Beitr zur | Entwieklungsgeschiehte der Najaden. age vn Inaugural-Abhandlung der medieinischen Facultät zu Würzburg vorgelegt von MW Dr. F, A. Forel aus Morges, Canton Waadt, Schweiz. Einige Beobachtungen über die Entwicklung des zelligen Muskelgewebes. S ecliona] Br 1: N —— ne ——_____.022 Würzburg. 186 (} A. Stuber’s Buchhandlung. R Tal. ASZL I KEN t Mollusk» = Fe, UuULCH, FT 5 A FB RE Eur: 2 . & | STE Einige Beobachtungen über die Entwicklung TIGE des zelligen Muskelgewebes. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Najaden. Inaugural-Abhandlung der neunten Facultät zu Würzburg 12,713; r A N h; N Er ar i \ NA 7 1% DV AS 1523 , De Dr. Fi AN "Forel-— we — aus Morges, Canton Waadt, Schweiz. \yon RZ — I a Würzburg. A. Stuber’s Buchhandlung. 1866. Druck von F. E. Thein in Würzburg. Vorwort. Als ich die Arbeit anfıng, deren Resultate ich jetzt der Oeffentlichkeit übergebe, hatte ich blos die Absicht, die Entwicklung des Muskelgewebes bei den Najaden zu unter- suchen. Mein Plan war, zu versuchen, diese Lücke theil- weise auszufüllen, welche uns hindert, eine allgemeine Theorie über das Muskelgewebe aufzustellen; ich wollte untersuchen ob die Muskelzellen der Weichthiere denselben Entwicklungsprocess verfolgen, wie die der höheren Thiere, oder wenn es nicht der Fall wäre, welcher es denn sei. Aber je weiter ich in der Untersuchung der jungen Em- bryonen, welche ich zu studiren hatte, kam, habe ich so viel Stoff zur Bearbeitung bei ihnen gefunden, dass ich meinen anfänglichen Plan erweitern musste. Ich habe mich bald überzeugt, dass die jungen Najaden eine vollkommene IV Metamorphose durchzumachen haben, um die Form der Er- wachsenen zu erhalten, eine Metamorphose, welche ebenso umfangreich ist, als diejenige der Insekten. Meine Arbeit wird in zwei Capitel zerfallen. Im ersten werde ich das Leben des Individuums ver- folgen vom Anfange der Entwicklung bis zum erwachsenen Zustande. Im zweiten werde ich die Anatomie des Embryo in seinen verschiedenen Stadien geben. Die Entwicklung der Najaden ist schon von mehreren Beobachtern studirt worden. Die Eigenthümlichkeit des Ortes der Entwicklung und die sonderbare Form des Em- bryo, besonders aber die Hypothese von Rathke und Jacob- son, welche diese jungen Embryonen als Parasiten betrach- teten und unter dem Namen Glochidium beschrieben, haben die Aufmerksamkeit der Naturforscher auf diese Thierchen gelenkt und eine Reihe von Arbeiten auf diesem beschränkten Punkte der Embryologie sind schon aufzuzählen. Von die- sen Arbeiten sind folgende von grösserer Bedeutung. de Blainville (in Ann. d. Sc. nat. XIV. Paris 1828.) widerlegt die Theorie von Rathke und Jacobson, und beweisst, dass die Eier, welche in den Kiemen der Najaden sich ent- wickeln, Embryonen dieser Najaden sind. C. E. v. Baer (in Meckel’s Archiv 1830. S. 313) be- schreibt den Weg, welchen die Eier zu verfolgen haben, um bis in die Kiemen vorzudringen. V Carus (in seinen neuen Untersuchungen über die Ent- wicklungsgeschichte unserer Flussmuscheln. Leipzig 1832.) giebt eine vollständige Widerlegung der Glochidium’s Theorie, reiche Thatsachen und höchst interessante Beobachtungen über die Entwicklung unserer Najaden. Quatrefages (in Ann. d. Sc. nat. 1836. 2. Serie V. S. 321) phantastische Beschreibung der Entwicklung von Anodonta sp. Diese Arbeit enthält viele Irrthümer, welche später leicht widerlegt worden sind. Leuckart (in Morphologie der wirbellosen Thiere, S. 165. 1848.) sehr interessante Beobachtungen über die Mor- phologie des ausgebildeten Embryo. 0. Schmidt. (Zur Entwicklungsgeschichte der Najaden, Sitz.-Berichte der k. k. Akad. d. Wissensch. Wien 1836. S. 183.) Ausgezeichnete Beschreibung der ersten Stadien der Entwicklung von Unio Pictorum und Anodonta Cygnea. Die Arten, welche ich zu untersuchen Gelegenheit ge- habt habe, sind: Unio Pietorum, Lam. U. Tumidus, Retz. U. Crassus, Philipps. U. Batavus, Lam. Anodonta Ventricosa, Pfeiff., des Maines in Würzburg. A. Cellensis, Schroet. A. Anatina, Lam., des Genfersees. Schliesslich spreche ich meinen besten Dank aus für die werthvollen und freundlichen Rathschläge meiner Lehrer VI die H.H. Professor A. Kölliker in Würzburg und Professor J. Eberth in Zürich, deren wissenschaftliche Unterstützung mir zum grössten Vortheile gereichte. Ferner noch beson- ders dem Herrn Prof. C. Vogt in Genf, welcher die Freund- lichkeit hatte, mir seine Notizen und Zeichnungen über dieses Thema mitzutheilen. In diesen letzteren habe ich die Bestätigung von vielen Thatsachen gefunden, welche ich jetzt veröffentliche. EINE ALT. Vorwort . Erstes Gapitel. Lebensverhältnisse der Najadenembryonen JE I. IT. IV. IV. Periode. Entwicklung und Aufenthalt in den Kiemen des Mutterthieres ee ce Periode. Austreten aus den Kiemen und freies Leben im Wasser Periode. Parasitisches Leben auf den Fischen Periode. Metamorphose . Periode. Erwachsener Zustand Zweites Gapitel. Anatomischer Theil . I. II. III. Furchungsprocess Erste Entwicklung . Der ausgebildete Embryo 1) Die seitlichen Massen 2) Borstenartige Stacheln 3) Flimmerorgane 4) Die Schale . 5) Byssus und Byssusorgane 6) Muskelgewebe Schluss . Psorospermien Cysten Seite 19 Be DT ERSTES CAPITEL. LEBENSVERHAELTNISSE DER NAJADENEMBRYONEN. Da ich die verschiedene Stadien der Entwicklung oft zu erwähnen haben werde, glaube ich, um die folgenden Seiten verständlich zu machen, im Kurzen zuerst die Lebensverhält- nisse der Eier und Embryonen der Najaden schildern, und diese Entwicklung in einige Hauptperioden trennen zu müssen. Die Eigenthümlichkeit des Ortes, wo die Entwicklung vor sich geht, die lange Dauer des Processes selbst, der am Ende relativ wenig ausgebildete Entwickelungszustand sind interessant genug, um uns einige Zeit dabei aufzuhalten. Vielleicht werden wir einige neue Thatsachen herbeibringen, einige Irrthümer verbessern. I. Periode. Entwickelung und Aufenthalt in den Kiemen des Mutterthieres. Durch die Angaben von Poli, Oken, Bojanus, Pfeiffer, ausgezeichnet in Baer!) zusammengestellt, ist bekannt, dass das Ei aus dem Ovarıum durch eine kleine Schlitzöffnung des Ovidukts tritt, welcher Schlitz in der oberen und vorderen Ecke der seitlichen Cavität, die von dem Körper nach innen, !) C. E. v. Baer. Ueber den Weg, den die Eier unserer Süss- wassermuscheln nehmen, um in die Kiemen zu gelangen; in Meckel’s Archiv 1830. S. 313. 2 von den inneren Kiemen nach aussen abgegrenzt ist, liegt. Das Ei durch den Flimmerstrom der Respiration getragen, folgt diesem Gange, welcher an dem oberen Rande der inneren Kiemen zu finden ist, kommt bis in die Cloake, welche die beiden Kiemengänge vereinigt, und von diesem Punkte wird es rück- wärts nach vorn, bis in die Fächer der äusseren Kiemen ge- tragen. Diese Wanderung, welche schon oft genug besprochen wurde, will ich nicht beschreiben, sondern nur die Bemerkung beifügen, dass, seit dem Augenblicke, wo das Ei in der Cloake angekommen ist, es gegen die normale Richtung des Respirations- stromes zu kämpfen hat um seinen zukünftigen Platz einnehmen zu können. In der That, sowohl in den äusseren als in den inneren Kiemen läuft der physiologische Athmungsstrom im. Innern des Kiemenganges von vorn nach hinten, und da die Eier in dem äusseren Kiemengange eine entgegengesetzte Rich- tung zu folgen haben, so muss nothwendig in dem Augenblicke des Eierlegens eine Veränderung in der Richtung des Stromes, welcher durch Flimmerhaare in den äusseren Kiemen erzeugt ist, entstehen. Die Eier sind in die Kiemenfächer ausserordentlich ein- gepresst; die Kiemen sind colossal ausgedehnt durch die Un- masse von Eiern, deren Unger 112,000 bei Anodonta anatina '). Pfeiffer 600,000 bei Anodonta sp. ?) zählen. Ich habe bei Anodonta intermedia eine interessante Beobachtung gemacht, welche für die Geschichte des blasigen Bindegewebes wichtig sein kann. Die Wandungen, welche die Kiemenfächer trennen, sind im normalen Zustande vom gewöhnlichen faserigen, als Membran ausgebreiteten Bindegewebe gebildet. Bei einer Ano- donta intermedia, derer Kiemen von Eiern erfüllt waren, habe ich diese Membran mit grossen Blasen bedeckt gesehen, welche 1") F. Unger, Untersuchungen über die Teichmuscheln. Wien 1827. S. 23. 2) ©. Pfeiffer, Naturgeschichte deutscher Land- und Süsswasser- Mollusken. Weimar 1825. II. Abth. S. 14. 3 wie ein Netz auf der Oberfläche der Membran polygonale Räume umgaben. In jedem dieser Räume war ein Ei vorhanden, und die Zellen des Bindegewebes schienen mir sich entwickelt zu haben, um die freien Plätze zwischen den Eiern auszufüllen. — Wie bekannt findet man bei den Gasteropoden, Heteropoden, Deca- poden, Lumbrieiden und Rotatorien, auch bei den Acephalen eine Form des Bindegewebes, welche grosse Aehnlichkeit mit dem Fettgewebe der Säugethiere hat. Diese grossen Zellen von c. 100# Grösse bei Anodonta ventricosa besitzen einen Kern und einen flüssigen durchsichtigen Inhalt, und sind von keiner Interzellularsubstanz von einander getrennt. Sie erfüllen bei den Najaden alle freie Räume im Körper und Mantel, und scheinen da zu sein, die leeren Stellen einzunehmen. Diess sind die Zellen, welche sich bei den tragenden Kiemen entwickelt haben, und diese zufällige Entwicklung stimmt auch noch mehr mit der Vergleichung überein, welche ich zwischen diesem bla- sigen Bindegewebe und dem Fettgewebe aufstelle. Der Augenblick des Eintrettens der Eier ist bei den ver- schiedenen Arten von Najaden verschieden, im Allgemeinen kann ich sagen, dass bei Anodonta dieses Eintreten in späteren Monaten geschieht als bei Unio, und ich kann nach meinen Beobachtungen die folgende Daten als approximativ aufstellen. Anodonta ventrieosa. Im Juli hat die Entwickelung noch nicht angefangen. A. Anatina. Ende Juli fängt die Entwickelung an. Unio Margaritifer. Ende Juli. (Hessling) '). U. Pictorum. Mai. U. Tumidus. Juni. U. Crassus. Juni. U. Batavus. April. Diese Angaben sind ziemlich unbestimmt; ich könnte be- stimmtere Daten geben; die Verhältnisse aber von einem Jahr ) Th. v. Hessling, die Perlmuscheln. Leipzig 1859. S. 279. 