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THE LIBRARY

OF

THE UNIVERSITY

OF CALIFORNIA

LOS ANGELES

DON JUAN

Eine Tragodie

von

Carl S t e r n h e i m

Leipzig

ini Inscl-Verlag 1909

7

Der ERSTE TEIL

der Tragodie

»_;•_£.• J <4j v_ "-i GERWAN

DON JUAN

Vor der Kathedrale zu Valadolid. Volk, das durch Bewajfnete

zurikkgedrtingt ivird, halt die Biinhe und die Gasse, links atif

und ah gehend, besetzt. Von der Freitreppe her das Gelachter

der vornehf/ien 'Jimglinge.

ERSTER HOFMEISTER:

ON Juan seht doch Euren Schutzbe- fohlenen.

ZWEITER HOFMEISTER:

§Der Strafe bin ich ledig, Lob und Dank; seit Tagen ist er meiner Hut entzogen.

ERSTER HOFMEISTER:

Der niitzt bei Gott die Freihcit! Wie sein Auge an jedem Weib hangt, das voriiber mufi.

ZWEITER HOFMEISTER:

Der Eure machts nicht anders. Alle iiicht. Nur offenbart uns Juans freier Blick, was schielend jeder andere gern verbirgt. Die Kinderzeit ist hin; das Lebcn steht mit einem Ruck in diesen Knaben auf, und zweimal flihlen sie sich Herrn der Welt durch ihr Geschlecht und eine edle Abkunft.

ERSTER HOFMEISTER:

Ich basse diese adelige Brut

von Spanien und das ganze Volk dazu,

wo jeder Bettler, der in Lumpen geht,

mit einer albernen Gespreiztheit bettelt.

Bei einem Prinzen Frankreichs war ich Lehrer;

der Knabe wuchs aus koniglichem Blute

Der Valois; doch gegen dieses Volks

gemeinsten Mann betiiig er sich beschciden.

ZWEITER HOFMEISTER:

Ihr v^ifit nicht, was Ihr sagt, Ihr kennt sie nicht. Ja, hattet Ihr vor Jahren sie gesehen,

2 DON JUAN

wie sie sich trugen, wie sie gingen; heutc

ist das vorbei. Der Stolz \\ ich langst der Angst,

am andercn Morgen ohnc Kopf zu scin,

we'll man sich uberhob. Die Schciterhaufen

sind hungrig, und Spione sorgen eifrig

fur Futtcr. Seht Euch um. Kcin lautes Wort.

Ein ganzes Bild von Spaniens Majestat,

das jcder einmal gab, gibt nur der Konig.

Er sog in seine einzige Person

des stolzen Volks Bewufitsein und dazii

den Stolz von iiber tausend spanischen Granden.

Im iibrigen geht ernsthaft das Geriicht,

der Knabe Juan sei des Konigs Bruder,

dem fiinften Karl unehelich geborcn,

dem grofien Kaiser, von kommt nahcr her

man weifi da allerhand; es gibt in Spanien

)a einen Himmel holder, schoner Frauen,

von, A\agen einige doch laut zu sagen,

des Kaisers Schwester \\ ar \'iel holder noch

als jedes andere \\^eib.

ERSTER HOFMEISTER: O guter Gott!

Z^^^ITER HOFMEISTER:

Und scheint es nicht, dafi er \on Habsburg stammt? Das harte Kinn, der Mund, die freie Art, ganz unbekiimmert um den Zwang der Zeit.

ERSTER HOFMEISTER: So meint Ihr vvirldich?

ZWTITER HOFxMEISTER:

Ich? Was soil ich meinen? Ich. Nichts! Mein Lieber, '\\iirde je gehort, was jemand meint, der Jemand ist verloren. Wer wird auch glauben, ^\•as Lakaien schw atzen. Nein, Juan ist ein Kind wie jedes andere; Don Luis Quixada sein \^ater, freilich, und Donna Maddalena seine Mutter,

ERSTER TEIL

hier in der nachsten Nahe V'illagarcia der Ort, ^\•o er geboren wurde, schwore ich. Versteht Ihr mich: ich scliuore! Aufierdem ich weifi es ganz gcnau, ueil man mir sagte, es sei so. Und das ist doch ein Beweis.

DRITTER HOFMEISTER kommt: Ein schbnes Wetter zum Marienfest.

ZWEITER HOFMEISTER: Es wird sehr heifi.

DRITTER HOFMEISTER:

Ein Bad im Flufi nachher. Wie wird die Maienkonigin wohl hcificn? Ich hatte bei den Gottcrn mir geschworen, den Morgen lieifiig mit Horaz zu traumen, mit Lydia, Lalagen zu scharmutzieren; doch immer Hog die Sehnsucht hin durchs Fenster, Die Toten am Lebendigen zu messen. Das Buch klappt zu, hier bin ich und ganz ehrlich, ich fiirchte heute fiir mein freies Herz.

ERSTER HOFMEISTER:

Er glaubt mein Gott wie albern glaubt Ihr \\ irklich, Euch trifft ein Blick aus adehgen Augen?

DRII TER HOFMEISTER: Ist gar nicht not. Ich \\ iU nur selbst das Auge an dieser stolzen Jugend mir ergotzen, und vom Gesicht, von ihren Glicdern will ich lesen, was auf Erden Schbnheit heilk und siifie Grazie.

ERSTER HOFMEISTER: Nun, non disputandum est.

RUFE AUS DEM VOLK:

Seht vor! Seht vor!

SCHREI FINES MADCHENS: Mein Gott!

4 DON JUAN

RUFE AUS DEM VOLK:

ZuHilfelHelft!

Ein Fferd kommt re'ttcrlos in gcstrechtem Galopp durch die Gasse

rechts.

JUAN loirft sich ihm eiitgegen und schxmngt sich auf seinen Rikken: Nur langsam, langsam, edler Freund, manierlich.

DER REITER kommt hinkend: O Bestie!

JUAN:

Nein! Weil dich das reine Blut, das koniglich von Konigen gezogen auf scinem edlen Riicken iiicht mehr litt? Das stolze Tier Mill stolz geritten sein, in Maul und Flanken \\ ills den Herren wittern, du basts erbittert: siehs vor Wonne zittern, in meinem Ziigel gebts im spaniscben Tritt.

Er springt ah und iibergiht das Pferd dem Reiter, der mit Ver-

iviinschungen geht.

EIN JUNKER:

Bei alien Heiligen, der war zerknittert.

EIN ANDERER JUNKER: Mu6 sicb zu Haus erst wieder biigeln lassen.

DRITTER HOFMEISTER: Ein schoner Sprung wars. Wie der Blitz binauf.

EIN DRITTER JUNKER:

So gebt es aber immer, wenn dem Pbbel

der Kamm scb\\illt, Knecbte Herren spielen \\ ollen.

ERSTER HOFMEISTER: Der Teufel bol Eucb!

DER ERSTE JUNKER zu Juan: Aber reiten kannst du !

ERSTER TEIL 5

JUAN:

Gewifi, da Schenkel ich und Fauste habe.

ALFONSO DE LA PAZ gravitatisch :

Ich prophezeie: zwischen deinen Schenkeln, Don Juan, werden nicht nur Pferde zittern.

ZWEITER HOFMEISTER: Hort, Junker!

ERSTER HOFMEISTER:

Don Alfonso, seid Ilir toll? Und lacht nicht so, denn Lachen ist verdachtig.

Leute kommen von rechts und fiihren das verivundete M'ddchen.

EINE ALTE FRAU:

Nun sag auch Kindchen, tut es vveh, und wo?

DAS MADCHEN:

O hier, wohin das zweite Kreuz ich schlage.

JUAN bet dem Madchen: Ists schlimm?

DAS iMADCHEN: Ach Herr . . .

S'te f'illt in Ohnmacht. Juan halt sie und lap sie sanft zur Erde

gleiten.

DIE ALTE

off net dem Madchen das K/eid iiber der Brttst:

Das ist ein Ungliick, seht.

Alles ist scheu zitriid'gnuichen. Die Hofvieister haben die Junker bis oben auf die 7 reppe gedrangt.

JUAN:

Ein wTjnder Kreis, ein Tritt ins \\ eifie Fleisch, o Bestie ohne Sinn !

ZWEITER HOFMEISTER:

Kommt Junker, kommt.

6 DON JUAN

DIE ALTE: Nein bleibt! O mein! Mir mufi doch einer helfen. Sagt Junker, seht Ihr das zum crsten Male?

JUAN: Ja doch zum ersten w ie zum ersten nicht.

DIE ALTE:

Guckt dreist nur hin. Ein schones Kindchen, wie?

Schon beinah eine richtige kleine Frau.

Seht Euch nur satt und kommt noch nalicr her,

schnell, schnell, wir beide sind hicr ganz allein,

die Saule, meine Rbcke decken viel;

ich will noch einen Knopf, es tut ihr wohl,

kommt Junker, biickt Euch, schaut nun solche Pracht.

JUAN:

O kennst du sie und wer6t du, wie sie heifit?

DIE ALTE:

Ja freilich. L^nd ich bin Euch ganz zu Dienst, Eur Gnaden sollen wohl zufrieden sein. Es ist nun freilich nur 'ne Ladnerin; doch fiir den Anfang gut. L"nd unberiihit; ein Kind im Mutterleibe ist nicht reiner. Fiir fcrncrhin das Leben Euer Gnaden hat so viel Schones, \\ enn Ihrs haben woUt. Ihr seid ein edler Mann, ich wiifite wohl auch Frauen, die zu Hausc einsam sitzen und die von Herzen gcrn auf hiibsche Art sich trbsten liefien.

JUAN:

StiU, sei still, sie lebt!

DIE ALTE:

O sieh, da schaut das fromme Taubchen a\ ieder.

Ist unser Piippchen wieder frisch und kr'aftig?

Du armes, Hebes Herz. Sieh hoch, Kind! Der Herr Graf

ERSTER TEIL

war dir sehr gnadig, ist dein Lebensretter.

So dank ihm schon. Nicht zimperlich. So sag.

Herr Graf ,

DAS MADCHEN:

JUAN umarmt und kiijit sie: Du liebes, liebes Kind.

DAS MADCHEN:

Herr Graf.

DIE ALTE raunt Juan ztt:

Juan sieht hoch und tritt auj einen Monch zu, der sich in seiner

N'dhe zu schajfen viacht. Beliebt?

DER MONCH:

Ich \\ill nicht storen.

JUAN:

Diese Fratze darf ich sobald nicht wicdersehen. Merkts!

DIE ALTE:

Ein klcincs W'cilchcn noch und Euer Gnaden sind ganz gew ili durchaus mit mir zufriedcn.

JUAN:

Ich gehe mit Euch!

DIE ALTE:

Nein, nicht jetzt.

JUAN:

Mit ihr

DIE ALTE:

Nein, zu vicl hello Sonne noch am Himmel, und Herr, w cr neunzchn Jahr gcw urtct hat,

8 DON JUAN

der zijgelt schliefilich auch noch ein paar Stunden die jungen Kraftc.

Sic fluster t ihm tioch etivas zu tind geht mit dem Madchen in die

Gasse rechts.

JUAN:

Himmel, Tod und HoUe!

DRITTER HOFMEISTER: Wer \\ ird bci so viel Sonne rtuchen, Don? In solcher Stunde zum Marienfest.

ZWEITER HOFMEISTER:

Ihr soUtet Euren jungen Freunden, Juan, ein anderes Beispiel geben. Schickt sich das?

JUAN: Es schickt sich! Schickte sich so wunderbar. Ich weifi nun, wo ein Weg ins Leben geht.

ZWTJTER HOFxMEISTER:

Den haben wir Euch tausendmal gezeigt.

JUAN:

Ins Leben? Ins lebendige Leben? Ihr? Nein, Herren! Ihr habt immer, Jahr um Jahr, erbarmungslos an tatendurstigen Seelen gezogen und gerenkt. Dann habt Ihr auch milJachtct, was an Eigenem in uns war, so dafi sichs schamte und in manchem starb. Mit totem X^orbild habt Ihr uns gequalt, gepredigt, was seit grauen Ewigkeiten ein gleicher Menschengeist in Schliiuche prefit. Doch von dem hellen, andern Sinn des Lebens habt Ihr uns nichts gesagt. Wir standen draufSen und \\u6ten nicht, warum die Sonne plotzlich dem Knaben heifier schien, sein Auge oft voU Tranen war und in der stillen Nacht das Herz ihm selig klopfte. Nicht \\arum. Das hat ihm nun ein schoner Tag entschieden.

Er Idtift davon.

ERSTER TEIL

ERSTER HOFMEISTER: O unverschamt! O wehe, wehe!

DRITTER HOFMEISTER: Brav.

RUFE AUS DEM VOLK:

Sie kommen, kommen!

Das Volk dr'dngt nach vorn gegen die Beivaffneten.

DIE SOLDATEN:

Halt! Zuriick!

EINOFFIZIER:

Gesindel !

EIN MANN AUS DEM VOLK einem Soldaten.

Verzcihung, edier Don, wenns moglich ist, setzt Eure Eisenschuhe nicht auf meinen Fufij ich bin so kitzlich, und dann juckt die Hand.

EIN ANDERER MANN: Die Hiihneraugen wollen auch noch sehen.

EIN SOLD AT:

Zuriick! Ich will euch gleich!

DER ERSTE MANN:

\\ ie liebenswiirdig, uns gleich zu wollen. Also lafit uns vor.

EIN ANDERER SOLD AT:

Es gibt noch nichts zu sehen, ist nichts da.

ZWEITER HOFMEISTER xum Offizier: Trotz allcm, der Humor ist nicht verlorcn.

DEROFFIZIER: Man mufi die Bande noch gehorig sieben.

lo DON JUAN

EIN ANDERER MANN AUS DEM VOLK zeigt auf den

Ofpzier:

Wer ist der dicke goldene Herr da driiben?

DRITTER HOFMEISTER den Jtmkern: Dafi Ihr nicht lange unentschicden seid, unscliliissig lauft und schwatzt und dies und das. Die Romer pflegtcn . . . Gut. Nein, eins, zwei, drei hat das erzogene Auge aus dem Schbnen das wahrhaft cinzig Schone schon gefunden. Und dann nocli einmal eins, zwei, drei; und bravo mit einem Rut" den Namen in die Luft. Gleichwie nach einer SchJacht des Feldherrn Namen, des Sieges froh das Heer in einem Atem ruft, der aber ist ganz eingehiiUt vor Freude, gleichwie die Sonne morgens, \\ enn der Nebel genug so ruft die Konigin Ihr aus.

ERSTER HOFMEISTER:

Sie konnten ihren \\^illen einzein einem, den sie zu ihrem Sprechcr sich erA\ahJen, auch iibermitteln, dieser ruft den Namen.

Z\^T1TER HOFMEISTER:

Vorziiglich. Seid Ihr damit einverstanden?

DIE JUNKER: Ja! Gut!

Z^\T:ITER HOFMEISTER: Und habt Ihr einen fiir das Amt?

DIEJUNlvER: Don Juan! Juan!

Z\VT:ITER HOFMEISTER:

Hand hoch, wer ihn will. AUe Hande fl'tegen hoch. ZWTITER HOFMEISTER: Er war noch eben hier, \\"0 ist er bin?

ERSTER TEIL n

ERSTER HOFMEISTER: Grad schlich er sachte um die Kirchenecke.

Beide Hofmeister gehen mit cin'tgen Junkern ditrch das Spalter der Beroaffneten nach h'lnten.

Donna Lanrentia und ihre Zofe Aft/inta kommen von rechts.

JUAN ihnen folgend, ivendet sich an Lattrentia:

Verlort Ihr, Donna, dieses Kreuz von Gold?

LAURENTIA:

Das Kreuz . . . Aminta? Ja ich weilJ verzeiht, ich weifi beim Hciland nicht doch, doch verzeiht, es mag \\ohI eins von unseren Kreuzen sein Ich darf mit Euch nicht auf der StralJe stehen, bringt mir das Kreuz am Abend wieder, Don.

Sie geht schnell.

AMINTA ihr folgend: Um zehn an unseren Garten. Ich bin dort.

JUAN:

Sic sah mein Wappcn auf dem Kreuze nicht?

Das Wappen, das sich blaht, ins Auge springt?

Sie wollte nicht? Warum? Die schbne Frau . . .

Das ist ja wundcrbar, dafi sic nicht wollte.

Ihr grolies Auge gliinzte erst mich an

und dann und dann hielt sie den Blick nicht aus.

ALFONSO DE LA PAZ zti 'han: Du hast mir nie gesagt, dafi du sie kennst.

JUAN:

Wen, ich?

ALFONSO:

Donna Laurentia, meine Tante. Du sprachst sie eben. Also kennst du auch Maria?

12 DON JUAN

JUAN: Ich Maria? Nein. Maria?

ALFONSO:

1st ihre Tochter. Juan, glaube mir,

auf Erden ist Maria gar nichts gleich.

Es wird dir deutlich schcincn, uie sie ganz

die heilige Jungfrau ist vom Hochaltar

im Dom. Gib bitte deine Stimme ihr,

so tun es andre auch. Sie ist die Schonste,

ich schw ore dir, so wunderschon ist sie.

')

JUAN:

So schbn ist sie? Du schworst? Wir wollen sehen. Und wie erkenne ich sie? Gleicht sie der Mutter?

ALFONSO:

Sie ist ihr ahnlich, aber vierzehn Jahr und uberstrahit sie. Du erratst sic schnell.

Schon gut.

Du willst?

JUAN: ALFONSO:

JUAN:

Ich will nur, was ich mufi, und immer treibt das Herz mich zum Entschlufi.

DRITTER HOFMEISTER:

An Euren Platz! Der Zug ist schon in Sicht. Ihr sollt die Stimmen Eurer Freunde sammeln, aus Eurem Mund beate adulescens soil bald des schonsten Madchens Name schallen, Euch ihrer zarten Dankbarkcit empfchlen, denn immer heifits ja manus manum lavat. Vorhin habe ich Euch wohl verstanden, Donj zuerst das Leben, vver es haben kann, wer jung und stark ist. Aber hiitct Euch.

ERSTER TEIL 13

Die Zeit ist Eurem Ungestiim nicht giinstig, Ihr fallt ins Auge, und ein Spiiher schnappt so leicht ein unbedachtes Wort, und schnell ists hinterbracht. Es \\'ar mir leid um Euch.

JUAN:

Ich danke fiir den Rat. Ich will ihn auch befolgen; oder nicht. Wies eben kommt.

Vurnehvie Franen und M'anner sind gekommen und begchen sich auf ihre F/'dtze auf deiii grofien Freiplatz der Treppe.

RUFE AUS DEM V^OLK:

Sie kommen! Sie kommen!

Die Prozession nahert sich unter Glockengel'dutc. Voran die Geistlichkeit viit deiii B'tscbof und den Ckorknaben. Hintei- ihnen paartceise die jungen M'ddchen, iveifs gekleidct, Rosen in den Haaren. Die Geistlichkeit steigt die grojse Treppe hittan; die M'ddchen stehen unten, den jftmkern gegeniiber. Es wird ganz still.

DER BISCHOF:

Von weifien Schlciern schmiickt ein Kleid heut euren keuschen, jungen Leib zu unserer lieben Konigin Ruhm, Ehr und Preis in Ewigkeit. Maria sei gebenedeit.

DIE MADCHEN sagen im Chor: In Ewigkeit. In Ewigkeit.

DER BISCHOF:

Und wo am reinsten klarer Glanz aus einem Madchenauge strahlt und lauter t'rohe Christenheit, da sei der Koniginnenkranz Marias Ebenbild geweiht.

DIE MADCHEN: In Ewigkeit. In Ewigkeit.

14 DON JUAN

^tian, dessert Bl'tck verzatibert an Maria gehangen, ist loie ein

Wamielmier aus den Re'thcn getrcten tind macht e'men Schr'ttt auf

sie zUj ivifd alter von den Junkern ziiriickgehaltcn.

ALFONSO: \y^x iiicht mein Lob fiir sic noch viel zu schlecht?

EIN IvNABE oben tritt vor: Es will des Junkers altes Recht, dafi, wenn der iMai in Busch und Blume sein Licht und frische Kraft crgiefit, er zu des jungen Friihlings Ruhme sich eine Kbnigin erliest. Wie aus Marias Gnadenschofie der W'clx. das neue Heil cntstand, ruhn hier im zarten Mutterland all unsere guten kiinftigen Lose. Erw agt die schwere ^^^ahl und sprecht.

Die Junker flustern 'Juan zu und stellen ihn vor die Reihen. Juan heht den Ann und ivill sprechen. Ih?n fehlt das Wort. Er ermannt sich, beginnt ivieder, die Stimme versagt ihm, und er schlagt die Hande vor das Gesicht. Unter den Junkern Be-

stiirzung.

EIN ANDERER JUNKER tritt vor und ruft: Maria de Mendoza!

DIE KNABEN oben: Maria de Mendoza!

DAS VOLK:

Maria! Maria!

Maria de Mendoza steigt allein die Stufen zum Doni hinan.

Aus der Kirche dringen die t?iacbtigen Klange der Orgel und ciues unsichtbaren Chores:

Ave Regina coelorum, Ave Domina angelorum, Salve radix, sahe porta, Ex qua mundo lux est orta.

Maria beugt vor dem Bischof die Knie.

ERSTER TEIL 15

DER BISCHOF kront Maria:

Die Kbnigin des Himmcis leiht die Krone ihrer irdischen Schwester im Namen ihres siifien Sohnes. Maria sei gebenedeit.

JUNKER UND MADCHEN: In Ewigkeit. In Ewigkeit.

DAS VOLK:

In Ewigkeit!

ORGELUNDCHOR:

Gaude virgo gloriosa, Super omnes speciosa, Vale o valde decora, Et pro nobis Christum exora.

Der Bischofhat Maria ztt dem cinen der beiden Thronsessel ge- leitet, die in der Mine des Freiflat2.es errichtet sind.

EIN KNABE ohen heiigt vor Maria das Knie:

Weil Josef an der Jungfrau Seite ergriffen auf das \Winder schaut, so gebe auch der Frlihlingsbraut ein Maienkonig das Geleite. Schau um dich. Kiinde mir den Namen; Gott segne Wahl und Amt dir. Amen. Maria lap ihr Auge grojl und rtibig iiber die Jihiglinge gleitcn. Als ihr JBlick auf Juan fallt, stutzt sie einen Augenhlid'. Dann fliistert sie dem Knahen zu. Der eine Knabe gibt es dem andern

iveiter.

BEIDE KNABEN rufen:

Alfonso de la Paz ist Kbnig!

Alfonso steigt die Stiifen hinmi und bcugt sich vor Maria. Da hcbt sie ihn auf und kiift ihn auf den Mund.

fuan, der allem mit brennenden Augen gefolgt ist, stiift einen er-

stickten Schrei aus und stitrzt sich in den Fluf. Die Uf?istehenden

dr'iingen zur Brikke.

-.••■.

14

DON JUAN

Juan, desscn Blich verzaubcrt an Maria gchangen, ist ivie ein

H^atJik/tJi/er aits den Reihcn gctrcten tind inacht einen Schrht auf

sie zu, ii'ird aber von den 'Junk em zurikhgehaltcn.

ALFONSO: War nicht mein Lob fiir sic noch viel zu schlecht?

EIN KNABE oben tritt vor: Es will des Junkers altes Recht, dafi, \\enn der Mai in Busch und Blume sein Licht und frische Kraft crgiefic, er zu des jungen Friihiings Ruhme sich eine Konigin erliest. Wie aus Marias Gnadenschofie der M^elt das neue HeiJ cntstand, ruhn hier im zaiten Mutterland all unsere guten kiinftigen Lose. Erwagt die schwere \\''alil und sprecht.

Die Junker fl'ustern Juan zu und stellen ibn vor die Reihen.

Juan hebt den Ann und ivill sprechen. Ihw fehlt das Wort. Er ermannt sich, beginnt ivieder, die Stimme versagt ihm, und er schlagt die ll'ande vor das Gesicht. UfJter den Junkern Be-

stiirzuftg.

EIN ANDERER JUNKER tritt vor und ruft: Maria de Mendoza!

DIE KNABEN oben: Maria de Mendoza!

DAS VOLK:

Maria! Maria!

Maria de Mendoza steigt allein die Stufen zum Dom hinan.

Aus der Kirche dringen die ?fiacbtigen K/i'inge der Orgel und cines unsichtbaren Chores:

Ave Regina coelorum, Ave Domina angelorum, Salve radix, salve porta, Ex qua mundo lux est orta.

Maria beugt vor dem Bischof die Knie.

ERSTER TEIL

"5

I

DER BISCHOF kriim Maria:

Die Konigin des Himmels leiht die Krone ihrer irdischen Schwester im Namen ihres siifien Sohnes. Maria sei gebenedeit.

JUNKER UND MADCHEN: In Ewigkeit. In Ewigkeit.

DAS VOLK:

In Ewigkeit!

ORGEL UND CHOR:

Gaude virgo gloriosa, Super omnes speciosa, \^ale o valde decora, Et pro nobis Christum exora.

Der Biscbof hat Maria zu dem einen der beiden Thronsessel ge- leitety die in der Mine des Freiplatzes errichtet sind.

EIN KNABE ohen beugt vor Maria das Knie:

Weil Josef an der Jungfrau Seite ergriffcn auf das l-N^under schaur, so gebe auch der Friihlingsbraut ein Maienkonig das Geleite. Schau um dich. Kiinde mir den Namen; Gott segne Wahl und Amt dir. Amen. Maria lap ihr Auge grofi und rtthig iiber die '^iinglinge gleiten. AIs ihr Blick attf Juan fallt, stiitzt sie einen Attgenb/ick. Dann fliistert sie dem Knaben zu. Der eine Knabe gibt es dem andern

iveiter.

BEEDE KNABEN rufen:

Alfonso de la Paz ist Konig!

A/fonso steigt die Stufen hintin und beugt sich vor Maria. Da hebt sie ihn auf und kiijst ihn auj' den Mund.

"Juan, der allem mit brcnnenden Augen gefolgt ist, stdjit einen er-

stickten Schrei aus und sti'trzt sich in den Flufi. Die Vmstehenden

drangen zur Brikke.

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i6 DON JUAN

RUFE AUS DEM VOLKE:

Rettet! Rcttet!

LAURENTIA: Aminta, Herr des Himmels, war das nicht . . ?

AMINTA: Doch, Donna!

LAURENTIA:

SchnelJ den Namen, frag den Namen.

AMINTA 2,um x-iveiten llofmeister: Wer \\ ars?

ZWEITER HOFMEISTER: Don Juan, Don Quixadas Sohn. Maria stiirzt zu ihrcr Miitte^' und vcrhirgt sich in ihren Arr?ien.

Em hle'mei' unsauberer Schlafratim ini Hause der altcn Frau.

Es ist Abend.

Juan und das Madchen erheben sich vom Ben und hleiben eine Weile -worths auf dem Rande sitzen. Dann sagt

JUAN: Wie dein Haar zittert.

DAS MADCHEN: Ich . . .

JUAN:

Dein Haar. Gabe es doch Krieg! Da lauft eine Maus!

DAS MADCHEN schlupft ins Bett: O Gott!

JUAN:

Ach du Bange! Wie ihr Madchen seid. Wie said ihr! Hier will ich sterben.

DAS MADCHEN:

Nicht im Kriege?

ERSTER TEIL 17

JUAN:

Oder im Kriege. Oder bier. Hbren und Sehen vergeht einem. Verging es dir? \^ergeht es dir? Uberwaltigend.

Die Alte konimt mit Licht.

JUAN:

Was \\\W das Scheusal?

DIE ALTE:

Jetzt Scheusal, vorher Liebchen, Liebes, und ein Bitten, Schmeicheln und Karessiercn.

JUAN:

Geh, mir wird iibel.

DIE ALTE: Mach der Herr sich doch die Kleider zu.

Juan lacht aus vollem Halse.

DIE ALTE:

Mit einer alten ehrbaren Frau solche Dinge.

JUAN leise: Alt zugestanden. Ehrbar nun, wie ein Bordell. Gelt, du hast das Leben gehabt, Alte?

DIE ALTE:

Mit beiden Handen und mit beidcn Beinen. Mit diesen beidcn Schenkeln. Die habens vermocht, mein Herr. Ich lache den Teufel aus. \\'ie w ar der Engel?

JUAN:

Pfui, still!

DIE ALTE: Nun schon kein Engel mehr?

JUAN: Pfui!

DIE ALTE: Ja ja.

,8 DON JUAN

JUAN:

Diesem Kinde soil das Leben kcin Haar kriimmcn! Kein Hauch darf an sie heran. Hier, nimm dies Geld und ver- wende es bestens fur sie! Behiite sie. Behiite sie mir. Ich weifi noch nicht . . . Es dringt viel auf mich cin. Aber be- hiite sie mir. Ich risse dich in Stucke!

DIE ALTE:

Nun nun.

JUAN zum Madchen: Engel, Engel! Weifit dus noch? O wiifitest dus ewig! Drau/Ien schlagt erne Uhr.

"U''as schlugs? Schlugs nicht zehnmal? Zehn. Es ist spat. Ich mu6, mu6 nun fort.

DAS MADCHEN: Lieber . . .

JUAN ei/t davon:

Ich mufi. Nur bis morgen. Lebe wohJ. Nur bis morgen lebe mir wohl.

Das Madchen schluchzt in die Kissen.

DIE ALTE: Hierher. Angefafit! Soil ich wohl gar dem Fraulein nach- raumen, wo es sich verlustiert hat? Angefafit. Hier ist ein Stbcklein. Und ich \\ei6 eine Stelle, wo es gern bin \\ill. V'orwarts, Hiirchen, und mir nicht gemuckst!

Die Garten des Graf en de Mendoza. hii Hintergrunde das Haus.

AMINTA sieht vom Balkan : Donna Maria hat noch Licht im Zimmer.

LAURENTIA:

So sag ihr, sie soil schlafen. Lafi sie noch, lafi, Madchentraume; eine schone Nacht, wir miissen sie versaumen, miissen schlafen,

ERSTER TEIL 19

und morgen bin ich wicder alter. Bald schon alt, Aminta. Ach, \\ ie flog das Leben.

AMINTA:

Doch Ihr gefallt. Und wie gefallt Ihr, Donna! Noch heute w ieder. Ja, das war mir wohl ein sauberer Knabe. Aber . . . hort Ihr auch, wer gcht dort, ach \\er ist das jetzt, am Gitter? es schmiegt sich an die Stabe ja, er ists!

LAURENTIA:

Es scheint, er ist es wirklich. Himmel, schnell, so winke ihm. Nein, lafi! Mein Herr und Heiland, was mufi ich tun? Maria hat noch Licht, wenn sie, wenn Inez siihc . . . Wink ihm ab.

AMINTA:

Er kommt schon naher, sieht uns, und er griifit.

LAURENTIA:

Er soil nicht sprechen. Sich entfernen. Nein, was tu ich? Durch die Gange kann er nicht; die ganze Dienerschaft ist \\ ach. Er soil vom Hause, soil aus dem Monde gehen. Wenn Maria hinuntersahe . . .

JUAN von untcn:

Donna, wollt Ihr nicht mir eincn Weg anweisen?

LAURENTIA:

Ganz unmoglich, die Tiir, die Diener . . .

JUAN loirft einen Snick attj den Balkan:

Also gebet acht! Macht ihn am Gitter fest.

LAURENTIA:

Es ist geschehen. Juan hegtnnt, hinaufzukL'ttern.

20 DON JUAN

MARIA ojfvet driiben ihr Fenster:

Ob wohl die Mutter wacht? Wie sehne ich mich, vertraut mit ihr zu sprechcn. Ob sies mag? Und oh ich sagcn kann, \\ as mich bev\egt?

LAURENTIA:

Um Gott, beeilt Euch doch.

JUAN niit den Augen zu Maria:

Ich kann es nicht. Laurentia tritt ins Zimmer zuriick.

MARIA:

O schrecklich, schrecklich. Mochte ich doch von ihr, an ihrer Brust erfahren, wie mir ist. Ich w eifi es nicht.

JUAN hangt:

Eriose mich, mein Gott!

Maria steht noch einen Augenblick; dann schliefit sie das Fenster. Juan lajit los mid f 'til It schioer zur Erde.

In einer Schenke am spa ten Abend. FRANZISKO zu den jfunkern an seinem Tische:

Komodie, die eine Wirkung tun sollte. Ertrinken mochte er nicht.

DIEGO: Mochte? Ob er mochte, wufite er nicht. Er mufite hinein.

FRANZISKO:

Wirkung A\ollte er tun. Und tat sie. Von heute ab sieht das Madchen nach ihm. Ob sies selbst nicht weifi. „Meinethalben w ollte er in den Tod . . ." Der Schlaukopf.

DIEGO:

Du zeigst uns nichts als deine Seele, Franzisko. Pfiffig und glatt.

ERSTER TEIL 21

FRANZISKO:

Sprachst du nicht iin Rausch?

DIEGO:

Ich bin niichtern.

FRANZISKO ivill ihn T?iit dcin Krug schlagen: Dann soil dich der Teufel!

DRR WIRT:

Hallo, Junker, nicht dies heilige Gefafi mifibraucben! Nicht diesen kosthchen Saft verspritzen! W^enns Euer Blut ware. Trinkt. Ich bring Euch neuen. Seid Ihr aber widerspenstig, kratzbijrstig und der Ruhe abhold meiner so schliefie ich Euch die Ture fiir immer. Und wo wollt Ihr bin, wenn Euch V^ater Pedro nicht aufnrmmt? Was aber den edlen Don Juan de Quixada betrifft . . . Verzeihung, warum lacht Lhr? so ist es eru iesen bei Gott w arum lacht Ihr? bei Gott und verschiedenen Heiligen . . .

EINIGE JUNKER:

DER WIRT:

DIE JUNKER:

FRANZISKO:

DIEGO:

EIN ANDERER:

Ruhe!

Peremptorisch . . .

Hinaus!

Was ist bewicsen?

Liige!

Lastermaul!

FRANZISKO: Lafit ihn reden. Auf den Tisch!

EINIGE hehen den Wirt atif den Tisch: Auf den Tisch!

22 DON JUAN

DER WIRT:

Liebwerte: Ich hole aus. Ich habe nur eine Ehre. Auch ich bin ein Edclmann, w enn auch im anderen Sinne. Wer v\ eifi, ob nicht im echtesten Sinne.

EIN JUNKER: Pobel!

DER WIRT:

Allerdiiigs, meine Mutter war Waise und ist in einem Hause erzogen, davon mein Anstand mir zu reden verbietet. Dafiir aber habe ich meinen Vater nicht gekannt, und es bleibt die Moglichkeit, ja die Vermutung: er hat existiert. Und in hochst edler Weise. Das ergibt sich aus vorigem.

FRANZISKO:

EIN ANDERER JUNKER:

Zur Sache!

Sophist!

DER \MRT:

Zur Sache. Habt Ihr es gehbrt? AIs fate es nichts zur Sache, dafi ich geboren bin. Wie konnte ich denn sonst reden? Vor einer solchen Tafelrunde dazu. Also ich wiederhole meine AnkJage und beschwore sie bei meines Vaters An- denken, der \\omoglich im Prinzip Prinz war, wenn er es nicht vorzog, es nicht zu sein. Don Juan de Quixada was briillst du so kommt naher her, hort das Geheimnis: Er ist nicht mehr Jungfer.

Einen Augenblick hetretencs Schweigen; dann

FRANZISKO:

Schmeifit den Kerl hinaus!

Der Wirt geht kichernd.

DIEGO:

Ich geh heim. Gehst du mit?

ERSTER TEIL 23

EIN JUNKER: Ja, warte, meinen Hut.

EIN ANDERER JUNICER: Gehn wir auch.

FRANZISKO: Ja gehn \\ ir.

EIN JUNKER: Es ist spat.

Juan tr'ttt in die Tiir.

Die Junker stehen vermrrt.

