/ o(y}k^ wu> EMBRYOLOGISCHE STUDIEN AN MEDUSEN. EIN BEITRAG ZUR GENEALOGIE DER PRIMITIV-ORGANE. VON ELIAS METSCHNIKOFF. MIT 9 HOLZSCHNITTEN UND EINEM ATLAS ENTHALTEND 12 LITHOGRAPHIRTE TAFELN. ""^^ WIEN 1886. ALFRED HOLDER '««t>> K. K. HOF- UND UNIVERSITATS-BUCHHANDLER 1. KOi HKNTHUKMSTRASSE l.i. MARINE BI0L06IGAL LABORATORY. Received .. Accession rro. Ä^r*f*r*a<^. / Xt2./! pJ..9.v^7 Given by ..yy/y,^,^\^^uiÄ^. ^&t^ ■' 4 "^•^ > ^ 7 EMBRYOLOGISCHE STUDIEN AN MEDUSEN. EIN BEITRAG ZUR GENEALOGIE DER PRIMITIV-ORGANE. VON ELIAS METSCHNIKOFF. MIT 9 HOLZSCHNITTEN UND EINEM ATLAS ENTHALTEND 12 LITHOGRAPHIRTE TAFELN. WIEN 1886. ALFRED HOLDER K. K. HOF- UND UNIVERSITÄTS-BUCHHÄKDLER 1. ROTUKKTHUKMSTKASSE 15. Alle Rechte, iusbesoadere das lier TTehersetzung vorbehalten. VORWORT. r5ei Gelegenheit meiner Untersuchungen an Spongillen im Jahre 1876 suchte ich mir einen Begriff über die genealo- gischen Stufenfolgen des Yerdauungsapparates zu bilden, und da ich mich nicht auf den Standpunkt der Gastraea-Theorie stellen konnte, versuchte ich, auch über die Urzustände der Metazoen überhaupt eine hypothetische A'orstellung zu gewinnen. Diesen Zweck verfolgend, machte ich weitere Beobachtungen über einige Spongien, die ich in meinen „Spongiologischen Studien" im Jahre 187g niederlegte. Die dabei gewonnenen Resultate dienten für mich als Programm zu weiteren Unter- suchungen, w^elche sich zum Theil auf die Entwicklung niederer Thiere, zum Theil aber auf die Yorg-änge der intracellulären Verdauung bezogen. Nachdem ich in den letzten Jahren einige Ergebnisse über den physiologischen Theil meines Programms veröffentlichte, gedenke ich jetzt die Resultate meiner embryolo- gischen Untersuchungen über Medusen (welch letztere mir als vorzugsweise geeignet für die genealogische Erforschung des Entoderms schienen) zu publiciren. Da ein Theil meiner Arbeit auf zoologischen Stationen in Neapel und Triest ausgeführt wurde, so halte ich es für eine an- genehme Pflicht, dem Vorstand derselben, den Herren Pro- fessoren A. Dohrn und C. Claus, sowie dem Herrn Inspector Gräffe öffentlich meinen Dank auszusprechen. Auch bin ich Herrn Dr. J. Barrois, Director der zoologischen Station in IV Villafranca, für ,'>eine mir mehr als einmal g-eleistete Hilfe sehr verbunden. Schliesslich sage ich meinen Dank dem Herrn Verleger A. V. Holder für die Opfer, die er bei der Veröffentlichung der vorliegenden Arbeit bereitwillig getragen hat. Odessa, den 11.23. Februar 1886. El. Metschnikoff. INHALTS -VERZEICHNISS. Seite Einleitung: Historischer Ueberblick. Erste oder zoologische Periode von Cavolini bis AI. Agassiz (1785- — 1865). Zweite oder embryologische Periode von Kowalevsky bis Götte (1868 — 1885). Untersuchungstechnik I Erstes Capitel: Das Ei und seine Befruchtung. Form, Grösse, Durch- sichtigkeit und Fcärbung des Eies. — Zeit des Eierlegens. — Entwicklung des Eierstocks-Eies. — Reifung des Eies. • — Structur des abgelegten Eies. — P,efruchtung 22 Zweites Capitel: Die drei ersten Furchungsstadien. Variationen der ersten Furchung. — Ringförmige und schneidende Furchen. — Zweite meridionale Furchung. — Centripetale und centrifugale Furchen. — Dritte Furchung 34 Drittes Capitel: Spätere Furchungsstadien und En todermbildung. Vierte Furchung. — Blastulastadium und Entodermbildung bei Tubulariiden und Campanulariiden. — Vorzeitige Differenzirung bei Laodice. — Entoderm- bildung bei Geryoniden und Aglauriden. — Entodermbildung bei Aeginiden. — Variationen dieses Processes bei Polvxenia leiicostyla. — Gastrulation bei Acraspeden. — Entodermbildung bei Hydropolypen. — Typen und Unter- typen der Entodermbildung verschiedener Aledusen 45 Viertes Capitel: Larven metagenetischer Medusen und deren Ver- wandlung. I. Craspedoten. — Bau der Larven. — Zwei Typen der Ver- wandlung. — Polypenformen und deren systematische Beziehungen. ^ — 2. Nausithoelarven und deren Verwandlung 7^ P'ünftes Capitel: Larven der hypogenetischen Medusen. Geryoniden. — Aglauralarven und deren Verwandlung in sogenannte Trachynefna ciliatiim Geg. — Bemerkungen über die Larven von Pelagia noctiluca . . 89 Sechstes Capitel: Sporogonie und Knospung von Citnina proboscidea Metschn. Historisches über „innere" und äussere Knospung der Cuninen. — Ueber die Geschlechtsproducte von C. proboscidea. — Auswanderung amöboider Geschlechtszellen und Theilung derselben. — Sporogonie und 29421 VI Seite Knospung. — Dimorphismus der C. proboscidea. — Verwandte Formen. — Analogie zwischen Sporogonie der Cuninen mit derjenigen der Trematoden nnd mit der Paedogenesis von Miastor 102 iebentes Caj)itel: Genealogische Betrachtungen. Zur Geschichte der Keimblätterlehre. — Hypothesen über die Abstammung der Metazoen. — Genealogische Bedeutung der drei ersten Furchungsstadien. — Entoderm- bildung. — Bemerkungen über Gastraea-, Planula- und Plakula -Theorien. — Aufstellung der Phagocytella-Theorie. — Erwiderung auf einige Einwände. — Verwandtschaft der Phagocytella mit Ttirbellaria Acoela. — Rückschlüsse auf die Theorie eines schlitzförmigen Blastopors. — Zur Genealogie des Afters. — Genealogisches über ^Nlesodermbildung 126 EINLEITUNG. Obwohl es nicht in meiner Absicht liegt;, eine Monog-raphie der Medusenentwicklung zu liefern, so halte ich es doch nicht für überflüssig, mit einem kurzen historischen Ueberblick über die bisherig-en Leistungen auf dem betreffenden Gebiete anzu- fangen. Da nun die ersten Perioden der Geschichte der Medusen- embryologie unzertrennbar mit der Lehre über die Entwicklung der Hydropolypen verbunden sind, so muss ich nothw^endig'er- weise auch über die letzteren einige einleitende Bemerkungen einschalten. Es ist gerade ein Jahrhundert verflossen, seitdem die ersten Kenntnisse über einige allgemeine Erscheinungen aus der Ent- wicklungsgeschichte der Hydropolypen in die Wissenschaft eingeführt wurden. Cavolini ^) gab die Beschreibung von „Eiern-' bei mehreren Repräsentanten dieser Gruppe und beob- achtete, dass sie sich in besonderen „Eierstöcken" bilden, um dann selbständig auszuschlüpfen. Er konnte auch Einiges über die Weiterentwicklung solcher Eier mittheilen, wobei er betonte, dass dieser Process eine grosse Aehnlichkeit mit der Entwicklung- der Knospen aufweist. Die von Cavolini gegebenen, überhaupt recht guten Abbildungen lassen daran erkennen, dass seine „Eier- stöcke" zum Theil Gonangien, zum Theil aber Gonophoren sind, dass ferner die von ihm als „Eier" in Anspruch genommenen Gebilde fast ausschliesslich fertige Larven repräsentiren. Eine Ausnahme machen die „Eier" seiner Sertolaria gcniculata, welche, wie die betreffenden Abbildungen (Taf. VIII, Fig. 3, 4) deutlich zeigen, die Medusenbrut von Obelia darstellen. Cavolini hat somit die Production der Medusen auf Hydroidenstöcken bereits beobachtet, nur wusste er nicht die von ihm wahrgenommenen Verhältnisse richtig zu deuten und suchte dieselben an die \ ^) Memorie per servire alla Storia di Polypi marini. Napoli 1785. >I etschniko ff. Embryolog. Studien an Medusen. I EINLEITUNG. sonstigen Entwicklungserscheinungen der niederen Thiere an- zupassen. Auch bei anderen Zoologen des vorigen Jahrhunderts (wie z. B. bei Pallas) finden wir Angaben über Hydroideneier, welche nur beiläufig gemacht wurden und sich auf verschieden- artige Gebilde bezogen. Sogar die so auffallenden Eier des Süsswasserpolypen wurden längere Zeit falsch gedeutet. Es verging eine lange Zeit, bis man die ersten Kenntnisse in der Entwicklungsgeschichte der Medusen und Hydropolypen erwarb. Die Arbeiten aus den letzten Jahren des vorigen und des ersten Viertels des gegenwärtigen Jahrhunderts, wie solche von Esper, Peron und Lesueur, Lamarck u. A., brachten nur systematisches Material zusammen, ohne die Entwicklungs- geschichte der genannten Thiergruppen auch nur einigermassen weiter zu fördern. Erst im Jahre 1829 wurde eine wichtige Ent- deckung gemacht, welche zwar nicht sofort für die Entwicklungs- geschichte der Medusen verwerthet worden war, trotzdem aber den ersten Grundstein einer solchen bildete. E'nter mehreren neuen Seethieren fand Michael Sars/) Candidat der Theologie in Bergen, ein polypenförmiges AVesen auf, welches er als Scyphistoma filicorne bezeichnete, und noch eine merkwürdigere Form — Strobüa ocforadiata Sars — , welche er für ein Bindeglied zwischen den festsitzenden Zoophyten und Medusen ansah, da sich bei ihr von einem polypenförmigen Körper kleine medusenähnliche, frei schwimmende Thiere ablösten. Bei der Verfolgung seiner Unter- suchungen kam Sars 2) zur Ueberzeugung, dass Scyphistoma ein blosser Jugendzustand der Strobila sei, welcher ephyra- ähnliche J^Iedusen producirt, die wahrscheinlich ebenfalls nur unentwickelte Stadien einer anderen Qualle repräsentirten. Bald darauf bestätigte Sars 3) die letztere Vermuthung, indem er zum Schlüsse gelangte, dass die von Strobila erzeugten Thiere sich in Medusa aurita verwandelten. Bevor aber die letztere Entdeckung in die Oeffentlichkeit gelangte, versuchten Ehrenb erg und v. Siebold auf directem Wege die Aufgabe der Medusenentwicklung zu lösen. Der Erstere'^) fand die Eierstöcke der Medusa aurita auf und ver- 1) Bidrag lil Söedyrenes Natur-Historie T. Bergen 1829. Uebers. in Oken's l^is 1833, Heft 3, p. 221. 2) Beskrivelser or Jagttagelser over nogle maerkelige eller nye i Havet ved den Bergenske Kyst levende Dyr. Bergen 1835, Bericht im Archiv f. Naturgeschichte 1836. Bd. II, p. 197. =5) Zur Entw. d. Mollusken und Zoojihyten, Arch. f. Naturg. 1837, Bd. I p. 406. ■*) Vorl. Mitth. einiger bisher unbekannter Structurverhältnisse bei Acalephen und Echinodermen. Archiv für Anat. u. Fhysiol. 1834, ]v 562 und über die Aca- EINLEITUNG. folgte die Eier in den Armtaschen, worin er „dreierlei sehr verschiedene, sonderbare Formen" constatirte. Einige Eier waren „wie Brombeeren gestaltet", während andere „kleine, dicke, blassviolette Scheiben vorstellten, die einer kleinen Meduse ohne Fangarme und Nahrungscanäle glichen". I Da Ehrenberg die Männchen nicht erkannte, so äusserte er die Vermuthung, dass als solche einige in den Armtaschen gefundene mikroskopische Formen fungirten, dass also nur Weibchen zu ausgewachsenen Medusen sich gestalteten. Bald jedoch wurde der richtige Sach- verhalt durch V. Siebold ^) erkannt, welcher die männlichen Zeugungsstoffe auffand und zugleich constatirte^ dass die in die Armtaschen gelangenden Eier sich furchen und infusorienartige Embryonen liefern. „Die vorhin erwähnten Durchfurchungen des Dotters — sagt v. Siebold — • sind mit nichts Anderem zu vergleichen, als mit jenen von Prevost und Dumas zuerst beobachteten und neuerlichst öfters zur Sprache gebrachten Furchungen der Froscheier. Aehnliche Furchungen haben die Dotter der Nematoideen vor der Entwicklung des Ernbryo zu erdulden." Durch diese Zusammenstellung wurde der erste Anhaltspunkt für eine vergleichende embryologische Auf- ,fassung der frühesten Entwicklungserscheinungen verschieden- artiger Thiere g^ewonnen. Die infusorienartigen Embryone hielt V. Siebold anfangs für junge Quallen, was offenbar einen gewissen Einfiuss auf seine Angaben über den Bau dieser Embryone ausübte. Später''^) konnte er sich jedoch selber über- zeug'en, dass die letzteren in einen festsitzenden hydraähnlichen Zustand übergehen, den er indessen noch nicht für die Sars'sche Strobila anerkennen wollte. Erst allmälig ^) wurde es sicher fest- gestellt, dass die schwimmenden Larven der Med2isa aun'ta sich in Strobila verwandelten, welch letztere ephyraähnliche Medusen producirten, die sich schliesslich zur ursprünglichen Quallenform heranwuchsen. Diese Resultate wurden noch durch die Ent- deckung eines ähnlichen Entwicklungsmodus bei Cyanea durch Sars und durch die unabhängig gemachten Beobachtungen lephen des ro^ien Meeres, Abhandl. der k. Akad. zu Berlin aus dem Jahre 1835. Berlin 1837, p. If)6. ^) Ueber die Gesciileclitsorgane der Medusa aurita, Froriep's Notizen, September 1836, Nr. 1081, (Bd. L, N. 3) p. 33 — 35. ^) Die Jungen dtr Medusa aurita, Froriep's neue Notizen, November 1838, Nr. 166 (Bd. VIII, N. 12) p. 177—180. ^) K. Siebold. Beiträge zur Naturgeschichte der wirbellosen Thiere, 1839. I. Ueb. Medusa aurita p. I — 35 und Sars. Ueb. die Entw. d. Medusa aurita u. Cyanea capillata, Arch. f. Naturg. 1841, Bd. I, p. 9. 4 EINLEITUNG. Dalyell's^) an Scyphistoma und Strobila (Hydra tiiba) ver- stärkt. Noch langsamer erfolgte die Erkenntniss der complicirten Entwicklungserscheinungen bei Hydromedusen, wo die Sache dadurch verwickelter wurde, dass in dieser Gruppe eine grössere Mannigfaltigkeit herrscht. Rud. Wagner^) beobachtete im Jahre 1832 in Triest einen ,.hydrenähnlichen Polypen'^ — eine Podocoryne im Sinne späterer Autoren — und fand bei ihr eier- haltende Kapseln, welche mit vier „Hörnern" an dem freien Ende versehen waren. „Höchst merkwürdig blieben mir immer" — sagt R. Wagner — ?.die Bewegungen, die ganz denen der Medusen glichen, und wirklich hätte ich sie für kleine Quallen angesprochen, wenn sie nicht so viele Aehnlichkeit mit den festsitzenden Eierkapseln gehabt hätten und mit den Polypen vorgekommen wären." Loven^), welcher seine Beobachtungen zwei Jahre später veröffentlichte, untersuchte die als Syjicoryne Sarsii von ihm bezeichnete Form mit ganz ähnlichen Eier- kapseln und machte einen wesentlichen Schritt in der weiteren Verfolgung der Sache. Er erkannte die eierhaltigen Kapseln als weibliche Individuen, deren Gleichheit mit echten Medusen er betonte und deren Freiwerden er für wahrscheinlich hielt. Ausserdem führte er die Aehnlichkeit mit den entsprechenden Verhältnissen bei Strohila octoradiata, Sars an, so dass eine Analogie zwischen Acalephen und Hydroidenentwicklung ihm bereits sehr wahrscheinlich erschien. In derselben Abhandlung Loven's finden wir eine muster- giltige Darstellung der Entwicklungsvorgänge einer Campa- milaria (welche später als Goiiothyraea Lovefit bezeichnet würde), welche von ihm im Ganzen als eine ^Metamorphose in Anspruch genommen worden sind. Er sah die jungen Eier mit Keim- bläschen und Keimfleck und beobachtete die wurmförmigen Wimperlarven, welche von früheren Autoren einfach als beweg- liche Eier erklärt wurden. Obwohl er bei der Beschreibung mehr auf die J.ebensweise der Larven achtete, zeichnete er doch (a. a. O. Taf. VI, Fig. 14 — 18) die beiden Hauptblätter, wovon das erstere doppeltschichtig erschien. Das Festsetzen der Larve, deren Formumwandlung, sowie die Bildung des Hydrocaulus sind mit bewunderung-swürdiger Genauigkeit beobachtet worden. 1) The Edinb. Philos. Journ. Bd. XXI, 1836. ^) Ueb. eine neue Art von nackten Armpolypen. Oken's Isis 1833, Heft 3, p. 256. "■) K. Svensk. Vetensk. Acad. Handb. 1835, P- 260, übers, im Arch. für Xaturg. 1837, I, p. 249 II. 321. EINLEITUNG. Diese Arbeiten Loven's, sowie die früher referirten Unter- suchungen von V. Siebold und Sars, welch letzterer bereits im Jahre 1841 die Parallele zwischen Medusen- und Salpen- entwicklung aufstellte ^), bildeten somit die ersten Grundsteine, auf welchen Steenstrup^) im nächstfolgenden Jahre seine berühmt gewordene Lehre über den Generationswechsel auf- baute. Auf Island fand er eine neue Coryne mit Medusen- knospen, welche sich frühzeitig ablösten, um, nach der Ver- muthung Steenstrup's, erst später Eier zu produciren. Indem er die Fortpflanzungs- und Entwicklungserscheinungen der Zoophyten mit analogen Processen bei anderen 'Wirbellosen und namentlich bei Trematoden unter einen Gesichtspunkt stellte, bezeichnete er die Hydropolypengeneration als geschlechtslose Ammen/ welche erst die geschlechtlichen Medusen durch Knospung erzeugten. Obwohl man in neuerer Zeit die Meinung aussprach, dass die Lehre Steenstrup's keine Erklärung, sondern einfach eine Umschreibung der Thatsachen lieferte, so äusserte sie doch ihrerzeit einen desto grösseren Einfluss auf den Gang der Entwicklungsgeschichte, als sie manche Er- scheinungen voraussagte und den Weg zu neuen Forschungen ebnete. Es lässt sich deshalb der Enthusiasmus, mit welchem sich V. Siebold 3) über die Lehre des Generationswechsels äusserte, leicht begreifen. Die einzige bedeutende Lücke in der Geschichte des Generationswechsels der Hydropolypen, nämlich die Ausbildung der „Amme" aus Meduseneiern w-urde von Steenstrup a priori ausgefüllt; seine Voraussage ist auch kaum drei Jahre später durch Dujardin^) bestätigt worden, welchem es gelang, obwohl in einer ziemlich oberflächlichen Weise, die Entwicklung des Hydropolypen-Stauridium aus den Eiern der Meduse Cladonema zu verfolgen. Nachdem nunmehr im Ganzen der complicirte Cyklus der Medusenentwicklung aufgeklärt wurde, blieb es zunächst noch festzustellen, ob er sämmtlichen Repräsentanten eigenthümlich, oder ob er mehr oder weniger grossen Abweichungen, resp. 1) „Die Salpen kommen darin mit den Acalepben übeiein, dass bei ihnen nicht die Larve, sondern deren Brut sich zu dem vollkommenen Thiere entwickelt; es ist nicht das Individuum, sondern es ist die Generation, welche sich metamarpho- sirt." (Arch. f. Naturg. 1841, I, p. 29). 2; Ueb. d. Generationswechsel oder die Fortpflanzung u. Entwicklung durch wechselnde Generationen. Uebers. v. Lorenzen, Kopenhagen 1842. 3) In seinem Referate im Arch. f. Naturg., 1843, Bd. II. *) Memoire sur le developpement des Meduses etc., Annales des sciences naturelles, III. Serie, T. IV, 1845, p. 273. 6 EINLEITUNG. Ausnahmen unterworfen ist. So entstand eine ganze Reihe Beobachtungen, die das empirische ^Material bald zu einem ansehnlichen Umfange vergrösserten. Wie es schon früher con- statirt war, dass viele Hydropolypen sich direct, ohne frei- schwimmende ]Medusen zu liefern, entwickeln, so stellte sich auf der anderen Seite bald heraus, dass es auch Medusen gibt, welche sich aus Eiern bilden, ohne von einem Hydropolypen aufgeammt zu werden. Die ersten bezüglichen Beobachtungen sind von Joh. Müller^) angestellt worden. Er fand im Jahre 185 1 freischwimmende Larven von Aeginopsis niediterranea, welche mit Wimperhaaren bedeckt Avaren und ihm deshalb als directe Abkömmlinge der aus Eiern entstandenen Embryone erschienen. Im nächstfolgenden Jahre sprach er ^) sogar die allgemeine Behauptung aus, ,,dass ein Theil der Schirmquallen in dem Ver- hältniss des Generationswechsels zu Polypen steht, ein anderer Theil der Schirmquallen dagegen nur homogene Generation besitzt". Diese Schlussfolgerung konnte bald auf die Acalephen ausgedehnt werden, nachdem es Krohn^) gelang, junge Pelagia- medusen direct aus Eiern zu ziehen. Dieser Befund musste noch dadurch besonders auffallen, als Pelagia 7ioctihica sehr nahe verwandt mit Chrysaora ist, deren Generationswechsel durch die Untersuchungen von Dalyell-*) und Busch^) festgestellt worden war. Da es sich somit herausstellte, dass die Fortpflanzungs- und Entwicklungserscheinungen der ]Medusen ganz ausser- ordentlich variabel und mannigfaltig sind, so ist es begreiflich, dass die Aufmerksamkeit der Forscher sich lange Zeit auf der zoologischen Seite der Frage concentrirte, während die rein embryologischen Aufgaben fast gar nicht berücksichtigt wurden. Es entsand eine ganze Reihe von Untersuchungen, ') Ueber eine eigenthümliche Meduse des ^littelmeeres und ihren Jugend- zustand, Arch. f. Anat. u. Phys. 1851, p. 272, Taf. XI. Einige Jahre früher hat J. Müller junge Medusenlarven aus Nizza beschrieben (Abhandl. d. Akad. zu Berlin, Jahrg. 1849, p. 64, Taf. VII, Fig. 9 — II), welche er später für junge Poly. xenia anzunehmen geneigt war. Sie stellen indessen junge Aglaura dar und sind mit Trachynema ciliatian Geg. identisch. '') Ueb. d. Erzeugung v, Schnecken in Holothurien, Arch. f. Anat. u. Phys. 1852, p. 35. ') Ueb. d. frühesten Entwicklungsstufen von Pelagia noctiluca, ibid. 1855. p. 491, Taf. XX. *) Rare and remarkable Animals of Scotland, London 1847, P»d. I, p. ^T ^., Taf. XIII— XX. *) Beobachtungen üb. Anatomie u. Entwicklung einiger wirbellosen Seethiere, Berlin 1851, p. 25 ff. EINLEITUNG. um an concreten Beispielen die Fortpflanzungserscheinungen der Medusen und deren Zusammenhang mit polypenförmigen Ammengenerationen genauer festzustellen. Unter ihnen nimmt die im Jahre 1854 erschienene grössere Arbeit Gegenbaur's^) unstreitig den ersten Platz ein, weshalb sie hier ausführlicher referirt werden muss. Er versuchte in die bunte Masse des empirisch angesammelten :vlaterials eine gewisse Ordnung zu bringen, zu welchem Zweck er seine besondere Aufmerksamkeit den Geschlechtsorganen solcher Hydropolypen schenkte, welche keine Medusen erzeugen. Es fanden sich alle möglichen Ueber- gangsformen zwischen den letzteren und gewöhnlichen Ge- schlechtskapseln, weshalb diese nunGegenbaur als eine unvoll- ständige, den :\Iedusen analoge Generation auffasste. So stellte er neben dem vollständigen auch einen unvollkommenen Genera- tionswechsel auf. In thatsächlicher Beziehung bereicherte Gegen- bau r unsere Kenntnisse durch die nähere Untersuchung der von ihm als Trachynetna ciliatiwi bezeichneten Larven, durch das Auffinden eines eigenthümlichen Fortpflanzungsprocesses der Cunina prolifera und, was uns ganz speciell interessirt, durch die Erforschung der embryonalen Entwicklung zweier Oceaniden, die er als Lizzia Köllikeri Geg. und Oceania arinata Köll. bestimmte. Aus Eiern dieser Medusen konnte Gegenbaur flimmertragenden infusorienähnlichen Larven (die Planulae, nach dem von Dalyell eingeführten Ausdrucke) ziehen, welche sich am Boden fest- setzten, und inHydropolypenstöcke verwandelten. Als bezeichnend müssen wir hervorheben, dass bei der Darstellung der Embryonal- entwicklung die embryologischen Fragen kaum berührt wurden; von letzteren sind nur der Antheil des Keimbläschens bei der Bildung der Furchungskerne und der allgemeine Gang des Furchungsprocesses berücksichtigt w^orden. Der Bau und das Festsetzen der Larven stehen in ihrer Bearbeitung der vor zwanzig Jahren durch Loven gegebenen Darstellung entschieden nach. Es erklärt sich dieses Zurücktreten der vergleichend embryologischen Gesichtspunkte zum Theil durch das rege zoologische Interesse, zum Theil aber durch einen allgemeinen Stillstand, welcher sich damals in der Embryologie bemerken Hess, da sogar so wichtige Verallgemeinerungen, wie die von Huxley-) betonte Aehnlichkeit zwischen den beiden Haupt- schichten des Coelenteratenorganismus und den Keimblättern 1) Zur Lehre vom Generationswechsel u. d. Fortpflanzung bei Medusen und Polypen, Würzburg 1854. 2) On the Anatomy and the Affinities of the Family of the Medusae, Philos. Trans. 1849, Bd. II, p. 425. 8 EINLEITUNG. der Embryonen höherer Thiere und so bedeutungsvolle That- sachen, wie die durch Krohn gemachte Entdeckung der Magen- bildung bei Pelagia durch Vertiefung des Blastoderms, unbe- rücksichtigt und auf einen hinteren Plan zurückgeworfen blieben. Es erschienen in den P'ünfziger- und im Anfange der Sechziger -Jahre eine ganze Reihe höchst werthvoller Unter- suchungen, welche viele Eücken in der Fortpflanzungsgeschichte der Medusen und Hydropolypen ausfüllten, jedoch ausschliess- lich in der gegebenen zoologischen Richtung ausgeführt waren. Darunter will ich die zahlreichen Arbeiten Allman's. Hink's, Strethill Wright's, AI. Agassiz, Krohn's, J. van Bene- den's, Häckel's^) u. a. hervorheben, welche ich zum Theil im speciellen Abschnitte noch citiren werde. Sehr bezeichnend für die genannte Periode ist das grosse Werk von L. Agassiz-), welches nicht nur eine Fülle werth- voller Beobachtungen enthält, sondern auch allgemeine Gesichts- punkte über die morphologische Verwandtschaft verschiedener Radiaten liefert. L. Agassiz unternimmt den Nachweis zu bringen, dass zwischen verschiedenen Radiatenclassen (Coelen- teraten und Echinodermen) nahe Beziehungen existiren, welche er indessen fast ausschliesslich auf vergleichend-anatomischem Wege aufzudecken versucht; wenn er beiläufig auch einige Larvenstadien citirt, so wird bei ihm doch die ganze embryo- logische Seite der Frage gar nicht berücksichtigt. Erst nachdem in der zweiten Hälfte der Sechziger- Jahre die Keimblätterlehre auf verschiedene Wirbellosen ausgedehnt wurde und die Entwicklungsgeschichte der niederen Thiere eine breitere Basis gewann, indem man, die Typenschranken durchbrechend, vergleichend - embryologische Gesichtspunkte aufstellte, schritt man zur embryologischen Erforschung der Coelenteraten. Den ersten Versuch finden wir in einer kleinen Mittheilung Kowalevsky's-') aus dem Jahre 1868, in welcher er die Entwicklung der Hauptschichten mehrerer Repräsentanten dieser Thiergruppe vergleichend betrachtete. Ausser Ctenophoren, V) Das Literaturverzeichniss findet sich bei H i n c k s, A bistoi y of the British Hydioid zoophytes, London l868, I, p. 327— 330 und bei Felkes, Bibliography to acompany Selections from embryological Monographs, Buk of the Älus. of Com. Zook at Harvard College, Bd. XI, N. 10. In diesem Verzeichnisse vermissen wir viele bedeutende Schriften, Avie z. B. das eben citirte AVerk von Hincks, ferner einige Arbeiten von Busch, Leuckart, F. E. Schulze u. A. 2) Contributions to the Xat. Hist. of the Un. St. of America, Bd. III, 1860 und TV, 1862. 3) Unters, üb. d. Entw. d. Coelenteraten, GBttinger Nachrichten 1868, N. 7, p. 154. EINLEITUNG. Q Actinien und Agalma zog er in den Kreis seiner Untersuchungen auch zwei Medusen: Pclagia noctihica und Eiicope herbei. Nach- dem er die Entodermbildung durch Einstülpung schilderte, fügte er folgende Bemerkung hinzu: „Diese Bildung der Verdauungs- höhle berechtigt uns dieselbe mit dem Darme anderer Thiere zu vergleichen und den Raum zwischen den Darmwandungen und den äusseren Bedeckungen der Pelagia, welcher sich aus der Furchungshöhle g-ebildet hat, als Leibeshöhle dieser Meduse anzusehen." In dieser Schlussfolgerung begegnete sich Kowa- levsky mit einem talentvollen, leider zu früh verstorbenen russischen Zoologen Noschin, welcher in seiner einzigen ver- fassten Arbeit ^) (in welcher er über seine Studien zur „Auf- findung eines allgemeinen Gesetzes der gegenseitigen Lagerungs- verhältnisse der Gewebe der Organe und ihrer respectiven Betheiligung an deren Entwicklung'- erwähnt) ganz dieselbe Meinung über die Haupttheile des Coelenteratenorganismus äusserte. Bei Eucope fand Kowalevsky eine abweichende Entodermbildung, „so dass es sehr schwer wird sie morpho- logisch zu deuten". Die ausführliche Abhandlung Kowa- levsky's ist erst im Jahre 1873 in russischer Sprache erschienen.^) Sie enthält — was die Medusen anbelangt — ein Capitel „über die Entwicklung der Campanularia aus Eticopc polystyla Geg." ein anderes ,,über die Entwicklungsgeschichte der Cassiopea horbo7iica d. Ch. mit Bezugnahme auf die Entwicklung der Rhizostoma Czwüri und Aurelia aurita Per" und noch ein Capitel, betitelt: „Zur Entwickelungsgeschichte der Pelagia nodiluca.^^ Da diese Arbeit den meisten Zoologen nur nach einem Referate Hoyer's bekannt ist, so werde ich sie hier verhältnissmässig ausführlicher wiedergeben. Das Ei von Eucope polystila Geb. (Obelia polystila Hack.) erfährt eine reguläre Furchung und verwandelt sich in eine einschichtige Blase, an welcher die Entodermbildung beginnt. „Die erste Veränderung, welche sich am Blastoderm offenbart, besteht darin, dass an der inneren Oberfläche seiner einzelnen Zellen oder an mehreren Zellen auf einmal stark lichtbrechende Fetttröpfchen heraustreten. Diese Tröpfchen trennen sich allmälig vom Blastoderm ab, indem sie kugelförmig werden, und schwimmen frei in dem flüssigen Inhalte der Segmentationshöhle oder haften an die Wand der 1) Bulletin du l'Academie Iraper. de St. Petersbourg, Bd. VIII, 1865, p. 218. 2) Beobachtungen üb. d. Entw. d. Coelenteraten, aus den Mittheilungen der k. Gesellschaft der Liebhaber der Naturlehre, Anthropologie und Ethnographie. Der Separatabdruck ist im Jahre 1873, der betreffende Band X, Lieferung 2 erst im Jahre 1874 erschienen. lO EINLEITUNG. Blase an. In einigen solchen Körpern, unter Einwirkung von Essigsäure, konnte ich einen Kern unterscheiden, während der- selbe in der Mehrzahl der Fälle nicht aufzufinden war. So -weit ich bemerken konnte, sondern sich diese P'ettkügelchen, wie ich sie von nun an bezeichnen werde, fast auf der ganzen inneren Blastodermfläche ab und dabei ohne jeder Regularität. Es gelang mir nicht das Verhältniss dieses Körpers zu Zellen aufzuklären.'