1% 4 zum andern, von einem Fluss oder See zum andern sind zu verschieden, als dass es nützlich sei. Die Befruchtung findet wahrscheinlich in den Kiemen selbst statt, und der Furchungsprocess beginnt sogleich; ist dieser aber vollendet, so fängt die ächte Entwickelung an, und in einem Monate, spätestens in sechs Wochen ist der Embryo aus- gebildet. Sämmtliche Autoren, welche sich mit der Entwicklung der Najaden beschäftigt haben, stimmen darin überein, dass, sobald die Entwicklung vollendet ist, der Embryo die Eischale zerreisse und frei in den Kiemen lebe. In der That nimnt man einige Eier aus den Kiemen und legt Sie isolirt auf einen Öbjektträger, so sieht man gewöhnlich, besonders wenn der Embryo schon etwas ausgebildet ist oder in Weingeist gelegen hat, dass die Eihülle zerrissen ist und der Embryo frei. Ich habe dagegen folgende Beobachtung gemacht. 25. Februar 1866. Ich sehe das Austreten der Embryonen aus den Kiemen einer Anodonta cellensis des Genfersees, welche ich seit Januar in einem Aquarium lebend aufbewahrte. Die Eier, welche in kleiner Anzahl und isolirt aus der Cloake aus- getrieben sind, fallen so langsam auf den Boden des Gefässes, dass ich einige derselben bequem mittelst eines Uhrgläschens auffangen, und ohne Erschütterung unter dem Mikroskop be- obachten kann. Die Eihülle ist noch vorhanden und nicht zerrissen. Der Byssusfaden liegt tausendfach zwischen den Schalen geschlängelt, und die Eihülle wird erst auch durch einen nur kleinen Stoss zerrissen. Ich konnte diese Beobachtung bei anderen Arten nicht wiederholen, aber ich habe oft nach sorgfältiger Isolirung der Eier, welche ich selbst nach Verletzung der Kiemen lebendig auffing, die Eihüllen entweder intakt vorhanden oder leicht geborsten, aber gewiss frisch zerrissen gesehen. Ich glaube desshalb mit Recht behaupten zu dürfen, dass der Embryo bis zum Augenblicke seines Austretens aus den Kiemen von der Eihülle eingeschlossen ist. Wäre diess nicht der Fall, wie 5 könnte man dann die schädliche Wirkung des Wassers auf die Embryonen erklären. Wie bekannt sieht man die Embryonen, welche man aus den Kiemen einer lebenden Najade nimmt und ins Wasser legt, sich öffnen, einige krampfhaften Bewegungen machen um die Schale zu schliessen; nach einigen Minuten sterben sie nach immer schwächeren nutzlosen Bewegungen. Wäre die Eihülle schon in den Kiemen zerrissen, so würde der Embryo in denselben schon mit Wasser in Berührung gekommen sein; es würde für ihn keine Mediumsveränderung sein und man würde ihn nicht absterben sehen. Der Embryo ist in der That noch in seiner Eihülle, mit einer eigenthümlichen Flüssigkeit umgeben ; ist er aber unsorgfältig isolirt, so wird die Ei- membran zerrissen, und wenn er nicht ausgebildet ist, so ist für den Embryo das Wasser schädlich. II. Periode. Austreten aus den Kiemen und freies Leben im Wasser. Pfeiffer ') und Carus?) beschreiben das Austreten der Eier in der Form von grossen abgeplatteten ovalen Kuchen, welche sämmtlichen Eiern in einem Kiemenfach entsprechen. Das ist aber nicht das natürliche physiologische Ausstossen der Eier, sondern nur eine krankhafte Erscheinung, welche jedes Mal auftritt, so oft das Mutterthier etwas leidet. Lässt man eine zu grosse Zahl von Eier tragenden Najaden 4—6 Stunden in einer Schüssel, so dass sie bald allen Sauerstoff des Wassers resorbirt haben, so fehlt ihnen derselbe und sie leiden an Asphyxie. Wahrscheinlich fühlen sie in diesem Zustande das Bedürfniss, ihre äusseren Kiemen, welche mit Eiern angefüllt für die Athmung vollständig untauglich sind, auch brauchbar zu machen. Zu diesem Zwecke entleeren sie so rasch als mög- 1) Pfeiffer, loc. eit. 2. Abth. S. 14. 2) C. G. Carus, Neue Untersuchungen über die Entwicklungs- geschichte unserer Flussmuscheln. Leipzig 1832. S. 58. 6 lich die in den äusseren Kiemen enthaltenen Eier und bald sieht man sie durch die Cloake die betreffenden abgeplatteten ovalen Eierkuchen nach einander auswerfen. Diess ist aber, wie gesagt, nicht das physiologische Austreten der Eier, welches ganz anders vor sich geht. 25. Februar 1866. Ich sehe das Austreten der Em- bryonen aus den Kiemen einer Anodonta Cellensis des Genfer- sees, welche ich seit Anfang Januar in einem Aquarium lebendig aufbewahrte. Das Mutterthier ist ruhig in einem klaren Wasser, und athmet regelmässig bei etwas geöffneten Schalen. Hie und da (jede 3—4 Minute) macht das Thier eine Ausstossungs- bewegung auf folgende Weise: Die Randtasten der unteren Oeffnung des Mantels biegen sich gegeneinander und die Oeff- nung wird durch eine gewisse Contraktion der muskulösen Ränder geschlossen. Bald contrahirt das Thier seine Schliess- muskeln plötzlich, und schliesst einigermassen seine Schalen, und es tritt durch die Cloakenöffnung ein starker Strom Wasser aus, welcher viele Eier enthält. Diese sind isolirt oder zu- sammenhängend, niemals aber als Kuchen zusammengelegt, ver- breiten sich in der sie umgebenden Flüssigkeit und fallen bald auf den Grund. Nachher richten sich die Taster wieder auf, und die Athmung beginnt von Neuem. Dies scheint mir das natürliche Ausstossen oder Gebären der Eier, und nicht der Vorgang, den Pfeiffer und Carus be- schrieben haben. Die Zeit des Gebärens ist für die Unionen und Anodonten sehr verschieden, wie das Eintreten der Eier in die Kiemen. Die Entwickelung der Eier für die Unionen ist im Sommer fertig, im Herbst erst für die Anodonten. Sobald der Embryo ausgebildet ist, wird er bei den Unionen ausgestossen, bei den Anodonten dagegen verweilt der ausgebildete Embryo längere Zeit in den Kiemen. Im Monate November und Dezember sind die Kiemen von allen weiblichen Anodonten mit ausgebildeten Eiern angefüllt. Einige Exemplare von Anodonta Ventricosa habe ich im Aquarium bis Mitte Dezember aufbewahrt, wo sie 7 die Eier vielleicht durch Frühgeburt ablegten. Anodonta Cel- lensis und Anatina habe ich vom Genfersee im Dezember erhalten, und erst Ende Februar sie Eier legen sehen. Am 20. März 1866 habe ich 121 Exemplare von Anodonta Anatina im Genfer- see aufgefangen, von denen 68 Eier in den Kiemen enthielten, die 53 übrigen aber keine; von diesen letzteren habe ich 10 unter- sucht, die alle Männchen waren. Von 25 Exemplaren Anodonta Cellensis, die ich am 7. April auffing, hatten 12 nur wenige Eier in den Kiemen, indem voraus entschieden die meisten aus- gestossen waren; 13 davon enthielten keine Eier. — Aus diesen Beobachtungen kann ich schliessen, dass der Embryo von Ano- donta wenigstens ein Theil des Winters hindurch, in den Kie- men bleibt, obgleich seine Entwicklung schon im Herbst voll- endet ist. Der Embryo verweilt in dem Ei wie die Raupe einer Saturnia z. B., welche schon im Herbst gebildet ist, und erst aus der Schale austritt, sobald die Wärmeverhältnisse es gestatten. Sämmtliche Autoren stimmen darin überein, dass es bis jetzt unmöglich gewesen ist, die Embryonen nach ihrem Austreten aus den Kiemen lebendig zu erhalten. Ich kann mich kaum glücklicher nennen, obgleich ich einmal 29 Tage, ein anderes Mal 36 Tage, nach dem ersten Austreten der Eier aus der Kiemen, noch lebendige Embryonen in meinem Aquarium be- obachten konnte. Das Ausstossen der Eier dauert einige Tage fort, und ich muss jedesmal 5—6 Tage abrechnen, weil wahr- scheinlich die letzten lebenden Embryonen zuletzt geboren wurden. Sei dem wie ihm wolle, ich habe 23 Tage lang (im Februar 1866) Embryonen von Anodonta Anatina des Genfer- sees, 30 Tage lang (im Dezember 1865) Embryonen von Ano- donta Ventricosa des Maines, in meinem Aquarium, frei lebend beobachtet, und in Kurzem folgendes bemerken können: a) Nachdem, wie oben gesagt, die Embryonen frei gelegt sind, fallen sie auf den Grund und bilden auf der Oberfläche des Schlammes eine braune, unregelmässige dicke Schicht von lebenden Embryonen, von Schalen der ausgestorbenen Em- I) bryonen, und von ausgebreiteten Byssusfäden bestehend. Die Embryonen haben keine selbstständigen Bewegungen und bleiben an der Stelle wo die Bewegung des Wassers sie hingebracht hat. b) In ihrer natürlichen Lage liegen die Embryonen mit vollständig offener Schale (Taf. I. Fig. 1) auf dem Grunde. Ist die Eihülle zerrissen, so breitet der bis jetzt halb geöffnete Embryo seine Schale aus, lässt seinen Byssus sich frei in der Flüssigkeit entwickeln und lässt seine Wimperräder so lange ruhig flimmern, bis er gestört wird. Dann schliesst er nach 2—3 Anstrengungen seine Schalen vollständig zu, und bleibt einige Zeit so, bis er sie wieder öffnet. c) Die Ausbildung macht keine weitere Fortschritte; während dieser 30 Tage habe ich weder an Grösse noch an Form einige Veränderung beobachten können. Da der Embryo keinen Verdauungskanal besitzt, kann er sich nur durch eine allgemeine Absorption ernähren, und am Ende dieser Periode ist er nicht mehr und nicht weniger ausgebildet als wenn er sich noch in der Eihülle befände. d) Die Embryonen starben nach einander schnell ab, ob- schon das Wasser immer regelmässig erneuert wurde. Bald nach ihrem Tode wurden sie von einer Menge Infusorien in wenigen Augenblicken verschlungen. Dass jedoch diese Infu- sorien die Ursache ihres Todes seien, glaube ich nicht, denn ich habe nie Infusorien einen lebenden Embryo angreifen, wohl aber sobald die Flimmerung aufgehört hatte, sie mit grosser Hast verschlingen sehen. Es scheint mir, dass in diesem Augenblicke andere Lebensverhältnisse für die Fortsetzung der Entwicklung nothwendig werden, und das Schmarotzen auf den Fischen ist wahrscheinlich der natürliche Weg, welchem die Muschelembryonen zu folgen haben. III. Periode. Parasitisches Leben auf den Fischen. Untersucht man im Winter, vom Anfang Januar bis Mitte April, die äusseren Theile von verschiedenen Fischen des Maines, besonders die Schwanz- und Brustflossen und Kiemendeckel der Weissfische oder die Kiemendeckel, Bartfäden und Lippen des Gobio flwviatilis, so findet man mehr oder weniger zahlreiche, bis 20 auf einem einzigen Fische, junge embryonale Najaden, welche in der Haut schmarotzen. Bei weiterer Beobachtung bemerken wir folgendes: a) Sie sind noch im embryonalen Zustande, und zeigen anatomisch untersucht keine wesentliche Verschiedenheiten von den bis jetzt studirten Embryonen mit Ausnahme des Ver- schwindens des Byssus und Byssusorganes. Von dem letztern sind jedoch noch Spuren zu finden. b) Die Schalen sind fest geschlossen im Gegensatz zu dem, was ich in der vorigen Periode beobachtet habe. Mög- licher Weise kommt es von den zahlreichen Störungen, welche der Embryo seit der Gefangenschaft des Fisches erlitten hat. Weil aber der Embryo eineystirt ist, glaube ich, dass im normalen Zustande die beiden Schalen geschlossen sind. a) Die Cyste, in welcher der Embryo lebt, besteht aus einer kleinen Geschwulst von epithelialen Zellen, welche sich nach dessen Ansiedlung auf der Epidermis rasch vermehren, und den schmarotzenden Embryo nach und nach ganz ein- schliessen. Ich habe an dieser Cyste weder eine besondere Membran noch deutliche Oeffnungen gefunden. d) Die Embryonen, welche ich während der oben genann- ten Daten in Würzburg untersuchte, waren sämmtlich Em- bryonen von Anodonta und da Anodonta Ventricosa des Maines ihre Eier im Dezember legt, so kann ich schliessen, dass dieser Aufenthalt auf den Fischen längstens 3—4 Monate dauert. Wie aber kann man die sonderbare Wanderung der Em- bryonen auf den Fischen erklären? 