JUAN:

Was ist? Was seht Ihr mich an, Diego? M^as denn, Fran- zisko? Mir ist nicht zumute, dafi Ihr mich so ansehn diirft. Was habe ich an mir? Was denn? Seid Ihr? Bin ich Diego . . .

Er wirft sich Diego an den Hals und weint.

Aber nein. Verzeiht mir es ist ich verzeihe es mir nicht. Ich bin erregt von . . .

Er lacht imgestum. Kommt her, kommt alle her! Keiner geht. Wo ist Pedro? Pedro!

DER WIRT: Hochzuverehrender.

JUAN:

Zu trinken! Und mehr Lichter angesteckt. Heute soils her-

gehen.

DER WIRT:

Das hort mein Ohr wohJgefaUig.

JUAN:

Setzen!

DIEGO:

Aber . . .

JUAN unwiderstehlich'.

Setzen. Hierher alle. Unter meinen Befehl. Briider, Freundc, die ihr die Kindcrjahre mit mir verlebt. ^V'as ich nun sage, blcibt tictgehcim in unseren Herzen; schworts!

24 DON JUAN

ALLE JUNKER: Wir schworen.

JUAN:

Briider, hbrts: Das Leben ist heiliges Entziicken! Empfindet, empfindet, dafi ihr daseid, erhebt die Seele zu dem Bewufit- sein: \^'ir lebcn, Icben. Mele sind tot, doch wir leben, und vor uns liegt morgen und w icder morgen, und jede Stunde ist uns mit Hoffnungen und Mbglichkeiten angeftillt. Uber- fiillt! Offnet jeden Eingang dcs Leibes, zu empfangen, rcilk mit den Armen an euch heran und dann, dann in dem seligen Moment begreift noch, dafi zu viel iibrig bleibt an Gliick und Genufi, unfafibar ganz unfafibar, unfafibar vor Uber- flufi die Welt!

DIE JUNKER: Hoch, hoch!

DER WaRT stimmt an:

Das Leben ist der Freuden iiberv^oll, voll, vol!,

es gleichet einem siiCen Weibe w obi, \\ ohl, w ohl,

man greift hinein mit seligem Entziicken,

und bleibt noch immer mehr zu fassen und zu driicken.

AUe loiederholen den Refrain, ^nan, der vor sich hingestarrt hat, schleicht tmhemerkt hinaus.

Vorzimmer im Hause des Grafen de Mendoza. Es ist Nacht.

JUAN tritt in Hut und Mantel zu einer Tiir hinein und tastet sich

durch den Raum:

Ein Atem wie ein Alp halt dieses Haus im Bann und lastet schwerer schon auf mir, und kaum erwehre ich tiefen Grauens mich. Ich kehre um! Wenn ich zuriick nur fande. Was her mich trieb in wenig Augenblicken, eh mir noch ganz bew ufit war, was ich tat, den Weg durchs Unbekannte sicher wies,

ERSTER TEIL 25

ist hin, und plotzlich scheint es sehr gefahrlich,

im fremden Haus, an wacher Dienerschaft

vorbei, den Ausgang wieder zu gewinnen.

Das Fenster! Es ist immer tief genug,

den Hals zu brechen. Briiche ich ihn. Ich lage

am anderen Morgan, wo ich heute lag

und aus dem Fenster sahe ... Sei kein Narr,

mach, dafi du fortkommst; spater iiberlege

dir schone Moglichkeiten. Gute Nacht.

Abcr (lis er gehen wilJj trttt recbts aus der Tur im Nachtkleide

LAURENTIA: Wer ist da?

JUAN:

Wer ist da?

LAURENTIA:

Gott, v\elche Stimme!

JUAN:

Seid Lhr es, gnadige Herrin?

LAURENTIA:

Don Juan !

JUAN: Gewifi.

LAURENTIA: Ilir seid von Sinnen?

JUAN:

Welche Frage. Weil ich hierher kam?

LAURENTIA:

Ungliickseliger, mein Gatte kehrt im Augcnblick zuriick.

JUAN:

Er darfs. Im Augenblick, nachdem Ihr mir ein wenig hier hinausgeholfen habt.

26 DON JUAN

LAURENTIA: Doch warum kamt Ihr?

JUAN: Wiifit ichs! Weifi ichs noch.

LAURENTIA:

Ihr \\ifits nicht mehr?

JUAN:

Ich wiifite es nicht mehr? O welche Torheit. Wi&t Ihrs selber nicht so gut als ich? Ihr \\\&z es, gn'adige Frau, sehr gut. O Hebe gn'adige Frau, ihr \\i6ts. Und seht doch auch, was dies fiir ein Kostiim, in dem Ihr steht. Dafi dies ein Nachtkleid ist, beim Himmel, ja ein Nachtkleid fur das Bett. Der Himmel hat mich lieb; ihr glaubt es selbst.

Ihr seht, ich zittere.

LAURENTIA:

JUAN:

Kalte?

LAURENTIA:

Nein, vor Angst, im Augenbhcke geht die Tiire auf.

JUAN:

Das darf nicht sein, wir miissen sie verschliefien.

LAURENTIA:

Was fallt Euch ein? Ihr geht! und auf der Stelle!

JUAN:

Und warum bin ich dann hierher gekommen?

LAURENTIA:

Aus einem unerhbrten Leichtsinn.

ERSTER TEIL 27

JUAN:

Teilsj teils war es etvvas anderes. Grofitcnteils wars etwas Unvergleichliches; doch auch ganz Unausfiihrbares. Ein Wahnsinn wars drei viertel. Und ein viertel fur den Fall, dafi mir milSIange, was mifilingen mufite, wars Leichtsinn.

LAURENTIA:

Fort jetzt. Ich befehle Eiich!

JUAN:

Vor einer Stunde rieft Ihr mich herauf.

LAURENTIA:

Vor einer Stunde hatte ich andere Laune.

JUAN:

Ich bin der Laune, die Ihr hattet, jetzt.

LAURENTIA: O Unverschamter!

JUAN:

Wie? Vergefit doch nicht, dafi Ihr Euch krankt, indem Ihr mich beleidigt.

LAURENTLV:

Ich \\]]1 nur, dafi Ihr geht.

JUAN:

Ihr ricfet mich; ich kam. Kam wieder mit Gefahr des Lebens und setze mein Leben bei der Riickkehr ein. Fiir eine Laune, Herrin? Dafiir nicht, Ich licbe alles Leben, ich berausche an seiner Kraft mich, und ich gebe gern es hin bei stiirmischem Zusammenprall, der mich erschliigt, und nicht fiir einen Scherz.

LAURENTIA: Ihr seht jedoch, ich habe Angst.

28 DON JUAN

JUAN:

Wovor?

LAURENTIA:

Man ijberrascht uns.

JUAN:

Wcv? Ihr diirftet glauben, dafi dicse Jugend, Kraft: und Schiiclligkeit das Alter iiberraschte? Schaiit mich an, wie schmal und schlank ich bin. In eine Ritze, in eincn stummcn W'inkcl tauchc ich ein, ein Hcmd, ein Untcrrock deckt ganz mich zu.

LAURENTIA:

Noch denke ich, Ihr seid ein Kavalier.

JUAN:

Jedoch w as heifit das? Soil ich jetzc von hier genarrt hinaus ins Unge\\isse fliehen und schreckhch traumen? Diese W^irklichkeit verlieren? Seht doch, Frau, ich bin ein Knabe und babe viel gehofft und \\ iinsche mir nun Unaussprechliches. Jagt mich nicht fort.

LAURENTIA:

Ich fiirchte auch Euch selbst, das Ungestum, das heute morgen in den Flufi Euch trieb.

JUAN:

Doch warum fiirchten, was lebendig ist? Das Alter fiirchtet, seine toten Spiiinge, das ekelhafte Nachbild einer Jugend, die hin ist. Gebt mir Eure warme Hand, wehrt der Vernunfi: einmaJ, sich einzumischen. Ihr bebt. Das ist die Wahrheit! Eure Worte und Eure Abwehr, alles ist erlogen.

LAURENTIA:

Ich aber will nicht!

ERSTER TEIL 29

JUAN:

Und ich will es, merkts! Ich mufi jetzt. Weil Ihr eher mir befahit, zu uollcn, was Ihr mufiter. Grand mid Folge erscheint, und wie daraus cin Schicksal \\ ird, dem wir uns unterwerfen. Sprich nicht mehr, denn du versiindigst dich zu sehr. O sich, wie du hier stehst im Spiegel meiner Augen, sieh dir das Bild doch an und dann begrcife, dalJ einem Mann die Seele lacht, sein Leib aufbrechen mufi in ahnungsvoller Lust. Ja, nun erfahrst dus auch! Die Briiste stehen mir schon entgegcn, deine Glieder sind dir nicht mehr untertan, du sinkst ins All, o Frau, nun hebe ich dich von dem Fall bis in den Himmel auf!

Er tragt sie ins Schlafzinwier.

E'ine Weile t'lefe Stille, dann schlekht

RIPIO

atts der Tiir m Hintcrgrtindc und sieht sich vorsichtig um:

Ganz deutlich liorte ich die Miinnerstimme. Ein Handschuhl Ei du lieber Handschuh. Ei, du bist kein Frauenhandschuh, gelt? Zwar kleiu bist du, magst einem Frauenhandchen passen, jedoch aus starkem Leder, Don Franziskos nicht. \\"o stcckt dein Herr? Ich will nicht hotlen wie Madonna? Ein Geheimnis? Hm, da lielJe ein Pliinchen sich fur Euren Diener spinnen, man konnte eine kleine Daumenschraube draus maclien, meint Ihr nicht, und nach Bedart sie anziehn. Meine stoize gnadige Frau, man ist nur Diener, kcincs Blickes wcrt, \\ ird wie ein Fier behandelt, und die Scham nimmt man \or mir kaum mehr in acht. Warum? Ein Diener! Aber hat ein Knecht die Macht in Handen, glaubt, er niitzt sie gut.

30 DON JUAN

Er hiickt sich zum Schliisselloch des Zimmers, in dem Jtiau und Laurentia iveilen, schnellt gleich daraufimeder hoch, entfernt sich eilig ztir gegenHherliegeuden Seite, -wo cr sich hinter einem Vor-

hang verhirgt.

Juan kommt aus dem Zimmer, dessen Tiir er vorsichtig schliefit.

Er hort lauschend umber. Ripio ivagt seinen Kopf he?~vor.

JUAN loendet sich hlitzschnell und hemerkt ihn: Heraus! Wer du auch bist! Du hast gehorcht.

RIPIO: Ich . . . Gnade!

JUAN:

Hast gehorcht!

RIPIO:

Ich kam nur so, ich wollte nicht ans Schliisselloch.

JUAN:

Die Ehre, die Ehre einer Frau in Dienerhand!

Er zieht den Degen. Bereit dich! Du mufit sterben.

RIPIO:

Gnade, Herr, ich bin schon tot im Grabe! Selbst ein Grab, und hab \ ergessen, was ich sah. Bin tot, bin mausetot. Und seh mich selbst nicht mehr.

JUAN:

Die Frechheit! Wolltest dann den Herrn spielen und ganz nach \\'unsch und Neigung Geld erpressen.

RIPIO:

Kein Geld. Gew ifi kein Geld. Ich steh mich gut im Lohn und darf mit manchem extra rechnen.

JUAN:

Kein Geld? Was wolltest du denn anders, Kerl? Was konntest du denn sonst noch? Sieh mich an:

ERSTER TEIL 31

Ein schrecklicher Gedanke war es moglich

ein solcher Abgrund, solche SchJechtigkeit,

zu der das geb ich zu auch noch Verstand

ein starkes Stiick gehort. Du hast Idee,

fur einen Bauernschadel nicht so iibel,

obwohl es iibel ist. Es ware schade

urn solch Talent; man kann es anders niitzen.

Ich schlage vor, du magst ganz frei entscheiden,

ich drange nicht: Tod oder meinen Dienst!

RIPIO: Die Wahl wird schwer; doch bin ich wohJ am Ende noch besser Euer Diener als gestorben.

JUAN: Dann voran ! Aus dem Fenster schnell hinaus.

RIPIO: Ich kann nicht, Herr; da breche ich das Genick.

JUAN:

So brichs! Der Himmel hat alsdann entschieden. Nun voran, eile dich, versuche nicht . . .

Ein Lichrschein fa//t von links in das Dtinkel. Was ist das fiir ein Licht?

RIPIO: Dort schlaft die Tochter Donna Maria, Herr. Sie scheint erwacht. Ach, lafit mich, guter Herr.

Juan macht eine Gebarde.

RIPIO:

Ich gehe schon, mich diinkt es in den Tod. Ach, guter Gott! Er tvagt, von Angst getricben, den Sprung aus dem Fenster. Juan steht vor Marias Tiir^ aber entfernt sich wieder sehr schnell zum Fenster. Schon hat er das eine Bein iiber die Briistung ge- schwungen; da verharrt er.

32 DON JUAN

RIPIO ruft von unten:

Herr, kommt! Kommt schnell! Ihr seid verloren, Herr!

Juan tritt ins Zitumer zurikk und auf Marias Tiir zti, an die er laut und instandig klopjt. Maria tritt im 'Nachtgeivand aus der Tiir. Juan starrt sie wic eine hiffnfi/ische Erscheinmig an. Maria fallt zu Boden. Juan, mcl)t iinstande sich zu rtil)ren,

verweilt.

DON FRANZISKO

komvn aus der Tiirim Hintergrund und erhlickt Juan und Maria:

Maria, Kind! Ein Mann! Der Dieb, der Mbrder, der mir mein Kind erschlug. O Gift der Hollc!

JUAN:

Ich bin kein Morder. Lafit mich. Nein, ich tat dem Kinde nichts. O ich dem Kinde nichts. Lafit mich den Weg hinab, auf dem ich kam.

DON FRANZISKO zieht: Nicht einen Schritt!

JUAN:

Verniinftig, alter Mann. Ich bitte, geht. Ich mufi!

DON FRANZISKO:

Nur iiber mich! Zieht! Oder ich erschlag Euch wie 'nen Hund.

JUAN: Lafit \\ eiter mich!

DON FRANZISKO:

Du feiges Scheusal, zieh!

JUAN:

Ihr woUt nicht?

Er zieht; besinnt sich ahcr und sagt:

Halt, verniinftig. Nicht! Um Gott, bewahr mich Gott. Hier steht mehr auf dem Spiel als Euer alter Leib. Drei junge Leben.

Don Franzisko jiihrt einen Hieb nach ihm.

ERSTER TEIL 33

JUAN weicht aus: Und Eurer Tochtcr kriimmte ich kein Haar.

DON FRANZISKO:

Sie liegt am Boden und von dir und nachts; ich fragc weiter nichts, dafi ich nicht rase!

Er dringt stiirtfiisch auf Juan ein.

JUAN: So mufi ich denn!

Sie fechten. Schliefiiich f'tihrt

JUAN den entscheidenden Stojs:

Dann so! Vergib, Maria!

und springt mit eincm letzten Blick auf das Madchen aus dem

Fenster.

DON FRANZISKO sterbend: Ich sterbe, sterbe; o mein Gott, zu Ende. Kein Abendmahl, kein geistlicher Berater in meiner letzten Qual allein . . .

Laurentia und Annnta sind gekommen; Aminta hat Maria auf-

gcrichtet. Als

MARIA sieht, was vorgegangen , stiirzt sie mit einem er- schiitternden Aufschrei hei ihrem Vater iiieder:

Mein Vater!

Vor einem Friedhof.

JUAN: Sie miissen kommen.

RIPIO:

Bliebe nur die Frage, ob heure iioch. Es ist schon bitterkalt.

JUAN: Sie kommen heute noch.

RIPIO: Gott gebe bald.

34 DON JUAN

Wir stehen nun zwei Stunden. Unbehaglich ists unter toten Menschen und am Abend; und wlirc man nicht vollig aufgeklart, gcbiidet, kbnnte man Gcspcnster sehen.

JUAN: Lafi das Geschwatz!

RIPIO:

In jener Richtung, Herr! Ich t'auschte mich. Man hat die Ammenmarchen noch nicht vergessen. Findet Ihrs nicht schvvijl?

JUAN:

Und das Begrabnis, sagst du, war bedeutend?

RIPIO:

Bedeutender als der Begrabene.

Was sich Behbrde und Beamter nennt,

war da, samt unsrer Stadt Paradestiicken,

die nur noch, wenn ein EdJer stirbt, sich liiften,

und einige alte Tanten. Allc kamcn

verklart und wiirdig, wurdig und verklart,

mit einem Schnupfen gingen sie nach Haus;

und einer iaberbot den andern immer

an wilden Fliichen fur den feigen Morder.

JUAN: Schweig!

RIPIO: Ja.

JUAN: Man kommt.

RIPIO:

Es scheint, sie sind es wirklich. Was nun? Was woUt Ihr jetzt?

JUAN:

Ich spreche sie an.

ERSTER TEIL 35

RIPIO:

Um Gottes willen Herr, Ihr seid vcrhaftet, wenn sie Euch sehen.

JUAN:

So? Psychologic scheint deine starke Seite kaum zu sein.

Laurentia und Maria in tiefcr Trauer kommen mit Dienern.

Juan tr'ttt in ihren Weg. Laurentia stutzt. Maria geht mit

grojlen Augen an ihm voriiber. 'Juan gtht den Weg frei.

JUAN: Gott sei mir gnadig, dafi ich hier nicht rase!

RIPIO:

Gewi6. Doch bitte ich, auch zu bedenken, dafi ich nicht schuld bin, und der eine Arm mir beinah ausgerenkt ist, Eucr Gnaden. Ich sagte ja wenn Ihi" auch freiUch meintet. Psychologic sei nichts fiir mich, ich wuCte die Frauen sind in schreckhcher Bewegung und sintemalen, da in Anbetracht, wenn man bedenkt, dafi dies cin Kirchhof ist, und daii er feucht und \\ idrig, wiihrend doch zu Haus ein warmes Feuer im Kamin.

JUAN:

Und warum sprach sie nicht? Warum denn nicht ein einziger Laut, ein Schrci? War der Erregung, Emporung dies nicht w ei"t? Bin keiner Antwort ich wijrdig? Dreimal schon vergcbhch deine Stimme erwarte ich. So spricht man nicht mit mir? Ich werde dir die Worte aus dem Munde alsbald mitsamt der stolzen Seele reilkn!

RIPIO:

Sie hing an ihrem Vater.

JUAN: Ganz vortreffJich.

36 DON JUAN

RIPIO:

Ein schones Bild, dcr stolze hohe Greis, das feine schJanke Frliuleiii Arm in Arm.

JUAN: Du meinst, ich hatte todlich sie vervvundet?

RIPIO:

Ich glaube sozusagen )a, obvvohl

sie nichts verrat und heute beim Verhor

\\ie ihre Murter auch nur immcr schwieg

und ratselhaft und grofi zu Boden sah.

Ich wollte Each den ganzen Tag schon, Herr,

um etvvas fragen: NamHch, die Beamten

benahmen sich recht scltsam in dem Fall,

es handelt schliefihch sich um einen Mord.

JUAN:

Ein Zweikampf v\ars.

RIPIO:

Ja, sagen wir getrost ein Z\\'eikampf; aber doch auf solche Weise, daft sonst die Hascher der Inquisition mit vielem Eifer nach dem Duellanten, der iibrig bHeb, sich umgesehen hatten. Doch heute was geschah, war w ie zum Spott. Sie fragten obenhin, und als die Antwort nicht augenbhcklich kam, da nahmen sie die Mappen wieder und verschwanden schneU. Warum? Was macht Euch zur Respektsperson? 1st Don Quixada denn so einfiuikeich, wer sonst, der seine Hande auf Euch halt?

JUAN: Du fragst zu viel. Ich weifi nicht. Aber das bemerke ich, die Nachricht ist geeignet, den Mut mir zu erhohn.

ERSTER TEIL 37

RIPIO:

Um Heilands willen!

JUAN:

Die Kraft zu w ollen, \\ as nun von Minute

zur andern meine Seele mehr bcsitzt

und schniirt. Mich iiberlaufts! Verstecke dich,

mein Guter, decke dich. Mir ist, alsbald

geschieht an dieser StelJe etwas grausig

Entsetzliches, das keiner aulier mir

mitzuertragen fahig ist. Und was

in meinem Willen fertig, unaufhaltbar,

unwiderstehhch sich ans TagesHcht

zu stiirzen lauert. Geh, ich \\ arne dich.

Ripio versch-w'mdet hinter den Baumen. Die Frauen mit den he'iden Dienern kommen zurikk.

JUAN tritt in ihren Weg und hart auf Laurentia zu:

Hallo, wer bin ich? Guten Abend du mein Liebchen.

Laurentia steht fassungslos.

Maria umschlingt sie und ivinkt den Dienern, die zwischen sie

und Juan treten.

Die Frauen entfernen sich schnell.

Die D:ener folgen.

JUAN schreit auf: Wieder nicht! Schon wieder nicht! Er macht eitje Bewegung, ihnen nachzueilen. Ripio steht ihni gegeniiber.

JUAN: Du sahst, du hortest?

RIPIO: Nichts. Ich war zu weit; an zwanzig Schritte in die nassen Wiesen.

38 DON JUAN

JUAN:

Du h'attest sterbcn miissen fiir das Bild in deincn Augen. Stcht, ihr Himmlischen, zu mir! Ich fuhlc mcin Bcsinnen mich empon: vcrlasscn. Allcs Lcbcn sturmt in rotcn Fluten iiber das Bewufitsein. Was tu ich? Rctte dich vor mir! Du sollst, sollst von mir flammcn Miidchen, iibenviilcigt bis in die W'urzeln, Grenzen deines Seins, sollst du von mir dein Schicksal haben, Weib. Der Mund, der nic sich otfnen konnte, mufi bis in das tiefste Herz mir ofFenliegen; die ganze Welt dient fortan diesem Ziel. Ich setz mein Leben, setz dies Feuer ein, das aus mir schl'agt, die Schranken iibenvaltigt, Gesetz und Sitte tobend niederreifit. Und hbr mir zu, dein Innerstes tu auf, sieh mir ins Auge: Weifit du Knecht auch noch, dali mir dein bifichen Leben, Knecht, gehort? Ich hefi es dir; doch nur zu diesem Zweck, fiir diesen Namen, schwor ihn mir.

RIPIO gebannt:

Maria. JUAN:

Es ist dein Treueid. Hundertfacher Tod

in Grausamkeit belohnt dir das Vergessen.

Maria morgens, mittags und zur Nacht,

Maria im Gebct und noch im Traum!

Und du Geschopf die Nacht, der Augenblick

vor einer Friedhofsmauer, A\ird furs Leben

dir ewig unvergeClich sein. Nach Haus!

Vor des Graf en de Mendoza Haus.

RIPIO:

Der Auftrag ist klar; an ihm ist nicht zu deuten und zu drehen.

Eine Faust, ein Auge hat dieser Mensch! Immer wenn man

ERSTER TEIL 39

den blauen Fleck, den er gekniffen oder gestofien hat, streicheln will, mufi man vorher das Loch flicken, das er durch einen sah. Stets dreiiJig Grad Hitze im Schatten. Und trotzdem, und justament! Ich werde mich zusammennehmcn und etwas ausrichten, denn sonst diirfte ich HimmclfaliiT nicht mchr er- leben, insofern ich selbst eher zum Himmel fiihre. Dem Sinne nach isc der Befehl klar. Ganz etwas anderes ist die Ausfuhrung. Es blcibt die Frage: Wie machst du es? Denn dafi es unmogHch ist, sieht ein Narr. Er will die Damen sprechen, nach solchen Vorgangen, die hoflich gesagt, nicht ebcn hoflich gegen sie erscheinen. Und wenn ich auch der Meinung bin, man fate gut, durch Nachgiebigkeit diesen Feuerkopf zu besanftigen, was gilt das? Mit Sicherheit ist vorauszusehen, ich tanze dort zum Hause hinaus, bevor ich noch den Mund geoffhet, und eine auch durch die von mir vorgetragenen \^ernunftsgrunde vorlautig miihsam gebandigte Racheempfindung wird ziigellos in ihm und jagt mich mit andern dorthin, von wo das Wiederkommen schwierig ist. Einige Taler springen lassen? Zu wem? Die Diener? Pah! Wieviel Taler habe ich genommen und versprochen und wufite doch, ich konnte nichts halten als das Maul. Nein, Inez miifite helfen, und die ist nicht zu bestechcn! So nicht und anders noch viel \\ eniger. Oder? Mir ist seltsam bewegt zumute. Todesgedankcn umschwcbcn mich auf mannigfaltige Weise. Ich habe wieder diese eherne Stimme in meinen Ohren. Sapperment, sapperment, was soil das geben?

Inez kommt vom Hause her.

RIPIO:

Inez? Bei Gott, wie gerufen. Einen guten Tag zu wiinschen, Jungfer Fromm.

INEZ:

Bleib Er mir einige Meter vom Leibe.

RIPIO: Das versteht sich. Wie diirfte meine Wenigkeit es wagen.

INEZ: Wenigkeit? Nichtigkeit. Nichtsnutzigkeit!

40 DON JUAN

RIPIO: So \\ ollte ich sagen. Sagen \\ir geradezu Ungeheuerlichkek. Aber es handelt sich iiicht um mich, sondern um seine Herr- lichkeit.

INEZ:

Seine saubere, neue Herrschaft.

RIPIO: Sauber ist sie. Das will ich meinen. Kennt Sie ihn, Jungfer Fromm?

INEZ:

Gotdob nicht. Aber lasse Er gefalligst diesen Spitznamen.

RIPIO:

Ein Ehrenname!

INEZ:

Kurz und gut, ich habe weder mit Ihm

noch mit Seinem Herrn das geringste zu schaffen.

Und doch . . .

Und nein!

Jungfer.

Lasse Er mich voiiiber.

RmO: INEZ: RIPIO: INEZ: RIPIO:

Es ist ja nichts Sonderliches, ^\'as ich verlange, und meine Daakbarkeit kennt keine Grenzen.

INEZ:

Seine Undankbarkeit, w ill Er sagen.

RIPIO:

Es ware eine Dummheit, hatte ich das sagen woJlen, Don Juan de QuLxada, mein Herr, mochte durch Ihre wichtige

ERSTER TEIL 41

Vermittlung Lhren Damen alleruntertanigst Aufvvartung machen.

INEZ:

Und durch Seine Vermittlung bestelJe ich Seinem Herrn, ein ansfandiges Madchen wird nie mit Ihm zu tun haben. In E\\igkeit, Amen.

Sie geht schnell.

RIPIO:

Hallelujah! Hoppla!

Ruft ihr nach:

Es^\'ird sich finden, Jungfer! Es wird sich fur so widervvartige Verschlossenheit ein Mittel finden. Gott, du hast es gehort, dafi ich alles aufgeboten habe. AJlen Liebreiz, der mir zur Verfiigung steht. Aber was kann man gegen ein unkultivieites Frauenzimmer ausrichten, ein so unkultiviertes, dem fiir her- vorragende Mannervorziige der Sinn fehlt?

JUAN kommt:

Nun?

RIPIO:

Teils, teils.

JUAN: Wie verstehe ich das?

RIPIO: Wie es gemeint ist. Eben: teils ist es ausgeschlossen.

JUAN: So?

RIPIO: Das heilk: nur eines kleinen Teils. Bliebe Inez.

JUAN: Wer?

RIPIO:

Donna Marias Gesellschafterin, vertraute Freundin. Sie miifite man zur Fursprache bewegen.

4= DON JUAN

JUAN: Also bcw ege sie. \\'^arum ist das noch nicht geschehn?

RIPIO:

Das ist keine Frage: warum? Weil ganz besondere Schwierig- keiten vorliegen. Es fehit sozusagen am Ankniipfungspunkte.

JUAN: Bei eiiiem Weibe.

RIPIO:

Wenn sie doch gewissermafien kein Weib ist, und sozusagen der Punkt felilt.

JUAN:

Was ist das wieder?

RIPIO:

Sie ist von einer bloden Jugend, die sonst in Bilderbiichern nur sich findet.

JUAN:

Lacherlich.

RIPIO:

Durchaus nicht.

JUAN: Schame Er sich in seiner Manneswiirde.

RIPIO:

Herr, Herr, ich leiste, was zu leisten ist. Dies aber ist ein ganz verzwickter Fall.

JUAN:

Sie ist hafilich, Schurke!

RIPIO:

Sie ist hinreichend niedHch.

JUAN:

Nun und?

RIPIO: Klug. Sie wuchert mit ihrer Keuschheit.

ERSTER TEIL 43

JUAN:

Teufel!

RMO:

Ich wiirde keine hohereLust kennen, als gerade ihr die Rocke aufeuheben, aber . . .

JUAN:

Und sie hat Einflufi?

RIPIO:

Donna Maria schwbrt auf sie. Inez ist ihr in allem Beraterin. Haben wir sie, haben wir alles.

JUAN:

So soils geschehen!

RIPIO: Was, Herr?

JUAN: Dir aber rate ich noch einmal im guten.

RIPIO: Ich tat mein mbglichstes.

JUAN:

Unmogliches tu.

Sapperment. Still, wer geht da? Sie selbst.

RIPIO: JUAN: RIPIO:

JUAN:

Komm. Er lajit im Gehen ein Bild fallen und verbirgt sich mit Ripio.

Inez komnity stutzt vor dem Bildj beugt sich bin und hebt es auf. Besieht es, schaut vor sich tig um und I'dfit es in ihr em Bus en

verschwinden.

44 DON JUAN

JUAN vertritt Inez, die tveitergehen will, den Weg: Ihr saht hier nicht, mcin schones Kind, ein Bild, ich wage nicht, cs Eurer scheuen Tugend noch nahcr zu bcschreiben, sage nur, es ist nicht sittlich, nein, es ist sogar das schlimmste Gegenteil, es wurde wahrlich noch einen Korpora] erroten machen ich bin beauftragt, so gew issermafien inquisitorisch, Ihr versteht mich. Kind, inquisitorisch, polizeilich es zu finden. Und hier ist es verloren. Saht Ihrs nicht?

INEZ bekretizigt sich: Ich? Nein, Herr. Und ich will von solchen Dingen nichts wissen. Heilige Jungfrau, schiitze mich.

JUAN:

Nicht wahr, bei solcher Sittsamkeit noch Handel

mit Polizei und mit dem Allerschlimmsten

wer weifi! Und doch, es ist verwunderlich,

es wurde hier im Augenblick verloren,

der Mensch ward grade abgefuhrt, er ist

des Mords verdachtig. AUes hangt zusammen.

Und ging kein andrer doch voriiber noch?

Sehr peinlich schones Kind, es wird nichts niitzen,

Ihr folgt mir hier in diesen Busch hinein,

pro forma nur natiirlich; doch die Pflicht

mufi ich erflillen. Zwar ich glaube Euch

aufs Wort, Lhr habt es nicht. Es -ware auch!

Ein junges, reines Kind und solch ein Bild,

das eine Hure scheute anzusehen.

Jedoch \\as hilft es? Euch zu reinigen

von solchem scheufilichen Verdacht bleibt nichts,

als mich in Euren Kleidern umzusehn.

INEZ:

Ich habe nichts! Die heilige Jungfrau weifi . . .

ERSTER TEIL 45

JUAN:

Schreit nicht und lafit die Jungfrau aus dem Spiel. Kein Aufsehn. Das Geschaft liegt zwischen uns, und braucht kein andrer drum zu wissen. Komm, nur voran!

Er treiht sic in die Biische.

RIPIO kommt aus seinem Versteck:

Hahahaha! Ich berste! Ich sterbe vor Lachen! Hahahaha. Ruhig, still doch. Hahahaha, ich mochte die Himmelsleiter hinansteigen, hahaha, so etwas! „Ihr saht hicr nicht, mein schones Kind?" Man beachte diese Finte. Er legt ihr die Ant- wort in den Mund. Doch nicht! Doch ja nicht. Im Tone liegt: doch um Gottes und des Heilands \\illen nicht. Da mulke sie ja nein sagen. Aber \\ar es erst heraus, war auch die Untersclilagung fertig, konnte sie nicht zuriick. Und das stolze, das superstolze: Ein anstiindiges Madchen wird nie etwas mit ihm zu tun haben. Wie steht es nun damit? Hahahalia, ich mufi anfangen, diese Streiche aufzuschreiben. Sie sind ganz hervorragend geeignet, anderen Menschen Spafi zu machen. Es wird erst hapern, aber Ubung macht den Meister. Auf diese Weise, hinterher, lohnt es sich, mit ihm zu leben.

Juan kommt mit Inez aus den Biischen. Er xvirft ihr noch ein- mal einen bedeutenden Blick zu.

Ripio!

Inez geht ins llaus. JUAN:

RIPIO:

Gnadiger Herr?

JUAN:

Das Fraulein, das dort geht, richtet einen Auftrag von mir an seine Hcrrschaft aus. Erwarre hier die Antw on und bringe sic mir schlcunigst.

RIPIO: Eure Herrlichkeit bcfehlcn.

'Juan ivendet sich und geht.

46 DON JUAN

RIPIO:

Dieser Mann hat etwas Eigenriimliches. Ohne Federlesen ist er, mochte man sagen. Daft er je bitte sagt, wer kbnnte das behauptcn? Sondern etwa: Hinaus 7Aim Fenster odcr: bereite dich 7,11 sterben. Kurz, schJicht und wirkungsvoll, und es schaudeit einem die Haut. Aber die Sache ist nicht ohne Reiz. Dadurch, dafi man eigentlich immer sein letztcs Stiind- chen schlagcn hort, gcwinnt man das Leben ganz absonder- lich lieb. Ich pfiff auf das ganze Dascin, weiJ ichs ziemlich sicher bcsafij heute aber iiberwaltigt mich der Gedaake voll- standig: Ich bin cin Gast nur auf Erden, und der \\'^irt kann )eden Augenblick die Stube schliefien. Das macht cinem das Bleiben aufierordentlich weitvoll. Gestehe dir auch, dafi du bisher wie ein fi'emder Hund durch die Welt liefst, nirgends hingehortest, und dafi dir darum elend zumute war. Und du wufitest nicht einmal, A\as du suchtest. Heute, da du fiihlst, bei ihm wirst du sterben, weifit du auch, was dir fehlte: der Herr. Und dafi du nicht aus Zwang ein Diener bist, sondern von Religion. Und dies heihge Geflihl Herr, hat mich bis heute vermocht, mit meinen letzten, aufrichtigsten RatschJagen hinter dem Berg zu halten. Sonst hatte ich Euch gesagt: Herr, der Handel, den Ihr mit diesem Weibe habt, stinkt. Hier versagt, was Regel ist. Lafit ab, lafit noch ab. Aber wie gesagt, der Dienst ist bUnd w'lc der Glaube.

Inez kommt.

REPIO: Bete Herz, bffne dich Ohr und vernimm.

INEZ:

Ich habe auszurichten ich kann Euch nichts anderes sagen, als dafi, da ich den Mund offhe und die Worte Don Juan de Quixada spreche. Donna Maria laut seufzte und sagte: Ich verbiete, dieses Mannes Namen je wieder in meiner Gegen- wart zu nennen. Er ist halb bose, halb ein Narr.

RIPIO:

Nein!

ERSTER TEIL 47

INEZ:

Das siiid ihre Worte.

RIPIO:

Das sind ihre Worte! Und ich soil die Verantwortung fiir sie iibernehmen? Hbre sie. Von mir aus soil die Dame sagen, was ihr beliebt, zu anderen, im Gebet und im Schlafe, aber nicht, wenn es eine Bcstellung ist, die ich auszurichten habe. Das ist ja empbrend: „Halb bbse, halb ein Narr." Die Halfte der halben Botschaft reicht aus, mich aus dcm Weltall auszulbschen wie einen Krcidestrich, ganz abgesehen von dcm erwahnten Scufzcr. Und Sie glaubt, die uberbringe ich? Das ware Selbstmord. He? In die Flucht jagt Sic mich. Herrcnlos wieder in die weite Welt hinaus. O, dieses Weibei-- gcziicht! Hatten es nicht anderc, beruhmtere schon getan, ich wiirde jetzt eine Scntcnz hervorbringen, die Ihr das Blut in die Wangen triebe, einer solchen Menschenklasse anzu- gehoren. Aber wie gesagt, ich bin fassungslos . . .

