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Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung

Band I

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Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung

(Röntgendiagnostik, Röntgen-, Radium- und Lichttherapie)

Herausgegeben von

H. Holfelder, Frankfurt a.M. / H. Holthusen, Hamburg ` O.Jüngling, Tübingen / H. Martius, Bonn a. Rh.

Band I

Mit 451 Abbildungen im Text und 3 photographischen Tafeln

Leipzig 1925

Verlag von Georg Thieme

Alle Rechte, auch das der Übersetzung in die russische Sprache, vorbehalten. Copyright 1925 by Georg Thieme, Leipzig, Germany.

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Roßberg’sche Buchdruckerei, Leipzig.

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Zur Einführung.

Das Gebiet der medizinischen Strahlenforschung hat im letzten Jahrzehnt einen un- geheuren Umfang angenommen; Forscher der verschiedenartigsten Richtungen und Disziplinen aller Kulturvölker haben eine Unmenge von Einzelbeiträgen geliefert, die ihrerseits wieder die anderen Zweige der medizinischen Strahlenforschung mehr oder weniger merklich befruchtet haben; nirgends in der Welt hat die medizinische Strahlen- forschung von Anfang an ein einheitliches und in sich abgeschlossenes Arbeitsgebiet ge- bildet, wie die übrigen großen Disziplinen der medizinischen Wissenschaft dies jetzt tun. Sie verdankt ihre Entwicklung und Förderung vielmehr gerade diesen älteren großen Disziplinen. Sowohl der Chirurg, der Internist und der Gynäkologe, als auch die Spe- zialisten der anderen medizinischen Fächer haben schon bald nach der Entdeckung der Röntgen- und Radiumstrahlen erkannt, welch große Dienste diese ihrem Spezialfach sowohl in diagnostischer als auch in therapeutischer Beziehung leisten können. Jeder bemühte sich deshalb an seiner Stelle, dieses neue Mittel durch eigene Arbeit seinen be- sonderen Zwecken dienstbar zu machen. So ist es zu erklären, daß sich röntgendiagno- stische und strahlentherapeutische Arbeiten in der ganzen medizinischen Literatur zerstreut finden. |

Die rein physikalische Forschung dagegen wurde im wesentlichen in den physika- lischen Zeitschriften niedergelegt, welche dem Mediziner nur seltener zugänglich sind. Zudem zeigte sich bald, daß für die praktische Anwendung der verschiedenen Strahlen- arten in der Medizin eine Reihe von physikalischen Fragen auftauchten, deren Be- arbeitung und Klärung dem Physiker vom Pach ferner lag. Vielfach mußte deshalb der Mediziner durch eigene physikalische Arbeiten‘ die Antwort auf die ihn besonders interessierenden physikalischen Fragen suchen. Erst in letzter Zeit haben sich zahlreiche Physiker vom Fach ganz speziell der Bearbeitung jener physikalischen Probleme zu- gewandt, welche den Mediziner am meisten beschäftigen. So findet sich in der medizi- nischen Literatur ein großer Teil rein physikalischer Arbeiten, und auch hier fehlt die einheitliche Zusammenfassung.

Die zahlreichen und immer dringender werdenden biologischen Fragen berühren sich so eng mit mikroskopisch-anatomischen, mit physiologischen und mit experimentell- therapeutischen Arbeiten und sind infolgedessen in der Literatur dieser Arbeitsgebiete nicht minder zerstreut. Auch hier dürfte eine einheitliche Zusammenfassung sowohl für den Wissenschaftler wie für den Praktiker nützlich sein.

Die Vielseitigkeit der Forscher und der Forschungsergebnisse ist zweifellos ein wesentlicher Grund für die erstaunlich rasche und ungeahnte Ausdehnung, welche die medizinische Strahlenforschung in den kaum drei Jahrzehnten ihres Bestehens gewonnen hat. So begrüßenswert diese Vielseitigkeit der Mitarbeiter auch für die Weiterentwick-

VI Zur Einführung

lung dieses Gebietes sein wird, so ist doch die gerade dadurch veranlaßte Zersplitterung in der Literatur mit dem zunehmenden Umfang der gesamten medizinischen Strahlen- forschung für den einzelnen Bearbeiter immer stärker störend fühlbar geworden: Die röntgenologischen und strahlentherapeutischen Fachzeitschriften füllen hier zwar schon eine große Lücke aus, vermögen aber doch nicht die ungeheure Fülle der überall zerstreu- ten Literatur einheitlich und vollständig zusammenzufassen. Eine solche zusammen- fassende Arbeit ist nur dann möglich, wenn man sich auf die Bearbeitung verhältnismäßig kleiner Teilgebiete beschränkt und an diese Arbeit mit einer scharf formulierten und eng begrenzten Fragestellung herangeht.

Es fehlen Monographien über jedes einzelne Sonderproblem der medizinischen Strahlenforschung. Die Unterzeichneten haben es sich deshalb zur Aufgabe gestellt, die in der Weltliteratur zerstreuten Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung in Einzeldarstellungen zu sammeln, die, bearbeitet von den besten Fachkennern des jeweils dargestellten Problems, einen möglichst lückenlosen Überblick über das wissenschaft- liche und praktische Ergebnis dieser Forschung geben sollen.

Zu unserer Freude haben sich namhafte Fachgenossen auf unsere Aufforderung in den Dienst dieser Aufgabe gestellt, und es ist uns heute möglich, den ersten Band dieser Sammlung seinem Leserkreise zu übergeben. Wir möchten an dieser Stelle jedem ein- zelnen unserer Mitarbeiter für die recht erhebliche Mühe danken, welche sie auf die Durch- führung der oft sehr schwierigen Aufgabe verwandt haben. Wir glauben, daß die behan- delten Einzelgebiete bei möglichst knapper Darstellungsweise doch eine so vollständige Erörterung erfahren haben, daß die Sammlung vollauf ihren Zweck erfüllt, dem Wissen- schaftler eine lückenlose und sicher gezeichnete Grundlage für die weitere Forschung und dem Praktiker ein gediegenes Nachschlagewerk zu sein.

Die Verlagsbuchhandlung hat mit bekannter Großzügigkeit und Tatkraft dafür gesorgt, daß die Form und die Ausstattung des Werkes nicht hinter dem Inhalt zurück- stehen.

Frühjahr 1925.

Hans Holfelder. Hermann Holthusen.

Otto Jüngling. Heinrich Martius.

Gesamt-Inhaltsübersicht.

Seite Aufgaben und Erfolge der röntgenologischen Diagnostik bösartiger und entzünd- licher Diekdarmgeschwülste. Von Privatdozent Dr. Albert Wilhelm Fischer,

Frankfurt 2:M. 2.2.2022 20.5 & 5 22 1 2 ne ee Be ei 1 Zur Frage der Knochenatrophie. Von Dr. E. Friedl und Privatdozent

Dr. Hans R. Schinz, Zürich e, 95 Die akute Miliartuberkulose im Röntgenbild. Von Professor Dr. Alexander Lorey,

Hamburg: 2:4... 3.8028 woche ee a er Eee 131 Die Spektroskopie in der medizinischen Röntgenologie. Von Professor Dr. Leon-

hard. Grebe; Bonn e u... Aer ers Kern a ee ae ee ee 147 Die Ionisationsmessung der Röntgenstrahlen. Von Privatdozent Dr. Hans Küstner,

Göttingen 54243 Ss ae Rente war klagt 175 Strahlenschutz und Anlage von Röntgenabteilungen. Von Professor Dr.R.Glocker,

SEDAT EE A e e a ug er ee a ee re 365

Physikalische Sensibilisierung. Von Professor Dr. Hermann Holthusen, Hamburg 383 Zur Kenntnis des Röntgenhodens. Von Privatdozent Dr. Hans R. Schinz und

Dr. Benno Slotopolsky, Zürich `, 443 Die Strahlenbehandlung des Kollumkarzinoms. Von Professor Dr. Wilhelm Lahm,

Dresclen? u u a a we E AE eer ee ee a e 527 Die Röntgen- und Radiumbehandlung des Ösophaguskarzinoms. Von Privatdozent

Dr. Hans Kurtzahn, Königsberg i. Pr. ..:. 2:20 nn nn 665 NAMENVErZeichNIs: eet ee a a ee 721

Sachverzeichnis `... 729

Aufgaben und Erfolge der röntgenologischen Diagnostik bösartiger und entzündlicher Diekdarmgeschwülste

Von

Privatdozent Dr. Albert Wilhelm Fischer

Mit 140 Abbildungen im Text

III.

VIII.

IX.

Inhaltsverzeichnis.

. Allgemeines überdie Aufgaben derröntgenologischenDiekdarmdiagnostik . 11.

Die röntgendiagnostischen Verfahren . ......

. Kontrastmahlzeit . . . 2 2: 2 m nenne.

Köntrasteinlauf =: x =. 2 #8 2 3 u ein ea ei

. Kombination von Kontrastmahlzeit und Kontrasteinlauf . . .. . . DEE . Die künstliche Luftblähung des Dickdarmes. . . . a. a 2 22.2 .. ;

. Die Kombination von Kontrastbreipassage und Luftblähung . . . . .

. Die Kombination von Kontrasteinlauf und Luftblähung . . . ....

G. Das Pneumoperitoneum . . s. sosa aa

Die diagnostischen Elemente des Dickdarmröntgenbildes

A. Der Verlauf des Dickdarmes. `,

B. Die Beobachtungen der Darmkontur . . ...... NEE

C. Die Beobachtung des Darmkontrastfeldes . , 2 220. en E D. Die Beobachtung der Darmdehnungsfähigkeit . . » 2. 2 2 2 2 2 2 a

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. Kritik der einzelnen Röntgenverfahren bezüglich ihrer Verwendbarkeit für

die Tumordiagnose e 0. 4 a u ww a a2 a e Zu fa Ya

. Die Indikation zur Anwendung des Röntgenverfahrens . . ..... . Klinisch-Statistisches über die Darmtumoren. . . 2.2.2 22 2.0. . Zur pathologischen Anatomie der Dickdarmtumoren

A. Die Tumoren im engeren Sinne . . 2.2.2 2 2 220... B. Die tumorbildenden Dickdarmentzündungen `, . .

1. Spezifische Entzündungen . . ...... ;

2. Unspezifische Entzündungen `... ER e e E C. Durch Invagination bedingte Tumoren . . . . 2.2.2222 20. D Kottumoren, Enterolithen . . 2 2 2: vn nr rn Allgemeine röntgenologische Symptome des Dickdarmtumors. A. Der Füllungsdefekt (Stierlinzeichen) . . 2. 2: 2 2 2 2 2 222. B. Die Stauung vor einem Hindernis (antero- und retrograd) C. Direkte Ulkussymptome . . 2... 2 2 2 2 nn.

Spezielle Diagnostik der Diekdarmgeschwülste `...

. Die Geschwülste des Coecum und Colon-Ascendens

. Die Geschwülste der Flexura coli dextra . .

. Die Geschwülste des Colon transversum. .

Die Geschwülste der Flexura lienalis

Die Geschwülste des Colon descendens . . . .

. Die Geschwülste des Colon sigmoideum . 2 2 2 2 m nn m nen d Als Unterabteilung von IX A—F: Echte Tumoren. Entzündungen. Sonstige Ge-

schwülste.

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Schlußwort ......n

Literaturverzeichnis

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I. Allgemeines über die Aufgaben der röntgenologischen Dieckdarmdiagnostik.

Unsere gesamte Karzinomtherapie krankt daran, daß die Fälle meist allzu spät in die Hände des Chirurgen gelangen. Selbst bei dem so überaus leicht diagnostizierbaren Krebs des Rektum sind es nach eigenen und Literaturerfahrungen etwa 50—75 %, die schon bei der Kliniksaufnahme sich als inoperabel erweisen; auch beim Kolonkarzinom ist dies Verhältnis nicht viel anders, auch diese Fälle kommen meist erst nach langer „Vorbehandlung“ zur Aufnahme, wobei allerdings zugegeben werden muß, daß eine ganze Reihe von Fällen schon beim Auftreten der ersten Symptome bereits nicht mehr operabel sind. Beim Krebs des untersten Dickdarmabschnittes, des Rektum, kann die Röntgendiagnose keine Rolle spielen, weil hier der Krankheitsherd dem Finger und durch das Rektoskop dem Auge zugänglich ist, bei den Tumoren des höheren Dickdarmes liegen die Verhältnisse grundsätzlich anders, hier hat sich die Röntgenuntersuchung zur Kardinalmethode entwickelt.

Während ein großer Teil der Ärzteschaft sich bereits daran gewöhnt hat, Patienten mit länger anhaltenden Magenbeschwerden der Röntgenuntersuchung zuzuweisen, weil sie wissen, daß nur auf diese Weise sich ein klares Bild gewinnen läßt, ist es noch durch- aus üblich, beim Auftreten von Symptomen, die auf einen Dickdarmtumor hinweisen können, vorerst eine „symptomatische‘‘ Therapie einzuleiten. Es muß mit allem Nachdruck gefordert werden, daß schon bei Symptomen, die auch nur den Verdacht auf einen Darmkrebs aufkommen lassen, der Kranke rönt- genologisch untersucht wird. Ergibt die Durchleuchtung nicht mit größter Wahrscheinlichkeit die Abwesenheit eines Darmtumors, dann tritt als letztes Klärungsmittel die diagnostische Laparotomie in ihre Rechte, ein Verfahren, das sich im allgemeinen und speziell auch an der Frankfurter Klinik in vielen Fällen auf das beste bewährt hat. (Schmieden in Payr-Zweifel.)

Unsere Besprechung kann sich nicht mit der großen Zahl der anderen diagnostischen Methoden (Nachweis von okkultem Blut usw.) befassen, sie muß sich auf die Röntgen- untersuchung beschränken, anderseits kann sie sich aber nicht auf das Diekdarmkarzi- nom, also auf den „Tumor in engerem Sinne“ allein beziehen. Wie wir nachher an Hand von Fällen sehen werden, ist es oft selbst bei eröffneter Bauchhöhle nicht möglich, den bösartigen Tumor von entzündlichen Geschwulstbildungen zu unterscheiden, die röntge- nologische Differenzierung wird in sehr vielen Fällen auch nicht gelingen. Es ist also unumgänglich, neben den eigentlich malignen Tumoren auch das große Gebiet der tumor- bildenden Dickdarmentzündungen in den Rahmen unserer Betrachtung aufzunehmen. Sinngemäß gehören auch die Invaginationstumoren hierher, ebenso die gutartigen Ge- wächse des Kolon. Auch werden wir oft vor der Frage stehen, ob ein fühlbarer Tumor dem Dickdarm angehört oder nicht; wir sehen also, daß wir uns, kurz gesagt, mit der Differentialdiagnose des Begriffskomplexes ‚Tumor im Bauch“ vom Standpunkte des Röntgenologen zu befassen haben.

Daß die Röntgenuntersuchung des Dickdarmes ein überaus schwieriges und große persönliche Erfahrung erforderndes Kapitel ist, ist allgemein anerkannt. Gar oft er-

1*

4 A. W. Fischer

geben sich unbefriedigende Bilder, deren Deutung, besonders wenn es sich wie meist um Verdachtsfälle ohne klare klinische Symptome handelt, durch zahlreiche Täuschungsmöglichkeiten erschwert ist.

Die Untersuchungstechnik ist relativ unbequem, erfordert Durchleuchtungen im Stehen, in Seiten- und Rückenlage, all das mag wohl der Grund dafür sein, daß dies Ge- biet noch lange nicht die, ich möchte sagen liebevolle systematische Durcharbeitung erfahren hat, wie sie dem Magen und in letzter Zeit dem Duodenum zuteil geworden ist. Die in der ersten Zeit nach Rieders Publikation, aber auch in späteren Jahren nicht seltenen Fehldiagnosen nach der positiven wie nach der negativen Seite haben dazu ge- führt, daß häufiger von klinischer Seite der röntgenologischen Dickdarmdiagnostik Unzu- verlässigkeit vorgeworfen wurde. Es wurde darauf hingewiesen, daß ein Fehlen von Stenoseerscheinungen auch die Erkennung des Tumors im Röntgenbilde illusorisch mache, daß hingegen bei Bestehen einer Stauung auch ohnehin operativ eingegriffen werden müsse, daß also in diesen Fällen die röntgenologische Untersuchung überflüssig sei. Selbst bei sicherer Stenose war man Täuschungen unterworfen, insofern die röntgenologische Lokalisation nicht mit der Autopsia in vivo übereinstimmte.

Die jahrelange sorgfältige Registrierung und Verwertung all dieser Täuschungen hat aber doch schließlich zu einer derartigen Ausbildung der Technik geführt, daß heute das harte Urteil der Unzuverlässigkeit keineswegs mehr begründet ist. Einen Markstein größter Bedeutung in dieser Ent- wicklung ist die Arbeit von Haenisch, der an die Stelle der Serienphotographie mit unzuverlässigen Augenblicksbildern die fortlaufende Durchleuchtung vor dem Schirm einführte. Bei dem heutigen Stande der Untersuchungstechnik können wir einen sehr hohen Grad diagnostischer Zuverlässigkeit erwarten, wenn wir uns auch darüber klar sein müssen, daß es so gut wie keine diagnostische Methode gibt, die mit 100% Sicherheit arbeitet. Die früher so häufigen Irrtümer in dem Sinne, daß der Chirurg keinen Tumor fand, wo ihn der Röntgenologe lokalisiert hatte, oder daß ein Tumor manifest wurde, nachdem kurz zu- vor die röntgenologische Untersuchung ergebnislos verlaufen war, gehören jetzt wohl allgemein zu den allergrößten Seltenheiten.

Die Dauerresultate der Operation des Dickdarmkrebses sind relativ gut (40°/,) im Gegensatz zum Karzinom des Magens —, gelangen also die Fälle allgemein früher in die Hand des Röntgenarztes, so wird die Zahl der operablen und damit die der geheilten Fälle sich beträchtlich mehren.

IL Die röntgendiagnostischen Verfahren.

A. Kontrastmahlzeit.

Nach mannigfachen Vorversuchen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, wurde das von Cannon schon 1897 bei Untersuchungen an Katzen als Magen- darmkontrastfüllmittel verwandte Wismut im Jahre 1904 von Rieder für Studien am lebenden Menschen eingeführt.

Zusammensetzung der Original-Riedermahlzeit: 30 g Bismutum subnitric. in etwas Milch ver- rühren und Zusetzen zu 300—400 g Mehlbrei mit Milchzucker.

Rezept, das in der Frankfurter chirurgischen Klinik verwandt wird: 200 g Barium sulfuric. mischen mit je 1 Eßlöffel Grief, Zucker und Kakao und 300 g Wasser, kalt die Mischung anrühren, aufkochen. 7

Kontrastmahlzeit und Einlauf D

Diese Kontrastbreipassage muß durch vielfache Untersuchungen vor dem Schirm kontrolliert werden. Es genügt keinesfalls, wie das früher üblich war. in bestimmten Zeitabständen Aufnahmen zu machen, sondern man soll vor dem Schirm durchleuchten und besonders wichtig, verdächtig oder unklar erscheinende Füllungszustände genauestens abpausen oder auf der Platte fixieren. Auch empfiehlt es sich in allen Fällen, selbst wenn man klarste Anhaltspunkte für eine Erkrankung des Dickdarmes zu haben glaubt, kurz einen Blick anf die Magensilhouette zu werfen. Es werden Überraschungen nicht aus- bleiben: Übergreifen eines Magenkrebses, der klinisch symptomlos verlicf, auf den Dickdarm usw.

Mit Vorteil haben wir vielfach in bekannter Weise eine Doppelmahlzeit (Intervall 3—5 Stunden) gegeben und so recht gute Übersichtsbilder über den ganzen Dickdarm gewinnen können. Wieder in anderen Fällen, in denen die Darreichung einer immerhin recht kompakten Kontrastmahlzeit kontraindiziert war (Subileus), ließen sich auch recht gute Bilder nach Trinkenlassen einer einfachen Aufschwemmung von 50 g Barium sulfuric. in etwa 150—200 cem Wasser erzielen.

Von ganz außerordentlicher Wichtigkeit ist die manuelle Palpation während der Durchleuchtung. Es gilt Schmerzpunkte in ihrer Beziehung zum Darme zu lokali- sieren, die Beweglichkeit tastbarer Tumoren festzustellen, fragliche Füllungsdefekte auf ihre Konstanz bei Fingerdruck zu prüfen, sich überlagernde Schlingen zu entwirren, um so ihren Verlauf zu klären usw. Leider muß man dabei seine Hand unsympathisch lange den Strahlen aussetzen, es scheint das aber nicht allzu bedenklich zu sein, da die Hauptmenge der Röntgenenergie bereits auf dem Wege durch den Körper des Patienten absorbiert ist. Die üblichen Lederbleihandschuhe sind zu dick; streift man sie über, so ist das für diese Untersuchungen so überaus notwendige feine Tastgefühl fast völlig ver- loren, auch das Arbeiten mit Pelotten ist nur ein schlechter Notbehelf. Das Ideal wären schützende Handschuhe von der Dicke der chirurgischen Gummihandschuhe, die bis- lang noch fehlen.

Versäumen soll man auch nicht eine Durchleuchtung nach Entleerung des Kon- trastkotes; in Divertikeln, Geschwüren oder vor Stenosen erscheinen dann oft deutlich noch Kontrastmassenreste.

Ob man im Stehen oder im Liegen untersucht, ist bei dieser Methode ziemlich gleich-

gültig. B. Der Kontrasteinlauf.

Das Kardinalverfahren für die Röntgenuntersuchung des Dickdarmes ist der erst- malig von Hildebrand im Jahre 1901 angewandte Kontrasteinlauf mit einer Schwer- metallsalzaufschwemmung geworden. Nach Hildebrand, Schüle, Rieder hat sich aber ganz besonders Hänisch um die Ausgestaltung dieser Methode verdient gemacht, seit seiner bereits erwähnten Arbeit aus dem Jahre 1911 sind neue Gesichtspunkte nicht mehr veröffentlicht worden.

Wir verwenden die bekannte Mischung Barium sulf. 200 g, Bolus alba 2 EBlöffel auf 1000 cem Wasser. Schlesinger empfiehlt Mundamin als Zusatz, Mondamin sull das Schwer- metallsalz ausgezeichnet in Suspension halten und so eine S:dimentierung verhindern. Ein Pulver aus Barium sulf. 150,0 mit Mondamin 25,0 wird mit kaltem Wasser zu einer Paste an- gerührt, dann in je 1 Wasser aufgekocht. Durch Zusatz von kaltem Wasser wird das Ganze bis zu einer Menge von 1!/, l verdünnt.

Rezept Kaecstle: Bism. carbonat. 75 g (od. Barium sulfurie.), 250 g Bolus alba, 1000 g Wasser.

Rezept Schwarz: Barium sulf. purissimi (für Röntgenzwecke) 150 g, Stärke 25 g, M. f.

6 A. W. Fischer

pulvis. Dies Pulver mit etwas kaltem Wasser zu einer Paste anrühren, dann in ?/, 1 Wasser aufkochen; nach dem Aufkochen durch kaltes Wasser auf 1!/,l verdünnen. Diese Masse hat die Konsistenz dünnen Rahnıes.

Neuerdings bevorzugt Schwarz das Zitobarium wegen seiner schleimigen Konsistenz. 3 EBßlöffel werden dick angerührt, mit 1'/, | Wasser verdünnt und 4 gehäufte EBlöffel Barium- sulfat zugesetzt. Wismut wird seines höheren Preises wegen kaum noch verwandt..

Über die neue Masse von Rendich zur Darstellung der Mukosa, die sicher auch gut für Einlaufzwecke brauchbar ist, fehlt mir noch genügende Erfahrung. Gummi arabic. in Pulver- form wird mit der gleichen Wassermenge 5 Minuten gut umgerührt, dann einige Zeit stehen- gelassen; nach kurzer Zeit ist die Lösung.:klar. Jetzt wird dieser „special mucilage“ mit der gleichen Menge Bism. subcarb. vermischt.

Zur Technik sei noch bemerkt, daß man sorgfältig jede Verklumpung der Einlauf- masse vermeiden muß, sonst hat man mit Verstopfungen des Irrigatorschlauches dauernd zu kämpfen. Ein weiterer sehr häufig zu rügender Fehler des Pflegepersonals ist das zu weite Hineinschieben des weichen Darmrohres in das Rektum. Das Rohr knickt sich dabei um und läßt dann die Flüssigkeit nicht passieren (Schüle). Unerläßlich ist eine sorgfältige Reinigung des Dickdarmes vor der Applikation des Kontrasteinlaufes, man erzielt diese Säuberung am besten durch Verflüssigung des Stuhles durch Ol.-ricini-Gaben (bzw. Sennes- blättertee u.a. m.) am Vortage und doppelten Reinigungseinlauf. Schwarz vermeidet es, das Reinigungsklysma kurz vor der Untersuchung zu verabfolgen, um den Darın nicht zu reizen und um nicht durch Spasmen gestört zu sein. Er empfiehlt weiter die Darreichung von Barium per os als Gegenmittel gegen störende Blähungen.

Abb. 1. Ampulla Abb. 2. Ventil-

recti und Beginn verschluß am Colon I rt,

der Sigmaschlinge _pelvinum bei star- Wir beobachten fortlaufend das Eindringen

bei geringer Füllung ker Füllung dr der Flüssigkeit in den Darm und seine Entfal- per clysma. Ampulle. tung und sehen in dieser Beobachtung auf dem

Schirme das Wesentliche dieser Methode. Da- mit soll aber nicht gesagt sein, daß die Aufnahmen unnötig und überflüssig seien, wir brauchen sie notwendig, um wichtige Punkte festzuhalten und nicht ganz klar zu überschauende Partien besonders bei korpulenten Leuten besser sichtbar auf die Platte zu bannen. In der Literatur sind zeitweise 2? Parteien hervorgetreten. die eine legte allein Wert auf die Schirmdurchleuchtung, die andere erkannte nur die Serienaufnahnıen an. Beide haben in dieser krassen Form unrecht, und heute wird wohl allgemein ein mittlerer Standpunkt vertreten, der eine eingehende Durchleuch- tung mit Aufnahmen wichtiger Situationen kombiniert. Es liegen hier die gleichen Verhältnisse vor wie in der Magen-Duodenumdiagnostik: Auch dort kann man nur auf Grund einer Platte nicht urteilen, wenn man nicht auch durchleuchtet hat, sonst setzt man sich zahlreichen Täuschungsmöglichkeiten aus.

Beim Einlauf entfaltet sich immer zuerst die Ampulle, oft meldet sich schon heftiger Stuhldrang, bevor auch nur ein Tropfen der Flüssigkeit in das Sigma gelangt ist. Zweck- mäßig läßt man in diesem Augenblick die Spülkanne senken und kann dann meist ein plötzliches Vorschießen der Kontrastmasse in die Sigmaschlinge beobachten. Gerade durch die Druckverminderung löst sich der zum "Teil wohl durch Spasmen verstärkte Ventilverschluß zwischen Rektumampulle und Colon pelvinum (Abb. 1 u. 2). Leider füllt sich das Sigma meist allzu rasch, als daß man die Einzelheiten des Füllungsvorganges

Kontrasteinlauf 7

gut erkennen könnte. Um diese so wichtige, oft verdächtige Schlinge besser überblicken zu können, hat Haenisch vorgeschlagen, die Flüssigkeit durch tiefes Senken des Irri- gators wieder herauszuhebern und dann ein zweites oder auch drittes Mal wieder ein- fließen zu lassen. Leider ist ein derartiges Hin- und Herfließenlassen nicht immer durch- führbar, da Ventilverschlüsse durch Zusammenklappen der weichen Darmwandung beim Absinken des Innendruckes störend wirken. Mit der Schwierigkeit, daß die sich überlagernden Dickdarmschlingen schlecht zu übersehen sind, haben wir auch an der rechten und linken Flexur zu beiden Enden des Querkolon zu kämpfen. Die Flexura lienalis läßt sich meist noch besser übersehen als die Flexura hepatica. Vielfach nützt hier eine Durchleuchtung im schrägen Durchmesser. Die schon im vorigen Absatz er- wähnte manuelle Palpation wird hier oft entscheidend den Röntgenbefund klären können, bei der Untersuchung des Sigma läßt sie uns häufig im Stich, wenn die Schlingen un- erreichbar tief im kleinen Becken liegen.

Gewöhnlich nimmt die Geschwindigkeit der vordringenden Flüssigkeit allmählich ab, und recht oft ist es notwendig, einige Kunstgriffe anzuwenden, um eine gute Aus- füllung des Coecum-Ascendens zu erhalten. Einen gewissen Anhalt dafür, ob das Ende der Schattensäule wirklich das Coekum bedeutet, bekommt man neben der Beobachtung der Form aus der Lagebeziehung zum Becken- kamm und zur Linea innominata. Das normale Coekum reicht immer bis zum Rande des kleinen Beckens hinunter, endigt oft sogar noch tiefer. Sehen wir eine Endigung oben an der Leber- pforte oder in Höhe des Beckenkammes, so müssen wir zuerst versuchen, durch Lagerung auf die rechte Seite, leichte Massage des Bauches von links nach rechts oder durch Erhöhung des Einlaufdruckes die Entfaltung dieses Dick- Abb. 3. Tamponschlauch für Fälle von darmabschnittes zu erreichen. Auch in Fällen, Insuffizienz des M. sphincter ani nach die sich später als normal erwiesen haben, sah Schwarz. ich eine völlige Füllung des Coecum-Ascendens ausgeblieben, alle Kunstgriffe, die ich oben erwähnte, waren vergeblich, und wenn ich die Einlaufmenge vergrößern wollte, kam es zur Insuffizienz des Afterschließmuskels. Mangelnde Muskelkraft der Analsphinkteren erschwert recht häufig die Irrigo-Röntge- noskopie, kann sie sogar nahezu unmöglich machen, wenn gleich neben dem Darmrohre die Flüssigkeit wieder aus der Ampulle herausläuft und den Untersuchungstisch über- schwemmt. Schwarz hat diese recht unangenehme Störung durch seinen in Abb. 3 wiedergegebenen Tamponschlauch zu vermeiden gesucht. Der Tampon soll stöpsel- artig den After verschließen. Die Schlußfähigkeit der Bauhinschen Klappe muß bei dieser Untersuchung natürlich auch registriert werden. Gelegentlich ist eine Irrigoskopie auch bei Bestehen einer Dickdarmfistel oder eines doppelläufigen Anus praeter naturalis notwendig. In solchen Fällen stopfe man eine Mullbinde in die Fistel, lege einen Papp- deckel auf die Öffnung und wickle ihn mit einer zirkulären Bindentour um den Bauch fest an.

Stierlin legt großen Wert auf die Durchleuchtung bzw. Aufnahme nach teilweiser Entleerung der Kontrastflüssigkeit auf dem Abort. Diese Untersuchung soll den Wert einer funktionellen Prüfung haben, da die Verteilung der Restflüssigkeit nach der De- fäkation Rückschlüsse auf die Inhaltsverschiebung während des Defäkationsaktes zu- läßt. So wird nach dem Stuhlgang ein hypermotiler Abschnitt sicher mehr oder weniger leer gefunden. Auch werden sich Reste oberhalb einer Verengerung ansammeln, während

8 A. W. Fischer

die Inhaltsmasse. unterhalb per anum entleert wurde; wichtig ist auch der Nachweis feiner Kontrastrückstände in Unebenheiten der Mukosa, die bei voller Füllung nicht zum Ausdruck kommen können.

C. Die Kombination von Kontrastbreipassage und Kontrasteinlauf.

Diese Untersuchungsart verdient wohl kaum die Bezeichnung einer besonderen Methode. Sie wird mit Vorteil vielfach angewandt, namentlich wenn es sich darum han- delt, bei stockendem Vorrücken der Breimahlzeit durch einen Einlauf die untere Grenze einer Stenose festzustellen. Stierlin redet dieser Kombination besonders für den Nach- weis kleiner stenosierender Krebse das Wort. Mit der Applikation des Einlaufes wartet man vorteilhaft einige Tage, um dem Kontrastsalz Zeit zur allmählich fort- schreitenden Umhüllung der vor der Stenose liegenden alten Kotmassen zu lassen. Man erhält sonst leicht falsche Bilder, auf denen die Verengerung Schatten- ausfall einen zu großen Abschnitt einnimmt.

D Die künstliche Luftaufblähung des Dickdarmes.

Die palpatorische Untersuchung des Darmes nach Aufblähung mit Luft ist sehr alt, sie wurde meist angewandt, wenn es sich um die Lokalisation eines Bauchtumors mit unbekanntem Ausgang handelte. Ergab z. B. die Diekdarmaufblähung ein Verschwinden des Tumors, so sprach das gegen einen Sitz des Tumors im Darm usw. Schon lange vor Einführung der Schwermetallsalze als Kontrastmittel durch Rieder hatte man sich mit der Untersuchung des luftgefüllten Magens und Darmes vor dem Röntgenschirme be- schäftigt. Bedeutet doch auch die Luftfüllung eine Kontrastfüllung, nur nach der Seite größerer Strahlendurchlässigkeit im Gegensatz zu den strahlenundurchlässigen Schwer- metallsalzen. Während man den Magen zuerst durch einen Magenschlauch oder durch Einnehmenlassen einer kohlensäureentwickelnden Mischung (Natr. bicarb. + Natr. tart.) mit Gas füllte, blies man in den Darm per anum entweder Sauerstoff (Kraus) oder Luft ein. Diese Methoden sind aber nicht Allgemeingut geworden, sie blieben im Versuchsstadium stehen, zum Teil sicher zu Unrecht. Das Ziel, was diese Arbeiten ver- folgten, war auch nicht einheitlich, die einen suchten auf diese Weise die intraabdomi- nalen Drüsen (Leber, Gallenblase, Milz, Pankreas) darzustellen, die anderen erhofften von der Gasfüllung eine Verbesserung der speziellen Dickdarmdiagnostik. Cole und Einhorn sind meines Wissens die ersten, die systematische Untersuchungen in der letztgenannten Richtung anstellten. Mittels eines gewöhnlichen Gummiballons bliesen sie etwa 800—1200 cem Luft ein, machten dann sofort eine Aufnahme und rieten die Platten mit dem Fernglas aus einigen Metern Entfernung zu betrachten, da man so besser Einzelheiten erkennen könne. Sie halten die Methode für sehr geeignet, um die Größe, Form und Lage der einzelnen Verdauungsorgane und etwaige Tumoren zu er- kennen; sie schließen, wenn die Methode auch nicht die bewährte Kontrastbreipassage und den Kontrasteinlauf verdrängen könne, so sei sie doch berufen, eine wichtige Er- gänzung dazu zu bilden. Leider sind die der Arbeit beigegebenen Bilder nicht sehr kontrastreich, so daß nur wenige Röntgenologen ermuntert wurden, diese Methode aus- zuprobieren. Diagnostische Analysen ihrer Befunde geben die Verfasser in ihrer Arbeit nicht. Ein Jahr später befaßt sich Kraus mit dem gleichen Gebiet, auch er rühmt dieser Technik ganz besondere Vorzüge nach, verwandte aber statt der Luft den angeblich zweckmäßigeren Sauerstoff. Die Sauerstoffüllung gibt nach Kraus schöne und gleich- mäßige Bilder des gesamten Dickdarnes, der dabei nicht allzu stark gedehnt sein soll. Der Sauerstoff wird einer der bekannten Bomben entnommen, die Füllung ist beendet,

Kontrasteinlauf und Luftblähung 9

wenn durch vollen tympanitischen Schall der Verlauf des Dickdarmes festzustellen ist. Die Untersuchungen werden am stehenden Patienten ausgeführt. Die Gefahr des Platzens einer geschwürigen Stelle läßt sich bei einiger Vorsicht sicher vermeiden. Besser als die Bilder von Cole und Einhorn sind die Röntgenogramme von Kraus sicher. doch läßt sich auch hier kein guter Überblick über Sigma und Colon pelvinum gewinnen. Recht klar erscheinen die Abbildungen über Lageänderungen des Darmes, schlecht ver- ständlich ist das Bild eines Flexurkarzinoms.

In Burkhard-Nürnberg hat Kraus einen Nachprüfer gefunden, der sich aber auch sehr vorsichtig über den Wert der Bilder äußert, er hat einige recht gute Bilder ver- öffentlicht, die aber nur das Coecum mobile betreffen.

Auch Schwarz-Wien hat offenbar dies Verfahren versucht, ihm jedoch keinen beson- deren Wert beigemessen.

In den folgenden Jahren hat sich kein neuer Verfechter der reinen Luft- bzw. Sauerstoffüllung als Kontrastmittel gefunden. Die Arbeiten von Meyer-Betz, Schittenhelm, später von Henczelmann haben zum Ziel lediglich die uns hier nicht interessierende Sichtbarmachung der großen Bauchdrüsen.

E. Die Kombination von Kontrast- breipassage und Luftblähung.

Laurell-Upsala hat im Jahre 1921 dies Verfahren mitgeteilt, er insuffliert Luft, sobald die Kontrastmahlzeit den Dickdarm erreicht a... Kragen eg Abb. 4. Künstliche Luftfüllung des Darmes

? in Verbindung mit Kontrastmahlzeit nach ist, also im Coecum-Ascendens und proximalen Laurell. Aus Acta rad. I. S. 490. Transversum, Bilder, die denen im nächsten Absatz zu besprechenden sehr ähneln (Abb. 4). Dies Verfahren hat einen Vorläufer in Rum pels Versuchen gehabt, der schon vor 25 Jahren reichlich Bismutum subnitricum per os gab und dann rektal den Darm aufblähte.

F. Die Kombination von Kontrasteinlauf und Luftblähung.

Diese von A. W. Fischer angegebene und ausgearbeitete Technik hat zum Ziel, durch einen Einlauf die Mukosa mit einem feinen Kontrastbeschlag eines Schwer- metallsalzes zu versehen und dann durch Lufteinblasung zu entfalten. Stets soll man die Untersuchung mit der Beobachtung des regulären Kontrasteinlaufes auf dem Trochoskop beginnen und dann erst die Luftfüllung per anum anschließen.

Mindestens ebenso wie beim Kontrasteinlauf muß hier eine sorgfältige Vorbereitung, d.h. Reinigung des Dickdarmes der Untersuchung vorausgehen. Feste Kotballen können zu unangenehmen Täuschungen Veranlassung geben. Die Skybala imprägnieren sich an ihrer Oberfläche mit dem Schwermetallsalz und im Luftfeld erscheinen dann Bilder, die sehr Tumoren ähneln können. Immerhin gelingt es oft, wenn die Zeit bei ambulanten Patienten knapp ist, mit einem kurz vor der Untersuchung gegebenen Seifenwasser- reinigungseinlauf auszukommen.

10 A. W. Fischer

Die Luft wird mittels eines einfachen Gebläses unter Zwischenschaltung eines dreh- baren Hahnes durch ein kurzes stumpfes Glasrohr in den Darm eingeblasen. Der Hahn wird geschlossen, das Rohr eingeführt, der Ball aufgeblasen, der Hahn ge- öffnet und nach Entleerung des Balles sofort wieder ge- schlossen, um einen Rückfluß des Einlaufes in das Gebläse zu verhindern. Als Normalposition möchte ich die rechte EEN, Seitenlage bei horizontalem Strahlengang bezeichnen, das er Gesicht des zu Untersuchenden soll dabei dem Arzte zu- Abb. 5. Doppelgebläse mit gekehrt sein. Ist der Dickdarm bereits mit 11 Bariumeinlauf zwischengeschaltetem Hahn angefüllt, so wird das Einblasen von 11 Luft noch ohne a a für die Beschwerden in den meisten Fällen ertragen. Es ist keines-

BEE DEE EE es notwendig, prinzipiell den Darm zu entleeren, bevor man Luft einbläst. Ebenso wie beim Kontrasteinlauf soll hier

das Vordringen der Luft beabachtet werden. Gut sichtbar als helleuchtender Fleck gleitet die Luft nach Dehnung der Ampulle durch das Sigma und läßt allmählich den Verlauf der sich hier meist überlagernden Schlingen erkennen. Flüssigkeitsspiegel werden erkenn- bar, über denen sich eine helleuchtende Luftblase entwickelt, bei jedem Druck auf den Gummiball sicht man die einzelnen Niveaus sich heben und senken, sieht die Flüssig- keit beim Durchperlen der Luft aufbrodeln. Gar so einfach ist übrigens auch bei dieser Methode nicht die Übersicht über die ganze Sigmaschlinge zu erzielen; wie überall ge- hört auch einige Vertrautheit mit den ungewohnten Bildern der Methode dazu, den

DN "meer" MITTTTII IH ` tt Znsseeegt

ÅT > 7 _ Abb. 6. Verteilung von Luft und Flüssigkeit Abb. 7. Verteilung von Luft und Flüssigkeit in linker Seitenlage. in rechter Seitenlage.

Verlauf richtig zu deuten. Das Einblasen der Luft soll langsam mit Pausen geschehen, vermieden werden muß plötzlich einsetzende stärkere Druckerhöhung genau wie beim Ein- fließenlassen der Kontrastflüssigkeit, da sonst sich beim Patienten starker Stuhldrang meldet, der bei Undichtwerden des Schließmuskels die ganze Untersuchung erheblich stören kann. Besonders schön erscheint regelmäßig das Descendens und bei linker Seiten- lage das Coecum-Ascendens, schwieriger zu übersehen ist schon das Transversum. Meist legt sich sein rechter Abschnitt dem Auftrieb folgend dem Aszendens bei linker Seiten- lage an (Abb. 6), der linke Teil bei rechter Seitenlage dem Descendens (Abb. 7). Von großer Wichtigkeit ist es, mehrfach die Lage wechseln zu lassen, desgleichen empfehlens- wert, den Patienten das Gesicht stets dem Arzt zuwenden zu lassen, da in dieser Lage stets der Darm dem Leuchtschirm am nächsten liegt. Die Darmlage beim stehenden Patienten ist auf Abb. 8 schematisch wiedergegeben. Das Transversum legt sich im rechten Teile der Leberunterfläche an, folgt dann der großen Kurvatur des Magens bis zum Zwerchfell. Auch in der Längsachse drehe man den Patienten hin und her, aus der

dann eintretenden gegenseitigen Verschiebung sich überlagernder Darmabschnitte muß man seine Schlüsse ziehen.

Kontrasteinlauf und Luftblähung 11

Bei Rückenlage und senkrechtem Strahlenverlauf können wir bei dieser Methode keine klaren Bilder erwarten, die Güte der Bilder hängt davon ab, daß die Flüssigkeits- spiegel sich scharf abzeichnen, und das kann nur bei horizontalem Strahlengang mög- lich sein (Abb. 9).

Im allgemeinen soll man durch geeignete Lagerung die Flüssigkeit und Luft in dem gerade zu untersuchenden Darmabschnitt in ein Verhältnis von 1:5 bringen. Das gelingt meist ohne Ablassen der Flüssigkeit, da die Flüssigkeit immer sich sofort in den tiefergelegenen Schlingen sammelt, während die Luft in die hochgelegenen Abschnitte steigt. Nur für die Sigmaschlinge, manchmal auch für das Transversum ergeben sich Schwierigkeiten, insofern es schlecht gelingt, diese Schlinge durch Lage- rung von der Kontrastflüssigkeit zu befreien. Dann muß eben durch Defäkation der Inhalt entleert werden.

Irgendwelche Gefahren sind bei dieser Untersuchungstechnik kaum zu befürchten, sie kann im Gegensatz zum Pneumoperitoneum ambulant durchgeführt werden. Selbst- verständlich wird man bei schweren kolitischen Prozessen mit der Luftblähung vor- sichtig sein und den Druck niedrighalten. Die subjektiven Beschwerden bei der

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Abb. 9. Nur bei horizontalen Strahlengang

gibt der Flüssigkeitsspiegel eine scharfe Kontur

A auf der Platte, bei senkrechtem Strahlengang

verschleiert er das Darmluftfeld. Der dicke

Abb. 8. Verteilung von Luft und Flüssigkeit schwarze Strich entspricht der Platte, der Pfeil im Stehen. entspricht der Strahlenrichtung.

Untersuchung bestehen in Blähungsgefühl, das schmerzhaft wird, wenn starker Stuhl- drang eintritt.

Vor Aufnahmen soll man den Patienten am besten um seine Längsachse etwas hin und her schütteln oder auch ganz herum drehen, um eine völlige Benetzung der Mukosa mit der Bariumflüssigkeit und damit auf dem Bilde scharfe Konturen zu erhalten.

G. Das Pneumoperitoneum.

Die bekannte Gasfüllung der Bauchhöhle ist für die spezielle Dickdarmdiagnostik nicht von allzu hohem Werte, immerhin kann sie von Nutzen sein, besonders wenn man ihr die Gasfüllung des Darmes zufügt (Goetze im Lehrbuch Groedel).

II. Diagnostische Elemente des Diekdarmröntgenbildes.

A. Der Verlauf des Diekdarmes.

Das Röntgenbild soll uns zuerst über die allgemeine Lage des Dickdarmes, über seinen Verlauf speziell an seinen Windungspunkten unterrichten. Bei der Kontrast- breipassage gelingt es meist nicht, bereits durch eine Untersuchung einen völligen Über-

12 A. W. Fischer

blick über den gesamten Darm zu erhalten, gewöhnlich ist dazu eine Reihe von Durch- leuchtungen erforderlich. Nur wenn man eine Doppelmahlzeit verabreicht hat, erzielt man häufiger ein restloses Übersichtsbild.

Von den Miß- bzw. Hemmungsbildungen des Dickdarmes soll hier abgesehen werden, sie sind zumeist ohne Schwierigkeiten zu deuten. Wichtig ist die Kenntnis der großen Variationsbreite im Verlauf der einzelnen Schlingen bei Untersuchungen an verschie- denen Tagen. Weitgehende Unterschiede sind durch die verschiedenen Kontraktions- zustände der Darmlängsmuskulatur bedingt. Dabei lassen sich grobe Verschiebungen des Darmes stets leicht deuten. Zur Erläuterung verweise ich auf das Bild eines durch einen sehr großen Senkungsabszeß nach oben verdrängten Coecum-Ascendens (Abb. 39).

Zweifellos gibt der Kontrasteinlauf uns einen wesentlich rascheren Aufschluß über die Form und Lage des Darmes, nicht leicht zu klärende Punkte bleiben hier aber ebenso wie bei der Kontrastmahlzeit die 3 Flexuren, von denen wiederum die Sigmabiegung uns die größten Schwierigkeiten verursacht. Könnte man die Flüssigkeit beliebig lang- sam diese Schlinge entfalten lassen, so würde man unschwer einen sicheren Überblick über den Verlauf gewinnen, leider schießt sie aber regelmäßig mit großer Geschwindig- HEEN keit in diesen Darmteil und durcheilt ihn rasch,

I | | auch wenn man sofort bei Beginn der Füllung den Irrigator senken läßt. Das hat seinen Grund in dem schon oben erwähnten Ventilverschluß u emm kel zwischen der Rektalampulle und dem Sigma. der plötzlich überwunden wird, und so ist ver- Be w eege kenge ständlich, daß in dem gleichen Augenblick, in dem sich diese Abknickung öffnet, die unter Druck stehende Flüssigkeit sich rasch in die

Abb. 10. Dreifache Konturierung des Sigmaschlinge entleert. Ein gutes Hilfsmittel Coekum in Quer- und Längsschnitt. für die Erkennung des Schlingenverlaufs ist die Palpation, die aber dann versagen muß, wenn die Sigmaschlinge im kleinen Becken liegt und sich nicht durch den Druck der ein- laufenden Flüssigkeit, einem wasserdurchströmtem Schlauch vergleichbar, aus ihrem Schlupfwinkel aufbäumt. Zuweilen kann man durch Beckenhochlagerung ein Heraus- gleiten der Sigmaschlinge aus dem kleinen Becken bewirken. Die anderen beiden Flexuren zu beiden Seiten des Transversum sind leichter in ihrem Verlauf zu deuten. Beim stehenden Patienten oder auch im Liegen drehe man den Körper um seine Längsachse, man wird dann meistens einen besonders an der rechten Flexur aus- gesprochenen Verlauf von vorn nach hinten erkennen können. Die Flexura hepatica ist ausgezeichnet der Betastung und so der manuellen Entwirrung zugänglich, während die lineale Biegung unter dem linken Rippenbogen versteckt liegt. Es ist hier aber durch Beobachtung der vordringenden Flüssigkeit ohne weiteres möglich, den sich oft mit dem Descendens überlagernden linken Transversumabschnitt zu differenzieren. Auf Platten ohne Kenntnis des Durchleuchtungsbildes letzteres stets als Pause fest- halten! kann man meist über den Verlauf der Schlingen an den Biegungen überhaupt keine Klarheit gewinnen.

Das allgemeine Bild bei der Luftfüllung des Darnıes ist prinzipiell anders. Erst ein- mal kann man Schlingen, die sich überlagern, deutlich erkennen, besonders wenn man durch Erzielung des Bariummukosabeschlages das Bild kontrastreicher gemacht hat. Dann sind aber die Verhältnisse durch den Auftrieb der luftgefüllten Darmschlinge im Gegensatz zum Absinken der schweren bariumgefüllten Teile geändert. Der Auftrieb ist keineswegs gering einzuschätzen, er geschieht mit beträchtlicher Kraft: man kann ihn

Deutung der Röntgenbilder 13

sich veranschaulichen, wenn man einen luftgefüllten Fahrradschlauch unter Wasser zu drücken sucht. Die Sigmaschlinge steigt beim stehenden Patienten, diesem Auftrieb folgend, aus dem kleinen Becken heraus und wird so entfaltet, zudem der Palpation zugänglich. Eine vergleichende Beobachtung der Därme in den verschiedenen Körper- lagen und die Bewertung der zu erwartenden und der beobachteten Auftriebslageänderung läßt Schlüsse über normale und pathologische Fixation des Dickdarmes zu.

B. Die Beobachtung der Darmkontur.

Im Verlaufe der systematischen Beurteilung unserer Röntgenbefunde wenden wir uns nun der Kontur zu. Als Voraussetzung dürfen wir wohl annehmen, daß jeder patho- logische Wandprozeß sich auch in einer Veränderung der Konturzeichnung bemerkbar machen muß. Die so überaus wichtige schrittweise Kontrolle der Kontur gelingt nun nicht immer während der Durchleuchtung, bei korpulenten Patienten kann man trotz Anwendung der im übrigen sehr geschätzten Buckyblende oft nicht genügend deutlich die Einzelheiten erkennen. Diese Lücke läßt sich aber leicht durch Aufnahmen aus- füllen, man sollte alle verdächtigen Stellen auf die Platte bannen, dazu sind keineswegs immer große Formate notwendig, wir kommen meist für diese Zwecke mit den Größen 18 x 24cm oder sogar 13 x 18cm aus.

Die Begrenzung des Darmschattenfeldes soll völlig gleichmäßig sein, abgesehen von der sehr wechselnden Haustrierung. Infiltrationen der Wand müssen sich in einer un- regelmäßigen Zeichnung markieren, aber umgekehrt ist nicht der Schluß erlaubt, daß jede einmal gesehene unregelmäßige Kontur mit Sicherheit eine Wandinfiltration anzeigt. Erst wenn wiederholte Untersuchungen stets das gleiche Bild ergeben, dann kann man eine solche Verlaufsdeformität als pathologisch ansehen. Die Konturunregel- mäßigkeit auf einer Platte kann nur der Ausdruck eines ganz vorübergehenden Kon- traktionszustandes sein, man muß also stets nochmals kontrollieren, ehe man einen schwerwiegenden Schluß zieht. Die Täuschungsmöglichkeiten sind bei den durch Kon- trasteinlauf gewonnenen Bildern gering, zahlreich dagegen bei der Kontrastbreipassage. Während die dünne Flüssigkeit des Einlaufs sich der Darmwand anschmiegt, sich mit flüssigem Stuhl leicht mischt und nur zuweilen durch feste Kotpartikel in der Ausbreitung gehemmt wird, ist der Darminhalt bei der Passage knollig und fester. Hier legt sich die Darmwand nicht immer eng um die Skybala, es kann auch ein nichtkontrastsalz- haltiger Fäx sich zwischen Darmwand und die Kontrastmasse legen und so eine unregel- mäßige Füllung, also eine Verzerrung der Kontur vortäuschen.

Durch die Kontrastfüllung werden nun die Darmkonturen zwar ganz außerordent- lich deutlich und scharf dargestellt, man bedenke aber bei der Beurteilung immer, daß man nur einen verschwindenden Bruchteil der barmzirkumferenz sehen kann, nur die Teile, die tangential der zum Auge gelangende Röntgenstrahl berührt. Es be- steht also die Möglichkeit, Wandveränderungen, die sich nicht um die ganze Zirkum- ferenz erstrecken oder die nicht zufällig gerade von dem tangentialen Strahl getroffen werden, zu übersehen. Theoretisch besteht selbstverständlich die Möglichkeit, durch Drehung des Körpers die Tangentenberührungsstelle um den ganzen Darm herum- laufen zu lassen und so jede Konturstelle zu beobachten. Diese Möglichkeit kann man nun aber nicht in die Praxis umsetzen, erstens läßt sich schon der Körper in der Querachse nicht durchstrahlen, wenigstens nicht so, daß man leidlich befriedigende Bilder erhält, und dann verläuft der Dickdarm in derart vielen Wendungen, daß der Körper außer um eine Längs- und Qucrachse noch um zahlreiche schräge Achsen gedreht werden müßte. Man kann nun sicher mit Recht einwenden, daß derart umschriebene Wand-

14 A. W. Fischer

veränderungen extrem selten sind und daß meist diese Veränderungen sich auf einen größeren Bezirk erstrecken, meist wohl zirkulär sind, aber es bleibt die Tatsache be- achtenswert, daß aus einer guten Konturzeichnung bei Füllung des Darmes mit Kontrastsalz nicht mit absoluter Sicherheit ein patholo- gischer Wandprozeß ausgeschlossen werden kann. Meist wird übrigens, auch wenn der Wandprozeß noch nicht zirkulär ist, ein lokaler Spasmus uns aufmerk- sam machen, daß hier eine genauer zu studierende Wandstelle vorliegt.

Bei der einfachen Luftfüllung erscheint die Kontur nicht als deutliche Linie, sie ist recht verschwonımen, kombiniert man dagegen nach Fischer die Luftfüllung mit einer Benetzung der Mukosa mit dem Bariumsalz, dann erhält man saubere, scharf gezogene Kon- turstriche.e. Im übrigen entspricht auch bei dieser Methode die Kontur nur dem tangential getroffenen Darmwandabschnitt. Ein Novum ist jedoch die häufig am Coecum-Ascendens be- obachtete dreifache Konturierung, die man ken- nen muß, um sich vor irrtümlichen Verlaufs- deutungen zu schützen; sie kommt dadurch zu- stande, daß bei straffer Tonusspannung der 3 Längsmuskulaturtänien die Haustren sich stark ausbuchten und sich durch Flüssigkeits- reste in den Haustrenvertiefungen eine dritte Kontur ausbildet. Durch die Abb. 10 wird dieser Vorgang wohl besser als durch eine eingehende Erklärung veranschaulicht. Die Luft füllt viel sicherer den ganzen Darm aus als die Flüssig- keit, so müssen schon geringe Abweichungen von der Norm viel eher den Verdacht auf das Bestehen eines pathologischen Wandprozesses er- wecken als bei den kompakten Bariumfüllungen. Zu achten ist auch auf die Art des Konturstriches, er muß gleichmäßig Abb. 11. S-förmig verlaufender Darm mit sauber gezogen erscheinen; ist er un- vielen Sulci. Projektion der Sulei in eine regelmäßig zackig, von verschiedener

zur Pfeilrichtung senkrechte Ebene. Dicke oder ausgesprochen fleckig, so

(Nach A. W. Fischer, Arch. f. Chir. 134.) weist das auf infiltrative oder ulzeröse

Prozesse hin. Voraussetzung ist selbstver-

ständlich sorgfältigste Reinigung des Darmes und Konstanz der Erscheinungen bei mehrfacher Durchleuchtung für die diagnostische Entscheidung.

Die durch die Ringmuskelkontraktionsstellen (Sulci) sich ausbauchenden Wand- abschnitte (Haustren) erkennen wir bei der Bariumfüllung als klares Reliefbild. Bei Luftfüllung dagegen erscheinen die Sulci, die ja tatsächlich einen Kreis darstellen, völlig verschieden je nach der Projektionsrichtung. Die so entstehenden Figuren durchlaufen alle Stadien der Ellipse zwischen den beiden Grenzfällen Strich und Kreis. Kompli- zierte Überlagerungen entstehen, wenn ein stark haustrierter Darm in einer S-förmigen Biegung verläuft (Abb. 11). Die Beobachtung dieser Figuren hat insofern eine Bedeutung, als man durch Verfolgen der Sulci so die Zusammengehörigkeit der Wandkonturen mit Sicherheit feststellen kann. Je nach der Breite der Kontraktionsringe sind auch die Ellipsen verschieden breit. Nicht immer ist die Ringmuskulatur in ihrer ganzen Zir-

Deutung der Röntgenbilder | 15

kumferenz erregt, man sieht also vereinzelt unvollständige elliptische Figuren, erkennt öfter auch kolbige Ausbauchungen in der Mitte der Strichführung. Das gibt dann Bilder, die durchaus verdächtig auf Polypen erscheinen können (Abb. 12). Es handelt sich hier aber, wie ich mehrfach nachprüfen konnte, offenbar nur um Ringmuskelfasern, die

Abo. 13: Schematisches Bild eines teilweise mit Luft,

teilweise mit Bariumaufschwemmung gefüllten Darmes

bei rein seitlicher und bei etwas schräg seitlicher An- sicht mit Bezugslinien.

Abb. 12. Kolbige Ausbuchtung in einer Ringmuskelkontraktionsfurche, die einen Polyp vortäuschen kann.

durch Tänienzug auseinandergezerrt sind. Am aufgeschnittenen Darme konnte man in allen diesen Fällen nichts Pathologisches sehen, auch war bei Füllung exstirpierter ~ Darmstücke nie eine ähnliche Bildung zu sehen. In den Haustren sammeln sich bei der Luft-Bariumfüllung Flüssigkeitsreste an, die wir auch diagnostisch verwenden können. Diese Reste

können sich je nach dem Verlaufe des Darmes als treppen- oder leiterähnliche Bildungen darstellen. Ein schema- tisches Beispiel gibt die Abb. 13. Ist der Darm nicht haustriert, wie das gewöhnlich í I am Descendens der Fall ist, so sieht man einen breiten Helligkeitsstreifen, der Luft entsprechend, und darunter den horizontal verlaufenden Flüssigkeitsspiegel. Die Fließ-

richtung der Flüssigkeiten unterliegt einfachen Gesetzen, Abb. 14. Schema des Standes in Betracht kommt hier meist die Regel vom Gleichstand der Flüssigkeitsspiegel. I. in der Niveaus in kommunizierenden Röhren, unabhängig en an e vom Querschnitt der Röhren. Ist aber ein Schenkel ver- ‚chlossenen U-Rohr nach eg schlossen (Ventil- oder organische Stenose), dann wird die gießen der Flüssigkeit in den Flüssigkeit in diesem Schenkel nicht so hoch steigen wie rechten Schenkel.

in dem offenen Rohre (Abb. 14). In einzelnen Fällen kann

man sich dieses Gesetzes erinnern, besonders wenn vor Stenosen der Darm U-förmige Schlingen bildet (Transversum!) und wir per anum im Stehen Luft einblasen. Leider durchbricht die Dehnungsfähigkeit des Darmes dies Gesetz teilweise.

C. Die Beobachtung des Darmkontrastfeldes.

Bei der Bariumfüllung erscheint das Darmlumenfeld auf der Platte als mehr oder minder helle Fläche. Stärker erfüllte Abschnitte werden ein klareres Weiß ergeben als solche, in denen das Lumen eng ist. Tumoren, die polypös in den Darm vorragen, Fremdkörper, die von der Kontrastflüssigkeit umgeben sind, werden nicht dargestellt. Vor den bei der Sichtbarkeit von Tumoren Füllungsdefekten usw. maßgebenden Verhältnissen soll nachher die Rede sein. Hier sei aber schon darauf hingewiesen, daß jegliche Abweichung von der gleichmäßigen Dichtigkeit registriert werden muß.

16 A. W. Fischer

Die Luftfüllung erlaubt uns ganz im Gegensatz zu der undurchsichtigen Schwer- metallsalzschicht einen klaren Überblick über das Innere des Darmes. Er erscheint plastisch durchsichtig, ähnlich einem dünnwandigen Glasrohr bei entgegenkommendem Licht; der bariumgefüllte Darm dagegen dem Anblick eines Gipsausgusses des Darmes ebenfalls bei entgegenkommendem Licht. Auch bei Luftfüllung ist auf die Schattentiefe, hier also auf den Grad der Schwärzung zu achten. Besonders intensiv wird die Schwär- zung der Platte an den Stellen werden, wo ein Darmteil die gleiche Richtung wie der Röntgenstrahl hat, wo also wenig Körpergewebe, aber viel luftgefüllter Darm durch- leuchtet wird. Eindrucksvoll in dieser Beziehung ist immer das Bild der Flexura hepa- tica, wo der Darm eine Strecke weit dorsoventral verläuft. Inhaltsmassen müssen er- kennbar sein, ihre Zugehörigkeit zum Darme läßt sich dadurch erweisen, daß der den In- halt darstellende Fleck auch bei Drehung stets im Luftfelde verbleibt. Selbst wenn sich Darmschlingen überlagern, wird ihre Beurteilbarkeit dadurch nicht gestört, im Gegen- teil erhöht, weil die größeren Luftfelder ein klares Bild geben.

D. Beobachtung der Dehnungsfähigkeit des Darmes.

Ist die Darmwand starr und unnachgiebig geworden, so wird an diesem Orte der Darnı vermindert dehnungsfähig erscheinen. Dies wichtige diagnostische Element kommt hauptsächlich bei der Luftfüllung des Darmes in Betracht. Wir können ohne wesentliche Beschwerden für den Kranken Luftmengen einblasen, die größer sind als die ertragbaren Flüssigkeitsmengen. Subjektiv empfinden die Patienten dabei eine Völlegefühl; wenn man beim Einblasen aber langsam vorgeht, wird man nicht durch Klagen des Kranken veranlaßt werden, die Untersuchung aufzugeben. Treten Schmerzen auf, so achte man auf ihre Lokalisation und auf die Art des Schmerzes, es lassen sich so oft wichtige Anhaltspunkte gewinnen. Will man das Bild des etwas überdehnten Darmes beurteilen, so muß man sich der physiologischen Weiteunterschiede erinnern. Am weitesten ist das Coecum-Ascendens, von hier nimmt der Umfang dauernd ab bis zur Grenze zwischen Descendens und Sigma, das Sigma zeigt wieder größere Weite, weiter unten entspricht eine engere Stelle dem Übergang in die Ampulla recti. Es lassen sich für diese Umfänge keine bindenden Zahlen aufstellen, die Erfahrung muß entschei- den, ob man die Breite eines Darmabschnittes noch als physiologisch ansehen kann, ob man also in Sonderheit aus dem Bilde die Diagnose einer Darmerweiterung etwa als Zeichen einer tieferen Stenose stellen darf. Oft kann man das Coekum ganz außerordent- lich stark gedehnt sehen, ohne daß daraus der Schluß auf einen krankhaften Prozeß gezogen werden dürfte. Für die Untersuchung ist auch die jeweilige Körpcerlage wich- tig, denn der Auftrieb der Luft muß hier auch als Faktor in Rechnung gestellt werden. Ein luftgefülltes Coecum-Ascendens wird ganz verschiedene Bilder liefern, je nachdem wir in rechter, linker Seitenlage oder im Stehen untersuchen. Am besten wird es sich in linker Seitenlage entfalten, es bildet dann die höchste Stelle, verzerrt wird dagegen seine Form im Stehen erscheinen, da die meiste Luft sich dann an der Leberbiegung an- sammelt, während die proximalen Teile an der Bauhinschen Klappe schlecht gedehnt erscheinen werden (Form der Luftkeule Kienböck). Die Dehnung soll uns über die Elastizität der einzelnen Darmabschnitte unterrichten, eine Beeinträchtigung der Entfaltbarkeit kann sowohl durch infiltrative Wandveränderungen als auch durch peri- kolitische, der Wand anliegende Prozesse, peritoneale Schwielen, Adhäsionsbildungen flächenhafter oder strangförmiger Art bewirkt werden.

Kritik der einzelnen Verfahren 17

IV. Kritik der einzelnen Röntgenverfahren.

Von den soeben geschilderten Methoden kommen für die Diagnose der Darmtumoren und Entzündungen im wesentlichen nur die Kontrastbreipassage, der Kontrasteinlauf und die Kombination von Einlauf und Luftfüllung in Betracht. Die reine Luft- oder Sauerstoffüllung (die Art des Gases spielt im übrigen praktisch keine Rolle) hat sich nicht bewährt, sie gibt keine genügenden Kontraste, die Wandkonturen sind undeut- lich. Schwarz-Wien hält diese Methode nur für eine rasche vorläufige Orientierung über die Lage eines im Abdomen palpablen Gebildes geeignet, zur Darstellung von Form- anomalien sei sie viel weniger brauchbar als der Kontrasteinlauf, einmal wegen der geringeren Deutlichkeit der Bilder, dann weil nebeneinanderliegende und sich über- lagernde Schlingen zu einem schlecht differeuzierbaren Gebilde verschmelzen. Schwarz meint, es gehöre das, was manche Autoren am geblähten Darm als Tumorschatten er- kannt haben wollen, in das Reich der Fantasie. Auch das Pneumoperitoneum wird nur in Ausnahmefällen für die spezielle Dickdarmdiagnostik brauchbar sein. Das Ver- fahren nach Laurell, den Darm aufzublähen, sobald die Kontrastbreimasse den Dick- . darm erreicht hat, mag im Coecum-Ascendens brauchbare Ergebnisse zeitigen, für die tieferen Abschnitte von der Flexura hepatica an ist es sicher nutzlos, da hier der Darm- inhalt bereits geformt ist und das wesentliche Ziel der Kombination, der Mukosakontrast- belag, so nicht mehr erreicht werden kann.

Die Kontrastmahlzeit ist das Kardinalverfahren, wenn es gilt, über die motorische Funktion des Darmes Aufschluß zu erhalten. Stockungen im Vorrücken weisen auf Stenosen hin, aber allein auf Grund solcher Bilder hüte man sich, eine Diagnose zu stellen. Keine andere Methode bietet eine solche Fülle von Täu- schungsmöglichkeiten wie gerade die Breipassage. Es gibt wohl kaum einen Röntge- nologen, der nicht schon zweifelnd vor Platten gestanden hat, auf denen die Kontrast- masse Füllungsdefekte bildete oder sich spornartig in stenotische Pärtien zu erstrecken schien. Trotz vieler Durchleuchtungen wartet man oft vergeblich auf die Darstellung bestimmter Teile des Sigma oder Descendens. Die Unvollkommenheit dieser Methode hat sicher ein gut- Teil zu der unberechtigten Unterschätzung des Röntgenverfahrens für die Erkennung der Darmtumoren beigetragen.

Mit Recht wird wohl am meisten der diagnostische Kontrasteinlauf angewandt, er wird uns in den meisten Fällen Aufschluß über unsere Fragen geben. Krause bemängelt an diesem Verfahren die zu rasche Sedimentierung des Schwer- metallsalzes trotz Zusatzes von Bolus alba, dadurch solle die Einheitlichkeit des Bildes gestört werden, ein Einwand, der von anderer Seite aber nie unterschrieben worden ist. Gerade gegenüber der Passage ist es als ein großer Vorteil zu bezeichnen, daß man rasch den ganzen Dickdarm überblicken kann und nicht auf zahlreiche Einzeldurchleuchtungen zu verschiedenen Zeiten angewiesen ist.

Beide Methoden haben nach A. W. Fischer einen bemerkenswerten Nachteil trotz aller Vorzüge, das ist die Verwendungderstrahlenundurchlässigen Barium- masse als Füllmittel. Wie schon vorhin gezeigt wurde, erscheint so das Darmbild nur immer als Relief, ähnlich dem Anblick eines Gipsausgusses des Darmes gegen eine helleuchtende Fläche. Tumoren, die nicht zirkulär sich ausgebreitet haben, sondern die polypös sich in das Lumen erstrecken, können von der Kontrastmasse völlig aus- gelöscht werden, wenn ihre Basis gerade dem Röntgenstrahl zu- oder abgekehrt ist (Abb. 33ff.). Überlagerungen von Schlingen lassen sich gerade in dem wichtigen Ge- biete der Sigmaschlinge nicht entwirren und dort können selbst große Füllungsdefekte

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 2

18 A. W. Fischer

durch eine andere Schlinge wegradiert werden. Die Kombination der Luftein- blasung mit der Kontrastfüllung bewahrt uns in dieser Beziehung vor Täuschungen, plastisch liegt hier das Lumen des Darmes vor uns und pathologische Veränderungen können uns dabei eigentlich kaum ent- gehen.

Wenn irgend möglich, soll die röntgenologische Untersuchung alle drei eben besprochenen Verfahren umfassen. Zweckmäßig beginnt man mit dem Verfolgen der einlaufenden Kontrastflüssigkeit auf dem Trochoskop, schließt dann die Insufflation von Luft an und durchleuchtet in den verschiedensten Positionen bei horizontalem Strahlengang. Wir halten es in den meisten Fällen für notwendig, auch die Passage am folgenden Tage zu beginnen.

V.Indikation zur Anwendung der Röntgenuntersuchung.

Die Röntgenuntersuchung, die sonst wohl nirgends am Körper eine strikte Gegen- indikation hat, muß auf dem Gebiete des Darmkarzinoms gewisse Einschränkungen in der Anzeigestellung sich gefallen lassen.

Besteht ein kompletter Ileus, so muß selbstverständlich ohne jeden Aufschub ope- riert werden, eine Untersuchung über den Sitz des Hindernisses ist dann nicht angängig. Man wird allein aus den klinischen Symptomen eine ungefähre topische Diagnose stellen müssen, da auch eine Darreichung einer Kontrastmahlzeit selbst in der vorsichtigsten Form als Bariumsulfat-Wasseraufschwemmung an Stelle der kompakteren Breimasse wegen der notwendigen Beobachtungszeit unmöglich ist. Auch mit einem Kontrast- einlauf, der an sich keine Schädigung, wohl aber einen Zeitverlust bedeutet, soll man den Kranken verschonen, wenn die Operation sowieso als Eileingriff klar indiziert ist. Erst recht wird man ihm nicht eine Lufteinblasung und die dabei erforderlichen vielfachen Lagewechsel zumuten.

Wir wissen, daß beim tiefen Sitz des Hindernisses infolge der Gasblähung des Ascendens und Descendens sich das Bild der Flankenauftreibung entwickelt, daß beim Dünndarmileus der Sitz der Auftreibung mehr der Mitte des Bauches ent- spricht, wie das die Bilder Nothnagels zeigen (Abb. 15 u. 16). Kloiber hat diese beiden Gruppen von Ileusfällen, die hoch- und tiefsitzenden Diekdarmtumoren ent- sprechen, auch röntgenologisch unterschieden. Er stellt den Patienten rasch vor der Operation vor die Röhre und macht ohne irgendeine Kontrastfüllung, sei es Luft oder ein Schwermetallsalz, eine Aufnahme. Das sich in solchen Fällen infolge von Gärungs- und Verflüssigungsprozessen stets findende Gas sammelt sich überall an den höchsten Stellen an und bewirkt so das Erscheinen von Flüssigkeitsspiegeln. Beim Dünndarm- ileus, wie er bei Stenose an der Valvula ileocoecalis oder nach ihrer Insuffizienz auch bei Stenose der weiter abwärts liegenden Darmabschnitte sich entwickeln kann, findet man verstreut über den ganzen Bauchraum zahlreiche kleine Flüssigkeitsspiegel mit Gas- blasen unter Bevorzugung der Wirbelsäulengegend. Die Gasblasen sind mehr breit als hoch und sind durch glatte Bogenlinien begrenzt, die sehr oft die für Kerkringsche Falten typische Fiederung erkennen lassen. Beim tiefsitzenden Dickdarmileus ist die Begrenzung der Gasblasen nach Kloiber unregelmäßig, sie zeigen haustrale Einker- bungen und bei der Größe der Gasansammlung in dem weiten Dickdarm ist die Auf- hellung des ganzen Bauchfeldes viel intensiver. Die Abb. 17 u. 18 zeigen uns je ein typi- sches Bild von Dünndarm- und Diekdarmileus.

Wir sehen, daß die kompletten Ileusfälle nur in sehr beschränktem Maße der Röntgen-

Indikation zur Röntgenuntersuchung 19

untersuchung unterzogen werden können. Die Wahl des Operationsschnittes ist vom Sitze des Hindernisses kaum abhängig. Es hat sich als zweckmäßig herausgestellt, in

Abb. 15. Äußerer Anblick des Bauches bei Abb. 16. AÄußerer Anblick des Bauches bei tiefer Stenose (Flex. lienalis) nach Nothnagel Dünndarmstenose (Coekalklappe) nach Noth- (Tafel IX). nagel (Tafel XI).

solchen Situationen das Abdomen unterhalb des Nabels in der Mittellinie zu eröffnen, weil von dort aus sich am besten jede Stelle des Darmes palpieren läßt. Also entfällt auch in diesem Sinne eine Indikation zur Röntgeninspektion.

Abb. 17. Aufnahme eines tiefen Diekdarmileus Abb. 18. Aufnahme eines hohen Dickdarmileus nach Kloiber. (Ileocoekalklappe) nach Kloiber. ST

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20 A. W. Fischer

Aber auch jene Fälle, die noch keinen manifesten Ileus haben, aber doch mehr oder minder ausgeprägte Stenosesymptome, können nicht ohne Einschränkung röntgenolo- gisch untersucht werden. Hat die Stenosierung einmal höhere Grade: tagelange Stuhl- verhaltungen und Attacken von Subileus mit Erbrechen erreicht, so wird man von der Darreichung einer Kontrastmahlzeit Abstand nehmen müssen. Denn die Erfahrung hat gezeigt, daß sich das Kontrastsalz häufig mit den übrigen Nahrungsbestandteilen zu steinharten Ballen formt. Diese Skybala können ventilstöpselartig eine noch in- komplette Stenose in eine vollständige verwandeln. Wir kennen derartige Verhältnisse aus der Pathologie, wo Obstkerne diese Rolle gespielt haben. Jeder Röntgenarzt hat Fälle gesehen, wo bei sonst gesunden Leuten der Kontrastbrei sich zu derart harten Brocken dicht vor dem Anus verdichtet hatte, daß eine digitale Ausräumung notwendig wurde. Wenn man sich mit dem Trinkenlassen der einfachen Barium-Wasserauf- schwemmung begnügt, kommen derart unangenehme Ereignisse seltener vor. Ich habe diese Methode vielfach angewandt und kann nur sagen, daß sie in derselben Weise die Untersuchung ermöglicht wie die Originalmahlzeit. Regeln über diejenigen Fälle aufzustellen, in denen eine Kontrastpassage noch erlaubt ist, ist schlecht möglich, wieder- um entscheidet hier wie so oft die persönliche Erfahrung. Sicher ist es jedoch ungerecht- fertigt, wollte man bei jeder Stenose kurzerhand eine Kontrastbreipassage als zu ge- fährlich ablehnen.

Die Schwierigkeiten der Diagnostik liegen aber nicht bei jenen Fällen von Ileus oder von Stenosen manifesten Grades. Diese Fälle wird man ohne viel Mühe klinisch klären können. Jene große Gruppe der Verdachtsfälle ist es, die inten- sivste diagnostische Arbeit verlangt. Jene Typen von Patienten in vorgerücktem Alter, die über allerhand unbestimmte Sensationen im Bauche klagen, die eine leichte Konstipation aufweisen, die auf starke Darmgeräusche aufmerksam machen, die manchmal angeblich Blut- und Schleimabgang bemerkt haben usw., kurz Leute, die nach der Art ihrer Beschwerden ein beginnendes Darmkarzinom haben könnten, die bilden das Grosunserer Untersuchungen. In diesen Fällen sehen wir oft auch undeutliche, tageweis wechselnde Resistenzen, Gewichtsabnahme u. a. m.

Es liegt in der Natur der Sache, daß die Mehrzahl dieser Unter- suchungen negativ ausfallen wird, und da der Röntgenologe sich ver- ständlicherweise über schöne positive Bilder am meisten freut, unter- schätzt er vielleicht den hohen Wert einer beweisend negativen Unter- suchung. Meist sind die klinischen sonstigen Methoden bereits erschöpft, ohne daß eine sichere Klärung zu erzielen gewesen ist, und von der Röntgenuntersuchung hängt es dann ab, ob die Indikation zum ultimum refugium, zur diagnostischen Laparotomie gestellt werden soll oder nicht.

Dem Röntgenarzte ist hier eine sehr große Verantwortung in die Hand gegeben, größer wohl als in irgendeinem anderen Gebiete der Röntgenologie mit Ausnahme der Magendiagnostik. Er wird seine Entscheidung nicht ganz allein von dem Röntgen- befund abhängig machen können, sondern wird stets auch die klinischen Sym- ptome gebührend beachten müssen. Der Entschluß ist aber meist in seine Hand ge- legt: Wenn er das Bestehen eines Tumors mit an Sicherheit grenzender Wahrschein- lichkeit ablehnt, wird auch der Chirurg sich nicht zu einem Eingriff entschließen. Die jetzige Durchbildung unserer Methoden läßt die Zahl der Fälle immer geringer werden, wo auch durch das Röntgenverfahren eine einwand- freie Klärung solcher Verdachtsfälle nicht zu erreichen ist.

Statistik 21

VI. Klinisch-Statistisches über Darmtumoren.

Das Kolonkarzinom befällt im allgemeinen ein etwas niedrigeres Lebensalter als das Rektumkarzinom. Auffällig häufig sind jüngere Individuen vom Krebse des auf- steigenden Dickdarmes ergriffen. Im allgemeinen kann man sagen, daß der Darmkrebs meist das 4. Jahrzehnt, das Rektumkarzinom das 5. Jahrzehnt bevorzugt. Der Röntgen- arzt soll aber keinesfalls das Alter des Patienten zu weitgehend in seinen diagnostischen Erwägungen verwerten und etwa aus dem jugendlichen Alter einen Tumorbefund im entzündlich-tuberkulösen Sinne deuten. Wir sahen kürzlich zwei bedauerliche Fälle von Karzinom, die mit der Diagnose Tuberkulose des Coekum unter der Hand des Arztes inoperabel wurden. Die Fehldiagnose war in erster Linie durch die falsche Altersbewer- tung zustande gekommen.

Sammelstatistiken über die malignen Tumoren des Magen-Darmkanals zeigen in etwa 21%, den Magen, in 0,1%, den Dünndarm, nur in 1,1 % den Dickdarm und in 6 % das Rektum betroffen (Zahlen aus Hb. prakt. Chir. Kausch). Das Kolon selbst ist keines- wegs in seinen einzelnen Abschnitten in gleicher Häufigkeit von Tumor befallen, be- sonders bevorzugt sind die Stellen, die am meisten mechanischen Schädigungen aus- gesetzt sind, die Flexuren, die physiologisch engen Stellen am Colon pelvinum und Des- cendensfußpunkt, die Bauhinsche Klappe und das durch den langen Kotaufenthalt chemischen Reizen stark ausgesetzte Coecum-Ascendens. Unter Zugrundelegung der Statistiken von Anschütz und Körte ergeben sich folgende Zahlen (377 Fälle):

Coecum-Ascendens, Flexura hepatica. . . .... 32,6% Transversum . .. a. a ee a ee 9,5% Flexura lienalis, Descendens . . . . 22.2.2... 14,1% DIE. ie. as Sa MS a ee det 43,8%

Unser eigenes, aus der Frankfurter chirurgischen Klinik stammendes Material um- faßt 72 Karzinomfälle. Bezüglich des relativen Beteiligung der einzelnen Kolonabschnitte kommen wir zu ähnlichen Zahlen:

Coecum-Ascendens, Flexura hepatica . . .. . 26 = 36,1% Transversum `, . 2. 2 2 2 2 CE en T= 91% Flexura lienalis, Descendens . . ...... 15 = 20,8% SIENA. et, ae ihr E ee ee 24 = 33,4%

Im gleichen Zeitraume sahen wir 25 entzündliche Geschwülste, darunter 14 mal Tuberkulose, 2 mal Aktinomykose.

Von all diesen Fällen entfällt aber nur ein Teil für die röntgenologische Untersuchung. Die Mehrzahl befindet sich im Ileus und wird somit nicht durchleuchtet. Diese Zahlen geben jedoch insofern ein falsches Bild, als hier die große Menge der Verdachtsfälle, die ein Vielfaches der sich späterhin als positiv erweisen- den Untersuchungen beträgt, nicht einbegriffen sind.

Das ganze Rüstzeug der diagnostischen Hilfsmittel der Klinik: die Beurteilung der Anamnese, der Befund okkulten Blutes usw. muß hier außerhalb des Rahmens der Be- sprechung bleiben. Der Röntgenologe soll aber stets bei der Untersuchung über das Ergebnis der klinischen diagnostischen Methoden unterrichtet sein.

22 A. W. Fischer

VI. Zur pathologischen Anatomie der Dieckdarmtumoren.

Die Röntgenologie ist eine exquisit empirische Arbeitsmethode. Die diagnostischen Elemente ergeben sich aus dem Vergleich des geschauten oder photographierten Bildes mit dem pathologisch-anatomischen Befunde des exstirpierten oder durch Obduktion gewonnenen Krankheitsherdes. Nur dann wird unser diagnostisches Gebäude immer gut fundiert bleiben, wenn wir dauernd unsere röntgenologischen Befunde direkt durch die Autopsia in vivo aut in mortuo am Organ nachkontrollieren. Nur bei dieser Arbeitsweise sind persönliche Schulung und Er- fahrungsfortschritte möglich. Alle eigenen Fälle, die in der vorliegenden Übersicht noch erörtert werden sollen, sind restlos operativ oder durch Sektion bestätigt, es ist strikte vermieden, Bilder zu bringen, die diese Voraussetzung nicht erfüllen.

Da, wie gesagt, die Vorbedingung für das Verständnis der Röntgenbilder die genaue Kenntnis der pathologisch-anatomischen Veränderungen ist, sei hier ein ganz kurzer Abriß der in Betracht kommenden Krankheitszustände angefügt.

Zu dem großen Gebiete der Dickdarmtumoren gehören:

A. Die Tumoren im engeren Sinne.

L Bösartige Tumoren.

a) Karzinome.

Die Krebse teilen wir nach ihrem morphologischen Verhalten in: Szirrhöse Formen, d.h. Tumoren, die relativ arm an Karzinomzellen sind, bei denen dagegen das Bindegewebe überwiegt, manchmal in derart starkem Maße, daß kaum

Abb. 19. Kleines szirrhöses Karzinom mit Abb. 20. Breitbasig-polypöser Tumor mit zentraler Dilatation des Darmes. Wandinfiltration am Tumorstiel.

epitheliale Zellen sichtbar sind. Der Typ ist der kleine siegelring- oder serviettenring förmige Krebs, der eine besondere Vorliebe für das Colon pelvinum und Sigma hat (Abb. 19). Im Beginn stellt diese Wucherung nur eine kleine plattenförmige Infiltra- tion der Darmwand dar, infolge der narbigen Kontraktion bildet sich bald eine Stenose aus. Da klinisch in den Anfangsstadien weder Blut noch Schleimabgang vorhanden sind, wird die Diagnose meist erst dann gestellt, wenn die sich entwickelnde Stenose manifest ist. Auch dann ist der Tumor meist noch sehr klein, die fühlbare Geschwulst besteht in diesen Fällen meist aus verhärteten Kotballen, die sich oberhalb der Ver- engerung angesammelt haben.

Polypöse Formen. Der einfache Polyp bedeutet ein überaus wichtiges Vor- stadium des Krebses, besonders bekannt ist der regelmäßige Übergang in Karzinom bei der diffusen Polyposis coli. Wir kennen alle Übergänge vom gestielten Polyp zum poly- pösen Karzinom. Das Wachstum beginnt zuerst im Stiel, der Polyp verliert seine schlanke

Pathologische Anatomie 23

Form, wird breit und plump (Abb. 20), Ernährungsstörungen führen oft zur Nekroti- sierung der peripheren Abschnitte. So entstehen breitbasige, manchmal treffend mit Blumenkohl verglichene Gewächse, die sich weich anfühlen, die Wand in der Umgebung so gut wie gar nicht infiltrieren, dagegen Neigung zu frühzeitigem Einbruch in das Lymphsystem haben. Durch Abstoßen der nekrotisch gewordenen produktiven Teile

Abb. 21. Tellerförmiges, nicht stenosierendes Karzinom.

kann auch aus der ursprünglich polypösen Form ein flaches karzinomatöses Geschwür sich entwickeln.

Die Formen des „gewöhnlichen“ Krebses (Carcinoma simplex). Dies Ge- wächs steht etwa in der Mitte zwischen den szirrhösen und polypösen Formen und stellt den häufigsten Typ der Darmkarzinome dar. Bald ist es tellerförmig (Abb. 21), bald zirkulär gürtelartig, hat einen mehr oder minder tiefen Geschwürsboden und erhabene verhärtete Ränder. Die Wand- umgebung ist meist infiltriert, die Binde-

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Abb. 22. Zirkuläres Karzinom. Abb. 23. Lipom an der Ileocoekalklappe. (Mischform.) (Ursache eines Invaginationsfalles.)

gewebsentwicklung tritt aber gegen die Zellwucherung in den Hintergrund. Auf die Unterformen (Carcinoma gelatinosum usw.) soll hier nicht eingegangen werden.

Es gibt nun oft Karzinome, die sich schlecht in eine der 3 Schemen einreihen lassen, meist sind das Übergangsformen, die die Charaktere mehrerer Gruppen in sich ver- einigen (Abb. 22).

b) Sarkome.

Von den malignen Tumoren der Bindesubstanzgruppe spielen hier eigentlich nur die Sarkome eine Rolle, auch sie sind selten, wir verfügen über 1 Fall. Auch nach Art

eines malignen Tumors sich entwickelnde Ganglioneurome kommen zur Beobachtung (Coekalgegend).

24 A. W. Fischer

2. Gutartige Tumoren.

Auch die gutartigen Geschwülste sind große Seltenheiten, von diesen wiederum sind am häufigsten Lipome beobachtet. Ein typisches Lipom ist in Abb. 23 (eigener Fall) wiedergegeben. (Lit. Voeckler.)

B. Die tumorbildenden Kolonentzündungen.

l. Spezifische Entzündungen. a) Tuberkulose.

Ein festumrissenes Bild stellt der tuberkulöse Tumor des Colon ascendens und des Coekum dar (Abb. 24). Ebenso wie bei Beurteilung tuberkulöser Prozesse unter- scheiden wir am Darm eine produktiv-zirrhotische, von einer exsudativ-ulzerösen, ohne Schwielenbildungeinhergehen- den Form. Die Tuberkulose des Coecum-Ascendens_ tritt ebenfalls in diesen 2 Erschei- nungsarten auf. Entweder sehen wir ausgedehnte Ge- schwüre im Dünn- und Dick- darm ohne wesentliche Binde- gewebsentwicklung in der Wand oder die Produktion von Bindegewebe steht im Vordergrunde, so daß große harte, knollige Tumoren sich entwickeln. Bei dieser hyper- plastischen Form sind die geschwürigen Veränderungen der Mukosa oft nur gering aus- geprägt; daß sie aber ganz fehlen, ist doch entschieden eine sehr große Seltenheit. Dann handelt es sich wohl meist um tuberkulösproduk- tive Peritonitisformen. Man hat die Tuberkulose des Dar-

mes in subseröse, submuköse

Abb. 24. Tuberkulös produktiv-zirrhotische Entzündung im und muköse Formen zu schei- Coekum (1) und an der Flexura hepatica (2). Auch der Dünn- gen versucht. mei jiestsich

darm ist erkrankt (3). Resektionspräparat. A S Ve Se

eine Kombination aller 3 For-

men vor. Daß die Schleim- haut völlig frei von Geschwüren sein kann, wenn eine tuberkulöse Peritonitis von außen her den Darm in Schwielen einbettet, ist selbstverständlich, auch ich kann einen solchen röntgenologisch beobachteten Fall beitragen (siehe S. 55). Die tuberkulösen Coekaltumoren lassen sich genetisch vielleicht durch das längere Verweilen tuberkel-

Entzündliche Darmtumoren 25

bazillenhaltigen Stuhles gerade an dieser Stelle erklären. Natürlich ist auch die häma- togene und lymphogene Entstehung denkbar. Bei weitem am häufigsten ist die tumor- bildende Darmtuberkulose im Coecum- Ascendens bei mehr und minder starker Beteiligung des Ileum lokalisiert, aber auch die anderen Teile des Dickdarmes können Sitz dieser Krankheit sein. Nach Fenwick und Dodwell (Brunner) ist in 85% aller Fälle von Darmtuberkulose die Ileocoekalgegend beteiligt, in 9,6%, stellt diese Gegend überhaupt den einzigen Sitz der Erkrankung dar. Küttner beschrieb dagegen 4 Fälle von isoliertem tuberkulösen Tumor des Colon ascen- dens bei gesundem Coekum, die er in der kurzen Zeit von 11⁄4 Jahren zu beobachten Gelegenheit hatte. Aber auch über das Transversum und die Sigmaschlinge ist verschie- dentlich als Sitz der Darmtuber- kulose berichtet worden. (Holland, König, Esmarch, Hugel, Ed- gar, v. Eiselsberg, Czerny, Lit. Brunner.) Wenn auch manche dieser Fälle nicht ganz einwandfrei sind, weil die Obduktion oder Ex- stirpatuntersuchung fehlt, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, daß in seltenen Fällen die Tuber- kulose auch an anderen Teilen des Dickdarmes sich ausbreiten kann.

Meist wird man bei der Eröff- nung der Bauchhöhle den Tumor als produktiv tuberkulös ansprechen können, namentlich wenn an der Oberfläche sich die typischen Knöt- chen der Serosatuberkulose zeigen oder wenn zahlreiche ohne weiteres als tuberkulös erkennbare verkäste Drüsen vorhanden sind. Nicht immer ist jedoch aus dem makroskopischen Verhalten die Diagnose zu stellen, es Abh 25. Sigmoiditis + Proctitis luica. Amputations bleiben Fälle, die sich erst “pıäparat. Röhrenförmiger starrer- Kanal. mikroskopisch klären lassen.

b) Lues.

In seltenen Fällen ist eine Lues der Darmes beschrieben worden: meist war der Dünndarm, weniger häufig der Dickdarm befallen (7:3 Rieder). Mikroskopisch han- delt es sich um gummöse Infiltration der Darmwand mit zentralem geschwürigen Zer- fall. Dabei ist die Darmwand diffus plattenförmig verdickt, bei Perforationen kann es zu Abkapselung und dadurch zu Tumorbildung kommen. Der Prozeß kann sich recht weit ausdehnen, so daß längere Abschnitte stenotisch werden (Abb. 25). Nach eigenen Beobachtungen saß die Erkrankung überwiegend häufig im Sigma, war dann oft kom- biniert mit der Lues des Rektum. In diesen Fällen war das Sigma in ein starres verengtes

26 A. W. Fischer

Rohr verwandelt, die Wand zeigte eine diffuse interstitielle Infiltration gummösen Cha- rakters. Von anderer Seite wurde tumorbildende Lues an der Coekalklappe beschrieben (Vautrin), Groß teilt Fälle von Lues des Aszendens und Transversum mit, das Descen- dens oder die Flexur sahen erkrankt Borchard, Rotter, Kümmel u.a. (Lit. bei Brunner).

c) Aktinomykose.

Der Aktinomycespilz gelangt meist durch den Magen-Darmkanal in den mensch- lichen Körper. Die bevorzugte Ansiedlungsstelle ist die Coekalgegend, pathologisch- anatomisch ist es eine destruierende parenchymatöse Entzündung der Darmwand, die zur Verlötung mit der Umgebung und zu Mischinfektionfistelbildung führt. Bei Be- teiligung des Netzes nach Durchwandern der Darmwand können sich riesige Tumoren ausbilden, die weithin mit der Bauchwand verwachsen. Eine seltene Forrm dieser Krank- heit hat uns Hofmeister mitgeteilt, der er den Namen des intramuralen Aktino- mykoms gegeben hat. In dem Falle Hofmeister, bei dem eine Geschwulst: der Vorder- seite des Coekum aufsaß, es umgriff und erheblich stenosierte, ist die starke Binde- gewebsabkapselung ohne Fistelbildung charakteristisch. Der Tumor war derb elastisch, die Schnittfläche erinnerte an ein derbes Fibrosarkom, der Wurmfortsatz war ganz in dem Tumor aufgegangen, in seiner Umgebung fanden sich kleine Abszeßchen mit ma- kroskopisch unauffälligem rahmigen Eiter. Erst sehr sorgfältige Untersuchungen er- gaben die Diagnose Aktinomykose. In anderen Tumorfällen der Coekalgegend von Wolff, Regnier usw. waren meist auch die Bauchdecken beteiligt, die Schleimhaut zeigte in derartigen Fällen keine Geschwürsbildung.