10 So lange der Embryo in seiner Eischale eingehüllt ist, das heisst bis zum Augenblicke seines Austrittes aus den Kie- men des Mutterthieres ist ihm ein sehr stark entwickelter Apparat, der Byssus und die Byssusorgane (Taf.I. Fig. 2) noch ohne Nutzen. Sobald wir aber den Embryo auf den Fischen schmarotzend finden, ist dieser Apparat verschwunden. Wir müssen daher die Anwendung dieses Apparates zwischen diese beiden Epochen setzen, in welcher Zeit der Embryo frei im Wasser lebt, jedoch ohne irgend einen locomotorischen Apparat zu besitzen, welcher ihm die Bewegung ermöglicht. Sein starker Muskel dient ihm nur um seine Schale zuzuschliessen, er besitzt keinen Fuss, welcher ihn zum Kriechen verhelfen könnte, und seine Wimperorgane sind zum Schwimmen zu schwach. Er würde also auf dem Grunde liegen bleiben und vom Wasser hin- und hergeschwemmt werden, wenn er nicht diesen Faden besässe, welcher ihn an irgend einer Stelle fest hält. Der Byssus kann auch einen anderen Nutzen haben, welcher jedoch nur hypothetisch aber nicht destoweniger begreiflich ist. In dem Aquarium, wo ich die Anodontenembryonen frei lebend beobachtete, habe ich oft den langen Byssusfaden (6, 9—12 M” lang) in der Flüssigkeit schwimmen gesehen, und wenn ich eine Nadel ganz in der Nähe des Grundes herum- führte, habe ich oft die jungen Embryonen mittelst ihres Byssus fangen können. Wäre es nun nicht möglich, dass das Uebersiedeln des Muschelembryo’s auf die Fische auf diese Weise geschehe. Die Fäden schweben theilweise frei im Wasser, der Fisch bewegt sich in der Nähe des Grundes, und sowie der Byssus mit dem Fische in Berührung kömmt, so heftet er sich irgendwo an einer Schuppe fest und der Embryo ist so mit dem Fische in Verbindung; mittelst seines Hakens greift er die Epidermis an, es bildet sich nun so um ihn herum eine Vermehrung von Epithelialzellen und der Embryo wird nach und nach in eine Cyste eingeschlossen. Ich sagte diess sei eine Hypothese, aber sie ist gewiss nicht unwahrscheinlicher als so viele Hypothesen, welche in der Wissenschaft aufgestellt 11 werden. Diese Hypothese hat für sich die Thatsache, dass der Byssus und das Byssusorgan vollständig verschwinden, sobald das parasitische Leben auf den Fischen angefangen hat. Leidig ") macht auf den sonderbaren Austausch von Para- sitismus, welchen wir zwischen Muscheln und Fischen finden, aufmerksam, der in der That auffallend ist. Wie gesagt schmarotzen auf den Fischen die Embryonen von Muscheln, die Eier dagegen der Fische entwickeln sich schmarotzend in den Kiemen der Muscheln. Oeffnet man im Monat Mai irgend eine Unio des Maines, so findet man in der Höhle der inneren Kie- men zahlreiche Eier oder Embryonen von Fischen, wahrschein- lich Weissfischen, welche vom Anfange der Entwickelung bis zu einem ziemlich ausgebildeten Zustande in diesem sie schützen- den Aufenthalte verweilen. Die Eier der Fische werden durch den Athmungsstrom in die Leibeshöhle gebracht, aber sehr sonderbar ist es, dass sie in den Kiemenfächer getragen werden, was niemals mit anderen fremden Körpern geschieht. Denn wenn diese letzten in die Leibeshöhle gelangen, so werden sie sogleich durch die Spalte des inneren Kiemenganges in die Cloake und von da nach aussen ausgestossen, niemals aber in den Kiemenfächern gelassen. Es geschieht wahrscheinlich in diesem Falle, wie bei dem Eintreten der Eier in den Kiemen eine momentane Veränderung in der Richtung des Stromes, was um so auffallender ist, als hiebei die Störung des physio- logischen Lebens zu Gunsten eines fremden Körpers, eines Parasiten vor sich geht ?). ") In Noll, der Main. Frankfurt 1866. S. 64. ?) Diese Veränderung in der Richtung des Stromes, sowie die- Jenige, welche ich Seite 2 beschrieben habe, lässt sich vielleicht durch die Beobachtung erklären, welche ich neulich über den Zusammenhang der Nervenfasern mit den Flimmerzellen der Kiemen der Najaden ge- macht habe. (Phys. med. Gesellsch. in Würzb. 15. Juni 1866.) Sowohl diese Flimmerzellen als die des Darmkanals zeigen hübsche und deut- liche Fortsätze, welche beinahe in jeder isolirten Zelle zu sehen sind. IV. Periode. Metamorphose Die anatomische Beschreibung wird, wie ich hoffe, die Nothwendigkeit der Annahme einer Metamorphose erklären, für den Augenblick möchte ich nur erwähnen, dass wir über diese Zeit noch ganz in Unkenntniss sind. So weit ich darüber weiss, hat man niemals eine Najade in der Zeit gesehen, welche zwischen dem embryonalen und dem ausgebildeten Zustande liegt, und wie ich glaube, sind die Lebensverhältnisse während mehrerer Jahren vollständig unbekannt. Ich habe im Monate Mai junge Unionen von 6, 8—12 M" lang im Main gefunden; wenn ich sie mit den Embryonen vergleiche, welche nur circa 0,00008 gr. wiegen, und bedenke, dass sie jetzt 1, 2, 3 gr. wiegen, so finde ich eine Volumenvergrösserung von 12,500 — 37,500. Wenn ich noch betrachte, wie langsam die Grösse der Embryonen einerseits der Erwachsenen anderseits zunimmt, so kann ich die beiden Formen nicht einer und derselben Ge- Um diese Zellen gut isolirt zu bekommen, so lasse ich die frisch ge- schnittenen Kiemen einer möglichst grossen Anodonta (Anodonta Ventri- cosa), 4 Tage lang in einer '/, °/), Lösung von Chromsäure liegen, dann schabe ich mit einem stumpfen Messer die Oberfläche dieser Kie- men, und erhalte lange Reihen von Flimmerzellen in ihren natürlichen Zusammenhang. Unmittelbar unter diesen Reihen von Zellen habe ich in 5 Präparaten Nervenfasern parallel mit ihnen verlaufen sehen, und mit den unteren Ausläufern dieser Zellen sich fortsetzen. Diese Nerven- fasern sind sehr fein und erscheinen mit einer 650 fachen Vergrösserung (Oe. 3, Syst. 8, Hartnack) betrachtet als einfache Streifen, ohne dop- pelte Conturen, zeigen aber mehr oder weniger Varikositäten, ganz ähnlich derjenigen der feineren Fasern der anderen Nerven des Körpers. — Wie bekannt flimmern die wimpernden Zellen, noch nachdem sie isolirt sind; die nervöse Wirkung scheint dann nicht die Ursache der Flimmerbewegung selbst zu sein, sondern möglicher Weise blos bestim- mend auf die Richtung der Bewegung einzuwirken. Das wirkliche Auf- treten der Veränderung in der Richtung der Flimmerung habe ich in den zwei oben erwähnten Beispielen beschrieben. 13 neration zuschreiben. Die jungen Najaden des Frühlings sind wahrscheinlich wenigstens 1'/, Jahre alt. V. Periode. Erwachsener Zustand. Sucht man im Frühling, wenn das Wasser nach den grossen Anschwellungen wieder auf dem gewöhnlichen Niveau steht, im Schlamme des Maines, so findet man junge Unionen und Anodonta von 6—12 M” Länge, welche schon vollständig die Form, Struktur und Lebensart der Erwachsenen angenom- men haben, nur sind die Geschlechtsdrüsen noch nicht aus- gebildet. Von dieser Zeit an sind uns die Lebensverhältnisse so wie die Anatomie bekannt, wenn uns auch noch die Schnellig- keit des Wachsthums der Najaden unklar ist. Darüber haben wir noch keine Andeutungen. ZWEITES CAPITEL. ANATOMISCHER DHETL I. Furchungsprocess. Da der Furchungsprocess noch nirgends abgebildet ist, so glaube ich nicht ohne Nutzen meine Zeichnungen für die ersten Stadien der Entwickelung zu veröffentlichen. Diese Ab- bildungen sind zwar von verschiedenen Individuen und Arten von Unionen aufgenommön worden; sie stimmen jedoch genügend überein um die Gesetze dieser Furchung geben zu können. Eine ..erste Spaltung trennt den Dotter in zwei beinahe gleiche Kugeln (Taf. IH. Fig. 2), deren eine sich später in 2, 3, 4 und noch mehrere spaltet; die andere jedoch in der 14 ersten Zeit unverändert bleibt. Ich gebe in der 2., 3., 4., 5., 6. und 7. Figur die verschiedenen Stadien bis zu dem Angen- blicke, wo der erste Theil (Bildungsdotter) sich in 6 Kugeln getheilt hat. Später findet man den ganzen Dotter von einer Schichte Furehungskugeln umgeben, welche eine ihn umschlies- sende Lage bildet (Taf. III. Fig. 5); das mittlere Centrum des Dotters ist hell und durchsichtig geworden. Die Uebergangs- stufen habe ich leider nicht beobachten können, aber ist es zu weit von diesen Thatsachen behauptet, wenn ich sage, dass die Furchung des Bildungsdotters weit genug geht, die ganze Lage der äusseren Zellen zu bilden ? Was die Furchungskugeln und ihre Beschaffenheit betrifft, muss ich gestehen, dass sie mir von einer besonderen Membran umgeben zu sein scheinen. Nicht nur, wenn sie frei in der Flüssigkeit nach dem Zerzupfen schwimmen, zeigen sie scharfe und deutliche Conturen, sondern auch bei unverletztem Dotter wo sie durch scharfe gerade Linien abgegrenzt sind. Ebenfalls nach dem Zusatz von Wasser, welches den feinkörnigen Inhalt um den Kern herum zurückdrängt, sieht man eine deutliche, stark ausgedehnte Membran, welche theilweise vollständig frei aussieht (Taf. III. Fig. 9). H. Erste Entwickelung. Im Betreff der ersten Entwickelung hat ©. Schmidt") die Verschiedenheit der Entwickelung zwischen Unio und Anodonta ausgezeichnet beschrieben. Ich will diese Geschichte nicht wieder aufnehmen, sondern nur die verschiedenen Stadien kurz angeben. 