das geistige Wohl der Kulturwelt hängt. Die Vorschläge, die wir in dieser Hinsicht bereits ge- macht haben, zeigen, daß Deutschland auch in dieser Hinsicht jede kapitalistische Eigensucht und jeder sonderwirtschaftliche Egoismu% fernliegt.

Das sind die Gedankengänge, die wir zum Ausdruck bringen würden, wenn es uns ermöglicht wäre, auf Grund einer eigenen geistigen Initiative und nicht nur in ängst- licher Anlehnung an das fertig Gebotene bei der Lösung der großen Zeitprobleme mitzuwirken. Ich gestehe Ihnen, daß ich keinen anderen Weg zur Überwindung der all- gemeinen Krise und zur Wiederkehr fruchtbarer Ent- wicklungsmöglichkeiten sehe. Ich bin mir auch darüber klar, daß der Vorfrieden, der uns zur Zeit beschäftigt, selbst bei regster Mitwirkung der deutschen Vertreter diese Gedankengänge nicht in ihrer Vollständigkeit zum

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Ausdruck bringen kann. Wohl aber werden sie mir und der deutschen Regierung bei der Prüfung des endgülti- gen Bescheides vorschweben müssen, den wir in den nächsten Tagen von Seiten unserer Gegner zu erwarten haben.

Unterredung mit dem Sonderkorrespondenten der „Vossischen Zeitung", Dr. Alexander Redlich

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Wesentliche Änderungen der feindlichen Bedingungen Voraussetzung für Unter- zeichnung

Versailles, 6. Juni 1919

Frage: Wie ist der gegenwärtige Stand der Ver- handlungen?

Antwort: Ich weiß von dem Stande der Verhand- lungen nicht mehr als Sie und die übrige Welt, die deutsche Zeitungen liest. Herr Clemenceau hat uns am 7. Mai eröffnet, daß nur schriftlich verhandelt wird, und alles, was hin- und hergeschrieben worden ist, haben wir veröffentlicht. Leider liest nicht die ganze Welt deutsche Zeitungen, und da unsere Gegner den Kampf gegen die Geheimdiplomatie, den sie auf ihre Fahnen geschrieben haben, in der Weise führen, daß sie an ihren eigenen literarischen Erzeugnissen strenge Zensur üben, so hat der größte Teil der bewohnten Erde nur ein un- deutliches Bild vom Gange der Verhandlungen.

Frage: Es werden doch wohl irgendwelche münd- liche Besprechungen neben den offiziellen einhergehen?

Antwort: Mündliche Besprechungen finden nicht statt, keine öffentlichen, aber auch keine geheimen. Das Gitter, hinter dem man uns verwahrt hat, ist nicht nur eine Höflichkeit, sondern ein Symbol. Ich könnte fast glauben, daß man sich vor der Macht meiner Beredsam- keit fürchtet. Wir müssen also abwarten, wann es den Gegnern gefällt, uns ihre schriftliche Antwort zu- kommen zu lassen. Nach den heutigen Pariser Zeitungen wird das in den ersten Tagen der Pfingstwoche ge-

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schehen. Die Zeitungen sagen gleichzeitig, daß in der Antwort keine Änderung der feindlichen Friedensbedin- gungen zugelassen wäre. Ich hoffe im Gegenteil, daß man die Berechtigung unserer Gegenvorschläge aner- kennen wird.

Frage: Sehen Euere Exzellenz also die Lage opti- mistisch an?

Antwort: Wenigstens bin ich kein Pessimist. Wäre ich das, so hätte ich weder die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten des Reichs, noch die Führung der Deutschen Friedensdelegation übernommen. Ich glaube, daß die innere Vernunft und die innere Gerechtigkeit des Laufs der Dinge in der Linie unserer Vorschläge liegen, und darf daher hoffen, daß unsere Gegner das an- erkennen und auf sie eingehen werden. Gleichzeitig bin ich allerdings darauf vorbereitet, daß meine Hoffnung sich nicht erfüllt.

Frage: Und was wird geschehen, wenn die Antwort ablehnend ausfallen sollte?

Antwort: Ich kann nur wiederholen, was ich von Anfang an erklärt habe: einen Friedensvertrag, wie er uns am 7. Mai überreicht worden ist, werde ich nicht unterzeichnen. Wenn also die Antwort der Entente nicht wesentliche Änderungen im Sinne unserer Gegen- vorschläge enthält, wird der Friede nicht zustande kommen. Kleine Zugeständnisse in Nebenfragen oder in formeller Beziehung betrachte ich nicht als wesent- liche Änderungen.

Frage: Die Pariser Presse berichtet, daß Euere Ex- zellenz mit den Mitgliedern der Berliner Regierung, die sich zu stark für die NichtUnterzeichnung des Friedens

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eingesetzt hätten, vielleicht zurücktreten, Deutschland aber den Frieden doch unterzeichnen werde.

Antwort: Die Pariser Presse ist unrichtig informiert und führt das Publikum irre. Darüber, daß ein Friede, der die moralische und wirtschaftliche Vernichtung be- deutet, nicht unterzeichnet werden kann, waren die Deutsche Delegation in Versailles und die Regierung in Berlin stets einig. Sie sind in dieser Überzeugung auch heute nicht wankend geworden. Gewiß, wir wollen ehr- lich den Frieden für unser Volk und für die ganze Welt. Wir haben in unseren Gegenvorschlägen gezeigt, daß wir bereit sind, für den Frieden Opfer zu bringen, bis an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit und bis an die Gren- zen unserer nationalen Selbstachtung. Über die Grenze unserer Leistungsfähigkeit läßt sich verhandeln. Sie beruht auf Schätzung. Die Grenze unserer nationalen Selbstachtung ist da gegeben, wo man uns zumutet, eine deutsche Bevölkerung und ihr Land preiszugeben wegen materieller Vorteile unserer Gegner. Wir unter- zeichnen weder unser Todesurteil noch die Aberkennung unserer Ehrenrechte. Darin sind wir alle einig, die Delegation in Versailles und die Regierung in Berlin. Niemand will zurück- treten. Was geschehen wird, wenn die Gegner kein Verständnis für unsere Haltung zeigen, vermag ich Ihnen nicht zu sagen; aber eines kann ich als sicher bezeichnen: der Entschluß Deutschlands wird von der Delegation und der Regierung einhellig gefaßt werden, und das deutsche Volk wird hinter ihm stehen.

Unterredung mit dem Berliner Vertreter der Wiener „Neuen Freien Presse", Dr. Paul Goldmann

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Gutachten der Deutschen Friedensdelegation

Versailles-Weimar, 17. Juni 1919

Die Rückäußerung der Alliierten und Assoziierten Regierungen ist enthalten in einem Mantelbrief vom 16. Juni, einer Denkschrift über die verschiedenen Ma- terien des Friedensvertrages und einem Vertragsentwurf über die Verwaltung der besetzten Gebiete Deutsch- lands. Diese Schriftstücke sind in einer Reihe von Druckexemplaren übergeben worden. Ferner ist ein einziges Exemplar des früheren Vertragsentwurfs über- geben worden, in das die beabsichtigten Änderungen handschriftlich eingetragen sind. Es ist in der bisher zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich gewesen, die Tragweite jeder einzelnen Abänderung genau festzu- stellen; jedoch kann es sich hierbei nur um Einzelheiten von geringerer Bedeutung handeln. In allen wichtigen Punkten ist der Sinn der Antwort erkennbar.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Antwort in der Sache selbst gegenüber dem früheren Friedensentwurf nur in Punkten zweiter Ordnung Er- leichterungen enthält. Dagegen ist die Grundlage, auf der das ganze Vertragswerk, abweichend von dem ver- einbarten Wilsonprogramm, aufgebaut ist, nämlich die Behauptung von der alleinigen Schuld Deutschlands am Kriege, in einer gehässigen und ehrenrührigen Form verstärkt.