Vereinzelt sind auch die übrigen Dickdarniteile als Sitz von Aktinomykose beobach- tet (Lit. Brunner). So beschrieb König eine durch Aktinomykose verursachte Steno- sierung des Sigma ebenfalls bei völlig erhaltener Schleimhaut.

d) Sonstige Tumorbildungen auf Grund spezifischer Entzündungen.

Daß auch noch andere Infektionen Tumorbildungen am Dickdarme verursachen können, ist wohlbekannt. Besonders erwähnenswert ist da die heimische und tropische Dysenterie, die in vereinzelten Fällen zur Ausbildung perikolitischer Tumoren, wohl im Anschluß an gedeckte Perforationen führen kann (Lit. Tietze, Bird, Fischer, = Rotter). Weiter wäre der Vollständigkeit halber noch der Milzbrand des Darmes (Stoe- ber) und die Bilharziakrankheit zu nennen, denen aber eine praktische Bedeutung bei ihrer Seltenheit nicht zukommt. Auch der Typhus kann in Betracht kommen (Typhus- stenose an der Flexura lienalis, Riese).

2. Die unspezifischen Entzündungen.

a) Einfach entzündliche Tumoren mit und ohne Kolitis in der Anamnese.

Wie schon vorhin erwähnt wurde, kann die echte Ruhr zu perikolitischen Ge- schwulstbildungen Veranlassung geben. Dieser Vorgang kann sich aber auch an ein- fache und schwerere Dickdarmentzündungen (Colitis simplex oder ulcerosa) anschließen. Darmwandphlegmonen, etwa nach Verletzungen durch Fremdkörper, können sicher hierbei auch eine Rolle spielen. Ob bei all diesen Prozessen eine fibroplastische Dispo- sition des Individuums anzunehmen ist, mag dahingestellt bleiben. Die Schwielen- entwicklung liegt teils in der Wand, teils ist die Geschwulst durch Bindegewebswucherung in den Appendices epiploicae oder im anhaftenden Netz bzw. Mesenterium bedingt.

Entzündliche Darmtumoren 27

Ursache für diese Bindegewebsproduktion ist ein entzündlicher oder toxischer Reiz, ausgehend von Bakterien, die die geschädigte Darmwand passiert haben, oder von einer kleinen Perforation eines Geschwüres. Diese perikolitischen Tumoren, auch Pseudo- tumoren genannt, sehen wir an allen Teilen des Dickdarmes, mit Vorliebe am Coecum-As- cendens und an der Sigmaschlinge. Sudeck sah sie 5mal am Coecum-Ascendens, 1 mal an der Flexura, lienalis 7mal am Sigma. Nicht gemeint sind hier Prozesse, die irgendwie mit Appendizitis oder mit Divertikeln zusammenhängen. Bei diesen perikolitischen Tumoren finden wir manchmal die Mukosa völlig intakt, das Lumen aber mehr oder minder verengert. Auch bei eröffneter Bauchhöhle ist die Differentialdiagnose gegen einen malignen Tumor recht schwer, zuweilen wohl unter Be- nutzung klinischer Symptomc, zu stellen, oft aber erst mikroskopisch zu klären. Auch wenn in solchen Tumoren, wie das zuweilen beobachtet wird (Mandel, Koliabszesse bei Pericolitis descendens), Abszesse entdeckt werden, so spricht das noch keineswegs mit Sicherheit für eine rein entzündliche Genese und gegen Karzinom, denn auch die malignen Tumoren sind nicht selten mit Abszeßbildung vergesell- schaftet (Goldschmidt- Wien).

Wir selbst sahen einen solchen Tumor am Sigma, sein Röntgenbild (Abb. 134) wird später besprochen werden, der makroskopisch, d. h. bei Betrachtung von außen bei der Laparotomie als sicheres Karzinom angesprochen wurde und nachher histologisch sich als tumorartige Bindegewebsproliferation in der Darm- wand in der Umgebung eines solitären unspezifischen Geschwürs von Markstückgröße erwies. Vielfach ist anderseits über ähnliche Fälle berichtet (Goto, Tietze Lit.), bei denen sich Geschwulstbildungen an Sigmoiditis angeschlossen haben. Als erster, der über diese Pseudotumoren am Darm in Deutschland Mitteilungen gegeben hat, muß H. Braun erwähnt werden (1908). Der Braunsche Tumor saß auch Abb. 26. Appendicitis fibroplastica. an der Sigmaschlinge, er nahm nur einen Teil der (Pseudotumor.) Nach Laewen. Wand ein und rezidivierte nach unvollkommener Operation, histologisch bestand er aus entzündlichem Gewebe ohne spezifischen Charakter. Ähnliche Fälle hatten schon vor Braun, Virchow, Körte, Schnitzler mitgeteilt, ohne aber damit einen neuen Krankheitsbegriff fest zu umreißen.

b) Fibroplastische Appendizitis (Parametritis).

Die akute Appendizitis mit Abszeß bildet einen fühlbaren Tumor, der sich aus dem Eiterherd und dem ihn umgebenden Netzwall zusammensetzt. Nicht immer verläuft diese Abszeßbildung mit den bekannten stürmischen Erscheinungen. Oft bildet sich dieser Zustand ganz langsam aus, so langsam sogar, daß er sich über Wochen und Monate hinzieht und klinisch kaum bemerkbar wird, bis ein fühlbarer mäßig oder gar nicht schmerzhafter Tumor der rechten Unterbauchgegend dem Patienten selbst auffällt. Pathologisch-anatomisch stellen sich diese Tumoren wie alle entzündlichen ‚Pseudo- tumoren“ des Dickdarmes als riesige Bindegewebsanhäufungen dar, die in ihrer Mitte den entzündeten Wurmfortsatz mit oder ohne zentralen Abszeß erkennen lassen. Man kann sich der Vorstellung nicht erwehren, daß in diesen Fällen eine besondere fibroplastische Diathese vorliegt, die zu solchen ungewöhnlich starken Bindegewebsproliferationen

28 A. W. Fischer

führt. Natürlich kann man auch an eine besondere Art von Bakterientoxinen denken. Die Tumoren umfassen meist das ganze Coekum und die Bauhinsche Klappe, ähneln wiederum ganz außerordentlich bei der Inspektion von der Serosaseite her den Karzi- nomen und der Tuberkulose, ihre wahre Ätiologie wird erst klar beim Aufschneiden des exstirpierten Präparates. Aber es gibt auch Fälle, die mehr den Ascendenstumoren gleichen, wenn nämlich ein nach oben geschlagener Wurmfortsatz in seinem peripheren Teile einen Abszeß gebildet hat, der der Wand des Ascendens anliegt und diese umklam- mert. Die seltenen Karzinoide der Appendix kommen als makroskopisch in dieser Gegend fühlbare Tumoren kaum in Betracht. Die gleiche Bedeutung wie die Appen- dizitis kann an dieser Stelle auch ein einfaches Ulkus, das hier mehrfach beobachtete Ulcus simplex coli haben. Als Typ dieser Appendicitis-fibroplastica-Tumoren kann wohl der Laewensche Fall gelten, dessen Resektionspräparat ich auf Abb. 26 wieder-

Abb. 27. Multiple Divertikel in einer Sigmaschlinge, als dunkle Flecke erkennbar +. (Leichenpräparat.)

gegeben habe. Im mikroskopischen Bilde zeigte sich auch in diesem Präparat eine ent- zündliche Bindegewebshyperplasie.

In ganz gleicher Weise können Entzündungen der weiblichen Sexualorgane zur Aus- bildung von Pseudotumoren führen. Parametritische Abszesse haben vielfach die Ur- sache entzündlicher, aus Darm, Netz und Schwielengewebe bestehender Tumoren ab- gegeben.

c) Divertikulitistumoren.

Graser sah an der Übergangsstelle des Sigma in das Rektum eine hochgradige Ste- nose, durch die man eben noch eine dicke Sonde hindurchzwängen konnte, die zentralen Darmteile waren hochgradig erweitert. An der Stenosestelle war die Darmwand auf etwa das Fünffache verdickt, zuerst imponierte diese Verdickung als Krebs, aber die genauere Untersuchung zeigte, daß die Schleimhaut völlig intakt war und daß die ganze Geschwulst von einer großen Unzahl von Darmdivertikeln durchsetzt war. Die Diver- tikel gehen an anderen Stellen in die Appendices epiploicae handschuhfingerförmig hinein, sie sind bis zu 2 Zentimeter lang (Abb. 27). Diese Divertikel haben nur an ihrer

Divertikulitis 29

Basis eine muskuläre Umhüllung, während an der Spitze nur Schleimhaut und Serosa angetroffen wird. Ich habe auf einigen schematischen Zeichnungen den Vorgang, wie er allmählich zur Stenose führt, darzustellen gesucht (Abb. 28—31). In solchen Diver-

Abb. 28. Schematische Darstellung eines Darm- Abb. 29. Im Divertikel stagniert Kot, die divertikels, das in einen Fettanhang sich aus- Schleimhaut ist geschwollen, ein entzündliches stülpt. Ödem durchtränkt das umgebende Fett. Durch die Schwellung der Mukosa ist die Verbindung des Divertikellumens mit der Darmlichtung

unterbrochen.

Abb. 30. Der Prozeß hat allmählich zu einer Abb 31. Die Mukosa des Divertikels ist ge-

Bindegewebsproliferation in Fettgewebe und schwürig zerstört. Da der Eiter keinen Abfluß Darmwand geführt. Narbige Schrumpfungs- in den Darm hat, ist er an mehreren Stellen prozesse umgeben zirkulär den Darm und be- durch die Divertikelwand in die Umgebung per-

ginnen ihn zu verengen. foriert und hat sich ausgebreitet, die Binde-

gewebsneubildung und die schrumpfenden Pro- zesse haben weiter zugenommen, der Darm ist beträchtlich stenosiert

tikeln sind ` alle Bedingungen für eine Schleimhautschädigung durch liegenbleib ende Kotbröckel gegeben. Sobald eine Entzündung der Mukosa sich ausbildet, kommt es zu einem Ödem der Schleimhaut. Durch das Ödem entsteht ein völliger Abschluß gegen das Darmlumen. Der weitere Verlauf ist dann leicht zu ersehen, Eiterbildung in dem

30 A. W. Fischer

abgeschlossenen Raume, Perforation der Mukosa an Stelle eines Wandgeschwürs in das Fett des Appendix epiploicus hinein. Ist die Entzündung sehr akut, so kann eine akute Peritonitis nach Durchbruch in die freie Bauchhöhle die Folge sein. Meist aber ist der Verlauf weniger hitzig, allmählich bildet der Körper um diesen Entzündungsherd herum einen großen Schwielenmantel. Dieser entsteht nicht allein am Orte des entzündeten Divertikels, sondern auch zirkulär um den Darm herum, so daß bei den später stets ein- setzenden Schrumpfungsvorgängen das Lumen abgedrosselt wird.

Die Literatur über dies Kapitel ist sehr groß. Jeder Chirurg verfügt über solche Fälle, die schon nichts Besonderes mehr bilden und deshalb auch nicht mehr veröffent- licht werden. (Lit. Tietze, Eisenberg, Franke, de Quervain). Wichtig dürfte die Beobachtung sein, daß in einzelnen, allerdings sehr seltenen Fällen Divertikel auch an allen andern Teilen des Dickdarmes beobachtet sind.

C. Durch Invagination bedingte Tumoren.

Ein Darmteil kann in den anderen entweder locker oder straff invaginiert sein. Die konstante straffe Invagination führt immer zu Ileuserscheinungen, während die lockere Invagination Jahre hindurch bei erhaltener Passage bestehen kann. Ich führe dies Krankheitsbild hier auf, weil ein solcher Zustand zu Tumorbildung führt und somit auch in das Gebiet der Diekdarmgeschwülste in weiterem Sinne gehört. Sehr oft ist sogar eine echte Geschwulst, nicht selten ein Karzinom oder auch ein Lipom die Veranlassung zu dem Vorgange der Invagination. Die fast allein befallene Stelle ist der aufsteigende Dickdarm, es handelt sich fast regelmäßig um die Invagination des Ileum in das weite Coecum ascendens usw. Fast immer in diesen Fällen besteht eine erhöhte Beweglichkeit des Coecum ascendens als Folge der kongenitalen Mißbildung des Mesen- terium ileocolicum commune. Der Sitz dieser Invaginationstumoren hängt von der Aus- dehnung der Einstülpung ab.

D. Kottumoren, Enterolithen.

Zu den Pseudotumoren des Dickdarmes gehören auch die Kottumoren, die sich ohne ein mechanisch organisches Hindernis bei trägem Darm ausbilden können. Daß riesige Kottumoren sich oberhalb von Stenosen ansammeln können, ist nichts Besonderes. Das Wichtige in diesen Fällen ist eben das Fehlen einer organischen Passagebeschränkung. In vereinzelten Fällen können auch große solitäre Gallensteine als Darmtumoren im- ponieren, die durch eine Fistula bimucosa zwischen Gallenblase und Duodenum in den Darm gelangt sind und entweder direkt oder durch Vergrößerung infolge Anlagerns eines Kotmantels tastbar werden können. (Lit. Mockowski.)

Kurz erwähnt sollen hier auch die Tumorvortäuschungen durch einen Spasmus der Darmwand werden. Beobachtet sind solche Spasmen vielfach, Schmieden machte in der Grippezeit darauf aufmerksam. Der fest kontrahierte Darm kann in der Tat völlig einem Tumor gleichen. Ein schwerer Fall von Deszendensspasmus wurde von Schütz mitgeteilt.

VII. Allgemeine röntgenologische Symptome des Dickdarmtumors.

Vor der Besprechung der einzelnen Tumoraffektionen des Dickdarmes will ich einen Überblick über die für den ganzen Dickdarm geltenden Tumorsynıptome geben, um mich im speziellen Teile darauf beziehen zu können und so Wiederholungen zu vermeiden.

Der Füllungsdefekt 31

Ein Tumor kann sich entweder in das Lumen des Darmes hineinentwickeln, ohne daß die Umgebung seines Stieles wesentlich induriert ist, oder er kann das Lumen durch zirkuläre Wandschrumpfung verkleinern und die Passage verengern. Durch Palpation lassen sich diese beiden röntgenologisch wohl charakterisierten Gruppen nicht trennen.

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A. Der Füllungsdefekt. Ist die Kontrastflüssigkeit in ihrer Ausbreitung durch einen im Lumen liegenden Tumor beeinträchtigt, so entsteht ein Schattenausfall, ein Füllungsdefekt, der direkt dem Tumor entspricht. Ein Füllungsdefekt ist also zu definieren als Aus. bleiben der Füllung in einem Darm-

bezirke, der sich normalerweise I I] dl! Wil IM | hätte füllen müssen. Beweisend ist || | ||] | | | nur das konstante Vorkommen eines | | m | Füllungsdefektes. |

Sehen wir zwischen einer oralen und einer analwärts gelegenen Füllung stets einen Ausfall, so bedeutet das ein Haupt- röntgensymptom des Darmtumors. Das gilt in gleicher Weise von der Kontrastbrei- Abb, 32. Darstellung der Sichtbarkeitsverhält- passage wie vom Kontrasteinlauf. nisse eines schmal gestielten Tumors ohne In-

Weiter ergibt sich aber die Frage: Be- filtration der Wandung. In allen Situationen dingt jeder in das Darmlumen vorragende völlige Auslöschung des Tumors durch die Tumor auch einen Füllungsdefekt? Man strahlenundurchlässige Kontrastmasse. muß diese Frage verneinen. An Hand einer Reihe schematischer Bilder habe ich die hier in Betracht kommenden Verhältnisse zu veranschaulichen gesucht (Abb. 2901. Die Darstellbarkeit der mehr oder minder ge- stielten, sich breit in das Lumen hinein entwickelnden Tumoren ist im wesentlichen ab- hängig von

a) der Dicke des Tumorstieles;

b) der Größe des Tumors im Verhältnis zum Lumen des Darmes oder mit anderen Worten von der den Tumor noch bedeckenden Schichtdicke der Kontrastflüssigkeit;

c) der Lage des Tumorstieles zum Zentralstrahl.

Wie wir in den Abb. 32 sehen, ist der Tumor in keiner Weise beı Benutzung der Schwermetallsalzkontrastfüllung darstellbar, wenn der Stiel sehr schmal ist. Man mag den Darm drehen wie man will, stets wird solch ein Polyp ausgelöscht. Schwarz schreibt zu diesem Punkte: ‚Polypös gestaltete kleine Tumoren können so- wohl per os als für die Irrigoskopie vollkommen unauffindbar sein... Deshalb soll in einem negativen Röntgenbefunde immer darauf hingewiesen werden, daß ein kleiner, nicht stenosierender (polypös geformter) Tumor nicht ausschließbar sei.

Ist der Stiel breitbasig, dann hängt die Sichtbarkeit von der Drehstellung, weiter in hohem Maße von dem Grade der Entfaltung des Darmes ab. Bei tangential verlaufen- dem Zentralstrahl erscheint jetzt ein Schattenausfall, der allerdings nur einem geringen Teile des ganzen Tumors entspricht (Abb. 33). Sitzt der Tumor an der Vorder- oder Hinterwand (bezogen auf den Strahlengang), so verschwindet er, die ihn bedeckende dünne Kontrastflüssigkeitsschicht läßt keine Röntgenstrahlen durchtreten (Abb. 34). Vermindert man die Dehnung des Darmes durch Ablassen von Flüssigkeit, so daß die den Tumor deckende Kontrastschicht ganz verschwindet oder wesentlich verdünnt wird, so legt sich der Tumor der gegenseitigen Darmwand an, wird dann auf der Platte

32 A. W. Fischer

als dunkler Fleck inmitten des hellen Darmfüllungsfeldes sichtbar (Abb. 35 u. 36). Ist der Tumor so groß, daß er das ganze Lumen ausfüllt, dann erst ist ein völliger Schatten- ausfall zu erwarten.

Ein grundsätzlich anderes Bild bietet uns die Tumorstenose nach dem Schema der Abb. 37. Hier ist der Darm von allen Seiten her verengt. Diese zirkulären Wand- schrumpfungen erscheinen als Schattendefekt bei jeder Drehstellung.

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Abb. 33. Breitbasiger Tumor Abb. 34. Breitbasiger Tumor, Abb. 35. Großer Tumor, nicht an Vorder- und Hinterwand, seitlich sitzend, ergibt den nicht sichtbar infolge starker Füllung ausgelöscht durch Kontrast- der tatsächlichen Größe ent- des Darmes,

füllung. sprechenden Füllungsdefekt D.

Wir müßten nun erwarten, daß die pathologisch anatomischen Befunde sich mit den röntgenologischen Bildern decken. Es hat sich aber herausgestellt, daß eine derartige Übereinstimmung nur füreinen Teil der Fälle zu erweisen ist. Oft sehen wir auf der Platte Ausgüsse der steno- sierten Partien, die ein getreues Abbild der Lumengestaltung bieten und völlig dem Bilde gleichen, das man bei postoperativer Füllung des Resektionspräparats mit einer Bariumaufschwemmung erhält. Häufiger aber sind diese Bilder nicht kongruent:

Abb. 36. Derselbe Tumor erscheint als zen- Abb. 37. Zirkuläre Tumorstenose (gemäß traler Füllungsdefekt D nach teilweiser Ent- Abb. 22); D = Füllungsdefekt. leerung des Kontrasteinlaufs, weil der Tumor

sich der gegenseitigen Darmwand anlegt.

Das Stierlin-Symptom und seine Erklärung.

Stierlin beschrieb 1911 ein Symptom, dessen Erklärung uns jetzt beschäftigen soll. Er sah bei der Kontrastbreipassage den Brei einen Darmteil ohne jeden Zeitverlust überspringen, so daß dieser Darmteil zu keiner Zeit der Untersuchung als voller Schatten sichtbar war. Auf das Coecum-Ascendens bezogen, ergibt sich fol- gendes Bild: Die unterste Dünndarmschlinge ist noch mit Kontrastinhalt gefüllt, an Stelle des erkrankten Coecum- Ascendens ist keinerlei Schatten erkennbar, erst jenseits

Das Stierlin-Symptom 33

dieses Darmteiles erscheint das Kolon wieder als normaler voller Schattenriß. Dieses in der Literatur als Stierlin-Symptom benannte Zeichen wurde positiv gefunden bei geschwürig indurativen Prozessen des ganzen Dickdarmes. Stierlin bezeichnet den Schattenausfall als charakteristisch sowohl für die stenosierende als auch für die nicht- stenosierende Form der Tleocoekaltuberkulose; im übrigen ist es ganz allgemein als Ausdruck einer groben anatomischen Wandveränderung zu werten und somit nicht allein für Tuberkulose bezeichnend. Stierlin schreibt wört- lich: Aus diesem Grunde darf die exakte Röntgendiagnose keine spezifische Ätiologie involvieren und muß lauten: Geschwürig indurative Veränderung des Coecum und Colon ascendens. In der Literatur ist diese Angabe Stierlins zum Teil bestätigt worden, aber es wurden allmählich doch eine Reihe von Stimmen laut, die dem Zeichen seine Bedeutung teilweise absprachen. Von Faulhaber, Flemming-Möller, Revecz wurden Fälle gezeigt, bei denen trotz sicherer Tuberkulose ein Schattenausfall nicht zustande gekommen war.

Danach muß man wohl anerkennen, daß bei negativem Stierlin- Zeichen eine Erkrankung des Darmes nicht sicher ausgeschlossen werden kann. Die Ansicht der meisten Röntgenologen dürfte sich dahin präzisieren lassen, daß ein positiver Stierlin also die völlige Auslöschung einer bestimmten Darmstrecke bei konstantem Befund seinen Wert keineswegs verlorenhat.

In Fällen von positivem Stierlin-Zeichen ergibt die Füllung des Resektionspräpa- rates mit Kontrastflüssigkeit eine mehr oder minder breite stenotische Straße, aber keinen vollen Schattenausfall. Das so gewonnene Bild steht in vollem Gegen- satz zu dem Bilde bei der Röntgenaufnahme des erkrankten Darm- teiles im Körper.

Stierlin und nach ihm andere Autoren haben das Symptom des Schattenausfalls mit einer lokalen Hypermotilität oder als lokalen Spasmus zu erklären gesucht. Es erscheint durchaus verständlich, daß ein krampfhaft zusammengezogener oder hyper- motiler Darmabschnitt sich nur ganz vorübergehend mit Kontrastflüssigkeit füllt und so im Röntgenbilde nicht darstellbar ist. Stierlin betont selbst, daß der Schattenaus- fall nicht der Ausdruck einer pathologisch-anatomischen Stenose sein kann. Offenbar hat ihn die Erklärung im Sinne der Hypermotilität nicht in allen Fällen befriedigt, denn er spricht an anderer Stelle von einer mangelhaften Zurückhaltung des Darminhaltes an der erkrankten Stelle und betont, die Darmfunktion bestände nicht nur in einem Weitertransport, sondern auch im Festhalten des Inhalts. Dieser Erklärung vermag ich mich nicht recht anzuschließen. Ein Zurückhalten von Inhalt kann nur durch einen Spasmus erzielt werden, der einen analwärts gerichteten Transport verhindert, ein Vor- gang, wie wir ihn physiologischerweise im Bereich der rechten Kolonhälfte Spasmus in der Mitte des Transversum, Rücktransport in das Coccum-Ascendens kennen.

Ein solcher analwärts der Stenose gelegener Spasmus müßte aber eher zu einer Darstellung des kranken Darmabschnittes infolge der Rückstauung führen, wenn man nicht annehmen will, daß der kranke Abschnitt selbst fest kontrahiert ist. Goldammer hat ähnlich das Ausbleiben des Stierlin-Symptoms in manchen Fällen von Darmtuber- kulose gedeutet.

Die Erklärung des Stierlin-Zeichens als Folge eines Spasmus oder einer lokalen Hypermotilität im Erkrankungsbereich befriedigt nur für einen Teil der Fälle, und zwar nur dann, wenn der Krankheitsprozeß noch nicht zu einer Funktionsuntüchtigkeit der Darmmuskulatur geführt hat. Wie sollen wir aber uns mit jenen Fällen ab- finden, bei denen der Darm sicher nicht mehr kontraktil ist? Die histo- logische Untersuchung läßt solche Fälle einwandfrei erkennen, auch weist der negative

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 3

34 A. W. Fischer

Ausfall der elektrischen Reizung während der Operation auf die Zerstörung der Musku- latur hin. Es ergibt sich die Frage, ob die Annahme eines Spasmus der unmittelbar an den Krankheitsherd grenzenden Darmabschnitte eine Erklärungsmöglichkeit bietet. Die Vorstellung liegt nahe, daß unter dem Druck der Peristaltik ein den Tu- mor oralwärts begrenzender Spasmus plötzlich überwunden wird und daß der Inhalt durch die Stenose hindurchgespritzt wird. Die in dem starren Kanal verbliebenen Reste fließen in den sich analwärts weitenden Darm ab und allmählich stellen sich wieder die den Tumor anal- und oralwärts begrenzenden Spasmen her, die ein neues Einströmen von Kontrastmasse verhindern.

Man spricht häufig von einer starren Stenose. Das Wort starr ist dabei oft nicht ganz zutreffend. Eine gewisse Elastizität hat der Darm auch im Tumorbereich noch, die Wandungen liegen elastisch aneinander. Wäre der Darm wirklich absolut starr, dann müßte unter allen Umständen eine Füllung vor- handen sein, denn ein Vakuum in einer starren Röhre ist bekanntlich im Körper nicht denkbar. Diese Überlegung gestattet eine Erklärung ohne die An- nahme hypothetischer, den Tumorabschnitt begrenzender Spasmen. Während beim normalen Darme eine Entfaltung des Lumen schon bei geringem Druck eintritt, ist jetzt in dem oralen Darmteil eine über die Norm gehende Druckerhöhung notwendig, um die Entfaltung der elastisch aneinanderliegenden Darmwände im Bereiche der Ste- nose zu erzielen.

Sowie die erforderliche Druckhöhe erreicht ist, werden die Inhalts- massen mit großer Geschwindigkeit durch die Stenose gespritzt und stürzen in den sich leicht entfaltenden analwärts gelegenen Darmteil. In dem gleichen Moment aber, wo die Druckhöhe unter den Stenose- entfaltungsdruck sinkt, klappen die Wände wieder aneinander, die rest- liche Flüssigkeit wird nach beiden Seiten ausgepreßt und der Tumor- abschnitt ist wieder leer.

Diese Erklärung scheint mir am besten den physiologischen, pathologischen und dynamischen Gesetzen zu entsprechen.

Den „Stierlin“schen Schattenausfall sehen wir nun nicht nur bei der Kontrast- breipassage, sondern auch in einem gut Teil der Einlaufuntersuchungen. Hier ist aber, wie ich schon früher betonte, größte Vorsicht geboten. Man darf keineswegs, wenn sich etwa das Coecum-Ascendens beim Einlauf nicht sogleich füllt, ohne weiteres einen Fül- lungsdefekt diagnostizieren. Durch Lagerung auf die rechte Seite, Erhöhung der Flüssig- keitsmenge, Massage muß man zuvor versuchen, den Einlauf auch in diese Teile vorzu- treiben. Fraglos dürfte sein, daß die Breipassage für die Darstellung des typischen Schattenausfalls die passendere Methode ist.

B. Die Stauung des Kontrastinhalts vor einem Hindernis (antero- und retrograd).

Ist die Passage behindert, so wird der Durchtritt der Darminhaltsmassen sich ver- zögern und es wird sich allmählich eine Hypertrophie und Dilatation des oral von dem Hindernis gelegenen Darmteiles ausbilden. Die Stauung vor dem Hindernis kann sich nun in verschiedener Weise auswirken: Entweder bildet sich ein fühlbarer Kottumor aus eingedickten Fäkalien aus, der lange Zeit konstant bleibt, oder es kommt durch die Stauung zum Katarrh der Darmwand, Gärung und Fäulnis in dem gestauten Inhalt, zur Erhöhung des Gasdrucks, bis sich plötzlich der dünnflüssige Inhalt durch die Ste-

Die Stauung vor einer Stenose 35

nose analwärts entleert. Während bei der einen Gruppe also die Obstipation allein im Vordergrunde steht, wechseln im zweiten Falle Verstopfung und Durchfall ab. Röntgeno- logisch sehen wir bei der einfachen Stauung ohne Gärung die Kontrastmasse unscharf enden und nur ganz langsam weiter vorrücken, der Darm weist oral der Stenose eine Erweiterung auf, die ungeheure Grade annehmen kann. Im Dickdarm pflanzt sich auch bei tiefliegenden Stenosen die Rückstauung bis zur Valvula ileocoecalis fort. Da das Coecum-Ascendens der weiteste Darmabschnitt ist, wird sich gerade hier die stärkste Blähung entwickeln (Anschütz). In diesem Zusammenhange sei darauf aufmerksam gemacht, daß im Ileus hier am Coekum der Dickdarm zu perforieren pflegt. Man be- obachte also besonders den Grad der Coecum-Ascendens-Blähung.

Die Stagnation, besonders die Gärungsprozesse gehen mit vermehrter Gasbildung einher und so kommt es neben der Verflüssigung des Kotes zu röntgenologisch gut sicht- barer Vermehrung des Dickdarmgasgehaltes. Allein aus dem Bilde abnorm großer Gas- blasen mit Flüssigkeitsspiegeln kann man mit Sicherheit eine Stenose diagnostizieren. Normalerweise sehen wir nur Gasblasen in den das Transversum begrenzenden Flexuren, manchmal auch im Sigma und in Haustrenteilen. Bei Beurteilung des Gasgehaltes ist selbstverständlich Vorsicht geboten, die physiologische Variationsbreite ist hier sehr groß.

Das Hindernis selbst kann man in den meisten dieser Fälle, insbesondere denen starker tumorartiger Kotansammlung vor der Stenose nur schwer darstellen, die Kot- massen verhindern oder verzögern das Vordringen des Kontrastsalzes bis an den Tumor.

Direkte Stenosesymptome sind also Stauung in erweitertem Darme und ver- mehrte Gasansammlung mit erheblicher Verzögerung der Fortbewegung. Differential- diagnostisch muß man die oft erstaunlich hochgradigen Retentionen im Dickdarm bei der einfachen chronischen Obstipation in Erwägung ziehen, evtl. auch das Megacolon congenitum. Am leichtesten verständlich sind jene Fälle ohne Kotstauung vor der Stenose, in denen ein fingerförmiger Fortsatz der Kontrastmasse sich in die verengte Stelle hineinerstreckt. Es gibt oft Situationen, wo man sich nach dem Bilde der Darm- passage nur ein unsicheres Urteil bilden kann; in diesen Fällen ergibt sich aus der Be- obachtung des Kontrasteinlaufes die Klärung. Wenn eine einfache Obstipation einen obstruierenden Tumor vortäuscht und der Kontrasteinlauf bzw. die Kombination des Einlaufes mit der Luftblähung zeigt einen normal konfigurierten Darnı, so wird man ein organisches Hindernis ablehnen müssen. Füllt aber’ der Einlauf nur einen Teil des Darmes und gelangt bei wiederholtem Versuch über einen bestimmten Punkt nicht heraus, so ist mit diesem Befunde ebenfalls eine Klärung gegeben. Gerade für die Stenosefälle ist die Durchführung sowohl der Untersuchung per os als auch der Irri- gation bzw. Luftinsufflation in Kombination nicht zu entbehren.

Auch bei der kombinierten Untersuchung ergeben sich Schwierigkeiten, wenn es infolge einfacher Darmträgkeit bei alten Leuten zu ausgedehnten, kaum beein-' flußbaren Kottumoren gekommen ist. Dann kann man eine Stauung des Kontrast- einlaufes und auch der Passage beobachten, Symptome, die zur Diagnose eines Tumors führen müssen. Bekannt sind Fälle dieser Art mit akutem Ileus.

Zusammengestellt seien hier kurz die Gründe, die ein Vordringen der Einlaufflüssig- keit verhindern bzw. erschweren. Das kann geschehen:

1. durch einen Spasmus;

2. durch eine spornbildende Abknickung;

3. durch einen stenosierenden Tumor.

Stierlin wies darauf hin, daß bei Tumoren, die das Lumen des Darmes nahezu aus- füllen, zwar die konsistenteren Skybala der Breipassage sich unter dem Druck der Peri-

3*

36 A. W. Fischer

staltik durchzwängen, daß aber die Einlaufflüssigkeit eine Entfaltung nicht zu erzielen vermag. Diese Überlegung dürfte für die einfache Einlaufmethode zutreffend sein. Jedoch auch bei retrograd anscheinend völliger Unwegsamkeit läßt sich durch Er- höhung des Druckes durch Luftnachblasen per anum meist doch eine Füllung der oral von der Stenose gelegenen Darmteile erzielen. Voraussetzung ist die Schlußfähigkeit des Afters. Sicher ist die Kraft der Peristaltik größer als der durch den Einlauf erzielte Entfaltungsdruck. Spasmen werden bei Zuwarten fast immer überwunden, Abknickung kann man durch Massage und Lagerungswechsel ebenfalls in den meisten Fällen aus- gleichen. Evtl. wiederhole man mehrfach den Einlauf! (Darreichung von Atropin.)

Was für die Kontrastflüssigkeit in bezug auf das Stierlin- Zeichen gilt, ist auch für die Luftfüllung des Darmes zutreffend. Füllen wir den Darm mit Luft, so haben wir den Vorteil, daß Spasmen und Abknickungen sich sehr rasch ausgleichen, so daß sie dem Vordringen keine Schwierigkeiten bieten. Auch start" elastische Stenosen entfalten sich unter dem Luftdruck nach eigener Erfahrung besser als unter Wasserdruck. Sicher kann man ohne wesentliche Beschwerden einen höheren Innendruck mit Luft erzielen als mit Flüssigkeit. Bei der kombinierten Methode nach A. W. Fischer wird die Kon- trastflüssigkeit durch die Luft vorwärts in die Stenose ge- trieben und bringt sie oft erst so direkt zur Darstellung. Ich verfüge über Fälle, wo auch nur eine Luftstraße durch den Tumor sichtbar ist, während Flüssigkeit nicht hatte eindringen können (Abb. 55). Es gibt aber auch Y Fälle, bei denen sich durch die Luftblähung ein echtes Ventil ausbildet, das das weitere Vordringen der Luft und Flüssigkeit verhindert. Schematisch ist das in

Abb; 38: - Ehlatehung «eines Fig. 38 dargestellt. Der dicht vor einer Stenose befind- Taschenklappenmechanismus an liche, gut dehnungsfähige gesunde Darm hat sich hier einer Stenose bei Luftdehnung zu einer Art Taschenklappe, ähnlich den Aorten- bzw.

des Darmes. Pulmonalklappen am Herzen ausgeweitet und nun ragt

die Stenose portioartig in diese Klappentaschen hervor.

Ihr Lumen wird durch den Luftdruck in der Pfeilrichtung zusammengedrückt. Jeder

Versuch, den retrograden Verschluß durch weitere Druckerhöhung zu sprengen, muß vergeblich sein, im Gegenteil wird der Verschluß nur noch fester werden.

In seltenen Fällen kann man aber auch beobachten, daß der Einlauf ohne Schwierig- keiten die Stenose passiert, während die Breimasse langsam sich die Passage erquälen muß. Einen solchen Fall erwähnt Schlesinger. Eine einfache Deutung für solche Fälle ist in der Verstopfung einer Stenose durch einen konsistenteren Kotballen oder durch einen Fremdkörper (Obstkern od. dgl.) gegeben. Dieser Verschlußkörper wirkt dann für die von oben kommenden Inhaltsmassen als ausflußhemmendes Ventil, während er durch die Einlaufflüssigkeit ohne weiteres weggespült wird.

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C. Direkte Ulkussymptome.

Ein Geschwür führt fast regelmäßig zu einer Infiltration der Wand. Diese Wand- verhärtung dokumentiert sich in Unregelmäßigkeiten der Kontur, sobald der Röntgen- strahl gerade tangential diese Wandstelle trifft. Eine Fesselung der Darmwand durch perikolitische Prozesse kann aber in gleichem Maße eine Wandunregelmäßigkeit bedingen. Direktes Ulkussymptom ist nur das Haftenbleiben von Kontrastsalzpartikeln in den Unebenheiten des meist rauhen Geschwürsbodens. Der Chirurg kennt dieses Bild sehr wohl, er sieht in dem nach der Resektion aufgeschnittenen Darmstück das weiße Salz

Geschwülste des Coecum- Ascendens 37

und Bolusteile in den Geschwürsflächen haften. Bei der kompletten Darmfüllung können Geschwüre natürlich nicht zur Darstellung kommen, wohl aber nach Ablassen des Ein- laufs und nach Entleeren von Kontrastkot, wie es Stierlin empfohlen hat, oder nach Aufblähung des Darmes mit Luft nach der Methode von A. W. Fischer. Die Retention. der Kontrastmasse in den Geschwüren ist im übrigen bei der Colitis ulcerosa als ‚Flecht- bandform‘ wohlbekannt. Hier wird die Retention noch durch spastische Prozesse der Darmwand begünstigt. Ähnliche Bilder sind in der Literatur vielfach als Marmorierung des Darmfeldes bezeichnet worden.

IX. Spezielle Diagnostik der Dieckdarmgeschwülste.

A. Die Geschwülste des Coecum und Colon ascendens.

Dieser Darmabschnitt beschäftigt uns neben der Sigmaschlinge zahlenmäßig am meisten. Die Technik seiner Untersuchung bietet keine sonderlichen Schwierigkeiten und jede der drei Hauptuntersuchungsmethoden, der Einlauf sowohl wie die Breipassage und die Lufteinlaufkombination lassen sich hier leicht durchführen. Wie wir oben sahen, bildet der Kontrastkot nach seiner Eindickung vielfach täuschend verdächtige Füllungs- defekte und deshalb ist die Breipassage für die Teile des Kolon, in denen der Inhalt sich zu konsistenten Ballen geformt hat, nicht recht brauchbar. Hier am Anfang ist das aber nicht der Fall, hier ist der gerade aus dem Dünndarm kommende Brei noch flüssig genug, um das Lumen ganz auszufüllen, da die Wasserentziehung erst in diesem Ab- schnitt beginnt. Es fallen meist auch die die Übersicht störenden Ansammlungen harter Kotballen vor einer Stenose weg, so daß am Coecum -Ascendens die Verhältnisse für die Erkennung von Tumoren am allergünstigsten von allen Dick- darmteilen liegen.

Normalerweise soll das Coekum bis an den Rand des kleinen Beckens hinunter- reichen, seine Breite wechselt in weiten Grenzen. Schwarz gibt als Normalausdehnung beim stehenden Menschen einen Ort 1--2 Querfinger oberhalb des Zentrums der Hüft- gelenkspfanne an. Vielfach sieht man eine tiefe Furche dicht unterhalb der Einmündung des Ileum, die nicht als Adhäsionsfurche gedeutet werden darf. Wichtig ist in jedem Falle die Beobachtung des Ileum. Nach übereinstimmenden Angaben der Literatur (Rieder, Groedel, Stierlin u.a.) beginnt die Coekumfüllung bereits durchschnitt- lich nach 1!/, Stunden und ist der Dünndarm nach 5—6 Stunden vollständig geleert. Differenzen von 1—2 Stunden gegenüber diesen Zahlenangaben können kaum noch als normal gelten. Sehen wir aber das Ileum vor der Klappe noch nach 10 Stunden beträcht- lich gefüllt, so ist ein solcher Befund mit großer Wahrscheinlichkeit als pathologisch an- zusehen. Immerhin muß man berücksichtigen, daß bei der Antiperistaltik auch ein Rückfluß des Kontrastkotes aus dem Coekum in das Ileum durch eine insuffiziente Klappe eintreten und so eine verzögerte Ileumentleerung vorgetäuscht werden kann. Be- finden sich aber Gasblasen im Ileum und zeigt dieses eine Erweiterung, dann aller- dings besteht an der Diagnose einer Stenose kein Zweifel. Aus langdauernder Füllung des Coekum läßt sich nicht ganz leicht die Diagnose eines krankhaften Zustandes stellen. Die Leerungsdaten haben hier eine recht große Variationsbreite. Besonders die Fälle einfacher chronischer Obstipation sind hier von differentialdiagnostischer Bedeutung.

Der Einlauf will manchmal trotz Erhöhung des Drucks, trotz Bauchmassage und Seitenlagerung nicht recht das Coekum entfalten, für diese Fälle empfiehlt sich eine‘

38 l A. W. Fischer

Druckerhöhung nicht durch weitere Flüssigkeitsmengen, sondern durch Einblasen von Luft per anum. Die Luft bringt dann diese Abschnitte mühelos zur Darstellung, voraus- gesetzt natürlich, daß sie überhaupt vorhanden sind. Wir müssen in diesem Zusammen- hang uns daran erinnern, daß hier auch eine kongenitale Hemmungsmißbildung in Be- tracht kommen kann. Wenn das normale Absteigen der Valvula ileocoecalis aus der Gegend der Leberpforte in die rechte Beckenschaufel und die damit verbundene Aus- bildung eines Colon ascendens ausbleibt, werden wir das Coekum in Gegend der Leber- pforte enden sehen. Diese doch nicht ganz seltene Mißbildung wird sich aber an der Form des Coekum und der wohlabgerundeten Endigung des Kontrastfeldes sei es nun Barium oder Luft erkennen lassen. Während die Erkennung eines zu kurzen oder zu langen Coekum keine wesentlichen Schwierigkeiten bereitet, verwirren sich die Verhältnisse unangenehm, wenn das Coecum-Ascendens nach oben geschlagen sind.

Der Kontrasteinlauf stoppt regulär an der Ileocoekalklappe, deren Verschluß nach dem Jleum auch durch Druckerhöhung sich nicht leicht sprengen läßt. Zuweilen sieht man ihn aber auch mehr oder minder gehemmt in das Ileum vordringen (Case 16%) und in diesen Fällen ergibt sich die Frage, ob eine solche Beobachtung die Annahme eines pathologischen Prozesses nahelegt.

Im Rahmen dieser Arbeit kann auf diese Frage, die in der Literatur eine sehr aus- führliche Bearbeitung erfahren hat, nur kurz eingegangen werden. Als normal kann man aus mancherlei Gründen den Rückfluß in das Ileum nicht ansehen. (Lit. bei Groe- del, Dietlen.) Wenn sich die Klappe von einem Krankheitsprozeß des Coekum am Resektionspräparat als mitergriffen erwies, dann hatte vorher das Röntgenbild auch meist eine Durchgängigkeit der Klappe in falscher Richtung gezeigt. Die kleinen Striche und Flecke neben dem Coecum-Ascendens beim Kontrasteinlauf, die bei teilweiser Klappeninsuffizienz sich zeigen, muß man kennen, sie könnten sonst pathologische Prozesse des aufsteigenden Dickdarms vortäuschen.

Für die Untersuchung des luftgeblähten Darms ist Lagerung auf die linke Körper- seite bei horizontalem Strahlengang unerläßlich. Zweckmäßig kehrt der Untersuchte dabei dem Arzte das Gesicht zu (siehe S. 9). Den Kontrastbrei kontrolliert man am besten im Liegen, während es vorteilhaft sein kann, bei Füllung mit der beweglichen Kontrastflüssigkeit im Stehen zu durchleuchten, da dann der Schwere folgend das Coe- cum-Ascendens sich stark füllt, dabei auch abwärts sinkt.

Kurz sei auch erwähnt, daß uns vielfach außerhalb des Darms gelegene Tumoren, die von der Niere oder Leber ausgehen, spondylitische Senkungsabszesse u. a. m. differen- tial-diagnostisch beschäftigen. Diese Geschwülste bewirken nur eine einfache Ver- schiebung des Darms. Dazu

Fall 1. Frl. Ba., Abt. 24/35. 1923.

Allmähliche Entwicklung eines Tumors im rechten Unterbauch mit Gewichtsabnahme ohne sonstige Beschwerden. Palpatorisch glattwandiger indolenter über faustgroßer Tumor im rechten Unterbauch, der anscheinend dem Darm angehört. Der Gynäkologe spricht den Verdacht auf eine Ovarialzyste aus.

Das Röntgenbild (Abb. 39) zeigt eine ganz normale und unverdächtige Darstellung des Coekum, das trotz seiner falschen median verschobenen Lage an seiner Form ohne weiteres sich erkennen läßt. Der Tumor hängt somit mit dem Dickdarm nicht zusammen, er erweist sich bei der Operation als großer tiefliegender Iliakal-Senkungsabszeß, der von einem bis dahin okkulten Wirbelsäulenherd seinen Ausgang genommen hatte.

Stierlin, Ziegler u. a. haben eine ganze Reihe derartiger Fälle mitgeteilt. Der Druck eines extraintestinalen Tumors kann den Darmschatten der Breipassage ver- schmälern, sein Haustrenrelief abplatten, die Wandkonturen sollen aber gleichmäßig erscheinen. Wir stellen unsere Diagnose in erster Linie aus dem Sym-

Geschwülste des Coecum- Ascendens 39

ptom der Verlagerung. Sobald der Darm in entzündliche festere Ver- backungen, die von dem Tumor ausgehen, eingehüllt ist, tritt zur Ver- lagerung auch eine Ungleichmäßigkeit der Kontur und eine vermin- derte Dehnungsfähigkeit bei Aufblasung mit Luft. Esgibt somit Fälle, wo rein röntgeno- logisch sich die Zugehörigkeit eines Tumors zum Darm kaum klären läßt.

Alle Arten von Tumoren gelangen am Coecum-Ascendens zur Beobachtung: Das mehr d oder minder breitbasig aufsitzende polypöse Kar- zinom, der scirrhöse, mehr oder minder infiltra- \ tive, der einfache geschwürige Krebs, die tumor- bildende und einfach geschwürige Ileocoekal- R \ tuberkulose und die große Gruppe der entzünd- á lichen Pseudotumoren, die meist bei intakter ‚np. 39. Verschiebun gdes isen Mukosa den Darm von außen her einengen. Des- Ascendens medialwärts durch spondyli- gleichen gehört zu diesen Tumoraffektionen des tischen Iliakalabszeß. Fall Ba. Nr. 1. rechten Unterbauchs auch die Invagination. Einlauffüllung. Aufnahme im Stehen.

Die Karzinome des Coecum-Ascendens.

Fall 2. Ra., Lehrer, 47 J. 1924. Abt. 130.

Seit 4 Monaten krank, unklares Druckgefühl im rechten Unterbauch. Geringe Obstipation, zeitweise Kolikschmerzen. Objektiv großer fettreicher, anämischer Mann. Im rechten Unterbauch Resistenz palpabel.

Breipassage ergibt

1. verzögerte Entleerung des Ileum,

2. Füllungsdefekt im Coecum-Ascendens gegenüber der Einmündung des Ileum.

Abb. 40 zeigt uns das Einlaufbild. Hier haben wir einen vollkommenen Schatten- ausfall des unteren Colon-Ascendens samt dem Coekum. Wir erkennen:

1. Totalen Schattenausfall des Ascendens und Coekum.

2. Wolkige, zackige spitz- (nicht rundliche) Endigung des Darmschattenfeldes in der rechten Beckenschaufel.

Abb. 41 gibt das Bild nach Lufteinblasung per rectum ohne Ablassen des Kon- trasteinlaufes wieder. Zur Erläuterung ist hier eine Pause beigegeben (Abb. 42). Sie zeigt:

1. Überlagerung von Sigmaschlinge (bogenförmig), rechtem Transversumschenkel und Coecum-Ascendens.

2. Es fehlt die helle Luftzone des Coecum-Ascendens in der rechten Beckenschaufel. Nur ein schmaler unregelmäßiger Luftstreifen ist vorhanden, er begrenzt einen etwa 5x Dem messenden Schatten.

3. In dem normal geweiteten Ascendensteil ist ein auf der Pause besonders gekenn- zeichneter bohnengroßer Schattenfleck sichtbar.

Die Diagnose wurde auf produktiven Karzinomtumor gestellt, der die Valvula Bauhini stenosiert.

Man vergleiche nun das Resektionspräparat mit den 3 Röntgenbildern (Abb. 43). Die Ileocoekalklappe war völlig zerstört, die engste Stelle lag an der unteren Tumor- grenze, also nach dem Colon ascendens zu. An der lateralen Seite war eine Strecke noch

40 A. W. Fischer

fast frei vom Tumor, die in dem Luftfüllungsbilde erkennbar ist. Die beiden polypösen präkanzerösen Tumoren haben sich auch im Luftfelde abgezeichnet, der mehr anal- wärts gelegene war schon vor dem Eingriff aufgefallen, während der andere Polyp erst

Abb. 40. Einlaufuntersuchung. Füllungs- Abb. 41. Carcinoma coeci. Fall Ra. Nr. 2. defekt des unteren Aszendens und Coekum. Kombination von Luftblähung und Kontrasteinlauf. (Aus der R.-Abt. der Med. Univ-Kl. Frank- Tumor erscheint im Luftfeld (vgl. Abb. 42). Hintere furt Dr. Berg.) Die Abbildung ist seiten- Seitenlage.

verkehrt.

nachträglich auf dem Bilde sich erken- nen ließ, da er in das Tumorfeld hinein- projiziert worden ist.

Fall 3. Ro., Beamter. 54 J. 1922. Abt. 30.

Seit einem halben Jahre des öfteren Schmerzen in der Nabelgegend, Allgemein- befinden gut, keine Abmagerung, keine Stuhl- beschwerden.

Großer kräftiger korpulenter Mann. Dicht unterhalb des Nabels und rechts davon eine mäßig druckschmerzhafte Resistenz fühlbar. Rechte Beckenschaufel palpatorisch frei.

Abb. 42. Zu Abb. 41.

Breipassage ergibt nichts Auffälliges. Ileum nach 5 Stunden geleert, Brei völlig im Coecum-Ascendens liegend, und dieses ausfüllend. Tumor medial vom Coekum palpabel. Weitere Entleerung o B.

Einlauf (Abb. 44) läßt cin Coecum-Ascendens normaler Lage und normaler Breite erkennen. Man hat den Eindruck, als sei es etwas nach rechts außen oben verdrängt. Wandkontur o. B., soweit sich das bei dem überaus korpulenten Manne genau erkennen läßt. Auch bei Drehung in der Längsachse erscheint das Coecum-Ascendens vor dem Schirm einwandfrei. Der Tumor ist ganz offenbar medial vom Darm gelegen. Es wird, da auch Transversum und Sigma sich klar darstellen lassen, an einen Mesenterialtumor gedacht.

Geschwülste des Coecum- Ascendens 41

Die kombinierte Lufteinlauffüllung klärte mit einem Schlag die Situation

(Abb. 45 u. 46). Wir sehen 1. einen unregelmäßig rundlich begrenzten, etwa 5x öcm großen Schatten in

Abb. 44. Einlauf. Fall Ro. Carcinoma coeci. An dem Bilde ist nichts Auf- x fälliges festzustellen. Bei der Palpation ließ Fall Ra. Nr. 2. sich der Tumor medial neben dem Ende der Kolonfüllung tasten.

Abb. 43. Carcinoma coeci. Resektionspräparat.

den Darm hineinragen, der auch bei Drehung um die Längsachse des Patienten stets im Darmluftfelde verbleibt.

3. Die Palpation ergibt, daß man diesen im Luftfelde sichtbaren Tumor nicht fühlen kann, sondern daß die fühlbare Ge- schwulst nach der Mitte zu liegt.

Hieraus ergab sich die Diagnose: Polypöse Geschwulst malignen Cha- rakters im Coekum mit großem Mesenterialdrüsentumor.

Abb. 45. Carcinoma coeci. Fall Ro. + Kontrast- Abb. 46. Zu Abb. 45. einlauf. + Luftaufblähung. Tumor erscheint sicht- bar im Coekumluftfelde.

Abb. 47 zeigt uns das durch Resektion gewonnene Präparat: Breitbasig sitzt der Tumor im Coekum! Erklärlich wird nun auch die Tatsache, daß diese Geschwulst durch die Darmfüllung mit Kontrastsalz, sei es nun in Form des Einlaufs oder der Passage nicht darstellbar gewesen war. Genau wie in der allgemeinen Besprechung (S. 31) an Hand von Skizzen ausgeführt ist, wurde hier der Tumor durch die strahlenundurch- lässige Kontrastmasse wegradiert. Zugeben muß man, daß bei einem weniger korpu-

42 A. W. Fischer

lenten Menschen doch vielleicht ein partieller Füllungsdefekt am unteren medialen Coekumrande bei seitlicher Drehung sich hätte erweisen lassen können.

Abb. 47. Carcinoma coeci. Fall Ro. Nr. 3. Resektionspräparat.

Diese beiden Fälle sind Typen des polypösen breitbasig aufsitzenden Krebses. Nun einige Bilder von infiltrativen Fällen:

Fall A Dr. N., Arzt, 40 J. 1922. Abt. 14a.

Seit 2 Jahren leichte Kolikschmerzen, vor 1 Jahr gelegentlich einer Appendektomie

Abb. 49. Zu Abb. 48.

Abb. 48. Carcinoma coeci. Fall Dr. N. Nr. 4. Breipassage nach 13 Stunden. Reste im Ileum. Stenosestraße an Stelle eines normalen Covecum- Ascendens (s. hierzu Pause Abb. 49). Breipassage: 1. Reste im Ileum

noch nach 13 Stunden. 2. Bei keiner Durchleuchtung war das Coecum-Ascendens normal gefüllt sichtbar. Stets fanden sich in diesem Bezirk nur unregelmäßige scharfzackige Flecken von Nuß-

Befund eines Coekaltumors. Röntgenbestrah- lung mit Diagnose Tuberkulose oder Karzinom.

Geschwülste des Coecum- Ascendens 43

bis Kastaniengröße. Erst von der Flexura hepatica an abwärts erschien der Dickdarm unverdächtig (Abb. 48 und 49).

Palpatorisch ließen sich die Darmteile auch nicht recht trennen. Abb. 37 gibt eine Pause als Erklärung, da in der Photographie die stenosierte Partie von dem Transversum über- lagert ist.

Einlauf.

1. Totaler Schattenausfall des Coecum- Ascendens,

2. Darmschattenfeld endigt an der Flexura hepatica ganz plötzlich mit spitzen Konturen (Abb. 50).

Lufteinblasung ohne Ablassen des Kontrasteinlaufes (Abb. 51 u. 52).

1. Totaler Schattenausfall des Coecum - Ascendens, das Luftfeld endigt in Höhe der Beckenschaufel.

2. Die Luftsäule endigt nicht in der für daa Coekum charakte- ristischen Form, sondern scharfzackig. Die Kontur ist an der Innenseite deutlich auf eine Strecke von 4cm verzerrt, auch an der Außenseite muß sie als unregelmäßig angesehen werden.

Abb. 53 gibt uns das durch Resektion gewonnene Präparat wieder:

Wir erkennen die enge Tumor- stenose, die Infiltration der Wand (Verdickung) auch anal vom Tumor, die Erweiterung des Ileum. Sehr gut sichtbar sind die Reste von Barium und Bolus in den geschwürigen Mu- kosaflächen. Diese Flecken wären sicher auch auf dem Einlauf und Luft- bild sichtbar gewesen, wenn nicht die Breipassage zuletzt von allen Un- tersuchungsmethoden durchgeführt worden wäre. Die Wandungen der Stenose lagen sehr eng aneinander, so daß sie weder von der Einlauf-

Abb. 50. Carcinoma coeci. Fall Dr. N. Einlauffüllung. Endigung spitzzackig in Ascendensmitte.

Abb. 51. Carcinoma coeci. Fall Dr. N. Nr. 4. Barium + Luftfüllung. Linke Seitenlage. Luftfeld endigt scharfzackig.

A S

Abb. 52. Zu Abb. 51.

flüssigkeit noch von der Luft entfaltet wurden, nur die konsistentere Breimasse hatte sich unter dem Druck der Peristaltik hindurchgezwängt.

44 A. W. Fischer

Fall 5. M., Offizier, 38 J. 1923. Abt. 14a.

Seit einem halben Jahre krank, Abmagerung, Durchfälle. Da Patient früher eine verdächtige Pleuritis überstanden hat, wurde der in der rechten Unterbauchgegend tastbare Tumor für eine pro- duktive Coekaltuberkulose angesprochen und erst nach Wochen der Patient der Klinik zugeführt.

Abb. 53. Karzinom des Coecum-Ascendens. Fall Dr. N. Nr. 4. Resektionspräparat.

Passage zeigt das typische Bild eines Füllungsdefektes im Sinne Stierlins. Nie- mals war das Coecum-Colon ascendens bis zur Flexura hepatica sichtbar, der Kontrast- inhalt schien diese Stellen zu überspringen. Wesentliche Verzögerung der Ileument-

leerung (12 Std.).

Einlauf zeigt (Abb. 54)

1. totalen Schattenausfall von Colon ascendens und Coekum, Endigung des Fül- lungsfeldes hoch über der Beckenschaufel.

N 2. Scharfzackige Endigung, soweit er- = kennbar und nicht durch die Biegungen an der Flexura dextra überlagert.

Ohne Ablassen des Einlaufs erfolgt die Lufteinblasung in linker Seitenlage. Zuerst erschien hell aufleuchtend die Flexura

` ! et ' hepatica, an der das Luftfeld endigte. Bei

N Ge A a an Erhöhung des Druckes sah man plötzlich

Kontur am oberen Ende des Colon ascen- Kleine Luftblasen auf einer engen Straße in

dens. Richtung auf die rechte Beckenschaufel

vordringen und sich dort zu einem scharf

umgrenzten rundlichen Felde sammeln. Kontrastflüssigkeit wurde auf diesem Wege nicht mitgerissen.

Die Aufnahme (Abb. 55 u. 56) gibt diesen Augenblick wieder. Wir erkennen

Geschwülste des Coecum- Ascendens 45

1. Gute Dehnung und Luftfüllung der Flexura hepatica und des an seiner Form erkennbaren Coekum. 2. Eine eben sichtbare unregelmäßige Luftstraße verbindet Flexura hepatica und

Tr.

Ee

Abb. 56. Zu Abb. 55.

Coekum.Kontrastflüssigkeitistnuram

analen Teil dieser Straße eingedrungen. Abb. 55. Carcinoma des Colon ascendens bei freiem 3. Die Endigung des Luftfeldes Coekum. Fall M. Nr. 5. Scharfzackige Endigung des ist wieder wie in den zuvor beschrie- Luftfeldes an der Flexura hepatica, Luft durch- b Fäll harfzacki eilt einen engen Gang und entfaltet das gesunde er ne Zn 18.

Coekum (Pfeile). Diagnose: Karzinom des Ascen-

dens bei Freisein des Coekum. Die Operation ließ das in Abb. 57 wiedergegebene Resektionspräparat ge- winnen. Es fand sich 1. eine enge karzinomatöse Stenose des Ascendens, 2. wie erwartet, ein unversehrtes Coekum, das infolge der Formalinschrumpfung nicht so ganz deutlich auf dem Bilde zu be- urteilen ist.

Das Sarkom der Coekalklappe.

Ein Röntgenbild eines solchen Falles zu bringen, sind wir leider nicht imstande, da der einzige in den letzten Jahren operierte Fall akut im lleus angegangen werden mußte, so daß eine radiologische Untersuchung nicht möglich war. Ich muß mich darauf beschränken, wenigstens eine Abbildung des resezierten Darmstücks zu geben (Abb. 58, Fall 6, Schm., 63 J. 1923. Abt. 14a).

Die Tuberkulose des Coecum-Ascendens.

An den Anfang möchte ich hier zwei dem Stierlinschen Buche entnommene Abbildun- Abb. 57. Karzinom des Ascendens. gen stellen (Abb. 59 u.60). Wir sehen hier bei der Fall M. Nr. 5. Resektionspräparat. Aufnahme (Fall 7) nach 6 Stunden den Kontrast- schatten bis zur Flexura lienalis vorgerückt. Das Coecum-Ascendens erscheint über haupt nicht, dagegen ist noch reichliche Kontrastmasse in den mit D bezeichneten Dünndarmschlingen vorhanden. Die zweite Abbildung (Fall 8) gibt ein ähnliches Bild, das aber noch durch die starke Gasansammlung (Luftkeule) in der Stelle der Flexura

46 A. W. Fischer

hepatica bemerkenswert ist. Die Pfeile markieren den haustrenlosen, kranken Darm- abschnitt. Beide Fälle sind operativ als Tuberkulose verifiziert.

Abb. 58. Sarkom der Ileocoecalklappe (faustgroßer Tumor). Fall Schm. Nr. 6. Resektionspräparat.

Fall 9. Fr., Arbeiter, 35 J., 1922. Abt. 32.

Seit 11, Jahren täglich leichte Kolikanfälle im Gebiet des Nabels, dauernd dabei etwas Durch- fall. In der rechten Hüftbeinschaufel des abgemagerten Mannes war eine wenig schmerzhafte Resi- stenz zu tasten.

Da

Abb. 59. Ileocoecaltuberkulose. Fall 7. Schatten- Abb. 60. Heocoecaltuberkulose. Fall 8. ausfall des Coecum-Ascendens. (Nach Stierlin.) Schattenausfall. Luftkeulenbildung. (Nach Stierlin.)

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Tuberkulose des Coecum-Ascendens 47

Auf die Breipassage wurde wegen des schlechten Allgemeinzustandes verzichtet.

Der Einlauf ergab

1. einen völligen Schattenausfall des aufsteigenden Dickdarms.

2. Über die Art der Endigung des Schattenfeldes läßt sich nichts aussagen, da das Ende aus dem Konvulut der Leberbiegung sich nicht differenzieren läßt (Abb. 61).

Ohne den Einlauf abzulassen, wurde Luft eingeblasen. Das so erzielte Bild ist in Abb. 62 u. 63 dargestellt. Wir erkennen

1. eine Endigung des Luftfeldes in einer nicht für das Coekum charakteristischen Form in Höhe der Beckenschaufel, also etwa 6 cm zu hoch!

Abb. 61. Tuberkulose des Coecum- Abb. 62. Tuberkulose des Coecum-Ascendens. Kom-

Ascendens, Fall Fr. Nr. 9. Einlauf stockt binierte Einlaufluftfüllung. Füllungsdefekt des erkrank-

an der Leberbiegung. ten Abschnitts. Bogenförmige Abschlußlinien (charak- teristisch für Tuberkulose).

2. Die Endigung zeigt eine rund- liche Luftfeldbegrenzung und einige feine Flecken im Luftfelde, die als Bariumreste in Geschwürsböden an- gesehen werden müßten.

KS

Auch bei Erhöhung des Druckes s war ein Weitervordringen der Luft nicht zu erreichen. S

Diagnose: Infiltrativ ulzeröser Abb. 63. Zu Abb. 62. Prozeß des Coecum-Ascendens. Tu- berkulose wahrscheinlich, da Endigung des Luftfeldes rundlich und nicht zackig wie beim Karzinom.

Die Operation brachte uns den in Abb. 64 wiedergegebenen tuberkulösen Coekal- tumor, dessen Betrachtung nun einige Rückschlüsse auf den Luftfüllungsmechanismus zuließ. Wir sehen die sehr erhebliche Wandverdickung, die den Tumor in seinem der Klappe nächstgelegenen Teile durchaus karzinomverdächtig erscheinen läßt, während die warzigen Gebilde in dem mehr analwärts befindlichen Bezirk einwandfrei tuber- kulös sind. Das Ileum ist wandverdickt und erweitert. Die Darmwand des Ascendens ist im übrigen völlig normal und zeigt keine weitgehende Infiltration, wie häufig in Kar- zinompräparaten. Bei der Aufblähung ist es hier zu einem Taschenklappenmechanis- mus gekommen, den ich auf S. 36 bereits an Hand einer schematischen Abbildung

48 A. W. Fischer

erörtert habe. Der Luftdruck hat hier die portioartig in das Lumen vorspringende Ste- nose zusammengedrückt und so ein weiteres Vordringen selbst der so leicht beweglichen Luft verhindert. Die als Flecken erschienenen Geschwüre sind desgleichen im Prä-

Abb. 64. Tuberkulose des Coecum-Ascendens.

Fall Fr. Nr. 9. Resektionspräparat.

parat erkenntlich.

Fall 10. W. v. H., 9J. 1922. Abt. 29.

In der Heredität Lungentuberkulose. Seit !/, Jahre Koliken und Durchfälle, Fieber. Fortschreitende Kachexie.

Lokalresistenz in der rechten Becken- schaufel.

In Rücksicht auf den elenden All- gemeinzustand wurde auch hier von der Passage Abstand genommen und gleich mit der Einlaufuntersuchung begonnen.

Einlaufbild (Abb. 65). Wir sehen

1. rasche Haustrierung als Zei- chen der Übererregbarkeit, 2. an Stelle einer normalen

Ascendensfüllung eine wolkige Marmorierung, die sich unvermittelt an einen Bezirk

normaler Füllung anschließt,

3. auffällig zackige Konturierung des Sigma, die ebenfalls Verdacht auf einen patho-

logischen Wandprozeß erweckt.

Kontrolle durch mehrfache Einläufe ist unterblieben.

Abb. 65. Ileocoekaltuberkulose. Kontrast- Abb. 66. Ileocoekaltuberkulose Fall v. H. Nr. 10. einlauf. Fall v. H. Nr. 10. Bild zeigt eine Einlauf und Luftfüllung. Schlechte Entfaltung des

deutliche Stenose des Colon ascendens und

Coecum mit ganz zerrissener Füllung. Der

orale Schenkel der Sigmaschlinge ist eben-

falls verdächtig, da seine Füllung sehr un- regelmäßig ist.

Coecum-Ascendens, Fleckung, unregelmäßige

Kontur.

Tuberkulose des Coecum-Ascendens 49

Nach teilweiser Entleerung des Einlaufes erfolgt Einblasen von Luft per anum.

Die so gewonnene Abb. 66 zeigt

1. ein wohl entfaltetes sauber konturiertes Sigma ohne Ulkusflecken, 2. normale Dehnungsfähigkeit des Darms bis zur Mitte des Colon ascendens,

Abb. 67. Tuberkulose des Coecum-Ascendens. Fall v. H. Nr. 10. Resektionspräparat.

3. Mangelhafte Entfaltung des unteren Ascendens und Coekum, 4. unsaubere, fleckige Konturlinien des Coekum von unregelmäßig rundlichem

Verlauf,

5. Fleckung des Lumenfeldes des Coecum-Ascendens,

6. Luftblasen im unteren-Dünn- darm.

Die Diagnose wurde auf infil- trativ ulzeröse Tuberkulose des un- teren Ascendens und Coekum gestellt. Operativ wurde sie bestätigt; der beim Einlaufbild im Gegensatz zum Luftbild verdächtige Teil der Sigma- schlinge wurde als normal befunden.

Abb. 67 gibt das aufgeschnittene Präparat wieder. Wir erkennen einen ım Transversum, der Flexura hepa- tica und dem Beginn des Ascendens durchaus normalen Dickdarm. Genau mit unsern röntgenologischen Befun-

Abb. 68. Resektionspräparat (Abb. 67) gefüllt mit Bariumaufschwemmung. Zum Vergleich mit Abb. 65.

den übereinstimmend sehen wir den Beginn der pathologischen Wandveränderung halbhandbreit distal der Bauhinschen Klappe. Die Mukosa ist hier nicht mehr glatt,

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 4

50 A. W. Fischer

in ihrer geschwürigen Oberfläche ist es hier und da zum Haftenbleiben von Barium- Bolus gekommen. Schwer verändert ist hier auch der Dünndarm. Es ist aus diesem Bilde ohne weiteres ersichtlich, daß der erkrankte Dickdarm der Entfaltung durch Flüssigkeit und Luft nicht folgen kann. Und doch muß dieser Darmteil trotz seiner verminderten Dehnungsfähigkeit noch eine, wenn auch geringe Kontraktilität besessen haben, da er sich nach der Resektion als Präparat stärker mit Kontrastflüssigkeit füllen ließ (Abb. 68) als intra vitam.

Stierlin hat mehrfach betont, daß auch die nicht tumorbildende Tuberkulose zu dem Symptom des Schattenausfall führt. Entsprechend unserm Thema können wir uns damit nicht befassen, immerhin möchte ich einige Bilder von Kremer hier an- fügen, der nach der Methode von Fischer tuberkulöse Darmgeschwüre diagnostizierte und sie autoptisch bestätigte. Abb. 69 u.70 zeigt durch Pfeile markiert einen solchen Ge- schwürsschatten, dem das ebenfalls wiedergegebene Sektionspräparat entspricht (Abb. 71).

Einer der besten Kenner und Bearbeiter der Ileocoekaltuberkulose, Stierlin, hat ihre Symptome in folgender Weise präzisiert.

A. Stenosierende Form

1. obligatorisch: a) grober Schattenausfall (zirkumskripte Hypermbotilität), b) Persistierender Dürndarmschatten ; 2. fakultativ: a) glatte Konturierung, b) Streifung, c) Marmorierung.

B. Nicht stenosierende Form

1. obligatorisch: grober Schattenausfall, 2. fakultativ: a) Persistierender Dünndarmschatten (Ileocoekalklappeninsuffizienz), b) glatte Konturierung, c) Streifung, d) Marmorierung.

Diese Einteilung hat sich als durchaus zweckmäßig erwiesen. Der Schattenausfall ist nicht immer grob", oft ist er nur ein teilweiser Füllungsdefekt oder eine unregel- mäßige Füllung. Er kommt sowohl bei der Einlaufuntersuchung als auch bei der Brei- passage zur Beobachtung. |

Bei den Geschwülsten (malignen wie entzündlichen) des Coecum-Ascendenssah Stier- lin oft eine auffällige Kürze des Colon ascendens, die Kienböck als transversale und longitudinale spastische Zusammenziehung infolge erhöhter Reizbarkeit der Schleim- haut anspricht. Stierlin hält dem entgegen, daß Voraussetzung für eine solche spastische Kontraktion das Erhaltensein der Kontraktilität überhaupt ist und er glaubt in den meisten Fällen eine reelle narbige Schrumpfung verantwortlich machen zu müssen.

Differentialdiagnose zwischen Karzinom und Tuberkulose des aufsteigenden Dickdarms.

Stierlin hat, wie ich bereits bei Besprechung des Schattenausfalls betonte, darauf hingewiesen, daß eine Unterscheidung zwischen der produktiven Tuberkulose und dem infiltrativen Karzinom des aufsteigenden Diekdarms nicht möglich sei: „wir dürfen nicht vergessen, daß derselbe (Schattenausfall) nur ein Ausdruck der

Differentialdiagnose: Karzinom oder Tuberkulose 51

Abb. 69. (Aus Kremer, Beitr. z. Tuberkulose, Abb. 70. (Aus Kremer, Beitr. z. Tuber- Bd. 58.) Coecum + Colon Ascendens. Tuber- kulose, Bd. 58.) Col. desc. + Flex. lienalis. kulöse Geschwüre. Tuberkulöse Geschwüre.

Abb. 71. (Aus Kremer, Beitr. z. Tuberkulose, Bd. 58 S. 140—142.) Resektionspräparat der Abb. 69, 70. Die Ringschatten entsprechen kleinen infiltrativen Mukosadefekten.

jr

b2 A. W. Fischer

grobanatomischen Wandveränderung des Darmes und seiner dadurch veränderten Funktion ist.

Immerhin gibt es eine Reihe von Symptomenkomplexen, die sich in der einen oder andern Richtung verwerten lassen.

Das Alter kann nicht differential- diagnostisch in Rechnung gestellt werden, vielfach sieht man gerade in der Ileocoekalgegend schon Karzinom- fälle im Alter zwischen 30 und 40 (de Quervain). Das sei vorwegbemerkt, da es vielfach nicht bekannt ist.

Stierlin betont, daß eine schär- fere Begrenzung des Tumors in Ver- bindung mit einem relativ wenig aus- gedehnten Schattenausfall im Röntgen- bilde für Karzinom spreche. Dagegen ist bei einem großen Schattenausfall etwa bis zur Flexura hepatica und Fehlen eines palpablen Tumors ein Abb. 72. Parametritischer Abszeß. Fall H. Nr. 11. Karzinom mit großer Wahrscheinlich- Einlauffüllung. Bild seitenverkehrt. Colon ascendens keit auszuschließen, denn ein derart

unregelmäßig entfaltet, in der Mitte verengt. ausgedehntes Karzinom ist in der Regel auch als Geschwulst zu tasten.

Aßmann weist darauf hin, daß nach seiner Erfahrung ein Karzinom meist schärfer gegen die Umgebung abgegrenzt erscheint und daß die karzinomatösen Erkrankungen eine unregelmäßigere Oberfläche bieten als die tuberkulösen Prozesse.

A. W. Fischer hat desgleichen versucht, röntgenologische Symptome für eine Unterscheidung ausfindig zu machen. Bei der kombinierten l.uufteinlauf- füllung sprechen scharfzackige spitzige Formen der Luftfeldbegrenzung für einen malignen Tumor, dagegen ist die Tuberkulose durch mehr rundliche Formen gekennzeichnet. Als Erläute- rung verweise ich auf die Fälle Abb. 62 und 66. Pathologisch anatomisch ist diese Differenz in der mehr oder min- der starren Infiltration der Wand be- gründet. Beim infiltrativen Karzinom

Abb. 73. F all Hab. Parametritischer Abszeß, Dar- ist die Wand meist härter und unnach: stellung des Coecum und Colon ascendens nach der

kombinierten Methode. Die Pfeile bezeichnen die Biebiger als bei der infiltrierenden Tuber- verengerte Stelle. Man beachte die unregelmäßige kulose. So wird esausdem histologischen Form der Darmkontur. Aufnahme in linker Seitenlage. Bilde verständlich, warum bei der Luft-

dehnung der härtere Wandteil sich gegen den normalen schärfer und zackiger ansetzt als bei minder starrer Umwandlung der Schich- ten. Im wesentlichen stimmt diese Anschauung Fischers mit den Aufzeichnungen Stier- lins überein. in der Literatur ist sie noch nicht Gegenstand der Diskussion gewesen. Es muß sich erst herausstellen, ob auch an einer größeren Zahl von Fällen sich eine so überaus wichtige differentialdiagnostische Entscheidung allein nach dem Röntgenbild treffen läßt.

Die Pseudotumoren des Coecum-Ascendens 53

Die Pseudotumoren des Coecum-Ascendens.

Gemeinsam ist den Pseudotumoren, daß sie fast nie mit der Ausbildung von Ge- schwüren der Schleimhaut einhergehen, sondern daß sie meist von außen her den Darm einengen. Eine Reihe eigener Bilder möge die hier zu erwartenden Befunde im Röntgen- bilde veranschaulichen.

Fall 11. Frl. Hab., 26 J. 1922. Abt. 25.

Vor 10 Wochen Partus. Seit 6 Wochen krank, Schmerzen im Unterleib und in der rechten Seite. Von anderer Seite Diagnose Ileocoekaltuberkulose.

Einlaufuntersuchung ergibt (Abb. 72)

1. in der Mitte des Colon ascendens unregelmäßige Konturierung und Verengerung des Schattenbandes,

2. Abknickung der Darmlängsachse nach lateral an dieser dem palpablen Tumor entsprechenden Stelle.

Dieser Befund ist konstant!

Nach Ablassen der Einlaufflüssigkeit keine Reste in der verengerten Stelle.

Ohne Ablassen des Einlaufs wird Luft eingeblasen und in linker Seitenlage zeigt sich uns ein Bild, das durch die Pause Abb. 73 wiedergegeben ist. Der Dickdarm hat sich gut entfaltet mit Ausnahme der schon im Einlaufbilde verdächtigen Verengerung. Hier besteht also ganz sicher eine Hemmung in der Entfaltungsfähigkeit des Darmes, die so- wohl in als auch außerhalb der Darmwand gelegen sein kann. Fleckungen des Luft- feldes, wie man sie bei Ulzerationen erwarten müßte, sind nicht sichtbar.

Da somit ein Geschwür sich nicht nachweisen ließ, anderseits die Konturen nicht die Scharfzackigkeit einer Karzinomstriktur aufwiesen, wurde die Diagnose auf einen der Darmwand anliegenden entzündlichen Prozeß ohne Mukosaveränderungen gestellt.

Die Operation ergab einen Abszeß, der in der Beckenschaufel aufwärts gestiegen war und hier halbzirkulär von Netz bedeckt den Darm umgab. Ausgang der Eiterung bildete eine postpuerperale Parametritis. Der Darm war durch entzündliche Schwielen gefesselt, seine Wandung selbst aber nicht erkrankt.

Einen ähnlich gelegenen Fall sahen wir als Folge eines appendizitischen Abszesses und konnten ihn als Parallele zu Fall 11 richtig deuten.

Fall 12. Frau Hi., 32 J. 1924. Abt. 27.

Seit % Jahr ohne akuten Beginn Schmerzen im Leib besonders in der rechten Seite, erhebliche Abmagerung, Anamnese tuberkulose-verdächtig.

Zur Diskussion als Erklärung für den palpablen, offenbar dem Colon ascendens angehörigen Tumor steht Karzinom und Tuberkulose.

Breipassage: Nach 5 Std. Füllung des Coecum-Ascendens, sehr tiefe Haustrierung mit regelmäßigen Konturen. Ileum noch gering gefüllt (Abb. 74). Nach 7 Std. Ileum leer. Weitere Passage ohne Besonderheiten. Bei Druck auf den Tumor bewegt sich der Darm, die Geschwulst entspricht der Mitte des Colon ascendens und liegt etwas nach außen vom Darmfelde.

Kontrasteinlauf:

Die Füllmasse gelangt nur bis zur Mitte des Colon ascendens an den Tumor heran und läßt sich durch alle erdenklichen Mittel nicht weiter vortreiben. Sowie man den Druck erhöht, sieht man eine spastische handbreite Einschnürung im rechten Transver- sumteil beginnen, gleichzeitig wird das Descendens und Sigma stark gefüllt und über heftigen Stuhldrang geklagt. Nach diesem Bilde (Abb. 75) bestand also ein totaler Schattenausfall des Coecum-Ascendens. Die Endigung des Schattenfeldes ist nicht zackig, sondern anschließend sind noch einige feine wolkige Fleckchen sichtbar.

54 A. W. Fischer

Jetzt wird Luft eingeblasen und in linker Seitenlage untersucht (Abb. 76).

Durch den Druck der Luft hat sich die Kontrastflüssigkeit weiter vortreiben lassen, Luft und Flüssigkeit haben nun ein weit in das kleine Becken reichendes Coekum ent- faltet. Die Wandkonturen des Coekum und unteren Ascendens erweisen sich als völlig normal, auch an der Tumorstelle scheint der Darm ganz einwandfrei bei der Durch- leuchtung auszusehen. Auf der Platte jedoch erkennt man an der Tumorstelle an der Außenseite eine zweifellos anormale Unregelmäßigkeit des Wandverlaufs. Auch eine zweite Aufnahme, die zur Kontrolle von der gleichen Stelle gemacht wurde, bestätigte die Annahme eines irregulären Konturverlaufs. Hier hatten wir also inkongruente Be- funde. Bei der Passage ein normales Bild, beim Einlauf einen Füllungsdefekt offenbar durch Spasmus in der Ascendensmitte und bei der Luftaufblähung eine unregelmäßige

Abb. 74. Appendizitischer Abszeß am Abb. 75. Appendizitischer AbszeB im Colon Colon ascendens. Fall Hi. Nr. 12. ascendens. Fall Hi. Nr. 12. Füllungsdefekt bei Breipassage. Einlauf (seitenverkehrt).

Wandzeichnung an der Tumorstelle ohne Fleckung des Lumenfeldes, also ohne Ulze- ration.

In Analogie zu Fall 11 schloß ich auf einen entzündlichen Prozeß, dessen Natur natürlich offen bleiben mußte. Rein zahlenmäßig war in erster Linie an eine Appen- dizitis zu denken, aber auch Aktinomykose oder dgl. konnte in Betracht kommen.

Die Operation zeigte eine sehr lange Appendix, die retrocoekal nach oben außen geschlagen war und in einem harten Tumor mündete, der beim Eröffnen seines schwie- ligen Mantels Eiter entleerte. Zuerst wurde an eine Appendixaktinomykose gedacht, ein Verdacht, der sich histologisch aber nicht bekräftigen ließ. Dieser Tumor lag der Außenwand des Ascendens in dessen Mitte an und hatte so zu der sekundären Wand- infiltration geführt.

Große diagnostische Schwierigkeiten bereitete uns

Fall Nr. 13. Ros., Student, 24 J. 1924. Abt. 30.

In der rechten Unterbauchgegend entwickelte sich ohne wesentliche Beschwerden eine faustgroße indolente harte, höckrige Geschwulst. Vermutungsdiagnose Becken- sarkom, Coekaltumor. Kein Fieber.

Pseudotumouren des Coecum-Ascendens 55

Breipassage ergab zwar mehrfach ein schlecht entfaltetes Ascendens etwa in seiner Mitte, zeigte aber einmal auch einen durchaus normal geformten Schattenriß des Coecum-Ascendens.

Einlauf bringt das Coekum gut zur Darstellung. Tumor entspricht einem Ort beckenwärts des Coekalendes. Luftblähung zeigt gut entfaltetes Coekum.

Pneumoperitoneum Prof. Goetze (Abb. 77). Bauchdecken erweisen sich am Tumor spindelig verdickt, diese Verdickung stellt den Tumor dar. Das noch teil- weise mit Kontrastbrei gefüllte Coekum ist gerade an der Stelle größter Tumorbreite fixiert. Verwachsungen ziehen von Coecum-Ascendens zum Tumor.

Diagnose: Appendizitischer Abszeß

indie Bauchdecken perforiert. Operation

N erweist die Richtigkeit dieser Diagnose.

/ d Wesentlich hochgradigere Verände-

rungen wies das Röntgenbild in einem

Abb. 76. Appendizitischer Abszeß. Pause der

Platte Fall H. Nr. 12. Kombinierte Barium-

luftfüllung. Linke Seitenlage. Pfeile zeigen die

konstante Wandunregelmäßigkeit, die der pal- pablen Geschwulst entspricht.

Abb. 77. Appendizitischer Abszeß mit Pene- tration in die Bauchdecke Fall R. Nr. 13. Pneumoperitoneum (Prof. Goetze). Linke Abb. 78. Stenose des Dickdarms bei Peritoneal- Seitenlage. Coecum zieht noch zum Teil gefüllt tuberkulose. Fall H. Nr. 14. Kontrasteinlauf

zu einer spindeligen Verdickung der Bauch- und Lufteinblasung. Aufnahme im Stehen. Ste-

decken, die dem tastbaren Tumor entspricht. nose im rechten Transversum und im Ascendens.

Verwachsungsstränge verbinden das Coecum Pfeile bezeichnen Stenose und kleine Luftblase mit der Geschwulst. Plattenpause. im Coecum (Peritonealtuberkulose).

Fall von obliterierender Peritonealtuberkulose auf, bei der der Darm ebenfalls durch die tuberkulösen Drüsentumormassen nur sekundär beteiligt war. Ich gebe von diesem Fall nur den Einlaufbefund:

Fall 14. Frau H 38 J. 1922. Abt. 35.

Wir erkennen auf dem im Stehen aufgenommenen Bild nach kombinierter Luft- bariumfüllung eine enge Stenose im rechten Transversum, dann eine Füllung an der Flexura hepatica und einen spitzen Fortsatz in Richtung des Colon ascendens. Durch Seitenlagerung und mäßige Erhöhung des Luftdruckes gelang es dann, die beiden Ste- nosen noch deutlicher zur Anschauung zu bringen. Die Luft füllte offenbar auch den

56 A. W. Fischer

Endteil des Ileum aus. In den Luftfeldern war keine Fleckung als Anhalt für geschwü- rige Prozesse sichtbar (Abb. 78).

Die Obduktion zeigte eine schwielige Infiltration der Darmwand verbunden mit einer ungeheuren Bauchfelltuberkulose, die das Netz und die Därme unlösbar fest ver- kittet hatte. Im Dickdarm selbst waren keine Ulzera sichtbar.

Der Literatur entnehme ich zwei Bilder aus diesem Gebiete, die mir eine wichtige Ergänzung meiner eigenen Fälle zu geben scheinen:

Fall 15. Goldammer, 56 jähr. Frau.

Seit Jahren Schmerzen in der rechten Seite, Entwicklung einer Geschwulst, starke Abmagerung. Diagnose Dickdarmkarzinom. Lokal in der rechten Unterbauchgegend eine reichlich faustgroße harte, höckrige, auf Druck

kaum empfindliche Geschwulst. Einlauf zeigt eine normale Füllung bis

an den Tumor, dann verliert der Darm seine normale Form und auf daumenbreiter, unscharf konturierter Straße fließt die Kontrastmasse in das Coekum und Ileum. Das Querkolon ist in der Klappengegend unverschieblich mit dem Tumor verwachsen. Ein derartiges Bild mußte als Karzinom gedeutet werden (Abb. 79).

Die Operation ergab aber einen faust- großen entzündlichen Tumor, in dessen Mitte die Appendix lag. Die Schleimhaut des Coekum war unverändert.

Durchausähnliche Bilder bringt uns Ström. Er betont, daß ein perityphlitisches In- filtrat ein Bild ergeben kann, das rönt- genologisch ganz der Ileocoekaltuber- kulose oder einem malignen Tumor gleicht. Das bei Kontrasteinlauffüllung des Dickdarms gewonnene Bild zeigt ebenso wie Abb. 79. (Nach Goldammer.) Appendi- das Bild bei der Breipassage einen Füllungs- zitischer Tumor. Einlaufbild. Fall Nr. 15. defekt in der Mitte des Ascendens, während

das Coekum gut gefüllt erschien. Abb. 80 ent-

spricht der Situation 24 Stunden nach Ein- nahme der Kontrastmahlzeit, Abb. 61 der Einlauffüllung. Der Schattenausfall ist beim Einlaufbilde nicht komplett, man erkennt eine unregelmäßige Füllung, die eine Stenose zu beweisen scheint. Die Operation ergab eine nach oben geschlagene Appendix mit Spitzenperforation.

Die meiste Zeit und Mühe kosten uns die „Verdachtsfälle“, bei denen nach langwieriger Untersuchung eine Beteiligung des Dick- darms an irgendeinem Symptomenbild abgelehnt werden muß. So möchte ich zwei solcher Fälle hier kurz skizzieren, die beide das Coecum-Ascendens betreffen, bei beiden war klinisch der dringende Verdacht auf einen malignen Tumor dieser Gegend ausgesprochen.

Fall 16. Dr. Sch.-K., 60 J. 1924. Abt. 14a.

Seit Monaten bemerkt Patient in der rechten Unterbauchgegend einen Tumor, den er verschieben kann, der angeblich wechselnd groß ist. Keine Obstipation, kein Durchfall.

Lokal ist ein lateral und medial etwas verschieblicher Tumor vorhanden, der wechselnd gut: zu tasten ist; er scheint bis an den Rippenbogen und, bis in das kleine Becken zu reichen.

Pseudotumoren des Coecum-Ascendens 57

Einlaufuntersuchung: Der Einlauf erfüllt den Dickdarm rasch bis zur Flexura hepatica, hier stockt die Masse etwa in Gegend des Tumors, aber bei Lagerung auf die rechte Seite fließt der Einlauf auch in das Ascendens und bringt dieses und das Coekum vollauf normal zur Darstellung. Kein Füllungsdefekt. Der Tumor ist deutlich am me- dialen Ascendensrande zu tasten, zum Teil scheint er das Ascendens zu überlagern.

Abb. 80. (Nach Ström.) Appendizitis- Abb. 81. (Nach Ström.) Appendizitis- Füllungsdefekt (seitenverkehrt). Füllungsdefekt (seitenverkehrt).

Auch die Luftblähung zeigte völlig normale Dehnungsfähigkeit des Diekdarms und keinerlei Anhalt für einen Darmtumor, nur der Anfangsteil des Transversum, der bei der Einlauffüllung gut sichtbar gewesen war, ließ sich nicht recht entfalten. Abb. 82 zeigt das Coecum-Ascendens. Besonders aufmerksam möchte ich auf die eigenartigen polypenähnlichen Schatten machen, die schräg getroffenen Suleis entsprechen.

Dieser röntgenologische Befund ließ den zuerst be- stehenden Verdacht auf einen Coekaltumor aufgeben. R er Es konnte sich nur um einen außerhalb des Darmes ge- A legenen Tumor handeln, der offenbar nicht zu einer infiltrativen Beteiligung der Darmwand geführt haben konnte.

Von klinischer Seite wurde nach dem Ausschluß eines Darmtumors die Diagnose auf einen ungewöhnlich Abb. 82. Polypenverdächtige großen Gallenblasenhydrops gestellt. Die Operation be- Pildungen im Coecum-Ascendens stätigte diese Diagnose. So wurde auch klar, warum ee ee,

j l à l pentsprechen. Fall Sch. K. N. 16. beim Einlauf eine Stockung in der rechten Transversum- Kombinierte Bariumluftfüllung. hälfte dicht an der Flexura hepatica aufgetreten war Linke Seitenlage. Plattenpause. und warum hier die Luftfüllung den Darm nicht gut dargestellt hatte. An dieser Stelle lag die hydropische Gallenblase über dem Darm und drückte auf ihn, ohne aber mit ihm verwachsen gewesen zu sein.

Noch ein weiterer Fall von Tumorverdacht sei kurz angefügt:

Fall 17. A., Kaufmann, 43 J. 1924. Abt. 12a.

Beschwerden sind verdächtig auf einen Tumor der Coekalgegend mit beginnender Stenosierung. Nebenbei bestehen Symptome einer Neurasthenie. Ein Tumor in der rechten Beckenschaufel ist nicht zu tasten.

58 A. W. Fischer

Die Einlaufuntersuchung ergibt rasche Füllung bis zum Transversum, schon bei der Füllung rasch vorübergehende Spasmen in diesen Darmteilen, die mit Erweiterungen abwechseln. Das Ascendens füllt sich nur im Beginn, Erhöhung des Druckes und Lagerung auf die rechte Seite erzielen ebensowenig wie Massage eine Ausfüllung des Coekum.

Es wird nun nach einer Pause Luft eingeblasen, die gut vertragen wird und die die Einlaufmasse weiter vortreibt. Es erscheint ein sehr weites, ganz offenbar dilatiertes Coekum und unteres Ascendens, die Füllmasse tritt durch die schlußunfähige Klappe in das untere Ileum über.

Wir sehen also nichts von Tumor, aber ein sicheres, nicht wandveränderndes Hin- dernis in der Mitte des Ascendens, das zu einer Dilatation des Coekum und des Ascen- densbeginns geführt hat und eine Insuffiziens der Valvula Bauhini bewirkt hat.

Die Operation bestätigte diese Diagnose vollkommen, die Appendix lag nach oben geschlagen an der Leber durch Verwachsungen fixiert und so war das Ascendens in seiner Mitte abgeknickt. Diese Knickung hatte die Beschwerden, leichte Koliken, Druck- schmerz und durch Erweiterung des Coekum ein Blähungsgefühl in der rechten Seite verursacht.

Die Invaginationstumoren.

Am Abschluß der Besprechung der Coecum-Ascendenstumoren sei noch einer Affektion gedacht, die uns, wenn auch nur in seltenen Fällen, differentialdiagnostisch beschäftigen wird. Von den Patienten mit Invagination kommen für die Röntgen- untersuchung nur die Fälle ohne Ileus in Betracht, da für die Verschlußfälle die Indi- kation sofortiger Operation besteht.

Aus den Fällen der Literatur (Groedel, Stierlin, Altschul, Lehmann, Muff, Czepa, Regnier, Karewski, Kloiber) geht hervor, daß sich die Diagnose in Fällen einer lockern, nicht einen völligen Verschluß bedingenden Invagination unschwer stellen läßt.

Die Kontrastbreipassage weist die Stenose nach, meist ist die Entleerung des Ileum erheblich verzögert, dieses dilatiert (Fall Groedel auf Dickdarmbreite). Eindrucks- voll sind besonders die durch den Kontrasteinlauf erzielten Bilder. Zur Erläuterung seien einige Fälle kurz skizziert.

Fall 18. Altschul: 61 jähr. Patientin.