Er s'inkt hilflos auf eine Bank.

Das Zimmer der Alten. DIE ALTE: Das arme Kind starb just eine Woche, nachdem Ihr es zum Weibe gemacht.

JUAN: So?

DIE ALTE:

Ein Erbarmen wars. Hier im Bette lag sie, die Blicke un- verwandt zur Ture, als erwarte sie jemand, der bestimmt kommen sollte, unverwandt.

JUAN: So.

DIE ALTE:

Keine Nacht ins Bett. Ich bedeutete mir: Der Herr hat dir dies Klcinod anvcrtraut, da mulk du ein iibriges tun; er wird es dir sicherUch lohnen.

48 DON JUAN

JUAN: Hm.

DIE ALTE:

Ja. \\^as eigentlich \\ar, wer wills sagen? Halt einHinsterben, einc Schwiichc von friihcr her. Ich habe sic mit Hiihner- suppen und Pastctchcn gefuttert.

JUAN: So.

DIE ALTE:

Und als das Geld, das Ihre Herrlichkeit mir gegeben, bin war, da legte ich vor. Sagte ich mir doch: Gotteslohn.

JUAN:

Halt Sie cndlich Ihr Schandmaul! Was gehcn mich diese Dinge an?

DIE ALTE:

Ich dachte, der Herr kame datum.

JUAN: DIE ALTE:

JUAN:

DIE ALTE:

So.

In meiner Einfalt. Bist du einfaltig?

Sozusagen.

JUAN: Was will ich alsdann bei dir? Bist du wirklich von Grund auf einfaltig?

DIE ALTE: Ich weifi nicht, wie Ihr es meint. Ich kann freiUch auch, hehe, ein wenig anders sein, so wie der Herr befehlen, ge- wissermafien.

JUAN: Wie?

DIE ALTE: Hehe, wir verstehen uns schon.

ERSTER TEIL 49

JUAN: So?

DIE ALTE:

Ich konnte Dinge erz'ahlen! Der Herr wiirde alsbald auch in der Beziehung rechtes Vertrauen zu mir fassen.

JUAN: Was kannst du erzahlen?

DIE ALTE:

Dinge, die ans Licht gebracht, schaden konnten.

JUAN:

Wem?

DIE ALTE: Mir vor allem.

JUAN:

Es sicht hicr so aus. Ich habc auch die voile Uberzeugung, dali man dir jede Schurkcrci zutrauen kann.

DIE ALTE: Das ist erfreulich.

JUAN:

Andererseits schelnst du mir ohne Phantasie. Nur aufs Grobste gestellt. Dal^ du einen Mord hinliinglich ausfiihrst, in der Engelmacherei zuverliissig bist, w ill ich glauben.

DIE ALTE: Es kommen wohl auch schwierigere Dinge vor.

JUAN: Wie hat Sie eigentlich das Madchen unter die Erde gebracht?

DIE ALTE:

Aber nein, nein Herr, das v\ill ich beschworen!

JUAN: Lafi. Es hat auch augenblicklich keinen Sinn.

DIE ALTE: Darf ich fragen, wie der gnadige Herr gekrankt wurde?

so DON JUAN

JUAN: Von einem Manne nicht.

DTE ALTE:

Das versteht sich. Einmal fiihrt der Herr Graf den Degen, und dann ware es nicht w ichtig genug, um sich mit mir zu besprechen.

JUAN: Richtig.

DIE ALTE:

Weiter ist das Fraulein sehr jung.

JUAN:

Fraulein? Warum jung?

DIE ALTE:

Weil Ihr herausgefunden habt, dafi es fiir das Weib iiber achtzehn Jahre nur eine Strafe gibt: es zu verlassen.

JUAN: Richtig.

DIE ALTE:

Da Euch an ihrem Tode nichts liegt.

JUAN: An ihrem Tode . . .

DIE ALTE:

Der Gedanke kam Euch noch nicht?

JUAN: Nein. In der Tat.

DIE ALTE: Es mufi auch vvohl nicht sogleich das Schlimmste sein.

JUAN:

Der Tod das Schlimmste? Alte, schon scheint sich deine Unfahigkeit im hellsten Licht zu offenbaren. Nimm dich zusammen. Den Tod fur jemand, an dem ich mich rachen will? Ist das alles, was du weifit?

ERSTER TEIL 51

DIE ALTE:

Nun . . .

JUAN:

Da sitzest du seit fiinfzig Jahren. Verbrechen ist dir Beruf. Vierundzwanzig Stunden von vielen tausend Tagen hast du Zeit gehabt, nachzusinnen, und jetzt wird sich herausstellen, dafi mir, der ich erst seit drei Stunden iiber solche Moglich- keiten denke, alles viel grausiger vorschwebt.

DIE ALTE: Wozu braucht Ihr also mich?

JUAN:

Weil ich die Bilder, die mir erschienen und vor denen du dich bekreuzigen wiirdest, verwarf als unebenbiirtig mcinem Hafi. W^eil ich mich als einen Stumper cmpfand und auf dich hoffte, wie der Schiiler auf den Mcister. Weil ich nicht an- nehmen kann, dafi mein Schrecken das Ende aller Schrecken bedeutet. Weil irgendwo in einem Menschenhirn noch ein furchtbarercr Gedanke lauern mu6, der mich jauchzen liifit, und weil ich dir, dir diesen Gedanken zutraue.

'J

DIE ALTE:

Der hinterlistige, langsam wirkende braune Saft hier . . .

JUAN nimmt das Flaschchen : Gift! Hiihnersuppchen, wie du es nennst. O, du heilige Ein- falt! Ja, du bist es wirklich. Schandbar der Mensch, der in seinem Beruf von jedem i^ilettanten iibeitrotfen wird! Her- unter mit der Maske der ScheufJlichkeit, auf die du dir ein- bildest, und mit der du auf die Welt und friiher auf mich wirktest. l''ine Komodiantin bist du! Ein Marionettenscheu- sal! Und als Abschluii deiner Laufbahn rate ich dir, die aut hiibsche Art aus der Welt herauszuschatfen, denen du 1 ,chr- geld bezahltest. Denn ich, der ich kein Bosewicht bin, nur ein armer, armer Geplagter und unselig Wn-folgter, \\\c mufi ich mir glurios erscheinen vor dir, die du die Schandtat ge-

52 DON JUAN

pachtet hast, und wie mufit du dich schamcn, wenn dir zu Ohren kommt, was ich ge\\ollt, was ich mit "V\''ollust getan!

Er Iduft davon.

DIE ALTE:

Ein grauenhafter Mensch, wahrhaftig.

Morgen und Wiese.

EIN JUNGLING komwt sittgend:

Im Friihrot marschierend hinaus in die Weite, hinaus in die Welt, du spiirst jubilierend, es gclit dir zur Seite auch Gott iiber Feld.

JUAN, anf dem Rasen liegend, erwacht:

Wo bin ich? Hier ficl ich gestern nieder. Schlief ich nach all dem Ubermafi so gut und sanft auf blolJer Erde? "W'er sang? 1st das noch mein schoncr milder Traum, der singt?

DER JUNGLING: Griifi Gott!

JUAN: Griifi Gott!

DER JUNGLING:

Kannst du mir sagen, wo ich bin?

JUAN: Eine Stunde von VaJadolid.

DER JUNGLING:

Gehst du mit mir waiter?

JUAN: Nein. Wohin?

DER JUNGLING: In die Welt.

ERSTER TEIL 53

JUAN: Wo ist das?

DER JUXGLING: Uberall.

JUAN: Was suchst du?

DER JUXGLING:

Nichts. Vielleicht ein Ende.

JUAN:

Und hast Tranen?

DER JUNGLING:

Vor Gliick. Du hast am Boden geschlafen? Hast du nichts gespiirt, da du dich niederlegtest?

JUAN:

Nach langer grausamer Qual war Miidigkeit starker als jeder bose Wunsch, und ich schlief endlich einmal wieder.

DER JUXGLING: Und bist nun des Elends ledig?

JUAN: Halb traume ich noch.

DER JUNGLING:

Gut?

JUAN: Sanft.

DER JUNGLING:

Ich weifi, \^ie es dir gcschah. O mein Bett! Wie oft sank ich mit eiiigcbildctcm Gram hincin, und wie oft stand ich auf in himmlhochjauchzendem Gliick.

JUAN:

Wenn ich erst erv\'ache!

DER JUNGLING:

Bald ists wieder Abend.

JUAN: Die Welti Die Welt!

54 DON JUAN

DERJUNGLING:

Wandre, sei miide und lege dich.

JUAN: Diese gute gesegnete Nacht.

DERJUNGLING: Diese schbne gesegnete Sonne.

JUAN:

Eine klare verwandcltc Welt!

DER JUNGLING:

Komm mit,

JUAN:

Ich bleibe noch, u o ich gliicklich \\ ar und dankbar sein mu6. DER JUNGLING geht:

Lebe wohJ. Leb wohl.

JUAN:

Er ivirft skb n'teder.

Erde, du bist es! Von dir kommt es! In dir besitzen wir es alle! Ubervvaltige, iiberw altige und erwiirge mich mit dem Bcgriffe der Gemeinsamkeit, der aus dir strbmt. Mache mich wieder stark mit diesem und ziehe meinen Geist herab zu dir von den Sternen und den Himmeln. Du kannst es immer w ieder, Mutter, dein Kind drangt sich an dich in Todesangst. Beruhige den von fremdem Dinge Aufgestorten und gib ihm die Einheit mit dir und mit sich selbst zuriick. Wie w ohl du mir tust. M'^ie streicheln deine Blumen mich und ^\ ie singen mir deine Vogel. Lauter Einklang ist auf Erden; Einklang, Einklang, und die Himmel sind ganz geschieden. Die Jugend hast du, Knabe! Mit der Mutter spiirst du den Zusammen- hang, die Nahe der Erde. O Morgen, goldener Morgen, schmiede mich! Mit deiner Sonnenglut schmiede mich fest an die Briiste meiner Mutter, dafi ich nicht los kann von ihr, auf Wege, die in den Himmel und zur Holle fiihren.

RIPIO kommt: Da seid Ihr, Herr! Eine Botschaft, o solche Botschaft!

ERSTER TEIL S5

JUAN:

Schweig!

RIPIO: Was Ihr wissen miifit!

JUAN:

Schweig!

RIPIO: Und wenn ich Euch beschuore . , .

JUAN:

Nichts, nichts! Die Stunde ist geschlossen.

RIPIO:

O mein Gott, Ihr spracht anders.

JUAN: Irgendwo und iiberall!

RIPIO: Wie?

JUAN Idufi davon: Narr!

RIPIO:

Herr! Er mufi mich anhoren!

Er I'duft Juan nach.

Ahrenfeld. Vorn ein Baum.

JUAN kommt in Hast gelaufen: Er ist dicht hinter mir. Jetzt nichr. Jctzt nicht wieder! Wohin? Gib mir den Ausweg, Himmel, gib ihn mir! Er steigt auf den Baum.

RIPIO atemlos: Eben bog er um die Ecke. Eben. Heiland, mit mir geht es zu Ende. Ich habe keinen Atem, ich zerschelle, falle tot zu

Boden.

Er fdllt wuer den Bamti.

S6 DON JUAN

Da liege ich, Herr, Herr! Ich habe lauteres Gold fiir Each im Munde! Ich kann Eucb sagen . . . Soil mans glauben, dafi so ein Mensch lauft, davonlauft, als sei ihm sein schreck- lichster Feind auf den Fcrsen. Ich bin ein treuer Diener. Viele Meilcn bin ich gclaufen. Aber jetzt ists aus, zu viel wars, Miidigkeit iiberw iiltigt mich . . .

Er schlaft ein.

JUAN oben im Bauni: Dank dir, Vater im Himmel.

Ratwj in Don Juans Wohnung, hinten durch cinen Vorhang ein Mkoven abgetrennt. Ein kleiner Altar rechts.

Ottavioy der BildhaueYy meipelt an einem hatiplosen Erauentorso.

RIPIO

hehaglich in einevi hohen Lehnstuhl sitzend^ sieht zu:

Es ist der schonste Leib, den ich gesehcn,

zu iippig nicht und doch . . . Mein junger Freund,

die Frau macht Euch noch iiberaU beriihmt.

OTTAVIO:

Er hat mehr Anteil an dem Werk als ich. Stets bei mir, hat er meine Hand gefiihrt. Wie konnte ich, der kaum ein Weib gesehen, nie eins beriihrt, an einem Frauenleibe die Wunder finden, die er sah und ^\'ies. Sein Wort war Offenbarung; schon sein Auge, das um die Flachen gUtt, die Teile mafi und plotzHch festhing; seine Lider schlossen sich halb, und wo die scharfen Strahlen trafen, ward helles Licht, und dem bewegten BHck verriet der Leib die innerste Natur. Was wufit ich vorher von der Kiinste Zweck! Schien mir das letzte Ziel nicht schon erreicht, wenn ich des Auges ganzen Eindruck gab? Er aber lehrte meine Seele sehen.

ERSTER TEIL 57

und \\ ic in ihr ein Ding sich schliefilich fand, das mufiten die entziickten H'ande bilden. Versteht Ihr mich?

RIPIO:

VoUkommen.

OTTAVIO:

WirkJich ganz? Denn darin liegt das ewige Geheimnis, die W^ahrheit fiir den Kiinstler, die er braucht.

RIPIO:

Ganz einverstanden. Uberhaiipt, Ihr wifit damit Bescheid, das gebe ich gerne zu.

OTTAVIO:

Wenn Ihr micli miiJverstandet! Es halt schwer, mit we nig \\'orten sich zu oflenbaren.

RIPIO: Mein Herr, ich mu6 mich oft mit einem Wink, mit einem Bhcke, einem Husch begniigen, ja schweigend w ill er schon verstanden sein. Und delikate, heikle Dinge sinds, um die sichs bei ihm handelt. Stets Affaren, die auch das kleinste Ungeschick verdirbt.

OTTAVIO: Jedoch ...

RIPIO:

Durchaus nicht. Ihr vervvechselt ihn mit einem Juan, den vor Wochen Ihr, vor einer W'oche kanntet. Herr, gefehlt. Der lebt nicht mehr. Es war bei jenem auch kein Dienst, in dem man Miicken fangen konnte, jedoch bequem, dem heutigen verglichen. Denn damals gaits bei aller Schererei nur einer einzigen; da gab es wohl noch sozusagen eine Ubersicht. Doch wie ein Blitz schlug die Erkenntnis ein:

58 DON JUAN

Trotz dieser gibts noch andere. Auf der Erde

ist jeder zweite Mensch als Weib gebildct.

Potztauscnd, Herr, ich sage wciter nichts.

Herr, wiik \hi; \\as tin Damon ist? Nun gut,

kurz, eines Morgcns finde ich ihn wieder

in seiner Eltcrn Garten. Auf dem Boden

mit seltcnen Gebarden. Und ich komme

mit Botschaft, die, wenn ich ihn richtig schatzte,

fiir seine Ohren ein Entziicken ist.

Man hatte n'amlich mitgeteilt, die Dame,

von der ich cben sprach und die bisher

sich sprode, albern, ungebildet liielt,

sie scheine, langsam freiJich, ihren Sinn

zu wandeln, was im iibrigen natiirlich.

So will ich reden, ihm den Honig schon

eintraufehi, und ich freue mich voraus

des Lohns da hebt er sich und sieht mich an,

bricht mir die Rede ab, und da ich w ieder

versuche, ihn zu seincm Gliick zu zwingen,

entflieht er, wie von Furien verfolgt.

So ungern meines Lohnes ich entriet,

erkannte ich doch bald, was hier geschehen,

und wo fortan mein Vorteil lag. Vergessen

die Erste. Mehr. Er schamte sich der Zeit,

die er mit einem Weib verloren hatte.

Nun gait es Zartgefiihl fiir mich. Der Name

war jetzt verpont, ich nohm mich sehi" in acht

und schonte angstlich seine Eitelkeit.

Er aber Herr, ich will mich nicht verbreiten,

und Ihr versteht mich schon, \\ enn ich Euch sage,

ich habe nun in einundzw anzig Tagen

an ebensoviel Pfund bei ihm verloren.

OTTAVIO:

Es fallt nicht auf.

RIPIO:

Ich spiirs. Ihr diirft mirs glauben, und manchmal bin ich bis zum Sterben matt.

ERSTER TEIL 59

Dann hcifit es: Rip er nennt mich Rip heut abend

um elf am Burgtor. Strick und Larve, Degen

verstehen sich von selbst, wer ucifi, \\ies kommt.

Rip wieder, halt fiir heut die Pfcrde fertig

und fiittere gut, sie miissen tuchtig laufen.

Ei, denke ich morgens, heute schlief ich gerne,

ja holla! Immer weifi er wieder Neues,

sein Auge dringt auch durch die kleinste Ritze,

die Blicke durch den schmalsten Spalt zu ihm,

und jeden schbnen Busen stort er auf

fur sein Vergniigen, einen Wollustrausch.

OTTAVIO:

Und dennoch ists ein Gliick, mit ihm zu sein.

RIPIO:

Nur freilich reichlich unbequem, gefahrlich.

OTTAVIO:

Die Zeit verflog. In sieben schbnen Tagen entstand das VVerkj nun ist das Gliick vorbei.

RIPIO:

So sagt das Weib mit Euch: in sieben Tagen verlohnte sich das Leben. Nun ists bin. Tut nichts mehr. Es ist dunkel.

OTTAVIO:

Ich bin fertig. RIPIO:

Und glaubt mir, drinnen ist ers auch mit ihr. Es daucrt sclion vicl liinger, als er \\ ill, ich sahs ihm an, als er sie heut empfing.

JUANS Stimme: Schuft! Rip!

RIPIO geht:

Ich sage ja: sehr schlechte Laune. Ich mufi die Donna bis zur Tiir geleiten, die sich zum letztenmal fiir sie bew egt.

6o DON JUAN

JUAN konimt twd tritt vor die Statue:

LalJ sehn. Bei Gott, voLlendet. Und der Stein hat vor der ^\lrk]ichJ<eit noch eins voraus: man kann den Inhalt sich so groli man \\\\\ und edel traumen. Doch, ein schbnes Werk.

OTTAVIO:

O Herr, lafit endlich mich Euch danken! Nein, vervvehrt es mir nicht \\ ieder, bitte nicht. Ich sterbe sonst an meinem Dank. O seht, ich war ein Nichts, ein Knabe ^'on der Strafie, als Ihr mich malend fandet in den Salen der Galerie. Ihr fragtet mich nach alJem, v\as mich beschwerte, hortet meine Armut. Und da, Herr, ja, da warfet Ihr mir nicht Almosen zu, \\eil Eure Seele fiihlte, ich bin ein Kunstler, Kiinstler aber sind nicht Bettler; nein, Ihr sichertet mein Leben fiir alle Zukunft. Aber dann, Herr, dann habt Ihr mir mehr getan, Itir hobt mir ja mein bifichen Kunst herauf und immer hoher, so dafi ich nun in alien Himmeln bin, ein Konig von Euch in das Leben gehe.

JUAN:

Ottavio, mein Lieber, ja du bist und weifit es lange nicht wie sehr: ein Konig. Und wTJfitest du, wie oft ich dich beneide, weil dir die Kraft, die dir ein Schopfer gab, umsonst nicht wurde, sich in deine M'erke hineingibt und sich ewig dort erhalt.

OTTAVIO: Doch seid Ihr viel mehr Kiinstler noch als ich.

JUAN:

Ich sehe kiinstlerisch wie du. Die Welt entschleiert meinen BUcken ihre Schbnheit in gleicher Weise, manchmal, sei es, mehr.

ERSTER TEIL 6i

Doch nicht vermag ich, was das Auge so

entziickend fand, der Seele spiiter \\ icdcr

entzuckender und reifer zu entreifien.

Es wird aus dem, was mir Ereignis wurde,

kein schoneres Ereignis fiir die Menschen.

W'as mich erschiitteit und mich gliicklich macht,

unselig, ach, ich kann es ja der Welt

nicht hinterlassen, und kein einzig Werk

wird Menschen, die in Andacht vor ihm stehen,

erzahlen, was einst Don Juan bewegt.

Nun aber weiter, heber junger Freund.

Du mufit mir einc Formhchkeit erfiillen.

Du kennst die Frau nicht, deren schijnem Leib

dein Meifiel Ewigkeit verheh, jedoch du weifit,

dafi sie sich mir ergab. Es \^ are moglich,

du trafst sie in GeselJschaft

OTTAVIO:

Herr!

JUAN:

Nicht so. Bleib ruhig. Schwore mir, dafi dir bewufit: des Weibes Ehre ist ein Sakrament in alJe Ewigkeit. Hier am Altare.

Ich schwore.

Gut.

OTTAVIO: JUAN:

OTTAVIO:

O lieber, lieber Herr. Rffio kommt zuriich.

JUAN:

Herz, Mund und Hande mijssen zarthch sein, um dieses zarteste GefalS zu hiitcn. Leb wohl.

Ztt Ripfo.

6i DON JUAN

Und du vergegenwartige dir, was ich fur heute abend dich gelehrt. Es ist bald fiinf; um acht sind wir bereit; schickst du dich gut, wind cs dir wohl gedankt.

Er geht.

OTTAVIO:

Erstaunlich iTihrend ist, wie so ein Mann vor Frauen immer noch voll Andacht ist.

RIPIO:

Es mag so scheinen; doch vergefit audi nicht, dcrgleichen Leute sind brillant erzogen.

Spc'isezimmer in Don ^uans Hause. Alkoven m Ilintergrund.

RIPIO in dcr Kleidung eines vornehmen Mannes:

Ahnungsloser Jiingling. \^'ufitest du, was sich bier vor- bereitet. Du hattest mit deinem Lob liber seinen Respekt vor dem Weibe vielleicht zuriickgehalten. Aber \\ ie sollte es auchmoglich sein? Unsereiner, jede stattliche Erscheinung ist damit bald bankrott. Riickschauend kommt es einem so vor, als habe man aufier der Mutter nie ein jungfrauliches Weib gesehn. Hehe, das Leben ist kurios. Wiirde es mir einer glauben, wenn ich ihm sagte, mit heutigem Tage trete ich in die Weltgeschichte ein? Und zwar wie? Auf die ein- fachste Art. Mein Herr zieht mir einen ansfandigen Rock an und ernennt mich zum Herzog von Torgola fur diesen Abend. Er ladt zwei Damen, Fiirstinnen zum Souper und bestimmt mich der vornehmsten zum Tischnachbar. Ein verfluchtcr, zwar geistreicher, doch auch peinlicher Gedanke, wenns geschiihe, sie sprache franzosisch. Italienisch, da mags gehen: e Tamore che mi fa parlare. Worauf kommts ihm dabei an? Meine Verlegenheit ist solchen Vorbereitungen gegenuber nicht wichtig genug, und kann ich ihn ganz er- raten, miissen die Damen doch die Zeche bezahlen; er hat mit ihnen einen Hauptspafi, und zum Schlufi kommt mit Lachen und Jubel alJcs an den Tag. In diesem Sinne will

ERSTER TEIL 63

ich mich auch halten. Was sonst? Versttinde ich ihn falsch, miifitc ich notwendig schlechten Dienst tun. Alsdann aber ware die Schuld bei ilim, indem es Pllicht des Herrn ist, dem Diener, sei er noch so einsichtig, in gewissen Fallen einen Wink zu geben, wie Hase liiuft.

JUAN tritt nut Z7vei Davien ein:

Hicr ist dcr Freund.

DIE ERSTE DAME:

Wohl schon recht hungrig, Herzog? Es tut uns leidj jedoch die Domestiken . . .

RIPIO:

Ah pah!

JUAN:

Wir gehen gleich zu Tisch.

Zu den Dienern.

Fangt an.

Diener servieren.

DIE ZWEITE DAME zu Ripio: Wie geht es unserer teuren Angela?

RIPIO:

Ganz ausgezeichnct, aulkr, dafi vielleicht, man munkelt . . .

DIE ZWTilTE DAME:

Wie, die greise Herzogin? Lafit auch das Alter von der Siinde nicht?

RU'IO:

Durchaus nicht. Was ich cben sagen wollte, gclit ihrcn Stiihlgang an.

JUAN:

Ein lapsus linguae der toUsten Art. Jedoch ich moclite bitten, daft die Verwandtschaft aus dem Spiele bleibt.

64 DON JUAN

DIE ERSTE DAME:

Sehr einverstanden. AUes, was Familie heifit, ist mir horribel.

RIPIO:

\\''as Familie heifit ist mir ganz schnurz.

DIE Z^^TITE DAME lacht: Original, das Wort.

JUAN:

Der Herzog kommt jetzt von Amerika und weifi davon sehr amiisant zu plaudern. Dort sind, wie er erzahlt, die Menschen nackt.

RIPIO:

Sind splitternackt und schwarz.

DIE ERSTE DAME:

Wahrhaftig nackt? Das ist bequem.

RIPIO:

In mancherlei Beziehung; man braucht die Kleider nicht erst loszuschniiren.

DIE ZWEITE DAME: Und sitzen sie auch so bei Tisch?

RMO:

Gewi6.

DIE ZWEITE DAME: Und wir ersticken fast in unseren Miedern.

JUAN:

So macht Euch frei!

DIE ERSTE DAME: Die Diener.

JUAN:

Vieh!

ERSTER TEIL 65

DIE ZW^EITE DAME Ripio:

Was ist?

DIE ERSTE DAME Ripio:

Was haben Sie?

RU^IO:

Nichts. Ich verschluckte mich. JUAN:

Erzahle doch von deinen Abenteuern. Er schlief einmal mit eincr Hauptlingsfrau. Wie ging das Spiel?

RIPIO:

Bei Gott, sehr amiisant. Ich schlief mit ihr, das heifit, wir schliefen nicht, das darf man glauben. Und der Hauptling stand arschlings bei mir, ihr Mann, und wehrte mir die Fliegen ab mit einem Palmenwedel.

DIE ZWEITE DAiME:

Freiwillig?

JUAN:

Ganzlich. In Amerika ists guter Ton, der Gatte gibt dem Gast sein Weib zum Weibe.

DIE ERSTE DAME:

Eine schone Sitte!

RIPIO:

Ich hatte jeden Tag an z\\ anzig Frauen.

DIE ERSTE DAME: Und alle Gatten waren einverstanden?

RIPIO:

Und wer nicht angemessen sich benalim, ward ausgepeitscht. Ha, das war eine Lust!

DIE ZWTITE DAME:

Und zu anzig tiiglich ward Euch nicht zuviel?

66 DON JUAN

RIPIO:

Im Gegenteilj mir w ucbs dcr Appctit mit jeder MahJzcit.

DIE ZWEITE DAME:

Ganz absonderlich in diesen Zeiten.

JUAN:

O, er war beruhmt fur dieses auf der Schule schon. \\^ir nannten ihn drum Prinz Nimmersatt.

DIE ZWEITE DAME zan/ich: Prinz Nimmersatt.

RIPIO:

Ich habe Ungeheures ausgeiibt und w eifi noch ein Geschichtchen.

DIE ERSTE DAME:

Schnell, erzahlt!

RIPIO:

Der Oberhauptling, Mumfo sagt man dort, war jung vermahlt. Ein siifies, kleines \\'eib, doch ganz unnahbar; und sie wollte auch sich dem Gesetz durchaus nicht unterwerfen, das sie dem Gaste in die Arme gibt. Ich aber wollte sie! Ich hatte es mir in den Kopf gesetzt, und wenn ich erst ein Weib begehre, mufi ich es besitzen. Kurz, eines Tages treffe ich sie im Garten. Sie sieht mich nicht. Und ich, was tallt mh" ein? Ich lasse ein wiistes Bild zu Boden gleiten und berge mich im Busch. Sie hebt es auf, besiehts und lafits in ihrem Kleid verschwinden.

DIE ZWEITE DAME:

Ich meinte, alle Damen sind dort nackt?

ERSTER TEIL 67

RIPIO:

Das sind sie; mir xVlarambo trug als Sinnbild der Wijrde einen Schurz um ihre Hiiftcn. Darin verschwand das BiJd. Ich trete vor und frage sie. Sie leugnet; docb ich hebe die Schiirze, und ich babe sie gefangen.

DIE ERSTE DAME:

Sie mufite?

RIPIO: Mufite!

DIE ZW^ITE DAME: Wie genial.

JUAN:

Das hat er sich ganz allein erdacht, der gute Herzog.

DIE ERSTE DAME: Sie sprechen also auch Amerikanisch?

RIPIO:

Durchaus.

JUAN:

Doch mit Akzent.

DIE ZWEITE DAME:

Wie hocherfreulich, mit wcitgereisten Menschen sich zu freuen.

DIE ERSTE DAME:

Sie wirken sehr apart und werden sicher in Spanien auch bei Hofe reiissieren.

JUAN: Wenn er nur heute abend Euch gcfallt.

DIE ZV\ EITE DAME:

Wie sollte er wohl nichr.

68 DON JUAN

DIE ERSTE DAME:

Er ist scharmant.

JUAN:

Icli mufi die alten Komplimente sagen, die Damen haben aufierst scharfe Augen fur alles Ungew bhnliche.

DIE ERSTE DAME:

Gew ohnliches ist mir horribel und routure bleibt entziickend.

JUAN:

Richtig. Und du stiirbest licbcr, eh du mit deinem Diener schlafen gingest, Erbfijrstin von Toledo, siifie Klara.

DIE ERSTE DAME: Ein toller Einwurf.

JUAN:

Deine Glieder baumten sich gegen die Besudelung. Natur, die Ahnenreihe stiinde flammend auf, die Alba, Paez, Fiirsten von Kastilien. Wie eine rassereine State tief erbebt, naht ikr ein schlechtgezogener Hengst. Es schiittern die Flanken, und die Hufe fliegcn riickwarts. So warest du.

DIE ERSTE DAME:

Geschmacklos.

JUAN:

Hahaha, hbchst seltsam dies!

DIE ERSTE DAME:

Hochst albern dies, mein Teurer.

DIE ZWEITE DAME:

Wir stehen auf. Es ist erstickend heifi.

ERSTER TEIL 69

DIE ERSTE DAME:

Im Garten ist es sicher angenehmer} kommt Herzog.

JUAN zur ersten Dame:

Sagtcst du nicht einst zu mir, du liebtest mich?

DIE ERSTE DAME:

Lafi diesen ernsten Ton, mein guter Freund. Was faJIt dir plotzlich ein?

JUAN:

Was fallt mir ein? Was fallt mir plotzlich ein? O niirrisch!

Er lacht.

DIE ERSTE DAME geht mit Ripio: Gehen wir hinunter, Herzog.

DIE ZWEITE DAME zu ftian: Gehn wir nicht auch? Komm.

JUAN St am sie an:

In die Kniee nieder! Tief in die Kniee. Bete! Betest du? Denn eins ist not, und niemand wahrlich soil den Namen unniitz fiihren. Wer bist du, und wer bin ich? Vermag dein blodes Hirn dies noch zu fassen? Bete! Soil ich dich mit einem SchJag zerschellen, soil ich lieber durch Blitzc dieses Scheusal viclfach teilcn und oftmals mich entziicken? Wie zerstore am besten ich, \\ as jetzt mich uberw iiltigt zusammen? Lachst du, heulst du, Weib? Was ist das fur ein Laut? Welch grausige Grimasse! Du mulk sie steigern, soil sie mich erfreuen. Sie steigert sich. Der Abschaum deiner Seele flicfit iiber, und der Strom besudelt dich nach aufien vollends. In der HoUe kann

70 DON JUAN

kein Teufcl dich noch niedlich heifien, Holde. Mir bist du . . .

Die zioeite Datne hat sich von ihtn losgerissen und entflieht:

Fon? Ein redlichcr Entschlufi welch schimpfliches Gesicht!

Laurentta ist e'mgetreten.

JUAN:

Schoii wieder hier? So geht der Tanz von neuem? Nicht mehr lange!

LAURENTIA:

Verachte mich; doch schilt mich nicht so sehr.

JUAN erschiitten:

Ich tr'aume. Wer? Ich traume doch. Zuriick! Versuch mich nicht, mein Wille ist erschopft, mir graust. Ich hake langer nichts.

LAURENTIA:

Ich bins. JUAN:

Du bists. Doch ging nicht eine andere fort? Sie war verriicktj denn dir vertraue ichs, sie hielt mich w irklich fiir den Herrgott selbst, sank in die Kniee, betete. Es wzr zum Lachen!

LAURENTIA: Wer?

JUAN:

Doch nimmer kame dir ein ahrdicher Gedanke? Dir? Vielleicht ein anderer. Sag mir, ist das eine wahr, das sage mir zuerst, doch liige nicht: Erschlug ich dir denn deincn Gatten nicht? Kurz, ich erschlug ihn. Ferner: eines Abends an einer Kirchhotriir, da tat ich dir doch Ungeheures? Ja, ich tat es dirj

ERSTER TEIL 71

und jetzt erscheinst du mir aus einem Grunde,

damic der Abend, der burlcsk begann,

auch also ender, und damit ich nicht

mehr aus dem Lachen kommc. Ganz briilant!

LAURENTIA: Ich liebe dich.

JUAN:

Mein Stichw ort, nenne es mir, blitzschneU mein Stictiwort. Dieses ist Kombdie, ich werde ganz verwirrt . . .

LAURENTIA:

Ich liebe dich.

JUAN:

Ich liebe dich, ich liebe. Immerfort

das gleiche. Welche Rolle spielst du denn?

Wie lacherlich! Und wer ist nui" der Dichter,

der das erdacht? Fallt ihm nichts anderes ein

als Liebe, gar nichts anderes auf der Welt?

Da ist doch HaiJ, \^erbrechen, Mord und siilk

langausgcdachte Greuel, Blut in Stromen,

das iiber deine heiifien Gheder lauft.

Da ist noch manches andre; wiifit ich nur,

was noch ist! Kurz und gut, was soil der Scherz?

LAURENTIA:

Ich gehe schon.

JUAN:

L^nd \\ arum kamst du her?

LAURENTIA:

Ich bin verrucht.

JUAN:

Das ware \\ ahrhch etvvas, das stark mich reizen konnte. Bist dus auch?

LAURENTIA:

Als meine Sehnsucht iiber meine Seele hinauswuchs, w urde ich verrucht, verflucht.

72 DON JUAN

JUAN: Wie kostlich! 1st das alles?

LAURENTIA:

Das ist viel.

JUAN:

A\\Mb, das ist nichts! Schau, meiner Seelc liegeii

schon Mcnschcnlcben auf, und mciiicr Ehrc

die Tugeiid und das Gliick Bctrogencr,

Verfuhrter. Ich bin jung und kann es noch

weit biingen. Meinc Strafie ist vor mir

tief diinke], und ich sche Schatten fliehn,

die meinem Ungestiim entgehen v\ ollen,

und die ich doch ereile. Hor, Gewitter sind

um mich und wilde Stiirme toben,

doch darum geh ich meinem Ziele zu

und fiihle mich noch lange nicht verflucht.

Und du, weil dir ein Feuer noch von mir

im Leibe wachst, und weil in deinem Schlunde

dir alles ausgedorrt und trocken ist,

imd weiJ du darum mein sein \\ illst, gebrauchst

du grofie Worte? Nein, das sollst du nicht!

Komm her zu mir! Ich schelte nicht. Warum?

Du hast und ich ein Abenteuer. Und

das soil genossen sein. Die Briiste her!

Das ist das Ende immer. Deine Pracht,

die Wunder deines Leibes mogen wieder

den Rest, die Grenzen dieser Welt bedeuten.

Er schreit auf, da seine H'dnde ein MedaiUon auf Laurentias

Brust freigemacht : Mein Jesus!