Im einzelnen ist zu bemerken:

1. Völkerbund Deutschland wird der Beitritt zum Völkerbund in einer nahen Zukunft in Aussicht gestellt, wenn es durch

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sein Betragen, insbesondere durch den Beginn der Aus- führung des Vertrages, nach dem Gutdünken der Alliier- ten und Assoziierten Mächte für künftiges Wohlver- halten genügende Gewähr geleistet hat. Da der Vertrag technisch unausführbar ist, kann nach Ansicht der Dele- gation eine ernsthafte Regierung auf die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund in absehbarer Zeit nicht rechnen.

2. Territoriale Fragen

An den Grundsätzen des Friedensentwurfs wird nichts geändert. Bezüglich Belgiens, Luxemburgs, des Saargebiets, Elsaß-Lothringens sowie Deutsch-Öster- reichs bleibt der Entwurf bei den bisherigen Bestim- mungen.

Was die Ostfragen anlangt, so wird bezüglich West- preußens, Danzigs, Ostpreußens, und zwar sowohl seiner südlichen Kreise, wie auch Memels, nichts geändert. Lediglich eine Verstärkung der Garantien für den Eisen- bahn-Durchgangsverkehr nach dem abgetrennten Ost- preußen ist zugesagt. Ferner ist zugestanden, daß das rein deutsche Pommern, von dem Polen Teile annek- tieren sollte, nunmehr intakt beim Deutschen Reiche verbleiben soll. In Posen und Mittelschlesien ist eine ge- wisse Grenzkorrektur eingetreten, die indes unerheb- lich ist.

Das einzig wichtige Gebiet, in dem eine formelle Abänderung zugestanden ist, ist Oberschlesien; dort soll abgestimmt werden. Die Abstimmung ist aber mit unge- rechten Kautelen versehen, die das Bestreben erkennen lassen, das deutsche Oberschlesien zu Polen zu schlagen.

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Stimmt die Bevölkerung für Polen, so wird sie frei von allen Kriegslasten. Außerdem soll das Land auf län- gere Zeit von alliierten Truppen besetzt werden, so daß jede Art der Agitation durch Drohung und Beeinflussung (mit Geld oder Lebensmitteln) möglich bleibt.

In Schleswig ist die Abstimmungsgrenze weiter nördlich gezogen, und zwar dem Wunsche der Dänischen Regierung entsprechend, die die rein deutschen Distrikte in der dritten Zone nicht erwerben wollte. Hier liegt also überhaupt keine Konzession vor; die Gegner haben sich offenbar davon überzeugt, daß es nicht zweckmäßig wäre, Dänemark Gebiete zu oktroyieren, die es ablehnt.

Die Kolonien werden weggenommen, ohne Vergü- tung und ohne Schuldensukzession, selbst bei den Vor- kriegsschulden, und ohne jede rechtliche Sicherheit für die bisher in den Kolonien tätig gewesenen Deutschen. Zur Begründung wird lediglich auf die angeblichen Sünden der deutschen Kolonialverwaltung verwiesen.

Auch die Bestimmungen über das Verhältnis Deutschlands zu Rußland und den auf dem Gebiet des ehemaligen russischen Kaiserreichs gebildeten und zu bildenden Staaten sind nicht geändert.

3. Bezüglich der deutschen Rechte und Interessen außerhalb Deutschlands, seines Außenhandels und seiner Schiffahrt sind überhaupt keine Konzessionen gemacht. Die Handelsflotte bleibt nach wie vor verloren. Auch bezüglich der Hergabe der Neubauten ist nichts ge- ändert. Das auswärtige Vermögen Deutschlands wird, wie im ursprünglichen Entwürfe vorgesehen, praktisch konfisziert, insbesondere auch in den deutschen Kolo- nien und in den an Frankreich und Belgien fallenden

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deutschen Landesteilen. Eine Milderung ist lediglich für die Gebiete vorgesehen, die an die neugebildeten Ost- staaten, Polen und die Tschecho-Slowakei sowie an Dänemark fallen.

4. Auch hinsichtlich der Rechtsgrundlage und des Umfangs der Wiedergutmachung haben die Gegner ihren Standpunkt nicht verändert. Die Bestimmung in Ar- tikel 231 bleibt aufrechterhalten, gemäß dem Deutsch- land die Verantwortung für alle Kriegskosten und Kriegsschäden wegen der ihm allein zugeschobenen Schuld am Kriege übernimmt. Auch jetzt wird keine feste Summe bestimmt, die Deutschland zu zahlen hat. Deutschland wird lediglich das Recht wenn man das ein Recht nennen kann gewährt, innerhalb vier Mo- naten nach Friedensschluß feste Vorschläge zu machen. Es ist dann Sache der Gegner, diese Vorschläge anzu- nehmen, abzulehnen oder zu ändern. Das Endergebnis wird, wie bisher, einseitig von den Gegnern festgesetzt. Eine neutrale Instanz über die Rechts- und Tatfragen, wie Deutschland sie gefordert hat, wird ebenso wie jede weitere Erörterung über die Rechtsbasis des Schadens- ersatzes abgelehnt. Eine deutsche Kommission wird zur Verhandlung mit der Wiedergutmachungskommission zugelassen; da die deutsche Kommission keine Mitent- scheidung hat, liegt hierin kein Zugeständnis. Der Ver- tragstext bleibt daher in diesem Kapitel unverändert.

Zuzugeben ist, daß die Befugnisse der Wiedergut- machungskommission näher begrenzt sind, und daß zu- gestanden ist, daß dieses Organ sich in die Einzelheiten der deutschen Finanzverwaltung nicht unmittelbar ein- mischen soll. Diese Begrenzungen sind aber sehr vage

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und im Vertrage selbst nicht festgelegt; nach wie vor kann die Kommission auf Grund des § 12 b im Annex 2 fordern, daß Einnahmen, die nach dem Etat des Reichs und der Einzelstaaten für kulturelle Aufgaben bestimmt sind, vorab für die Entschädigungen verwendet werden, und es hängt von dem Belieben der gegnerischen Re- gierungen ab, ob sie anerkennen wollen, daß solche Aus- gaben nötig sind, um Deutschland für die Entschädigun- gen leistungsfähig zu halten. Im ausschlaggebenden Punkte haben wir also nicht, wie die Gegner behaupten, den Vertragstext mißverstanden.

Die Anrechnung des nach dem Waffenstillstands- vertrag übergebene^n Heeres- und Flottenmaterials sowie der Handelstonnage auf die Entschädigungsforderung bleibt abgelehnt.

5. Handelspolitische Bestimmungen

Die Gleichberechtigung Deutschlands im Weltver- kehr ist einstweilen ausgeschlossen, angeblich, damit der Vorsprung wieder eingeholt werden kann, den die deutsche Wirtschaft nach dem Kriege vor der Volkswirt- schaft einiger seiner Feinde besitzen wird! Selbst nach dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund ist Gleich- berechtigung nicht zugesagt. Es wird nur erklärt, daß die Alliierten und Assoziierten Mächte alsdann in der Lage sein werden, mit Deutschland zusammen zu ar- beiten, um eine dauerhafte Organisation einzuführen und eine angemessene Behandlung des Verkehrs aller Natio- nen durchzusetzen. Der Wiederaufbau des deutschen Außenhandels und die Wiederbelebung unserer Industrie ist damit auf unbestimmte Zeit gegenüber den Alliierten

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und Assoziierten Mächten differenziert und auf eine völlig unsichere Basis gestellt.