Schmerzen in Magengegend und rechtem Unterbauch, Stuhl bandartig, mühsame Entleerung. Zunehmende Verstopfung.

In der Ileocoekalgegend ist ein längsovaler, von rechts oben nach links unten verlaufender, ver- schieblicher Tumor zu tasten.

Einlaufuntersuchung ergebnislos.

Breipassage: Abb. 83 zeigt die Situation nach 12 Stunden. Unteres Ileum dila- tiert, stark gefüllt. Schattenausfall des Coecum-Ascendens. In Gegend der Flexura hepatica ein breiter zerklüfteter Schatten ohne Haustration. Dieser Schatten endigt blindsackartig handbreit analwärts der Leberbiegung des Colon, sein Ende ist konisch zugespitzt und zu beiden Seiten von Gasblasen umgeben. Gegen das übrige, völlig nor- mal aussehende Transversum ist der Schatten durch einen schmalen halbkreisförmigen hellen Streifen abgegrenzt.

Diagnose: Invagination des Ileum in das Coecum-Ascendens: Operativ be- stätigt. Ursache kein Tumor.

Das negative Resultat der Einlaufuntersuchung erklärt Altschul mit dem Wechsel im Befunde dieser nicht straffen Invaginationen. Oft geht sicher die Invagination zu- rück, wenn die Leute einige Tage bei leichter Kost im Bette liegen. Auch kann es wohl

Invaginationstumoren 59

vorkommen, daß durch den Einlauf das Invaginatum zurückgedrängt wird. Das mag vielleicht auch in dem Falle Groedels ähnlich gewesen sein.

Muff hat auf die Verkürzung des Dickdarms im Bereiche der Intussuszeption hin- gewiesen, die Haustren waren dadurch rosetten- bzw. harmonikaartig zusammengescho- ben, die Flexuren standen tief. Im Bereich des Colon ascendens sah er ein schmales Schattenbild, das sich im Anfang des Transversum in einen feinen Schattenstreifen auflöste.e Um dieses dem Invaginatum entsprechende Schattenband lag das gasgefüllte Invaginans (Coekum und Ascendens). Auf die Verkürzung und den Tiefstand der Flexur hat auch Karewski aufmerksam gemacht. Daß nicht in jedem Falle von In- vagination auch eine Verzögerung der Breipassage vorliegt, beweist ein sehr schön durch

Abb. 83. Invagination. Fall Altschul. Brei- passage 12 Std. p. c.

Abb. 85. Mesenterialstein, der verkalkten Mesenterialdrüsen entspricht und zu Täuschun- Abb. 84. Invaginatior. Fall Czepa. Einlauf gen Veranlassung geben kann. (Abbildung ist

umscheidet das Invaginatum. seitenverkehrt!)

das Einlaufsbild geklärter Fall von Lehmann. Sehr instruktive Bilder nach Kontrast- klysmaapplikation sind von Czepa und Lehmann veröffentlicht.

Fall 19. Czepa, 40 jähr. Frau.

Seit Monaten Schmerzen, Obstipation.

Palpabel länglicher Tumor von der Ileocoekalgegend bis zum Nabel.

Der Einlauf läuft ohne Schwierigkeiten bis zur Mitte des Transversum, hier endigt er halbkreisförmig, als ob er einen kugeligen Tumor umflösse. Von dieser Stelle ist nach der rechten Beckenschaufel zu der oben erwähnte Tumor tastbar (Abb. 84).

Die Obduktion (Operation war abgelehnt worden) zeigte eine Invagination des unteren Ileum auf eine Strecke von 30 cm in das Colon. Kein Tumor an der Spitze des Invaginats.

Ein ganz gleichartiges Bild stammt von Lehmann, hier floß die Füllmasse noch mehrere Zentimeter um das Ende des Invaginats oralwärts.

In den Fällen von schwerem Ileus kann das Verfahren von Kloiber: Durchleuch- tung ohne Kontrastmittel wertvoll sein.

60 A. W. Fischer

Mesenterialsteine als Täuschungsquellen.

Verkalkte Mesenterialdrüsen geben ebenfalls einen Schatten im Röntgenbilde, der außerordentlich dem eines bariumerfüllten Darmstücks gleichen kann. Um auf diese Möglichkeit aufmerksam zu machen, füge ich eine derartige Abbildung bei (Abb. 85).

B. Die Tumoren an der Flexura coli dextra.

Wie an jeder Biegung des Dickdarmes, so ist auch hier die Übersicht über die Schlin- gen erschwert. Trotz aller Mühe ist es oft ganz außerordentlich schwierig, sich ein klares Bild über diesen Darmabschnitt zu verschaffen. Die Abb. 86 gibt schematisch einen Überblick über den Verlauf des Darmes an der Leberbiegung, der hier einmal in hori- ziontaler, dann in sagittaler Ebene sich wendet. Neben all den schon aufgeführten Tu- moren und Pseudotumoren handelt es sich hier auch des öfteren um die Feststellung,

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Abb. 86. Verlauf des Dickdarmes an der Abb. 87. Carcinoma vesicae felleae. Fall G. Nr. 20. Flexura hepatica (schematisch nach einemFor- Lufteinblasung. Tumor x erscheint im Colon- molpräparat von Corning). luftfelde. Plattenpause. Aufnahme im Stehen.

ob ein tastbarer Tumor der Gallenblase oder dem Darm angehört. Einen Fall dieser Art, bei dem die Gallenblase dem Ascendens anlag, habe ich schon auf S. 57 mitgeteilt. Für die Beurteilung solcher Fälle muß man alle zur Verfügung stehenden Methoden, also Passage, Einlauf und Bariumluftfüllung heranziehen. Erschwert wird die Dar- stellung dieses Darmteils noch durch die sehr häufigen Verwachsungen zwischen dem Ascendens und Transversum, die eine spitzwinklige Gestaltung des Flexur bewirken. Sehr vorteilhaft ist die Durchleuchtung in Bauchlage. Bei Untersuchung im Stehen wird man nicht viel sehen können, denn der Schwere nach sinkt die Füllung in die tieferen Darmteile. Für die Luftuntersuchung allein ist Durchleuchtung im Stehen das Ge- gebene, da die Luft den Darm aufwärts treibt und ihn zwingt, sich der Leber anzulegen. Gallenblasentumoren erscheinen dann als Hervorragungen über den sich scharf ab- zeichnenden unteren Leberrand.

Fall 20. G., Arbeiter, 56 J. 1922. Abt. 30.

Unter dem rechten Rippenbogen ist ein kinderfaustgroße harte Geschwulst zu tasten, die offen- bar den Darm oder der Leber angehört.

Bei der Luftblähung zeigt sich der, Dickdarm völlig normal, die Wandkonturen regelmäßig, das Luftfeld sauber. In der Gegend der Gallenblase ragt eine hühnereigroße Verschattung in den Darm hinein, die dem Tumor entspricht (Abb. 87).

Tumoren der Flexura hepatica 61

Abb. 88. Ca flex. hepatica mit Beteiligung der Abb. 89. Carcinoma flexura hepaticae mit Valvula. Fall G. Nr. 21. Breipassage (12 Std.) Beteiligung der Valvula. Breipassagenach 24 Std. Stauung im dilatierten Ileum, Defekt an der Rückstauung in das Ileum. Stagnieren des Klappe, starke Füllung des Ascendens. Füllung Ascendensinhaltes, geringe Kontrastkotmengen

der Appendix. (R. Abt. Med. Unvi.-Kl. Frank- im Colon sigmoideum. (R. Abt. Med. Unie RL furt, Dr. Berg.) Die Abbildung ist seiten- Frankfurt, Dr. Berg.) Die Abbildung ist seiten- verkehrt! verkehrt! Diagnose: Gallenblasenkarzinom. Operation: bestätigt diese Annahme.

Das Karzinom dieser Gegend hat keine Besonderheiten, es stellt sich als Füllungsdefekt in bekannter Weise dar. Fall 21. G., 68 J. 1924. Abt. 14a. Seit 1/, Jahr viel Blähungen; Stenosensym-

ptome. In der rechten Unterbauchgegend Ge- schwulst tastbar.

Breipassage: Dünndarm dilatiert, nach 12 Stunden noch stark gefüllt.

Abb. 90. Carcinoma flex. hep. Fall G. Nr. 21. Abb. 91. Karzinom der Flexura hepatica und

Einlauf stoppt an der Leberbiegung mit zackigem des Colon ascendens. Fall Spr. Nr. 22. Kon-

Ende (Pause bei Durchleuchtung.) Med. Univ.- stanter Befund eines verzerrten verengten Ka- Kl. Frankfurt, Dr. Berg.) nals. Breipassage 10 Stunden p. c.

62 A. W. Fischer

Coekum fleckig, Stagnation an der Flexura hepatica. An der Valvula zackige Aus- sparung (Abb. 88 u. 89).

Einlaufuntersuchung: Die Flüssigkeit fließt rasch durch Sigma, Deszendens und Transversum, entfaltet diese Darmteile gut, stockt dann an der Flexura hepatica und läßt sich hier nicht weiter vortreiben (Abb. 90).

Operation: An der Flexura hepatica ist ein faustgroßer Tumor tastbar, der sich nach der Ileokoekalklappe hinunter erstreckt. Der Tumor ist nicht operabel.

Fall 22. Spr., 1919. Abt. 32.

Von diesem Fall sei nur die Aufnahme der Breipassage nach 12 Stunden wieder- gegeben, die einen deutlichen Ausguß der Tumorstenose uns zeigt (Abb. 91).

Einen Fall stenosierender Tuber- kulose der Flexura hepatica mit einer röhrenförmigen Lumeneinengung ent- nehmeich der Arbeit Schwarz (Abb. 92).

Fall 23. 21 jähr. Mädchen. Lungen- tuberkulose.

Breipassage ergab nichts Sicheres.

Einlauf erfährt erstes Hindernis an der Flexura lienalis, unter Schmerzen blähen sich die analwärts gelegenen Darmteile auf. Allmählich wird diese erste Stenose überwunden und eine zweite enge Stelle an der Flexura hepatica wird sichtbar, deren Bild in der Abb. 92 wieder- gegeben ist. Der Darm ist hier zu einem unregelmäßigen ein Finger breiten Kanal verengt.

Beider Autopsie zeigten sich steno- sierende tuberkulöse Prozesse.

Abb. 92. (Nach Schwarz, Lehrbuch Schittenhelm.) Auch der Fall H. Nr. 14 mit der Stenosierende Tuberkulose an der Flexura hepatica. Stenose an der Flex. hepatica gehört hierher.

Zu befassen haben wir uns in dieser Gegend auch des öfteren mit leichten Colon- stenosen nach Gallenblasenexstirpationen. Zuweilen entwickeln sich hier Verlötungen des Gallenblasenleberbettes mit dem Colon an der Leberbiegung und dann ist es not- wendig, durch die Untersuchung einen Tumorprozeß des Dickdarms auszuschließen. Spasmen an dieser Stelle wiesen uns immer auf die richtige Diagnose.

C. Die Tumoren des Colon transversum.

Auch das Colon transversum ist nicht ganz leicht röntgenologisch zu übersehen. Jedenfalls ist eine genaue Untersuchung wieder von mehreren Durchleuchtungen in verschiedenen Positionen abhängig. Wir durchleuchten im Stehen und in Bauchlage bei Kontrastfüllung, in rechter und linker Seitenlage und im Stehen bei der kombinierten Methode (Bariumeinlauf und Lufteinblasung). Ebenso wie an der Flexura hepatica sind hier die Pseudotumoren seltener, wir haben es fast ausschließlich mit Karzinomen zu tun.

An Hand einiger Fälle seien mehrere Bilder besprochen.

Tumoren des Colon transversum 63

Fall 24. Frau W., 74 J. 1921. Abt. 14.

Seit 14 Jahr Leibschmerzen, abwechselnd Durch- fall und Verstopfung. Nie Blut- und Schleimabgang. Gewichtsabnahme.

Kein Tumor palpabel.

Breipassage: Das nach 10 Stunden auf- genommene Bild (Abb. 93) zeigt eine mäßige Füllung des Coecum-Ascendens deutlich sichtbaren Wurmfortsatz, weiter normale Ver- hältnisse bis zur Mitte des Querkolon. Hier etwas nach links von der Mittellinie sehen wir eine spitzige Endigung des Kontrastfeldes, dann einen Defekt der durch einige wolkige Trübungen überbrückt wird. Jenseits dieses bei mehreren Durchleuchtungen stets gleichmäßig befundenen Defektes ist das Transversum gleichmäßig haustriert, gefüllt bis zur Flexura lienalis. Bemerkenswert ist, daß keine wesent- liche Stenosierung in diesem Falle zu verzeich- nen ist. Höchstens die gute Darstellung der Appendix könnte in diesem Sinne gedeutet werden. Ein Kontrasteinlaufbild zu diesem

Abb. 93. Carcinoma coli transversi. Fall W.

Nr. 24. Kontrastbreipassage. Füllungsdefekt.

Platte leider zerbrochen, deshalb muß dieser Abzug genügen!

Falle liegt nicht vor, es würde entweder ein ähnliches Bild ergeben haben oder hätte eine Stauung am analen Ende der Stenose gezeigt.

Diagnose: Nicht stenosierendes Karzinom in der Mitte des Querkolon.

Die spitzige Endigung entspricht ganz dem Bilde eines Karzinoms, aus der Form des Füllungsdefektes wird auf einen szirrhösen Tumor geschlossen.

Operation ergab einen szirrhösen hühnereigroßen Tumor in der Mitte des Quer- kolon, der durch Resektion sich entfernen ließ (Abb. 94).

Einen lehrreichen Fall, der die für die Diagnose oft sehr zweckmäßige Kombination

von Kontrastbreipassage und Kontrasteinlauf erweist,habe ich der Schwarzschen Ar- beit im Schittenhelm- schen Lehrbuch entnommen.

Fall 25. Schwarz (S. 968). 60 jähr. Frau.

Seit 1 Jahr Verstopfung und Koliken. Undeutliche Resi- stenz am rechten Rippenbogen.

Breipassage: Nach 24 Stunden ist der Kontrast- brei erst bis zur Flexura hepatica gelangt. Coecunı- Ascendens zwar geräumig, aber nicht andersals bei einer Obstipation vom Ascendens-

typus. Ein kleines Wismut- Abb. 94. Karzinom des Querkolon. Resektionspräparat. Fall W. partikelchen liegt im Be- Nr. 24. Tumor entspricht dem Füllungsdefekt.

64 A. W. Fischer

ginn des Transversum. In dieser Situation wurde nun ein Kontrasteinlauf ver- abfolgt.

Kontrasteinlauf entfaltet rasch Sigma, Descendens und das Transversum bis er handbreit von der Flexura hepatica halt macht und auf keine Weise sich weiter vor- treiben läßt. Dieser helle Zwischenraum zwischen der Endigung des Breis und des Klysma entspricht der zu tastenden Resistenz (Abb. 95).

Diagnose: Karzinom am Beginn des Colon transversum.

Operation: bestätigt diese Dia- gnose.

Ganz gleich liegt ein Fall Stier- lins.

Fall 26. 40 jähr. Mann. S. 504.

Kolikartige Schmerzen in Bauchmitte ohne fühlbaren Tumor.

Breipassage: Nach 24 Stunden armdick dilatiertes proximales Colon transversum: ein feiner Schattenzipfel reicht distalwärts. Einen Tag später Hinzufügen eines Kontrasteinlaufes (Abb. 96). Zwischen den beiden Schat- tenabschlußlinien befindet sich ein schmaler vollkommen schattenfreier Streifen. Infolge der Schmalheit des Schattenausfalls wurde ein Skirrhus an- genommen.

Diagnose: Scirrhus coli trans- versi.

Operation: bestätigt die Dia- Abb. 95. Karzinom des Querkolon. Füllungsdefekt 8NOSE.

(Pfeile). Darmteile durch Buchstaben markiert. Abb. 97 zeigt das Resektionspräparat. (Nach Schwarz-Schittenhelm.) Fall 27. Schwarz (S. 967), 33 jähr.

Mann.

Seit 5 Monaten Schmerzen im Rücken. Zuerst Diagnose: Nierenstein. Im Urin Blutfarbstoff. Durchfälle.

Objektiv im Abdomen nichts palpabel.

Einlaufuntersuchung (Abb. 98): Das Querkolon ist in seiner linken Hälfte in einer Ausdehnung von 15cm kanalartig verengt, wobei das Lumen in der Mitte des Kanals sich spindelig verbreitet. Dieser Befund ist bei drei an verschiedenen Tagen vorgenommenen Untersuchungen absolut konstant. Kein retrogrades Passagehindernis.

Diagnose: Zerfallendes, nicht stenosierendes Karzinom des Querkolons.

Operation: abgelehnt. Exitus nach 3 Monaten an Blutungen.

Obduktion: Karzinom des Colon transversum nahe der Flexura lienalis.

Ein ganz ähnlicher Fall der Frankfurter Klinik sei desgleichen angefügt.

Fall 28. Wa., Weißbindermeister, 47 J. 1923. Abt. 30.

Seit 1 Jahr Schmerzen im Oberbauch, Röntgenuntersuchung außerhalb negativ. Diagnose Magenneurose!! Palpatorisch Resistenz in der Mittellinie‘ des Oberbauchs.

Geschwülste des Colon transversum 65

Abb. 96. Karzinom des Querkolon (Scirrhus). Abb. 97. Resektionspräparat zu Abb. 96. Füllungsdefekt Pfeil. (Nach Stierlin.) (Nach Stierlin.)

Breipassage: Ileum nach 7 Stunden leer. Coccum-Ascendens weit, gut gefüllt, Kontrastmasse endigt mit einem fingerförmigen Fortsatz am rechten Rande der Resi-

stenz (Abb. 99). Nach 12 Stunden Bild unverändert, nur befinden sich einige Knollen abwärts-

wandernd im Descendens.

L

Abb. 98. Karzinom des Querkolon. Stenosierter Abb. 99. Karzinom des Querkolon. Fall Wa. Abschnitt (Pfeile). Nr. 28. Breipassage nach 10 Stunden mit er- (Nach Schwarz-Schittenhelm.) neuter Magenfüllung, um eventuell Beziehungen zwischen Füllungsdefekt am Kolon und dem

Magen aufzudecken. Pause nach Platte.

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd.I 5

66 A. W. Fischer

Nach 24 Stunden Rest im Coecum-Ascendens, Transversum ganz leer, Kontrast- kot im Sigma und in der Ampule.

Nach 48 Stunden noch Rest im Coekunı.

Einlauf stockt etwa am linken Rande der Wirbelsäule und dringt nicht weiter vor, auch durch Druckerhöhung und Massage sowie Lagerung auf die rechte Seite ist eine weitere Füllung nicht erreichbar.

Wir sehen also in diesem Falle, daß trotz mehrfacher Untersuchung die Breipassage keinen Füllungsdefekt, d. h. keinen kontrastbreilosen Bezirk zwischen zwei normal ge- füllten Darnıbezirken ergab, sondern daß nur ein fingerförmiger Fortsatz in der Mitte des Transversum vorhanden war. Wäre kein Tumor palpabel gewesen, so wären wir allein auf Grund der Passage kaum zu einem klaren Urteil gelangt. Wir wissen, daß ge-

Abb. 100. Karzinom des Colon transversum. Resektionspräparat. Fall Wa. Nr. 28.

rade an dieser Stelle, wo der fingerförmige Fortsatz sich befand, der sog. Sphincter coli transversi gelegen ist, jener Abschnitt, der sich spastisch zusammenzieht und den Beginn des Rücktransports antiperistaltisch in das Coekum darstellt. Ohne palpatori- schen Befund wäre das Bild außerordentlich ähnlich dem der Stierlinschen Ascen- dens Obstipation gewesen.

Die Einlaufuntersuchung ergab dann einwandfrei den Beweis, daß der Tumor der Darnıwand angehörte. Durch Vergleichen der Pausen der Breipassage und des Ein- laufs ließ sich nun ein richtiger Füllungsdefekt konstruieren. Auch bei diesen Vergleichen sei man vorsichtig. Kein Organ hat wohl so verschiedene Lagen bei verschiedenen Unter- suchungssitzungen wie der Querdarm und die Sigmaschlinge, das muß auch in Betracht gezogen werden.

Die Operation ergab einen faustgroßen Tumor dicht links der Mitte des Colon transversum (Abb. 100).

Des öfteren haben wir uns auch mit der Frage zu befassen, ob ein Patient mit Ob- stipationsbeschwerden, die früher oder später nach einer Magenoperation eingesetzt

Tumoren des Colon transversum 67

haben, ein Querkolonkarzinom, nur eine einfache Verlötung durch Verwachsungen, eine Einbeziehung des Dickdarmes in ein Ulcus pepticum jejuni post gastroenterostomiam oder schließlich ein auf das Querkolon übergreifendes Magenkarzinomrezidiv hat. Auf die Fülle der Möglichkeiten sei "nur hingewiesen, für eine eingehende Besprechung ist hier nicht der Ort.

Einfache Verwachsungen werden wir nicht immer sicher von einem Tumor trennen können. Die Luftblähung, bei der man einen plastischen Überblick über das Darminnere bekommt, wird hier vielfach helfen.

Ist es durch Verlötung eines Ulcus pepticum jejuni zu einer Wandinfiltration gekommen, so können reguläre Füllungsdefekte entstehen, die völlig einem Kar- zinombefunde gleichen. Meist weist dann die Anamnese auf den Magen hin und die Diagnose wird bei der Magenuntersuchung ge- stellt. Nach Durchbruch eines solchen Geschwürs kommunizie- ren Magen und Querdarm, es wird also die Einlaufflüssigkeit den Magen füllen können und umgekehrt wird der Brei direkt vom Magen in das Transversum gelangen.

Ein hierher gehörendes Bild (Abb. 101) entnehme ich dem Werke Braun-Wortmann (S. 476).

Fall 29. 41 jähr. Mann.

Vor 4 Monaten Resectio ven-

triculi Billroth II wegen eines Abb. 101. Stenose des Querkolon (Pfeile). Breipassage. D = Dünndarm (Nach Braun-Wortmann.)

stenosierenden Ulcus pylori. Da- bei unbeabsichtigte Verletzung des Mesokolon (Mitfassen bei der Unterbindung). Seit 1 Monat Koliken, Aufbäumen einer Darmschlinge in der rechten Bauchseite.

Abb. 101 zeigt 3 Stunden nach der Kontrastmahlzeit. Der Magen enthält noch große Bariumreste, Dünndarm reich gefüllt, Dickdarm bis zur Colon transversum, Mitte stark erweitert und gefüllt, in der erweiterten Leberbiegung ist eine abnorm große Gasblase sichtbar, mit einem breiten unregelmäßigen Kontrastspiegel.

Diagnose: Narbige Striktur des Querkolon.

Operation: Am Colon transversum entsprechend der ihres Mesenterium beraubten Strecke eine ringförmige Striktur. Netz und Jejunum an dieser Stelle verlötet. Zu- führender Darm erweitert.

Ganz erhebliche Schwierigkeiten bieten hier am Transversum Spasmen, die bei allgemein nervöser Konstitution etwas recht Häufiges sind. Sie sind neben den Füllungs- zufälligkeiten der Grund für die früher allgemeine Diskreditierung des Röntgenver-

fahrens in der Dickdarmpathologie, denn auf der Platte kann man so die schönsten Kh

68 A. W. Fischer

Füllungsdefekte, fingerförmige Fortsätze und stenotisch bröcklig gefüllte Straßen erhal- ten. Abb. 102 zeigt eine solche Platte eines Patienten, bei dem nach einer länger zurück-

Abb. 102. Verdächtiger Spasmus im linken

Transversum. FallL. Nr. 30. Breipassage. Bei

anderen Durchleuchtungen zeigte sich dieser Darmteil wohl entfaltet.

Abb. 103. Magenkarzinom auf Querkolon über- greifend. Pfeile bezeichnen die Stenose. (Aus Stierlin.)

liegenden Magenoperation Verdacht auf eine Dickdarmstenose entstanden war (Fall 30. L. Abt. 32. 1924). Diese Platte zeigt eine äußerst verdächtige Strecke im linken Transversum, die bei mehreren Durchleuchtungen konstant erschien. Beim Einlauf war aber diese so sehr verdäch- tige Strecke völlig entfaltet.

Erinnern wir uns dabei, daß Spasmen derart langen Bestand haben können, daß sogar ein schwerster Ileus die Folge sein kann (Fromme u. a.). Sicher stören sie die Untersuchung besonders bei der Brei- passage, weniger beim Einlauf und bei der Luftblähung. Unter Umständen muß man zu Atropin und Papaverin als Hilfs- mittel greifen, um Spasmen von echten Tumorfüllungsdefekten zu trennen.

Auch ein Fall Stierlins sei zu dieser Frage als Illustration beigegeben (Abb. 103).

Fall 31. S. 519 (Lehrbuch). 45 jähr. Mann.

Schmerzen im Epigastrium und in der rechten Bauchseite im Bereich des Querdarmes.

Zunehmende Verstopfung. Resistenz im Epi- gastrium.

Breipassage: Kleiner präpylorischer Füllungsdefekt und in der Mitte des Quer- kolon nach 9 Stunden ein grober Schat- tendefekt (Abb. 103), der von einem dün- nen Bariumstreifen durchzogen ist. Nach 12 und 24 Stunden blieb dieser Befund im wesentlichen der gleiche, trotzdem die tieferen Kolonabschnitte bereits Barium enthielten. —- Kein Einlauf.

Diagnose: Magenkarzinom, Über- greifen auf das Kolon und Stenosieren des- selben.

Die Operation deckte das ver- mutete Magenkarzinom auf, dagegen er- wies sich die Diagnose bezüglich des Kolon als falsch. Zwar ist das Mesokolon teil- weise infiltriertt und das Querkolon in

seinem- rechten Drittel pyloruswärts verzogen, doch ist der Darm selbst nicht vom

Tumor ergriffen.

Hier hatte also sowohl das klinische Bild als auch die Breipassage. für ein Quer-

Tumoren der Flexura lienalis 69

darmkarzinom gesprochen und doch war der Darm frei. Stierlin erklärt den Füllungs- defekt durch den Zug am Mesokolon. Ich kann auf Grund vielfacher Beobachtungen dieser Deutung nicht zustimmen. Rein mechanisch durch Zug wird ein Füllungsdefekt nicht entstehen. Um eine solche Wirkung rein mechanisch zu erzielen, dazu ist der Zug so gut wie nie ausreichend und ist er stark genug, dann ist kompletter Ileus die Folge.

Ich glaube, man kann solche Beobachtungen wie in dem eben geschilderten Falle Stierlins nur durch einen Spasmus erklären und darf wohl die Ursache des Spasmus in dem Reize sehen, der durch die Verwachsungen, die meist entzündlicher Natur sind, bedingt ist. Mehrfach konnte ich bei der Breipassage ganz konstante Spasmen an eng begrenzter Stelle erkennen, die bei der Operation Verwachsungen einer Appendix epi- ploica mit dem Mesokolon entsprachen.

Das Einlaufbild, unter Umständen in Kombination mit Luftblähung, kann in den meisten dieser Fälle eine Klärung herbeiführen. Es werden aber immer Fälle übrigbleiben, bei denen man sich zur diagnostischen Laparotomie entschließen muß, wenn der Verdacht eines Tumors sich nicht ent- kräften läßt, d. h. wenn auch trotz Atropin und mehrfacher Untersuchung der vermutlich spastische Füllungsdefekt konstant bleibt.

Sieht man auch in andern Teilen des Dickdarmes Spasmen rasch wechselnder Natur, so spricht das nach meiner Erfahrung gegen Tumor malignus.

An die Pseudofüllungsdefekte durch den Druck der Wirbelsäule beson- ders bei Bauch- und Rückenlage sei hier nochmals erinnert.

Die entzündlichen Tumoren spielen am Querkolon eine geringere Rolle, immer- hin gibt es auch hier zuweilen Divertikel, die den Ausgang eines Pseudotumors bilden könnten.

D. Die Tumoren der Flexura lienalis.

Die Milzbiegung des Dickdarmes stellt den höchstgelegenen Darmteil beim stehen- den Menschen dar. Sie enthält konstant eine Gasblase.

Auf den Verlauf des Darmes an der Flexura lienalis sei an Hand eines schematischen Seitenansichtbildes hingewiesen (Abb. 104). Bei der gewöhnlichen dorso-ventralen Strahlenrichtung wird man oft mit Überlagerungen zu kämpfen haben, die bei Bariumfüllung zu völliger Verdeckung eines an einer Schlinge vorhandenen pathologischen Befundes führen können. Palpation kann hier nicht helfen, weil die Schlingen hoch unter dem Rippenbogen, also unzugänglich für unsere Hand liegen. Man muß dann entweder einen Augenblick abpassen, an dem nur eine Schlinge gefüllt ist, oder man bedient sich der Luft- aufblähung, deren Bild durch eine Überlagerung von zwei Schlingen nicht gestört wird. Im Gegenteil wird dadurch das Bild besonders bei korpulenten Leuten klarer. Abb. 104. Verlauf

An dieser spitzwinkligen physiologischen Knickung sehen wir des Dickdarmes an auch beim Normalen häufig eine gewisse Stagnation; kommt es ger Piezari, onali

e Ge k a (schematisch nach nun durch peritonitische oder einfach perikolitische Prozesse zur sinem Formolpräpa- fixierten Abknickung, also zu einem Zustande, bei dem die Darm- rat von Corning). muskulatur sich nicht ungehindert betätigen kann, so ist eine klinische Stenose an dieser prädisponierten Stelle die Folge (Payrsche Doppelflinten- stenose). DaB ein derartiger Prozeß vorliegen kann, ist vielfach operativ erwiesen, falsch ist jedoch, jeden Fall einer Aneinanderlagerung von linkem Transversumschenkel

70 A. W. Fischer

und Colon descendens als Payrsche Krankheit zu deuten. Es muß der Nachweis der Fixation durch Palpation und Durchleuchtung in verschiedenen Richtungen zugleich mit der Störung der Passage erbracht sein.

Die kurze Berührung dieses differentialdiagnostisch wichtigen Krankheitsbildes möge genügen.

Eine starke Abwärts- und Medianverdrängung der Flexura lienalis sehen wir bei Milztumeren. Abnormer Tiefstand ist ein häufiges Bild bei der Koloptose.

Die Karzinome dieser Gegend sind vielfach kleine schrumpfende Tumoren, die zu Siegelringbildungen führen.

Ohne näheren Text bringe ich eine Abbildung aus dem Lehrbuche von Aßmann (Abb. 105), die eine typische retro- grade Stenose mit unregelmäßiger spitzzackiger Endigung zeigt. Die Diagnose lautete auf Karzinom und wurde operativ bestätigt.

II

Abb. 105. Karzinom der Flex lienalis, Abb. 106. Tuberkulöse Stenose der Flex. Einlaufstockung. lienalis (Pfeile). Füllung durch Coekal- (Nach ABmann.) fistel und per anum. (Nach Stierlin.)

Seltener sind hier tuberkulöse Tumoren; ein solcher Fall sei ebenfalls kurz skizziert. Die Abb. 106 ist dem Stierlinschen Lehrbuche (S. 488) entnommen. Fall 32. 20 jähr. Mann. Ileus.

Kotfistel sofort am stark dilatierten Colon transversum angelegt. Abtasten der Bauchhöhle intra operationem nicht möglich.

1. Einlaufenlassen von Kontrastflüssigkeit durch die Fistel: Darstellung eines dilatierten Querdarmes mit scharfem Abschneiden der Füllung an der Flexura lienalis, dann

2. Füllung per klysma. Es zeigt sich ein normales Sigma und Descendens, die Flüssigkeit erreicht an der Flexura lienalis das Querkolon.

Aus dem Bilde ist nun zu sehen, daß das Querkolon erweitert, das Descendens dagegen normal ist, also muß das Hindernis an der Flexura lienalis liegen. Gerade an der kritischen Stelle aber, wo man eine Darstellung der Stenose, einen Füllungs- defekt erwarten müßte, ist durch Überlagerung kein besonderer Befund zu erheben. Für diese Fälle würde Einblasen von Luft durch Fistel und Anus und Durchleuchtung im Stehen bessere Bilder ergeben.

Stenosen der Flexura lienalis ON

Zweite Operation: Walnußgroßer, hochgradig stenosierender tuberkulöser Tumor der Flex. lienalis.

Einen desgleichen hierher gehörigen interessanten Fall von Pseudotumor haben Braun-Wortmann (S. 480, Abb. 273) publiziert:

Fall 33. 47 jähr. Mann.

Vor 4 Jahren Pleuraampyem links. Seit 14 Monaten zeitweise Koliken, Stuhl- und Windver- haltung. Diagnose: perforiertes Magengeschwür. Bei Aufnahme Befund eines tiefen Ileus. Anlegen einer Coekalfistel.

Kontrasteinlauf füllt ohne Schwierigkeiten das Sigma und Descendens, stockt aber an der Flexura lienalis. Die Endigung ist spitzzackig unregelmäßig. Ihrer Form nach müßte man ebenso wie in der Abb. 105 einen Krebs für das Wahrscheinlichste halten. Auf Grund der Anamnese wird aber ein entzündlicher Tu- mor im Zusammenhange mit dem früher überstandenen Empyem angenommen (Abb. 107).

Bei der Operation fanden sich die Schenkel der Flexura lienalis unlöslich in schwartige derbe Massen eingebettet, die hauptsächlich von der Milz und dem Pankreas gebildet wurden und eine hochgradige spitzwin- klige Anziehung der Flexur zur Folge hatten.

E. Die Tumoren des Colon descendens.

, Abb. 107. Entzündliche Stenose an der Flex. lienalis. Das Descendens ist wieder Einlauffüllung. (Nach Braun-Wortmann.) wie das Ascendens und Coekum

ein Darmteil, der sich leicht

übersehen läßt. Zwar bildet auch das Descendens manchmal Schlingen, die die Über- sicht erschweren, aber meist hat es doch einen gestreckten Verlauf, der es besonders für die Untersuchung mittels des Kontrasteinlaufes und für die in rechter Seiten- lage vorzunehmende Untersuchung mittels Kombination von Einlauf und Luftblähung geeignet erscheinen läßt. Die Breipassage kommt hier immer weniger in Betracht, je weiter wir abwärts gehen, die Kontrastknollen sind hier schon sehr fest, so daß eine wirk- liche Ausfüllung des Lumens nicht mehr bewirkt wird. Damit soll aber nicht gesagt sein, daß die Breipassage hier ganz überflüssig sei, sie ist nur für die Beurteilung der Kontur und für Darstellung von Füllungsdefekten weniger geeignet als der Einlauf, hat hingegen für die Klärung von Stenosen unverminderte Bedeutung.

Zuerst sei ein Fall von Carman Miller gebracht.

12 A. W. Fischer

Fall 34. 53jähr. Frau (Abb. 108).

Seit einigen Monaten Schmerzen unter dem linken Rippenbogen. Keine Obstipation, viel Blähungen. Gewichtsverlust.

Einlauf füllt rasch das ganze Colon ohne Schmerzensäußerung seitens der Patientin. Es zeigt sich ein klassischer Serviettenringdefekt (napkinring) im Colon descendens dicht unterhalb der Flexura lienalis.

Diagnose: Kleines Karzinom des Colon descendens.

Operation bestätigte diese Diagnose.

Auch ein eigener Fall erscheint mir der Mitteilung wert.

Fall 35. Fr., Musiker, 72 J. 1923. Abt. 32.

Seit 3 Monaten zunehmende Schmerzen in der linken Seite. Appetit schlecht, Gewichtsab- nahme, kein Durchfall, keine Obstipation. Erst seit einigen Tagen ziemlich plötzlich, Verstopfung.

Links vom Nabel Resistenz tastbar. Rektoskopisch bis 25 cm Höhe o. B.

Auf Breipassage muß wegen des Subileuszustandes verzichtet werden.

Einlauf füllt Ampulle und eine sehr große. bis über den Nabel hochreichende Sigmaschlinge gut, die Flüssigkeit stockt am Beginne des Colon descendens, langsam durchläuft sie einen etwa 8cm langen steno- tischen Kanal, um dann ein normales, nicht dilatiertes oberes Descendens zu entfalten.

Luft wird nunmehr eingeblasen, das Bild bleibt das gleiche, es kommt nicht zur Dehnung der mittleren und unteren Descendenspartie.

Der stenotische Kanal zeigt Flecken, die offenbar dem Haftenbleiben von Kon- trastteilchen in Geschwüren entsprechen. Abb. 109 zeigt die Aufnahme im Stehen, Abb. 110 in rechter Seitenlage.

Hieraus ergibt sich ein infiltrierender

Abb. 108. Serviettenringkarzinom im Colon Wandprozeß, offenbar bestehen auch Ge- descendens (nach Carman-Miller). schwüre der Schleimhaut im Gebiete der Stenose.

Diagnose: Karzinom des Colon descendens.

Operation ergab ein faustgroßes Karzinom an dem röntgenologisch festgestellten Orte.

Ein typisches Bild ist das absolute Stocken des Kontrasteinlaufes und gleichzeitiges Auftreten von Stuhldrang. Wir sahen schon ein ähnliches Bild in Abb. 105. Ein inter- essanter Fall, der differentialdiagnostisch von Bedeutung ist, wird von Goldammer geschildert.

Fall 36. Goldammer S. 152, Abb. 111.

Der Einlauf bei einer Patientin mit schwerem Ileus füllt in normaler Weite die Flexura sigmoidea und das Colon descendens bis etwa zur Nabelhöhe, um dann mit breiter zackiger Grenzkontur stehenzubleiben. Außerdem erkennt man eine ungeheure Gasansammlung im übrigen Bauch, die offenbar im Coekum, Ascendens und einer anderen riesig geweiteten Darmschlinge sich befindet.

Tumoren des Colon descendens 73

Aus dem Bilde ist über den Charakter des Prozesses wenig zu sagen, sicher ist nur, daß hier eine absolute Stenose des Descendens vorliegt, oberhalb deren der Darm riesig gebläht ist.

Die riesige Darmschlinge entspricht offenbar dem dilatierten Sigma, sie bietet ähnliche Bilder dar, wie wir sie bei Hirsch- sprungscher Krankheit gelegentlich zu Gesicht bekommen.

Abb. 109. Karzinom des Colon descendens. Abb. 110. Carcinoma col. descendentis. Fall Fr. Fall Fr. Nr. 35. Bild mit gleicher Technik wie Nr. 35. Kombinierte Bariumluftfüllung + -+ + + Abb. 110, aufgenommen nur im Stehen! Descen- Zackiger Tumorkanal Verlaufsrichtung des dens schraffiert = breigefüllt. Sigma luftgefüllt. Einlaufes. Plattenpause. Rechte Seitenlage.

Operation ergab Volvulus der linken Diekdarmhälfte. Faustgroßer Adhäsions- tumor, bestehend aus Netz und Darm links vom Nabel.

Abb. 111. Einlauf stockt in Descendensmitte, Abb. 112. Spasmen im Ascendens und Descendens ovaler Dickdarm luftgefüllt. Fall Nr. 36. bei leichter Kolitis. Kontrasteinlauffüllung. (Nach Goldammer.)

Relativ häufig hatte ich unter meinen eigenen Fällen mit Spasmen im Colon descen- dens zu kämpfen, die eine diagnostische Klärung erschwerten. Mehrfach konnte ich

74 A. W. Fischer

sehen, daß bei der Einlauffüllung der Darm sich zuerst gut entfaltete, bei Durchleuch- tung im Stehen sich nachher aber ein erheblicher Rest im oralen Descendensteil befand, der durch einen Spasmus in der Descendensmitte am Herabsinken verhindert wurde. Ein derartiges Bild ohne Kenntnis der Durchleuchtungsbefunde müßte für höchst ver- dächtig auf eine Stenose gelten, die einen Abfluß, der Schwere folgend, abwärts ver- hindert. Abb. 112 zeigt eine solche Situation bei einem neurasthenischen Individuum (Fall 37). An der Stelle, wo das Descendens den Beckenkanım kreuzt, beobachtet man häufig einen Spasmus, der verdächtig sein kann, ein solcher Krampf ist auch auf dem Bilde sichtbar (Ileocoekaltuberkulose Fall 10), auch in den Figuren der Lehrbücher sieht man vielfach solche Kontureinziehungen, nur selten wird darauf aufmerksam gemacht.

Einen interessanten Fall von Invaginations- tumor am Colon descendens hat Karewski publiziert. Ein Karzinom saß an der Spitze des Invaginatum. Er macht auf die dia- gnostische Bedeutung des Tiefstands der Flexura lienalis in diesen Fällen aufmerksam.

Vor Schwierigkeiten stehen wir manch- mal bei der Beurteilung der Übergangs- stelle des Colon descendens in die Sig- 'maschlinge. Hier sehen wir häufig Schlingen- bildung und Spasmen, der Einlauf stockt an dieser Stelle zuweilen unter Aufbäumen der Sigmaschlinge, bei der Breipassage scheint hier oft ein regulärer Füllungsdefekt zu bestehen. Es empfiehlt sich, diese Stelle bei der Betrach- tung sorgfältigst einzublenden, um alle Einzel- Abb. 113. Karzinomverdächtige Stelle am heiten erkennen zu können; nicht immer ge- Fußpunkt des Descendens. Fall H. Nr. 38. lingt es, diesen Ort klar auf die Platte zu Einlauf und Luftfüllung zeigen normale bannen. Im übrigen ist gerade diese Übergangs-

Verhältnisse. Aufnahme im Stehen. stelle physiologisch die engste Partie des ganzen

| Dickdarmes. Da hier ein an der hinteren Bauch-

wand fixierter Darm, das Descendens in die mit einem freien Mesenterium versehene

bewegliche Sigmaschlinge übergeht, so sind alle Vorbedingungen für eine Abknickung

gegeben. Ohne weiteres ist verständlich, daß eine sich aufbäumende, mit Flüssigkeit

gefüllte Sigmaschlinge umsinken und dabei diese Übergangsstelle durch Knick mit Sporn- bildung unwegsam machen kann.

Für die Darstellung dieser Stelle kommt es bei der Breipassage auf den richtigen Beobachtungszeitpunkt an, den man aber nicht vorher berechnen kann, der lediglich Glückssache ist. Die Einlauffüllung läßt uns ebenfalls oft im unklaren darüber, ob hier ein einfacher Knick oder ein kleiner stenosierender Tumor vorliegt. Gut brauchbar ist hier die Luftblähung und in Abb. 113 gebe ich ein solches Bild wieder.

Fall 38. D., Weißbinder, 51 J. 1922. amb.

Seit 1, Jahre Auftreibung des Leibes ohne Obstipation und ohne Schmerzen. Arzt hat Ver-

dacht auf Karzinom. Objektiv nichts tastbar. Kein Anhaltspunkt für eine bestimmte Lokalisation.

Kontrasteinlauf und Breipassage stellen den Übergang des Sigma in das Descendens schlecht dar, so daß an dieser Stelle bei im übrigen unverdächtigen Dick- darm die Möglichkeit einer Wucherung besteht.

Der Descendenzfußpunkt 75

Der Kontrasteinlauf wird abgelassen und nun Luft im Stehen eingeblasen (Abb. 113). Im Transversum und im Descendens sind noch Reste der Bariumbolusflüssigkeit vor- handen, im übrigen ist der Darm durch die Luft sehr gut gebläht. Eine eigentliche Sigma- schlinge ist nicht vorhanden, sie wäre sonst dem Auftrieb folgend hochgestiegen aus dem kleinen Becken. Man erkennt deutlich die physiologische Enge an der zur Diskussion stehenden Stelle. sieht weiter, daß die Darmwand hier ganz gleichmäßig ist und daß keine Ringschatten oder Trübungen vorhanden sind, die auf ein Ulkus an dieser Stelle hindeuten, auch läßt sich bei der Durchsichtigkeit des Darmes ein hier in das Lumen vorragender Tumor ausschließen.

Klinisch wurde die Diagnose auf Gärungskatarrh gestellt.

Der Patient wurde nicht ope- iert. er befand sich 2 Jahre nach der Untersuchung völlig gesund.

Der nächst zu schildernde eigene Fall gehört ebenfalls zu den Ver- dachtsfällen, bei denen eine Klärung der Diagnose durch die Kombination Abb. 114. Spornknickung am Descendensfußpunkt durch des Einlaufs mit der Luftaufblasung Netzfesselung in der linken Beckenschaufel. Fall A.

Nr. 39. Kontrasteinlauf und Luftfüllung. Rechte Seitenlage.

geglückt war.

Fall 39. Frau A., 65 J. 1922. Abt. 24.

Seit Y, Jahr hat sich ohne bekannte Ursache eine hartnäckige Obstipation entwickelt. Kachexie, Schmerzen in der linken Seite.

Tumor in der linken Flarke ist nicht zu tasten.

Von anderer Seite vorgenommene Breipassage und Einlaufuntersuchung hatte die Wahrscheinlichkeitsdiagnose eines Karzinom am Fußpunkt des Descendens ergeben. Man hatte diese Diagnose auf Grund einer umschrieben sich schlecht füllenden Stelle im Colon descendens unter Berücksichtigung des sonstigen klinischen Befundes und der Anamnese gestellt.

Abb. 115. Zu Abb. 114. Abb. 116. Schema der Spornknickung (Pfeile zeigen die Spornknickung.) zu Abb. 114.

Einlauf und Luftaufblasung ergaben in rechter Seitenlage (Abb. 114 u. 115) normale Verhältnisse, das Colon transversum lag dem Colon descendens auffallend weit parallel, ließ sich durch Palpation nicht von ihm trennen. Der Fußpunkt des Descen- dens war deutlich geknickt und ein Sporn (Abb. 116) hatte sich gebildet, der wohl den

g Į g Verdacht eines Tumors erweckt hatte. Abb. 117 zeigt uns die Situation bei der stehen- oO

76 A. W. Fischer

den Patientin. Auch jetzt liegt das Colon transversum in seinem linken Abschnitt bis zur Mitte des Colon descendens parallel und folgt nicht dem Auftrieb, es muß also mit seiner Mitte hier am Fußpunkt des Colon descendens fixiert sein. Auf- merksam möchte ich auf die gute Übersichtlichkeit und Durchsichtigkeit der sich über-

Abb. 117. Spornknickung am Descendens- fußpunkt. Fall A. Nr. 39. Kontrasteinlauf und Luftfüllung. Aufnahme im Stehen.

Abb. 118. Zu Abb. 117.

lagernden Darmschlingen machen, die man nur bei der Luftfüllung erreichen kann.

Diagnose: Verwachsungen von Trans- versum und Descendensfußpunkt, kein Kar- zinom.

Operation ergab eine Fesselung des großen Netzes in der linken Beckenschaufel, dadurch war das Querkolon in dieser Gegend fixiert. Kein Karzinom.

F. Die Tumoren der Sigmaschlinge.

Die Sigmaschlinge ist gegenüber dem leicht- übersichtlichen Colon ascendens und descen- dens ein überaus schwieriges diagnostisches Gebiet. In die untersten Teile, günstigsten- falls bis zur Kuppe der Sigmaschlinge bis zum Schieferdekkerschen Punkt kann man mit dem Rektoskop eindringen und so direkt das Darmlumen übersehen. Sehr oft gelangt man aber nicht über eine Höhe von 15 cm vom Anus, die Umbiegung am Anfang der Sigma- schlinge ist oft so scharf, daß das Instrument sich nicht weiter vorschieben läßt. Die Sigma- schlinge und das Transversum sind diejenigen Darmteile, deren Lage und Länge die aller- größten Variationen aufweist, bald ist sie ganz kurz und hat kein freies Mesosigma, so daß eine Schlingenbildung überhaupt nicht vor- handen ist, sie liegt dann der Beckenschaufel in fast gerader Linie vom Descendens zum Rektum an, bald aber bildet sie doppel-S-för- mige Schlingen, die entweder als ein Konvolut im kleinen Becken liegen oder sich aufbäumend bis in die Gegend der J«berpforte reichen können, wo sie sich mit der Flexura hepatica und dem Transversum überlagern. Am leich- testen sind die Fälle mit kurzer Schlinge zu beurteilen. Bei der Besprechung der einzelnen

Methoden ist schon darauf hingewiesen, daß bei Überlagerungen eine Entwirrung durch Palpation helfend eingreifen muß, oft kommt man auch auf diese Weise nicht zum Ziele, wenn die Schlingen zusammengerollt im kleinen Becken unzugänglich dem trennenden Finger liegen. Gerade für die Klärung der Verhältnisse an der Sigmaschlinge ist die Luftblähung nach Applikation des Kontrasteinlaufes nach A. W. Fischer oft ein gut brauchbares Hilfsmittel, sie bewirkt meist eine Entfaltung des Sigma, das dem

Tumoren der Sigmaschlinge 77

Auftrieb des Luftinhaltes folgend hoch in den Bauchraum aufsteigt und so übersicht-

lich wird.

Während man aber für die Untersuchung der oberen Darmteile meist ohne eine Entleerung des Einlaufs auskommt, muß man hier den größten Teil des Klysma

wieder ablaufen lassen, ehe man den Darm aufbläht, weil sonst der Kontrast- inhalt durch Überlagerung störend wirkt. Im Stehen wird man die Kuppe und ihre benachbarten Teile sehen, im übrigen muß man in rechter, in linker Seitenlage und auch in Beckenhoch- lagerung den Darm betrachten.

Bei der Aufnahme von Breipassage- und Kontrastklysmabildern erhält man bei korpulenten Menschen die klarsten Bilder in Rückenlage. Die Bilder im Stehen werden meist nicht so gut, weil die schlaffe Bauchwand solcher Leute abwärts sinkt, sich auch durch Kom-

pression nicht genügend wegdrücken Abb. 119. Carcinoma sigmae. Fall K. Nr. 40.

läßt und so die Streustrahlung ver- mehrt. In Rückenlage sinkt die

Kontrastbreipassage. Transversum tief haustriert, hängt in das kleine Becken hin ab, endigt mit finger- förmigem Fortsatz. Colon descendens, Füllung normal,

überschüssige Bauchwand nach beiden am Sigma an Intensität nachlassend, hier Mischung Seiten und stört uns nicht. mit Kot vor der Stenose. Pfeile bezeichnen die zur Sind die pathologischen Verände- Diskussion stehende Kolonpartie. (Aufnahme Med.

rungen bereits fortgeschritten, wird uns neben dem Kontrasteinlauf, der dann das Bild der retrograden Stenose ergibt, auch die Breipassage viel nützen. Häufig sehen wir im Sigma ganz kleine zirrhöse Tumoren, die den Darm stark verengen. Oberhalb solcher Stenosen liegt dann häufig eine große Menge eingedickten Kotes, der sich erst ganz allmäh- lich mit dem Bariumsalz durchmischt und erst nach Tagen eine scharfe Darstellung der Stenose erlaubt. Ein derartiger Fall sei kurz besprochen.

Fall 40. Ke., Ehefrau, 56 J. 1921. Abt. 24.

Seit Jahren Verstopfung, in letzter Zeit viel- fach krampfartige Schmerzen im Leibe. Gewichts- abnahme, Blut und Schleim im Stuhl.

Im linken Unterbauch stark druckempfind- licher, walzenförmiger Tumor, Rektoskopisch o. B.

Breipassage. Füllung bis zum mitt- leren Descendens normal, dann kein weiteres Vordringen innerhalb einer Woche. Ent- leerung erst nach vielfachen Öleinläufen. Abb. 119 zeigt Füllungsreste im Coecum- Ascendens, tiefhängendes Transversum, das

Univ.-Polikl. Dr. Amelung.)

Abb. 120. Carcinoma sigmae Fall K. Nr. 40. Kontrastbreipassage. Linkes Transversum ge- füllt, Descendensfüllung am Beginn des Sigma marmoriert. -+ = Endigung der Kontrast- füllung vor dem Tumor. (Aufn. Med. Univ.- Polikl. Frankfurt, Dr. Amelung.)

8 A. W. Fischer

mit einem fingerförmigen Fortsatz endigt, der aber keiner Stenose entspricht. Dieser Fortsatz wäre für eine Tumorstenose allein äußerst verdächtig, stellt aber nur ein zufälliges Füllungsstadium dar. Das linke Transversum ist frei, das Descendens ist im oberen Teile normal, im unteren Teile ist es überweit, und nicht haustriert. Der Kontrastschatten wird hier zunehmend weniger inten- siv, um schließlich in einer wolkig fleckigen Trübungszone zu enden. Die ganze haustrenlose Partie ent- spricht dem fühlbaren Tumor in der linken Beckenschaufel.

Abb. 120 zeigt ein weiteres Sta- dium. Hier ist nun das linke Trans- versum stark gefüllt, das Descen- dens zeigt wieder die wolkenförmige Schattenzeichnung. Linkes Trans- versum und Descendens nahe der Milzbiegung überlagern sich.

Wir stellen also als Ergebnis der Breipassage fest:

1. Stockender Passageim Sigma,

Abb. 121. Core, sigmae -+ Polyposis sigmae. Fall Gr. 2. Anhäufung großer Kotmas- Nr. 42. Einlaufbild. Zackiges Ende. Helle Flecke in gen: wolkige Trübungen im unteren den beiden Sigmaschenkeln entsprechen den Polypen.

Descendens, die dem fühlbaren Tu- mor entsprechen.

3. Die Stenose selbst ist nicht sichtbar, nur im oralen Schenkel der Sigmaschlinge zu vermuten.

Einlaufuntersuchung: Gute Entfaltung der Sigmaschlinge und des analen Sigmaschenkels, dann plötzlich hef- tiger Schmerz und Defäkation in- folge Schlußunfähigkeit des Afters.

U m

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Abb. 122. Carc. sigmae. Fall Nr. 42. Einlauf + Luft- Abb. 123. Zu Abb. 122. + = Eingang blähung. Tumor als Positiv sichtbar. in den Tumor (senkrecht schraffiert).

Operation: Es findet sich ein nach der Betastung als inoperables Karzinom an- zusprechender Tumor des Sigma und zwar seiner oralen Schlinge. Die Diagnose eines Karzinom durch Lebermetastasen erhärtet.

Tumoren der Sigmaschlinge 79

Fall 41. Frau Gr., 69 J. 1925. Abt. 24. (Abb. 121—124.)

Seit einigen Monaten Blut und Schleim im Stuhl. Gewichtsabnahme. In der linken Becken- schaufel apfelgroßer Tumor palpabel, der leicht druckschmerzhaft ist. Rektal ein stenosierendes Karzinom am Übergang in das Colon pelvinum zu tasten.

Kontrasteinlauf: Der Einlauf entfaltet Ampulle, stockt, füllt sodann das Sigma und endet am Fußpunkt des Sigma in zackig halbmondförmiger Linie. Bei Erhöhung des Druckes Leibschmerz und Insuffizienz des Anus.

Aufnahme Fig. 121 zeigt das gleiche Bild, nur fallen zwei helle Flecken im Sigma- kontrastfeld auf. Ein zweites Bild zeigt die gleichen Flecken, die als große Polypen gedeutet werden.

Lufteinblasung in rechter Seitenlage zeigt deutlich die dem tastbaren Tumor entsprechende Stenose am Descendensfußpunkt. Aufnahme Fig. 122, 123 läßt den

Abb. 124. Resektionspräparat zu Abb. 121—125. Rechts ein Polyp sichtbar.

Tumor deutlich im Luftfelde erkennen. Analwärts vom Tumor ist der Darm durch die Luft gedehnt, so daß er halbmondförmig die Geschwulst umgreift; aber auch oral der Stenose ist Luft zu sehen. Auf die Polypen wurde bei dieser Aufnahme nicht gefahndet.

Operation ergab ein stenosierendes Rektumkarzinom in Douglashöhe, weiter ein apfelgroßes polypöses Karzinom am Descendensfußpunkt. Zwischen diesen beiden Tumoren war der Darm sehr dilatiert und enthielt zwei walnuß- bzw. kastaniengroße gestielte Polypen. Abb. 124 zeigt einen Teil des Resektionspräparats, und zwar den Sigmatumor und am unteren Rande den einen der beiden Polypen.

Bei hochgradiger Stenose mit beginnender Darmlähmung sehen wir, wie schon erwähnt, Verflüssigung des Stubhls in den oralen Darmteilen, große Gas- blasen, meist erscheinen drei Spiegel (im Stehen) im Ascendens, in der Mitte des Transversum und am Descendens, oft auch in der Sigmaschlinge bei sehr tief sitzendem Hindernis. Bemerkenswert ist in den Fällen einer noch durchgängigen Stenose die Beobachtung eines sich unter dem Druck des Inhalts bei der Peristaltik unter gleich- zeitigem Kolikschmerz bogenförmig kopfwärts krümmenden Querkolons.

Im Gegensatz zu Fall 40 steht der jetzt zu besprechende Befund. Während wir bei

80 A. W. Fischer

dem vorigen Patienten nur aus der Stenose und der Kotanhäufung zugleich mit dem Stocken des Kontrasteinlaufes die Diagnose stellen konnten, werden wir jetzt einen Füllungsdefekt direkt erkennen können.

Fall 42. Li., 54 J. 1922. Abt. 30.

Anamnese Blut und Schleimabgang, keine Obstipation.

Breipassagebild nach 8 Stun- den. Magenrest, Flecke im Dünndarm, teilweise Füllung des Coekum und Transversum. In diesem Zustande wurde ein Einlauf zugefügt, der die Ampulle und das untere Sigma gut ent- faltet, dabei einen scharf begrenzten, 5 cm langen Füllungsdefekt zeigt. Der Einlauf dringt weiter vor, dehnt gut das orale Sigma und füllt das Descen- dens, das alte Skybala enthält und

Abb. 125. Care, sigmae. Fall L. Nr. 42. Partieller dadurch eine fleckige Zeichnung be-

Füllungsdefekt im Sigma (Pfeile!) Kombination kommen hat (Abb. 125).

von Kontrastmahlzeit und Einlauf. Im Descendens kontrastlose Kotballen durchschimmernd.

Operation ergibt an dem Orte des Füllungsdefektes ein großes papil- läres Karzinom. Resektion.

Einen weiteren Fall mit völligem Schattenausfall sahen wir bei dem

Fall 43. Eb., 54 J. 1924. Abt. 30.

Seit 4 Monaten krank, zunehmende Verstopfung, Schmerzen, Schleim und Blut- abgang. Kachexie.

Breipassage bei dem schlechten Allgemeinzustande und dem Subileus kontraindiziert.

Kontrasteinlauf füllt die Am- pulle, entfaltet gut das Sigma in seinem analen Schenkel und stockt dann plötz- lich, im gleichen Augenblick tritt star-

Abb. 126. Carc. sigmae. Fall Eb. Nr. 43. ker Stuhldrang ein. Sofort Senken Schattenausfall dem Tumor entsprechend. des Irrigators und Zuwarten. Nach Einlaufbild. etwa 3 Minuten sieht man beginnende

Füllung im unteren Descendens und eine kaum erkennbare feine Kontraststraße zwischen den beiden 10 em voneinander entfernten Füllungsenden. Der tastbare Tumor entspricht dieser Gegend (Abb. 126).

Lufteinblasung brachte die stenotische Straße auch nicht besser zur Anschauung (Abb. 127).

Diagnose: Stenosierender Tumor des Sigma, offenbar Karzinom.

Operation ergab ein inoperables Sigmakarzinom mit zahlreichen Lebermetastasen.

Einen Parallelfall gibt die Abb. 128 des

Falles 44. G., 60 J. 1923. Abt. 14.

Seit 1 Jabr Beschwerden, Obstipation. Rektoskopie bis 30 em Höhe o. B.

Der Obstipation wegen Verzicht auf die Breipassage.

Tumoren der Sigmaschlinge 81

Einlauf erfüllt Ampulle, und den ganzen analen Sigmaschenkel, stockt aber im oralen Sigmateil und fließt ganz langsam nach Senken des Irrigators unter Entstehen eines Füllungsdefektes von 5cm Länge in das Colon descendens. Die Defektränder sind nicht auffällig scharfzackig.

Luftblähung ergibt das gleiche Bild.

Operation unter Diagnose Sigma-

za E Abb. 127. Karzinom der Sigmaschlinge. Abb. 125. Karzinom der Sigmaschlinge. Fall Eb. Nr. 43. Kombinierte Bariumluftfüllung. Fall G. Nr. 44. Einlaufuntersuchung zeigt Füllungsdefekt mit Bariumresten entsprechend Füllungsdefekt im Tumorbereich.

dem Tumor. Aufnahme im Stehen.

karzinom deckt einen hühnereigroßen, gut beweglichen Sigmatumor auf, der durch zahlreiche Lebermetastasen als sicheres Karzinom anzusprechen ist.

Daß man bei der Diagnose Füllungsdefekt zuweilen vorsichtig sein muß, mag Abb. 129 Fall 45 illustrieren. Hier wurde bei einem Kontrasteinlauf eine Schattenaussparung am Rande des Sigma gefunden, die zwar eine schärfere Begrenzung auf- wies, als es sonst Tumorfüllungsdefekte zeigten, aber doch als verdächtig an- gesprochen werden mußte. Bei einer zweiten Durchleuchtung war dieser Schattendefekt nicht mehr zu sehen. Da sonst keinerlei Tumorverdacht vor- lag, mußte dieser Schattenausfall als ein der Darmwand fest anliegender Kotballen angesprochen werden. (Jetzt nach 3 Jahren ist Pat. völlig gesund).

Als letzter Karzinomfall sei noch das Bild einer recht seltenen Erkran- kung wiedergegeben, einer diffusen Abb. 129. Beispiel eines durch einen Kotballen be-

Polyposis coli et recti mit Über- wirkten Füllungsdefektes (Flexura sigmoidea). gang in Karzinom.

Fall 46. Hä., 31 J. 1923. Abt. 30.

Seit 1914 vielfach unter Diagnose Rulır behandelt. Anlegung einer coekalen Spülfistel, dann eines Coekalafters ohne wesentlichen Erfolg. Weiter unverändert Schleim- und Blutabrang.

Einlauf durch den Anus praeter und anschließend Luftblähung per anum ergibt in rechter Seitenlage die Abb. 130 u. 131. Anus praeter durch Binde und Papp- deckel verschlossen.

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. d

82 A. W. Fischer

Wir erkennen an der rechten Seite eine Ansammlung von Kontrastflüssigkeit am Coekalafter, sehen das offenbar frei bewegliche Colon transversum in seiner rechten Hälfte senkrecht dem Auftrieb folgend hochsteigen, dann scharf umbiegen. Die Flexura

Abb. 130. Carcinoma sigmae + Polyposis coli. Abb. 131. Carcinoma sigmae. Skizze zu Fall Hae. Nr. 46. Kombinierte Bariumluftfüllung Abb. 130 mit Verlaufslinie.e x x x = ver- per clysma. Rechte Seitenlage. } tt unregelmäßige zerrte Kontur, 4 4 4 = Ulkusflecken, da-

Kontur, >> Ulkusflecken. zwischen die Stenose.

lienalis liegt auffällig weit nach der Mittellinie zu, sie wird offenbar durch eine große Milz verdrängt. Weiter ist deutlich eine Schlingenbildung am unteren Descendens und Sigma zu erkennen. Die Haustrierung all dieser Abschnitte ist sehr unbedeutend, es handelt sich um einen ausgeschalteten inaktiven Darm, für den dieser Befund typisch

Abb. 132. Polyposis coli + Carcinoma sigmae. Fall Hae. Nr. 46. Resektionspräparat.

ist. Geht man nun weiter abwärts, so werden die Konturen auffällig, die mediale, durch Pfeile gekennzeichnete Kontur des unteren Sigma ist im Vergleich zur lateralen Kontur sehr unregelmäßig, das Lumenfeld ist in ganzer Ausdehnung feinfleckig, weiter abwärts sieht man eine Reihe gröberer Flecken, wie wir sie als typisch für Geschwüre kennen- gelernt haben. An dieser Stelle verengt sich der Darm stark.

Pseudotumoren des Sigma 83

Röntgenologisch ergab sich also eine geschwürige Stenose des unteren Sigma, da früher die Diagnose auf chronische Ruhr gestellt war, wurde als ätio-

logisches Moment die Ruhr angenommen.

Die Operation überraschte uns, sie brachte uns das in Abb. 132 wiedergegebene Darmstück. Wir sehen eine dichte gleichmäßige Polyposis und ein tellerförmiges Karzinom. Histologisch ließ sich erweisen, daß eine echte Polyposis, also ein angeborenes Leiden und keine Ruhrpseudo- polyposis vorlag.

So gut wie in dem Falle Müller werden sich aber nur selten Polypen darstellen und nur dann, wenn es sich um große Exemplare handelt (Abb. 133).

Während wir also in diesem Falle eine ent- zündliche Stenose annahmen und ein Karzinom fanden, war die Situation im folgenden Falle ge- rade umgekehrt.

Entzündliche Tumoren der Sigmaschlinge. Fall 47. Kr., 68 J. 1921. Abt. 30.

Seit !/ Jahr 10--12mal tgl. Entleerung geringer Stuhlmengen, diarrhoisch mit Blutbeimengung. Ge- wichtsabnahme.

Rektoskopisch in 18cm Höhe Ödem, weiteres Vor- dringen nicht möglich. Tumor nicht palpabel.

Einlaufuntersuchung ergibt nach nor- maler Entfaltung der Ampulle im Sigma

1. eine unregelmäßige Kontur der Darm- wand,

2. eine starke Einengung des Lumens. Nach langsamem Passieren dieser Stelle rasche Füllung

des übrigen Dickdarmes. Dann Aufnahme, die Abb. 134 wiedergibt,

3. geringe Intensität des wolkig fleckigen Schattens.

Wir sehen die Zeichen einer starren, kurzen Stenose. Zwar ist die Stenose nicht scharfzackig begrenzt, wie wir es beim Karzinom oftmals sehen, aus der Gesamtheit der Symptome wurde jedoch die Diagnose eines Karzinoms der Sigma- schlinge gestellt.

Die Operation ergab einen umschrieben stenosierenden, ziemlich weich sich anfühlenden infiltrativen Prozeß, den man als kleines Karzinom ansprach.

Abb. 133. Polyposis coli. Füllungsdefekte

(nach Müller).

Abb. 134. Ulcus simplex des Colon sig- moideum. Fall Kr. Nr. 47. Spasmus oder Stenose, erwiesen durch dichteren Schatten oberhalb des Ortes unregel- mäßiger Füllung (Pfeile). Seitenverkehrt.

Abb. 135. Sigmadivertikel und spitze Divertikelzacken, außerdem sind größere Divertikel mit Luftblase erkennbar. Nach Wolff, Fortschr. d. Röntgenstr., Bd. 26.

Das aufgeschnittene Präparat ergab lediglich ein Ulkus ohne wesentliche Wand- infiltration von 2-Markstück-Größe, kein Karzinom (histologisch exakt untersucht).

6*

84 A. W. Fischer

Wie im pathologisch anatomischen Teile eingehend ausgeführt wurde, ist das Sigma

nächst dem Coekum ganz außerordentlich

Abb. 136. Dickdarmdivertikel Spasmen im Descendens und Sigma. Breipassage, nach 24 Std.

kombiniert mit Kontrasteinlauf.

(Nach Ch. D. Enfield, Am. journ. of r. Sept. 1924.)

Abb. 137. füllungen bei geleertem Darm 48 Std. nach

Breimahlzeit, 24 Std. nach Kontrasteinlauf. (Nach Ch. D. Enfield, Am. journ. of. r. Sept. 1924.)

Dieckdarmdivertikel Divertikel-

häufig der Sitz von Pseudotumoren;

während am Coekum die Appendizitis- folgen vorherrschen, spielt hier im Sigma die Divertikulitis die Hauptrolle. Ich bin nun leider nicht in der Lage, ein Röntgenbild solcher Divertikulitis zu bringen, da unsere eigenen Fälle fast alle im Stadium des Ileus als Eilfälle operiert wurden und weil andere Fälle noch keine einwandfreie Klärung aus der Art des Verlaufs gefunden haben (echter oder Pseudotumor), bei denen bei der Opera- tion der Verdacht einer entzündlichen Neubildung bestand.

Erkennt man bei einem solchen Stenosefall des Sigma Divertikelfüllungen, so ist der Schluß berechtigt, auch die Ur-

Abb. 138. Sigmoiditis. Fall La. Nr. 48. Stets spitzig zackige Kontur der kontrahierten Sigma. Einlauf.

sache für den bestehenden Tumor in einem Divertikel zu suchen. Das entzündete Divertikel selbst wird nie darstellbar scin. Solche röntgenologischen Divertikelbilder finden wir vielfach in der Literatur. De Quervain, Lenk, Wolff, Carman Miller, Lockhart-Mummery, En- field u. a. haben solche Bilder publiziert.

Wir sehen die Divertikel entweder als spit- zige, zackige Ausläufer, die den Haustren aufsitzen (Abb. 135) oder als kugelige Gebilde außerhalb der Darmkontur (Abb. 136 u. 137). Voraussetzung für die Darstellung ist natürlich, daß die Kon- trastmasse in die Divertikel eindringen kann. Sind diese mit Kotpartikeln voll- gepropft, so ist eine Sichtbarmachung nicht möglich. Bei guter Vorbereitung

Pseudotumoren des Sigma 85

durch Abführmittel und Seifeneinläufe ist aber auch eine Entleerung der Divertikel zu erhoffen. Nach Ablassen der Kontrastflüssigkeit oder nach Entleerung des Kon- trastkotes wird man die gefüllten Diver- tikel als kugelige Reste sehen (Abb. 137). Es ergibt sich also die Forderung, spe- ziell auf das Sigma zu achten, nachdem man den Einlauf wieder hat entleeren lassen. Daß verkalkte Phlebolithen (Carman u. a. m.) hier zuweilen uns täuschen können, sei kurz erwähnt. Neben den entzündlichen Tumoren des Dickdarmes müssen wir uns aber auch mit den einfachen Sigma- entzündungen befassen, die in ihren Symptomen ganz einem. Karzinom glei- chen können. Spasmus an den ent- zündeten Stellen führt zur Obstipa- tion, die lokale Entzündung bewirkt Schleim- und, Blutabgang. Diese Fälle haben beim Einlauf und bei der Pas- sage nie ein gut entfaltetes Sigma, stets ist es schmal und spitzig haustriert.

Tay SE aroromierte ne ger Abb. 139. Lues des Colon pelvinum und Rectum. artigen Fall, wo sogar ein Lumor tast- Stenose ff. (Nach Schwarz-Schittenhelm.) bar war. Er hält Obstipation für die Ursache von Geschwüren und Spasmen.

Dazu Fall 48. L., 58 J. 1922/1924. Abt. 30/32.

Seit 1/ Jahr Kreuzschmerzen, Tenes- men, Blut- und Schleimabgang. Rektosko- Dach ist nicht weiter als bis zu 15 cm Höhe vorzudringen.

Palpation zeigt Druckschmerz, aber keinen Tumor.

Breipassage ergibt Entleerung in 36 Stunden, Füllung des Sigma war bei mehrfacher Durchleuchtung nie sichtbar.

Einlauf füllt ohne weiteres das ganze Kolon, das Sigma ist kurz (ver- kürzt ?), es liegt dem Rande des klei- nen Beckens eng an, ist verschmälert, die Konturen scharfspitzig haustriert (Abb. 138). Abb. 140. Karzinom des Colon pelvinum.

Diagnose: Sigmoiditis. Ringstenose. Einlaufbild.

Da Gewichtsabnahme andauert,

Vorschlag zur diagnostischen Laparotomie. Wir erkennen bei der Operation ein offen- bar in der Längsrichtung kontrahiertes Sigma mit geröteter verdickter Wand. Ganz offenbar besteht auch eine diffuse Kontraktion der Ringmuskeln. Kein Tumor!

86 A. W. Fischer

Im weiteren Verlauf entwickelte sich an dieser Stelle allmählich eine narbige Stenose. Beobachtung dauert an. Operation abgelehnt.

Die Sigmaschlinge wird zuweilen bei starker Blähung des Ileum gegen den Rand des kleinen Beckens gedrückt. Die Flüssigkeit stockt dann bei der Irrigoskopie an dieser Stelle. Oft sah ich einen fingerlangen, scheinbar stenotischen Gang an dieser Stelle, der sich bei der Luftblähung dehnte. Auch Spasmen bei genitalen Entzündungen können das Bild einer Stenose vortäuschen. Mehrfache Untersuchungen an verschiedenen Tagen und Luftdehnung klären wohl immer die Sachlage.

Wir können in den meisten Fällen nur ganz allgemein die Dia- gnose einer Stenose des Sigma stellen und können rein röntgenologisch uns nur höchst vorsichtig über die vermutliche Ätiologie äußern. Mehr rundliche Formen für entzündliche Prozesse als charakteristisch zu bezeichnen, ist hier nach meiner Erfahrung nicht möglich. Zu einer derartigen Bewertung der Form haben wir am Ascendens offenbar ein gewisses Recht, am Sigma aber nicht. Man kann hier nur sagen, daß lange parallelrandig röhrenförmige Stenosen wohl durchweg entzündlich sind, aber für die übrigen Formen muß sich die röntgenologische Dia- gnose auf die Feststellung einer Stenose oder eines das Lumen einengenden Prozesses beschränken. Bilder wie sie uns Fall 39 gezeigt hat, kann man allerdings ziemlich sicher für Karzinome ansprechen, derartige partielle Füllungsdefekte sind hier aber selten, meist entsprechen die Fälle den Typen der Fälle 40 u. 41, also der Kotstagnation vor der Stenose oder der langen engen Stenose.

Daß auch die Lues hier neben der Divertikulitis eine wichtige Rolle spielt, ist schon früher erwähnt. Meist hat die Lues dann auch die tieferen Rektalabschnitte ergriffen, so daß sie dem tastenden Finger ohne weiteres zugänglich ist. Ein solches Luesbild entnehme ich der Arbeit Schwarz im Schittenhelmschen Buche. Man erkennt leicht in der Abb. 139 die hochgradige Einengung der Ampulle und die bis in den Anfang der Sigma reichende glattwandige parallelrandige Stenose. Ein derartiges Bild wird man nicht mit einem Karzinom verwechseln können (Fall 49).

Das Colon pelvinum ist kaum je Gegenstand der Röntgenuntersuchung, da es dem Rektoskop, oft auch dem Finger zugänglich ist.

Abb. 140 zeigt eine zirkuläre Stenose eines Karzinoms des Colon pelvinum (Fall 50).

Schlußwort.

Am Schlusse sei betont, daß wir in der Dickdarmdiagnostik nur bei engster, unmittelbarster Zusammenarbeit von Chirurgen und Röntge- nologen vorwärts kommen können. Erst durch das dauernde Vergleichen von Operations- und autoptischen Befunden mit den Einzelheiten der Röntgenbilder werden uns in der Differentialdiagnose zwischen heute noch nicht zu trennenden entzündlichen oder karzinomatösen Prozessen Fortschritte beschieden sein. In Sonderheit wird dann aber auch die Zuverlässigkeit des negativen Befundes steigen und die Zahl der jetzt noch unvermeidbaren diagnostischen Laparotomien wird weiter sinken.

Ich habe in der vorliegenden Übersicht mich selten auf die klinischen Symptome bezogen: Es ist gewiß zum Teil berechtigt, wenn immer darauf hingewiesen wird, daß eine röntgenologische Diagnose nur eine Ergänzung des klinischen Befundes, nichts Selbst- ständiges ist. Ich meine, man soll aber in dieser Auffassung der Arbeitsweise nicht zu weit gehen. Meines Erachtens soll man sich bei der Röntgenuntersuchung exakt darüber

Literaturverzeichnis 87

klar werden, was man allein aus den Bildern und Durchleuchtungsbefunden entnehmen kann, und soll erst in zweiter Linie die klinischen Befunde zur Ergänzung heranziehen. Ich halte es für außerordentlich erziehlich, in jedem Falle die röntgenologische Diagnose vor einer etwaigen Operation ausführlich schriftlich zu fixieren. Aus den operativen und autoptischen Befunden ist dann das Fazit zu ziehen. Schrittweise wird man so Erfahrungen sammeln. Ohne persönliche Erfahrungen wird man überhaupt keine sichere Dickdarmdiagnostik treiben können.

Die Röntgenologie ist gerade auf diesem Gebiet berufen, ein wich- tiger Faktor im Kampfe gegen die mörderische Krebskrankheit zu sein. Gelingt die röntgenologische Frühdiagnose des Krebses in weiterem Umfange wozu natürlich Voraussetzung die frühzeitige Überweisung seitens des Praktikers schon beim Verdacht eines Karzinomleidens ist so wird auch die Therapie erfolgreicher sein können, als bisher.

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Zur Frage der Knochenatrophie

Von

Ass.-Arzt Dr. med. E. Friedl und Doz. Dr. med. H. R. Schinz

Mit 10 Abbildungen im Text

Inhaltsverzeichnis.

Seite

I. Grundlegende Arbeiten von Sudeck und Kienböck. !Stellungnahme der älteren Schule Billroths zur Frage der akuten Knochenatrophie. . a. a 2 2 2 2 nn nn nenne 97 Io Spezieler Teils e = p a ee # Re. a2 Lak aai e ee 101 A. Primäre Noxe .. aasahan’ DEE EE E 102 B. „Latenzzeit“ im Röntgenbild. . . a. 2 2 2 Co EEE Er nnnn 104 C. Prädilektionsstellen . . 2 2 2 2 2 2 a Br a Are ee 105 D. Bemerkungen zur Klinik der Knochenatrophie. . . a » 2 2 2 nn nenne. 106 E. Pathologische Anatomie . » 2 2 s. m m u en nee 107 F. Experimentelle Arbeiten. . . . 2 2 2 2 nn ne. SEENEN we ALL BET EECH 113 H Röntgenbild der Knochenatrophie . . . 2... . En Er nn nn 120 Zusammenfassung Le =. 3. wa... Es Ale ae A SE KE E G 126

Literaturverzeichnis . oe. 0 0 ee D) H . D D D e D e D UNE WO òo o ò o ò% 8 oe L e E, òo o a 9% lg 125

I. Die grundlegenden Arbeiten von Sudeck und Kienböck. Stellungnahme der älteren Schule Billroths zur Frage der akuten Knochenatrophie.

Sudeck!) beschrieb 1900 in den Fortschr. d. Röntgenstr. Bd. 3: „Zur Alters- atrophie und Inaktivitätsatrophie der Knochen“ und als Fortsetzung dieser Arbeit in Langenb. Arch. 1900, Bd 62: „Über akute entzündliche Knochen- atrophie“ erstmalig das Röntgenbild der Knochenatrophie überhaupt und machte hierbei in seiner zweiten Arbeit auf eine bisher unbekannt gebliebene Form der Knochenatrophie bei akut entzündlichen Affektionen der Knochen und Gelenke und bei langdauernden Weichteilphlegmonen aufmerksam, die sich gegenüber der in den Lehrbüchern beschriebenen Alters- und Inaktivitätsatrophie unterscheidet durch das Merkmal der ‚aktiven Atrophie“. So führt z. B. Volkmann in seiner klassischen Arbeit „Die Krankheiten der Knochen“ (Handbuch der allg. u. spez. Chirurgie v. Pitha und Billroth 1865, 2) bezüglich der Knochenatrophie folgendes aus:

„Atiologisch sind für das Zustandekommen der Knochenatrophie im engeren Sinne (zum Unter- schiede von Knochenaplasien im Sinne von Hemmung des normalen Knochenwachstums) haupt- sächlich 2 Momente wirksam: Inaktivität und Senilität. Inaktivitätsatrophien treten namentlich nach Lähmung und jahrelang sich hinschleppenden Entzündungen und Eiterungen an den Extremi- täten auf, deren Knochen die höchsten Grade der exzentrischen Atrophie und die größte Brüchigkeit darbieten können.“ Dies entspricht nach heutiger Auffassung den chronischen Formen der akuten Knochenatrophie. Der Begriff akute Knochenatrophie ist ihm natürlich unbekannt; den Zustand akuter Rarifikation von Knochen dagegen kannte er wohl; dieser wurde aber von ihm begrifflich der rarifizierenden OÖstitis zugerechnet. „Die rarifizierende Ostitis tritt nicht nur für sich als selbst- ständige Störung auf, sondern kompliziert auch die schwersten Fälle der Karies (nach heutiger An- schauung akute Knochenatrophie), vermittelt die Heilung von Knochenwunden und Knochenent- blößungen, führt die Lösung der Sequester bei der Nekrose herbei usw.‘ (S. 250 und S. 355).

Bezeichnete Sudeck diese Form 1900 noch als ‚akut entzündliche Knochenatrophie“, so nannte er diese Affektion 1902 im Anschluß an Kienböck und in Analogie zur akuten Muskelatrophie, die jene öfters begleitet, „akute reflektorische Knochenatrophie“.

Das Röntgenbild der Knochenatrophie überhaupt beschreibt Sudeck (1900) mit folgenden Sätzen: „Der ganze Knochen ist durchlässiger und die Schatten weniger tief (wir sprechen heute von ‚Schattenaufhellung‘); bei ganz hochgradigen Fällen sieht man die Struktur verschwinden, bei leichteren Fällen ist sie viel zarter, als normal. Die Kortikalis der spongiösen Knochen ist deutlich dünner und weniger tief schattend, die der Röhrenknochen löst sich oft in deutlich erkennbare Fasern auf.“ Sudeck macht bei der Beschreibung eines Amputationsstumpfes des Femur darauf aufmerksam, daß am meisten noch von der Struktur des Druckfasersystems erhalten ist, während die Fasern

1) Prof. A. Köhler machte uns brieflich darauf aufmerksam, daß er „etwa gleichzeitig mit Sudeck‘ begonnen habe, die Knochenatrophie im Röntgenbild zu studieren und darüber an ver- schiedenen versteckten Orten Angaben gemacht habe.

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 1

98 E. Friedl und H. R. Schinz

des Zugbogensystems, die sich von der Kortikalis der Trochanterseite in einem großen Bogen über den Hals bis in den Kopf hinein erstrecken, fast ganz geschwunden sind und in ihrem Verlauf nicht mehr verfolgt werden können.

Entsprechend der Lehre Wolffs über die Zusammensetzung der Kompakta aus Fasersystemen gleich der Spongiosa, kann man sich diese aus den lamellös aneinander- gelagerten Bälkchen der Spongiosa aufgebaut denken. Diesem Röntgenbilde entspricht der von Wilhelm Roux (1896) genauer beschriebene Befund bei ‚der einfachen In- aktivitätsatrophie der Knochen“. Roux führte aus, daß bei der einfachen Inaktivitäte- atrophie der Knochen die tubulöse Spongiosa zur lamellösen resp. trabekulären Spon- giosa durch Schwund umgebildet wird und daß unter stetiger Abnahme ihrer Dicke die statischen Elemente der Spongiosa völlig schwinden können. Die dadurch sich vergrößernden Zwischenräume werden mit Fettmark ausgefüllt. Die ganze Struktur unterscheidet sich von der normalen nur durch die Rarifikation.

Bezüglich der Unterscheidung der Inaktivitätsatrophie (z. B. bei Frakturen und schlaffen Lähmungen) von der „akuten Knochenatrophie“ führt Sudeck aus, daß die Inaktivitätsatrophie erst dann erhebliche Ausdehnung gewinnt, wenn der funktionelle Reiz durch längere Zeit (jedenfalls durch einige Monate) gefehlt hat, während die akute Knochenatrophie auffallend rasch und in bedeutendem Maße eintritt, und zwar nicht nur im direkt ergriffenen Knochen, sondern auch in dem benachbarten, von dem erkrank- ten Knochen funktionell abhängigen Knochenteil. Die Disproportionalität zwischen Knochenatrophie und Funktion beweisen nach Sudeck folgende Umstände: Auch dort, wo die Funktion nicht völlig aufgehoben ist, tritt dennoch Knochenatrophie ein; um- gekehrt bildet sich die Atrophie auch wieder zurück mit dem Rückgange der die akute Knochenatrophie verursachenden akuten Entzündungserscheinungen, auch wenn die Funktion noch recht mangelhaft sein kann; bei spastischen Lähmungen fehlt Atrophie, auch wenn die Belastung seit Jahren nicht vorhanden war und demnach die Kontraktur der Muskeln genügt, um das Eintreten der Atrophie zu verhindern. Bemerkenswerter- weise sind solche Gelenke mit atrophischen Gelenkkörpern durch mobilisierende Be- handlung ungleich schwieriger beweglich zu machen, als einfach ruhiggestellte Gelenke; ja es bleibt oft dauernd eine gewisse Bewegungseinschränkung zurück.

Aus alledem schloß Sudeck, daß neben der Inaktivität noch ein besonderer Grund vorliegen müsse, der zu akuter Knochenatrophie führt. Am wahrscheinlichsten dünkte ihn in seiner ersten Arbeit eine entzündliche Reizung in weiter Umgebung des Knochen- herdes, die diese Ernährungsstörung herbeiführt. Trophische Störungen vom Rücken- mark aus werden noch für unwahrscheinlich gehalten. Gleichzeitig betont aber Sudeck, daß die bisher für diese Affektion seit Volkmann übliche Bezeichnung ‚Ostitis rari- ficans“ nicht glücklich sei, da es sich hier um eine ‚„fettige Atrophie‘ resp. „Lipomatose“ nach Krause handle. Sudeck war sich daher bewußt, daß für diese entzündliche Knochenatrophie keine Mikroben ätiologisch in Frage kommen.

In der nächsten Arbeit (Fortschr. d. Röntgenstr. 1901, 5) führt Sudeck aus, daß in Fällen, wo eine ausgesprochene Funktionsstörung vorlag, nur selten eine deutlicheKnochen- atrophie vermißt wurde. Nach Traumen jeglicher Art kann, ebenso wie nach langdauernden Entzündungen jeglicher Art, eine Knochenresorption stattfinden. Die Gelenkaffektionen prädisponieren mehr zu Knochenatrophie wie Gelenkbrüche, die Knochenatrophie tritt nach Entzündungen leichter auf als nach einfachen Traumen; besonders bei akuten Entzündungen der Gelenke scheint sie die Regel zu sein, während sie nach Verletzungen nur in der Minderzahl der Fälle beobachtet wird.

Die kürzeste Zeit bis zum Auftreten (an der Hand) beträgt z. B. 4 Wochen, und die Knochenatrophie kann dann schon recht hochgradig sein.

Zur Frage der Knochenatrophie 99

Ob dem Krankheitsprozeß Halisterese oder einfache Resorption zugrunde liegt, wird unentschieden gelassen.

Das Röntgenbild der akuten Knochenatrophie wird im Anschluß an Kienböck, dessen” Arheit unterdessen erschienen war, genauer spezifiziert: Im Anfangsstadium ungleiche fleckige Aufhellung zuerst an der Spongiosa. Die Kortikalis ist noch nicht verschmälert, zeigt aber gelegentlich lochartige Lücken, die etwas später als die Spon- giosaveränderungen auftreten. Dieser Zustand kann sich ebenso rasch, als er gekommen ist, auch wieder zurückbilden. Damit verschwindet auch die Funktionsstörung.

Diese akute Form der Knochenatrophie kommt nicht vor bei der langsam entstehen- den Inaktivitätsatrophie, bei der Altersatrophie und bei Atrophien infolge peripherer Nervenverletzungen, wohl aber beobachtete er sie bei Herpes zoster mit Neuritis und schweren Funktionsstörungen. Mit Regelmäßigkeit findet er in Fällen akuter Knochen- atrophie Veränderungen der bedeckenden Weichteile, und zwar Muskelatrophie und vasomotorische Hautstörungen (Zyanose, Ödeme, schlechte Wundheilung, Kälte der Haut, Hyperkeratose, Schuppungen, Glanzhaut, samtene Weichheit der Haut, Hyper- trichose, am regelmäßigsten Zyanose, Ödeme und Hautatrophie).

Sudeck spricht jetzt, im Gegensatz zu seiner ersten Arbeit, von einer trophischen Störung in Analogie zur akuten Muskelatrophie mit der Begründung, daß akute Knochen- atrophie auch dort gefunden werde, wo die betreffenden Glieder gar nicht inaktiv waren, daß sie sich durch medikomechanische Behandlung verschlimmert, daß die Atro- phieform im Gegensatz zur Inaktivitäts- oder senilen Atrophie im Röntgenbilde eine „scheckige“ ist, daß sie bei geringem Anlaß auftritt und endlich, daß sie mit der akuten Muskelatrophie und trophischen Hautstörungen zusammen vorkommt. Bei akuter Knochenatrophie ist stets eine Funktionsstörung vorhanden; diese muß aber als etwas Sekundäres betrachtet werden, da die akute Knochenatrophie gleichzeitig mit der Grund- krankheit beginnt und ihr nicht sekundär folgt.

Der nächste Autor, der sich mit dieser Knochenaffektion befaßte, war Kienböck (1901). Dieser betont, daß es sich hier um eine exzentrische Atrophie im Sinne der Anatomen handle: das Volumen des Knochens bleibt unverändert, die Kompakta wird verdünnt und porös durch Erweiterung der Haverskanälchen, die Spongiosa weitmaschig (rarifiziert) durch Verringerung der Zahl der Bälkchen. Für die akute Knochenatrophie ist gegenüber anderen Formen (Altersatrophie, Inaktivitätsatrophie) der meist hohe Grad der Ausbildung charakteristisch. Da die Knochenatrophie nicht nur in der Um- gebung des entzündeten Gliedes, sondern auch weitab an anderen Stellen des Gliedes beobachtet wird, hält Kienböck die Zurückführung der Knochenatrophie auf eine fortgepflanzte Entzündung, wie es Sudeck zuerst tat und wie auch die früheren Autoren von einer „Östitis rarificans‘‘ (Volkmann) sprachen, für unwahrscheinlich.

Kienböck weist darauf hin, daß die akute Knochenatrophie in den charakteristi- schen Merkmalen (Rapidität des Auftretens, Verbreitung auf entfernte Regionen, Hoch- gradigkeit und Stabilität) mit den von Wolff (1983) studierten Wachstumsstörungen der Extremitätenknochen nach Gelenkerkrankungen und Gelenkresektionen überein- stimme. Wie Wolff aus diesen Eigenschaften und aus der Unabhängigkeit der Wachs- tumsstörung von der Ruhigstellung der Extremität folgerte, daß nicht Inaktivität die Ursache der Wachstumsstörung sein könne, zumal bei gleicher Gelegenheit in manchen Fällen Wachstumshemmung, in manchen Fällen aber auch Wachstumssteigerung beob- achtet wird, sondern daß es sich vielmehr um eine Trophoneurose handle, so sprach sich auch Kienböck für einen nervösen reflektorischen Ursprung der akuten Knochen- atrophie aus, für eine Trophoneurose mit konsekutiver Zirkulationsstörung. Wie oben erwähnt, schloß sich Sudeck dieser Meinung Kienböcks an.

7*

100 E. Friedl und H. R. Schinz

Kienböck gibt nun eine genauere Schilderung des Röntgenbildes bei der akuten Knochenatrophie. Er unterscheidet zwei Formen: die fleckige und die reine osteoporotische Form der Knochenatrophie. Die erstere, die zugleich dem akuten Stadium der Krankheit entspricht, ergibt ein verschwommenes Bild des ganzen Knochens, die Struktur ist unscharf und verwaschen. Daneben finden sich lochartige Defekte in der Spongiosa und fleckige Aufhellungen in der Kompakta. Die zweite und zugleich chronische Form entspricht der Beschreibung Sudecks (s. o.). Nach Ausheilung des Grundleidens zeigt sich das Bild der reinen Osteoporose. Beide Formen können isoliert auftreten oder kombiniert sein (subchronisches Stadium, von Ohlmann später als Übergangsform speziell hervorgehoben). An einigen Stellen ist das Strukturbild noch verwaschen und fleckig, an anderen Stellen zeigt sich bereits die reinliche Zeichnung der Osteoporose mit den dünnen und zarten Knochenbälkchen und den scharfen Skelettkonturen, die wie von einer feinen Linie umrissen aussehen. In schwersten Fällen von Osteoporose schwindet die Spongiosa völlig, der Knochen sieht wie Glas aus (,,Glasknochen“ der Röntgenologen).

Kienböck versuchte auch eine Erklärung für das Zustandekommen der fleckigen Form der Knochenatrophie zu geben. Er argumentierte folgendermaßen: Die gelösten Kalksalze bleiben bei dem überstürzten Knochenabbau in den Markräumen liegen, hierdurch wird die Knochenstruktur einerseits verdeckt, anderseits kommt es durch die lokale Anhäufung von Kalksalzen zu Fleckenbildung innerhalb der Spongiosa. Ob auch die Halisterese für die Verschleierung der Knochenstruktur in Betracht kommt, läßt er unentschieden. Diese Argumentation ist, wie bereits Exner hervorhebt, durchaus hypothetisch, da histologische Befunde fehlen.