LAURENTIA: Ach, Marias Bild!

JUAN:

O Himmel! Ich seh Gespenster, eine Angewohnheit

ERSTER TEIL 73

von Kindcsbeinen, die in alien Stunden

mich albern neckt! Wir wollen trinken, tuchtig

erst trinken und darauf \ on Herzen schlafen.

LAURENTIA: Gott! was geschieht mit mir?

JUAN damonisch:

Doch was du willst. Er fiihrt sie in den Alkoven.

LAURENTIA:

Ich bin gerichtet.

JUAN:

So, ich lege dich und hole uns den Nachttrunk. Stofien wir auf diese L,iebe an. Auf diese Liebe!

Er kommt nach vorn und hcreitet den 'Irankj dabei k'tilt er ein

F/iischchen gcgen das Licht: Ich komme, komme.

Lcise:

Dieser Schuft von Diener, ich habe ihn in Verdacht, er hats \ erdiinntj der Saft ist gelb statt braun. Dann gnade ihm Gott.

Er giefit atts dem Flaschchen ins Glas.

LAURENTIA:

O Juan, Juan . . .

JUAN ihr:

Doch. Ich komme schon. Das schmeckte. Dies fiir dich. Nun \\ inl auch bald ein Himmel dich umtangen, siific Frau. Ich losche noch das Licht.

Stille. Dann kommt er mit dem Medaillon in It'anden nach vont und siein gespannt durcb den l^orbang. Das Mittcl w irkt; sie schlaft, schlaft langsam ein und schl'aft hiniiber.

Vor dem Altar hedeckt er das Bild mit Kiissen:

74 DON JUAN

Herr u ende

den Kelch von mir!

Ich bin ohn W'illcn,

ohn alien W'illen,

ertrinke grenzenlos in ihr.

Ich \\ ill sie schlagcn

und muli ertragen,

dafi sie mich krank und \\ under schlagt,

auf alles, \\ as im All lebendig

ihr Zeichen pragt,

das muiJ nun enden!

Ich will voUenden.

Der Himmel hore

den Schv\ ur! Ich schwore

bei Gottes Ehre

und meinem Leben:

Nun schweige alles andere still,

mag untergehen

die M'elt, bestehen

Maria jetzt du sollst! Ich will!

Er stiirzt davon.

Derselbe Raum. Aufdem Altare hrennt nur noch das e-vige Lkht.

RIPIO schlekht durchs Zimmer und ztmi Fenster: Feuer! In meinen entziickenden Traum hinein. V^or Qualm und Dunst nichts zu erkennen. Hui was fiir eine Funken- fonfancj das ist in der Richtung des grolkn Gartens Heiland, was vermute ich! Kann es moglich sein? Sonst steht dort kein Haus. O Gott, die Kniee warden mir schwach.

LAURENTIA tritt aus de/fi Alhoven und halt sich am Vor-

hang fest: Wo bin ich?

RIPIO:

Mir scheint nicht weit von mir.

LAURENTIA: Tiefe Nacht doch noch. Und er? Ich bin so taub, benommen.

StefaUt.

RIPIO: LAURENTIA:

ERSTER TEIL 75

R1?\0 f'dfjgt sie auf:

Auch das noch. Die Ereigiiisse jagen sich. W^ann kamt Ihi', Donna?

LAURENTIA schwach: Wo ist er?

RIPIO:

Wie gelangtet Ihr ohne mein Wissen hieihcr? Wann?

LAURENTIA: Spat.

Nur waiter?

La6 Er Luft herein.

RIPIO:

Sie ist von schlechter Qualitat. Hollisch elend scheint das arme W^eib; sollte sie schon zu viel von dieser Pest einge- atmet haben? Sie erholt sich...ich will ihrW^asser bringen.

Gcht in den AJhoven unJ. kekrt das Flasckchen in der Hand

zurikk.

LAURENTIA:

Sag Er mir endlich . . .

RIPIO: Dcs Ratsels Losung!

LAURENTIA: Welches Ratsels?

RIPIO:

1st Euch wirklich und \\ ahrhaftig besser?

LAURENTIA: Ich meine.

RIPIO:

Gelobt meine nie ruhende V^orsicht.

LAURENTLV:

Anrwort!

76 DON JUAN

RIPIO:

Gelobt meine nie ruhende Vorsicht. Ich will hinunter und Euch vom Feuer Nachrichten bringen.

Fiir sich:

Die sie noch mehr schmerzcn \\ crden, fiiichte ich, als ihre schmerzenden Eingew eide.

Er geht.

JUAN komnit aus dem Alkoven:

Laurentia! \'^om Feuerschein bekranzt und lieblich eingehiillt. Ich dachte nicht, dich noch zii finden. He, was willst du dcnn? Die Toten stehen auf, und die Lebendigen sind tot.

Laurentia ivendct sich zur Tiir.

JUAN:

^^'^ohin? Was \\ilJst du? Sch^^•eige nicht und geh mit anderen Schritten. Diese Rube erregt mich furchtbar, bringt mich stiirmisch auf!

Laurentia dreht sich ihm zu.

JUAN:

Was trittst du mir entgegen? W^elchen Sinn

verbindest du damit? Ich komme her,

ganz arglos, unbefangen^ aber du

gehst auf mich zu und jetzt du siehst mich an.

Wie schamlos eines Weibes Augen sich

geb'arden konnen! Glaubst du denn, ich fande

nicht durch den frommen Schleier deiner Giite

und Anteilnahme, die du dir und mir

nur vortauschst, bis zum Grunde deiner Seele?

Mitleidige, du Falsche! Dieses Mitleid

ist Woliust, harte, wiiste Grausamkeit.

Beseligen soil dich mein Gram. Die Kraft

des Jammers, diese ungeheure, soil

auf dich herniederstiirzen; meines Atems,

ERSTER TEIL 77

des gliihenden, dem an gevveihter Statte

ich wehren mulke, willst du dich crfrcuen.

Mein ganzes Wesen, das Erhorung fordert

der inncrn Nor, ich soils in dich verstromen.

Du fiillst dich an, berauschsc dich, siittigst dich

und dann, von meincm Feuer brcnnend, stark

von mir, willst du als Retterin am Ende

mir deinen Trost von meinen Gnaden spenden.

O du! Ihr alle! Feige, kcines Kampfs

mit blankcn Waff'en fahig, holt den Sicg

ihr euch durch Demur, die nichr Demur ist,

durch Schweigcn, das uns in den Ohren gellr,

und unserer GroiJmur sicher, legt ihr in den BUck

das Fiirchterliche, das den Arm des Siegers

im Schlage hemmr und ihn zum Sklaven machr.

Was aus des Mannes Herz mit stiirmischer Gewalt

wie eine Flammc brichr, in euren Schofi

cinfahren mochte, um das Leben srarker

und e\\ iger der Menschheit zu vererben,

es muii sich vor dem Eingang unterw erfen,

die Kraft mit eurer Schw ache Frieden machen

und eurer Eitelkeit. Ihr w ollt gebeten

und angebettelt sein. In dieser VV^clt

ist fiir den Mann und seine vvahren Giiter,

Gewalt und Kraft kein Platz sonst mufite ich siegen.

Auf^er sich.

Dies Bild, das ich von deinem Halsc stahl,

es hattc mich so iiberangefiilk

mit unseres Geschlechtes schonstem Vorrecht,

dafi ich erschijttert fiihlte, neben mir

ist auf der Welt w ie ich kein Mann ein Mann,

und jedes Weib, das seinen Meister sucht,

ist uberwunden.

Aber siehe doch, ich sagte nichts, schon andeit sich der Bhck in deinen Augen, und er briclit, nicht fahig, die Angst mchr zu verbergeii. Endlich bricht

78 DON JUAN

dein Blick im Schicksal, und er riihrc mich nicht, nicht mehr, nie mehr!

Jauchzend.

Maria liebe ich, die ich auf diesen beiden seligen Armcn dem Feucr, das ihr Vaterhaus verbrannte, entrifi und das ich selbst gclegt, um ihrcm Bett und ihrem sijfien Leib in dieser selbcn Nacht noch nah zu scin. Als ich sie sah, wie auf dcm Bild sie Jachelt, mufit ich mein Sehnen enden oder sterben. Gott selbst und keines Cherubs Schwert vermochte mich mehr zu halten, und mich trug ein Sturm hinfort zu meiner irdischen Erganzung. In Flammen stand ich vor ihr, wiJlenlos vor meinem W'illen lag sie in den Kissen wie festgeschraubt und riihrte sich kein died; ich brauchte nur zu greifen, mufite nur die Hande strecken, zwei, drei Schritte machen, mein Dasein hatte gottlich sich erfiillt. Und siehe, plotzhch werden ihre Augen ganz bodenlos; mein Blick, den keine Schranke mehr halt, ertrinkt auf ihrem Grunde, und ohne Blicke steh ich seelenlos und blind. Die kostbaren Minuten fliehen und dann, zu spat, ich mufi sie aus dem Feuer nur eihg retten. Bin ich toll? Ich lebe und stehe wieder hier, verschwende dann aufs neue Wochen, setze alle Hebel in stiirmische Bewegung, jage Menschen von On. zu Ort und drohe Tod, X'^erderben und ziinde Welten an, ihr nah zu sein, bin endlich bei ihr, und sie sieht mich an, und meine Hand ist lahm und mein Begehren gefesselt? So entfessele ich denn jetzt in mir, was noch gebandigt niederlag; die untersten Gewalten seien frei, die niedrigsten. Was irgend Kraft bedeutet.

ERSTER TEIL 79

erhebe sich und herrschc schrankenlos

und werde cndJich diescr Schwache Herr

und knechte sie. Ein Scheusal bin ich lieber,

als dafi ein andrer ^\'ille mich besitzt.

Nun sprach ich! Und nun sollst du auch das letzte

noch wissen, dalJ ich langst die ganze Schopfung

vergessen hattc und allein noch wulke,

ich habc diese Nacht Maria nicht,

und darum mulJ ich tniumen, von ihr n-aumen

und nahm ein Weib, in dessen miidem Auge

und fahlcm Anthtz kcine Seele liegt

und kcine Spur von Lcben, ach, dafi ich

in ihre leeren Ziige dichten kann,

was ich ersehne.

Er reifit ilen Vorhang auseinander. Ein Madchen sitzt einge- schlafen auf einem Stuhl im Alkoven:

Sieh, ich luge nicht, da sitzt mein blasses Schemen, sclilaft mein Traum.

Latircntia verltift zueinetid den Raiim.

JUAN gein ivie ein Scblafivandler zuni Alkoven und kniet vor

der Schlafenden : Madchen, ich Hebe dich, liebe dich grenzenlos sieh doch ich hebe dich! Liege im Staube.

Vermag denn nichts eine Ahnung dir ins Herz zu geben, dalJ diese Liebe das HerrUchste ist, \\ as die Erde birgt, und dir gehort und im Staube liegt?

Wie reich du bist, Kbnigin Alles verschwende,

8o DON JUAN

wirf die Kleinode

von dir, das Gold.

Abcr diese Liebe

sieh dir doch an,

die herrlicher flammt

als die Sonne

und im Staub liegen mufi.

Pilife des Mannes Herz,

ob es nicht stark und kostbar ist

und so rein, kristallenklar

einem Sehnen hingegeben,

w ie cinst ein andres Herz mit einem Wunsche

still und verklart am Kreuze hing

und sich verblutete

wie ich, im Staube.

Die Garten der Memiozo. Im Hintcrgrund die Trimmer des rauchcnden llatises Nacht.

Inez steht mit Diencrn und Ma gd en vor einer Steinhank, atif der

Maria liegt.

MARIA eriuachend : Wo ist er?

INEZ:

Heilige Jungfrau Dank, sie lebt!

MARIA:

Wo ist er?

EIN ALTER DIENER beugt die Knie: O sie lebt. Das Fraulein lebt!

MARIA richtet sich atif und siebt urn sich: Das Haus verbrannt; all meine Kinderspiele.

INEZ:

Ach, dafi du lebst!

MARIA: Du tust, als seis ein Wunder.

ERSTER TEIL 8i

EIN ANDERER DIENER:

Es ist ein Wunder.

INEZ:

Als die Flammen spriihten und aus den Fenstern, aus den Turen rasten, die Mauern fielen, als mit einemmal der Vorhang deines Zimmers Feuer fing . . .

MARIA:

Ich \\ ar ■sor Angst schon tot und halb erstickt. Und w oJlte beten. Meine Lippen liefien sich nicht bewegen, meine Glieder \\ aren so sprod und hart vvie Glas. Da plotzlich begegnen meine Augen mir im Spiegel, nur grofier, schbner, ach wcifi selbst nicht wie, und war kein Spiegel da, die Glieder losen sich auf, der Blick verschleiert, iiberfliefit, ich sinkc hin, und meine Seele bebt. O dieser Held! Ein Sturm weht aus den Kissen mich hoch, ich fiiege iiber alle Flammen, und vor den Ohren jauch/.t ein heller Ton. Als ich ihn singen will, da sterbe ich vor Sehgkeit und stiirze in die Nacht.

INEZ:

Wir aber waren aufier uns vor Jubel,

als rauchgeschw arzt und dich auf seinen Armen

er in die Tiire sprang. Zu FuiJen sturzte

ihm alles. Und er bettete dich sanft

auf diese Steine, sah dich an und ging.

MARIA:

Und ob ich lebte, war ihm wenig wert.

INEZ:

O iiber unscrn Kleinmut! DaiJ er dich vcrlassen konnto, war Bew cis, du lebtest. Bescheidenheit vcrbot ihm, noch zu bleiben, bis du eru achtcst und ihm dankcn mulkest.

82 DON JUAN

MARIA: Mufi ich ihm danken?

INEZ: Kind, o Kind! Niichst Gott bist du am cngsten diesem Mann verknlipft, der dir dein Leben, das verlorcn war, aufs neue schenkte. Dieser milden Nacht geheimnisvolle Zwiesprach, die wir Rihren, des neuen Tages Sonne, dankst du ihm, und dieser Atem, der von dir mich streift, das dunkle Rot der ^^^angen, dein Bewegen, es stammt im letzten Grund aus seiner Gnade.

MARIA: Du sagst es.

INEZ:

Liige ich? Wo war die Mutter

zur Stunde? Trotzdem, ich verrate nicht,

was ich vermute; ich verkJage nicht;

doch soviel sei nun endlich auch gesagt:

der Mann ist viel gelastert, viel gescholten,

du selbst hast iiber ihn ein ^^^ort gesprochen,

und dennoch lalk zum Schkifi des Herzens Meinung

sich nicht verhehlen, er gefallt uns doch.

Er mufi uns ja gefallen, wenn w ir sehen,

ihm ist das nackte Leben nicht das hochste,

das eigene so A\enig wie ein fremdes,

ihn treibt ein Wille, der unbeugsam ist.

MARIA: Ich will ihn wiedersehn! Ihm danken. Bald; so schneU dus ihm nur sagen kannst. Erzahle, ich sei, ich habe langst, ich miilke nur ach du verstehst schon, was ich sagen will. Er soil nur kommen, alles ist vergessen, nein nicht vergessen; mir sei wohl bewufit . . . o Inez, unser Leben ist doch schwer.

INEZ neckend: Und -w as du mir durchaus nicht glauben mochtest?

ERSTER TEIL 83

MARIA:

Ich weifi.

INEZ:

Und heute glaubsc du mir?

MARIA:

Ich glaube, dais du der liebste Mensch bist.

INEZ lacht:

Aufier einem!

MARIA: Bist du mir bose?

INEZ:

Weil du glucklich bist?

MARIA:

Noch nicht.

INEZ:

Uu sollst cs scin.

MARIA:

Wer kanns versprechen?

INEZ:

Der liebe Gott und ich.

MARIA:

Dann srelle ich mir zu Gott und ilim dcin Rild im Herzen auf.

Festlkh geschniiicktp und hellerleuchtete Sa/c im 'Stadthatis zu

Valadolid. Im vordcrcn Saal ist scitiich links emc Buhne auf-

gcschlagcn, dcrcn I'orh'iingc noch geschlotsen s'md. Miisken

schwa rmen durcheinander.

ERSTE MASKE: Ihr seid nicht aufgcraumt.

ZWEIl E MASKE:

Ich gcbe es zu, der Lcichcnqualm macht mir noch immer iibcl.

84 DON JUAN

ERSTE MASKE: Der Konig ist erbittert; des Infanten Don Carlos Tod von ihm nicht iiberwunden; da gibt es fur die Ketzer keine Gnade, sie mulken alle brennen. Und sein Blick hing leer und ungeriihrt an diesem Licht, das sich vom Blut und Fleisch der Menschen speiste, und sah in weite Fernen \\ eit zuriick.

ZWTITE MASKE:

Es ist ein iibles Stiick, lebendig brennen.

ERSTE MASKE: Zu gut fur die verrannte Ketzerhorde. Ich liebe unseren gro6en Konig mehr als seinen grofien \^ater, weil im Glauben er starker ist und bis zum Tod entschlossen. Denn spanisch und katholisch ist nur eins, und stirbt das eine, stirbt es mit dem anderen. Die W'elt, die aus den Fugen brechen will, in den en sie Jahrtausende verharrt, braucht eine Faust von Eisen, die sie halt. Und datum war Don Carlos Tod ein Segen; denn er entmenschte diesen harten Konig. Die Niederlande merkens schon besonders, bald wird es auch den andern deutlich sein.

ZWTEITE MASKE: Man spricht von einem Aufstand der Morisken.

ERSTE xMASKE: Weh ihnen, wenn es wahx ist!

Z\\'EITE MASKE:

Sehr bemerkt wird ein Interesse, das der Konig nimmt.

ERSTE MASKE: Erinnert nicht daran! Ich konnte sterben vor Wut, wenn ich bedenke, es ist \\ahr. An solchem Elenden!

ERSTER TEIL 85

Z^\'EITE MASKE:

Die QuLxadas sind aufier sich vor Freude.

ERSTE MASKE:

Dieser Mensch! Er lauft davon.

Z^\■EITE MASKE: ^\'as hat er?

DRITTE MASKE mn htnzu:

Der AJkade? Spracht Ihr gar von Juan de Quixada? Dieser hat dem alten Herm das junge Weib verfiihrt.

Z^^'EITE MASKE: Wer seid Ihr und was wifit Ihr?

DRITTE MASKE lackt und geht:

Nut soviel ais ringsum alle \\'elt davon erzahlt.

\TERTE MASKE z,ur flmften:

Ein Madchen wars I Ich hatte sie gem gerettet, sie \\ar so schoni Als hchterloh sie brannte, die Flammen um die siifien Orter leckten, die meiner Glut so lange \\iderstanden und gierig sie verzehrten, rief sie: Jesus! lang hingezogen und verziickte sich. Das Schw arze ihrer Augen hing im Himmel, und durch die Gheder fiihr ein ^^'onnest^om. Dann w^i sie tot.

Ft^TTE .\L\SKE:

Es gab noch \\iiste Bilder, ein Alter briillte wie ein w undes \'ieh dieselben Tone immer. Und was halfs, dafi ich die Augen schlo6; die Ohren horten den fiirchterhchen immer gleichcn Laut.

86 DON JUAN

VIERTE MASKE: Und cine w iiste alte Hexe lachte w ie blod im Feuer.

FUNFIE MASKE:

Dieser Ungestiim Don Juan QuLxada stand neben ihr, ich sah es, schaut sie an und lachte mit, ein wildes und gcspensterhaftes Duo! Dann w ieder dieser Abstand, Spiel und Lachen.

Beide gehen.

INEZ kommt mit Maria:

Nicht gar so schnell und nicht an solche Pl'atze, wo du allein bist und gesehen w irst. Wenn dich die Mutter trotz gefarbten Haars und durch die Maske doch erkennen \\ iirde, mir gings nicht gut. Hatt ich an jenem Abend es dii" doch nicht versprochen; hundertmal hab ich mich schon gescholten, daft ichs tat, und lieber ware mir, wir kehrten jetzt noch um. Komm mit!

MARIA:

Wie albern; warten wir; ich sehe mich besser vor. Wir bleiben hier.

ALFONSO DE LA PAZ zu Maria: Wer bist du?

INEZ mit verstellter Stimnie: Niemand.

ALFONSO ZH Maria:

Sprich ein Wort.

INTZ:

Warum? Und aufierdem ist diese Maske stumm.

ERSTER TEIL 87

ALFONSO:

Nicht stumm, iiicht stumm. Ich weifi nicht, was mich treibt; Wcr bist du?

MARIA: Ich?

ALFONSO: Maria! O Maria.

MARIA: Dafi du mich nicht verratst. Bin ich nicht sch(5ii?

ALFONSO:

Doch schoii. \V''arum kamst du hierher?

MARIA:

Warum Alfonso? Und warum du? Nun weil ich sehen wiJh

ALFONSO: Den Kb nig?

MARIA:

Wer sich zeigt. Auf Wiedersehen. Maria geht tmt Inez.

ALFONSO:

Was fiirchte ich? So ist es \\ahr. Maria!

^uan kommt.

ALFONSO stellt ihn: Ich basse, basse dich, du Ungeheuer!

Sic messen sich. Alfonso geht.

JUAN: Das war ein Wort. Das klang mir wie Fanfare!

Er geht.

DER DRITTE HOFMEISTER zum zwciten:

So hort mir zu. Der Gatte ist verreist, der Seladon bei ihr, er speist die Frau

88 DON JUAN

mit HonigwoitL'ii. Plorzlich kchit dor Mann

ganz uncrw artct heim. Man hat noch Zeit,

das "V\'^cibchen zu versteckcn, und die Manner

befinden sich allein. Dcr Gatte zieht,

da er das Unheil ahnt, den Ubeltater

zu mordcn. Doch der listig Weltgewandte

vermag durch Woite und Sophistereien

den schon durchaus Betrogenen zu bctriigen,

die Gattin, der Betiaiger seien rein

wie Gottes Engel, und er selbst, cr selbst

ein schlimmer Gatte, der sich andern miisse.

ZWEITER HOFMEISTER: Das ist ja ein galantes Stuck!

DRITTER HOFMEISTER:

Ein Schw ank.

ZWEITER HOFMEISTER:

Den soil der Kbnig horen?

DRITTER HOFMEISTER:

Glaubt Ihr denn, er lacht nicht gern ? Es war die Rede erst von einer vaterl'andischen, dynastischen Apotheose; doch das Schreiben kam zuriick. Mit einem Wort vom Konig selbst: „Bewahre mich Gott davor". So schrieb ich denn dies Stiickchen, und der Rat hat zugestimmt.

ZWEITER HOFMEISTER: Viel Gluck.

DRITTER HOFMEISTER:

Ich hoffe auch, es hat Sukzefi; denn es sind wirklich starke Stellen drin, besonders diese : wie der Herr Galan die KHnge, die ihm droht, geschickt vermeidet, und alles witzig zur Versohnung ieitet.

ERSTER TEIL 89

ZWEITER HOFMEISTER:

Der Vers?

DRITTER HOFMEISTER:

Ein Blankvers. Viermal kurz und lang.

ZWEITER HOFMEISTER: Wer spielt? Wieviel Personen treten auf?

DRITTER HOFMEISTER:

Nur drei. Die Gattin, Donna 1 ercsita; der Gatte, Don Alfonso; der Galan Don Juan QuLxada.

ZWEITER HOFMEISTER: Hehe!

DRITTER HOFMEISTER: Was lacht Ihr?

ZWEITER HOFMEISTER:

Nun, ich dachte nur von Eurem Snick ein Stuckchen hin ins Leben.

Sie gehen.

FINE WEIBLICHE MASKE, von han verfolgt, auf zivei Manner zu:

Nehmt mich nur mit! Nur schnell! Nur fort von hder!

Die drei verschioinden.

FINE ZWEITE WTIBLICHE MASKE zur dritten:

Verzeiht mir Donna, w ifit Ihr einen On

die Hitze Wein ich bin ein w enig matt

und mochte ruhen.

DIE DRITTE MASKE:

Geht durch diesen Raum, passiert das schmale rote Kabinett, daneben liegt ein Zimmer vbllig abseits.

Die bciden gehen.

90 DON JUAN

JUAN ihnen nach: Ich folge, Schone.

RIPIO ei/ig:

Herr, der Konig kam. Wollt fiirs Theater Ihr Euch nicht bald schicken?

JUAN: Merk dir das Wort einmal: Theatrum mundi. Er folgt der Maske.

LAURENTIA komtnt. Zu Ripio:

1st Euer Herr im Saal?

RIPIO:

Der Kbnig?

LAURENTIA:

Euer Herr!

RIPIO:

Ich \\ iifitc nicht, \\ er so sich nennen durfte.

LAURENTIA demaskiert sich: Sieh, w er ich wirkJich bin, du Unverschamter.

RIPIO: Ein Weib.

LAUHENTL^.:

Er ist ein Liimmel!

RIPIO:

Dafiir Dame hab ich nur eine Antwort: keine Antwort.

Bnoegung. Fanfaren. Die Masken teilen sich.

KONIG PHILIPP ohne Maske, nach vorn kommend, stutzt vor Latirentia, die sich tief verneigt:

Wo sah ich diesen seltenen Ohrschmuck schon, so reiches Haar?

LAURENTIA:

Sire . . .

ERSTER TEIL 91

PHILIPP hiip ihre Hand:

Ach, ich irrte nicht. Es ist an mir, des Festes Konigin zu griifien. Bog ein junger Furst nicht einst bezaubert sich auf diese schone Hand vor Jahren? Unvergessen ist der Tag und dieser Handc Schlankheit unvergessen. Beim Schauspiel bitt ich Euch in meine Nahe.

Er verabschiedet sie und sagt zu Gomez: Gomez?

GOMEZ:

Sire?

Nun?

PHILIPP:

GOMEZ:

Es ist entschieden, Sire?

PHILIPP:

Ists nicht mehr moglich, seiner Majesfat den Knaben hinzubringen, vvie er bat?

GOMEZ:

Ob ihm der Anblick auch erfreuHch ist?

PHILIPP:

Ich zweifle nicht. Der Vater findet immer das Kind entziickend, das ihm selbst bedeutend an Aussehn gleicht. Und Juan gleicht ihm sehr.

GOMEZ:

Wenn von den Tugenden der Majesfat er eine hatte . . .

PHILIPP:

Wohl gesprochen, Lieber. Masken stromen nach voi'n. Gomez wird befragt.

GOMEZ:

Vcrgonnen Eure Majestat?

92 DON JUAN

PHILIPP:

Man fange an.

Er nimmt die Maske vor und setzt sich in der ersten Reihe. Lati- reiitia bei ih?n. Die iihrigen setzen sich auch. Der Vorhang der

Bi'thne teilt sich.

Ein klciner intimer Raum.

DIE FRAU:

Doch wie lange bist du mein?

DERLIEBHABER:

Heute. Jetzt. Schon eine Stiinde bin ichs, \\ ills die nachste sein.

DIE FRAU:

Schwurst du nicht an meinem Munde, Teufel, E\\igkeit? So schwore!

DER LIEBHABER:

Schwore du mir: Ich betore diesen Mann von neuem wieder, durch die Seek, durch die Glieder, dafi er allem sonst entsage!

DIE FRAU:

Litt ich darum viele Tage, eh ich den Betrug beschlofi, litt ich darum namenlos, eh den Gatten ich betrog?

DER LIEBHABER:

Aber dafi der Gatte log, als er prahlend sich vermafi, dir furs Leben zu geniigen, als er tbricht mich vergafi; und dafi groUere Vergniigen, das in meinem Arm du suchtest, fandest und ihn stark verfluchtest:

ERSTER TEIL 93

dafi er vieles vorenthaltcn sufier tiefer Lustgewaltcn, Liebste, das bedenkst du nicht. Geh mit ihm drum ins Gericht. Mich nur liebe, liebe riichtig, meinetwegen eifersiichtig, wild und grenzenlos. Nur liebe, liebe, schweige, schlafe, liebe. Jedes Wort ist viel zu viel, alles sei Gebarde, Spiel, Widerstand und Ubervvinden, Wollust, Abscheu, Wiederfinden; der Empfindung schwanke Leiter aufw arts, abu arts, immer w citer. Fassen, lassen, jauchzen, fluchen, immer neuc Himmel suchen, in der Liebe gilt das Schenken; ganz verboten ist ein Denken!

DIE FRAU: Damon.

DER LIEBHABER: Gottin !

DIE FRAU:

Ungelicucr!

DER LIEBHABER:

Ungcheuer, ich basse dich . . .

DIE STIMME DES SOUFFLEURS: Ich ersticke dich im Feuer . . .

DER LIEBHABER:

Ich ersticke dich im Feuer meiner miinnlichen Gewalt. Rufc doch, so rufe Halt, wenn du kannst. Der Raum ist still, und ich tue, was ich will.

94 DON JUAN

DER ALTE DIENER stiirzt herein:

Herrin, ach, der Hcrr kommt wieder!

DIE FRAU:

Grofier Gott! ich bin verloren!

DER 1 JEBHABER:

In die Kammer! Leg dich nieder.

Der Diener unci die Frau ab.

DER LIEBHABER:

Gottes Rache auf die Toren, die am falschen Ort erscheinen und zur falschen Stunde kommen; kann zu nichts und gar nichts frommen. Aufgepalk! Hier mufi es scheinen.

DER GATTE stiirmt herein:

Sitzst du endJich in der Falle, hab ich endlich dich erwischt! Wie dein Lebenslicht erlischt, sanftigt sich mir Wnt und Galle. Fijchschen, \\'olf im Schafsgewande, merkst du deutlich, wie am Rande deines Grabes du marschierst? Fiihlst du dich schon einquartiert in der Holle, auserkoren, in der Pfanne mitzuschmoren, die \'on Satanas geiiihit, was gemordet und verfuhit und betrogcn hat auf Erden, halt, um ein Ragout zu A\erden. La6 dich mit dem Degen kitzeln, erst ein wenig; mit dem \Mtzeln, mit dem Spotteln ists vorbei: ich bereite dich zu Brei.

DER LIEBHABER:

Dies ist zu albern, dies ist "W^ahnsinn.

ERSTER TEIL 95

DER GATTE:

Hier ein Stich und da ein Sto6.

DIE STIMME DES SOUFFLEURS:

Lieber Freund, ein toller Spafi! Lieber Freund, ein toller Spafi!

DER GATTE:

Hier ein Stich und da ein Stofi! DIE STIMME DES SOUFFLEURS:

Lieber Freund, ein toller Spafi!

JUAN:

Bei Gott, ein toller Spafi! Ich trag ihn nicht.

Voran, gefochten! So. Verteidige dich.

Kein Fiichschen, nein, ein Fuchs. Im Schafsgewande

niemals. Dir ins Gesicht, ganz offen, ehrlich,

ich ich verachte dich, ich lach dich aus,

und tu trotz deiner weiter, was ich will.

Er schlagt ihjn die Wajfe aus der Hand.

Alfonso, schamiiberwaltigt, stiirzt, die H'dnde vors Gesicht, ah.

DRITTER HOFMEISTER auf der Biibnc: Was macht Ihr! Ihr verderbt mir ja mein Stiick!

JUAN: Das Stiick ist aus. So lafit den Vorhang nieder.

PHILIPP dem dr inert Hofnieister: Wie mufite es nach Eurem Willen enden?

DRITTER HOFMEISTER:

Mit alien Kiinsten seiner Uberredung

soil er den Gatten t'auschen, ihn begaukeln

und listig alles zur V'ersohnung wenden.

PHILIPP: Doch schien Uns dies nicht minder eindrucksvoll;

96 DON JUAN

ein wenig schnellj jedoch dcr Gegensatz

von Scherz und Ernst wirkt priichtig iind fur Euch

sei dies ein Trost, \\ ir alio sind zufrieden.

Drifter llojwcister verbeugt sich. Der Vorhang fallt. AUcs er- heht skh. Die Mashen sclnvarweii ztir'tick. In den Imiteren

S'iilen Miisik.

PHILIPP ZK Laurentia: Ich sehe Euch durch dieses Spiel bew egt.

LAURENTIA:

Ich bin cs wirklich, Sire.

PHILIPP:

Und sogar Tranen? So kommt fur diesen klihnen jungen Mann noch ein Erfolg zustande. In der Tat, es war ein freies, liigenloses Stiick, das sehr unmittelbar zu Herzen ging und iiber ihn genug zu denken gibt. Ihr kennt ihn naher. Wifit Ihr mir viclleicht ein ^^•enig mehr von ihm noch zu crzahlen?

Sie gehen.

SECHSTE MASKE: Nicht zu ertragen dieser freche Diinkel!

SIEBENTE MASKE: Nur Vorsicht. Wie die Dinge einmal hegen, ich bin ganz sicher, das Geriicht hat recht gilts grbfite Vorsicht. Dieser freie Stolz und kbnigUche Ubermut sind tief in ihm begriindet. Sahst die Majestat du heute nicht schon oft mit ihm beschaftigt? Um Gottes willen, Freund, man kann da leicht, mit einem Worte kann man sich vernichten. Ein koniglicher Prinz! Es heilJt sogar der Konig sei zur Anerkennung fest entschlossen. Und vielleicht geschieht es schneller,

ERSTER TEIL 97

als jemand ahnt. Ich gab auch schon Befehl, ihn niemals, was er Schlimmes auch beginnt, zu halten, jcmals in W'rhaft zu nchmen; und als der Inquisitor kaum erfuhr, was ich befohlen hatte, tat er gleiches.

SECHSTE MASKE:

Als gestern abend er auf ofFner Strafie

ein Miidchen iiberficl und I. cute kamen,

die der Bedrangtcn schieunigst heifen wollten,

mit Kniitteln, Ciabeln, schon ein hiibscher Haufe,

man freute sich, ihm ginindlich heimzuzahlen,

da rief er: dafi mich keine Hand beriihre!

mit einem so metallenen Klang der Stimme,

absonderlich, und solchem Glanz des Auges,

dafi alles Volk zuriickwich und ich selbst

betroff'en war. So zog mit seiner Beute

er frei und vollig unbehindert bin.

SIEBENTE MASKE:

Du siehst. In jedem Falle warten wir.

Bestatigt sich die Fabel iiber ihn,

so lacht er iiber uns, im anderen Falle

u ird ihm das Ganze griindlich heimgezahlt.

Beide gehen.

INEZ kommt suchend: Wo ist sie nur?

ALFONSO DE LA PAZ:

Bist du es, Kupplerin?

INEZ: War seid Ihr?

ALFONSO:

Schnell, wo ist sie?

INEZ:

Lafit mich, Herri

98 DON JUAN

ALFONSO:

Dii hast sic fiir ihii hcigelockt, gestehe.

INEZ:

Ich sage mir, dali Ihr mir lastig seid.

ALFONSO:

Gib Antwort, oder

INEZ: Herr, ich werde laut!

ALFONSO:

So rufe, und cs w ird sich bald entscheiden, wo du den Abend und dein Leben endest. Wo ist sie?

INEZ:

Ach, ich weifi nicht. Im Gewiihl kam sie von meiner Seite.

ALFONSO:

Und die Mutter beim Kbnig ganzlich unerreichbar. Komm, jetzt ist Minute Evvigkeit. So komm.

Beide gehen eilig.

JUAN kommt verkleidct:

Jetzt leben! Von\arts! Keiner kennt dich mehr, dir selbst bist du verkleidet. Von dir fiel die WirklicKkeit; du scheinst dir ganzlich Maske und fremd, und auch die Welt dir gegeniiber ist fiir den Augenblick nicht, w as sie ist. Einbildung kann jetzt miiheloser schweifen und mufi nicht flirchten, plotzlich schauderhaft beim Aufsehn in ein grinsendes Gesicht unsanft ge\\eckt zu w erden -wie letzthin, da alles fiir den Traum bereitet war. Stolz und bedeutend w irkt jetzt jcde Puppe, erschijtternd eine LaiTe, deren Antlitz

ERSTER TEIL

dii himmlisch bildcst. Jeder Laut, der mm

von Frauenlippen auf dich niedcrgcht,

ist eine SUbe, welche iiebernd immer

vom Morgcn bis zum Abend du ersehntest.