6. BesetzteGebiete

Der vorgelegte Entwurf eines Abkommens über das in den besetzten Gebieten einzuführende Verwaltungs- statut mit einer fremden Zivilbehörde als Spitze bringt in wirtschaftlicher Hinsicht keine Änderung gegen den Zustand, der gegenwärtig durch die Auslegung des Waffenstillstandes von den Gegnern geschaffen ist. Deutschland kann, besonders da das Requisitionsrecht weiterbestehen soll, nach wie vor über die Natur- und Gewerbserzeugnisse der besetzten pebiete nicht frei verfügen. Außerdem haben sich die Gegner vorbehalten, für die besetzten Gebiete ein eigenes Zollregime einzu- führen. Anstatt, wie wir gefordert hatten, die Dauer der Besetzung abzukürzen, wird also der erste Schritt zur dauernden politischen Abtrennung der Rheinlande getan.

7. Rechtsfragen

Den Zugeständnissen auf dem Gebiete der Privat- rechte kann zum Teil eine gewisse Bedeutung nicht ab- gesprochen werden. Sie sind indes bei weitem nicht ausreichend, um den Forderungen, die in dieser Hinsicht deutscherseits gestellt werden müssen, zu genügen. Es wird nichts daran geändert, daß das gesamte jetzt in Feindesland befindliche deutsche Privateigentum von den Feinden mit Beschlag belegt wird, um die Kriegs- entschädigung zu decken, die von Deutschland zu zahlen ist, statt daß man es Deutschland überließe, wie weit es das Eigentum seiner Angehörigen zur Erfüllung der Ver-

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pflichtungen aus dem Friedensvertrag heranziehen will. Auch wird uns in den wichtigsten Fragen die Gegen- seitigkeit nach wie vor versagt, obwohl es sich um ein Gebiet handelt, das nur nach dem Grundsatz der Gegen- seitigkeit geregelt werden darf. Eine stichhaltige Be- gründung läßt die Antwort der Gegner vermissen. So- weit eine Begründung überhaupt gegeben wird, besteht sie in dem unverhüllten Hinweis auf das Interesse der Alliierten und Assoziierten Mächte.

8. Verkehrsfragen

Was die Binnenschiffahrt anlangt, so ist an dem ursprünglichen Entwurf, der die Verwaltung der deut- schen Binnenwasserstraßen Deutschland aus der Hand nimmt, nichts von Belang geändert.

Die Rheinschiffahrtsakte ist, solange die Besetzung dauert, praktisch außer Geltung gesetzt.

Der gegnerische Eingriff in die Gestaltung der deut- schen Eisenbahntarife bleibt bestehen.

Die Zugeständnisse auf diesem Gebiete beschränken sich, abgesehen von dem Durchgangsverkehr nach Ost- preußen, auf folgende Punkte:

a) Deutschland erhält statt eines Vertreters drei Vertreter in der Oder-Kommission;

b) Deutschland kann sich an den Beratungen der Donau-Kommission ohne Stimmrecht beteiligen;

c) der Bau eines Großschiffahrtsweges Rhein Donau kann Deutschland nicht einseitig von den Geg- nern auferlegt werden.

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9. Staatsverträge

Die deutscherseits gegen das Kapitel der Staatsver- träge erhobenen Bedenken sind in den wesentlichsten Punkten nicht berücksichtigt worden. Es bleibt dabei, daß allein die gegnerischen Mächte bestimmen, welche Verträge wieder Geltung erlangen sollen. Es bleibt ferner dabei, daß alle Verträge, die Deutschland vor und während des Krieges mit russischen Staaten und mit Rumänien sowie alle Verträge, die es während des Krieges mit seinen früheren Verbündeten abgeschlossen hat, ohne Ausnahme beseitigt werden. Es bleibt endlich auch dabei, daß Deutschland den gegnerischen Mächten und ihren Angehörigen ohne jede Gegenseitigkeit alle Rechte gewähren soll, die es vor dem Kriege seinen Verbündeten und während des Krieges Neutralen in Staatsverträgen eingeräumt hat.

10. Kriegsgefangene

Auch hier lehnen die Gegner es ab, auf unsere For- derungen einzugehen. Weder sind die Gegner bereit, die Gefangenen zurückzugeben, die wegen gewöhnlicher Vergehen bestraft sind, während wir die bestraften feind- lichen Gefangenen freilassen mußten, noch gewähren sie uns in anderen Punkten die Gegenseitigkeit.

11. Militärfragen

Statt unser rückhaltloses Eingehen auf den Gedan- ken der Abrüstung mit der bindenden Zusage späterer Gegenseitigkeit in vertragsmäßiger Frist zu erwidern, begnügen sich die Gegner mit der Ankündigung eines

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vagen Programms, das sich nicht einmal auf die Ab- schaffung der allgemeinen Dienstpflicht festlegt. Die Bindung unserer gesamten inneren Heeresorganisation, aller Einzelheiten der Bewaffnung und Ausbildung bleibt bestehen. Das Zugeständnis einer Übergangsperiode ist nahezu wertlos, weil es die Periode zu kurz bemißt und die Heeresstärke ohne jede Erforschung des wirklichen Bedürfnisses festsetzt.

12, Sanktionen

Zu dem Kapitel der Sanktionen (Aburteilung des früheren deutschen Kaisers und Auslieferung der Deut- schen, die eines Verstoßes gegen Kriegsgesetz oder Kriegsgebrauch beschuldigt werden) wird nur das Zu- geständnis gemacht, daß der deutschen Regierung inner- halb eines Monats nach Inkrafttreten des Friedensver- trags eine endgültige Liste der auszuliefernden Personen mitgeteilt werden soll. Es bedarf keiner weiteren Aus- führung, daß hiermit die deutscherseits erhobenen Ein- wendungen nicht als entkräftet angesehen werden kön- nen. Wir sollen also nach wie vor unsere früheren poli- tischen und militärischen Führer der Gegenpartei zur Aburteilung ausliefern.

13. Arbeiterrecht

Den Antrag der Deutschen Delegation, in den Frie- densvertrag das materielle Arbeiterrecht und die inter- nationale Organisation der Arbeit entsprechend den Be- schlüssen der Berner internationalen Gewerkschaftskon- ferenz auszugestalten, haben die Regierungen der Alli- ierten und Assoziierten Mächte abgelehnt.

12*

180 17. Juni 1919

In ihrer Antwort auf die Bemerkungen der Deut- schen Delegation erklären sie, daß sie es nicht einmal für wünschenswert halten, die Prüfung der Arbeiter- fragen wieder aufzunehmen. Weit entfernt, die von der Deutschen Delegation für das Wohl der Arbeiter an- geregten Forderungen zu erfüllen, verharren sie viel- mehr auf ihrer Ansicht, daß die Arbeiter kein entschei- dendes Mitbestimmungsrecht in der Arbeitergesetz- gebung haben dürfen, sondern daß ihnen die Bedingungen der Arbeitszeit und ihres sozialen Lebens ohne eigene wesentliche Mitwirkung vorgeschrieben werden müssen. Sie tragen der Tatsache nicht Rechnung, daß die größten Leiden dieses Krieges gerade von den Arbeitern ertragen wor- den sind, daß ihnen deshalb die Gleich- berechtigung und die Selbstbestimmung überihrSchicksalgesichertwerdenmuß.