1. Der Dotter nimmt eine dreieckige Form an. 2. Es sondert sich eine Schicht von-abgeplatteten polygene- ') O0. Schmidt, Zur Entwicklungsgeschichte der Najaden. Sitzungs- berichte der Wiener Akademie der Wissenschaften. Bd. XIX. S. 183. Wien 1856. 15 ten Zellen ab, welche mehr und mehr von dem Schloss- rande bis an die bauchige Ecke den Dotter umgiebt. Diese erste Anlage der Schale wird erst später sich verkalken. 3. Unter dem Schlossrande bildet sich ein freier dreieckiger Raum, welcher ganz hell und leer aussieht. 4. In der hinteren Ecke dieses Raumes trennen sich die 40 — 50 embryonalen Zellen, erste Anlage des Schalen- schliessmuskels. 5. Um den Muskel herum bildet sich ein 3mal eontourirtes Organ, das Byssusorgan. Der Byssus selbst wird erst nach der Trennung der zwei Hälften des Embryo erscheinen. 6. Das Häufchen von Zellen, welche die untere Ecke des Embryo bildet, trennt sich in zwei seitliche Massen, zu- erst fest mit dem schon angedeuteten Schalenaufsatze zusammenhängend, welche seitliche Massen immer mehr absorbirt werden. 7. Es bildet sich an dem hinteren Ende ein complieirter Apparat von Flimmerhaaren besetzt, die seitlichen Rä- der und die mittlere Commissur. Diese verschiedenen Theile werde ich an dem ausgebil- deten Embryo beschreiben, und um die Sachen nicht zu wieder- holen, so gebe ich jetzt nur diese Angaben mit folgenden Bemerkungen: A. Carus) spricht von deutlichen Herzschlägen, welche er bei den jüngsten Embryonen beobachtet hat; die späteren Untersuchungen haben aber diese Thatsache nicht bestätigt, und Lacaze du Thiers *) und Loven ?) sprechen bestimmt und klar von der relativ späteren Entwicklung des Herzens und der Gefässe bei den Acephalen. Ich habe nachgesucht, was den 1) Carus, loc. eit. S. 49. ?) Lacaxe du Thiers, Voyage aux iles Balecares etc. Paris 1859. S. 218. 3) Loven in Lacaze du Thiers, loc. eit. S. 219. 16 Irrthum eines so ausgezeichneten Beobachters wie Carus herbei- brachte, und gefunden, dass wenn man einen zugeschlossenen Najadenembryo von der Seite durch die durchsichtige Schale betrachtet, so sieht man, einige Minuten nach der Schliessung eine deutliche Pulsirung, diese Pulsirung aber rührt nieht von irgend einem Herzen oder von Gefässen her, sondern von dem Muskel selbst, welcher sich total oder partiell contrahirt. B. Was Quatrefages ') in Irrthum gebracht hat, als er glaubte, Herz, Gefässe, Darm, Magen, Nerven beschreiben zu dürfen, ist hauptsächlich das Byssusorgan mit seinen drei Windungen um den Muskel herum. C. Quatrefages ?2) und Leuckart ®) haben eine Asymmetrie in der Bildung der zwei Hälften beobachtet, welche ich nicht bestätigen kann. Ich habe nichts davon gesehen, und habe als asymetrisch nur das Byssusorgan in der linken Hälfte zu erwähnen. D. Den Durchmesser der Eier der verschiedenen Arten habe ich gemessen und folgenden gefunden: Unio Crassus = 72008 U. Batavus — 210% U. Tumidus —_ D2DE U. Pictorum DD Anodonta Cellensis — 345% A. Intermedia — 360% A. Ventricosa — 390% II. Der ausgebildete Embryo. Lassen wir nun diesen Process der Entwicklung ausser Acht und untersuchen wir den vollständig gebildeten Embryo, ) Quatrefages, Developpement des Anodontes in Ann. Se. nat. H. Serie it. V.>1836. S. 326° sg. 2) Quatrefages, loc. eit. S. 334. °) Leuckart, Morphologie der wirbellosen Thiere. Braunschweig 1848. S. 164. | 17 wie zum Beispiel ein Ei von Anodonta in den Kiemen im Monate November oder Dezember oder die junge Anodonte, welche ausgetreten ist und in dem Schlamme eines Aquariums lebt. Die Anotomie dieses jungen Thieres ist sehr einfach zu verstehen, wenn man Folgendes annimmt: Die Organe des loco- motorischen Systemes sind sehr complieirt und ausgebildet, die des organischen Lebens aber so einfach als möglich. Um diesen Satz klar und verständlich zu machen, habe ich in zwei schematischen Abbildungen (Taf. I. Fig. 2—3) die zwei Systeme getrennt gezeichnet. Die Figur 2 stellt nur das locomotorische System, die Schale, den Byssus und das Byssus- organ und den Muskel dar. In der Figur 3 sieht man den eigentlichen vegetativen Körper aus zwei seitlichen Massen von ebmryonalen Zellen bestehend, vereinigt durch zwei Brücken, die vordere schwach angedeutet, die hintere complieirt und aus zwei seitlichen wimpernden Organen und einer mittleren eben- falls wimpernden Commissur gebildet. Ein solcher Embryo besitzt kein Herz, keine (Gefässe, keinen Verdauungsapparat, keine Spur von Allem dem, was ein Weichthier charakterisirt, und wenn man die Figur 3 allein betrachtet, so könnte man glauben, sie gehöre dem einfachsten Infusorium an. Der ganze eigentliche Körper besteht aus Zellen in noch embryonalem Zustande (Taf. III. Fig. 10). Diese Blasen, deren Gestalt ziemlich unregelmässig ist, und deren Grösse nicht über 40; beträgt, sind isolirt, rundlich, von einer deutlichen Hülle umgeben, und zeigen neben dem Kerne zahlreiche Molleküle, welche die Brown’sche Bewegung besitzen. Ich würde sie ganz einfach als Ueberrest der Furchungskugeln beschreiben, deren Gestalt, Form, Struktur und Natur sie haben, wenn die Un- regelmässigkeit ihrer Grösse mich noch etwas darüber zu zweifeln veranlasste, und ich bezeichne sie einfach als embryonale Zellen oder Protoplasmabläschen. 18 Das einzige Gewebe, welches man als schon differenzirt betrachten kann, ist das Muskelgewebe, welches wir später untersuchen werden. Was die Wimperorgane betrifft, so kann ich sie nicht als Gewebe betrachten; sie sind Organe von wahr- scheinlich ziemlich complieirtem Bau, ich war aber nicht im Stande deren elementaren Theile zu isoliren. Die Nerven sind wahrscheinlich vorhanden, indem der Muskel schon willkürliche Bewegungen macht; aber es ist mir nicht gelungeu, eine Spur dieses Gewebes zu finden. 1) Die seitlichen Massen. Der eigentliche Körper besteht aus zwei mehr oder weniger entwickelten Massen (Taf. I. Fig. 3), welche auf den Seiten auseinander gedrängt sind, die mittleren Theile dagegen fehlen beinahe vollständig. Wir müssen diesen Umstand desto mehr in Betracht ziehen, weil bei erwachsenen Najaden das Gegen- theil geschieht. Oeffnet man bei einer erwachsenen Anodonta die Schale, so trifft man auf jeder Seite den Mantel gegen die Schale fest gestellt; diess ist aber das einzige Organ, welches diese Lage hat. Die sämmtlichen Organe des Körpers, alle Apparate, welche für das organische und genetische Leben be- stimmt sind, findet man in dem mittleren Körper, und selbst die Kiemen und Labialtaster sind als mit ihm vereinigt zu betrachten. Der Schutzapparat, der Mantel, ist allein in der Seitenlinie, an der Stelle, wo die embryonalen zelligen Massen zu finden sind. Die seitlichen Massen sind ziemlich unregelmässig, mehr oder weniger hervorragend, noch mehr in den ersten Stadien, als in einer vollständigeren Entwicklung, mehr bei Unio als bei Anodonta. Ist die Schale geöffnet, so sieht man von unten die abgerundeten Conturen dieser Massen, welche von dem unteren Rande der Wimperorgane nach hinten und unten laufen, bis an den hinteren Rand der Schale, und von diesem Punkte halbmondförmig bis in die vordere Ecke der Schale. Die 19 äusseren Conturen sind scharf abgegrenzt, die inneren dagegen sehr schwach gezeichnet. Von unten gesehen entdeckt man nur die vordere und hintere Brücke, vor und hinter dem Muskel; von der anderen Seite aber sieht man deutlich eine breite dünne Commissur, die seitlichen Massen in ihrer ganzen Länge ver- einigend (Taf. II. Fig. 1). Die innere Fläche dieser Massen ist ziemlich unregel- mässig,, bestehend aus abgerundeten Loben von unbedeutend tiefen Spalten getrennt, ohne Constanz ihrer Stelle Wegen dieser Unregelmässigkeit der Anordnung dieser Loben ist es mir nicht gelungen eine Beschreibung derselben zu geben. Diese Massen sind nicht durchsichtig genug, um die Theile, die unter ihnen liegen (Byssusorgan), sehen zu können. Sie sind aus embryonalen Zellen von verschiedener Grösse und Gestalt gebildet, einige dieser Zellen sind sehr gross und erscheinen schon vor aller Zerzupfung der Massen. 2) Borstenarlige Stacheln. Ist die Schale geöffnet und der Embryo am Leben, so sieht man in der Mitte zwischen beiden seitlichen Massen acht hervorragende borstenartige Stacheln bei Anodonta (Taf. II. Fig. 1), vier nur bei Unio (Taf. II. Fig. 2), deren Bedeutung noch nicht klar ist. Bei Anodonta haben sie folgende Lagen von jeder Seite des Schlossrandes: ein Paar unmittelbar in der Nähe der Insertion des Byssusorganes, die drei anderen von dem bauchigen Schalenaufsatze bedeckt (Taf. I. Fig. 1). Bei Unio hat das erste Paar die ähnliche Lage, wie bei Anodonta, das zweite liegt nach hinten. Die Constanz ihrer Lage, ihre ziemlich complieirte Struktur (sie bestehen nämlich aus kleinen Wucherungen des Körpers, welche eine kleine Blase, vereinigte oder getrennte Haare tra- gend, enthalten), geben ihnen gewiss eine wahrscheinlich wich- tige Bedeutung; welche diese aber ist, ist noch vollständig unbe- kannt. Ich habe oft die Borsten getrennt gesehen, welche diese Stacheln bilden, aber niemals ein Flimmern derselben beobachtet. I% 20 3) Flimmerorgane. In dem mehr senkrechten Winkel der Schale bei Ano- donta befindet sich ein sehr complieirter Apparat, welcher eine wesentliche Rolle für das Leben des kleinen Embryo ein- nimmt, es ist der Wimperapparat; dieser nimmt den ganzen Raum ein, der ein Drittel der Länge des Körpers des Embryo bildet, von dem hinteren Rande des Muskels bis zum hinteren Rande der Schale. Ich werde ihn in Folgendem beschreiben: Auf jeder Seite des Körpers sind zwei korbartige ovale Formen mit abgerundeten Rändern, welche in der Mitte eine Vertiefung