Nicht mchr bei Dunkelhcit zu deincn Kisseii

sprichst du die wundcrbaren uud von Irancn

geschliffenen Worte: Weib, ich liebe dich;

du rufst sic dem lebendigen Leibe zu,

der dir gesellt ist, und entziickten Auges

steht einc Frau \or dir und hort es an.

Dei- Druck von ihrer Hand zerreilk dich gar,

weiJ du fur deine Sterbestunde kaum

ihn noch erhofftcst, ach und gniidige Gotter,

sie fiihren mich viellcicht von Traum und Sehnsucht

noch waiter in die Wirklichkeit. Mein Heiland,

wohin? Zerbrich nicht schwache Form vor Gliick

und tobe nicht so fiirchterlich, mein Blut.

Im hhiteren Saale erklingt ein Mcntiett. Maria in der Tiir mit einer 7iiannlichen Maske.

JUAN crblkkt sie: Ah, sieh die schbne Maskc!

MARIA erhlickt Juan: O Gott, er kommt zu mir.

JUAN:

Fiir mich sie einzufangen, mufi erst der Mann von ihr.

Er nahert sich lier Maske. Mir war, Ihr vvurdet grade von Freunden sehr vermifit; es schien, als ob der Konig wars moghch, dali es ist?

MARIA: Was mag er mit ihm fliistern?

DIE MASKE:

Bewahrt Ihr sie so lang?

99

loo DON JUAN

JUAN: Mein Wort, mit mcincm Lcbcn!

MARIA:

Mil" ist so w ch und bang.

Die Aiaske geht.

JUAN:

Mu6 ich Euch erst beschw oren, dafi Ihr die Schbnste seid?

MARIA:

Ein Madchen zu betbren, ist Euch nur Zeitvertreib!

JUAN:

Ach, ohne Glauben, ohne Sinn

spricht der siilJe Mund

es bin;

denn in den Augen ein wunderbares,

seltsames Leben

v^err'at der Seele

Bemiihen,

zitternde Sehnsucht,

dem K'afig des eigenen Selbst 7x\ entfliehen.

Ein Gliihen

der Glieder, das Euch verschont,

kiindet, Ihr wollt aus den Grenzen

Eures entziickenden Leibes

mit dem Gliicke des Weibes

heute Euch kranzen,

ruft, daft Euch stiirmisch be\\ai6t

bis ins Innerste

ohne Verhiillung,

klar wie der Tag:

dieser ist meine Erfiillung!

Was Euch gelehrt,

was Ihr verehrt,

alles ist plotzhch Liige,

ERSTER TEIL loi

unci die einzigc Wahrheit,

die dir noch frommt,

tragt meine Ziige.

Erde und Himmcl,

debet und Amen,

alles wurde zu einem einzigen Namen.

MARIA: Juan!

JUAN: Nur still, nicht laut. Verrate mir nichts. Sage Briiutigam, icli Braut.

Lafi es die einzigen Worte sein, uns nicht mehr von cinander wissen, und des Geheimnisses Schein und Schleier lali unserem Gluck. Nicht auf die Erde zuriick aus dem seligen Getild, wo alles Bild und Ahnung ist,

jeder BegritT und alles Benennen schwindet,

und die verschenkte Seele sich selbst nicht mehr findet.

Er reij?t sie niit sich in clus Zimmer voni /inks.

RIPIO nach einer Weile:

Da sehe ich die Witwe Jungfer Fromm \ on einem Herrn gezogen durch die Siile sich eilends schieben. Dieser Herr war eben noch ein gehornter Ehemann, icii irre nicht, und sah so aus, als ob er Roses sanne, sehr Boses. Gegen wen? Hier ist die I'Vage zugleicli die Antuort. Beide stiir/.cn lebhal't der Gruppe zu, die uni tlcii Konig ist.

I02 DON JUAN

Aus dieser wird die Donna kaum entlassen, der gerade hier ich die Leviten las und sehr gebiihrend meinen Standpunkt wies, als dieser Herr und iinsere W'itw e Fiomm mit rasenden Gebiirden auf sie stiir/en, mit aufgeregten Worten sie bedeuten. Die wirft die Arme hoch. Was soli das scin!" Dies furchte ich, hat w iedcr bosen Grund. Sie kommen her jetzt, Ripio, aufgepalk.

Er steht hinter einer S'titile. Alfonso, Inez und Laurentia kommen.

ALFONSO:

Nichts!

INEZ:

Nirgends. Uberall niclit.

ALFONSO:

Waiter, weiter. AUe drei ab.

RIPIO:

He? Nirgends. Uberall nicht. Weiter, weiter! Was heifit denn das? Das sind ja Pantomimen, das sieht ja wieder wie Theater aus. 1st das vielleicht theatrum mundi oder so ahnliches? Mir kommt schon uieder die ungeheure, tolle Wut, die ich empfinde, \\ enn gegen meinen Herrn ich die Philister vermute. Doch gefehlt. Ich gebe acht.

JUAN kommt aus dem Nehenzimmer:

Heil meiner Seele, was beginne ich?

Soil mir das Toben, kann das Rasen helfen?

Und immer tiefer sinke ich in Not.

RIPIO: Wohin, Herr?

ERSTER TEIL 103

JUAN aufser sich:

Frag nicht, trage nicht! Du weilks. Verrate nur, wenn jemand mich vermilk, dafi Juan, dem sich jede hier erbote zu Gliick und Licbe, in die Nacht hinaus und vor das Fenstcr seines Liebchens ist, dort wie ein Knabc, zitternd und verzweifelt um einen blassen Schatten barmt und bettelt.

Er stiirzt davou.

Dcr

Z W E I T E T E I L

d e r T r a g o d i e

ZWEITER TEIL

107

Pari'. Sch/oji ivi lUnterg^-wnd. Don ftian unci Ripio kommen ditrch die tiefe Nacht.

RIPIO steht:

ler!

JUAN:

Rufe!

RIPIO:

HeiT, es ist nicht radich.

JUAN:

Gleich!

RIl'K) /eise: Leute !

JUAN:

Soli ich dir die Zahne offnen?

RIPIO /auter:

Leute! Was tue ich? Hier wohnen Iremde Menschen. Ein fataler Irrtum.

JUAN:

Hier wohnen die Paez nicht?

RIPIO:

Niemals. Diese zwci Tiircn drohen w io ein Gefangnis her; das SchiolS der Paez ist lieblich.

}L\\N drohefid: Sieh genau hin, iind dii findcst auch diese Tiiime liebHcli.

RIPIO:

Wahrhaftig!

JUAN: So ists?

Es ist.

RIPIO:

JLTAN: Nun flicgen auch schon meine Pulse.

io8 DON JUAN

RIPIO:

Ich habe mich mit den Dienern dcr Mcndoza gemein machen mijssen. Niemand wollte zuerst wissen, wohin die junge Dame war nach jener Nacht.

JUAN: RIPIO: JUAN: RIPIO: JUAN: RIPIO: JUAN: RIPIO:

Gewasch.

Gut.

Bist du beleidigt?

Das glaiibc ich!

Trinkgeld?

Gute Nacht.

Bleib.

Nein.

JUAN:

Weht es nicht gespenstisch her aus dem Hause? Stromt es nicht den unbeschreiblichsten Atem aus? Pafi meine Hande.

RIPIO:

Kalt.

JUAN:

Ich dampfe! M'^as geschieht?

RIPIO: Nichts, wenn ich es verhindern kann.

JUAN:

In meiner Seele ubersturzen sich die Bilder.

RIPIO: Bedenkt!

Juan hat sich ins Gras getoorfen nnd hi'ipft darin herufv.

ZWEITER TEIL 109

RIPIO:

Lachcrlich. Steht doch auf.

JUAN:

Gliickseligkeit!

RIPIO:

Pudelnafi werdet Ihr, das ist die ganze Gliickseligkeit. Ich bcdeute Euch ziim letztenmal, Ihr seid nunmehr durch die Gnade des Konigs eine offentliche Personlichkeit uiid stcht ihm anerkannt als scin Bruder zuiiachst.

JUAN ist aufgesprungen: Dein Dienst ist jedes Lobes wert. Wie hast du es erfahren?

RIPIO:

Zuerst, dafi die alte Paez hier der alteren Mendoza Schwcster, Marias Tante ist. Dazu tun Sie drei Goldstiicke, eine Nacht mit einer Zweiundvierzigj'ahrigen, einen iiblen Atem, den ein Tiirhiiter hatte, und ein paar PantofFeln. So haben Sie das Rezept.

JUAN: Die Schuhe gehbrten ihr?

RIPIO: Der Tiirhiiter putzte sie und lieferte damit den Beweis von der Anwesenheit der Besitzerin.

Licht!

Wo?

Im Hause.

Lassen Sie uns gehn!

Memme.

Man konnte bffnen.

JUAN: RIPIO: JUAN: RIPIO: JUAN: RIPIO:

MO DON JUAN

JUAN: Gott sei gelobt, man bflhet!

RIPIO:

Herr, \\ cnn der Konig . . . Exzdlcnz!

JUAN:

Er schliolk.

RIPIO: O weh!

Ein Dicner iiffnet oben die Tin- des llaiucs und tritt vi'it c'mcr Pack el in den Ein gang. Ein machtiger Ilund ist bei ihin.

DER DIENER: Es ^\ aren Schatten im Garten.

JUAN ztt Ripio: Komm zuriick.

Sie Ziehen sich in die Biische.

DER DIENER: Fafi ich euch Vagabiinden! Geh, Ullo, such! Der Ilund lauft in die Biische.

DER DIENER:

Der soil euch in die \\'adcn, Gelichter.

Nach einer Weile:

Ullo, zuriick! Wo bleibt das Vieh? Gibt er nicht Laut? Soil ich dich holen, Ullo? Der Kuckuck, der Teufel.

Er sieht in die Finsternis, schilttelt den Kopf und geht wieder ins I'oi; das er von innen verschliefit.

JUAN konnnt vorsicktig, den Hund am Halsband: Die Luft ist rein.

RIPIO:

Der elende Kbter hat mir das Kleid zerrissen. Ich bin nicht prasentabel. Haltet Ihr ihn? Eine Bestie voll Niedertracht.

Juan I'dfit den Hund, der aufsteht und seine Vorderpfoten auf

'Juans Erust legt.

ZWEITER TEIL in

JUAN seine Arme u?/i ihn;

Schoner Hund!

RIPIO:

Das sind wicder Geschichten.

Eine andere Seite des Schlosses. Gegen Morgcn. liipio schlaft aiif einer Bank.

JUAN I'djit sich an einem Seile vom Dach des Hauscs nieder:

Hatte ich Krallen und Zchen des Marders,

aufw arts und abwarts mich fallen zu lassen,

sicher auf schwankcnden Pfaden zu laufen,

ware das Dach des umschlichenen Hauses

mir nicht so fern. Die inneren Hofe

langst schon besessen. Ein einziges Fenster,

das in den Himmel sich offnet. Doi"t siifie ich

leise und klein vom Abend bis Morgen,

siih, wie das Leben im Kissen sich rcgte,

wie eine Hand im SchJafe verloren . . .

Lauf an eine Grenze und brich zusammen. In eine Hunde-

seele eingehen und zu ihren Fiifien licgcn. Von ihrem Tritt

an die Wand geschmettert. Bist schon Hundeseele. Was

macht mich aber auch mein ganzes Menschcntum nicht so

gliicklich \\ ie diese hiindische Sehnsucht?

Oder sie riefe mich und befohle das Unseligste, Unsinnigste.

Meine Scham stiinde glutrot auf, und sie zerbrache sie aus-

cinander. Nieder. Nieder. Erhoht bin ich worden, neben

den Thron erhoht und trliumc nur davon, wie es im Staube

sein mulJ. 1st das die biblischc Demut? Mir raucht es im

Hirn. Kaiserlicher Vater, sich dcinen Hundesohn.

Nein, nicht so wichtig. Ich bin ein verUebter Knabe, das ist

alles. Aber diese Glut ist so w eifi, so unentrinnbar und so

voUst'andig.

Flieh. Lafi dieses Haus. Lafi es jetzt und kehre wiedcr.

Bleib! Sie tragen meine Leiche hier fort, wenn ich sie heute

nicht geschen habe. Finon Abschied will ich, dich liegcn

oder wandelu schcn, mir den Bcgritf deincs vergottcitcn

112 DON JUAN

Leibes einprdgen, deines Daseins. Ich soil in a\ eite Feme. Fremdc fcindlichc Gesichter stchen mirzuTausenden bevor. Da mufi dciii Bild in mir feierlich ausgebrcitct scin. In die Fenster schiefie ich dir!

Er spannt das Pistol. Oder schaffe ich dir Ungelegenheit? Stcine!

Er wirft gegen cin Fenster^ das zerspr'mgt. Gut so.

RIPIO er^mcht. He?

JUAN loirft von ncucin: Aber nicht, dafi sie mir die bHnde Fratze einer Dienerin an das Fenster schickt es \\ are furchtbar.

RlPlO: Was soil das?

JUAN: Hier bleibt alles still. Noch ist diese Seite. Er lauft nach rechts.

RIPIO: Urn Gottes willen!

JUAN: Denn irgend etwas mufi von dir geschehn, und kehrtest du dein Wasser ijber mich aus, das meine Weifiglut loschte und mich tot in den Sand wiirfe bis zu sehgem Erwachen.

RIPIO//?/// ihm in den Arm: Ich verbiete Ihnen, Exzellenz, ich verbiete das! Horen Sie nicht, dal5 ich es verbiete!

JUAN ivirft: Ha! So!

RIPIO:

Wir sind entehrt.

JUAN: O...

ZWEITER TEIL 113

Am Fenster oberhalb der Freitreppe erscheint ein toeihlicher

Schatteiu

'Juan rast die Sttifen hinan. Marie riffnct das Fenster. Sie stehen einen Augenhlick hart ein- ander gegeniiber. Da tritt /hninta zh Maria nnd reipt sie ztirikh.

Maria ivirft Don 'Juan mit beiden IVimden einen Knji z«.

JUAN sttirzt rikklings bin: Mein Heiland im Himmel!

Das spanische Lager. Juan gibt Ripio einen Brief.

RIPIO: Der neunte Brief in fiinf Tagen.

JUAN:

Dieser ist wichtig fur sie.

RIPIO:

Wie die anderen. Und wir besitzen kcine Silbe Antrwort.

JUAN geht ifis Zelt zuriick: Geh bin, gib ab, bring weg. Wir miissen iins schlagen.

RIPIO /;;/ Gehen: Ich gabe etwas drum zu wissen, was zwischen Valadolid und hier riickw arts mit unserer privaten Post geschieht.

Ein alter Obrist kommt rnit Offizieren.

DER OBRIST: Das diirft ilir in cincm lustigen Krieg wohJ einen lustigen Obristen nennen.

ERSTER OFFIZIER:

Ein hcrrliclicr Krieg mit diesen Moriskcnhiindcn.

ZWEITER OFFIZIER: Der Alte ist bis an den Rand \ oil.

114 DON JUAN

DER OBRIST:

Was sauselst du, Kleiner? Bin ich aber voU, ist es vom gestrigen Siegtrinkcii. W'ir schlagcn schncller, als ichbrauche, um niichtern zu \\ crdcn. Und audi die Kugeln, die im Sturm urn mich wehen, reifien mich nicht w ie dich aus dem Rausch, in den uns der starke Geist, der mit uns ist, versetzt.

DIE OFFIZIERE: Bravo!

DER OBRIST:

In diesem Zeitlauf ist Saufen keine Siinde, Griinling. Ich flamme in hellem Entziicken, und um mich in den Schranken der Disziplin zu halten, damit ich vor Begeisterung keine Sperenzien mache, mu6 ich aufgiefien. Und der Herrgott nickt dazu. M^oher weili ich das? Aus dem Gemiit. Weil ich zufrieden einschlafe und stolz eruache. Unter uns: Ich Hebte immer den Wein. Schhcht, wie ein Soldat, der zwischen den Schlachten leere Stimden hat. Wie ein M'adel, das warm macht. Aber zugegeben, unter Alba und Granvella, wo es Stillstand auf Stillstand gab, schamte ich mich seiner, wie sich ein Hurer schiimt. Jetzt sind die Ereignisse selbst \\ ie tiefe Rausche, und ich erscheine mit meiner speziellen Trunkenheit \\ ie ebenbiirtig geschmiickt. Hahaha. Teufel, Herren. Ein Morgenschoppen stiinde Euch nicht iibel. Des Elans wegen. Ihr erscheint zu \\ agerecht dieser kiihnen Senkrechten gegeniiber, die uns kommandiert. Eure Augen stieren noch zu viel in den Boden, statt mit ihm in den Himmel zu schiefien.

Zur Marketenderin:

Schenk mir einen, der so rot ist, Weiblein, wie das roteste an dii" und nicht minder feurig.

DRITTER OFFIZIER: Feuriger. Es ist nicht weit her mit ihr,

DAS MADCHEN:

Was weifit du, Spatz?

ZWEITER TEIL 115

DRITTER OFFIZIER:

Was man weiiJ.

DAS MADCHEN:

Schamlos gelogen.

DER OBRIST: Oho, Schatzchen.

DRITTER OFFIZIER: Weifi Gott gelogen, weiiJ Gott gelogen. Nicht eine Hand ist von dem Racker zu haben.

DER OBRIST:

Fiir keinen?

DAS MADCHEN:

Fiir keinen von cuch.

ZWEITER OFFIZIER:

Ich kenne ihn, fiir den sie alles hat.

DAS MADCHEN zornig: Schweig!

DIE OFFIZIERE: Namen!

DAS MADCHEN:

Nichts mehr. Oder ich gehe, und ihr siicht euch ein anderes M'adel. Was ich tue, mogt ihr durchstechen; was ich glaube und meine, ist ganz allein meine Sach.

DER OBRIST: Recht so.

DAS MADCHEN:

Singt. Wie gestern abend nach der Schlacht. Der Braunc hat cine schone Stimme.

DER OBRIS 1: Und mein Bafi?

VIERTER OFFIZIER:

Vom X'^aterland.

ii6 DON JUAN

FUNFTEROFFIZIER:

Fiinf gewonnene Schlachtcn in cincr ^^'ochc. Diese armen Maurcn Hicgen \\ ie die Spreu vorm Sturm.

MERTER OFFIZIER:

Vom Vaterland!

DRITTER OFFIZIER:

Schwung !

VIERTER OFFIZIER: Unser Blut mufi tonen. Gelt, Madel, das meinst du?

DAS MADCHEN:

Ihr seid Manner.

ERSTER OFFIZIER: Ja, Manner} unsere Jugend jauchzt.

DER OBRIST:

Mut, Jubel, wahrhaftig . . .

DAS MADCHEN klatscht in die Hande: Prachtvoll! Prachtvoll! Aber er zu Pferde, wie es unter ihm springt! Er schaut um nach euch alien, sein Blick reifit von einem iiber alle, dann hebt er den Arm, ein Schrei

DER OBRIST:

Geht einem durch und durch.

DAS MADCHEN lacht entziickt auf: Sonne!

Z^^ EITER OFFIZIER hebt an: Gott der Schlachten . . .

DER OBRIST:

Halt! Lafi deine stumpfsinnigen \^erse: Gott der Schlachten, du bist weise . . . Oder ich singe dir einen Reim auf \\ eise, der dir die Melodie verdirbt.

Eine M'dnnefstinmie erhebt sich:

ZWEITER TEIL 117

Don Juan, rijhr uns an bis ins Blut. Heilig Gut schijtzcn \\ ir uns und dir.

Das Lied luird geprobt, von Stimme zu St'imme ive'nergegeben und zuletzt vereint gesungen.

DER OBRIST:

Besser, schon besser. Nun, er wird seinen Dichter haben. Don ^tian tritt aus dem Zelt. AUejubeln ihm entgegen.

JUAN:

Zu triiikcn!

DER OBRIST:

Hurra!

Das Madchen kredenzt ihm mit tiefer Neigttng.

JUAN trinkt und kiifit sie auf den Mttnd: Entziickend!

ZWEITER OFFIZIER: Der Ervvahlte.

JUAN: Ihr scid laut.

DER OBRIST: Froh sind die Kerls, mein General. Uber Sonne und 1 .icht, uber fiinf Siege in sieben Tagen.

JUAN: Mit Gottes Hilfe!

DER OBRIST: Und auf Ihren Wink. Wenn uns einer so voranbraust: reine Zuversicht, Todesverachtung.

JUAN:

Freude am I.ehen, mcinc lieben Leutc. Tiefes Gliick und Dankharkeit.

DER OBRIST: So ctwas, mein Furst. W'ir spurens. Ihi' heizt uns ein.

ii8 DON JUAN

JUAN: Das Schwerste steht uns noch bevor.

DER OBRIST:

Nichts Schweres.

JUAN: Die Stadt dort liegt brtit und w uchtig.

DER OBRIST:

Wir sind bereit.

JUAN:

WoUt ihr? Schlacht!

Sitzt auf!

DER OBRIST:

Begeisterte Rufe. JUAl<i p/otz/ich:

Getmimel. Kriegerischc Musik.

JUAN:

Wir greifen an. Wir haben solchcn Sturm

im Blutc, dali ^\ ir auf die Mauern miisscn.

Wir konnen diesen aufgetiirmten Wall

nicht mehr ertragen. Unsere Schwerter reifien

in ihren Scheiden, woUen frei und voran.

Wer oben steht, der ist ein Held. Die Sage

verewigt ihn, und Spaniens grofier Konig

liebt ihn wie einen Bruder. In der Faust

des Feldherrn die Standarte tragt ein Zeichen

uns alien heilig, tragt Marias Bild.

Sie sei der Schlachtruf. Liebt euch, Binider! Fiihlt

die strahlenden Minuten. Hafit den Feind.

ErschJagt die Manner und verschont die Weiber.

Die Menge verlauft sich.

JUAN Ripio: Den Helm! W^ie steht er? Gelb und weifi und blau. Den Spiegel, heimlich. Noch die Schai'pe her!

ZWEITER TEIL 119

Kennst du des Vaters aufgeschmiicktes Bild vom Tizian? Ein anderer Maler miifite mich andcrs malen. Heller. Audi zu Pferd. iVIit solchcn Augen. Und der Helmbusch spriinge im Wind. Was sagst du?

RIPK):

Gottes Wunder, Herr!

JUAN: Ja wahrlich, Gottes unbeschreiblich siifies und hohes Wunder! Komm, umarme micli und liebe mich. Ach, wenn ich heute siegte, das gabe einen Brief von Blut und Wucht. Und sterbe ich, so bist du sehr erhoht, du, der du Zeuge warst. La6 dich betrachten. Wie anders du in meinen Augen stehst, scit es geschah.

RIPIO: Die Kufihand?

JUAN:

Lieber Bruder, umarme mich!

RIPIO:

Die Kufihand, Exzcllenz? Sie gingen anderen Morgens doch ins Feld und sahen sie und sprachen sie nicht mehr?

JUAN:

Wer ware das imstande? Wem gehorchten

am nachsten iMorgen Glieder, Worte \\ ieder,

wer konnte mehr als albcrn, iiberw altigt

ein Wortchen stammeln? Koiint ichs heute scbon?

Noch jetzt driickt unbeu altigt Seligkeit

und Wonne mich zu Boden. Die Gebarde

\\ ar, ach, die Tat zu kolossal.

Gott nil ein Auge auf! Du v\ arst dabei.

I20 DON JUAN

RIPIO:

Und sah die Kufihand.

JUAN in die Schlacht: Seliger, die KuiJhand!

Eskorial. Am Abend.

KONIG PHILIPP:

So hat das niedere ^^^eib, das dich gcbar,

es deiinoch nicht vermocht, das Bliit dcs Viators,

des kaiserlichen Vaters zu zersetzen,

ihm biirgcrlichen Gleichmut beizutun

und iible Dinge, die das \"oLk vcrcrbt,

ihr Volk vor allem: deutsche Eigenschaften.

Der echte Sprofi des allerhochsten Hauses

der Christenheit verdarb und starb im Elend,

und dieser Bastard lebt so koniglich

und aller edlen Krafte so bev\ulk,

dafi wir in tiefer Demut spiiren miissen:

wie anders hofFt der Mcnsch und lenkt cs Gott.

Ich tiatte dich erkannt. Am ersten Abend

sah ich das Brijderhche, Nahverwandte,

und ^^•arm sympathisch von dir angeriihrt,

befiel zugleich mich cine triibe Angst.

Es schien mir fliichtig aus dir aufzuleuchten

der jahe Funke wiister Leidenschaft,

die mir in Carlos einmal schon das Herz

zermartert, bis es brach.

Wie lange denn ging ich wie tot? Da kamst du aus dem Schatten der Kindheit an. Licht rifi ins Dunkel. Leben trat hinter alJes. Hundert leere Fragen erfiillten Antwort schallcnd sich mit dir. Gespenster schwachlicher Vergangenheit, unheimhche Gesichter \\ irrer Stunden, die Habsburg hatte, fallen tot zur Seite, und immer stlirmischer von Tag zu Stunde

ZWEITER TEIL 121

rauscht sehr eriauchte Zukunft von dir auf. So uberwaltigt wieder mich das Zicl. Ich habe fur den Tod den grofien Trost: ein Mann steht hinter mir in jedem Fail, der seine konigliche Art bewies und der zu alledem mein Bruder ist, von eincm un\ ergelJIicli hohen Vater,- von unserm unvergelMich lieben Vater.

Gomez tritt ein.

Ein Ungeheures

?

Ja.

PHIIJPP: GOMEZ:

PHILIPP:

Ein neuer Sieg!

GOMEZ: Ganz beispiellos, Sire. Galata . . .

PHILIPP:

Gefallen?

GOMEZ:

Zerstort. Vom Boden w eggesiibelt. Hin, Begriff von gestern. Diese starkste Stiitze des W'iderstandes brach er, w ie ein Knabe die schmalen Zaune knickt am Nachbargarten, v\& aus der Erde sie w ie sch\v ache Staude.

PHILIPP:

Depeschen!

GOMEZ:

In den knappen Siirzen Hammt Begcbonheit. Ganz ungewoliiit das I'chlcn der Parciithcsc und der Schachtclungcn, die aus den Niederlanden wir gew ohnt und die verraten, \\ as w ir eher wissen.

122 DON JUAN

PHILIPP liest: Galata fid und meinem Konig Heil!

GOMEZ: Das ist Geschichte!

PHILIPP:

Neu.

GOMEZ: In alien Strafien zuckt Feiier auf. Fiir dieser Stunden Dunkel schmiickt sich Madrid mit einem grcllcn Band von Lichtcrn, daiJ der Sieg ins Augc sticht, der grofite Spaniens, seit ich denken kann.

PHILIPP: Wie schon! Und welche freie Heiterkeit verbreiten uenig \\'^orte. Mle Kolosse von Sorgen platzen. Schmiickt cuch, fcicrt ihn, der das vcrmag. Seid harmlos mit ihm gliicklich. Mir aber ist ein anderer Rausch vergbnnt und Gliick und Wonne, die nur Konige ermessen, die ein Konig nicht mit mir empfinden kann, weil keines Fiirsten Qual so grofi gewesen. Was aus tiefster Einsicht, die mir von Gott stammt, ich erfunden hatte fiir unseres Landes Segen, es mifilang, du weifit -wie oft, weil meines Geistes Arme zu schwach sich zeigten. Ihre Fauste sphtterten an zarten Hindernissen, und der Schlag fiel liickwarts auf mein vielgeliebtes \^olk. Hier greift die Hand, bevor ich noch beschlofi, und eine fieberhafte Spannung sinkt nach Jahren in mir nieder. M'^elche Morgen! Ich sehe Sonne mit mir spielen, und erquickt von gutem Schlaf, entziindet fiiihe Post schon neue Lebensfeuer. Ja, beschenkt von ihm bin ich, der Konig. Auch bedacht; und voll Eru artung stehe ich im Sein.

ZWEITER TEIL 125

GOMEZ:

Mit wcnigem ist der Moriskenzug nunmehr beendet.

PHILIPP:

Fort von hicr! Madrid und alle "\\'^irtschaft lassenl Blinde Frat/cii, den schauerlichen Chor, der urn mich ist, vergessen. ALIe Tiiren zugemacht fiir kurzc Zeit. In cine leere \\^elt ganz unbefangen gehen. Darf ichs auch?

GOMEZ:

Sie sollcn, Sire! Zum erstenmal schenkt Gott Gelegenheit. Das angstlichste Gewissen ruht gut in ihm.

PHILIPP:

Ach Ruhe, Friedcn, Pause in Reihen lautester Erschiitterungen, welch unbeschreiblich starke W'ohltat. Gib die Briefe noch von ihm. Du Armster bleibst. Das ticfe Ubergliick des Konigs stromt auf andre, Unbekannte unverdient.

GOMEZ:

Ich bin recht gliickhch. Diesem Fiirsten aber, der meinen Herrn so innerlich erfreut, stellt Dankbarkeit ein steiles Mai in mir.

PHILIPP: So innerlich erfreut. Von ihm zu mir, und nun zu u em denn? Riiste dich, du Seele, noch unbckannt, nicht gegen Schmerz. Der Freude, die auf dich stiirzen \\ ill, dem Gliick sci standhaft und brich nicht in Gcfuhlen, die aus Hlut und kbniglichen Frieben zu dir finden. Drei Briefe mit der gleichen Aufschrift. Wer?

124 DON JUAN

GOMEZ:

Donna Maria de Mendoza, die Gespielin imd Halbverwandte.

PHILIPP: Dankbar. Knabenhaft, mein Don Juan! Ich will sie selbst bestcllcn.

Klostergarten. Maria tind etn'tge Novizen.

MARIA steht aufder Schaukel: Hoher!

ERSTE NOVIZE: Nicht so wild.

MARIA:

Dafi ich liber KJostermauern in die Welt sehe.

ZWEITE NOVIZE:

Was gibts draufien?

MARIA: Einen Karren und einen Hund.

DRITTE NOVIZE:

Weiter.

MARIA:

Nichts. Doch! Jetzt kommt der Bursch aus den Biischen. Er schaut sich um und . . .

ZWEITE und DRITTE NO\TZE: Ja!

MARIA:

Hoher! Er . . . Haltet!

ERSTE NOVIZE halt die Schaukel: Was ist mit ihm?

ZWEITER TEIL 125

MARIA:

Mich schwindeke eincn Augenblick. Einen Augenblick schwindelco . . . Weitcr!

Sie schaukelt:

Er geht. Diese Nacht entspringe ich. Morgen friih bin ich fort.

ZWEITE NOVIZE:

Wie wiilst du iiber die Mauer?

MARIA:

Morgen bin ich fort.

ZWEITE NOVIZE:

Nimm mich mit.

ERSTE NO\aZE: Wo wollt ihr bin?

ZWEITE NOVIZE:

Gleich. Nur fort.

ERSTE NOVIZE:

Ihr miifit verhungern.

MARIA:

Nein.

ERSTE NO\aZE:

Ihr habt iiichts gclernt.

MARIA: Oh.

ERSTE NOVIZE:

Das Lebcn ist schucr. Ihr liabt niclit gearbeitet. Ich kenne es.

MARIA:

Ich bin rcich.

ERSTE NON'IZE: Doinc Mutter ist es. Aber auch sie geht ins Kloster, und dann gehbrt dir nichts weiter.

126 DON JUAN

MARIA:

Lafi mich nur machcn.

DRITTE NOVIZE:

Das haben wit alio gcsagt.

MARIA:

Und habt nichts getan. Ich abcr bin morgcn friih fort.

ERSTE NOVIZE:

Wohin willst du?

MARIA: Irgendwohin.

ERSTE NOVIZE: Sie holen dich wieder.

MARIA: Niemals. Uberall ist ein Abgrund, sich totzustiirzen.

ZWEITE NOVIZE:

Maria!

MARIA: Verratet mich nicht. Schaukelt! Wie schon ist es zu fliegen, Augen zu, sich entledigen.

Fhilipp und Gomez sind gekommen, h'mter e'lnem Busch an die Gruppe herangetreten und stehcn jetzt der schaukelnden Maria

gegeniiber.

PHILIPP gepackt: Zuriick du!

Gomez tritt iveg.

PHILIPP: Das zerreifit!

MARIA imrft ihren Schuh vom Fujs in die Luft: Mein Schuh voran!

Die Novizen sind zurikkgetreten.

ZWEITER TEIL 127

MARIA:

Eins zwei los frei!

Gomez nut den 'Novizen, atif die er einredet, in den Hintergrund.

MARIA aujser /tern: Haltct mich ! Ich falle . . .

Vhilipp ist an die Schaukel getreten, hat sie angehalten und uvifafit nun Marias Knie.

MARIA noch geschlossenen Auges: Falle . . .

Phi/ipp heht sie von der Schaukel und legt sie ins Gras. Nach einer Reihe planloscr Gehtirden, die tiefste Erschiitterung

verraten, beugt er sich auf alien vieren tief auf sie nieder.

Im spanischen Lager. Abend.

Don 'Juan viit einem Kreis von Offizicren. Im llintergrunde

eine Schar gefangener Moriskenhauptleute.

DER OBRIST: Dann hat cr das Miidchen von den Ihren gerissen.

DER HAUPTMANN:

Es war ihm ausdriicklich ivahegelegt, die junge Dame sei aus vornchmer Moriskenfamiiic.

DER OBRIST:

Hauptmann, er war halt besoffen.

DER HAUPTMANN:

Kameraden machtcn ihn u iedcrholt darauf aufrncrksam.

DER OBRIST: Und er ist von deincr Kompagnie!

JUAN:

Schr strong z\x strafcn. Unbedingt.

128 DON JUAN

DER OBRIST: Siebzehn ist dcr Bursch. Kommt i^rad aus ck-m FJtcrnhaus. Stiirzt in^^'clth'aIldel hinein. Schl'agt sicbcnTagc jedcn Tag eine tapferc Klingc. Auf einmal liegt er \\ ie ein gefesselter Rasschund iiiit'atig mit uns.

Juan verlafst pldtzlich den Kreis unci geht in den Ilintergrund. Die Ofjiziere stehen bestiit-zt mid schiueigcn.

JUAN kehrt zuriick: \^''as A\ar?

DER HAUPTiVlANN: Der junge Offizier . . .

JUAN: Hm. Ich erinnere mich. Lafit cs ihn doch mit dem Weibe ausmachen.

DER HAUPTMANN: Aber das Beispiel, mein General!

JUAN: Dieser Fall ist das Beispiel nicht. Das Beispiel liegt \\eiter zuriick.

DER HAUPTMANN im Abgehen: Ich werde dem Hund schon Bescheid stofien!

DER Oma^T ihm folgend: Giftbeule.

JUAN wendet sich zu den Gefangenen: Leute, ihr kommt schon zum drittenmal; aber v^on Tag zu Tag verstehe ich euch weniger. Ich habe euch besiegt; es war meine Aufgabe, und ich habe sie erfiillt. Nun tragt ihr mir eure Griinde und Auffassungen vor, schiittet mir euer ganzes Herz aus, und es mufi doch vergebUch sein. Ich bin hier fiir meinen koniglichen Herrn, und der steht fiir Spanien und sein Interesse. Es ist gut moglich, dafi ihr auch ein Recht habt; aber wenn sich maurisches und spanisches Recht nicht vertragen, so mu6 das eine weichen. Ich bin froh, dafi

ZWEITER TEIL 129

ich nichts Weiteres zu entscheiden habe, grcift mir nicht ans Herz und klagt mir nicht vor. Es isc schlimm, da(J wenn der eiiic sich freut, cs den andcren schmerzen mu6. Gcht. Was in meincr Kraft steht, soil fiir euch geschehen.

Die Moriskenhatiptlettte gehen schroeigend.

JUAN einem spanischen Ojfizier: Verhalker Augenblick! Ich bin imstande, die Welt iiber und iiber glijckselig zu machen und schaffe Tranen. Sclilacht ist gut. DalJ abcr am Ende einer nimmer der Besiegte ist!