Aus der Antwort der Alliierten und Assoziierten Regierungen ersieht die Deutsche Friedensdelegation, daß sie nicht gewillt sind, den auch von ihnen als bin- dend anerkannten, mit der deutschen Regierung durch Annahme der 14 Wilsonschen Punkte geschlossenen Vor- vertrag zu halten, und daß alle feierlichen Zusagen, die dem deutschen Volke und damit der Menschheit von den gegnerischen Staatsmännern in öffentlichen Kund- gebungen erteilt waren, unerfüllt bleiben sollen. Fast in allen wichtigen Fragen ist die vereinbarte Grundlage verlassen. Auch haben die feindlichen Regierungen, offenbar in der Erkenntnis ihres Unrechts, den Vor- schlag abgelehnt, durch mündliche Verhandlungen eine gemeinsame Grundlage zu bilden.

17. Juni 1919 181

Die Antwort der Alliierten und Assoziierten Re- gierungen läßt den ursprünglichen Entwurf in seinen entscheidenden Punkten bestehen. Auch jetzt noch sind die Friedensbedingungen unerträglich,

weil Deutschland sie nicht annehmen und dabei als un- abhängige, auf die Wahrung ihrer Ehre bedachte Nation leben kann,

unerfüllbar,

weil sie finanzielle und wirtschaftliche Forderungen stellt, die selbst ein blühendes Deutschland beim besten Willen nicht durchführen könnte, um so weniger ein zerstückeltes, verarmtes, vom Weltverkehr und von wirtschaftlicher Gleichberechtigung ausgeschlossenes Deutschland,

rechtsverletzend,

weil sie die feierlichen und öffentlichen Zusagen an das deutsche Volk verleugnen, unaufrichtig,

weil Deutschland der Wahrheit zuwider seine alleinige Schuld am Kriege und einen Gewaltfrieden als Rechts- frieden annehmen soll.

Die Deutsche Delegation ist daher der festen Über- zeugung, daß die deutsche Regierung den Vertrag auch in der jetzt vorliegenden Form ablehnen muß. Würde der Vertrag auf Grund des Ultimatums unterzeichnet, so hätten wir freiwillig einen Rechtstitel geschaffen, auf dessen Revision wir keinen Anspruch haben würden.

Es gibt aber auch in Deutschland keinen Menschen, der den uns jetzt zugemuteten Frieden für durchführbar hält. In unseren Augen ist Ehrlichkeit die beste Politik.

j

182 17. Juni 1919

Dieser Grundsatz läßt die Übernahme undurchführbarer Verpflichtungen nicht zu.

Nach der Haltung der gegnerischen Regierungen und ihrer unzweideutigen Drohung mit Gewalt können wir nicht hoffen, daß heute noch eine schiedsgerichtliche Entscheidung darüber möglich wäre, welche Forderun- gen auf Grund des Vorabkommens über den Frieden ge- rechterweise an uns gestellt werden können. Andern- falls würde, was auch für das deutsche Volk auf dem Spiele steht, die heutige deutsche Regierung sicherlich jederzeit zu einer solchen Entscheidung ihre Hand bieten. Wenn aber der Gegner seine Drohung aus- führen und gegen uns trotz unserer Bereitwilligkeit, alle gerechten Forderungen zu erfüllen, Gewalt anwenden sollte, so sind wir überzeugt, daß die fortschreitende friedliche Entwicklung der Welt uns bald den unpar- teiischen Gerichtshof bringen wird, vor dem wir unser Recht suchen werden.

20. Juni 1919 183

Abschiedsgesuch an den Reichspräsidenten

Weimar, 20. Juni 1919

Hochverehrter Herr Reichspräsident!

Als ich die Leitung der auswärtigen Politik Deutsch- lands übernahm, habe ich es als meine Aufgabe bezeich- net, dem Deutschen Reich die Einheit zu erhal- ten und dem deutschen Volk einen erträglichen Frieden zu verschaffen. Ich habe damals an die Übernahme des Amts gewisse politische Bedingungen geknüpft, die mir redlich und nach Kräften gehalten worden sind.

Die auswärtige Politik, die ich geführt habe, konnte sich nur auf geistige Waffen stützen. Deutschland war durch seine militärische Niederlage, seine politische Revolution und durch die wirtschaftlichen Bedrängnisse des Waffenstillstands als materieller Machtfaktor aus- geschaltet. Trotzdem glaube ich, sagen zu dürfen, daß es mir möglich gewesen ist, seinen politischen Kredit im Ausland zu heben. Ich schreibe diesen Erfolg dem Umstand zu, daß ich die Linie, auf die ich die auswärtige Politik des Reiches anlegte, in keinem Augenblick verlassen habe.

In vollem Bewußtsein ihrer Tragweite habe ich für den kommenden Frieden gewisse Mindestforde- rungen in so scharfer Form aufgestellt, daß ich sie nicht fallen lassen kann, ohne mich als ernst zu nehmen- den Politiker selbst auszuschalten. Diese Mindestforde- rungen beziehen sich namentlich auf die territo-

184 20. Juni 1919

rialen Fragen, auf die Ablehnung der un- gerechten Beschuldigung unseres Volks und auf die Behauptung unserer sozialen und wirtschaftlichen Freiheit. Absicht- lich habe ich mich in diesen Fragen vor der Öffentlich- keit festgelegt und den Feinden gegenüber gebunden, denn sie sollten wissen, daß ihrem Siegerübermut in einem festen Willen eine Grenze gesetzt war.

Ich bin von Versailles zurückgekehrt in der zuver- sichtlichen Hoffnung, mit meiner Politik zu einem Er- folge zu kommen, wenn das deutsche Volk hinter mir stand und bereit war, die schweren Gefahren, mit denen die Feinde es bedrohen und einzuschüchtern versuchen und die ich keineswegs verkenne, auf sich zu nehmen. Die Verhandlungen in Weimar haben mich überzeugt, daß Gründe der inneren Politik, besonders die über- wiegende Auffassung von dem seelischen Zustand unseres schwergeprüften Volkes, es für die Regierung unmöglich erscheinen lassen, den Einsatz zu wagen, ohne den ich mein Spiel nicht gewinnen kann. Und es war davon bin ich überzeugt kein leichtfertiges Vabanquespiel. Es setzte nur Festigkeit und Selbstver- trauen voraus. Ich habe das Vertrauen in mich selbst und habe trotz allem das Vertrauen zum deutschen Volke nicht verloren. Das deutsche Volk ist jetzt in der Welt der Vorkämpfer der demokratischen Idee. Es handelt sich um eine Weltmission, die es berufen ist, zu erfüllen, die es aber nur erfüllen kann, wenn es sich selbst nicht aufgibt. Die klare, unzweideutige Vertretung einer Politik

20. Juni 1919 185

demokratischer Selbstbestimmung und sozialer Ge- rechtigkeit ist künftig die Daseinsberechtigung des deutschen Volkes, sie und die unerbittliche Kampfansage gegen den Kapitalismus und Imperialismus, dessen Dokument d er F r i e d e n s e n t w u r f seiner Gegner ist, sichert ihm eine große Zukunft.

In der Gegenwart freilich muß ich vor der Türe des Erfolges umkehren. So ist es für mich unmöglich ge- worden, die auswärtige Politik Deutschlands weiter zu leiten. Ich will damit nicht behaupten, daß ein Reichs- beamter das Recht hätte, seine Mitarbeit zu verweigern, wenn der Zwang der Umstände Entschließungen der Regierung herbeiführt, die er sachlich für un- richtig hält.