Nach diesen zwei grundlegenden Arbeiten von Sudeck und Kienböck war das Ziel der folgenden Arbeiten einerseits die Stellungnahme zur Theorie der trophoneuroti- schen Ätiologie der akuten Knochenatrophie und damit auch zur Berechtigung, die akute (oder Sudecksche) Knochenatrophie als eine besondere Form der Knochenatrophie zu bezeichnen und anderseits kasuistische Beiträge hinsichtlich der primären Noxe, die zu Knochenatrophie führt, zu liefern, und endlich die histologische und chemische Untersuchung von atrophischen Knochen.

Ehe auf die wichtigsten Literaturangaben zur Frage der akuten Knochenatrophie oder Sudeckschen Knochenatrophie eingegangen wird, ist es wohl von Interesse, die Stellungnahme der älteren Schule Billroths zu dieser Frage kennenzulernen.

In der 16. Auflage der allgemeinen chirurgischen Pathologie und Therapie (S. 598, 1906) finden wir folgende Ausführungen:

„Während wir bei der Ätiologie der bisher geschilderten Gruppen chronischer Knochenentzün- dungen (osteomyelitische, tuberkulöse, luetische und toxische Osteoperiostitiden) die Einwirkung eines lokalen, bazillären oder chemischen Reizes konstatieren können, sind die Ursachen der jetzt zu erörternden Prozesse nicht so klar.“ „Entwickelt sich im Innern eines kurzen, spongiösen oder in der spongiösen Epiphyse eines langen Röhrenknochens eine diffuse chronische Ostitis mit reich- licher Gefäßneubildung und Infiltration von Wanderzellen, so wird dadurch das Knochengewebe seiner Kalksalze beraubt und allmählich resorbiert werden, während an scine Stelle ein beträchtlich vasku- larisiertes, zellreiches Markgewebe tritt. Der Knochen bekommt infolgedessen ein grobmaschiges, sehr poröses Gefüge, zahlreiche Knochenbälkehen der Spongiosa verschwinden, die übrigbleibenden verschmälern sich, die Kortikalis wird von innen her immer mehr verdünnt, ihre Resistenz nimmt ab, der ganze Knochen ist ungemein leicht geworden.“ Es ist „das Bild eines reinen Knochenschwundes der Spongiosa“, einer ‚rarifizierenden Östitis“ nach Volkmann, einer „Ostitis malacissans‘“ nach Billroth. „Die Knochenkörperchen verhalten sich bei dem ganzen Prozeß vollkommen passiv.“ „Das durch reichliche Vaskularisation sehr rötliche Mark bleibt fetthaltig, ist aber dichter von jungen Zellen durchsetzt als normal und ähnelt dadurch mehr dem Marke von Kinderknochen. Im weiteren

Verlaufe des Prozesses nimmt das Fettgewebe zu; während die Gefäße obliterieren und verschwinden, tritt das Fett in flüssigem Zustande aus den Zellen aus, so daß zuletzt der aufs äußerste erweiterte,

Zur Frage der Knochenatrophie 101

von gelblich-rötlichem, bei Körpertemperatur flüssigem Fett erfüllte Markraum, von einer papier- dünnen Kortikalis umgeben, übrigbleibt.“ „Am Lebenden ist weder eine Verdickung des Knochens noch eine Infiltration der Weichteile noch sonst eine äußere Veränderung wahrnehmbar.“ Eine Vereiterung oder Verkäsung des Markgewebes kommt spontan nicht vor. Sie kann aber im Beginn hervorgerufen werden durch Infektion.“ „Es fehlt jede Knochenauflagerung vom Periost her“. „Ob eine wirkliche Knochenregeneration der Substanz eines durchaus osteoporotischen Knochens mit Wiederherstellung seiner normalen Festigkeit vorkommt, ist bis jetzt nicht sicher nachgewiesen.“

Bezüglich der Ätiologie dieser Knochenaffektionen bemerkt Billroth, daß diese dunkel sei; er weist hin auf die Osteoporose als Komplikation der tuberkulösen Ostitis, ohne daß die osteoporo- tischen Knochen in der Nachbarschaft eines tuberkulösen Knochens als tuberkulös betrachtet werden dürften. Bemerkenswert ist der Satz: „Daß Zirkulationsstörungen, namentlich in venösen Stauungen, und andauerndes Ödem die Resorption des Knochengewebes begünstigen, ist leicht verständlich; ihrem Einflusse schreibe ich das nicht seltene Vorkommen der rarifizierenden Ostitis bei jugend- lichen Individuen mit Plattfuß zu, die ganz gewöhnlich an venöser Stauung der unteren Extremi- täten und träger Zirkulation leiden.“ „Die Inaktivität kann man jedenfalls nicht immer beschuldigen.“

IL Spezieller Teil.

Wir behandeln hier nicht die durch irgendeine primäre Noxe gesetzte lokale Knochenaffektion, wie lokale entzündliche Osteoporose, lokale Knochennekrosen mit folgendem Umbau usw., sondern die vom Lokalherd getrennt auftretenden Osteo- porosen in Knochen und Knochenteilen, die durch Gelenke vom primär affizierten Knochen getrennt sind.!)

Haben die Herde im primär erkrankten Knochen je nach Ätiologie ihre eigene Ver- laufsweise und ist, wie so häufig, ein osteoporotisches Stadium zwischengeschaltet zwischen die verschiedenen Stadien, wie Demarkation, Umbau usw., so zeigen die ent- fernteren Knochen nur das Bild der Osteoporose, die entweder in mehr oder weniger hohem Grade dauernd persistiert oder allmählich wieder eine Restitutio ad integrum erfährt; andere pathologisch-anatomische Zustandsbilder, als eben die Rarifikation, werden nicht beobachtet. Am Primärherd dagegen erfolgen sehr häufig auf ein poroti- sches Vorstadium periostale und endostale Sklerosen, Demarkierungen, regressive und progressive Veränderungen der verschiedensten Art.

Die pathologisch-anatomische Grundlage sowohl für den Primärherd im Stadium der Rarifikation als auch für die Knochenatrophie im eigentlichen Sinne, d. h. die Atrophie in den benachbarten Knochen, ist unabhängig von der Ätiologie morphologisch identisch. In beiden Fällen handelt es sich um Untergang der Tela ossea durch zelluläre Resorption von seiten der ÖOsteoklasten.

Im Knochen, als Organ betrachtet, entstehen dabei aber verschiedene Zustandsbilder, die röntgenologisch darstellbar sind und in der Literatur unter den Namen akute Knochenatrophie, Inaktivitätsatrophie und senile Knochenatrophie ge- schildert werden. Es ist Aufgabe der folgenden speziellen Erörterungen, zu untersuchen, ob sich diese einzelnen Formen der Knochenatrophie auch hinsichtlich der formalen Genese und hinsichtlich der Pathogenese unterscheiden, oder ob es sich um bloße Zu- standsbilder eines und desselben Prozesses handle, wobei evtl. die röntgenologisch feststellbaren Formen nur durch den Zeitpunkt der Untersuchung und durch die Schwere des Prozesses charakterisiert sind.

1) Wir benutzen hier die Gelegenheit, dem Direktor der chir. Universitätsklinik Zürich Herrn Prof. Dr. P. Clairmont für die liebenswürdige Überlassung des Materials seiner Klinik und für mannigfache Anregung und Förderung unseren verbindlichsten Dank auszusprechen.

102 E, Friedl und H. R. Schinz

A. Art der primären Noxe der Sudeckschen Knochenatrophie.

Eine gute zahlenmäßige Vorstellung über die -verhältnismäßige Frequenz der Knochenatrophie bei den verschiedensten Affektionen der Extremitäten gibt die Tabelle von Herfarth aus der Küttnerschen Klinik. Die Durchsicht von 203 Röntgenplatten mit Knochenatrophie ergab folgende Verteilung hinsichtlich der Ätiologie:

Knochenatrophie nach Frakturen 33 Fälle ~ entzündlichen Erkrankungen dE sb Schußverletzungen 3 ,„ 2 Nervenverletzungen ur = Weichteiltraumen 20 ,, e Erfrierungen und Verbrennungen 5 ,, ie bei Akrodermatitis atrophicans 12°

Eine zweite Reihe von 117 Fällen von Knochenatrophie ergab, speziell bei ent- zündlichen Affektionen, folgende Frequenz von Knochenatrophie als Begleiterschei-

nung: | Knochenatrophie bei Gelenk- und Knochentuberkulose in 43 Fällen si Osteomyelitis „40 ,, 2 entzündlichen Weichteilerkrankungen 20 ,, re eiterigen Gelenkaffektionen 10 ,, ge Periostitis luetica RES, m 2 Arthritis gonorrhoica mi, 2

Daraus ergibt sich, wie schon Sudeck angab und wie es die alltägliche Erfahrung bestätigt, daß die Knochenatrophie am häufigsten bei entzündlichen Prozessen und hier wie schon vor der Röntgenära bekannt war besonders bei Knochen- und Gelenktuberkulosen!) auftritt. Sehr ausgesprochen ist ferner, was aus der Tabelle nicht hervorgeht, die Knochenatrophie bei Gonorrhoe der Gelenke, besonders der kleinen Handgelenke (Exner). Recht hohe Grade kann die Knochenatrophie der Hand- und Fußwurzelknochen bei akut entzündlichen Weichteilprozessen und bei Panaritien erreichen. Nur bei Syphilis kommt nach den ausgedehnten Erfahrungen von Hahn und Deyke Pascha die akute Knochenatrophie kaum vor. Sehr deutlich ist ferner die Knochenatrophie bei Osteomyelitiden und bei den chronisch- polyarthritischen Gelenkerkrankungen, dagegen nur gelegentlich bei Arthritis deformans (Volkmann). Als Ursache der Knochenatrophie führt Deyke Pascha noch die Nervenlepra an.

Von Systemerkrankungen führen wir den Morbus Barlow, Osteogenesis imper- fecta, die Rachitis, Osteomalacie und die Hungerosteopathie an. Wir reihen hier noch die Knochenatrophie bei diffuser Karzinose (Karzinommetastasen) und das Osteo- sarkom an.

Knochenatrophie wurde ferner beobachtet bei Erfrierungen und Verbren- nungen. Nach Hitschmann und Wachtel kommt es in 80% der Fälle im Anschluß an Erfrierungen (auch solchen 1. Grades) zu Knochenatrophie ohne Unterschied des Grades der Weichteilläsion. Sie stellt sich nach Ablauf von 14—15 Tagen nach der Er- frierung ein und betrifft entweder nur die peripher von der Erfrierungsstelle gelegenen Knochenabschnitte, oder sie erstreckt sich kontinuierlich auch auf die fernerliegenden

1) Knochentuberkulose mit reinem extraartikulärem Sitz, bei der also keine Funktionsstörung im Gelenke besteht, bedingt keine Knochenatrophie.

Zur Frage der Knochenatrophie 103

Skeletteile. Sie dauert monatelang, ihr Bestehen ist unabhängig von dem Vorhandensein oder Fehlen von Hautveränderungen. Dubs findet Knochenatrophie auch nach Weich- teilverbrennung. Allerdings macht Axhausen auf die experimentellen Arbeiten Ribberts aufmerksam, der nach Erfrierung Knochennekrosen sah. Diese Knochen- nekrosen erfahren durch den konsekutiven Umbau an sich eine Rarifizierung. Es handelt sich also hier um eine Knochenaffektion sui generis.

Bei Traumen kommt es, wie Lenk ausführt, bei Diaphysenfrakturen selten, bei Metaphysenfrakturen häufiger, bei Epiphysen- und Gelenkbrüchen so gut wie immer zu Knochenatrophie. Der Grad der Knochenatrophie nimmt peripherwärts von der Frakturstelle meist zu. Alle Frakturen, die länger als 3 Wochen vollkommen inaktiv behandelt werden, zeigen Knochenatrophie, während bei allen jenen Fällen, die mög- lichst frühzeitig die Gelenke der verletzten Extremitäten belasten, die Knochenatrophie ausbleibt. Die passiven Bewegungen allein können die Knochenatrophie nicht aufhalten, auch nicht die Faradisierung der Muskulatur (Exner). Schußfrakturen ohne glatten Wundverlauf sind so gut wie regelmäßig durch Knochenatrophie kompliziert (sekundäre Infektion, Gefäß- und evtl. Nervenschädigungen), wie es besonders Hilgenreiner beschrieben hat. Frakturen mit verzögerter Kallusbildung und Pseudarthrosen führen nach eigenen Erfahrungen ebenfalls außerordentlich häufig zu Knochenatrophie. Be- achtenswert ist, daß die Kallusbildung frakturierter atrophischer Knochen nicht gestört ist. Weichteilquetschungen und sonstige Verletzungen ohne entzündliche Komplika- tionen sollen nach Herfahrt Knochenatrophie bedingen, nach Ohlmann nur dann, wenn sie mit einer Nervenläsion einhergehen.

Knochenatrophie bei Nervenverletzungen und Erkrankungen wurde oft beobachtet. Im Anschluß an die erste Arbeit Sudecks berichtete zuerst Nonne (1901) über radiographisch nachweisbare akute chronische Knochenatrophie bei Nerven- erkrankungen. Er fand Knochenatrophie bei schlaffer Lähmung, nicht bei spastischer und auch nicht bei tabetischer Ataxie. Auffallend gering ist die Knochenatrophie bei Lähmungszuständen infolge peripherer Neuritis. Bei einer hysterischen Lähmung, die über ein Jahr bestand, fand sich keine Knochenatrophie, trotzdem die Extremität livide und kalt war. In einem Falle vonHeine-Medinscher Erkrankung, die seit 12 Jah- ren bestand und zu einer totalen Paralyse der oberen Extremitäten mit hochgradigster Muskelatrophie geführt hatte, waren nur die Epiphysen mäßig atrophisch, nicht die Diaphysen. Nonne kommt zu folgendem Schluß: 1. Das Fehlen motorischer Reize allein bedingt nicht Knochenatrophie; 2. periphere Lähmungen allein (z. B. Ulnaris- lähmung) bedingen keine nennswerte Knochenatrophie; 3. hysterische Lähmungen (also Inaktivität allein) führt ebenfalls zu keiner Knochenatrophie. Letzteren Befund bestätigt auch Cassirer.

Bezüglich der Nervenverletzungen fand Lehmann, daß die Knochenatrophie am häufigsten ist bei Verletzungen des Medianus, Tibialis, Ischiadikus; schon seltener ist sie bei Läsionen des Ulnaris, am geringsten bei solcher des Radialis und Peroneus. Er folgert daraus, daß die Verletzung jener Nerven, die schmerzleitende Fasern führen, Knochenatrophie zur Folge haben können, und stimmt darin mit Fleischhauer und Hoffmann überein, die die stärksten Atrophien bei jenen Nervenläsionen sahen, die von heftigen Schmerzen begleitet waren. In Zusanımenhang damit sei darauf hingewiesen, daß nach Müller in den peripheren sensibeln Nerven auch die vegetativen Nerven ver- laufen und daß lebhafter körperlicher Schmerz zu einer Änderung in der Innervation des vegetativen Systems führt auf dem Reflexwege über das Rückenmark, so daß eine Verletzung dieser vegetativen Fasern vasomotorische Störungen zur Folge haben können (Gefäßmuskellähmung nach Reznicek).

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Bei Hautkrankheiten fand Herfarth Knochenatrophie in der Mehrzahl der Fälle von Acrodermatitis atrophicans und Sklerodermie.

Überblicken wir alle die angeführten primären Noxen, die zu Knochenatrophie resp. Knochenrarifikation führen, so muß man wohl sagen, daß die Knochenrarifi- kation mehr als Krankheitssymptom denn als selbständige Krankheit zu werten ist. Es zweifelt ja niemand daran, daß die Osteoporose bei Systemerkrankungen, wie Morbus Barlow, nicht die Grundkrankheit selber ist, ebensowenig wie osteoporotische Zustandsbilder bei Rachitis und Osteomalacie oder bei Osteomyelitis oder diffuser Kar- zinose des Knochens, bei Karzinommetastasierung usw. Mannigfache Ursachen liefern das Bild der Knochenrarifikation; war sie vor der Röntgenära eigentlich nur bei der Knochen- und Gelenktuberkulose gelegentlich der Amputationen und Resektionen bekannt geworden, so zeigte uns das Röntgenbild die außerordentliche Häufigkeit der Knochenatrophie auch bei allen möglichen anderen Knochen- und Weichteilaffektionen als Begleiterscheinung, seitdem Sudeck (1900) die röntgenologischen Merkmale der Knochenatrophie festgelegt hatte. Daß man bei der Aufdringlichkeit des Röntgen- bildes Gefahr läuft, aus der Knochenatrophie ein eigenes Krankheitsbild zu machen, ist wohl begreiflich.

B. „Latenzzeit“ der Knochenatrophie im Röntgenbild.

In der ersten Zeit der Röntgenära mochte es manchen überraschen, daß die Knochen- atrophie im Röntgenbilde erst nach einer gewissen ‚‚Latenzzeit‘‘ nach Beginn der primären Noxe sichtbar wird, ohne daß sich das im klinischen Bilde äußert. Am lehrreichsten und am klarsten zeigt das die Osteomyelitis. Trotz schwerstem Krankheitsbilde zeigt die Röntgenaufnahme im Stadium der akuten Markphlegmone einen durchaus negativen Befund. Erst in der 3. Woche werden röntgenologisch schwere Knochenveränderungen sichtbar. Es bedarf eben einer gewissen Zeit auch bei den akutesten Knochenprozessen, um durch Summationseffekt der mikroskopisch zellulären Arbeit makroskopische Ver- änderungen an der passiv sich verhaltenden Tela ossea zu setzen. Daß der Zustand mikroskopisch oder durch Knochenwägung früher erkannt werden kann, hat mehr aka- demisches Interesse; es sagt uns eben, daß die Latenzzeit nur für die Röntgendarstell- barkeit der Knochenatrophie, nicht aber tatsächlich besteht.

Sudeck hat auf Grund der verschiedenen Latenzzeiten (kurze Latenzzeit bei akuter Knochenatrophie, lange bei Inaktivitätsatrophie) und auf Grund des fleckigen und osteoporotischen Stadiums der Knochenatrophie im Röntgenbilde eine besondere ätiologische Unterteilung der Knochenatrophie vorgenommen: Die akute neurotrophische Knochenatrophie und die mehr chronische Inaktivitätsatrophie. Die senile Atrophie ließe sich dann der chronischen Atrophie anschließen. Seit den Experimenten von Brandes ist man von dieser Überwertung der zeitlichen Latenz im Röntgenbilde zu- rückgekommen, desgleichen von der verschiedenen Bewertung des fleckigen oder osteo- porotischen Bildes. Eine intensiv wirkende, primäre Noxe führt eben zu rapidem und ungleichmäßigem Auftreten der Knochenatrophie, also zu kurzer Latenzzeit und fleckigem Strukturbilde; eine weniger intensiv wirkende Noxe bedingt eine allmählich und mehr gleichmäßig einsetzende osteoporotische Knochenatrophie. Daß das fleckige Stadium allmählich ins osteoporotische übergeht, ist sonach verständlich.

Die Latenzzeit ist demnach variabel: ihre Dauer schwankt zwischen 2 Wochen und 2 Monaten. Die Minimalzeit beträgt etwa 3 Wochen bei mittelstarken Knochen, bei kleinen Knochen wurde beginnende Knochenatrophie schon nach 2 Wochen beob- achtet. Wir dürfen diese Zeiten, die tatsächlich beobachtet wurden, als Minimalzeiten

Zur Frage der Knochenatrophie 105

betrachten, da wir dieselben Latenzzeiten beim akutesten Prozeß (bei der osteomyeli- tischen Markphlegmone) finden. Als mittleres Maß können wir bei akuten Prozessen 5 Wochen annehmen. Dieses Zeitmaß ist nur ein Näherungswert; je nach der Aufnahme- technik und je nachdem, ob man eine eben erkennbare Atrophie auf Grund übrigens nicht immer sehr zuverlässiger Vergleichsaufnahmen, oder ob man mehr ausgesprochene Formen für den Beginn der Knochenatrophie heranzieht, fallen die Zeiten natürlich etwas verschieden aus. Auf Grund der verschiedenen Literaturangaben lassen sich obige Zahlen rechtfertigen. Die Latenzzeiten bei der akuten Knochenatrophie betrugen nach Sudeck 4/, resp. 6—8 Wochen, nach Lenk 25 Tage, nach Finkelnburg 4—5 Wochen, nach Hitschmann-Wachtel 14—25 Tage, nach Hilgenreiner 2—3 Wochen, nach Ohlmann 6—8 Wochen, nach Herfarth 2—4 Wochen.

Das fleckige Stadium kann monatelang dauern (nach Herfarth 2—3 Monate, nach Hitschmann-Wachtel bis zu 1 Jahr). Für die Dauer des chronischen Stadiums lassen sich keine Zahlen geben, da der Zustand nicht selten dauernd bestehen bleibt.

C. Prädilektionsstellen.

Als solche sind, worauf Sudeck schon aufmerksam machte, Hände und Füße ein- schließlich der knöchernen Gelenkkörper der distalen Vorderarm- resp. Unterschenkel- knochen durch die alltägliche Erfahrung bekannt. Hilgenreiner betont, daß im all- gemeinen stärker bewegte Teile mehr zu Knochenatrophie disponieren als weniger be- wegte, Hände also mehr als Füße, Vorderarme mehr als Unterschenkel, Radius mehr als Ulna. Im allgemeinen darf man sagen, daß die Extremitätenenden ausgesprochene Prädilektionsstellen darstellen. Eine zweite, wenn auch recht seltene bevorzugte Loka- lisation der Knochenatrophie ist die Wirbelsäule (Kümmelsche Spondylitis). Geradezu gesetzmäßig ist das erste Auftreten der Knochenatrophie an den spongiösen Teilen der kleinen und großen Schaftknochen, und daher auch besonders ausgesprochen an jenen Knochen, die an sich rein spongiös gebaut sind (Karpalia, Tarsalia, Wirbel). An den knöchernen Gelenkkörpern zeigt sich die Knochenatrophie an den zarter gefügten Gelenkköpfen früher als an den Pfannenteilen des Gelenkes.

Das schärfere Hervortreten von Resten der verkalkten Epiphysenfuge oder von Wachstumslinien im Schaftknochen bei der Knochenatrophie wird verständlich durch die Angabe Köllikers, daß es sich hier vielfach um Reste verkalkten Knorpelgewebes handelt. Dieses Knorpelgewebe ist wenig vaskularisiertt und liefert daher weniger Angriffspunkte für die die Gefäße begleitenden und ihnen entstammenden Osteo- klasten.

Dieselbe Lokalisation der Knochenatrophie finden wir auch bei Frakturen. Auch hier atrophiert das periphere Fragment und ganz besondere die periphere Epiphyse. Bei Doppelfrakturen fand Hilgenreiner eine stufenweise, von Fragment zu Fragment zunehmende Knochenatrophie. Die gleiche Lokalisation zeigen auch die Knochen- atrophien nach Nervenverletzungen (Lehmann, Geinitz). Die Knochenatrophie beschränkt sich nach diesen Autoren durchaus nicht, wie Reznicek und Maliva be- haupten, auf das Versorgungsgebiet des betreffenden Nerven, sondern erstreckt sich meist auf alle Knochen im distalen Abschnitte der Extremitäten. Die gleiche Lokali- sation an den spongiösen Gelenkenden beobachteten Winternitz und Herfarth bei Erfrierungen und Verbrennungen. Bei der Acrodermatitis atrophicans beobachtete Herfarth, daß nicht nur die Knochen, die von sklerodermatischer Haut bedeckt sind, sondern auch solche, die von normaler Haut gedeckt werden, atrophieren, wobei es sich stets um peripher gelegene Knochen handelt.

106 E. Friedl und H. R. Schinz

Die einzelnen Abschnitte des Röhrenknochens verhalten sich demnach gegen die akute Knochenatrophie, wenigstens in den ersten Stadien der Knochenaffektion, ver- schieden. Immer sind es die spongiösen Abschnitte (Epiphysen, Metaphysen), die zuerst betroffen werden; die kleineren Knochen, die nur aus Spongiosa bestehen, verhalten sich wie die Epiphysen und Metaphysen der Röhrenknochen. Die Erklärung hierfür ist ge- geben durch die Gefäßversorgung des Knochens; weiter unten (s. unter G) werden wir ausführen, daß Zirkulationsstörungen im Knocheninnern einen ätiologischen Haupt- faktor für das Zustandekommen der akuten Knochenatrophie darstellen. Wenn das richtig ist, so muß in einem Skelettstück der am meisten vaskularisierte Abschnitt desselben auch die intensivste Rarifikation zeigen und umgekehrt. In der Tat hat nun Langer in seiner berühmten Arbeit „Über das Gefäßsystem der Röhrenknochen“ nach- gewiesen, daß die Kompakta der Knochen an und für sich schon mit wenigen Gefäßen ausgestattet ist und daß sich auch das Blut in denselben in viel weniger feine Strömchen verteilt; ersteres ist eine Eigentümlichkeit, welche das Knochengewebe als solches an das fibröse Gewebe reiht“. Dagegen ist das Mark und die Spongiosa der Gefäße ungleich reicher an Gefäßen, wie aus den Langerschen Figuren ersichtlich ist. ‚Er findet eine Konzentrierung der akzessorischen größeren Ernährungsgefäße (Canaliculi nutritii access.) um die Epiphysenfugen und die äußeren Flächen der Gelenkkörper (Epiphysen und Metaphysen der wachsenden und des erwachsenen Knochens). ‚„Anlangend die Anordnung der Gefäße der Spongiosa ist hervorzuheben, daß sie sich der Architektur möglichst anschließt. Nur an der Stelle, wo ehedem die Epiphysenfuge bestand und wo die Längsbalken durch einen dicken Querbalken wie unterbrochen erscheinen, trifft man Arterien mit daran angeschlossenen einfachen Venenstämmchen, welche quer das Trabekulargewebe durchsetzen und mit auf- und absteigenden Zweigen in Verbindung treten... daneben aber auch noch nach der Fläche (der Fugenplatte) Äste treiben.“ „Ist einmal die Verbindung der Epiphyse mit der Diaphyse durch Verknöcherung des Fugenknorpels hergestellt, so sieht man, solange die kompakte Fugenlamelle besteht, dieselbe nur von mäßig großen Gefäßen durchsetzt, welche die Gefäßverbindung beider Knochenstücke vermitteln“ (S. 5, 15, 30, 37).

D. Bemerkungen zur Klinik der Knochenatrophie.

Die auffallendsten und häufigsten Begleiterscheinungen der akuten Knochen- atrophie sind 1. ausgesprochene Funktionsstörung der befallenen Gelenke, 2. Zy- anose und Ödeme im Bereiche der nicht muskelbedeckten atrophischen Knochen und 3. die lokale Schmerzhaftigkeit der atrophischen Knochen. Die versteiften Gelenke zeigen einen federnden Widerstand, sie sind ungleich schwerer zu mobilisieren als einfach ruhiggestellte und behalten auf die Dauer eine gewisse Bewegungseinschränkung (Sudeck). Nicht mehr so regelmäßig werden Muskelatrophien beobachtet. Entgegen Sudeck fand Cassirer normale elektrische Erregbarkeit der atrophischen Muskeln. Letzterer Autor führt des weiteren aus, daß die Subkutis und das interstitielle Muskel- bindegewebe mehr von der Atrophie betroffen werde als die Muskeln selbst. Ohlmann fand dementsprechend mikroskopisch keine Veränderung an den Muskelfasern. Seltener sind auch schwerere Hautstörungen, wie Glanzhaut, rissige oder sich verfärbende Nägel, Nagelbettulzeration.

Ein Parallelismus zwischen Knochenatrophie, Hautveränderung und Muskelatrophie besteht nicht. Trotz Muskelatrophie kann die Knochenatrophie ausbleiben (Nonne), anderscits kann energische Massage und Faradisation die Muskelatrophie aufhalten, nicht aber die Knochenatrophie (Exner). Bekannt ist die schwere Knochenatrophie

Zur Frage der Knochenatrophie 107

bei Tuberkulose der Knochen und Gelenke, ohne daß die Haut hierbei schwerere Ver- änderungen erkennen läßt.

Eine verzögerte Kallusbildung ist bei atrophischen Knochen resp. atrophierenden Knochen nach Bier nicht zu konstatieren. Knochenfrakturen atrophischer Knochen wurden nur sehr selten beobachtet (König, Herfarth, Ehringhaus, Hagemann). Über das Vorkommen ‚schleichender Frakturen‘ resp. „Umbauzonen“ (Looser) bei der akuten Knochenatrophie ist nichts bekannt.

Prognostisch zeigen leichtere Formen von Knochenatrophie nach Abklingen der primären Noxe gute Heilungstendenz. Schwerere Formen persistieren auch nach Ablauf der primären Schädlichkeit lange oder bleiben dauernd bestehen, wobei es zur Bildung abnorm dicker Spongiosabälkchen bei sehr großen Markräumen kommen kann (,‚hyper- trophierende Inaktivitätsatrophie‘“ nach Roux).

Als therapeutische Maßnahmen wurden von Sudeck bald einsetzende passive Be- wegungen empfohlen, wenngleich er darauf aufmerksam macht, daß die mediko-mecha- nische Behandlung gelegentlich verschlimmernd wirkt. Die Biersche Schule versucht zwecks besserer Durchblutung Stauung, Massage und Bäder, Billroth empfahl Igni- punktur. Der Versuch einer Röntgenbestrahlung schlug in einem eigenen Falle fehl.

E. Pathologische Anatomie.

1. Makroskopisch zeigt der skelettierte atrophische Knochen das gleiche Bild wie der senil osteoporotische. Die Knochen sind leichter, der Gewichtsverlust beträgt nach Exner 7—67%, sie sind schneidbar, die Kortikalis läßt sich leicht eindrücken. Die Rinde ist porosiert, die Spongiosa rarifiziert infolge Dickenabnahme und teilweisem Schwunde der Knochenbälkchen. Hierdurch werden die Markräume weitmaschiger. Maliva fand bei Lupenzählung im ersten Stadium die Bälkchenzahl gleich der der ge- sunden Seite, hingegen zeigte die kranke Seite Verschmälerung der Bälkchen, die durch- scheinender waren als die normalen; eine Verminderung der Zahl findet er erst bei län- gerem Bestehen der Atrophie.

Genauer schildert Roux den Hergang der Knochenatrophie. Nach ihm wird bei der einfachen Inaktivitätsatrophie die tubulöse Spongiosa zur lamellären bzw. trabekulären Spongiosa durch Schwund umgebildet. Unter stetiger Abnahme ihrer Dicke können die statischen Elemente völlig schwinden, die dadurch sich vergrößern- den Zwischenräume werden mit Fettmark ausgefüllt. Die Gefäßkanäle, besonders der Epiphysen, sind ebenfalls ausgeweitet. Die ganze Struktur unterscheidet sich von der des normalen Knochens nur durch die Rarifikation. Hierbei behalten die Knochen normale Form (exzentrische Atrophie). Es können aber auch besonders beanspruchte Trajektorensysteme beim atrophischen Knochen hypertrophieren, und es kommt dann zur Bildung abnorm dicker Spongiosazüge bei sehr großen Maschenräumen zwischen den Bälkchen (hypertrophierende Inaktivitätsatrophie). Nach Roux und Jores ist die Architektonik des Knochens eine verschiedene, je nachdem, ob der be- treffende Knochen mehr auf Stoß oder mehr auf ruhende Druckspannung beansprucht wird. Im ersteren Falle sind die Bälkchen schmäler, dafür aber die Maschenräume zwischen ihnen enger, im anderen Falle umgekehrt. Da der atrophische Knochen normale Architektonik aufweist, so ist an den großen, mehr auf konstanten Druck beanspruchten Knochen (z. B. Femur), mehr die grobmaschige und evtl. hypertrophierende, an kleinen, mehr auf Stoß beanspruchten Knochen (z. B. Tarsalia), mehr die engmaschige Struktur zu erwarten. Dies stimmt mit der Beobachtung Sudecks am Femur (stärkeres Hervortreten der Haupttrajektoren) und der Exners und Malivas an den Tarsalia

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(zarte Bälkchen bei relativ engen Maschen) überein. Exner sprach in seinen Fällen ohne zureichenden Grund von einer Neubildung der Knochenbälkchen (s. Schema des Hergangs der Knochenatrophie, Abb. 1).

2. Histologisch ist nach Looser (mündliche Mitteilung) charakteristisch: das Zusammenrücken der Kittlinien. Dies kommt zustande durch den den Knochen- anbau überholenden Knochenabbau. Das aus 5 und mehr Lamellen bestehende Havers- sche Osteon erfährt eine Reduktion der Lamellenzahl durch den Abbau, der hinter dem

‚Sharpeylasern Rarifikatıon

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c. Sehwerer Grad von Hnocheratrophie.

L mässiger Grad von Mnochenatrophie.

Abb. 1. Schemata der Knochenatrophie, Kittlinien durch dicke Linien bezeichnet. a) Querschnitt- schema eines normalen Röhrenknochens mit äußerer umfassender Generallamelle, mit Osteonen, Schaltlamellen, Tubuli ossei und einzelnen Spongiosabälkchen. b) Mäßiger Grad von Knochen- atrophie mit Ausweitung der Havers’schen Räume und eines Canaliculus nutricius. Sichelförmige glättende Appositionen. Verschmälerung resp. Schwund der Spongiosabälkchen. Einzelne Osteone sind intakt. c) Schwererer Grad von Knochenatrophie. Gleichsinnige, weiter fortgeschrittene Ver- änderungen wie in b. Das Zusammenrücken der Kittlinien wird deutlicher sichtbar.

a normal

Abbau zurückbleibende Knochenanbau ersetzt dementsprechend nur teilweise diesen Verlust. Da die verschiedenen Lamellengenerationen durch Kittlinien sich voneinander trennen, muß es daher zu einem Zusammenrücken derselben kommen. Ferner ist für den atrophischen Knochen der wirre Verlauf der Kittlinien charakteristisch. Die Tela ossea ist aus lauter Osteonfragmenten zusammengekittet, die durch glättende, aus nur wenig Lamellen bestehende Neuanlagerungen als Wandauskleidung um Havers- sche Kanäle neu formierte weiträumige Osteone erhält. Diese Neuanlagerungen sind mit Osteoblastensäumen besetzt. An einzelnen Stellen sieht man den Beginn dieser Osteonbildung in Form sichelförmiger Auflagerungen, an anderen Stellen den wieder erfolgenden lakunären Abbau des neugebildeten Knochens. Die Lakunen enthalten ent- weder die typischen riesenzelligen Osteoklasten, häufiger aber schmale, langgestreckte einkernige Osteoklasten in nur ganz flachen Lakunen —, die wie Bindegewebszellen

Zur Frage der Knochenatrophie 109

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Abb. 2. Präparat einer porotischen Rippe bei schwacher Vergrößerung. 1 = spindelzelliges hyper- plastisches und [hyperämisches Mark; 2 = Fettmark; 3= Appositionssäume mit Osteoblasten; 4 = spindelzellige Osteoklasten, 5 = zusammenrückende Kittlinien.

Abb. 3. Präparat eines porotischen Metakarpus bei stärkerer Vergrößerung. Schnitt aus der ver-

dünnten und porosierten Kompakta. 1 = hyperplastisches und hyperämisches Mark; 2 = Appositions-

säume mit Osteoblasten; 3 = spindelzellige an einzelnen Stellen auch riesenzellige Osteoklasten; 4 = zusammenrückende Kittlinien.

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aussehen. Letztere Osteoklastenformen sieht man nach Pom mer gerade bei atrophischen Knochen häufig.

Das Knochemark ist in unmittelbarer Umgebung der Tela ossea, also in der Zone des Knochenumbaues, zell- und gefäßreich und fettarm (hyperplasierend) und sieht wegen seines Reichtums an spindeligen Zellen wie junges Bindegewebe aus. Weiter ab von der Tela ossea findet sich Fettmark. Die äußere Kortikalisschicht ist entweder glatt oder durch Erweiterung der durchsetzenden Gefäßkanäle zerklüftet. Periostale Auflage- rungen sieht man nicht (s. Abb. 2und 3). Ähnlich schildert auch Axhausen den Vor- gang bei der Knochenatrophie. Resorptive Defekte werden durch Apposition nur unvoll- kommen gedeckt, es entstehen große runde oder elliptische Räume in der Kompakta, die in die umgebenden regelmäßig gebildeten Haverssysteme hereinschneiden und mit schmalen, konzentrischen Randsäumen ausgekleidet sind. Über die Bildung eines Wandsaumes kommt die Apposition nicht hinaus. Übereinstimmend lauten die Lite- raturangaben über die Veränderungen des Markes bei der Knochenatrophie. So be- schreibt Waldeyer die Markhyperplasie bei exzentrisch atrophierenden Knochen, Billroth das zellreiche, relativ fettarme Mark in den frühen Stadien und ausgesprochene Lipomasie in den Spätstadien. Ohlmann sah gallertiges Mark, Herfarth beim Kal- kaneus bereits im fleckigen Stadium der Atrophie Fettmark und bei einem experimentell atrophischen Kalkaneus ein lockeres hyperämisches ‚„mesenchymales““ Markgewebe. An der Tela ossea wird Osteoporose durch Osteoklasten angegeben. Ausgesprochene Osteoidbildung, wie bei der Osteomalacie und Rachitis, wurde nicht beobachtet. Über degenerative Wandveränderungen der Markgefäße wird nirgends berichtet.

Die histologische Untersuchung bezieht sich fast durchwegs auf chronische Formen der Knochenatrophie. Dies ist auch bei unseren beiden histologischen Präparaten der Fall, die uns freundlichst von Herrn Dozent Dr. Looser überlassen wurden. Aber auch der fleckig-atrophische Knochen ergibt nach Herfarth den gleichen histologischen Befund sowohl am Knochenmark wie an der Tela ossea. Es sei demnach mit Her- farth schon hier betont, daß das histologische Bild der Knochenatrophie die Verschiedenheit der röntgenologischen Strukturbilder der akuten fleckigen Knochenatrophie von der chronisch porotischen Form nicht erklärt. „Halisterese‘‘ oder Osteoidbildung darf zur Erklärung nicht herangezogen werden, da dies den histologischen Tatsachen widerspricht, ganz abgesehen davon, daß von maßgebender Seite (Pommer, Looser) der Begriff Halisterese überhaupt abgelehnt wird.

3. Von den chemischen Analysen des atrophischen Knochens führen wir die von Exner an. Sie ergaben annähernd das gleiche Verhältnis der anorganischen zur orga- nischen Substanz wie beim normalen Knochen. Er schließt daraus, daß eine ‚‚nennens- werte Halisterese‘“ bei diesem Knochenprozeß nicht in Frage kommt.

4. Da man in letzter Zeit auf die Beschaffenheit des Knochenmarkes bei den Umbau- vorgängen des Knochens mehr achtet als früher, und da man für die Entstehung der Knochenatrophie Zirkulationsstörungen im Knocheninnern anschuldigt, so dürfte es nicht überflüssig erscheinen, auf zwei alte Beobachtungen des Anatomen Ponfick auf- merksam zu machen. In Virchows Archiv 56, S. 539 führt der Autor aus, daß selbst ein vollständiger thrombotischer Verschluß der Schenkelvene und ihrer gröberen Äste sich nur in vereinzelten Fällen bis auf die Vena nutricia des Femurs und der Tibia fortsetzt, und daß auch dann infolge der vielen Kollateralen das Knochenmark nur in geringem Maße in Mitleidenschaft gezogen wird: dunkelrote Färbung des Markes in der Umgebung des Foramen nutritium, gegen die Peripherie hin abnehmend. Ebenso führt auch die Embolie nur selten zu sichtbarer Markveränderung. In einem Falle

Zur Frage der Knochenatrophie 111

von verstopfter Arteria nutritia der Tibia fand Ponfick einen auf das nächste Gebiet der verstopften Arteria nutritia beschränkten taubeneigroßen Herd, der sich durch seine schmutzig grauweiße Farbe und mattes, trockenes Aussehen von dem umgebenden Fett- mark abgrenzte (mikroskopisch Nekrose). Dabei fand sich noch ein nekrotisches, sich sequestrierendes Knochenstück der Tibia.

Fassen wir den anatomischen Befund bei der Knochenatrophie zusammen: Es handelt sich um eine exzentrische Atrophie, also mit Wahrung der Form und Wahrung der groben Architektonik. Die Kortikalis ist verdünnt, spongiosiert, die Spongiosabälkchen ebenfalls verdünnt, mit oder ohne Reduzierung ihrer Zahl. Einzelne Spongiosazüge können hypertrophieren. In jedem Falle sind die Markräume ausgeweitet, das Mark zeigt in nächster Umgebung der Tela ossea den Charakter des hyperplasierenden Markes, sonst den des Fettmarkes, in marantischen Fällen infolge Fettschwundes den Typus des Gallertmarkes. Wenn- gleich der Knochenabbau durchaus im Vordergrundesteht, finden sich dennoch an vielen Stellen Zeichen des Knochenanbaues. Die osteoplastische Fähigkeit des Markgewebes ist also auch in atrophischen Knochen nicht erloschen. Keine periostalen Auflagerungen, keine „Halisterese‘“, keine osteoiden Säume. Der Gelenkknorpel bleibt intakt. Der histologische Befund bei der Knochenatrophie spricht demnach für eine Bilanzstörung zwischen zellulärem Knochen- anbau und zellulärem Knochenabbau. Der Anbau erfolgt nur durch Osteoblasten- tätigkeit, der Abbau nur durch Osteoklastentätigkeit, nicht durch Halisterese oder perforierende Kanäle (Axhausen, Pommer-Müller, Meyer). |

F. Experimentelle Arbeiten.

1. Nervendurchschneidung. Kapsammer kam nach Ischiadikusdurchschnei- dung zu keinem eindeutigen Resultat. Immerhin findet er oft Hyperämie des Markes. Schiff fand schon wenige Tage nach Durchschneidung aller durch eine Extremität gehenden Nerven eine Hyperämie des Markes in den betreffenden Knochen, bedingt durch Gefäßdilatation, 3—6 Monate später exzentrische Knochenatrophie. (Die hierbei vorkommenden Periostverdickungen werden von Kapsammer auf traumatische Schädigungen zurückgeführt.) Durchschneidung des motorischen Nerven des Unter. kiefers einer Seite hatte Rarifikation der betreffenden Unterkieferhälfte zur Folge. Grey und Carr wollen gefunden haben, daß Vernichtung der sensiblen Fasern nicht direkt zur Atrophie führt, wohl aber zur Zerstörung der motorischen Fasern. Lapinsky und Lewaschew fanden nach Einnähen gesäuerter Läppchen in den Ischiadikus zwecks Erzeugung einer Neuritis nach 6—8 Wochen rasches Zugrundegehen der in den Gefäß- wänden verlaufenden Vasomotorenfasern und Zugrundegehen der Gefäßmuskulatur. Hierdurch verlieren die Gefäße ihre Elastizität, sie sind verlängert und geschlängelt und der Blutumlauf verlangsamt sich. Lapinsky fand das gleiche auch bei Neuritis des Menschen.

Eigene Untersuchungen sowohl an erwachsenen wie auch an jugendlichen Kanin- chen haben zu einem anderen Resultat geführt. Die Durchschneidung und Resektion des N. ischiadicus auf eine längere Strecke führt wohl zu schwerem Mal perforant du pied, es tritt aber bei erwachsenen Tieren keine Knochenatrophie auf. Bei jugendlichen Tieren wird auch das Längenwachstum und die Reihenfolge der Ossifikationen und der Zeitpunkt der Ossifikationen nicht verändert. Wenn wir die Tiere in vivo beobachten, sehen wir, daß sie auf ihrem gelähmten Beine hocken, dasselbe nachziehen, kurz und gut jedenfalls immer gebrauchen. Von einen trophischen Einfluß der Nervenfasern im

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N. ischiadicus kann also keine Rede sein, und zwar weder in dem Sinne, daß im N. ischiadicus zentrifugale, eigentliche trophische Nerven verlaufen würden, noch in dem Sinne, daß zentripetale Fasern reflektorisch die Trophik der Knochen regulieren würden.

Bei anderen Tieren haben wir den Bauchsympathikus der einen Seite exstirpiert in einer Ausdehnung von L. III inkl. bis S. I inkl. (vgl. Schinz und Sloto polsky) anläßlich experimenteller Untersuchungen über den Hoden. Auch hier war nie eine Knochenatrophie auf der Seite des exstirpierten Sympathikus vorhanden. Es konnten also auch im Bauchsympathikus von uns keine trophischen Zentren oder trophische Leitungsbahnen festgestellt werden. Die Extremitäten der Tiere waren natürlich nicht gelähmt. Die Differenz mit anderen Autoren glauben wir darauf zurückführen zu dürfen, daß unsere Experimente rein waren, währenddem bei einem unreinen Experiment (vgl. später) konsekutive oder gleichzeitige Zirkulationsstörungen bei mehr oder minder hochgradiger Ruhigstellung mitspielen und für das Auftreten oder Nichtauftreten der Knochenatrophie maßgebend sind.

Durch unsere Versuche scheint einwandfrei bewiesen, daß bei Nervendurchschnei- dung keine röntgenologisch nachweisbare Knochenatrophie entsteht, mit anderen Worten also keine bedeutende Atrophie. Daß bei Gewichtsbestimmung und quanti- tativer mikroskopischer Analyse vielleicht doch der Nachweis einer geringgradigen Atrophie gelingt, wollen wir nicht bestreiten, da wir einerseits unsere Tiere mit dieser Methode nicht untersucht haben, und anderseits Nasse nach Nervendurchschneidung einen Gewichtsverlust von etwa 13%, fand.

Gleichzeitige Nervendurchschneidung und Unterbindung der Art. femoralis führte ebenfalls zu keiner Knochenatrophie. Der Kollateralkreislauf in der ganzen Kaninchen- extremität ist so ausgezeichnet, daß es überhaupt nur bei ganz hoher Unterbindung der Art. femoralis im Becken gelingt, Kreislaufinsuffizienz und damit Extremitätennekrosen zu erzeugen.

2. Ruhigstellung durch Tenotomie und Verbände. Brandes fand nach Durchschneidung der Achillessehne beim Kaninchen an Calcaneus ebenso wie bei Ein- gipsung des Hinterbeines bei einem Kontrolltier Knochenatrophie. Die Atrophie war in beiden Fällen schon nach 3 Wochen röntgenologisch nachweisbar, und der Autor schließt daraus in beiden Fällen auf Inaktivitätsatrophie. Lehmann exzidierte bei einem Kaninchen ein Stück aus der Achillessehne, bei einem Kontrolltier durchtrennte er die Sehne und nähte sie sofort wieder. In beiden Fällen kam es zu Atrophie des Kalkaneus. Er folgert daraus eine zur Atrophie führende Vasomotorenstörung infolge quantitativer Änderung der Blutzufuhr. Herfarth legte beim Kaninchen die Achilles- schne frei und resezierte das peritendinöse Gewebe auf eine Strecke von ?/,cm, analog der Sympaihektomie der Arterien. Die Kaninchen schonten die Extremitäten nicht, und dennoch kam es zu Knochenatrophie. Auch hier werden vasomotorische Störungen als Ursache der Atrophie angegehen. Baastrup experimentierte ebenfalls an Kaninchen. Bei einer Reihe legte er am Hinterbein ruhigstellende Verbände an, bei einer zweiten Reihe setzte er Frakturen, die mit Verbänden behandelt wurden, in einer dritten Reihe machte er die Tenotomie der Achillessehne. Die Knochen des geschädigten Beines wurden röntgenologisch untersucht, gewogen und auf Zugfestigkeit geprüft. In allen Fällen kam es zu Knochenatrophie. Bemerkenswerterweise war in einer Reihe von Fällen der Gewichts- verlust der Knochen nach gleichem Zeitraume (9 Wochen) annähernd der gleiche (11 bis 14%), unabhängig von der primären Schädigung (Verband, Fraktur, Tenotomie). Dabei verweist der Autor auf die Zahlen von Nasse, der bei Nervendurchschneidung ebenfalls einen Gewichtsverlust der Knochen von etwa 13% fand. Bemerkenswert ist ferner, daß die Rarifikation im Röntgenbilde bei einem Gewichtsverluste von 10%

Zur Frage der Knochenatrophie 113

noch kaum sichtbar wird. Die Gewichtsbestimmung ist ebenso wie die Bestimmung der Zugfestigkeit der atrophischen Knochen genauer als das Röntgenbild. Das heißt also, daß mäßige Grade von Knochenatrophie dem Röntgennachweis leicht entgehen können. Erst Gewichtsverluste, die größer sind als 10%, werden im Röntgenbilde sichtbar.

Die Versuche durch Ruhigstellung (Tenotomie, Eingipsen usw.) Knochen- atrophie experimentell zu erzeugen, sind also positiv ausgefallen. Einen eindeutigen Schluß auf die primäre Ursache der Knochenatrophie lassen sie aber nicht ziehen, da immer, bei jeder Ruhigstellung, eine Zirkulationsstörung eintreten muß (vgl. Kapitel Ätiologie). Das gilt auch für die funktionelle Ausschaltung durch die operative Ver- lagerung einer ganzen Extremität unter die Haut bzw. die Muskulatur des Rumpfes (W. Müller).

3. Unterbindung der Arteria nutritia. Eigene Versuche haben die Resultate von Latarjet und Herfarth bestätigt, daß die Unterbindung der Arteria nutritia zu keiner Störung im betreffenden Knochen führt. Es tritt weder eine Atrophie (eigene Beobachtungen, Herfarth) noch eine Änderung des Längenwachstums bei jugend- lichen Individuen (Latarjet) auf. Dies war nach den oben mitgeteilten Befunden von Ponfick auch gar nicht zu erwarten. Wenn man allerdings die Arteria nutritia nicht unterbindet und durchtrennt, sondern wenn man in dieselbe eine feine Emulsion hineinspritzt, so treten wegen der Verstopfung des ganzen Kapillarsystems im Knochen schwere Ernährungsstörungen im Knochen auf, wenigstens im Experiment. Dies ist ja einleuchtend. Sonst genügt aber der sofort einsetzende Kollateralkreislauf voll- ständig, um die Störung an einem Punkte des Gefäßsystemes zu kompensieren. Auch bei Resektion eines größeren Stückes der Arteria femoralis, welche im Prinzip der bei der Kaninchenfemoralis nicht ausführbaren periarteriellen Sympathektomie entspricht, trat keine Knochenatrophie auf. Es können also auch im sympathischen Geflecht der Arterien keine für den Knochenhaushalt maßgebenden trophischen Zentren oder trophischen Leitungen verlaufen.

G. Ätiologie.

Wie betont, nahm Sudeck in seiner ersten Arbeit eine entzündliche Reizung in der Nachbarschaft des Knochenherdes an, die zu Knochenatrophie führt. Diese Lehre von der ‚örtlichen‘ Genese durch direkte Beeinflussung von Zelle zu Zelle oder unter Vermittlung der nachbarlichen Blut- und Lymphgefäße ist nicht mehr modern, wird aber doch gelegentlich noch vertreten (vgl. z.B. F. Schultze). Sudek selber schloß sich in seiner dritten Mitteilung der Ansicht Kienböcks an, auf Grund dessen Argu- mentation, daß an eine fortgesetzte rarifizierende Ostitis nicht gut zu denken sei, da die Knochenatrophie auch die Nachbarknochen fortschreitend befällt. In Analogie zur reflek- torisch-trophoneurotischen Muskelatrophie (Theorie von Vulpian-Paget), die übrigens die akute Knochenatrophie nicht selten begleitet, vermutete Sudeck auch für diese eine Trophoneurose. Spätere Autoren suchten dies mehr zu spezifizieren, teils im Sinne dystrophischer Reize (Goldscheider, Müller), teils im Sinne vasomotorischer Störungen (Autoren der letzten Jahre, z. B. Ohlmann, Lehmann, Herfarth). Andere Autoren (Brandes, Hilgenreiner, Lenk, Anschütz), englische und ameri- kanische Autoren, wie Grey und Carr, Allison und Brookes, bezeichnen als Haupt- ursache der Knochenatrophie die Inaktivität; Hilgenreiner nimmt dazu noch eine Disposition zur Knochenatrophie an. Bonnet und Gayet vertreten, um auch einige französische Autoren anzuführen, den gleichen Standpunkt wie Sudeck.

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 8

114 E. Friedl und H. R. Schinz

Bezüglich des Begriffes Knochenatrophie darf man wohl mit Billroth sagen, daß es ein recht unbestimmter Begriff ist. Man hat damit jede Art rarifizierten Knochens gelegentlich bezeichnet. Während man Fälle von Knochenrarifikation bekannter Ätio- logie, wie Rachitis, Osteomalacie, Osteogenesis imperfecta, Morbus Barlow, diffuse Knochenkarzinose (,,Osteomalacia carcinomatosa” nach Volkmann) nicht unter den Begriff einfache Knochenatrophie faßt, tut man es bei Erfrierungen, obgleich es sich hier nach Ribbert um Knochennekrosen handelt, die beim konsekutiven Knochenumbau einen rarifizierten Knochen liefern müssen. Auch die Hungerosteopathien mit der Nei- gung zu schleichenden Frakturen weichen hierin von der einfachen Knochenatrophie ab. Es ist jedenfalls zweckmäßiger, Knochenkrankheiten, die mit Rarifikation einher- gehen und deren Ätiologie bekannt ist, ätiologisch zu bezeichnen und nicht unter dem mehr symptomatischen Begriff Knochenatrophie zu subsummieren. Es sollte der Be- griff Knochenatrophie unserer Meinung nach reserviert bleiben für die Altersatrophie, für die Inaktivitätsatrophie und für die akute Sudecksche Atrophie.

1. Senile Atrophie. Ätiologisch können 3 Faktoren zur Erklärung der senilen Knochenatrophie herangezogen werden: die Erschöpfung der ÖOsteoblastentätigkeit, Kapillarschwund, wie an anderen Organen, und endlich mit Pommer eine Drucksteige- rung im Markraum infolge der trägen Zirkulation. Für alle 3 Faktoren lassen sich Be- weisgründe anführen. Verzögerte Kallusbildung im Senium, Verödung von Havers- kanälchen (Schaffer), gelatinös-sulziges Mark im Sinne einer Phlegmasie des Markes bei Stauungsödem (Pommer).

Für die Osteoklastentätigkeit als einer nicht spezifischen Zellfunktion stehen immer Zellen aus der Adventitia der Gefäße oder aus dem Bindegewebe des Markes zur Ver- fügung, nicht aber für die zellspezifische Osteoblastentätigkeit, die durch das Altern an sich und durch den Gefäßschwund (Gefäße als Träger der Osteoblasten) verringert wird.

Zu dem Typus der senilen Atrophie darf man auch die Knochenatrophien bei allen hypobiotischen Zuständen außerhalb des Seniums rechnen, wie bei Marasmus und Kachexie. Bei Hungerzuständen findet sich nur in den schweren Fällen nach Hedinger eine mäßige Osteoporose.

2. Inaktivitätsatrophie. Wir verstehen unter Inaktivitätsatrophie im engeren Sinne mit Roux rein begrifflich jene Atrophieformen, die dadurch entstehen, daß der funktionelle Reiz und nur dieser wegfällt. Inaktivitätsatrophie in diesen Sinne ist also nicht identisch mit der „klinischen“ Inaktivitätsatrophie, d. h. mit der Atrophie, die man am Krankenbett bei Ruhigstellung eines Gliedes beobachtet. Diese Ruhigstellung oder Inaktivierung bei Knochenbrüchen oder bei schlaffen Lähmungen oder auch bei nicht belasteten Amputationsstümpfen usw. hat komplexe Folgen. Neben dem theoretisch stipulierten Wegfall des funktionellen Reizes im Sinne von Roux bestehen auch bald schwerere, bald leichtere Zirkulationsstörungen, da ja die Saugwirkung der Muskulatur auf den Kreislauf des Blutes im Knochen infolge mangeln- der Bewegung des Gliedes wegfällt (vgl. Langer). Der exakte Beweis, der reine Versuch, der eine reine Inaktivitätsatrophie im engeren Sinne einwandfrei dartun würde, steht noch aus. Wir wollen nicht revolutionär die Lehre des funktio- nellen Reizes ablehnen. Wir wissen ja, was für eine Rolle der funktionelle Reiz bei der Muskelatrophie und Muskelhypertrophie spielt. Wir möchten aber ausdrücklich betonen, daß beim Knochensystem die Sache sich doch etwas anders verhalten dürfte.

1. Roux hat 3 Fälle von ‚reiner‘ Inaktivitätsatrophie untersucht an einem nicht belasteten ankylotischen Amputationsstumpf unterhalb des Knies, an einem atrophischen Fußskelett eines etwa 12jährigen Kindes, das durch Koxitis zu vieljährigem Liegen

Zur Frage der Knochenatrophie 115

genötigt war, und an einer Tibiapseudarthrose. In den ersten 2 Fällen kann auch die klinische Ruhigstellung und die dadurch bedingte Zirkulationsverlangsamung oder Zirkulationsstörung ursächlich in Frage kommen. Vom dritten Falle gibt Roux an, daß das Bein stark zum Gehen gebraucht wurde, ‚indem die den Fuß und die Zehen bewegenden Muskeln noch auf die Tibia wirkten‘, die kompakte Rinde dieser unter- suchten Partie war deshalb nur ‚wenig verdünnt“.

2. Es besteht im Gegensatz zum Muskelsystem kein wesentlicher Dichtigkeits- unterschied des Knochens, z. B. bei einem Schwerarbeiter und einem Leichtarbeiter, trotzdem der körperlich Arbeitende natürlich gegenüber dem ‚‚Stuben- hocker“ sein Knochensystem funktionell viel stärker beansprucht. Man mag uns ein- wenden, daß die Differenzen unterhalb des röntgenologischen Nachweises liegen und daß erst eine Gewichtszunahme von über 15% röntgenologisch nachweisbar sein dürfte. Solche Beweise durch Gewichtsbestimmungen und quantitative mikroskopische Analyse stehen aber noch aus.

3. Gelingt es im Experiment nicht, echte Knochenhypertrophien zu er- zeugen, so wie man Muskelhypertrophien erzeugen kann. Bei neuer funktioneller Be- anspruchung paßt sich zwar der Knochen den neuen statischen und dynamischen Ver- hältnissen an durch Umbau, er hypertrophiert aber nicht.

4. Ist die Frakturheilung bei atrophischen Knochen nach den Angaben von Bier und Alban Köhler nicht wesentlich gestört, d. h. trotz des fehlenden funktionellen Reizes geht die Knochenheilung glatt vonstatten. Roux war dies jedenfalls bekannt, und er hat deshalb nicht versäumt darauf hinzuweisen, daß der Determina- tionsfaktor (wir würden sagen Erhaltungsfaktor) eines Organes ein sehr mächtiger, weitgehend autonomer, d. h. von äußeren Einwirkungen relativ unabhängiger ist.

5. Spricht auch gegen die Annahme, daß die Atrophie nur die Folge des Fehlens des funktionellen Reizes sei, die Tatsache, daß die festgestellte Atrophie auch dann bestehenbleiben kann und nicht wieder glatt verschwindet, wenn die Aktivität und damit auch der funktionelle Reiz wieder einsetzt.

6. Bei hysterischen Lähmungen sind Knochenatrophien so gut wie nie zu beob- achten (Nonne), d. h. die durch die Ruhigstellung bzw. Ruhighaltung gesetzte Zirku- lationsstörung genügt nicht, um eine auch leichtgradige Knochenatrophie zu erzeugen, solange die Muskulatur und die Gelenkbewegungen in ihrer zirkulationsbeschleunigten Wirkung nicht ausgeschaltet sind. Gerade die hysterische Lähmung wäre aber ein ein- wandfreies Beispiel für eine Inaktivitätsatrophie s. str. Es dürfte interessant sein, Kataleptiker hinsichtlich des Problems der Knochenatrophie zu untersuchen.

Diese Überlegungen haben uns zu dieser Einschränkung über die Bedeutung des funktionellen Reizes bei der Frage der Knochenatrophie geführt. Klinisch besteht noch eine weitere Schwierigkeit, die Inaktivitätsatrophie im engeren Sinne von der akuten Knochenatrophie zu unterscheiden. Bei schweren Atrophieformen besteht immer neben der Ruhigstellung eine nennenswerte, früher geschilderte Störung in der Zirkulation. Wir sind nicht imstande zu entscheiden, wieviel an der resultierenden Knochenatrophie auf die Zirkulationsstörung und wieviel auf den Wegfall des funktio- nellen Reizes kommt. Höhere Grade von Knochenatrophie noch als Inaktivitätsatrophie zu bezeichnen, ist jedenfalls unrichtig. Leichte Formen von Knochenatrophie können uns überhaupt entgehen, da erst bei Gewebsverlusten des Knochens über 15% mit der Nach- weisbarkeit im Röntgenbilde zu rechnen ist. Es wäre deshalb möglich, daß eine solche leichte Atrophie als reine Folge des Wegfalles des funktionellen Reizes tatsächlich existieren würde, aber vorläufig noch nicht nachgewiesen worden ist und erst durch exakte Gewichtsbestimmungen und quantitative mikroskopische Analyse bewiesen

Lk

116 E. Friedl und H. R. Schinz

werden könnte. Ist aber die leichte Atrophie als Röntgenatrophie nachweisbar, z. B. bei Lähmungen von Extremitäten, so können wir wiederum nicht sagen, wieviel auf die Zirkulationsstörung und wieviel] auf den Wegfall des funktionellen Reizes zu buchen ist. Auch bei der Bekämpfung der Atrophie durch passive oder aktive Bewegungen kann theoretisch sowohl die Zirkulationsbeschleunigung als auch der neue funktionelle Reiz wirksam sein.

Wir glauben deshalb die reine Inaktivitätsatrophie zwar nicht be- streiten zu können, aber ebensowenig beweisen zu können. Sicher ist, daß die im Röntgenbilde feststellbare Atrophie immer ein komplexes Geschehen ist und daß dabei die Zirkulationsstörung, welche sicher allein für sich schon Atrophie erzeugen kann, die Hauptrolle spielt. Wir wollen deshalb ausführlicher noch unsere 3. Atrophie- form, die akute Knochenatrophie, besprechen.

3. Akute Knochenatrophie. Damit kommen wir zur eigentlichen Sudeckschen Atrophie (akute oder aktive Knochenatrophie). Das Hauptkontingent primärer Noxen liefern akut entzündliche Prozesse, was nicht übersehen werden darf. Das histologische Bild trägt zur ätiologischen Erklärung dieser Atrophieform nichts bei, es zeigt eben nur, daß das Gleichgewichtsverhältnis zwischen An- und Abbau gestört ist. Der auch hier noch vorhandene Knochenanbau bleibt eben nur hinter dem physiologischen (oder gesteigerten ?) Abbau zurück. Von den Faktoren, die man sich bei der Altersatrophie wirksam denken kann, entfällt hier die Erschöpfung der Osteoblastentätigkeit, da der Prozeß wenigstens in leichteren Fällen rückbildungsfähig ist. Aus gleichem Grunde spricht auch nichts für einen bleibenden Kapillarschwund der Markgefäße. Es bliebe sonach nach Pommer nur die Drucksteigerung im Markraume. Eine neurotrophische Störung, sei es als dystrophischer Nervenreiz, sei es als Vasomotorenstörung, ist, wie das Literaturstudium zeigt, gerade für den Knochen eine wenig leistungsfähige und unbefriedigende Hypothese wie alle ‚„trophischen‘‘ Störungen. Ein direkter einwand- freier Nachweis der „trophischen“ Nerven steht bekanntlich aus, man gerät dabei übrigens auch in Kollision mit dem sehr gut fundierten Virchowschen Autonomie- begriff der Zelle hinsichtlich ihrer Trophik, den auch Roux als Fundamentalbegriff des Zellebens anführt und den die malignen Tumoren mit unheimlicher Evidenz realisieren. |

Wir glauben, daß man auch hier gangbarere Wege zur Erklärung der akuten Knochen- atrophie finden kann, und zwar in zwei Richtungen.

a) „Sympathische Erkrankung des Knochenmarkes“ (Ponfick) resp. kollaterale entzündliche Reizzustände des Knochenmarkes in der Um- gebung entzündlicher Herde. Es scheint sich da um eine von Ponfick bekannt- gegebene, dem Knochenmark eigentümliche Reaktionsweise zu handeln, die später nicht weiter beachtet wurde. Ponfick vergleicht sie mit der Milzschwellung bei den verschiedensten Affektionen. Busch fand sie bei seinen ÖOstitisexperimenten. Es handelte sich in diesen Fällen um eine allgemeine Knochenmarkaffektion bei allgemeinen Krankheiten. Daß bei mehr lokalen Affektionen auch die Markreizung sich mehr lokal halten wird, ist wohl eine erlaubte Annahme, etwa im Sinne eines kollateralen Ent- zündungsreizes.

Für Fälle von akuter Knochenatrophie, die sich an eine entzündliche Noxe an- schließen, halten wir die erste Sudecksche Bezeichnung „akute entzündliche Knochen- atrophie“ für zutreffend. Als anatomische Grundlage supponieren wir die entzündliche Markreizung nach Ponfick und Busch. Die Ausbreitung der Atrophie hält sich ebensowenig wie die kollaterale Entzündung an anatomische Grenzen, sondern bekundet eine reine Nachbarschaftsbeziehung. Unerklärt ist dabei allerdings die bevorzugte

Zur Frage der Knochenatrophie 117

Ausbreitung distalwärts und nicht erklärt sind damit die akuten Knochenatrophien nach nichtentzündlichen Prozessen.

b) In dieser Hinsicht läßt sich nun ein zweites Moment einführen: Die infolge der Schmerzen resultierende Ruhigstellung der funktionell enger zusammengehörenden Gelenke führt nach den Ausführungen Langers über die Gefäßversorgung der Knochen zu Zirkulationsstörungen im Knochenmark. Die Muskel- und Gelenkbewegungen üben nach Langer eine Saugwirkung auf die aus den Knochen austretenden, mit Klappen versehenen Venenstämme aus. Die konsekutive Stauung, die entsprechend dem Ge- fäßreichtum der Epiphysen an diesen zuerst effektiv wird, führt zu einer akuten Inhaltsvermehrung des Knochenmarkes und löst damit nach Pommer Östeoklase aus.

Wir schalten hier den Passus der Langerschen Arbeit über die Eigentümlich- keiten des Blutkreislaufes in den Knochen wörtlich ein, da diese Abhandlung nicht leicht zugänglich ist.

„Die Knochenvenen ... zeichnen sich durch die Anwesenheit von Klappen aus... Sie finden sich schon ganz nahe an den Austrittsöffnungen und meistens so zahlreich, daß die prall injizierten Gefäße mitunter geradezu ein rosenkranzartiges Aussehen bekommen. ... Es liegt sehr nahe, diese Einrichtung an den Venen mit Eigentümlichkeiten des Blutkreislaufes in den Knochen in nahe Ver- bindung zu bringen.

Vorerst ist es klar, daß die Gefäße der Knochen, welche in einem unnachgiebigen, dem äußeren Muskeldrucke widerstehenden Aufbau eingetragen sind, und weil jeder Rücktritt des Blutes durch die an den Ausgängen angebrachten Klappen verhindert ist, in sich einen eigenen Gefäßbezirk dar- stellen, auf dem nur der Arteriendruck lastet, ein Druck, welcher schon in den engen Röhrchen der kleinsten Arterie herabgesetzt wird, im Bereiche der Venen aber vollends auf ein Minimum sinken muß. Wie sich zum Teile hieraus die äußerste Dünnwandigkeit der Venen begreift, erklärt sich an- derseits, wie es möglich ist, daß der Blutlauf innerhalb des so überaus nachgiebigen und zarten Mark- gewebes ohne jede Störung, namentlich Extravasation vor sich gehen könne. Es ist auch die An- nahme gewiß nicht unbegründet, daß der Blutlauf in dem venösen Kreislaufschenkel ein äußerst retardierter sei und daß andere äußere Einflüsse eingreifen werden, denselben zu fördern. Es wird dies gerade am Kniegelenk sehr einsichtlich, von dem ja bekannt ist, daß sich seine Kapazität während der Bewegungen stetig ändert, zur Streckung vermindert. zur Beugung vergrößert, und daß somit im letzteren Falle das Blut aus dem Knochen in die inneren, an die Kreuzbänder angeschlossenen Venen geradezu eingesogen werde. Das gleiche kann wohl auch für die anderen Venen gelten, deren Stämmchen sich ja in die Kniekehle öffnen. einen Raum, der gleichfalls wieder während der Beuge- bewegungen des Gelenkes, nämlich durch das Abheben der nahe an den (ielenkflächen angehefteten Beugemuskeln sich vertieft. Während also sonst die Muskulatur auf die intermuskulär verlaufenden Venen drückt und dadurch in ihnen den Blutlauf fördert, würde hier durch die Zusammenziehung der Muskeln geradezu eine Pumpvorrichtung in Tätigkeit gesetzt.“

Beide Faktoren (kollaterales Ödem und Ruhigstellung mit Zirkulations- störung) bedingen nach dieser Vorstellung die akute Knochenatrophie bei entzünd- lichen Prozessen, die Ruhigstellung und hierdurch bedingte Stauungshyperämie im Kuocheninnern, die akute Knochenatropkie bei nichtentzündlichen Prozessen. Nach Abklingen der Hyperämie folgt die Lipomasie des Markes, die ihrerseits durch Ver- drängung des osteogenetischen Markgewebes die Knochenapposition hemmt. Pommer fand im Bereiche des reinen Fettmarkes nirgends Knochenapposition.

Die Vorstellung, daß Stauungshyperämie die Knochenapposition fördere, ist von Roux widerlegt; beim wachsenden Knochen vermag sie wohl nach Roux das Knochen- wachstum zu fördern, aber auch hier führt sie zu Vergrößerung des Markraumes, und nur das appositionelle periostale Wachstum des Knochens läßt normaliter keine Knochen- atrophie zustande kommen.

Knochenatrophie ist Zirkulationsstörung. Die Knochenpathologen stellen sich vor, daß die mechanische Wirkung der Hauptfaktor sei. Der Stau- und Druckwirkung parallel geht natürlich

auch eine Blutsäuerung; es wäre möglich, daß auch die Änderung der Wasserstoffzahl die Osteo- klastentätigkeit anregt (vgl. darüber Rab).

118 E. Friedl und H. R. Schinz

Es ist für uns eine Genugtuung, daß in knochenpathologischen Fragen so maßgebende Autoren wie Pommer und Looser in allerletzter Zeit zur Frage der Knochenatrophie in wesentlichen Punkten gleiche Anschauungen geäußert haben. Ihre Ausführungen haben natürlich unseren Gedankengang beeinflußt.

Pommer führt aus, daß chronische Osteoporose durch ungenügende Ersatzleistun- gen, d h. mangelhafte Anlagerung von Knochen gegenüber dem physiologischen Knochen- abbau entsteht. Akute Osteoporose wird durch gesteigerte Osteoklastentätigkeit, durch Stauung und kollaterale Hyperämie erklärt, anderseits aber auch durch die Wirkung der Unterernährung, Hunger- und Avitaminosezustände. Humorale und halisteretische Vorgänge spielen nicht mit.

Looser lehnt die trophoneurotische Hypothese für die Erklärung der akuten Knochenatrophie ab. Zirkulationsstörungen kommen durch Inaktivität (nach uns Ruhigstellung) zustande, da die normale Muskelfunktion die Zirkulation im Knochen

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Abb. 4. Akute fleckige Knochenatrophie der rechten Hand nach Beginn der Krankheit. 52jähriger Patient.

nach Panaritium des (amputierten) Zeigefingers, 10 Wochen

wesentlich befördert. Zirkulationsstörungen und Druckstauungen sind der wesentliche Grund für die akute porotische Atrophie.

Von den neuesten Ausführungen Kienböcks interessiert uns hier die Einteilung der Formen der Knochenatrophie nach ätiologischen Gesichtspunkten. Er unter- scheidet eine echte und eine unechte Osteoporose. Die einfache oder echte Osteoporose kann akut oder chronisch sein (wohl unsere akute" Atrophie). Die unechte Osteoporose ist entweder eine trophisch-dyskrasische Osteoporose (Rachitis, Osteomalakie, Osteo- psathyrosis, Paget-Disease) oder eine entzündliche resp. ostitische Osteoporose oder end- lich eine geschwulstartige, wozu auch isolierte Knochenzysten, der Echinokokkus des Knochens und die multiple Recklinghausensche Knochenkrankheit gehören, ab- gesehen von primären ünd sekundären Neoplasmen.

Wenn wir auch die trophoneurotische Ätiologie der akuten Knochenatrophie ab- lehnen, so soll damit nicht gesagt sein, daß für manche Nervenverletzungen mit Schä-

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119

Zur Frage der Knochenatrophie

120 E. Friedl und H. R. Schinz

digungen der Vasomotoren immerhin die hierdurch bedingte Gefäßschädigung (s. La- pinsky und Lewaschew) mit ein unterstützendes Moment für das Zustandekommen einer Knochenatrophie, und zwar auf dem Umwege einer Zirkulationsstörung abgeben kann. Für die alltäglichen Fälle von Knochenatrophie ohne Nervenläsionen erscheint es uns gezwungen, Vasomotorenschädigungen anzunehmen.

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Abb. 6. Verschwommenes Bild der Sudeckschen Knochenatrophie des linken Fußes bei einer seit Monaten bestehenden Weichteiltuberkulose im Bereiche des Metatarsus I. 60jähriger Patient.

H. Röntgenbild der Knochenatrophie.

Das Röntgenbild des atrophischen Knochens ist in allen wesentlichen Merkmalen in den grundlegenden Sudeckschen und Kienböckschen Arbeiten geschildert. Wir verweisen diesbezüglich auf das oben Mitgeteilte.

Einer besonderen Erörterung bedarf das Zustandekommen des fleckigen und verwaschenen Bildes der akuten Atrophie und eine Erklärung dafür, warum die chronische Form wieder ein ‚reines‘ Strukturbild aufweist. Weiterhin soll ver- ständlich gemacht werden, warum chronisch atrophische Knochen hohen Grades eine auffallend scharfe Randkonturierung aufweisen, als ob sie mit cinem Stifte scharf um- rissen wären. Daneben soll auf einige Details eingegangen werden (scharfes Hervortreten der Wachstunsslinien, Fugenreste und der Verschlußplatte gegen das Gelenk hin) und auf Strukturänderungen aufmerksam gemacht werden, die leicht zu diagnostischen Irr- tümern führen können. Die exakte Grundlage für die Deutung der Röntgenbilder liefert

Zur Frage der Knochenatrophie 121

natürlich auch hier die pathologische Anatomie. Deshalb wurde auf dieses Kapitel oben etwas näher eingegangen. Daneben sind aber immer die Besonderheiten der rönt- genologischen Methodik (Absorption, Streuung, Strahlenhärte) wohl zu berücksichtigen.

Abb. 7. Reine osteoporotische Form der Knochenatrophie infolge Ruhigstellung. 6 Wochen nach Abriß des Malleolus internus. 13jähriger Patient.

Der oben angeführte Satz, daß das histologische Bild der Knochenatrophie die Ver- schiedenheit der röntgenologischen Strukturbilder der akuten Atrophieformen von der chronischen nicht ohne weiteres erklärt, zwingt dazu, will man innerhalb der Grenzen des Tatsächlichen bleiben, sich zu fragen, ob da nicht Besonderheiten der röntgenolo-

122 E. Friedl und H. R. Schinz

gischen Methode einen wesentlichen Einfluß auf das Zustandekommen der Bilder haben, denn es ist, wie oben ausgeführt, nicht erlaubt, Halisterese zur Erklärung der verschwom- menen Struktur im Röntgenbilde heranzuziehen; auch die lakunäre Annagung der Tela ossea für die Unschärfe der Röntgenbilder verantwortlich zu machen, geht ebenfalls nicht an, da es sich da um mikroskopische Veränderungen handelt, dieim makroskopischen Röntgenbilde nicht sichtbar werden können (wie z. B. Alban Köhler behauptet), zumal infolge der aus physikalischen Gründen nicht völlig ausschaltbaren Streuung der

Abb. 8. Chronische Form der akuten Knochenatrophie mit streifiger Aufhellung der Kompakta bei einer seit 2 Jahren bestehenden Tuberkulose des Ellbogengelenkes. 16jähriger Patient.

Röntgenstrahlen auch die schärfsten Röntgenbilder noch lange nicht die Schärfe der Knochenstruktur eines Knochenschliffes erreichen.

Der Erklärungsversuch Kienböcks für das Zustandekommen der fleckigen Knochen- atrophie (Abb. 4und 5) resp. des verschwommenen Strukturbildes bei der akuten Form hält ebenfalls der Kritik nicht stand. Kienböck meinte, die in den Spongiosaräumen bei dem überstürzten Kalkabbau liegenbleibenden gelösten Kalksalze könnten das Bild ver- schleiern. Diese Annahme ist erstlich rein hypothetisch und weiter, selbst wenn dem so wäre, so brauchte daraus noch nicht eine Verschleierung des Bildes zu resultieren. Dazu ist die für die Absorption maßgebende Atomnummer des Kalziums zu klein, um in gelöster Form genügend schattenbildend zu wirken. Man bedenke, daß das zur Pyelo-

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123

Zur Frage der Knochenatrophie

124 E. Friedl und H. R. Schinz

graphie benutzte Natriunbromid trotz der ungleich größeren Atomnummer des Broms in 20—30% iger Lösung angewendet werden muß, um einen ordentlichen Kontrast zu erzielen. Die Atomabsorption geht etwa mit der vierten Potenz der Ordnungszahl: daher überwiegt bei gleicher Konzentration Brom an und für sich bedeutend über

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Kalzium, indem be 9,36. Zudem liefert uns die Natur selbst das Experiment, um

diese Frage zu beantworten. Es ist Tatsache, daß kariöse Knochenherde mit Kalk- krümeln reichlich besetzt sind, also nicht nur in gelöster, sondern auch in fester Form vorhanden sind, und trotzdem sieht der kariöse Herd atrophisch aus und zeigt bei ent- sprechender Aufnahmetechnik reinliche Strukturzeichnung. Wir lehnen daher den Erklärungsversuch Kienböcksab. Daß noch evtl. das grobe Korn der photographischen Platte für die Unschärfe des Bildes in Betracht komme, widerlegt sich von selbst, da der atrophische Knochen in situ ein unscharfes Strukturbild geben kann, während derselbe Knochen mazeriert dennoch ein gut ausgeprägtes Netzwerk von Bälkchen auf der photo- graphischen Platte abbildet.

Wir glauben, daß die Gitterwirkung der Spongiosamaschen resp. Spon- giosabälkchen eine brauchbarere Erklärung des Strukturbildes eines akut atrophi- schen Knochens gibt.

Abgesehen von der Größe und dem evtl. Wandern des Brennfleckes, abgesehen von der nötigen Penetranz der Strahlung und der Plattennähe des abzubildenden Objektes, hängt die Bildschärfe von der Abblendung der Streustrahlen ab. Zu diesem Zwecke benutzen wir ja mit Erfolg die Tubusblenden, das Bucky-Gitter und das Potter-Bucky- Gitter. Der normale Knochen entwickelt nun durch seine Spongiosanetz- struktur einen Bucky- Effekt. Nur sehr engmaschig strukturierte Knochen, wie das Sternum, machen bekanntlich der Röntgendarstellbarkeit ihrer Struktur Schwierig- keiten. Der Kalkgehalt des Knochens ist eben nicht allein maßgebend für das Zustande- kommen eines scharf konturierten Knochenstrukturbildes.

Werden die Bälkchen hochgradig verschmälert, so daß sie sogar durchscheinend werden können, so kann die Strahlenstreuung in den den Knochen deckenden Weich- teilen genügen, um den Bucky-Effekt der Spongiosabälkchen aufzuheben. Entfernt man die Weichteile und macht man dann vom Knochen neuerlich eine Aufnahme, wie es Exner tat, so macht sich der Bucky-Effekt wieder geltend und die Spongiosa wird wieder sichtbar. In gleichem Sinne spricht auch die eigene Erfahrung, daß z. B. eine grob- maschige Spongiosastruktur bei Ostitis fibrosa Recklinghausen im Röntgenbilde bei der Obduktion umgekehrt ein enges, aber zartmaschiges Spongiosagefüge zeigen kann. Es ist also nicht erlaubt, auf Grund der Maschenweite der Spongiosa im Röntgenbilde weitgehende Schlüsse auf die tatsächliche Maschenweite im anatomischen Präparat zu ziehen. Hier liefert der allgemeine Eindruck der geringeren Kalkdichtigkeit des Knochens und die Vergleichsaufnahme mit der gesunden Seite einen zuverlässigeren Anhaltspunkt für den Grad der Knochenatrophie. Zuverlässig ist ferner auch die Dickenabnahme der Kompakta im Röntgenbilde.

Das verschwommene Strukturbild des akut atrophischen Knochens (Abb. 6) er- klärt sich demnach aus dem Verlust des Bucky-Effektes der Spongiosa infolge hochgradiger Verdünnung der Bälkchen. Das ‚gefleckte‘ Bild erklärt sich aus der diskon- tinuierlichen Destruktion der Tela ossea, wie wir es oben im Schema angedeutet haben. Die eigentümliche Unschärfe der Randkonturen solcher Knochen ergibt sich aus der Porosierung gerade der oberflächlichsten Lagen der Kompakta infolge Ausweitung der Gefäßkanäle um die eintretenden Gefäße (s. Schema). Bei kleinen Knochen, wie den Phalangen der Hand, sicht man hierbei oft eine sehr zierliche Längsstreifung der Kom-

125

Zur Frage der Knochenatrophie

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126 E. Friedl und H. R. Schinz

pakta, bei größeren Röhrenknochen, nach eigenen Beobachtungen, nur bei Aufnahme im mazerierten Zustande.

Das reinliche Strukturbild des chronischen Stadiums (Abb. 7, 8, 9, 10) erklärt sich einerseits aus der Verdünnung der Kortikalis, die, auch bei Aufnahmen mit weicher Strahlung, die Spongiosa nicht mehr verschleiernd überlagert, anderseits hypertrophieren stark beanspruchte Trajektorensysteme, die den Bucky-Effekt ver- stärken, und endlich mag auch die Lipomasie des Markes zur Klärung des Bildes bei- tragen. Die Randkonturen werden auffallend scharf, da die umfassende Generallamelle durch innere Apposition ebenfalls hypertrophiert. Die Konturen gegen das Gelenk zu sind scharf, da die verkalkte basale Knorpelschicht wegen des Gefäßmangels ebenso- wenig atrophiert wie verkalkter Fugenknorpel; aus gleichem Grunde treten, wie oben erwähnt, die Wachstumslinien scharf hervor, und ebenso erscheinen häufig die en- chondralen Knochenkerne wie von einer dünnen Schale umgeben.

Zur Differentialdiagnose. Nach einer eigenen Beobachtung kann die fleckige Form der Knochenatrophie, wenn sie ganz im Beginne zirkumskript auftritt, einen rundlichen isolierten Aufhellungsherd setzen (in unserem Falle handelte es sich um den Talus), kann an der Tuberositas tibiae eine schräg nach innen-oben aufsteigende, kaum lcm breite Resorptionszone auftreten. Solche Fälle drängen zur Diagnose Karies; erst der weitere Verlauf (in unserem Falle außerdem eine Probeexzision) klären den Be- fund auf. Nebenbei bemerkt, beobachteten wir in diesem Falle auch ein sprunghaftes Fortgleiten der Knochenatrophie vom Talus zu den übrigen Tarsalia, um sich schließlich im Kuboid dauernd festzusetzen. Dieses Verhalten spricht wohl auch ganz entschieden gegen die Annahme einer einfachen Inaktivität als Ursache der aktiven Knochenatrophie. Bemerkenswerterweise änderte sich dabei auch entsprechend der gut lokalisierte Spontan- schmerz im atrophischen Knochen, der gleichfalls sprunghaft wanderte. Anderseits ist bekannt und auch auf Grund autoptischer Kontrollen unseres Materials durch Han- hart neuerdings sichergestellt, daß nicht selten das reine Bild mittelschwerer Knochen- atrophie durch diffuse metastatische Karzinose zustandekommen kann.

Im negativen Sinne außerordentlich charakteristisch, wenn auch nicht patho- gnomonisch, ist das Fehlen periostaler Auflagerungen, endostaler sklerotischer Demar- kierungen um Kavernen oder Defekte, das Fehlen von Sequestern, Umbauzonen und spontanen Deformierungen (wie bei malacischen Knochen), ferner die Intaktheit der Gelenkknorpel (der Gelenkspaltbreiten) und das Fehlen von Gelenkrandusuren und end- lich das Intaktbleiben des Fugenknorpels mit seinen provisorischen Verkalkungslinien. Differentialdiagnostisch von Bedeutung ist endlich die Lieblingslokalisation bei Knochen- atrophie in den peripheren Skeletteilen.

Die hervorragende Bedeutung der Knochenatrophie und speziell der akuten Knochen- atrophie für das Vorhandensein und die Heftigkeit eines zugrunde liegenden entzünd- lichen Prozesses oder für die Schätzung der schädlichen Folgen einer zu langen Ruhig- stellung der Extremität wurde von allen Autoren mit Recht betont. Nicht minder gilt das auch für die Beurteilung der subjektiven Beschwerden eines Patienten, wo es sich darum handelt, eine Simulation auszuschließen, da, wie oben hervorgehoben, der Schmerz ein recht konstanter Begleiter der akuten Knochenatrophie ist.

Zusammenfassung.

1. Pathologisch-anatomisch handelt es sich bei den Knochenatrophien jeder Form um eine exzentrische (oder innere) Atrophie mit Wahrung der äußeren Form und der inneren Architektonik. Die Spongiosabälkchen sind verdünnt, ihre Zahl mehr

Zur Frage der Knochenatrophie 127

oder weniger reduziert; einzelne Spongiosazüge können (bei den chronischen Formen der Knochenatrophie) auch hypertrophieren. Die Kompakta ist spongiosiert und verdünnt. Die Markräume sind ausgeweitet, das Markgewebe zeigt in der nächsten Umgebung der Tela ossea den Charakter des hyperplasierenden Markes, sonst den des Fettmarkes, in senilen und marantischen Fällen von Knochenatrophie auch den des entfetteten Gallert- markes. Wenngleich der Knochenabbau durchaus im Vordergrunde steht, so finden sich dennoch an vielen Stellen Zeichen des erhaltenen Knochenanbaues in Form glättender Appositionssäume. Es finden sich keine periostalen Auflagerungen, keine ‚„Halisterese‘, keine Osteoidbildungen. Der Gelenkknorpel (und Fugenknorpel) bleibt intakt.

2. Die experimentellen Versuche mittels Nervendurchschneidung, Sympath- ektomie, Nervendurchschneidung mit gleichzeitiger Gefäßunterbindung der Arteria nutritia führt, sofern die Versuche rein sind, zu keiner (oder wenigstens zu keiner nennens- werten) Knochenatrophie. Experimentelle Ruhigstellung durch Tenotomie oder im- mobilisierende Verbände führt zu Knochenatrophie wegen der eintretenden Zirkulations- störungen im betroffenen Knochen.

3. Ätiologie. Begrifflich echte Formen von Knochenatrophie gibt es deren 3 Gruppen: die senile (und hypobiotische), die Inaktivitäts- und die akute (Sudecksche) Knochenatrophie.

a) Für das Zustandekommen der senilen Knochenatrophie kommen 3 Faktoren in Betracht, und zwar Erschöpfung der Osteoblastentätigkeit, Kapillarschwund und Druck- steigerung im Knocheninnern infolge der trägen Zirkulation.

b) Inaktivitätsatrophie: die Bedeutung der verminderten funktionellen Reize für den Knochen wurden überschätzt. Wir können die Inaktivitätsatrophie zwar nicht be- streiten, aber auch nicht beweisen, da leichtere Grade von Knochenatrophie, die bei der Inaktivität vorkommen könnten, sich dem Röntgennachweis entziehen; schwerere und damit röntgenologisch nachweisbare Formen sind aber immer auch durch Zirku- lationsstörungen infolge Ruhigstellung der Gelenke kompliziert. Ruhigstellung und Inaktivität sind aber keine identischen Begriffe.

c) Die akute (Sudecksche) Knochenatrophie erklärt sich bei irgendeiner primären entzündlichen Noxe aus dem kollateralen Reizzustande des Knochenmarkes, bei nicht- entzündlichen Prozessen aus der Zirkulationsstörung im Knocheninnern im Sinne einer Stauungshyperämie, wenn die Extremität ruhiggestellt wird und infolgedessen die Muskel- und Gelenkaktionen ausfallen, die nach Langer eine Pumpvorrichtung für den an sich trägen Blutlauf im Knocheninnern darstellen.

Die reflektorisch-vasomotorische oder trophoneurotische Ätiologie der Knochen- atrophie wird abgelehnt.

4. Röntgenbild. Da für die differenten Röntgenbilder bei den verschiedenen Formen resp. Stadien der Knochenatrophie gleiche histologische Veränderungen an Knochen nachzuweisen sind, muß das differente Verhalten des atrophischen Knochens im Röntgenbilde auf physikalischen Eigentümlichkeiten des Röntgenbildes beruhen. Wir finden hierfür die Erklärung im Bucky-Effekt der maschig angeordneten Spongiosa- bälkchen. Die Gitterwirkung der Spongiosamaschen schwindet bei hochgradiger Ver- dünnung der Bälkchen (verschwommenes Bild), sie wird wieder wirksam, wenn die Balkenzüge durch Hypertrophie ihre normale oder auch ihre größere Dicke gewinnen. Das fleckige Bild erklärt sich aus der Diskontinuität des akuten Knochenabbaues. Wegen des variierenden Bucky-Effektes je nach der Decke der Bälkchen darf auch nicht die Maschenweite der Spongiosa im Röntgenbilde gleichgesetzt werden der am anato- mischen Präparate.

128 E. Friedl und H. R. Schinz

Die Latenzzeit im Röntgenbilde, d. h. der negative Röntgenbefund bei schon wirksamer primärer Noxe, ist variabel je nach der Intensität der auslösenden primären Schädlichkeit. Sie ist ebenfalls mehr ein Röntgenphänomen als eine anatomisch- pathologische Eigentümlichkeit der Knochenatrophie an sich, da der anatomische Nach- weis histologisch oder durch Wägung der Knochen oder durch Bestimmung ihrer Zug- festigkeit schon dann gelingt, wenn noch der Röntgenbefund negativ ist.

5. Differentialdiagnostisch kann Karies und diffuse Knochenkarzinose anfangs unüberwindliche Schwierigkeiten machen. Der weitere Verlauf im Röntgenbilde bringt die Entscheidung. Im übrigen charakterisiert sich die Knochenatrophie im Röntgenbilde recht gut durch ihre anatomischen Merkmale und besonders auch durch ihre Prädilek- tionsstellen in den spongiösen Teilen des jeweiligen Skelettstückes und durch ihre Tendenz, peripherwärts fortzuschreiten.

6. Prognostisch sind leichtere Formen der akuten Knochenatrophie sicher rück- bildungsfähig; bei schwereren Formen ist die Prognose ungewiß, da diese nicht selten dauernd persistiertt. Therapeutisch kommen entsprechend dem wichtigen Faktor der Zirkulationsstörung vor allem Versuche der besseren Durchblutung des Knochens durch Bewegungstherapie und nach der Bierschen Schule hyperämisierende Maß- nahmen in Betracht.

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Die akute Miliartuberkulose im Röntgenbild

Von

Professor Dr. Alexander Lorey

Mit 12 Abbildungen auf 3 photographischen Tafeln

Die akute Miliartuberkulose im Röntgenbild

Erläuterung der Abbildungen

Literaturverzeichnis . . . .

Inhaltsverzeichnis.

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Die akute Miliartuberkulose kommt dadurch zustande, daß durch Vermittlung des Blutweges eine plötzliche und massige Einschwemmung von Tuberkelbazillen in die verschiedenen Organe, und zwar stets am meisten in die Lungen erfolgt, wodurch eine dichte und gleichmäßige Aussaat von miliaren oder submiliaren Tuberkeln in den Lungen, eine mehr oder weniger dichte, manchmal auch nur spärliche Aussaat in den übrigen Organe des Körpers entsteht. Durch den gleichzeitigen Übertritt von giftigen Stoff- wechselprodukten in das Blut entsteht das Fieber und die schweren nervösen Symptome, die zum klinischen Bilde der akuten Miliartuberkulose gehören. Die akute Miliartuber- kulose ist also nicht schlechthin zu identifizieren mit der hämatogenen Aussaat von Tuberkelbazillen, denn im Verlaufe jeder tuberkulösen Erkrankung gelangen wohl des öfteren Tuberkelbazillen in die Blutbahn; und schließlich sind ja die tuberkulösen Er- krankungen der Harnwege, der Knochen, der Meningen usw. nicht anders zu erklären als durch hämatogen bedingte Erkrankungen von einem Primärherde aus. Auch die wie- derholt erfolgenden Schübe hämatogener Aussaat von nicht massigen Mengen von Tu- berkelbazillen dürfen wir nicht als akute Miliartuberkulose bezeichnen. Wenn wir zu einem scharf umrissenen Krankheitsbilde kommen wollen, müssen wir an der Massig- keit und Plötzlichkeit des Bazilleneinbruches festhalten.