^ Nachdem auf diese Weise die Entodermbildung begonnen hat, verlängert sich der Embryo und bedeckt sich mit Flimmer- haaren, wobei die Fettkügelchen sich zu einer am hinteren Larven- theile concentrirten compacten Masse anhäufen, welche allmälig die ganze Segmentationshöhle ausfüllt. Bei den sich normal weiter entwickelnden Larven lichtet sich das Entoderm im Cen- trum, worauf es als eine sehr gross werdende verdauende Höhle erscheint, deren Entodermwandungen eine deutlich zellige Structur bekommen. Das Entoderm zerfällt dabei in zwei Schichten, deren Bedeutung unserem Autor unbekannt geblieben ist. Nach dem Festsetzen verwandelt sich die Larve in eine runde Scheibe, an welcher man zwei Cuticularschichten, ein aus mehreren Zelllagern bestehendes Ectoderm und ein ebenfalls mehr- schichtiges Entoderm unterscheidet. Bei sämmtlichen vonKowa- levsky beobachteten Aeraspeden bildet sich das Entoderm durch Einstülpung eines kleineren Blastodermabschnittes; bei Aurelia und Cassiopea (Cotyloriza), wo die Furchungshöhle durch ihren geringerenUmfangsichauszeichnet, wird dieselbe vollständig durch die Entodermeinstülpung verdrängt, während bei Pelagia, bei welcher sich ein noch kleinerer Bruchtheil des Blastoderms einstülpt, der Entodermsack nur den hinteren Abschnitt der Larve einnimmt, „die Furchungshöhle aber vollständig bestehen bleibt. Bei Cassiopea verwächst die Einstülpungsöffnung, so dass die Larve mundlos wird, während sie bei Pelagia in die definitive Mundöffnung übergeht. Die befestigten Cassiopea- larven behalten eine Zeitlang noch ihre abgeflachte Form bei, um dann in eine pyramidale überzugehen. Es bildet sich darauf eine ectodermale Einstülpung;, deren Boden sich atrophirt, so dass eine offene Communication zwischen der neugebildeten Höhle und dem Entodermsacke zu Stande kommt. Zu gleicher Zeit werden durch das Hereinwachsen der Ectodermtasche zwei Entoderm-streifen abgesondert, welche wahrscheinlich sowohl die vier Längsmuskeln, als auch einen ovalen Sphincter erzeugen. Auf späteren Stadien bildet sich eine nochmalige Ectoderm- einstülpung, welche Kowalevsky mit dem Actinienmagen vergleicht; die neugebildete Wand bleibt indessen nicht lange EINLEITUNG. I I nach unten gerichtet, sondern streckt sich in horizontaler Richtung aus und stülpt sich nach Art eines Rüssels nach Aussen. Um diese Zeit entstehen die vier ersten und bald darauf vier neue Tentakeln, welche mit den ersteren alterniren. Bei Beobachtung der spätesten von ihm untersuchten Stadien fand Kowalevsky einen ansehnlichen Hohlraum, den er mit der Leibeshöhle anderer Thiere, namentlich solcher, wo die letztere vom Bindegewebe erfüllt ist, vergleicht. Nachdem sich das Entoderm bei Pelagia eingestülpt hat, fängt die Larve an, in Längsrichtung zu wachsen, worauf sie die Gestalt einer vierseitigen Pyramide annimmt. Dann aber wird sie verhältnissmässig kürzer, dafür aber viel breiter, so dass sie schliesslich die charakteristische Scheibenform annimmt. Es entstehen zunächst vier Auswüchse, welche sich bald ver- doppeln, so dass im Ganzen acht Lappen erscheinen, in welche ebenso viel Entodermausstülpungen eintreten. Aus dem ver- dickten Theile des die Lappen überziehenden Ectoderms ent- stehen die Randkörper und wahrscheinhch auch die radialen Muskeln. An einigen Stadien der Pelagiaentwicklung sah Kowa- levsky vom Entodermsacke aus ganze Züge kleiner Körnchen, unter welchen sich vielleicht auch einige zellige Elemente befanden, abgehen und, die ganze Furchungshöhle durchdringend, bis zum oberen Ectoderm reichen. Da diese Körnchen keine Gewebe liefern, so glaubt Kowalevsky in ihnen eine rein embryologische Bedeutung erblicken zu dürfen. Er vermuthet nämlich, dass diese Erscheinung mit der von ihm bei Eucope beschriebenen Entodermbildung homolog ist und dass wir in der Embryologie der Pelagia die beiden Hauptarten der Ent- stehung dieses Keimblattes (durch Blastodermeinstülpung und durch Ablösung der Blastodermzellen) ausgedrückt linden. Bevor die ausführliche Arbeit Kowalevsky's in die Oeffentlichkeit gelangte, nachdem ich mich aber durch das vStudium der Echinodermentwicklung von der Homologie des Gastrovascularsystems mit der Peritonealhöhle sammt Wasser- gefässsystem undDarmcanal derEchinodermen überzeugt hatte ^), musste ich die Entwicklung der Coelenteraten selbst in Angriff nehmen. Zu diesem Zweck begab ich mich im Winter i86g und 1870 nach der Riviera di ponente (San Remo und Villafranca), wo es mir gelungen ist, die Entwicklungsgeschichte einiger Medusen (Geryonia proboscüialis, Cannarina hastata Hack., Aegi- 1) Entwicklungsgeschichtliche Beiträge, M^I. biolog. de l'Acad. J. d. St. Peters- bonrg, Bd. VI, 1868, p. 730. 12 EINLEITUNG. nopsis nicditerranea J. ]\Iüll., Polyxenia liicostyla, sowie einiger Oceaniden und Campanulariden zu verfolgen. Die Hauptresultate, Theilung des Blastoderms bei Geryonia in beide Keimblätter, directe Entwicklung dieser Meduse, sowie Aeginopsis und Polyxenia, aus dem Ei und die Bildung bei den beiden letzt- genannten Formen von maulbeerförmigen Keimen, welche sich in beide Keimblätter abspalten, sind von mir in einer kurzen Notiz im Jahre 1870 mitgetheilt worden.') Die Publication des ausführlichen Aufsatzes, welcher im Jahre 1872 an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg abgeliefert wurde, ver- zögerte sich bis zum Jahre 1874, als er in der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie erschienen war. -) Unterdessen ver- öffentlichte Fol^) eine hervorragende Arbeit über die erste Entwicklung des Geryonideneies, in welcher er sein besonderes Augenmerk auf die Veränderungen der Kerne bei der Eifurchung richtete und ebenfalls die Bildung beider Körperschichten durch Theilung des Blastoderms betonte. In einem allgemeinen Ueber- blick über die Bildung der Keimblätter bei Coelenteraten kommt Fol zum Schlüsse, dass sie in der Mehrzahl der Fälle durch Spaltung statt einer Einstülpung hervorgehen". Ganz entgegengesetzter Meinung ist HäckeH), welcher einen solchen Bildungsmodus überhaupt bezweifelt .und behauptet, dass wenn die Delamination auch wirklich „erwiesen sein sollte, würden wir sie auf die ursprüngliche Gastriila invaginata zurück- führen und annehmen, dass sie aus dieser durchgefälschten oder abgekürzten Vererbung oder durch andere coenogenetische Pro- cesse secundär entstanden ist." Er hält vielmehr für unzweifel- haft feststehend, dass sich bei sehr vielen Coelenteraten aus ver- schiedenen Classen die Entodermbildung durch Einstülpung der Archiblastula bildet, so dass diese Thiergruppe überhaupt eine wichtige Stütze für seine Gastraeatheorie abgibt. In den letzten Jahren hat die Embryologie der Medusen die Aufmerksamkeit nur weniger Zoologen auf sich gezogen, welche sich dabei vorzugsweise für die Entwicklungsgeschichte der Acraspeden interessirten. Es erschienen zwei grössere Arbeiten M Ueb. die Entwicklimfj einiger Coelenteraten, Melanies biologiques tircs du Bulletin de l'Acad. des sciences de St. Pctersbourg. Bd. VII. 1865 — 1871, p. 351. -) Studien üb. die Entw. der Medusen u. Siphonophoren, Zeitschr. f. wiss. Zoo]., Bd.ÄXIV, 1874, p. 15«"., Taf. II— V. ^) Die erste Entw. d. Geryonideneies, Jen. Zeitschr. Bd. VII. 1873, ]i. 471, Taf. XXIV, XXV, ■*) Biologische Studien IL Stud. /.. Gastraea-Theorie, Jena 1877, p. in ff. EINLEITUNG. 1 3 von Claus 1), welche uns manchen Aufschluss sowohl über die Embryonalentwicklung-, als auch über den Generationswechsel der grösseren Quallen (Aurelia, Chrysaora) lieferten. Nach einer regulären Furchung bildet sich entweder eine kleine (Aurelia) oder eine umfangreiche Furchungshöhle, in welche dann ein das Entoderm liefernder Zapfen von Blastodermzellen eimvuchert. Claus hält diesen Process nicht für eine Invagination, sondern stellt ihn in die Nähe einer solchen. Bei Aurelia bildet sich eine schmale Gastralhöhle nebst einem Blastoporus, welcher sich jedoch bei weiterer Entwicklung vollkommen schliesst. Die Planula setzt sich mit dem animalen Pole fest und verwandelt sich in Scyphistoma, wobei Claus nur eine einmalige Entoderm- einstülpung beobachtete. 2) Nach dem Hervorwachsen von vier Radialtentakeln erscheinen vier interradiale Teniolen, welche je einen entodermalen Muskelstrang enthalten. Die Ephyra- bildung erfolgt durch einen Theilungsact, wobei der ganze ovale Abschnitt der Scyphistoma, unter Rückbildung der Ten- takeln, in die erste Ephyra übergeht. Einige embryologische Angaben über Acraspeden enthält die Schrift „Metagenesis und Hypogenesis von Aiirelia aurifa von Häckel^), welcher behauptet, dass unter mannigfaltigen Variationen in der Entwicklung dieser Qualle auch directe Uebergänge von Gastrula zur Ephyra, also ohne Vermittlung von Scyphistoma, unter besonderen Bedingungen vorkommen. In der zweiten der oben citirten Arbeiten Claus' sind sämmt- liche Angaben Häckel's einer wissenschaftlichen Kritik unter- worfen w^orden. Ganz kürzlich ist ferner eine vorläufige Mittheilung „über die Entwicklung der Aurelia aurita und Cotylorhiza borbonica^' von G Ott e^) erschienen. Er konnte ebensowenig wie Claus eine Entodermeinstülpung finden, sondern beobachtete eine ganz un- regelmässige Einwanderung vonEntodermzellen in die Furchungs- höhle, wobei sich jedoch bald als secundäre Aushöhlung ein mit Blastopor ausmündender Darm bildete. In Uebereinstimmung 1) Studien über Polypen u. Quallen d. Adria, Denkschr. der k. Akad. der Wissensch., Wien, Bd. 38, 1878, p. I ff-, Taf. I., ferner: Untersuchungen über den Organis. u. Entw. d. Medusen. Prag 1883, p. l— 21, 84—87, Taf. I— III, XVI, XVII. 2) Es ist ein Missverständniss, wenn Claus meint, als ob Kowalevsky die erste Ectodermeinstülpung der ScypWstoma „bis zum Fussende fortwachsen" lässt. Im russischen Texte ist eine solche Angabe nicht enthalten, und es wird im Gegen- theile hervorgehoben, dass die neueingestülpte Höhle sich in Folge der Obliteration der Scheidewand mit der Urdarmhöhle verbindet. 3) Jena 1881. *) Zoologischer Anzeiger, VIII. Jahrg., Nr. 205, pag. 554. 14 EINLEITUNG. mit Kowalevsky und Claus sah Götte eine stomodaeale Ecto- dermeinstülpung; ganz abweichend schildert er dagegen die Entstehung der \'ier jMuskelstränge, welche sich aus vier trichter- förmigen Einstülpungen des perioralen Ectoderms bilden. Die Entodermabschnitte, aus welchen Kowalevsky diese ]\Iuskeln ableitet, hält Götte für die beiden ersteren Magentaschen, zu welchen sich später noch zwei neue gesellen. "Wenn somit, nach Claus und Götte, die Acraspeden keine eigentliche Invaginationsgastrula, sondern nur eine ihr mehr oder weniger nahe stehende Embryonalform besitzen, zeichnet sich die von vielen Zoologen für eine Acraspede gehaltene Lucer- navia, nach Kowalevsky^), durch einen gänzlichen Mangel eines Gastrulastadiums aus. AVenn der genannte Forscher auch nicht herausbringen konnte, ob die ersten Entodermzellen durch Theilung oder Auswanderung von Blastodermzellen hervor- gehen, so behauptet er doch entschieden, dass eine Einstülpung dabei nicht stattfindet. Der Keim bleibt solid und theilt sich in beide Keimblätter, wobei das Entoderm sich in eine Reihe knorpelähnlicher Zellen anordnet. Die flimmerlose Larve bewegt sich durch Kriechen und verwandelt sich in einen abg^erundeten Zustand, dessen weitere Entwicklung nicht verfolgt werden konnte. Ueber die Entodermbildung" und die Entwicklung einiger Craspedoten machte ich. der ich mich schon längere Zeit mit der Medusenembryologie beschäftige, einige zum Theil gelegent- liche jMittheilungen. Ich^) wiederholte die Untersuchung des Delaminationsprocesses der Geryoniden von Neuem und konnte meine früheren Angaben bestätigen und vervollständigen. Ausser- dem gab ich die Beschreibung einiger jüngeren Stadien der im Geryoniamagen parasitirenden Cuninen, wobei sich als besonders auffallend eine grosse amöboide .Stützzelle herausstellte. Den Vorgang der Entodermbildung bei Hydromedusen bezeichnete ich seit 1879 ^^^ eine „Einwanderung einzelner Blastulazellen in die Centralhöhle*' ^), wobei ich mich auf eigene Erfahrung- stützte. Im Jahre 1880 gab ich eine kleine Xotiz*) über denselben Gegenstand. ,,Bei Eucope und Tiara bildet sich das Entoderm aus Zellen, welche am hinteren Pol in die Blastulahöhle hinein- 1) Ibid, Vll.Jahr^j., Nr. 184, p. 712. ^) Vergleichend-embryologische Studien, Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XXXVI, 1882, p. 433. ^) Spongiologische Studien, Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XXXII, 1879, p. 382. *) Bericht iil)er eine Reise in's Ausland, im Jahre 1879/80, in den Schriften der neurussischen Universität in Odessa, Bd. XXXI, 1880. EINLEITUNG. 1 5 treten; es ist indessen unentschieden geblieben, ob diesem Vor- gänge eine Quertheilung vorhergeht." Auf der Naturforscher- Versammlung in Odessa im Jahre 1883 machte ich^) eine Mit- theilung über die Entodermbildung der Medusen, auf Grund erneuter Untersuchungen, und besprach zugleich die von mir be- obachtete directe Entwicklung der Agla7ira heniistoma aus dem Ei. Unterdessen sind einige Arbeiten anderer Forscher über die Craspedotenentwicklung erschienen, welche ebenfalls eine besondere Rücksicht auf die Entodermbildung nahmen. Im Jahre 1882 berichtete Claus ^) über die Larvenbildung bei Aequorea Forskalii, wobei er den Process der Entodermbildung als ,, polare Einwucherung" bezeichnete, indem sich am hinteren Ende der schwimmenden Larve ein Zellenpropf bildet, welcher allmälig die Blastulahöhle erfüllt. Diesen Vorgang hält Claus für nahe verwandt mit der Invagination, von w^elcher er nur dadurch verschieden ist, dass die centrale zur Gastralhöhle werdende Aushöhlung nicht sogleich gebildet wurde und anstatt primär von der Oberfläche aus, erst secundär durch Spaltung innerhalb der Zellenmasse entsteht^'. Mit einer Delamination wie sie von Allman bei Laomedea beobachtet wurde, hat die polare Einwucherung nach der Ansicht unseres Forschers ,,gar nichts zu thun^'. In seiner ausführlichen Arbeit bespricht Claus ^) die Furchung, welche sich durch ungleiche Grösse der Blasto- meren auszeichnet, und geht dann zur Larvenbildung über. ,,Mit der weiteren Entwicklung verdickt sich die Wand des hinteren kegelförmig vorspringenden Blasenabschnitts immer stärker, indem die denselben bildenden Zellen an Höhe bedeutend zu- nehmen. Man überzeugt sich, dass diese Zellen unter Theilung- in die innere Höhle der Keimblase vorzuspringen beg'innen und dass dieselben einen förmlichen Pfropf bilden, der in der Wandung eingekeilt, seine Elemente allmälig in das Innere des Blasen- raumes verschiebt" (p. 85). Claus stellt diesen Bildungsmodus der Delamination g^egenüber und findet zwischen beiden grundleg'ende Verschiedenheiten, während er dessen Aehnlichkeit mit der oben referirten Entodermbildung der Acalephen besonders betont. Eine fast gleichzeitig erschienene Arbeit von M e r e j k o w s k y ^) über die Entwicklung von Obelia beschäftigt sich auch vor- ^) Bericht über die VII. Naturforscher -Versammlung. Zoologische Section, 1883, p. 6 (russisch). 2) Zoologischer Anzeiger, V. Jahrg., 1882, Nr. 112, p. 284. 3) Untersuch, üb. d. Org. u. Entw. d. Medusen, 1883, P- 84. Taf. XVI, XVII. *) Histoire du developpement de la Meduse Obelia, Bulletin de la Soc. zool. de France, Bd. VIII, 1883, p. 18. 1 6 EINLEITUNG. zugsweise mit der Frage der Entodermbildung dieser Meduse. Der russische Forscher weicht in mancher Beziehung von der Darstellung von Claus ab und kehrt zur Annahme einer Ein- wanderung der Blastodermzellen zurück. Nach ihm findet der Migrationsprocess sehr langsam statt, weil nur einzelne Zellen gleichzeitig das Blastoderm verlassen, so dass zwischen dem letzteren und dem Entoderm stets eine scharfe Trennungslinie zur Beobachtung kommt. Merejkowsky gibt auch die Schil- derung der Metamorphose und behauptet schliesslich, dass Obelia selbst, ähnlich wie das in früheren Jahren von P. van Bene- den angenommen worden ist, sich in einen Hydroiden ver- wandelt, eine Angabe, welche übrigens ohne jeden Beweis auf- gestellt worden ist. Aus den Abbildungen Merejkowsky's lässt sich eher der Schluss ziehen, dass es sich um pathologische Rückbildungserscheinungen handelt. Die Darstellung, welche Hamann') über die Entoderm- bildung der Tiara leucostyla in demselben 1883 gegeben hat, stimmt weit mehr mit Angaben von Claus, als mit denjenigen von mir und Merejkow^sky überein. Er schildert den Process auch als eine Einwucherung vom hinteren Pol aus. ,,In kurzer Zeit beginnt nun am hinteren Ende eine Zellenwucherung, eine Zelltheilung der exodermalen Zellen. Die Theilungsproducte rücken in die Furchungshöhle hinein und füllen dieselbe nach und nach aus. wobei die Anfüllung vom hinteren Ende nach dem vorderen successive fortschreitet." ^^Am Schluss dieses Processes haben wir eine Gastrulaform vor uns, bei welcher das Entoderm durch eine Zellmasse dargestellt wird, in welcher in Form einer .Spalte sich der Centralraum anlegt." Endlich habe ich noch über eine Mittheilung von Brooks'^) zu berichten, welcher die Entodermbildung bei Eiifivia mtra Mc. Cr. beobachtete und dieselbe als eine an der ganzen inneren Blastodermfläche stattfindende Delamination schildert. Die Pla- nula zeichnet sich durch Bildung einer eigenthümlichen Cement- drüse aus, wobei an der Larve ein doppelt symmetrischer Bau- plan zum Ausdruck kommt. Das Polypenstadium reiht sich an die von Claus beschriebenen Campanopsidenformen an. Parallel mit der Medusenentwicklung ist in beiden letzten Decennien auch die Entwicklungsgeschichte der Hydropolypen in Angriff genommen worden. In den grösseren Werken eng- ') Beiträfje z. Kenntn. d. Medusen, Zeitsclir. f. wiss. Zool., VA. XXXVTTT, 1883, p. 426-428, Taf. XXIII. 2) On the Life History of Eutima. Zuol. Anz., VII. Jahr<,'., 1884, N. 184, p. 709. F.IXLEITUXG. 17 lischer und amerikanischer Zoologen, wie Allman^), Alex. Agassiz^), sind viele Angaben über verschiedene Entwicklungs- stadien dieser Thiere enthalten. Der erstere gibt ausserdem eine zusammenfassende Darstellung der Embryologie von Lao- medea flexiwsa, wobei er die ziemlich reguläre, zur Morula führende Furchung und die darauf folgende Delamination des Keimes behufs Blätterbildung beschreibt. Uebereinstimmend damit sind die wenigen Angaben, welche F. E. .Schulze 3) über die Embryonalentwicklung der Cordylophora laaisfris AI Im. gemacht hat. Eine Delamination hat ebenfalls Fraipont*) bei Campanulan'a angulafa beobachtet, dessen Untersuchungen auch in anderer Hinsicht die herrschenden Anschauungen bestätigen. Abweichend dagegen ist die von Ciamician^) gegebene Dar- stellung der Keimblätterbildung bei Tiibidaria Mesembryanthemiim Allm. Er beschreibt bei dieser Hydroidenform einen irregulären Furchungsprocess, w^elcher zur Bildung grösserer und kleinerer Blastomeren hinführt. Die letzteren wachsen die ersteren um, eine epibolische Gastrula bildend, deren Entoderm einen com- pacten Haufen grösserer Zellen darstellt. Der auf diese Weise entstandene doppelblätterige Keim verwandelt sich unter Ten- takelbildung allmälig zur sogenannten Actinula, deren Ver- wandlung Ciamician in Uebereinstimmung mit früheren Forschern beschreibt. Die Keimblätterbildung der Tubularien ist seitdem von Kleinenberg*^), Balfour^), mir^) und Hamann^) nach- untersucht worden, welche bei diesen Hydroiden (es wurde auch dieselbe Species wie bei Ciamician beobachtet) indessen eine gewöhnliche Delamination anstatt der Epibolie auffanden. Der letztgenannte Forscher untersuchte ausserdem noch mehrere andere Hydropolypen auf ihre Entwicklung und kam dabei zum allgemeinen Schlüsse, dass die Planula, wie es scheint, „stets durch einen Delaminationsvorgang gebildet w^ird" (a. a. O. p. 503). Bei Halecum feiiellum beschreibt er übrigens eine 1) A Monograph of the Gymnoblastic or Tubularian Hydroids, 1871 (Ray Society). 2) Illustrated Catalogue of the ^Museum of Comparative Zoology, II., North american Acalephae, Cambridge 1865. 3) Ueb. d. Bau u. d. Entw. d. Cordylophora lacustris. Leipzig 1871, p. 38. *) Archives de zool. experim. Bd. VIII, 1879— 1880, p. 442. 5) Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XXXII, 1879, p. 335> '^^^- ^I^- *') Balfour's Handbuch d. vergl. Embryologie. Deutsche Uebers., I, 1880» p. 148, Anni. 2. ') Ibid. 8) Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XXXVI, 1882, p. 437. ö) Der Organismus der Hydropolypen, Jenaische Zeitschrift, Bd. XV, 1882, p. 480 ff. Metschuik of f. Embryolog. Studien an Medustni. 2 l8 EINLEITUNG. ganz andere Entodermbildung, welche von ihm als eine Ein- rückung der vom äusseren Keimblatte gebildeten Zellen in die Furchungshöhle aufgefasst wird. ,,Von einer Delamination — sagt unser Autor — kann hier kaum gesprochen werden. Der Vorgang scheint sich eher der Invagination anzuschliessen" {a. a. O. p 528). Ganz abweichende Embryonalvorgänge sind für jMyriothela und Hydra angegeben worden. Bei der erstgenannten Form soll nach Korotneff ^) keine eigentliche P'urchung, sondern eine Bildung kleiner, im Dotter angesammelten Zellen, welche sich vom Centrum nach der Peripherie begeben, stattfinden. Darauf- hin sollen die Embryonalzellen das Eiplasma und den Dotter absorbiren und schliesslich eine Morula erzeugen, welche sich nunmehr in zwei Keimblätter abspaltet. Die beigegebenen Ab- bildungen lassen indessen auch eine andere Deutung zu. Mög- licherweise sind die Contouren der Blastomeren nur undeutlich von einander geschieden und deshalb von Korotneff für ein homogenes Keimplasma gehalten worden. Seine Embryonalzellen werden dann natürlicherweise keine ganzen Zellen, sondern nur deren Kerne mit angrenzender Protoplasmaschichte repräsentiren. Der zweiblätterige Keim erhält eigenthümliche, durch Einstülpung sich bildende Larvententakel und der Embryo verwandelt sich in eine Actinula in der früher von Allman angegebenen Weise. Noch eigenthümlichere, zum Theil noch unaufgeklärte Erscheinungen, sind bei Süsswasserpolypen beobachtet worden. So beschreibt Kleinenberg, ^) dass vom zweiblätterigen Keime das peripherische einschichtige Blatt gänzlich in eine chitinige Schale übergeht, während der centrale Theil allein den ge- sammten Embryo liefert. Bevor dies geschehen ist, verschmelzen sämmtliche Keimzellen zu einem Plasmodium, in dessen Innern später die künftige Gastrovascularhöhle zum Vorschein kommt. Das Plasmodium scheidet sich nun in eine Ectoderm- und eine Entodermlage, in welchen auf unbekannte Weise die zelligen Elemente von Neuem erscheinen. Der Embryo streckt sich dann in die Länge, bekommt eine Mundöffnung und verwandelt sich in eine junge Hydra. In letzteren Jahren hat Korotneff^) die Entwicklung.sgeschichte des Süsswasserpolypen nachuntersucht ^) Versuch einer vergleichenden Erkenntniss der Coelenteraten, in Schriften der k. Gesellschaft d. Liebhaber etc. in Moskau. Theile TT u. TU, Moskau 1880, p. 2;— 33. 2) Hydra, Leipzig 1872, p. 48 — 80. ^} Zur Kenntn. d. Embryologie v. Hydra, Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XXXVIH, 1884, p. 314, Taf. XIV. EINLEITUN-G. IQ und viele Resultate Kleinenberg's im Ganzen bestätigt. Ein sechzehnzelliges Furchungsstadium besitzt eine Furchungshöhle, welche erst allmälig von Entodermzellen ausgefüllt wird, die sich durch Theilung von Blastodermzellen bilden. Das Ectoderm erfährt eine „Histolyse" und verwandelt sich in die Schale, während das definitive Ectoderm aus dem Entoderm hervor- gehen soll. Viel einfacher gestalten sich die Dinge nach Kerschner,^) welcher indessen blos eine vorläufige Mittheilung veröffentlicht hat. Nach ihm bildet sich das Entoderm durch eine Einwanderung von Blastodermzellen in die Furchungshöhle, welche vom unteren Eipole stattfindet. Das Ectoderm bleibt erhalten, sowie das Entoderm, welches ein bindesubstanzähnliches Aussehen annimmt. Aus der gegebenen Uebersicht lässt sich ersehen, dass die wichtigsten Embryonalerscheinungen bei Medusen eine auf- fallende Mannigfaltigkeit aufweisen und noch lange nicht so weit erforscht sind, dass man sie unter einen allgemeinen Gesichts- punkt unterzubringen im Stande wäre. Wie verschieden sind in dieser Beziehung complicirtere Thierstämme, z. B. die Ambulacrarien oder Mollusken, wo die grundlegendsten Em- bryonalvorgänge,^ wie die Entodermbildung, in einer überein- stimmendsten Weise verlaufen? Da es vorauszusehen war, dass ein näheres Eingehen in die embryologischen Erscheinungen der Medusen nicht nur die Kenntniss der Entwicklungsgeschichte dieser Thiere fördern, sondern auch die allgemeineren Fragen der vergleichenden Embryologie etwas aufzuklären im Stande sein könnte, so unternahm ich, wie es schon aus dem historischen Ueberblick zu ersehen ist, eine vergleichende Untersuchung der hauptsächlichsten Entwicklungserscheinungen der genannten Thiergruppe. Zu diesem Zwecke machte ich im Laufe der letzten fünf Jahre mehrmalige Excursionen an das Mittelmeer. Ich begann meine Studien in Neapel im Jahre 1880, wo ich indessen nur wenige Formen untersuchen konnte; glücklicher war ich in dieser Beziehung in Messina, wo ich vom November 1882 bis Anfang Mai 1883 arbeitete und die hauptsächlichen Resultate der vorliegenden Untersuchung gewann; da ich jedoch meine Beobachtungen noch nicht für abgeschlossen halten konnte, so begab ich mich nach Villafranca (Februar bis Mai 1885), um die wichtigsten Lücken auszufüllen und die früher erhaltenen Resultate einer nochmaligen Prüfung zu unterwerfen. So entstand 1) Zur Entwicklungsgeschichte von Hydra, Zool. Anz., Jahrg. III, i880r Xr. 64, p. 454. 20 EINLEITUNG. die vorliegende Arbeit^ weche^ trotz der angewandten Mühe, doch noch unvollständig genug geblieben ist. Es ist von mir die Entwicklungsgeschichte folgender Arten untersucht worden ^) Jiara ptleata K\. Ag. (Villafranca 1870 und Neapel 1880), Ocea)ii<^ armata Köll. (Villafranca 1870, Messina \%^z\%'^,RathkeafasciculataY\^kc^L.{},\.e'&'&\xvdi \^^2\%i),Laodice critciata L. Ag. (Villafranca 1870 und 1885), Clytia ßavidiila 7///'/?/ (Neapel 1880, Villafranca 1885), Clytia viridicans uiiJii (Villafranca 1870 und i^d>^),Ocio/'chis Gfgendauri üä-ch. (Villafranca 1 885), -.^^/rzz/r hemistoma (Messina 1883), Liriope mucronata Geg. (Neapel 1880, ]\Iessina 1883); Gcryom'a probscidalis Esch. (Neapel 1880, Messina 1883), Polyxcnia leucostyla AVill. (Neapel 1880, Messina 1883, Villafranca i885),^4^_»'/>«<9/j-/j-/;/^<^/?eT;'«^/'^qx\. aufgeammt wird. Die von Clytia erzeugten Medusen erhebt Häckel zu einer neuen Gattung Eucopium. Gegen diese Annahme hat sich neuerdings Claus =*) ausgesprochen, welchem es überaus wahr- scheinlich geworden ist, dass Phialidium von Clytia und nicht von Campanulina abstammt, sowie ferner, dass Eucopium keine selbständige Form, sondern nur eine A^arietät von Phialidium ist. Meine eigenen, an Clytia flaviduhim und viridicans ange- stellten Beobachtungen haben gezeigt, dass Phialidium in der That nichts mit Campanulina zu thun haben, sondern von echten Clytien aufgeammt werden, weshalb auch der Gattungsname Phialidium in denjenigen von Clytia umgetauft werden konnte. Bei beiden Arten verwandelt sich die freischwimmende Larve in eine rundliche Platte, von welcher in zweiter Instanz sowohl die Hydrorhiza-Aeste als gestielte Hydranten auf knospen (Taf. II, Fig. 8, 9). Die scheibenförmige Anlage differenzirt sich unter- dessen zu einem segmentirten Körper, welcher anfangs sehr regelmässig und medusenähnUch erscheint, später aber unregel- mässig verzw-eigte Wurzelzweige liefert. Einmal beobachtete ich, dass drei Larven von C. flavidulmn sich dicht nebeneinander festsetzten und sich in ebensoviel Scheiben verwandelten; die Weiterentwicklung zeigten indessen nur zwei Individuen, während das dritte keine Knospen erzeugte, sondern sich schliesslich mit den Scheibenästen eines der ersteren vereinigte (Taf. II, Fig. 8). Der Polypenzustand bei C. flavididuni und viridicans ist überhaupt sehr ähnUch, nur sind die Hydranten der letzteren überhaupt viel kleiner und gradier, als bei der erstgenannten Species. Die Hydrotheca erscheint anfangs ganzrandig, bekommt aber später breite rundliche Ausbuchtungen, die ich übrigens nur bei C.flavidulum beobachtet habe. Bei dieser Species konnte ich mehrmals die Bildung der medusoiden sogenannten Plano- blasten verfolgen, welche an der Basis der Hydrorhiza stattfand (Fig. 9) ; der eingeschnürt conische Planoblast erschien von eine r 1) Contributions to the Nat. Hist. of the Unit. St. IV, p. 306, North Americ. Acalephae, p. 78. 2) System der Medusen, p. 168, 186, 187. 3) Unters, üb. Organ, u. Entw. d. Mediis. p. 87. 86 VIERTES CAPITEL. glatten feinen Cuticularmembran überzogen^ welche ausser einer einzigen Einbuchtung keine ringförmigen Bildungen, wie sie für Clytia charakteristisch sind^ besass. Ich glaube übrigens^ dass solche Ringe erst auf einem viel späteren Stadium auftreten, so dass ihr Mangel keineswegs als definitiv zu betrachten ist. Am Spadix beobachtete ich die Bildung von ]\ledusengemmen^ welche bei meinen Thieren äusserst spärlich waren, was wohl durch die ungünstigen Lebensbedingungen zu erklären ist. Oftmals erschien der Pianoblast erst nach vorheriger Atrophie des Hydranten und erzeugte dann nur eine einzige Meduse. Solche Erscheinung fand gewöhnlich in der Nähe des Wasserspiegels statt;, zur Zeit als das Wasser merklich verdunstete, was wohl die Polypen in ungünstige Bedingungen versetzte; es erinnerte dies an die Ablösung der Vorticellen von ihren Stielen (unter Ausbildung des hinteren Wimperapparates), welche so oft unter Eintretung ungünstiger Lebensfactoren beobachtet wird. Die Beschreibung der jungen, eben ausgeschlüpften ]\Ieduse von C. flaviduliifit habe ich bereits in medusologischen ]\Iitthei- lungen gegeben (Taf. I, Fig. 15); so dass ich einfach darauf verweisen kann. Die Planulalarven der von mir untersuchten Hydropolypen (Eudendrium, Campanularia, Plumularia, Sertularia) reihen sich sämmtlich an den zw^eiten oben aufgestellten Typus an. Sie sind contractionsfähig und enthalten fadenförmig'e Ausläufer der Ectodermzellen; sie verwandeln sich auch in abgeplattete Scheiben, welche sich zu Hydrorhiza umbilden und vom Centrum aus die erste Hydrantenknospe liefern. Die Planulalarve von Nausithoe inarginata hat überhaupt eine grosse Aehnlichkeit mit späteren Planulazuständen mancher Hydromedusen, obwohl sie keine für die letzteren charakteri- stische Zungenform annimmt. Die ovale Larve (Taf. X, Fig". 19) bewegt sich vermittelst langer Geissein der Ectodermzellen (Fig. 20) und erscheint vollkommen mundlos. Der Blastopor verwächst vollständig, ebenso wie bei der Larve von Aurelia aurita. Das dicke Ectoderm lässt deutlich zwei Lagen unter- scheiden: ein feinkörniges Ectoplasma und ein grobkörniges, gelb gefärbtes Endoplasma; im ersteren sind die am hinteren Körperende concentrirten Nesselkapseln enthalten, während die Kerne sich an der Grenze beider Lagen befinden. Bei Unter- suchung zerklopfter Larven findet man zwischen gewöhnlichen Ectodermzellen noch eine kleinere Form, welche sich durch äusserst dünne, fadenförmige, verästelte und zum Theil varicöse Ausläufer auszeichnet (Fig. 20, C, D). Die bezeichneten Merkmale LARVEN METAGEXETISCHER IMEDUSEN UND DEREN VERWANDLUNG. 