darbieten; ich will sie mit dem Namen Räder bezeichnen. Die Conturen sind in jeder Richtung ziemlich scharf abgegrenzt, besonders nach hinten und oben, und mittelst einer scharfen Rinne von den seitlichen Massen nach unten getrennt. Ist die Schale geöffnet, so sind diese Räder nach unten gerichtet, bei halbgeöffneter Schale liegen sie mehr nach hinten. Die Commissur , welche diese beiden Räder vereinigt, bildet eine Art Spalte mit einer unteren abgerundeten Lippe, welche sich an jeder Extremität krümmt, um zwei kleinere obere seitliche Lippen zu bilden. Die Gruben, welche diese drei Organe enthalten, sind unbedeutend tief und sind niemals mit fremden Körpern an- gefüllt. Der Rand der zwei seitlichen korbförmigen Räder und der untere Rand der mittleren Commissur sind von langen Flimmerhaaren (554) besetzt, welche in steter Bewegung sind und einen starken Strom in der Flüssigkeit bilden. Dieser Strom, welcher leicht mittelst feines Staubes in dem Wasser schwimmend beobachtet werden kann, hat folgende Richtung: Das Wasser, welches zwischen den beiden Schalen liegt, bewegt sich zuerst nach vorne bis zum hinteren Rande des Muskels, nachher nach oben, dann nach hinten längs der Cilien, darauf fliesst es wieder frei. Niemals habe ich kleine Körperchen in die Oeffnungen der Gruben der Wimperorgane gebracht werden gesehen; wenn ich Stunden und Tage lang (bis 2'/, Tage) die 21 kleinen Embryonen in einem mit Carminmollekülen gemischten Wasser, leben liess, habe ich niemals diese Molleküle in die Körper der Embryonen eintreten sehen. Ich glaube desshalb mit Recht diese Wimperorgane nicht als Mundöffnungen be- trachten zu müssen, oder wenn sie sich später (das Mittlere am besten seiner Form und seiner Lage nach) als Mund- oder Afteröffnung entwickeln sollten, so glaube ich, dass sie in diesem Stadium der Entwicklung noch nicht geöffnet seien. Ich glaube nach meinem erfolglosen Ernährungsversuchen sie als Re- spirationsapparat betrachten zu dürfen. In der That lässt sich der Strom, welcher durch die Wimperorgane gebildet ist, sehr leicht mit dem Athmungsstrom der Erwachsenen vergleichen. Dieser Grund leitete mich bei der Feststellung der Lage des Embryo. Leuckart'), welcher die Räder analog mit den Labialtastern der Erwachsenen betrachtet, sieht den senkrechten Winkel der Schale als vorderes Ende an; wenn ich aber diese Wimperorgane als hintere Ende betrachte, so ist die Lage vollständig umgekehrt. Es scheint mir unmöglich vor der Me- tamorphose die Bestimmung dieser Organe feststellen zu können, und ich glaube sie mit mehr Recht als analog den Kiemen betrachten zu dürfen, wegen der Analogie der beiden Rich- tungen der Ströme. Was ihre physiologische Bedeutung betrifft, so habe ich nichts zu erwähnen ; ich betrachte sie als Athmungs- und Er- nährungsapparat, wie und von welcher Art, das weiss ich nicht. So bald das Thierchen leidet und krank wird, so hören die Wimperorgane zu flimmern auf. So wenig die Apparate des organischen Lebens entwickelt sind, so vollkommen ist bei unseren Embryonen das locomo- torische System, welches schon vollständig den Typus der 1) Leuckart, loc. eit. S. 164. 22 Weichthiere besitzt im Gegensatz zum organischen System, welches nach diesem Typus entschieden nicht gebildet ist. Das locomotorische System besteht: 1) aus der Schale mit ihrer sonderbaren Form, Struktur, und ihrem grossen bauchigen Aufsatze, 2) dem Byssus und Byssusorgane, 3) dem einzigen Schliessmuskel. 4) Die Schale. Die Form und Struktur der Schale weichen so vom den der Erwachsenen ab, dass, wenn wir die Embryonen nicht in den aufeinander folgenden Entwickelungsstadien hätten be- obachten können, und gesehen, dass sie aus den Eiern von Najaden entstehen, wir zweifeln, und vielleicht mit Rathke und Jacobson sie bei einer besonderen Gattung, der Gattung Giochidium einweihen könnten. Die Schale ist dreieckig mit abgerundeten Rändern und Winkeln. Der obere Rand ist mehr geradlinig und gehört dem Gelenke an, die zwei anderen sind frei und in einem bauchigen Winkel vereinigt, welcher den grossen Aufsatz trägt. Von den anderen Winkeln, welche den Gelenkenden angehören, ist bei Anodonta der hintere mehr senkrecht als der vordere, und in Folge dessen ist der untere etwas nach hinten gebogen. Bei Unio sind die drei Winkel fast gleich. Die Wölbung der Schale ist mittelmässig bei den Embryonen von Anodonta (Taf. II. Fig. 1) und ziemlich ähnlich der Wölbung der erwachsenen Schale von Anodonta cellensis. Bei Unio ist die Schale mehr kugelig mit mehr rundlichen Rändern und besser mit einer Schale von Curdium edule oder Cyclas calycu- lata zu vergleichen, als mit einer Schale von erwachsener Unio (Bat IRie. 2). Anstatt den grossen bauchigen Haken, der ein sehr com- plieirtes Organ ist, zu beschreiben, will ich lieber eine Ab- bildung davon geben, um so mehr als er noch niemals richtig 23 dargestellt worden ist (Taf. II. Fig. 13). Er articulirt sich mittelst eines Gelenkes mit der Schale; man kann ihn nicht selten nach Innen gebogen sehen, wenn die Schale vollständig geschlossen ist. Was die Struktur betrifit, so habe ich Folgendes zu be- merken. Sie besteht aus einer einfachen Lage von verkalkten, abgeplatteten, polygonaien Zellen von sogenannten Porenkanälen durchbohrt. Später verschmelzen diese Zellen vollständig; mit Essigsäure entkalkt zeigen aber auch die ausgebildeten Em- bryonalschalen die zellige Struktur noch vollständig erhalten (Taf. III. Fig. 15). Welcher Schichte der erwachsenen Schale die einfache Lage der Embryonalschale entspricht, ist schwer zu sagen; aber die Analogie der Form und der Struktur mit der mittleren, der Prismenschicht, ist nicht zu leugnen. 5) Byssus und Byssusorgane. Der Byssus ist ein langer, eylindrischer, durchsichtiger und strukturloser Faden von 1—2% bei Anodonta und 2—3 y% bei Unio Durchmesser, dessen relativ colossale Länge bis 12 M” und mehr erreichen kann. Er lässt sich weniger leicht als die übrigen Körpertheile von Alkalien und Säuren angreifen, ver- schwindet aber sobald man diese stärker auf ihn einwirken lässt. Die Insertion in der mittleren Axe des Embryo geschieht folgendermassen. Bei den Anadonten kommt der Faden in der mittleren Linie bis auf einen kleinen Hügel gerade in der Mitte der Körperlänge unter dem Muskel zwischen dem oberen Stachel- paare; dieser Hügel erscheint von unten länglich, von vorne würfelförmig (Taf. II. Fig. 1). Der Faden inserirt sich an diesem Hügel, biegt sich nach vorne, verläuft bis zum vorderen Rande des Muskels und verliert sich in der Tiefe, etwas nach der linken Seite hin (Taf. I. Fig. 1). Dieser letzte horizontale Theil ist von Leuckart'‘) als Byssusorgan beschrieben worden, ') Leukart, loc. eit. S. 167. 24 endigt jedoch hier noch nicht, sondern lässt sich noch weiter verfolgen. Der direkte Zusammenhang oder besser gesagt die direkte Fortsetzung dieses Organs (Taf. I. Fig. 2) biegt sich nach oben, in der linken Schale um den Muskel herum bis an die Schale, verläuft nach hinten, dem oberen Rande der Schale entlang, über dem Wimperorgane bis an den hinteren Rand, biegt sich nachher nach aussen und vorne, macht eine erste Circumvolution um den Muskel herum, dann eine zweite, dann eine dritte und verschwindet endlich über dem Muskel in einer von mir noch unbekannten Weise. In diesem ganzen Verlaufe liegt das Byssusorgan fest an der Schale und ist kaum sichtbar, wenn der Embryo lebendig und mit seinen offenen Schalen von unten beobachtet wird. Betrachtet man aber den Embryo bei geschlossenen Schalen und auf seiner linken Seite liegend, so ist die Schale durchsichtig genug um die Circumvolutionen des Byssusorganes ganz genau verfolgen zu können. Um dieses Organ frei und isolirt zu be- kommen, nimmt man am besten einen Embryo, welcher von Infusorien schon angegriffen ist; wie bekannt verschlingen die Infusorien mit grosser Hast zuerst die weichsten Theile des Thieres, nämlich die embryonalen Zellen und die Wimperorgane. In einem gewissen Augenblicke ist dann nur die Schale mit dem Muskel und dem Byssusorgane übrig, wie ich es etwas schematisch in der Fig. 2 Taf. I. abgebildet habe. Der Sitz dieses Organes ist constant in der rechten Schale; ich habe es niemals in der linken gefunden. Dies ist desto bemerkenswerther als der Embryo in allen seinen übrigen Theilen vollständig symmetrisch ist. Bei Unio ist die Insertion des Byssus in dem vorderen Ende des Körpers. Der Faden verliert sich direkt in der Tiefe, um die drei Circumvolutionen des Byssusorganes zu bilden. Was die Form und die Struktur betrifft, so habe ich Folgendes beobachtet. Das Organ scheint mir eylindrisch wie der Byssus, dessen direkte Fortsetzung es ist. Seine Dicke ist 25 ungefähr dieselbe wie die des Byssus, so lange er den Schluss- rand verfolgt. Nachher fängt er an sich zu verdieken, nimmt an jeder Circumvolution mehr in Diameter zu und bekommt endlich eine Dieke von eirca 15%. Strukturlos wie der Byssus in den 1'/, ersten Circumvolutionen, wird er nachher hohl, zeigt ein distinktes Lumen von 5}, welches von einer fein- körnigen Masse angefüllt ist. Mit einer 6—800fachen Ver- grösserung erscheinen diese Körner als kleine Kügelchen von gleichmässiger Grösse von ungefähr 0,3 y. 6) Muskelgewebe. Nachdem wir genau die anderen Organe und Gewebe unserer Embryonen untersucht haben, bleibt uns noch übrig das Muskelsystem zu betrachten, welches seit dem Beginne der Entwicklung eine grosse Wichtigkeit erlangt hat. Der einzige Muskel, nämlich der Schalenschliesser, wird in den ersten Tagen gebildet; er nimmt einen grossen Theil des Raumes ein, welcher zwischen den beiden Schalen liegt; man kann endlich sagen, dass das Muskelgewebe das einzige Gewebe ist, das scharf differenzirt ist und sich leicht studiren lässt. Ein besonderes Interesse giebt diesem Studium der Hin- blick auf die allgemeine Lehre des Muskelgewebes. Wir sind noch nicht im Klaren über die Bedeutung und die Theorie des Muskelgewebes. Lange Jahre waren alle Histiologen, welche sich mit dem Muskelgewebe