Es kommt nicht darauf an, ob mir persönlich die Führung einer Politik, die auf der Annahme der feind- lichen Friedensbedingungen aufgebaut ist, erträglich er- scheint oder nicht. Ich würde es aber für einen schweren Fehler und für die auswärtige Politik des Reiches als verhängnisvoll erachten, wenn ich jetzt im Amt bliebe. Für jeden anderen deutschen Minister ist eine Schwenkung in der Haltung gegenüber den Friedens- bedingungen auch dem Ausland gegenüber möglich und gerechtfertigt, wenn die inneren Verhältnisse sie ge- bieterisch verlangen. Ein Minister des Auswärtigen, der diese Schwenkung mitmacht, nachdem er sie öffent- lich für sich abgelehnt hat, gefährdet aber die Würde und den Kredit des Reichs. Hat sich seine Politik als undurchführbar herausgestellt, dann muß er vor dem Ausland verschwinden.

186 20. Juni 1919

Wenn Deutschland jetzt die Friedensbedingungen der Feinde annimmt, so ist der politische Erfolg, den dieses ungeheuerliche Opfer eintragen soll, die Beruhi- gung unserer äußeren Lage, die Entspannung der Haß- und Rachegefühle, die Zurückziehung der feindlichen Truppen, die Anbahnung wirklicher Friedensverhand- lungen. Dieser Vorteil würde gefährdet, vielleicht gar preisgegeben, wenn die neuen Beziehungen von dem- selben Manne angeknüpft werden müßten, der die Be- dingungen der Gegner so scharf verworfen hat wie ich.

Wird unterzeichnet, sei es mit oder ohne Vorbehalt, werden jetzt Wege versucht, um durch Konzessionen über die von mir gesteckte Grenze hinaus noch Erleich- terungen der Friedensbedingungen zu erkaufen, an die ich nicht glaube, so muß diese Politik von einem neuen Minister des Auswärtigen getrfeben werden, von einem Manne, der weniger „belastet" ist als ich. Ich bedauere tief, der Regierung und namentlich Ihnen, hochverehrter Herr Reichspräsident, durch meine Weigerung Schwie- rigkeiten zu bereiten, aber ich halte mich in meinem Gewissen als heute noch verantwortlicher Leiter der deutschen auswärtigen Politik für gebunden, an meiner Bitte um Enthebung von meinem Amte festzuhalten.

gez. Brockdorff-Rantzau.

Nachwort 187

Nachwort

Was an urkundlichen Belegen für die Politik vor- handen ist, die ich während meiner kurzen Amtszeit als Auswärtiger Minister des Reichs geführt habe, ist hier im wesentlichen zusammengestellt. Dokumente sollen für sich selber sprechen. Je weniger sie des Kommentars bedürfen, um so überzeugender wirken sie. Ich denke nicht daran, durch nachhinkende Be- trachtungen das Urteil der Leser beeinflussen zu wollen. Mögen sie sich meiner Politik zustimmend oder ablehnend gegenüberstellen eines werden sie ihr nicht absprechen können: daß sie einheitlich war.

Für ein unparteiisches Urteil über die Ziele, die ich angestrebt, und die Wege, auf denen ich versucht habe, ihnen näherzukommen, ist die Zeit noch nicht reif. Die europäische Atmosphäre ist noch zu schwül, politisch und rechtlich zu ungeklärt. Die Stimme ruhig abwägender Vernunft wird von den Ausbrüchen leidenschaftlichen Gefühls überschrien. Wer einen Epilog schreiben wollte, würde Gefahr laufen, ins Moralisieren zu geraten. Ich aber mag nicht morali- sieren und verabscheue große Worte, weil die kleinste Tat, hinter der eine Gesinnung steht, mir lieber war und ist als die großen Worte moralischer Welt- anschauungsprogramme, die sich bei der Feuerprobe der Tat in Dunst auflösen. Was den Politikern jetzt nottut, ist die Fähigkeit, die verhetzten Gemüter so weit aufzuklären, daß sie die Solidarität Europas und die Notwendigkeit der Zusammen-

188 Nachwort

arbeit aller Völker endlich verstehen, daß sie endlich begreifen, wie jeder isolierte nationale Egoismus heute zum Untergang führen muß. Wenn ihnen dies gelingt, dann, meine ich, versteht sich das Mora- lische von selbst.

Die Friedensdelegation in Versailles hat sich be- müht, schon im Mai 1919 der feindlichen Welt und dem eigenen Volke diese Notwendigkeiten klarzu- machen. Bei unseren Feinden war sie dem Erfolge nahe, wie die letzten Enthüllungen aus französischen und englischen Quellen beweisen. Der Lauf, den die Ereignisse in Deutschland genommen haben, ist bekannt. Die Hoffnung auf eine geschlossene innere Front, wie sie jetzt in der Auslieferungsfrage hergestellt werden konnte, wurde enttäuscht. Willenlose Unterwerfung war die Folge. Einen Frieden des Rechts hatte man uns feierlich zugesichert, ein Frieden brutalster Gewalt wurde uns aufgezwungen.

Jetzt endlich beginnt, wie es scheint, auch der Oberste Rat einzusehen, daß seine Forderungen unaus- führbar sind, daß die Kräfte aller Völker, die bisher gegeneinander im Streit lagen, zu gemeinsamem Aufbau vereint werden müssen. Aber wie viele wirtschaftliche Werte sind seither zwecklos vergeudet, wieviel mensch- liche Kraft ist durch die Fortsetzung kriegerischer Mittel, durch Kämpfe, Besetzungen, Blockaden ge- schädigt oder vernichtet worden!

Doch das Gute kommt nie zu spät. Und bereits treten Männer, die unsere Feinde führten, Persönlich- keiten wie Asquith, Robert Cecil, Henderson und

Nachwort 189

Nitti für eine vernünftige Lösung ein. Ein so hervor- ragender Fachmann wie Keynes, der als englischer Delegierter in das Getriebe der Pariser Beratungen einen tiefen und unmittelbaren Einblick gewinnen konnte, hat lebenswahr geschildert, was hinter den Kulissen vor sich ging, und eine vernichtende Kritik an dem Ergebnis dieser Tragikomödie geübt. Die „Foreign Affairs" unter Morels Leitung entkräften das „Strafurteil" von Versailles durch Gegenbeweise und Gegenanklagen und zeigen mit wahrer Überlegenheit den Weg zu einem neuen Europa.

Man könnte fast versucht sein, zu glauben, daß der Sieg der Wahrheit nicht fern ist. Selbst gegenüber Osteuropa übernehmen die heutigen Leiter der Weltgeschickc Ge- danken, die sich auf mehr als einer Seite der vorstehenden Urkunden finden.

Aber noch sehen wir überall Taten des Unrechts und der Gewalt; noch kapituliert die Vernunft nur allzuoft vor den Dämonen des Hasses, die Einsicht vor den Pöbelrufen der Straße. Vorzeitige Hoff- nungen sind gefährlich. Wir wissen nicht, ob hinter den veränderten Entschlüssen der Regierenden eine feste Gesinnung steht, wir wissen nicht, ob sie nur schwankende Ministersessel stützen sollen. Des- halb ist es die Pflicht der Völker, wenn sie zur Einsicht der großen Not- wendigkeiten gekommen sind, zu ver- langen, daß ihre Regierungen die richti- genSchritte tun, ehedasChaos herein- bricht.