Er geht in sein Zelt.

DER OFFIZIER zu einem andern: Verdammt spitzfindig fiir einen sicgreichen General. Sicher nicht des Konigs Ansicht.

DER ZWEITE OFFIZIER:

Was sagt der Fiirst?

DER ERSTE OFFIZIER:

Fiirstenworte, die ein andcrer nicht sagen soUtc, \\ eil er sie nicht sagen diirfte.

DER ZWEITE OFFIZIER:

Zum Beispiel?

DER ERSTE OFFIZIER: Er bedauert die Besiegten.

Sie gehen.

EIN REITER tritt auf: Der Kurier des Kbnigs!

RIPIO ans dem Zelt: Endlich! Hat er sich durch slimtliche Wirtshiiuscr wy der Landstrafie hierher gew iilzt?

DER REITER: Ich ritt wie der Wind.

I30 DON JUAN

RIPIO:

Er duftet bis zu mir nach Schnaps. Post her! Der Reiter gibt ihru die Mappe.

RIPIO durchlauft die Brie fschaf ten: Wieder nichts. Es ist unmoglich. Hund, wo hast du diese Mappe umhergcworfcn ? Bist du selbst der Dieb, oder hast du dich in zahllosen Trunkciiheiten um unsere Nachrichten bestehlen lassen?

DER REITER: Die Sicgel der Mappe waren unverletzt.

RIPIO:

Ich platze vor Wut!

'Juan aus dem Zelt.

RIPIO:

Nur Staatsdepeschen, Exzellenz!

JUAN:

Staatsdepeschen.

RIPIO: Nichts anderes! Nicht eine Zeile!

Juan geht ins Zelt zitrikk.

RIPIO:

Troll dich zu ahen Teufeln, rotzige Kanaiile!

Der Reiter geht. Ripio, schimpfendj ilmi in den Hintetgrund nach.

JUAN setzt sich auf einen Stein vor das Zelt: Der Nacht iiberlassen. Ich stand \ or den Stufen . . . stand, nahm einen Stein und \\arf. Da erschien sie . . .

Ripio tritt zu ihm. JUAN:

Willst du noch plaudern mit mir?

ZWEITER TEIL 131

RIPIO:

Wovon?

JUAN: Was machst du fiir ein boshafces Gesicht?

RIPIO:

Wovon?

JUAN:

Wenn du nicht magst . . .

RIPIO:

Wovon?

JUAN zag: Von ihr.

RIPIO lacht atif: In solcher Beschaulichkeit. Mir scheint, Ihr Fieber ist ins- gesamt in mich gefahren, dafi ich niichtens schrecke, tagsiiber ruhelos laufe, \\ ahrcnd Sic srill schlafen und plaudern \\ oUen, als sci nichts geschchcii.

JUAN: Deine Unruhe lallc mir allcrdings auf.

RIPIO: Allcrdlngs! Aber nicht, dalJ w ir gar keine Nachrichten haben aul t'aghch z\\ ci uiul drci Bricfe. Untcrschlagen sind sic, wettc ich.

JUAN: Dafi du dich nicht schamst.

RlinO: Aber auch nicht cine Zcilc!

JUAN:

Warum auch cine Zcilc? Ist Schw cigcn nicht das allcrricfste Kntziickcn? Kami profundcstc Seligkcit scliu at/,cnr Du er- staunst mich. Deine Logik ist iiulScrst albcrn.

132 DON JUAN

RIPIO:

Ich wollte schon ausdriicken, ^\■as ich meinc, hiittc ich nicht start der Zunge einen Dreschflegcl im MauJe, der jeden Sinn totschliigt.

JUAN: Abstrus. Angenommen

RIPIO: JUAN:

Ja, angenommen?

Was zum Beispiel?

RIPIO:

Sic liebt: so mu6 sie schreiben. Dreimal am Tage. Tun Sie es doch auch.

JUAN:

Bin ich der Mann oder wer? Erieidet sie nicht das Leben? Ich treibe, ich! Sie hat die Erwartung, nur die einzige Ge- barde des Harrens. Und fasse es jetzt: Einmal schJiigt die Leidenschaft so iiber alle Grenzen, dafi es ihr die Hand denke das Weib! an die Lippen reifit. Ja, jetzt dammert dir ein NachtHcht. Mich hat es in die grellste Sonne versetzt.

Er lacht gliicklich vor sich bin.

RIPIO:

Exzellenz, horen Sie mich an! Wir haben durch ihre plotz- liche Abneigung gegen Schlacht und Tumulte Ruhetage. Niitzen wir sie. Pferde! Hin zu ihr!

JUAN: Ripio!

RIPIO:

Ich mag mich fauschen. Aber lassen Sie uns Gewifiheit haben.

JUAN: Dafi sie lebt?

RIPIO: Dafi . . . Ich bin ein Narr.

ZWEITER TEIL 133

JUAN: Ja, mein guter Freund, das scheint mir schliefilich so.

RIPIO:

Nein nein, sondern ...

Aiifi/en Knieen vor Dun Juan: Liebe Exzelienz!

JUAN: Du bist im Fieber, meiu Armcr.

RIPIO:

Schon seit Tagen! Namlich dicse Nacht, dieser Ball im Stadt- haus zu Valadolid, wo dcr Konig war, und die drei Masken erschienen, Alfonso, Laurcntia und das altjiingferliche W'cib, da fing cs an.

JUAN: Friiher, viel friiher. Du w irfst alles durcheinander.

RIPIO: Ich verliere den Faden.

JUAN: Hor mir zu.

RIPIO: Kin Geheimnis, ein Ungluck. Und ich ruhe nicht, bis ich es ergriindet habe.

JUAN: Dieses Geheimnis . . .

RIPIO:

Ja?

JUAN:

Ich habe es dir schon vertraut.

RIPIO: Nein.

JUAN:

Hast du nicht zugehbrt?

134 DON JUAN

Feierlich: Ich licbc Maria de Mendoza.

Er geht ins Zelt.

RIPIO:

Alle Heiligen! Lcbt wohl, Herr! Ihr scht mich nicht cher, bis ich alios offenbarcn kann.

Im span'tschen Lager.

ERSTER SOLDAT: Was tust du? Was ist das?

ZM'EITER SOLDAT strkkend: Wenn es fertig ist, ein Strumpf. Beste W'olle.

ERSTER SOLDAT:

Wie lange brauchst du zu eiiiem Paar solcher Zehenuarmcr?

ZWEITER SOLDAT:

Zwei Wochen ungefahr. Wenn es so weiter geht, bringe ich hier meinen ganzen "VV^intervorrat zusammen.

ERSTER SOLDAT: Des Heiratens bist du also enthoben?

ZMTITER SOLDAT:

Sintemalen ich auch ein Ei in der Pfanne braten und ein Huhn rosten kann.

ERSTER SOLDAT: Du wirst ein hohes Alter erreichen.

ZMTITER SOLDAT: Hier?

ERSTER SOLDAT:

Es ist ein schoner Fleck Erde. Man kann da leben.

ZWEITER TEIL 135

Z WETTER SOLD AT:

Es mangelt.

ERSTER SOLD AT:

Woran ?

ZWEITER SOLD AT:

Zwcitens: an der W'rdauung. Ich hewege mich nicht. Ich stricke. Gut. Abcr ich brauchc auch einen Spaziergang. Ich mag aber nicht ohne ein Ziel spaziercn. Die ersten Tage sauste es nur so, immer auf Trab, immer Trompete, immcr den Pallasch locker. Arme und Beine flogen durch die Luf't uad standen erst abends still. Und der Schwitz! Junge, was ist mir fiir Wasser iiber den Riicken gelaufen. AngstschwciiJ und gew bhnlicher. Alles durcheinander. Ich habe mich in Dampfen aufgelost. Jetzt driingt das alles in mir, und ich vermag nichts, als zu stricken. Glaub mir, es ist mit dem General dieselbe Sache. Er ist in L^nordnung. Sitzt seit Tagen in seinem Zelt und atmet seine Buttersiiure. Wo soil da der Schw ung her? Sich mal seine Augen an. Keine Klarheit mehr; da lichterlierts und bhnzelts.

ERSTER SOLD AT:

Was soils wirklich mit ihm sein?

ZWEITER SOLDAT: Gebt ihm ein.

ERSTER SOLDAT:

Mufit den Koch bestechen; mags ihm in die Suppe tun.

ZWTITER SOLDAT:

Vielleicht ist auch die Luft schuld daran.

Juan tr'itt kurz aus dem Zelt, sieht in die Feme und geht loieder hinein.

ZWEITER SOLDAT:

Es gibt cincn ganz bestimmten Ausdruck fur den Zustand, Pa, i'o ...

ERSTER SOLDAT: Podex?

136 DON JUAN

ZW EITER SOLD AT:

Ne \\ enn der auch damlt zu tun hat.

ERSTER SOLDAT:

Du magst in etwas recht haben. Einer mcint dies, der andere das.

ZWEITER SOLDAT:

Mein lieber Sohn, ich wollte es dir noch genauer heraus- dividieren, wenn ich die bestimmten Ausdriicke w iifite. Aber die Richtung stimmt.

ERSTER SOLDAT:

Hatte der ganze Krieg in noch ein paar Tagen zu Ende sein konnen. Wir saikn heute in Madrid.

ZWEITER SOLDAT: Gebt ihm ein.

ERSTER SOLDAT lacht:

Ja, ja.

ZWEITER SOLDAT:

Dann gehts auch voru iiiTS.

Ripio zu Pfei'de.

JUAN atis dcm Zelt tindihm entgegen: Ripio ein Reiter! Wo warst du so lange?

RIPIO atemlos: Herr, Herr!

JUAN:

Und ein Rassepferd! Wie hast du es bezwungen?

RIPIO:

Gerade\\egs von Madrid \\ie einRasender. Aufgesessen, auf- gesessen!

JUAN: Sprich!

ZWEITER TEIL 137

RIPK):

Sic glaiibtcn mir nicht. Nur mein Schweigen, Angst vor etwas, das iiber allc Begritfe ist, kann Sic bcw cgcn.

JUAN: Ein Wort!

RIPIO:

Auch nicht eins. Erschlagt mich odcr folgt.

JUAN:

Bubc, was walzest du in mir auf? Ich biege dir die Kiefer auscinander. Du hast Plane mit mir, Hund, w er bczahlt dich? Ptcrde! Ich rcifie die M^elt ein! Pferde! Wohin? Schwa- droncn mit Hundcrt autgesesscn. Wohin treibst du mich? Welche Giftstromc zichst du in Sckundcn aus mir? Wo steht dcr Feind, dem du mich cntgegenwirfst?

RIPIO:

Vorwarts!

JUAN:

Horner! Tusch! Begrabt die Fragen, die ich nicht stellen darf, well ich diesen als Fiihrer brauchc, der das Schicksal enthalt.

Zti Ripio:

Am Ziel rechnen wir ab. Aufgesessen! Vorwarts! Tusch!

In einetf] Landhaus.

PHILIPP Maria: Tu nichts am Vorhang. Lafi die Landschaft nicht zu uns, denn hintcr ihr ist Welt und \'olk; sie bricht die StilJe ab, weht in den Raum, der nur von dir und mir bcw egt ist, Fremdes. Ich basse jcden Laut, den du niclit bildcst und fiirchte alien Dutt als deines Lcibes siilSen, w ohlbekannten, zarten Hauch,

Er umsch/irigt sie und setzt sie zu sich:

138 DON JUAN

Sitz auf! Du reitest. Tiichtig. Trab, Galopp, Galopp Galopp!

MARIA: Jetzt bin ich da! Bci dir.

PHILIPP:

Ein lieber Reitcr.

MARIA:

L'nd cin braver Gaul.

PHILIPP:

\\'^enn du so Icicht bist.

MARIA:

Mache ich mich schwer.

PHILIPP:

Ich springe, steige!

MARIA: Zu.

PHILIPP: Ich werf dich ab.

MARIA:

Nie nie! Ich sitze fest.

PHILIPP: Da liegst du schon.

MARIA: Du kindischer Konig.

PHILIPP:

Kbnigliches Kind. Wir nollen spielen : Jeder kehit die Woite des anderen urn. Ich sag: V^erehne Dame.

MARLV:

Verdammte Ehi-e. Ach, wie gut das pafit.

ZWEITER TEIL 139

PHILIPP:

Ja, das war wirklich lieb. Nun sprich audi du.

MARIA:

Ich wcili nichts.

PHILIPP:

Denk mal.

MARIA: Du geliebter Mann.

PHILIPP:

Das geht ja nicht.

MARIA: Es geht.

PHILIPP:

Geliebter Mann, wie ist das umgekehit?

MARIA:

Geliebte Frau! Ja, ja, so sag mirs doch.

PHILIPP: Geliebte Frau. Entziickende Erscheinung cines Weibes.

MARIA ////> tiefer Verbetigung: Bedeutende Erscheinung eines Mannes, was sag ich Konigs. W'ollen Majestiit . . .

PHILIPP am Fenster: Ein schbner Morgen.

iVlARIA: Tu am Fenster nichts.

PHILIPP: Wie Licht in Grasern und in Biischcn sitzt, die Schbpfung aufbiiumt, und aus kahlem Ast

HO DON JUAN

und Knospe Farbe springt, Wic Giiiii schon hcnscht

und Rot sich meldet, in den Rhododendron

sichs bunt gebiirdct, und w ie ahndungsvoll

der jungste Trieb die schmiilc Fl'ache breic

und hingegeben in die Sonne biegt.

Und neigt sich alles stiirmisch durcheinander

einander zu, und stiitzt sich und versteht

ein geltendes Gesetz. Verstehen w irs?

Da wii- uns lieben und in Armen halten,

zerbrachen w ir die Einsamkeit, die endlich

den Sinn des Lebens in uns toten w oUte.

Es isc kein Gleichnis, es geschah mir so:

der Eindruck dieser Tage w ar die Farbe.

Gepr'agt \\ ard in ein stumpfes Grau und Schw arz

von deinem tief erwanungsvollem Leib

in Kissen hellstes Weifi und Spitzen Rot,

und auch im Ohr erschien als Schi'ei und Hymne

Bevvufitsein eines glanzend Leuchtenden.

So angeflillt mit Helligkeit, erschrickt

kein Abend, keine Nacht den Frohen mehr;

in ihm erstarb Erinnerung und Traum

von hartem Schicksal.

ist heute?

Weifit dus?

MARIA:

Welcher Tag der Woche

PHILIPP:

MARIA:

Nein.

PHILIPP:

Ich \\ eifi nicht mehr. Aus der Gewohnheit ganz herausgelost, aus Z\\"angen, stehn die Rader meines Hirns und Uhr und Stunde. Mit der Sonne kreisen aus Nacht ans Licht wir in die Dunkelheit.

O, der Moment!

ZWEITER TEIL 141

MARIA:

PHILIPP: Was ist?

MARIA:

Was war es?

PHILIPP:

Nichts. Was furchtest du? Wie seltsam riefst du da?

Er djfnet das Fenster:

Wie prangt der Garten ! Die Provinz ist reich

und aulJerst fruchtbar. Selten war ich bier;

vor langen Jabren einmal bier, als Carlos

ein Knabe w ar. Das scbonste weicbe Haar . . .

Ein guter Scblag von Bauern w acbst bier auf",

pracbtige Typen angegUedert dann

Asturien, wenig zuverlassig uns

und unserm Gott. Der Mann, der wacbsen siebt,

ist leicbt geneigt, Natur zu iibcrscbatzen,

mit Same, Bliite, Frucbt sicb abzufinden.

Er siebt Gesetz und ordnet ibm sicb ein,

bat Gegenw ait und fragt nacb Zukunft nicht,

und Ratsel und Bedenken sind ibm fVemd.

Wir, die ins Menscbentum gebeimnis\ oiler

und inniger \ ertiocbten stebn mit Abnen

und Enkel, Erbe, Hinterlassenscbaft,

sind sebr gebunden in den Sinn der Stunde.

MARIA:

Wir wollen durcb die Wege laufen; Hunger zum Mittagessen bolen.

PHILIPP plotzlicb: Gab icb dir denn diese Scbreiben nicbt? Von Don Juan. Kam icb docb eigens dieser Briefe w egen;

142 DON JUAN

sie sind der erste Anlafi des Bcgegnens, des segensreichcn.

MARIA fiirsich: Diese Briefe . . . Himmcl! Laut: Nimm sie zuiiick. Zu spiit. Welch grofSes Schicksal.

PfflUPP:

Ists ein Ereignis? Ists erv\ ahnenswert?

MARIA: Den Gott der Liebe sollst du preisen! Ewig durch dich vergessen. lii crv\artungsvoll erregtcn Trieb, in fieberhaftcs Harren verletzten Stolz und Angst und tiefstes M^irrsal, Grauenhaftes trafst du. Rissest in den Sturm der grofieren Personlichkeit das Weib und \\ischtest alle Bilder dieser \\^elt von ihrer Seele. Schufst ihr Ziel und Glauben in deinem Leibe neu, z\\ angst ihrem Blute Gesichter und Gebarde auf von dir. Nimm bin. Vorbei. Gcleugnet und verschworen Erinnerung und Zukunft, der du mangelst.

PHILIPP:

Welch Pathos! Anhauch aus der Kinderzeit.

MARIA:

Lafi uns ins Freie.

PHILIPP: Riihme nur den Knaben. Das macht mir innig Freude. Sprich nur aus, was dich mit ihm be^\•egte, w ie das Alter, da Blut und Urteil miindig ^\ ird, ihm stand. Dafi du ihm nicht vorlibergingest, Rot in deine Schlafen fuhr, ich hbr es gern, er war die beste Miidchenliebe wert.

Maria ist ins Freie getreten.

ZWEITER TEIL 143

PHILIPP:

Wer kommt ia meine Armc wieder?

MARIA Imft ilmi zu: Ich. Laufe in dich hincin, du sollst nicht cnden, und defer will ich mich in dich verirren, herzlich geliebter Mann. Ich hebe an, mich zartlich hinzugeben, Scham in Wollust zu Ibsen, aus verw andelten BegrifFen den Sturm des Triebs als Religion zu spiiren.

PHILIPP:

Wie deines roten Blutes Kraft berauschtj mein Vater ward in Don Juan mit ihm herrlich erschiittert, du, erschiittere mich.

Gleiche Szene. Nacht.

Philipp steht am Fenster.

Maria tritt aus der Tiir hinter ihn.

PHILIPP:

Ich bin nicht kindisch, wenn ich Sterne lesej

die Aussicht packt, wie durch den hochsten Willen

im Himmel folgsam 15ild zu Bild sich stellt.

1st ihre Ordnung sinnlos? Rin Begrift

nicht eingeschlossen? Bar und Bock und Krebs

ein Ungefahr? Sie kehren taghch w ieder,

und wechselt Menschheit, stehn sie unveitauscht.

liin Gleichnis tritt dir nah? Die D)nastie

ist Sternbild ihix-s Volks. Nach Gottes Fug

bestiindig im Vergehn der Untertanen,

und Zeugnis seiner treu hew ahrten Gnade.

MARIA:

So Icis du gingest, schlug mcin Herze laut.

144 DON JUAN

PHILIPP:

Mir starb mein Carlos. Heller stnihJten iiie

die Sterne unseres Hauses, als er lebte

bis fiinfzehn. Da ersclilug ihn Gott mit Wahnsiiin.

Von meiner Seele riiJ ein Teil sich los.

Mir sank die Kraft im Leibe. Es gelang

aus keines Weibes Fruchtbarkeit ein Sohn,

und Wolke lag urn Spaniens Himmel nachts.

Ich bitte dich, sieh mit mir das Gestirn,

das neu zu unserm Bild den siebenten Abend

erfiillcnd tritt, bestiitige mein Gluck.

Wir steliten zehnmal Licht ins Schw arz der Nacht,

das elfte geht ein blankes Rund mit uns.

Dir schlagt dein Auge um und Seele spricht

Bescheid, da Mund gepackt verschlossen bleibt.

Ich lase lieber Fibeln, in Brevieren

fand ich das Langstbeschlossene, und knieend

begab ich mich der Fragen. Doch ich mufi

zur Nacht noch Konig sein und angsthch suchen,

was mir des Himmels Lichtfiguren stelien.

Du bist mit Zartlichkeit mir nah, erkenne

die Schauer meiner wildbewcgten Brust:

Es hebt die Welt sich feurig aus den Angeln,

in denen sie Jahrhundene gedreht;

nicht ein poHtisches Ereignis schvvingt

sie auf, und nationale Hader schweigen,

die Menschheit steht im Glauben tiefbetroffen,

und in der Kehle steckt ihr ungesungen

das GottesHed. Dem flachen Geist verwirrte

sein Jesus sich. Mit Ziigellosigkeit

hat sehr gefahrlich Rom, galantes Rom

an seinem Licht gew ischt. Das Gottesantlitz

verzerrte seine reine Leidensfreude

ins pfiffig Uberlegte. Und die Scharen,

in ihrem Heiligsten getroffen, heulten auf.

Mein Herz packt dieser Schrei. Ich mu6 Vernunft

mit Grausen niederhalten, darf nicht wissen,

daiJ Fromme litten, jammernde Ekstasen

ZWEITER TEIL 14^

den Heiland w iitcnd suchten iind erst fielen,

als alle Spur von ihm \ crioren war.

Ich sehe nur mein flammendes Fanal,

die hohe Pflicht, die mich mit Schauern speist,

was mir an Macht ist, in den Kampf zu werfen,

und unsern Herren unverletzt und siifier

zum neugeschmiickten Throne aufzufiihren.

So steh ich gegen Protestanten ohne Gnadc

und MenschHchkeit fiir unser Menschlichstes,

so gegen andere Feinde, die der Kampf,

den Christen sich im eigenen Hausc liefern,

aufstiililte und in Trotz und W^atTen trieb,

Morisken, die am Boden liegen; \\eiter

das Menetekel aller Chi'istenheit:

der Tiirke.

Kein Vorfahr sah das Weltbild so erschiittert,

und keiner stand so einzig da. Allein

dem Chaos gegeniiber. Fiihlst du nun,

\\ as Don Juan dem Volk und mir bedeutet?

Auf seinem Haupt ist jedes Haar gezahlt;

ins Liclit der E\\ igkeit ist alles Tun

bedeutungsvoll und jedes Unterlassen

hochst, hochst bedeutungsvoll von ihm geiiickt.

Giiick, das ihn trifft, und Stiirme, die ibn scliuttein,

nichts ialk uns ungeriihrt. Ich bin die Wurzel,

V^olk Laub, V^olk Ast; er aber ist der Stamm

und Hieb in ihn aufzuckt der ganze Baum.

MARIA: Ich mochte schreien!

PHILI1M>:

Komm.

MARIA:

Ich basse dich! Bist du nicht jung? Niclit selbst? Sind nicht in dir noch Triebe unerhorten eigenen Lebens? Was soil der andere dir? Schaumt nicht dein Blut

146 DON JUAN

dem fremdcn Bastard gegeniibcr? Fremd und Bastard? Kannst du schon den Erben nicht aus doppclt koniglichem Stamm crlangen, so mach den Erben Spaniens mir! Mein Leib ist aufgebrochen, alle Krafte spriihen in deiner machtvoUen Umarmung; wirke und bilde dich. Und strome deinc Hoheit glanzvoll ins Erbe meiner tlichtigen Ahncn.

PHILTPP: Dafi du nicht sichst: dcr Knabe ist ein Wunder, erlauchter Eigcntiimlichkeiten voll. Der Wurf!

MARIA: Was denn, was denn gelang ihm so, dali dies mit Rccht behauptet werden soil? Be\\'irktest du nicht vielmal Grofieres, vielmals? Bin ich der Durchschnitt? Ist der Bund, den wir geschlossen, weniger illusr als Kaiser Karls Verhaltnis mit der Deutschen?

PHILIP?:

Ich liebe ihn. Entziickendes Bewufitsein.

MARIA:

Ich kreuz es dir mit tbdlicher GewiUheit von Ublem und Verhangnisvollem. Dir gliih ich ihn aus.

PHILIPP: Verhalte d ein en Hafi und mildere deine sehr entsteUten Ziige.

MARIA:

Ich zwinge die emporte Seele nicht, die sich mit Gift und Galle aufgeriihrt ins Blut ergofi und durch die Zahne jetzt ausstromt mit Fluch, da du den Schwur der Liebe

ZWEITER TEIL 147

im Halse mir crwiirgest. Hiite dich vor einer cinzigen Bcwcgung.

Philipp will sprechen.

MARIA:

Halt! Halt halt!

PHILIPP:

Ich Hebe ihn. Den Sonnenstrahl von ihm in iinsere Zukunft ausgclost.

MARIA schlagt nach ihm in die Luft: Fall hin! Ich hatte ihn. Er hurte mich.

Sie stiirzt in die Nacht. Phi/ipp mit einem Aufschrei ihr nach.

Ilinter hohefn Gitter, dessen machtiges Portal geschlossen ist, der Klostergartcn. Ganz im Ilintergrundc ragen die Geb'dude auf.

LAURENTIA itn Klostergarten zur Abtissin: Und wie erklart sich all der milde Friede, der von den kahlen Mauern taglich mehr an mein Gemiit wie Taubenfliigcl sclilligt?

DIE ABTISSIN:

So Frau, dafi sich ein ^^'ille aiif dicli legt, den du nicht siehst und nicht erfinden kannst, der durch Jahrhundcrte gehciligt, sanft unwiderstehiich durch die Srunden treibt, sic tcilt, und jcdcr ihrcn Sinn verleiht, der allem Woit und Ding den Inhalt gibt, dem Lebcn eine Form, daft w'w nicht z\\ eifcln und liingcr griibein mogcn. Jcdc I'rage verschu indct langsam. W'ir crgcbcn uns; es tallt der Stolz auf eigene Person, wir sehen viele sich mit uns beuegen

148 DON JUAN

im gleichen Mafi. W'ir stromen, und w ir weisen nach oben, wenn nicht recht \\ ar, was geschah.

LAURENTIA:

Verantwortung sie fehlt.

Die Abtissin nicht und geht. Erhabener Sinn.

Maria stiirzt herein. Urn Gott . . . Maria! Wer verfolgt das Kind?

MARIA:

Wie kam ich her? Nur weiter, weiter! Miide bis in den Tod.

LAURENTIA: Ruh aus.

MARIA: In \\elcher Luft ist Atemzug fiir mich!

LAURENTIA:

Um deine Schlafen die Hande . . .

MARIA: Los! Die Stirn bricht kJaffend auf und zeigt ein Ende.

LAURENTIA:

Haare, Leibchen los.

MARIA:

Der Leib ist lose, vollig aufgelost in schnaubende Atome. Blut des Herzens versprengt in \\' inkel und das Herz mit Griin vergiftet. Meine hohen Pulse spritzen geoffnet schrecklich aus! Ich bitte dich, ich bitte dich, lafi los die engen Wande.

ZWEITER TEIL 149

LAURENTIA:

Welch schreckJiches Verbrechen ist geschehn, von wem, woran?

MARIA: An meiner Rasse Mutter, zweimal an meiner bliitenreinen Rasse! Es iiberw altigt mich die Scham der Weiber, die meinem Blute ihren Stolz vermischen, Ahnmiitterreigen wurde toll in mir.

Philipp kommt.

LAURENTIA: Er selbst.

S'te verbeugt sich.

In tiefster Ehrfurcht lieht die Mutter: nicht jetzt.

MARIA aitfihn zu: Jetzt vollends.

PHILIPP:

Ausgespielt den Trumpf, nicht nur geziickt.

MARIA: Er liegt ja auf dem Tisch und briillt!

PHILIPP tritt ganz nah an sie:

Er?

MARIA:

Er!

PHILU^P:

Du?

MARIA mit Gcb'arde:

So! Ihm ticf ins Auge, und Ton und Sinn und Sucht von ihm uar ich!

PHILIPP: Ein Abenteuer, langst von ihm vergessen.

ISO DON JUAN

MARIA:

Sieh mich zum Himmel \\achsen! Solche Wucht blast dich nicht wieder an wie dieser Schwur: Der Herr verdirbt dich uiid den blondcn Gaukler durch mich. Wn'endetes GcschJecht. Gclost vom Nebenmcnschen. Narrisch in cuch selbst!

PHILIPP gegen sie: Zuriick, zuiiick!

LAURENTIA:

Maria, hake aus!

MARIA:

Gott sprang mir aus der Zunge. Menschenwort ist mir versagt. Erdatem und Gestalt.

Sie ist (lie Treppe himiuf ins Hans gestiirzt. Philipp ivill ihr nach.

LAURENTIA ihm in den Weg: Jetzt stehen Krafte einer Mutter auf.

PHILIPP:

Gebet!

VlStzlich der schriUe Ton einer Glocke, der sich in stiirmisches Liiuten fortsetzt.

DIE ABTISSIN reip oben die Tiir auf:

Maria in den Hof! zerschmettert!

Laurentia hinein. Philipp folgt ihr.

JUAN tritt mit einer Fackel vor dem geschlossenen Vortale auf:

Wind weh mich weiter, Schenkel reitet noch das wiiste Tor ein, blase Atmosph'are den Sturm nicht ab und balle um mich her Dampf jahen Schrecks, lafi tuckische Gespenster, die ausgestrecktem Pferd am Biigel hingen,

ZWEITER TEIL 15,

absitzcii nicht. Sic srijr/cn sich voraus in das Gemauer, griiisen. Eisen brich mir Weg. Entriegle.

Eine Nonne I'duft die Treppe zuin Haus hinan.

JUAN: Maulwurf, Tor gcblTnct! Laufst du die Wande hdch, verdammtc Spinne? Ich fange dich und roste dich am Licht, du schuftige Wolkc. Brav Schwert! Einmal noch, noch einmal! Auf! Ich komme, ach, ich komme!

Er I'duft durch das aufgebrochene Portal gegen die Treppe.

Vhilipp steht plotzlich oben in der Tiir.

Juan halt jdh.

PHILIPP erstarrt: Wie ganz besonders seltsam diese Art, um Einlafi in cin frcmdcs Haus zu bitten. Ein Abenteuer luux-r Exzcllcnz?

JUAN:

Mir war, mir w ar, ich hatte hicr zu tun.

PHILIPP: Ein Irrtum, ExzeUenz. Bei Eurem Hecr habt Ihr zu tun. Im Feld. Sonst nirgendw o.

Er tritt in die Tiir ztmick.

Juan hat tief das Haupt gesenkt; alsdann kovivit er gegen das

Gitter zuriick, schaut auf und begiwit, dicht nehen devi weitge-

offneten Vortale, es zu iiherkletiern.

llalbdunklcs Innere einer Kirche.

JUAN stiirzt zur Tiir herein: Wo bist du wicder? Grauenhafte Stunde, da mir un Hirnc losgerissencr Sinn

152 DON JUAN

Phantom und Wahrheit durcheinanderschaukelt. Ich sehe dich!

DIE STIMME: Ich stehe.

JUAN:

\^or mir schwebt von Gliedern losgelostcr Rock in Luft. HeilS steigt der Duft vom kiililcn Bodcn auf und ruhrt zu Warme den erstarrten Menschen. Maria bleib und dulde unterm Fufi den Schiidcl, den du treten sollst.

DIE STIMME:

O Mensch, wo bist du selbst, erfahrst du nichts von dir?

JUAN:

Das All hat deinen Atem, deinen Sinn.

DIE STIMME:

Springt deinem Hirn kein fruchtbarer Gedanke, rei6t keine Absicht dich zum Himmel auf, erhoht durch Stolz auf sie dich iiber Manner?

JUAN:

Ich neige mich in wiisten Traumen tief in dein Vergebliches und wische auf vom Boden, was dein Gang mir hinterlafit.

DIE STIMME: So ist es?

JUAN:

Wirklich! Wirf dich aus und sieh, wie augenbJicklich mir die Kniee brechen, Genick und Riicken gierig niederstiirzen in langst ersehnte Richtung.

ZWEITER TEIL 153

DIE STIMME:

Bcugst du dich in Unerhortes?

JUAN: Tiefer.

DIE STIMME:

Schl'agt mir nicht dein WUle Schimpf und Fiiuste ins Gesicht?

JUAN:

Ich basse, was mich an mein Dasein mahnt, und fluche einer Mutter, die mich schuf, aus ihrem Schofie losband und mich zwang, in kahle Welt zu gehen.

DIE STIMME: Beugc dich,

JUAN: O W^ohltat! Wohltat!

DIE STIMME: Lege dcincn Leib in tiefster Demut niedcr mcinem Tritt und so empfange.

JUAN schreit atif: Ah! Die Stirn getroffen! Es ist ganz dunkel ge-worden.

DIE STIMME: Wo bist du? Rede. Was verbirgst du dich? Ich sehc dich. Verneige deine Stirn und wage nichts. Bereite dich von neuem.

JUAN: Halt! ich ersticke unter dir.

154 DON JUAN

DIE STIMME:

Erstickc.

Nichts mehr.

JUAN:

DIE STIMME:

Noch einmal.

JUAN rdchelnd:

Selig siifies Ende. StiUe.

DIE STIMME:

Gebarden deiner Demut. Knick imd Scbdenker uiid niemaJs aufgeschaut. Du bist in mir, in dich vergossen ich. Kein Rest von Welt. Der Menschheit grenzenbiJdendes Getu ist sinnlos und bedeutungsvoll allein das aufgeloste Wesen Jesu Chi'isti. Ein Leib ist alles.

JUAN: AJles ist dein Leib. Blut sprang aus Ader und aus Haut hiniiber, aus deinem Korper roUt mir Saft und Ton, autquilJt dein Fleisch und bildet rote M'olken um meine Stirn, es rundet warme Hbhle vor meinen Sinnen sich, ich schliipfe ein, und steige, steige, ich vergehe w irbelnd.

DIE STIMME:

O liebes, sehr verstandiges Gemiit; dem Sinne nah, da dir dein Leib zerschelJte, und singende Atome meine Blutbahn gew andelt springend auf und nieder gehn.

JUAN schreitet: Es hebt vor meinen Blicken sich Gestalt von Don Juan; er schliirft geschJossenen Auges

ZWEITER TEIL 155

den Gang der Kirche nieder. Umrifibildcnd mu6 ich ihn anerkennen. Doch mich liichelt des lieben Schattens; ohnc Druck die Fliesen begeht er, und es weicht von ihm kein Hauch.

DIE STlMiME:

Verbind ihn uns aufs neue. Fahren wir als eins in ihn hinein. Er lauft bis Gott noch eine \\ eite Snecke iiber Erden und ist noch Menschlichkeiten preisgegeben.

JUAN: Ich hab ihn wieder!

DIE STIMME:

Und verlorst mich nicht?

JUAN: Mit dir gesattigt bliiht sich leicht und freudig die Ictzte unscheinbare Zelle auf. Durchdrungen, uberwaltigt und vermahlt.

DIE STIMiME: Verlier mich nie. Leb wohJ.

JUAN lacht auf:

Nur leere Schale verlafit mich da, winkt albern mit der Hand und macht den Popanz. Vor dem Altar steht in mir ein Paar.

Er kniet feierlich nieder.

Wir giijfien dich Maria.

Das spanische Lager.

ll'mten ein jubelndes Menschenchaos. Alshald erkannt, zeigt sich

Don Juan in seiner Mine.

DER OBRIST vom, sckreiend- Sagte ich nicht, cr kommt wieder. Die Kanaillc kann ihm nichts an.

156 DON JUAN

EIN SOLD AT:

Ho, Obrist, ich ware jcdcm an die Gurgel. Ich habe nur mein Leben.

ERSTER OFFIZIER: Sic kbnnen ihn uns nicht nehmen.

EIN REITER: Zum Hinschlagen ist er. Glatt zum Hinschlagen.

ZWEITER OFFIZIER:

Wie der Mann immer sich tragt.

DER REITER z«»; andern: Du, jetzt ist er wieder da.

ZWEITER REITER: Das glaub ich.