beschäftigt haben, bemüht, dies Gewebe in zwei scharf abgegrenzte Typen zu scheiden. Seit- dem Kölliker, Agassiz, Gegenbaur, H. Müller, Leukart bei den Cephalopoden, Cephalophoren, Acephalen, Anneliden , Cae- lentheraten, Medusen und Radiaten gezeigt haben, dass im Allgemeinen die Muskeln dieser Wirbellosen mehr Aehnlichkeit haben mit den Muskeln des organischen Lebens der Säugethiere, als mit den eigentlichen willkürlichen Muskeln, hat man mehr oder weniger zwei Typen des Muskelgewebes angenommen, den cellularen und den fascicularen Typus. Weismann hat in seiner 26 Abhandlung über die zwei Typen des contaklilen Gewebes ') dieses am klarsten dargestellt. Er theilt die Thiere in zwei Gruppen; der ersten gehören die Wirbelthiere und Arthropoden an, deren Muskelgewebe den fasciculären Typus besitzt. In die zweite Gruppe fallen die anderen Wirbellosen, Würmer, Cölentheraten, Weichthiere u. s. w., bei welchen das Haupt- element die Muskelzelle ist. Der ausgezeichneten Arbeit von Weismann fehlt nur eine Definition dieser zwei Typen, welche ich hier zu geben versuchen will. Das Primärelement des Muskelgewebes bei den Wirbel- thieren, nämlich die fasciculare Muskelzelle ( Muskelprimitiv- bündel) ist: eine bedeutend grosse, eylindrische oder spindel- förmige Zelle, mit einer Umhüllungsmembran '(Sarcolemma), einem in seiner Längs- und Querrichtung in Sarcous elements theilbaren Inhalte, und zahlreichen Kernen. Das Primärelement des Muskelgewebes bei den Weich- thieren, Coelentheraten, Würmern u. s. w., nämlich die einfache Muskelzelle, ist eine eylindrische oder spindelförmige Zelle mit einer hie und da quer- oder längsgestreiften Hülle, einem Inhalte und in der Regel mit einem einzigen Kerne. Sind nun diese zwei Typen so scharf abgegrenzt, als es Weismann verlangt, findet man nicht noch Uebergangsstufen, welche uns hindern die Gewebe so distinkt zu unterscheiden wie der Verfasser es wünscht? Es ist schwer Nein zu sagen. Rollet hat gezeigt, dass der Muskelprimitivbündel eines Wirbel- thieres oft spindelförmig im Innern des Muskels selbst endigt und mit ihm ist es leicht in dieser fascieulären Zelle die Form der einfachen Muskelzelle zu erkennen. Verschiedene Autoren haben bewiesen, dass die Muskelzellen der niedrigen Thiere oft mehr oder weniger deutlich und regelmässig, oft sehr klar quer- gestreift sind; die Weichthiere, die Hirudineen, die Medusen, ) In Zeitschr. f. ration. Med. von Zenle und Pfeiffer. 3. Reihe Bd. XV. 8. 60 sg. 27 die Infusorien selbst zeigen diese Eigenthümlichkeit, welche bis jetzt nur den Wirbelthieren und Insekten zugeschrieben worden ist. Was die Zahl der Kerne betrifft, so ist sie ebenso ver- schieden und es können auch in den einfachen Zellen 2, 3, 4 und mehr Kerne vorhanden sein. Die Uebergangsstufen sind jedoch zahlreich und die Sprossen fehlen in der Vereinigungsleiter nicht, welche man zwischen beide Formen setzen kann. Das Vorhandensein dieser beiden Typen wird nur sicher unterstützt .oder bekämpft werden, wenn wir vollständig die (Genesis der verschiedenen Muskelzellen kennen werden. Die Arbeiten von Lebert'), Kölliker ?), Remak?) haben bewiesen, dass die faseieulare Muskelzelle ursprünglich eine einzige Zelle sei, welche sich in allen ihren Theilen vermehrt. Weismann ') scheint in seinen Untersuchungen demonstrirt zu haben, dass die Muskelbündel der Insekten aus einer Reihe von Zellen be- stehen. Die Genese des Muskelgewebes aber der niedrigen Thiere ist noch beinahe vollständig unbekannt. „Den Unterschied der „beiden Typen des Muskelgewebes können wir nicht aus der „Entwicklungsgeschichte nehmen, einfach desshalb, weil wir „über die Entwicklung der Muskeln bei Würmern, Radiaten „und Coelentheraten wenig, ja so gut wie nichts kennen“ °). Die Najaden sind höchst günstig für das Studium der Entwickelung des Muskelgewebes. Die Embryonen sind leicht und zahlreich in den Kiemen des Mutterthieres zu finden, wie kaum bei einem anderen Thiere der Fall ist; die Eier sind relativ leicht zu untersuchen, denn ihre Kleinheit erlaubt es sie bequem unter dem Mikroskop zu betrachten, und die Durch- 1) Leber. Recherches sur le formation des Muscles dans les animaux Vertebres. in Ann. Sc. nat. XI. Paris 1849. 2) In Zeischr. f. wissensch. Zoologie Bd. IX. S. 141. 3) Remak. Ueber die Entwickelung des Muskelprimitivbündels in Froriep’s Notizen 1845 No. 768. *) Weismann. loc. cit. S. 66. >) A. Schneider im Archiv von Reichert und Dubois Reymond Bd. \V. S. 597. 1864. 28 sichtigkeit ihrer Hülle sie direkt zu beobachten; die Muskelzellen und Muskelfasern, wie wir bald sehen werden, sind leicht zu isoliren, und wenn wir endlich sagen, dass das zellige Muskel- gewebe selten so deutlich und so klar entwickelt ist als bei den erwachsenen Najaden, so werden wir die folgenden Zeilen genügend entschuldigen können. Es fehlt uns nur der Ueber- gangsmoment, nämlich die Zeit der Metamorphose, zwischen dem embryonalen.und dem erwachsenen Zustande, und leider können wir diese Lücke noch nicht ausfüllen. Dieses Thema wurde schon bearbeitet. Margo') hat das Muskelgewebe und dessen Entwickelung bei den Weichthieren und besonders bei den Najaden beschrieben. Da er aber dabei viel zu wünschen übrig gelassen hat, und da er vielleicht von seiner Theorie der Sarcoplasten, welche er unwillkürlich unter- stützen wollte, zu stark in Anspruch genommen war, manches nicht richtig gesehen hat, so glaube ich dieses Thema noch einmal aufnehmen zu dürfen. Margo sagt Folgendes über die Entwickelung der Muskelfasern bei Anodonta: „Untersucht man „die ersten Anlagen der Schalenschliesser bei 0,3 — 0,5 Millim. „grossen Jungen won Anodonta, die man den Kiemen des „Mutterthieres herausgenommen und lebend in Weingeist er- „tränkt hatte, so bemerkt man, dass die noch ganz kleinen „gelblichen Muskelmassen aus lauter an einander gelagerten, „noch leicht isolirbaren rundlichen, oder länglichen eylindrischen, „spindelförmigen oder rhombischen Zellen bestehen. Die rund- „lichen Zellen messen 8— 10, im Durchmesser; die länglichen „sind 100 — 1704 lang in der Mitte gewöhnlich 5— 84 breit. „Dieselben bergen in ihrem Innern meist einen runden oder „elliptischen Kern, der aber in dem stark lichtbrechenden In- „halt nicht so leicht wahrzunehmen ist.* „Wenn man mit Hilfe der Nadeln die embryonalen Muskel- „massen möglichst fein zerzupft, so begegnet man immer noch !) Ueber die Muskelfasern der Mollusken. Sitzungsberichte der k. k. Akademie der Wissenschaften XXXIX. S. 559. Wien 1860. 29 „solchen Zellen, die reihenweise an einander gelagert, sich mit „ihren Spitzen gegenseitig berühren und nach Art der Faser- „zellen mit einander zusammenhängen.“ „Bei weiter fortgeschrittener Entwickelung sehen diese „Elemente mehr verlängert aus, und verschmelzen hie und da „allmählich mit einander, so dass später an der früheren Be- „rührungsstelle zweier Zellenspitzen die Verschmelzung kaum „durch die Spur einer Einschnürung angedeutet wird.“ ') Ich werde später zeigen, dass diese „rundlichen , oder „länglichen , eylindrischen spindelförmigen oder rhombischen „Zellen“ nichts anderes sind als durch die Präparirmethode modifieirte Formen von vollständig gleichen und regelmässigen Zellen, welche durch einen Rest von vitaler Contraktilität alterirt sind. Die folgenden Beobachtungen gehören verschiedenen Ar- ten von Najaden an, und nicht einer einzigen Species. Aber bei allen erwachsenen Najaden stimmt das Muskelgewebe so vollständig überein, und bei den Embryonen von verschiedenen Arten zeigt es so vollständig die nämlichen Uebergangsstufen, dass ich für meine Untersuchungen verschiedene Arten statt einer einzelnen, ohne den geringsten Nachtheil benutzen könnte. 1) Die jüngsten Muskelzellen, welche ich untersucht habe waren bei einer Unio Crassus des Maines, den 2. Juli 1865, meiner Rechnung nach, ungefähr im 6.— 7. Tage der Ent- wicklung. Die Schalenanlage war schon gebildet und zeigte eine Reihe von schönen abgeplatteten Zellen, die aber noch nicht verkalkt genug waren um mit Essigsäuere behandelt eine Gasentwicklung hervorzubringen. Die unteren embryonalen Zellenmassen hatten sich noch uicht getrennt, und die Schalen- aufsätze waren noch nicht vorhanden. Unter dem Schlossrande 1) Margo loc. eit. S. 572. 30 hatte sich dieser dreieckige freie Raum, von dem ich früher gesprochen habe, gebildet, und in der unteren Ecke dieses Raumes sah ich eine Masse von 40 —50 embryonalen Zellen zu einem Häufchen abgesondert, dies ist die Anlage des Muskels. Das Häufehen von Zellen ist von den übrigen embryonalen Zellenmassen scharf abgegrenzt und die Anlage leicht zu er- kennen (Taf. I. Fig. 3). Von der Seite gesehen, sahen die Zellen der Muskelanlage rundlich aus, von oben oder von unten betrachtet, sind sie spindelförmig mit schönen Kernen und einer Länge von c. 55% und einer Breite von c. Dr. Diese Beobachtung , welche ich bei Anodonta und bei anderen Arten von Unionen oft zu wiederholen Gelegenheit hatte, zeigt mir den Muskel ursprünglich aus 40—50 Zellen bestehend, welche sich verlängern und spindelförmig werden. 2) Wenn ich bei etwas älteren Embryonen die Entwick- lung verfolgte, bei Anodonta Anatina wie bei den verschiedenen Arten von Unio habe ich Folgendes beobachtet. Die ursprüng- lich runden, nachher ovalen Zellen, welche die erste Anlage des Muskels bilden, werden mehr und mehr spindelförmig, ver- längern sich und erreichen bald die Länge des Raumes, welcher die beiden Schalen einnimmt. In diesem Momente sind sie ziemlich deutlich in zwei Reihen getheilt, deren eine in der rechten, die andere in der linken Schale sich befindet, und ihre Kerne bilden zwei etwas dunkle Linien auf jeder Seite der mittleren Ebene. 