87 sprechen sämmtlich zu (Gunsten der Vermuthung-, dass es sich um nervöse Apparate handelt. Die Entodermzellen haften an einander so fest, so dass sie sich nicht gut isoliren lassen; sie hegen dazumal so dicht beisammen, dass sie die Gastrovascular- höhle nicht mehr erkennen lassen. Der überaus grösste Theil solcher Nausithoelarven geht nach einem langen Verweilen in Versuchsgläsern zu Grunde. FoP) bemerkt darüber Folgendes : „Die Larven der Nausithoe schwimmen wochenlang umher, ohne andere Veränderungen zu erleiden, als die Bildungen von Nesselzellen in ihrem Ectoderm. Hierauf gingen mir stets alle zu Grunde." Bei Unkenntniss der Entwicklung von Xausithoe musste ich natürhch meine Larven möghchst schonen und Alles versuchen, um sie zur Verwandlung zu zwingen, was mir auch in sehr seltenen Fällen gelungen ist. Die Planula von Nausithoe verwandelt sich in eine zarte rundhche Platte mit wellenförmigen Contouren (Taf. X, Fig. 21). Die Geisseihaare verschwinden bald, wofür an der äusseren Ober- fläche des Ectoderms eine feinste Cuticularschicht abgesondert wird; die beiden Körperschichten sind deutlich contourirt, und auch die Entodermhöhle ist gut zu sehen, dafür aber lassen sich die zelhgen Elemente auf ersten Verwandlungsstadien nicht von einander trennen. Bei weiterer Entwicklung erweitert sich die scheibenförmige Platte auf ihrer Unterlage, und es entsteht aus der Mitte der ersteren ein schornsteinförmiger Auswuchs, welcher von einem cylindrischen Periderm umgeben wird (Taf. X, Fig. 22). Am spätesten von mir beobachteten Stadium, welches ich, um das Thier nicht zu beschädigen, nur kurze Zeit beobachtete und nicht abgezeichnet hatte, konnte ich unterhalb der Mündung des Cylinders vier kurze und feine, kreuzförmig geordnete Tentakeln wahrnehmen. Das Thierchen lag zurückgezogen in der Chitin- röhre und wollte nicht herauskommen; nach einem längeren Verweilen in einem Versuchsglase ging es zu Grunde, ohne sich weiter verändert zu haben. So dürftig die von mir über die Verwandlung von Nausithoe gesammelten Thatsachen auch sind, so reichen sie doch hin, um festzustellen, dass diese acraspede Meduse einem Generations- wechsel unterworfen ist. Die junge Scyphistoma zeichnet sich aus durch die Ausscheidung eines Cuticularmantels, in welchen das scheue Thier sich zurückziehen kann. Durch diese charak- teristische Eigenthümlichkeit nähert sich dieselbe am meisten >) Die erste Entwicklung d. Geryonideneies, Jen. Zeitschr. VII, p. 488, Anmerk. 2. 88 VIERTES CAPITEL. an das eigenthümliche Wesen, welches von AI Im an ^) als Stephanoscyphiis viirabilis, von F. E. Schulze^) als Spoiigicola fistularis beschrieben wurde. Wie der letztgenannte Forscher bemerkte, stimmt diese eigenthümliche Thierform durchaus mit echtem Scyphistoma. wofür er sie deshalb auch halten möchte, überein. Aus einer kurzen Xotiz K o wale vsky's ^) scheint hervorzugehen, dass er auch die Strobilisirung der „Spo?igi'cola" gesehen hat, denn er sagt : „Bald nachdem ich die betreffenden Thiere in Meerwasser versetzte, fingen die vorderen Enden der Scyphistoma an sich abzutrennen in Gestalt gewöhnlicher Strobilae." (Wohl : Ephyrae.) „Dies zeigte mir sofort, dass ich mit einer im Schwammkörper parasitirenden Scyphistomacolonie zu thun habe." Der Umstand, dass weder AI Im an, noch Schulze Geschlechtsorgane bei den von ihnen untersuchten Thieren fanden, sowohl wie die Thatsache, dass Stephanoscyphus im Mittelmeergebiete, wo auch Xausithoe vorkommt, gefunden worden ist, stimmen mit meiner Annahme, dass diese Scyphistoma- form in den Entwicklungskreis der eben genannten Aleduse gehört, durchaus überein. ^) Annais and niagazine of Nat.-hist. lY. Ser., Vol. XIX, 1874, p. 237. ^) Spongicola fistularis, Archiv für microsk. Anatomie, Bd. XIII, 1877, p. 795, Taf. XLV— XLVII. ^) S. seine russische Abhandlung über die Entwicklung d. Coelenteraten, a. a. O. p. 7. FÜNFTES CAPITEL. Larven der hypogenetischen Medusen. Geryoniden. — Aglauralarven und deren Verwandlung in sog. Trachynema ciliatu7>i Geg. — Bemerkungen über die Larven von Pelagia noctiliica. Während bei Acraspeden sehr nahe verwandte Formen, wie z. B. CJirysaora und Pelagia, sich durch einen ganz ver- schiedenen Entwicklungsmodus auszeichnen können, zeigen uns die Craspedoten, soweit die bisherigen Kenntnisse reichen, eine viel stärkere Congruenz der Entwicklungsweise mit der syste- matischen Stellung. So ist die Hypogenesis nur auf Tracho- medusen und Aeginiden (im weiteren Sinne) beschränkt, bei welchen dafür kein einziges Beispiel vom Generationswechsel bekannt geworden ist. Die Annahme Häckel's, ^) dass bei diesen Medusen (seinen Trachylinae) in seltenen Phallen auch Metagenesis vorkommt, wird durch keine Thatsache gestützt); denn die Vierzahl der Randbläschen bei der jungen Meduse von Lovenella clausa Hincks kann keineswegs als Beweis für die Zugehörig-keit zu Trachylinen angenommen werden, zumal die übrigen Merkmale durchaus mit Campanulariden überein- stimmen. ^) Ebensowenig kann man Häckel folgen, wenn er ^) bestimmtbehauptet, dass die CsiX\r\ot\6.eDiplei{?'osonia ^=Anietrangia hemisphcri'ca AI Im. sich direct, ohne Generationswechsel, ent- wickelt, denn aus den Angaben AUman's, ^) auf welche sich Häckel beruft, geht nur soviel hervor, dass die genannte ]\le- duse lebendig gebärend ist und dass deren Planulae sich durch fast sphärische Körperform und den IMangel an Wimpern von *) Monographie der Medusen. Th. II, l88r, p. 130. ^) Annais and Magazine of Natural history. X. XLIII, 1 871, p. 79, Taf. A', Fig. 2. ^) A. a. O. p. 131, *) Xature, Bd. IX, 1874, p. 74. gO FÜNFTES CAPITEL. den gewöhnlichen Hydroidenlarven auszeichnet. Einstweilen also muss die Annahme^ dass Tubulariden- und Campanulariden- medusen (Leptolinae Hack.) sich ausschliesslich metagenetisch, die Trachomedusen und Aeginiden (Trachylinae Hack.) sich dagegen nur hypogenetisch entwickeln (abgesehen von der Knospung parasitischer Cuninen), noch aufrecht erhalten werden, obwohl es a priori wahrscheinlich ist, dass Ausnahmen von dieser Regel vorkommen müssten. Zur Darstellung meiner Beobachtungen über die directe Entwicklung der Medusen übergehend, will ich mit Geryoniden anfangen, die ich im Stadium der vollzogenen Entodermbildung im dritten Capitel verlassen habe. Die Anfangs unregelmässig geordneten Entodermzellen, welche die Furchungshöhle voll- ständig ausfüllen oder einen Theil davon durchschimmern lassen, lag'ern sich zu einer blasenförmigen Epithelschicht zusammen, die noch fest an das Ectoderm anhaftet (Taf. V, Fig. i8). Bald jedoch beginnt die Ausscheidung der Gallerte zwischen beiden Blättern, weshalb die letzteren sich gleichmässig von einander trennen ; die Entodermzellen senden dabei von ihrer äusseren Oberfläche Protoplasma-Ausläufer ab, welche, die Gallertmasse durchbrechend, bis an die innere Grenze der Ectodermschicht reichen (Taf. V, Fig. 19). Bei Anwendung von Reagentien (z. B. Essigsäure) ziehen sich die Fortsätze sofort zurück, und die beiden Blätter erweisen sich als definitiv getrennt (Fig. 20). Diese Erscheinung, in Verbindung mit Ermittelungen an früheren Stadien, erlaubt uns nicht, die Protoplasmafortsätze als letzte Ueberreste der ursprünglichen Delamination aufzufassen, wie Fol thut. Die ursprünglich ganz gleichartige Diblastula erfährt am dritten Tage nach dem Eierlegen (bei Liriope) charakteristische Veränderungen, welche die Unterscheidung- von oben und unten erlauben. Es bildet sich am Ectoderm eine Stelle, auf welcher die Zelltheilung viel energischer erfolgt, so dass wir eine Ecto- dermplatte aus kleineren und dichter beisammen liegenden Elementen erhalten (Fig. 21); in der Nähe dieser Platte wird die Gallertabsonderung merklich geringer als am gegen- überliegenden Theile des Embryo, welcher nunmehr als der obere bezeichnet werden darf. ]Mit der weiteren Entwicklung wird der Gegensatz noch bedeutender, als die Ectodermblase, durch starke Gallertausscheidung von oben gedrängt, mit der nunmehr aus Cylinderzellen bestehenden Ectodermplatte in Berührung kommt (Fig-. 22) und als auch der untere Entoderm- abschnitt durch geringeres Volumen und durch mehr cylindrische (xestalt der Zellen ausgezeichnet wird. LARVEN DER HYPOGEXETISCHEN MEDUSEN. QI Am sechsten Tage nach dem Eierleg*en weist die Ectoderm- platte (bei Liriope) eine bedeutung-svolle Veränderung auf, welche darin besteht, dass ihr centraler Theil sich abplattet, während dagegen der peripherische merklich dicker erscheint (Taf. V, Fig. 2^); es differenzirt sich somit ein Ectodermring, welcher sich ganz scharf von platten Ectodermzellen der Peripherie absetzt und auch deutlich von der centralen kleinzelligen Scheibe abgegrenzt wird. Die letztere scheidet sich bald noch schärfer ab, so dass wir, bei Betrachtung der Liriopelarve von unten, an der Ectodermscheibe zweierlei Contouren bemerken: den äusseren und den inneren, welche beide den Ectodermring be- grenzen (Fig. 24). Um diese Zeit erscheinen im letzteren auch die ersten Nesselkapseln. Ein ganz entsprechendes Stadium habe ich auch bei Geryonia proboscidalis beobachtet (Taf. VI, Fig. II, 12), nur dass es hier etwas später, erst am siebenten Entwicklungstage zum Vorschein kam. Bei dieser Species war nur der Unterschied zu bemerken, dass zur Zeit der Ring- bildung das Entoderm nicht seine ursprüngliche Blasenform hatte wie bei Liriope, sondern bereits abgeplattet erschien (vgl. Taf. VI, Fig. 7). An der Peripherie des Ectodermringes bilden sich die ersten Tentakeln in Form kleiner rundlicher Erhebungen, in deren Innern Entodermstränge eindringen, während die Grenze des Ringes gegen die Centralscheibe sich dabei rinnenartig vertieft (Taf. V, Fig. 25). Um diese Zeit plattet sich die Entodermblase auch bei Liriope ab, so dass das auf der Fig. 25 dargestellte Verhalten eine Ausnahme repräsentirt. Etwas später sondert sich der centrale schmälere Abschnitt von dem viel breiteren und dickeren peripherischen Theile des Ectodermringes ab, wobei wir im ersteren das Velum erkennen (Taf. VI, Fig. i, V). Die Centralscheibe verdünnt sich noch mehr und bedeckt die untere, etwas hernienartig aus der Velaröffnung hervorragende Entoderm- lamelle ; daraufhin erscheint die ]Mundöffnung, welche sich durch Auflösung beider Keimblätter in der Mitte der Centralscheibe bildet (Taf. VI, Fig. 2, 3). Die Mundränder ragen ebenfalls aus der Velaröffnung heraus und beg^innen schon bald ihre Con- tractionen. Um dieselbe Zeit erweitert sich der peripherische Theil der Ectodermscheibe, d. h. der Randwulst, ziemlich be- deutend, wobei auch die Tentakeln an Länge zunehmen und ihre charakteristischen Geisseln erlangen. An den Tentakeln, sowohl wie am Randwulste erscheinen ziemlich viele Nesselkapseln, welche an den Tentakelknöpfen ganze Anhäufungen bilden. Am Entoderm des beschriebenen Larvenstadiums erscheinen FÜNFTES CAPITEL. peripherische Auswüchse^ welche als Anlage der Entoderm- lamelle anzusehen sind (Taf. Yl, Fig. 2, e). Die letzteren Bemerkungen bezogen sich nur auf Liriope miicronata, da ich die entsprechenden Stadien bei Geryonia in letzteren Jahren nicht erhalten konnte. Die mitgetheilten Angaben lassen sich indessen nicht schwer sowohl mit den Beobachtungen F o Ts^ als mit meinen eigenen früheren Ermittelungen an Geryonia proboscidalis in Einklang bringen. Wir beide sahen den Rand- wulst sich frühzeitig bilden, nur habe ich denselben nicht genug von der centralen Mundplatte unterschieden, was aber von F o 1 geschehen ist ; auch konnten wir constatiren, dass die !Mund- öffnung ursprünglich an der Basis des Larvenkörpers ungefähr in gleicher Ebene mit Tentakeln liegt und sich erst nachträglich in die Tiefe, unter Bildung einer Subumbrallarhöhle, zurücktritt. Ob dieser Vorgang als eine Umstülpung oder ein Ueberwachsen des oralen Feldes zu bezeichnen ist, bleibt im Grunde genommen ziemlich gleichgiltig. Dagegen lassen sich meine neuen Beob- achtungen ebensowenig mit den Angaben Häckel's^) vereinigen, als ich dies in Bezug auf meine früheren Befunde hervorheben musste. Diesmal lässt sich der Vergleich noch leichter durch- führen, da Häckel die jüngeren Stadien der ^Metamorphose vorzugsweise bei Z/V'/ii'/t' /////tvö/^ö'/rt! beobachtete, also bei derselben Species, auf welche sich auch meine Angaben meistens beziehen. Das jüngste noch tentakellose Larvenstadium (a. a. O. Taf. IIL Fig. 26 — 28) wird von Häckel mit einer umfangreichen offenen Schirmhöhle versehen, welche durch ein bereits contractiles Velum verschlossen werden kann ; dadurch bestreitet er die von F r i t z jM ü 1 1 e r 2) gefundene Thatsache, dass die jüngeren Larven - formen seiner Lirtopc catarinensis einen geschlossenen Sack besitzen. Wie wir indessen gesehen haben, hat der letztgenannte Forscher vollkommen Recht, und die von ihm beschriebene, excentrisch gelegene, geschlossene Höhle ist eben der Entoderm- sack. Die gesammte Darstellung Häckel's, nach welcher die Schirmhöhle und das Velum durch Entoderm bekleidet werden sollen, sowie dass der ]\Iund und der Gastrovascularapparat erst bei Liriopelarven mit acht Tentakeln zum Vorschein kommen, ist zu verwerfen. Die Schirmhöhle bildet sich, wie wir gesehen haben, noch nicht zur Zeit, als das Velum und die jSIundöfFnung bereits vorhanden sind, und der Entodormsack verwandelt sich 1) Die Familie der Rüsselquallen. Jena 1865, p. 60 fF., 105 ff., Taf. III u. IV. -) Polypen u. Quallen von Santa Catbarina, Arcli. f. Naturg. 1859, p. 317, Taf. XI, Fig. 13. LARVEN DER HVPOGENETISCHEN MEDUSEN. 93 ausschliesslich in das Gastrovascularsystem und hat natürlich mit der Schirmhöhle nichts zu thun. Auch der Versuch R. Lanke ster's/) die Angaben von H ä c k e 1 aufrecht zu erhalten, muss ich als gescheitert betrachten. Der genannte englische Forscher wirft Fol und mir vor, dass wir kein den Fig. 29 und 30 von Häckel entsprechendes Stadium mit nur vier Tentakeln beobachteten, sondern nach tentakellosen Zuständen sofort auf ein Stadium mit sechs Tentakeln übergingen und glaubt deshalb, dass in unseren Untersuchungen eine empfindliche Lücke enthalten ist, welche durch Häckel aus- gefüllt wurde. Das Missverständniss erklärt sich aber durch die Thatsache, dass die betreffenden Häckel'schen Figuren sich auf die vierstrahlige Liriope, während die Darstellungen Fol's und meine frühere sich ausschliesslich auf die sechsstrahlige Geryonia bezogen; da nun bei der letzteren die sechs ersten Tentakeln alle auf einmal entstehen, so kommt ein viertentakeliges Stadium bei ihr gar nicht vor. Jetzt, wo ich dieselbe Liriope, wie Häckel, und folglich auch Larven mit vier Tentakeln untersuchte, kann ich seine Angaben ebensowenig wie früher bestätigen. Uebrigens hat Häckel nicht behauptet, wie es R. Lankester glaubt, dass die jüngeren Liriopestadien eine geschlossene Schirmhöhle besitzen, und aus meinen neueren Untersuchungen geht entschieden hervor, dass eine solche An- nahme, w^elche auf Analogie mit Limnocodium basirt worden ist, dem wirklichen Thatbestande nicht entspricht. Die auffallende Hypogenesis von Aglaura hemistoma zeichnet sich durch manche Eigenthümlichkeiten von der directen Entwick- lung der Geryoniden aus. Wir haben schon gesehen, dass sich das Entoderm bei der erstgenannten Meduse nicht durch Quertheilung von Blastodermzellen, also durch primäre Delamination, sondern durch die Differenzirung einer Morula in zwei Keimblätter bildet. Es entsteht eine eigenthümliche Larvenform, welche sich von Parenchymella insofern unterscheidet, als sich das Entoderm nicht mehr als ein unregelmässiger Zellenhaufen, sondern als eine einzige Reihe pflanzenähnlicher Elemente repräsentirt. Die mit zahlreichen Wimperhaaren versehene, frei- schwimmende Larve (Taf. VH, Fig. 15) erscheint oval ver- längert und abgerundet cylindrisch; in spiralen Zügen bewegt sie sich stets mit dem als oberen Pol gezeichneten Ende nach vorne. Das Ectoderm besteht aus schuppenartigen, mehr ab- 1) On Young Stages of Limnocodium and Geryonia, Quarterly Journal of Microsc. Science, N. S., Bd. XXI, l88i, p. 194 ff. 94 FÜNFTES CAPITEL. geplatteten oder beinahe cubischen Zellen, deren äussere Fläche nicht je eine einzige grössere Geissei, wie bei den meisten Hydromedusenlarven trägt, sondern mit vielen feinen "Wimper- haaren, wie etwa bei Turbellarien, besetzt ist. Von der Fläche betrachtet (Taf. VII, Fig. i8), zeigen die benachbarten Ectoderm- zellen bedeutende Grössenverschiedenheiten und weisen ent- sprechend grosse rundliche oder ovale, mit Kernkörperchen versehene Kerne auf. Das Ectoderm erscheint aus vierzehn grossen abgeplatteten Zellen zusammengesetzt, welche so auf- einander liegen, dass sie eine Art Säule darstellen. Im Allge- meinen bildet das Protoplasma der Entodermzellen ein gross- maschiges Netzwerk, in welchem die vollkommen durchsichtigen Dotterelemente eingeschlossen sind; eine grössere, oft stern- artig aussehende Protoplasma-Anhäufung liegt um den Kern, welch letzterer kugelig oder oval ist und regelmässig einen Nucleolus enthält (Fig. 17). Die neunte Entodermzelle (von oben gerechnet) unterscheidet sich sowohl durch ihr allgemeines Aus- sehen (Fig. 15, 16, a) als auch durch eine viel grössere Dich- tigkeit des Protoplasma, welches namentlich an beiden abge- rundeten und etwas gegen das Ectoderm hervorragenden Seiten auffällt. Die zehnte bis fünfzehnte Zelle, welche zusammen das Entoderm des unteren Larvenendes darstellen, erscheinen be- deutend kleiner als die ersten acht Entodermelemente. In der bezeichneten Schärfe differenziren sich die verschiedenen Ento- dermtheile übrigens nicht sofort bei den ersten Larvenstadien, bei welchen das gesammte Entoderm überhaupt viel homogener erscheint (Fig. ig), sondern erst etwas später. Mit der weiteren ' Entwicklung verändert sich die äussere Larvenform insofern, als sie sich in der Gegend der neunten Entodermzelle etwas ausbuchtet, gegen die beiden Enden dagegen eher mehr ab- gespitzt erscheint (Fig. 16). Während die Entodermzellen mit ihren charakteristischen Eigenthümlichkeiten schon bei der lebenden Larve unterschieden werden können, erscheint das Ectoderm dabei als eine homogene Schicht, in welcher ziemlich frühe am vorderen Körperende einzelne Nesselkapseln auftreten, während am unteren Ende eine diffuse orangeröthliche Pigmen- tirung bemerkbar wird. Die Aglauralarven sind auf diesem Stadium so zart, dass sie unter Einwirkung der meisten Rea- gentien sich in einzelne Bestandtheile auflösen; um die Ectoderm- zellen zu isoliren braucht man deshalb nur einen Tropfen von Osmium-Essigsäure zuzusetzen. Wenn man dagegen die zelligen Elemente in ihrem Zusammenhange untersuchen will, so empfiehlt sich eine mittelstarke Chlornatriumlösung noch am besten. LARVEN DER HYPOGEXKTISCHEN MEDUSEN. 95 Am Anfange des zweiten Entwicklungstages (etwa 26 Stunden nach dem Eierlegen) erscheinen die beiden seitlichen Hervorragungen noch deutlicher als früher, was mit dem Um- stände zusammenhängt, dass die neunte Entodermzelle sich in zwei Tochterelemente abgeschnürt hat, welche sich an die Seiten verschoben haben (Taf. ATI, Fig. 20). Theilungserscheinungen kommen dabei auch an benachbarten und namentlich an klei- neren Entodermzellen des unteren Körperendes vor. Bei etwas weiter entwickelten Larven sehen wir die seitlichen Hervor- ragungen als zwei Tentakelanlagen, deren Axen durch die beiden Tochterelemente der neunten Entodermzelle repräsentirt werden (Taf. VH, Fig. 21). Zwischen den beiden Tentakeln be- ' findet sich der mittlere unpaare Höcker, welcher die Anlage des Hypostoms darstellt und in seinem Innern eine allseitig ge- schlossene Entodermhöhle enthält; die Wandungen der letzteren, aus kleineren Entodermzellen hervorgegangen, stehen mit dem übrigen Entoderm im Zusammenhange. Derartig gebaute, rauch- kerzenähnliche Larven schwimmen sehr geschwind umher, wie früher Spirale Touren umschreibend. Diese charakteristische Form dauert übrigens nicht lange, da die Tentakeln bald an Grösse zunehmen und sich zugleich w^eiter differenziren (Fig. 22); im Ectoderm erscheinen Nesselkapseln, die sich vorzugsweise an den Spitzen concentriren ; auch müssen zu derselben Zeit bereits Muskelfasern vorhanden sein, worauf wenigstens die nach beiden Seiten sich vollziehenden Bewegungen hinweisen. Die Entodermachsen bestehen schon aus ziemlich vielen, in eine Reihe geordneten Zellen und erlangen überhaupt das für viele Trachomedusen charakteristische Aussehen. Im Entoderm des Larvenkörpers behalten nur die zwei oder drei ersten Zellen ihre ursprüngliche Gestalt bei, während alle übrigen sich be- reits getheilt haben, wobei eine allgemeine Gastralhöhle zum Vorschein gekommen ist, welche sich mit der früher gebildeten Entodermhöhle der Hypostomanlage verbindet. Die allgemeine Gestalt der Larve verändert sich insofern, als sie im Ganzen breiter und das obere Ende, stumpfer und abgerundeter er- scheint. Bald bemerken wir die Anlagen von zwei neuen Ten- takelpaaren, von denen das eine etwas grösser als das andere ist (Fig. 2s) ; sie fallen durch ihre Entodermachsen auf, welche einstweilen nur aus wenigen Zellen bestehen, während der Ectodermüberzug in Form eines lappenförmigen breiten Randes hervortritt. Bei solchen Larven hat sich die Mundöffnung be- reits ausgebrochen, und es ragen aus ihr lange Flimmerhaare, welche die ganze Innenfläche des Gastralentoderms überziehen. g6 * FÜNFTES CAPITEL. hervor. Zwischen den neuentstandenen Tentakelanlagen kommt bald noch einPaar, aus je zwei Entodermzellen bestehenden Achsen- anlagen zum A'^orschein, die nun die ersten zwei Randkörperchen repräsentiren ; Anfangs ist die Entodermachse in den gemein- schaftlichen Ectodermüberzug der benachbarten Tentakelanlagen eingebettet, w^elcher sich jedoch bald in drei Theile für jedes Organ differenzirt (Fig. 24). Zu gleicher Zeit (das betreffende Stadium beobachtete ich 45 Stunden nach dem Eierlegen) son- dert sich in der zweiten Zelle der Randkörperachse ein punkt- förmiger kleiner Kalkconcrement ab. Wir erhalten somit eine junge, mit Flimmerhaaren bedeckte Medusenlarve, welche ihre früheren vSpiralbewegungen noch immer ausübt, ausserdem die Tentakeln ausbreitet und zusammenschliesst und auch Schluck- bewegungen des Hypostoms ausführen kann. Unter der Ver- längerung von drei Paar Tentakeln und der gleichzeitigen Weiterbildung von Randkörpern rundet sich die Körperform der Larve noch mehr ab, wobei auch der Entodermsack eine entsprechende Gestalt annimmt, was mit der Theilung der ersteren grossen Entodermzelle zusammenfällt (Taf. VII, Fig. 25). Es bilden sich Nesselkapseln an allen Tentakeln, am meisten natürlich an beiden ersteren, wo sie sich nicht mehr auf den Spitzen concentriren , sondern auch der Länge nach vorkommen ; an diesen Tentakeln erscheinen auch die charakteristischen Wimper- kämme, wie sie auch bei erwachsenen Aglauren vorkommen. Das letzte von mir aus Eiern gezogene fünftägige Larvenstadium, unterscheidet sich nur in geringer Beziehung von den vor- hergehenden. Die Tentakeln verlangtem sich ziemlich bedeutend (Fig. 26), wobei sie sich im Allgemeinen verjüngern und eine keulenartige Form annehmen; die Nesselkapseln vermehren und ordnen sich zu Gruppen, welche sich auf der äusseren Hälfte der Tentakeln concentriren; die Wimperreihen treten dabei schärfer als früher auf. Bei der Ansicht von der Alund- fläche (Fig. 27) können wir deutlich die respective Lagerung der Körperanhänge beobachten und ausserdem einen ring- förmigen Contur an der Glockenanlage unterscheiden, welcher wohl als die Grenze des künftigen Randwulstes aufzufassen ist. Obwohl die beschriebenen Aglauralarven noch mehrere Tage in Gläsern lebten, so verharrten sie doch in demselben Stadium; dann fingen die Tentakeln an sich abzustumpfen, und die Thiere gingen alle allmälig zu Grunde. Um einige Vorstellung über die weiteren Verwandlungs- stadien der Aglauralarven zu gewinnen, untersuchte ich zahl- reiche Larven, welche im Mittelmeer (Sanremo, Villafranca, LARVEN DER HYPOGENETISCHEN MEDUSEN. 97 jMessina) und Triest häufig- vorkommen und leicht im pelagischen Auftriebe zu erhalten sind. Ich fange mit einem Stadium an, welches sich an das letzte aus Eiern gezogene anknüpft (Fig. 28). Es handelt sich um eine Larve mit abgerundet abgeplattetem Körper, von welchem vier Paar Tentakeln herabhängen, deren verschiedene Länge das respectiv verschiedene Alter docu- mentiren; ausserdem trägt die Larve noch zwei Randkörper, welche sich jedoch nicht zwischen den Tentakeln des zweiten und dritten Paares befinden, wie es nach Analogie mit früher beschriebenen Stadien sein sollte. A¥ahrscheinlich ist dieser Unterschied entweder durch das Wegfallen von zwei anderen Randkörpern oder durch die Abnutzung einiger Tentakeln zu erklären, weshalb man bei der Bestimmung ihres Alters irre- geführt wird. Eine Verschiedenheit im Ort der Entstehung des ersten Randkörpers darf aus dem Grunde nicht angenommen werden, weil er bei sämmtlichen aus Eiern gezogenen Larven stets der gleiche war. Die Glockenanlage der gefischten jungen Meduse (Fig. 28) ist durch einen scharfen Contour abgesetzt, von welchem eine schmale, ringförmige Falte abgeht; auf der anderen Seite steht die Glocke mit dem lateralwärts abgeplatteten, zwei- lippigen Hypostom in Verbindung. Das Ectoderm des Larven- körpers ist in seinem unteren Theile stark verdickt und mit mehrzähligen Anlagen von Nesselkapseln versehen. Das Ento- derm behält seine frühere Sackform bei, erscheint aber im Ganzen mächtiger ausgebildet. Während der untere Körpertheil schwach orangefarben bis rosa gefärbt ist, w^eisen die Spitzen der längeren Tentakeln die intensivere Drachenblutfärbung auf, welche auch für erwachsene Aglauren charakteristisch ist. Weiter entwickelte Larven zeichnen sich aus durch eine bedeutende Abplattung des Körpers, sowie durch Bildung der Subumbrellarhöhle, nebst Vermehrung der Zahl von Tentakeln und Randkörpern. Es stellt sich bei Betrachtung solcher Stadien heraus, dass der grössere Theil des Larvenkörpers, derjenige, welcher als Sitz der Nesselkapselbildung dient, sich in den Ringwulst verwandelt, während nur der kleinere, dünnwandige Abschnitt zur eigentlichen Umbrella 'wird (vgl. Fig. 28). Die Ausbildung der Glocke ist mit einer sehr eigenthümlichen Ent- wicklung der Subumbrella verbunden: es gehen vom ring- förmigen Rande des Larvenleibes acht taschenförmige Ectoderm- einstülpungen ab, welche in der Richtung gegen das obere Körperende wachsen und die in acht Kammern getheilte Subum- brellarhöhle darstellen. Ich konnte diesen Vorgang Schritt für Schritt verfolgen, nur habe ich die von mir angefertigten Metschnlkoff , Embrvolog. Studien an Medusen. / gg FÜNFTES CAPITEL. Zeichnungen wegen des ^Mangels an Raum auf den Tafeln nicht beigegeben. Ich vermuthe; dass die Bildung der Subum- brellartaschen mit der Entstehung der acht Radialcanäle in einem gewissen Zusammenhange steht^ denn die letzteren liegen gerade an den Stellen, wo diese Taschen sich berühren. An- fangs sind die Ectodermwandungen der Subumbrellarkammern noch ziemlich dick^ bei dem weiteren AVachsthume werden sie aber viel dünner. Die besprochenen Einstülpungen reichen bis zur Basis des Magens, d. h. bis zur Stelle, von welcher die Radialcanäle abgehen. Bei stark abgeplatteten Larven mit zwölf Tentakeln und vier Randkörperchen (Fig. 29, 30) stehen die Subumbrellarkammern in naher Berührung mit einander und reichen bis zur Ebene, an welcher sich die obere Wand des Entodermsackes befindet (Fig. 31). Auf dem betreffenden Stadium kann man auch bereits ein schmales Yelum (Fig. 29) unter- scheiden; das Hypostom erscheint dabei verhältnissmässig sehr gross und wie auf dem vorhergehenden Stadium zweilippig und abgeplattet. Der Entodermsack behält ebenfalls seine früheren Eigenschaften und zeigt noch keine weitere Gliede- rung, so dass es mir wahrscheinlich ist, dass die Radialcanäle von ihm in die Zwischenräume hereinwachsen, welche die Subumbrellarkammern von einander trennen. Zur Zeit als die letzteren noch nicht ihre ganze Höhe erreicht haben, beginnt die Abscheidung der Gallerte, welche in der oberen Hälfte des Larvenkörpers stattfindet und durch ihre Grenzen deutlich die Stelle bezeichnet, wo sich die Glocke vom Randwulste trennt. Dabei stellt es sich heraus, dass wirkhch der grösste Theil des Larvenleibes sich zum Randwulste gestaltet, während die eigent- liche Umbrella anfangs nur ganz geringe Dimensionen einnimmt. Auf weiteren Stadien ändert sich übrigens dieses Verhältniss zu (xunsten der Glocke, da sie bald sehr bedeutend an Grösse zunimmt, während der Randwulst als ein ringförmiger Anhang derselben erscheint; dabei wird die Glockenhöhle so geräumig, dass sie das Hypostom mit nunmehr stark ausgewachsenen zwei Lippen in sich vollständig aufnimmt. Wir erhalten allmälig solche Stadien, wie das auf Fig. i (Taf. \lll) abgebildete, wo wir bereits die meisten Merkmale von Aglaura wiederfinden können, während die Unterschiede rein secundärer Natur sind : so hat die Glocke noch nicht die definitive Tiefe erlangt und die Anzahl der Tentakeln (15) ist viel geringer als beim erwachsenen Thiere; ferner ist noch die fortbestehende Zwei- lippigkeit (die fertige Aglaura hat ein vierlippiges Hypostom) und der Mangel des Magenstieles hervorzuheben. Uebrigens LARVEN DER HVPOGENETISCHEN MEDUSEN. 99 werden diese Unterschiede bald ausgeglichen : zunächst wachsen zwischen den beiden primären Lippen zwei kleinere aus, welche dann aber die ersteren nachholen; auch nimmt die Glocke noch weiter an Länge zu, so dass sie ihre definitive Tiefe erreicht. Eine solche junge Aglaura ist auf der Fig. 5, Taf. IV der mit meiner verstorbenen Frau publicirten russischen Abhandlung abgebildet. Am spätesten erfolgt die Bildung des ]\Iagenstieles, welcher ursprünglich noch sehr klein ist und erst allmälig seine definitiven Dimensionen erlangt. Da die Larvenstadien von Aglaura recht häufig bei der pelagischen Fischerei mit dem Müller'schen Netz gefangen werden, so ist es kein Wunder, dass sie schon seit Langem die Aufmerksamkeit der Beobachter auf sich zogen. Joh. Müller^) hat sie im Jahre 1849 bei Nizza gefunden und im Jahre 1851 beschrieben und abgebildet; obwohl er über ihre Stellung im System Anfangs keine definitive Meinung äusserte, so hält er doch für wahrscheinlicher, dass sie junge Medusen repräsentiren. Er fand rundliche und abgeplattete Stadien mit verschiedener Anzahl Tentakeln und mit vier „Röhrchen" auf, welch letztere unzweifelhaft die gestielten Randkörper darstellten. In einer späteren Bemerkung-) sprach Joh. Müller die A^ermuthung aus, dass diese Larve in den Entwicklungskreis der Polyxenia leiicostyla Will, gehören, was jedoch nicht der Fall ist, da die- selben entschieden für junge Aglaura zu halten sind : so bildet Joh. Müller bei der älteren Larve acht eigenthümliche peri- pherische Körper, welche nichts anderes als die Subumbrellar- taschen, also Organe repräsentiren, welche bei der Polyxenia- larve fehlen, dagegen für junge Aglaura ganz besonders charakteristisch sind. Dieselben Larven sind einige Jahre später noch einmal von Gegenbaur^) unter dem Namen Trachyneina cüiatiuii beschrieben worden. Ausser den .Stadien, welche sein Vorgänger entdeckte, beobachtete Gegenbaur noch ältere Aglaura, welche sich zwar durch Mangel eines Magenstieles und durch zweilippigen Mund von dem erwachsenen Thiere deutlich unterschieden, dennoch bereits die acht Radialcanäle und zahlreiche Tentakeln zeigten. Die geringe Tentakelzahl (drei oder vier), die Gegenbaur den jüngsten Stadien zuschreibt, ^) Ueb. die Larven u. d. Metamorphose d. Holotlaurien u. Asterien, Abhandl. d. Berl. Akad. 1851, p. 64, Taf. VII, Fig. 9— II. 2) Ueb. die Erzeugung von Schnecken in Holothurieu, Archiv f. Anat. u. Physik. 