Die massenhafte Einschwemmung der Tuberkelbazillen erfolgt in seltenen Fällen durch den direkten Durchbruch eines außerhalb des Gefäßes liegenden Käseherdes in eine größere Lungenvene, vielmehr in der Regel durch den käsigen Zerfall eines in der Intima einer Lungenvene metastasisch entstandenen Tuberkels oder auf indirektem Wege durch Vermittlung des Ductus thoracicus. Wo die Tuberkelbazillen haften bleiben, entwickeln sich im interstitiellen Gewebe epitheloid- und riesenzellenhaltige Tuberkel, die sich bei weiterem Wachstume auf die benachbarten Alveolen ausdehnen. Die Gewebsveränderui:gen können rein produktiv bleiben oder aber es gesellen sich exsu- dative Veränderungen hinzu, wodurch das Granulationsknötchen von einem pneumoni- schen Herde umgeben wird. Bei der Sektion finden wir die Schnittflächen beider Lungen etwas gebläht und dicht und gleichmäßig von unzähligen hirsekorngroßen oder auch etwas kleineren transparenten, grauweißlichen Knötchen, deren Zentrum verkäst sein kann, durchsetzt. Die Größe und Zahl der Herdchen nimmt meist in kraniokaudaler, ebenso in ventrodorsaler Richtung allmählich etwas ab. Daß bei dieser vorwiegend pro- duktiven hämatogen disseminierten Form der Miliartuberkulose die einzelnen Tuberkel die Größe eines Hirsekornes nicht überschreiten, ist wohl dadurch zu erklären, daß die Kranken der Toxinwirkung erliegen, ehe die Miliartuberkel die Zeit gehabt haben, weiter zu wachsen.

In anderen selteneren Fällen, die wir als miliare käsige Bronchopneumonie oder nach Graeff und Küpferle als hämatogen disseminierte, lobulär exsudative Tuber- kulose bezeichnen können, stellt sich sofort eine reichliche zellreiche Exsudation in die Alveolen und kleinsten Bronchien ein. Es bilden sich rasch verkäsende, teilweise kon- fluierende bronchopneumonische Herdchen. Bei der Sektion finden wir dann rundliche oder mehr eckige prominente Herdchen, die ungleich groß und meist größer sind wie bei

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der vorwiegend produktiven Form der Miliartuberkulose. Ob die eine oder andere Form zustande kommt, hängt von den wechselnden Beziehungen zwischen der Virulenz resp. Giftwirkung der eingedrungenen Bazillen und dem Immunisierungszustande der be- treffenden Individuen ab. Bei besonders starker Giftwirkung kann in ganz seltenen Fällen eine ganz akut verlaufende, als Sepsis tuberculosa acutissima bezeichneten Er- krankung entstehen, bei der es gar nicht zur Ausbildung von makroskopisch sichtbaren Tuberkeln kommt, sondern sich erst mikroskopisch kleinste Nekroscherdchen in den Organen finden lassen. Die klinische Diagnose der akuten Miliartuberkulose ist besonders im Beginne der Erkrankung durchaus nicht leicht zu stellen. Jeder Kliniker weiß. welche Schwierigkeiten die Differentialdiagnose gegenüber einer großen Reihe von akuten Infektionen, besonders gegenüber Typhus und Sepsis bereiten kann, wie Fieber- kurve, der häufig vollkommen negative Lungenbefund, Milztumor, der Ausfall der Diazo- reaktion, die Differenzierung der weißen Blutkörperchen uns oft in unserer Entscheidung nicht weiterbringen und auch die bakteriologische und serologische Untersuchung uns zuweilen im Stiche läßt. Die für die Diagnose der Miliartuberkulose beweisenden Chorioidealtuberkel werden oft erst in späterem Stadium sichtbar oder fehlen auch zu- weilen. In Fällen mit stärkerer meningealer Beteiligung und diese sind sehr häufig wird oft eine tuberkulöse Meningitis diagnostiziert und übersehen, daß diese nur eine Teilerscheinung einer allgemeinen tuberkulösen Meningitis ist.

Unter diesen Umständen ist es sehr wichtig, daß uns das Röntgenbild über die Frage: Liegt eine allgemeine akute Miliartuberkulose vor oder nicht? fast immer eine eindeutige Antwort gibt, und zwar schon im frühen Stadium der Krankheit zu einer Zeit, wo ohne das Röntgenverfahren eine Diagnose noch nicht möglich ist. In unserem Institut wurde zuerst im Jahre 1906 von Otten eine akute Miliartuberkulose durch das Röntgenbild einwandfrei nachgewiesen, und seitdem bedienen wir uns des Röntgen- verfahrens in allen einschlägigen Fällen. Es zeigten dann im Jahre 1908 auf dem Röntgen- kongreß Klieneberger einen und Presuhn aus unserem Institut zwei derartige Fälle. Später veröffentlichte Achelis einige Fälle von röntgenologisch nachgewiesener Miliar- tuberkulose. Trotzdem war die Bedeutung der Röntgenuntersuchung bei allgemeiner Miliartuberkulose noch nicht allgemein anerkannt, wurde doch noch im Jahre 1910 die Möglichkeit des röntgenologischen Nachweises der akuten Miliartuberkulose gelegentlich einer Debatte in der Medizinischen Gesellschaft in Berlin von mehreren Internisten als eine Utopie bezeichnet. Es wurde deshalb im Jahre 1911 auf dem Röntgenkongreß die Frage von Haudeck nochmals an Hand eines charakteristischen Bildes angeschnitten und der hervorragende Wert der Röntgenuntersuchung in der Diskussion auf Grund eines großen Materials von ABmann, Dietlen und Lorey bestätigt.

Wie in den einleitenden anatomischen Betrachtungen auseinandergesetzt ist, kann die akute Miliartuberkulose in zwei Formen auftreten. Bei weitem am häufigsten wird die vorwiegend produktive Miliartuberkulose angetroffen, während die miliare käsige Bronchopneumonie oder lobulär exsudative Miliartuberkulose viel seltener ist.

Entsprechend dem verschiedenen anatomischen Verhalten werden wir auch Unter- schiede im Röntgenbilde nachweisen können. Eine noch weitergehende Differenzierung der Miliartuberkulose, wie dies Gräff und Küpferle versuchen, halte ich praktisch für undurchführbar und auch belanglos. Charakteristisch für alle Formen der Miliar- tuberkulose ist die annähernd gleichmäßige Verteilung der Herdehen über beide Lungen- felder und das gleichartige Aussehen der einzelnen Herdchen in demselben Falle.

Bei den vorwiegend produktiven Formen finden wir beide Lungenfelder dicht und gleichmäßig mit kleinsten, rundlichen, voneinander gut abgegrenzten Herdchen durchsetzt, so daß die Lungenfelder ein gleichmäßig getüpfeltes Aussehen erhalten (Abb. 2, 3,6). Die

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Größe der einzelnen Herdchen kann die eines Hirsekornes erreichen, sie kann anderseits aber auch so gering sein, daß man erst bei ganz nahem Herantreten an die Platte die feinste Tüpfelung erkennen kann, während man auf eswas größere Entfernung meist nur mehr oder weniger vergrößerte Hilusdrüsenschutten sieht, die Lungenfelder selber aber im ganzen klar und gut durchleuchtet erscheinen. In demselben Falle sind die verschie- denen Herdchen jedoch stets alle von derselben Größe und der gleichen Beschaffenheit. Erst bei genauem Studium der Platte wird man erkennen, daß die Größe und Stellungs- dichte der Herdchen von der Spitze nach der Basis zu häufig ganz allmählich und kaum merkbar abnimmt. Bei genauem Studium einzelner Plattenteile namentlich mit der Lupe wird man auch nicht selten feststellen können, daß die kleinsten Herdchen sich in einzelnen kleinen Grüppchen aneinanderlagern, ohne daß dadurch beim Betrach- ten der ganzen Platte mit unbewaffnetem Auge der Eindruck der ganz gleichmäßigen feinen Tüpfelung aufgehoben wird. Aus der Feinheit der hier in Betracht kommenden Schattenbildungen ergibt es sich, daß diese Veränderungen nur auf tadellosen, absolut scharfen Platten genau zu erkennen sind und daß bei besonderer Feinheit der Herdchen dieselben auf nicht scharfen Platten dem Nachweis entgehen können. Ebenso ist die Tüpfelung der Lungenfelder wohl nur in Ausnahmefällen auf dem Leuchtschirm zu er- kennen. Höchstens fällt uns, wenn wir gewohnt sind, mit gleicher Strahlenqualität zu durchleuchten und durch die Erfahrung gelernt haben, die normale Helligkeit der Lungen- felder zu schätzen, eine leichte allgemeine Verminderung der Helligkeit der Lungenfelder auf, die uns stutzig macht, während uns die Platte alsdann die scharfe dichte Tüpfelung auf das deutlichste zeigt. Die Schwierigkeit, eine für die Diagnose brauchbare, absolut scharfe Platte zu erhalten, wird naturgemäß um so größer, je jünger das betreffende Kind ist, da es nicht möglich ist, diese zum Atemanhalten zu bringen. Jedoch dürfte es wohl keine Schwierigkeiten bereiten, mit moderner Apparatur Aufnahmen von solchen kleinen Kindern in !/,, oder Ja Sekunde anzufertigen, namentlich wenn man einen doppelt begossenen Film und zwei Verstärkungsschirme verwendet. Dies hat auch noch den Vorteil, daß bei zwei Verstärkungsschirmen nur geringe Kornzeichnung der Schirme zu sehen ist, die bei Verwendung von Platte und einem Schirm bei besonders feinen Ver- änderungen sich unter Umständen störend bemerkbar machen kann. Bei kleinen Kin- dern empfiehlt es sich, die Aufnahme in Rückenlage anzufertigen, da man in dieser Lage die Kinder leicht durch Festhalten fixieren kann es ist hierzu das Personal des Röntgen- institutes nicht zu verwenden und die der Rückenseite benachbarten Partien der Lunge sich weniger bewegen. Zweckmäßigerweise verwendet man hierbei einen Röhren- abstand von 1 m. Man stellt den Momentschalter auf Null ein. Das kurze Aufblitzen der Röhre beim Einschalten des Röhrenstromes wird bei kleinen Kindern und Ver- wendung von doppeltbegossenem Film und zwei Verstärkungsschirmen bei jedem einigermaßen leistungsfähigen Röntgenapparat genügen, um ein tadellos scharfes und bei Verwendung eines scharf zeichnenden weichen Thoraxrohres kontrastreiches, gut durchgearbeitetes Bild zu erhalten. Bei ganz kleinen Kindern kann die Beurteilung dadurch erschwert werden, daß hier das Herz einen unverhältnismäßig großen Teil der Lungen verschattet, außerdem die Interkostalräume sehr eng sind, so daß immer nur kleine Partien der Lungenfelder zur Betrachtung freibleiben, ganz besonders, wenn durch starke Auftreibung der Knorpelgrenzen der Rippen bei Rachitis die zur Beurteiluug ver- fügbaren Lungenpartien noch weiter eingeengt werden.

Die Miliartuberkulose befällt in sehr vielen Fällen Personen, plötzlich mitten aus scheinbarer Gesundheit heraus, ohne daß vorher klinisch manifeste Krankheits- symptome sich gezeigt haben und ohne daß eine tuberkulöse Erkrankung der Lungen selber vorlag. Infolgedessen finden wir außer einer gleichmäßigen feinen Tüpfelung

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der Lungenfelder meist nur etwas vergrößerte Hilusdrüsenschatten, aber keine größeren Verdichtungen auf in den Lungenfeldern. Anderseits kann der massige Einbruch in die Blutbahn natürlich auch im Verlaufe einer chronischen Lungentuberkulose erfolgen. Sind dann schon sehr ausgedehnte Verdichtungen auf den Lungen vorhanden, so kann da- durch der röntgenologische Nachweis der hämatogenen Aussaat erheblich erschwert werden.

Bei der zweiten Form der akuten Miliartuberkulose, der miliaren käsigen Broncho- pneumonie oder hämatogen disseminierten, azinös exsudativen Tuberkulose sind die ein- zelnen Herdschatten größer und untereinander nicht so sehr in der Größe übereinstim- mend wie bei der produktiven Form, sie sind auch etwas unregelmäßiger gestaltet, nicht ganz so scharf begrenzt, zum Teil ineinander überfließend (Abb. 4,7). Die Stellungsdichte pflegt in den oberen und mittleren Partien meist etwas dichter zu sein und nach unten zu abzunehmen. Immerhin sind trotz aller Zerfließlichkeit die gleichmäßige Zerstreuung über die Lungenfelder und die Gleichartigkeit der Herdchen so ausgeprägt, daß wir da- durch auf die hämatogene Entstehung hingewiesen werden, wir haben auch hier ein ausgesprochen getüpfeltes Lungenfeld. Klinisch zeichnen sich diese Fälle im Gegensatz zur produktiven Form dadurch aus, daß wir über den Lungen allenthalben mehr oder weniger dichte, klein- bis mittelgroßblasige klingende Rasselgeräusche finden und der Verlauf ein besonders rapider zu sein pflegt. Ahb. 7 zeigt einen derartigen Fall: 20jäh- riges Mädchen, früher immer gesund, 1. Mai 1917 erkrankt mit Husten, Mattigkeit und zunehmender Schwäche sowie Fieber. 18. Mai 1917 Krankenhausaufnahme. Anämisch reduzierter Ernährungszustand, beschleunigte Atmung, verschärftes bis bronchiales Atmen über beiden Lungen mit zahlreichen diffusen, fein- bis mittelgroßblasigen klingen- den Rasselgeräuschen. Kleiner Milztumor. Augenhintergrund o. B. Hohe Kontinua um 40°. Rapider Verfall. Gegen Ende leichte Benommenheit. 30. Mai 1917 Exitus. Das Sektionsprotokoll ist leider abhanden gekommen. Im Sektionsbuch findet sich die Diagnose verzeichnet: Akute Miliartuberkulose.

Das Röntgenbild der akuten Miliartuberkulose mit seiner feinen, dichten, gleich- mäßigen, scharf markierten Tüpfelung entspricht eigentlich nicht dem, was wir nach unseren theoretischen Überlegungen erwarten sollten. Bedenken wir, daß die ganze Lunge gleichmäßig von unzähligen kleinen, dichtstehenden Tuberkeln durchsetzt ist, so ist es klar, daß die Röntgenstrahlen eine große Anzahl von in verschiedenen Ebenen liegenden Herdchen treffen müssen. Wir würden also zunächst zu erwarten haben, daß die verschiedenen Schatten ineinander projiziert und infolgedessen eine diffuse ver- waschene, marmorierte Zeichnung mit allgemeiner Trübung der Lungenfelder zustande kommt, wie dies auch Klieneberger beschrieben hat. Trotzdem sehen wir auf guten scharfen Platten immer einzelne scharf begrenzte Fleckchen, die, wir man sich bei der Autopsie stets leicht überzeugen kann, sowohl in Größe wie in bezug auf Anordnung dem Befunde an der Leiche genau entsprechen. Was wir auf der Röntgenplatte sehen, muß also, wie ich in Übereinstimmung mit Aßmann, Haudeck u. a. annehme, das Bild der einzelnen Herdchen sein und nicht eine Summationswirkung. Daß Klieneber- ger eine verwaschene marmorierte Zeichnung fand, hat wohl seinen Grund darin, daß es sich in dem mitgeteilten Falle um eine postinortale Aufnahme handelte, bei denen ja bekanntlich durch veränderten Luftgehalt, Ödem usw. die Zeichnung verwischt wer- den kann.

Die isolierte Darstellung der einzelnen kleinen Herdchen in natürlicher Größe kommt daher, daß sich eben nur die plattennahen Herdchen abbilden, während die etwas weiter entfernten infolge ihrer Kleinheit vollkommen weggeleuchtet werden. Eine leichte Helligkeitsverminderung der Lungenfelder kann man sich dagegen als Summations- wirkung erklären.

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v. Dehn und Weinschenk haben kürzlich von neuem die Frage erörtert, warum bei der akuten Miliartuberkulose die einzelnen kleinsten Verdichtungsherde trotz ihrer Kleinheit in wahrer Gestalt auf der Röntgenplatte erscheinen. Sie gehen bei ihren Betrachtungen von einem von Jarisch und Hönlinger mitgeteilten Fall aus, bei dem sich bei der Sektion auf den Lungen und der Pleura nur einzelne miliare Knötchen fanden, die auf einer Röntgenplatte, die die Lungenzeichnung deutlich erkennen ließ, nicht zur Darstellung gekommen waren. Sie schließen daraus, daß eben die massenhaft im Lungengewebe zerstreuten Herde die Darstellung der einzelnen in hohem Grade befördern müssen. Sie denken sich den Vorgang so, daß jeder kleine Herd einen Teil der ihn treffenden Strahlen absorbiere, aber auch neue, Sekundärstrahlen aussende. Da die Miliartuberkel die ganze Lunge durchsetzen, summieren sich die von in verschie- denen Tiefen gelegenen Knötchen ausgesandten Sekundärstrahlen, und diese werden von den plattennächsten absorbiert. Diese Sekundärstrahlen verlaufen natürlich nach allen Richtungen, doch kommen für die Aufnahme nur die nach der Platte gerichteten in Betracht. Zum Beweise ihrer Behauptung beschreiben sie eine physikalische Ver- suchsanordnung, durch die sie zeigen konnten, daß einzelne kleine Gebilde, die an sich weggeleuchtet werden, durch vorgelegte ähnliche Körper als Sekundärstrahlenerzeuger in ihrer wahren Größe und Gestalt zur Darstellung gebracht werden. Dieselben Er- wägungen müssen natürlich auch für alle anderen kleinfleckigen, die Lungen sehr dicht durchsetzenden Affektionen in Betracht kommen. Ebenso würde sich aus diesen Ausführungen ergeben, daß bei einer sehr spärlichen hämatogenen Aussaat die Herdchen nicht zur Darstellung kommen und die Diagnose nicht zu stellen ist. Es dürften jedoch diese Fälle prognostisch anders zu werten sein, auch fallen sie eigentlich nicht unter den Krankheitsbegriff der akuten Miliartuberkulose, weil eben das Moment der Massig- keit der Aussaat, welches ein Charakteristikum der akuten Miliartuberkulose ist, fehlt.

Ist somit das Röntgenbild der akuten Miliartuberkulose sehr charakteristisch ich möchte behaupten eines der charakteristischsten und eindeutigsten, welches wir überhaupt in der Lungenröntgenologie kennen —, so sind doch immerhin Fehldiagnosen möglich. Diese können darin bestehen, daß eine vorhandene Miliartuberkulose nicht diagnostiziert oder die Diagnose Miliartuberkulose gestellt wird, wo die Tüpfelung des Lungenfeldes durch andersartige anatomische Prozesse hervorgerufen ist.

Zunächst muß die Wahrscheinlichkeit zugegeben werden, daß in den äußerst sel- tenen, besonders akut verlaufenden, als Sepsis tuberculosa acutissima bezeichneten Fällen, bei denen es gar nicht zur Ausbildung von makroskopisch sichtbaren Tuberkel- knötchen kommt, sondern erst bei der mikroskopischen Untersuchung kleinste Nekrose- herdchen gefunden werden, das Röntgenbild wohl negativ ausfallen dürfte. Mir selber steht kein derartiger Fall zur Verfügung, und auch in der Literatur konnte ich keine entsprechende Mitteilung finden. Des weiteren wurde bereits erwähnt, daß sehr spär- liche, in den Lungen zerstreute miliare Tuberkel auch auf guten Platten dem Nachweise entgehen können. Diese Fälle sind jedoch meines Erachtens nicht als akute Miliar- tuberkulose zu bezeichnen, denn es fehlt die Massigkeit der Aussaat, die zu dem Bilde der akuten Miliartuberkulose gehört. Ebenso ist bereits erwähnt, daß bei mangelhafter Technik und nicht ganz scharfen Platten, namentlich bei Säuglingen und kleinen Kin- dern, eine sehr feine miliare Aussaat dem Nachweis entgehen kann und anderseits bei bereits vorhandenen, sehr ausgedehnten tuberkulösen Lungenveränderungen die Er- kennung der akuten hämatogenen Aussaat erschwert sein kann, zumal auch gerade in diesen Fällen sich etwas größere Differenzen in der Größe und Stellungsdichte der ein- zelnen Herdchen finden können. Abgesehen von der Sepsis tuberculosa acutissima dürfte also jeder Fall von akuter Miliartuberkulose auf technisch einwandfreien Platten

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zu erkennen sein. Ich selber habe jedenfalls bei einem Material, welches schätzungs- weise im Laufe der Jahre auf etwa 100 Fälle angewachsen ist, nur ganz vereinzelt ein- mal die Diagnose nicht stellen können, und stets handelte es sich um Fälle, bei denen die Platte nicht technisch einwandfrei und infolge großer Unruhe der Kinder verwackelt war. Eine Einschränkung muß allerdings gemacht werden. Es ist nicht anzunehmen, daß wir schon vom ersten Tage der hämatogenen Aussaat an einen positiven Befund erhalten. Von welchem Tage ab eine akute Miliartuberkulose röntgenologisch nachweisbar ist, ist noch nicht erwiesen, sicher ist jedoch, daß dies schon in einem sehr frühen Stadiun, vielleicht schon nach einer Woche der Fall ist, jedenfalls schon zu einer Zeit, wo auf an- dere Weise die Diagnose noch nicht zu stellen ist. Achelis teilt einen Fall von röntgeno- logisch zur Darstellung gekommener Miliartuberkulose mit, in dem bei der Autopsie die Knötchen so klein waren, daß sie mit bloßem Auge kaum zu entdecken waren.

Auf der anderen Seite gibt es eine Reihe von andersartigen pathologischen Prozessen, die ein der akuten Miliartuberkulose mehr oder weniger ähnliches Bild hervorrufen können.

In erster Linie kommen da solche Erkrankungen in Frage, bei denen eine massige Infektion der Lungen ebenfalls auf dem Blutwege zustande kommt. Vor allem sind da die äußerst seltenen Fälle von echter miliarer Karzinose zu erwähnen. Wir selber haben bisher einen einzigen derartigen Fall beobachten können, der klinisch das Bild der Miliar- tuberkulose vortäuschte und auch röntgenologisch die feine gleichmäßige Tüpfelung der Miliartuberkulose bot. Bei der Autopsie fand sich ein bohnengroßes primäres Bronchialkarzinom am Hauptbronchus, welches in die Lungenvene durchgewachsen war und Veranlassung zur hämatogenen Ausschwemmung von Krebszellen gegeben hatte. Bei der Autopsie waren die ganzen Lungen von miliaren Krebsknötchen gleichmäßig durchsetzt, so daß dieselbe auch anatomisch durchaus das Bild einer Miliartuberkulose bot und auch von dem Anatomen zunächst diese Diagnose gestellt wurde. Erst die mikroskopische Untersuchung deckte den wahren Sachverhalt auf. In der Literatur fand ich nur bei Aßmann einen ährlichen Fall. Einen zweiten Fall von wahrscheinlich hämatogener Entstehung von Krebsmetastasen in den Lungen sah ich kürzlich (der Fall ist nicht zur Sektion gekommen). In diesem Falle war die Ausschwemmung jedoch viel spärlicher und die Knötchen wesentlich größer, so daß eine Verwechslung mit Miliartuberkulose nicht in Frage kommen kann. Es fanden sich hier etwa kirschgroße rundliche, scharf begrenzte Knoten über beide Lungen, besonders die unteren Teile, zerstreut.

Die echte Miliarkarzinose darf nicht, wie dies in der Literatur nicht selten zu finden ist, mit der bei weitem häufigeren Lymphangoitis carcinomatosa pulmonalis verwechselt werden, die meist metastasisch, vorwiegend bei Magenkarzinomen in den Lungen auf- tritt. Das klinische Bild derselben kann unter Umständen, wie dies2 von Schmidt mit- geteilte Fälle beweisen, große Ähnlichkeit mit dem der akuten Miliartuberkulose haben. Es handelt sich hierbei um einen von den Hilusdrüsen aus in den Lymphspalten fort- kriechenden Prozeß, bei denen die Lymphgefäße prall mit Krebszellen vollgepfropft sind. Röntgenologisch wird dadurch eine feine, maschige, netzartige Zeichnung hervorgerufen (Abb. 12). An Stellen, wo solche mit Krebszellen vollgepfropfte Lymphgefäße sich ver- zweigen oder orthoröntgenograd getroffen werden, können kleine punktförmige Schatten- bildungen entstehen. Wir sehen auf solchen Platten meist einen dichteren Schatten in der Hilusgegend, der sich peripherwärts in eine Fleckelung und ein immer feiner werdendes Netzwerk auflöst, welches mit feinen Fleckchen besetzt sein kann. Es wird dadurch in den peripheren Partien auch der Eindruck einer feinen Tüpfelung hervor- gerufen, stets ist aber bei genauerem Betrachten ein feines Netzwerk zu sehen. Meines

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Erachtens ist die Abnahme der Schattendichte vom Hilus aus peripherwärts und die netzartige Zeichnung ein ausreichendes Unterscheidungsmerkmal gegenüber der akuten Miliartuberkulose mit ihrer ganz gleichmäßigen Tüpfelung. Ich bin jedenfalls bisher in keinem einzigen derartigen Falle in Versuchung gekommen, eine Miliartuberkulose zu diagnostizieren.

Brasche teilt einen Fall von Chorioepitheliom mit, bei dem sich bei der Autopsie zahllose miliare Geschwulstknötchen in der Lunge fanden. „18 Knötchen auf 1 qcm, die makroskopisch durchaus das Aussehen von Miliartuberkeln hatten.“ Der Fall ist röntgenologisch nicht untersucht. Nach dem anatomischen Befunde muß man jedoch annehmen, daß das Röntgenbild dem einer akuten Miliartuberkulose zum mindesten sehr ähnlich gewesen sein müßte.

3 Fälle von miliaren Tumormetastasen in der Lunge teilt Blum mit. Im ersten Falle handelte es sich ebenfalls um ein Chorionepitheliom. Es fanden sich hier ‚‚in beiden Lungenfeldern in ganzer Ausdehnung gleichgroße runde Flecken, etwas größer als bei Miliartuberkulose, rechts etwas dichter wie links, von oben nach unten an Zahl zuneh- mend, vom Hilus zur Peripherie etwas abnehmend. Die Diagnose auf Miliartuberkulose wurde trotz der großen Ähnlichkeit wegen dieser Anordnung nicht gestellt“.

Im zweiten Falle handelte es sich um Melanosarkomatose. Das Röntgenbild der Lungen war dem eben beschriebenen auffallend ähnlich. ‚Auch hier etwas größere Fleckchen als bei Miliartuberkulose, rund und weich im ganzen Lungenfelde, rechts etwas mehr wie links und unten zahlreicher als oben. Nirgends eine Anordnung in Streifen. Die Autopsie ergab pigmentlose Sarkommetastasen in fast allen Organen, besonders in der Lunge, wo die kleinen weißen Knötchen überall den Lymphbahnen entlang gewachsen waren und auch hier auf dem Durchschnitt ein Bild wie das der Miliartuberkulose boten.“

Der dritte Fall litt an einem Boeckschen Sarkoid. „Im Röntgenbilde waren die seit Kurnitzki und Bittorf, Altmann u. a. bekannten Veränderungen über das ganze Lungenfeld ausgedehnt in miliarer Anordnung, rechts ausgesprochener wie links, im Mittelgeschoß vom Hilus zur Peripherie hin etwas dichter als in den übrigen Lungen- teilen. In beiden Unterlappen war auch eine Anordnung in Streifen zu sehen.“

In allen 3 Fällen war also ein Röntgenbild zustande gekommen, welches große Ähnlichkeit mit dem der akuten Miliartuberkulose bot. Es waren jedoch deutliche Differenzen gegenüber dem typischen Bilde der Miliartuberkulose vorhanden, die Blum davor bewahrten, fälschlicherweise die Diagnose Miliartuberkulose zu stellen. Die einzelnen Fleckchen waren etwas größer, als man sie bei der akuten Miliartuberkulose findet, die Verteilung nicht so gleichmäßig, die Stellungsdichte in den Spitzenpartien im Gegensatz zur Miliartuberkulose geringer wie in den unteren Partien.

Bei der Aktinomykose kann cs ebenfalls von den erkrankten intrathorakalen Drüsen aus zu einem Einbruch in die Blutbahn und damit zur hämatogenen Aussaat kommen. In 3 von uns beobachteten derartigen Fällen war es zu ausgedehnten Hautmetastasen, in 1 Fall auch zu einer lymphogenen peribronchitischen Ausbreitung der Aktinomykose, die ein der chronischen peribronchitischen Tuberkulose ähnliches Bild erzeugte, nicht aber zu einer miliaren Ausbreitung in den Lungen gekommen. Immerhin ist ein solcher denkbar, wenn ein Durchbruch in die Lungenvene erfolgt, und Lebram teilt den Sek- tionsbefund eines allerdings nicht geröntgten Falles mit, bei dem die Pleurablätter von zahlreichen grauen submiliaren Knötchen übersät waren, die makroskopisch nicht von Miliartuberkeln zu unterscheiden waren, mikroskopisch aber ausschließlich Eiterzellen und Pilzfäden, aber keine Tuberkelbazillen enthielten.

Auch eine Reihe von den Bronchien ausgehende Erkrankungen können einmal ein der akuten Miliartuberkulose ähnliches Bild erzeugen.

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So fand Matthes einmal bei einem Falle von Typhus auf der Röntgenplatte der Lungen ‚dieselbe Zeichnung wie bei einer Miliartuberkulose“, während die Autopsie kleinste, augenscheinlich durch chronische Bronchitis erzeugte Bronchialerweiterungen aufdeckte.

Im Anschluß an die Bronchiolitis können Bindegewebspfröpfe in die Bronchiolen und Infundibula hineinwuchern und zu einer Obliteration der Bronchiolen, zu einer Bronchiolitis obliterans führen. Es entstehen auf diese Weise kleine fibröse Knötchen. wodurch klinisch, röntgenologisch und anatomisch das Bild einer Miliartuberkulose vorgetäuscht werden kann. Einen derartigen Fall erwähnt Aßmann: „Lungenfelder gleichmäßig trübe, außerdem übersät mit etwa stecknadelkopf- bis kleinlinsengroßen Fleckchen von annähernd nicht genau gleicher Größe.“ Autopsie: „Lungen zeigen vermehrte Konsistenz, sind gleichmäßig durchsetzt von stecknadelkopf- bis kleinlinsen- großen Knötchen von derber Beschaffenheit. Anatomische Diagnose: Bronchiolitis obliterans.‘“

Auch Matthes berichtet über einen unter dem klinischen Bilde der akuten Miliar- tuberkulose tödlich verlaufenden Fall von Bronchiolitis obliterans, bei dem die Röntgen- platte ‚das typische Bild der Miliartuberkulose zu ergeben schien“.

Außerdem sah Matthes ‚ein der Miliartuberkulose zum Verwechseln ähnliches Bild“ bei einem Falle von Status thymolymphaticus mit Diphtherie, ebenso Päßler in einem Falle von nichttuberkulöser Pseudoleukämie ein Bild, „welches dem der Miliar- tuberkulose zum Verwechseln ähnlich war“.

In allen den zuletzt beschriebenen Fällen fehlt eine genauere Beschreibung der Röntgenplatte, so daß sich nicht sagen läßt, ob sich beim genauen Studium der Original- platten doch noch Abweichungen vom Bilde der akuten Miliartuberkulose finden lassen, die eine Unterscheidung ermöglichen.

In sehr seltenen Fällen kommt es im Anschluß an Influenza als auch im Gefolge von Masern zur Ausbildung zahlreicher miliarer bronchopneumonischer Herdchen, die innerhalb von noch lufthaltigem Gewebe gelegen sind und nicht konfluieren. Sie können, wie Aßmann mitteilt, röntgenologisch und anatomisch einer Miliartuberkulose außer- ordentlich ähnlich sein und leicht mit einer solchen verwechselt werden. ABmann bildet in seiner Röntgendiagnostik einen solchen Fall ab. ‚Im Röntgenbilde Lungenfelder allgemein gleichmäßig getrübt, durchsetzt von zahlreichen linsengroßen Knötchen.“ Autoptisch „zahlreiche miliare bronchopneumonische Herdchen in allen Lappen‘. Beim Betrachten des Röntgenbildes sind meines Erachtens, scweit sich nach einer verkleinerten Reproduktion überhaupt ein Urteil abgeben läßt, aber doch Unterschiede gegenüber der vorwiegend produktiven Miliartuberkulose zu finden. Die einzelnen Herdchen sind größer, als man es bei der Miliartuberkulose findet und nicht alle so untereinander in Größe übereinstimmend wie bei der akuten Miliartuberkulose, und es sind namentlich auf der linken Seite doch einige konfluierende Herdchen zu sehen. Dann nimmt aber auch die Stellungsdichte der Herde von der Spitze nach der Basis zu deutlich ab. Dagegen dürfte die Differentialdiagnose gegenüber den hämatogen ent- standenen miliaren Bronchopneumonien schwerhalten.

Auch sonst findet man, namentlich bei Kindern, diffus über die Lungen zerstreute bronchopneumonische Prozesse, sei es, daß es sich um unspezifische bronchopneumo- nische Herdchen oder um käsig bronchopneumonische Herdchen handelt. Denn beide Formen können bei Kindern das gleiche Bild ergeben und sind nur auf Grund des Rönt- genbildes nicht zu trennen. Diese Herdchen sind jedoch größer, vor allem auch in der Größe wechselnd, im Aussehen zerfließlich, teilweise konfluierend. Außerden pflegen diese Herdchen bei Kindern in der Umgebung des Hilus am dichtesten zu sein, bei

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Erwachsenen mehr die unteren Lungenpartien zu bevorzugen, so daß eine Verwechslung mit der akuten produktiven Miliartuberkulose nicht möglich ist und auch eine Verwechs- lung mit der hämatogen disseminierten miliaren käsigen Bronchopneumonie sich meistens vermeiden läßt.

Von anderen Formen der Tuberkulose kommt höchstens eine akute peribronchitisch disseminierte Tuberkulose in Betracht. Aßmann ist der Ansicht, daß diese Form sich zuweilen nicht von der akuten Miliartuberkulose unterscheiden lasse. Bei genauem Studium der Platte wird man aber doch meistens finden, daß bei der akuten peribronchi- tischen Tuberkulose die Tüpfelung der Lungenfelder durch in kleinen Gruppen zu- sammenliegende Herdchen bedingt ist, während bei der Miliartuberkulose die Herd- chen gleichmäßiger verteilt sind. Auch sind die einzelnen Herdchen doch wohl meist größer und etwas unregelmäßiger gestaltet. Immerhin ist zuzugeben, daß die Unter- schiede unter Umständen nur geringfügig sind und der Differentialdiagnose erhebliche Schwierigkeiten bereiten können.

Dagegen glaube ich nicht, daß die Pneumokoniose ernste differentialdiagnostische Schwierigkeiten bereitet, wie Wolff behauptet hat. Es handelt sich hier in der Regel um größere, zackig gestaltete Herdchen, die nicht so dicht und regelmäßig über die Lungen zerstreut sind. Auch finden wir in solchen Fällen häufig derbe Hilusdrüsen- pakete mit derben, allseitig in das Lungengewebe ausstrahlenden Strangzeichnungen. Es gibt allerdings auch Fälle von Pneumokoniose, wo die Herdchen ziemlich klein und über das Lungengewebe einigermaßen gleichmäßig zerstreut sein können (Abb. 11), jedoch ist mir noch kein Fall zu Gesicht gekommen, bei dem ich in Versuchung gekommen wäre, eine Miliartuberkulose zu diagnostizieren, ganz abgesehen davon, daß uns das klinische Bild in solchen Fällen vor dieser Fehldiagnose bewahren muß. Dagegen kann die Pneu- mokoniose leicht mit anderen Formen der Tuberkulose verwechselt werden.

Aßmann hat zuerst darauf hingewiesen, daß man vereinzelt auch einmal bei ganz gesunden Personen dasselbe getüpfelte Feld wie bei einer Miliartuberkulose antreffen kann. Diese Beobachtungen zwingen uns zu untersuchen, ob in seltenen Fällen auch einmal eine akute Miliartuberkulose zur Ausheilung kommen kann, was a priori recht unwahrscheinlich ist und früher für unmöglich gehalten wurde. Und doch glaube ich, müssen wir auf Grund einiger in der Literatur niedergelegten Fälle unsere Ansicht revidieren.

In dem ersten Falle von Aßmann handelte es sich um einen zur Begutachtung über- wiesenen arbeitsfähigen Mann, der physikalisch jetzt nur die Zeichen einer geringen Spitzenverdichtung bot, aber vor 7 Jahren im Anschluß an eine nach einem Unfalle entstandene Hämoptoe eine länger dauernde hochfieberhafte Erkrankung durchgemacht hatte. Der zweite Fall, der vor einigen Monaten leichte Lungenbeschwerden gehabt hatte, wurde von der Augenklinik wegen dort festgestellter tuberkulöser Veränderungen in der Chorioidea überwiesen. „In diesen beiden und noch einigen anderen Fällen ohne sicheren physikalischen Lungenbefund zeigte das Röntgenbild die vorher geschilderte dichte Tüpfelung. Es ist kaum eine andere Deutung möglich, als daß hier früher, sei es auf dem Lymph- oder Blutwege, eine Dissemination von Tuberkeln in der Lunge stattgefunden hatte, die später zur Ausheilung, wahrscheinlich auf dem Wege der In- duration gekommen war.“ In einem weiteren, von Aßmann mehrere Monate beob- achteten Falle wurde zunächst klinisch und röntgenologisch eine massenhafte, dissemi- nierte Aussaat von Tuberkeln und gleichzeitig Chorioidealtuberkel festgestellt. Der Fall hatte zunächst einen hochfieberhaften Verlauf und wurde als infaust betrachtet. All- mählich stellte sich aber gegen alles Erwarten eine Besserung und schließlich vollkommene Entfieberung ein. Nach halbjährigem Wohlbefinden trat eine Verschlimmerung einer

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daneben bestehenden Urogenitaltuberkulose ein, der der Patient erlag. Die Autopsie ergab eine Aussaat sehr feiner derber Knötchen in den Lungen, die mikroskopisch eine sehr dichte bindegewebige Schale aufwiesen.

Heinecke fand bei einem Falle , der nur geringfügige Lungenerscheinungen und kein Fieber, aber tuberkulöse Kehlkopfgeschwüre hatte und aus einem anderen Grunde zum Exitus kam, bei der Sektion eine ‚chronisch Iymphogene Miliartuberkulose beider Lungen“. ‚„Mikroskopisch zeigten die interstitiell gelegenen Tuberkel Binde- gewebsabkapselung, Lymphozytenring und vielfach zentrale Verkäsung, keine Al- veolitis.

Max Cohn berichtet über ein 14jähriges Mädchen, welches mit Leber- und Milz- schwellung bei nur wenig erhöhter Körpertemperatur, aber beträchtlicher Störung des Allgemeinbefindens aufgenommen wurde. Es wurde die Diagnose auf Bantische Krankheit gestellt und die Exstirpation der Milz vorgenommen. Beim Aufschneiden der herausgenommenen Milz während der Operation konnte sofort die Diagnose auf Miliartuberkulose derselben gestellt werden. Eine darauf vorgenommene Betrachtung der Bauchhöhle deckte eine miliare Aussaat über das Bauchfell und eine subperitoneale Milztuberkulose der Leber auf. Lungenerscheinungen waren bei dem Mädchen vorher nie wahrgenommen worden. Ein darauf angefertigtes Röntgenbild der Lungen ergab den charakteristischen Befund der Miliartuberkulose. Das Mädchen genas, und Cohn konnte sie jahrelang kontrollieren und dabei ausgesprochene Heilungsvorgänge auf den Lungen feststellen. Die kleineren Herdschatten konsolidierten sich zu größeren Infil- traten, die eine intensivere Dichte aufwiesen. Vom Hilus aus zogen deutlich erkennbare Bindegewebszüge nach der Peripherie. Auch die Miliartuberkulose der Bauchorgane ging zurück und machte später keine Erscheinungen mehr.

Lorey beobachtete ein 20jähriges Mädchen, welches im Jahre 1918 eine Grippe überstanden hatte, sonst aber stets gesund war. Am 11. Juli 1919 erkrankte es plötzlich mit einmaligem Erbrechen. Seitdem fühlte sie sich krank, es bestanden Magenbeschwer- den in Form von Druck vor dem Magen und Appetitlosigkeit. Die Kranke wurde am 28. Juli 1919 in das Krankenhaus aufgenommen. Die Untersuchung ergab außer einem kleinen Milztumor lediglich eine leichte Anämie. Über den Befund von Chorioideal- tuberkeln ist in der Krankengeschichte nichts berichtet. Die Temperatur war unregelmäßig, aber nicht beträchtlich erhöht. Das Röntgenbild zeigte zur allgemeinen Überraschung eine dichte, gleichmäßige, feine, miliare Aussaat (Abb. 9). Im Verlaufe von 6 Wochen entfieberte die Krarıke und erholte sich dann rasch, so daß sie mit einer Gewichtszunahme von 5 kg entlassen werden konnte. Nach 1!/, Jahren konnte Lorey die Patientin nach- untersuchen. Sie sah blühend aus, fühlte sich ganz gesund und ging schon wieder lange ihrem Berufe nach. Das Röntgenbild der Lungen bot eine auffallende Veränderung. Die in die Augen springende dichte Tüpfelung der Lungenfelder war verschwunden, die Lungenfelder wieder hell durchleuchtet. Man sah zunächst nur etwas vermehrte Lungenzeichnung in Form feiner Stränge, die sich vom Hilus aus in die Lungenfelder ver- zweigten. Bei ganz genauem Betrachten der Platte konnte man eine feine Marmorierung ahnen (Abb. 10). Per exclusionem nahm Lorey an, daß es hier tatsächlich um eine aus- geheilte Miliartuberkulose gehandelt habe. Auffallend war ja der Befund hei der Nach- untersuchung. Man sollte eigentlich annehmen, daß die miliaren Tuberkel infolge der Abkapselung und fibrösen Umwandlung erst recht deutlich und markant zutage treten. Es ist wahrscheinlich, daß die Tuberkel selber hier winzig klein geblieben sind, aber ur- sprünglich wie alle frischen tuberkulösen Prozesse von einem entzündlichen Exsudat umgeben waren, welches in erster Linie für die Schattenbildung verantwortlich zu machen war. Dasselbe ist dann später im Heilungsstadium resorbiert worden. Vielleicht

Die akute Miliartuberkulose im Röntgenbild 143

ist dann auch noch in der Umgebung der Knötchen ein vikariierendes Emphysem auf- getreten, welches die Tüpfelung noch weiter verwischt hat.

l v. Kern und Johan berichten ausführlich über ein 23jähriges Mädchen, welches mit hohem, seit einer Woche bestehendem Fieber, Dyspnoe und Zyanose aufgenommen wurde. Im übrigen war der Organbefund negativ. Diazoreaktion positiv. Im Augen- hintergrunde zwei hanfkorngroße Solitärtuberkel. Röntgenbild: Beide Lungenfelder von zahlreichen reiskorngroßen und auch kleineren, nicht konfluierten Herdchen über- sät. Diese Herdschatten waren besonders um die Hili vereinzelt, aber auch im ganzen Bereiche der Lungen sichtbar. Außerdem zeigte die Lungenplatte auf der rechten Seite eine vermehrte Intensität der Hilusschatten und im rechten Lungenfelde einige vergrößerte linsengroße Schatten. Nach 6wöchiger Behandlung hatte der Befund sich so gebessert, daß die Patientin in subfebrilem Zustande entlassen werden konnte. Durch einen 3monatigen ländlichen Aufenthalt wurde vollkommene Entfieberung und Gewichts- zunahme von 11!/,kg erreicht. Nach ?monatigem vollkommenen Wohlbefinden er- krankte Patientin an einer tuberkulösen Meningitis, der sie erlag.

Bei der Sektion fand man eine Meningitis basilaris tuberculosa. Die Lungen waren mit möglichst gleichmäßig verteilten hirsekorngroßen und auch kleineren, sehr scharf abgegrenzten grauweißen Knötchen durchsetzt, die sich von der Schnittfläche etwas abhoben. Außerdem waren noch ab und zu einige erbsen- bis bohnengroße massive Knoten wahrnehmbar. Im übrigen fanden sich auch in der Niere Miliartuberkel und tuberkulöse Darngeschwüre. Mikroskopisch waren die aus epitheloiden mit einigen Langhansschen Riesenzellen bestehenden miliaren Tuberkeiknötchen mit einer aus fibrösem Bindegewebe gebildeten Kapsel umfaßt. Es war also hier zu einer Abkapselung der durch akute hämatogene Dissemination 10 Monate vor dem Tode entstandenen Miliartuberkel gekommen. Wir können hier natürlich, da mikroskopisch noch typische Tuberkel nachzuweisen waren, nicht von einer Heilung sprechen. Aber es muß doch durchaus die Möglichkeit zugegeben werden, daß auf diese Weise unter günstigen Um- ständen schließlich auch eine wirkliche Ausheilung zustande kommen kann.

Ist auch nicht in allen angeführten Fällen der strikte Nachweis erbracht, daß es sich wirklich um eine akute Miliartuberkulose gehandelt hat, so glaube ich doch, daß wir auf Grund der Fälle annehmen müssen, daß selbst eine akute Miliartuberkulose unter ganz besonders günstigen Umständen auch einmal nicht zu schnellem Tode, sondern abkapseln und schließlich zur Ausheilung führen kann. Voraussetzung dafür dürfte sein, daß es sich einerseits um wenig virulente und wenig Toxin produzierende Bazillen und anderseits um einen an Schutzkräften reichen Organismus handelt, so daß die Schutz- kräfte in dem gegenseitigen Kampfe den Sieg davontragen. Allerdings wird dies nur ganz exzeptionell selten der Fall sein.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, daß das Röntgenbild der akuten Miliartuber- kulose ein außerordentlich charakteristisches ist und die Röntgenuntersuchung ein un- schätzbares und nicht zu entbehrendes Hilfsmittel zur Diagnose der akuten Miliartuber- kulose darstellt. Die Verwechslungsmöglichkeiten sind, wenn man, wie dies bei allen Röntgenuntersuchungen der Fall sein soll, das klinische Bild berücksichtigt, praktisch belanglos, da andere Erkrankungen, die röntgenologisch und klinisch ein der Miliartuber- kulose täuschend ähnliches Bild erzeugen, sehr selten sind und prognostisch die gleiche infauste Prognose geben.

144 A. Lorey

Erläuterung der Abbildungen.

Abb. 1. Normale Lunge.

Abb. 2. Akute Miliartuberkulose, produktive Form. Auf der Originalplatte waren beide Lungenfelder ganz gleichmäßig mit submiliaren distinkt zur Abbildung kommenden Fleckchen übersät. (Leider zeigen die Reproduktionen trotz aller Bemühungen nicht im entferntesten die Feinheiten, die die Originalplatte erkennen läßt. So kommt hier im oberen Teile der Lungen- felder die Tüpfelung nicht deutlich zum Ausdruck, während in den unteren Partien teilweise ein feines Netzwerk auf der Reproduktion vorgetäuscht wird.)

Abb. 3. Akute Miliartuberkulose, produktive Form. Auf der Originalplatte sah man ebenfalls eine gleichmäßige distinkte Tüpfelung. Die einzelnen Tüpfelchen waren etwas größer wie in Fall 2.

Abb. 4. Akute Miliartuberkulose, exsudative Form. Die einzelnen Schattenherdchen sind größer, weniger scharf begrenzt, zerfließlich.

Abb. 5. Lymphangoitis carcinomatosa. Man sieht ein vom Hilus aus sich in immer feinere Stränge und Maschen auflösendes Netzwerk.

Abb. 6. Akute Miliartuberkulose, produktive Form. Auf der Originalplatte eine ganz gleich- mäßige feinste Tüpfelung beider Lungenfelder. Die einzelnen Tüpfelchen heben sich ganz scharf gegen das helle Lungengewebe ab.

Abb. 7. Akute Miliartuberkulose, exsudative Form. Gleichmäßige Tüpfelung beider Lungen- felder mit etwas größeren zerfließlichen Herdchen.

Abb. 8. Chronische nodös-fibröse Tuberkulose mit akuter hämatogen disseminierter Aussaat. Auf der Originalplatte sieht man neben den derben alten strang- und fleckförmigen Schattenbildungen eine gleichmäßige Aussaat kleinster Herdchen über beide Lungenfelder.

Abb. 9. Akute Miliartuberkulose, produktive Form. Abb. 10. Derselbe Fall ein Jahr später. Die Tüpfelung ist verschwunden.

Abb. 11. Pneumokoniose. Tüpfelung des Lungenfeldes spärlicher und unregelmäßiger wie bei akuter Miliartuberkulose. Die einzelnen scharf begrenzten Herdchen sind im allgemeinen größer und untereinander in der Größe verschieden.

Abb. 12. Bronchialkarzinom mit Lymphangoitis carcinomatosa. Auf der linken Seite dichte, durch den Bronchialtumor bedingte Schattenbildung. Rechts feine, der Miliartuberkulose ähnliche Tüpfelung. Bei genauerem Hinsehen kann man jedoch erkennen, daß ein feines, vom Hilus aus allmählich sich auflösendes Netzwerk besteht.

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Abb. 3 Abb. 4 Verlag von Georg Thieme, Leipzig. Photos: Paul OU. Wiebe, Berlin 30.

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- Literaturverzeichnis 145

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Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 10

Die Spektroskopie in der medizinischen Röntgenologie

Von

Professor Dr. Leonhard Grebe

Mit 22 Abbildungen und mehreren Tabellen im Text

Inhaltsverzeichnis.

Scite

L Die Röntgenstrahlen als elektromagnetische Wellen . . . 2. 2 2 2 2 2 nn nn ne. 149 II. Die praktischen Röntgenspektralapparate. . 2. 2... EL Er Er. 154 III. Das kontinuierliche Röntgenspektrum `. 158 IV. Das charakteristische Spektrum der Antikathode . . . 2.2 2: En m m rn nee. 163 V. Fluoreszenzstrahlung » . =... » & 2/3. 2 3 a. se wen u a aa 168 VI. Absorption der Röntgenstrablen `, `... 169 173

Literaturverzeichnis . . 2 oo.

I. Die Röntgenstrahlen als elektromagnetische Wellen.

Schon bald nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen vermutete man, daß eine Wesensverwandtschaft dieser Strahlen mit den Lichtstrahlen bestehe. Es fehlte des- halb von vornherein nicht an Versuchen, die Wellennatur dieser Strahlen nachzuweisen. Typisch für die Wellenstrahlungen sind die Erscheinungen der Brechung und der Beugung, und schon Röntgen selbst machte Untersuchungen, um solche Brechungs- und Beu- gungserscheinungen nachzuweisen. Auch später wurden diese Versuche fortgesetzt, und besonders L Haga und Wind sowie Walter und Pohl such- ten nach Beugungserscheinungen an sehr engen, keilförmig sich verengenden Spalten, ohne Beu- gungserscheinungen zu erhalten, die denen beim Licht entsprochen hätten. Erst ganz kürzlich ist es Walter bei erneuten Versuchen gelungen, beim Durchgang von Röntgenstrahlen durch ) einen beugenden Spalt typische Beugungsbilder AN zu erhalten, bei denen auf dem bildauffangenden f Schirm neben dem eigentlichen Spaltbild deutliche d Nebenmaxima zu sehen waren. Inzwischen waren aber andere Versuche gemacht worden, die über jeden Zweifel erhaben die Wellennatur der Rönt- genstrahlen erwiesen hatten. Gleichzeitig gestat-

: A A j teten diese Versuche, die Wellenlänge der Röntgen- H

A ` p

strahlen auf das genaueste zu ermitteln und damit : l einerseits den Grund zu legen zu einer Spektro- SE EE skopie der Röntgenstrahlen, anderseits die Er- klärung dafür zu geben, weshalb trotz der Wellennatur der Röntgenstrahlen die früheren Versuche zur Feststellung dieser Tatsache ergebnislos geblieben waren. Es sind dies die klassischen Versuche von v. Laue, Friedrich und Knipping, die auf einer Idee v. Laues fußend alle Unklarheiten über das Wesen der Röntgenstrahlen mit einem Schlage beseitigten und den Röntgenstrahlen ihren Platz in der Reihe der elektro- magnetischen Wellenstrahlungen an deren unterstem Ende anwiesen.

Auf das Prinzip der v. Laueschen Entdeckung müssen wir zunächst eingehen. Es handelt sich bei den Laueschen Versuchen um eine Übertragung der beim Licht bekannten Beugungsversuche auf die Röntgenstrahlen. Eine einfache Anordnung zur Erzeugung solcher Beugungserscheinungen beim Licht ist die folgende: Läßt man (Abb. 1) auf einen Schirm S, in den in gleichen Abständen feine Spalte eingeritzt sind, ein Bündel parallelen Lichtes L auffallen, so beobachtet man auf einem auf der Rück- seite unserer Platte aufgestellten Auffangeschirm nicht nur einen Lichtfleck P in der Fortsetzung des primären Lichtbündels, sondern man erhält außerdem seitliche Hellig-

XXXIX

H

150 L. Grebe

keitsmaxima HH, die durch Strahlenbündel hervorgebracht werden, die mit dem Primär- strahl bestimmte Winkel einschließen. Bei genügender Helligkeit des einfallenden Lichtes bleibt es nicht bei diesen beiden seitlichen Maximis ‚‚erster Ordnung‘‘, sondern es treten unter größeren Winkeln gegen den Primärstrahl noch solche zweiter, dritter und höherer Ordnungen auf, die jedoch nach den höheren Ordnungen hin immer lichtschwächer werden. Die Winkel, unter denen die abgebeugten Büschel erscheinen, sind abhängig von der Wellenlänge des benutzten Lichtes und von dem Abstande der beugenden Spalte voneinander. Mit abnehmendem Abstande der beugenden Spalte werden die Beugungs- winkel größer, mit abnehmender Wellenlänge der einfallenden Lichtstrahlen werden sie kleiner. Lassen wir also auf ein solches Spaltsystem, das man als Gitter bezeichnet, ein Gemisch von Lichtstrahlen verschiedener Wellenlänge auffallen, so wird das in dem Gemisch enthaltene kurzwellige Licht am wenigsten, das langwelligste am meisten ab- gebeugt. Die Helligkeitsmaxima HH sind also in die im einfallenden Licht enthaltenen Wellenlängen oder Farben auseinandergezogen; es sind Spektren. Will man mit Hilfe eines solchen Gitters sehr kurzwelliges Licht untersuchen, so muß man ein sehr feines Gitter wählen. Wir sahen ja, daß bei Verkleinerung des Abstandes der Gitterspalte die Beugungswinkel zunehmen. Mit einem sehr feinen Gitter können wir also noch Licht- strahlen abbeugen, deren Beugungswinkel bei einem gröberen Gitter so klein wäre, daß das Beugungsbild H nicht mehr vom primären Bild (oder wie wir auch sagen können, dem Bilde Oter Ordnung) getrennt wäre. Je kurzwelliger das zu untersuchende Licht ist, um so feiner muß also das Gitter sein, das zur Herstellung eines Spektrums ver- wendet werden muß. Nun ist aber die Möglichkeit, sehr feine Gitter herzustellen, mechanisch beschränkt. Schon im Bereich des sichtbaren und ultravioletten Lichtes braucht man Gitter mit 100 bis 1000 Spalten auf das Millimeter, und eine weitere erheb- liche Verfeinerung erweist sich als technisch unmöglich. Sind also, wie wir oben sagten, die Röntgenstrahlen elektromagnetische Wellen von noch erheblich kürzerer Wellen- länge als das kurzwelligste Licht, so ist es aussichtslos, Röntgenspektra mit mechanisch hergestellten Beugungsgittern erzeugen zu wollen. Glücklicherweise liefert nun die Natur Gitter, die für das Röntgenstrahlengebiet gerade den richtigen Grad der Feinheit besitzen, und die große Tat v. Laues besteht darin, diese Tatsache erkannt zu haben. Die hier geeigneten Gitter sind die Kristalle, von denen man schon seit langer Zeit angenommen hatte, daß sie aus regelmäßigen Anordnungen der sie zusammensetzenden Elementarteilchen aufgebaut seien. Die Entdeckung Laues hat nun in gegenseitiger Förderung nicht nur das Wesen der Röntgenstrahlen, sondern auch den Aufbau der Kristalle kennengelehrt, so daß wir auch in der Erkenntnis der Kristallstrukturen seit jener Zeit weit vorangeschritten sind. Betrachten wir etwa den Steinsalzkristall, so wissen wir heute, daß in ihm die das Steinsalz aufbauenden Atome Chlor und Natrium auf den Ecken von Elementarwürfeln angeordnet sind, so daß immer ein Chloratom sechs Natriumatome und ein Natriumatom sechs Chloratome zu Nachbarn hat. Es kommt also auf diese Weise eine räumliche Anordnung zustande, bei der in ganz regel- mäßigen Abständen Materieelemente aufeinanderfolgen und zwischen sich materie- freie Räume von immer genau gleicher Größe offenlassen. Nachdem dieser Aufbau einmal bekannt ist, kann man die Entfernung von zwei benachbarten Atcmen aus bekannten Daten berechnen. Man braucht dazu die Atomgewichte von Chlor und Natrium, den Umrechnungsfaktor, durch den diese Atomgewichte in wahre Gewichte umgerechnet werden, also das wahre Gewicht des Wasserstoffatoms und das spezifische Gewicht des Steinsalzes, also lauter bekannte Größen. Der Abstand der Atome im Steinsalz ergibt sich daraus zu 2,814 Angströmeinheiten. Eine Angströmeinheit gleich ein Zehnmilliontel Millimeter (103 cm).

Beugung des Lichtes, Laue-Diagramm 151

In Abb. 2 ist die Anordnung der Atome in einem Steinsalzkristall dargestellt. Die durch einen leeren Kreis dargestellten Stellen bezeichnen die Chloratome, während die den ausgefüllten Kreisen entsprechenden Stellen die Natriumatome darstellen. Eine solche Anordnung ist nun freilich viel komplizierter als das von uns vorhin betrachtete

Abb. 2. Aufbau des Steinsalzkristalls. Abb. 3. Lauesche Anordnung zur Untersuchung von

Röntgenstrahlinterferenzen.

einfache Spaltgitter. Aber es zeigt sich, daß auch eine solche räumliche Anordnung von Strukturelementen eine Beugungserscheinung liefern muß, wenn man eine Strahlung auf sie auffallen läßt. und zwar ist die Beugungserscheinung wieder abhängig von der Wellenlänge der auffallenden Strahlung und von dem gegenseitigen Abstand der Struktur-

elemente, hier also der Kristallatome. Die von v. Laue, Friedrich und Knipping benutzte Anordnung zur Untersuchung der Beugungserscheinung ist in Abb. 3 dar- gestellt. Der von der Röntgenröhre aus- gehende Strahlenkegel trifft auf ein System von engen kreisförmigen Bleiblenden B, und B,, die aus ihm ein dünnes Bündel aus- blenden. Dieses trifft auf den Kristall K, etwa einen Steinsalzkristall, dessen eine Spaltfläche genau senkrecht gegen die Rich- tung des einfallenden Strahles gestellt ist. Die Beugungserscheinungwird auf der photo- graphischen Platte P aufgenommen. Das Resultat ist, wenn der einfallende Röntgen- strahl ein Gemisch aus sehr vielen ver- schiedenen Wellenlängen ist, ein System von Flecken, wie es in Abb. 4 für einen wie oben beschrieben orientierten Zinkblendekristall wiedergegeben ist. Die Theorie dieser Erschei-

Abb. 4. Laue-Diagramm der Zinkblende.

nung war von v. Laue gegeben worden und gestattete aus dem Diagramm die Wellen- länge der die einzelnen Flecken hervorrufenden Strahlen zu bestimmen. Die Gesetz- mäßigkeit der Beugungserscheinung läßt sich am einfachsten beschreiben in einer Form, die von den englischen Physikern W. H. Bragg und W. L. Bragg, Vater und Sohn, her- rührt und die in folgendem besteht: Betrachtet man in einem Kristall die Ebenen, die durch die Atome hindurchgelegt werden können, so erhält man in unserem Steinsalz-

152 L. Grebe

kristall, Abb. 2, etwa die Ebenen 1, 2, 3, 4 oder 5, 6, 7, 8 oder 1, 9, 12, 4 oder 1, 9, 10, 2 usw. Die bisher angegebenen Ebenen sind parallel den Würfelflächen, die gleich- zeitig den Spaltflächen des Steinsalzkristalls entsprechen. Man kann aber auch andere Ebenen durch die Atome des Kristalls legen; etwa 3, 4, 9, 10 oder 1, 9, 11, 3 oder 3, 4, 5, 6 usw. Man sieht sofort, daß von den hier betrachteten Ebenen diejenigen parallel den Spaltflächen am dichtesten mit Atomen besetzt sind. Zu jeder der angegebenen Atomebenen oder, wie man zu sagen pflegt, Netzebenen der Kristalle läßt sich eine Schar von Parallelebenen konstruieren, deren Abstand in jeder Schar einen ganz be- stimmten Wert hat. Unter Benutzung dieses Netzebenenbegriffes läßt sich nun nach Bragg die Beugungserscheinung an einem solchen Kristall folgendermaßen beschreiben: Fällt ein Röntgenstrahl einer bestimmten Wellenlänge (R in Abb. 5) auf einen Kristall auf, in dem NN eine Schar von Netzebenen sein möge, so tritt in der Richtung nach B unter bestimmten Voraussetzungen ein abgebeugter Strahl auf. Es ist das dann der Fall, wenn der Winkel «, den der einfallende Strahl gegen die Netzebenenschar bildet, eine ganz bestimmte Beziehung gegen den Netzebenenabstand ò und die Wellenlänge A des Strahles hat, wenn nämlich eine der Beziehungen erfüllt ist:

à = 2d .sin œ oder 2 ù = 2d .sin æ oder n = 2d .sin a,

we n, die sogenannte Ordnungszahl, eine beliebige ganze Zahl ist, die die Werte 1, 2, 3 usw. haben kann, jedoch nicht groß werden kann. Wenn eine solche Beziehung erfüllt ist, dann tritt also am Kristall eine Erscheinung auf, die vollkommen wie eine regel- mäßige Reflexion aussieht, bei der Ein- R 8 falls- und Reflexionswinkel einander ER gleich sind. Bei gegebenem Kristall und ee gegebener Röntgenstrahlwellenlänge muß Abb. 5. Reflexion von Röntgenstrahlen an also der Strahl gegen den Kristall eine Kristallnetzebenen. ganz bestimmte Einfallsrichtung haben, damit die Erscheinung auftritt. Bei ge- gebenem Kristall und gegebener Einfallsrichtung dagegen muß der einfallende Röntgen- strahl eine bestimmte Wellenlänge haben, damit die Reflexion eintreten kann. Sind in dem einfallenden Strahl viele Wellenlängen enthalten, so wird also von jeder Netz- ebenenschar diejenige Wellenlänge reflektiert, für die unsere Reflexionsbedingung er- füllt ist. Wir verstehen jetzt ohne weiteres das Ergebnis des Laueschen Versuches. Nehmen wir an, der Röntgenstrahl falle auf den Kristall der Abb. 2 senkrecht zur Fläche 1, 2, 3, 4 ein, so kann er an vielen Netzebenen des Kristalls reflektiert werden, wenn er die dafür nötigen Wellenlängen enthält. So ergibt die Reflexion an den Ebenen 3, 4, 9, 10; 2, 3, 12, 9; 1, 2, 11, 12 und 1, 4, 11, 10 vier Flecke, die symmetrisch um den einfallenden Strahl liegen, und weitere Flecke werden von den anderen Netz- ebenenscharen geliefert, wodurch sich das Bild der Abb. 4 ohne weiteres erklärt. Voraus- setzung ist, wie schon erwähnt, daß sich im einfallenden Strahl alle Wellenlängen vor- finden, die für die vorhandenen Netzebenenabstände und Einfallswinkel erforderlich sind. Zur Herstellung eines Lauediagramms ist also ein Gemisch vieler Wellenlängen er- forderlich. Wollen wir dagegen bei gegebenem Kristall eine bestimmte Netzebenenschar zur Reflexion einer bestimmten Röntgenstrahlwellenlänge benutzen, so müssen wir dem Strahl gegen den Kristall die richtige Einfallsrichtung geben, damit die Reflexion auftreten kann. Man pflegt diesen Winkel, der die Reflexion ermöglicht, den Glanz- winkel zu nennen. Machen wir den Kristall um eine Axe A senkrecht zur Bildebene drehbar (Abb. 6), so wird bei einer kontinuierlichen Drehung aus der Stellung 1 in die Stellung 2 der

Reflexion an Netzebenen; Drehkristall 153

Winkel o andere und andere Werte annehmen, und die Reflexion wird bei derjenigen Stellung eintreten, für die dieser Winkel gerade den Wert des Glanzwinkels hat, der dieser Wellenlänge entspricht. Messen wir diesen Winkel, so wird bei bekannter Kristall- konstante d und bekannter Ordnungszahl n die Wellenlänge des Röntgenstrahls sich berechnen lassen. Benutzen wir einen Röntgenstrahl anderer Wellen- länge, so hat für diesen der Glanzwinkel einen anderen Wert. Ist also der einfallende Röntgenstrahl ein Gemisch verschiedener Wellenlängen, so wird bei der Drehung des Kristalls einmal der Glanzwinkel des einen, ein anderes Mal der des anderen Wellenlängenwertes erreicht werden. Nehmen wir etwa an, der einfallende Strahl sei aus den beiden Wellen- längen 1 und 2 zusammengesetzt (Abb. 7), so wird in der ersten Ord- nung 1 etwa bei der Stellung SS der Kristallplatte allein reflektiert werden, während 2 nur bei der Stellung S, S, der Platte reflektiert wer- den kann. Auf einer bei PP aufgestellten photographischen Platte werden also zwei voneinander unabhängige Schwärzungen auftreten, die den bei- den im ursprünglichen Strahl enthaltenen Wellenlängen entsprechen. Das im ursprünglichen Strahl vorhandene Wellenlängengemisch ist also in seine Bestandteile zerlegt worden, und aus der Lage der Schwärzungs- stellen, durch die ja die Glanzwinkel bestimmt sind, kann die Wellen- länge dieser Elementarbestandteile bestimmt werden. Wir haben also hier durch den gedrehten Kristall dasselbe erreicht, was wir beim Licht Soe j Dreh: durch einen Spektralapparat erreichen, und demnach auf diese Weise Fe einen Spektralapparat für Röntgenstrahlen hergestellt. Wie schon an- längenbe- gedeutet, sind diese Kristallspektralapparate deswegen für die Röntgen- stimmung. strahlen so gut brauchbar, weil die Kristallkonstante d, der Netz- ebenenabstand, zur Größe der Röntgenweilenlängen in einem richtigen Verhältnis steht. Lichtstrablenspektroskopie läßt sich mit solchen Kristallen nicht betreiben, weil die Lichtwellen im Verhältnis zu den Kristallkonstanten einen viel zu großen Wert haben. Durch das Gelingen dieser Beugungsversuche ist nun sichergestellt, daß wir es bei den Röntgenstrahlen mit elektrischen Wellen zu tun haben, die den elektrischen Wellen, den Wärmestrahlen und den Licht- strahlen wesensverwandt sind und sich von ihnen nur durch die Wellenlänge unterschei- den. Das Gebiet von den langwelligsten dieser Strahlen, den elektrischen Wellen, bis zu den kurzwelligsten, den Röntgenstrahlen, ist jetzt lückenlos bekannt. Die folgende Ta- belle gibt die Zahlenwerte für die Wellen- längen der verschiedenen Bereiche, wobei Abb. 7. Trennung von Strahlengemischen die Grenzen natürlich fließend sind und nur durch den Drehkristall. ungefähr eine Abgrenzung geben sollen 1. Elektrische Wellen Wellenlänge: mehrere Kilometer bis 1 mm

2. Wärmestrahlen = l mm bis 0,00072 mm (7200 AE.)

3. Lichtstrahlen T 0,00072 mm bis 0,00039 mm (3900 AE.)

4. Ultraviolette Strahlen S 0,00039 ,, ,, 0,000020 mm (200 AE.)

5. Röntgenstrahlen En 0,00002 ,, ,, 0,00000001 mm (0,1 AE. u. weniger).

Die kurzwelligsten Röntgenstrahlen sind die y-Strahlen der radioaktiven Substanzen, deren Wellenlänge noch nicht mit Sicherheit bestimmt ist.

154 L. Grebe

II. Die praktischen Röntgenspektralapparate.

Die Methode des Drehkristalls ist von mehreren Forschern gleichzeitig zur Unter- suchung der Röntgenspektren angewendet worden. Außer den beiden Bragg haben besonders de Broglie, Siegbahn und seine Schüler sowie Wagner u. a. diese Methode ausgebildet. Die Anordnung ist im wesentlichen immer so, daß die Strahlung der Röntgen- röhre durch einen oder mehrere Spalte S, und S, (Abb. 8), die senkrecht zur Zeichen- ebene zu denken sind, ausgeblendet wird und auf den Kristall K auffällt, der durch ein Uhrwerk oder einen Motor in der Richtung des Doppelpfeiles hin und her geschwenkt wird. Bei P befindet sich die photographische Platte, auf der das Spektrum aufgenommen wird, oder auch der Spalt einer Ionisationskammer, so daß die Strahlung durch den in dieser auftretenden Ionisationsstrom gemessen wird. Der ganze Apparat ist zur Vermeidung falscher Strahlung mit einem Bleimantel M umgeben. Zur Untersuchung sehr weicher Röntgenstrahlen, die von der Luft schon stark absorbiert werden, ist in manchen Fällen der Apparatso eingerichtet worden, daß er luftleer gepumpt werden kann. Dann muß natürlich auch der Luftraum zwischen Röntgen- röhre und Spektralapparat vermieden werden, und die Röntgenröhre wird dann von dem Apparat nur durch ein ganz dünnes Aluminiumfenster, das in die Wand der Röhre eingesetzt ist, getrennt an den Spektralapparat angebaut. Das Röntgenrohr ist dann natürlich auch speziell für diesen Zweck eingerichtet. Wir können aber auf eine Beschrei- bung dieser Spezialröntgenröhren, da sie für medi- zinische Zwecke bisher keine Verwendung gefunden- haben, hier verzichten.

Eine abgeänderte Form des Spektrographen ist von Seemann angegeben worden. Dabei ist auf

M Abb. 9. Röntgenspektrograph nach die Kristallplatte KK (Abb. 9) eine Bleischneide S

der Drehkristallmethode. aufgesetzt. Fällt nun das nicht durch eine Blende

begrenzte Röntgenstrahlbündel links ein und ist die Strahlenquelle nicht punktförmig, sondern ausgedehnt, so wird die Stelle des Kristalls, an der sich die Schneide befindet, von einem konvergenten Strahlenbündel getroffen. Auf den Kristall fallen also Strahlen mit verschiedenen Einfallswinkeln auf. Liegen nun die Glanzwinkel der verschiedenen in dem einfallenden Strahlengemisch vor- handenen Einzelwellen innerhalb des durch das einfallende Büschel gebildeten Winkel- raumes, wie es in Abb. 9 für die Strahlen 1 und 2 angenommen ist, so wird bei der Reflexion jede Welle den für sie geeigneten Reflexionswinkel vorfinden und das Spek- trum 1, 2 wird auf der Platte PP entstehen, ohne daß eine Drehung des Kristalls er- forderlich ist. Im allgemeinen wird aber auch hier das einfallende Büschel nicht so stark konvergent sein, daß es alle charakteristischen Reflexionswinkel enthält, und dann muß auch hier eine Hin- und Herschwenkung vorgesehen werden, wobei aber das SystemKiristall- Schneide-Platte gegeneinander fest bleibt. Es wird also hier der ganze Spektralapparat gegen die Einfallsrichtung der Röntgenstrahlen geschwenkt. Diese ‚„Schneidenmethode‘“ ist von Seemann für den Bau verhältnismäßig einfacher Spektralapparate verwendet worden.

Röntgenspektralapparate: Drehkristall, Schneidenmethode, Lochkameramethode 155

Eine etwas andere, ebenfalls von Seemann herrührende Methode der Kristall- spektrographie ist die sog. Lochkameramethode. Bei ihr trifft ebenfalls das Röntgen- strahlbündel, ohne durch Blenden begrenzt zu sein, auf den Kristall K auf (Abb. 10). Während der Kristall bei der Schneidenmethode sehr klein sein kann, muß er hier eine ziemliche Längenausdehnung haben. Die Strahlenrichtung ist in der Abbildung durch die Pfeile angedeutet. Der Spalt S, der hinter dem Kristall angebracht ist, läßt nur die Strahlen hindurch, die unter dem Glanzwinkel auf den Kristall auftreffen, der hier durch die Verbindung des Spaltes mit einem Punkt der Kristalloberfläche bestimmt ist. Für eine bestimmte Röntgenwellenlänge wird etwa ein Punkt A der Kristalloberfläche in seiner Verbindung mit der Spaltöffnung S gegen die Kristalloberfläche den richtigen Glanzwinkel haben, so daß ein aus der Richtung 1 kommender Röntgenstrahl, der mit der Kristalloberfläche den gleichen Winkel bildet und der diese Wellenlänge enthält, durch den Spalt S hindurchreflektiert wird und zur photographischen Platte P gelangt. Eine andere Wellenlänge wird auf diese Weise etwa den Strahlenweg 2 B S2 zurück- legen, so daß die Spur für diese, in unserem Falle als größer angenommene Wellenlänge auf der photographischen Platte oberhalb der anderen zu liegen kommt. Wir erhalten also auch bei dieser Anordnung auf der photographischen Platte ein Spektrum des

2

Abb. 8. Seemannsche „Schneiden- Abb. 10. Seemannsche „Lochkamera- methode‘. methode“.

Strahlengemisches. Auch hier sind die einzelnen Teile des Spektrographen, Kristall, Spalt und Platte gegeneinander fest angeordnet, und nur die Einfallsrichtung der Strahlen gegen den Apparat muß so variiert werden, daß alle in Betracht kommenden Glanzwinkel als Einfallswinkel gegen den Kristall wirklich erreicht werden. Man bewirkt das am besten dadurch, daß man den ganzen Apparat um eine in der Kristalloberfläche liegende, senkrecht zur Zeichenebene zu denkende Achse C hin und her schwenkt. Dieses letztere Prinzip der Lochkameramethode wird von Seemann für seine Spektrographen für medizinisch-praktische Zwecke angewendet. Eine Ansicht eines solchen Seemann- schen Spektrographen ist in Abb. 11 gegeben. Der Kristall befindet sich in dem der Röntgenröhre zugewendeten vorderen Teile E des Apparates. Dahinter liegt der Spalt und dann folgt die Kamera A, die bei W die photographische Platte trägt. Im Teile C befindet sich das Uhrwerk, das die Schwenkung um die Achse D besorgt. Ein Visier Vv gestattet schließlich, dem Apparat die richtige Richtung gegen den Brennfleck der Röntgenröhre zu geben.

Ein wieder etwas anderes Prinzip, das sich an eine röntgenspektroskopische Methode von Rutherford und da Andrade anlehnt, ist von March, Staunig und Fritz zur Konstruktion ihres Spektroskopes verwendet worden. Die Methode von Rutherford und da Andrade beruht darauf, daß in einem Kristall auch die inneren Netzebenen zur Reflexion verwendet werden können. Denken wir uns eine Röntgenstrahlenquelle R (Abb. 12) und einen Steinsalzkristall K frontal der Strahlenquelle gegenübergestellt, so werden, da von der Strahlenquelle die Strahlen divergent ausgehen, die durch die

156 L. Grebe

Schraffierung angedeuteten Netzebenen des Kristalls unter allen möglichen Winkein getroffen. Für eine bestimmte Röntgenstrahlwellenlänge wird nun der Strahl RA gerade unter dem Glanzwinkel auftreffen. Wird nun bei BB eine Blende mit einem Spalt S aufgestellt, so wird auf der photographischen Platte bei C eine Schwärzung auftreten. Für eine andere Wellenlänge hat etwa der Strahl RA’ den für die Reflexion nötigen Einfallswinkel, und das Bild für diesen Strahl entsteht auf der Platte bei C’. Die Er- scheinung tritt natürlich auf beiden Seiten des Zentralstrahls symmetrisch auf. Bei dieser sog. Transmissionsmethode von Rutherford und da Andrade steht wieder

Abb. 11. Seemannscher Spektrograph.

der Kristall fest. Sie ist besonders für kurzwellige Röntgenstrahlen brauchbar und ist von den genannten Forschern zur Wellenlängenbestimmung an Gammastrahlen radio- aktiver Substanzen benutzt worden.

Die gleiche Methode des gegen die Strahlenrichtung frontal gestellten Kristalls benutzen March, Staunig und Fritz für ihr Röntgenspektrometer. Während aber in der vorhin beschriebenen Anordnung das einfallende Röntgenstrahlenbündel nicht durch Blenden begrenzt ist, wird bei diesem Apparat ein schmales Röntgenstrahlbündel durch Spalte B,B, (Abb. 13) ausgeblendet und trifft so auf den dünnen Steinsalzkristall K von etwa 0,8 bis 1,5 mm Dicke, der, wie schon erwähnt, frontal durchstrahlt wird. Der Kristall ist hier um eine Achse senkrecht zur Strahlenrichtung und parallel zur Spalt- richtung drehbar, so daß bei einer Drehung sich der Winkel des einfallenden Bündels gegen die in der Abbildung schraffiert gezeichneten inneren Netzebenen verändern läßt.

Seemann-Spektrograph; Transmissionsmethode 157

In der Stellung KK trifft das einfallende Strahlenbündel auf die für die Reflexion in Betracht kommenden, durch die Schraffur angedeuteten Netzebenen streifend auf. Bei einer Drehung des Kristalls, die hier von Hand bewirkt wird, ändert sich der Winkel des Bündels gegen die Netzebenen kontinuierlich, und diejenige Wellenlänge, für die der Winkel der Glanzwinkel wird, kann reflektiert werden. Auf dem Fluoreszenz- schirm FF wird sie als schmale Linie erscheinen, deren Lage durch einen mit Leucht- farbe bestrichenen Zeiger eingestellt werden kann. Der Apparat ist insbesondere dafür eingerichtet, die kürzeste der im einfallenden Bündel vorhandenen Wellenlängen ein- zustellen. Wir werden die Bedeutung dieser kürzesten Wellenlänge später noch zu besprechen haben. Die kürzeste Wellenlänge erscheint auf dem Fluoreszenzschirm als die dem direkten Durchstoßungspunkte O, der bei dem Apparat jedoch abgeblendet ist, am nächsten liegende, während die längeren Wellenlängen weiter von ihm entfernt liegen. Die Entfernung von O ist

R

p. P

oc C F 0 F Abb. 12. Transmissionsmethode von Abb. 13. Transmissionsmethode von March, Rutherford und da Andrade Staunig und Fritz.

ein Maß für die Wellenlänge dieser kurzwelligsten Strahlung, oder, da bei einer Drehung des Kristalls nach der anderen Seite die Erscheinung vollkommen symmetrisch auf- tritt, ist auch der Abstand zwischen den beiden Grenzstellungen, bei denen gerade noch eine Fluoreszenzlinie sichtbar ist, ein Maß für die kürzeste im einfallenden Strahlen- bündel vorhandene Wellenlänge. Man sieht sofort, daß der Winkel zwischen diesen beiden Grenzstrahlen gleich dem vierfachen Glanzwinkel sein muß, da bei einer Drehung des Kristalls um einen bestimmten Winkel der reflektierte Strahl sich um den doppelten Winkel dreht und dieser doppelte Winkel auf beiden Seiten vorhanden ist. In der Abb. 14 ist die technische Ausführung des Apparates von March, Staunig und Fritz abgebildet. Der Einfallsspalt des Apparates befindet sich am vorderen Ende, der Kristall steht in der Mitte des Apparates und ist durch Dreheinrichtung und die Mikrometer- schraube KM verstellbar. Zwei Leuchtmarken lassen sich auf die nach beiden Seiten auftretenden Grenzstellungen für die kürzesten Wellenlängen einstellen, und die Teilung gestattet die direkte Ablesung der zugehörigen Wellenlänge in Angströmschen Einheiten. Zur Verfeinerung der Einstellgenauigkeit ist bei dem abgebildeten Apparat noch die Möglichkeit der photographischen Aufnahme der Grenzstellung gegeben. Die subjek- tive Ablesung gestattet nämlich die Messung nur dann zuverlässig, wenn die Inten- sität der Strahlung einen bestimmten Wert überschreitet. Für die Feststellung der

158 L. Grebe

kurzwelligen Grenze müssen aber auch etwa noch vorhandene Strahlen geringerer In- tensität in Betracht gezogen werden. Es ist deshalb an dem Apparat die Einrichtung getroffen, daß der Kristall in eine Stellung meßbar schreitet. Für die Feststellung der kurzwelligen Grenze müssen aber auch etwa noch vorhandene Strahlen geringerer Intensität in Betracht gezogen werden. Es ist deshalb an dem Apparat die Einrichtung getroffen, daß der Kristall in eine Stellung meßbar gebracht werden kann, in der er die beobachtete kürzeste Wellenlänge und ein unmittelbar daran anschließendes noch kurz- welligeres Gebiet reflektiert. Wird etwa die Grenzwellenlänge zu 0,10 AE. gemessen, aber das Vorhandensein noch kürzerer Wellen vermutet, so gibt man mit Hilfe der Mikrometerschraube KM die an einer Teilung ablesbare Stellung, daß er die Wellen zwischen 0,1 und 0,09 AE. reflektiert. Auf einem Film wird dann diese Stellung photo-

Abb. 14. Röntgenspektrometer von March, Staunig und Fritz.

graphiert, und man kann so auch das Vorhandensein kürzerer Wellen geringer Intensität nachweisen. Die so erreichbare Genauigkeit der Grenzwellenlängenbestimmung soll 0,002 AE. betragen. Die in der Abbildung ferner sichtbare Öffnung V dient zur Ein- visierung des Apparates auf den Brennfleck der Röntgenröhre. Nach der Einstellung wird diese direkte Verbindung zur Röhre durch Drehung des Kopfes D abgeblendet.

HI. Das kontinuierliche Röntgenspektrum.

Wir gehen nun dazu über, die Ergebnisse der Röntgenspektroskopie zu betrachten, soweit sie für die Medizin von Interesse sind.

Die von einer Röntgenröhre gelieferte Strahlung setzt sich zusammen aus zwei grundsätzlich voneinander verschiedenen Teilen: dem kontinuierlichen Spektrum und dem charakteristischen Spektrum des Antikathodenmaterials. Beide sind natürlich nicht voneinander zu trennen und einander überlagernd immer gleichzeitig vorhanden. Trotz- dem wollen wir sie hier getrennt voneinander behandeln.

Das kontinuierliche Spektrum ist vergleichbar dem im optischen Gebiet bekannten Spektrum eines glühenden festen oder flüssigen Körpers. Wenn man etwa das Licht einer gewöhnlichen elektrischen Glühlampe spektral zerlegt, so findet man ein Spektrum, das in kontinuierlichem Übergang alle Wellenlängen eines bestimmten Spektralbereiches enthält. Dabei sind aber die Intensitäten der verschiedenen Wellenlängen nicht gleich.

Röntgenspektrometer von March, Staunig und Fritz: Kontinuierliches Röntgenspektrum 159

Wenn man vielmehr ein feines Thermometer durch das Spektrum hindurchführt, so ist die Erwärmung im Anfang gering, erreicht ein Maximum und sinkt dann wieder ab. Für das Licht unserer Sonne etwa liegt dieses Maximum im Bereiche des grünen Lichtes. Eine ähnliche Beziehung finden wir im kontinuierlichen Röntgenspektrum. Man kann die Intensitäten der verschiedenen Röntgenwellenlängen dadurch bestimmen, daß man in das von einem der oben beschriebenen Apparate erzeugte Röntgenspektrum einen feinen Spalt bringt, der die Einfallsöffnung einer Ionisationskammer bildet. Dann wird die Ionisierung in dieser Kammer nur von den Röntgenstrahlen eines engen Wellen- längenbereiches bewirkt. der abhängig ist: von der Stärke der Trennung, die der Spektral- apparat für due verschiedenen Wellenlängen besitzt, und von der Breite des Spaites der Ionisationskammer. Würden nun durch den Spektralapparat alle in dem einfallen- den Büschel enthaltenen Wellen ohne Schwächung in das Spektrum auseinandergezogen oder würden, wenn eine Schwächung einträte, alle um den gleichen Bruchteil geschwächt, so hätte man in der Stärke des Ionisationsstromes ein Maß für die Intensität der Strah- lung an jeder Stelle des Spektrums, wenn gleichen Intensitäten in verschiedenen Spektral- bereichen gleiche lonisationsströme entsprächen. In Wirklichkeit ist weder die im Spektrum eines Kristallspektrographen auftretende Intensitätsverteilung ein Maß für die im primären Strahlenbündel vorhandene, noch entspricht in einer Ionisationskammer gleicher Ionisation eine gleiche Intensität, wenn die Wellenlänge der Strahlung nicht die gleiche ist. Es ist deshalb nicht leicht, die Gesetzmäßigkeiten der Intensitäts- verteilung im kontinuierlichen Röntgenspektrum mit der gleichen Sicherheit zu be- stimmen wie im optischen Gebiet. Es gehören eine Menge Vorarbeiten dazu, um die genannten Einflüsse zu eliminieren. Wagner und Kulenkampff haben den ent- stellenden Einfluß des Kristallspektrographen auf die Intensitätsverteilung im Spek- trum studiert. Die Wellenlängenabhängigkeit der Ionisationswirkung ist durch genaue Messungen der Luftabsorption und durch Energiemessungen an Röntgenstrahlen ver- schiedener Wellenlänge untersucht worden, aber man kann noch nicht sagen, daß die Gesetzmäßigkeiten des kontinuierlichen Röntgenspektrums mit voller Sicherheit be- kannt sind. Eine genauere Diskussion der Ionisationsmessungen findet sich in einer besonderen Abhandlung über diesen Gegenstand.

Sicher festgestellt ist jedoch eine Gesetzmäßigkeit, die von den amerikanischen Physikern Duane und Hunt zuerst aufgefunden wurde und nach ihnen als Duane- Huntsches Gesetz bezeichnet wird. Die Gesetzmäßigkeit besteht darin, daß das kontinuierliche Spektrum an seinem kurzwelligen Ende nicht ein allmähliches Verlaufen zur Intensität Null zeigt, sondern daß an diesem Ende ein ganz plötzlicher Abfall zum Nullwert eintritt, dessen Wellenlänge exakt gemessen werden kann. Dadurch unter- scheidet sich dieses kontinuierliche Spektrum im Röntgengebiet grundsätzlich von dem kontinuierlichen Spektrum weißer Lichtquellen des optischen Gebietes, bei denen dieser Abfall auch an der kurzwelligen Grenze ganz allmählich vor sich geht, so daß eine genaue Wellenlänge des Endes nicht angegeben werden kann. Diese scharfe kurzwellige Grenze des kontinuierlichen Spektrums im Röntgengebiet hängt eng zusammen mit der Größe der die Röntgenstrahlen erzeugenden Spannung. Es gilt hier die Einstein- sche Quantenbeziehung e.V=h.v, wo e die Ladung des Elektrons, V die erzeugende Spannung und v die Schwingungs- zahl dieser kurzwelligen Grenze ist, die mit der Wellenlänge A durch die Beziehung ver- bunden ist

v=c/A,

wo c die Lichtgeschwindigkeit bedeutet.

160 L. Grebe

Diese Quantenbeziehung läßt sich, wenn man die an der Röntgenröhre liegende Spannung in Kilovolt und die Wellenlänge in Angströmeinheiten mißt, in der einfachen Form schreiben:

V (Kilovolt) . à (Angströmeinheiten) = 12,34 oder 12,34 V

Erzeugt man die Röntgenstrahlen etwa mit einer Spannung von 100 KV., wobei natür- lich die Spitzenspannung, nicht etwa die bei Wechselströmen auch häufig angegebene Effektivspannung gemeint ist, so liegt die kurzwellige Grenze des erzeugten kontinuier- lichen Röntgenspektrums bei

La 12,34

100

Oder umgekehrt, liegt spektrographisch bestimmt die Grenzwellenlänge des kontinuier- lichen Röntgenspektrums bei dieser Wellenlänge, so wissen wir, daß die erzeugende Maximalspannung 100 KV gewesen sein muß. Das gilt ganz unabhängig von dem Material, aus dem die Antikathode der Röhre besteht.

In der folgenden Tabelle, die von Küstner herrührt, ist die zu einer bestimmten Spektrographenablesung des kurzwelligen Endes im Röntgenspektrum zugehörige Röhren- spannung in Kilovolt angegeben, und gleichzeitig sind die Fehler in der Spannungs- messung eingetragen, die man macht, wenn man in der Ablesung einen Fehler von 0,002, 0,005 und 0,010 AE. begeht.

A =

= 0,1234 AE.

Tabelle 1. or Fehlerin E bei-einem. Ablesefehler Grenzwellenlänge Kilöyelt.., MAS a een 0,002 AE. 0.005 AE. 0,010 AE. 0,40 31 0,15 0,39 0,77 0,30 4 0,27 0,69 1,37 0,20 61 0,62 1,54 3,08 0,15 82 1,09 2,73 5,46 0,10 123 2,46 6,15 12,3 0,09 137 3,08 7,60 15,2 0,08 154 3,84 9,61 19,2 0,07 176 5,03 12,5 25,1 0,06 205 6,83 17,1 34,2 0,05 246 9,84 24,6 49,2 0,04 308 15,4 | 28,4 77,0

Man sieht aus der Tabelle, daß, wenn man eine Genauigkeit von 5% in der Span- nungsmessung anstrebt, für die höchsten Spannungen die Ablesegenauigkeit von 0,002 AE. erforderlich ist, wenn man die ganz hohen Spannungen über 250 KV., die für die Praxis bisher nicht in Betracht kommen, außer acht läßt. Kann man diese Genauigkeit er- reichen, so hat man also die Möglichkeit, auf spektroskopischem Wege eine Messung der wirklich an der Röhre liegenden Spannung auszuführen, indem man mit einem geeigneten Spektralapparat nur die Grenzwellenlänge des kontinuierlichen Spektrums nach der kurzwelligen Seite zu bestimmen braucht.

Im Gegensatz zum kurzwelligen verläuft das langwellige Ende des kontinuierlichen Spektrums ganz allmählich, so daß eine bestimmte Grenze hier nicht anzugeben ist. Der Verlauf des kontinuierlichen Spektrums nach der langwelligen Seite erleidet über- dies noch eine Fälschung durch die Überlagerung der höheren Ordnungen des Beugungs-

Duane-Huntsches Gesetz. Intensitätsverteilung im kontinuierlichen Röntgenspektrum 161

spektrums. Wir hatten ja bei der Besprechung der Theorie der Röntgenspektralapparate gesehen, daß bei gegebener Kristallkonstante und gegebener Wellenlänge noch mehrere Werte des Glanzwinkels möglich sind entsprechend den verschiedenen Werten von n in der Formel

n.A=2d.sin«.

Ist also etwa eine bestimmte Wellenlänge bei einem bestimmten Winkeıwert von o erschienen, dem ein bestimmter Wert des Sinus entspricht, so wird sie bei dem Werte, für den der Sinus doppelt so groß ist, wieder erscheinen. Im kontinuierlichen Spektrum muß also von dem Werte des Reflexionswinkels an, dessen Sinus doppelt so groß ist wie der Sinus des der kurzwelligen Grenze entsprechenden Winkels, das Spektrum der zweiten Ordnung sich über das der ersten Ordnung überlagern. Das ist zu berück- sichtigen, wenn man aus dem im Spektrographen erhaltenen Spektrum die Intensitäte- verhältnisse dieses Spek-

trums auswerten will. Der J

allgemeine Verlauf der In-

tensität im kontinuierlichen

Röntgenspektrum ist nun

in Abb. 15 dargestellt. Man

sieht, daß vom kurzwelligen

Endedielntensitätzueinem

Maximumansteigt,umdann

wieder abzunehmen. Das

gilt für alle Spannungen.