Juan ist vorn angekommen und eilt in sein Zelt.

RIPIO taticht auf und stellt sich vor den Eingang: Der Fiirst will endlich Ruhe.

DER OBRIST: Das Heer will sein Antlitz. Wir haben es lange genug ent- behi"t. Wir woUen seine Augen und seine Stimme; V^er- sicherung, er bleibt uns. Dann miissen wir ilim sagen, daU wir ihm bis in den Tod gehoren.

RIPIO: Er weifi es.

DER OBRIST:

Freund, hier hort deine Kompetenz auf. Das mufi von Herz zu Herz verhandelt sein, von Faust zu Faust.

RIPIO: Vier Tage safi er zu Pferde.

DER OBRIST:

In Angst und iibler Ahnung wir an achtmal vierundzwanzig Stunden.

ZWEITER TEIL 157

JUAN tritt vor das Zelt: Ich mulke mich fassen. Ihr seid ja ungchcure Schreier, und was ihr sagt, ist iibertricben und teilw else durchaus lacher- lich. Ich fing Zurufe auf, die durch ihre Demur vor mir mich beleidigen. Ich habe mit Ubcrmacht cinen Feind gcschlagen. Puiiktum. Nun?

Grower Larm.

DER OBRIST:

Das ist Bagatelle. Jeder von uns dient mindestens ein Jahr- zehnt und hat eine Meinung in Soldatensachen. Sie haben uns in unserm Beruf, der uns vcrfinstert hatte, die Seele im Leib umgedreht. Wxx sind auf einmal frohe Kerls.

JUAN:

So?

DER OBRIST:

Das ist wahr, bei Gott. Weil Sie ein goldenes Herz haben, ein einziger General sind.

JUAN: Ach nein.

ZURUF:

Den gemeinen Mann verstehen.

EIN ANDERER:

Laune machen.

EIN ANDERER:

Hurra!

DER OBRIST: Auszudriicken ist da nichts und nichts besonders. Die Sache steht so: daft sich hier jeder fiir Sie vierteilen lafit. Nun wollen w'lx abcr bestatigt wissen, Sie blcibcn mit uns. ^^'ir haben genug Sorge darum ausgestanden.

JUAN: Da ist in Ehrt'urcht die Entschlielking des Konigs abzu- warten.

Murrfn.

158 DON JUAN

JUAN: Leute !

DER OBRIST:

Wenn der Konig sich in seinen Heeren tauscht, so kommen die Folgeii iibcr ihn. Hier spricht ein Mann aus, was jeder denkt, der mit ilim steht: Spanien hat einen grofien Feld- herrn und Konig Philipps Tliron den Erben.

Ungeheurer ^ubel, der das ganze Heer ergreift.

JUAN: Dazu kann ich nichts sagcn.

Er I'dfit sich von dem Ohristen dtirchs Lager fiibroj. Wohin er kommt, erhcht sich hedeutende Bewegung.

RIPIO der allein steht: O mein Gott, Gefahr von alien Seiten. Ein Kurier kommt.

RIPIO nmimt ihm die Mappe ah: Welches Ungliick kann in diesem Schrcibcn sein. Ein ein- ziges Woit, die nur erwahnte Tatsache ihres Todes kann ihn . . . Vergib, Herr, was ich tue!

Er tritt halb hinter die Zelfwand, offnet die Briefe und durch-

fliegt sie. Gott sei Lob ! Wieder einmal nichts,

Juan ist ztiriickgehehrt.

RIPIO rcicht ihn das Schreiben: Das Siegel zerbrach ich unvorsichtig.

JUAN sieht ihn kurz an und liest. Dann sagt er unter laut-

loser Stille: Armeebefehl: Dem Tijrken, der Venedig und das gesamte Abendland bedroht, erklart auch Spanien mit dem Papst den Krieg. Auf Bitten Seiner Heiligkeit verftigen ^\ir:

%

ZWEITER TEIL 159

Don Juan d' Austria fiihrc mit Gott die Hecrc allcr Christcnheit zum Sieg. Des Konigs Unterschrift und gro(5es Siegel.

Die tiefe St'tlle dauert an.

Dies Sch\\eigen ehrt euch mehr als jeder Ruf. Ruht aus und iiberlafit euch eurem Herzen. Der neue Morgen soil das Frobgefuhl von vielen Tausenden erneut vereinen.

AUes verl'duft sich.

JUAN Ripio:

Ich hoffe, auch du setzest bis dahin eine andere Miene auF. Wir habcn Befehl, den Abmarsch in die H'afen zu beeilen. Die Flotte erv\ arret uns. Es ist hohe Not. Unertraglich wird mir dein saures Gesicht. Fehlte schon nicht viel, dafi ich dir auf die Hanswurstiade hin, die du mich auffuhren liefiest, um die Ohren schlug. Es iiberwog nur die Dankbarkeit, sic wieder- gcsehen zu haben.

RIPIO:

Wen? Sie . . . haben sie . . . wiedergesehen?

JUAN:

Ich sollte nicht daran denkcn, bis alle Kriege ruhmrcich zu mciner und meincs Konigs Ehre beendet sind.

RIPIO:

Sie haben sie wiedergesehen?

JUAN: Was verfiirbst du dich? Du schlotterst, Mensch?

RIPIO:

Sie habcn? Ich bin . . . mcinc . . .

JUAN: Du machst den Eindruck eines Verstorteii.

i6o DON JUAN

RIPIO:

Sagen Sie es noch eiiimal.

JUAN:

Bursche, du warst dabei! Macbst du dich iiber mich lustig? Ich lasse dich iiber die Klinge springen. Mifibrauche nicht meine grenzenlose Geduld.

RIPIO:

Es ist nicht wahrl

JUAN: Was?

RIPIO: Wie?

JUAN donnernd: Was ist nicht wahr?

RIPIO: Mein grundgiitiger . . . dafi ich sie mit Euch sah.

JUAN:

Himmel, hbre diese perfide Liige. Ihren Zweck weise mir auf. Machst du wieder einen neuen Witz? Wird wirklich mit mir gespielt und bist du das Werkzeug?

RIPIO:

Nein, Herr!

JUAN:

Bube! Lafi mich dir nicht erst mifitrauen. Du hast noch Kapital bei mir. Spare damit.

RIPIO:

Gewifi.

JUAN:

Oder darf mein Verkehr mit ihr nicht wahr sein? Fiirchtest du vielleicht fur deine Mitwisserschaft? Dann lafi gut sein, alter Kerl, ich nehms auf meine Kappe. Gelt, so wars ein wenig? Rede.

ZWEITER TEIL i6i

RIPIO:

Ja, so! Gewifi.

JUAN:

Ich vergebe dir griindlich. Mein Gott, was vergabe ich heutc nicht. Unter uns: ich babe von dir Komplimente en\ arret. Weil ich im Spiegel sehe, dafi mcin Gliick auch nach aufien stark ins Auge springt. Ich finde mich wieder jiinger, dem Alter der ersten Entzuckungen alinlich. Und Riihrung liegt fiirmich in deinem Anblick, wcil du mir immer gepaait warst, ihr Bild sich mit dir durchaus \ erquickt. Schau w citer zu, daft du den wichtigenStationen meinesLebens mit ihr nicht fehlst und leugne nicht noch einmal die Teilnahme an Stunden, die uns im Herzen zittern. Freund, w eniger Woite in Zukunft. Heute, wo eine Summe gemeinsamer Erschiitterungen auf dem Boden unserer Herzen hegt, tuns Bhcke, tuts ein W'ink. Ach, nun fiillen dir die Augen sich. In ihren Tiefen er- scheint die ganze brausende Herrhchkeit der heimlichen Nacht wieder, der du im Hintcrgrund zusahst. Triincn Hielkn dir, der im letzten ein Fremdhng dem Ereignis w ar, und dem der innigste Sinn okkult blieb. Ich aber sieh mir hinein. Zittre nicht. Gib dich cndlich hin. Ein Kufi ist schon auf meinen Lippen gebildet.

Er umarmt ilm.

RMO:

Ich bin zu schw ach fur das, \\ as mir von Ihnen widerfahrt. Unwiirdig, unfahig ganz und gar.

JUAN:

Bah, Ripio. Ich habe deinen Geist schon um ein tiichtiges Stiick vorw arts gebildet. Nach und nach werde ich dir alio Zusammenhange weisen.

RIPIO: Midi iiberwaltigt es vollkommen,meinungebildetesHirn Talk cs nicht.

JUAN: Tcufel, Tcufel, Bildung! Achte auf das W'oit genauer: Bil-

i62 DON JUAN

dung ist cinzig im Schofi des Weibes, aus dcm cs sich rundet, Kopfchcn, Leibchen. Aucli eine neueM'eishcit, Briiderchen: \\'ir bekommen die Beine nie ganz heraus; kurios. Es bleibt mchr eiii W'anken als ciii Gehcn, was w ir auf Erdeii treiben, die Arme schJeudern audi melir, als daii sie greiteii. Uiid schliefilich, nach vergeblichem Stolz auf die Person, kriechen wir den Kopf voran wieder ein.

RIPIO: Ist das alles wahi"?

JUAN: Es bleibe deinem Gefiihl iiberlassen.

RIPIO:

Mir machts angst und bange.

JUAN:

Vor Wonne reifits mich in Stiicke. Schau, im Grunde babe ich nie gezweifelt. Mit W'ahrhcit aber hat es mich erst erschlagen, als das geliebte Weib in der vorvcrgangenen Nacht vor mich hintrat, w ie auch du sie gcsehen. Wo blicb da alles Fackein und Federlesen? Ich lag da, sie machte die Gebarde und nahm mich an sich.

Er macht die Gebarde in die Luft.

Bildung Bruder!

Und solches Bewufitsein, gewisse Sicherheiten, die ich habe,

sind das einzige, was mich aus den Menschen im Haufen

heraushebt. Die schreien sich aus und mich an um eine Sache,

die sie alle haben konnten, wenn sie sie nur aus sich heraus-

holen woUten.

Und nun schJagen wir uns, wir siegen. Ich schleppe alle

Tiirken, das iMorgenland gefesselt vor meines Konigs Thron,

und dann verkiinde ich vor allem Volk die Gnade, die ich

will: Mein Weib.

RIPIO: Und wenn Sie in diesem Kriege fallen?

ZWEITER TEIL 163

JUAN:

Gott hat sein Auge auf mir, wie er auf ihr sein Auge hat, bis ich /u ihr w icdcrkchrc. Gute Nacht!

Er geht ins Zelt.

RIPIO:

Den Tod wiinsche ich mir.

Im spafiischeti Lager.

JUAN zum Obristen: Und erschiene die Majestiit sclbst, mich zu treiben, ich kann nicht schneller, als mein kranker Ripio kann. Ihn lassen, ihn /uriicklassen? Es ware ein elender Krieg aus meinem ver- zweifelten Herzen heraus. Geduldet euch alle. Sind wir mit ihm erst gliickHch zu Schiff, so w erde ich in den Feind fahren.

Dl'R OBRIST:

Alle Mannschaft ist \\ ie ein angespannter Pfeil; w ill fliegen. Mein Fiirst, was vermochten Sie in diesen Tagen mit dem Heer!

JUAN: Ich vverde es immer vermogen.

DER OBRIST:

W'ahnsinn hat uns gepackt, und wennSieunserengeheimsten Sinn errieten . . .

JUAN:

Ich kenne ihn. Er bleibe unausgesprochen.

Dl'.R OBRIST: Warum? Die Stunde ist da.

JUAN:

Die schliigt in mir. Und mein erstauntes Auge ist nach zu vielen Seiten geblendet, iini zu cntsdieiden.

i64 DON JUAN

DER OBRIST:

Sehen Sie auf Ibre Soldaten und nur auf sie. Es ist histori- sche Seltenheit in ihrer Treue.

Ripios Kopf erscheint aus der Zeltoffnung und versclnvindet.

JUAN: Greife nicht vor. Nicht aus Gelegenheit, aus meiner Brust wachst mein Schicksal. Und nie vermochte ich politische Sehnsucht zu spannen, solange ich von solchem Schmerz erschijtten: bin. Wenn Ripio genas . . .

DER OBRIST: Gescbicbte liegt der windige Menscb im Weg.

JUAN:

Ermifi daraus, wie wertvoU er ist. Scbatzt alJes hbher ein. Audi mich nocb bober. Treibt micb nicbt und lafit mir Zeit zu meinen Erkenntnissen. Liebt Ibr micb docb, w eil sie sicb tiefer griinden.

DER OBRIST:

Ibr Sein ist unser Leben.

'Juan gibt dem Obristen die Hand und lacht aus voUem Herzen. Der Obrist stmmt ein.

JUAN:

Das sind die Reserven, die lacben. Wir baben nocb genug, nocb alles vor uns, Lieber.

Er geht mit dem Obristen.

Ripio steckt von neuem den Kopf vor und verharrt einige

Augenblicke.

Als er den Kurier korvmen sieht, winh er ihm eifrig.

Der Kurier tritt zu ihm, iibergibt ihm Brief e und geht.

RIPIO, der in Laken gehiillt, blafi und krank aus dem Zelt ge-

treten ist: Die Aufregung erscbopft micb, das ewige Warten auf die

ZWEITER TEIL 165

Post. Aber die Gefahr eines unkontrollicrten Briefcs!

Er geht die Brief e durch.

Diensdich . . . dienstlich . . . aber dieser das konigliche Siegel. Was erw artet dich da! Wie rast mein Heiz. Das ist Not! Ungelesen ahne ich das Schlimmste. Mein Gott, das Siegel darf ich nicht noch eiiimal verletzen. Wohin kann er vcr- schwiiiden? Nirgends sicher, nirgends ... In den Boden.

Er heugt sich zttr Erdc und grdbt in den Boden.

Wie elend mir ist wie elend erhalte mich Himmel fiir ihn!

Er bricht ohmnachtig zusanunen.

^nan kommt mit dem Obristen ivieder, eilt aiif Ripio zu und

heugt sich zu ilmi.

Der Obrist ist ihm behilf/tch.

JUAN: Todkrank im Freien!

DER OBRIST: Die Post in Handen.

JUAN:

Von niemandem darf ich sie empfangen. Er halt auch jetzt noch streng auf seinen Dienst.

Sie tragen ihn ins Zelt.

DER OBRIST:

Ein Loch in der Erde? Weifies . . .?

Er biickt sich und nimmt das S'chreiben^ das er Juan reicht.

Kbnighches Papier!

JUAN:

Eingegraben. Himmel, Ripio, bist du schon im Wahn? Er bricht es auf und sagt unter strowenden Tr'tlnen: Mir ist das goldene Vlies verliehen.

\66 DON JUAN

Eskorial. Phi/ipp Schlafgewach.

PHILIPPz// Go7nez: Verbrcnnen, hiingcn. Keine Gnade langer, an Alba schreibcii: Strcnge, wie er mag. Ein rasches Ende in den Nicderlanden. Es stinkt der Handel; da das AW'ltthcater den Hohepunkt agicrt, hat die Figur am Schniirchen ihre Rolle abzuhaspeln, vver sich im \\ ore verstrickt, fliegt von der Szene.

GOMEZ:

Die Flotte stach mit Don Juan in See.

PHILIPP

halt nach einer Weile ihm ein Papier vors Gesicht: Wer schrieb das?

GOMEZ:

Sire, ich ahne nichts vom InhaJt.

PHILIPP: Drei Seiten unser Bruder.

GOMEZ:

Klatsch und Neid hangt sich an seine Spuren neuerdings.

PHILIPP:

Heut ist mir Niedertracht nicht mehr gewachsen, mein Hafi trifft den Verleumder nicht allein, ich fasse bis ins letzte Glied der Sippe. W^eh ihm, der diesem Manne Weg vertritt. Bedeutend gegen alien Sch\\arm und Schwatz steht Tat von ihm, die bUndlings iiberzeugt.

GOMEZ:

Es mangelt alten Generalen Einsicht, wenn die Persbnlichkeit nicht Taktik wirbt.

PHILIPP:

Verwiinschte Greise ! Ihre Taktik kostet

ZWEITER TEIL 167

gcnug Erfolge, ihrc I .ahmlicit klitteit Uns Siege, die wie Niedcrlagen sind. Don Juans Feldzug aber ist Ergebnis: ein aufgelostes, unterworfenes Volk.

GOMEZ:

Der feste Glaube Eurer Majest'at,

des bin ich sicher, \\ irft die Meinung um.

Die engere Umgcbung, stets bestrebt,

den Mantel schleunigst nach dem Wind zu bangen,

riet Unmut in dem allerhochsten Antlitz

und glaubte, ihres Konigs Sinn zu tretfen,

wenn sie des Fiirsten reichen Kriegsruhm schmalert.

PHILIPP:

Es iiberschi'eitct frevelhaft sein Konnen, wer Unsern Sinn zu deuten unternimmr, und biilk fur Vorw itz.

GOMEZ:

Tausend Albernheiten fing man \'on Mund zu Mund und gab sie weiter.

PHILIPP:

Die Anekdote, Pack, ist cure Wonne.

Gomez, ivill sprechen.

PHILIPP:

Icli mag sie nicht.

GOMEZ: Auch iiberlegte Kbpfe erhoben Einwand und bedachten sich. Befehl im Lager, Reden nach Gefechren dem l''einde ins Gesicht erschienen scltsam.

PHILIPP:

Ansprache vor der SchJacht hat hingerissen.

i68 DON JUAN

GOMEZ:

Auch sei er plotzlich in die Nacht verschw undcn iind w iedcr aus dem Boden aufgetaucht.

PHILIPP:

Zum Himmel aufgcfahren iind mit Engcln herabgcschw ebt. Dann habe er und sei . . . das aJles \\ eili ein \\ ohlbeschlagner Pbbel.

GOMEZ jveist auf ein Papier: Das Memorandum, das befohlen war betreff des Heiratsgutes ihrer Nichte von Ostreich, leiblicher Besonderheiten benanntcr Hoheit und Wahrscheinlichkeit in aufierst wichtiger gewisser Frage.

PHILIPP:

Kam nichts davon in eine fremde Hand?

GOMEZ:

Ich schrieb es selbst ausfiibrlich und geheim. Von beiden Eltern ist die Genitur im Mannesstamm wahrscheii^ch. Soil die Antwort an seine Majestat bejahen im Prinzip?

PHILIPP:

Nichts, nichts davon! Wir sind durchaus entfernt, noch einmal schwer errungene Einsamkeit mit ungewisser Paarung zu vertauschen.

GOMEZ: Man liefie es gewissermafien schweben?

PHILIPP:

Die Frage ist begraben. Ostreichs Gold wirbt ganz vergeblich. Die Agenten sparen am besten Geld und Miihe. Gib den \\^isch!

Gojfiez iiberreicht das Papier und entfernt sich.

ZWEITER TEIL 169

PHILIPP:

Vcrhiite, Himmel, Arguohn gcgcn ihii! Ein Faustschlag auf die sehr gequliltc Schl'afe, und UrteiJ und BcA\ufitsein \\ erdc Qualm. Gesfarkter Nerv bclachelt dummen Spuk, der unscr Hirn am Abend noch gequalt. Das Bett mufi aus dem eingebauten Winkel, der schwarze AJp hangt in den schw eren FaJten, icti bringe diese Nacht im Sessel zu und rette mich ans Fenster.

Er I'afit sich nieder.

Solche Anna von Ostreich, kurz, gesund und ausdruckslos diingt neue Glorie nicht durch unser Blut, vermbchte nie mit eigenem Wurf dem Zauber der Liebe ebenbiirtig zu begegnen.

Er erhebt sich.

M^'ie sich dem Alter immer mehr Gespenster gesellen; das Gestorbene taglich enger lebendiger heranw achst. Seine Schar fiihrt das geliebte Kind. Von scinem Glanz beschienen, tanzt um mich die WlrkJichkeit. Sic ahnehi. Juans hohe Stirn ist leichter, doch Carlos Biick war unvergefilich blendend, und meines Lebens ganze Festlichkeit ist Carlos seltsam fester KulS geu esen.

Er hat ein Schreihen aus der Brust gezogen.

Ach, ware dicser Brief nicht W'irklichkeit

und lielSe sich an seinen Zeichen deuten,

daC ich behaupten durfte, Tiicke schrieb

mit Juans Ziigen einen Inhalt nieder,

der meinen Glauben mit Entsetzcn peitscht.

An eine lote lebensvoUe Glut,

Ergebenheit fiir die Gestorbene,

und Ausdruck ticfergriftener Menschenseele

lyo DON JUAN

an eines Weibes Schatten hingewendet!

1st Zufall denkbar, ist der Sinn verkcttet,

und habcMi Reihcn widrig sich vcrschlungeii,

daft IiTtum waiter, I.osung moglich ist?

Dann schleunigst Klarheit, sci es glcich cntschieden!

Er setzt sich unci schrih:

Mein Bruder. Tote stehen nicht wieder auf",

und sind Wir selbst dutch Gottes Fiigung Ursach . . .

Verdeck eines Schijfes.

EIN OFFIZIER:

Immcr treffe ich dich nachts hier oben, Cervantes. Treibst du Sterndeuterei?

CERVANTES: Es ist ein Gestirn, das ich deute.

DER OFFIZIER:

Zeige mirs. Ich nenne es.

Cervantes roeist auf Don ^uan, der an einem Mast lelmt.

DER OFFIZIER:

Er?

CERVANTES:

Schwebst du nicht in mafiloser Erregung \\'ie ich, seitdem du diesen Mann sahst? Ich bin mciner nicht mehr machtig und falle in Traumerei von ihm. Sage du, was er mit uns tut.

DER OFFIZIER:

Er ist leutsehg, gut.

CERVANTES: Schurken sind wir, vom tiefsten Boden der Holle aufge- wischt, ist er nur ein Mensch.

DER OFFIZIER:

Man tut, wie man kann, und mein Vater hat an mir mehr Schuld als ich selbst.

ZWEITER TEIL 171

CERVANTES:

Eine unverzcihiiche Siinde, wenn dieses Manncs Eltcrn nur ihre Ptlicht getan haben.

DER OFFIZIER: Ich meiiie, er ist ein w irklich kapitales Genie, und meine Er- zeuger diirfen beruhigt bleiben.

CERVANTES: Hier sind alle Augenblicke innerlich ungeheurer Ereignisse voll. Doch, ob ich samtliche Sinne spanne, entgehen mir die letzten Regungen. Ich leide bis zum Kranksein. Gcw ifi- heitcn und \'ergleiche werden schief, und oft mochte ich mein bisheriges Leben zum V^crkauf aufwerfen. Diese stummcn Lippen schleudern W'ahrheitcn gegen ein Sieb, und leere Hiilsen fallen klappernd zu Boden.

DER OFFIZIER:

Hiittest du ihn anfangs gesehen! Du warst aufgebrannt unter dem Feuer, das er ausgoil Wir waren Stehaufs und Kastenmiinnchcn und gingcn ihm wie am Fadchcn. Das tun wir heute noch. Mit seinen Fingernagehi schncllt er uns, und die Tiirken, denen der abendl'andische Lahmarsch eine e\\ ige W'ahrheit ist, miissen vor VerbliilTung iiber die W'inds- braut aus dem W^esten schon hin sein, wenn wir sie erst schJagen w ollen.

CER\' ANTES: Dieser Strudel zum Strahl gefalk und auf erhabenes Ziel ge- richtet, macht alles unsterblich, w as er benetzt.

DER OFFIZIER:

Spatestens iibermorgcn trefFen w ir die rofischweifigen Sakra- mentcr. Aus meinem Korpus allein soil sie ein anstandiges Mafi aufgespeichcrten Dampfes anzischen, und die Schlacht w ird cine Explosion von zwolftauscnd spaiiischcn Dampt- rohren darstellen, abgesehen davon, was an Iralienern, Dcut- schen und anderem Gesindel sich gegen sie liiftet. Komm hinunter.

172 DON JUAN

CERVANTKS: Und was hat es mit der faden Liebessage auf sich?

DER OFFIZIER:

Gcwisses sagt dir kciner. \''on derZiincigungricsigerHaiifen umgeben, wird jede Gebiirde des an sich Ubcrlcbcnsgrolkn ins Marchcnhafte gesteigert. Nach Soldatenmeinung ist kcin \^^under mchr zu denken, das er nicht getan; im Volks- munde ist er dazu auch alios Spuk- und Geisterhaftcn fahig. Gute Nacht.

CERVANTES:

Und am Hofe zu Madrid jeder Todsiindej das weifi ich von cigenem Horen.

Der Ojjizier geht.

CERVANTES:

Wozu er wirklich fahig? Das zu deuten, zvvingt mich durch- aus ein Uberu'disches.

Ehie Zeit ist es still j man hort die Tone der Nacht, IHotzlich beginnt 'Juan leise zu singen:

Geht Winde hin, \\ oher ich kam, vergefit auch nicht zu sagen, daft noch ich bin, w oher ich kam, und bleibe, bleibe, bleibe . . .

CERVANTES singt ehenso:

Geht Winde hin, w oher ich kam, vergefit auch nicht zu sagen, dafi noch ich bin, woher ich kam, und bleibe, bleibe, bleibe . . .

Juan und Cervantes singen vereint und stark:

Geht Winde hin, \\ oher ich kam, vergefit auch nicht zu sagen, dafi noch ich bin, woher ich kam, und bleibe, bleibe, bleibe . . .

ZWEITER TEIL 173

CERVANTES mlhert sich 'Juan langsam: Eure Exzellenz lieben Ihr Vatcrland mit Inbrunst.

JUAN:

Das Lied sang ich fur z\\ ei Menschcn. Der andere war ein Italiener von Mutters Seite, vier Jahre mein z\\ eites Ich und starb an einer hartnackigcn Erkaltung. Ripio Albaran! Ver- mbchte ich etvvas in die Ewigkeit, er sollte w ie cine Saule hinein.

CERVANTES:

Ihr Name ist wohl schon unsterbiich. Geschichtsschreiber schmiicken ihn auf jede W^eise. Aber der Ehrgeiz fijr ihren Helden ist ungeheucrlich, und sie Ziehen phantastische Mog- lichkeiten fiir ihn in Betracht, an die er selbst vvohl kaum noch dachte?

JUAN:

Dieser bekleidete offiziell eine Art Dienerstelle bei mir, aber da jetzt die Summe seines Lebens in Erscheinung tritt, w iilke ich den Namen nicht, den er verdient.

CERVANTES:

In der Tat konnte eine eigentiimHche Weltlage den aufier- ordenthchen Menschen reizen, das Ungeheure zu wagen. Und die Gesamtheit erwartet wie kaum jemals vom Helden die iiberraschende Tat. Den Arm bietet sie ihm, dalJ er sie mit gewaltigem Safteverlust zur Adcr lassc. Bkiten will sie, fiir das neue Jahrhundert sich reinigen und starken.

JUAN: Und der Held? \\''arum soLIte er fiir sie ein Held sein uollen?

CERVANTES: Wie?

JUAN:

Ist es nicht das armseligste Zeitalter, das entselbstet zu eiiiem einzigen hinstarrt uiul von ihm ullcin ilie lebengebende Ge- biirde erwartet?

174 nON JUAN

CERVANTES:

Wie aber mufi wiedcrum die Erkenntnis in diesem erschiit- ternd sich verbreitcn: so weit wuchs ich ijber meine Epochc hinaus, so stchc ich durchaus von alien geschieden, ein ein- ziger und besonderer.

JUAN: Hm ...

CERVANTES: Die Ekstase des Konigtums konnte ragcnd in ihm aufkom- men. Es mochten Worte und Bew egungen aus ihm springcn, die die betroflfene Menschheit mit wolliistigem Schauer auf- loste. Riihit mich nicht schon der Traum von solchem Herr- scher zu voLlkommenem Entziicken?

JUAN lacht:

Und er allein, der arme Kbnig, soli von diesem Gliick aller ausgeschlossen sein? Das ware!

CERVANTES:

Ich scherze nicht.

JUAN: Wer scherzt?

CERVANTES leise: Uberzeugen Sie sich nur von den Gesetzen historischer Er- eignisse. Erkennen Sie die Seltenheit des gegemv'artigen Augenblicks und greifen Sie zu. Starken Sie den\\'illen zum Thron, Hoheit. Ihre Krafte soUen jede andere Arbeit lassen und sich hinter ihren fiirstlichen Ehrgeiz stellen. Nichts anderes \\ill das Heer, das \^olk, nichts anderes vielleicht selbst der Kbnig. Alles en\ artet die unbedingte Herrscher- gebarde, und die machtige Spannung ist aufs hbchste gestiegen.

JUAN:

Ich lerne da einen schlauen Kopf kennen. So ist es namlich in der Tat.

CERVANTES: Wahrhaftig!

ZWEITER TEIL 175

JUAN: Mich aber diinkt: Weil die Welt so unbedingt fur meinen Willen hingeschmissen licgt, gilt es viclmehi- keuscheZuriick- haltung als tappischesZugrcifen, das dieLiisternheit erwartet. Allcnthalben sehc ich Qlialm uiid Gctose von der Erde em- porsteigen, es miiht sich der Wurm noch, nach aulJen bin wichtig zu sein, und es schwitzt Mutter iind Kind. Da er- scheint dem Helden Unabsichtliches verehrungsv\urdig und das Leise, Vergebliche ein holdcs Ziel.

Land, ahoi!

EINE STIMME vow Mast:

Juan e'tlt an Backbord. Cervantes tritt zu ihm.

JUAN: Was fiir ein Land! Dort starb ein Volk, Cervantes, das um ein Weib die Greuel wiister Kriege

mit heiliger Uberzeugung auf sich nahm,

die besten Manner hingab, w cil sein Hirn

nicht fassen wollte: Helena die Griechin

bei Wesen, deren Sitte Barbarei,

T-eib, der an Gottervorbild aufgepflegt,

Sinn, der durch innigste Erkenntnis bliihte,

schimpflich bctlecken und verw listen mulSte.

Es gait nicht diesen widrigen Gebrauch

heutiger \^olkcr, sich mit Liinn und Scliw eili

im Raume krampfhatt driingend auszubreitcn,

auf Masse pochend, die der Diinkel bliilit,

ein ewiges Gesetz erschien gesch'andet,

von Niedrigkeit gait GrcHk- angefafk.

Da riog ein \'olk von Gottern, spannte Tugend

bis in des Himmels Blau und holtc sich

die Frau zuriick. Zu lieldischem Gemeindrang

uird Holieit \ icier eiiizelner gcliiutcrt.

CI-RVANTES:

Ein schon und innig angeschautes Hilil.

i7<5 DON JUAN

Doch stieg es aus der Sehnsucht Ihrer Brust und nicht aus Deutung des Gewesenen.

JUAN: Verleugne Griechen nicht! Beschimpfe uns, und nenne mich sogar der Zeit verwandt, doch sieh in hingesch\\undenem Gricchcntum bedeutendstes Ereignis. Kastor lalJ und Pollux w ieder leben, Odipus, der seine Mutter eine Sternennacht w'le eine siifie Frau in Armen hielt und sich in ihr vergafi. Erkenne, Seele von Konigen trat fordernd vor Natur, bog ihren simplen Sinn, den Haufen Heben, von platter Erde hohen Sternen zu. Da durfte man in der Gedanken Land dann schreiten, schreiten und die Armc breiten und brach sich nicht an \\'anden wilde Sehnsucht. Es ging in Himmel und in Hblle Erde ganz unentschieden auf; ein jeder schritt in beiden furchtlos unbehindert fort und ungescholten, sehg er allein.

CERVANTES:

Der Knabe, der der Mutter Leib zur Liebe sich unter die entziickten Gheder schob, traf unbewulJt ihr Blut, und fijr die Wahrheit durch Schicksal blind, biifit er das Ungewollte, da es zu Tage kommt, mit Schrei und Tod. Sein Dichter aber ruft den Menschen zu: piiift griindlich und bedenkt ein Unterfangen, fur alle Ziele steht ein klares Halt, und edler Menschengeist wirkt seine Tat nicht in verworrenem Knauel fiir sich selbst, als glatten Faden spult er der Nation Ge\\ inn, den ihm ein Gott gegeben, zu.

JUAN: Mit solchem "U'ort zeigt sich das Weltenende.

ZWEITER TEIL 177

Du merkst nicht Mann, wie du vergiftet bist,

als Masse sprichst und ernsten Mundos predigst,

was deine schbne Einzelheit zerschJiigt.

Liifit du dir deinen Eigenwillcn fiirben

und machst dir deine freie Tat zum Zwang,

so ist das Wahnsinn, der mich niche beriihrt,

und loscht dich aus dem Weltall meiner Wiinsche.

Am Nachsten reizt mich nur das kostlich Eigene,

Nichtzuerratende an Weg und Ziel.

Je stolzer er in dunkJem Alantel geht,

schlagt um so rasender in mir Begierde,

um seinen Glauben, seine letzte Sehnsucht

zu \\ issen und in ticfster Brust zu priifen,

ob nicht mein cigen Herz noch hoher zuckt.

Bricht also Phrase sclbst 7.ur Nacht nicht ab,

und willst du mir vor Gott ins Antlitz liigen:

dir ware deine Heimat nicht ersehnt,

die Stube, wo dein Hirn die innern Plane,

Gedichte, reifc Phantasieen denkt,

wo dir ein treues Weib ins Auge nickt

und du belohnt in ihren Scholi verschwindest?

Was schiert dich dieser Krieg, was liegst du hier?

Wieviel Gemeinsinn einmal kurz vermochtc,

ist langst in dir zu Ende und verhalk

Schlacht, die bevorsteht, Schrecken, der dir droht.

Mir aufierst furchtbar wie die Eiihrerrolle

in Angelegenheit, die \^olk und Konig,

doch nicht den irdisch tVcicn Mann beriihrt.

CERVANTES: Den Christen aber.

JUAN: Wie den Christen denn? Der \\c\& cntgegen jeglicher Vernunft: trotz ihrcs Sohnes, den der Welt sie brachtc, Maria reine unbelleckte Jungfrau. Und weifi es, ob den Tiirken er \ernichtet,

178 DON JUAN

so fest, als ob der Turke ihn besiegr.

Wem Wunder Lebens tiefste Notdurft ist,

den \\irft auch mangclndc Wahrschcinlichkcit

nicht nicder, immcr \\ icdcr Glaubc sprcngt

die kahk-n W^'ande diescr Erdc fort

und stellt die Seele ihrer Sehnsucht nach.

Sieh, \\'ie ein Unmafi solcher Himmelskraft

in meiner heifien Augen Tiefe schwingt,

dafi meine Arme sich mit Hauch verw eben

und ihm ein sufies BiJdnis abgew innen,

mit dem ich sclig und bedeutend bin.

Nun siehst du mich in edlerer Gestalt

und wirst es spater innerlich gestehen,

menschlich vollkommen habest Don Juan

du einmal nur geschaut: Nicht in der Schlaclit

auf seines Schiffes Deck vor Griechenland.

STIMME vovi Mast: Schiff'ahoi!

STIMME vom Bug:

Schiff ahoi!

STIMME vom Mast: Schiff Schiff ahoi!

JUAN erhebt sich:

Zieh deine Waffen an, und wenn du fallst, zeig meinen Sinn, da du vor Gott erscheinst.

Cervantes heugt sich BodeiJ und kiijst Rutins H'iinde. Juan steigt htnab.

CERVANTES am Boden: Fallt, Tropfen, hin und sinke, Seele, nieder und schame dich fijr dreifiig Jahre sehr.

Fanfare. Allgemeine Beuoegung.

ZWEITER TEIL 179

Auj dem Verdech des Schijfes. yuan steigt aus dem hmern des Schiffes huch.

JUAN:

Soldat!

DER SOLDAT:

Zu Befehl.

JUAN:

Findest du mich mager?

DER SOLDAT:

Zu Befchl.

JUAN: Warum zitterst du? Ich frage dich als Mann den Mann, ob du mich magercr findest als vordem.

DER SOLDAT: Zu BefehJ.

JUAN:

Wic lange kennst du mich? Hast du Lepanto mitgemacht?