190 Nachwort

Dazu gehört aber, daß die Völker nicht nur die nationalen, sondern auch die sozialen Feindschaften überwinden. Nur wenn das einzelne Volk gelernt hat, sich in sich s e 1 b s t z u e i n e r lebendigen Arbeitsgemeinschaft zu- sammenzuschließen, werden auch die Völker untereinander sich zur Lösung der gemeinsamen Aufgabe verbinden können. Sonst stört der innere Kampf auch den äußeren Frieden. Die Vorschläge, die von der Deutschen Delegation in Versailles nach dieser Richtung hin gemacht worden sind, bilden einen wesentlichen und unabtrennbaren Bestandteil meines Programms. Freilich mahnt auch hier das Er- gebnis der Oktober-Konferenz in Washington zur Geduld.

Die Arbeiter lösen sich ab, die Arbeit bleibt. Wer immer berufen sein mag, die Gedanken durchzuführen, die in diesen Dokumenten gesammelt sind und denen ich vertraue fest darauf die Zukunft gehört, er sei als Mitkämpfer willkommen.

/<

Namen- und Sachregister

Ablehnung 3, 129, 181.

Abreise 119.

Abrüstung 40, 154, 160, 178.

Abschiedsgesuch 183.

Abstimmung 138, 172.

Abstimmungsgrenze 173.

Abtrennung der Rheinlande 176.

Abtretung von Kolonien 44.

Action Francaise 133.

Afrika 33, 35.

Aggressivität 81.

Agitation 173.

Aiakos 151.

Allianzen 20, 28.

Amerikanische Hilfe 9, 98.

Ammoniak 142.

Amsterdam 111.

Amtsantritt 17.

Anarchistische Ideen 93.

Änderung der Friedensbedin- gungen 168.

Annahmebedingungen 3.

Annexion 102.

Anrechnung 175.

Anschluß Deutsch-Öserreichs 19, 25, 49, 77, 86, 106, 172.

Ansprachen 22, 27, 136.

Ansprüche Deutschlands 95.

Arbeitende Klassen 116, 132.

Arbeiter, ausländische 70.

Arbeiteranwerbung 70.

Arbeiterfragen 179. Arbeiterfürsorge 140. Arbeiterhygiene 70. Arbeiterrecht 56, 68, 69, 70, 71,

75, 120, 179. Arbeiterschaft 61, 134. Arbeiterschutz 56. Arbeiterschutzprogramm 56. Arbeiter- und Soldatenräte 11,

12. Arbeiterversicherung 56, 70. Arbeitsausbeutung 85. Arbeitsbedingungen 69. Arbeitsgemeinschaft 93, 156,

161, 179. Arbeitslosigkeit 132. Arbeitsorganisation 161. Arbeitsstatistik 69. Archive 115, 143. Armeen 10. Arroganz 154. Arzneimittel 142. Asien 33. Asquith 188. Aufrichtigkeit 125. Aufwärtsentwicklung 157. Ausbeutung 36, 85. Ausbruch der Feindseligkeiten

29. Ausfuhr 44. Ausführender Rat 74. Ausland 5, 7, 8, 17. Auslandsanleihen 9. Auslandskredit 9.

192

Namen- und Sachregister

Auslandsmissionen 90. Auslandsposten 91. Auslandsunternehmungen 139. Auslandsvertretung 96, 97. Auslandswerte 139. Auslieferung 179, 188. Ausnahmerecht 42. Ausschuß für äußere Politik 98. Außenhandel 173, 176. Außenpolitik 5, 7, 8, 37, 58, 73,

83, 98. Australische Regierung 32. Auswärtiger Dienst 43, 83, 89,

96, 97. Auswärtiges Amt 69, 89. Autorität 7, 8.

B.

Balkan 18.

Basel 71.

Dr. Bauer 77.

Beamtenauswahl 52.

Bedingungen für Amtsüber- nahme 3.

Beeinflussung 173.

Belgien 34, 63, 94, 114, 116, 138, 142, 143, 172, 174.

Benzol 142.

Bergwerke 141.

Bern 56, 68.

Besetzung 83, 87, 104, 171, 173, 176.

Besprechungen 168.

Beteiligungen 143.

Betriebsunfälle 70.

Bewaffnete Macht 10.

Bewegungsfreiheit 142.

Bildungswesen 139.

Binnenschiffahrt 177.

Blockade 83, 87, 115, 147.

Böhmen 50, 141.

Bolschewismus 4, 51, 55.

Brest-Litowsk 144.

Briey 47.

Bromberg 127.

Bruderkrieg 49.

Bryan 59.

Bukarest 144.

Bundesgenossen 10, 81, 115, 116,

138. Bundesparlament 59. Bündnismöglichkeiten 107. Bündnispolitik 81, 82. Bureaukratie 42. Bürger 7. Buße 158.

C.

Cambon 111, 112. Cauchemar des coalitions 81. Cecil, Robert 188. Clemenceau 28, 29, 120, 121, 151, 168.

Daily News 133.

Dänemark 61, 85, 174.

Dänen 53.

Danzig 85, 127, 137, 141, 153,

165, 172. Dauerfrieden 145. Delegation 119, 134, 136, 171. Delegiertenversammlung 64. Demobilisierung 39. Demokratie 23, 31, 37, 61, 62,

65, 74, 184. Denkschrift 144, 171.

Namen- und Sachregister

193

Deputiertenkammer 19, Deutsche Verhältnisse 7. Deutsch-Österreich 19, 25, 49.

77, 86, 106, 172. Deutsch-polnische Beziehungen

52. Dienstgebäude 92. Dienstpflicht 178. Differenzierung 42. Diktatur 23.

Diplomatische Vertretung 95, 96. Donau-Kommission 177.* Durchgangsverkehr 177.

Ebert 3.

Eigenart 63.

Einfuhr 44.

Eingeborene 32, 35, 36, 45.

Einheitsgedanke 162.

Einigungsämter 59.

Einigungsgedanke 25.

Einkreisungspolitik 146, 149.

Eisenbahnbau 140.

Eisenbahn-Durchgangsverkehr

172. Eisenbahnen 53. Eisenbahntarife 177. Eisenbahnverträge 141. Elsaß-Lothringen 45, 46, 84, 141,

172. England 33, 45, 56. Englisches Blaubuch 33. Fntentegerichtshof 80. Entgiftung 30. Enthüllungen 188. Entlohnung 92. Entschädigungsfrage 13. Entschädigungspflicht 117.

Entwaffnung 38, 104, 140. Erleichterungen 171. Erneuerung der Feindselig- keiten 38. Eroberung 35. Europa 161, 162, 165. Europäisches Konzert 64. Evolution 149. Exekutive 8, 11.

Fachunterricht 70.

Fait accompli 127.

Farbstoffe 142.

Feindschaften 190.

Finanzielle Forderungen 86.

Finanzielles Angebot 154.

Finanzlage 92.

Flußschiffe 143.

Foch 27.

Fortbildungsunterricht 70.

Fortschritt 24.

Frankreich 19, 34, 126, 142, 174.

Französische Politik 25.

Französische Revolution 54.

Frauenarbeit 71.

Freihäfen 141.

Freiheit 24, 29, 31.

Freiheit der Meere 13, 43, 44, 75.

Freizügigkeit 69.

Frieden 9, 10.

Friedensbasis 76, 84, 95, 115,

118, 128, 151. Friedensbedingungen 5, 13, 94,

119, 126, 127, 128. Friedensdelegation 119, 134, 136,

171. Friedensgrundlage 76, 84, 95. 115, 118, 128, 151. 13

194

Namen- und Sachregister

Friedensgrundsätze 38, 115. Friedenskonferenz 47. Friedenskongreß 10. Friedensliebe 57. Friedensprogramm 156. Friedensrecht 43. Friedensschluß 5, 93. Friedensunterhändler 10. Friedensverhandlungen 22, 54,

82, 95, 100. Friedensverträge 56. Friedensvorbereitung 83. Fristverlängerung 129.