1852, p. 34. ^) Zur Lehre vom Generationswechsel und d. Fortpflanzung bei Medusen u. Polypen. 1854, p. 51 ff., Taf. II, Fig. 17—23. 7* lOO FÜNFTES CAPITEL. erklärt sich leicht durch das Abfallen mehrerer Tentakeln, was bei den mit dem Netz gefangenen Larven regelmässig geschieht. Nach der ersten Bekanntschaft mit den wimpernden Aglaura- larven habe ich mit meiner verstorbenen Frau vor fünfzehn Jahren die Behauptung aufgestellt, ^) dass dieselben mit der Trachy7iema cihatiim Geg. identisch sind, folglich, dass die letztere Form aus dem System weggestrichen werden musste, und meine erneuten Untersuchungen bestätigen diese Schlussfolgerung in jeder Beziehung. Als Beweis, wie wenig charakteristisch die Merkmale der Gattung Trach^'nema überhaupt sind, kann noch angeführt werden dass AI. Agassiz zu derselben eine mit Aglaura ganz nahe verwandte Form {Tmchynema digitale = Aglantha digitalis Hack.) beizählt, während Häckel die Re- präsentanten der Gattung Sminthea Gegenb. als echte Trachy- nema in Anspruch nimmt. Meine erneuerten Beobachtungen über die Hypogenesis der Aeginiden {Polyxenia leucostyla und Aeginopsis viediterraned) stimmen mit den früheren Angaben von Joh. Müller-) und meinen eigenen 2) durchaus überein; nur habe ich zu bemerken, dass auch Aeginopsis das charakteristische stabförmige Larven- stadium besitzt (Taf. IX, Fig. 27), welches ich bei Polyxenia gefunden, bei Aeginopsis dagegen früher vermisst habe. Auch die unmittelbar folgende Larvenform (Fig. 29) erweist sich bei beiden Gattungen als überaus entsprechend. Obwohl ich mehr- fach versuchte, etwas tiefer in die histogenetischen Vor- gänge bei diesen Medusen einzudringen, so ist mir dies doch ebensowenig wie bei Aglaura gelungen, und zwar aus demselben Grunde, d. h. durch die geringe Grösse und ungünstige Be- schaffenheit der Elemente, namentlich derjenigen des Nerven- systems. An Pelagia noctiluca ist zum ersten :\Ial durch Krohn^) der Nachweis geführt worden, dass es Medusen gibt, welche sich direct aus Eiern entwickeln. Später wurde diese Entdeckung durch Agassiz &) {^.rvP.cyanelld), Kowalevsky^) (an P. noctiliicd) M Die oben cilirte russische Abhandlung aus d. Jahre 1871 p. 63, Taf. IV, Fig. 5> 6. ") Archiv f. Anatomie u. Physiologie. 185 1, p. 272, Taf. XI. 3) Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXIV, 1874, p. 22 ff., Taf. III, IV. *) Ueb. d. frühesten Entwickhingsstufen d. Pelagia noctiluca, Archiv f. Anat. u. Phys. 1855, p. 491, Taf. XX. 5) Contributions to the Nat. Hist. of the Unit. St. Bd. III, 1860, Taf. XII, Bd. IV, 1862, p. 128. «) S. dessen oben citirte russische Abhandlung über Entwicklung d. Coelen- teraten, p. 7, Taf. III. LARVEN DER HYPOGENETISCHEN MEDUSEN. lOI und HäckeP) (an P. ferla) bestätigt. ISIeine eigenen Beobach- tungen beziehen sich auf P. noctiluca, von welcher ich zwar oft Eier erhielt, aber nur ein einziges Mal die normale Entwicklung verfolgen konnte. Ich wollte dabei hauptsächlich die Beobach- tung Kowalevsky's über die Ablösung einzelner Zellen aus dem Entoderm vervollständigen, da ich in diesem Vorgange eine rudimentäre Mesodermbildung vermuthete. Indessen musste ich mich überzeugen, dass es sich um einen Niederschlag handelt, welcher sich nach der Behandlung der Larven mit Reagentien bildet und keine zellige Structur aufweist (Taf. X, Fig. 23). Die bei mir ausgeschlüpften Gastrulae zeigten die stark verlängerte Form, wie sie von Krohn beschrieben wurde und welche so auffallend an junge Scyphistomastadien der Cotylorhiza erinnert. An Längsschnitten solcher Pelagialarven {Fig. 24) konnte man deutlich sehen, dass zwischen Feto- und Entoderm kein zelliges Material sich befindet. In Ueberein- stimmung mit Krohn, Agassiz und Häckel habe ich die gleichzeitige Bildung von acht Randlappen beobachtet (Fig. 25), nach deren Erscheinen die Larve sich stark ausbreitete und dabei merklich verkürzte (Fig. 26). Obwohl man schon am lebenden Thiere die Betheiligung des Entoderms an der Lappen- bildung constatiren konnte, so war sie doch deutlicher an Längsschnitten wahrzunehmen (Fig. 27). Unter Verkürzung des Körpers verwandelte sich die rauchkerzenähnliche Larve in eine ganz abgeplattete Scheibe (Fig. 28), welche das erste Ephyren- stadium darstellte. 1) Metagenesis n. Hypogenesis v. Aurelia aurita, p. 28. SECHSTES CAPITEL. Sporogonie und Knospung von Cunina proboscidea Metschn. Historisclies über „innere" und äussere Knospung der Cuninen. — Ueber die Ge- schlecbtsproducte von Ciinina proboscidea. — Auswanderung amöboider Geschlechts- zellen und Theilung derselben. — Sporogonie und Knospung. — Dimorphismus der C. proboscidea. — Verwandte Formen. — Analogie zwischen Sporogonie der Cuninen mit derjenigen der Trematoden und mit der Paedogenesis von Miastor. Lyie Repräsentanten der Gattung Cunina gehören zu den Medusen, deren Embryologie noch gänzhch unbekannt bleibt. Obwohl ich unzählige Male künstliche Befruchtung an ihnen vornahm und auch das spontane Ablegen der Eier beobachtete, so ist es mir doch nicht ein einziges ]Mal gelungen, auch nur ein Bruchstück der embryonalen Entwicklung zu verfolgen. Viel leichter ist die Beobachtung eines eigenthümlichen Ver- mehrungsprocesses, welcher zum ersten ]\Ial schon seit mehr als dreissig Jahren gesehen und als eine innere Knospung gedeutet worden ist. Obwohl als erster Beobachter desselben Kölliker^) angesehen werden muss, da er das Vorhandensein einer sechs- zehnstrahligen Aeginide [Stenogasfcr coinplauatiis Köll.) im Innern einer verwandten zehnstrahligen Form {Eurystonia nibiginoswii Köll.) constatirte, so glaubte er doch nicht an einen genetischen Zusammenhang beider Medusen. Erst Gegenbaur^) fasste eine ähnliche, von ihm bei seiner Cimina (Aegiiieta) prolifcra beob- achteten Erscheinung als eine Knospung auf, wobei er die jüngsten Stadien als warzenförmige "Wucherungen der ]\Iagen- wand ansah. In seiner Deutung des ganzen Processes zögerte ^) Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. IV, 1853, p. 327. ^) Zur Lehre vom Generationswechsel, p. 55, Taf. II, Fig. 24 — 31. SPOROGONIE UND KXOSPUXG VON CUXINA PROliOSCIDEA METSCHN. IO3 er umso weniger, als nach seinen Beobachtungen die Tochter- individuen vollkommen mit dem Mutterthiere übereinstimmten. Daraufhin bestätigten Keferstein und Ehlers i) diese Angaben im Allgemeinen an einer Form^ welche sie als Aegineta geimni- fera bezeichneten; sie wichen von Gegenbaur vorzugsweise in der Beziehung ab, dass sie die Knospen aus der Unterseite der unteren Magenwand ableiteten. Einen wesentlichen Beitrag lieferte dann Fritz Müller,-) indem er im Gastro vascularsystem der meistens achtstrahligen Cuiiina Köllikeri verschiedenartige Entwicklungsstadien einer ähnlichen, aber zwölfstrahligen ]\Ieduse auffand, welche er als durch Knospung an der Magen- wand entstanden betrachtete; besonders wichtig ist die That- sache, dass in vielen Fällen die eigenthümliche Vermehrung bei geschlechtsreifen , mit wimmelnden Zoospermien versehenen IMännchen von ihm beobachtet wurde. Auf Grund seiner Unter- suchungen deutete Fr. Müller auch den Kölliker'schen P^all als eine Knospung, womit eo ipso die Existenz eines Dimor- phismus angenommen werden musste. Gegen diese Deutung, welche besonders scharf von Häckel'^) formulirt wurde, habe ich^) mich bei Gelegenheit meiner Untersuchungen über die ..Knospung-' der Aeginiden ausgesprochen. In der Gastro- vascularhöhle von Cunina rhododactyla Hack., welche sich als identisch mit Eiirystoma ri(bigtnisiimK.ö\\. erwiesen hat»), fand ich eine zahlreiche Brut, deren jüngste von mir beobachteten Stadien bereits mit einem Tentakel versehen waren und frei im Mutterkörper lagen. Da ich selbst den Ursprung solcher Em- bryonen nicht verfolgen konnte, so schloss ich mich an meine Vorgänger an, welche den Zusammenhang der kugelförmigen Keime mit dem jMutterkörper beobachteten und bezeichnete die Erscheinung ebenfalls als eine „innere Knospung-'. Obwohl ich selbst Cuninen fand, deren Brut sich durch eine grössere Anzahl Segmente auszeichnete, so konnte ich doch darin keinen Beweis für die Annahme eines Dimorphismus erblicken, zumal die in- dividuellen Schwankungen bei den betreffenden Medusen über- haupt sehr auffallend sind. Innere „Knospen-^ fand ich ferner auch bei der als Cunina proboscidcalsletsch.. bezeichneten Art, ») Zoologische Beiträge. Leipzig 1861, p. 93, Taf. XIV, Fig. lO, II. 2) Cunina Köllikeri, Archiv für Naturgeschichte. 1861, p. 42, Taf. IV. ^) Familie der Rüsselquallen. 1865, p. 153 flf. *) Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. XXIV, p. 27. ^) Vgl. meine „Medusologische :SIittheilungen", Arb. d. zool. Inst. d. Univ. Wien. Bd. VI, p. 251. I04 SECHSTES CAPITEL. eine Beobachtung, welche später vonUljanin^) erweitert wurde. Diesem Forscher ^.erschien es unzweifelhaft, dass diese soge- nannten „Knospen" ihren Ursprung in besonderen Behältern erhalten, welche sich in der Dicke der Wandungen der A^er- dauungshöhle, namentlich in der Nachbarschaft der Tentakel- wurzeln und in den Seitenwänden der Radialcanäle bilden". Die neueren P'orscher, mit F. E. Schulze-) an der Spitze, bemerkten die Mangelhaftigkeit der Beweise, dass es sich in angeführten Fällen um eine wirkliche Knospung handelte und äasserten die Vermuthung, dass die beobachteten Embryone möglicherweise aus Eiern entstanden sind. HäckeP) wiederholt dieselbe Ansicht und betont die Möglichkeit, „dass junge Cunanthiden-Larven aus Eiern entstanden schon sehr frühzeitig (als Gastrula) in die Magenhöhle anderer Cunanthiden eindringen und sich hier als Parasiten weiter entwickeln/' Von dieser Vermehrungsart verschieden ist die unzweifel- hafte äussere Knospung, Avelche mehrfach bei Cuninen beob- achtet worden ist. Eine solche Erscheinung ist zuerst von Mc. Crady"^) beschrieben worden, indem er an der Aboralspitze der eigenthümlichen in der Glockenhöhle von 2\irrifopsis nufn'cola parasitirenden Larven der Cnnina octonaria Knospen sich bilden sah, aus welchen ebensolche Larven Ursprung bekamen. Mc. [Crady fand kleine Colonien, welche sich auf eine solche Weise bildeten. Daraufhin beschrieb Fr. Müller^) die Knospen- bildung von Cuninen auf besonderen Aehren, welche er im Liriopemagen auffand; eine ähnliche Beobachtung wurde etwas später von Krohn*') publicirt (obwohl dieselbe noch im Jahre 1843 gemacht w^urde), wobei er jedoch die Knospen auf dem Zungen- stiele der Geryonia entstehen Hess. Es ist allbekannt, dass HäckeP) dieselbe Erscheinung untersuchte und sie als eine Alloeogenesis bezeichnete, indem er glaubte, dass Cuninen sich durch Knospung am Zungenkegel der Carmarinen (Geryonien) bilden, wobei sowohl das Tochterthier als die Mutter geschlechts- ') Ueb. d. Urspninfj der im (Teryoniamagen knospenden Cuninen, in Mitth. d. k. Gesellschaft d. Liebhaber etc. von Moskau. Bd. XXiV, 1876, p. 12, Anm. i (russisch). ^) Ueb. d. Cuninen-Knospenähren. Graz. 1875, p. 33. ^j System d. ^Medusen, p. 313. *J Description of Oceania (Turritopsis) nutricola nov. sp. and the embryological history of a Singular Medusan Larva, found in the Cavity of its bell, Proceed. of the Elliot Society of Natur. -Ilist. 1857, ji. 1, Taf. VL '•') Archiv für Naturg. 1861, ]). 51. *) Archiv f. Naturg. 1861, p. 108. Anm. 1. ') Die Rüsselquallen, p. 156. SPOROGONIK UN]) KNOSPUNG VON CUNINA PROBOSCIDEA METSCHN. IO5 reif werden. Ganz unabhängig ist aus Noshin') zu derselben Schlussfolgerung gekommen. Nachdem aber Steenstrup-) die fragliche Erscheinung als einen Parasitismus erklärte, und auch ich selbst einige Bedenken in der Auffassung derselben als Alloeogenesis äusserte, ist es durch F. E. Schulze^) und Uljanin'*) ganz unabhängig nachgewiesen w^orden, dass die Cuninenknospen auf besonderen parasitischen schlauchförmigen Individuen ihren Ursprung nehmen, welche mit Geryonien in durchaus keiner genetischen Beziehung stehen. Eine Knospenbildung am aboralen Pole der Cuninabrut fand ich^) bei Cunina rubiginosa (rhododactyla) und C. proboscidea, bei welcher letzteren dieselbe Erscheinung von Uljanin bestätigt wurde. Nachdem ich in kurzen Zügen die Geschichte der Kennt- nisse über die Vermehrung der Cuninen [Cunanthidae Hack.) überblickt habe, muss ich noch ein Resume der Erfahrungen über die geschlechtliche Entwicklung dieser Medusen geben. Während die früheren Forscher wie Kölliker und Gegenbaur, uns gar nichts über die Geschlechtsorgane der Cuninen mit- theilten, war Fr. Müller*^) der Erste, welcher geschlechtsreife C. Küllikerü beobachtete, nur konnte er ausschliesslich männ- liche Individuen mit wimmelnden reifen Zoospermien w^ahrnehmen; „Eier wurden nie gesehen." Bei C. rubiginosa (C. rhododactyla) fand Häckel^) nur ein einziges Weibchen mit Eiern, welche letzteren „gross waren und sassen in ziemlich geringer x\nzahl an den Rändern der radialen Magentaschen vertheilt, so dass auf jede Tasche durchschnittlich nur 5 — 10 Eier kommen mochten". Die Männchen wurden dagegen auch von Häckel viel häufiger beobachtet, wobei er sich überzeugen konnte, dass die Geschlechts- producte an der unteren Magenwand entstehen. Genauere An- gaben finden wir bei den Gebrüdern Hertwig,^) welche übrigens sich mehr auf Aeginopsis mediterranea und Polyxenia albescens (= Citiiina solinaris Hertw\, Solmissus albescens Hack.), also auf ^) Ueb. einen Generationswechsel bei Geryonia proboscidalis, Mel. biol. de l'Acad. de Petersb. Bd. V, 1866, p. 27. 2) Citirt in Leuckart's Jahresbericht üb. d. Naturg. niederer Thiere, für d. J. 1866 u. 1867, p. 199. ■'') Ueb. d. Cuninen-Ivnospenähren. Graz. 1875. *) Archiv für Naturgesch. 1875 u. in Mittheilungen der Moskauer Gesellschaft der Liebhaber etc. (russisch). Bd. XXIV, 1876. 5) Zeitschr. f. M-iss. Zool. Bd. XXIV, 1874, p. 29. ö) A. a. O. p. 47. ') Rüsselquallen, p. 129. ^) Der Organismus der Medusen. Jena 1878, p. II ff. I06 SECHSTES CAPITEL. Nicht-Cunanthiden beziehen. Von letzteren untersuchten unsere Forscher ausschliesslich C.proboscidea,^) welche sie als C. lativentris bestimmten. Sie wiesen nach, dass auch bei dieser IMeduse die Geschlechtsorgane ausschliesslich Ectodermproducte repräsen- tiren; sie schilderten einige jüngere Stadien der geschlechtlichen Ausbildung, gaben aber, ebensowenig wie ihre Vorgänger, eine Beschreibung reifer Eier. Die Ursache dieser Dürftigkeit in unseren Kenntnissen über die weiblichen Genitalien der echten Cuninen liegt meiner Meinung nach darin, dass die Eier nicht nur im Verhältniss zu anderen Aeginiden oder zu Medusen überhaupt, sondern auch an und für sich ausserordentlich klein sind. Wie ich im ersten Capitel dieser Studien zeigte, nehmen sie in dieser Beziehung überhaupt die tiefste Stellung unter den Medusen ein, da die reifen Eier der C.prohoscidea einen Durchmesser von kaum 0,024 Mm. haben. Diejenigen Forscher, welche Cuninen mit so kleinen Eizellen trafen, glaubten unreife Formen erlangt zu haben und schenkten ihnen" deshalb keine weitere Beachtung. Die kleinen Eier der genannten Meduse, wenn sie aus dem Eierstocke durch Zerzupfung isolirt werden, erscheinen als rund- hche oder ovale nackte Zellen (Taf. XI, Fig. 5, 6) mit blasigem, körnchenarmem Inhalte und einem verhältnissmässig sehr grossen Keimbläschen, in welchem man bei Untersuchung lebender oder mit einer halbpercentigen Osmiumsäure behandelter Objecte stets einen runden Keimfleck unterscheidet; bei Anwendung von Essigsäure (in zweipercentiger Lösung) trübt sich der Kernsaft, wobei in ihm sehr feine Körnchen und fadenförmige Figuren zur Erscheinung kommen. Solche Eier werden auch in IMenge spontan abgelegt, wobei ich jedoch keine Veränderungen des Kernes, respective keine Bildung- von Richtungszellen beob- achten konnte. Im Eierstock findet man eine Unzahl Eier auf verschiedenen Entwicklungsstadien, welche einen dichten, mehr- schichtigen Polster bilden ; ganz ähnlich erscheinen sie auch bei Cujiina riibiginosa, und wenn Häckel (s. oben) bei dieser Species ^) M. vgl. über diese Species die Medusologischen JMittheihmgen a. a. O., p. 249. Einen weiteren Beweis dafür, dass weder Cuiiina lativentris, noch C. vitrea mit C. prohoscidea identilicirt werden können, finde ich in den in Icones Zootomicae von V. Carus, 1855 von Gegenbau r pnhlicirtcn Abbildungen der C. glohosa Es eh. (Ic. Zoot. Taf. II, Fig. 6, 7), welche indessen sich weit von der Escholz'schen Species entfernt, dafür aber eine unverkennbare Aehnlichkeit mit C. prohoscidea auf- weist. "Wäre die Gege nbau r'sche C. glohosa mit einer seiner oben genannten Species identisch, so hätte er das gewiss berücksichtigt und nicht an die Escholz'sche Art gedacht. Da der Name C. glohosa somit der Es chol //sehen Südseeform gehört, so ist desto mehr Grund vorhanden, die Gegenbau r'sche C. glohosa mit einem anderen Namen (prohoscidea) zu bezeichnen. SPOROGONIE UND KXOSPüNG VON CUNINA PROUOSCIDEA METSCHN. lOy von einer geringen Anzahl grosser Eier spricht, welche er nur ein einziges ^lal beobachtete, so ist es mir wahrscheinlich, dass er die eigentlichen Eier nicht beachtete, dagegen einige sporo- gonische Embryonalstadien für solche ansah. Die beiden von mir auf ihre Geschlechtsproducte unter- suchten Cuninaarten (proboscidea und riibiginosa) sind getrennt geschlechtlich. Die Hoden enthalten eine unzählige ]Masse kleiner Zellen, respective fertiger Samenkörperchen, welche einen runden, verhältnissmässig recht grossen Kopf, ein kleines, sogenanntes Mittelstück und eine lange Geissei besitzen (Taf. XII, Fig. lo a) Die fertigen Zoospermien vereinigen sich zu garbenförmigen Paquetten, welche in verschiedenen Richtungen neben- und übereinander liegen. Die Erzeugung der Geschlechtsstoffe er- streckt sich bei C. proboscidea bis zum Rande der ]\Iagentaschen, wo es zur Bildung mehrfacher Falten kommt, geht aber auf die sogenannten Peronialcanäle nicht über. Wenn man ein Geschlechtsorgan, namentlich einen unreifen Eierstock lebender C. proboscidea im optischen Schnitte be- trachtet (Taf. XI, Fig. i), so sieht man eine dichte Anhäufung mittelgrosser Zellen, welche von der Grenze der Stützlamelle bis zur äusseren Oberfläche der ectodermalen Genitalverdickung mehrere Lagen bilden. AVährend die meisten Zellen durchaus homogen und durchsichtig- sind, zeichnen sich einige wenige durch Ablag-erung feiner Körnchen in ihrem Inhalte aus, wobei zu bemerken ist, dass solche körnchenhaltige Zellen sich ge- wöhnlich in der Nähe der Stützlamelle befinden. Bei Betrach- tung von oben, kann man schon am lebenden Thiere die nähere Zusammensetzung der Geschlechtszellen untersuchen und na- mentlich ihre unregelmässigen Contouren sowohl wie den grossen nucleolushaltigen Kern deutlich unterscheiden (Taf. XI, Fig. 2). An im Meerwasser zerzupften Präparaten überzeugt man sich sogleich, dass diese Zellen energ-ische amöboide Bewegungen ausführen, welche grösstentheils durch rundliche, lappenförmige Pseudopodien (ähnlich wie h^x Aiiioeba spiuiiosa Grub.) vollzogen werden. Die Fig. i a — d (Taf. XI) repräsentirt vier kurz auf- einander folgende Bewegungszustände einer körnigen Ge- schlechtszelle. Einige Alale sah ich übrigens an solchen Zellen viel längere, dafür aber auch sehr viel dünnere Protoplasma- fortsätze sich bilden. Die nähere Untersuchung ergibt uns zu- nächst, dass die beweglichen Geschlechtszellen bedeutend kleiner als die oben beschriebenen bewegungslosen Eier sind (die Fig. 3 und 5 der Taf. XI sind bei der gleichen Yergrösserung ent- worfen); sie zeigt uns ferner, dass ebensolche Zellen auch in 108 SECHSTES CAPITEL. männlichen Geschlechtsorg-anen neben kleinen Samenzellen und bereits fertigen Zoospermien vorkommen. Aus diesen That- sachen, sowohl wie aus dem Umstände, dass ich niemals aus- gesprochene männliche Elemente in denselben Organen mit wirkHchen Eiern fand, ziehe ich die Schlussfolgerung, dass die beweglichen Geschlechtszellen neutrale Elemente repräsentiren, aus welchen bei weiblichen Thieren Eier, bei den Männchen dagegen Spermatoblasten entstehen. Es ist dabei ganz natürlich, dass die amöboiden Zellen eine grössere Aehnlichkeit mit weib- lichen Geschlechtsproducten aufweisen, da die letzteren keinen so grossen Umwandlungen unterworfen sind. Bei mikroskopischer Untersuchung abgeschnittener Stücke des Schirmrandes unserer C. proboscidea von der Subumbrellar- fläche aus fällt es bei mehreren Individuen sofort in die Augen, dass auf der Gallerte, dicht unterhalb der Aluskelschicht. sich eine verschiedene Anzahl amöboider Zellen vorfindet, welche sich oft sehr rasch bewegen. Auf den ersten Bück zeigen solche Zellen eine vollständige Aehnlichkeit mit beweglichen Meso- dermzellen aus der Gallerte mancher Acraspeden und der Rhopalonema velatum, so dass ich eine Zeitlang glaubte, ein neues Beispiel eines solchen Gewebes bei Craspedoten auf- gefunden zu haben; nur erschien es mir sonderbar, dass, während bei einigen Exemplaren der Cunina diese Zellen ungemein zahlreich und auffallend waren, bei vielen anderen Individuen trotz angewandter Mühe keine einzige amöboide Gallertzelle aufzufinden war. Die Frage über die Abstammung dieser Zellen konnte an lebenden Thieren nicht entschieden werden, da bei der bedeutenden Grösse selbst der kleinsten betreifenden Me- dusen es unmöglich war, die verhältnissmässig kleinen Zellen in ihren AVanderungen längere Zeit zu verfolgen. Ich musste deshalb zur Untersuchung der Schnitte (wobei die Medusen- theile mit Picroschwefelsäure und Alkohol 70'^, 90*^, Boraxcarmin behandelt, daraufhin entfärbt und in Alkohol, Bergamotöl, resp. Paraffin gebracht und dann geschnitten wurden) schreiten. So riskirt es überhaupt ist, über die amöboiden Elemente auf Grund der Schnittuntersuchungen zu urtheilen, so glaube ich doch, dass es in unserem Falle sicher festgestellt werden kann, dass die eigenthümlichen Wanderzellen aus den Geschlechts- organen abstammen und, die Stützlamelle durchbrechend, sogar in das Entoderm gelangen. Die Fig. 7 (Taf. XI) repräsentirt das Stück eines wSchnittes durch eine männliche C. proboscuüa, welcher durch eine Falte einer Magentasche geführt wurde; das Geschlechtsorgan mit seinen verschieden grossen Zellen SPOROGONIE UND KNOSPUNG VON CUNINA PROROSCIDEA METSCHN. IO9 und namentlich mit einer ]\Ienge Zoospermien ist durch eine scharfe Linie (Stützlamelle) vom dickwandigen Entoderm ge- trennt. In beiden Schichten findet man g-leiche Zellen {a — c), in welchen wir ohne Mühe unsere amöboiden Geschlechtszellen erkennen; von gewöhnlichen Entodermzellen unterscheiden sie sich in so vieler Beziehung, dass sie nicht miteinander zu ver- wechseln sind. Auf anderen Schnitten (z. B. Fig. 8) lassen sich die amöboiden Zellen im Ectoderm {d, e) und im künstlich ver- grösserten Zwischenraum unterscheiden (Fig. 8, a — c), welcher dasselbe vom Ectoderm trennt; das letztere schliesst aber noch keine Wanderzellen ein. Auf noch anderen Schnitten (Fig. g) sieht man dagegen eine Anzahl solcher, die sich zwischen den gewöhnlichen Entodermelementen eingenistet haben. Da die fraglichen Zellen durchaus nicht mit Entodermzellen, sondern in jeder Beziehung mit ectodermalen beweglichen Geschlechts- zellen übereinstimmen, so können die Schnittbilder nur so ge- deutet werden, dass es sich um eine Einwanderung amöboider neutraler Geschlechtszellen in das Entoderm handelt. Diese Schlussfolgerung kann noch durch andere Thatsachen, welche aus der Untersuchung lebender Medusen sowohl wie mit halb- percentiger Osmiumsäure bearbeiteter und mit Beale'schem Carmin gefärbter Thiere entnommen wurden, controlirt werden. Die Wanderzellen, die man am lebenden Thiere viel besser auf der Gallerte als im Entoderm beobachten kann (Taf. XI, Fig. 4), erscheinen in jeder Beziehung mit den oben beschriebenen, isolirten Geschlechtszellen (Fig. 3) übereinstimmend. Es sind ebenso grosse amöboide Zellen mit feinkörnigem Inhalte und einem grossen durchsichtigen, nucleolushaltigen Kerne. Bei Betrach- tung- der Entodermstücke, welche vorher mit Osmiumsäure behandelt, mit Beale'schem Carmin gefärbt und in Glycerin eingebettet wurden, findet man neben gewöhnlichen Entoderm- elementen noch die amöboiden Zellen, welche sich sofort als eingewanderte Fremdlinge erkennen lassen (Taf. XI, Fig. 28, b, c, Fig"- 37? ^ — '■^- Der Zellenleib der letzteren ist überhaupt kleiner und dichter als derjenige der Entodermzellen und zeichnet sich dabei noch durch den Einschluss von Körnchen aus; die mit einem grossen Nucleolus versehenen Kerne erscheinen überhaupt dichter und dunkler gefärbt als die Entodermkerne, welche durch zwei kleine und blasse Kernkörperchen sehr charakte- ristisch sind. Da zwischen diesen beiden so differenten Zellenformen keine Uebergänge vorkommen, und da im gewöhnlichen Ento- derm keine solchen amöboiden Elemente enthalten sind, so kann der Befund nur im Sinne der Einwanderung erklärt werden. 1 lO SECHSTES CAPITEL. Aus der gesammten Summe meiner Beobachtungen an C. proboscidea ziehe ich die Schlussfolgerung^ dass bei mehreren Individuen neutrale amöboide Geschlechtszellen aus ihrer Brutstätte auswandern^ um in das Entoderm der Alagen- taschen, der Peronialcanäle und des Ringcanales, aber auch in die Gallertschicht der Subumbrella einzudringen. Ein solcher Process findet sowohl bei geschlechtlich unreifen, als auch bei fertige Zoospermien enthaltenden Männchen und bei reifen Weibchen statt und steht, wie ich es gleich bemerken will, mit der sporogonischen Vermehrung im Zusammenhange. Um die sich unmittelbar anschliessenden Veränderungen der Emi- o-ranten zu verfolgen, müssen vor Allem die auf der Gallerte befindlichen AVanderzellen untersucht werden, da sie am meisten isolirt und für die Beobachtung besonders günstig erscheinen. Man schneidet zu diesem Zwecke keine zu grossen Stücke des Schirmrandes bis an den Ursprung der Peronialcanäle ab, legt sie auf kurze Zeit in eine halbpercentige Ueberosmiumsäure und untersucht sie von der Subumbrellarfläche aus entweder sofort im Meerwasser oder färbt sie zunächst in Beale'schem Carmin mit nachträglicher Uebertragung in Glycerin. Die Wanderzellen werden dabei in verschiedenen Bewegungsstadien fixirt und erscheinen mit mannigfaltigsten Protoplasmafortsätzen versehen (Taf. XI, Fig. lo — 12); die letzteren sind in vielen Fällen kurz und dünn, während sie in anderen Fällen mehr abgerundet und mehr oder weniger stark ausgebreitet erscheinen. Mit activen Bewegungen sind offenbar auch energische nutri- tive Vorgänge verbunden, worauf die Ablagerung von gelb- lichen Concrementen in vielen Wanderzellen hinweist (Fig. 12, 13, 18, 19 etc.); ausserdem kann man an letzteren recht häufig Theilungserscheinungen'beobachten, welche als der Einleitungs- act zur Sporogonie angesehen werden müssen. Obwohl der Theilungsprocess der Wanderzellen unserer Meduse keineswegs zu den classischen Beispielen (wie etwa die Theilungsphänomene in den Geweben der Salamander- oder Tritonlarvenj bei- gerechnet werden darf, so halte ich trotzdem für geboten, den- selben ausführlicher zu besprechen, zumal ganz nämliche Er- scheinungen auch sonst bei Medusen und anderen wirbellosen Thieren häufig vorkommen. Ich werde die von mir gesehenen Bilder beschreiben, so wie sie bei der angegebenen Präparirungsweise auftreten, in Berücksichtigung dessen, dass die gewonnenen Kenntnisse in der Zellentheilungslehre zu einem ausserordent- lich wichtigen Hilfsmittel bei der embryologischen Forschung geworden sind. Der ruhende Kern erscheint in Form eines SPOROGONIE UND KNOSPUNG VON CUNINA PROP-OSCIDEA IMETSCHN. I I I rundlichen oder ovalen Bläschens, welches unter dem Einflüsse der amöboiden Veränderungen des Zellprotoplasmas selbst nicht unerhebliche Umgestaltungen erfährt (Taf. XI, Fig. lo); sein Inhalt ist durch eine Masse feinster Körnchen getrübt, ausser welchen central oder excentrisch ein ansehnliches rundes Kernkörperchen befindlich ist (Fig. 10—13). Die ersten Ver- änderungen, welche als Vorbereitung zur Karyokinese auf- gefasst werden müssen, bestehen in einer Vereinigung der Molecularkörnchen zu grösseren verlängerten Körpern, welche in verschiedenen Richtungen verlaufen; dabei wird der Kern- saft viel klarer, und nur der Nucleolus behält seine ursprüng- lichen Eigenschaften (Fig. 14). Die Vereinigung der bacillen- förmigen Körperchen führt zur Bildung verlängerter gerader oder verschiedenartig geknickter und gebogener Chromatin- fäden, womit Hand in Hand eine noch stärkere Aufklärung des Zellsaftes erfolgt (Fig. 15). Daraufhin bildet sich aus den ver- einigten Fäden ein zusammenhängendes Chromatinnetz, dessen Maschen durch wasserklaren Zellsaft angefüllt erscheinen (Fig. 16); bei weiterer Verbindung des Chromatins scheint mit demselben auch der bis jetzt selbständige Nucleolus zu ver- schmelzen, so dass eine einheitUche Masse entsteht, welche sich im Centrum des Kernes concentrirt und an dessen Peripherie feine radienartige Ausläufer absendet (Fig. 17.) Während dieser Concentrirung des Chromatins nimmt seine Dichtigkeit zu, wobei es sich zu einem kleineren Volumen zusammenzieht; es entsteht auf diese Weise eine eigenthümliche, constant wieder- kehrende, radförmige Figur mit langen geraden oder gebogenen Fortsätzen (Fig. 18). Im Uebrigen behält der Zellkern noch immer seine früheren Eigenschaften bei : er bleibt in Form eines runden Bläschens mit scharfen äusseren Contouren bestehen und schliesst eine bedeutende Menge ganz wasserklaren Zellsaftes ein. Nun aber ändert sich dieses Bild, indem der Nucleus eine ovale Form annimmt und die compacter gewordene Chromatin- masse sich in die Länge auszieht, wobei deren fadenförmige Ausläufer ganz oder theilweise eingezogen w^erden (Fig. 19). Allmälig gestaltet sich die flächenartig ausgebreitete Chroma- tinplatte zu einer Scheidewand, w^elche den Zellkern in zwei Hälften halbirt, die dann von einander weichen (Fig. 20, 21). Es theilt sich somit der ursprüngliche Nucleus in zwei Tochterkerne, welche an der Aussenfläche noch die früheren Contouren behalten, während sie von innen durch eine eigenthüm- lich g-elappte Linie begrenzt werden, w^elche von der Chromatin- platte herstammt. Ein Theil der letzteren scheint sich in die I I 2 SECHSTES CAPITEL. verdichtete ]Masse zwischen den Tochterkernen verwandelt zu haben, während diese selbst vollkommen wasserklar bleiben. Je mehr sich die Tochterkerne von einander entfernen, desto deutlicher erscheint die achromatische Spindelfigur, welche nur aus verhältnissmässig wenigen und dabei äusserst zarten Fäden, zusammengesetzt wird (Fig. 22); die Tochterkerne selbst Aer- ändern dabei ihre Form, indem sie zum Theil neue Lappen bilden, zum Theil aber die früheren einbüssen; in einigen Fällen beobachtete ich, dass der Tochterkern ganz in kleine Segmente zerfiel, welche zusammen eine acinöse Gestalt an- nahmen. Auf weiteren Stadien ziehen sich die lappenförmigen Anhänge der Tochterkerne allmälig mehr oder weniger ein, und die letzteren erlangen eine rundliche oder ovale Gestalt (Fig. 2^), welche an die definitive Form der Zellkerne erinnert, dann glätten sich die Contouren noch mehr aus, so dass wir regelmässig ovale Kerne erhalten (Fig. 25), welche sich indessen noch durch ihren wasserklaren Kernsaft und Mangel an Xu- cleolus und Chromatinkörperchen vom normal ruhigen Zustand unterscheiden. Obwohl es bei Untersuchung der in Theilung begriffenen Wanderzellen unter oben angegebenen Beding-ungen scheint, dass das Chromatin sich aus dem Kerne zum grossen Theile zurückzieht, um sich mit dem Zelleninhalte zu ver- mischen, so bin ich weit davon entfernt, dies behaupten zu wollen, zumal ich mich keiner anderen Methoden bediente, welche die Schlussfolgerung hätten controliren können. AVenn ich überhaupt bei dieser Untersuchung mehr die Interessen der Embryologie verfolgte, welche die Erscheinungen der Kerntheilung als Hilfsmittel benützt, und zwar unter Anwendung der Alethoden, welche ihren sonstigen Zwecken entsprechen, so kann ich dennoch die Bemerkung nicht unterdrücken, dass die neuerdings aufgestellte Behauptung, dass der Kernsaft sich in seiner Gesammtheit in die achromatische Spindel verwandelt, ^) in den hier mitgetheilten Thatsachen keine Unterstützung findet. Auf der anderen Seite glaube ich, dass meine Befunde für die Angabe Waldeyer's sprechen, nach welcher die früher auf- gestellte Schranke zwischen der „directen" uml ..indirecten'^ Kerntheilung nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Während der Kern die oben beschriebenen Veränderungen erleidet, behält die Wanderzelle noch lange sowohl ihre äussere Form, als die Fähigkeit, Pseudopodien auszuschicken, bei. ^) Waldeyer. lieber Karyokinese, „Deutsclie medicinisclie Wochenschrift." 