3) Kommen die beiden Enden der Zellen mit der Schale in Berührung, so breiten sich die spitzigen Extremitäten aus und inseriren sich unmittelbar an die Schale selbst. Die Form wird dadurch verändert, und anstatt spindelförmig, wird sie eylindrisch, so dass die Extremitäten wie senkrecht abgeschnit- ten erscheinen. Zur besseren Bezeichnung in der folgenden Beschreibung nenne ich sie embryonale Muskelfasern. Der Embryo bildet sich mehr und mehr aus, in der Schale lagert sich kohlensaurer Kalk ab, und von diesem Augenblicke an, ist es uns möglich die Muskelfasern isolirt zu bekommen. “ 31 Zu diesem Zwecke empfehle ich folgendes Verfahren. Ich öffne das Mutterthier und lasse es in einer mit Wasser ange- füllten Schüssel absterben. Nach 2—3 Tagen ist dasselbe todt, sowie auch die Embryonen in den Kiemen; dann nehme ich einige Eier aus den Kiemen und zerdrücke sie zwischen dem Objeetträger und Deckgläschen, so bekomme ich in dem Präparate die Muskelfasern der Figuren 5 und 6 Taf. II. Diese Präparationsmethode ist so zu sagen nothwendig um die Muskelfasern im normalen Zustande zu erhalten. Denn, so oft ich die Embryonen plötzlich tödtete, sei es, dass ich sie direkt aus den Kiemen des lebendigen Mutterthieres nahm um sie zu präpariren, oder dass ich die Embryonen tragenden Kiemen plötzlich in Alkohol (wie Margo), in eine alkalinische (Kali, Natron) oder sauere (Essigsäure, Chromsäure) Lösung warf, hatte ich keine günstigen Resultate, und bekam jedesmal die Muskelzellen in einem unregelmässigen und unvergleichbaren Zustande. In der Figur 8, Taf. Il, worin ich einige dieser nach raschen Tode isolirten Muskelfasern abbildete, erkennt man leicht die von Margo beschriebenen Muskelzellen. Wie kann ich den Unterschied zwischen diesen beiden Resultaten erklären? Wird der junge Embryo plötzlich getödet, so schliesst er in demselben Momente wo der vergiftende Stoff ihn berührt krampfhaft seine Schalen, welche auch nach dem Tode geschlossen bleiben. Lässt man aber im Gegentheil nach Zerreissung der Eihülle den Embryo im Wasser langsam ab- sterben, so bleibt dessen Schale nach dem Tode offen. Im ersten Falle stirbt er tetanisirt, im zweiten gelähmt; im ersten Falle sind die Muskelfasern höchst contrahirt, verdickt, tetani- sirt, welchen Zustand sie auch behalten, besonders wenn die vergiftende Flüssigkeit erhärtend und conservativ ist (Alkohol, Chromsäuere), im zweiten Falle werden sie ausgedehnt, ausge- breitet, und behalten durch die Todesstarrheit die Form, welche sie im Sterben hatten. Was den Muskel im Allgemeinen betrifft, so wird er immer stärker und kräftiger; seine Grösse nimmt weniger zu, 32 seine Elemente aber differenziren sich immer schärfer. Ohne ihn zu zerzupfen, erkennt man schon von aussen, dass die Fasern immer mehr an Consistenz gewinnen. In seiner physio- logischen Thätigkeit erkennt man auch die Zunahme an Kraft; man sieht die Bewegungen immer lebendiger werden, und wenn der Embryo ausgebildet ist, so besitzt er eine bedeutende Kraft. Ich versuchte oft vergebens ohne spezielle Präparation die Em- bryonen, welche ich auf den Fischen schmarotzend fand, mit- telst zweier Nadeln zu eröffnen, da sie sich nicht eröffnen liessen, ohne dass ihre Schale zu Grunde gieng. Die Muskelfasern zeigen wichtige Veränderungen, welche wir verfolgen werden. 4) In einem vierten Stadium werden sie hohl und sehen wie Röhrchen mit ziemlich dieken Wandungen aus (Taf. II. Fig. 5). Die Form bleibt immer dieselbe, eine kleine, eylindri- sche, scharf senkrecht abgeschnittene Säule, mit einem Kerne in der Mitte. Dieser Kern verlängert sich, wird aber weniger deutlich; die feinen Fettmolleküle, welche ihn umgeben, verlängern sich in der ganzen Länge der Faser. Der feste Inhalt der Faser wird immer mehr gegen die Wandungen gedrängt, bis endlich die Faser hohl erscheint, mit ziemlich deutlichen Con- touren, einigen kleinen Fettmollekülen und mit einem immer undeutlicheren Kerne. Sind die Muskelfasern mit Carmin imibirt, so färben sich die Wandungen weniger und die Lösung sammelt sich mehr in der Mitte derselben, so dass der hohle Raum klar zu erkennen ist. 5) Bald entsteht eine Spaltung in den Wandungen der hohlen Fasern; zuerst nur sehr schwach angedeutet, erkennt man nachher deutlichere parallele Linien, welche die Fasern in 4, 5, 6 Säulchentheilen, die wir mit dem Namen embryonale Muskelfäserchen bezeichnen werden. Zuerst sind diese Fäserchen noch nicht zu isoliren und das Ganze bleibt in der Form des Röhrchens, welches wir eben beschrieben haben; dann erhält dasselbe ein gefurchtes Aussehen. Obschon die Kerne immer 33 mehr verschwinden, konnte ich sie in diesen Stadium doch constatiren. 6) Bei ausgebildeten Embryonen von Anodonta tritt im Monate November und Dezember eine neue Modification ein. Die Fäserchen bilden noch Bündel zu 5—6, welche den pri- mitiven Fasern entsprechen, der freie Raum aber in der Mitte ist verschwunden; kaum findet man noch Spuren von Kernen zwischen den Muskelfibrillen und mit günstiger Präparation ge- lingt es, solche Fäserchen zu isoliren. In mit Chromsäure, chromsauren Kali oder Essigsäure behandelten Fasern habe ich theilweise oder vollständig isolirte Fäserchen erhalten. Das einfachste Mittel um die Muskelfibrillen zu bekommen ist die Embryonen lange Zeit mit sehr verdünnter Lösung von Essig- säure zu behandeln, um den kohlensauren Kalk von der Schale zu entfernen, dann zerzupft man sie und die Fibrillen sind sehr hübsch isolirt, haben aber ihre ursprüngliche Starrheit verloren. 7) Die Isolirung der Muskelfäserchen wird immer leichter, je ältere Embryonen man untersucht. Die Embryonen, welche ich beobachtet habe von Anodonta Ventricosa (November, De- zember), von Najaden auf den Fischflossen (Januar, Februar), von Anodonta Anatina (März, April) zeigten mir die Fibrillen vollständig frei und nicht mehr in Bündeln vereinigt. Das Gesetz der ersten Entwiekelung der embryonalen Muskelfäserchen ist also eine longitudinale Theilung der 40—50 ursprünglichen Muskelfasern, welche endlich die Zahl von 200—300 Fibrillen geben. Ich muss noch bemerken, dass ich die Kerne nie Theil nehmen sah an dieser Vermehrung; sie verschwinden im Gegentheil bald in den Muskelfasern. Nach häufigen und sorgfältigen Untersuchungen ist es mir nie gelungen, in den Fäserchen Kerne zu demonstriren. Die ersten Muskelzellen haben wir beschrieben; es bleibt uns noch etwas über die Fasern und Fäserchen zu bemerken. a) Folgendes ist die Grösse der Muskelfasern und Fäser- chen in den verschiedenen Arten, welche ich untersucht habe. 3 34 Muskelfasern Muskelfäserchen Länge. Dicke. Dicke. Anodonta Ventricosa 1904 10% 3r An. Anatina 260% — 4y An. Cellensis 2304 — 2,54 An. Intermedia 1804 10x 2,5 Unio Crassus 100 7u — b) Die embryonalen Muskelfasern nehmen die ganze Länge des Muskels ein und inseriren sich an den beiden Schalen; bei den Embryonen findet man nichts, was den spindelförmigen Zellen der Erwachsenen, welche in der Mitte des Muskels endigen, gleichen würde. c) Die Insertion geschieht wie bei den Erwachsenen un- mittelbar an der Schale ohne Sehne oder Aponeurosen. d) Die Starrheit der Muskelfasern nach meiner Präpara- tionsmethode ist auffallend. Wenn sie frei im Präparat schwimmen, sind sie ganz gerade, sind sie aber gebogen, so sind sie win- kelig und die zwei Seiten des Winkels sind gerade; sie zeigen niemals diese Biegungen, welche die weichen Gewebe gewöhnlich annehmen. Ein Stückchen Muskelfaser von Wirbelthieren zum Beispiel, freigelegt ist immer mehr oder weniger gebogen und behält die Curven, welche die Präparation ihm gegeben hat. Es wird nur zufällig ganz gerade stehen oder diese elastische Starrheit dann zeigen, wenn es mit besonderen erhärtenden Flüssigkeiten behandelt wird (Alkohol, Chromsäure). Unsere embryonalen Muskelfasern aber , sowohl diejenigen, welche direkt aus den Kiemen des langsam getödteten Mutterthieres mit ge- wöhnlichem Wasser präparirt sind, als auch diejenigen , welche in Alkohol oder Chromsäure bewahrt waren, zeigen diese Eigen- thümlichkeit. Querschnitte des Muskels sind wegen der Kleinheit der Embryonen mit einem Messer nicht zu bekommen. Um die transversale Sektion eines Muskels zu beobachten, habe ich indirekt verfahren. Mit starker Beleuchtung ist es in gewissen Fällen, besonders bei jungen Embryonen, wo die Schale noch 35 wenig kalkhaltig ist, möglich, durch die Schale die Insertion des Muskels zu sehen. Ich habe darin die Fasern und Fäser- chen leicht erkannt, war aber erstaunt über die Unregelmässig- keit der Querschnitte der verschiedenen Bündel von Fibrillen. - Fassen wir jetzt die Entwickelung der embryonalen Muskel- fasern kurz zusammen. Es sondern sich 40 —50 embryonale Zellen ab, welche sich verlängern, bis sie die Länge des zwi- schenschaligen Raumes erreicht haben. Dann werden diese Zellen (embryonale Fasern) hohl, ihre Wandungen theilen sich nach ihrer Längsrichtung in 5—6 Fäserchen und die Kerne verschwinden oder bleiben zwischen diesen Fibrillen, welche immer mehr Selbstständigkeit gewinnen. Endlich haben wir 200— 300 isolirbare Fäserchen, welche, so weit wir die em- bryonale Entwicklung kennen, den ganzen Muskel bilden. Wir werden mit der Entwicklung des Muskelgewebes erst fertig werden, wenn wir noch diese zwei Punkte betrachtet haben: A. In welchen Verhältnissen stehen die embryonalen Muskelfasern zu denjenigen von jungen ausgebildeten und den- jenigen von erwachsenen. Najaden ? B. In welchem Verhältnisse steht dieser Entwicklungs- process zu dem des quergestreiften Muskelgewebes? A. Die Muskelfasern oder Muskelzellen der erwachsenen Najaden sind oft beschrieben worden. Es sind spindelförmige Zellen, welche bei Weitem die Länge des Muskels nicht er- reichen, mit einem zähen Inhalte und einem schönen Kerne, und welche, wie Margo richtiger beobachtet hat '), deutliche aber ziemlich unregelmässige Querstreifung darbieten. Die Ab- bildung?) aber, in welcher Margo kleine Kügelchen von freien Räumen getrennt, als diese Querstreifung bildend, gezeichnet 1) Margo, loc. eit. S. 563. 2) Margo loc. eit.