G.

Garantien 48, 53, 121, 141, 160. Gebietsabtretungen 41, 95. Gebietsfragen 163. Gebietspolitik 54. Gegenbedingungen 156. Gegenseitigkeit 38, 39, 152, 156,

177, 178. Gegenvorschläge 129, 130, 131,

136, 137, 150, 153, 156, 170. Gegner 123. Geheimdiplomatie 168. Geheimhaltung 7. Geistesverfassung der Völker 21. Gemeinwirtschaft 147. Gerechtigkeit 27, 38, 39, 115. Gesellschaft Gleichberechtigter

82. Gesundheit 6. Gesundheitswesen 139. Gewaltanwendung 182. Gewaltfrieden 17, 188. Gewaltpolitik 55. Gewerkschaftsverträge 69. Gleichberechtigung 41, 82, 124,

175.

Gleichgewicht 28, 124. Goldzahlungen 142. Grausamkeiten 41. Grenzkorrektur 172. Greuelhetze 30. Grundlage des Friedens 76, 84,

95, 115, 118, 128, 151. Gruppenbildungen 105, 107. Gutachten 171. Gutdünken 172.

H.

Haager Friedenskonferenzen 40,

113, 123. Haase 135.

Habsburgische Monarchie 49. Handelsflotte 44, 139, 153, 173. Handelsfreiheit 43, 75. Handelspolitik 42. Handelspolitische Bestimmungen

175. Handelsschiffsraum 142. Haßatmosphäre 52. Hauptgesichtspunkte 12. Heeresorganisation 179. Heimarbeit 70. Henderson 188. Hintergedanken 123. Hinterhältigkeit 130. Historisches Recht 21. Hoch 89. Holland 72. Hungerblockade 39. Hungersnot 132.

Idealismus 22.

Imperialismus 107, 114, 185. Imperialistische Pläne 46.

Namen- und Sachregister

195

Imperialistische Wehr 10, Innere Fragen 7. Innere Politik 7, 8, 11, 97, 184. Innerpolitische Lage 4. Internationale Kontrolle 33, 34,

36, 45, 46, 71. Internationale Lage 114. Internationale Moral 135. Internationales Arbeitsamt 56,

71. Internationalisienmg 35. Internierte 61.

Interparlamentarische Union 59. Intrigenpolitik 123. Irredenta 29, 54, 85. Italien 142.

Julitage 113.

Kamerun 34.

Kanada 61.

Kanalbau 140.

Kapitalismus 149, 185.

Keynes 189.

Kinder 61.

Kinderarbeit 70.

Klein 86.

Koalitionen 81, 82.

Koalitionsrecht 69.

Kohlen 47, 142.

Kolonialpolitik 35, 45.

Kolonien 32, 44, 74, 75, 95, 98,

139, 141, 143, 173. Kolonisation 166. Kommissionen 119. Kongoakte 34.

Kongreßpolen 52. Königsberg 141. Konsolidierung 5, 8. Konstituante 8. Kontrolle, internationale 33, 34,

36, 45, 56. Kontrollinstanzen 8. Kontrollkommission 147. Krämerpolitik 43. . Kredit 8, 9, 88, 148. Kriegführung 114. Kriegsausgang 6. Kriegsgefangene 39, 41, 61, 94,

117, 178. Kriegskosten 41, 138, 174. Kriegslasten 173. Kriegsorganisation 48. Kriegspläne 41. Kriegsschäden 174. Kriegsschuld 66. Kriegswirtschaft 146. Kriegsziele 145. Kriegszustand 38. Kundgebungen 132, 134.

Lafontaine 52. Landerwerb 84. Landsberg 112. Lansing 76, 115. Lebensmittel 87. Lebensspielraum 10. Leeds 56, 68. Liga der Nationen 57. Liquidation 148. Lloyd George 119, 121, 151. Lohnbedingungen 69. Luxemburg 142, 172.

13*

196

Namen- und Sachregister

M.

Machtfrieden 115.

Mähren 50.

Mainlinie 48.

Mantelnote 137, 171.

Marx 9.

Meistbegünstigung 42.

Memel 137, 141, 172.

Menschheitsentwicklung 94.

Militärfragen 178.

Militärische Sicherung 10.

Militarismus 148.

Mindestforderungen 183.

Minos 151.

Missionare 139.

Missionen 35, 45.

Mißtrauen 8, 122.

Mitbestimmungsrecht 179.

Mitläufer 8.

Mitregiererei 9, 12.

Mittelafrika 35.

Mittelschlesien 172.

Mittelschleswig 85.

Monarchie, österr.-ung. 10.

Monroe-Doktrin 98.

Moral 135, 187.

Morel 189.

Mündliche Verhandlungen 136,

144, 153, 154, 155. Mutmaßungen 133.

N.

Nachbarvölker 66. Nahrungsspielraum 10. Nationale Scheidung 165. Nationalismus 149. Nationalität 51. Nationalitätenprinzip 78, 165. Nationalstaat 163.

Nationalversammlung 8, 21, 25,

73. Naturschätze 166. Neugestaltung 22, 23. Neuordnung 11, 27, 30. Neutrale 5, 71. Neutrale Instanz 174. Neutrale Kommission 29, 115,

143. Neutrale Staaten 61. Niederlande 61. Niederländer 49. Niederösterreich 50. Nitti 189. Nordamerika 35. Nordfrankreich 94, 116, 142,

143. Nordschleswig 85. Norwegen 61. Noten 120, 144.

Oberschlesien 138, 153, 165, 172. Oberster Rat 188. Oderkommission 177. Offenheit 17, 30, 125. öffentliche Meinung 65, 126. Ohnmacht 10. Okkupant 75. Okkupation 104. Oktober-Konferenz 190. Osten 39, 85, 88, 140. Österreich 141. österr.-ung. Monarchie 10. österr.-ung. Thronfolger 113. Osteuropa 189. Ostfragen 126, 172. Ostmächte 56, 174. Ostpreußen 137, 172, 177.

Namen- und Sachregister

197

Ostprovinzen 51. Ostsee 52, 53. Oststaaten 56, 174.

Pangermanismus 49.

Papierfetzen 135.

Papst 87.

Paris, Belagerung 88.

Pariser Konferenz 80.

Pariser Völkerbundsentwurf 64,

68, 73. Pariser Wirtschaftskonferenz 42. Pariser Zeitungen 133. Parlamentarier 11. Parlamente 98. Parteigegensätze 93. Paulskirche 49. Personalbestand 91. Pfalz 47. Pichon 19, 20. Poincare 28, 30. Polen 51, 52, 53, 66, 137, 172,

173, 174. Politischer Kredit 183. Politisierung der Massen 11. Pommern 137, 172. Posen 141, 172. Präliminarfrieden 121. Presse 24, 27, 119, 120, 126, 154. Presseauslassungen 111. Privateigentum 176. Privatprofite 9.

ProgrammatischeErklärung 13, 17. Pro memoria 3, 4. Produktion 161. Programmrede 37. Proletariat 68. Proteste 6, 10, 22.

Quarantäne 42.