1886, NN. 1—4. SPOROGONIE UND KNOSPUNG VON CUNnVA PROBOSCIDEA METSCHN. I I 3 (Fig. 14—21.) Erst nachdem sich die lappenförmigen Tochter- kerne merklich von einander entfernt haben, verlängert sich der Zellleib in der Richtung der Kernspindel (Fig. 22), worauf er sich in der Alitte einschnürt (Fig. 23); als sich die Zelle in zwei Tochterelemente zertheilt hat, bleiben die letzteren noch eine Zeitlang in Communication, welche durch feine Proto- plasmafäden unterhalten wird (Fig. 24, 25). So oft ich Theilungen der Wanderzellen beobachtete, fand ich constant, dass die beiden neugebildeten Zellen sich mehr oder weniger weit von einander entfernten, dass sie also nicht in ähnlicher Verbindung bleiben, wie etwa die zwei ersten Furchungszellen. Die Zellen- vereinigung, welche ich neben den Theilungserscheinungen wahrnehmen konnte, betrafen stets Wanderzellen mit bereits ganz ruhenden Kernen, an denen der feinkörnige Inhalt und ein Nuclolus unterschieden werden konnten. Oft sah ich zwei solche Zellen in dichte Berührung miteinander kommen, wobei sich eine durch activere Pseudopodienbildung auszeichnete (Fig. 2y). Daneben fand ich andere Paare, an denen ich die Ueberzeugung gewann, dass die activere Zelle ihre ruhige Nachbarin umfliesst (Fig. 27); eine ebensolche Erscheinung Hess sich nicht nur an den Wanderzellen der Gallerte, sondern auch an denjenigen amöboiden Zellen beobachten, welche in das Entoderm der Peronialcanäle gelangten (Fig. 28a). Während in den meisten Fällen das Umfliessen einer Zelle durch die andere an einem Ende erfolgte, konnte ich einige Male auch eine Aufnahme beobachten, welche gleichzeitig auf der ganzen Länge stattfand, so dass die active Zelle dann eine bootartige Form darbot. Auf diese oder andere W^eise gelangt eine Zelle in's Innere der anderen, welche dabei ihre amöboide Gestalt und Bewegungsart beibehält (Fig. 29). Obwohl ich die Vereinigung der Wanderzellen sogleich nach ihrer Theilung besprochen habe, so kann ich dennoch nicht nachweisen, dass beide Vorgänge in einer innigen Be- ziehung zu einander stehen; es ist indessen wahrscheinlich, dass die sich vereinigenden Zellen, denen eine wichtige Rolle bevorsteht, gerade die beiden Tochterzellen repräsentiren, nach- dem sich bei ihnen der Nucleus definitiv ausgebildet hat. Wenn es somit nur vermuthungsweise ausgesprochen werden darf, dass die Sporogonie durch eine Theilung der Wanderzellen eingeleitet wird, so steht es auf der anderen Seite fest, dass dieser Vermehrungsprocess mit der Aufnahme einer Zelle durch eine andere, wie es oben beschrieben wurde, beginnt. Die um- gebende Zelle dient dabei als eine Schutzeinrichtung und spielt Metachnlkof f , Embryolog'. Stuilien an Medusen. 8 114 SECHSTES CAPITEL. zugleich die Rolle einer Ernährungszelle für die eingeschlossene, welche als eigentliche Spore in Anspruch genommen werden muss. Neben kleineren Schutzzellen, welche nur eine einzige ovale Zelle in ihrem Innern enthalten (Fig. 29), fand ich andere, mit zwei und mehr eingeschlossenen Zellen. Obwohl ich recht viele solche Stadien beobachtete, so ist es mir doch nicht ein einziges Mal gelungen, die Spore in Theilung zu ertappen, so dass ich nur aus indirecten Gründen schliesse, dass sie sich wirklich vermehrt, wobei sie zunächst zwei Zellen liefert (Fig. 30) ; die letzteren befinden sich entweder in dichter Berührung oder entfernen sich ein wenig von einander. Seltener fand ich Em- bryonen mit drei eingeschlossenen Zellen (Fig. 37*?), wobei die eine fast doppelt so gross als die anderen war; obwohl ich auch auf diesem Stadium nur ruhende Kerne erblickte, so glaube ich doch bestimmt annehmen zu dürfen, dass die zwei kleineren Zellen aus der Theilung einer grösseren hervor- gegangen sind. Am folgenden Entwicklungsstadium (Fig. 31) sind bereits vier eingeschlossene Zellen zu unterscheiden, welche dicht aneinander stossen und in regelmässiger Kreuzform an- geordnet liegen; diese ganz constante Lagerung deutet nicht nur auf den Ursprung der Zellen, sondern weist noch darauf hin, dass sie durch Theilung in einer Ebene hervorgegangen sind, welche unter rechtem Winkel die erste Theilungsebene durchkreuzt, dass der Process folglich mit den beiden ersten Furchungen der Meduseneier übereinstimmt. Schwieriger ist es, sich einen Begriff über die folgenden Theilungsstadien zu bilden, da hier eine so constante und regelmässige Anordnung nicht mehr nachzuweisen ist. Ich fand oft Embryonen mit acht (Fig. 32), zwölf (Fig. ss) und mehr Blastomeren, welche einen soliden Haufen bildeten und in einigen Fällen eine beinahe radienartige Anordnung (Fig. t,s) zeigten. Bei vergleichender Betrachtung verschiedener Embryonenzustände kann man sich leicht überzeugen, dass trotz individueller Grössenunterschiede doch im (ranzen eine merkliche Yolumzunahme sowohl des ganzen Embryo als auch seiner einzelnen Bestandtheile während der Entwicklung stattfindet. Dies ist am auffallendsten an der ernährenden vSchutzzelle zu constatiren, da sie selbst und namentlich ihr Nucleus sehr viel grösser werden. Die beschriebenen Vorgänge kann man sowohl an Wander- zellen der (xallerte als auch an solchen der Gastrovascular- wandungen, namentlich derPeronialcanäle verfolgen. Anersteren bleibt übrigens die Entwicklung bcild stehen, offenbar aus Mangel an Xährmaterial . während sie an den AVandungen SPOROGONIE UND KNOSPUNG VON CUNINA PROBOSCIDEA METSCHN. I I 5 der Peronialcanäle und der Magentaschen unaufhaltsam weiter vorschreitet. Dies erklärt uns auch den auf den ersten Blick eigenthümlichen Auswanderungsprocess amöboider Geschlechts- zellen in die Entodermwandungen, wobei ein gewisser Theil dieser Elemente auch auf die benachbarten Bezirke der Gallerte gelangt. Auf einen regen Nutritionsprocess deutet die Ab- lagerung oft zahlreicher und ansehnlicher gelblicher Con- crementC; welche ausschliesslich in der Schutzzelle bemerkbar wird (Fig. 28, ^-j a). Bei der w^eiteren Vergrösserung der Anzahl von Embryonal- zellen entsteht ein echtes Maulbeerstadium, dessen Zellen sich dann in zwei Lagen ordnen (Fig. 34). Diese Diflferenzirung erfolgt schrittweise, wobei sie sich am nächsten an die secun- däre Delamination bei Embryonalentwicklung von Medusen und Hydropolypen anschliesst; einer besonderen Modification oder etwa eines gastrulaähnlichen Stadiums konnte ich trotz vielen Nachsuchens nicht gewahr werden. Als eine specielle Eigenthümlichkeit der betreffenden Embryonen von Cum'na proboscidca muss die Thatsache hervorgehoben werden, dass vom ersten Augenblicke der Keimblätterbildung das Ectoderm an mehreren Punkten bereits zweischichtig ist, so dass nicht nur das compacte Entoderm, sondern auch das Ectoderm eine parenchymartige Anordnung der Zellen aufweist. Um diese Zeit nimmt die umgebende Schutzzelle verhältnissmässig recht grosse Dimensionen an ; mit ihrem über dem Kerne befindUchen Protoplasmatheil setzt sie sich an die Entodermwand fest während der übrige Zellleib in Form einer dünnen Membran den bereits ansehnlichen Embryo vollständig umgibt. Das Wachsthum beider Keimblätter erfolgt ziemlich gleichmässig, wobei der Embryo seine ursprünglichen Hauptmerkmale noch immer behält. Auf dem auf der Fig. 35 abgebildeten Stadium sah ich zum ersten Male Kernveränderungen, welche die Zell- theilung einleiteten und sich sowohl im Feto- als auch im Entoderm bemerklich machten. Die zarte, aus der Schutzzelle stammende Umhüllung konnte von nun an nicht mehr wahr- genommen werden, so dass der Embryo nur an einem Ende seine Verbindung mit der genannten Zelle behielt, welche letztere ihn an der Entodermwand befestigte. Der inzwischen gross gewordene Embryo konnte nicht mehr in der Dicke der Wan- dung versteckt bleiben, sondern ragte in die Gastrovascular- höhle herein, nur an einem Punkte festgeheftet (Fig. 36). Da nun aber die Ectodermzellen sich mit Wimperhaaren bedeckten, so konnten die Embryonen nicht mehr lange festgehalten werden Il6 SECHSTES CAPITEL. und lösten sich vollständig von ihrer Verbindung, nur lose an der Innenwand der Entodermhöhle anhaftend ; mehrere von ihnen schwammen dabei fort und gelangten in den Ringcanal, denselben oft gänzlich obstruirend. Die freigewordenen Embryonen erscheinen als abgeplattete Kugeln mit deutlich abgeschiedenen Keimblättern, wovon das äussere bedeutend dicker ist; im Centrum des Entoderms tritt bereits eine kleine Höhle auf, welche Anfangs noch vollständig geschlossen ist (Taf. XII, Fig. i). Auf der Ectodermoberfläche bemerkt man kugelrunde Nesselkapseln in zwei oder mehrere Haufen gruppirt, welche die Stellen bezeichnen, an denen auf späteren Stadien die Tentakeln hervorsprossen werden. Unter zunehmendem Wachsthume des linsenförmigen Embryo erhält die Entodermhöhle viel bedeutendere Dimensionen, während das Entoderm selbst zu einer dünnen, plattzelligen Epithel- schicht reducirt wird (Fig. 2, 12). Durch Herauswachsen der Entodermschicht im Centrum der unteren Fläche des Embryo kommt die Mundöffnung zum Ausbruch, welche von einem kleinen lippenförmigen "Walle umgeben wird, an dem sich das Entoderm merklich verdickt. Auf weiteren Stadien vergrössert sich die scheibenförmige Medusenlarve um ein Bedeutendes; zu den ersten zwei Haufen Nesselkapseln gesellen sich noch zwei oder in selteneren Fällen drei neue; an diesen Stellen wachsen dann kleine Tentakelrudimente aus, deren typische Anzahl vier bleibt (Fig. 3). So wenig diese Organe entwickelt sind, so betheiligen sich doch an ihnen schon die beiden Keim- blätter (Fig. 4) ; in das Innere der Ectodermhügel wachsen Entodermeinstülpungen ein, die eine kleine Höhle mit sich ziehen ; bald jedoch verschwindet die letztere, indem die Ento- dermzellen ihre charakteristische, knorpelzellenähnliche Structur erlangen und sich in eine Reihe anordnen (Fig. 14). Das En- toderm des Körpers bleibt im Ganzen viel dünner als das Ectoderm und bedeckt sich mit langen Wimperhaaren (Fig. 4). Auf so frühen Stadien beginnt schon die Knospung am aboralen Pole, wobei die beiden Keimschichten sich hügelartig ausstülpen (Fig. 2, 4, 13); an der Basis der Knospe bildet sich dann eine Einschnürung, welche dieselbe schliesslich gänzlich abtrennt. Es entstehen dadurch neue zweischichtige Embryone, welche mit solchen, die aus Sporen hervorgegangen sind, in jeder Be- ziehung übereinstimmen; da man derartige Knospen auf Medusen- larven verschiedenen Alters vorfindet, so ist wohl daraus zu schliessen, dass eine und dieselbe Larv'e mehrere Knospen zu treiben im Stande ist, welche indessen in keinem Zusammen- SPOROGONIE UND KNOSPUNG VON CUNINA PROBOSCIDEA METSCHN. II7 hange miteinander stehen (wie etwa bei Cii>nna rubigtnosa), sondern einzeln von dem Mutterthiere abfallen. Mit dem Herauswachsen der Tentakelrudimente tritt noch eine neue wichtige Neubildung zum Vorschein auf: es bildet sich ausserhalb der Tentakeln eine kreisförmige Contour (Fig. 3), welche eine obere Scheibe von dem Larvenkörper abgrenzt; bei Untersuchung auf Schnitten stellt es sich heraus, dass diese Contour einen ringförmigen Ectodermwall bezeichnet, aus dem der Scheibenrand sammt demVelumhervorgehen(Fig. \\s v). Wir sehen somit, dass die Cuninenlarven aus zwei scharf von einander getrennten Abschnitten bestehen: aus der oberen Scheibe mit Tentakelrudimenten und eventuell mit einer Knospe im Centrum und aus dem blasenförmig abgetriebenen übrigen Körper mit der Mundöffnung in der Mitte der ovalen Fläche. Dieser Gegensatz wird auf weiteren Stadien noch auffallender, zumal es den Anschein hat, als ob eine scheibenförmige Me- dusenanlage auf einer kugeligen Unterlage wie ein fremder Organismus aufsässe (Fig. 5). Bei näherer Betrachtung der aboralen Scheibe sehen wir an der Peripherie die Anlage des Scheibenrandes und weiter gegen das Centrum in den meisten Fällen vier, in Ausnahmefällen dagegen fünf oder sogar sechs (wie in Fig. 5) rudimentäre Tentakeln, zwischen welchen die hügelförmigen Randkörperanlagen hervortreten. Die Zahl der letzteren ist vielen individuellen Schwankungen unterworfen; so sah ich in mehreren Fällen nur je eine zwischen zwei Ten- takeln hervorsprossen, während die anderen Segmente der- selben Larve deren drei in gleichmässiger Entwicklung zeigten. Solche Beispiele, wo in jedem Segmente die gleiche Anzahl Randkörperchenanlagen zu linden war (wie gerade auf Fig. 5), bildeten eher eine Ausnahme aus der Regel. Die Anlagen selbst zeigten eine unverkennbare Aehnlichkeit mit Tentakelrudimenten und bestanden vom Anfang an aus beiden Keimblättern, unter- scheiden sich jedoch auf den ersten Blick durch Mangel an Nesselkapseln. Schon auf frühen Stadien konnte man an apicalen Entodermzellen der Randkörperanlagen die Ausscheidung kleiner Kalkconcremente wahrnehmen. Bei weiterer Entwicklung nimmt die aborale Scheibe an Umfang bedeutend zu, so dass sie allmälig den unteren Larven- theil zu überwuchern strebt, zumal der letztere seine frühere Blasenform gegen eine abgeplattete umzutauschen beginnt (Fig. 6); es erhellt dabei, dass der letztgenannte Körperabschnitt die untere Magenwand sammt dem Geschlechtsorgane, während die scheibenförmige Anlage, sowohl die obere Decke der söge- I I 8 SECHSTES CAPITEL. nannten Schirmscheibe (Hertwig), als auch den Schirmsaum nebst dem Velum liefert. Das Ectoderm ist besonders an der unteren ]\Iagenwand verdickt und repräsentirt schon jetzt eine ansehnliche Genitalanlage, welche von aussen vom Geisseiepithel bedeckt wird und selbst aus mehreren Zellenreihen zusammen- gesetzt erscheint (Fig. 15). Das Entoderm ist dagegen viel dünner, namentlich in dem Abschnitte, welcher an der Bildung der unteren :Magenwand betheiligt ist. Beim Herauswachsen des Scheibenrandes differenzirt sich der eigentliche Schirmsaum deutlicher von der Anlage des Velum, in welcher wir die Stütz- lamelle zwischen den beiden Ectodermschichten vorfinden; von der Wand des einfach gebauten, linsenförmigen Entodermsackes geht in den Schirmsaum eine einschichtige Fortsetzung ein, um die Entodermlamelle zu liefern (Fig. 16). Zu dieser Zeit bemerken wir an der aboralen Fläche der jungen Cunina, zwischen beiden Keimblättern, die Absonderung der Gallerte, welche anfangs als eine dünne Schicht erscheint, um sich bald merklich zu ver- dicken. Während auf den Schnitten der zuletzt beschriebenen, sowohl wie etwas früherer Stadien die Keimblätter ihren ur- sprünglichen Bau aufweisen, erscheinen sie an zerzupften und zerklopften Präparaten (bei vorheriger Behandlung mit Osmium- säure und Beale'schemCarmin) schon einen Schritt weiter differen- zirt. Auf einem blasenförmigen Stadium mit einer noch nicht hervorragenden Scheibenanlage und mit bereits angelegten, aber noch nicht ausgebildeten Randkörpern konnte ich die erste Bildung sowohl der Muskeln, als des Nervengewebes wahr- nehmen. An spindelförmigen Ectodermzellen der Velumanlage erschienen die ersten Muskelfibrillen zu je einer auf jeder solchen Zelle (Fig. 18); beim Zerklopfen des verdickten Theiles des Randwulstes konnte ich zu derselben Zeit abgerundete, spindel- förmige und polygonale Ectodermzellen von benachbarten Elementen unterscheiden und an ihnen mehr oder weniger ver- längerte Protoplasma- Ausläufer beobachten (Fig. 19). Sowohl die Lage, als auch sonstige Eigenschaften beweisen, dass es sich um erste Nervenelemente mit noch wenig entwickelten Nerven- fasern handelte. Zwischen den Zellen mit bereits vorhandenen Ausläufern konnte ich andere, im Uebrigen ganz ähnhche Elemente isoliren, die jedoch noch keine Fortsätze trugen. Beim Vergleich solcher Stadien mit weiter ausgebildeten Zuständen musste ich den allgemeinen Eindruck erlangen, dass hier die Nervenfaserbildung von keinem allgemeinen Zellenverbande eingeleitet wird, wie es die Theorie der Gebrüder Hertwig^) *) Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen. 1878, p. 170. SPOROGONIE UNI) KNOSPUNG VON CUNINA PROBOSCIDEA METSCHN. IIQ postuHrt. Auf dem Stadium mit bereits begonnener Gallert- bildung (t'ig. i6) war die Anzahl der Nervenfasern schon be- deutender und ihre Länge eine viel ansehnlichere (Fig. 20), obwohl es noch nicht zur Bildung eines zusammenhängenden Nerven- stammes kam. Unter fortschreitender Abplattung des Larvenkörpers und einem energischen Wachsthum des Schirmsaumes, respective der vermehrten Ablagerung- der Gallerte, verwandelt sich die Larve in eine zum Ausschlüpfen bereite junge Meduse, welche unter starken Contractionen den Mutterkörper verlässt und als ein selbständiges Wesen zu schwimmen beginnt. Das « fünf Millimeter im Durchmesser haltende und über ein Millimeter hohe Thier erscheint schon auf den ersten Blick von der Cunina proboscidea auffallend verschieden. Der Körper ist nicht abge- flacht conisch, wie bei dieser, sondern eher uhrglasförmig und entbehrt einer scharfen Grenze zwischen Schirmscheibe und Schirmsaum (Fig. 7, 8). Am Schirmrande trägt er in einiger Entfernung von der äusseren Grenzlinie vier rudimentäre Tentakeln, welche auf ihrem früheren Stadium stehen geblieben sind und ohne Vergrösserung gar nicht zu sehen sind. Viel auffallender treten die Randkörper hervor, deren Anzahl sowohl bei verschiedenen Individuen, als an verschiedenen Segmenten eines und desselben Thieres vielen Schwankungen unterworfen ist. Ich fand Exemplare mit zwölf bis sechzehn Randkörpern. Die letzteren stehen auf hügelförmigen Erhebungen, deren Oberfläche mit langen Flimmerhaaren bedeckt ist, und repräsen- tiren verlängerte Ectodermschläuche mit einer inneren Entoderm- achse, deren Zellen eine verschiedene, oft eine sehr bedeutende Anzahl krystallinischer Concremente secerniren (Fig. 1 1). Das Velum ist ziemlich breit und stark beweglich. Das Ectoderm ist auf der Schirmoberfläche sehr dünn, verdickt sich dagegen am Schirmrande, wo es einen ansehnlichen Nervenring einschliesst (Fig. 21); da ich den letzteren an Schnitten nicht deutlich genug beobachten konnte, so bin ich nicht im Stande zu beantworten, ob er bereits doppelt ist, wie O. und R. Hertwig es für die erwachsene C. proboscidea nachgewiesen haben. Das Ectoderm der Subumbrella ist wiederum verdünnt, dann aber beginnt es sich plötzlich zu verdicken, um das ringförmige Geschlechts- organ darzustellen (Fig. 7, o v) ; in der Nähe der Mundöffnung hört der Genitalring auf, um einem nochmal verdünnten Ectoderm Platz zu machen. Das Entoderm der ausgeschlüpften Meduse besteht aus einem einfachen, linsenförmig abgeplatteten vSacke, von welchem weder Alagentaschen, noch Peronialcanäle abgehen; I20 SECHSTES CAPITEL. ein Ringcanal fehlt ebenfalls. Von peripherischen Entoderm- theilen ist nur die ansehnliche Entodermlamelle zu erwähnen, welche unter dem Ectoderm der gesammten Schirmscheibe ver- läuft und an Schnitten deutlich zu sehen ist {Fig. 17, e l). Als auffallend muss bezeichnet werden, dass zum Ausschlüpfen bereite Medusen schon vollkommen geschlechtsreif sind. Die Geschlechter sind stets getrennt, die Ovarien aber sehen ganz gleich wie die Hoden aus, und zwar als ringförmige Ectoderm- verdickungen der unteren Magenwand. Die Eier (Fig. 9, 17) liegen in mehreren Schichten geordnet und erscheinen in jeder Beziehung den oben beschriebenen Eiern der ersten Generation von C. proboscidea ähnlich ; sie sind ebenso klein (0-024 Mm. im Durchmesser) und bestehen aus einem durchsichtigen Inhalte und einem bläschenförmigen, mit einem Nucleolus versehenen Kerne. Obwohl sie massenhaft abgelegt werden, so konnte ich doch an ihnen weder das Ausstossen der Richtungszellen, noch irgend welche weitere Entwicklungserscheinungen wahr- nehmen. Die Zoospermien bilden sich aus massenhaft an- gehäuften kleinen Hodenzellen und ordnen sich zu verschieden- artig gerichteten Garben um, aus denen sie dann in einer Form ausschlüpfen, welche sich nur durch die kleinere Grösse des Köpfchens (Fig. \ob) von den Zoospermien der ersten Generation unterscheidet. In beschriebener Gestalt lebten bei mir die ausgeschlüpften Medusen wochenlang ohne sich weiter zu verändern und ohne dass ich die Entwicklung ihrer Eier weiter verfolgen konnte. Wenn wir die durch Sporogonie und Knospung ent- standene Medusenbrut mit der eigentlichen Cuiiina proboscidea vergleichen, so sehen wir zwischen ihnen so bedeutende Unter- schiede, dass die beiden, wenn wir der Eintheilung Häckel's folgen wollten, in zwei Famihen untergebracht werden müssten. So repräsentirt die Hauptgeneration der C. proboscidea eine echte Cunanthide mit Magentaschen, Peronialcanälen und einem Ringcanal, mit „Otoporpen" und complicirteren Geschlechts- organen, während die zweite, aus Sporen, resp. Knospen ent- standene Generation einen einfachen Magenschlauch mit einer ringförmigen Gonade besitzt und keine „Otoporpen'' trägt, also sich als eine echte Solmaride aufweist. Gegen die Annahme, dass diese zweite Generation eine einfache geschlechtsreife Larvenform repräsentirt, welche sich später in die gewöhnliche C. proboscidea verwandelt, spricht vor Allem der auffallend ver- schiedene Bau der Randkörper: diejenigen der Hauptgeneration stellen nicht eine entwickeltere Form dar. wie es nach dieser SPOROGONIE UND KNOSPUNG VON CUNINA PROBOSCIDEA METSCHN. 12 1 Annahme sein sollte, sondern erscheinen im Gegentheil viel weniger ausgebildet, und enthalten gewöhnlich nur drei Krystalle ^) während die Randkörper der solmaridenförmigen Generation deren eine viel grössere Anzahl besitzen. Dann sind junge Medusen der ersten Generation, welche nicht grösser als die eben ausgeschlüpften solmaridenförmigen C. proboscidea er- scheinen, ^) doch schon in jeder Beziehung als echte „Cunan- thiden" mit „Otoporpen" und Gastrovascularsystem zu erkennen. So bleibt also nur die Annahme übrig, dass im Entwicklungs- kreise des C. proboscidea zweierlei geschlechtliche Generationen vorkommen, wovon die eine bis auf die Randkörper viel com- plicirter gebaut ist als die zweite, aus Sporen und Knospen entstandene. Die Frage, wie sich die aus Eiern beider Gene- rationen entwickelten Medusen verhalten, kann erst durch spätere Forschungen beantwortet werden. Von den bisher beschriebenen „inneren Knospen" der Aeginiden, • zeigen diejenigen der Cunina prolifera Geg. 2) die grösste Aehnlichkeit mit den sporogonischen Embryonen und deren Knospen der C. proboscidea; ich würde die Identität beider annehmen, wenn die Mutterform sich nicht so auffallend von der ersten Generation der C. proboscidea auszeichnete : so ist bei C. {AegineiaJ proboscidea nach Gegenbaur ^) „die Gallert- substanz beträchtlich dick", während ihre weiche Consistenz zu den hervorragendsten Alerkmalen der C. proboscidea gehört. Das gleichzeitige Auftreten von vier rudimentären Tentakeln und die scharfe Grenze zwischen der Scheibe und der kissen- förmigen Unterlage erinnern durchaus an die oben für C. pro- boscidea angegebenen Verhältnisse; nur muss diejenige Fläche, welche Gegenbaur für die orale hält, als aborale bezeichnet w^erden und das von ihm als Mundöflfnung gehaltene Gebilde als die Stelle in Anspruch genommen werden, von welcher eine aborale Knospe abgefallen war. Wollte man um jeden Preis an der Identität der „Knospen" der C. prolifera mit den sporogonischen Embryonen und deren äusseren Knospen fest- halten, so wüsste ich nur eine Zuflucht in der Annahme, dass im Falle Gegenbau r's die Brut der C. proboscidea sich im Magen *) Eine Abbildung dieser Randkörper steht in unserer oben citirten russischen Abhandlung, Taf. VI, Fig. 3, sowie in Medusologischen Mittheilungen a. a. O. Fig. 25, auf die ich nunmehr verweise. ^) O. u. R. Hertwig (Organismus d.Medusen, p. 17) erwähnen eines Exemplares ihrer C. lativenti-is {C. proboscidea) von 5 Alm. im Durchmesser. ^) Zur Lehre vom Generationswechsel, p. 56 ff., Taf. 2. *) Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. VIII, p. 262. 122 SECHSTES CAPITEL. einer anderen Species eingenistet hat. Dass solche Fälle denk- bar sind, beweist der von mir einmal gemachte Befund, dass in der Gastrovascularhöhle von Polyxenia albescens ein ganzer Schwärm Embryone und Knospen der Cu?itna rubiginosa ruhig parasitirte. An einen genetischen Zusammenhang beider Formen war dabei gar nicht zu denken. Wenn die Annahme einer Identität von C. prolifcra Geg. mit C. probosctdea auf Schwierig- keiten stosst, so ist die oft ausgesprochene Meinung, dass Aegineta gemmifeya Kef. Ehl mit der erstgenannten Species identisch ist, durchaus unhaltbar. Die Eigenthümhchkeiten der erv/achsenen Form sowohl wie der inneren Embryone ') weisen übereinstimmend darauf hin, dass A. gemmifera nichts Anderes als Eiiry Stoma rubiginosum Köll., d. h. Ciinina rubiginosa (oder rhododadyla Hack.) ist. Die bei dieser Meduse von Kölliker, Keferstein und Ehlers und von mir beobachtete Brut- bildung beruht offenbar ebenfalls auf Sporogonie, welche sich namentlich dadurch unterscheidet, dass die neuen Generationen in allen wesentlichen Punkten mit der mütterlichen überein- stimmen und dass es hier folglich zu keinem ausgesprochenen Dimorphismus kommt. Die aus Sporen und Knospen hervor- gehenden Individuen unterscheiden sich vielleicht nur durch eine abweichende Segmentzahl (deren untergeordnete Be- deutung bereits früher von mir gezeigt wurde), während sie sich in Bezug auf Nesselstreifen und das Gastrovascularsystem gleich dem Mutterthiere verhalten. Da die neuen Generationen uns keineswegs die verfrühte Geschlechtsreife zeigen, die wir bei der Solmaridenform der C. proboscidea gefunden haben, und dabei ihre vollkommene innere Ausbildung erlangen, so ist wahrscheinlich die eigenthümliche niedrige Organisations- stufe der letztgenannten Form durch das Stehenbleiben in Folge der frühzeitigen geschlechtlichen Entwicklung zu erklären. An C. rubiginosa erinnert die C. Köllikeri F. :^Iüll., bei welcher ebenfalls ein vollkommener Ausbildungsgrad erreicht wird und w^elche auch in der stufenweisen Entwicklung der Ten- takeln mit der ersteren übereinstimmt. Nach Analogie zu urtheilen, müssen auch die sonderbaren auf Geryojiiq proboscidalis parasitirenden Cuninenlarven 2) eben- falls als Producte einer Sporogonie aufgefasst werden. Von diesem Gesichtspunkte lässt sich auch die eigenthümliche, ^) Keferstein und Ehlers. Zoologische Beiträge, p. 93, Taf. XIV. Fig. lo, ii. 2) S. darüber Uljanin's oben citirte russische Abhandlung und meine Unter- suchungen in der Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. XXXVI, p. 437. I'^f- XXVIII, Fig. 7—16. SPOROGONIE UNI) KNOSPUNG VON CUNINA PROBOSCIDEA METSCHN. I23 riesenhaft ausgebildete Zelle mit der Schutzzelle der sporogoni- schen Embryone 6.er C.proboscidea parallelisiren. In beiden Fällen sehen wir eine mit einem grossen Nucleus versehene amöboide Zelle, welche innig mit dem eigentlichen Embryo verbunden ist und für den letzteren als ein Befestigungs-, aber auch zugleich als Ernährungsorgan fungirt. Während aber bei C. proboscidea gleichzeitig nur eine, bei C. riibiginosa zwei oder drei aborale Knospen entstehen, bildet sich bekanntlich bei C.parasitica (so nenne ich vorläufig die in Geryonia schmarotzende Meduse) ein dicht mit Knospen besäter Stolo. Mit dieser ver- stärkten Gemmation in Zusammenhang steht wohl die That- sache, dass die aus Sporen entstandene Generation nicht nur keine frühzeitige Geschlechtsreife, wie bei C. proboscidea erlangt, sondern auch auf einer noch viel tieferen Stufe der Ausbildung stehen bleibt. Dadurch lässt sich auch erklären, warum die aus Sporen entstandenen Individuen (sog. Polypen) nicht identisch mit solchen, welche aus Knospen hervorgegangen sind, wie etwa bei C. proboscidea und C. rubigijiosa, sondern sich auf- fallend von einander unterscheiden. "Wie ich an einem anderen Orte gezeigt habe, ^) weisen die aus Knospen der C. parasitica gebildeten Medusen bereits eine Rückbildung der Peronial- canäle und der Ringcanäle auf, so dass sie in dieser Beziehung eine Alittelstufe zwischen den vollkommen ausgebildeten Cuninen und der solmaridenähnlichen Form der C. proboscidea repräsen- tiren. Wie sich nun die sporenbildende Generation der C. para- sitica verhält, wissen wir zur Zeit noch gar nicht; sollte sie einen vollständig ausgebildeten Gastrovascularapparat besitzen, so würden wir bei dieser Meduse einen Trimorphismus erhalten mit folgenden Generationen: i. echte Cunina, 2. knospende ,.Polypenform" und 3. cuninaähnliche Meduse mit Nesselstreifen, aber ohne Peronialcanäle und Ringcanal. Wenn eine Sporogonie bei vier oben erwähnten Arten {C. proboscidea, rubiginosa, KölHkeri, parasitica) mit Bestimmtheit angenommen werden konnte, so lässt sich dies nicht mit der- selben Leichtigkeit von der C. octonaria ]\Ic. Crady behaupten.. Es kann deshalb mit nur einem gewissen Wahrscheinlichkeits- grade ausgesprochen werden, dass die primäre, in der Glocken- höhle von Turritopsis nutricola schmarotzende Cuninenlarve das Product einer sporogonischen Zeugung repräsentirt. Dasselbe muss auch auf einen ähnlichen Parasiten ausgedehnt werden, welchen ich einmal (April 1883, Messina) in der Glockenhöhle ^) Medusologische Mittlieilungen, a. a. O., p. 252. 