Die Abbildung zeigt den

Verlauf für drei verschie-

dene Spannungen an. Jede

Kurve, die einer niedrigeren 3 Spannung entspricht, ver- Abb. 15. Intensitätsverlauf im kontinuierlichen Röntgenspektrum läuft ganz innerhalb der für drei Röhrenspannungen.

Kurve höherer Spannung.

Bei höherer Spannung rückt gleichzeitig mit der kurzwelligen Grenze auch das Maxi- mum nach kürzeren Wellen. Die Lage des Maximums läßt sich aus der Lage der kurzwelligen Grenze angenähert errechnen. Es ist annähernd

Ame 29.18, wo der Index max die Wellenlänge des Maximums und der Index 0 die der kurzwelligen Grenze bezeichnet. Streng gilt diese Formel nicht, in Wirklichkeit spielt auch das Antikathodenmaterial eine Rolle, indem für ein Element höherer Ordnungszahl bei sonst gleichen Bedingungen das Maximum etwas nach kürzeren Wellen liegt. Stark abhängig vom Antikathodenmaterial ist aber die Intensität des kontinuierlichen Spek- trums. Sie wächst mit zunehmender Ordnungszahl des Antikathodenmaterials mit der Ordnungszahl proportional an. In einer Röhre mit Molybdänantikathode würde, da das Molybdän die Ordnungszahl 42 besitzt, die Intensität des kontinuierlichen Spek- trums etwa 6/11 von der in einer Röhre mit Platinantikathode unter sonst gleichen Bedingungen sein, da Platin die Ordnungszahl 78 hat. Die Abhängigkeit der Gesamt- intensität des kontinuierlichen Spektrums von der Spannung scheint eine quadratische zu sein, so daß also die Gesamtstrahlung bei der doppe!ten Spannung den vierfachen Wert haben würde. Das Wachstum der Gesamtintensität von der Spannung bei einer in der medizinischen Röntgentechnik gebräuchlichen Röhre bei Beobachtung außerhalb

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 11

162 L. Grebe

der Röhrenwand ist aber noch schneller, da bei zunehmender Spannung ein immer größerer Teil der Strahlung wirklich aus der Röhre herauskommt im Verhältnis zu dem Teil, der in der Rohrwand absorbiert wird.

Das kontinuierliche Spektrum zeigt schließlich nach Untersuchungen von Fried- rich, Wagner u.a. noch eine Richtungsabhängigkeit, indem in den verschiedenen Richtungen gegen die Richtung Kathode-Antikathode die spektrale Energieverteilung etwas verschieden ist. Die Lage der kurzwelligen Grenze erweist sich jedoch als unab- hängig von der Beobachtungsrichtung.

Was nun die Verwendung der Spektroskopie des kontinuierlichen Röntgenspektrums in der medizinischen Praxis angeht, so ist in neuerer Zeit besonders die Bestimmung der kurzwelligen Grenze dieses Spektrums praktisch benutzt worden, um die Röhren- spannung zu bestimmen. Von technisch eingeführten Spektralapparaten werden zu diesem Zwecke hauptsächlich der Seemannsche Spektrograph und derjenige von March, Staunig und Fritz benutzt. Von Küstner sind diese spektroskopischen Methoden einer Kritik mit Bezug auf ihre Genauigkeit unterzogen worden. Insbesondere am Seemannspektrograph hat er solche Untersuchungen angestellt und kommt zu dem Resultat, daß die Genauigkeit der Bestimmung der Grenzwellenlänge durch solche Spektrogramme besonders bei hohen Spannungen ungenügend sei. Der Fehler bei Einzelmessungen wird mit maximal 23%, bei diesen hohen Spannungen angegeben, was in der Tat eine durchaus ungenügende Genauigkeit darstellt. Mittelwerte aus ver- schiedenen Aufnahmen ergeben jedoch einen mittleren Fehler von etwa 5%. Die Ge- nauigkeit des Apparates von March, Staunig und Fritz wird geringer eingeschätzt, ohne daß Versuche darüber mitgeteilt werden. Demgegenüber ist die Genauigkeit, die Seemann bzw. March, Staunig und Fritz für ihre Apparate mitteilen, eine viel größere. Nun scheint mir eine einzelne nicht gut ausgefallene Spektralaufnahme zwar einen großen Fehler in der Ablesung der kurzwelligen Grenze liefern zu können, be- sonders wenn die Expositionsdauer etwas gering ausgefallen ist. Damit wird dann die Spannungsbestimmung fehlerhaft ausfallen. Ein Fehler in der Spannungsbestimmung bis zu 5% scheint mir aber noch durchaus erträglich zu sein, und da sich eine solche Genauigkeit durch Mittelbildung mit Sicherheit erreichen läßt, so möchte ich mich dem scharfen Urteil von Küstner nicht anschließen. Die spektroskopische Methode ist ja überhaupt die einzige, die für den Praktiker eine einigermaßen sichere Spannungs- messung in absolutem Maße gestattet, und deshalb möchte ich doch den Wert dieser Spektralmessungen recht hoch einschätzen. Die Möglichkeit, zu jeder Zeit die Spannungs- angaben des Kilovoltmeters bei allen Betriebsverhältnissen kontrollieren zu Können, scheint mir um so wichtiger, als sie gerade bei starker Stromentnahme gar nicht mehr der wirklich an der Röhre liegenden Spannung zu entsprechen brauchen, selbst wenn sie unter anderen Bedingungen richtig sind. Das gilt besonders für die modernen Gleich- spannungsapparate, bei denen die Angaben der Kilovoltmeter überhaupt völlig versagen und bei denen nach neueren Untersuchungen von Iona eine sehr erhebliche Spannungs- abhängigkeit von der Belastung vorhanden ist. Die wirklich an der Röhre liegende Span- nung durch mchrere Spektralaufnahmen bis auf etwa 5% Genauigkeit bestimmen zu können, ist ein Vorteil, der auch für den Praktiker Grund genug sein sollte, sich der spektroskopischen Methoden zu bedienen, ganz abgeschen davon, daß jedes Hilfsmittel, das die wirkliche Erkenntnis fördert, und dem Schematismus in der Handhabung fertiger Apparaturen entgegenwirkt, immer nur von Nutzen sein kann. Als ein solches Hilfs- mittel muß aber meines Erachtens das Spektroskop durchaus bezeichnet werden. Daß die Genauigkeit der subjektiven Methode von March, Staunig und Fritz etwas geringer sein wird als die der objektiven Methoden, besonders wenn es sich um das

Brauchbarkeit der Röntgenspektralapparate. Charakteristisches Spektrum 163

Gebiet hoher Temperaturspannungen handelt, ist wohl zuzugeben. Wieweit die Photo- graphie der Endstellung die Genauigkeit wieder verbessert, kann ich ohne eigene Ver- suche in dieser Hinsicht nicht übersehen. Nicht zweckmäßig erscheint es mir jedoch, run alle Messungen an Röntgenstrahlen auf die spektroskopische Methode aufbauen zu wollen. Wenn es auch wohl richtig ist, daß bei verschiedenen Betriebsverhältnissen, wie March angibt, das kontinuierliche Spektrum bei gleicher Lage der kurzwelligen Grenze ungefähr den gleichen Verlauf hat, so daß bei gleicher Filterung und gleicher Feldgröße bei gegebener kurzwelliger Grenze über die Durchdringungsfähigkeit der Strahlung Schlüsse gezogen werden können, so scheint mir doch die Notwendigkeit von Phantommessungen nicht zu entfallen, schon deshalb nicht, weil eben das konti- nuierliche Spektrum nicht allein in Betracht kommt und Antikathodenmaterial und Material des Röhrenglases oder auch Fehler in der Zusammensetzung und Dicke des Filtermaterials eine erhebliche Rolle spielen können und deshalb eine direkte Messung immer einer indirekten vorzuziehen bleibt.

IV. Das charakteristische Spektrum der Antikathode.

Wie schon erwähnt, tritt neben dem kontinuierlichen Spektrum in jeder Röntgen- röhre das sog. charakteristische Spektrum des Antikathodenmaterials auf, das im Gegen- satz zum kontinuierlichen Spektrum nicht nur der Intensität, sondern auch der Qualität nach wesentlich vom Antikathodenmaterial abhängig ist. Diese Erscheinung, die im Anschluß an Untersuchungen von Barkla zuerst von Kaye festgestellt wurde, ehe die Spektroskopie der Röntgenstrahlen bekannt war, ist hauptsächlich durch Arbeiten von Moseley unter Benutzung des Kristallspektroskops aufgeklärt worden. Es handelt sich bei diesen charakteristischen Spektren um eine vollkommene Analogie zu den Linien- spektren im optischen Gebiet. So zeigt ja bekanntlich die mit Kochsalz gefärbte Bunsen- flamme im Spektroskop die beiden im Gelben dicht nebeneinanderliegenden Linien, die dem Natrium eigentümlich sind, und deren Anwesenheit immer die Gegenwart von Natrium verrät. Ebenso zeigen sich also im Röntgenstrahlengebiet in dem Spektrum einer Röntgenröhre eng begrenzte Wellenlängengebiete, die dem Antikathodenmaterial der verwendeten Röntgenröhre eigentünlich sind. Um die Abhängigkeit der charak- teristischen Strahlung von der Natur des Antikathodenmaterials zu verstehen, müssen wir wieder die Anordnung der Elemente im periodischen System heranziehen. Diese Anordnung ist in der folgenden Tabelle 2 dargestellt. Ordnet man die Elemente nach steigendem Atomgewicht und schreibt sie, wie es in der Tabelle geschehen ist, so unter- einander, daß in den Vertikalreihen Elemente mit ähnlichem chemischen Verhalten untereinander zu stehen kommen, so kommt man unter Mitzählung der Lücken, die durch das besprochene Untereinanderschreiben bedingt sind, zu 92 Elementen vom Wasserstoff bis zum Uran. An einigen Stellen, die in der Tabelle durch einen Doppel- pfeil bezeichnet sind, muß dabei die Anordnung nach steigendem Atomgewicht ab- geändert werden, wenn diese Ähnlichkeit des chemischen Verhaltens in den Vertikal- reihen erhalten bleiben soll. So muß das Alkalimetall Kalium ganz zweifellos unter dem Alkalimetall Natrium stehen, und das Edelgas Argon gehört unter das Fdelgas Neon, und in der Tabelle muß somit das Argon vor dem Kalium stehen, obwohl das Atomgewicht des Argons etwas höher ist als das des Kaliums, wie man aus den unter den Symbolen der Elemente stehenden Zahlen sieht, die die jetzt angenommenen Atom- gewichte darstellen. Dasselbe gilt für die Aufeinanderfolge Tellur— Jod, die notwendig ist, damit das Haloid Jod unter das Haloid Brom zu stehen kommt und die wieder die Anordnung nach steigendem Atomgewicht durchbricht. Ebenso ist es mit Kobalt-

11*

164 L. Grebe

Tabelle 2. Periodisches System der Elemente. Die Zahlen vor den Symbolen der Elemente bedeuten die Ordnungzahlen, die darunterstehenden die Atomgewichte. (Nach Sommerfeld, Atombau und Spektrallinien.)

VIII 1-H | | | 2-He 1,008 | | |

Ego BE ere TR HEN | SCH 3Li 4 Be 5B Go ZK 80 9F 10 Ne 6,94 9,1 11,0 | 12,00 14,01! 16,00 190 11Na |12Mg |3Al | 14Si Ip 18 170 18 AL 23,00 [24,32 |271 | 283, 3104| 3206| 35,46 39,88 | 24Cr .25Mn |26Fe 27Co 28 Ni

4

19K |20C 218 ;22Ti EA

39,10 | 40,07 44,1 48,1 51,0 52,0 154,93 ` |55,8158,97*—58,68 c9Cu| 30Zn| 31Gal 32Ge| 33As| 348e 35 Br 36 Kr 63,57 65,37 69,9 72,5 74,96 79,2 79,92 82,9 ‚37Rb |38Sr |39Y 402 "uk |42Mo |43? 44 Ru 45 Rh 46 Pd 85,45 87,83 88,7 90,6 93,5 96,0 101,7 102,9, 196,7 47Ag| 48Cd 49In| 5085n 51Sb| 52Te x 53J 54X 107,08| 112,40 1148| 118,7 | 120,2 127,5| 126,92 130,2

55 Ce £6 Ba

72Hf ,73Ta |74Wo "aa 76 Os 77 Ir 78 Pt 132,81 | 137,37 181,5 184,0 | 190,9 193,1 195,2 | 79Au| 80 Hg SITI; 82Pb 83Bi| 84Po 86 Em 0192 200,61 204,0 | 207,2! 208,0! 210,0, 85? 222,0] 87? 88 Ra |89Ac nm "ab "mu Sou |227 232,15 | 230 | 238,2

Nickel und Thorium-Palladium, wo auch die chemische Gesetzmäßigkeit die Vertau- schung der Atomġewichtsfolge fordert. Man sieht daraus, daß nicht, wie man früher gemeint hat, das Atomgewicht das ordnende Prinzip im periodischen System der Ele- mente darstellt. An seine Stelle tritt vielmehr die Zahl, die das betreffende Element im so in Ordnung gebrachten periodischen System der Elemente einnimmt, die man, wie früher schon erwähnt, als die Ordnungszahl oder auch als die Atomnummer des betreffenden Elementes bezeichnet. Glücklicherweise können wir dieser Zahl, deren Bedeutung sonst unverständlich wäre, auch einen physikalischen Inhalt beilegen, der sich aus der modernen Atomtheorie ergibt, wie sie von Lenard, Rutherford, Bohru.a. entwickelt worden ist und deren Richtigkeit wenigstens in den Hauptzügen heute wohl als erwiesen gelten kann. Danach ist ein jedes Atom als eine Art Planetensystem auf- zufassen, bestehend aus einem Zentralkörper, der die Hauptmasse des Atoms trägt, und aus um ihn kreisenden negativ elektrisch geladenen Teilchen von immer gleicher Größe und elektrischer Ladung, die wir aus den verschiedensten Gebieten der Physik als Elektronen kennen. Sie spielen ja auch bei der Erzeugung der Röntgenstrahlen die fundamentale Rolle, indem ihr Aufprall auf die Antikathode der Röntgenröhre die Emission der Röntgenstrahlen bedingt. Der Kern ist positiv elektrisch geladen, und zwar muß beim elektrisch neutralen Atom diese Ladung ihrer Größe nach gleich der negativen Ladung der sämtlichen Elektronen des Atoms sein. Die elektrischen An- ziehungskräfte zwischen dem positiven Kern und den negativen Elektronen halten das System zusammen. Die verschiedenen chemischen Atome unterscheiden sich nun durch die Anzahl der peripheren Elektronen und damit auch durch die Größe und die elek- trische Ladung des Kerns. Die Ordnungszahl bekommt dann die Bedeutung, daß sie gleich der Elektronenzahl im neutralen Atom oder gleich der positiven Ladung des Kerns ist, wenn diese in Elektronenladungen als Einheit gemessen wird. Ordnungszahl

4,00

Charakteristisches Röntgenspektrum und Atomnummer 165

und Kernladung werden dadurch gleichbedeutend. Die Anordnung der peripheren Elek- tronen bedingt im wesentlichen das chemische Verhalten des Atoms, und die Periodizität im chemischen Verhalten in der Reihe der Elemente rührt von Ähnlichkeiten in der Anordnung der jeweils äußersten Elektronen der Atome her.

Wenn man nun mit Bezug auf die Ordnungszahl des Antikathodenmaterials das charakteristische Spektrum der Röntgenröhre untersucht, so findet man eine überaus einfache Gesetzmäßigkeit, die in Abb. 16 dargestellt ist, in der als Abszissen die Wellen- längen der charakteristischen Spektrallinien für die einzelnen Elemente und als Ordi- naten deren Ordnungszahlen dargestellt sind. Die Darstellung rührt von Siegbahn her. Man sieht, wenn wir uns zunächst auf die niedrigen Ordnungszahlen bis 32 be- schränken, daß jedes Element ein Linienspektrum besitzt, das aus einigen wenigen Linien besteht. Das allgemeine Aussehen eines jeden dieser Spektren ist im allgemeinen das gleiche, nur rückt mit zunehmender Ordnungszahl das Spektrum nach kürzeren Wellen, und die einzelnen Spektrallinien rücken näher zusammen. Dieses Spektrum ist in der Abbildung mit K bezeichnet, eine Benennung, die von Barkla her- rührt. Dieses K-Spektrum ist auch bei Elementen von höherer Ordnungszahl vor- handen, bei ihnen tritt aber noch ein weiteres Spektrum hinzu, das ebenfalls nach dem Vorgang von Barkla als L-Spektrum bezeichnet wird. Bei den Elementen mit ganz hoher Ordnungs- zahl tritt dann noch weiter das von Sieg- bahn entdeckte M-Spektrum und schließ- lich, in der Abbildung nicht mehr ange- geben, bei noch höheren Ordnungszahlen

ein N-Spektrum hinzu, das von Dolej- E Test BEER BE BE a a a En Da e

sek entdeckt wurde. Abb. 16. Charakteristische Röntgenspektren in Die charakteristischen Strahlungen des Abhängigkeit von der Atomnummer.

Antikathodenmaterials werden nun nicht

unter allen Umständen emittiert, wenn die die Röntgenstrahlen erzeugenden Elektronen die Antikathode der Röhre treffen. Es ist vielmehr für jede dieser Strahlungen eine Mindestgeschwindigkeit nötig, die die erzeugenden Elektronen haben müssen, damit die charakteristische Strahlung erregt wird. Oder, da die Geschwindigkeit dieser Elek- tronen von der an der Röhre liegenden Spannung abhängig ist, so können wir sagen, es muß eine gewisse Röhrenspannung überschritten sein, damit für ein bestimmtes Antikathodenmaterial die charakteristische Strahlung auftreten kann. Diese Mindest- spannung ist für jedes Element eine andere und ist zudem für das K-Spektrum eine andere wie für das L-, M- oder N-Spektrum desselben Elementes. Ist sie etwa bei einem bestimmten Element für das K-Spektrum überschritten, so werden alle Linien des K-Spektrums auf einmal emittiert. Für das ganze K-Spektrum gibt es also eine be- stimmte Anregungsspannung, die überschritten sein muß, damit das Spektrum auftritt. Ebenso hat das L-Spektrum eines Elementes eine bestimmte Anregungsspannung, die allerdings hier nicht für das ganze Spektrum, sondern nur für Teile desselben gilt. Die Anregungsspannung steht wieder mit der Wellenlänge des charakteristischen Spektrums in einer einfachen Beziehung. Ist %, die Wellenlänge der kurzwelligsten Linie des K-Spektrums eines Elementes, so gilt für die Anregungsspannung V sehr angenähert

V- do = 12,34,

166 L. Grebe

also die Einsteinsche Quantenbeziehung, in der wieder die Wellenlänge in Angström- schen Einheiten, die Spannung in Kilovolt gemessen ist. Zur Erregung der langwelligen charakteristischen Spektren ist also eine geringere Spannung an der Röntgenröhre nötig, als zur Erzeugung der kurzwelligeren Spektren, die den höheratomigen Elementen eigen- tümlich sind. Das gilt sowohl für die K-Spektren als für die L-Spektren; da aber für jedes Element die Wellenlänge der L-Linien größer ist als die der K-Linien, so genügt auch zur Anregung des L-Spektrums eine geringere Spannung als zur Anregung des K-Spektrums.

In der folgenden Tabelle 3 sind für eine Anzahl von Elementen die Anregungs- spannungen der K-Serie angegeben. Sie stehen in Kilovolt gemessen in der mit V über- schriebenen Kolonne, während unter Ae die Wellenlängen stehen, die nach der Einstein- schen Formel diesem Spannungswert entsprechen. Sie sind also sehr nahe gleich der Wellenlänge der kürzesten Linie in jedem dieser K-Spektren. In der letzten Kolonne sind noch die Wellenlängen der stärksten Linien eines jeden dieser K-Spektren, in Wirklichkeit sind es Doppellinien unter der Bezeichnung Axa angegeben. Die Werte sind den Tabellen in Roth-Scheel, Konstanten der Atomphysik, entnommen.

Auch für das L-Spektrum seien einige Anregungs- spannungen angegeben, die erreicht sein müssen, wenn das ganze L-Spektrum der betreffenden Substanz emittiert werden soll.

Barium 5,98 Kilovolt Wolfram 12,0 » Platin 13,8 Abb. 17. Überlagerung von kon- Blei 15,8 » tinuierlichem Röntgenspektrum Wismut 16,4 ei und Linienspektrum. Uran 21,7 Se

Teile des L-Spektrums werden schon bei geringeren Spannungen ausgesendet.

Wenn die zur Erreichung der Emission eines solchen charakteristischen Spektrums nötige Mindestspannung überschritten wird, so wächst die Intensität der Linien schnell mit zunehmender Spannung. Diese im vorigen beschriebene charakteristische Strahlung ist nur abhängig von den Elementen, aus denen die Antikathode be- steht. Ist die Antikathode eine Metallegierung oder eine chemische Verbindung, so treten im Spektrum die charakteristischen Linien aller in ihr enthaltenen Elemente auf, wenn nur die Spannung den genügenden Wert hat. Die Linien überlagern sich natür- lich über das ebenfalls immer vorhandene charakteristische Spektrum . Die Abb. 17 zeigt diese Überlagerung von kontinuierlichem und Linienspektrum deutlich. Die charak- teristische Strahlung ist natürlich geeignet, die Grundlage einer Spektralanalyse im Röntgenstrahlengebiet zu bilden. Die Zusammensetzung der Antikathode spiegelt sich in den Wellenlängen des Linienspektrums wieder und läßt sich durch Messung der Wellenlängen genau ermitteln. Aber noch darüber hinaus gestattet die Untersuchung der charakteristischen Spektren das Auffinden neuer bisher unbekannter Elemente. Die Gesetzmäßigkeit dieses charakteristischen Spektrums in der Abhängigkeit von der Ordnungszahl ist so einfach, daß man ohne weiteres sagen kann, zu welcher Ordnungs- zahl etwa aufgefundene Spektrallinien gehören müssen. Auf diese Weise ist es möglich gewesen, das Element mit der Ordnungzsahl 72, das bisher unbekannt war, aufzufinden. Es wurde von Coster und Hevesy in Zirkonmineralien entdeckt, indem Linien ge- funden wurden, die zweifellos dem L-Spektrum des Elementes Nr. 72 angehörten. Es erhielt den Namen Hafnium.

Anrezungsspannung 167

Tabelle 3.

Element Ordnungszahl V (Kilovolt) : Aza (AE.) Mg 1,29 9,51 | 9,86 Al 1,55 | 7,95 8,32 P 2,14 5,76 6,14 S 2,45 5,01 5,36 cl 2,81 | 4,38 4,72 K 3,59 3,43 3,73 Ca 4,02 | 3,06 3,35 Sc 4,48 2,75 3,03 Ti 4,95 2,49 | 2,74 MV 5,44 2,27 2,50 Cr 5,98 2,07 2.28 Mn 6,52 1,89 2,09 Fe 7,08 1,73 1,93 Co 7,69 | 1,60 1,79 Ni 8,32 | 1,49 1,65 Cu 8,93 | 1,38 1,54 Zn 9,51 | 1,30 1,43 Ga 10,39 | 1,19 1,34 Ge 10,79 1,11 1,26 As 11,79 1,04 1,17 Se 12,60 0,98 1,11 Br 13,45 0,92 1,04 Rb 15,15 0,81 0,92 Sr 16,05 0.77 0,87 Y 17,05 0,73 0.84 Zr 18,00 0,69 0,79 Nb 18,95 0,65 0,75 Mo 20,0 0,62 0,71 Rh 23,1 0,53 0,61 Pd 24,3 0,51 0,59 Ag 25,4 0,49 0,56 Cd 26,7 0,46 0,54 In 27,9 0,44 0,51 Sn 29,2 0,42 0,49 Sb 30,4 0,41 0,47 Te 31,8 0.39 0,46 J 33,1 0,37 0,44 Cs 35,8 0,34 0,40 Ba 37,3 0,33 | 0,39 La 38,8 0,32 Ä 0,37 Ce 40,3 0,31 | 0,36 Pr 42,0 | 0,29 0,34 W 69,2 | 0,18 0,21 Os 73.2 | 0,17 Pt 77,9 | 0,16 0,19 Au 80,5 0,153 | Hg 83,0 0,149 | T] 85,5 0,145 Pb 87,5 0,141 | Bi 90,1 0,137 | Th 109 0,113 | U 115 0,107

Es könnte nun scheinen, als ob diese Ergebnisse der Röntgenspektroskopie für die medizinische Röntgenologie ohne Interesse seien. Wir werden aber später sehen, daß

168 L. Grebe

zwischen diesen Spektren und den Absorptionsverhältnissen in den Körpern enge Be- ziehungen bestehen. Da aber die Absorption der Röntgenstrahlen für die biologischen Wirkungen einerseits, für die Messungen an Röntgenstrahlen anderseits von fundamen- taler Bedeutung ist, so durften diese Ergebnisse hier nicht übergangen werden, zumal sie auch ein so weitgehendes allgemein-wissenschaftliches Interesse bieten.

V. Fluoreszenzstrahlung.

Die charakteristische Strahlung eines Elementes tritt nicht nur auf, wenn Elektronen genügender Geschwindigkeit auf dasselbe auftreffen, sondern auch wenn es von Röntgen- strahlen genügender Härte getroffen wird.

Man hat dann eine vollständige Analogie zur Fluoreszenz im optischen Gebiet, und deshalb spricht man eben von dieser sekundären Röntgenstrahlung als von Fluores- zenzstrahlung. In dieser Form ist die charakteristische Strahlung zuerst von Barkla entdeckt Wee Der Anregungsspannung bei den durch Elektronen erzeugten charak- teristischen Spektren entspricht hier die Höchstwellen- länge Aa, die die erregende Strahlung haben darf, damit die Fluoreszenzstrahlung auftritt. Sie steht mit der Anregungs- spannung V wieder in der Einsteinschen Beziehung

V. o = 12,34.

In der Tabelle 3 sind also die angegebenen Werte An die- jenigen Wellenlängen, die die erregende Röntgenstrahlung höchstens haben darf, damit die K-Strahlung in Fluores- zenz erregt wird. Eine kürzere Wellenlänge ist brauchbar, eine längere erzeugt jedoch die K-Fluoreszenz nicht. Wir Abb. 18. haben hier das sogenannte Stokessche Gesetz der Optik Glockers Analysator. auf die Röntgenstrahlung angewendet, wonach eine Flu- oreszenzstrahlung nur dann erregt wird, wenn die er-

regende Strahlung kurzwelliger ist als die zu erregende.

Bei unserer Röntgenstrahlenfluoreszenz entsteht die stärkste Erregung der sekundären Strahlung dann bei weitem am stärksten, wenn die erregende Strahlung gerade etwas kurzwelliger ist, als die Erregungsgleichung angibt. Mit abnehmender Wellenlänge der erregenden Strahlung wird die Fluoreszenzstrahlung wieder schwächer. Je nachdem eine primäre Röntgenstrahlung die Sekundärstrahlung verschiedener Elemente stark erregt oder nicht, kann man also auf die Zusammensetzung der Primärstrahlung schließen. Das hat Glocker zur Konstruktion seines sogenannten Analysators benutzt, der ohne spektrale Zerlegung einen Schluß auf die Zusammensetzung einer Röntgenstrahlung gestattet. Ein Bleikasten enthält in seinem Innern (Abb. 18) die Platte R unter 45 Grad gegen die einfallenden Strahlen geneigt und bei P eine photographische Platte. Von R geht eine kräftige Sekundärstrahlung nur aus, wenn die einfallende Welle so be- schaffen ist, daß sie die K-Strahlung von R kräftig erregt. Das ist nach dem oben Gesagten nur dann der Fall, wenn die Wellenlänge dieser einfallenden Strahlung der Wellenlänge der K-Strahlung von R benachbart ist. Je stärker diese benachbarten Wellenlängen in der einfallenden Strahlung vorhanden sind, um so stärker wird die Emission von R sein und um so stärker wird bei sonst gleichen Verhältnissen die photo- graphische Platte P geschwärzt werden. Solcher Kästen werden nun eine ganze Reihe nebeneinander gestellt, wobei R jedesmal aus anderem Material besteht. Dann wird

Fluoreszenzstrahlung. Absorptionsgesetze 169

das höchstatomige Material nur auf die kürzeste Wellenlänge reagieren, das etwas niedriger atomige Material auf etwas weichere Strahlung usw. Die Schwärzung auf der photo- graphischen Platte wird um so stärker auffallen, je stärker die für die Erregung günstigste Strahlung in dem einfallenden Strahlengemisch vorhanden ist. Die in den einzelnen nebeneinanderliegenden Kästchen auftretenden Schwärzungen bei dem praktisch ausgeführten Apparat sind die Kästchen verbunden und eine einzige durchgehende photographische Platte enthält nebeneinander sämtliche Schwärzungen geben ein Maß dafür, wie stark diejenigen Wellenlängen in der primären Strahlung vertreten sind, die etwas unterhalb der K-Strahlungen der verwendeten Reflektoren R liegen. Auf diese Weise erhält man also einen Überblick darüber, wie in der primären Strahlung die einzelnen Härtebereiche verteilt sind. Überwiegen die sehr harten Bestandteile, so wird hinter den höchstatomigen Substanzen die Schwärzung am stärksten sein: haben die mittleren Wellen die größte Intensität, so reagieren die Platten mit mittlerem Atom- gewicht am stärksten usw. Die Materialien sind natürlich so ausgewählt, daß sie für die technischen Röntgenröhren nach Lage ihrer K-Strahlungen geeignet sind. Eine absolute Intensitätsbestimmung beansprucht der Apparat natürlich nicht. Zu Vergleichen verschiedener Röhren ist er dagegen recht geeignet.

Auf die Fluoreszenzstrahlung ist unter Umständen auch bei der medizinischen Anwendung der Röntgenstrahlung Rücksicht zu nehmen. In der Therapie werden vielfach gefilterte Strahlen benutzt, und man verwendet zur Filterung Schwermetalle, wie Kupfer und Zink, die man in den Strahlengang der Röntgenstrahlen bringt. Sie senden dann natürlich ihre Fluoreszenzstrahlung aus, die sehr weich ist, nach unserer Tabelle etwa bei 1,4 AE. liegt. Bringt man nun ein solches Filter unmittelbar auf die Haut oder in geringe Entfernung davon, so können diese weichen Strahlen eine ungewollt starke Belastung derselben hervorrufen, also Verbrennungen verursachen. Man hat deswegen in der Praxis meist vor das Schwerfilter noch den Aluminium- filter gesetzt, das diese Strahlen aufhält.

VI. Absorption der Röntgenstrahlen.

Durch die Röntgenspektroskopie ist auch die Absorption der Röntgenstrahlen in Abhängigkeit von der Wellenlänge weitgehend aufgeklärt worden.

Geht ein homogenes Röntgenstrahlenbündel, d. h. ein Bündel eines sehr eng be- grenzten Wellenlängenbezirkes durch eine Schicht eines ponderabelen Körpers hindurch, so erleidet es eine Schwächung, die von der Wellenlänge und dem durchstrahlten Körper abhängig ist. Ist die durchstrahlte Schicht so dünn, daß nur eine geringe prozentuale Schwächung eintritt, so gilt die Beziehung

A=J:x.d, wo A die Intensität der absorbierten Strahlung, I, diejenige der auffallenden Strahlung und d die Dicke der durchstrahlten Schicht ist. Die Größe oa die also für d = 1 den- jenigen Bruchteil der einfallenden Strahlung angibt, der absorbiert wird, heißt für die betreffende Substanz und Wellenlänge der Absorptionskoeffizient. Es zeigt sich, daß für dieselbe Substanz der Absorptionskoeffizient proportional der Dicke ist. Nennen wir die Dichte p, so ist also x = Go, H:

oder Go = * ist eine für die betreffende Substanz und Wellenlänge charakteristische p

170 L. Grebe

Konstante. Mit der Wellenlänge aber ändert sich X auch für dieselbe Substanz. Die p

experimentellen Bestimmungen zeigen, daß der Absorptionskoeffizient mit zunehmender Wellenlänge sehr stark steigt. Die Experimente werden so angestellt, daß ein dünnes Röntgenstrahlenbündel durch die Bleiblenden B, und B, (Abb. 19) ausgeblendet wird und die Intensität durch ein Meßgerät M ohne zwischengesetzte absorbierende Platte und mit einer solchen Platte P bestimmt wird. Ist die Absorption nicht prozentual gering, so ergibt sich aus der oben angegebenen Definitionsgleichung des Absorptionskoeffi- zienten durch eine einfache Rechnung für die durchgehende Intensität I

I = LE a

wo ],, o und d dieselbe Bedeutung wie oben haben und e die Basis des natürlichen Logarithmensystems ist. Aus dieser experimentellen Bestimmung ergibt sich also I und I, und bei gegebenem d läßt sich æ durch eine leichte Rechnung finden.

Was auf diese Weise gemessen wird, ist allerdings nicht nur die absorbierte Strahlung, sondern bei M fehlt außerdem auch die sog. Streustrahlung. Ein Teil der Primärstrahlung wird nämlich beim Auffallen auf die Platte P in seiner Richtung verändert, wie die

eingezeichneten Pfeile andeuten. Dieser Teil bleibt

5, EP also zwar nicht in der Platte P stecken, er fällt aber

p auch nicht auf die Meßeinrichtung M und trägt also

auch zur Schwächung der Primärstrahlung bei. Die

M Größe o die wir auf diese Weise messen, charakteri-

siert also die gesamte Abschwächung, die sowohl

durch. wahre Absorption als auch durch diese Streu-

Abb. 19. Messung der Röntgen- ung bewirkt wird. Der Absorptionskoeffizient o wird

strahlenabsorption. demnach besser als Gesamtschwächungskoeffizient be-

zeichnet und setzt sich aus zwei Teilen zusammen, dem

wahren Absorptionskoeffizient u und dem Streukoeffizient o, so daß die Beziehung besteht

x = u + o oder Auch ee a

p p P Für die Abhängigkeit des durch die Dichte dividierten Absorptionskoeffizienten oder, wie man auch sagt, des Massenabsorptionskoeffizienten von der Wellenlänge ist von vielen Autoren die Beziehung erfüllt gefunden worden

SEET? H

wo k eine Konstante ist. Für den Gesamtschwächungskoeffizienten ergibt sich also

=x R+T. P Die Abhängigkeit des Streukoeffizienten von der Wellenlänge ist viel geringer. Diese Größe kann für einen weiten Wellenlängenbereich als Konstante angesehen werden, und nur in dem Gebiete der kürzesten Wellenlängen ist auch hier eine Abnahme mit der Wellenlänge festzustellen.

Die Konstante k, die in diesen Gleichungen vorkommt, erleidet nun eine plötzliche sprunghafte Änderung bei den Wellenlängen, bei denen die charakteristische Strahlung der absorbierenden Substanzen sich befinden. Hat diese Konstante für Wellenlängen unterhalb der K-Strahlung einen bestimmten Wert, so ist für die Wellenlängen ober-

Absorptionsgesetze. Absorptionssprünge im Spektrum 171

halb der K-Strahlung dieser Wert ein anderer, und zwar ist er kleiner als vorher. Durch die Röntgenstrahlen von einer Wellenlänge kleiner als die der charakteristischen Strah- lung wird eben die Fluoreszenzstrahlung erregt, und für diese Erregung wird Energie verbraucht, die dem primären Röntgenstrahl entzogen wird. Die Strahlen einer Wellen- länge, größer als die charakteristische Strahlung, erregen nach dem Stokesschen Gesetz diese Strahlung nicht und werden daher weniger stark absorbiert. Trägt man die Abhängigkeit des Absorptionskoeffizien- ten von der Wellenlänge graphisch auf, so ergibt sich ein Bild wie in Abb. 20 Die Absorptionskurve steigt mit zuneh- mender Wellenlänge rasch ‚an, hat aber an der Stelle A = Aw einen Knick, wo A die Wellenlänge der kurzwelligen Grenze der charakteristischen Strahlung ist. Wei- ter soll auf diese Absorptionsgesetze nicht eingegangen werden, da siein einer anderen Arbeit behandelt werden sollen. Die hier gegebenen Daten genügen aber, um das Bild klarzumachen, das im Spektrum durch die Absorptionserscheinungen her- vorgerufen wird.

Die Sprünge in den Absorptionskoeffizienten bei den Wellenlängen der charak- teristischen Strahlungen machen sich nun auch in den spektrographischen Aufnahmen bemerkbar, wenn man die Strahlung vor dem Auftreffen auf den Spalt des Spektral- apparates durch eine absorbierende Substanz hindurchgehen läßt. Dann nimmt, wenn man als Lichtquelle eine Röntgenröhre benutzt, die ein starkes kontinuierliches Spektrum aus- sendet, die Schwärzung beim Fortschreiten nach längeren Wellen ab, entsprechend der immer stär- ker werdenden Absorption in dem vorgesetzten Filter. An der Stelle der charakteristischen Strah- lung der absorbierenden Substanz wird aber die Durchlässigkeit plötzlich wieder größer, und des- halb wird auch die Schwärzung der photographi- schen Platte an dieser Stelle sprunghaft wieder größer. In der Abb. 21, die von Wagner stammt, ist für drei absorbierende Substanzen, Kadmium, Silber und Palladium, diese Erscheinung photo- graphiert. Man sieht am linken Ende der Abbildung einen starken, von oben nach unten durchgehen- Abb. 21. Absorptionssprünge an den Stel- den schwarzen Streifen. Er rührt von dem unab- len charakteristischer Eigenstrahlung. gebeugten Röntgenstrahlenbündel her und ist stark überexponiert. Die stark geschwärzten horizontalen Streifen stellen das ungeschwächte Spektrum dar, entsprechen also Spaltstellen, an denen sich keine absorbierende Sub- stanz befand. Auf den Teilen der Aufnahme, die den mit der absorbierenden Substanz bedeckten Spaltstellen entsprechen, sieht man deutlich die Sprungstellen in der Schwär- zung der photographischen Platte. Dieser Sprung liegt für das Element mit der höch- sten Ordnungszahl, Kadmium, bei den kürzesten Wellenlängen ; für das mittlere Element,

D

Ae A Abb. 20. Abhängigkeit des Absorptions- koeffizienten von der Wellenlänge.

172 L. Grebe

Silber, liegt er etwas weiter nach längeren und für das niedrigst atomige Palladium liegt er bei den längsten Wellenlängen. Der Vergleich mit den charakteristischen Linien- spektren der drei Elemente zeigt sehr nahe Übereinstimmung der Wellenlängen dieser Absorptionssprünge mit den kurzwelligsten Linien der entsprechenden K-Spektren.

Diese Erscheinung des Absorptionssprunges macht sich nun auch in jeder Photo- graphie eines kontinuierlichen Röntgenspektrums ohne zwischengeschaltete absorbierende Substanz bemerkbar. Abb. 22 zeigt eine ebenfalls von Wagner herrührende Aufnahme eines solchen Spektrums auf einer gewöhnlichen photographischen Platte. Man sieht hier, daß von den links befindlichen kürzeren Wellen ausgehend die Schwärzung bis zu einem Maximum zunimmt, dann einen Sprung erleidet, um nach weiterem Anstieg zu einem erneuten Maximum wieder eine sprunghafte Abschwächung zu erfahren. Die Deutung dieser Erscheinung ist von Bragg und von Siegbahn gegeben worden, die sie der Absorption in der photographischen Schicht zuschrieben. Daß diese Deutung richtig ist, hat Wagner gezeigt, indem er nachwies, daß die Sprünge genau an den Stellen der K-Strahlung der Elemente Silber und Brom liegen, die in der photographi- schen Schicht enthalten sind. Die Entstehung dieser Sprünge ist so zu denken, daß bei der Annäherung an die Wellenlänge der K-Strahlung des Silbers die Absorption der Strahlen in der photographischen Platte zu- nimmt,so daßeine stärkereEnergieaufnahme dieser Strahlen in der photographischen Platte erfolgt. Da diese Energieaufnahme die Schwärzung bewirkt, so werden die Wellenlängen unmittelbar unterhalb der charakteristischen Strahlung die stärkste Schwärzung hervorrufen. Dasselbe wieder-

Abb. 22. Silberbandkante auf der photo- holt sich an der Stelle der Bromstrahlung. graphischen Platte. Die Platte zeigt also das Absorptionsspek- trum von Brom und Silber, aber im Vergleich zu den in Abb. 21 dargestellten Absorptionsspektren in dem Verhältnis, in dem ein photographisches Negativ zu einem photographischen Positiv steht. Während bei den Spektren der Abb. 21 der stärksten Absorption die geringste Schwärzung entsprach, weil die absorbierten Strahlen nicht mehr auf die Platte einwirkten, ist hier, wo durch die Absorption die Schwärzung bewirkt wird, an der Stelle der stärksten Ab- sorption auch die stärkste Schwärzung vorhanden. Die Wellenlängen dieser Absorp- tionssprünge in der photographischen Schicht liegen nach de Broglie bei 0,482 und 0,916 AE., während die Wellenlängen der kurzwelligsten K-Linie für Silber und Brom nach Siegbahn bei 0,485 und 0,918 AE. liegen.

Diese zuletzt besprochenen Absorptionserscheinungen in der photographischen Platte sind nun bei den photographisch arbeitenden spektroskopischen Methoden insofern störend, als sie die auf der Platte erscheinende Schwärzungsverteilung gegen die durch die spektrale Energieverteilung eigentlich zu erwartende erheblich entstellen. In dem Bereich der Silber- und Bromabsorption ist also die Schwärzungsverteilung kein brauch- bares Bild der spektralen Energieverteilung. Ähnlich ist es im Bereich der Wellenlängen der L-Strahlung. Ebenso wie an der kurzwelligen Grenze der K-Strahlung tritt nämlich auch im Gebiete der L-Strahlung ein Absorptionssprung ein, der aber im Gegensatz zu dem K-Sprung nicht einfach ist, sondern aus mehreren bei verschiedenen Wellenlängen liegenden Stufen besteht. Im übrigen sind die Sprünge im L-Strahlengebiet nicht so erheblich wie die K-Sprünge. Zusammenfassend ist also zu sagen, daß es nicht einfach ist, aus dem Aussehen einer Spektralaufnahme im Röntgengebiet richtige Schlüsse auf

ee ar A

Silberbandkante auf Spektralphotographien. Filterung. Literaturverzeichnis 173

die spektrale Intensitätsverteilung zu ziehen, zumal wenn man noch den früher erwähnten Einfluß der Überlagerung der Spektren verschiedener Ordnungen noch mit in Betracht zieht. Gut zu bestimmen ist die Wellenlänge der kurzwelligen Grenze im kontinuier- lichen Spektrum sowie auch die Wellenlänge der charakteristischen Spektrallinien. Schließlich erweist sich die spektrographische Methode als sehr brauchbar, um den Einfluß der Filterung auf die Zusammensetzung eines Röntgenstrahlenbündels zu studieren. Man hat lange Zeit geglaubt, man könne durch Filterung der Röntgenstrahlen durch geeignete Metallbleche eine sehr homogene Strahlung herstellen, d. h. eine solche, die nur aus einem sehr engen Spektralbereich besteht. Die Photographie der Spektren zeigt, daß das im allgemeinen nicht der Fall ist, sondern daß auch nach ziemlich starker Filterung noch immer breite Spektralbereiche von der Strahlung erfüllt werden. Der Grad der Homogenität läßt sich also durch solche Spektralaufnahmen recht gut fest- stellen.

Literaturverzeichnis.

Über die Röntgenstrahlenspektroskopie sind eine Reihe eingehender zusammenfassender Arbeiten erschienen, die auch mit einem ausführlichen Literaturverzeichnis versehen sind, so daß ich auf diese Literaturzusammenstellungen hier verweisen kann.

Cermak, P., Die Röntgenstrahlen. In Graetz’ Handbuch der Elektrizität und des Magnetismus. Leipzig 1923. Auch als Sonderdruck.

March, A., Bericht über die Gesetze des kontinuierlichen Röntgenspektrums, Fortschr. d. Röntgenstr. 1924, 32 S. 105.

Küstner, H., Die Standardisierung der Röntgendosismessung, Strahlenther. 1924, 17 S. 1.

Siegbahn, M., Spektroskopie der Röntgenstrahlen, Berlin 1924.

Wagner, E.. Über Röntgenspektroskopie. Physik. Ztschr. 1917, 18 S. 405. 432, 461. 488.

Die lIonisationsmessung der Röntgenstrahlen

Von

Privatdozent Dr. Hans Küstner

Mit 130 Abbildungen im Text und 58 Tabellen

Inhaltsverzeichnis.

Einleitung: e = Daun: ae ie re ae e De ee ae %e

I.

II.

HI.

IV.

Allgemeines über den Ionisationsvorgang . . . 2: 2 2 2 oeo nn ren

. Röntgens Entdeckung der lonisation durch Röntgenstrahlen. . . . 2.2 2.2... Der Tonisationsrörgang er a s w ac Eee bh D AN e . Rekombination, Diffusion und Sättigung. `, nen Einfluß von Temperatur und Druck. . . 2.2.2 2 KK En En . Aggregatzustand; Emissionsfähigkeit der chemischen Elemente für Primär-

Blektronen. u 20 ee ce ae a Bra we 6. Einfluß der Feuchtigkeit . . . . 220 m m m mn 7. Die Ionisation in Abhängigkeit von der Wellenlänge der Röntgenstrahlen.

SE

Schwächung, Absorption und Streuung. . . 2 2 2 2 2. 2 rn rer ren

e SCHWACHUNGS: ip Aa ts ës a ne er Ve E "Absorption. = 2 2.5 2.5 Bien we we E EE ée, Bi E Eër EE, SE a ee A a We . Schwächung = Absorption + Streuung. e . Schwächung für chemische Verbindung und Gemische. . . 2. 2 22 2 22.2.0. Berechnung der Schwächung, Absorption und Streuung von Luft . . ..... . Neuere Einzelmessungen des Streukoeffizienten . . . 2. 2 2 2 2 2 2 2 2 nn.

el Ed EI vs, CAS DÉI ke

Streuung. Ionisation bei der Streuung. . » a 2 2 nn En nen.

I. Streuung an gebundenen Elektronen . . 2. 2 2 nn nn rn ee II. Streuung an freien Elektronen. e . Die Entdeckung von Compton und von Bothe . . . 2.22 2 2 2 22... . Debyes Theorie der Streuung an freien Elektronen . . . . 2. 2 2220. . Comptons Theorie der Streuung an freien Elektronen `, . . . 2 2.2.2.0. . Experimentelle Prüfung der Wellenlängenänderung bei der Streuung . .

. Experimentelle Prüfung der Austrittsrichtung, Geschwindigkeit und Häufigkeit der Rückstoßelektronen . . » 2 2 2 2 0 0 0 Er Er nen 6. Ionisation durch Streustrahlung im Vergleich zur Ionisation bei „wahrer Ab- BREUER 4; 3 el B A e e E Eeer Éier

Ot va U DN ke

AtOmphysaik.a; =. 3: Geer bk 6, uch, e br a ët ee e en A A

. Der atomistische Aufbau der Materie `... nr nn. . Der atomistische Aufbau der Elektrizität . . 2 2: 2: 2: m Er Er ren . Die elektromagnetische Strahlung . . . 2 2 2 2 nn m En nr Er e Die Energie; das Wirkungsquantum . . 2 2 2 Cm nn ee Der lichtelektrische Effekt . 2 2 2 2 2 nn m En ren

Der Weg zum Rutherfordschen Atommodell . . . 2 2 2 2 2 2 En nn nen

SEET

. Absorptions- und Emissionsvorgang im Lichte der Bohrschen Atomtheorie

1. Absorption von Röntgenstrahlen und Emission von Elektronen und Röntgenstrahlen a) Elektronenemission . + = ao #28... E aan ée A ei b) Emission charakteristischer Strahlung . . 2 nn En nn

2. Absorption von kinetischer Energie stoßender Elektronen und Emission von Röntgen- strahlen und Elektronen . . 2 2 2 m nn nn nn a) Emission von Röntgenstrahlung . . . 2. 2 2 2 22.2. BE Be a ee b) Emission von Sekundärelektronen . . 2 2 m m m m nn er.

205

VI.

VII.

VIII.

Inhaltsverzeichnis 177

Seite Einfluß von Gestalt und Material der Ionisationskammer auf die gemessene Trägerzahl 230 1. Große Kammer und Fingerhutkammer . . 2.2. 2: 2: 2 m ooa a 230 2. Wirkungsausfall und Wandwirkungsbeitrag . » » 2: 2: 2 2 2 m 2 nennen 231 3. Quantitative Untersuchung von Wirkungsausfall und Wandwirkungsbeitrag . . 232 4. Kompensation des Wirkungsausfalls durch den Wandwirkungsbeitragg . . . . . 236 5. Mechanische Ausschaltung von Wirkungsausfall und Wandwirkungsbeitrag . . . 237 6. Der Einfluß der Streustrahlung.. . . : 2: 2 2 m m mE m er rn 238 7. Der Einfluß der Blendenstrahlung . . » 2 2 2 m 0 rn m nr nn 242 8. Wirkungsausfall und Wandwirkungsbeitrag bei der Fingerhutkammer. . . . . . 242 Die Abhängigkeit der Ionisation vom Druck und die Messung der reinen Luftionisation in der Druckluftkammer . . 00 vo 0 er e. 244 1. Die Bedingungen für die Messung reiner Luftionisation . . - . 2 2 2.222. 244 2. Die Ionisation in Abhängigkeit vom Luftdruck . . .. 2 2 2 2 2 2 2 220. 245 3. Die Druckluftkammer . . 2 m 0 0 oe e e e e en 246 4. Messungen mit der Druckluftkammer . . . 2.2.2 2 2 2 En 2 2 2 rn. 249 5. Die Korrektur auf Normaldruck von 760 mm Quecksilber bei gewöhnlichen Kammern: a u e a Be en A a Ee a en ee, A 251 Die Energiemessung der Röntgenstrahlen . . . 2. 2:2 2 2 nr rn e 253 1. Absorption von Energie ist die Vorbedingung für alle Wirkungen . . ..... 253 2. Messung von n durch Beobachtung der Intensität charakteristischer Sekundär- Strahlung: a a. a re a EE a es 255

3. Messung von n durch Auszählung der Primärelektronenbahnen . . ...... 256 4. Messung von n durch die Ionisationswirkung der losgerissenen Primärelektronen 256 5. Die Energiemessung der Röntgenstrahlen durch ihre Wärmewirkung bei der Ab-

sorption und die Ionisation . . 2 222 nn ne 258 IX. Die Standarddosimetrie. . . . . 222 m nr nee 261 1. Die Ursachen der Verwirrung in der heutigen Dosismessung . . . . . 2... 261 2. Das Prinzip der Standarddosimetrie. . . » 2 2 2 2 2 en rn nn. 263 3. Die Forderungen der Praxis und Forschung an die Standarddosimetrie . . . . 264 d- Die Zeiteinheit: it-t 2,2 u... 2 8.8 BRD a de ee ar 265 5. Die Intensitäts- und Dosiseinheit . . . . a.. 2 2 EEE En e 265 6. Die Härtebestimmung . » » 2: 2 20 0 m m nn 268 7. Die Aufgaben der Standarddosimetrie . . . . 2 22 2 o nn ren 269 8. Die Konstruktion des Stánåardgerätes `... 269 X. Die Strahlung unserer Röntgenröhren . . . . 2 2 soaa so e e e 271 I. Die charakteristische Strahlung der Antikathode . .. . 2.2.2 222020. 272 1. Die charakteristische Strahlung technischer Röntgenröhren . `... 272 2. Die Intensität der Spektrallinien in Abhängigkeit von der Spannung . . . . 273 3. Charakteristische Strahlung und kontinuierliches Spektrum . . ...... 274 II. Das kontinuierliche Röntgenspektrum . .. 2.2.22 2 2 2 rn nn. 274 1. Die Methoden zur Aufnahme . . 2.2. 2 2 En En Er enn 274

2. Die Grenzwellenlänge des kontinuierlichen Röntgenspektrums bei Gleich- SPAHNUNE ` ec aah ae car a Terre ie Ar Re re RER a 274

3. Die Grenzwellenlänge des kontinuierlichen Röntgenspektrums bei anderen SpAannungsformen: o-s s s s osek a a rw wa ee ee 275

4. Die Grenzwellenlänge des kontinuierlichen Röntgenspektrums ist unabhängig vom Antikathodenelement . . . 2 2 2 2 nn rn nn. 276

5. Die Grenzwellenlänge des kontinuierlichen Röntgenspektrums ist unabhängig von. der Röhrenart:. zos s e mu: a m ie bo a ee e A 276

6. Die Grenzwellenlänge ist unabhängig vom Winkel zwischen Richtung der Katho- denstrahlen und Richtung der Röntgenstrahlen (Azimut) . . . . 2.2... 276

7. Die Gesamtintensität des kontinuierlichen Röntgenspektrums in Abhängig- keit von der Spannung - .. 2 2 2 En Er nn nn 276

8. Die Härte des kontinuierlichen Röntgenspektrums in Abhängigkeit von der SPANDUNg: 1: u care ee Le ee ar ed ee Sys 277

9, Das kontinuierliche Röntgenspektrum in Abhängigkeit von der Spannungs- Ep, ech Lan Zeen A A R Ae Bene ern a 278

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd.I 12

178

XI.

XII. XIII.

XIV

XV.

XVI.

H. Küstner

10. Das kontinuierliche Röntgenspektrum in Abhängigkeit von der Röhrenart

11. Das kontinuierliche Röntgenspektrum in Abhängigkeit vom Antikathoden- element =... 3.0.8 3 5 8 0. a e E ee

12. Das kontinuierliche Röntgenspektrum in Abhängigkeit vom Azimut .

13. Die Unabhängigkeit der Grenzwellenlänge und mittleren Härte des kontinuier- lichen Röntgenspektrums von der Röhrenstromstärke und der „Brennfleck- belastung‘: ow a ar 0 Be en al ee a ee

14. Die Unabhängigkeit der Grenzwellenlänge von der Frequenz der Wechsel- BENENNEN We. re ee a e Ge bir ee SE er de er ee

15. Der Einfluß von Filtern auf den Verlauf des kontinuierlichen Röntgenspektrums

16. Der Einfluß der Beschaffenheit der Antikathode auf die von ihr ausgehende Strahlung. se 5 A 00.2 8 mit a en ER DR a o er

17. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . » s.o 2 2 2 En nr er re.

Die Reproduzierbarkeit der Röntgenstrahlung bei gleicher Einstellung der Maschine 1. Der Einfluß der Netzspannung . . . s. 2: 2 2 2 nn rn Er nen 2. Der Einfluß des Ein- und Zweiröhrenbetriebes . . a.. o e 2 2 2 2 re. 3. Der Einfluß der Gleichrichtervorrichtung . . » 2: 2 2 2 2 2 2 2 2 nern. 4. Der Einfluß des Dauerbetriebes . 2 2 22 0 vn rn m rn re re.

Die physikalischen Grundlagen der Messung der gebildeten Träger . . ......

Die Meßmethoden und ihre Genauigkeit . . . 2 2 2 HE nr ren ee I. Die: Abstoppmethode: . . 4 + EN ER 2 Se 2 2.2 1. Einfluß des Gerätes = a ss e 8 8 2 Ent 2. Psychologische Einflüsse `... 3. Die Reihenfolge der Beobachtungen . . ». . 2 2 2 2 2 2 2 2 nn 000. 4. Die Mittelwertbildung. . . . 2 2 En m nn Er rn.

II. Die Zweielektrometer-Methode 2 2 20 0 m mn m m nn rer re.

Justierung und Fehlerquellen `,

SJUSEIELUNg: an dr a ne Se ee ee ed e Be E <- Killeranoldnung s a... & 2. ara 0 SE m ar u ee e . Der Bleischutz der Meßanordnung . . » 2: 2 2 2 mn nn nern. . Isolations- und Dielektrikumsfehler . . 2. . 2. En nn En De. Der: Dünkeleffekt. oa u... 3-28 8 wer ng wen a ern 6. Der elektrostatische Schutz und die Erdung . . . . 2: 2: 2 2 2 2 2 nn 2 ne. U DALLIBUNR re ER Be ee ee NE De a een

e U DD ka

1. Vermeidung von Isolations- und Dielektrikumsfehlern durch das Schutzringprinzip 2. Geräte ohne Ausschaltung der Isolations- und Dielektrikumsiehler `, . ..... 3.:Aufladevorsichtungen: s s 22 2% NN 3 43 m 2 2 28 Deier Brei 4. Ablaufende Elektrometergeräte . 2 2 2 0 0 0 m m ren 5. Direkt zeigende Geräte . . eg 8 d 8 & 2 e Wo re DE a 8 6: xDosiszähler SW 2er ea Pe ee ie

Sättigungsprüfung und Spannungseichung . s. 2 2 2 2 2 2 m m nn.

E Sattıpungsprufüng: = 3 228 & ea Bes a u a Se ee ECH

1. Röntgenstrahlintensität und Sättigungsspannung . 2 2 2 2 2 e e ea

2. Sättigungsprüfung für Ablaufzeit zwischen zwei Skalenteilen bei vorgeschriebener

Kammierspannungs 2-4: E, ae ee e, e Rb rd e AR

IL: Spanmingseichung u. 2 A 2. e E EE re RER er AA 1. Anlegen verschiedener, bekannter Spannungen an das Elektrometer

2. Vergleich mit einem als Spannungsmesser geeichten, ablaufenden Ionisations-

gerät nach der Zweielektrometer-Methode . 2 2 2 2 2 2 2 2 2 nr nenn.

3. Jọ und a bleiben ungeändert, t wird variiert . . 2 2 2 2 nn nee.

4. de und t bleiben ungeändert, a wird variiert . . » 2 2 2 2 2 2 nenn.

. t und a bleiben ungeändert, Jọ wird variiert . . . 2 2 2 2 2 2 nen.

an

Seite 279

280 280

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281 281

282 282

283 284 284 284 285 285

285 287 287 257 287 288 289 289

290 290 291 292 293 294 295 296

296 297 298 298 300 304 308

309 309 309

310

311 311

312 313 313 313

XVII.

XVIII.

XIX.

XX.

XXI.

Inhaltsverzeichnis

Die Konstanz der Empfindlichkeit und ihre Prüfung . . .... 2222220.

1. Der Brennfleckabstand a: . .: 2 2. 2 20 NIE 2 Wu a ER A 2.: Die Ablaufzeit.t.. Los oe Saas er er ee ge er BI er Der Löchguerschnit# q- = = Weg 2er Bar a ni Sie Kapazılat, C. oc a AN Se a a er Eeer ee re EA De Tragerzahl N. 4 ur: u.a Eee ei en e ei en Die Spannungsempfindlichkeit 8 . . . 2 2 Er nr Er nn Die elektrische Elementarladung . . 2 > 2 2 Er nr nr ren Änderung der Empfindlichkeit bei Änderung eines oder mehrerer Faktoren . . . . Prüfung auf Konstanz der Empfindlichkeit durch ein radioaktives Präparat . Prüfung auf Konstanz der Empfindlichkeit durch Vergleich mit einem anderen Geral wn a Ee ee a ee ee ae ee ee G 11. Das Eichständgerat: 4.2.2. =: WE. a Er ne ir

spannnmg

kee

Die Härtemessung der Röntgenstrahlen `... e

Das Röntgensche Absorptionsgesetz . . » 2 2 2 2 2 2 nr e SC 2 . Der Einfluß des Ionisationsgerätes auf das Ergebnis der Härtemessung . Die Halbwertschicht in einem bestimmten Filtermaterial als Maß der mittleren Härte . Der Schwächungskoeffizient in einem bestimmten Filtermaterial als Maß der mittleren Harte; 2...) a m a a EE EENEG 5. Filtermaterial, Homogenitätspunkt und praktische Homogenität . . . ..... 6. Der Heterogenitätsfaktor nach Christen . . . 2. 2: 2: 2 2 EEE rn rn. 7. Die prozentuale Tiefendosis in Wasser als Maß der mittleren Härte . .....

gx Sai DD

Die Tiefendosis und ihre Messung `... rn.

1. Oberflächendosis, Tiefendosis, Dosenquotient und prozentuale Tiefendosis . . . . 2. Prinzipielles zur Messung des Dosenquotienten . . . . 2 2 2 2 2 2 2 0 nen. 3. Faktoren, welche den Wert des Dosenquotienten beeinflussen . . . 2.2... 4. Das quadratische Abstandsgesetz bei der Oberflächendosis . . ». 2.2.2... 5. Faktoren, welche die Genauigkeit der Messung beeinflussen . . . 2.2.2.2... 6. Die Verteilung der Röntgendosis auf die einzelnen Punkte des Mediums oder Wasser-

phani omiga vn A u.a a. 2 ea a ee EE a ee 7. Folgerungen für die Praxis. .... & 2% 2.8 5 23 2 was a we ee

Hergang einer Messung . - . » 2 2 2 2 0 En En ne nn

I. Vorbereitungen zur Messung. . 2 2 2 2 u u Er nr ren I; Sattigungsprufung:. 22 u ea ea aa a ri EL :Spapnnungseichung: 2.2.8 5a 2. 5 u. De a ER IV. Prüfung auf Konstanz der Empfindlichkeit . . . 2. 222 2 2 2 200 .. Vo Intensitätsmessung: die #4 2% 2 2 2 WR ER aa a ne VI: Haärtemessung < vera. u. Ba a a ee en ee Ee es

N: Tiefendosis. = 4. 21 a. Bea NEE Ehre VIII. Angabe der Dosis in „R“. 23 #2 2 8 5 a ea l A

Die Stellung der Ionisationsmethode zu anderen Dosimeterverfahren . . .». ....

. Die Leitfähigkeitsänderung der Selenzelle . . 2. 222. 2. 2 2 En nn nee. . Die Empfindlichkeit der photographischen Platte. . . . 2.2.2 2 2 2 2 2 20. . Die Fluoreszenzhelligkeit von Leuchtschirmen . . . 2 2 2 2 2 2 2 22 nee. . Die Färbung der Sabouraud-Noire-Tablette . . 2 2 2 2 2 2 2 rn nee. . Die chemische Umsetzung . . 2. 2 2 2 e er ne

En va Ai Di ka

Literaturverzeichn is .. ssa s NEE TN ee ee NM Nr a

12*

Einleitung.

Scharfe Dosierung und genaue Kenntnis der biologischen Wirkung der Röntgen- strahlen sind die Vorbedingung für den Erfolg in der Röntgentherapie. Aber auch die biologische Wirkung der Röntgenstrahlen läßt sich nur durch scharfe Dosierung er- schließen. Die Dosismessung ist daher das Fundament der Röntgentherapie.

Prinzip, technische Ausführung und Handhabung des Dosimeters bedingen den Wert der Dosismessung. Bei vollendeter Ausführung des Gerätes vermag das lonisations- verfahren höchste Empfindlichkeit, höchste Genauigkeit, größte Zuverlässigkeit und be- quemste Handhabung zu vereinigen. Aus diesem Grunde steht das lIonisationsverfahren unter allen nach verschiedensten Prinzipien arbeitenden Verfahren an erster Stelle. Die vorliegende Abhandlung ist deshalb der Ionisationsmessung der Röntgenstrahlen gewidmet.

Die Ionisationsmessung ist ein physikalisches Verfahren. Es gründet sich auf zahlreiche, qualitativ und quantitativ größtenteils bekannte und miteinander ursäch- lich verwobene physikalische Einzelvorgänge und Gesetze. Nur wer diese beherrscht, kann die Wirkung aus ihrer Ursache verstehen; nur er hat Höchstleistungen zu erwarten, nur er kann oft verhängnisvolle Schwächen seines Gerätes rechtzeitig erkennen, nur er kann eigene Meßgenauigkeit und fremde Angaben richtig bewerten, nur er kann den Weg zu Fortschritten weisen und selbst erfolgreich forschend tätig sein. Die Praxis, die unentbehrliche Führerin zum Erfolg, vermag jene den Stoff ganz durchdringende Kenntnis nicht zu ersetzen.

Aus diesem Grunde wird die vorliegende Abhandlung die Erscheinungen bis zu ihren letzten Ursachen verfolgen, entsprechend den Vorstellungen, die wir uns heute von jenen machen. Ziel dieser Arbeit ist es, den Stand unserer gegenwärtigen Kenntnis so er- schöpfend zu behandeln, daß der Praktiker und der Forscher alles Wissenswerte vorfindet.

Trotzdem konnten nicht alle verdienstvollen Arbeiten gewürdigt werden. Einzelne herauszugreifen, besonders unter solchen, deren Problemstellung und Ergebnisse in derselben Richtung liegen, war Gebot des Raummangels. Deshalb lag dem Verfasser die Absicht völlig fern, durch stillschweigendes Übergehen einer Arbeit, eines Verfahrens oder eines Gerätes eine Geringschätzung zum Ausdruck bringen zu wollen.

Erstes Kapitel. Allgemeines über den lonisationsvorgang.

1. Röntgens Entdeckung der lonisation durch Röntgenstrahlen.

Schon unmittelbar nach seiner Entdeckung der Röntgenstrahlen fand Röntgen, daß diesen die Fähigkeit zukommt, elektrisch geladene Körper, die von ihnen getroffen werden, zu entladen, und zwar um so rascher, je intensiver die Strahlen sind. Dabei er- wies es sich im allgemeinen als gleichgültig, ob die elektrisch geladenen Körper Leiter oder Isolatoren sind. Röntgens Beobachtungen deuteten darauf hin, daß vornehmlich die die Körper umgebende, bestrahlte Luft die Eigenschaft erhalten hat, die Entladung der elektrischen Körper, mit denen sie in Berührung kommt, herbeizuführen. Um dies nachzuweisen, benutzte Röntgen eine 3 cm weite, 45 cm lange Messingröhre; in einigen Zentimetern Entfernung von dem einen Ende war ein Teil der Röhrenwand weggeschnitten und durch ein dünnes Aluminiumblech ersetzt; am anderen Ende war unter luftdichtem Abschluß eine an einer Metallstange befestigte Messingkugel isoliert in die Röhre einge- führt. Zwischen der Kugel und dem verschlossenen Ende der Röhre war ein Seitenröhr- chen angelötet, das mit einer Saugvorrichtung in Verbindung stand ; wenn gesaugt wurde, so wurde die Messingkugel umspült von Luft, die auf ihrem Wege durch die Röhre an dem Aluminiumfenster vorübergegangen war. Durch das Aluminiumfenster konnte die Luft mit Röntgenstrahlen bestrahlt werden. Die Kugel war mit einem Elektroskop verbunden.

Es zeigte sich nun, daß eine der Kugel mitgeteilte positive oder negative Ladung von den Röntgenstrahlen nicht beeinflußt wurde, solange die Luft in der Röhre in Ruhe blieb, daß die Ladung aber sofort beträchtlich abnahm, wenn durch kräftiges Saugen bestrahlte Luft der Kugel zugeführt wurde.

Damit war nicht allein bewiesen, daß es mit Röntgenstrahlen bestrahlte Luft ist, der die Fähigkeit zukommt, elektrisch geladene Körper zu entladen, sondern auch, daß die Luft diese Fähigkeit auch noch einige Zeit nach der Bestrahlung beibehält, nämlich mindestens während der Zeit ihrer Bewegung vom Aluminiumfenster zur Kugel.

Röntgen konnte auch zeigen, daß die bestrahlte Luft ihre Fähigkeit, elektrisch geladene Körper zu entladen, verliert, wenn sie mit anderen Körpern in Berührung komnt: wurde zwischen Aluminiumfenster und Kugel entweder ein Wattepfropf oder ein sehr enges Drahtgitter gebracht, so blieb die Ladung der Kugel auch beim Saugen unverändert.

2. Der lonisationsvorgang.

Die Fähigkeit der mit Röntgenstrahlen bestrahlten Luft, elektrisch geladene Körper zu entladen, ist seit Röntgens Entdeckung Gegenstand außerordentlich zahlreicher Untersuchungen gewesen, so daß wir uns heute über diesen Vorgang ein recht klares Bild machen können. Wir wissen heute, daß die Atome Planetensysteme sind: um den positiv geladenen, schweren Kern kreisen nach Planetenart die Elektronen, jene kleinsten

182 H. Küstner

Bestandteile der negativen Elektrizität, die wir im Kathodenstrahl unserer gasfreien Röntgenröhren in Reinkultur vor uns haben. Diese Elektronen haben alle das gleiche, sehr geringe Gewicht von Iden des Wasserstoffatoms und alle die gleiche negative Ladung, die wir aus der Elektrolyse als die Ladung eines einwertigen Ions kennen. Den Röntgen- strahlen kommt nun die Fähigkeit zu, ein solches Planetenelektron aus dem Atom herauszureißen, wobei der Atomtorso positiv geladen zurückbleibt. Ob das Atom, dem das Planetenelektron entrissen wird, ein freies Atom ist, oder ob es sich im Molekül- verband befindet, ist dabei prinzipiell gleichgültig: im ersten Falle bleibt es zurück als positives Atomion, im zweiten Falle als positives Molekülion, und stets beträgt die Ladung eine positive Einheit. Die Kenntnis dieses Vorganges würde schon dazu genügen, um die von Röntgen beobachteten Entladungsvorgänge zu erklären: die Ladung der Kugel könnte durch die Ladungen entgegengesetzten Vorzeichens neutralisiert werden, die die Röntgenstrahlen in der Luft erzeugen. Eingehendere Untersuchungen haben indessen gezeigt, daß sich der Entladungsvorgang höchstens zu einem kleinen Bruchteil auf diesem Wege abspielt, und daß zwischen die ionisierende Wirkung der Röntgenstrahlen und die Entladung elektrisch geladener Körper ein weiterer Vorgang eingeschaltet ist, dem die entladende Wirkung im wesentlichen zukommt. Die von den Röntgenstrahlen aus dem Atomverbande losgerissenen Planetenelektronen verlassen diesen im allgemeinen mit großer Geschwindigkeit. Solche schnelle Elektronen besitzen die Fähigkeit, dort, wo sie auf ihrer Bahn zufällig mit einem Gasatom oder -molekül zusammenstoßen, aus diesem ein Planetenelektron herauszureißen, wobei das getroffene Gasatom oder -molekül wieder als positives Atom- oder Molekülion zurückbleibt. Bei jedem solchen Vorgange verliert das primäre Elektron einen kleinen Bruchteil seiner Geschwindigkeit, und die Zusammenstöße, deren jeder mit der Bildung eines solchen „TIrägerpaares‘“ endigt, können nach Tausenden zählen, bis das primäre Elektron soviel von seiner Geschwindigkeit eingebüßt hat, daß es sich an ein Atom oder Molekül anlagert und mit diesem ein negatives Atom- oder Molekülion bildet, oder daß es von einem po- sitiv geladenen Atom- oder Molekülion eingefangen wird und dieses neutralisiert. Das von Röntgenstrahlen in Freiheit gesetzte Primärelektron wird also längs seiner Bahn eine große Anzahl negativer Sekundärelektronen und positiver Atom- oder Molekülionen erzeugen, und diese sind es erst, denen die Entladung der Kugel in Röntgens Versuch zuzuschreiben ist.

Den deutlichsten Beweis dafür, daß sich diese Ionisation in einem Gas in der oben geschilderten Weise abspielt, erbrachte C. T. R. Wilson. Ihm gelang es, die Bahnen der Primärelektronen in einem Gase sichtbar zu machen und photographisch festzuhalten. Vergrößert man das Volumen einer Kammer, die mit Wasserdampf gesättigte Luft enthält, ruckweise um einen kleinen Betrag, so erfolgt bei der Expansion eine Konden- sation, und die Nebeltröpfchen lagern sich an etwa vorhandene Gasionen an. Wilson ließ ein sehr schmales Röntgenstrahlenbündel kurze Zeit durch eine solche Kammer fallen, expandierte, belichtete und photographierte anschließend und erhielt so die Aufnahme Abb. 1. Man erkennt auf ihr deutlich die einzelnen Ionen, welche die von den Röntgenstrahlen befreiten Primärelektronen beim Zusammenstoß mit den Gasmolckülen auf ihrer Bahn erzeugen. Das bei dieser Aufnahme außerordentlich schmale Röntgen- strahlenbündel ist am Rande der Aufnahme durch einen Pfeil markiert.

Wir wollen nicht verfehlen, darauf hinzuweisen, daß diese unter der Einwirkung der Röntgenstrahlen gebildeten ‚Ionen‘ mit denen der Elektrolyse nichts zu tun haben. Denn, wie wir wissen, wird bei dieser unter Einwirkung der elektrischen Kräfte das Molekül des Elektrolyten in ein- oder mehrwertige Atom- oder Molekülionen positiven und negativen Vorzeichens aufgespalten, welche den Elektrizitätstransport in ent-

Indirekter Ionisationsvorgaug; Gas- und elektrolytische Ionen 183

Röntgen- f strahl

gegengesetzter Richtung übernehmen. So wandert beispielsweise bei der Elek- trolysierung von Kupfersul- fat CuSO, das Cu als zwei- wertiges Atomkation, das SO, als zweiwertiges Mole- külanion. Demgegenüber wird bei der ‚lonisation“ durch Röntgenstrahlen das Molekül niemals in seine che- mischen Bestandteile zerlegt: einzig und allein durch Ver- lust oder Gewinn eines Pla- netenelektrons wird es ein positives oder negatives Mo- lekülion, d. h. es bleibt das- selbe Molekül wie vorher, erhält nur eine positive oder negative Ladung. Für das Atomion gilt dasselbe. Da- bei sind die Träger in der Regel einwertig, nämlich ent- weder positive Molekül- und Atomionen, oder negative Molekül- und Atomionen und Elektronen. Ob überhaupt durch Röntgenstrahlen di- rekt oder auf dem Umwege über ein schnelles Primär- elektron mehrere Planeten- elektronen aus demselben Mo- lekül oder Atom abgespalten werden können, so daß dieses als mehrwertig zurückbleibt, ist noch unsicher, wenn auch von demselben Punkte aus- gehende Bahnen und zwei Ga- beln einer Bahn an derselben Stelle bei den Nebelaufnah- men Wilsons und die Er- fahrungen mit Kanalstrahlen dafür zu sprechen scheinen.

Um den grundlegenden Unterschied zwischen den elektrolytischen Ionen und den von Röntgenstrahlen ausgelösten ‚Ionen‘ zu betonen, hat Lenard für die letzteren den Namen ‚Träger‘ geprägt. Leider hat sich derselbe nicht allgemein durchzusetzen vermocht.

Lange Bahnen mit starker Vorwärtskomponente. Kugelbahnen.

Zylindrisches Röntgenstrahlbündel, 0,5 mm Durchmesser, mit 0,08 mm Kupfer gefiltert. Enddruck 19 cm.

Nebelaufnahme von Elektronenbahnen von C. T. R. Wilson.

Abb. 1.

184 H. Küstner

Wir schließen an dieser Stelle unsere Betrachtungen über den Ionisationsvorgang, um sie. an späterer Stelle eingehender, insbesondere von der quantitativen Seite her, wieder aufzunehmen.

3. Rekombination, Diffusion und Sättigung.

A. Rekombination. Läßt man Röntgenstrahlen auf einen abgeschlossenen Gas- raum einwirken, so nimmt die Zahl der gebildeten Ionen zunächst mit der Zeit zu. Je länger aber die Bestrahlung dauert, um so langsamer nimmt die Ionenzahl zu, und es bildet sich schließlich ein Gleichgewichtszustand heraus, in dem keine Zunahme der Ionenzahl mehr stattfindet. Die Ursache ist die folgende: Die Temperatur eines Gases äußert sich bekanntlich darin, daß sich alle seine Atome oder Moleküle in einem Zustande ständiger ungeordneter Bewegung befinden. So haben beispielsweise die Luftmole- küle bei 0°C eine mittlere Geschwindigkeit von 485 m pro Sekunde. Infolge dieser großen Geschwindigkeit wird nun der Fall eintreten, daß Träger entgegengesetzten Vorzeichens miteinander zusammenstoßen, sich rekombinieren, dadurch unelektrisch werden und so aufhören, Ionen zu sein. Je stärker ein Gas ionisiert ist, um so häufiger wird diese Rekombination erfolgen, und der Gleichgewichtszustand wird dann erreicht sein, wenn in der Zeiteinheit ebensoviel Ionen durch Rekombination verschwinden, wie durch die ionisierende Kraft der Röntgenstrahlen erzeugt werden.

B. Diffusion. Befindet sich das Gas in einem geschlossenen Metallgefäß, so werden infolge der Wärmebewegung eine Anzahl Ionen auf die Metallwände auftreffen und hier ihre Ladung verlieren. Die Gasschicht in der Nähe der Gefäßwand wird in- folgedessen arm an Ionen sein, während die Ionenzahl nach dem Innern des Gefäßes zu steigt. Hierdurch entsteht ein Konzentrationsgefälle, und die Ionen werden infolge- dessen vom Innern her nach den Wänden zu diffundieren.

Welcher der beiden Effekte der größere ist, hängt vom Einzelfall ab. Wird das Metallgefäß durch zwei parallele, einander sehr nahe gegenüberstehende Wände begrenzt, so kann der Ladungsverlust durch Diffusion den durch Rekombination überwiegen; bei allseitig geräumiger Ausdehnung des Gefäßes kann das Umgekehrte der Fall sein.

C. Sättigung. Wir betrachten eine Versuchsanordnung, wie sie in der Abb. 2 schematisch dargestellt ist. Die von der Röntgenröhre R ausgehende Röntgenstrahlung wird durch eine mit einem Loch versehene Bleiwand B zu einem schmalen Bündel ausgeblendet. Dieses durchsetzt den Zwischenraum zwischen zwei parallelen Metall- platten C, deren untere geerdet ist, und deren obere über ein hochempfindliches Galvano- meter G mit dem einen Pol einer Batterie A verbunden ist. Der andere Pol der Batterie ist ebenfalls geerdet; und da das Galvanometer G an beliebiger Stelle mit der Batterie A verbunden werden kann, so läßt sich die obere Platte C auf jede beliebige Spannung bringen und damit ein elektrisches Feld beliebiger Stärke zwischen den beiden Platten C erzeugen. Durch die ionisierende Wirkung der Röntgenstrahlen werden zwischen den Platten C Träger gebildet, von denen die positiven durch die negative Platte C, die nega- tiven durch die positive Platte C angezogen werden. Der so über die Platten C abfließende Ionisationsstrom läßt sich durch das Galvanometer G messen.

Wir verbinden das Galvanometer G zunächst mit dem geerdeten Pol der Batterie A, so daß das elektrische Feld zwischen den Platten C gleich Null wird. Wir legen dann G der Reihe nach an höhere Spannungen der Batterie A und erzielen dann immer höhere Feldstärken zwischen den Platten C. Messen wir den zu jeder Spannung e gehörigen Ionisationsstrom i, so erhalten wir die in Abb. 3 dargestellte Kurve. Für niedrige Span- nungen steigt der Ionisationsstrom proportional mit der Spannung an. Diese Proportio- nalität hört aber bald auf, und von einer gewissen Spannung an nimmt der Ionisations-

Rekombination, Diffusion, Sättigung; Temperatur, Druck 185

strom nicht mehr zu, wenn wir die Spannung auch weiter steigern. Der Ionisationsstrom ist dann unabhängig von der Spannung: wir befinden uns im Zustande der Sättigung. Dieser Sättigungszustand findet seine Erklärung darin, daß alle Ionen, die durch die Einwirkung der Röntgenstrahlen im Gase entstehen, durch das elektrische Feld auf die Platten C getrieben werden. Mehr Ionen, als in der Zeiteinheit erzeugt werden, können nicht herausgeholt werden, und aus diesem Grunde kann bei einer Spannungssteigerung der Ionisationsstrom nicht mehr zunehmen. Anders liegen die Dinge in dem Bereich der Kurve, in dem der Ionisationsstrom mit der Spannung zunimmt: hier geht eine An- zahl der gebildeten Ionen durch Rekombination und durch Diffusion an die Wände der Ionisationskammer, welche die Platten C umschließt und in der Figur nicht mitgezeichnet ist, verloren.

Die Sättigungskurve zeigt, daß man durch Wahl hinreichend hoher Spannung die störenden Einflüsse der Rekombination und Diffusion ausschalten kann. In der Praxis

Q llil

e

Erde

Abb. 2. Anordnung zum Nachweis Abb. 3. Sättigungskurve. der Sättigung.

genügen im allgemeinen einige hundert Volt, um Sättigung zu erzielen. Man wird sich aber in jedem Einzelfalle davon zu überzeugen haben, ob die verwendete Spannung zur Erzielung der Sättigung ausreicht; denn der Ionisationsstrom kann nur dann als Maß für die Intensität der Röntgenstrahlung dienen, wenn sich nicht ein im Einzelfalle unbekannter Bruchteil der erzeugten Ionen durch Rekombination und Diffusion der Messung entzieht.

4. Einfluß von Temperatur und Druck.

Der Einfluß von Temperatur und Druck auf die von Röntgenstrahlen hervorgerufene Ionisation wurde von Me Clung für Luft, Kohlensäure und Wasserstoff untersucht. Me Clung stellte zwei Versuchsreihen auf; bei der einen Reihe wurde die Dichte des Gases konstant gehalten und seine Temperatur geändert. Hierbei zeigte sich die Ionisa- tion in dem untersuchten Intervall zwischen + 15° C und + 272° C unabhängig von der Temperatur. Dieses Ergebnis ist durchaus plausibel; denn bei konstant gehaltener Dichte bleibt die Zahl der Moleküle im Versuchsraum die gleiche, und diese ist ausschlag- gebend für die gebildete Trägerzahl, nicht aber die Geschwindigkeit der Gasmoleküle, in der ja die Temperatur des Gases ihren Ausdruck findet. Bei der anderen Versuchsreihe wurde der Druck konstant gehalten und wieder die Temperatur verändert; hier erwies sich die Ionisation umgekehrt proportional der absoluten Temperatur. Auch dieses Ergebnis ist durchaus einleuchtend. Denn nach den Gesetzen von Boyle-Mariotte und Gay-Lussac ist bei konstantem Druck die Dichte eines Gases umgekehrt pro- portional der absoluten Temperatur.

Wenn nicht besondere Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, sind die Ionisations- kammern nicht luftdicht. Infolgedessen wird die Luftdichte in der Kammer gleich der außen herrschenden Luftdichte sein, und deshalb wird die von denselben Röntgenstrahlen hervorgerufene Ionisation im allgemeinen umgekehrt proportional der absoluten Tem-

186 H. Küstner

peratur sein. Der Nullpunkt der absoluten Temperaturskala liegt bei 273° C. Um reproduzierbare Werte für die von derselben Röntgenstrahlung bei verschiedenen Tem- peraturen gemessene lonisation zu erhalten, ist man deshalb genötigt, die Ionisations- messung auf eine bestimmte Temperatur zu reduzieren. Am einfachsten wählt man hierzu C = + 273° absolut. Hat man bei C die Ionisation J, gemessen, so erhält man die bei gleichem Druck auf C reduzierte Ionisation Jọ nach der Formel

273 +t t "ao =J;' (i -+ z5) = J. (1 + 0,00367 t).

Außerdem wird aber auch der Außendruck und mit ihm der Druck in der Ionisations- kammer schwanken; man wird also auch hier gezwungen sein, auf einen bestimmten Druck zu reduzieren, und man wird, wie allgemein üblich, hierfür den Druck von 760 mm Quecksilber wählen. Man hat dementsprechend die letzte Formel zu erweitern und er- hält die auf C und 760 mm Quecksilber reduzierte Ionisation Jọ en aus der bei t? C und beim abgelesenen Barometerstande von p mm Quecksilber gemessenen Ioni- sation J;, p nach der Formel

Jo = Je

760 due = Je, p` (L + 0,00367 t): ->> (la)

Reduziert man nicht auf 0°, sondern auf 18° C, so wird, wie man sich durch eine einfache Rechnung überzeugen kann,

273 Lt due = du Sg = J; (0,938 + 0,00343 tt), und dementsprechend 760 dun. zou = Jt, EE ER (1b) Von dieser Formel werden wir bei der C2 Hs Br

Standarddosismessung Gebrauch machen (IX. Kap.).

In Abb. 4 ist eine Messung von Crowther wiedergegeben. Die Proportio- nalität zwischen Ionisation und Druck für Luft und Chloräthyl wird durch den ge- radlinigen Verlauf der Kurven dargetan. Daß auch Abweichungen von der Propor- tionalität auftreten können, beweist die oberste Kurve für Bromäthyl durch ihren gekrümmten Verlauf. Die Ursache ist darin zu suchen, daß Brom als ein Element, das

eine höhere Stelle im periodischen System

0 6 10 15 20 SC i Druck in cm einnimmt, unter dem Einfluß der Röntgen- Abb. 4. Ionisation in verschiedenen Gasen in strahlen eine ihm charakteristische, sekun- Abhängigkeit vom Drucknach Crowther. (Aus däre Röntgenstrahlung aussendet, welche Pohl: „Die Physik der Röntgenstrahlen‘). ihrerseits wieder eine Ionisation hervorruft. Wir haben also unser oben aufgestelltes Gesetz, daß die Ionisation dem Druck proportional sei, dahin einzuschränken, daß das ionisierte Gas im Wellenlängenbereich der ionisierenden Röntgenstrahlen nicht zur Emission seiner charakteristischen Strahlung angeregt werden darf. Wie wir im II. und

lonisation

GBsQ

Elektronenemission und periodisches System 187

VII. Kapitel weiter sehen werden, ist diese Bedingung für die zur Füllung der Ioni- sationskammern meist benutzte Luft mit hinreichender Genauigkeit erfüllt. Ein- gehender werden wir uns mit der Druckabhängigkeit der Ionisation im VII. Kapitel befassen, wenn wir mit den physikalischen Grundvorgängen bei der Ionisation näher vertraut sind.

Ə. Aggregatzustand; Emissionsfähigkeit der chemischen Elemente für Primärelektronen.

Dorn zeigte 1900, daß auch Metalle, die von Röntgenstrahlen getroffen werden, Elektronen emittieren. Der Primärvorgang der Ionisation ist also nicht allein auf den gasförmigen Zustand beschränkt.

he N A ee E

<.

i H AA N e l ba D

N e

70 20 30 A A E 2 A 7 —— öronungszahl der Elemente

Abb. 5. Emissionsfähigkeit der Elemente für Röntgenelektronen nach Berg und Ellinger.

Wenn die lonisationswirkung auch keine direkte ist, sondern sich erst auf dem Um- wege über die sekundären Träger auswirkt, welche durch die von den Röntgenstrahlen aus den Gasatomen oder -molekülen herausgerissenen Primärelektronen an diesen ge- bildet werden, so wird doch bei Sättigung die Gesamtionisation der Zahl der von den Röntgenstrahlen ausgelösten Primärelektronen proportional sein. Aus diesem Grunde ist es von Interesse zu erfahren, in welcher Weise die verschiedenen Elemente des periodischen Systems (vgl. Tabelle 16) durch Emission von Primärelektronen auf die- selbe Röntgenstrahlung reagieren. Die umfangreichsten Untersuchungen in dieser Hinsicht verdanken wir Berg und Ellinger. Diese verwendeten zwar nicht Röntgen- strahlen einer bestimmten Wellenlänge allein. Sie arbeiteten vielmehr mit dem unge- filterten Strahlengemisch, das von einer Glühkathodenröntgenröhre bei 84, 120 und 146 kV. Scheitelspannung ausgeht. Die Ionisation an Luft, welche die durch die Röntgen- strahlen aus den Atomen der verschiedenen Elemente herausgerissenen Primärelektronen erzeugen, wurde gemessen und kann angenähert als Maß dienen für die Fähigkeit der Elemente, bei Röntgenbestrahlung Primärelektronen zu emittieren. Die Ergebnisse

188 H. Küstner

sind in Abb. 5 dargestellt. Als Abszisse ist die Stellenzahl der bestrahlten Elemente im periodischen System aufgetragen, als Ordinate ihre Elektronenemission. Das Er- gebnis lehrt, daß das Emissionsvermögen eines Elementes für Röntgenelektronen um so größer ist, je höher seine Stellenzahl im periodischen System ist, und daß für ein be- stimmtes Element die Zahl der emittierten Elektronen mit der Härte der Röntgen- strahlung zunimmt. Denn, wie wir im X. Kapitel sehen werden, nimmt die mittlere Härte eines Strahlengemisches mit der .Scheitelspannung zu, die an der Röhre liegt. Wenn diese mit verhältnismäßig inhomogenen Strahlengemischen erzielten Ergebnisse auch noch keine genauen quantitativen Schlüsse zulassen, so scheint doch ein Gang in

der Emissionsfähigkeit der Elemente vorhanden zu sein,

Tabelle 1. Relativelonisation der mit den Perioden des periodischen Systems parallel

an verschiedenen Gasen

sch d J Thomson: läuft. Die Edelgase, die immer eine Periode des Systems beschließen, sind durch punktierte Linien in Abb. 5 ein- Gas q getragen, und es scheint so, als ob der Anstieg der Emis-

sionsfähigkeit beim Tabelle 2. Relative Ionisation Beginn der Perio- „n verschiedenen Gasen, be- den verlangsamt obachtet und berechnet von

und gegen Ende der J. J. Thomson.

Periode beschleu- horse i S

Diet ma ` beobachtet berechnet Wir dürfen ausdie-

sen Versuchsergeb- nissen den Schluß ziehen, daß wir, um eine starke Ioni- sationswirkung zu erzielen, wie dies zur Messung sehr schwacher Röntgenstrahlen bisweilen nötig ist, die Röntgenstrahlen auf ein Element von hoher Stellenzahl auffallen lassen können. Es geschieht dies entweder, indem wir eine Ionisationskammer mit einem Gase füllen, das schweratomige Elemente enthält, wie z. B. Brom im Bromäthyl, oder, indem wir ein festes Element hoher Stellenzahl so in die Ioni- sationskammer bringen, daß dieses von den Röntgenstrahlen getroffen wird, und daß die an ihm ausgelösten zahlreichen Primärelektronen an dem Gase der Ionisationskammer die Träger bilden. Wollen wir anderseits reine Luftionisation beobachten, so müssen wir die Ionisationskammer aus möglichst leichtatomigem Material herstellen und peinlichst ver- meiden, daß die Röntgenstrahlen schweratomige Elemente treffen, da die von ihnen aus- gehende lonisation die von der Luft herrührende um das Mehrfache übertreffen kann.

Ein wichtiges Gesetz für den Beitrag, den jedes Atom eines Gasmoleküls oder Gas- gemisches zur lonisation liefert, fand J. J. Thomson. Die Ionisation q, die verschiedene Gase relativ zur Luft lieferten, wenn er sie mit demselben Röntgenstrahlengemisch be- strahlte, zeigt Tabelle 1. Thomson fand nun, daß die Ionisation eines Gases nahezu eine additive Eigenschaft seiner Bestandteile ist. Ist 2 (A) der Wert von q für ein Gas A,, 2 (B) der Wert für ein Gas B, usw., dann ist der Wert von q für ein Gas A, Bm Cn gleich 1 (A) + m (B) + n (C). Wenn wir demnach die Zahlen, die in der 2. Spalte der Tabelle 1 für H}, Na O,, CO,, SO, und Cl, angegeben sind, benutzen, um die Werte von 2 (H), 2 (N) usw. zu bestimmen, so finden wir

(H) = 0,165 (0) = 0,55 (S) = 5,3 (N) = 0,445 (C) = 0,3 (Ch) = 8,7.

Ionisation in Gasgemischen. Einfluß der Feuchtigkeit 189

Wenn wir diese Zahlen zur Berechnung der lonisation in den anderen Gasen der Tabelle 1 verwenden und das Additionsgesetz benutzen, so erhalten wir die Resultate der Tabelle 2. Es ist demnach mit Ausnahme von C,N, eine Übereinstimmung innerhalb der Fehlergrenzen des Experiments vorhanden.