DER SOLDAT: Zu BefehJ.

JUAN: Hm. Es ist also offenbar. W^ir haben zu lange diese schwim- mendcii Balkeii iiiclit verlassen. Man kocht schlecht auf dem Schiff".

DER SOLDAT: Zu Befehl.

JUAN: Sonst ist dir besonderes nicht aufgefallen?

DI;R SOLDAT: Zu Befehl, ncin.

JUAN: Abtreten.

lun verstiindigcs Volk, diese Soldatcn. Man hiirt, was man wisscii \sill. Cbrigens keniic ich kcin Angesicht. Die ich

i8o DON JUAN

liebte,meine bartigen Kerls,sind alio bci Lcpantohingegangen. Ach, Cervantes.

CERVANTES:

Endlich wieder am Tageslicht, mein Furst!

JUAN: Unbedingt. Ich will mich von neuem orientieren.

CERVANTES:

Eure Exzellenz haben sich lange recht schlecht befunden.

JUAN:

Mehr recht als schlecht. Ich kann trotzdem nicht klagcn. Es war doch mehr ein Abschluli gegen die Welt als ein Un- wohlsein. Mehr ein M^ohlsein.

CERVANTES: Eine recht heikle Geschichte.

JUAN:

Justament nicht. Ich lag in meinen Kissen als wie ein Maul- wurf im Winterschlaf eingerollt, hatte mich mit einem hin- reifienden Gedanken fest versehen und war iiber ihm ein- genickt.

CERVANTES:

Vollige Lethargic erschien nach aulJen. Ein bbser lateinischer Name.

JUAN:

Jedoch war ich innerlich durchaus gepackt. Lassen wij* es gut sein. Wo befinden wir uns jetzt?

CERVANTES: Dicht vor Messina, heute noch an Land.

JUAN: Zur See?

CERVANTES: Einundsiebzig Tage.

JUAN: Teufel!

ZWEITER TEIL i8i

CERVANTES:

Von Lcpanto giiigcn \\ ir nach Tunis. Sie befehligten von Bord aus die Beschicfiung von Goleta, erfuhren unsern Sieg und Icgtcn sich alsdann sogleich nieder, ohne uns eigentlich bis jctzt neue Zeichcn Ihrcs Lebens zu gcben. Wir nahmen gcraden Kurs nacla Messina, um endlich Post, Post und Be- fehJe aus der Heimat zu empfangen.

JUAN: So ist es. Lepanto war ein ungeheurer Sieg?

CERVANTES:

Ohne Beispiel. Der Sieger jedoch wenig stolz auf ihn.

JUAN:

Aber andere auf den Sieger. Wir werden es aus unsern Briefen mit Wonne entnehmen, und das mu6 unser Lohn sein. Eine Gewissensfrage: Ich erscheine iibel aussehend?

CERVANTES:

Unerhortes Feuer Ihrer Augen macht die Blasse der Wangen unsichtbar.

JUAN: Mager?

CERVANTES: Nicht eben sehr.

JUAN:

Bezaubernde Kriiftc ftihle ich in mir und bin volligzu frischem Zugreifen neu gcborcn. Es unterlicgt kcincm Zweilel, Gott hat mich durch das, was Ihr Krankhcit nanntet, zu umfassen- den Taten aufgerichtet.

CERVANTES:

Wohin steht endlich Ihr Gcliist?

JUAN mit herz/iche?/i Lachen: Kompafi in den Hafcn?

CERVANTES: Wie?

i82 DON JUAN

JUAN: Ernst, Mann! Merkst du, wie mit dem Wind Warme und Geruch vom Lande kommen?

Er sinkt ihm plotzlich an die Brust.

CERVANTES /aw^r ihn auf: Sie sind noch nicht hergestellt.

JUAN:

Riesenkrafte habe ich. Mich besiegten die Liifte mit etwas schmerzlich Siifiem. Da stehe ich wieder w ic in Eisen und will dieSchritte stampfen, die mir zurHeimat nochzu machen sind. Wer sind die Frauen? WasistdasfiireingelberPacken?

CERVANTES: Tunesische Geiseln und ein )unger Tiger als Tribut.

JUAN geht auf die Frauen zu: Wie mogen ihre Schicksale sein, wer ihre Manner? Er steht vor einem Madchen und betrachtet es.

DAS MADCHEN heugt sich und umfafit seine Kniee: Brussa!

JUAN luendet sich ah: O!

Zu Cervantes:

Eins der schonsten Worte in meinem Leben. Ich n cifi nicht zu antworten, wir haben derartiges nicht, das mich auf sie ausschiittete.

Er tritt zu ihr zuriick, nimmt ihren Kopf in seine H'ande und

schaut sie an. Das Madchen schreit leise auf.

JUAN: Sie verstand mich.

Und das behende Tier in Stricken! Schauerlicher Anblick, der das Wirken der Natur behindert.

Er schlagt ??iit dem Schwert die Stricke durch. Die Frauen drangen sich zusarnmen.

ZWEITER TEIL 183

CERVANTES:

Hohcit!

JUAN:

Ich halte ihn. I.afi nur brav die erschlafTten Muskeln spielen. Da bcu cgt sichs doch, zcigt Ziihnc und Tatzen.

EIN OFFIZIER tritt herztt:

Wir laufen in den Hafen, das Postboot macht an Steuer- bord test.

JUAN: Die Mappen gleich hierher! Schnell!

CERVANTES zu dem Ofizicr: Stricke und ein paar beherzte Leute.

Der Ojfizier geht.

JUAN: Her, her die Mappen! Er mifit mich und mifitraut mir. Der Kurier tritt mit der Mappe -zu Don Juan.

JUAN ivendet sich von dcvi Tiger ab, dem Kurier zu: Eine Doppeldublone dem Braven fur jeden xMoter, der von der Einfahrt trennt.

Er geht die Briefe eiligst durch.

Die Pflicht zuerst; das kbnigliche Siegel.

Er ojfnet das Schreiben und beginnt die l^'ortc:

Mein Bruder. Tote steheii niclit w icder aut" . . .

Der Tiger bat sich indes aufdas Adadchett gestiirztj das „Brussa"

ricf. Panik.

JUAN, de7n das Schreiben aus den hochgeivorfhien Artiien pel, loirft sich dem Tiger entgegcn, ringt mit ihm, ersch/iigt ihn und

reiflt die /un'iichststehenden an sich hcran. Tliistcrt: Ich bin beschimpft, geschandet, halb gemordet. Gott sieht uns, gebt die Hiinde. Ohne Wort! Nun jeder schnell zuriick an seincii Platz,

i84 DON JUAN

vom Lande los; mit umgedrchtem Kiel nach Spanien! Vorwarts! Fort!

Er briiUt:

Herum das SchifF!

Kiiste Span'tens.

DON JUAN aUein in einem Nachen, n'ahert sich devi Strande,

springt ans Land: Wie flink die Winde fiicgen ! Da vollfuhrt der Mensch seinen Schneckengang.

Er erhlickt e'lnen Mann: He!

DER MANN: Ho?

JUAN: Die gerade Strafie nach Madrid?

DER MANN: Der Weg ins Himmelreich?

JUAN: Schuft!

DER MANN: Ich schuf, ihr schuft, Witzbold. Trittst ans Tor, und deine Worte sind: he, Schuft. Und dafiir heifie ich Narr. Man sagt aber: Gestatte mir, guten Abend zu wunschen. So haben sies mir wenigstens beigebracht.

Beiseite:

Ich mache mir nicht viel daraus. Kommst du aus dem Wasser gelaufen? Erzahle mal.

JUAN: Ich habe jagende Eile nach Madrid!

DER MANN: Kauz, lauft die Ewigkeit ab? Du scheinst mir ein ausgesproche- nes Original. Mufit wohl um z\\ olf Uhr dort sein? Es gibt

ZWEITER TEIL 185

solchc, (lie miissen immer um zwolf an Ort und Stellc sciii; durchaus Punkt zwolf. Ich habc mich oft geschUttclt. „Wissen Sie, wic spat es ist, mein Herr?" „Danke ver- bindlichst, da muii ich aber laufen."

Er lacht tmb'iindig.

JUAN packt ihn an: Welche von den drei Strafien?

DER MANN: Lafi mich zufrieden, Affe. \\'ir habcn fiinfzehnhundert odcr so herum nach Christi. Es ist doch wirklich Zcit genug vor- handen.

JUAN:

Ich wiirge diesen Narren ab!

DER MANN: Im Ernst, da ich mit alien Dingen dieser Erde Rechnung ge- macht, blieb die Zeit iibrig, steht sie immer noch, ein Zaun, um mich. Alle sechzig Meter ein Pfosten, nach vierund- zwanzig Pfosten ein Baum.

JUAN:

Vierundzwanzig? Sechzig? \\'ie kommen diese beiden Zahlen in die Ewigkeit?

DER MANN: Fabelhaft!

JUAN: Merkwiirdig.

DER MANN: Grauenhaft.

JUAN: Da fehit ein Nachweis.

DER MANN: Sie einzureifien, in volliger FM-cihcit zu crscheincn, war meines Lebens vcrgeblicher Sinn. Nun, nun, das ist zu hart, ich bin nicht ohne Erfolge geblieben. Die Stempel, die Ge- sindel in meinen reincn Leib brannte durch Taufe, Heirat

i86 DON JUAN

und bezeugte Vaterschaft, babe ich immcrhin bcscitigt. Abcr ein Fiirstcnherz ertriigt auch dicletztcBcschrdnkungscblccht.

JUAN: Bcdeutendes Bewufitsein!

DER MANN: JUAN:

DER MANN:

Verstehst dus?

Trefflicb.

Antwort?

JUAN: Hast du denn schon einen Fiirsten gesehn?

DER MANN: Keinen au6er mir.

JUAN: Ein Bruder steht bei dir.

DER MANN: Nicht diesen iiblen Witz, mein Junge, Du bast bci Gott nicbts Fiirstlicbes. Eher glaubte icb, dir vv libit Hunger im Gedarm. Wie warst du denn Fiirst?

JUAN:

Durch mein Blut.

DER MANN: Zeige mal.

JUAN: He?

DER MANN: Faule Fiscbe. Das braucbt bessere Be\\ eise. Icb zum Bei- spiel, \\ enn ich aufzeige: Herr des Raumes wurde icb, babe ihn tot unter meinen Fiifien. Was sagst du?

JUAN: Und wenn icb behaupte, dafi icb dein Herr bin, recbnen als- dann deine samtUcben Siege nicbt fur micb?

ZWEITER TEIL 187

DER MANN:

Blitz das miifite wahr scin. Wenn du cs sagst. Aber sagst du es dciiii?

JUAN tuachtig:

Wohlan, ich spreche es: Dein Herr bin ich! Ich bin dein Herr, dein Herr.

DER MANN mit tiefer Verbcugtwg: Ja. Schon verstanden. Eingegangen bis ins Mark. Eintriftiger Sieg. Gratulierc untertanigst.

JUAN: Auch untcr den Fiirstcn gibt es Rangunterschicde, w ie du siehst. Ubrigens will ich dir phanomenale Festspiele geben zur Feier deiner Niederlage. Konigliche, als deren Sinn wir- ken mufi: Deine Philosophie ist unwiirdig und banal. Raum und Zeit sind nicht ein Ende, sondern die Sonne, die beide entstehen laik.

DER MANN: Sublime!

JUAN:

In der Tat. Und weiter werde ich dir ciiien Gedanken ein- triiufeln, der dich vor Lust aufschreien macht: Es scheint mir moglich, diese Sonne zu iiberw inden.

DER MANN atenilos: O!

JUAN:

Es ist einfach der Sinn alles Lebens. Sperre dich mit einem anderen Leib ins Dunkle, bodenlos Schw arze. Betasse ihn zart, dann fest, heftiger, wild. Suche ihn mit Hiinden und Sinnen, und da er zu dir herschwebt, tinde ihn und gehe ein. Drbhnender Akkord!

Jetzt lafi die Sonne zu dir. Sie w ird dich nicht melir finden. Gebild, von grandioserer fremder Wiirme hew alrigt. Schamt sie sich und erlischt.

DER MANN:

Zwingend. Hurra, Ihr seid ja ein Prachtfurst!

i88 DON JUAN

JUAN:

Wirklich, Mann, das bin ich; und priichtig zum erstenmal ein Augenblick, seit einer Nachricht, die die Sonne grell und stechend machte. Du mulk namlich wissen willst du cs auch? Ich frage dich offen und eliilich: Eines iMannes Schicksal?

DER MANN:

Eures? Wie es mit Raum und Sonne zusammenhangt?

JUAN:

Ich hatte einen Diener, dem alles gen ifi war. Er ist dahin. Niemand weifi sonsc mehr um mich. Wiv nehmcn riichtige Pferde und jagen nach Madrid w eitcrhin schmer/Jich ver- trauten Weg. Reitend \\ erfe ich mich dir aus bis zu voll- kommener Nacktheit, und du mufit einsehen . . .

DER MANN: Du oder die Sonne!

JUAN scbreit m'dchtig anf: Gott, was geschieht mit mir! Konig Philipp oder ich das ist die Frage, die sich furchtbar entscheiden mufi in zwei Tagen zu Madiid.

Er ente'ilt.

Hoher Wald um einen See.

EIN MADCHEN singt in dcr Feme: Ein bunter Vogel safi auf einem Baum spat, da der Wald schon schJief, kein Laut mehr rief: kuhiit, kiihiit, tirili und tra, in siifiem Traum tralalalala!

Zivei junge Madchen kommcn.

DAS ERSTE: Da ist der See. Ich ginge wohl biinein.

ZWEITER TEIL 189

DAS ZWEITE:

Von meinem Leib mbcht ich das BUdchen sehn, wenn wir im Wasser still und aufrecht stehn.

DAS ERSTE: Doch sind wir hafilich, sahs im \origen Jahr.

DAS ZWEITE:

Es bleibt nicht immer alles, wie es war. Mich sehn in diesem Friihling alle Bursche erstaunter an, und gcstcrn hinterm Zaun am Abend raunte ciner was zu mir.

DAS ERSTE: Was sagte er?

DAS ZWEITE:

Ich weifi nicht. Ohne Not begann ich sehr zu zittern, w urde rot.

DAS ERSTE:

Und weiter?

DAS ZWEITE: Weiter nichts. Doch freu ich mich auf heute abend, wenn es dunkel wird. Lafi uns hineingehn; weit und breit kein Mensch.

Sie geheit in die Biische und siiigen alshald:

Ein hunter Vogel safi noch auf dcm Baum,

da filih in lichter Pracht

der Wald erwacht,

kiihiit, kiihiit, tirili und tra,

in siilScm Traum

tralalalala!

^uan auf rasendem Pfcrde.

Das Pferd bricht unter ihm zusaiiwien.

JUAN: Schinder, auf, auf! Dort ahne ich die Stadt.

Er kniet hci dem Pfcrd und spricht ihni ins Ohr:

ipo DON JUAN

Ich bitte dich, bitte dich, Wesen. W^eifit du, urn was du mich

betrogest? Trage diesen HalJ, dieses Abends wildes Blut

noch ciii Stiick. Hoch! Brav.

Sollst mein Freund bleibcn mciii Lcbcn lang. Abcr vcrlafi

mich nicht, wirf meinen Degen nocli diesc Nacht in die Stadt

zu seiner Bestimmung, nach der er verschmachtct.

Schinder!

Er tritt auf das Pfen/.

Tot. Attrappe.

Blase diesem Sack Leben an, Vater, oder ich vergreife mich.

Weil es die Nacht ist, in der mein Leben miichtig auf die

Zunge der Wage driickt; die Nacht, die mir aus den Himmeln

versprochen ist.

Du darfst dich nicht verhullen, Gott. Diese war ausgemacht;

die dreifiigste meines verzweifelten Leides. Dreimal hinter-

einander war die Stunde da, wo wir ohnc MilJv erstiindnis uns

ins Auge blickten, Mensch und Gott. Du lacheltest zum

Zeichen, und ich verziickte mich.

Er fafit sein Schwert:

Was wagst du vor diesem Schw ert? Ein Nein vor dieser blanken Treue? Ein Abschweigen? Bleibt alles still? Alles bleibt still? Feindschaft also, Widersinn in der Welt? So entsetze ich mich und schlage es am Reinsten entzwei, das ich erfinde, und besudele fortan die Schbpfung.

Der M'ddchen Gel'tichter dr'mgt vom See her.

JUAN biegt sich durch die Ziveige: Tritt zu! Zerstbre jetzt das helle Gold der klaren unbefleckten Flache. Springt und tummelt euch. Jagt euern Ubermut und eure dunkle Sehnsucht nach dem Triiben durchs Wasser. Peitscht den gelben Schlamm vom Grunde und teilt von eurem Dunkelsten ihm mit. Zerschlagt ihm seinen lacherlichen Spiegel voll lauter Unschuld; hebt doch Fufi und Faust, regt ihm die Sinne auf, bis dafi er spritzt und alien Glanz von Mond und Himmel vsischt.

ZWEITER TEIL 191

Gebt Halrung hin iind werdet w ild iind w list, stellt Greucl, denen jedc Kreatur sich streng versclileiert, die allein der Scbopfer sich selbst gcmalJ cmpfindct. Schw ur er gcradc mir doch ins Antlitz ab, dali W'ahrhcit w ahr

^"^ ~ Entgeistert:

meine Braut ist tot. Del" Simi ist ganz vcrlorcn aller Welt, und wer noch leben mag, der \\ iible sich in scblijpfrig krassen Unsinn einen Gang, der durcb ein neues Chaos fortgeleitet. Sei aus den Wolken Zeuge der Verw andkmg, wie ich dem Wechsel wurdig mich bequeme und, meiner alten Fiihrung ebenbuitig, mit neu gekiirter Tugend mich behange.

Er bricht in die Biische.

Du schmaler heller Satan stehe mir, dir komm ich iiber, und w ir singen dann mit Harmonien, die erst Aufschrei waren, Hymne und Gruii der seligen Verkiindung.

Die Mndchen kreiscben auf, tmd alshald kovnm 'Juan mit der entkleideten Erstcn.

Mit deinen blonden Bandern binde ich dich und ziinde deine junge Unschuld an. Nicht iibel, w ie die Ziige sich verstellen, und Miidchenanmut, zogerndes Vergniigen am Mannesanbhck stiirmisch riicku arts thegt, Erstaunen in Emporung sich verliert, und (\\ ein liihmendes Entsetzen steil im Auge steht, die W'impern niederlalit, die Niistern steift und weichen Munds Oval zu einer pobelhaften Rundung biegt. Wars muglich, Gott, bei solchen Reizen sich dir treundiich zu gesellen, doch zu ehren, was erst erzogener Geist empbrt verwart? Da sei ein miichtiger Versucii gemacht.

192 DON JUAN

Ich breite meine Arme, alles Gift

und alien Abschaum jeden Erdenwinkels

in mich hercinzureifien, dann mich donnernd

und prasselnd zu cntladen, sie zu schandcn,

■wie mein Genie nur irgend mir erlaubt.

Er stiirzt gegen sie.

Das M'tidchen tut einen langen furchtharen Schre'i.

Da kniet Juan schnell in ihren Schojs und verbirgt seinen Kopf.

So schreit die Schopfung um Marias Tod.

Das ist ein Klagelied! Tief aus den Tiefen

steigt hergezogen und erschiittemd auf

der Ton, den meine Kehle nicht mehr sang,

nach dem mein Ohr voll irrer Sehnsucht war.

Er ist gelost. Er schwang sich auf. Es wissen

die Menschen dennoch um mein Leid. Die junge Seele

heult jammernd meine ungeweinten Triinen,

und plotzlich steht sie voUig gramdurchzuckt.

Wie edel doch, wie edel steht der Schmerz

und unvergleichbar jedem Trieb. Ja riickgewandclt

ins Hocherhabene bist du Kinderherz,

und meinem Blute sprichst du innig an.

Du Saule Erz. Du schmales schlankes Gleichnis

der alten Wahrheit, die schon wieder frisch

im Licht sich bildet und bew eisen \\ ill.

DER MANN kommt auf einem Esel getrottet: Haben \\ ir den Ausreifier, den Meilenstiefler, den Hopsassa? Bist du angekommen? Doch wo ist Philipp, v\o ist der be- riihmte Philipp, den du mir seit Tagen in die Ohren schi-eist?

Er steigt ah und luendet sich mit gravit'dtischer Verbeugung gegen das Madchcn:

Guten Tag. Bitte, mich bekannt zu machen. Wies so geht, nicht gut und schlecht. Danke der Nachfrage.

Sehr latit zu Juan: Doch wo ist Philipp?

ZWEITER TEIL 193

JUAN: Warum? Was soil mir Philipp?

Das Madcheyt hat sich losgemacht und enteilt.

DER MANN: 1st das nicht die Frage?

JUAN:

Welche?

DER MANN: Gibt es auf einmal mehrere?

JUAN: Gibt es eine?

DER MANN: Hm.

JUAN: Welche?

DER MANN: Das ist zu iiberlegen. Ich habe eben die Zusammenhange vergessen.

JUAN:

Ich aber sage dir: Solange es noch eine Fragc gibt, fchlt jeder Zusammenhang. Was soil mir Philipp?

DER MANN: Je nun.

JUAN:

Sondern die Antwort ist: Ich kann leben! Noch ist mehr

Kraft und Schnsucht in mir, als die Welt erfullen kann, und

ehe ihrc Leichc nicht zu Staub zerfallcn, tauscnd Klaftcr un-

erreichbar untcr dcr Erdc ruht, ist noch jcde Hoflnung

erfiillbar.

Was aber soil mir Philipp?

DER MANN: Ernste Stunde.

JUAN:

Gliick, Gluck! Licber tcurer Frcund.

194 DON JUAN

Eskorial. Kreisrtmder Bogatgang mit Saulen. Fhilipp kommt aus dem hinteren Te'tl des Ganges.

GOMEZ tritt ilmi etitgegen: Ich flehe fur die wichtigsten Geschafte Sekunden, Sirej nichts als ein Ja und Nein fiir eines grofien Staatcs grofie Notdurft. 1st Alba abzurufen? Nichts zu hoffen bleibt in den Niedcrlandcn mehr von ihm, wenn dort ein letzter Rest zu hoffen steht.

Phi/ipp geht an ihm voriiher und hinaus.

Der gleiche Rundgang. Nacht.

Phi/ipp wande/t in dem hintern Teil der Galerie und kommt

nach vorn.

Gomez dutch die Saulen gedeckt, folgt ihm in Abst'dnden un-

gesehen.

Phi/ipp geht wieder nach hinten.

Gomez ivie ein Schatten und sich ins Dunkel bikkend, wenn der Konig steht, folgt ihm. Das Spiel geht eine Zeitlang.

PHILIPP:

Konige solien

mit sich und mit Hunden sprechen.

Von seiner Hoheit

verliert das Herrscheruort

zu Menschen geaufiert,

die mit niederem Sinn

reine Willkiir beHecken.

Nur der Majesfat ist das gottergleiche venerabile Tribut unwillkiirlich steter Gerechtigkeit.

ZWEITER TEIL 195

In Lohn und Strafe giefit der Herrscher auf dumpfe Untertanen hellen Segen herab.

Winke miissen Winde der Unsterblichen sein, Lacheln wie Stralilcn der Mittagssonne.

Kin Heben der Hand mufi den Begnadeten augenblicklich und vollig zu Staub zermalmen.

Mit Gottern und Hunden

Worte zu wechsein,

steht Konigen zu.

Sonst herrschen sie schweigend.

Kahles Z'tmmer.

JUAN tritt eitt: Mutter, dein Kind ist zuriick. So L'ntafibares geschah, verlor ich aber Wea und Mur niclit. LalJ micb in deinen ScholJ verschw inden.

LAURENTIA: Don Juan!

JUAN: Ein Kind Juan. Alle Jabre, die vergingen, sind nicbt wabr. Vergili sie. Icb iiabe sie durcbgestricben und micb durcbaus in mein Kinderland begeben. Der Welt ist bezablt. Icb bin schuldlos. Erziible, wie icb geboren wurde: da war icb ueilJ, nur ein zartes Rot bin und \\ ieder spracb von kiinttigcr Farbe. Nocb kam kein iibler Haucli zu mir ber umi drang von mir. Wie du micb die ersten Worte lebitest, \\ aren es Bediirfnisse und Gebet.

196 DON JUAN

LAURENTIA:

Jesus . . .

JUAN: Und als Maria aus diesem Leib zur Welt kam. Ich habe mich schwarz fiir sie gekleidet. Mutter weifit du, wie ich mich nach Maria gesehnt habe? Der Zeuge ist tot, sonst solJte Ripio dir von meiner Sehn- sucht erzahlen. Aber was ich selbst ausdriickcn mufi, ist mein heutiges Verlangen nach ihr. Das ist ganz ohne Gren- zen und irdischen Sinn. Mein Geist ist in sie gestelit, und mein Blut hort auf sie allein in der Welt.

LAURENTIA:

Entziickendes Kind der Gnade.

JUAN: Sie ist der Verspruch des Herren bei meiner Geburt, mein An- lafi in der Welt. Als dieser Kelch von Gottes Hand gebildet wurde, ward meines Mundes Form ihm angepafit, daraus zu trinken. Aufierst zart wurde eine Haut iiber die schwellen- den Wande gelegt und dem Pochen der Blutfibern nicht gewehrt, durch die Liifte nach dem Brautigam zu klopfen.

LAURENTIA ekstat'tsch: Sie sei dein!

JUAN: Zeige sie mir,

LAURENTIA: Sie lebtl

JUAN: Ich weifi. Das Leben ist rein und der Sakramente voll.

LAURENTIA: Du weifit?

JUAN:

Nackt sind wir in die Sonne gesteUt. Die Arme wurden in den Himmel geworfen, und von oben langen die Strahlen nach uns.

ZWEITER TEIL 197

LAURENTIA:

Ich bringe sie dir. Doch alt gcuorden und vergr'amt, ihr ahnlich und ihr uniihnlich, veibarg sie sicli dir flir diese Stunden.

JUAN:

Reif gewordcn, ihr gleich und ungleich, verbarg ich mich ihr fUr diese Stunden.

LAURENTIA: Du wirst sie nicht kennen.

JUAN: Erscheinend, ist sie offenbar,

LAURENTIA:

Den Augen nicht trauen.

JUAN:

Schlage ich sie auf?

GeschJossenen Lides,

schwebenden Fufies,

hingesunken,

bevor ich komme.

Von wirbelnden Stromen

hingerissen,

mit donnerndem Ton

geworfen Leib zum Leibe,

beweise ich Gott

nie geanderten unbeugsamen Willen.

LAURENTIA:

Amen. Mann. Amen.

Gleiches Z'lmmer. Damnierung.

LALHENTIA spricht durch die Tiir ins Nebenziwmer zu Aininta: Nimm meinc Schleier hin und lege dich ganz dicht am Eingang} denn es tragen nicht

198 DON JUAN

den siifi Entseelten weit die matten Glieder. Erfiillung will schon an der Schw elle sich in zartlich Hingebotenes verstrbmen.

Sie tritt zuriick.

Die Gnade dieser Stunde fiihle ich

urn mich wit prachtvoll bunte Garben schiefien,

und Gott entlafit mich wonneiiberschiittet.

Sie geht auf die Eingangstiir zu, durch die Juan schnell ein tritt. Er trifft sie und legt sie sanft zu Boden.

Waldplan.

Ein Trupp Reiter konmit, dann eine von sechs Vferden gezogene Reisekutschcj auf der en Riicktritt der Mann in den Rieiiien sitzt.

Don Juan zu Pferdfolgt zum Schlujs.

Die Kutsche halt.

DER MANN steigt herab:

Ein prachtvoller Sitz da oben. Hinter schbnen Frauen ein- herzufahren.

JUAN ist abgesessen und tritt salutierend an den Schlag der Kutsche, den er off net: Rast.

Er tritt zu dem Manne zuriick:

Wie ich dich beneide, Stunde mir der Schimmel nicht besser, tauschte ich mit dir. Aber ich bin so mafilos eitel, vor ihr schon zu sein.

DER MANN:

Siehst gut aus oben. Und die Damen schauen oft nach dir.

Die Reiter sind abgesessen und schlagen ein Zelt auf.

JUAN:

Tun sie das?

DER MANN:

Ein Guckloch ist in der Riickwand. Was ich da manchmal durch das verhangte Gardinchen sehe!

ZWEITER TEIL 199

JUAN: Entzucke mich nicht so machtig.

DER MANN: Teufel, Teufel.

JUAN:

Schweig !

DER MANN: Bist cin cchter Schw iirmer und Feuerkopf.

JUAN:

Freilich.

DER MANN: Eine Rakete. Aber ich scheine mir auch nicht libel. Wenn ich nicht etwas vergessen hatte. Wohin geht die Reise?

JUAN: Nach Flandern. Alba und Granvella auszustechen.

DER MANN: Die mufit du ausstechen?

JUAN:

Das will ich meinen.

DER MANN: Und der Grund?

JUAN: Wovon?

DER MANN:

Dafi du sic ausstechen mulk?

JUAN: Der Konig v\ ills.

DER MANN: Pompos!

Entziickende Redensarten: „DasGesetz befiehlt," „der Konig wills!" Es gibt noch eine?

200 DON JUAN

JUAN: Gott und mein Recht.

DER MANN lacht: Spafivogel.

JUAN schaut in die Gegend: Ein herrlicher Platz zur Nacht.

El- sieht in die Kutsche. Sie sind schon zur Ruhe ins Zelt gegangen.

Er kniet in den Wagen hinein, erhebt sich wieder und verliert

sich ins Lager.

Der Mann legt sich ins Gras. Ein Kutscher und ein Bedienter haben die Pferde ausgespannt.

DER BEDIENTE: Was soils nur mit dieser leeren Kutsche?

DER KUTSCHER: Warum soils denn nicht?

DER BEDIENTE:

Es ist halt doch sie mu6 geputzt werden.

DER KUTSCHER: Freilich.

DER BEDIENTE: Das meine ich.

DER KUTSCHER:

Und wenn jemand drinsitzt, mufi sie noch besser und griind- hcher geputzt werden.

DER BEDIENTE: Woll, woU.

DER KUTSCHER:

Was also ist bekbmmlicher: ein voUer oder ein leerer Wagen?

ZWEITER TEIL 201

DER BEDIENTE Ein leerer sozusagen.

DER KUTSCHER:

Daran hake ich mich und fahre, wohin befohlen w ird. Sie Ziehen den Wage^i von der Szene.

DER MANN: Bbser Konig Philipp. Ganz boser Konig. Giftige Augen.

JUAN kommt, setzt sich und hreitet eine Kane auf die Knie: Sechzehn Meilen von Liittich. Unser vierzehntes Nacht- quartier.

DER MANN:

Mir bekommen rote Riiben nicht. Ich riilpse wie ein Maul- esel.

JUAN: Der Mond geht hoch.

DER MANN: Hefe ist auch vom Ubel.

JUAN: Eine Zeltvvand das ist alles.

DER MANN: SchJechte Kiiche.

JUAN:

Sechs Meter die ganze Welt.

DER MANN: Wie hangt das zusammon, was redest du mir herein? Ich sage: schlechte Kiiche. Du: sechs Meter. Das ist, um narrisch zu werden.

JUAN:

Lafi dein Kauderwelsch. Sechs Meter von mir schlaft sie.

DER MANN: Tiefe Weisheit. Was kommt es darauf an, wenn ich sage

202 DON JUAN

schlechte Kiiche. Ich habe gewichtige Griinde dafiir. Zu- dem gibt es nur zwei schoiie Rcdensarten. Die andere heifit: der Konig wills. Der Kbnig mit den giftigcn Augen, der Zahnc incinanderknackt und dich in den Abgrund jagt. Da kann keia Z\\ eitel bestehen.

JUAN: Das ist, um vor Wonne zu sterben. Tausend geringfijgige, aber erschiitternde Ziige vom Wissen um Anmut undSchon- heit. Kleider miissen zu den Polstern des Wagens passen, und zwischcn Handschuhende und Ellbogen ist ein \\eil5er Fleck des Armcs fur den Kufi des fassungslos Hingerissenen trei.

DER MANN: Wie du willst. Gute Nacht.

y«<7?7 tritt vors Zeltj zieht se'm Schivert und steht aufrecht,

Schlachtgetiimmel. Im Vordergrund steht die Kutsche.

SPANISCHER OBERST kommt: Reserven!

EIN ZWEITER: Der Feldherr!

Spanische Regimenter stiirzen in die Schlacht.

DER MANN: Fabelhaft. Geschrei, Getbse und alle Hbflichkeit vergessen.

Er halt einen laufenden Soldaten am Rock. Man sagt: wenn Sie verstatten.

DER SOLD AT:

Bloder Hund!

Macht sich los.

DER MANN: Gestern, vorhin noch -wufiten sie es samtlich, haben es mir immer gepredigt: wenn Sie verstatten. Bloder Hund, hahaha! Mir gefallts.

ZWEITER TEIL 203

DER OBERST:

Der Feldherr das Schicksal der Schlacht!

EIN ANDERER:

Die Regimentcr steherij die protestantisclien Hunde.

Erjagt ab.

JUAN kommt prachtvoU ive'tfi und hlati angetan: Bin ich sction?

DER MANN: Oh!

JUAN: Bin ich schon?

DER MANN: Hingerissen. Ach, mein Fiirst, wie bist du so schon.

JUAN ergliihemi: Fiir mein Weib.

DIE O^ER^TE^ jagen heran:

Riickwartigc Bewegung . . ! Die heilige Jungfrau in Gefahr.

JUAN mit 'Juhel und Lachen:

Wer in Gefahr? Ihr Toren in Gefahr? Kraft, Jugend, Schonheit in Gefahr? Niemals. Mein Pferd hierher und die Gardinen auf, hoch, hoch den Vorhang und die Fahnen \\'ehn.

Er iff zu Pferd gestiegen, twd die be^vegteii Truppen bilden erne

bre'tte Gasse vor ihm her. 'Jetzt richtet er das Schwert vor sich

gegen lliininel auj.

Den Sieg erflehe ich, himmlischer Vater, fiir den, der deinem Sinn am niichsten steht.

Er salutiert gegeii den Wagen und sprengt bet sturmischejn Lnthu- siasmus der 1 ruppen in die Schlacht.

204 DON JUAN

DFR ERSTE OBERST: Er rettet nichts. Das alles war verloren, schon als Granvella, Alba von uns gingen, und das Geiiicht hat rccht. Ihn hafit der Konig, vernichtct hier den hohen Ruhm Lepantos.

DER ZWEITE OBERST:

Sie stehen, und \\ ie aufgepeitschte Flue walzt sichs voran, als weifie Spitze Schaum erkenn ich seinen aufgebaumten Schimmel. Blitz Silber

DER ERSTE OBERST: Das ist spanisches Gebliit. Reserven nach und fiir die Jungfrau Heil!

Sie stiifzen in die Schlacht.

DER MANN niit machtiger Gebarde: Tataramtata!

Pldtzlich gellt ein riesiger Schrei des ganzen Heeres auf. Jede

Bewegung halt.

DER MANN gedampft: Tataramtata.

Er eilt an den Wagenschlag, off net ihn und ruft hinein:

Aussteigen. Es ist was los !

FINIS.

RECHTE DER UBERSETZUNG, AUFFUHRUNG UND MUSIKALISCHEN KOMPOSITION DEM VERFASSER VORBEHALTEN. BUHNEN UND VEREINEN GEGEN- tJBER MANUSKRIPT. GEDRUCKT WURDE DIESES BUCH IN DER OFFIZIN W. DRUGULIN ZU LEIPZIG

UNIVERSITY OF CALIFORNIA LIBRARY

Los Angeles

This book is DUE on the last date stamped below.

SEP 2 0 1961

Form L9-25m-8,'46(9852)444

TITE LIBRARY

2639 Sternhtdru -

3o4D7 i^on Juan.

•SEP 3 019(1

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