124 SECHSTES CAPITEL. von Rhopalonema vclahivi auffand. Er stellte einen einfachen Larvenkörper dar, welcher sich mittelst drei mit Saugnäpfen endigenden Tentakeln an der Subumbrella des M^irthes be- festigte und sechs auf verschiedenen Stadien stehende Knospen trug. Die jüngsten erschienen als abgerundete Auftreibungen der beiden Keimschichten^ an denen eine conische Rüssel- anlage hervorsprosste, die sich dann zu einer langen Saugröhre, ähnhch wie bei den Larven von Mc. Crady, entwickelte. Der eigentliche Leib der Knospe verwandelte sich auf späteren Stadien in eine ISIedusenscheibe mit zehn kurzen Tentakeln^ doppelt so vielen Randkörpern, Nesselstreifen und mit einem vollkommen ausgebildeten (mit Peronialcanälen und Ringcanal versehenen) Gastrovascularsystem. Der Parasit von Rhopalonema stellt uns somit ein Verbindungsglied zwischen den Knospen von Cunina rubiginosa, wo die knospende Larve sich ganz gleich verhält wie das neugebildete Individuum und wo beide vollkommen ausgebildete „Cunanthiden" sind, und der Knospung von C. parasitica, wo der proliferirende ,.Polyp" sich wesentlich von den Knospen unterscheidet, welche letzteren nur ein un- vollständiges Gastrovascularsystem aufweisen. Die Fortpflanzungserscheinungen verschiedener Cunjnen überblickend, sehen wir eine ganze Reihe mannigfaltiger Ein- richtungen auftreten, zum Zweck einer erhöhten Vermehrung. Es entsteht die aborale Knospung bei Larven und tritt eine so verfrühte Geschlechtsreife auf, dass sie die definitive Ausbildung mancher Organe mehr oder weniger vollständig hemmt. Die unreifen Geschlechtszellen erlangen die Fähigkeit, als Sporen eine neue Generation zu erzeugen, zu welchem Zweck sie ihre Bildungs-stätte verlassen, um in das Entoderm, behufs besserer Ernährung, einzuwandern. Wenn diese IMigration an die Wande- rungen der Keimzellen erinnert, welche Kleinenberg und Weismann bei Hydroiden gefunden haben, so findet die Sporo- gonie der Cuninen ihre nächsten Analoga vielmehr in den Stämmen der Würmer und Arthropoden, unter Thieren, welche ebenfalls eine erhöhte Vermehrung zeigen. Eine ähnliche Sporo- gonie finden wir bei metagenetischen Trematoden, wo die cer- carienbildenden Keimzellen ebenfalls als undifferenzirte Ge- schlechtszellen in Anspruch genommen werden. Die Analogie erstreckt sich sogar auf den Bau der sporogonen Embryone, welche bei Trematoden, ebenso wie es oben für C. proboscidca dargestellt wurde, eine grössere, den übrigen Embryonalzellen anliegende Zelle besitzen. Ob die letztere auch bei Trematoden den eigentlichen Embryo umschliesst und selbständig aus einer SPOROGONIE UND KNOSPUNG VON CUNINA PROnOSCinEA ]METSCHN. I25 Keimzelle entsteht^ kann zur Zeit nicht bestimmt behauptet werden; jedenfalls scheint mir die Angabe von Schwarze/) nach welcher die betreffende Zelle erst später durch Heraus- treten einer Furchungszelle an die Peripherie des Embryo ge- bildet wird, zum jVIindesten nicht bewiesen. Eine gewisse Analogie mit der Sporogonie der Cuninen können wir ferner in der Paedogenesis der Miastorlarven er- blicken, zumal hier die Keimzellen aus Anlagen der Geschlechts- organe hervorgehen. Nur im Stamme der Coelenteraten steht die Cuninensporogonie noch ganz isolirt da. ^) Die postembryonale Entwicklung der Trematoden, Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. XLIII, 1885, p. 49, Taf. III, Fig. 2. SIEBENTES CAPITEL. Genealogische Betrachtungen. Zur Geschichte der Keimblätterlehre. — Hypothesen über die Abstammung der Metazoen. — Genealogische Bedeutung der drei ersten Furchungsstadien. — Ento- dermbildung. — Bemerkungen über Gastraea-, Planula- und Plakula-Theorien. — Aufstellung der Phagocytella-Theorie. — Erwiderung auf einige Einwände. — Verwandtschaft der Phagocytella mit Turbellaria Acoela. — Rückschlüsse auf die Theorie eines schlitzförmigen Blastopors. — Zur Genealogie des Afters. — Genea- logisches über Mesodermbildung. J_/inig"e Deductionen^ welche die ersten Principien der heu- tigen vergleichenden Embryologie lieferten, stammen noch aus dem ersten Viertel unseres Jahrhunderts. So ist von der natur- philosophischen Schule in Deutschland der Satz aufgestellt worden: ^Evoliitionem, qttaiu prima aetate qiLod siibit aninial, evolutioni, quam in animaliiim scrie obscrvandam putant, rcs- pondere.'"'- Baer ^) erklärte sich zwar gegen diese Schluss- folgerung, indem er behauptete, dass embryonale Stadien ge- wisser Thiere keineswegs mit anderen erwachsenen Formen, sondern nur mit deren Embryonen verglichen werden dürften; schliesslich musste er aber selbst erkennen, dass der Unter- schied zwischen beiderlei Ansichten keineswegs so bedeutend ist, wie er auf den ersten Blick zu sein scheint. Ein bedeutender Fortschritt wurde durch L. Agassiz er- reicht, als er den Parallelismus zwischen Embryonalstadien gegenwärtiger Thiere und den hauptsächlichsten Stufen der geo- logischen Entwicklung unserer Thierwelt aufstellte, nur wusste er nicht aus dieser Wahrheit die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. M Ueber Entwicklungsgeschichte der Thiere. Th. T, 1828, Scholion V, p. 199 ft". GENEALOGISCHE BETRACHTUNGEN. I27 Indem man auf der einen Seite nach allgemeinen Aehnlich- keiten zwischen Embryonalzuständen der Thiere mit anderen erwachsenen Formen suchte;, nach der anderen ebensolche Aehnlichkeiten der Embryone mit ausgestorbenen Thieren auf- stellte, machte bekanntlich Huxley im Jahre 184g den Vergleich zwischen Keimblättern der Wirbelthiere und den Hauptschichten des Coelenteraten-Organismus, die er als Ectoderm und Ento- derm bezeichnete. Dieser Gedanke ist in England nicht nur nicht unbemerkt geblieben, sondern wurde sogar popularisirt und weiter verallgemeinert von Herbert vSpencer in einem seiner schönen Essays „über den socialen Organismus." ^) So sagt der englische Philosoph: „Im ganzen Thierreich, von Coe- lenteraten an, ist das erste Entwicklungsstadium vollkommen gleich. Im Embryo eines Polypen, ganz ebenso wie im mensch- lichen Ei sondert sich von der Zellenmasse, aus welcher das lebendige Geschöpf werden soll, eine peripherische Schicht von Zellen ab; diese Schicht theilt sich später in zwei: in eine innere Schicht, welche den Dotterberührt und als Schleimblattbezeichnet wird, und in eine äussere .Schicht, welche umgebenden Einflüssen unterworfen ist und seröses Blatt genannt wird, oder, Avenn wir die Ausdrücke von Huxley, welche er bei der Darstellung des Entwicklungsprocesses der Hydrozoa benutzte, anwenden : in das Entoderm und das Ectoderm. Diese ursprüngliche Differen- zirung bezeichnet die wesentliche Verschiedenheit der Theile im künftigen Organismus." Es folgt dann die weitere Dar- stellung, sowie die Aufstellung einer Analogie des Ectoderms mit den höheren Ständen der Gesellschaft, des Entoderms — mit niederen Schichten und des mittleren Blattes mit dem Thiers-Etat. In Deutschland hat die Lehre Huxley's längere Zeit keine Anhänger gefunden, zumal als dort überhaupt eine gewisse Reaction gegen die allgemeine Anwendung der Keimblätter- lehre bemerklich war, welche ihren höchsten Punkt in der be- kannten Embryologie der Dipteren von Weismann erreichte. Eine solche Richtung stand im vollkommenen Einklänge mit der damals herrschenden Typenlehre, nach welcher alle mor- phologischen Vergleiche nur im Bereiche eines und desselben Thiertypus gemacht werden dürften. Während man lange Zeit bei Aufstellung von Aehnlich- keiten zwischen Thieren, ihrem anatomischen Bau und Ent- ^) Der Aufsatz ist zuerst im Jänner 1860 in Westminster Review erschienen. In Ermanglung des Originals citire ich nach einer russischen Uebersetzung. 128 SIEBENTES CAPITEL. wickelungsstadien^ nur den Ausdruck eines allgemeinen Planes, welchen man im rein idealen Sinne nahm, erblickte, erkannte man in späteren Decennien mit Darwin, dass im Grunde dieser Aehnlichkeiten die genealogische Verwandtschaft enthalten ist. Darwin hob besonders hervor, dass der Embryo, als weniger verändert als das fertige Thier, uns über den Bau der Vor- fahren unterrichtet und dass die Identität der Embryone auf die gleiche Abstammung hinweist. Er suchte diese allgemeinen embryologischen Grundsätze durch concrete Beispiele zu er- läutern, wobei er auch die Ausnahmen durch Verdunkelungen im Entwicklungsgange, welche durch Anpassung früher Sta- dien oder durch eine frühzeitige Vererbung bedingt werden, zu erklären suchte. So kam Darwin zum Schlüsse, dass der von Agassi z nachgewiesene Parallelismus durch genealogische Verwandtschaft der Thiere zum Ausdruck gekommen ist, dass dieser Parallelismus indessen sich nur dann offenbart, wenn eben keine verdunkelnde Perturbation in dem Entwicklungs- gange vorgekommen ist. Die embryologischen Principien Darwin's wurden in der bedeutenden Schrift von Fritz Müller: „Für Darwin" nicht nur auf deductivem Wege weiter entwickelt, sondern auch an einzelnen concreten Beispielen, welche aus der Embryologie und Verwandlungsgeschichte niederer Thiere genommen wur- den, analystisch erläutert, wobei zugleich der Weg gezeigt wurde, wie man vergleichend -embryologische Aufgaben be- handeln muss. Fr. Müller betonte nachdrücklich, dass die Entwicklungsgeschichte nur dann den genealogischen Gang wiederholt, wenn die Nachkommen auf dem Wege zur elter- lichen Form nicht früher oder später abirren, sondern diesen Weg unbeirrt durchlaufen, „aber dann, statt stille zu stehen, noch weiter schreiten". „In der kurzen Frist weniger Wochen oder Monden führen die wechselnden Formen der Embryonen und Larven ein mehr oder minder vollständiges Bild der Wand- lungen an uns vorüber, durch welche die Art im Laufe un- gezählter Jahrtausende zu ihrem gegenwärtigen Stande sich emporgerungen hat.'^ (Für Darwin, p. 76.) Im Anschlüsse an den Gedanken Darwin's über die Perturbationen im Entwicklungs- gange stellte Fr. Müller folgende Thesis auf: „Die in der Entwicklungsgeschichte erhaltene geschichtliche Urkunde wird allmälig verwischt, indem die Entwicklung einen immer geraderen Weg vom Ei zum fertigen Thiere einschlägt, und sie wird häufig gefälscht durch den Kampf um's Dasein, den die freilebenden Larven zu bestehen haben" (p. 77). GENEALOGISCHE BETRACHTUNGEN. 12 Q Nach dem Erscheinen der bahnbrechenden Schrift von Fr, Müller und zum Theil unter dem Einfluss derselben be- gann eine intensive Bearbeitung der thatsächlichen Verhält- nisse der thierischen Embryologie, wobei die niederen Thiere mehr als die höheren Vertebraten berücksichtigt wurden. Ganz unabhängig von dieser Bewegung kam Kölliker im Jahre 1865 (im zweiten Theil seiner Icones histiologicae, p. 90) zu allgemeinen Schlussfolgerungen, welche der Hauptsache nach mit den An- sichten Huxley's übereinstimmten. „Sei dem wie es wolle — ■ sagte er am .Schlüsse seiner Betrachtungen — so ist auf jeden Fall die Uebereinstimmung im Baue eines Hydrozoen und eines jungen Wirbelthierembryo eine sehr in die Augen springende, und wird sicherlich eine weitere Verfolgung dieser Frage unter Berücksichtigung des Baues und der histologischen Entwick- lung vieler Thiere schliesslich ein einfaches Bildungsgesetz zu Tage treten lassen." Diese weitere Verfolgung Hess nicht lange auf sich warten. Die ziemlich verlassene Keimblätterlehre im Bereiche der Wirbellosen wurde von Neuem aufgenommen und mit einer Fülle neuer Thatsachen bereichert, so dass sie bald zum Losungsworte der neuen Richtung in der Embryologie geworden ist. Den wichtigsten Anstoss dazu gab die epoche- machende Entdeckung der Amphioxusentwicklung durch Ko- walevsky,^) da in der Embryologie dieses Thieres Erscheinungen, welche die Entwicklung der Wirbelthiere mit deren der Wirbel- losen vereinigten, gefunden wurden. Nachdem Kowalevsky die doppeltblätterige Flimmerlarve des Amphioxus entdeckte, suchte er nach analogen Entwicklungsformen bei anderen Thieren, wobei es ihm gelang, eine grosse Anzahl werthvoUster That- sachen festzustellen., AVährend sich diese Untersuchungsreihe auf das Auffinden der grundlegendsten Embryonalstadien con- centrirte, welche mit den Erscheinungen bei Amphioxus in eine Parallele gebracht werden könnten und vorzugsweise niedere Thiere mit einfach gebauten Larven betrafen, wandte ich mich auf die Bearbeitung der Embryonalvorgänge höherer Wirbel- losen, mit der Absicht, bei ihnen die Keimblätterlehre wieder herzustellen. Ich untersuchte zunächst die Embryolog^ie von Sepiola,^) bei welcher ich zwei Keimblätter auffand und deren ^) Entwicklungsgeschichte des Amphioxus. Russische Alagisterdissertation vom Jahre 1865 und Entwicklungsgeschichte des Amphioxus lanceolatits, Mem. de l'acad. Im. des sc. de S. Petersbourg 1867. ^) Entwicklungsgeschichte der Sepiola, russische Dissertation 1867. Ein Auszug ist von Claparede in Archives des sciences physiques et naturelles 1867 gegeben. M. vergl. die im Jahre 1874 in der ^Zeitschr. f. Wissenschaft]. ZooL, Bd. XXIV, Mets chniko ff, Embryolog. Studien an Medusen. 9 130 SIEBENTES CAPITEL. Antheil bei der Organenbildung verfolgte. Unter den Arthro- poden gelang es mir nicht; die Keimblätter der Insecten mit der gewünschten Deutlichkeit wahrzunehmen; dagegen konnte ich solche bei höheren Crustaceen^) (Xebalia) und namentlich beim Scorpion-) auffinden. Bei der letzteren Thierform fand ich zuerst (1866) nur zwei Blätter, worauf ich jedoch bald (1868) auch das dritte bemerkte. Die von mir gemachten Befunde, dass beim Scorpion das obere Blatt die Nervenzellen der Cen- tralorgane liefert, das mittlere sich aber in zwei Nebenblätter spaltet, unter Bildung von segmentirten Abtheilungen, wo- bei die Leibeshöhle durch Vereinigung einzelner Segment- höhlen entsteht, dass ferner das untere Keimblatt als ein Darm- drüsenblatt erscheint, Hessen mich im Jahre 1869 zur Schluss- folgerung kommen,^) dass „die drei Blätter der Scorpionembryone durchaus den drei Remack'schen Blättern der Wirbelthiere entsprechen.'' Ich Hess mich dabei nicht durch den Umstand abhalten, dass es mir damals schien, als ob die Nervenfasern nicht aus dem oberen, sondern aus dem mittleren Blatte ab- stammten, da zu jener Zeit eine ähnliche Bildung des peri- pherischen Nervensystems auch für "Wirbelthiere als Regel galt. Somit wurden vergleichend-embryologische Aufgaben von zwei Seiten in Angriff genommen, um zunächst eine factische Grundlage zu gewinnen. Nachdem ich die Keimblätter der Scorpione in den Hauptzügen verfolgt hatte, begann erst Ko- walevsky*) seine Untersuchungen über die Embryologie der von Grenacher über Cephalopodenentwicklung piiblicirte Arbeit, AS'elche noch in alter Richtung verfasst wurde und in welcher keine Rede über Keimblätter ist. *) Entwicklungsgeschichte der Nebalia, russische Dissertation l868. ^) Entwicklungsgeschichtliche Beiträge l868, Melanges biologiques de l'Acad. de S. Petersb. Bd. VI, p. 730. Gegen die Keimblätter beim Scorpion ist sehr entschieden Ganin in seiner russischen Dissertation über Embryologie des Scorpions, 1867 iind in Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XX, 1870, p. 518 aufgetreten. "Wenn Kowa- levskx' (Embryol. Stud. üb. Würmer u. Arthrop. 1871, p. 5) behauptet, dass G a n i n „positive Angaben, dass das Nervensystem von der oberen Zellenschicht entstehe", gemachtT hat, so beruht dies auf einem Irrthum, weil der genannte Forscher das centrale Nervensystem des Scorpions ohne "Weiteres aus dem Keimstreifen her- leitet und keine Diflerenzirung der Zellschichten zulässt. Auch ist es unrichtig, wenn Kowalevsky die Entdeckung des Darmdrüsenblattes Ganin zuschreibt. '•') In einem Referate in der Zeitschr. d. Unterrichtsministeriums, April 1S69 (russisch), ]). 179. Es ist unrichtig, wenn Kowalevsky (Stud. an Wurm. u. Ar- throp. p. 1), sich auf diesen meinen Aufsatz beziehend, mir gerade die Ansicht zu- schreibt, als ob ich „keinen Vergleich zwischen den Keimblättern der Wirbelthiere und der Wirbellosen zuliesse." ■*) Embryol. Stud. an Wurm. u. Arthrop, Mem. Acad. Petersb. Bd. XVI, Nr. 12, 1871. Kowalevsky sagt pag. 5: „Die Keimblätter aber, welche ich annehme. GENEALOGISCHE BETRACHTUNGEN. I3 I Oligochäten und Insecten, bei welchen er dieselben drei Blätter erkannte und genauer verfolgte. So gewann die erneute Keim- blätterlehre bei Wirbellosen einen festen Boden, und es bildete sich eine neue vergleichend-embryologische Richtung, welche hauptsächlich von deutschen und russischen Forschern weiter- befördert wurde. Da der Begriff der Keimblätter indessen von der Embryologie der höheren Thiere entnommen und dann auf die Wirbellosen ang^ewandt wurde, so entstanden durch diese antigenealogische Methode eine Reihe Uebelstände, welche sogar bis jetzt noch nicht völlig beseitigt sind. So wird bei der Bestimmung der Keimblätter in zweifelhaften Fällen zu sehr auf rein topographische Merkmale recurirt, und es wird z. B. vom Entoderm der Orthonectiden und Dyciemiden ge- sprochen, wenn es sich um Fortpflanzungszellen handelt, welche unterhalb der Hautschicht des Körpers geleg"en sind. Ed. van Beneden ^) stellt sogar die topographische Lage als einziges Princip bei der Keimblätterbestimmung auf, wie es aus folgenden Worten hervorgeht: ^^Nous appclons endoderme la couchc ou la masse cellulaire enveloppee, quels que soieiit, du reste, les tissiis qui eil derivenf.'^ Es muss deshalb als ein bedeutender Fort- schritt anerkannt werden, wenn HäckeP) zuerst die Ansicht scharf formulirte, nach welcher die Keimblätter oder wenig'stens die zwei Hauptblätter als Primitivorgane aufgefasst werden müssen. Dadurch wurde ein fester und dabei rein g'enealogischer Anhaltspunkt gewonnen. Von diesem Standpunkte konnte ein fragliches Gebilde nur dann als Entoderm bestimmt werden, wenn das erstere mehrere Merkmale dieses Primitivorg'anes ver- einigte und nicht etwa nur in topographischer Lage mit ihm übereinstimmte. Wenn z. B. die innere Zellenmasse der Ortho- nectiden Yerdauungsfunctionen ausübte, so würde dieselbe ge- haben nur so viel Gemeinsames mit den von Met sehn, beschriebenen, als es Keim- blätter sind." Die Unrichtigkeit dieser scharfen Aeusserung geht schon aus dem Vergleiche unserer respectiven Angaben hervor; in neuester Zeit hat aber Ivowa- levsky selbst Scorpionentwicldung untersucht und sich dabei überzeugt, dass die von mir beschriebenen Keimblätter durchaus mit den seinigen übereinstimmen. "Wenn er früher das untere Blatt der Insecten mit dem Darmdrüsenblatte der Wirbelthiere, folglich auch der Scorpione, nicht parallelisiren "wollte, so hat er Avohl längst seine Ansicht verändert. Der uncorrecten Darstellung meiner Angaben seitens Kowa- levsky muss ich zuschreiben, dass mein Antheil in der Keimblätterfrage gewöhnlich ganz ignorirt wird. *) M. vergl. seine Arbeiten über Dyciemiden, in Bulletin de l'Acad. r. de Belgique 1876 und Archives de Biologie Bd. III, 1882, p. 222, auch Julin, Götte und Andere. ") Studien zur Gastraea-Theorie 1877, p. 258. 9* 132 SIEBENTES CAPITEL. wiss einstimmig als Entoderm in Anspruch genommen, während unter bestehenden Verhältnissen, wo sie ausschliesslich Ge- schlechtszellen repräsentirt, es noch lange nicht der Fall ist. Die Hauptschwierigkeit liegt darin, dass bei der genealogischen Behandlung der Keimblätterfrage eine sichere Basis noch fehlt, da uns eine Kenntniss über die Urzustände der Metazoen mangelt. Um sich einen Begriff über dieselben zu bilden, muss man mit Hypothesen anfangen, welche mit möglichst vielen thatsächlichen Befunden stimmten. Wie die Descendenzlehre aus einer blossen Hypothese zu einer feststehenden Theorie erhoben wurde, nachdem es sich herausstellte, dass mit Hilfe derselben eine Menge Erscheinungen erklärt werden können und dass keine Thatsache sich mit ihr im Widerspruche be- findet, so sollten auch solche hypothetische Ansichten über die Urzustände der Primitivorgane als Theorie in Anspruch ge- nommen werden, welche am vollständigsten mit unseren posi- tiven Kenntnissen in Einklang gebracht werden könnten. Obwohl die Uebergänge zwischen Protozoen und Meta- zoen in der gegenwärtigen Thierwelt nicht mehr zu existiren scheinen, so hat man doch gerade mittelst solcher hypotheti- scher Constructionen, diese Lücke in unseren Kenntnissen einigermassen ausgefüllt. Es Hessen sich zwei Wege denken, auf welchen ein derartiger Uebergang stattgefunden haben könnte : entweder durch Protoplasmadifferenzirung um einzelne Kerne bei multinucleären Protozoen oder durch die Vereini- gung mehrer Individuen einer Protozoencolonie zu einem mehr- zeUigen Ganzen. Da man in früheren Decennien oft die nahe Verwandtschaft zwischen Ciliaten und Turbellarien, namentlich deren Larven betonte, so schien es natürlich, zwischen beiden eine Blutsverwandtschaft anzunehmen und daraufhin eine Hypo- these über die Abstammung der Metazoen zu construiren. So ist es auch geschehen: mehrere Forscher haben sich für den Uebergang mehrkerniger, etwa opahnenartiger Infusorien zu vielzelligen Metazoen ausgesprochen und Jehring^) und neuer- dings Saville Ken t^) haben diese Ansicht in Schutz genommen. Von diesem Gesichtspunkte würde man den Mund und After der Infusorien für homolog mit gleichnamigen Organen der Metazoen erklären; J eh ring glaubt sogar das Wassergefäss- system der letzteren auf die contractile Blase der Protozoen 1) Vergleichende Anatomie des Nervensystems und Philogenie der Mollusken, 1877, p. 21. '•*_) Manual of the Infusoria, Bd. [I, 1 881 — 1882, p. 480. GENEALOGISCHE BETRACHTUNGEN. 133 zurückführen zu können. Aus der ganzen Summe entwicklung^s- geschichtlicher Erscheinungen würde mit dieser Hypothese die Blastodermzellenbildung bei Insecten am meisten stimmen, wie sich S. K e n t auch thatsächhch auf die ersten Embryonalvor- gänge der Aphiden beruft. Derartige vSchlussfolgerung-en be- weisen deutHch, dass eine solche Hypothese unmöglich auf- rechtgehalten werden kann. Indem sie sämmtliche Entwicklungs- erscheinungen gerade der niedrigsten Metazoen ignorirt, passt sie mit der Blastodermbildung der Insecten, also derjenigen Thiere, welche in jeder Beziehung durchaus secundär umge- ändert sind. Aber auch unter diesen gibt es Formen, welche der Hypothese widerstreben, wie z. B. die Poduren, d. h. Insecten, welche sonst die niedrigste Stellung in der gesammten Classe einnehmen und in Bezug auf die Furchungserscheinungen des Eies mit JMyriapoden übereinstimmen. Unter solchen Umständen erscheinen die Homologien zwischen Mund, After, Wasser- system der Infusorien und Metazoen vollständig werthloG. Auf der anderen Seite vermag uns die Hypothese über den Ueber- gang der Flagellatencolonien zu Urmetazoen die meisten und wichtigsten Erscheinungen zu erklären; von ihrem vStandpunkte lässt sich die Eifurchung und dabei die primitivere totale auf die Theilung der Flagellaten behufs Coloniebildung zurück- führen, sowie die geisseltragende Zellenform so vieler Blastulae durch Vererbung von Flagellaten erklären. Wenn uns diese Hypothese die Parallelisirung des Mundes und anderer „Organe" der Protozoen mit gleichnamigen Theilen der Metazoen ver- bietet, so hilft sie uns dafür die Entstehung der geschlechtlichen Fortpflanzung zu begreifen, wie es von Bütschli^) zuerst ge- zeigt wurde. Es ist erklärlich, dass sich die meisten Embryologen, darunter R. Lankester, Balfour, für diese zweite Hypo- these ausgesprochen haben, sowie dass sie nach ausgehaltener Prüfung zur Basis für weitere Speculationen geworden ist. Soweit angelangt, müssten wir uns fragen, ob es nicht möglich wäre, die Beschaffenheit der Flagellatencolonien, aus welchen die Metazoen hervorgegangen sind, mit Hilfe der ge- wonnenen Kenntnisse etwas näher zu bestimmen. Bütschli^) glaubt, dass die Metazoen zweifachen Ursprungs sind : die Spongien leitet er aus Colonien der Choano-Flagellata her, während er die übrigen Metazoen von Colonien echter Flagel- laten entstehen lässt. Abgesehen davon, dass zu wenig- Gründe ^) Studien üb. die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle etc., 1876, p. 21 9. -) Bemerkungen zur Gastraeatheorie, Morph. Jahrb., Bd. IX, 1883, p. 124. 134 SIEBENTES CAPITEL. für eine solche, überhaupt äusserst riskirte Annahme existiren, müssen wir nicht ausser Acht lassen, dass die beiden Gruppen bei weitem nicht so scharf von einander gesondert sind, ferner, dass der Kragen, welcher den Hauptunterschied bildet, in einigen Fällen ganz eingezogen wird. Ueber dieVerwandtschaftder Spon- gien mit Coelenteraten werde ich noch später zu sprechen kommen. Ob also die :Metazoen bildenden Flagellaten einen Kragen besassen oder nicht, so waren sie doch entschieden befähigt, feste Nahrungskörper aufzunehmen, was schon durch die Ver- breitung der intracellulären Verdauung bei niederen ^Metazoen postulirt wird. Ich kann daher mit B ü t s c hl i nicht übereinstimmen, wenn er die Ernährungsweise bei der Frage über die Abstam- mung der :Metazoen für gleichgiltig hält, .,da die Physiologie der Ernährung ohne Rücksicht auf die Morphologie in der Ab- theilung der Flagellaten vielfach wechselt" (Bemerkung z. Gastraeath. a. a. O. p. 417). Ich glaube vielmehr, dass die weiteren Differenzirungen der Flagellatencolonien, welche zur Metazoenbildung führten, sich keineswegs indifferent gegen die Art der Ernährung verhielten. Während sich bei einigen pflanz- liche Farbstoffe bildeten, um die Assimilation zu ermöglichen, g-elangten andere Flagellaten, welche die thierische Ernährungs- weise behielten, zur Bildung besonderer, speciell auf die Auf- nahme und Verdauung angewiesener Individuen. Dass diese Schlussfolgerung keineswegs eine blos deductive ist, lässt sich aus dem Vergleiche solcher colonialen Flagellaten ersehen, wie die Volvocineen und Protospongia. Es wäre im Interesse weiterer Ausführungen besonders wichtig, wenn wir etwas Näheres über die Entwicklungs- erscheinungen der hypothetischen Flagellatencolonien ermitteln könnten. Dass sie sich unter Anderem durch geschlechtliche Zeugung fortpflanzen mussten, geht schon aus den bei Volvo- cineen obw-altenden Verhältnissen hervor, wie es ja schon her- vorgehoben worden ist, dass gerade die geschlechtliche Aus- bildung zu werthvollen Argumenten zu Gunsten der Ansicht über die Abstammung der jMetazoen aus Flagellaten beizu- zählen ist. Was die Theilungserscheinungen betrifft, so wissen wir, dass die heutigen Plagellaten sich in dieser Beziehung verschiedenartig verhalten. Bei den echten Flagellaten herrscht im Allgemeinen die Längstheilung vor, obwohl da- zwischen auch Arten mit Quertheilung, wie z. B. Phalansterium consociahun nach C i e n k o w s k y ') und Ph. digitafiim nach *) Ueber Palmellaceen u. einige Flagellaten, Archiv f. mikrosk. Anat., Bd. VII, 1871, p. 429, Taf. XXIV, Fig. 32. GENEALOGISCHE BETRACHTUNGEN. 135 Stein ^) vorkommen. Bei Choano-Flagellaten sind ebenfalls die beiden Theilungsarten beobachtet, welche sogar bei nahe ver- wandten Formen wechseln: so theilt sich nach Saville Kent die Salpingoeca canipanula durch Längstheilung, =^) während andere Arten derselben Gattung/) z. B. S. inquillata, gracilis, sich ausschliesslich durch Quertheilung vermehren. Ein „gleich- zeitiges Vorkommen der Längs- und Quertheilung bei einer und derselben Form scheint dagegen bis jetzt nur bei gewissen Chlamydomonadinen constatirt zu sein^'. ^) Da gerade bei coloniebildenden Thieren die Theilungsart der Individuen eine bedeutende Rolle für die ganze Gestaltung des Stockes spielt, so ist es wichtig zu erfahren, wie sich in dieser Beziehung die hypothetischen :Metazoo-Flagellaten verhielten. Wenn wir uns der Schlussfolgerung des zweiten Capitels erinnern, dass die drei ersten Furchungen nach drei Dimensionen des Raumes erfolgen und in derselben Art bei ^Medusen mit ganz ver- schiedenen Entwicklungsprocessen (sowohl bei hypogenetischen als metagenetischen, ungeachtet der abweichenden Entoderm- bildung etc.) und bei verschiedenartigsten Thieren mit totaler Furchung verlaufen, so erscheint es durchaus gerechtfertigt, anzunehmen, dass auch bei den Metazoen -Vorfahren derselbe Theilungsmodus obwaltete. Dies lässt sich um so eher be- haupten, als zur Keimbildung überhaupt viele Wege denkbar sind, wie sie in der Pflanzenwelt, wie auch bei Thieren mit inäqualer Furchung factisch betreten werden. Es kann sogar eine Blastulabildung ohne Vermittlung der typischen drei ersten P'urchungen erreicht werden. So sehen wir, dass bei Volvox diese Furchungen sämmtlich in meridionalen Ebenen erfolgen, so dass ein plattenförmiger Keim zu Stande kommt, welcher an Gonium erinnert; es bildet sich dabei keine Furchungshöhle, da das Blastocoel durch nachträgliches AVachsthum der Platte gegen einen Pol bewerkstelligt wird, s) Wenn wir überhaupt den Furchungsprocess im genealogischen Sinne benützen wollen, so erscheint die angegebene Annahme unumstösslich. Sie steht ') Der Organismus der Infusionsthiere. III, I. Abth. 1878, Taf. VII, Fig. 4, 8. 