ı Taf. I. Eig.; 2,3: 36 hat, befriedigt mich nicht. Die Querstreifung ist mehr eine Art unregelmässig verschlungener Streifungen , welche bald quer, bald schief die umhüllende Membran bedecken. Der einzige Unterschied, welchen ich zwischen diesen erwachsenen Muskel- fasern und den von jüngeren Anodonten und Unionen von 6 —20 M" Länge, die sich fortwährend noch vergrössern, finden konnte, ist, dass bei den letzteren die Muskelzellen oft eine deutliche Längsstreifung zeigen, als wollten sie sich in ihrer Längs- richtung theilen. Diesen Vermehrungsprocess der Muskelzellen durch Theilung in der Längsrichtung war ich nicht im Stande zu demonstriren; was ich jedoch gesehen habe, giebt mir An- deutung genug dafür. Jedenfalls habe ich niemals in rein prä- parirten Muskelfasern die Sarcophasten von Margo entdecken können. Der Unterschied zwischen den beiden Formen der Muskel- zellen ist dann auffallend. Bei den Embryonen haben wir 2—300 Muskelfäserchen ohne Kerne (oder mit zwischenfibrillären Kernen, welche die ganze Länge des Muskels bilden und niemals im Innern des Muskels frei endigen. Bei den jüngsten der Erwachsenen finden wir schon mehrere Tausend ') spindelförmige Zellen mit schönen Kernen im Innern, welche immer von einer Seite, am wenigsten von beiden Seiten, in den meisten Fällen spitzig im Innern des Muskels frei endigen. Wie dieses zweite Gewebe aus dem ersten entstehen kann, durch welche Metamorphose man den Zusammenhang dieser bei- !) Bei einem Unio von 70Mm. Länge habe ich die Querschnitte der beiden Schalenschliessen gemessen: Vordere Schalenschliesser . . 38,3 Quadratmillim. Hintere os ae ” Zusammen . . 70 Quadratmillim. Die Breite einer Muskelzelle ist ungefähr 0,016 Mm. , ihr Querschnitt ungefähr 0,00025 Quadratmillim. Ein Querschnitt der beiden Muskeln trägt also ungefähr 280,000 Querschnitte von Muskelzellen. 37 den Formen erklären kann, ist für mich eines der schwersten Räthsel dieser geheimnissvollen Entwicklungsgeschichte Und doch spreche ich in diesem ganz histiologischen Theile nicht von der Zertrennung des einzigen Embryonalmuskels in die zwei Muskeln des Erwachsenen, die vom ganzen Körper ge- trennt sind. Wenn ich nun diese Entwickelung mit der des querge- streiften Muskelgewebes vergleiche, werde ich nun von den embryonalen Muskelfasern der Najaden sprechen. B. Wie ich gesagt habe, so folge ich der Theorie von Remak, Kölliker, Lebert für die Entwicklung des quergestreiften Muskelgewebes und sehe den Muskelprimitivbündel aus einer Zelle bestehend, deren Kern sich vermehrt und deren Inhalt in der Quer- und Längsrichtung sich theilt. Wenn wir nach den neuen Angaben von Cohnheim ') und Kölliker ?) die Wirklichkeit der polygonalen Prismen von Cohnheim im Innern der Muskel- bündel annehmen, so sehen wir zwischen dem Muskelgewebe der Najadenembryonen und dem der Wirbelthiere Aehnlichkeiten, welche nicht zu leugnen sind. Bei den Najadenembryonen eine Gruppe von Fäserchen mit oder ohne zwischenfibrillären Kernen rührt aus einer Zelle her, welche sich in der Längsrichtung getheilt hat. Bei den Wirbelthieren eine Gruppe von Prismen von Cohnheim (der Muskelprimitivbündel) mit zwischen fibrillaren Kernen, rührt aus einer Zelle her, welche sich ebenfalls in der Längsrichtung getheilt hat. Die Unterschiede zischen den beiden Formen sind: Bei den Najadenembryonen theilt sich der Kern der Muskel- faser nicht, im Gegentheil scheint er zu verschwinden. Bei den -Najadenembryonen theilt sich der Inhalt der Muskelfäserchen nicht quer um Sarcous elements zu bilden. ?) Cohnheim. Virchow’s Archiv. Bd. XXXIV. S. 60. 1865. 2) Kölliker. Würzburger physik.-medie. Gesellsch. 1866. 38 Ich kann jetzt die Hauptdifferenzen der Entwicklung zu- sammenfassen und zeigen, dass man schon bei den Embryonen die zwei Gattungen Unio und Anodonta leicht unterscheiden kann. 1) Die Eier der Unionen sind kleiner als die der Anodonten. 2) Die Schale ist bei den Unionen mehr gewölbt, bei Anodonta ist der untere Winkel mehr nach hinten zugedrängt. 3) Der Byssusfaden ist bei Unio dicker als bei Anodonta, seine Insertion ist bei den zwei Gattungen verschieden. 4) Die Zahl der borstenartigen Stacheln: bei Unio nur zwei Paare, bei Anodonta vier Paare; ihre Lage ist ebenfalls verschieden. Diese Hauptcharaktere habe ich immer constant bei den verschiedenen Arten gefunden, und sie gestatten mir eine leichte Diagnose der zwei Gattungen schon bei den Embryonen. Werfen wir jetzt einen Rückblick auf diese ausgebildeten Embryonen und vergleichen wir sie mit den erwachsenen Najaden. 1) Die Apparate des organischen Lebens, welche höchst complieirt bei den Erwachsenen sind und aus einen Verdauungs- eanal mit seinen Mundtastern, seiner Leber und seinen Nieren, einem ceirculatorischen System mit Herzen, Arterien, Capillaren, Venen, complicirten Kiemen bestehen, sind im Gegensatz bei den Embryonen so wenig als möglich vorhanden, nur durch die Wimperräder vertreten. 2) Die Apparate des animalen Lebens sind besser bei den Embryonen vorhanden, zeigen aber doch wesentliche Dif- ferenzen. Das Nervensystem ist nicht bekannt, soll aber ver- treten sein, da der Muskel schon willkürliche Bewegungen zeigt. Das Muskelgewebe ist, wie wir weitläufig genug erklärt haben, höchst verschieden bei den beiden Perioden; der Muskel selbst in seiner Lage und Form ist noch bemerkenswerther. Wie können von dem einzigen embryonalen Muskel die zwei Schalenschliesser des Erwachsenen entstehen? Diese Trennung in zwei ist schon sonderbar, was noch auffallender ist, ist, 39 dass der ganze Körper und besonders der Darmkanal zwischen den zwei Muskeln sich hineinschiebt. Die Schale endlich ist sehr verschieden. Bei dem Em- bryo ihre einfache Lage, ihre dreieckige Form, ihr sonderbarer Aufsatz unterscheiden sie vollkommen von der Schale der Er- wachsenen. Alle diese Unterschiede, welche die Erscheinung der Theorie des Glochidium sehr leicht entschuldigen, sind wesent- lich genug um dieses Thema der Metamorphose annehmen zu lassen, welches ich schon am Anfang dieser Arbeit ausgespro- chen habe. Es geschieht eine Metamorphose, aber wie und wo und wann? das müssen wir bis jetzt als unbekannt be- zeichnen. Psorospermien Cysten. Sehr oft habe ich die in den Kiemen enthaltenen Eier von Unionen anstatt von einem Dotter oder von Furchungskugen von hübschen regelmässigen Kügel- . chen von 16— 18» Dicke ausgefüllt gefunden, welche ich in Fig. 11—12 Taf. III abbilde Diese Bläschen halte ich für ähnlich mit dem, was man unter dem Namen Psorospermien beschrieben hat. Erklärung der Abbildungen. anannnnannnaann Tafel I. Fig. 1. Embryo von Anodonta Ventricosa im Monate Dezember, von unten gesehen, die Schalen vollständig geöffnet. ®5 Fig. 2. Derselbe. Locomotorischer Apparat. Schale mit ihrem Haken, Byssus, Byssusorgan und Muskel. ®5 Fig. 3. Derselbe. Apparate des organischen Lebens. Seitliche Massen, Wimperapparat, borstenartige Stacheln. ®? ; Tafel II. Fig. 1. Embryo von Anodonta WVentricosa im Monate Dezember, von vorn gesehen. ® E Fig. 2. Embryo von Unio Batavus, 11. Juni 1866. Von vorn gesehen. ??5 Fig. 3. Ei von Unio Crassus, 2. Juli 1865. Erste Anlage des Muskels von oben gesehen. 13° Fig. 4. Ei von Unio Crassus, 15. Juli 1866, von der Seite gesehen. Erste Anlage des Muskels. a, b, vordere und hintere spindel- förmige Zellen (C. Vogt). Fig. 5. Embryonale Muskelfasern von Unio tumidus, zeigen die mittlere Höhle der Röhre. +2 Fig. 6. Embryonale Muskelfasern von Anodonta ventricosa (November), zeigen die Spaltung in Fäserchen. ?90 Fig. 7. Dieselben, mit Essigsäure behandelt. Muskelfäserchen. ?2 Fig. 8. Embryonale Muskelfasern von Anodonta Cellensis, von dem lebenden Embryo präparirt. ?9 Tafel III. Fig. 1—7. Furchungsprocess bei Unio. 1!29 Fig. 8 Ei von Anodonta, die Furchung ist vollendet. (Nach einer Zeichnung von Prof. C. Vogt.) Fig. 9. Isolirte Furchungskugeln mit Wasser behandelt. ?2 Fig. 10. Protoplasmakugeln oder embryonale Zellen der seitlichen Massen eines Embryo von Anodonta Anatina, 10 Tage nach dem Austreten aus den Kiemen. 2?3° Fig. 11. Ei von Unio Crassus, Psorospermien enthaltend. 12° Fig. 12. Einige isolirte Psorospermien. a gewöhnliche Form, bc seltene Formen derselben. Fig. 13. Schalenaufsatz eines Embryo von Anodonta cellensis von der Seite gesehen. a Eihülle. ?5 Fig. 14. Ein Stückchen des Byssusorganes einer embryonalen Anodonta Ventricosa. ce. 609 Fig. 15. Ein Stückchen der Schale eines ausgebildeten Embryo’s von Anodonta Anatina mit Essigsäure behandelt. c. 82° Fig. 16. Wimperorgane von Anodonta Cellensis nach dem Austreten aus den Kiemen. c. 22° WatıT Forel del. r Lochow ih Würzburg. B Druck v. ).Jung.Frkfrt ®M. Lochow Kth.Würzburg. Druck v. J. Jung. Frktre®M Forel del. j Lochow lith.Würzburg.. In unserem Verlage sind ferner erschienen: Dahn, Dr. Feliv, Univ.-Prof, die Kinige der Germanen, Nach ven Quellen dargeftellt. III. Abtheifung. Berfajjung des oftgothifchen Neithes in Italien. 1866. Th. 2. — oder fl. 3. 30 fr. — — TV. Abt). Die Gdiete der Kinige Theoderih und Athalaric) und das gothifche Necht im gotbijchen Reich. 1866. | - Thle. 1. 6.ngr. — oder fl. 2. Geigel, Dr. A., a. o. Professor, Geschichte, Pathologie und Therapie der Syphilis. 21 Bogen. Thlr. 2. oder fl. 3. 30 kr. Held, Dr. A., Earey’s Socialwifjenshaft umd das Merfantilipftem. Eine: literaturg. Parallele. 1866. * Thlr. 1. 6 ngr. oder fl. 2, Linhart, Dr. W., Hofrath, Professor der Chirurgie und Oberwundarzt des Juliusspitals zu Würzburg &e. Vorlesungen über Unterleibs- hernien, gehalten im Sommer -Semester 1864. Preis fl. 3. 30 kr. oder Thlr. 2. Luja, Dr. €.,, Kurzgefasste und. übersichtliche Darstellung der Pa- thologie "and Therapie der venerischen Krankheiten nach den neuesten Forschungen. Zum Gebrauche für Studirende und Aerzte. Preis fl. 1. oder 18 ngr. Sandreczki, Dr, Max. Theod,, Ueber die exarticulatio pedis in tarso. Mit einer statistischen. Tabelle und einer Tafel. Inangural- Abhandlung der medizinischen Facultät zu Würzburg vorgelegt. 1865. Preis 36 kr. oder 11 ngr. Werlein, Dr. N., die Sophiften und die Spphiftif nach den Angaben Plato’s. Gefrönte Preisichrift. fl. 1. oder 18 ngr. Zillgenz, Dr. Gerh., Ariftoteles und das deutfhe Drama. Gefrönte Preisichrift. fl. 1. 24 Tr. oder 24 nor. A, Stuber's Buchhandlung in Würzburg.