6. Einfluß der Feuchtigkeit.

Die atmosphärische Luft enthält im allgemeinen einen gewissen Prozentsatz Feuchtigkeit, und es ist zu erwarten, daß wenigstens angenähert derselbe Feuchtigkeits- grad in der Ionisationskammer vorhanden ist. Es ist von großer Wichtigkeit, zu wissen, ob durch diesen Gehalt an Feuchtigkeit die Ionisation merklich beeinflußt wird. Messun- gen hierüber sind dem Verfasser nicht bekannt. Es läßt sich indessen zeigen, daß sich auch in mit Wasserdampf gesättigter Luft die Ionisation um weniger als 2°/,, von der Ionisation an trockener Luft unterscheidet. Berechnet man, nach den Angaben Thom- sons, die Ionisation im Wasserdampf, so erhält man

für H 0,165 » H 0,165 » O 055

für H,O 0,880

Nehmen wir Luft von 18° C als mit Wasserdampf gesättigt an, so ist der Partial- druck des Wasserdampfes gleich 15,5 mm Quecksilber. Wenn also bei 760 mm Queck- silber im Wasserdampf die Ionisation relativ zur Luft nur 0,880 beträgt, so beträgt sie bei 15,5 mm nur 0,0179. Da sich der Druck eines Gasgemisches aus den Partialdrucken seiner Komponenten zusammensetzt, so entfällt bei mit Wasserdampf gesättigter Luft von 760 mm Quecksilber auf den trockenen Anteil Luft 744,5 mm Quecksilberdruck. In Luft von diesem Drucke beträgt die relative Ionisation aber nur 0,9803. Die Gesamt- ionisation in der mit Wasserdampf gesättigten Luft beträgt also

für den Anteil an trockener Luft 0,9803 ben u S Wasserdampf 0,0179 also für die mit Wasserdampf gesättigte Luft 0,9982

Sie unterscheidet sich also nur um 1,8°/,, von der Ionisation in trockener Luft! Wir dürfen den Feuchtigkeitsgehalt der Luft demnach ruhig vernachlässigen.

7. Die lonisation in Abhängigkeit von der Wellenlänge der Röntgenstrahlen.

Läßt man der Reihe nach Röntgenstrahlen abnehmender Wellenlänge auf ein Ele- ment fallen, so nimmt die Ionisation für Röntgenstrahlen bestimmter Wellenlänge sprung- haft zu, und zwar fällt die plötzliche Zunahme der lonisationswirkung zusammen mit einer sprunghaften Steigerung der Absorption, die die Röntgenstrahlen in dem bestrahlten Element erleiden. Für dieselbe Wellenlänge setzt ebenfalls sprunghaft die Emission der charakteristischen sekundären Röntgenstrahlung ein, die dem bestrahlten Element eigen ist. In Abb. 6 ist dieses sprunghafte Auftreten der charakteristischen Strahlung und die sprunghafte Zunahme der Elektronenemission nach Messungen von Barkla und Sadler dargestellt, die mit der sprunghaften Steigerung der Absorption Hand in Hand geht, wenn beispielsweise Eisen bestrahlt wird.

Dieser Umstand läßt eine wichtige Vorsichtsmaßregel geboten erscheinen. Will man die Intensität der Röntgenstrahlen verschiedener Wellenlänge nach der Ionisations- methode messen, so muß man sorgsam darauf achten, daß die Ionisationskammer kein

190 H. Küstner

Element enthält, dessen Absorption in dem zu untersuchenden Wellenlängenbereich der Röntgenstrahlen einen Sprung aufweist. Wäre beispielsweise eine Ionisationskammer nicht eisenfrei, und wollte man die In- tensität von Röntgenstrahlen der Wellen- längen 2,0 und 1,6 Ä!) miteinander ver- gleichen, so würde auch dann, wenn die beiden Intensitäten in Wirklichkeit gleich wären, die Intensität der kurz- welligeren Strahlung im ungünstigsten Falle 38mal so groß erscheinen als die bei der längeren Wellenlänge.

Kaye hat in der Tabelle 3 nach Messungen von Beatty,Owen, Barkla und Philpot die Ionisationen zusam- mengestellt, welche Röntgenstrahlen verschiedener Wellenlänge in verschie- denen Gasen, relativ zu der lonisation in Luft, auslösen: hierbei zeigt sich, daß sich die Ionisation an Gasen, die euer linge in nur Elemente niedriger Stellenzahl ent- ap», 6. Massenabsorptionskoeffizienten des Eisens halten, von der Ionisation an Luft für für Röntgenstrahlen nach SadlerundBarkla,und verschiedene Wellenlängen nur durch Emissionskoeffizienten des Eisens für Elektronen einen konstanten Faktor unterscheidet. und charakteristische Strahlung nach Sadler, in Demgegenüber steigt die Ionisation am Abhängigkeit m Wellenlänge der primären

A , l , ntgenstrahlen.

Bromäthyl an einer Stelle, die mit dem Absorptionssprung des Brom zusammenfällt, sprunghaft an, und auch für CH,J nimmt die Ionisation relativ zu der an Luft mit sinkender Wellenlänge zu.

095 de 08 10 12 74 16 18 20 2243

Tabelle 3. Ionisation, relativ zu der in Luft, für verschiedene Gase und Wellenlängen der Röntgenstrahlen nach Kaye.

i Gent? ; : ich z TE Ionisation relativ zu der in Luft (gleich 1 gesetzt)

1,93 0,00571 1,58 11.3 41.2 1,65 = 1.55 11,6 162 1,54 0.00573 1,55 11,8 42,0 152 1,43 0,00570 1,54 11,5 41.6 = 1,17 0,00573 1,51 11,7 42,2 158 1,10 1,53 11,8 41,7 = 0,871 1.53 11,8 153 0,708 1,54 11,5 213 188 0,562 m 272 198 0.487 an 335 205 0,468 = = == 0,437 = 211 0,388 į >= = 251

= 0.00000001 em = 0,000 0001 mm.

Ionisation durch Strahlen verschiedener Härte. Schwächung 191

Zweites Kapitel. Schwächung. Absorption und Streuung.

Wir sahen im I. Kapitel, daß Ionisation nur dann auftreten kann, wenn durch die Energie der Röntgenstrahlen Planetenelektronen aus ihrem Atomverbande losgerissen werden und dank ihrer Geschwindigkeit beim Zusammenstoß mit Gasmolekülen diese ionisieren. Auch die zu diesem eigentlichen Ionisationsvorgange erforderliche Energie verdanken die Elektronen der Röntgenstrahlung. Energie kann niemals verlorengehen oder gewonnen werden. Die Energie kann nur ihre Erscheinungsform wechseln. Die zum Ionisationsvorgang erforderliche Energie muß also den Röntgenstrahlen verloren gehen. Nur dann, wenn Röntgenstrahlung absorbiert wird, kann lonisation entstehen. Zur genauen Kenntnis des Ionisationsvorganges ist deshalb die Kenntnis der Absorptions- gesetze der Röntgenstrahlen von Wichtigkeit.

Wenn Röntgenstrahlung ein Medium durchsetzt, so wird sie geschwächt. Aber nur ein Teil der Schwächung entfällt auf die Absorption. Ein anderer Teil wird gestreut. Die Kenntnis der Streugesetze der Röntgenstrahlen ist aus einem zweifachen Grunde von Wichtigkeit. Einerseits wird die Verteilung der Röntgenstrahlung in der Körper- tiefe wesentlich durch die Streuung der Röntgenstrahlen bestimmt. Anderseits ist, wie neueste Untersuchungen gelehrt haben, auch mit dem Streuvorgange eine Ionisations- wirkung verknüpft. Auch bei diesem wird ein bestimmter Bruchteil der Röntgen- energie absorbiert, der zur Ionisation verbraucht wird, und um diesen Bruchteil an Ener- gie ist die gestreute Strahlung ärmer geworden.

l. Schwächung.

Tritt Röntgenstrahlung der Intensität J, in ein Medium ein, so ist sie nach Durch- laufen von dem auf den Wert J geschwächt. Den Zusammenhang zwischen diesen Größen gibt die Gleichung:

A deent, (2)

Hierin bedeutet u den sog. ‚„Schwächungskoeffizienten“. Mit Hilfe der Tabelle 4 kann man für jedes bekannte u die Intensität in einer bestimmten Tiefe d bestimmen: für jedes ud = x liefert die Tabelle 4 den Wert e”*, den man mit Jọ zu multiplizieren hat, um J zu erhalten.

Die experimentelle Bestimmung des Schwächungskoeffizienten u für Röntgen- strahlen verschiedener Wellenlänge und für die verschiedenen Elemente des perio- dischen Systems als schwächende Medien hat keine prinzipielle Schwierigkeit. Man braucht nur die Dicke d des schwächenden Mediums, die Intensität J, der Röntgen- strahlen vor Eintritt in dasselbe und ihre Intensität J nach Wiederaustritt aus diesem zu bestimmen, um mit Hilfe der Tabelle den Schwächungskoeffizienten zu erhalten. e = 2,7183 ist die Basis des natürlichen Logarithmensystems.

Hierzu sei bemerkt, daß dieses Verfahren, bei Anwendung der lIonisationsmethode, den Schwächungskoeffizienten absolut liefert, d. h. unabhängig von der Wellenlängen- empfindlichkeit der Ionisationskammer, wenn man mit monochromatischer, also spektral zerlegter Röntgenstrahlung arbeitet. Denn die Wellenlänge einer monochromatischen Röntgenstrahlung ändert sich beim Durchtritt durch ein Filter nicht, man mißt also mit und ohne schwächendes Medium J und J, bei derselben Wellenlänge, für die die Empfindlichkeit der Ionisationskammer dieselbe ist.

192 H. Küstner

Tabelle A Werte von e—3.

Absorption und Streuung 193

2. Absorption.

Wie wir schon im I. Kapitel sahen, nimmt beim Übergang von langen zu kurzen Wellenlängen der Röntgenstrahlen die Absorption in einem bestimmten chemischen Element für eine bestimmte Wellenlänge sprunghaft zu, um bei weiterer Steigerung der Wellenlänge wieder allmählich abzunehmen. In Abb. 6 war dieses für Eisen dargestellt, und es wurde dort schon darauf hingewiesen, daß die Wellenlänge dieser sog. ‚‚Absorp- tionsbandkante“ in enger Beziehung zur charakteristischen Strahlung des absorbierenden Elements steht. Wir wollen an dieser Stelle von einer näheren Erörterung dieses Ab- sorptionssprunges absehen, um an späterer Stelle darauf zurückzukommen. Wir erstrecken unsere Betrachtungen hier nur auf denjenigen Wellenlängenbereich, der kurzwelliger ist als die Absorptionsbandkante der härtesten Spektralserie, der K-Serie, in dem die Ab- sorption also stetig mit der Wellenlänge abnimmt.

Die ersten Messungen der Absorption der Röntgenstrahlen verschiedener Wellen- länge durch die verschiedenen chemischen Elemente rühren von Barkla und Sadler her und stammen aus einer Zeit, in der man noch annahm, daß die Schwächung der Rönt- genstrahlen in einem Medium identisch sei mit deren Absorption in diesem. Im Anschluß an diese Messungen, die sich nur auf verhältnismäßig langwellige, ziemlich monochro- matische Röntgenstrahlen beziehen, konnten Kossel und Siegbahn zeigen, daß für alle Elemente ein universelles Absorptionsgesetz gilt. Ist nämlich p die Dichte des schwächenden Elements und A die Wellenlänge der Röntgenstrahlen, so läßt sich die allgemein gültige Gleichung

aan (3)

aufstellen, worin A und b Konstanten sind. Und zwar hat b im allgemeinen denselben Wert für alle Elemente und Wellenlängen, während A von der Stellenzahl des schwächen- den Elements im periodischen System abhängt.

Weitere Ausdehnung der Untersuchungen in ein kurzwelligeres Röntgengebiet als das von Barkla und Sadler untersuchte zeigten indessen Abweichungen vom Absorp- tionsgesetz von Kossel und Siegbahn. Glocker erklärte diese durch die Streuung der Röntgenstrahlen.

3. Streuung.

Seit Laues Entdeckung der Röntgenspektroskopie im Jahre 1912 wissen wir, daß Röntgenstrahlung nichts anderes ist als kurzwellige Lichtstrahlung. Tritt sichtbares Licht durch ein trübes Medium, beispielsweise durch Nebel, so wird ein Teil desselben aus seiner Bahn abgelenkt, es wird gestreut. Für Röntgenstrahlen verhält sich alle Ma- terie wie ein trübes Medium. Die gestreute Strahlung geht der Primärstrahlung verloren und macht deshalb einen Teil der Gesamtschwächung aus, die die Primärstrahlung im Medium erleidet.

Dementsprechend wies Glocker darauf hin, daß sich der Ausdruck A- Ab nur auf

die Absorption beziehe und daß die Gleichung (3) für j , den „Schwächungskoeffizienten e R pro Masseneinheit‘‘, in folgende Form abgeändert werden muß:

O E Ee (4) e e

, d u. worin O den „Streuungskoeffizienten“ und den „Streukoeffizienten pro Masseneinheit“ H

bedeutet. Barkla und Sadler hatten gefunden, daß dieser für leichtatomige Elemente

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 13

194 | H. Küstner

Tabelle 5. Se nach Barkla und Sadler.

6 p. - für Material TEE, P Atomgewicht Beobachter E = weiche Strahlen Luft 0,2 14 u. 16 Barkla C 0,2 0,2 12 Al 0,2 0,4? 27 Cu 0,4 1,5 63 Barkla und Sadler Ag 1,5 -— 108

nahezu unabhängig von der Wellenlänge der Röntgenstrahlen den Wert 0,2 besitzt (Tabelle 5). Nach den Untersuchungen von Kossel und Siegbahn war der Exponent b nicht viel kleiner als 3; infolgedessen muß bei langwelligen Röntgenstrahlen das Glied

o AAR groß gegen F werden, so daß die Schwächung praktisch gleich der Absorption ist.

Aus diesem Grunde erhielten Barkla und Sadler bei ihren oben erwähnten Messungen, die eigentlich Schwächungsmessungen und keine reinen Absorptionsmessungen waren, dennoch gute Werte für die Absorption, denn sie arbeiteten nur mit verhältnismäßig langwelligen Strahlen. Demgegenüber wird aber auch bei groBen Werten von A für

o hinreichend kleines A der Massenstreuungskoeffizient = 0,2 vergleichbar werden mit

AAR, Auf Grund dieser Überlegung konnte Glocker die Übereinstimmung seiner Formel mit den Messungen für langwellige und kurzwellige Röntgenstrahlen auch quan- titativ dartun.

4. Schwächung = Absorption + Streuung.

Durch die unter 1. geschilderte Methode mißt man den Schwächungskoeffizienten, also die Summe von Absorptionskoeffizienten und Streukoeffizienten. Eine wichtige Aufgabe ist aber die, die

Tabelle 6. Massenschwächung = beiden letzteren einzeln Massenabsorption - Massenstreuung.

zu bestimmen. Hierzu ist entweder eine wei- tere Einzelmessung des einen von beiden oder

Kohlenstoff . ..... . 1,0 + 0,18 gemessen eine weitere Annahme Aluminium . . . 2... 14.5.33 + 0,16 5 nötig. , A3 |

EISEN e 5% P e i In neuester Zeit wur-

Den. ° —- den Schwächung, Ab- Blut 8. 6 28. et A 2,5 ° A3 + 0,18 berechnet sorption und Streuung Fettgewebı 1,6 + 0,18 si É R 5 Muskel 22:22 + 018 | ` pro Masseneinheit für Knochen 11 -% + 0,18 d verschiedene Elemente EE o 3-5: 0-8 dus ée A & 2,6 A3 + 0,17 | 2 und verschiedene Wel-

lenlängen der Röntgen- strahlen von Richtmyer, Hewlett, Duane und Mazumder untersucht. Diese arbeiteten mit spektral zerlegter, also vollkommen monochromatischer Röntgenstrahlung. Sie erhielten Absorptions- und Streuungskoeffizienten pro Masseneinheit dabei auf Grund der Annahme, daß für harte Strahlen dasselbe Absorptionsgesetz gelte wie für

Schwächung für verschiedene Elemente und Verbindungen 195

weiche, und daß die beobachtete Abweichung des gemessenen Schwächungskoeffizienten von dem im Gebiet weicher Röntgenstrahlen bestimmten Absorptionskoeffizienten gleich sei der Streuung pro Masseneinheit. Ihre Ergebnisse sind im Auszug in Tabelle 6 zu- sammengestellt.

Sie fanden:

a) Die Konstante A ist mit großer Genauigkeit proportional der dritten Potenz der Stellenzahl Z des absorbierenden Elements im periodischen System (Tabelle 16);

b) es ist b = 3, d. h. der Absorptionskoeffizient steigt proportional mit der dritten Potenz der Wellenlänge an;

c) für leichte Elemente ist nahezu gleich 0,18 und imwesentlichen unabhängig von der Wellenlänge. d

Für leichte Elemente nimmt daher die Glockersche Formel die Gestalt an:

5 54-38 +0,18 = konstans: D'A + 0,18. (5)

Der Wert der Konstanten ist etwa 0,00612.

5. Schwächung für chemische Verbindungen und Gemische.

Kennen wir das Schwächungsgesetz für die einzelnen Elemente, aus denen sich eine chemische Verbindung oder ein Gasgemisch zusammensetzt, so können wir nach Benoist auch das Schwächungsgesetz für die chemische Verbindung oder für das Gasgemisch

berechnen. Bedeuten ES = ... die Massenschwächungskoeffizienten der Komponenten ı Pa und sind P,, P}... die Gewichtsprozente, nach denen sie im Gemisch vorhanden sind,

so ist der Massenschwächungskoeffizient des Gemisches oder der Verbindung

EPpy tP +... (6) P P2

Ebensogut kann man auch folgendermaßen rechnen. Enthält 1 Molekül vom Molekular-

gewicht M einer chemischen Verbindung N, Atome des ersten, N, Atome des zweiten

Elements usf., und sind A4, A, usf. deren Atomgewichte, E "2 asf. deren Schwächungs-

Pa koeffizienten pro Masseneinheit, so ist der Massenschwächungskoeffizient der Verbindung

H Ip p Mp

Die Tabelle 6 zeigt die Absorptions- und Streuungskoeffizienten pro Masseneinheit für eine Reihe Bestandteile des menschlichen Körpers, die vom Verfasser nach dieser Formel berechnet wurden. Eserweistsich, daß für diese angenähert dieselben Zahlen- werte gelten, und zwar sind es dieselben Zahlenwerte, die an Wasser experimentell ermittelt wurden. Wir können hieraus den für die Dosismessung sehr wichtigen Schluß ziehen, daß Wasser für Phantommessungen ein außerordentlich günstiges Medium darstellt.

ANA Nat...) (7) 2

6. Berechnung der Schwächung, Absorption und Streuung von Luft.

Die Zusammensetzung der Luft beträgt nach Kohlrausch, Lehrbuch der prak- tischen Physik, Tabelle 6, in Gewichtsprozenten: 13*

196 H. Küstner

Element Z Atomgewicht Gewichtsprozente Absorptionsbandkante

Sauerstoff 8 16,00 23,2 Stickstoff 7 14,01 75,5 Argon 18 39,88 1,3 3,866 Ä Krypton 36 82,92 0,028 ca. 0,850 Ä Xenon 54 130,2 0,005 0,359 Å.

Die Röntgenstrahlung, deren Ionisation vielfach gemessen werden muß, ist meist kurzwelliger als die K-Absorptionsbandkante des Argon; sie kann aber sowohl härter als weicher sein als die K-Absorptionsbandkante von Krypton und Xenon. Wir müssen also zunächst berücksichtigen, daß bei diesen beiden Gasen oberhalb und unterhalb der Absorptionsbandkante andere Konstanten in die Glockersche Formel eingesetzt werden müssen. Diese Konstanten ergeben sich für die einzelnen Elemente aus den Messungen von Richtmyer und Hewlett wie folgt:

Sauerstoff: S = 2,66- %3 + 0,165 für A< Aa | N Stickstoff: -- = 1,98 - 28 + 0,168 Ae A p S i wobei bedeutet: Argon: E o A8 0.160 N u = Schwächungskoeffizient; p gek j ge pv Dichte; H A =: Wellenlänge in A; K S e "A3 __ ; Be p = aa E Aa = Absorptionsbandkante der dE WER K = Serie; ge e E EE » A> Än | Z = Stellenzahl im periodischen System. Xenon: S 825 -%+12 » A< Aa Leg E= 3408 „AD,

Aus diesen Schwächungskoeffizienten der einzelnen Komponenten ergibt sich für den des Gemisches Luft nach Benoist:

2,56 : A8 + 0,17 für X > 0,850Ä 2,633 +0,17 ,, 0,850 À > ì > 0,359 À (8)

= 2,66 : X3 +0,17 A< 0,359 Á

oder, wenn man die Dichte der Luft bei C und 1 Atmosphäre gleich 0,001293 setzt, für deren Schwächungskoeffizienten :

= 0,00331 - A7 + 0,00022 für X > 0,850 À | uw = 0,00340 : A3 + 0,00022 ,, 0,850 A>% > 0,359 A, (9) w = 0,00344 - 23 + 0,00022 ,, A< 0,359 A

Ist die auf dem Wege von d em absorbierte, J, die auf diesem Wege gestreute und J, die einfallende Energie, so erhält man unter Verwendung der Gleichungen (2) und (4)

Schwächung, Absorption und Streuung von Luft 197

AN? 700 = f ern d Jo 0) 2 Liebe SE reuter A ) Jess LE und G za 70 = El d EZ (11) R Dann ist das Verhältnis der gestreuten zur ab- ` sorbierten Energie a Jo og D

a (12) Berechnet man dieses für Luft und Wasser und für verschiedene Wellenlängen der Röntgen- _ 29 / strahlen, und ermittelt man hieraus den ge- a a Ges 07 00 0 W streuten und absorbierten Anteil in Prozenten BEE i , der Gesamtschwächung, so erhält man die in -nten der on ung Streuung in Fra: ` chwächung für Röntgenstrahlen Abb. 7 dargestellte Kurve. Das gleiche Ergebnis verschiedener Wellenlänge in Wasser und bei Wasser und Luft ist darauf zurückzuführen, Luft nach Küstner. daß die Zahlenwerte für die Schwächung recht gut übereinstimmen, wie Tabelle 5 lehrt. Die Kurve zeigt, daß bei weichen Strahlen der größte Teil absorbiert, bei harten Strahlen der größte Teil gestreut wird; bei einer Wellenlänge von 0,2 A werden 90%, gestreut und 10%, absorbiert, bei 0,1 Ä werden etwa 99%, gestreut und 1%, absorbiert!

7. Neuere Einzelmessungen des Streukoeffizienten.

Wir hatten oben erwähnt, daß nach den ersten Messungen, die von Barkla und Sadler herrühren, der Streukoeffizient pro Masseneinheit für leichtatomige Elemente nahezu unabhängig von der Wellenlänge der Röntgenstrahlen den Wert 0,2 besitzt. Wie wir heute wissen, sind y-Strahlen außer- ordentlich kurzwellige Röntgenstrahlen. Messungen des Streukoeffizienten der y-Strah- enten pro Masseneinheit Z mit der len, die von verschiedener Seite vorgenommen Wellenlänge nach Barkla und Sale. wurden, hatten einen wesentlich kleineren Streukoeffizienten pro Masseneinheit als 0,2 ergeben. Es scheint demnach so, als ob auch der Streukoeffizient von der Wellenlänge ab-

Tabelle 7. Abnahme des Streukoeffizi-

Im Wellen- | Änderung von längenbereich

Streustrahler 6,0 o - mn% e /0

hängig sei, und zwar, als ob er mit dieser C (Papier) 0,68—0,33 10 abnehme. Untersuchungen in dieser Rich- Al 0,48—0,33 : 18 tung sind von verschiedener Seite durch- Cu 0,48—0,33 30

geführt worden.

Barkla und Sale ließen bei verschiedenen Spannungen und Filterungen hergestellte Röntgenstrahlengemische auf verschiedene Medien fallen und maßen die unter einem Winkel von 90° von diesen ausgehende Streustrahlung nach der Ionisationsmethode. Tabelle 7 zeigt, daß innerhalb der Wellenlängenbereiche, die ihre Strahlungsgemische im Mittel repräsentieren, der Massenstreuungskoeffizient mit der Wellenlänge merklich abnimmt. Nach einer anderen Methode arbeitete Statz. Er bestimmte die Massen- schwächung und, auf einem von Neukirchen angegebenen Wege, die Massenabsorption für Aluminium und Wasser getrennt. Die Differenz beider Ergebnisse liefert den Streu- koeffizienten pro Masseneinheit. Während dieser bei Aluminium eine Abnahme mit der

198 H. Küstner

Wellenlänge aufweist (Tabelle 8), konnte Statz bei Wasser keinen Gang mit der Wellen-

länge nachweisen. Wenn wir demnach auch annehmen müssen, daß auch der Streukoeffizient pro Masseneinheit etwas mit der Wellen-

Tabelle $. Schwächung p, Absorption u und länge abnimmt, so ist doch eine so Streuung o pro Masseneinheit für harte Rönt- genstrahlen an Aluminium nach Statz.

starke Wellenlängenabhängigkeit wie beim Absorptionskoeffizienten pro Masseneinheit sicherlich nicht zu erwarten. Aus diesem Grunde wer- den auch Tabelle 6 und Abb. 7, die unter der Annahme eines konstanten Streuungskoeffizienten berechnet wurden, die Verhältnisse einiger- maßen richtig wiedergeben.

Drittes Kapitel.

Streuung. Ionisation bei der Streuung.

I. Streuung an gebundenen Elektronen.

Nach unserer im I. Kapitel entwickelten Vorstellung werden die Kerne der Atome von Planetenelektronen umkreist. Wir befassen uns zunächst mit dem Streuungsvorgang an gebundenen Elektronen. Hierunter verstehen wir solche Elektronen, die beim Streuungsvorgange nicht aus dem Verbande ihres Atoms gerissen werden. Da dieser Streuungsvorgang, gemeinsam mit jenem an freien Elektronen, bei der Tiefendosierung eine wichtige Rolle spielt, so sollen die Gesetze der Streustrahlung am gebundenen Atomelektron hier behandelt werden.

J. J. Thomson hat die Theorie der Streustrahlung auf dem Boden der klassischen Elektrodynamik entwickelt. Er ging dabei von der Voraussetzung aus, daß Röntgen- strahlung eine elektromagnetische Strahlung im Sinne Maxwells sei wie das Licht. Sie ist charakterisiert dadurch, daß ein elektrischer Zustand transversal oder rechtwinklig zur Fortpflanzungsrichtung schwingt. Thomson nahm an, daß jedes Elektron des Atoms unter Einwirkung dieses transversalen elektrischen Feldes in Schwingungen versetzt werde und die hierbei absorbierte Energie wiederum nach allen Richtungen ausstrahle. Die von einem Atom ausgehende Streustrahlung muß demnach der Elek-

tronenzahl im Atom proportional sein. Aus Thomsons Theorie ergehen sich zwei wichtige Folgerungen.

Barkla und Sadler hatten den Streuungskoeffizienten pro Masseneinheit "` be- stimmt und ihn für leichtatomige Streustrahler zu 0,2 gefunden (Tabelle 5). Aus Thom- sons Theorie folgt aber, daß

=K: 7 (13)

sein muß, wobei K cine universelle, von der Natur des Strahlers unabhängige Größe ist, deren Wert sich zu 0,40 ergibt; Z ist die Zahl der Planetenelektronen im Atom. und

Streuung an gebundenen Elektronen 199

A dessen Atomgewicht, bezogen auf Wasserstoff gleich 1. Kombination dieser Glei- o chung mit dem Barklaschen Werte P = 0,2 liefert

= 0,5. (14) D. h. für leichtatomige Elemente muß die Zahl der Elektronen im Atom gleich dem halben Atomgewicht sein. Dieser Satz ist von großer Tragweite für das Rutherford-Bohrsche

Atommodell geworden, das wir im IV. Kapitel besprechen werden.

Tabelle 9. Intensität der Streustrahlung und Atomgewicht des Streustrahlers.

| Relative Intensität Jo Jo der gestr. Strahlung A

Atomgewicht

Crowther hat das relative Emissionsvermögen verschiedener Elemente für Streu- strahlung gemessen (Tabelle 9) und fand, entsprechend Thomsons Ergebnis, Proportio- nalität mit dem Atomgewicht. Man kann dem- entsprechend das relative Streuvermögen ver- Tabelle10. Die Streufähigkeit ist eine schiedener Verbindungen als additive Eigen- AOAN TE ee schaft der Atome berechnen, wie Tabelle 10 zeigt. Substanz

Nach dem Gesetz von Avogadro enthal- ten alle Gase bei gleicher Temperatur und glei- chem Druck gleichviel Moleküle im Kubik- zentimeter. Unter diesen Bedingungen müssen sich also die Dichten wie die Molekulargewichte oder, wegen Thomsons Gleichung (14), wie die Elektronenzahlen im Molekül verhalten. Da aber die Streuung diesen proportional ist, so muß sich auch das Streuvermögen von Gasen verhalten wie ihre Dichten. Die Messungen von Crowther und Barkla (Tabelle 11) bestätigen das innerhalb der Ver- suchsfehler.

Bei all diesen Messungen macht Wasserstoff allein eine Ausnahme; diese erklärt

Relative Intensität der gestreuten Strahlung

beobachtet berechnet

Z sich leicht daraus, daß für ihn als einziges Element = l ist.

Die andere wichtige Folgerung aus Thomsons Theorie ist die, daß die Streustrah- lung polarisiert sein muß. In der Tat gelang es Barkla, die Polarisation der Röntgen- strahlen experimentell nachzuweisen, ein Ergebnis, welches gemeinsam mit Laues Entdeckung der Röntgenstrahlinterferenz den Nachweis dafür liefert, daß Röntgenstrah- lung nichts anderes ist, als kurzwellige Lichtstrahlung.

Einen wichtigen Fortschritt brachte der Gedanke Debyes, daß die von den ein- zelnen Elektronen des Atoms ausgehenden Streustrahlen je nach dem Abstande der streuenden Elektronen, je nach der Wellenlänge der Röntgenstrahlen und je nach

$

200

H. Küstner

Tabelle 11.

Relative Intensität der senkrecht zur Primärstrahlung gestreuten Strahlung.

Relative Intensität der

Relative senkrecht zur Primär- Dichte J; Gas strahlung gestreuten des D Beobachter Strahlung Gases Js D | Luft 1,00 1,00 1,00 H, 0,12 0,07 1,71 He 0,16 | 0,14 1,14 NH, 0,66 | 0,59 1,12 N, 0,97 0,97 1.00 l 0, 1,12 | 111 E Feet NO 1,53 Ä 1,53 1,00 CO, 1,54 1,53 1,00 so, 2,80 | 2,22 1,26 CH,CO,CH, 2,72 | 2,57 1,06 H, 0,17 0,07 2,4 | HS 1,08 1,18 0,92 CO, 1,45 1,53 0,95 Barkla SO, 2,11 | 2,19 0,96 |

dem Winkel, unter dem sie gestreut werden, miteinander zur Interferenz kommen müssen und sich so überlagern oder auslöschen können.

Glocker erweiterte

1. geg A en sz 1.05 $ we WE EEN Se

Abb. 8. Die räumliche Streu-

fähigkeit des Kohlenstoff-

atoms für Röntgenstrahlen

verschiedener Wellenlänge nach Glocker.

die Betrachtungen Debyes, indem er von dessen einfach ringförmigem Atommodell auf das Bohrsche Atom mit mehreren Planetenbahnen in ebener und räumlicher Anord- nung überging. Abb. 8 zeigt das Ergebnis der Glocker- schen Rechnung für die vom Kohlenstoffatom ausgehende Verteilung der Streustrahlung für verschiedene Wellenlängen, und zwar von den weichsten, die eine Röntgenröhre verlassen können, bis zu den härtesten, die überhaupt in der modernen Tiefentherapie auftreten. Verbindet man das streuende Atom C mit einem Kurvenpunkte, so ergibt diese Linie die Richtung, ihre Länge die Intensität der Streustrahlung in dieser Richtung. Für alle Wellenlängen zeigt sich die erheb- liche Bevorzugung der Primärstrahlrichtung gegenüber der entgegengesetzten und der senkrecht dazu. Je härter die Strahlung ist, umso schärfer ist die Streustrahlung nach vorn gerichtet. Wenn die Verteilung der Streustrahlung auch für andere streuende Atome verschieden ist, so ist doch anzu- nehmen, daß sie für die leichtatomigen Verbindungen, aus denen sich der menschliche Organismus aufbaut, ähnlich sein wird. Dieser Umstand dürfte auch mit zur Erklärung der scharfen Begrenzung beitragen, die der Strahlenkegel auch in großen Körpertiefen nach den im XIX. Kapitel zu besprechen- den Isodosenkurven von Holfelder aufweist.

Alle bisher behandelten Theorien über den Streuungs-

vorgang sind auf der Grundlage der klassischen Elektrodynamik entwickelt. Das Elektron wird hierbei als elastisch an das Atom gebunden angesehen und vermag dieses nicht zu verlassen. Unter Einwirkung der Röntgenstrahlen schwingt es als Resonator, indem es

Entdeckung der Streuelektronen durch Compton und Bothe 201

alle absorbierte Energie restlos wieder ausstrahlt, nur in anderer Richtung als die Erregerstrahlen. Das Elektron verbraucht bei diesem Vorgange keine Energie. Als Resonanzvorgang am Atomelektron gedeutet muß diese Streustrahlung auch die gleiche Wellenlänge besitzen wie die Primärstrahlung. Eine Ionisierungswirkung ist mit diesem Streuvorgange am gebundenen Elektron nicht verbunden.

II. Streuung an freien Elektronen.

L Die Entdeckung von Compton und von Bothe.

Das bis vor kurzem immer als selbstverständlich angenommene Gesetz, daß die gestreute Strahlung stets genau die gleiche Härte besitze wie die primäre, unterzog Compton im Jahre 1923 einer genauen Prüfung. Hierzu ließ er die charakteristische Strahlung, welche von der Antikathode jeder Röntgenröhre ausgeht, in einen Spektral- apparat fallen, und zwar einmal direkt und einmal, nachdem sie zuvor an einem leicht- atomigen Material gestreut worden war. Hierbei zeigte sich, daß die Spektrallinien, deren jede eine ganz bestimmte Wellenlänge besitzt, durch die Streuung langwelliger geworden waren: das auf dem Umwege über den Streustrahler aufgenommene Linien- spektrum fiel nicht mit dem direkt aufgenommenen zusammen, sondern es lag, deut- lich erkennbar, auf der Platte neben diesem.

Etwa zu gleicher Zeit machte Bothe photographische Aufnahmen nach der Wil- sonschen Nebelmethode. Auf diesen zeigten sich außer den langen Elektronenbahnen auch solche von außerordentlich geringer Länge, und Bothe sprach dieselben als von einem neuen, bisher unbekannten Vorgang herrührend an. Etwa gleichzeitig beobachtete auch Wilson dieselbe Erscheinung.

2. Debyes Theorie der Streuung an freien Elektronen.

Beide Effekte, das Weicherwerden der Röntgenstrahlen bei der Streuung und das Auftreten langsamer Primärelektronen, die in Luft von Atmosphärendruck nur kurze Wege zurückzulegen vermögen, brachte Debye in ursächlichen Zusammenhang mit- einander und gründete hierauf eine neue, der Quantentheorie entsprechende Theorie des Streuvorganges.

Im Bereiche sichtbarer Strahlung ist der Strahlungsdruck eine bekannte Tatsache. Maxwell folgerte ihn aus seiner elektromagnetischen Theorie der Strahlung, und Nichols und Hull gelang es, ihn experimentell im Laboratorium nachzuweisen. Nach Maxwell übt das Licht auf kleine Partikel einen Druck aus, so daß sich diese bei intensiver Be- strahlung von der Lichtquelle fortzubewegen suchen. Bei den Kometenschweifen, die aus feinen Partikelchen bestehen, sehen wir die Wirkung des Strahlungsdrucks im großen vor Augen: nähert sich der Komet der Sonne, so wendet sich sein Schweif von dieser ab, ja, der Schweif erleidet hierbei vielfach Gestaltsveränderungen, die bis zur Aufspaltung führen können.

Nach Debyes Theorie übt nun auch die Röntgenstrahlung einen Strahlungsdruck auf Elektronen aus, die entweder frei oder nur so lose an das Atom gebunden sind, daß sie ihm zu folgen vermögen, und daher als frei angesehen werden können.

Um Debyes Theorie zu verstehen, müssen wir eine Betrachtung vorausnehmen, auf die wir eingehender im IV. Kapitel zurückkommen werden. Nach einer von Planck entwickelten Vorstellung besteht auch die Strahlung aus Energiequanten, ähnlich dem Aufbau der materiellen Körper aus Atomen. Röntgenstrahlen einer bestimmten Wellen- länge bestehen aus Energiequanten ganz bestimmter Größe; und zwar ist jedes Quant

202 H. Küstner

der Wellenlänge der Röntgenstrahlung umgekehrt proportional. Trifft ein solches Strah- lungsquant mit einem freien Elektron zusammen, so wird es an ihm gestreut. Dabei übt es aber einen Strahlungsdruck auf das Elektron aus, so daß dieses einen Rückstoß erfährt und eine gewisse, kleine Geschwindigkeit v und daher eine Wucht oder kinetische Energie E erhält. Der hierzu verbrauchte Bruchteil an Energie fehlt dem Strahlungs- quant nach seiner Streuung: das gestreute Quant ist kleiner als das primäre, und daher ist die Härte der gestreuten Strahlung geringer, ihre Wellenlänge größer geworden. Nach Debyes Theorie ist diese Änderung für Röntgenstrahlen aller Wellenlängen die gleiche; sie ist nur abhängig vom Winkel, den die Richtung des gestreuten Quants mit dem Primärstrahl bildet. Ein in der Richtung des Primärstrahls gestreutes Quant erleidet keine Wellenlängenänderung. Ein rechtwinklig zum Primärstrahl gehender Strahl wird um 0,0243 Ä, ein unter 180°, also rückläufig zum Primärstrahl gestreuter Strahl wird um 0,0486 Ä weicher. Für dazwischenliegende Winkel gelten entsprechende Werte.

Zu jedem Winkel, unter dem ein Strahlungsquant gestreut wird, gehört ein ent- sprechender, aber von ihm verschiedener Winkel, unter dem das freie Elektron den Rück- stoß erfährt. Findet eine Streuung nahezu in Primärstrahlrichtung statt, so entweicht das Rückstoßelektron nahezu senkrecht zum Primärstrahl. Wird das Strahlungs- quant entgegengesetzt dem Primärstrahl gestreut, so erhält das Elektron eine Bewegung in Primärstrahlrichtung. Während also das Quant in jeder beliebigen Richtung gestreut werden kann, ist die Richtung der Rückstoßelektronen auf einen Raumwinkel beschränkt, der zwischen der Richtung des Primärstrahls und der zu diesem Senkrechten liegt. Die kinetische Energie des Rückstoßelektrons und die Energie des gestreuten Quants zusammen sind immer gleich der des Quants vor der Streuung. Da das Quant bei Streuung in Primärstrahlrichtung keine Änderung, bei rückläufiger Streuung die größte Änderung an Wellenlänge und daher Energie erleidet, so muß das Rückstoßelek- tron dementsprechend senkrecht zur Primärstrahlrichtung eine verschwindend kleine und in Primärstrahlrichtung die größtmögliche Geschwindigkeit gewinnen. In jedem Falle ist die Geschwindigkeit des Rückstoßelektrons aber um so größer, je härter die Röntgenstrahlung ist.

3. Comptons Theorie der Streuung an freien Elektronen.

Nach der klassischen Theorie ist der Streuvorgang unabhängig von der Wellenlänge der Röntgenstrahlen. Compton hat ebenfalls eine Quantentheorie der Streuung ent- wickelt. Nach dieser ist aber der Streukoeffizient o, der Quantentheorie wellenlängen- abhängig: ist o der Streukoeffizient der klassischen Theorie, so wird nach Compton

worin

ist. Hierin bedeuten:

h das Plancksche Wirkungsquantum m die Masse des Elektrons

c die Lichtgeschwindigkeit

Za die Wellenlänge der einfallenden Strahlung, w die Frequenz der einfallenden Strahlung.

universelle Konstanten,

Die Theorien der Streuung von Debye und von Compton 203

Näheres hierzu siehe IV. Kapitel. Die nach dieser Formel berechneten Werte für den Streukoeffizienten decken sich sehr gut mit Beobachtungen von Hewlett an kurz- welligen Röntgenstrahlen und mit der Absorption der y-Strahlen in Kohle, die nach un- serer jetzigen Anschauung ganz durch Streuung bedingt wird.

Die Energie des einfallenden Quants wird, wie wir sahen, durch die Streuung am freien Elektron vermindert. Die Energiedifferenz tritt als kinetische Energie des Rück- stoßelektrons auf: sie geht der Röntgenstrahlung verloren, sie wird absorbiert. Es gibt also auch eine Absorption bei der Streuung. Compton trägt dieser Vorstellung Rech- nung; er unterscheidet zwischen dem „echten Streukoeffizienten“ c, der Quanten- theorie, der sich auf das gestreute Quant bezieht:

‚I+te _,. Jta + 2a)

(17)

De =

=a] +2« und zwischen dem ‚echten Absorptionskoeffizienten der Streuung‘ Ga, der sich auf die an das Rückstoßelektron abgegebene Energie bezieht:

&

o 6 eg 18 TIL 20 EECH HS

Für die Summe beider ergibt sich unserer Vorstellung entsprechend: Ga Gerda, (19)

4. Experimentelle Prüfung der Wellenlängenänderung bei der Streuung.

Diese läßt sich nach zwei Methoden vornehmen: durch Spektralmessungen und durch Absorptionsmessungen.

a) Spektralmessungen. Compton untersuchte die Wellenlängenänderung der K,- Linie des Molybdän A = 0,708 A und des Wolfram A = 0,209 Å, indem er die an Graphit gestreute Strahlung unter 45°, 90° und 135° in den Spektralapparat fallen ließ. Er fand Übereinstimmung mit Debyes Formel innerhalb der Beobachtungsfehlergrenzen. Die Untersuchung zeigte aber noch ein anderes sehr wichtiges Ergebnis: außer der weicheren Strahlung tritt auch gestreute Strahlung auf, deren Wellenlänge unverändert ist, ja es zeigte sich sogar noch eine dritte, zwischen beiden liegende Spektrallinie! Dabei ist die der weicheren Strahlung entsprechende Spektrallinie, besonders bei 135°, etwas verbreitert. Hieraus folgt:

I. Nicht alle Elektronen streuen als freie. Vielmehr findet auch Streuung an den Elektronen statt, die fest an das Atom gebunden sind, wie das Auftreten der Spektral- linie unveränderter Wellenlänge beweist;

II. Ein Teil der Elektronen streut als freie Elektronen, das beweist die Wellenlänge der am weitesten verschobenen Spektrallinie, deren Wellenlängenänderung mit Debyes Formel übereinstimmt;

III. Zwischen freien und gebundenen Streuelektronen muß es noch solche geben, deren Freiheit einen gewissen, mittleren Wert besitzt, wie die mittlere Spektrallinie zeigt;

IV. Auch bei den freien Elektronen scheint die weichere Strahlung inhomogen zu sein; darauf deutet die Verbreiterung der weichsten Spektrallinie hin. Hieraus würde folgen, daß auch die Geschwindigkeit der Rückstoßelektronen eine etwas verschiedene sein muß.

Die Ergebnisse von Compton wurden im wesentlichen von Rob bestätigt.

b) Absorptionsmessungen. Da die Absorption in einem bestimmten Absorbens, wie wir im II. Kapitel sahen, stark von der Wellenlänge der Röntgenstrahlen abhängt.

204

Tabelle 12.

H. Küstner

Wellenlängenänderung bei der Streuung von Röntgenstrahlen.

|

Freies Elektron ent- i l sprechend der Theorie bei allen A 0,003 | 0,007 | 0,012 -0,018 | 0,024 | 0,030 | 0,036 | 0,041 Paraffin. . 22... 0,12 0,005 | 0,010 0,013 ; 0,020 | 0,024 | 0,031 | | Graphit... .... 0.12 0.010 | 0.013 | 0.015 | 0.021 | 0.022 | 0,033] | Aluminium `... . 0,12 0,006 | 0,010 | 0,015 | 0,020 | 0,025 | 0,030! | Kupfer... 2... 0,13 0,004 | 0.007 ! 0,010 | 0,014 | 0,017 | 0,022! | Blei 222 220.. 0,14 0,016 | 0,021 | 0,024 | 0,025 | 0,025 0,026 | Paraffin. . 22... 0,15 0,004 | 0,008 | 0,012 | 0,018 | 0,023 | 0,027 | 0,033 | 0,039 Graphit. .. .. 0,15 | 0,007 | 0,012 | 0,017 | 0,025 | 0,031 | 0,034 | 0,038 Aluminium . .... 0.15 | 0,007 | 0,010 | 0,016 | 0,021 | 0,025 | 0,028 | 0,035 Kupfer... 2... 0.15 | 0,005 | 0,011 | 0.015 | 0.017 | 0.023 | 0,027, Zion cc. 0,17 | 0,004 | 0,007 | 0,010 | 0,013 | 0,020] | Blei 22222. 0,17 | 0,005 | 0.008 | 0.008 | 0,011 | 0,02| | Paraffin. 2 22... 0,21 0,004 ` 0,008 | 0,014 | 0.018 18 = | = ee 0,25 0,005 , 0,008 | 0,012 ' 0,017 | 0,020 | 0,024, | EEE 0,32 0,003 | 0,006 | 0,010 ; 0,015 | 0,020 | 0,0238 | E

so kann man bei Verwendung desselben Filters aus der Absorptionsmessung auf die Härte der Röntgenstrahlen schließen. Compton untersuchte die Härte der ungestreuten und der an verschiedenem Material und unter verschiedenen Winkeln gestreuten Strah-

AnA E

£

Sfreurunker x 07 99° 120° 10°

Abb. 9. Die Härteänderung der Röntgenstrahlen beim Streuvorgang für verschiedene Streuwinkel nach Dessauer und Herz

lung nach der Absorptionsmethode mit der lonisations- kammer.

Seine Ergebnisse sind in Tabelle 12 wiedergegeben. In der ersten Horizontalspalte sind diejenigen Änderungen der Wellenlänge vermerkt, die für Röntgenstrahlen aller Härte- grade von der Theorie gefordert werden. Darunter stehen diejenigen Wellenlängenänderungen, die Compton für ver- schiedene Wellenlängen der Primärstrahlung, für verschie- dene streuende Medien und für verschiedene Streuwinkel aus seinen Absorptionsmessungen ermittelte. Für leicht- atomige Streustrahler muß die Übereinstimmung mit der Theorie im allgemeinen sehr gut genannt werden. Da man indessen annehmen muß, daß die Bindung der Planeten- elektronen an ihr Atom um so fester ist, je höher dessen Stellenzahl im periodischen System steht, so kann es nicht wundernehmen, daß bei schweratomigen Streustrahlern die beobachtete Wellenlängenänderung hinter der von der Theorie geforderten zurückbleibt. Die gute Übereinstim- mung mit der Theorie bei leichtatomigen Streustrahlern ist deshalb sogar erstaunlich, weil, wie wir oben sahen, ein Teil der Strahlung auch an Kohlenstoff (Graphit) ge-

streut wird, ohne weicher zu werden, und weil man deshalb erwarten sollte, daß die beobachtete Wellenlängenänderung zwischen der von der Theorie geforderten und der

Änderung Null liegt.

Die Ergebnisse von Beobachtungen, die Dessauer und Herz ebenfalls nach der

Absorptionsmethode, aber auf photographischem Wege,

anstellten, sind in Abb. 9

Experimentelle Prüfung der Theorien von Debye und Compton

wiedergegeben. Als Streu- strahler dienteeine Paraffin- kugel. Die Wellenlängen der beobachteten Streu- strahlung, die sich aus den Absorptionsmessungen er- geben, sind für verschiedene Streuwinkel als ausgezo- gene Kurve dargestellt. Die Wellenlängenänderung ist hier etwas geringer, als es die Theorie fordert, welcher die gestrichelte Kurve ent- spricht. Dessauer und Herz schreiben diesen Un- terschied mit Recht dem Umstande zu, daß im ge- streuten Strahle außer der längeren Wellenlänge auch die unveränderte auftritt.

3. Experimentelle Prü-

fung der Austrittsrich-

tung, Geschwindigkeit und Häufigkeit der Rückstoßelektronen.

Am augenfälligsten tre- ten die Rückstoßelektronen auf den Aufnahmen von Wilson in Erscheinung.

Je größere Geschwin- digkeit ein Elektron besitzt, desto größer ist seine kine- tische Energie. Eine um so längere Bahn wird ein sol- ches Elektron also in der Luft zurücklegen, ehe sein Vorrat an Energie durch Lostrennen sekundärer Trä- -ger erschöpft ist. Abb. 10 zeigt eine große Anzahl solcher langer Bahnen. So- weit ihr Ende mit auf die Platte gekommen ist, be- steht es aus einer Kugel: das Elektron wird dann, wenn seine Geschwindigkeit nahezu erschöpft ist, im all-

Nebelaufnahme ‘von Elektronenbahnen von C. T. R. Wilson. Verschiedene Arten primärer Röntgenelektronen, „Lange“-, „Fisch“. und

Abb. 10.

Anfängliche Vorwärtskomponente der langen Bahnen. Röntgenstrahlbündel, etwa 3 mm

Durchmesser, mit 0,06 mm Blei gefiltert.

-a

205

„Kommabahnen“, von harten Röntgenstrahlen ausgelöst.

Enddruck 50 cm.

206 H. Küstner

gemeinen von einem Molekül abgefangen, in dem es stecken bleibt, und das dadurch zu einem negativen Molekülion wird. Wir können hieraus den Schluß ziehen, daß sich ein Elektron sehr kleiner Geschwindigkeit auf Wilsons Aufnahmen als Kugel zu erkennen gibt. Nach Wilsons Untersuchungen entsprechen solche Kugeln kurzen Elektronen- bahnen von weniger als 0,l mm Länge. Ist die Geschwindigkeit der Elektronen etwas größer, so tritt ein Schwanz aus den Kugeln aus, der nach dem Ursprung der Bahn hin- weist: Wilson nennt solche Bahnen „‚Kommabahnen“. Sie entsprechen dem Ende und dem allerletzten Teil einer langen Bahn. Ist die Geschwindigkeit der Elektronen noch etwas größer, so ist der Schwanz länger, Wilson nennt das ‚„Fischbahnen‘“. Abb. 10 zeigt lange Bahnen, Fisch- und Kommabahnen in großer Zahl. Die Komma- und Fischbahnen liegen fast ausnahmslos innerhalb des primären Strahlenbündels und werden daher wohl mit Recht als Bahnen von Rückstoßelektronen angesprochen. Die Lage des kugelförmigen Endes beweist, daß die Bewegung der Rückstoßelektronen vor- zugsweise in die Richtung der primären Röntgenstrahlen fällt, was insofern gut mit Debyes Theorie übereinstimmt, als nach dieser die Bahnen der Rückstoßelektronen auf einen Raumwinkel zwischen der Richtung der Primärstrahlen und der hierzu senk- rechten Richtung verteilt sein müssen.

Während die Richtung der Komma- und Fischbahnen dieselben als Bahnen von Rückstoßelektronen zu erkennen gibt, bestimmt ihre Bahnlänge und Häufigkeit die mit dem Streuvorgange verbundene Ionisation. Denn die Bildung sekundärer Träger ist der Häufigkeit der Rückstoßelektronen proportional und wächst mit deren Bahn- länge. Aus Wilsons Aufnahmen geht hervor, daß Komma- und Fischbahnen erst dann auftreten, wenn die Röntgenstrahlen kurzwelliger sind als 0,4—0,6 A. Mit zu- nehmender Härte der Röntgenstrahlen wächst ihre Bahnlänge schnell an, ist aber selten größer als 1,5 mm. Auch die Zahl der Kugelbahnen nimmt schnell mit der Härte der Röntgenstrahlen zu, und wenn diese angenähert 0,5 A beträgt, so überwiegen Kugel- und Fischbahnen zusammen an Zahl die langen Bahnen.

Bothe untersuchte die von den Rückstoßelektronen herrührende Ionisation und deren Bahnlänge in Luft. Freilich konnte er nicht die letztere selbst, sondern nur ihre Transversalkomponente r bestimmen. Für verschiedene am Röntgenrohre liegende Scheitelspannungen erhielt er die Werte der Tabelle 13. Bei 70 KV wurden die Rück-

Tabelle 13. Transversal-

komponenter der Bah- Tabelle 14. Transversalkomponente r der nen von Rückstoßelek- Bahnen von Rückstoßelektronen bei tronen bei 760 mm 86,5 kV ungefilterter Strahlung an ver- Quecksilberdruck in schiedenen Streustrahlern nach Bothe.

Luft nach Bothe.

in Luft | in H, in He

A Streustrahler

kV rin mm

| H, | = 86,5 | 0,33 H. 1.3 54,5 0,27 C 81.0 0,17 Luft 72.0 0,07 Aluminium

stoßelektronen merklich. Tabelle 14 zeigt r der Rückstoßelektronen, die von ver- schiedenen Streustrahlern stammen, in verschiedenen Gasen. Mit zunehmendem Atom- gewicht des Streustrahlers nimmt die Bahnlänge ab.

Ionisation beim Streuvorgang und beim Absorptionsvorgang

6. Ionisation durch Streustrahlung im Vergleich zu lonisation

bei „wahrer Absorption“.

Unter lonisation bei ‚wahrer Absorption‘ wollen wir diejenige lonisation ver- stehen, die nichts mit der Streustrahlung zu tun hat und die wir im V. Kapitel ein- gehender behandeln werden.

Nach Wilsons Untersuchungen dürfen die Röntgenstrahlen nicht langwelliger sein als 0,4—0,6 Ä, wenn die Bahnen der Rückstoßelektronen auf den Aufnahmen in Er- scheinung treten sollen, und nach Bothe wird die Ionisation durch Rückstoßelektronen erst bei etwa 70 kV Röhrenspannung merklich, was noch etwas härterer Röntgenstrah- lung entspricht. Zweifellos sind schon bei weicheren Röntgenstrahlen Rückstoßelektronen vorhanden. Denn Compton fand, daß schon die bk. Strahlen des Molybdän, die eine Wellenlänge von 0,708 Ä besitzt, bei der Streuung weicher wird. Aber nach Bothes Messungen macht bei 86,5 kV Scheitelspannung und ungefilterter Strahlung die Ionisation durch Rückstoßelektronen nur 1%, der Gesamtionisation aus. Bei weicheren Röntgen- strahlen werden Rückstoßelektronen so selten sein, daß sie kaum in Erscheinung treten. Nach Debyes Theorie soll mit der Härte der

Röntgenstrahlen die Bahnlänge der Rückstoß- elektronen und daher auch deren lonisation zu- nehmen. Nach Untersuchungen von Fricke und Glasser an zwei gut homogenen Strah- lungen der mittleren Wellenlänge 0,180 und

Tabelle 15. Verhältnis der Ionisa-

tion durch langbahnige Elek-

tronen zu der durch Rückstoß-

elektronen von Kohle, beobachtet

und berechnet von Fricke und Glasser.

0,115 Ä ergab sich ziemlich gute Übereinstim- mung zwischen Experiment und Theorie für das Verhältnis der Ionisation durch die bei „wahrer Absorption‘ gebildeten langbahnigen Primär- elektronen zur Ionisation durch die Rückstoß- elektronen an Kohlenstoff, wie Tabelle 15 zeigt. Die relative Ionisation durch die Rückstoßelek- tronen nähme demnach mit Kürzerwerden der Wellenlänge rapid zu. Die y-Strahlen sind nichts anderes als kurzwellige Röntgenstrahlen. Bei y-Strahlen von etwa 0,02 A Wellenlänge sind nach Angabe von Lise Meitner an Kohlenstoff von 100 Elektronen 92 Elektronen Rückstoßelektronen, nur 8 entstehen bei der „wahren Absorption‘: je kurzwelliger die Strahlung, desto wahrscheinlicher soll das Auftreten von Rück- stoBelektronen und desto unwahrscheinlicher das der anderen Elektronen werden. Und auch nach Bothe ist bei sehr harten y-Strablen die Energie der in der Primärrich- tung emittierten Elektronen beider Gattungen nahezu gleich. Auch hieraus würde die starke Überlegenheit der Ionisation durch die Rückstoßelektronen für kurzwellige Strahlung folgen. l

Ist heute quantitativ auch noch nicht hinreichend geklärt, welcher Anteil der Gesamtionisation der Ionisation durch Rückstoßelektronen zukommt, so kann doch als sehr wahrscheinlich gelten, daß sie bei ungefilterter Strahlung von 86,5kV nur 1% der Gesamtionisation verursachen. Sicher ist, daß ihr Anteil an dieser mit zunehmender Härte der Röntgenstrahlen steigt. Dieses Ergebnis ist wichtig für die Frage der Energie- messung der Röntgenstrahlen durch lonisation, die wir im VII. Kapitel behandeln werden.

Ionisationsverhältnis

aus

Beobachtung aus Theorie

i

208 H. Küstner

Viertes Kapitel. Atomphysik.

l. Der atomistische Aufbau der Materie.

Die Auffassung vom atomistischen Aufbau der Materie reicht bis ins klassische Altertum zurück. Schon Leukippos wagte im 5. Jahrhundert v. Chr. den Schritt ins Jenseits der Wahrnehmbarkeit: er lehrte den Aufbau der Materie aus Atomen, und sein Schüler Demokrit sah alle Atome als gleichartig und nur in ihrer Form als ver- schieden an. Die wissenschaftliche Chemie des Mittelalters, die Alchemie, wurde be- herrscht von dem Problem, unedles Metall in Gold zu verwandeln; der Mißerfolg dieser unzähligen Versuche führte zur Erkenntnis des Gesetzes von der Konstanz der chemi-

Tabelle 16. Periodisches System der Elemente.

1,008 |

i |4Be |5B 6c | 7X E 10 Ne 94 un | 1200 í 14,01! 16.00 19.0 20,2 i 12Mg | 13Al | um | 155P; 168] 1701) 18 A | 97,1 283 | 31.04 | 32,06 | 35,46 | 39,88 © 23V 24Cr '25Mn |26 Fe 27Co 28Ni 39,10 140,07 |451 48,1 51,0 ou |5493 55,84 58,97 58,08 29Cu| 30Zn| 31Ga| 32Ge| 33As| Apel 35 Br | 36 Kr 63,57 | 65,37 69,9 72,5) W96) 792| 79,92 | 82,92 3IRb Ion "ar |Z% MN 2m TO IM Ru 45 Rh 46 Pd 85,45 87,63 88,7 90,6 93,5 96.0 Ka | 101,7 102,9 106,7 As jecdl Bm! "musel 518b) B2Te SERA 54X 107,88 | 1240| 1148| 1187| 1202| 1275| 126.9 130,2 op |56Ba | Seltene |72 Hf "of Inn E | 7608 77 Ir 78 Pt 132,81 | 137,37 Erden | 178 181.5 18401 (nun 193,1 195,2 79Au| mei SIT) S2Pb| 83Bi! S4Po (53) | 86 Em 1972| 20061 2040) 207,20; 200.02 | (210.0) (222.0) ën mb "mie "mmh mb | 92 U = oan | (226) 1232.15 j| (230) | 238,2

H8 Ce 59Pr 60 XNd (61) 62Sm 63 Eu 139,0 140,25 140,9 144,3 ba 150,4 152,0 157,3

65 Tu 66 Ds 67 Ho 6sEr 69 Tui 70 Ad 71 Cp 162,5 163.5 167,7 168,5 173,5 175.0

schen Elemente. Schon Dalton sprach 1803 aus: „Die Atome ein und desselben Elements sind untereinander gleichartig und gleich im Gewicht", und 1869 stellten Lothar Meyer und Mendelejeff unabhängig und gleichzeitig das periodische System der Elemente auf. Sie ordneten diese in der Reihenfolge steigenden Atomgewichts an und erreichten durch Abbrechen der Horizontalzeilen oder Perioden, daß immer Elemente gleicher chemischer Eigenschaften in Vertikalspalten untereinander zu stehen kommen (Tabelle16). Hierbei zeigte sich aber auch gleichzeitig ein periodischer Gang physikalischer Eigen-

Materie Elektrizität Strahlung 209

schaften mit den Perioden, so z. B. der des Atomvolumens (Abb. 11). So erkannte schon Mendelejeff, daß der physikalische und chemische Charakter eines Elements durch seine Stellung im periodischen System bestimmt wird.

30 70 Abb. 11. Atomvolumina nach Stefan Meyer (aus Sommerfeld, „Atombau und Spektrallinien‘“).

2. Der atomistische Aufbau der Elektrizität

wurde 1881 von Helmholtz aus Faradays Gesetzen der Elektrolyse gefolgert. Sicher- gestellt ist er durch die Entdeckung des Elektrons. Seine Ladung ist gleich der des ein- wertigen Ions bei der Elektrolyse, und seine Masse ist gleich ?/,.99 des Wasserstoffatoms. Das Elektron ist der Baustein der negativen Elektrizität. Die Kathodenstrahlen unserer Glühkathodenröntgenröhren bestehen nur aus Elektronen.

3. Die elektromagnetische Strahlung.

Schon Maxwell hatte das Licht als elektromagnetisches Wechselfeld vermutet: Heinrich Hertz wies die Wesensgleichheit von Licht und elektrischen Wellen experi- mentell nach. Durch v. Laues Entdeckung der Röntgenspektroskopie 1912 wurde die lange vermutete Wesensgleichheit von Licht und Röntgenstrahlen, sowie von y-Strahlen der radioaktiven Elemente zur Gewißheit. So gibt es nach unserer heutigen Auffassung nur noch eine einzige Art elektromagnetischer Strahlung, die sich nur durch eine kon- tinuierliche Reihenfolge verschiedener Wellenlängen unterscheidet und praktisch-will- kürlich in Gebiete zerlegt wird. Die Schwingungsrichtung steht senkrecht zur Fort- pflanzungsrichtung: alle elektromagnetische Strahlung ist transversale Wellenstrahlung und daher polarisierbar. Sie breitet sich im luftleeren Raume, ebenso wie die Elektrizität, mit Lichtgeschwindigkeit von 300000 km in der Sekunde aus. Dividiert man die Lichtgeschwindigkeit ce durch die Wellenlänge ^, so erhält man die Frequenz v der Strahlung:

c

SG 20 ës? (20)

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 14

210 H. Küstner

4. Die Energie; das Wirkungsquantum.

Energie ist die Fähigkeit, Arbeit zu leisten. Aus der Unmöglichkeit, ein Perpetuum mobile zu schaffen, folgerte Robert Mayer das Prinzip von der Erhaltung der Energie: Energie kann nie gewonnen werden oder verlorengehen; sie kann nur ihre Erscheinungs- form wechseln.

Am augenfälligsten tritt uns die Energie bei der Bewegung von Massen in Form „kinetischer Energie“ oder ‚Wucht‘ entgegen. Sie ist gleich der halben Masse m mal dem Quadrat ihrer Geschwindigkeit v:

= vs, (21)

Ein schwingendes Gebilde, z. B. ein Pendel, hat diese Energie bei seinem Durchgang durch die Nullage. Im Umkehrpunkte ist seine Geschwindigkeit, also auch seine kine- tische Energie, gleich Null. Nach dem Gesetz von der Erhaltung der Energie besitzt es dort „potentielle Energie‘.

Die mechanischen Umsetzungen vollziehen sich so langsam, daß der Energieaustausch bei ihnen scheinbar stetig erfolgt. Anders verhält es sich bei den schnellen Schwingun- gen wie bei den Lichtschwingungen: Planck zeigte 1900, daß man hier mit quanten- haftem Energieaustausch rechnen muß. Der Energieaustausch erfolgt hier gleichsam portionsweise, und jedes solches Energiequantum n ist proportional der Frequenz v der Strahlung; beide sind verknüpft durch die Beziehung

n = hv, (22) worin h eine universelle Konstante, das sog. Plancksche ,,Wirkungsquantum“‘ bedeutet. Es berechnet sich zu 6,54: 10 —?" ergsek.

5. Der lichtelektrische Effekt.

Hallwachs zeigte, daß sich eine Metallplatte bei Bestrahlung mit kurzwelligem Licht positiv auflädt, und Lenard wies 1899 nach, daß es Elektronen sind, die unter der Lichteinwirkung von der Platte entweichen, so daß die vorher ungeladene Platte mit positiver Ladung zurückbleibt. Eine wichtige Beziehung zwischen strahlender Energie und Elektrizität war damit sichergestellt. Einstein hatte den außerordentlich fruchtbaren Gedanken, der Energieaustausch zwischen absorbierter strahlender Energie und entweichendem Elektron vollziehe sich quantenhaft in der Weise, daß stets dann, wenn ein Energiequantum absorbiert wird, auch ein Elektron entweicht. Um .das Elek- tron loszutrennen, bedarf es einer gewissen Abtrennungsenergie oder Abtrennungsarbeit A. Wird nun ein Energiequantum strahlender Energie absorbiert, so wird ein Teil desselben zur Abtrennungsarbeit verwandt, während der Rest als kinetische Energie des Elektrons auftritt, so daß

. m DNR? Ge vi LA (23) wird. Das losgerissene Elektron tritt also mit einer ganz gewissen Geschwindigkeit v

aus, die nur durch die Energie der absorbierten Strahlung und durch die Abtrennungs- arbeit bestimmt wird.

6. Der Weg zum Rutherfordschen Atommodell.

Durch Lenards Deutung von Hallwachs’ Entdeckung war sichergestellt, daß Atome unter der Einwirkung von Licht in der Lage sind, Elektronen abzugeben. Da sie

Energie, lichtelektrischer Effekt. BRutherfordsches Atommodell 211

uns aber für gewöhnlich im neutralen, d.h. unelektrischen Zustande entgegentreten, so müssen sie aus positiven und negativen Ladungen aufgebaut sein. Schon 1897 hatte J. J. Thomson die Ansicht ausgesprochen, daß der Atomraum gleichmäßig von posi- tiver Elektrizität erfüllt sei, in dem eine dem Atomgewicht proportionale Zahl von Elek- tronen kreise. Lenard gelangte 1903 auf Grund seiner Versuche über den Durchgang von Kathodenstrahlen durch Materie zu der Auffassung, daß auch die positive Elektri- zität der Atome auf sehr kleine Räume konzentriert sei, so daß das Atomvolumen in der Hauptsache nur von den Kraftfeldern der beiden Elektrizitäten ausgefüllt ist. Nach Lenards Vorstellung waren je ein Träger positiver und negativer Ladung zu einem Paar vereinigt. Bei dem geringen Gewicht der Elektronen "sg des Wasserstoffatoms mußte notgedrungen der positiven Ladung das Atomgewicht zugeschrieben werden. Um den Abstand zwischen positiver und negativer Ladung entgegen ihrer gegenseitigen Anziehungskraft aufrechtzuerhalten, war Lenard zu der weiteren Annahme genötigt, daß jedes Elektron seine positive Ladung umkreise, wie ein Planet die Sonne, so daß sich seine Zentrifugalkraft und jene Anziehungskraft das Gleichgewicht halten. Lenard nannte diese rotierenden Ladungs- ` Va wi

, 1 e d Zu Eh die Atome der chemischen Ele: a mente aufbauen und die Zahl der UE Dynamiden sollte dem Atomgewicht TRAN mmer OT

proportional sein. Im Jahre 1911

Age 02

Ee HH aT hs

ee HG HEHE 06

«-Teilchen radioaktiver Substanzen "TTT Leo, SE

durch Materie, daß die gesamte 10 AC

positive Ladung auf einen außer- 8

ordentlich kleinen Raum im Atom- 6 II, a

mittelpunkte konzentriert sein eK IL ET al, S ll =

müsse und von allen Planetenelek- ll Soe w

onen gemeinsam mett werde (NUTTET TTE

Moseley untersuchte 1913 die MS 23 27 M 35 39 U3 07 51 55 59 63 67 7 75 79 83 87 9 Serienspektra der Elemente im wet Röntgengebiete (Abb. 12). Er fand, Abb. 12. Stellenzahl und Röntgenspektra der Elemente daß zwischen der Wurzel aus der Nach Moseley. (Aus Ewald, Kristalle und Röntgen- Frequenz einer Spektrallinie und der EES

Stellenzahl des diese emittierenden Elements im periodischen System eine fast lineare und, was die Hauptsache ist, völlig glatte Beziehung besteht, wenn man an einigen Stellen des Systems benachbarte Elemente miteinander vertauscht, Elemente, deren Reihenfolge auch dem Chemiker schon längst zweifelhaft erschienen war. Es waren dies die Elemente Argon und Kalium, Kobalt und Nickel, Tellur und Jod. Hierdurch war bewiesen, daß die Stellung der Elemente im periodischen System durch ihre physikalischen Eigen- schaften eindeutig bestimmt ist, und daß ihre Stellenzahl das Ausschlaggebende ist, nicht aber das Atomgewicht, nach dem Meyer und Mendelejeff die Elemente ursprüng- lich geordnet hatten. J. J. Thomson hat 1903 aus Barklas Versuchen über die Streuung der Röntgenstrahlen gefolgert, daß für leichte Atome die Zahl der Elektronen im Atom gleich dem halben Atomgewichte sei (s. III. Kapitel). Im Anschluß an Moseleys Spektralmessungen legte es van den Broek nahe, daß die Stellenzahl eines Elements seiner Kernladung oder der ihr gleichen Zahl von Planetenelektronen gleich zu setzen sei. Hiermit hatte das Rutherfordsche Atommodell seine Vollendung gefunden: der pc-

LI

212 H. Küstner

sitiv geladene Atomkern, dem das Atomgewicht zukommt, wird von den negativ ge- ladenen Planetenelektronen umkreist; die Summe ihrer Ladungen ist entgegengesetzt gleich der Kernladung, und ihre Zahl ist gleich der Stellenzahl im periodischen System.

7. Das Bohrsche Atommodell.

Dank der Kreisbewegung seiner Elektronen ist das Atom ein schwingendes, elek- trisches Gebilde, und nach unserer klassischen Auffassung sollte es Strahlung aussenden. Dieser Energieverlust durch Strahlung würde aber mit einer Verminderung an Zen- trifugalkraft der Elektronen verbunden sein und zur Folge haben, daß diese in den Kern fallen: das Atommodell wäre instabil. Hier half Bohr durch eine weitere Annahme, die sich allerdings in Widerspruch zur klassischen Elektrodynamik setzt: Bohr forderte, daß die Elektronen nicht strahlen, solange sie sich auf ihrer Bahn bewegen! Strahlung wird nach Bohr nur dann emittiert, wenn ein Elektron von einer äußeren Planeten- bahn auf eine innere springt.

Die Elektronenbahnen liegen auf Schalen, deren Mittelpunkt in den Kern fällt. Die Höchstzahl an Elektronen, die jede Schale aufzunehmen vermag, wird durch die Periodenzahl des periodischen Systems bestimmt. So besitzen Wasserstoff 1, Helium 2 Elektronen. Mehr vermag die innerste Schale, die K-Schale, nicht aufzunehmen. Die in der zweiten Periode stehenden Elemente Lithium bis Neon haben außer den 2 Elektronen der K-Schale 1—8 Elektronen in der zweiten, der L-Schale; damit ist auch diese aufgefüllt. Es folgen dann die Elemente Natrium bis Argon, die außer den Elek- tronen in der K- und L-Schale 1—8 Elektronen in der M-Schale führen usf.

Das quantenhafte des Bohrschen Atommodells kommt im Durchmesser der Elek- tronenschalen zum Ausdruck; diese können nur in ganzzahligen Beziehungen zueinander stehen. Ist a, der Durchmesser der ersten oder innersten Bahn, a,, a, der der zweiten und dritten, a, der der nt“, so ist

= 2°-a,=4a,; a,=3°-a,=9a, und ganz allgemein Ba SCH BA? (24)

n heißt die Quantenzahl; die Elektronenbahnen heißen Quantenbahnen.

Die Elektronen sind in den beschriebenen Quantenbahnen stabil, d. h. sie können sich in ihnen dauernd bewegen. (Außer diesen Quantenbahnen müssen wir aber auch noch solche annehmen, deren Durchmesser zwar dem eben angeführten Quanten- gesetz genügen, in denen die Elektronen aber instabil sind. In eine solche Quantenbahn kann ein Elektron wohl einmal hineingeraten, aber nur, um sie alsbald wieder zu verlassen.)

8. Absorption und Emission beim Bohrschen Atommodell.

Energie kann dem Atom in verschiedener Form zugeführt werden: in Form strah- lender Energie, in Form von Wärmeenergie, in Form kinetischer Energie stoßender Elektronen usf. Auch die Form, in der die Energie auf das Atom übertragen wird, kann verschieden sein. So kann das Atom Energie absorbieren, ohne in seinem Bau eine Änderung zu erfahren: die Energiezufuhr kann sich in kinetischer Energie des Atoms äußern. Diese überträgt das Atom auf seine Nachbaratome und trägt so zur Erwärmung des ganzen Körpers bei. Es kann das Atom durch die Energieaufnahme indessen auch in den sog. „angeregten“ Zustand übergeführt werden, welcher mit einer zeitweiligen Konfigurationsänderung seines Baus verbunden ist. Im allgemeinen gibt das Atom alsdann nach Versuchen von W. Wien die aufgenommene Energie inner-

Bohrsches Atommodell. Absorption von Röntgenstrahlen 213

halb von etwa ein Hundertmillionstel Sekunde wieder ab. Dies kann wiederum in ver- schiedenen Energieformen geschehen, so z. B. in Form von strahlender Energie, in Form von kinetischer Energie von Elektronen usf.

Für unser Problem, die Ionisation der Röntgenstrahlen, kommt als Form von Ener- gie, die aufgenommen wird, nur Röntgenstrahlung und kinetische Energie stoßender Elektronen in Frage; und als Formen, in denen absorbierte Energie wieder abgegeben wird, auch nur Röntgenstrahlung und kinetische Energie von Elektronen. Die Mannig- faltigkeit der Möglichkeiten ist also wesentlich eingeschränkt. Wir wollen uns im nächsten Kapitel mit dem Absorptions- und Emissionsvorgang auf der Grundlage der Bohrschen Atomtheorie näher befassen.

Fünftes Kapitel.

Absorptions- und Emissionsvorgang im Lichte der Bohrschen Atomtheorie.

Wir wollen im folgenden den Absorptions- und Emissionsvorgang, einerseits bei der Absorption von Röntgenstrahlen, anderseits bei der Absorption kinetischer Energie stoßender Elektronen, näher betrachten. In beiden Fällen tritt die absorbierte Energie wieder in Form von Röntgenstrahlung und in Form schnell bewegter Elektronen zutage.

l. Absorption von Röntgenstrahlen und Emission von Elektronen und Röntgenstrahlen.

Wie wir sahen, sind Röntgenstrahlen kurzwellige Lichtstrahlen. Auch Röntgen- strahlen bestehen aus Strablungsquanten. Durch die Wellenlänge der Röntgenstrahlen wird die Größe jedes Quants n durch Kombination der Gleichungen (20) und (22) be- stimmt; es ist

c

n=h: 7 =h:v. (25)

Aus solchen Quanten setzt sich die Röntgenstrahlung zusammen, und die Intensität J der Röntgenstrahlen ist um so größer, je größer die Zahl N dieser Quanten ist, die in der Zeiteinheit durch die zur Strahlrichtung senkrechte Flächeneinheit fliegen. Es ist also

J=N-bv=N-h—. (26)

Haben wir zwei Strahlen gleicher Intensität, aber verschiedener Wellenlänge, so werden bei der weichen Strahlung, deren Wellenlänge groß und deren Quanten h- =

daher klein sind, in der Zeiteinheit viele solcher Quanten durch die Flächeneinheit gehen, für sie ist also N groß. Bei einer harten Strahlung gleicher Intensität ist demgegenüber

die Wellenlänge klein, also bh, E groß: bei ihr gehen in der Zeiteinheit wenig Quanten

durch die Flächeneinheit, und N ist klein.

Wird Röntgenstrahlung absorbiert, so geschieht das quantenhaft, d. h. die Strahlung wird nicht auf einmal absorbiert, sondern jedes Quant wird einzeln absorbiert, ganz nach Zufälligkeiten. Erstrecken wir aber unsere Betrachtung über einen hinlänglich großen Zeitraum, so ergibt sich immer wieder derselbe Mittelwert für denjenigen Bruchteil

214 H. Küstner

der in der Zeiteinheit durch die Flächeneinheit gehenden Quanten N, welcher in der Zeiteinheit absorbiert wird: wie groß dieser Bruchteil ist, besagt für Röntgenstrahlen bestimmter Wellenlänge und für ein bestimmtes Absorbens das Absorptionsgesetz, das bei experimenteller Bestimmung nur deshalb immer wieder denselben Zahlenwert liefert, weil sich eben immer derselbe statistische Mittelwert ergibt.

Wir betrachten zunächst nur die Vorgänge bei der Absorption eines einzelnen c 3 werden, gleichviel, ob dieses sich allein befindet, wie z. B. ein Heliumatom im Heliumgas, oder ob es einen Teil eines Moleküls bildet, wie z. B. ein Sauerstoffatom in einem Luft- molekül. Ist ein Strahlungsquant absorbiert worden, so tritt seine Energie in zwei neuen Formen zutage: in der Elektronenemission und in der Strahlungsemission.

Strahlungsquants h-v=h- Ein solches kann nur von einem Atom absorbiert

a) Elektronenemission.

Röntgenstrahlen sind kurzwellige Lichtstrahlen: bei ihnen geschieht genau dasselbe, was sich beim ‚lichtelektrischen Effekt“ im Bereiche sichtbarer und ultravioletter Strahlung vollzieht. Ein Teil des absorbierten Energiequants wird dazu verbraucht, um ein Elektron aus dem Atomverbande loszureißen: es wird eine Ionisationsarbeit A geleistet. Der Rest der absorbierten Energie tritt in Form kinetischer Energie eines Planetenelektrons auf, welches das Atom mit einer ganz bestimmten Geschwindigkeit v verläßt, und diese berechnet sich wieder nach der Einsteinschen Gleichung:

c m E, DE h-’-v=h N = +A. | (23)

Wir hatten gesehen, daß sich beim Bohrschen Atom die Planetenelektronen auf Bahnen bewegen, die auf Schalen liegen. Die Durchmesser dieser Bahnen sind nach Gleichung (24) bestimmt, und diese sowohl als die Zahl der Planetenelektronen, die sich auf ihnen bewegen, sind charakteristisch für jedes chemische Element. Von kleineren zu größeren Bahndurchmessern übergehend, hatten wir diese Schalen als K-, L-, M- und N-Schale usf. bezeichnet.

Wird ein Strahlungsquant absorbiert, so muß ein Planetenelektron unter Aufwen- dung der Energie A an die Atomperipherie gehoben werden, die wir uns soweit vom Kern zu denken haben, daß dieser daselbst trotz seiner entgegengesetzten Ladung keine An- ziehung mehr auf das alsdann als frei zu betrachtende Elektron auszuüben vermag. Es kann sein, daß das Elektron aus der innersten, der K-Schale bis zur Atomperipherie gehoben wurde; ebensogut ist es aber auch möglich, daß es der L-Schale, der M-Schale oder einer anderen Schale entstammt. Je tiefer das Elektron im Mutteratom liegt, um so größer muß die Energie A sein, die erforderlich ist, um es zur Atomperipherie zu heben; am leichtesten wird es sein, ein Planetenelektron aus der äußersten Schale los- zureißen, am schwersten aus der innersten, der K-Schale. Wir wollen nun der Reihe nach Röntgenstrahlen verschiedener Wellenlänge auf ein Atom fallen lassen. Das kleine Energiequantum einer weichen Strahlung wird nur vermögen, ein Planetenelektron der äußersten Schale zur Peripherie zu heben. Gehen wir aber zu härteren Strahlen über,

so wird es eine bestimmte Wellenlänge A geben, bei der das Energiequantum bh: = gerade

ausreicht, um ein Elektron aus der zweitäußersten, sagen wir beispielsweise der M-Schale, zur Peripherie zu heben. Wir wollen diese Wellenlänge die sog. ‚Absorptionsbandkante“ der M-Schale, Ay nennen. Bei weiterer Härtesteigerung wird ein A, erreicht werden.

Emission von Elektronen in der Absorption von Röntgenstrahlung 215

bei dem das Strahlungsquant h >

gerade ein Planetenelektron aus der L-Schale zur

Atomperipherie zu heben vermag, und schließlich findet sich eine sehr kurze Wellenlänge ix, die gerade ausreicht, um ein Elektron aus der K-Schale zur Atomperipherie zu brin- gen. Wir sehen also, daß zum Heben eines Planetenelektrons aus einer bestimmten Schale

Tabelle 17. Wellenlänge der K=Absorptionsbandkante inA nach Siegbahn. Nach Beobachtungen von Fricke, Duane, Blake, Hu, Stenström, Shimizu und Cabrera.

Wellenlänge der K = Absorptionsband- | Element | K = Absorptionsband-

Wellenlänge der

kante in A kante in A 12 Mg 9,5112 48 Cd 0,4632 13 Al 7,9470 49 In 0,4434 15 P 5,7580 50 Sn 0,4242 16 S 5,0123 51 Sb 0,4065 17 Cl 4,3844 52 Te 0,3896 18 A 3,8657 53 J 0,3737 19 K 3,4345 55 Cs 0,3444 20 Ca 3,0633 56 Ba 0,3307 21 Sc 2,7517 57 La 0,3188 22 Ti 2,4937 58 Ce 0,3068 23 Va 2,2653 59 Pr 0,2951 24 Cr 2,0623 60 Nd 0,2846 25 Mn 1,8893 62 Sa 0,2644 26 Fe 1,7377 63 Eu 0,2548 27 Co 1,6018 64 Gd 0,2462 28 Ni 1,4890 65 Tb 0,2376 29 Cu 1,3785 66 Dy 0,2301 30 Zn 1,2963 67 Ho 0,2218 31 Ga 1,1902 69 Tu 0,2085 32 Ge 1,1146 70 Ad 0,2016 33 As 1,0435 71 Cp 0,1951 34 Se 0,9790 72 Hf 0,1901 35 Br 0,9179 73 Ta 0,1836 37 Rb 0,8143 74 W 0,17806 38 Sr 0,7696 76 Os 0,1683 39 Y 0,7255 78 Pt 0,1581 40 Zr 0,6872 79 Au 0,1534 41 Nb 0,6503 80 Hg 0,1490 42 Mo 0,61842 8 T! 0,1449 44 Ru 0,5584 82 Pb 0,1410 45 Rh 0,5330 83 Bi 0,1371 46 Pd 0,5075 90 Th 0,1129 47 Ag 0.4850 92 U 0,1075

zur Atomperipherie stets eine ganz bestimmte Wellenlänge erforderlich ist. Diese Ab- sorptionsbandkanten sind für die verschiedenen Elemente und ihre verschiedenen Schalen charakteristisch. Die Wellenlängen dieser Absorptionsbandkanten sind in den Tabellen zusammengestellt. Aus ihnen lassen sich die Energiebeträge berechnen, die zum Heben eines Elektrons zur Atomperipherie erforderlich sind. Sie sind

De i c

ES E e E

je nachdem das Elektron aus der K-, L- oder M-Schale gehoben wird.

Ag =h'yg =h. (27)

216 H. Küstner

Tabelle 18. Wellenlänge der L, = Absorp- Eigentlich gibt es 1 K-Schale, 3 L- tionsbandkante in A nach Siegbahn.

Schalen, 5 M-Schalen usf. und dement- sprechend auch 1, 3 oder 5 K-, L- oder Beobachter M-Absorptionsbandkanten. Für die vor- liegenden Betrachtungen genügt es in- dessen, in jedem Falle nur mit einer

Wellenlänge der L, = Absorptionsband- kante in A

Element

3,6844 3

51 Sb 2.9945 -J Schale und dementsprechend auch nur 52 Te 2,8470 L. mit einer Absorptionsbandkante zu 53 J 2,7124 L. rechnen. 55 Cs 2,4678 L. Wir können uns den geschilderten 56 Ba 2,3577 H. y k] h T di 56 Ba 3.3567 St organg klar machen, wenn wir die 57 La 2.250 H. Röntgenstrahlen verschiedener Wellen- 58 Ce 2,1597 C. länge, die eine Röntgenröhre aussendet, 59 Pr Se C. spektral zerlegen und sie durch ein Ab- 60 Nd 1,9903 C. sorbens treten lassen. In Abb. 13 ist 62 Sm 1,5409 C. R ! 63 Eu 1.773 Wi dies schematisch dargestellt. Rechts sind 74 W 1,2136 D. u. P. die langwelligen, weichen, links die kurz- 78 Pt 1.0704 D. u. P. welligen, harten Strahlen aufgetragen. 19 Au 1.0383 D. u. P. Weiche Strahlen werden bekanntlich 80 Hg 1,0067 D. u. P. . g É 81 0.9776 DuPp stark absorbiert; sie bleiben zum großen R2 Pb 0.9497 D. u. P. Teil im Absorbens stecken. Je härter 83 Bi 0,9216 D. u. P die Strahlen aber sind, um so durch- w en ae dringungsfähiger sind sie bekanntlich,

ı ‚1596 .u. P. :: : 92 U Wf Dup um so mehr läßt sie das Absorbens durch.

(Bezeichnungen: C. = Coster, L. = Lindsay, lst aner die Sirahing gerade Soari H. = Hertz, D. u. P. = Duane und Patterson, die Absorptionsbandkante des Absor- Br. = de Broglie.) benten, besitzt die Strahlung also jene

Wellenlänge, bei der ein Energiequant

ausreicht, um ein Planetenelektron aus einer Schale zur Atomperipherie zu heben, so ` tritt sofort sprunghaft verstärkte Absorption ein: während also das Absorbens auf Energiequanten, die auch nur eine Spur zu klein sind, um die erforderliche Los- trennungsarbeit zu leisten, gar nicht anspricht, nutzt es die Fähigkeit derjenigen

Tabelle 19. Wellenlänge der M, = Absorptions-

5 bandkante in A nach Siegbahn. 3 See eege S | Wellenlänge der z Element | M, = Absorptionsband- Beobachter e kante in A eh 4 Au ' Abb. 13. Schematische Darstel- 83 Bi 4,762 | Coster lung der Absorption in Abhängig- 90 Th 3,721 t Stenström keit von der Wellenlänge. 92 U 3,491 | Me

Quanten, die gerade groß genug sind, um die Lostrennungsarbeit zu leisten, maximal aus. Mit fortschreitender Abnahme der Wellenlänge wiederholt sich derselbe Vorgang an den Absorptionsbandkanten der anderen, weiter innen liegenden Schalen.

Je nach der Schale, aus der ein Elektron an die Atomperipherie gehoben wird, ist die erforderliche Lostrennungsarbeit A also verschieden. Wird Strahlung einer bestimm- ten Wellenlänge % absorbiert, so ist demnach auch der Restbetrag an Energie. der für

Absorptionsbandkanten der Röntgenserien 217

die kinetische Energie des in Freiheit gesetzten Elektrons zur Verfügung steht, verschie- den: Kombination der Gleichungen (23) und (27) ergibt für die kinetische Energie des Elektrons

m CG

1 1 Tev-hv-hy-h: hg hell (28)

A A, AA

worin v, die Frequenz, A, die Wellenlänge der Absorptionsbandkante bedeutet. Ent- stammt das Elektron der K-Schale, so ist bei bestimmter, absorbierter Energie seine kinetische Energie und daher auch seine Geschwindigkeit am kleinsten, da die Los- trennungsarbeit A alsdann am größten ist; entstammt es der L-Schale, so ist seine kinetische Energie und Geschwindigkeit größer, und sie ist ganz allgemein um so größer, je weiter außen die Schale liegt, aus der das Elektron gerissen wurde. Bei einer Strahlung gegebener Wellenlänge und bei einem bestimmten diese absorbierenden Elemente wird es also immer eine ganze Reihe verschiedener kinetischer Energien und Geschwindigkeiten geben, mit denen die Elektronen austreten, je nach den Schalen, aus denen sie kommen. Und zwar beträgt diese kinetische Energie

m 1 1

ehrn bas hel: Sch EE E

2 VL v hy; = CG d S $

m l (29) ——e 2 = H ` = —-

2 Vy h.v hyy el, el

LN > o> o > ù òo è o o ọọ o ù o o o ù o o © ù ù ùo > o > ọọ o > > > o WE 0

wenn A und v Wellenlänge und Frequenz der einfallenden Strahlung, Ar und vg die der Absorptionsbandkante der K-Schale, Au und we die der L-Schale und vr v; die zu- gehörigen Elektronengeschwindigkeiten sind, während v, die Geschwindigkeit eines Elektrons ist, das sich schon an der Atomperipherie befand, als es aus dieser gerissen wurde.

Die Gültigkeit dieser Beziehungen, die ein Ausdruck dafür sind, daß sich die Energie eines absorbierten Strahlungsquants auf die Lostrennungsarbeit A = bh: und auf die

A

kinetische Energie des austretenden Elektrons verteilt, wurde gleichzeitig und unabhängig durch de Broglie und durch Whiddington experimentell erwiesen. Sie bedienten sich des elektrodynamischen Gesetzes, daß die geradlinige Bahn eines Elektrons zu einer Kreisbahn aufgerollt wird, wenn man es in ein magnetisches Feld treten läßt. Kennt man die Stärke H des magnetischen Feldes, so kann man nach der einfachen Beziehung

v=$9'R SCH (30) in der e und m die bekannte Ladung und Masse des Elektrons bedeuten, die Geschwindig- keit v des Elektrons aus dem Radius R seiner Bahn berechnen. Beide Forscher ließen Spek- trallinien, also Röntgenstrahlen, deren Wellenlänge nach Tabelle 22 und 23 genau bekannt ist, auf verschiedene Elemente fallen, deren Absorptionsbandkanten für die verschiedenen Elektronenschalen nach Tabelle 17—19 ebenfalls bekannt sind. Aus der experimentell

m bestimmten Geschwindigkeit v des Elektrons läßt sich die kinetische Energie SS vi

218 H. Küstner

des Elektrons bestimmen, und diese muß, wenn unsere obigen Ausführungen zu Recht bestehen sollen, gleich sein der Differenz, die sich nach Gleichung (28) aus der Energie

des absorbierten Strahlungsquants h: > und der Abtrennungsarbeit

vorzügliche Übereinstimmung zwischen Berechnung und Messung zeigt Tabelle 20, die

Tabelle 20. Zur Bestimmung der kinetischen Energie von Röntgenstrahlen abgetrennter Primärelektronen nach Whiddington.

Erregende Strah- lung (Frequenz)

Elektron aus der Kupferschale (Frequenz)

d Gemessen

d Berechnet

172 st. L (22) Cu K a (195) | 173 L (22) Cu K B (216) 194 We Weer (0) CuK æ (19) ` 195) 217 schw. NS (O) Cu K B (216) | 216 270 st. K (217) | RhK a (190) 278 287 schw. ? | 313 st. K? (217) _ RhK i (551) 334 461 st. L (22) = RhKa (490) | 468 aiy U (22) _RhKBß = E

Oberfläche (O) Rh K æ (490) 490 552 sehr schw. Oberfläche (O) , RhKB (551)

Antikathode: Rhodium; Sekundärstrahler: Kupfer.

der Untersuchung Whiddingtons entnommen ist. Als absorbierte Strahlungen dienten die K,- und K;-Linie von Kupfer und die K,- und K,-Linie von Rhodium, als ab- sorbierendes Element diente Kupfer. Neben die Bezeichnung der Schalen, denen das Elektron entstammt, ist in Klammer die Frequenz der zugehörigen Absorptionsband-

Tabele 21. Asymmetrie in der Ausbreitung von schnellen Primärelektronen nach C. T. R. Wilson.

Bahnen mit +, 0 und = Vorwärtskomponente

Gesamtzahl der Bahnen

Spannung in kV

Bahnlänge in mm

Zahl in jeder Klasse in °/,

Zahl in jeder Klasse

20—30 69 17 | 14 15—20 58 | 21 21 1—15 52 28 20 2—7 45 35 20

kante, neben die Bezeichnung der absorbierten Strahlung die Frequenz derselben ge- setzt.