2) A Manual of Infusoria 1880— 1882. Bd. III, Taf. IV, Fig. 14. 3) Ibid. Taf. VI, Fig. 2—5, 27—29. *) Bütschli, Protozoa in Bronn's Classen u. Ordnungen. 2. Aufl. p. 746. 5) M. vergl. die Zusammenstellung von Bütschli in Bronn's Classen und Ordnungen. Protozoa und dessen Bemerkungen zur Gastraeatheorie, a. a. O. p. 423, ferner Stein, Organismus, Bd. III, i, Taf. XVII, XVIII. Ich habe in überein- stimmender "Weise die ersten Furchungsstadien bei Volvox minor beobachtet und die Plattenbildung mit nachträglicher Umwandlung in eine offene Blase verfolgt. 136 SIEBENTES CAPITEL. Übrigens nicht ohne Analogen in der organisirten Welt da, wie es uns die Theilungserscheinungen bei den Spaltpilzen beweisen. Während sich die meisten Formen in Querrichtung theilen, gibt es seltene Ausnahmen (wie z. B. eine eigenthümlich verzweigte, in Daphnia piilex parasitirende, von mir gefundene und als Dendrobacteriiun ocellatiim bezeichnete Art), wo nur Längs- theilung vorkommt. Xeben solchen Bacterien, wo nur eine einzige Theilungsart beobachtet wird, gibt es andere, wo sich die Zellen in zwei meridionalen Ebenen theilen, wie z. B. bei den Tripper- micrococeen und noch andere, wie z. B. Sarcina, wo die Thei- lungen in drei Dimensionen des Raumes erfolgen, also ähnlich wie bei der totalen Furchung der meisten ]\Ietazoen, und wie es auch für die hypothetischen Metazoo-Flagellaten postulirt wird. Da die Furchungshöhle in typischen Fällen schon nach der dritten Furchung erscheint und der Keim sich frühzeitig in eine Blastula verwandelt, so ist es sehr wahrscheinlich, dass auch die Metazoen -Vorfahren als blastulaartige Colonien umher- schwammen. AVenn wir die geschilderten Eigenschaften der ]\Ietazoo- Flagellaten als Basis für weitere Betrachtungen acceptiren, so •werden wir. wie mir scheint, in den Stand gesetzt, auch in die Frage über den Ursprung der Primitivorgane ein gewisses Licht zu w^erfen. Wir haben im dritten Capitel erfahren, dass die Entodermbildung bei JMedusen in sehr verschiedener Weise erfolgt. AVenn wir diese Bildungsarten kurz recapituliren, so werden wir zunächst constatiren müssen, dass das Entoderm entweder an mehreren Punkten des Keimes, also multipolär entsteht, oder nur an einem Abschnitte desselben, also concentrirt oder hypotrop gebildet wird. Der multipolare Entstehungs- typus offenbart sich entweder : a) als eine multipolare Ein- wanderung der Keimzellen aus der Oberfläche in's Innere des Embryo ; h) als eine primäre Delamination durch Quertheilung der Blastodermzellen; c) als eine secundäre Delamination nach vorhergegangener Morulabildung oder d) als eine gemischte Delamination, wobei die Entodermzellen zum Theil durch Quer- theilung, zum Theil durch Einwanderung gebildet werden. Einige dieser Bildungsarten lassen sich nicht scharf von einander trennen, da sie durch Uebergänge vermittelt werden. Die hypotrope oder concentrirte Entodermbildung erfolgt entweder durch Ein- wanderung von Blastodermzellen des unteren Larvenendes oder durch eine echte PLinstülpung oder Gastrulation. Zu diesem Typus ist auch eine Art Epibolie beizurechnen, welche nur als eine Variation im Anschluss an die inäqualeFurchungbeobachtet wurde. GENEALOGISCHE BETRACHTUNGEN. I37 Es fragt sich nun: unter welchen Gesichtspunkt sich diese verschiedenen Bildungsarten des Entoderms vereinigen lassen und welche der bestehenden Theorien über den Ursprung der Primitivorgane die thatsächlichen Verhältnisse am besten zu erklären vermag? Sofort lässt sich erblicken^ dass die Annahme einer Abstammung der Metazoen aus mehrkernigen Protozoen (Infusorien oder etwa Heliozoen und Radiolarien) uns dabei vollständig im Stiche lässt, da sie eine Einwanderung von der Oberfläche aus ebensowenig wie eine primäre Delamination oder eine Invagination begreiflich machen kann. Diese Hypo- these, als eine gänzlich aussichtslose, muss demnach verworfen werden, ohne dass wir sie hier näher zu kritisiren brauchten. Die Gastraea-Theorie leistet bekanntlich sehr viel bei der Zurückführung verschiedener Entwicklungserscheinungen auf eine primäre Invagination und hilft oft sehr verwickelte Bil- dungsprocesse am Entoderm, wie z. B. bei Wirbelthieren zu vereinfachen. Indessen stösst sie gerade bei der Erklärung der Delamination auf ernste Schwierigkeiten, wie es Hack el schon bei der ersten Aufstellung seiner Theorie gleich erkannte. ,,Das schwerste Bedenken — sagte er in seiner Monographie der Kalkschwämme (I, p. 467, Anm.) — scheint darin zu liegen, dass die Gastrula auf zwei ganz verschiedenen Wegen aus der Morula entstehen soll : das eine Mal durch centrale Aushöhlung der Morula und Durchbruch der so gebildeten Magenhöhle nach aussen; das andere Mal durch Bildung einer Keimblase, einer Hohlkugel, deren Wand aus einer Zellenschicht besteht, und durch Einstülpung dieser Keimblase in sich selbst." Häckel hielt jedoch für möglich, diese Schwierigkeit durch Annahme einer „secundären Fälschung der Ontogenese" zu überwinden. In seiner Hauptschrift ^) wiederholt er oft die Behauptung, dass die Delamination, falls sie wirklich im Thierreiche vorkommt, einen coenogenetischen Process repräsentirt, „der erst secundär aus dem palingenetischen Processe der Invagination entstanden ist", ohne indessen auf das Zustandekommen einer solchen Fälschung näher einzugehen, was um so bedauernswerther ist, als Häckel selbst die Schwierigkeit seiner Theorie in diesem Punkte empfunden hat. Nachdem Häckel und seine Schule (namentlich die Gebrüder Hertwng) die Existenz einer Dela- mination längere Zeit überhaupt in Abrede stellten, wird eine solche gegenwärtig wohl acceptirt, zumal ein Forscher aus ^) Gastraea-Theorie, p, 267, ferner p. 247 Anm. M. vergl. auch die neueste Schrift Häckel's: Ursprung u. Entwicklung d. thierisch. Gewebe 1884, p. 50. 138 SIEBENTES CAPITEL. dieser Schule — O. Hamann ^) — den Delaminationsvorgang bei Hydroiden (nachdem er bereits von mehreren früheren Beobachtern, wie z. B. Allman, F. E. Schulze, mir selbst, beschrieben worden ist) selbst gesehen hat. Er sucht die Schwierigkeit zu überwinden, indem er die Delaminationsplanula für eine Gastrula einfach erklärt und dieselbe auf dem Wege der Coenogenie aus einer Invaginationsgastrula entstehen lässt. „Die Delamination — behauptet Hamann a. a. O. p. 504 — ist eine abgekürzte Form und jedenfalls aus der Invagination herzuleiten.'^ .,Angesichts des sonst allgemeinen A^orkommens einer Gastrula — sagt er weiter — wird jedenfalls die Ansicht, welche die Planula für eine umgebildele Gastrula hält, in Geltung bleiben," und noch: ...... wir glauben auch dann noch von einer Gastrula sprechen zu dürfen, sobald es wahr- scheinlich gemacht werden kann, dass das Fehlen beider Bil- dungen (Blastopor und Darmhöhle) erst secundärer Xatur ist. Wir bezeichnen deshalb als Planula die durch Delamination entstandene Gastrula."^) Diese Behauptungen werden aufgestellt, ohne die Wahrscheinlichkeitsgründe für dieselben anzuführen und nur einigermassen begreiflich zu machen, wie sich eine Invagination zur Delamination verkürzen kann und Avas für die Entstehung der letzteren die Coenogenie ausrichten könnte. Wenn man indessen in Acht nimmt, dass die Invagination an einem Ende des Embryo concentrirt und gerade bei Aledusen durch einen verhältnissmässig kleineren Blastodermabschnitt bewerkstelligt wird, während die primäre Delamination oder multipoläre Einwanderung an verschiedensten Punkten des Keimes erfolgt, so wird es sofort ersichtlich, dass eine Zurück- führung des ersteren Bildungsmodus auf die beiden letzteren auf unüberwindliche Hindernisse stösst. Es lässt sich leicht begreifen, wie eine ursprünglich gering ausgebreitete Invagi- nation allmälig auf eine ganze Blastodermhälfte ausgedehnt werden kann, wie es so oft bei verschiedenen Thieren beobachtet wird, oder wie eine einschichtige Entodermanlage sich in einen Haufen zusammenhängender Zellen verwandelt, welche nach- träglich durch Ectoderm umwachsen werden: eine unter- brochene Entstehungsweise des Entoderms, d. h. eine solche, wo die Iintodermzellen nicht mit ihresgleichen zusammen- *) Der Organismus der Hydropolypen, Jenaische Zeitschrift, Bd. XV, 1882. '■') Auch Häckel bezeichnet die verschiedensten Medusenlarven, wie die zweischichtigen Planulae, Geryonialarven etc. schlechthin als Gastrulae, ohne diese Auffassung irgendwie zu begründen und mit seiner eigenen Detinition der Gastrula zu vereinigen. M. vgl. sein System der ^^edusen, p. 119, 298, 348 etc. GEXEALOGISCHE RETRACHTLXGEX. 139 hängen, sondern mit Ectodermzellen alterniren (m. vergl. die Entwicklung von Aeginopsis), oder wo sie als centrale Seg- mente der Blastodermzellen auftreten, ist dagegen unmöglich auf eine verkürzte Invagination zu beziehen. Die multipoläre Einwanderung Hesse sich noch gezwungen auf mehrfache Ein- stülpungen zurückführen, wobei jeder der ursprünghchen Ur- därme durch je eine einzige Zelle repräsentirt werden müsste! Es genügt eine solche Annahme nur zu formuliren, damit ihre vollkommenste Unmöglichkeit dargethan worden wäre. Damit hätte man übrigens nicht viel erreichen können, da die primäre Delamination dabei doch gänzlich unerklärt bliebe. Wenn wir die Annahme einer Gastrulation bei Craspedoten auf die epi- polischen Erscheinungen anknüpfen wollten, welche als eine Variation in der Entwicklung von Polyxenia leucostyla vor- kommen, so muss daran erinnert werden, dass eine solche Bildung mit der Ungleichartigkeit der Blastomeren eng ver- knüpft ist. Sobald wir eine äquale Furchung bei derselben Pol}^- xenia erblicken, so erhalten wir statt einer echten Invagination (wie solche aus einer Amphiblastula bei anderen ^letazoen im Anschluss an eine regelmässige Furchung auftritt) vielmehr eine gemischte Delamination. also jedenfalls eine Entstehungs- fo'rm. welche eben auf eine Gastrulation nicht zurückgeführt werden kann. Dieses Beispiel zeigt uns vielmehr, dass die Epibolie bei Polyxenia als eine Modification der gemischten Delamination aufzufassen ist. welche in diesem Falle im An- schluss an die inäquale Furchung secundär entstanden ist. Unter solchen Verhältnissen bleibt es unnöthig die Beziehungen der Gastrulation zur secundären Delimination näher zu erläutern, zumal es zu keinem genügenden Resultate führen kann. Viel leichter lässt sich die A'erwandtschaft zwischen Gastrulation und M'potroper Einwanderung annehmen, wie sie auch von Claus u. A. behauptet worden ist: es bleibt mir unmöglich, ohne vorheriger Auseinandersetzung anderer darauf bezüglicher Fragen zu entscheiden, welche Form als die ursprünglichere zu betrachten ist. Obwohl die Unmöglichkeit einer Erklärung der multi- polären Entodermbildung als stärkster Einwand gegen die Gastraea-Theorie anzusehen ist^ so ist die Reihe der Schwierig- keiten der letzteren damit noch lange nicht erschöpft. Da sie zu einer Zeit aufgestellt wurde, wo man an die allgemeine Verbreitung der enzymatischen Verdauung glaubte und noch nicht wusste, dass gerade die niederen Thiere intracellulär verdauen, so entspricht sie nicht mehr unseren heutigen phy- 140 SIEBENTES CAPITEL. siologischen Forderung-en. Nach der Gastraea-Theorie besteht zwischen der einschichtigen Blastaea und der doppeltwandigen, mit einer ,.Verdauungshöhle" ausgestatteten Gastraea eine tiefe Kluft, welche indessen leicht ausgefüllt werden kann, sobald wir die Entstehung des Entoderms vom anderen Gesichtspunkte aufzuklären versuchen. Auf weitere .Schwierigkeiten, welche aus der Annahme einer Homologie zwischen allen bekannten Gastrulaformen hervorgehen, brauche ich hier nicht näher ein- zugehen, da sie nicht unmittelbar mit der Frage über die Ab- stammung des Entoderms verknüpft sind und zumal darüber noch weiter die Rede sein wird. Die Planula-Theorie von R. Lankester^) geht unmittel- bar von den bei der Geryoniaentwicklung gemachten Befunden aus und hält den Entodermbildungsmodus für primitiv, welcher durch die Quertheilung der Blastodermzellen bewerkstelligt wird. Wenn man den Versuch R. Lankester's, die Invagi- nation auf eine solche primäre Delamination zurückzuführen, auch anerkennen wollte, so blieben doch solche Fälle unerklärt, wo, wie bei der multipolären Einwanderung, es sich gar nicht um einen wirklichen Delaminationsprocess handelt, sondern um eine Entstehung des Entoderms aus Blastodermzellen, welche, durch Längstheilung der Blastomeren gebildet, von verschie- denen Punkten der Peripherie in's Innere des Keimes gelangen. Die grosse Bedeutung eines solchen Entstehungsmodus wird durch die hypotrope Einwanderung, welche ebenfalls auf einer Längstheilung der Blastodermzellen beruht, verstärkt. Ausser- dem muss auch der Planula-Theorie entgegengehalten werden, dass sie, ebenso wie die Gastraea-Theorie, durchaus auf dem Standpunkte der enzymatischen Verdauung bei niederen Thieren steht und insofern dem gegenwärtigen Stande unserer physio- logischen Kenntnisse widerspricht. R. Lankester glaubt, dass die Bildung einer Verdauungshöhle, in welche ein verdauender Saft secernirt wurde, noch vor der Entodermbildung statt- gefunden hat, resp. dass die inneren Segmente der Blastoderm- zellen als Verdauungselemente zu einer Zeit fungirten, wo das Polyplast einschichtig war. Alle diese Annahmen erscheinen vollkommen unzulässig, seitdem man die Erfahrung gemacht hat, dass die intracelluläre Verdauung bei vielen niederen Thieren persistirt und sogar noch bei einigen ISIoUusken (Phylliroe) wiedergefunden wird. *) Notes on the Embryology and Classification of the Animal Kingdom, Quarlerly Journ. of Microscop. Science. N. S. Bd. XII, 1877, p. 403. GENEALOGISCHE BETRACHTUNGEN. I4I Während die Gastraea- und die Planula-Theorie von einer Blastula mit ganz gleichen Zellen ausgingen, legt Balfour') als Fundament seiner eigenen Anschauungen des Ueberganges von Protozoen zu ^Metazoen eine Amphiblastula, weshalb ich seine Theorie schlechtweg als Amphiblastula-Theorie bezeichnen werde. Da sie als eine Modification der Gastraea-Theorie an- zusehen ist, so wird sie durch dieselben Einwände wie die letztere getroffen. Vor Allem bleibt sie unmächtig, solche Entwicklungserscheinungen aufzuklären, wo das Entoderm nicht aus einer einheitlichen Anlage entsteht, sondern durch Zellen, welche von zwischenliegenden Ectodermelementen getrennt werden (wie namentlich bei der multipolären Einwanderung), gebildet wird. Auch findet nach der Amphiblastula-Theorie die primäre Delamination durch Quertheilung der Blastomeren keine genügende Erklärung. Was die Anwendung- der Balfour'schen Theorie auf Spongien betrifft, so geht ihre Unhaltbarkeit aus der schon von früheren Forschern und auch mehrmals von mir selbst betonten Thatsache hervor, dass das Entoderm bei vielen Spong-ien (namentlich Kalkschwämmen und Halisarcineen) als nahrungsaufnehmende Körperschicht auftritt, eine Thatsache, welche neuerdings von K. H e i d e r ^) für Oscarella lobularis bestätigt wird. Durch diesen Einwand werden auch die Argu- mente B alfour's beseitigt, aufweichen er die isolirte Stellung der Spongien unter Metazoen begründet. An die Amphiblastula-Theorie reiht sich unmittelbar die Plakula-Theorie von Bütschli^j nicht nur deshalb, weil der letztgenannte Autor sich ebenfalls für die isolirte Abstammung der Spongien ausgesprochen hat, sondern vor Allem dadurch, dass die Plakula in vieley Beziehung als eine ausgebreitete Amphiblastula angesehen werden kann. Bütschli erkennt die Mangelhaftigkeit anderer Theorien über die Genealogie der Keimblätter an und versucht in rein schematischer Weise die Invagination mit der Delamination unter einen allgemeinen Gesichtspunkt zu vereinigen, wobei er die beiden Bildungs- arten des Entoderms aus der Modification von einer pri- 1) On the Morphology a. Syst. Posit. of Spongida, Quart. Journ. of M. Sc. N. S. XIX., p. 103 11. Handb. d. vergl. Embryologie, übers, v. Vetter, Bd. I, 1880, p. 143. 2) Zur Metamorphose von OscareUa lohidaris, in Arbeiten d. zool. Inst, zu Wien. Bd. VI, Heft 2, 1886, p. 227. In dieser wichtigen Arbeit legt K. Heider doch zu viel Gewicht auf die Gastrulation der Oscarella und vernachlässigt in seinen theoretischen Betrachtungen die Entodermbildung übriger Spongien. ^) Bemerkungen zur Gastraea-Theorie, Morph. Jahrb. Bd. IX, p. 415. 142 SIEBENTES CAPITEL. mären Plakulaform ableitet. Indem Bütschli den Ausgangs- punkt früherer Betrachtungen — die kugehge Flagellatencolonie — verlässt; acceptirt er als Grundform eine goniumartige ein- schichtige Platte, die ich der Bequemlichkeit wegen fernerhin als Proplakula bezeichnen werde. ,.Demgemäss scheint es mir annehmbar — sagt Bütschli (p. 419) — dass der zwei- schichtige Zustand zunächst bei einer Protozoencolonie eintrat;, deren Zellen in einer Ebene zur Bildung einer einschichtigen Tafel nebeneinander gereiht waren. Indem sämmtliche Zellen sich parallel der Tafelfläche theilten, entstand zunächst eine zweischichtige Platte, deren beide Zellschichten vielleicht noch keinerlei Differenzirung zeigten. Wir wollen der leichteren Verständigung wegen, und weil dies seither ähnlich gehalten wurde, diesem Stadium der zweischichtigen Platte den Namen Plakula beilegen.'- Während sich eine solche Plakula, unter Annahme einer Schlauchform in Gastrula verwandelte, entstand aus der Proplakula in Folge einer secundär verspäteten Zell- theilung eine Delaminationsblastula. Als Postulat einer solchen Annahme erscheint eine principielle Verschiedenheit von Blastula- formen, welche entweder als aufgeblasene Plakulae oder als kugelförmig gewordene Proplakulae angesehen werden müssen. In der Entwicklungsgeschichte gegenwärtiger Thierformen wird die Plakula, nach Bütschli, von abgeplatteten Blastulastadien des CucuUanus (nach Bütschli), Rhabdonema (nach Götte), Lumbricus, Chiton (nach Kowale vsk}^), Phoronis, Ascidia meiitula vertreten, während sie unter ausgebildeten Thieren durch Trichoplax odhaercns F. E. Seh. repräsentirt wnrd. Nun bemerkt aber Bütschli nicht, dass die abgeplatteten Blastulae der von ihm citirten Metazoen, soweit deren Entwicklung bekannt ist, nur in der äusseren Form, nicht aber in wesentlicher morphologischer Beziehung seiner Plakula entsprechen, da bei den ersteren die Zweischichtigkeit durchaus nicht durch ,.parallel der Tafelfläche" stattgefundene Theilung, was doch für l^lakula die Hauptsache ist, erreicht wird. Bei Phoronis, Ascidia, principiell wohl auch bei anderen citirten Thieren entsteht das plakulaähnliche Stadium durch Abplattung einer früheren, mehr oder weniger blasen- förmigen Blastula, und nicht umgekehrt, wie es die Theorie ver- langt. Da die letztere die Delamination der Geryoniden, welche durch eine Quertheilung der Blastodermzellen bewerkstelligt wird, mit der Plakula-, resp. Amphiblastulabildung anderer Thiere parallelisirt, so muss bei letzterer ebenfalls eine Quertheilung der Blastomeren erfolgen, was thatsächlich aber entschieden nicht der Fall ist. Die Entodermzellen der plattenförmigen GENEALOGISCHE BETRACHTUNGEN. 143 Blastulae enstehen nicht aus der unmittelbar über ihnen ge- legenen Ectodermzellen, sondern aus den neben ihnen liegenden Zellen. So kommen wir zum Schlüsse, dass ein Plakulastadium in der Entwicklungsgeschichte heutiger Thiere mit regulärer Furchung gar nicht vorkommt. Noch eher würde man als solches einige Embryonalzustände der Ctenophoren, wo über einer plattenförmigen Entodermanlage eine unterbrochene Ecto- dermschicht aufgelagert ist/) in Anspruch nehmen, indessen wird wohl kaum Jemand darin ein primäres Stadium erblicken, welches man zur Grundlage für eine morphologische Verall- gemeinerung erheben wollte. Wenn man, auf die Entwicklungsvorgänge zurückgreifend, in der Quertheilung der vier ersten Blastomeren zur Bildung eines achtzelligen Keimes ein vorübergehendes Plakulastadium annehmen wollte, so ist dem entgegenzusetzen, dass damit gar nichts erreicht wäre, da erstens das achtzellige Stadium bei sich delaminirenden Geryoniden ganz demjenigen gleich ist, welches bei Acraspeden mit Invagination bekannt ist, und da zweitens die Delamination durch Quertheilung nicht mehr auf ein Plakula- stadium bezog-en werden könnte, weil eben dieses Stadium schon viel früher abgelaufen wäre. Da die Plakula-Theorie nur eine Entodermbildung durch Quertheilung der Proplakula zu erklären vermag, vorausgesetzt, dass ihre Annahme über die Entstehung des Plakulastadiums bei Metazoen mit Invagninationsgastrula richtig w^äre, so blieben doch noch solche Erscheinungen von der Theorie un- berührt, wo das Entoderm bei dem A'orherrschen einer Längs- theilung der Keimzellen durch multipolare oder locale Ein- wanderung gebildet wird. Nach der Theorie von Bütschli sollte bei Thieren mit Delamination eine ähnliche Blastulabildung stattfinden, Avie man eine solche bei Volvox beobachtet hat, eine Blastulabildung mit einem vorhergehenden Proplakulastadium (goniumähnlich) ; er glaubt in der That eine solche nach den Angaben Fol's über Geryoma proboscidalis bei dieser Meduse annehmen zu können (a. a. O. p. 423). Nun aber ist der sechzehnzellige Keim der Geryoniden schon eine fertige typische Blastula in der- selben Weise aus einem achtzelligen Stadium entstanden, wie auch bei Medusen mit anderen Arten der Entodermbildung; der achtzellige Keim hat sich seinerseits durch eine ebensolche ^) M. vgl. meine vergleichend-embryologischen Studien, 4, in der Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. XLII, 1885, p. 650. 144 SIEBENTES CAPITEL. äquatoriale Furchung gebildet;, wie bei anderen INIedusen und überhaupt bei den meisten ]Metazoen mit einem äqualen Fur- chungsprocesse. Unter den letzteren zeigt die meiste Aehn- lichkeit mit Volvox (in Bezug auf die einleitenden Blastula- stadien) noch am ehesten Sycandra raphaiiiis nach F. E. Schulze,^) da man bei diesem Schwämme ein plattenförmiges achtzelliges vStadium vorfindet ; dies kann aber umsoweniger für die Plakula- Theorie verwendet werden^, als sich gerade Sycandra bekannt- lich durch eine Invaginationsgastrula auszeichnet. Die Frage über die Morphologie des interessanten Tricho- plax adhaerens F. E. Seh.-) und dessen Beziehungen zur Pla- kulaform lässt sich zur Zeit nicht ernstlich discutiren. Alan kann nicht einmal annäherungsw^eise bestimmen, was für eine Bedeutung die verschiedenen Gewebschichten des genannten Thierchens besitzen; aus der histologischen Verschiedenheit der Epithelien beider Körperflächen kann man ebensowenig auf eine Verschiedenheit der Keimblätter schliessen, wie etwa bei Spongien, wo dasselbe Keimblatt — Entoderm — als geissei- förmiges Kammerepithel und als ganz abgeplattetes Epithel des Sammelraumes, z. B. bei Oscarella lobularis (nach K. Heider) erscheint. Die Schwierigkeiten vergrössern sich nicht nur wegen der Unkenntniss der Entwicklungsvorgänge, sondern noch da- durch, dass es keine Anhaltspunkte für die physiologische Be- stimmung der Körperschichten von Trichoplax gibt. Dank der Güte der Herren Prof. F. E, Schulze und Claus habe ich Trichoplax im Jahre 1883 in Graz und Wien untersucht, wobei ich die histologischen Befunde des erstgenannten Forschers vollkommen bestätigen konnte; meine Versuche über die Nahrungsaufnahme des Thierchens fielen insofern neg-ativ aus, als das letztere überhaupt nichts zu sich nehmen wollte, so dass es den Anschein gewinnt, als ob Trichoplax ausschliesslich auf eine flüssige Nahrung angewiesen ist. Bütschli glaubt, dass die Plakula-Theorie auch in physio- logischer Beziehung mehr leistet als die übrigen von ihm kritisirten Ansichten. Die von ihm an solche Theorien gestellten Forderungen halte ich für durchaus berechtigt. „Endlich er- scheint mir sehr bedeutungsvoll — sagt Bütschli (a. o. O. p. 416) — dass die Veränderungen der angenommenen Formen leicht verständliche und allmälig, nicht sprungweise ge- ^) Die Metamorphose von Sycandra raphanus, Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXI, 1878. '■') Trichoplax adhaerens. Zoologischer Anzeiger, Jahrg. VI, 1883, p. 92. GENEALOGISCHE BETRACHTUNGEN. 1 45 schehende, sowie wirklich vortheilhafte seien/' „Speciell in letzterer Hinsicht glaube ich — fügt Bütschli hinzu — dass die gleich zu entwickelnde neue Ansicht einige Vortheile vor den seitherigen besitzt." Als es indessen darauf ankommt^ das Zustandekommen der Plakula physiologisch zu erklären, so werden keine genügenden Gründe dafür beigebracht. .,Leider bin ich jedoch ausser Stande — gesteht Bütschli selbst zu (p. 419, Anm.) — plausible Vortheile für das Eintreten der Zweischichtigkeit der Platte anzuführen."' Wenn wir alles Gesagte über die besprochenen Theorien überblicken, so werden wir einsehen, dass die letzteren keines- wegs im Stande sind, die gesammte Summe der bekannten embryologischen Erscheinungen unter einen Gesichtspunkt zu bringen und dass sie ausserdem noch durch Mangelhaftigkeit physiologischer Erklärungen leiden. Es muss deshalb ein anderer Ausweg gefunden werden. Bei Gelegenheit meiner spongio- logischen Untersuchungen') habe ich sehr vorsichtig einige Bemerkungen gemacht, welche nach meiner Meinung mit den an niederen Metazoen gewonnenen Ergebnissen über Entoderm- bildung harmonirten und zugleich mit den bekannt gewordenen Erscheinungen der intracellulären Verdauung in Einklang ge- bracht werden konnten. Ich glaubte, dass das Entoderm zuerst nicht als ein schlauchförmiger Magen mit einer terminalen Oeffnung, wie man solche bei Gastrula findet, auftrat, sondern, dass diese Gebilde einen langen historischen Process hinter sich haben, welcher in der Bildung eines soliden, intracellulär ver- dauenden Parenchyms documentirt wird. Das letztere trat auch nicht auf einmal, sondern stufenweise auf, wobei die ober- flächlichen Blastodermzellen in's Innere des Blastocoels ein- wanderten. Es entstand schliesslich eine zweischichtige Paren- chymella, die sich unter Verkürzung der Embryonalvorgänge und mit der fortschreitenden Differenzirung des Verdauungs- apparates in eine Gastrula verwandelte. Bei der Unmöglichkeit, mich damals (im Jahre 1879) auf irgendwelche höher differen- zirte Flagellatenform mit thierischer Nahrungsaufnahme zu be- rufen, suchte ich einige Anhaltspunkte in der Fortpflanzungs- geschichte von Volvox zu gewinnen und setzte noch Folgendes hinzu: „Es wäre meiner Meinung nach zeitgemäss, nach solchen niederen Wesen zu suchen, wo die Nährzellen etwa nach der *) Spongiologische Studien, Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXXII, 1879, p. 374. Dieselben Ansichten habe ich bereits im Jahre 1877 in drei russisch geschriebenen Aufsätzen in den Schriften der neurussischen Gesellschaft der Naturforscher, Bd. V, ausgesprochen. Metschnikoff, Embryolog. Studien an Medusen. ^0 146 SIEBENTES CAPITEL. Nahrungsaufnahme ihre gewöhnliche Stätte verliessen, um aus der äusseren Oberfläche der ,.Colonie" in deren Innenhöhle einzudringen (a. a. O. p. 382)." Kurz darauf (JuU 1880) ent- deckte Saville Kent^) eine '^' höchst interessante coloniale Flagellatenform, die er als Protospongia Häckelii in die Wissenschaft einführte. Von den zuerst regelmässig zu- sammengeordneten und ober- flächlich gelegenen Indivi- duen einer Colonie nehmen einige eine ausgesprochene Amöboidform an (s. Holz- schnitt Fig. I d) und wandern in's Innere der Gallertmasse ein, welche die Mitglieder der Colonie verbindet. Hier bleiben die amöboiden Individuen, um sich zu theilen und weitere Ver- änderungen zu erleiden, welche S. Kent als Sporulation in Fig. 2. Anspruch nimmt (s. Holzschnitt 2,s). Ob die Annahme der Amöboidform, respective das Einwandern in die Gallerte in irgend einem Zusammenhange mit den Ernährungsverhältnissen 1) A Manual of the Infusoria 1880— 188 1. Bd. I, p. 363. Atlas, Taf. X, Fig. 20—30. GENEALOGISCHE BETRACHTUNGEN. I47 Steht, kann zur Zeit nicht behauptet werden, da die betreffenden Erscheinungen noch ganz unbekannt sind. Angesichts der That- sache, dass die Sporulation etwas noch Fraghches repräsentirt, möchte ich die Vermuthung aussprechen, ob nicht die zahl- reichen, von S. Kent gesehenen Körner entweder Reserve- stoffe oder direct aufgenommene Nahrungspartikelchen dar- stellen. Es wäre ausserordentlich interessant, die Gattung Protospongia (auch die zweite von Oxley beschriebene, aus zahlreichen Individuen bestehende Protospongiaform) näher zu untersuchen und gerade die Ernährungs- und Fortpflanzungs- verhältnisse genauer zu berücksichtigen. Einstw^eilen lässt sich annehmen, dass diese Choano-Flagellate bereits zweierlei Indi- viduenformen besitzt (welche natürlich in einander übergehen können): eine geisseltragende und eine amöboide, welch letztere von verschiedenen Punkten der Oberfläche in die gemein- schaftliche Gallertmasse einzudringen vermag. Eine grosse Aehnlichkeit mit gewissen zweischichtigen Spongienlarven (wie z. B. mit der von F. E. Schulze beschriebenen Larve von Aplysma sidphurea ^) lässt sich nicht verkennen, so dass wir in der Differenzirung- einer amöboiden Individuenform wohl den ersten Schritt zur Entodermbildung vermuthen dürfen. Jedenfalls glaube ich, dass die Eigenthümlichkeiten der Protospongia viel leichter mit meiner Ansicht (welche von einigen Autoren als Parenchymellatheorie bezeichnet wurde) als mit sämmtlichen oben besprochenen Theorien anderer Forscher in Uebereinstimmung gebracht werden können. Wie verhält sich aber die Parenchymella-Theorie zu entwicklungs- geschichtlichen Thatsachen überhaupt und zur oben gelieferten Darstellung der Medusenembryologie insbesondere? Um diese Frage zu erläutern, inüssen wir uns zuerst dessen erinnern, was ich über die Fortpflanzungserscheinungen der muthmass- lichen Metazoo-Flagellaten a priori erschlossen habe. Aus der allgemeinen Verbreitung der drei ersten Furchungen, welche nach drei Dimensionen des Raumes erfolgen (sagittal, frontal, äquatorial) und demnach Quer- und Längstheilungen repräsen- tiren, habe ich den Schluss gezogen, dass auch die Urahnen der Metazoen sich in diesen verschiedenen Richtungen theilten. Allmälig fixirten sich jedoch die Theilungsrichtungen derart, dass die eine Form vorwiegend oder ausschliesslich sich durch Längstheilungen vermehrte, während die andere, verwandte auch noch den Quertheilungsmodus behielt. Dass ähnliche Er- ij Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. XXX, 1878, p. 416, Taf. XXIV, Fig. 30. 