Radamanthys 151. Rechtsfragen 176. Rechtsfrieden 13, 17, 20, 27, 43,

101, 137, 140, 145, 150, 188. Rechtsgrundlage 174. Reden 37, 83, 113. Reform des ausw. Dienstes 83,

89, 97. Reformationszeitalter 54. Regionalsystem 90. Reichsarbeitsamt 69. Reichseinheit 4. Reichsregierung 131. Religiöse Freiheit 54. Rentenbezüge 70. Republikanische Armee 4, 10,

39. Republikanische Staatsform 7. Requisitionsrecht 176. Revanche 29, 136. Revision 181.

Revolution 17, 31, 67, 159. Revolutionäres Recht 7. Rhein— Donau-Kanal 177. Rheinische Republik 48. Rheinland 138. Rheinschiffahrtsakte 177. Rheinufer 102. Riedl 79. Rohstoffe 88. Rohstoffproduktion 161. Rumänien 25, 178. Russische Mobilmachung 114. Russisches Friedensangebot 89 Rußland 60, 88, 173, 178.

198

Namen- und Sachregister

Rüstungspolitik 57. Rüstungswahnsinn 57.

S.

Saargebiet 47, 102, 105, 138,

141, 165, 172. Sachverständige 86, 90, 116, 117,

127, 133. Sanktionen 179.

Schadensersatz 84, 86, 138, 174. Scheidemann 3, 4. Schiedsgericht 182. Schiedsgerichtsbarkeit 40, 58. Schiffahrt 43. Schlachtschiffe 140. Schlesien 50, 127. Schleswig 141, 173. Schleuderwirtschaft 43. Schopenhauer 78. Schuldensukzession 173. Schuldfrage 27, 29, 30, 31, 41,

80, 94, 113, 115, 143, 158, 171,

174, 184. Schuldspruch 80. Schutzgebiete 32. Schutzvorrichtungen 70. Schweden 61. Schweiz 61, 72. Schweizer 49. Seekriegsrecht 43. Seeleute 70. Seemannsrecht 70. Selbständigkeit 63. Selbstbestimmungsrecht 17, 19,

20, 21, 22, 23, 24, 25, 53, 60,

78, 104, 114, 139, 141, 164. Selbsterniedrigung 17. Siegerübermut 184. Sklavenarbeit 138.

Slawische Nationen 19.

Solf 3.

Solidarität der Interessen der

Völker 104, 117. Solidarität Europas 187. Sondergesetze 52. Sonderwirtschaft 164. Souveränität 40, 59, 140, 161. Sowjetrepublik 60. Soziale Frage 54. Soziale Freiheit 184. Soziale Konferenz 56, 71. Sozialisierung 147, 148. Sozialismus 69, 149. Sozialisten 7. Sozialpolitik 143. Sozialversicherung 143. Spartakist 67. Spartakusgruppe 8. Sparwirtschaft 147. Spezialreferent 90. Sprachgrenze 46. Staatsautorität 9. Staatsform 7. Staatsgerichtshof 80, 159. Staatssinn 9. Staatsverträge 178. Steinkohlenteer 142. Steuerbelastung 142. Straf urteil 150. Stromverwaltung 140. Südsee 32. Sündenbekenntnis 151.

Tagesmeinungen 98. Talleyrand 100, 101. Territoriale Fragen 84, 140, 172, 184.

Namen- und Sachregister

199

Thronfolger, österr.-ung. 113. Togo 34.

Trianonpalasthotel 128. Tschecho-Slowakei 50, 137, 174. Türkei 75.

U. Übergangsperiode 179. Überwachung 122. Ultimatum 181. Umwälzungen 122. Unabhängige Sozialdemokratie

4, 132. Unannehmbar 128. Undurchführbarkeit 137. Uneinigkeit der Gegner 100, 111,

124. Ungewißheit 124. Unhöflichkeit 119. Unternehmer 8. Unternehmergewinn 9. Unterschriftsverweigerung 5. Unterzeichnung 122, 126, 127,

132, 168, 169, 170.

V.

Verantwortlichkeit 114. Verantwortung 113. Verbrechen Deutschlands 114. Vereinigte Staaten 97. Verfassung 62, 99. Vergewaltigung 21, 29, 107. Verhandlungsgrundlage 144, 153. Verkehrsfragen 177. Vermittlungswesen 59. Vermögenskonfiskation 173. Vernichtung 17, 133. Vernichtungswille 5. Versklavung 17, 133. Versöhnung 24, 160.

Versöhnungsfrieden 20. Verständigung 27, 100, 153. Verständigungsfrieden 152. Verteidigungskrieg 113. Verträge 140. Vertragsentwurf 113, 119, 127,

171. Vertrauen 89. Verwelschung 46. Volk, deutsches 126, 127. Volk, französisches 126. Völkerbund 13, 22, 27, 30, 34,

36. 42, 44, 57, 59, 60, 61, 64,

73, 74, 75, 76, 82, 102, 103,

107, 117, 118, 140, 141, 166,

171, 172. Völkerbundsentwurf, deutscher

120. Völkerbundsentwurf, Pariser 64,

68, 73. Völkergemeinschaft 94, 121. Volksabstimmung 141, 163, 164. Volksgericht 159. Volkswille 37, 62. Volkswirtschaft 9. Vollmachtsaustausch 111. Vollzugsrat 64, 74. Vorbesprechungen 28. Vorfrieden 116. Vorkriegsschulden 173. Vorkriegszeit 147. Vorschläge 174. Vorsprung 175. Vorvertrag 180, 182.

Waffenstillstand 22, 27, 52, 114,

128, 130. Waffenstillstandsangebot 13.

200

Namen- und Sachregister

Waffenstillstandsbedingungen

39. Waffenstillstandskommission 22. Wahlprogramm 25. Wahrheit 17. Warschau 85. Washington 97, 190. Wehrpflicht 140. Weichselschiffahrt 53. Weichselschiffahrtsakte 141. Weimarismus 67. Weltanschauungsprogramm 187. Weltentwicklung 81. Weltfrieden 95. Weltgewissen 116. Weltmission 136, 184. Weltparlament 64, 74. Weltpool 142. Weltrevolution 22, 135. Westpreußen 53, 137, 165, 172. Wiederaufbau 19, 31, 41, 58, 98,

116, 117, 139, 162. Wiedergutmachung 41, 174. Wiedergutmachungskommission

139, 162, 174. Wiederherstellung 142. Wilson 10, 32, 45, 46, 57, 65, 74,

76, 95, 119, 121, 128, 151. Wilsonismus 67. Wilsonprogramm 10, 13, 17, 22,

25, 32, 33, 34, 38, 40, 41, 51,

54, 60, 75, 76, 77, 85, 95, 102,

105, 106, 115, 128, 141, 171,

180. Wirtschaftliche Freiheit 41, 184.

Wirtschaftliche Friedensbedin- gungen 146.

Wirtschaftliche Fühlungnahme 111.

Wirtschaftliche Kriegführung 41.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit 165.

Wirtschaftlicher Ausgleich 104.

Wirtschaftlicher Außendienst 43.

Wirtschaftsform 161.

Wirtschaftsgemeinschaft 162,

163.

Wirtschaftskonferenz 42.

Wirtschaftsleben 117.

Wirtschaftspolitik 54.

Wirtschaftsstruktur 146.

Wirtschaftsverträge 43.

Wohlverhalten 171.

Wortbruch 128.

Würde 17.

Zahlungsfähigkeit 86.

Zeitungen 98, 133.

Ziel der Friedensverhandlungen

100. Zivilbehörde 176. Zivilisation 67. Zollregime 176. Zollschranken 147. Zusammenarbeit 145, 155, 187. Zusammenbruch 6, 11, 31, 38,

51, 117. Zwangsmittel 59.

Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Buchdruckerei G.m.b.H., Berlin SW68, Kochstr.68— 71.

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