148 SIEBENTES CAPITEL. Fig. a. scheinungen thatsächlicli möglich sind, beweisen uns die oben angeführten Salpingoeca- Arten. vSo müssen wir annehmen, dass bei unseren hypothetischen Metazoo-Flagellaten einige ober flächliche Zellen amöboid wurden und in's Innere der Colonie einwanderten, ganz ebenso wie wir es heutzutage bei Proto- spongia vorfinden, dass aber daneben andere Individuen sich in Querrichtung theilten, wobei der centrale Theilungssprössling in's Innere gelangte, während der peripherische seine oberflächliche Lage behielt. Der Holzschnitt 3 erläutert dieses Verhältniss in schematischer Weise. (^löglich ist es, dass neben Quer- und Längs- theilungen noch solche in schiefer Richtung vorkamen, wie wir es gegenwärtig bei einigen Proto- zo en wahrnehmen.) Entwicklungs- geschichtlich w4rd dieser zwei- fache Modus der Entodermzellen- bildung durch Einwanderung ganzer Zellen und durch x\b- schnürung centraler Theilungssprösslinge in dem Pralle verwirk- licht, wo es, wie z. B. bei Polyxona Icucostyla, sich um eine gemischte Delamination handelt. (Holzschnitt 4.) Während nun bei einigen P'ormen die Quertheilung auf den Vordergrund trat (Holzschnitt 5), herrschte bei anderen die Längstheilung-, folg- Fiö Fig. 5. Fig. 6. lieh also die Einwanderung ganzer Oberflächenzellen vor. (Holz- schnitt 6.) So zweigte sich von der gemischten Delamination einerseits die primäre Delamination, anderseits aber die multi- poläre Einwanderung ab. Die secundäre Delamination ist nur als eine leichte Modification der gemischten anzusehen, da sie sich nur durch etwas späteres Auftreten der Unterschiede zwischen beiderlei Zellenarten auszeichnet. GENEALOGISCHE BETRACHTUNGEN. 149 Fin Es muss grundsätzlich angenommen werden, dass die multi- poläre Entodermbildung eine ursprünglichere Form als die con- centrirte (Holzschn. 7) repräsentirt,denn die umgekehrte Annahme stösst auf zu starke Hindernisse, wie wir es oben schon gesehen haben. Der Uebergang von einer multipolären zur hypotropen Einwanderung' lässt sich dagegen leicht vorstellen, zumal die letztere vorzugs- weise bei den stark beweglichen Blastula- larven vorkommt, während die erstere bei unbeweglichen oder wenig beweglichen Embryonen beobachtet wird. Bei der Be- sprechung der Entodermbildung metagene- tischer Medusen habe ich hervorgehoben, dass die Längstheilung weitaus die Regel darstellt, die Quertheilung dagegen als eine sehr seltene Ausnahme vorkommt. Wenn die concentrirte Einwande- rung ohne Mühe aus der multipolären abgeleitet werden kann, so ist es auf der anderen Seite nicht schwier, die Invagination auf die erstere zurückzuführen. Wir haben im dritten Capitel gesehen, dass die Entodermbildung von Laodice criiciata sich dadurch von dem- Fic S. Fig. 9. selben Vorgange anderer metagenetischer Craspedoten unter- scheidet, dass sich am hinteren Pole der Blastulalarve eine Reihe durchsichtiger Zellen auszeichnet (Taf. IV, Fig. 24 — 28), welche indessen nicht alle auf einmal, sondern wie gewöhnlich allmälig in dasBlastocoel hineinrücken (Holzschn. 8). Es bildet sich daraufhin ein parenchymartiges Entoderm, welches nachträglich eine Höhle 150 SIEBENTES CAPITEL. bekommt, wobei auch das Entoderm einen epithelartigen Charakter erhält. Das Ausgangsstadium mit durchsichtigen Zellen zeigt eine auffallende Aehnlichkeit mit einem Blastulastadium von Naitsithoe marginata, welches sich ebenfalls durch eine Differenz der hypotropen Zellenreihe (Taf. X, Fig. 12) auszeichnet; wenn wir eine weitere Verkürzung des Entwicklungsganges annehmen, so können wir leicht denken, dass die oberflächlich differenzirten Entodermzellen, anstatt einzeln einzuwandern, sich gemeinschaftlich einstülpen und auf directerem Wege eine Entodermhöhle zu Stande bringen (Fig. 9). Nachdem die zuerst differenzirten Zellen sich invaginirt haben, geht dieser Process auch auf benachbarte Blastodermelemente über, weshalb der eingestülpte Sack allmälig grösser wird. Der dabei denkbare, weitere Verkürzungsprocess wird bei Medusen nicht mehr verwirklicht; er lässt sich als eine noch vorzeitigere Differen- zirung der Entodermzellen annehmen, so dass schon an der Blastula sämmtliche sich einzustülpenden Zellen als besondere Elemente unterschieden werden können. Als Folge einer solchen Verkürzung müssen unter Anderem auch plattenförmige Blastulae mit zwei ungefähr gleich grossen Keimschichten (wie z B. bei Lumbricus, Ascidien etc.) angesehen werden. Dass die weiteren Fortschritte in der frühzeitigen Differenzirung des Entoderms zur Amphiblastula führen, sich dann schon während des Furchungsprocesses bemerklich machen und schliesslich in der Structur des Eies ausgeprägt werden können, bedarf wohl keiner weitläufigen Erörterung. Wenn die Amphigastrula als Folge einer embryonalen frühzeitigen Differenzirung aus einer Archigastrula entstehen kann, wie es seit Kowalevsky (Euaxes) allgemein angenommen wird, so ist es auf der anderen Seite nicht zu bestreiten, dass eine ähnliche Form auch durch inäquale Furchung aus einer gemischten Delamination hervorgerufen werden kann, wie wir es an dem Beispiele der Polyxeni'a leucostyla gesehen haben. Der letztgenannte Fall belehrt uns somit, dass Amphigastrulae auf zwei verschiedenen Wegen aus zwei differenten Ausgangs- stadien hervorgehen können und beweist uns folglich die Polyphylie der genannten Embryonalform. Vom geschilderten Standpunkte muss das Entoderm als eine Summe von Zellen angesehen werden, welche ursprünglich sich von der Blastula durch Einwanderung oder Abtrennung gebildet und zu einem verschiedenartig entwickelten Haufen amöboider Elemente zusammengelagert haben. Die Gastralhöhle, sowie die Mundöffnung- müssen als spätere Erwerbungen GENEALOGISCHE BETRACHTUNGEN, I 5 I betrachtet werden, welche sich mit Hilfe der embryonalen Ver- kürzung fixirt und zur definitiven Gastrulabildung geführt haben. Balfour,^) welcher sich gegen die Parenchymella-Theorie ausgesprochen hat, gesteht doch selbst zu, dass dieselbe „ganz gut im Einklang mit der Ontogenie der niederen Hydrozoen steht". Jetzt, wo wir eine reichlichere Anzahl Thatsachen er- fahren haben, tritt dieser Einklang noch deutlicher hervor. Wenn aber Balfour sagt, dass der von der Parenchymella- Theorie postulirte Uebergang von Protozoen in den Metazoen- zustand ihm „an sich sehr unwahrscheinlich vorkommt", so kann ich seiner Kritik nicht erwidern, da er seine Behauptung auf- stellt, ohne sie nur einigermassen zu unterstützen. Viel präciser sind die Einwände Bütschli's, welche sich jedoch ausschliess- lich auf die physiologische Seite der Frage beziehen. Nachdem er meine Ansicht in kurzen Zügen geschildert hat, fügte er folgende kritische Bemerkungen hinzu (a. a. O. p. 418): „Mir scheint aber, dass die Einwanderung der besonders mit der Nahrungsaufnahme betrauten Entodermzellen nicht als Vortheil betrachtet werden kann. Ohne die gleichzeitige und wie in der Lankester'schen Hypothese unverständliche und nicht motivirte Bildung einer Mundöffnung würde die Einwanderung der Entodermzellen meiner Auffassung nach nur unvortheilhaft gewesen sein, weil sie sich ja, sozusagen, selbst einen Riegel vorgeschoben hätten." Als ich meine Einwanderungs-Theorie der Entodermbildung schilderte,^) bezog ich mich schon auf Volvox, bei welchem sich die Fortpflanzungsindividuen von der Oberfläche der Colonie in deren Innenhöhle begeben. Jetzt kann ich noch als Beweis die Einwanderung der Individuen bei Protospongia herbeiziehen, welche gewiss nicht ohne Vortheil für das Gesammtleben der Colonie besteht. Ausserdem lassen sich noch apriorische Betrachtungen anführen. Zwischen den Individuen einer Flagellatencolonie musste zuerst eine Ungleichheit entstanden sein, welche dann zur weiteren Differenzirung führen musste: während einige Individuen sich mehr für die Nahrungsaufnahme befähigt erwiesen, waren andere besser für die Locomotion und Herbeischaffung der Nahrung eingerichtet. Bei beweglichen Colonien musste es von grossem Vortheil sein, dass die mehr mit Nahrungskörpern überladenen und deshalb schwereren Individuen nicht an der Peripherie blieben, sondern möglichst nahe dem Centrum gerückt wären. *) Handb. d. vergleich. Embryol. II, p. 308. -) Zeitschr. f. wiss. Zool. XXXII, p. 382. 152 SIEBENTES CAPITEL. Ein anderer Vortheil musste noch in dem Falle entstehen, wenn die gefrässigeren Individuen in den Stand gesetzt wären, ihr Geschäft möglichst vollkommen zu besorgen. Xun wissen wir aber, dass mehrere Flagellaten aus einem monadeilartigen in einen amöboiden Zustand übergehen, in welchem sie gerade Nahrung aufnehmen. Ich erlaube mir, mich auf die Darstellung Bütschli's ^) zu beziehen. ,.Bei zahlreichen jMonadinen finden wir eine Localisirung der Nahrungsaufnahme auf eine bestimmte Mundstelle, welche fast stets an der (ireisselbasis gelegen ist. "Wenn wir auch an dieser Thatsache .... nicht zu zweifeln berechtigt sind, so lässt sich andererseits nicht in Abrede stellen dass gewisse hiehergehörige Formen, bei welchen der gelegent- liche Uebergang in einen sarkodinenartigen Zustand beobachtet wurde, während dieses ihre Nahrung auch an anderen Körper- stellen aufzunehmen vermögen." Es ist ferner leicht denkbar, dass die gefrässigeren Individuen sich auch häufiger vermehrten, so dass ein gewisser Zusammenhang zwischen intensiverer Nahrungsaufnahme und Fortpflanzung sich herausbilden konnte. Noch ein anderer Grund für das Zustandekommen einer Ein- wanderung lässt sich in der Unmöglichkeit einer oberflächlichen Ausdehnung einer Colonie über gewisse Grenzen hinaus erblicken, was namentlich für schwimmende Colonien von grosser Be- deutung sein musste. Da die Individuenzunahme eine erhöhte Thätigkeit ermöglichte, so war es gewiss von Nutzen, wenn solche Zellen, welche keinen Platz auf der Oberfläche mehr fanden, sich an die Existenz im Innern der Colonie anpassten. Längere Zeit waren die Individuen eines Stockes wahrscheinlich nur in quantitativer Beziehung von einander verschieden : die locomotorischen Zellen schafften durch Geisseibewegung auch Nahrungskörper herbei und nahmen die kleineren Partikelchen theilweise selbst auf, da wir auch heutigentags bei einigen Coelenteraten eine gelegentliche Nahrungsaufnahme durch Ecto- dermzellen wahrnehmen. -) Die inneren amöboiden Individuen waren dagegen befähigt, auch grössere Körper aufzufressen, welche durch die Locomotoren nicht bewältigt werden könnten. Wahrscheinlich gelangten dabei erstgenannte Individuen bis nahe an die Peripherie und bemächtigten sich der auf dieselbe her- beigezogenen Körper durch die zahlreichen Poren der ober- flächlichen Schicht. Als antiloge Erscheinungen kann ich die Aufnahme fremder Körper durch amöboide Zellen überwinternder ') Protozoa in Bronn's Classen u. Ordnungen, 2. Auflage, p. 695. -) Untersuchungen üb. d. intracelluläre Verdauung, in Arbeiten des zool. Instit. /.u Wien. Bd. V, 1883, p. 142. GENEALOGISCHE BETRACHTUNGEN. I53 Halisarca poiifica, welche ihre Geisseiröhren verloren haben, ^) und eine ebensolche Aufnahme durch Mesodermzellen vieler niederer Thiere anführen. Allmälig machte die Differenzirung in angeschlagener Richtung grössere Fortschritte; die locomo- torischen Zellen verloren mehr oder weniger ihre nahrungs- aufnehmende Function, welche sich in den amöboiden Phagocyten concentrirte; die gelegenthchen feinsten Poren zwischen den ersteren konnten sich vergrössern und zu ähnlichen Mündungen ausbilden, wie sie auf der Spongienoberfläche so zahlreich vor- kommen. Unter zunehmender Individualität der Colonie (Indi- viduen zweiter Ordnung) differenzirten sich die oberflächlichen Individuen zu einem Ectoderm, oder Kynoblast, während sich die amöboiden inneren Individuen zu einem Phagocy to- blast (Parenchym oder Meso-Entoderm) vereinigten. Die Zellen des letzteren, zur Zeit als es ihnen unmöglich wurde, einzelne grössere Nahrungskörper zu bewältigen, bildeten Plasmodien, ähnlich wie auch heutigentags solche im Entoderm der Siphonophoren oder im Mesoderm so vieler Thiere um grössere Fremdkörper entstehen. Bei erhöhter Thätigkeit des mit zwei Primitivorganen ausgestatteten Metazoons musste das Nahrungs- bedürfniss vollkommen befriedigt werden, wozu grössere pflanz- liche und thierische Organismen aufgefressen werden mussten. Um das letztere zu ermögUchen, mussten auch eine oder mehrere grössere Eingangsöffnungen entstehen, welche zur Mundbildung führen konnten. Für die geschilderte Differenzirung ursprünglich gleich- artiger Individuen in Locomotoren und Phagocyten kann ich noch folgende Analoga anführen: Bei niederen Coelenteraten, wie Hydropolypen, Polypen, einige Medusen (z. B. Oceania, Phialidium, Cunina) ist die gesammte Entodermalwand des Gastrovascularsystems gleich befähigt, Nahrungskörper durch intracelluläre Aufnahme aufzufressen; sämmtliche Entoderm- zellen erscheinen somit als Phagocyten und auch als Loco- motoren, in den Fällen, wo sie mit Geissein ausgerüstet sind. Bei anderen Coelenteraten, wie z. B. bei Aglaura unter Cras- pedoten, bei Siphonophoren und Ctenophoren differenzirt sich dagegen das Entoderm in amöboide Epithelzellen, welche allein Nahrung auffressen, und in Geisselepithelzellen, welche zur Unterhaltung der Strömung dienen, dafür aber keine Fremd- körper aufzunehmen im Stande sind. Bei Spongien sehen wir eine ganz ähnliche Erscheinung: bei vielen Repräsentanten *) Zeitsch. f. wiss. Zool. Bd. XXXII, p. 375. 154 SIEBENTES CAPITEL. wirken die Geisselzellen des Entoderms als Phagocyten, während bei einigen Silicispongien diese Rolle ausschliesslich auf amöboide Zellen übergeht, da die Entodermgeisselzellen nur zur Fort- bewegung des Wasserstromes dienen. Dass die Auswanderung der Individuen aus der Oberfläche der Colonie in deren Innenraum (welcher wahrscheinlich von einer gallertartigen Substanz erfüllt wurde) eine Quertheilung anderer Individuen nicht auszuschliessen brauchte, versteht sich wohl von selbst^ ebenso wie der Umstand, dass bei eingetretener Differenzirung der oberflächliche TheilungssprössHng an Ort und Stelle bleiben konnte, während der centrale Sprössling als Phagocyt im Innern fortblieb. Die Uebergangsform zwischen Flagellaten und Metazoen, aus welchen die letzteren abzuleiten sind, habe ich früher als Parenchymella bezeichnet. Jetzt möchte ich diesen Namen in Phagocytella umtaufen, da der letztere auf eine sehr charak- teristische Eigenschaft der betreffenden Form hindeutet. Einst- weilen lässt sich vermuthen, dass die Phagocytella zwei Primitiv- organe, ein Kynoblast und ein Phagocytoblast besass, welche beide jedoch noch nicht so scharf von einander abgesondert waren, wie die Keimblätter der meisten Metazoen ; wahrscheinhch dauerte die Recrutirung des Phagocytoblastes durch ein- wandernde Kynoblastzellen noch längere Zeit fort. In ent- wicklungsgeschichtlicher Beziehung lässt sich soviel sagen, dass die Eier der Phagocytella (eine sexuelle Fortpflanzung musste sie schon erlangt haben) einer äqualen Furchung unterworfen wurden, wobei sich die Blastomeren nach drei Dimensionen des Raumes theilten, dass frühzeitig ein Blastocoel entstand, welcher sich dann allmälig durch Einwanderung ganzer Zellen und durch Abtrennung centraler Theilungssprösslinge anfüllte. Die Phagocytella-Theorie stimmt mit unseren morphologi- schen und physiologischen Erfahrungen an Spongien überein, wie sie auch auf Grund spongiologischer Untersuchungen zu- erst entstanden ist. Die Embryologie verschiedener Schwämme zeigt uns eine IVIannigfaltigkeit, welche diejenige der Medusen fast noch übertrifft; wenn sie aber bis jetzt noch lange nicht hinreichend untersucht ist, so lässt sich doch schon behaupten, dass im Entwicklungsgange dieses Thiertypus sowohl Ein- wanderungsvorgänge als auch Delamination und Gastrulation vorkommen. Im Ganzen passt also das oben für Medusen- embryologie Gesagte auch für die Zusammenstellung verschie- dener Arten der Entodermbildung bei Spongien. Die Primitiv- organe der letzteren haben sich auf einem verhältnissmässig GENEALOGISCHE BETRACHTUNGEN. I55 ursprünglichen Zustande erhalten, so dass die Unterbringung (fter Schichten des Spongienkörpers in das Keimblätterschema die grössten Schwierigkeiten darbietet, wie ich das selbst oft- mals empfunden habe. Da das „Entoderm"' oft in das „Meso- derm'' übergeht, so dass die beiden Bildungen sich in einem intimsten Zusammenhange beifinden, ^) so glaube ich, dass die beiden Schichten zusammen als ein Phagocytoblast aufgefasst werden müssen. Dass die denselben bildenden Zellen nicht alle auf einmal entstehen, sondern oft durch nachträgliche Ein- wanderung aus dem Ectoderm hinzukommen (z. B. bei Hali- sarca), hindert unsere Auffassung nicht im Geringsten, Die Or- ganisation der Spongien bietet uns überhaupt nichts Derartiges, worauf man mit Balfour und Bütschli ihre Abtrennung von übrigen Metazoen rechtfertigen konnte, so dass ich mich in dieser Beziehung vollkommen an die Seite der meisten Spongio- logen und namentlich K. Heider's^) anschliessen kann. Das Fehlen einer Mundöffnung, resp. das Vorhandensein mehrerer Eingangsporen können als bedeutungsvolle Unterschiede nur dann gelten, wenn man diesen Bildungen eine unrichtige genea- logische Bedeutung zuschreibt; vom Standpunkte der Phago- cytella - Theorie sind die bezeichneten Eigenthümlichkeiten des Schwammkörpers dagegen leicht erklärlich. Die prävali- rende Rolle der amöboiden Zellen bei der Nahrungsaufnahme wäre nur in dem Falle sonderbar, wenn wir bei Spongien von einem differenzirten Mesoderm sprechen dürften; da dieselben indessen noch ein Phagocytoblast besitzen, welches als gemein- schaftliche Anlage des Ento- und Mesoderms betrachtet werden muss, so erscheint die bezeichnete Thatsache im Gegentheil recht einfach. Nachdem ich meine Ansichten in allgemeinen Umrissen in „Spongiologischen Studien" auseinandersetzte, ^) kam Balfour schon im nächsten Jahre zu .Schlussfolgerungen über Coelen- 1) Zeitscbr. f. wiss. Zool. Bd. XXXII, p. 374. ^) Oscarella lobularis a. a. O. p. 56. ^) Schon in meiner Arbeit über die Verdauungsorgane der Süsswasser- turbellarien (in den Schriften d. neurussischen Xaturforschergesellschaft Bd. V, 1877) sagte ich Folgendes: „Wenn die Turbellarien ihrem Wesen nach echte Parenchy- matiker sind, so stellt es sich heraus, dass in dieser Beziehung eine grundlegende Aehnlichkeit zwischen niederen Repräsentanten von zwei Ausgangstypen vielzelliger Thiere (Coelenterata u. Vermes), d. h. zwischen Spongien und Turbellarien besteht. Wenn Avir die Larven der ersteren (namentlich die von O. Schmidt beschriebenen Amorphinalarven) mit niederen Turbellarien vergleichen, so kann man vermuthen, dass die beiden genannten Classen durch eine viel innigere Verwandtschaft miteinander verknüpft sind, als es bisher angenommen wurde. 156 SIEBENTES CAPITEL. teraten-Entwicklung, welche mit den Grundsätzen der Phago- cytella-Theorie ganz gut übereinstimmen. ,,So paradox es auch scheinen mag — sagt der englische Embryolog ^) — so halte ich es doch nicht für unmöglich, dass die Coelenteraten in der That einen Vorfahren besassen. bei welchem der Verdauungs- canal physiologisch durch eine solide Masse von amöboiden Zellen vertreten war. Dieser Vorfahre war vielleicht ausserdem auch noch den Turbellarien gemeinsam." Es ist sehr auffallend^ dass bei dieser Anschauungsweise Balfour sich so entschieden auf die Seite der Gastraea-Theorie hinneigte und die Parenchy- mella-Theorie an und für sich für unwahrscheinlich hielt. Neuer- dings hat Götte -) die Ansicht über die nahe ^Verwandtschaft der Stammformen von Coelenteraten und Turbellarien (Acoela), sowie über die parenchymartige Beschaffenheit des Entoderms bei ursprünglicheren Metazoen wiederholt, ohne sich übrigens auf Balfour oder auf mich berufen zu haben. Jedenfalls kann man daraus sehen, dass die Anzahl der Forscher, welche sich genöthigt fühlen einen phagocytellaähnlichen Zustand zu postu- liren, allmälig zunimmt. Obwohl die neuesten Untersuchungen über die Anatomie der Acoela (von Kleinenberg, Pereyaslawzew Yves Delage, und mir selbst) die Behauptung Graff's von einer Abwesenheit des jVIesoderms und Nervensystems bei diesen Turbellarien berichtigen, so bleibt doch die Thatsache bestehen, dass die Verdauungsorgane der Acoela einen sehr ursprünglichen Charakter behalten. Wenn es neuerdings behauptet wurde, dass die genannten Würmer eine deutliche Verdauungshöhle besitzen, so muss ich dem gegenüber erwidern, dass die echten Acoela ein Entodermplasmodium aufweisen, in welchem verschieden grosse Vacuolen enthalten sind, welche eine besondere Ver- dauungshöhle vortäuschen können. Ich habe diese Verhältnisse am besten bei einer schönen durchsichtigen pelagischen Form von Messina untersucht (wo sie auch mehrmals von Kleinen- berg erforscht wurde) und mich von der Richtigkeit obiger Angaben vollkommen überzeugt. Aus den entwicklungsgeschicht- lichen Untersuchungen des Fräulein Pereyaslawzew^) und Re- piachoff*) scheint hervorzugehen, dass nach der Furchung bei den von ihnen beobachteten Acoela ein Gastrulastadium auftritt; der letztgenannte Autor ^) zieht daraus die Schluss- ^) Handl). d. vgl. Embryologie 1880. I, p. I72. ^) Abhandlungen z. Entwicklungsgeschichte d. Thiere. II, 1884, p. 184 u. a. ^) Sur le d^veloppement des Turbellaries,Zool. Anzeig. VIII, 1885, N. 194, p. 269. *) Ibid. p. 272. *) In seiner russischen Dissertation über Dino]-)hilus. Odessa 1886, ]i. 47. GENEALOGISCHE BETRACHTUNGEN. I57 folgerung; dass die Acoela rückgebildete Würmer repräsen- tiren. Ich möchte dem gegenüber erwidern, dass eine Gastrula- bildung durchaus nicht unbedingt als ein genealogisch primärer Vorgang zu betrachten ist; wir haben ja in der Embryologie der Medusen gesehen, wie die Gastrula polyphyletisch (einmal als Archigastrula von Nausithoe und Pelagia, das andere Mal als epibolische Gastrula bei Polyxem'a Icucostylä) aus ver- schiedenen ursprünglicheren Bildungsarten entstehen kann, so dass deren Zustandekommen im Laufe der Entwicklung als secundäre embryonale Anpassung leicht gedacht werden kann. Uebrigens muss ich bemerken, dass ein endgiltiges Urtheil über Acoelengastrula erst nach der ausführlichen Publication der Arbeiten des Frl. Pereyaslawzew" und Repiachoff geäussert werden darf. Da nach der entwickelten Ansicht Gastrulaformen unab- hängig im Laufe der embryologischen Entwicklung entstehen können, so lassen sich viele Schwierigkeiten der Gastraea-Theorie von unserem Standpunkte überwinden oder gänzlich umgehen. Ich verweise in dieser Beziehung auf meine „Vergl.-embryo- logischen Studien",^) wo ich diese Seite der Frage nach Kräften behandelt habe. In den letzten Jahren haben Blochmann^) und Sedg-wick^) die Gastraea-Theorie durch die Wiederaufnahme der Behauptung, dass Mund und After sich beide aus einem schlitzförmigen Blastopor herausg^ebildet haben, zu retten gesucht. Sie verweisen dabei auf die Untersuchungen Balfour's an Peripatus und auf die Wahrnehmungen an Aplysia und anderen Gasteropoden und glauben, dass ein ]\Iund und After liefernder schlitzförmiger Blastopor auch für sämmtliche Metazoen prin- cipiell angenommen werden kann. Die Hauptschwierigkeit der Gastraea-Theorie wird aber dadurch nicht gelöst, denn von dem geschilderten Standpunkte müssen die radiär gebauten Gastrulae der Echinodermen, Pilidium und Polygordius als secundär stark modificirte Larvenformen, während die Embryonen der Gastero- poden, Peripatus, Insecten und Würmer mit schlitzförmigem Blastopor als primäre Gastrulationszustände aufgefasst werden. Aus demselben Grunde müssen reguläre Blastulae zuerst ge- nannter Thiere als modificirte Abkömmlinge der nahrungsdotter- reichen Amphiblastulae anderer Formen angesehen werden. 1) Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXXVII, 1882, p. 286. '^) Beiträge z. Kenntn. d. Entw. d. Gasteropoden, Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXXVIII, 1883, P- 406. ^) On the Origin of metamerie Segmentation etc. Studies from the Morpho- logical Laboratory in the Univ. of Cambridge. Vol. II, Part. I, 1884, p. 82. 158 SIEBENTES CAPITEL. In der Genealogie des Afters, welche durch die eben citirte Theorie nicht genügend erklärt werden kann, können wir ähnliche Stufen erblicken, wie wir sie bei der Ausbildung des Mundes angenommen haben. Bei niederen IMetazoeri sehen wir zwei (Ctenophoren) oder mehrere Oeffnungen zum Austritt der Excretionsstoffe entstehen , ähnlich wie bei Spongien zahlreiche Eingangsmündungen vorhanden sind. Bei einigen Lafoeidenmedusen (Aequoraea, Tima) befinden sich die zahl- reichen Excretionsöffnungen des Gastrovascularsystems auf besonderen Papillen; einige Polycladen besitzen ähnliche Ex- cretionsmündungen an verschiedenen Körperstellen. Bei Cyclo- porus beobachtete Lang ^) das Ausstossen der Flüssigkeitstropfen mit verschiedenartig gefärbten Concretionen durch solche Oeffnungen des Verdauungsapparates. Dieser Befund gewinnt noch mehr an Bedeutung, weil die Polycladen ausserdem noch ein besonderes Excretionssystem besitzen. AVährend sich ein Theil des Phagocytoblastes zum Entoderm ausbildete, in welchem die ursprünglichen Amöboidzellen all- mälig einen epithelialen Charakter annahmen, lieferte ein anderer Theil desselben Primitivorganes das Mesoderm. Ur- sprünglich erschien das letztere in Form vereinzelter AVander- zellen, welche ebenso wie früher als Phagocyten wirkten. Der- artige Verhältnisse finden wir bei vielen Coelenteraten (wo indessen in einigen Fällen noch Wanderzellen aus dem Ectoderm hinzukommen, wie z. B. bei Corallen nach Kowalevsky und Marion), bei Echinodermen, vielen Würmern etc. Es erweist sich somit eine gewisse Homodynamie in der Mesodermbildung da sie zu verschiedenen Malen durch Zelleneinwanderung zu Stande kommen kann. Während das ganze Mesoderm oder nur ein Theil davon beharrlich den ursprünglichen Phagocytoblast- zustand behalten, kommt es bei verschiedenen Thieren noch zur Bildung besonderer Mesodermsäcke, welche sich vom Entoderm ablösen und deren Zellenwandungen mehr oder weniger ihre Rolle als Phagocyten verlieren. Solche Verhält- nisse lassen sich bei Ambulacrarien und Wirbelthieren con- statiren. Bei anderen Thieren mit einem einfacheren Entwicklungs- gange, wie z. B, bei Würmern, Mollusken und vielen Arthropoden, hat man vergeblich nach solchen Mesodermsäcken gesucht, so dass es möglich ist, dass bei ihnen das ganze Mesoderm aus dem ursprünglichen Phagocytoblast, ohne Antheil eigentlicher Entodermsäcke, aber vielleicht mit Hilfe des Ectoderms ent- *) Die Polycladen (Fauna u. Flora d. Golfes von Neapel), 1884, p. 158. GENEALOGISCHE BETRACHTUNGEN. I59 Standen ist. In solchen Fällen konnte das Mesoderm sich nachträglich in eine Somatopleura und eine Splanchropleura differenziren, ohne ein sackförmiges Stadium zu durchlaufen. Bei Arthropoden mit einem grossem Nahrungsdotter beginnt das Mesoderm sehr frühzeitig zu functioniren, indem dessen Zellen die Dotterkörnchen auffressen und weiter verarbeiten. Unter solchen Umständen ist es erklärlich, dass man bis in die neueste Zeit das Mesoderm oft für Entoderm gehalten hat. In Abhängigkeit vom Phagocytoblast, zum Theil auch vom Kyno- blast entstanden, emancipirt sich doch das Mesoderm früher, (z. B. bei Ctenophoren) oder später als ein besonderes Keim- blatt, welches in der embryonalen Entwicklung eine wichtige Rolle spielt. Im Gegensatz zu den Autoren, welche das Mesoderm aus Geschlechtsorganen oder Muskeln entstanden denken, glaube ich, dass dasselbe als ein Abschnitt des Phagocytoblastes, gleich dem letzteren eine Rolle bei der Nahrungsaufnahme, resp. der Resorption spielte. Ueber die Bedeutung der mesoder- malen Phagocyten bei physiologischen und pathologischen Vor- gängen, sowie über die Morphologie des Mesoderms habe ich mich in anderen Arbeiten ausgesprochen, ^) so dass ich, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die letzteren verweisen kann. Zum Schlüsse will ich noch bemerken, dass eine möglichste Aufklärung über die Urzustände der Metazoen unentbehrlich ist, um eine Basis für die vergleichende Morphologie zu ge- winnen ; so lange aber die antigenealogische Richtung in der Keimblätterfrage betreten wird, werden gerade wichtigere Fragen die unüberwindlichsten Schwierigkeiten darbieten. Des- halb glaube ich, dass beim Mangel positiver Kenntnisse, auch hypothetischen Aufbauungen eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden darf. ^) Vergleiclaend - embryologische Studien, 3 — 5, Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. XXXVII, 1882, p. 286, u. Bd. XLII, 1885, p. 648. — Untersuchungen üb. die intracelluläre Verdauung bei Wirbellosen. Arbeiten des zool. Inst, zu Wien Bd. V, 1883, p. 147. — Untersuch, üb. die mesodermalen Plagocyten einiger Wirbelthiere, Biolog. Centralbl. Bd. III, 1883, p. 560. — Ueb. eine Sprosspilzkrankheit der Daphnien, Virchow's Archiv, Bd. XCVI, 1884, p. 177. — Ueber die Beziehung der Phagocyten zu Milzbrandbacillen, Ibid. XCVII 1884, p. 502. Druck von Ch. Reisser & M. Werthuer. Druck von Cli. Reisser & M. WerlUuer. / N L