Vergleichen wir weiterhin die Geschwindigkeit von Elektronen, die aus derselben Schale stammen, die aber von Strahlungen verschiedener Härte aus diesen heraus- gerissen werden, so muß, da die Abtrennungsarbeit hierbei in allen Fällen die gleiche ist, die kinetische Energie und deshalb auch die Geschwindigkeit des befreiten Elektrons um so größer sein, je größer die Energie des absorbierten Strahlungsquants, je härter also die absorbierte Strahlung ist. Daß dies tatsächlich der Fall ist, hat C. T. R. Wilson sehr augenfällig nachgewiesen. Wilson gelang es, wie wir im I. Kapitel sahen, die Bahnen

Energie und Austrittsrichtung der Röntgenelektronen 219

von Elektronen, die durch Röntgenstrahlen aus den Atomen der Luftmoleküle heraus- gerissen werden, mit Hilfe seiner Nebelmethode sichtbar zu machen. Abb. 14a zeigt die stereoskopische Aufnahme solcher Elektronenbahnen, die durch die langwellige Kupferstrahlung (1,54 A), Abb. 14b Elektronenbahnen, die durch die kurzwellige Silber- strahlung (0,56 Ä) an Luft unter gleichen Bedingungen ausgelöst wurden. Man erkennt deutlich, daß die kurzwelligere Strahlung Elektronen größerer kinetischer Energie und daher größerer Bahnlänge in Freiheit setzt.

Wilson hat an 1148 Bahnen den Winkel zwischen der Anfangsrichtung langbahniger Primärelektronen und der Richtung der Röntgenstrahlen untersucht. Tabelle 21 zeigt seine Ergebnisse. In ihr sind Bahnen mit Vorwärtskomponente mit +, solche mit

Abb. 14a Nebelaufnahme von Elektronenbahnen von C. T. R. Wilson. Stereoskopische Aufnahme primärer Röntgenelektronen, die durch Kupfer-K-Strahlung ausgelöst wurden. Enddruck 53 cm.

Rückwärtskomponente mit und rechtwinklig zum Röntgenstrahl verlaufende Bahnen mit 0 bezeichnet. Wie die letzte Spalte lehrt, wächst die Vorwärtskomponente rapid mit der Geschwindigkeit der Primärelektronen, d. h. mit der Härte der Röntgenstrahlen. Die Zunahme erfolgt hauptsächlich auf Kosten der rechtwinkligen Bahnen. Ebenso fanden neuerdings nach anderen Methoden Bothe und Seitz, daß mit zunehmender Härte der Röntgenstrahlen die Emission in Richtung der Röntgenstrahlen bevorzugt wird. b) Emission charakteristischer Strahlung.

Da Energie nie verlorengehen kann, so muß auch diejenige Energie, die als Los- trennungsarbeit A beim Ionisationsvorgang verbraucht und damit an das Atom abgegeben wurde, wieder in einer anderen Form in Erscheinung treten. Wir wollen sehen, wie das beim Bohrschen Atom geschieht.

Strahlung wird beim Bohrschen Atom dann emittiert, wenn ein Elektron von einer äußeren auf eine innere Bahn springt. Wurde beim Absorptionsvorgang unter Aufwen- dung der Lostrennungsarbeit A ein Planetenelektron aus einer inneren Schale an die Atomperipherie gebracht, so wird alsbald innerhalb von ein Hundertmillionstel

220 H. Küstner

Sekunde ein anderes Planetenelektron aus einer äußeren Schale auf den freigewordenen Platz zurückfallen, und dabei wird Strahlung emittiert. Springt ein solches Elektron aus der nalen auf die m!* Quantenbahn, so wird dabei Strahlung einer einzigen, ganz be- stimmten Frequenz und also auch Wellenlänge emittiert; d. h. es entsteht eine Spektral-

Abb. 14b. Nebelaufnahme von Elektronenbahnen von C. T. R. Wilson. Stereoskopische Aufnahme primärer Röntgenelektronen, die durch Silber-K-Strahlung ausgelöst wurden. Enddruck 53 cm.

linie. Handelt es sich dabei um das Element mit der Stellenzahl Z im periodischen Sy- stem, so gilt für die Frequenz der emittierten Strahlung:

en S R- (Z Ae Gi 3] w=, SRZ- a) (31) Hierin ist R = 109677,69 eine universelle Konstante, die sog. Rydbergkonstante, und s ist eine im allgemeinen bekannte Konstante, deren Wert durch die Bahnen bestimmt wird, zwischen denen das Elektron springt. Die Wellenlänge A. ist also auch dann, wenn das Elektron zwischen denselben Bahnen springt, abhängig von Z und damit für das betreffende Element charakteristisch. Die bei diesem Vorgange emittierte Strahlung wird daher charakteristische Strahlung genannt.

Wurde bei der Absorption ein Elektron aus der innersten, der K-Schale, gerissen,

Emission charakteristischer Strahlung nach Absorption von Röntgenstrahlung

Tabelle 22. Wellenlängen der K-Reihein Å Emission nach Siegbahn.

Element

11 Na 12 Mg 13 Al 14 Si 15 P

16 S

17 Cl 19 K

20 Ca 21 Sc 22 Ti 23 Va 24 Cr 25 Mn 26 Fe 27 Co 28 Ni 29 Cu 30 Zn 31 Ga 32 Ge 33 As 34 Se 35 Br 37 Rb 38 Sr 39 Y

40 Zr 41 Nb 42 Mo 44 Ru 45 Rh 46 Pd 47 Ag 48 Cd 49 In 50 Sn DI Sb 52 Te 74 W 77 Ir 78 Pt

5,36375 4,72136 3,73706 3,35495 3,02840 2,74681 2,50213 2,28895

1,93651 1,78956 1,65854 1,54116 1,43587 1,25421 1,17741 1,10642 1,04172 0,92773 0,87745 0,83121 0,78827 0,74879 0,71187 0,64588 0,61637 0,58860 0,56259 0,53832 0,51548 0,49388 0.47384 0,45491 0,21352 0,1958

0.19010

7,10917 6,14171

5,36090 4,71821 3,73368 3,35169 3,02503 2,714317 2,49835 2,28484 2,09732 1,93230 1,78528 1,65461 1,53730 1,43206 1,25130 1,17344 1,10241 1,03768 0,92361 0,87328 0,82703 0,78406 0,74454 0,70759 0,64154 0,61201 0,58421 0,55816 0,53389 0,51105 0,48941 0,46929 0,45037 0,20885

0,18528

B

11,591

9,5345

7,9405

6,7393

5,7861

5,0213

4,3946

3,44680 3,08343 2,717394 2,50898 2,27972 2,08045 1,90591 1,75272 1,61713 1,49703 1,38933 1,29271 1,12646 1,05511 0,99000 0,93073 0,82673 0,78106 0,73902 0,69998 0,63398 0,63075 0,54467 0,51948 0,19585 0,47409 0,45363 0,43425 0,41616 0,39892 0,18436 0,1684

0,1634

Y

2,4937 2,2646 2,0670 1,8932 1,7406 1,6054 1,4854 1,3780 1,28111

1,11441

0,97744 0,91822 0,81462 0,76874 0,72677 0,68808 0,65237 0,61927

0,53437 0,50894 0,48542 0,46396 0,44398 0,42472 0,40681 0,38988 0,17940

0,1582

221

so kann ein anderes aus der zweiten, der L-Schale, an seine Stelle springen. Die Linie, die alsdann emittiert wird, wird die K,-Linie genannt, und ihre Frequenz ist bei allen Elementen c 1 1 3 re = BT Te BZ “^ Vka = SC R-(Z2 —]) (i z) R: (Z— 1) 1: (32) An die so in der L-Schale freigewordene Stelle kann ein Elektron aus der M-Schale springen. Dann wird die L,-Linie emittiert, und deren Frequenz ist bei allen Elementen l

„9 Ae Si SCHEER a) RT z (33)

222 H. Küstner

An die Stelle dieses Elektrons springt wieder ein anderes von weiter außen her usf., bis die auf der äußersten Bahn freigewordene Stelle durch Einfangen eines Elektrons wieder besetzt und das Atom dadurch wieder elektrisch neutral wird. Die Summe der Einzel- energien be, Dy... muß dabei gleich der Lostrennungsarbeit A sein, so daß

ist.

h’vgathv.u+---=4 (34)

Es ist indessen keineswegs immer der Fall, daß die Elektronen genau der Reihe nach in die freigewordenen Stellen einrücken. Vielmehr tritt es sehr häufig ein, daß ein Elek-

68 Er | 1.78040

70 Ad 1,66779 71 Cp 1,61551 72 Hf 1,56614 73 Ta 1,51825 74W 1,47348 76 Os 1.38816 38 Sr 6,8478 57 La 2,65968 77 Ir 1,34834 39 Y 6,4349 58 Ce 2,55600 78 Pt 1,31008 40 Zr 6,0559 59 Pr 2,45770 79 Au 1,27355 41 Nb 5,7113 60 Nd 2,36531 80 Hg 1,2385 42 Mo 5,3943 62 Sm 2,19501 81 TI 1,20471 44 Ru 4,83567 63 Eu 2,11633 82 Pb 1,17202 45 Rh 4,58778 64 Gd 2,04193 83 Bi 1,14115 46 Pd 4,35850 65 Tb 1,97149 90 Th 0,95342 47 Ag 4,14564 66 Dy 1,90460 92 U 0,90833 48 Cd 3.94782 67 Ho 1,84098

tron aus einer äußeren Schale über eine mittlere hinweg direkt in eine innere springt, so z. B. aus der M- in die K-Schale. Alsdann wird eine etwas kurzwelligere Linie als die K,-Linie, die sog. K,-Linie emittiert.

Alle Elektronen, die von außen her in die K-Schale springen, liefern die Linien der K-Serie; alle Elektronen, die in die L-Schale springen, die der L-Serie usf. Die Hellig-

Tabelle 24. Wellenlängen der M.-Linien in Ä (nach Siegbahn). |

Element

Element | Element | Ma

66 Dy 9,509 q 81 Tl | 5,4145 67 Ho | 9,123 T 82 Pb 5,276 68 Er 5,770 7 83 Bi l 5,100 70 Ad 8,123 18 90 Th | 4,119 71 Cp | 7,518 D 92 U 3,901 13 Ta 1.237

keit der einzelnen Spektrallinien ist dabei bedingt durch die Häufigkeit, mit der sich der eine oder der andere Akt vollzieht. Die Wellenlängen derselben Serie unterscheiden sich nur verhältnismäßig wenig, die der verschiedenen Serien verhältnismäßig stark voneinander. In den Tabellen 22—24 sind die Linien der K-Serie und die intensivsten Linien der L- und M-Serie aufgeführt. Abb. 15 zeigt die Linien der K-Serie einer Folge von Elementen nach Aufnahmen von Moseley. Gleiche Wellenlängen stehen über- einander.

Die Röntgenserienspektra 2923

Das Wesentlichste an unseren Ausführungen ist: wird Röntgenstrahlung, wie das stets ge- schieht, quantenhaft absorbiert, so tritt die ab- sorbierte Energie stets in zwei neuen Formen auf: einerseits in Form kinetischer Energie los- gerissener Planetenelektronen, und anderseits in Form charakteristischer Strahlungsenergie. Dieses unzertrennlich paarweise Auftreten der beiden sekundären Energieformen zeigt in her- vorragend deutlicher Weise eine stereoskopische Aufnahme Wilsons nach seiner Nebelmethode (Abb. 16). Wilson ließ einen Röntgenstrahl von !/,; mm Durchmesser auf ein 0,03 mm dickes Kupferblech fallen, das an dem in der Aufnahme sichtbaren Halter in der Nebelkammer ange- bracht war. Auf der Austrittsseite der Röntgen- strahlen aus diesem erkennt man einerseits die lange Bahn des losgerissenen Planetenelektrons; anderseits ist auch der Punkt mit auf die Platte gekommen, in dem das nach dem Losreißen des

e gi Messing

Abb. 15. Röntgenspektra verschiedener

Elemente (K-Serie) nach Mosely (aus

Siegbahn, „Spektroskopie der Röntgen- strahlen“‘).

Planetenelektrons emittierte Strahlungsquant der charakteristischen Kupfer-K-Strah-

lung von einem Luftmolekül wieder absorbiert Planetenelektron losgerissen, welches, wegen der

wurde: aus einem Atom hat es ejn geringen Energie des Kupfer-K-Strah-

lungsquants, nur eine geringe Geschwindigkeit besitzt und daher nur eine kurze Bahn

beschreiben kann.

Abb. 16. Stereoskopische Nebelaufnahme von C. T. I 0,5 mm Durchmesser fällt nach Filterung mit 9,2 mm Ah Dicke. Enddruck etwa 0,7 Atmosphären. Außer der ausgelösten Primärelektrons erkennt man eine kurze B:

t. Wilson. Das Röntgenstrahlbündel von ıminium auf eine Kupferplatte von 0,08 mm langen Bahn des von den Röntgenstrahlen ıhn. Sie rührt her von der Absorption des

Quants charakteristischer Kupfer-K-Strahlung, dessen Emission auf die Abtrennung des |

langbahnigen Elektrons folgte.

224 H. Küstner

2. Absorption von kinetischer Energie stoßender Elektronen und Emission von Röntgenstrahlen und Elektronen.

a) Emission von Röntgenstrahlung. a) Charakteristische Strahlung.

Tritt ein Elektron aus einem Atom mit der Geschwindigkeit Null aus, wie z. B. aus einem Wolframatom jener Wolframdraht-Glühspiralen, die unsere gasfreien Röntgen- röhren besitzen, so kann man diesem Elektron eine Geschwindigkeit verteilen, wenn man zwischen die Glühspirale und eine andere Elektrode bei den Röntgenröhren die Anti- kathode eine Spannungsdifferenz von V Volt legt, wobei man wegen der Anziehung einer

Tabelle 25. Bruchteile der Lichtgeschwindigkeit v und Voltgeschwindigkeit Vp in Volt (nach Lenard).

Lg | Volt Lg | Volt 0,005 6,37 0,80 342000 0,01 95,5 0,81 361000 0,02 102 0,82 | 382000 0,03 230 0,83 | 405000 0,04 409 0,54 431000 0,05 637 0.85 | 459000 0,1 2560 0,86 | 490000 0,15 5840 0,87 | 525000 0.2 10500 0,88 | 565000 0,25 16700 0,89 610000 0,3 24700 0,90 | 662000 0,35 31300 0.91 722000 0,4 46500 0,02 793000 0,45 61200 0,93 | 879000 0,5 79100 0,94 | 986000 0,55 101000 0.95 1130000 0.6 123000 0,96 1310000 0.65 161000 0,97 1590000 0,7 203000 0,98 2060000 0,75 250000 0,99 | 3110000 0,80 342000 0,995 | 4600000

positiven Ladung und wegen der Abstoßung einer negativen Ladung auf das negativ geladene Elektron die Antikathode mit dem positiven und die Glühspirale mit dem nega- tiven Pol der Spannungsquelle zu verbinden hat. Die kinetische Energie des Elektrons nach Durchlaufen der Spannungsdifferenz beträgt dann

+ v”=-h'v=h- Ss SEN, (35)

worin e die Ladung und m die Masse des Elektrons bedeutet. In Tabelle 25 ist eingetragen, welche Geschwindigkeit das Elektron nach Durchlaufen der Spannungsdifferenz V besitzt. Die Geschwindigkeit ist dabei in Bruchteilen der Lichtgeschwindigkeit ange- geben, welche zu 300000 km pro Sekunde bekannt ist. Wegen der Eindeutigkeit der Beziehung spricht man vielfach auch von der „Voltgeschwindigkeit‘‘ des Elektrons und meint damit jene Geschwindigkeit v, die es besitzt, wenn es V Volt durchlaufen hat.

Emission charakteristischer Strahlung durch Elektronenstoß 225

Setzt man in Gleichung (35) die Werte für die Konstanten h, c und e, gemessen in elektromagnetischen Einheiten, ein, so erhält man die Beziehung

(AER (36)

worin à in A, V in Kilovolt gemessen ist. Die Emission charakteristischer Röntgenstrahlung bei Absorption kinetischer

Energie stoßender Elektronen können wir am besten verfolgen, wenn wir die Vorgänge

am Röntgenrohre selbst betrachten. Legt man der Reihe nach höhere Spannungen an

das Röntgenrohr, so kann man mit

Spektralapparat und lonisationskam-

mer das Auftreten der charakteristi-

schen Strahlung verfolgen. Abb. 17 |

zeigt eine Aufnahme von Webster

und Clark, die bei einer Röntgenröhre j

mit Rhodiumantikathode erhalten Rh

wurde. Die Reflexionswinkel des Spek- RRB, H

tralapparates, die statt der Wellen-

längen aufgetragen sind, steigen mit

diesen an. Wie Tabelle 17 lehrt, mißt

die Absorptionsbandkante der K-Serie

des Rhodiums 0,533 A. Nach Glei-

chung (36) läßt sich leicht berechnen,

daß dies 23,2kV entspricht. Bei

23,2 kV Röhrenspannung hat das sto- RhG;

Jonsierungsstron

Bende Elektron noch nicht die hin- I Au reichende kinetische Energie, um ein HEVANI Planetenelektron aus der K-Schale des Mo Jun

; e S nn 00 Rhodiums an die Atomperipherie zu Dsg Bess de, heben und es so zur Emission seiner Fr m TI 7 L

e . D . e y’ 5? go LA K-Serie zu präparieren. Das zeigt die OS ÅE, OS8IÅE, 05 ÄE Reflenonswinkel unterste ee teg u Wird Abb. 17. Kontinuierliches Ionisationsspektrum und diese Spannung aber überschritten, so harakteristische Röntgenstrahlung des Rhodiums ist die kinetische Energie des stoßen- nach Webster und Clark (aus Siegbahn, „Spek-

den Elektrons für diesen Akt ausrei- troskopie der Röntgenstrahlen“).

chend, und die Linien der K-Serie wer-

den emittiert, und zwar um so intensiver, je höher die Spannung oder die kinetische Energie des Elektrons ist, was aus der Höhe der Spitzen hervorgeht, welche der Inten- sität der Spektrallinien entsprechen. Daß die K,-Linie nicht etwa dann schon emittiert wird, wenn das Elektron die ihrer Wellenlänge von 0,612 Ä nach Tabelle 22 ent- sprechende Voltgeschwindigkeit von 20,1kV besitzt, steht völlig im Einklang mit unserer oben entwickelten Anschauung, daß erst ein Elektron der K-Schale an die Atomperipherie gehoben werden muß; alsdann werden alle zur K-Serie gehörenden Linien gleichzeitig emittiert.

Die Intensität der Spektrallinien, die um so größer ist, je mehr die kinetische Ener- gie des Elektrons diejenige Energie überschreitet, welche der Absorptionsbandkante der betreffenden Serie entspricht, ist ein Maß dafür, wie häufig der Fall eintritt, daß eines der vielen stoßenden Elektronen gleicher kinetischer Energie diese durch einen Absorp- tionsakt verliert (vgl. hierüber das X. Kapitel).

Die ionisierende Wirkung der charakteristischen Strahlung eines Gases wird in-

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 15

DNA

26 H Küstner

dessen so gering sein im Vergleich zu der unter 2 b, 1 zu besprechenden Wirkung, daß wir sie vernachlässigen dürfen.

B. Bremsstrahlung.

Es kann auch der Fall eintreten, daß ein Elektron beim Zusammenstoße mit einem Atom dasselbe durchsetzt, dabei aber so nahe an dessen Kern vorbeikommit, daß es eine Bahnablenkung erleidet. In der Tat beobachtete Wilson auf seinen Nebelauf- nahmen für Primärelektronen zwischen 15 und 25 kV-Geschwindigkeit bei 8,8% aller Bahnen solche plötzliche Ablenkungen um 90° oder mehr, ein Prozentsatz, der schr gut mit Rutherfords Theorie der Kernablenkung in Einklang steht. Eine solche plötzliche Bahnablenkung des Elektrons kommt einer teilweisen Bremsung desselben gleich, und nach der Theorie der Bremsstrahlung von Wiechert, Thomson, Stokes und Sommerfeld ist mit dieser Bremsung die Emission von Röntgenstrahlung ver- bunden. Vereinzelt wird der Fall eintreten, daß ein Elektron bei einem einzigen Brems- vorgange seine gesamte Geschwindigkeit verliert, ohne am Atom hängenzubleiben. Dieser Grenzfall entspricht der Emission der Grenzwellenlänge des kontinuierlichen Röntgenspektrunis (vgl. X. Kapitel).

Wir wissen indessen aus den Untersuchungen Wiens, daß nur etwa 1°/,, der Energie der Kathodenstrahlen unserer Röntgenröhren in Bremsstrahlung umgesetzt wird. Die übrigen 999%, treten als Wärme der Antikathode zutage. Der auf Bremsstrahlung entfallende Energiebetrag ist also verschwindend klein. Im Zusammenhange mit Wilsons obigem Ergebnis würde dann folgen, daß ein Elektron von 15—25 kV-Geschwindigkeit bei einer Bahnablenkung einen Energieverlust erleidet, dessen Größenordnung im Mittel 1% seiner kinetischen Energie beträgt. Wir dürfen also sowohl den Energieverlust des Primärelektrons bei der Bremsung als auch die Bremsstrahlungsenergie selbst als be- langlos vernachlässigen.

b) Emission von Sekundärelektronen.

Beim Zusammentreffen eines Primärelektrons mit einem Atom tritt häufig der Fall ein, daß das Primärelektron ein Planetenelektron aus dem Atom herausreißt. Hiermit ist ein Energieverlust des Primärelektrons verbunden. Diese dem Primärelektron ver- lorengegangene Energie setzt sich in dieselben Energieformen um wie bei der Absorption eines Strahlungsquants durch ein Atom, die wir im I. Teile dieses Kapitels besprachen: der eine Teil dieser Energie wird zur Abtrennungsarbeit des Planetenelektrons ver- braucht und wird in Form charakteristischer Strahlung des Atoms wieder frei; der Restbetrag der vom Primärelektron verlorenen Energie tritt in Form kinetischer Energie des Planetenelektrons auf, das die Atomperipherie mit einer gewissen Geschwindigkeit verläßt. |

Für diese Form der Energieumsetzumg haben wir drei Fälle zu unterscheiden:

l1) Das Primärelektron erleidet beim Stoß nur einen sehr geringen Geschwindig- keitsverlust, der nur wenigen Volt entspricht. Nach Wilson ist die Zahl derjenigen Elektronen, die bei den Atomen der Luftmoleküle aus der K-Schale gerissen werden, nur l/o derjenigen Elektronen, die aus anderen Schalen stammen. Das Primärelektron reißt also im allgemeinen ein Planetenelektron aus einer äußeren Schale heraus. Ent- sprechend dem geringen Geschwindigkeitsverluste des Primärelektrons haben diese sekundären Elektronen auch nur geringe Geschwindigkeit. Am häufigsten ist der Fall daß sie nur von ihrem Mutteratom getrennt werden, so daß beide ein Trägerpaar bilden. Seltener ist der Fall, daß sie mit hinreichend großer Geschwindigkeit auftreten. um selbst wieder im Zusammenstoß mit anderen Atomen Trägerpaare zu bilden. Wilson ließ

Befreiung von Sekundärelektronen durch ein Primäres 227

Röntgenstrahlen auf Luft fallen. Hierbei entstanden in bekannter Weise primäre Elek- tronen. Wilson zählte die Bahnen der langsamen Sekundärelektronen, die von jenen aus den Atomen der Luftmoleküle herausgerissen wurden; und er zählte weiter die ter- tiären Elektronen, die jedes langsame sekundäre Elektron seinerseits erzeugte. Die Tabelle 26 lehrt, daß die sekundären Elektronenbahnen um so seltener sind, je mehr Tertiärelektronen das sekundäre Elektron darauf auslöst.

Tabelle 26.

Nach C. T. R. Wilsons Beobachtungen erzeugten 8 Primärelek tronen, die von Röntgenstrahlen an Luft ausgelöst waren, insgesamt auf ihren Balınen

55 Sekundärelektronen, deren jedes 1 tertiäres Ion abspaltete; 2%) i Se Se 4 tertiäre lonen ge 16 e 58 5 6 e vn 13 e e d H 5 se »

16 = gi » mehrals 8 = e ge K Desgleichen erzeugte 1 schnelles Primärelektron (ß-Teilchen unbekannter Herkunft) auf seiner Bahn in Luft 13 Sekur.därelektronen, deren jedes 2 tertiäre Ionen abspaltete;

5 i > . 4 7 T 2 e RR se 7 ze vn 2 P ep e, 8 e op ou

1 Sekundärelektron, welches 10 tertiäre Ionen abspaltete;

außerdem zeigte sich eine unauflösbare Sekundärelektronenbahn.

Über die Energieumsetzungen zwischen primären, sekundären und tertiären Elek- tronen verdanken wir Lenard sehr reichhaltiges Zahlenmaterial, das im Auszuge in Tabelle 27 mitgeteilt ist. Die Zahlen sind als statistische Mittelwerte aufzufassen. Spalte 1 gibt die Geschwindigkeit des Primärelektrons in Bruchteilen der Licht- geschwindigkeit, Spalte 2 seine Voltgeschwindigkeit in kV. Spalte 3 zeigt, wieviel Zenti- meter ein Primärelektron in Luft von 760 mm Quecksilber Druck bei OH C. günst gsten- falls zurückzulegen vermag, ohne sich an ein Molekül oder Ion anzulagern: die Bahn- länge wächst mit der Geschwindigkeit und der kinetischen Energie des Elektrons. Den Verlust an Energie, den das Primärelektron bei jedem Zusammenstoß erleidet, der mit Ionisierung verbunden ist, gibt Spalte 4. Um ein Planetenelektron hierbei an die Atomperipherie zu heben, ist eine Abtrennungsarbeit erforderlich, die nach Lenard etwa 7 Volt, nach Wilson etwa 6,8 Volt entspricht, was gut überein- stimmt. Der Überschuß über 7 Volt steht dem Sekundärelektron als kinetische Energie zur Verfügung. Spalte 5 zeigt die um 7 Volt verminderten Werte der Spalte 4. Sie lehrt, daß auch die Geschwindigkeit der Sekundärelektronen mit der der primären steigt. Spalte 6 teilt die Zahl der Sekundärelektronen mit, die ein Primärelektron durchschnittlich längs Lem seiner Bahn auslöst: je geringer die Ge- schwindigkeit des Primärelektrons nach dem Ende seiner Bahn zu wird, desto dichter liegen die Sekundärelektronen auf dieser, was sich auch deutlich aus Wilsons Auf- nahmen (z. B. Abb. 10, 14, und 16) erkennen läßt. Die Zahl von Tertiärelektronen, die ein Primärelektron auf dem Umwege über viele Sekundärelektronen längs I em seiner Bahn in Freiheit setzt, ist nach Spalte 7 verschwindend klein, solange die Geschwin- digkeit des Primärelektrons und daher auch die des sekundären nicht sehr groß ist, und erst bei sehr großen Primärgeschwindigkeit erzeugt ein Primärelektron viele Tertiär- elektronen auf 1cm Bahn. Die Gesamtzahl an sekundären und tertiären Elektronen. die ein Primärelektron längs 1 cm seiner Bahn erzeugt, gibt Spalte 8 als Summe der Werte aus den Spalten 6 und 7. Und die Gesamtzahl an sekundären und tertiären Elektronen,

15*

228 H. Küstner

die ein Primärelektron gegebener Geschwindigkeit auf seiner ganzen Bahn auszulösen vermag, zeigt Spalte 9. Man erkennt, daß sie mit zunehmender Geschwindigkeit des Primärelektrons stark ansteigt. Man sollte aus der Bahnlänge des Primärelektrons (Spalte 3) und aus der pro Zentimeter seiner Bahn gebildeten Gesamtträgerzahl (Spalte 8) schließen, daß das Primärelektron eine weit größere Gesamtzahl an Trägern längs seiner ganzen Bahn in Freiheit setzt, als Spalte 9 angibt. In Wirklichkeit ist aber der Prozentsatz an Primärelektronen, welche durch Anlagerung an ein Luftmolekül ein vorzeitiges Bahnende finden, um so größer, je langsamer die Anfangsgeschwindigkeit der Primärelektronen ist. Nur bei verhältnismäßig wenigen unter ihnen kommt daher

Tabelle 27. Angaben Lenards über die Umsetzung der kinetischen Energie primärer Elektronen bei sekundärer und tertiärer Trägerbildung.

Biimärelektron Sekundäre Elek-Inertiäre Gesamtzahl tronen Elektro-| der sekundären + Höchste nen,die | tertiären Elektro- Geschwin- Bahn- | Energie- Zahl un nen, die das Primär- ae "| Volt- länge verlust Volt- di Er Umwege elektron Bruchtei- geschwin-| in Luft pro geschwin- = ein | über viele len der digkeit | von 0°C | Durch- digkeit 1 en sekundäre) | pro cm | auf seiner Licht- Va in kV| und querung Vs ann ae seiner |ganzen Bahn geschwin- a 760 mm | in Volt | in Volt | PO EM Bahn Bahn auslöst digkeit | Hg in cm auslöst auslöst S 0,35 34,3 4,6 11 0 308 160 0,4 46,5 | 7,9 11 0 250 247 0,45 61.2 | 12,7 12 0 210 385 0,5 79,1 18,5 14 0 180 580 0,55 | 101,0 | 26,5 16 0 152 830 0,6 128 37 17 0 131 1150 0,65 161 49 19 2 111 1520 0,7 203 67 24 6 95 1990 0,75 260 92 29 10 80 2570 0,8 342 131 38 16 69 3310 0,85 | 459 185 53 21 59 4200 0,9 662 277 80 25 50 5400 0,95 1130 492 170 33 45 8600 0,99 3110 1400 1000 39 41 26800 ı | 2 | 3 | 4 7 | & | 9

Die Zahlen der Spalten 3—9 stellen statistische Mittelwerte dar.

die Fähigkeit zur Trägerbildung voll zur Geltung: sie erzeugen in der Tat eine höhere Trägerzahl, als Spalte 9 besagt. Die meisten Primärelektronen erzeugen demgegenüber eine weitaus geringere, und so ergeben sich die statistischen Mittelwerte der Spalte 9.

Besonders interessant ist es, neben Lenards Zahlenmaterial die Beobachtungen Wilsons zu stellen. Nach dessen Angaben erwies sich die Zahl der Sekundärelektronen, die ein Primärelektron pro Zentimeter seiner Bahn bildet, angenähert umgekehrt propor- tional dem Quadrate seiner Geschwindigkeit; betrug diese !/, Lichtgeschwindigkeit, so erzeugte das Primärelektron längs l cm Bahn 83 Sekundärelektronen. Die Gesamt- ionisation pro Zentimeter einschließlich der gebildeten sekundären und tertiären Träger ist nach Wilson 3—4mal so groß, und zwar gilt das bis etwa ?/, Lichtgeschwindigkeit, also für den Wellenlängenbereich der Tiefentherapie. Mit Hilfe dieser Angaben läßt sich die Tabelle 28 berechnen. Sie zeigt, daß Wilsons Werte hinter denen Lenards zurück-

Bahnlänge des Primärelektrons; sekundäre und tertiäre Trägerbildung 229

bleiben. Auffällig ist, daß die Zahl tertiärer Träger bei Lenard verschwindend klein ist, während sie bei Wilson etwa das 2—3fache der sekundären Trägerzahl ausmacht. Weiter ist nach den Ergebnissen Wilsons die Bahnlänge der Primärelektronen zwischen 0,1 und 1,5 cm Länge nahezu proportional dem Quadrate ihrer Voltgeschwin- digkeit. Für 21 kV. beträgt sie etwa 1 cm. Daraus kann man die Zahlen der Tabelle 29

Tabelle 28. Sekundäre und tertiäre Trägerzahl pro cm Bahn nach Lenard und nach Wilson.

Geschwindigkeit in Bruchteilen der | geschwindig- Lichtgeschwindig- keit keit

Sekundäre Elektronen pro cm Bahn nach

Wilson

Gesamtzahl der sekundären + ter- tiären Träger pro cm Bahn nach

Lenard Wilson

Lenard

222—2%

0,40 250 170—226 0,45 210 134—178 0,50 180 108—144 0,55 152 90—120 0,60 131 75—100 0,65 11 | 64— 86

berechnen und sie neben diejenigen Lenards stellen. Auch hier sind Wilsons Werte kleiner als die Lenards.

Eine Erklärung für die Unterschiede zwischen den Werten beider Forscher ist viel- leicht die, daß Wilson mit einem Strahlengemisch arbeitete. Seine mittlere Wellen- länge würde einer etwas niedrige- ren Spannung entsprechen. Dann näherten sich die Zahlenwerte

Tabelle 29, Bahnlänge von Primärelektronen nach Lenard und nach Wilson.

Bahnlänge eines Primär-

einander. Geschwindig- 2) Das Primärelektron erleidet keit in Bruch- elektrons in beim Stoß einen großen Ge- , teilen der cm Luft nach Lichtgeschwin-

schwindigkeitsverlust; die kineti- sche Energie, die hierbei verloren- geht, tritt bei dem in diesem Falle schnellen Sekundärelektron auf: es hat eine Gabelung der Bahn stattgefunden. Dieser Fall ist sehr selten im Vergleich zu Fall 1. Nach Wilsons Untersuchungen kamen unter gleichen Bedingungen auf 1000 Zusam- menstöße mit kleinem Geschwindigkeits-verlust (Fall 1) nur 1,4 Gabelungen (Fall 2).

3) Es kann der unter 2, a, ß besprochene Bremsvorgang nach Wilsons Untersuchun- gen mit der Befreiung eines Sekundärelektrons verbunden sein; dies geschieht indessen nicht immer. Im Vergleich zu der großen Zahl sekundärer und tertiärer Träger, die nach Tabelle 27 ein Primärelektron bildet, ist die Zahl der beim Bremsvorgange erzeugten Sekundärelektronen so klein, daß wir sie nicht zu berücksichtigen brauchen.

Fall 2 ist ebenfalls so selten, daß er nicht ins Gewicht fällt. Für die quantitative Betrachtung des Ionisationsvorganges kommt also nur Fall 1 der Trägerbildung bei geringem Geschwindigkeitsverluste des Primärelektrons in Frage.

Dennoch ist es nur ein geringer Bruchteil der Energie der Primärelektronen, der durch die Ionisationswirkung der Röntgenstrahlen gemessen wird. Bei Primärelektronen von

digkeit Wilson

230 H. Küstner

10,5 bzw. 79,1 bzw. 203 kV.-Geschwindigkeit werden nach Lenards Untersuchungen 98 bzw. 90 bzw. 83 % ihrer Energie auf einem unbekannten, indirekten Vorgang in Wärme- energie umgesetzt, und nur 2 bzw. 10 bzw. 17% ihrer Energie steht für den lonisations- vorgang zur Verfügung. Der Fall liegt eben so: die Wärmeenergie, die von Röntgen- strahlen auf dem Umwege über die Primärelektronen erzeugt wird, ist so gering, daß wir sie mit unseren heutigen Mitteln der Wärmemeßtechnik nur mit Schwierigkeiten nachzu- weisen vermögen. Demgegenüber reichen unsere elektrischen Meßmethoden sehr wohl aus, um die Ionisationswirkung der Röntgenstrahlen zu erfassen, obgleich jene nur von einem weitaus kleineren Prozentsatz der Röntgenenergie ausgelöst wird.

Sechstes Kapitel.

Einfluß von Gestalt und Material der Ionisationskammer auf die gemessene Trägerzahl.

L Große Kammer und Fingerhutkammer.

In Abb. 2 ist eine Anordnung zur Ionisationsmessung schematisch dargestellt. Ein schmales Röntgenstrahlbündel ionisiert den Luftraum zwischen 2 Platten C, zwischen denen eine Spannungsdiffe- ee renz aufrechterhalten wird, Röntgenstrahlbündel welche ausreicht, um alle in der Zeiteinheit gebildeten Träger fortzuschaffen, ehe sie sich durch Diffusion und Rekombination der Messung Abb, 18. Abb. 19. entziehen können : es herrscht

Große Tonisationskammer. Fingerhutkammer. Sättigung, und diese Sätti-

gung wollen wir bei unse- ren weiteren Betrachtungen stets voraussetzen. Die die Platten C umgebende loni- sationskammer ist in Abb. 2 weggelassen.

Die der praktischen lonisationsmessung dienenden Kammern besitzen meist andere Formen. Die beiden gebräuchlichsten sind die in Abb. 18 und 19 dargestellten.

Die „große Ionisationskammer‘“ (Abb. 18) besteht im allgemeinen aus einem zylin- drischen Gefäß aus leitendem Material. Ein schmales Röntgenstrahlbündel kann diese zylindrische Kammer axial oder axenparallel durchsetzen. Eine axenparallele oder axiale Elektrode ist isoliert in die Zylinderkammer eingeführt und so angeordnet, daß sie von dem Röntgenstrahlbündel nicht getroffen wird. Zwischen der Kammer und der Elektrode wird eine für Sättigung hinreichende Spannung aufrechterhalten, und die unter ihrem Einfluß auf die Elektrode getriebenen Träger gelangen nach irgend einem Verfahren zur Messung.

Die ‚„Fingerhutkammer‘“ (Abb. 19) besitzt nur einen oder nur wenige Kubikzenti- meter Rauminhalt. Sie wird gebildet aus einem allseitig geschlossenen, fingerhutförmigen Gefäß aus leitendem Material, in das isoliert die kleine Elektrode eingeführt ist. Die Fingerhutkammer wird in ein Röntgenstrahlbündel gebracht, dessen Querschnitt größer ist als ihr eigener, so daß ihr ganzer Rauminhalt den Röntgenstrahlen aus- gesetzt ist.

Elek tro.\de

Wirkungsausfall und Wandwirkungsbeitrag 231

2. Wirkungsausfall und Wandwirkungsbeitrag.

Die durch die Wirkung der Röntgenstrahlen in einer Kammer erzeugte Ionisation wird durch zwei Effekte beeinflußt, die wir mit Becker und Holthusen als ‚Wirkungs- ausfall“‘ und „Wandwirkungsbeitrag‘‘ bezeichnen wollen.

A. Der Wirkungsausfall. Wie wir im V. Kapitel sahen, nimmt die Voltgeschwindig- keit und damit auch die Bahnlänge eines Primärelektrons in Luft mit der Härte der Röntgenstrahlung, die es aus seinem Atomverbande losriß, zu, und jedes solches Primär- elektron besitzt, entsprechend der Härte der Röntgenstrahlen, eine ganz bestimmte Bahnlänge, auf der es, im Mittel, eine ganz bestimmte Anzahl sekundärer und tertiärer Elektronen auslöst. Fällt ein schmales Bündel weicher Röntgenstrahlung beispielsweise durch eine große Ionisationskammer, so werden die Bahnen der von ihm erzeugten Primärelektronen in verhältnismäßig großer Entfernung von den Kammerwänden ihr Ende finden. Steigern wir aber die Härte der Röntgenstrahlen, so nähern sich die Bahn- enden den Wandungen der Kammer, diese mehr und mehr ausfüllend. Bei weiterer Abnahme der Wellenlänge der Röntgenstrahlen wird schließlich der Fall eintreten, daß die Bahnen der Primärelektronen durch die Kammerwände ein vorzeitiges Ende erfahren. Unterhalb dieser kritischen Härte der Röntgenstrahlen werden die Primärelektronen vollkommen zur Trägerbildung ausgenutzt, während ihre Fähigkeit, zu ionisieren, ober- halb dieser kritischen Härte durch den Wandwirkungsausfall zum Teil unausgenutzt bleibt.

Tzbell- 30. Tonisation am lontoquantimeter und am Dessauer-Klektroskop durch verschieden harte Röntgenstrahlen nach Grebe und Martius.

Strahlung Filtar Ä Halbwertschichten | lontoquanti- Elektroskop in mm Al | meter = 1 1 7mm Al 4,7 | 1: 0,70 2 0,5 Zn + 1mm Al ' 7.9 ! 1: 0,77 3 0.5 Zn + 1 mm Al | 10,5 | 1: 0,92 4 1 Zn 4 Lmm Al 13,8 1: 1.04

Welches diese kritische Härte der Röntgenstrahlung ist, hängt bei einer Kammer mit Luftfüllung allein von deren Ausmaßen ab. Es leuchtet ein, daß bei einer Fingerhut- kammer mit ihren kleinen Abmessungen der Wandwirkungsausfall schon bei sehr weichen Röntgenstrahlen in Erscheinung treten muß, während er sich bei einer großen Kammer erst bei wesentlich härteren Strahlen fühlbar macht. Infolgedessen muß das Verhältnis der Ionisation, die man mit einer kleinen und einer großen Kammer mißt, von der Härte der Röntgenstrahlen abhängig sein; und zwar muß die mit Hilfe einer großen Kammer gemessene lonisation bei harten Strahlen verhältnismäßig größer sein als die mit einer Fingerhutkammer gemessene. So verglichen Grebe und Martius die Angaben einer großen Kammer nach Dessauer von etwa 100 ccm Inhalt mit denen einer kleinen Fingerhutkammer nach Friedrich von etwa 2 cem Inhalt bei Röntgenstrahlen verschie- dener Härte. Setzt man in jedem Falle die Ionisation in der Fingerhutkammer gleich 1, so zeigen ihre Ergebnisse, wie Tabelle 30 lehrt, die erwartete relative Zunahme der Ioni- sation am großen Dessauer Elektroskop mit Abnehmen der Wellenlänge.

B. Der Wandwirkungsbeitrag. Welches die Gestalt der Ionisationskammer auch sein mag, stets wird es eine Stelle geben, an der die Röntgenstrahlung bei ihrem Eintritt, und stets eine andere Stelle, an der sie bei ihrem Austritt die Wandung der Ionisations- kammer durchsetzt. Nun sahen wir im I. Kapitel, daß nach den Messungen von Berg

232 H. Küstner

und Ellinger die lonisationswirkung einerseits mit der Stellenzahl des durchstrahlten Elements, anderseits mit der Härte der Röntgenstrahlung zunimmt. Stellen wir also die Ionisationskammer aus einem Element her, dessen Stellenzahl höher ist als der Mittelwert der Stellenzahlen derjenigen Elemente, aus denen sich die Luft zusammen- setzt, so kann an der Ein- und Austrittsstelle der Röntgenstrahlen eine Ionisation an den Kammerwänden ausgelöst werden, die mit der Ionisation am Luftvolumen vergleich- bar ist oder diese gar übersteigt. Diesen Anteil der Gesamtionisation bezeichnen wir als Wandwirkungsbeitrag. Nach Untersuchungen von Holthusen, auf die wir weiter unten näher eingehen, nimmt dieser Wandwirkungsbeitrag, verglichen mit der Ionisation an Luft, mit der Härte der Röntgenstrahlen beträchtlich zu. Im allgemeinen werden sich dieser Wandwirkungsbeitrag und der Wirkungsausfall überlagern, und zwar in der Regel im entgegengesetzten Sinne. Friedrich und Glasser haben bei verschiedenen Wellen- längen die Ionisationen miteinander verglichen, die sie erhielten, wenn sie einerseits eine große Kammer aus graphitiertem Karton be- nutzten, andererseits eine Büffelhornkammer von l mm Wandstärke und etwa 2 ccm Inhalt, oder eine Würfelkammer von 1 ccm Inhalt aus /,, mm dickem, innen graphitiertem Papier, oder eine Alu- miniumfingerhutkammer von 1 cem Inhalt und Tun mm Wandstärke. Ihre Ergebnisse sind in Abb. 20 dargestellt. Sie zeigen, daß die 3 Fingerhutkammern, verglichen mit der großen Kammer, keineswegs den- selben Gang mit der Wellenlänge aufweisen. Uns interessiert hier vor allem der Unterschied in den Angaben der 3 Fingerhutkammern untereinander. Setzt man die bei 0,16 Ä gemessene lonisation in Abb. 20. Ionisation für verschiedene jedem Falle gleich 1, so zeigt bei 0,25 A die Alu- Wellenlängen an Fingerhutkammern Miniumkammer 1,82 mal so starke Ionisation wie verschiedener Ausführungen nach die Hornkammer und 1,34mal so starke wie die Friedrich und Glasser. Graphitkammer; bei 0,43 A ist die Ionisation an der Aluminiumkammer sogar 2,76mal so groß wie bei der Hornkammer, während sie nur noch 1,09mal so stark ist wie an der Graphit- kammer. Inwiefern sich hier der Wirkungsausfall und der Wandwirkungsbeitrag kom- pensieren, ist quantitativ schwer zu beurteilen. Das Ergebnis von Friedrich und Glasser ist aber deshalb von Tragweite, weil, wie wir im XV. Kapitel sehen werden, 3 der gebräuchlichsten Dosimetergeräte Fingerhutkammern aus dem hier untersuchten Material benutzen, und weil das Ergebnis lehrt, daß sich die Messungen mit diesen Geräten nur dann vergleichen lassen, wenn sie mit Röntgenstrahlen derselben Härte ausgeführt werden, daß ein Vergleich solcher Messungen aber im Einzelfalle zu Dosis- fehlern von 176%, führen kann, wenn man den von Friedrich und Glasser festge- stellten Gang der Empfindlichkeit mit der Wellenlänge übersieht.

A mittel in Â

3. Quantitative Untersuchung von Wirkungsausfall und Wandwirkungs- beitrag.

Becker und Holthusen haben den Wirkungsausfall und den Wandwirkungsbeitrag eingehend theoretisch und experimentell untersucht. Besonders einfache Verhältnisse liefert in beiden Fällen eine Zylinderkammer, die von einem schmalen Röntgenstrahl- bündel axial durchsetzt wird. Ein Einfluß seitlicher Wandteile auf die Trägererzeugung

Quantitative Prüfung durch Becker und Holthusen 233

ist dann ausgeschlossen, solange die Härte der Röntgenstrahlen nicht jenen kritischen Wert übersteigt, bei dem die Bahnlänge B der Primärelektronen größer wird als der Zylinderradius. Bei unseren folgenden Betrachtungen möge der Kammerradius so groß sein, daß diese Bedingung stets erfüllt ist. Die Zylinderwandungen sind dann ohne Ein- fluß und bedürfen keiner weiteren Berücksichtigung. Wirkungsausfall und Wandwir- kungsbeitrag müssen alsdann nur noch für die Stirnflächen untersucht werden, durch die das schmale Röntgenstrahlbündel ein- und austritt.

A. Wirkungsausfall bei zweiseitiger Begrenzung. Ist L der Abstand der beiden Stirnwände des Zylinders, so sind 3 Fälle zu unterscheiden:

a) L > 2 B (Abb. 21). Man kann alsdann den ganzen Gasraum in 3 Schichten zer- legen, nämlich in 2 den Stirnflächen vorgelagerte Schichten von der Dicke B der Bahn- länge der Primärelektronen und in den bleibenden Zwi- schenabschnitt der Länge L 2 B. Der letztere ist da- durch ausgezeichnet, daß alle längs des Röntgenstrahls in ihm ausgelösten Primärelektronen in ihrer Ausbrei- tung allseitig unbeschränkt sind und zur Trägerbildung also voll ausgenutzt werden. Es ist dies das Gebiet der reinen Gaswirkung. In den beiden Endabschnitten tritt dagegen für alle innerhalb derselben liegende Emissionszentren ein Wirkungsausfall ein, da es für jedes derselben eine Anzahl Richtungen gibt, in denen die Elektronenbahnen auf die Stirnfläche treffen.

b) 2 B > L > B (Abb. 22). Keinem Emissions- zentrum im Gas kommt jetzt noch Vollwirkung zu. Abb. 22. 2B >L BR

c) L < B (Abb. 23). Jedes Emissionszentrum er- leidet beiderseitigen Wirkungsausfall. Dieser Fall tritt auch in langen Ionisationskammern bei sehr harten Röntgenstrahlen und bei y-Strahlen ein.

Die Tabelle 31 gibt ein Zahlenbeispiel für B = 10 cm | und Primärelektronen von etwa 1/, Lichtgeschwindig- Abb. 23. L < B. keit. Der Wirkungsausfall ist in Bruchteilen der Voll- wirkung berechnet. Man sieht, daß bei einer sehr langen Kammer der Wirkungsausfall nur 1% der Vollwirkung ausmacht, während er bei einer sehr kurzen Kammer über die Hälfte der Vollwirkung betragen kann.

L<B

Tabelle 31. Wirkungsausfall: Vollwirkung für Ionisationskammern verschie- dener Länge L bei Primärelektronen von 14 Lichtgeschwindigkeit nach Becker und Holthusen.

Kammerlänge in cm 1 2 4 10 20 50 100

Wirk sausfal | oss | 000 | wen | nun | aas | wat | 0010 Vollwirkung

B. Wirkungsbeitrag der Wandstrahlung. Wie wir im V. Kapitel sahen, ist die kine- tische Energie, mit der ein befreites Planetenelektron die Atomperipherie verläßt, gleich der Differenz der Energie des auslösenden Röntgenstrahlenquants und der Abtrennungs- arbeit A; es gilt:

ev =h'y— A. (23)

OE-

234 H. Küstner

Solange die Stellenzahl des getroffenen Elementes niedrig und die Wellenlänge der Röntgenstrahlen nicht sehr groß ist, ist A gegen hv verschwindend klein und wir dürfen, ohne einen wesentlichen Fehler zu begehen, für obige Gleichung (23) schreiben:

a OR (37) 2 A Die kinetische Energie und damit die Geschwindigkeit eines Elektrons hängt also nur von der Wellenlänge der Röntgenstrahlen, nicht aber vom Element ab, das die Primär- elektronen abgibt, solange dieses leichtatomig und die Röntgenstrahlung nicht zu weich ist. Bei Durchgang von Röntgenstrahlen durch feste Materie werden die Elektronen zum größten Teil im Innern derselben aus dem Atomverbande gerissen und sind daher sehr häufigen Zusammenstößen mit den dichtbenachbarten Atomen ausgesetzt. Hierbei wird ein Teil derselben abgefangen und scheidet aus. Diejenigen aber, die die Oberfläche verlassen, tun dies mit einer im allgemeinen nicht stark verminderten Geschwindigkeit. Die ‚Intensität J der Kathodenstrahlen‘‘, d. h. die Zahl der Elektronen, die in der Zeit- einheit durch die Flächeneinheit tritt, erleidet also bei dem Durchgang durch Materie, ebensogut wie die Röntgenstrahlen, Absorption, und auch für sie gilt die Beziehung

J= Jgre-el, (38)

worin & der Absorptionskoeffizient der Elektronen ist. Durch Lenards grundlegende Untersuchungen wissen wir, daß dieser proportional der Dichte p des absorbierenden Mediums ist. Die wirksamen Oberflächenschichten, d h. diejenigen Schichtdicken, aus denen noch Elektronen in nennenswerter Zahl entweichen, verhalten sich also bei ver- schiedenen Körpern umgekehrt wie die Dichten. Würde die Absorption der Röntgen- strahlen allein der Dichte proportional sein, so wäre die Oberflächenstrahlung an Elek- tronen bei allen Elementen und Verbindungen gleich groß. Nun sahen wir aber im II. Ka-

pitel, daß für Röntgenstrahlen der Absorptionskoeffizient pro Masseneinheit nach Gleichung (5): e = konstans - 23: A. (39)

der Absorptionskoeffizient u also u = konstans op Z3» 23 (40)

ist. Außer der Proportionalität mit der Dichte p besteht also noch solche mit der 3. Potenz der Stellenzahl Z des absorbierenden Mediums und der Wellenlänge A. Im gleichen Maße müssen sich die Intensitäten der von Wandstrahlungen herrührenden Elektronen von- einander unterscheiden: sie müssen also dem Absorptionskoeffizienten pro Masseneinheit j proportional sein, und für dieselbe Wellenlänge der Röntgenstrahlen müssen sie sich

bei verschiedenen Elementen wie die 3. Potenz der Stellenzahl verhalten.

Diese Überlegung ermöglicht es, die Größe der Wandstrahlung zu bestimmen. Wird die vordere und hintere Stirnfläche der Kammer einmal aus dünnem Aluminiumblech, das andere Mal aus Papier hergestellt, und bedeuten W den Anteil der Wandstrahlung, L denjenigen der Luftstrahlung an der Gesamtionisation, so beträgt die letztere bei Verwendung von Papier: Gp =L+W (41) Aluminium Gy= L +q: W, r

Emissionsvermögen verschiedenen Materials für Röntgenelektronen 235

wobei q das berechenbare Verhältnis der Massenabsorptionskoeffizienten von Aluminium und Papier ist. Durch Messung von Gp und Gau läßt sich dann aus diesen beiden Gleichungen der Wert der Unbekannten L und W bestimmen.

In derselben Weise kann man Aluminium und Paraffin, für harte Strahlen auch Kupfer, kurz alle Substanzen miteinander vergleichen, deren Atome in dem unter- suchten Wellenlängenbereich keine charakteristische Röntgenstrahlung aussenden. Wer- den zunächst beide Stirnflächen aus Paraffin hergestellt und dann abwechselnd die vordere und die hintere durch ein dünnes Aluminium- oder Kupferblech ersetzt, so läßt sich feststellen, ob die Strahlung von der Vorder- und Hinterwand gleich groß ist. In diesem Falle setzt sich W aus W, und W, zusammen und man erhält drei Gleichungen:

Gp = L + W, + Wh D LI Ha War (42) GALP ss Lou: Wẹ, + Win,

aus denen L, W, und Wp berechnet werden können.

Holthusen hat nach diesem von ihm angegebenen Verfahren den Wirkungs- beitrag der Wandstrahlung experimentell untersucht. Seine Ergebnisse zeigt Tabelle 32. Spalte 1 gibt die Stoffe an, die als Stirnwandungen dienten. Für diese berechnete Holthusen mit Hilfe der Formel (39) die Absorptionskoeffizienten pro Masseneinheit. Ihre Relativwerte, bezogen auf Paraffin, gibt Spalte 2. Gemessen wurden die Werte der Spalte 6. Daraus wurden für die verschiedenen Substanzen nach Formel (41) W und L berechnet. Die Ergebnisse sind in Spalte 3 und 4 mitgeteilt. Die Werte der Spalte 5 stellen dann die aus diesen Zahlen errechneten Beträge von G=q'W+L für die verschiedenen Substanzen der Spalte 1 dar. Die Tabelle zeigt eine gute Übereinstim- mung der beobachteten und nach Formel (41) berechneten Werte der Gesamtionisation bei Paraffin, Karton (Zellulose), Aluminium und Kupfer. Dabei verhalten sich die Wand- strahlungen von Paraffin und Kupfer wie 1: 120.

Tabelle 32. Relatives Emissionsvermögen verschiedenen Materials für Röntgenelektronen nach Holthusen.

Relatives Emis- | W L G G Substanz sionsvermögen baseinet beabachtet

SE berechnet berechnet für Elektronen |

| | 0,195 0,246 0.264

Paraffin . 1 | 0,0235 | 0.195 0,218 0,214 Papier 2,16 0,051

Aluminium . A 11.5 | 0.269 0,195 0,464 0.468 Kupfer interna 120 0,1 0,195 1.10 1.14 Kupfer (Vorderwand) 120 | 1.91 | 0,195 2.10 2,07

In entsprechender Weise hat Holthusen die Elektronenemission der vorderen und hinteren Stirnwand experimentell miteinander verglichen. Tabelle 33 zeigt das Er- gebnis für Aluminium. Aus Spalte 8 geht hervor, daß der Wandwirkungsbeitrag der vorderen Stirnwand bei weichen Strahlen 1,4-, bei harten 2,0mal so groß ist als der der hinteren.

Holthusen hat auch den Wandwirkungsbeitrag von Paraffin und Aluminium in Abhängigkeit von der Wellenlänge der Röntgensrtahlen untersucht. In der Tabelle 34 wurden die Werte der 4. und 5. Spalte beobachtet und daraus nach Formel (41) W und L berechnet. Durch geeignete Wahl von Spannung und Filterung wurden Strahlen-

236 H. Küstner

Gemessene lonisation bei

Härteeinstellung Papier- ! Alumi- | Alumi- E an der Maschine und Qualität fenster | nium- nium- r Wh Wy/Wn Filter vorn und. Vorder- | Hinter- hinten fenster fenster 1 inhomogen weich 0,377 0,458 0,436 0,100 į 0.073 1,4 5 inhomogen 1 mm-Aluminiumfilter mittelhart 0,622 0,828 0,749 0,254 ] 0,155 1,6 10 inhomogen 5 mm-Aluminiumfilter hart 0,675 0,989 0,848 0,38 10,213 1,8 10 Halbwertschicht 10 mm-Aluminiumfilter [6 mm Aluminium | 0,305 0,451 0,382 0,18 1 0,095 1.9 10 Halbwertschicht

0,46 mm-Kupferfilter | mm Aluminium | 0,262 | 0.414 | 0,339 | 0,187] 0.089 | 2,0 gemische verschiedener Härte hergestellt, deren Halbwertschicht in mm-Aluminium Spalte 2 angibt. Wie Spalte 8 lehrt, ist der Gesamtwandeffekt für das härteste Strahlen-

gemisch bei Aluminium etwas mehr als siebenmal so groß, wie die von diesem Bündel

Tabelle 34. Zunahme der Wandstrahlung mit der Härte.

1 2 3 l4 | > | 6 |! 7 | 8 Härteeinstellung Halbwert- PER Moni | L | Ww an der Maschine und | Schicht in a nen WA pro M^ Filter mm P . Alu- cm L

Aluminium . Paraffin ` ninium

| l u. 1 mm Aluminium 2,19 0,0842 0,182 | 0,048 0,033 | 1,4 3u 2 e 1,68 0,128 0,216 0,097 0,050 1,9 4u.4 = 0,94 0,0779 0,161 0,091 | 0,029 3,15 6u. 6 ,„ P 0,74 | 0,0888 | 0,225 ; 0,15 > 0,0313 | 4,8 8 u. 0,46 mm Kupfer 0,24 ; 0,0727 0,224 ` 0,166 0,024 6.9 10 u. 0,46 0,18 | 0,182 0,569 | 0,426 | 0,060 7.1

auf einer Luftstrecke von 1 cm hervorgerufene Luftionisation. Auch zeigt Spalte 8 für die untersuchten Strahlengemische ein Ansteigen des Wandwirkungsbeitrags mit der Härte der Röntgenstrahlen auf mehr als das Fünffache.

4. Kompensation des Wirkungsausfalls durch den Wandwirkungsbeitrag.

Die Herstellung dieser Kompensation durch geeignetes Wandmaterial hat den be- sonderen Wert, daß der Meßraum als nicht von Wänden begrenzt und daß das Meß- ergebnis daher als reine Gaswirkung angesehen werden kann. Becker und Holthusen haben diese Frage eingehend theoretisch und experimentell untersucht. Sie bedienten sich einer Zylinderkammer, deren Länge durch einen einschiebbaren Deckel verändert werden konnte, während gleichzeitig die stabförmige Innenelektrode ausgewechselt wurde. Der Durchmesser der Kammer betrug 20 cm, ihre Länge wurde im allgemeinen zwischen 2,7 und 10 cm verändert. Außerdem wurden in den getrennten Versuchsreihen die Stirnwände und die Härte des Röntgenstrahlbündels variiert, welches jene axial

Kompensation des Wirkungsausfalls durch den Wandwirkungsbeitrag 237

Tabelle 35. Abhängigkeit der Trägerzahl von der Strahllänge bei verschiedenem

Wandmaterial nach Becker und Holthusen.

Papier!) 1 mm dick

Wände: Aluminium 0,1 mm dick Paraffin!) 2 mm dick

Länge L |Rel. Träger- L | L | cm zahl 3 Zi, cm > dk cm | 2 z/L 1. Strahlfilter 0,5 mm Aluminium, mittlere Wellenlänge 0,74 AE. mittlere Wirkungsweite in Luft R = 0,83 cm 2,7 3,42 1,13 2,4 2,70 1,13 2,8 3,63 1,30 4,3 5,50 1.27 8,8 9,83 1,12 8,8 11,10 1,27 10.1 12,31 1,21 2. Strahlfilter 0,4 mm Kupfer, Amitteı = 0,3 Ä.E., Rmittei = 3,5 cm 2,7 | 1,75 0,65 2,4 | 0,98 0,40 2,8 1,34 0,48 4,3 2,71 0,63 8,8 3,35 0,38 8,8 4,21 0,48 10,1 | 4,44 0,44 | | 3. Strahlfilter 1 mm Kupfer, Amittel = 0,21 Ä.E., Rmitteı = 9,7 cm 2,7 | 2,12 0,78 2,4 1,18 0,49 2,8 1,59 0,57 43 | 3,14 0,73 8,8 3,87 0,44 8,8 4,90 0,56 10,1 | 5,22 0,52

durchsetzte. Die Angabe des mit der Innenelektrode verbundenen Elektrometers ist ein relatives Maß für die erzeugte Trägerzahl &. Kompensation ist dann erreicht, wenn sich das Verhältnis Z/L von der Länge der Ionisationskammer als unabhängig er- weist.

Tabelle 35 zeigt die Ergebnisse. Die in dieser mitgeteilten Zahlenwerte sind nur innerhalb jeder zusammenhängenden Versuchsreihe untereinander vergleichbar, da die äußeren Bedingungen der verschiedenen Versuchsreihen nicht immer konstant gehalten waren.

Bei der weichsten Röntgenstrahlung ist die auf die Längeneinheit des Strahlweges bezogene Trägerzahl in allen Fällen von L nahezu unabhängig. Da hier die benutzten Wandabstände alle erheblich größer sind als der mittlere Radius des Wirkungsbereiches der auftretenden Elektronen, so ist dieses Ergebnis nicht wunderbar.

Bei den härteren Röntgenstrahlen nimmt S/L für Aluminiumwände mit wach- sendem L erheblich ab, was bei dem starken Wandwirkungsbeitrag, den Holthusen bei Aluminium und harter Röntgenstrahlung fand (Tabelle 34), leicht erklärlich ist.

Bei Papier tritt der Gang von Z/L sehr stark zurück, und bei Paraffin ist er voll- ständig beseitigt. Hier zeigt sich also die Kompensation zwischen Wandwirkungs- beitrag und Gaswirkungsausfall, und zwar ist diese, wie der Versuch lehrt, von der Härte der Röntgenstrahlung und daher von der ihr auch entsprechenden Geschwindig- keit der Primärelektronen unabhängig.

3. Mechanische Ausschaltung von Wirkungsausfall und Wandwirkungsbeitrag.

Diese läßt sich ebenfalls dann durch Wahl geeigneter Hilfselektroden erreichen, wenn die Härte der Röntgenstrahlung den kritischen Wert nicht überschreitet, bei dem die Bahnlänge der Primärelektronen größer wird als der Kammerradius. Sie gelangte zur

1) Papier und Paraffin wurden mit einer dünnen Graphitschicht bedeckt.

238 H. Küstner

Anwendung bei den Druckluftkammern von Behnken und von Berg, Schwerdt- feger und Thaller, auf die wir im VII. Kapitel näher eingehen werden. Der Raum der Zylinderkammer wird in drei Teile geteilt (Abb. 24): den Stirnwandungen ist je eine Schicht vorgelagert, deren Dicke gleich dem Kammerradius R ist. In jeder derselben befindet sich eine Hilfselektrode H. Diese bilden die Verlängerung der mit dem Meß- instrument verbundenen Elektrode M, die sich in der mittleren Schicht der Kanımer befindet, deren Dicke L 2 R beträgt. Die Hilfselektroden H liegen stets an der- selben Spannung wie die Meßelektrode M, so daß das elektrische Feld zwischen der Kammerwandung und den drei Elektroden an den Übergangsstellen zwischen M und H keine Unstetigkeit aufweist. Durchsetzt ein schmales Röntgenstrahlbündel die Kammer axial, so wird bei seinem Ein- und Austritt an den Stirnflächen ein Wandwirkungs- beitrag ausgelöst. Dieser kommt aber deshalb nicht mit zur Messung, weil die von den Stirnflächen emittierten Elektronen keine größere Geschwindigkeit und deshalb auch keine größere Bahnlänge besitzen, als die an Luft ausgelösten Primärelektronen. Die Elektronen des Wandwirkungsbeitrages gelangen deshalb allein auf die Hilfselek- troden H. Anderseits macht sich bei dieser Anordnung auch kein Wirkungsausfall be- merkbar. Zwar wird eine Anzahl derjenigen Elektronenbahnen, die das Röntgenstrahl- bündel in dem mittleren Abschnitt der Länge L— 2 R primär auslöst, vermöge ihrer schrägen Richtung in die den Stirnwandungen vorgelagerten Schichten ent- weichen, und ihre Sekundärelektronen werden auf die Hilfselektroden H gelangen. Wie eine einfache Über- legung zeigt, werden aber ebenso viel Primärelektronen wie diejenigen, die aus dem Mittelgebiet in das rechte Abb. 24. Große Ionisationskammer Seitengebiet abwandern, aus dem linken Seitengebiet BE BEUTZEIE ERSTEN. in das Mittelgebiet zuwandern und umgekehrt. Und zwar gilt diese Kompensation auch dann, wenn die von den Röntgenstrahlen ausgelösten Primärelektronen vorzugsweise eine Geschwindig- keitskomponente in Richtung der Röntgenstrahlen besitzen, wie dies aus den Nebel- aufnahmen von Wilson hervorgeht (Tabelle 21). Denn die Abwanderung der zahl- reicheren Elektronen mit Vorwärtskomponente kompensiert sich durch Zuwanderung ebenso vieler gleichartiger, und die Abwanderung der selteneren mit Rückwärtskom- ponente kompensiert sich durch eben diese.

6. Der Einfluß der Streustrahlung.

Der Einfluß der Streustrahlen kann ein doppelter sein. Einerseits ist, wie wir im HI. Kapitel sahen, mit der Streuung an freien Elektronen ein Ionisationsvorgang ver- bunden. Auf diesen Einfluß gingen wir schon im III. Kapitel näher ein. Anderseits wird aber auch die in der Kammer gestreute Strahlung, sei sie an freien oder gebundenen Elektronen gestreut, absorbiert werden und daher zur Gesamtionisation beitragen. Diesen Einfluß wollen wir hier näher betrachten. Er wird sich auf zweierlei Art äußern: bei der Absorption der gestreuten Strahlung im Gas und bei der an den Kammer- wandungen.

a) Beitrag der in der Luft absorbierten Streustrahlung zur Gesamtionisation.

Wir dürfen davon absehen, daß ein Teil der gestreuten Strahlung durch Streuung an freien Elektronen weicher geworden ist: da diese Wellenlängenänderung nur sehr klein ist, dürfen wir so rechnen, als bliebe die Härte der Röntgenstrahlen beim Streu- vorgange ungeändert. Für Röntgenstrahlen derselben Wellenlänge ist die Ionisation der absorbierten Energie proportional, wie wir im VIII. Kapitel schen werden. Um also

Mechanische Ausschaltung beider Einflüsse. Streustrahlungswirkung 239

den Beitrag der in der Luft absorbierten gestreuten Strahlung zur Gesamtionisation testzustellen, müssen wir das Verhältnis von absorbierter gestreuter zur absorbierten Primärstrahlung berechnen.

Wir wollen zunächst eine Vereinfachung des in den Gleichungen (10) und (11) auf- tretenden Kammerwertes (1 e~“) vornehmen, was dann zulässig ist, wenn der Exponent einen kleinen Zahlenwert besitzt. Wie die Tabelle 4 lehrt, gilt für kleine Werte von x = ud sehr angenähert die Beziehung:

l—e Die pd. (43) Für kleine Werte von ud gehen also die Gleichungen (10) und (11) über in A.A = E a (44) und e J~ o'd: Jo. (45)

Die absorbierte Energie ist also dem Absorptionskoeffizienten u und die gestreute Energie. ist dem Streukoeffizienten e proportional.

Wie aus den Gleichungen (9) hervorgeht, ist der Schwächungskoeffizient u für Luft auch bei weichen Röntgenstrahlen der Wellenlänge X = lA nur etwa 0,0035, und für härtere wird er noch kleiner. Setzen wir die Länge der Ionisationskammer zu 30 cm an, so wird ud etwa 0,1, und wie die Tabelle 4 lehrt, dürfen wir alsdann mit hinreichender Genauigkeit von unserer Vereinfachung Gebrauch machen.

Wir folgen nun einer Rechnung, die von Berg, Schwerdtfeger und Thaller durchgeführt wurde. Hat das Röntgenstrahlbündel den Querschnitt q, und ist L die Länge der Ionisationskammer, so wird längs des ganzen Strahlenweges in der Zeit- einheit die Energie

A=q:L’.uW (46) absorbiert, und die Energie

S=q'L'’cJ, (47) gestreut. Die von den einzelnen Stellen des primären Strahlenbündels ausgehenden Streustrahlen legen, je nach ihrer Richtung, sehr verschieden lange Wege zurück, bis sie die Wand der Kammer treffen. Im Mittel kann diese Weglänge bei einem Kammer- durchmesser von 20 cm auf 12 cm geschätzt werden. Dann würde für jede Einheit der gestreuten Strahlenenergie im Mittel der Betrag 12 u absorbiert, da wir bei der Streu- strahlung mit demselben Absorptionskoeffizienten rechnen dürfen wie bei der Primär- strahlung. Der gesamte in der Zeiteinheit absorbierte Anteil der Streustrahlung ist also vermöge (44) und (47)

a= S-12 =1l2urq L'o Jo. (48)

Das Verhältnis von absorbierter gestreuter zu absorbierter direkter Strahlung ist demnach r i J

a lZzu’q-L°o-

eu T (49) A gr L:n:d,

Nach den Gleichungen (9) ist aber für Luft c = 0,00022. Also wird a EK 0,00264 ~ 0,26% . (50)

Die durch die Streuung an Luft hervorgerufene zusätzliche Ionisation beträgt für eine Ionisationskammer von 20 em Durchmesser also etwa !/,%; sie darf demnach ver- nachlässigt werden.

240 H. Küstner

Außer an der Luft wird aber auch noch beim Ein- und Austritt der Primärstrahlen an den Stirnflächen der lIonisationskammer Streustrahlung entstehen. Ihre Intensität und daher auch ihr Beitrag zur Gesamtionisation kann beträchtlich größer sein als der- jenige, welcher durch die Streuung an Luft bedingt wird. Dieser Anteil läßt sich eben- falls berechnen. Wir gehen hierzu gerade so vor wie oben.

Die in der Ionisationskammer in der Zeiteinheit absorbierte Röntgenenergie ist

A=q-L’u-J. (51) Die am Fenster in der Zeiteinheit gestreute Energie ist S=q'd'o'J,, (52)

wo d die Dicke des Fensters und e der Streukoeffizient des Fenstermaterials ist. Es wird aber sowohl das Eintritts- wie das ÄAustrittsfenster nur einen Teil der Streustrahlung ins Innere der Kanımer und den anderen Teil nach außen streuen: was das Eintritts- fenster hineinstreut, streut das Austrittsfenster hinaus und umgekehrt. Sr stellt daher die Summe der von beiden Fenstern in die Kammer hineingestreuten Strahlung dar. Das Verhältnis der absorbierten, von beiden Fenstern herrührenden Streustrahlung zur absorbierten direkten Strahlung wird also

a Sp D q-d-o-J, Zen --- = «+ L.e- re rn —-L =d e 53 e P u a. H 6 (53)

Wie wir im II. Kapitel sahen, ist nach der Tabelle 6 für leichtatomige Substanzen er 0,18 oder c = 0,18:p. Wir können demnach für die letzte Gleichung schreiben: p

a zs DIS: dp, 54 a P (54) Der von der Fensterstreuung herrührende Anteil der Gesamtionisation ist also der Dicke d der Fenster und der Dichte p des Fenstermaterials proportional. Nehmen wir an, es sei d = 0,l cm und die Dichte sei gleich der des Wassers p = 1,

so wird

a

-x = 0,018 = 1,8%. (55)

Das Verhältnis der absorbierten, von beiden Fenstern herrührenden Streustrahlung zur absorbierten direkten Strahlung beträgt in unserem Beispiel also fast 2%, und darf daher nicht ohne weiteres vernachlässigt werden.

Berg, Schwerdtfeger und Thaller haben aber eine Anordnung angegeben, mit deren Hilfe es möglich ist, den Streustrahlungsbeitrag der Fenster auf einen verschwindend kleinen Bruchteil herunter- zudrücken.

Sie ordnen die Fenster nicht in der Ebene der Stirnwände an, sondern am Ende je einer Röhre der Länge | (Abb. 25). An der Stelle, an der das pri-

Jonssalıense

Abb. 25. Vorgeschobenes Fenster E an großer Kammer nach Berg, märe Röntgenstrahlbündel die Stirnwände durch-

Schwerdtfeger und Thaller. setzt, tritt es durch je ein Loch vom Querschnitt Q, ohne dessen Ränder zu berühren. Durch diese An-

ordnung wird erreicht, daß nur ein kleiner Bruchteil p der gesamten Streustrahlung, die von einem Fenster ausgeht, Zutritt zu dem Meßraum findet. Nehmen wir zunächst für

Vorgeschobenes Kanmerfenster. Einfluß des Kammerwandmaterials 241

eine Überschlagsrechnung an, die Streustrahlung breite sich gleichmäßig nach allen Richtungen aus, dann ist dieser Bruchteil

Q P= pr (29)

Setzen wir Q = l qem und l = 7 cm, so wird

in 162. 57 Nun wissen wir aus den Untersuchungen von Glocker (Abb. 8), daß von leichtatomigen Nubstanzen der größte Teil der Streustrahlung in Primärstrahlrichtung gestreut wird. Greifen wir deshalb hoch, und setzen wir für das Fenster auf der Einfallseite der Röntgen- strahlen das Hundertfache des berechneten Wertes an, so wird für dieses Fenster allein

Pe = 0,162. (58)

Bei Berücksichtigung dieser Richtungsverteilung der Streustrahlung müßten wir dann für das Fenster auf der Austrittseite weniger als 0,00162 in Rechnung setzen. Ein solcher kleiner Wert darf aber bei unserer Überschlagsrechnung gegen den 100mal so großen vernachlässigt werden. Dann wird also

p = 0,018 0,162 = 0,0029 = 0,29%, . (59)

Wir erhalten also das Ergebnis: bei der von Berg, Schwerdtfeger und Thaller an- gegebenen röhrenförmigen Anordnung der Kammerfenster ist der durch die an den Fenstern gestreute Strahlung hervorgerufene Beitrag zur Gesamtionisation von der Größenordnung 0,3% und darf daher vernachlässigt werden. Werden die Fenster dem- gegenüber in der Ebene der Stirnflächen angeordnet, so beträgt dieser Beitrag mehrere Prozent und darf nicht vernachlässigt werden.

b) Beitrag der an den Kammerwänden absorbierten Streustrahlung zur Gesamt. ionisation.

Tabelle 36. Zunahme der Ionisation durch an den Kammerwänden absorbierte Streu- strahlung in Prozenten der reinen Luftionisation nach Berg, Schwerdtfeger und Thaller und nach Behnken.

Kılovolt

Kammerwand

aus -+ 0.51 mm Kupferfilter S 144

ERIWER 2.5 ae es 3 < 0,5 Aluminium . a ker np u Zink . Messing D.O Blei . 8.6 Beobachter . . 2.2.2 .. Berg, Schwerdtfeger und Thaller Behnken

Dieser Einfluß ist ebenfalls von Berg, Schwerdtfeger und Thaller sowie von Behnken experimentell geprüft worden. Dieselben kleideten die Innenwandungen einer großen Jonisationskammer mit verschiedenen Elementen aus und untersuchten die Ionisation bei derselben Strahlung. Die Mittelwerte ihrer Ergebnisse zeigt Tabelle 36. Man erkennt, daß der Effekt mit der Spannung und der Stellenzahl des Mantelelements steigt. Wie diese Mittelwerte gewonnen wurden, lehre ein Beispiel. Die Kammer wurde wechselweise mit Zink und Aluminium ausgekleidet und jedesmal die Ionisation ge-

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 16

242 H. Küstner

messen. Für eine bestimmte Strahlung entsprach diese bei Zink 612, bei Aluminium 587 Skalenteilen. Dann ergibt sich für die Zunahme der Ionisation beim Übergang von Aluminium- zu Zinkauskleidung:

Zn— Al 612 587 25

EE EE AE EE ee ee E ee, m o P Al 587 587 4,3% eg

In einem anderen Falle erhielten sie 3,25%, so daß man als Mittelwert 4%, annehmen

500 darf. Nun lehrt die Untersuchung e Harte Str. Weiche Str. von Berg und Ellinger über die 400 E Elektronenemission der verschiede- 300 S nen Elemente (Abb. 5), daß sich Ss diese bei Aluminium und Zink un- 200 f gefähr wie 1:8 verhält. Unter An-

100 nahme dieser Zahl läßt sich berech- ES Blendenfiġche nen, welchen Beitrag s an Ionisation

0 m das Aluminium unter dem Einfluß .0 0 e 30 4 0 10 20 b 30 40 der Streustrahlung in Prozenten der Abb. 26 und 27. Einfluß der von den Blenden ausgehen- reinen Luftionisation liefert. Nennt den Streustrahlung auf die Ionisation nach Behnken. man die letztere i, so ist die gesamte Ionisation in der Kammer mit Alu-

miumwandung i + s, in der Kammer mit Zinkwandung i + 8s. Hieraus ergibt sich

Ar ae ur Ve DER) (61) Auflösung dieser Gleichung liefert P 1 use (62) i 17 a

und hierfür ist in Tabelle 36 0,6 gesetzt.

Die Aluminiumwandung trägt also unter dem Einfluß der Streustrahlung zur Ge- samtionisation wenig mehr als !/,%, bei. Bei Papier ist dieser Beitrag noch geringer. Bei Papierwandungen darf er daher vernachlässigt werden.

7. Der Einfluß der Blendenstrahlung.

An der Blende, welche das Strahlenbündel begrenzt, muß ebenso wie an anderen getroffenen Medien eine Streustrahlung erzeugt werden, welche in die Kammer dringt und die gemessene Ionisation beeinflußt. Diese Störung muß desto stärker in Erscheinung treten, je größer die zylindrische Begrenzungsfläche der Blendenöffnung ist im Vergleich zum Querschnitt der Blendenöffnung selbst. Behnken führte, sowohl mit weicher wie mit harter Strahlung, Messungen bei verschiedenen Blendendurchmessern aus, deren Er- gebnisse die Abb. 26 und 27 veranschaulichen. Man sieht bei der weichen Strahlung mit ihrer geringen Streuung völlige Proportionalität zwischen Iohenstrom und Blendenfläche, während diese Proportionalität bei der harten Strahlung mit ihrer relatiy großen Streuung erst bei Blendenflächen von mehr als etwa 20 qmm eintritt, was einen Durchmesser von über 5 mm entspricht. Bei 7 mm Durchmesser sind keine Störungen mehr zu befürchten.

8. Wirkungsausfall und Wandwirkungsbeitrag bei der Fingerhutkamera.

Bei der Fingerhutkamera werden wegen ihrer kleinen Maße im allgemeinen der Wirkungsausfall und der Wandwirkungsbeitrag groß. Aber der letztere erleidet selbst wieder einen Wirkungsausfall.

Blendenstrahlung. Wirkungsausfall und Wirkungsbeitrag bei der Fingerhutkamera 243

Sind die Röntgenstrahlen so hart, daß die Bahnen der von ihnen ausgelösten Pri- märelektronen in Luft groß gegen den Kammerdurchmesser wären, wenn sie nicht vor- zeitig von den Wänden aufgehalten würden, so ist nach Versuchen von Fricke und Glasser bei Kohle- und Aluminiumkammern die Ionisation pro Volumeneinheit für eine bestimmte Strahlung unabhängig von der Kammergröße. D. h.: die Ionisation ist dem Kammervolumen proportional. Der Proportionalitätsfaktor ist aber, trotz gleicher Kammerabmessungen, bei Kohle und Aluminium verschieden, ein Beweis für den ver- schiedenen Wandwirkungsbeitrag beider Materialien (Tabelle 37).

Tabelle 37. Ionisation pro Volumeinheit der Fingerhutkammern aus Aluminium und Kohle nach Fricke und Glasser.

lonisations- kammer- dimensionen

Elektroden- Kammer- dimensionen

Kammer- volumen Elek- trodenvo-|

lumen

Elek-

troden- Aluminium

Kohlenstoff

Form volumen

volumen

Ion. | Ton. Vol. Ion. | Ion./Vol.

Zylinder | 2,060 | 0,558 0,503 2,000

0,119 0,022 1 0,481 0,92 1,91 2,86 3,95 vg 1,112 ; 1,095 1,050 1,000

0,119 0,011 1,039 1,96 1,88 6,28 6,03 ss 1,540 | 2,020 4,928 1,400 0,119 0,015 4,013 9,44 1,92 29,40 ` 5,98 Quader | 3,0 3,0 x 0,5] 4,500 2,4 2,4 x 0,0231 0,133 4,467 | 8,55 1,91 27,00 ` 6,04

Mittlere Wellenlänge der benutzten Strahlung: à eff. = 0,180 Å.

Die von Fricke und Glasser benutzte Strahlung hatte etwa die Wellenlänge 0,180 A und war, wie die Absorptionsanalyse in Kupfer zeigte, gut homogen.

Den Einfluß der Gestalt der Fingerhutkammer auf die gemessene lonisation in Abhängigkeit von der Härte des Strahlengemisches untersuchten Jaeger und Halber-

ei ò

ech I 1 GE TI 1 I I ii 7 ER gN a a a = SAN TI T T I tae le SA- NEHE eh e Lie zus BE: Ces Sss d Kies

š BRSSRRRRRRSSSRRRRE

Abb. 28. Einfluß der Stiftlänge der Fingerhutkammer auf die RES in Luft nach Jaeger und Halberstaedter.

staedter. Bei unveränderter Kammerhülle variierten sie zunächst die Stiftlänge. Ihre

in Abb. 28 mitgeteilten Ergebnisse lehren, daß bei verschieden harter Kupferfilterung

desselben Strahlengemisches die gemessene Ionisation, ausgedrückt in Prozenten der

Ionisation durch die ungefilterte Strahlung, mit wachsender Stiftlänge abnimmt. In

einer weiteren Versuchsreihe wurden die Stiftlänge und die Kammerlänge konstant ge-

halten, aber der Kammerdurchmesser verändert. Wie Abb. 29 lehrt, wächst alsdann, 16*

244 H. Küstner

wie leicht erklärlich, die Ionisation mit dem Kammerdurchmesser. Schließlich wurde der Kammerdurchmesser konstant gehalten und sowohl Kammerlänge wie Stiftlänge um 12 mm vergrößert: die beiden Kurven (c) fallen alsdann zusammen. Diese Messun- gen zeigen deutlich die Abhängigkeit der Ionisation von den Ausmaßen der Kammerhülle und des Stiftes. Ander- seits lehren die Beobachtungen aber auch, daß der Verlauf der Kurven für Strahlungen, die bereits mit 0,5 mm Kupfer vorgefiltert wurden, nahezu derselbe bleibt; d. h. für die in der Tiefentherapie gebräuchlichen Strah- lengemische spielen die Ausmaße der Abb 29. Einfluß. der Siiflängerund der Grobeder Kammer keine ausschlaggebenge Rolle,

Fingerhutkammer auf die Absorptionskurven nach solange die Kammer aus demselben Jaeger und Halberstaedter. Material besteht.

Siebentes Kapitel.

Die Abhängigkeit der Ionisation vom Druck und die Messung der reinen Luftionisation in der Druckluftkammer.

Auf Grund der Untersuchungen, über die wir im letzten Kapitel berichtet haben, sind wir in der Lage, die durch Röntgenstrahlen an Luft hervorgerufene Ionisation in Reinkultur zu messen. Den Anstoß hierzu und die grundlegenden Überlegungen ver- danken wir Holthusen. Er steckte sein Ziel sogar noch weiter. Er wollte die Energie- messung der Röntgenstrahlen auf reine lonisationsmessung gründen. Diese nach dem damaligen Stande der Wissenschaft richtige Problemstellung ist durch die inzwischen erfolgte Entdeckung des Comptoneffektes indessen in Frage gestellt worden. Wir werden uns damit im VIII. Kapitel befassen. Deingegenüber haben die Arbeiten von Holthusen ebenso wie diejenigen von Berg, Schwerdtfeger und Thaller und von Behnken den Weg dazu gebahnt, die reine Luftionisation durch Röntgenstrahlen zu messen. Wir wollen hier näher auf die praktische Durchführung dieser Aufgabe eingehen.

l. Die Bedingungen für die Messung reiner Luftionisation.

Zunächst stellen wir noch einmal die Forderungen zusammen, die nach unserer Be- trachtung im VI. Kapitel zur Durchführung des Problems unerläßlich sind. Sie lauten:

I. Der Radius der Ionisationskammer muß so groß sein, daß die von den Röntgen- strahlen an der Luft ausgelösten Primärclektronen nicht durch Auftreffen auf die Kammer- wände ein vorzeitiges Ende finden. Den Zusammenhang zwischen Röhrenspannung und zugehöriger Bahnlänge zeigt Tabelle 27 in den Spalten 2 und 3.

H. Wirkungsausfall und Wandwirkungsbeitrag an den Stirnflächen der Zylinder- kammer wirken im allgemeinen im entgegengesetzten Sinne. Man kann beide Einflüsse ausschalten, indem man entweder durch Wahl geeigneten Materials (Paraffin, Becker und Holthusen) Kompensation beider Einflüsse herbeiführt, oder, indem man den Stirnflächen je eine Schutzschicht mit Hilfselektrode vorlagert, deren Durchmesser gleich dem Kammerradius ist (Berg, Schwerdtfeger und Thaller; Behnken).

Messung reiner Luftionisation. Iunisation und Luftdruck 245

III. Die Innenwandungen der Kammer müssen aus einem leichtatomigen Material, wie Papier, Kohle oder Aluminium, bestehen, da die an den Luftmolekülen im Innern der Kammer gestreute Strahlung bei Verwendung schweratomiger Elemente an den Kammerwandungen eine Ionisation hervorruft, welche gegen die Luftionisation nicht vernachlässigt werden darf. Auch tritt bei Verwendung schwereratomiger Elemente als die genannten sprunghafte Absorption und damit verbunden deren charakteristische Strahlung und plötzliche Steigerung der lonisation durch diese auf (I. Kapitel), wenn die Wellenlänge der zu messenden Röntgenstrahlen kurzwelliger wird als die Absorp- tionsbandkante der K-Serie des Wandmaterials.

IV. Die beim Ein- und Austritt der Röntgenstrahlen an den Fenstern ausgelöste Streustrahlung ruft eine merkliche Ionisation hervor. Sie läßt sich ausschalten, wenn man die Fenster an einem röhrenförmigen Ansatz anbringt.

V. Die Löcher der Bleiblenden müssen entweder einen größeren Durchmesser haben als 5 mm, oder die von ihnen ausgehende Streustrahlung muß durch besondere Schutz- blenden unwirksam gemacht werden. Bei Berücksichtigung von IV. ist dies indessen überflüssig.

2. Die lonisation in Abhängigkeit vom Luftdruck.

Wie die im 1. Kapitel besprochenen Versuche von Mc Clung lehren, ist die Ioni- sation dem Gasdruck proportional. Wir wollen hier die Abhängigkeit der Ionisation vom Luftdruck von sehr kleinen Drucken bis zu mehreren Atmo- sphären Druck verfolgen.

Nehmen wir an, ein schmales Röntgenstrahlenbündel durchsetze axial eine Zylinderkammer. Die Zahl der Luft- moleküle in dem vom Röntgenstrahlbündel ausgefüllten Raum der Ionisationskammer ist dem Druck p proportional, und daher muß auch die Zahl der ausgelösten Primärelektronen dem Druck proportional sein. Anderseits ist aber die Bahn- länge der Primärelektronen umgekehrt proportional dem Druck. Abb. 30. Abhängigkeit der Ist der Druck so hoch, daß die Bahnlänge der Primärelektronen lIonisation vom (iasdruck kein vorzeitiges Ende durch die Kammerwandungen findet, so nach Bothe. wird ihre Fähigkeit, zu ionisieren, voll ausgenutzt. Die Zahl der sekundären und tertiären Träger, die ein Primärelektron auslöst, ist in diesem Falle also unabhängig vom Druck. Hieraus folgt: solange der Druck so hoch ist, daß die Bahnen der Primärelektronen die Kammerwandungen nicht erreichen, ist die Ionisation nur abhängig von der ausgelösten Zahl der Primärelektronen und daher dem Druck pro- portional. In der Abb. 30, die einer Abhandlung Bothes entnommen ist, ist dies durch das Kurvenstück c zum Ausdruck gebracht. Bi

Sinkt der Druck aber unter jenen kritischen Wert, bei dem die Primärelektronen die Kammerwandungen erreichen, so wird die von einem Primärelektron erzeugte An- zahl sekundärer und tertiärer Elektronen ebenfalls ungefähr proportional dem Druck sein, wobei wir freilich davon absehen, daß die sekundäre und tertiäre Trägerbildung nach dem Bahnende hin an Häufigkeit zunimmt [vgl. V. Kapitel, 2. b) 1)]. Hieraus folgt, daß dann, wenn der Druck p so niedrig ist, daß die Bahnen der Primärelektronen an den Kammerwänden ein vorzeitiges Ende finden, die ganze Ionisation ungefähr proportional p? ist. In Abb. 30 ist das durch das Kurvenstück a zum Ausdruck gebracht. Die beiden Kurventeile a und c werden praktisch nicht mit einem scharfen Knick aneinanderstoßen, sondern allmählich ineinander übergehen: Kurvenstück b. Beim kritischen Druck po. für den der krumme Teil der Kurve in den geradlinigen übergeht, ist die Bahnlänge B,

246 H. Küstner

der Primärelektronen gleich dem bekannten Kammerradius. Da die Bahnlänge dem Druck umgekehrt proportional ist, so liefern pọ und Bọ die ungefähre Länge B der Primär- elektronenbahnen bei 760 mm Quecksilber Druck nach der Beziehung

PB," Por 760

B= (63) Eine experimentell von Berg, Schwerdtfeger und Thaller gewonnene Kurve ist in

Abb. 34 dargestellt. Sie zeigt durchaus den theoretisch erwarteten Gang der lonisation mit dem Druck.

3. Die Druckluftkammer.

Die Spannungen unserer heute in der Tiefentherapie gebrauchten Röntgenmaschinen erreichen 200 kV und mehr. Wollen wir die gesamte Bahnlänge der Primärelektronen in Luft ausnutzen, so müssen wir, wie aus den Spalten 2 und 3 der Tabelle 27 hervorgeht, Ionisationskammern von etwa 130 cm Durchmesser konstruieren. Damit

$ 3 / würde der Forderung I genügt. Wegen der Forde- à rung II müßten wir bei Verwendung einer Schutz- & schicht die Länge der Ionisationskammer auf (130 + Mi h au D Zentimeter bemessen, worin M die Länge der sich | WS e durch die Mittelschicht erstreckenden Meßelektrode o o 70 20 Sen bedeutet.

SS Trotzdem ist aber zu erwarten, daß man auch Abb. 31. Intensitätsabnahme von Kathodenstrahlen in Luft von Gann, wenn man den nach Tabelle 27 zu erwartenden Atmosphärendruck nach Berg, Kammerradius beträchtlich unterschreitet, nur einen

Schwerdtfeger und Thaller.

verhältnismäßig geringen Fehler bei der Ionisations- Kurve I stellt die Luftstrecken dar,

messung begeht. Hierfür sind folgende Überlegungen

die nötig sind, um einen Kathoden- strahl auf 5°, seiner Anfangsinten- sität zu schwächen, Kurve II des- gleichen für eine Schwächung bis auf 10°, des Anfangswertes. Als Abszissen sind die Anfangsgeschwin- digkeiten des Kathodenstrahles in kV aufgetragen.

maßgebend:

a) Auf Grund der Lenardschen Zahlenangaben läßt sich berechnen, welcher Prozentsatz aller Primär- elektronen von gleicher Anfangsgeschwindigkeit Weg- strecken einer bestimmten Länge überschreitet. So können wir z. B. nach den Wegstrecken fragen, die

von nur 5% aller Elektronen überschritten werden. Die Kurve I der Abb. 31 von Berg, Schwerdtfeger und Thaller gibt diese als Ordinaten aufgetragenen Wegstrecken in Abhängigkeit von der auf der Abszissenaxe aufgetragenen Anfangsgeschwindigkeit der Elektronen (in Voltgeschwindigkeit), Kurve II zeigt dasselbe für 10% der Elektronen. Man sieht aus diesen Kurven z. B., daß bei einer Anfangsgeschwindigkeit von 200 kV 5%, aller Elektronen Wege zurücklegen, die länger sind als 38 cm, und 10% solche, die länger sind als 32 cm. Das sind Zahlenwerte, die erheblich kleiner sind als der entsprechende von etwa 65 cm der Tabelle 27.

b) Die von einer Röntgenröhre ausgehende Strahlung ist auch bei Filterung noch verhältnismäßig inhomogen. Deshalb haben nur die von der allerhärtesten Komponente des Strahlengemisches beim Ionisationsvorgange ausgelösten Primärelektronen dieselbe Geschwindigkeit wie die Kathodenstrahlen im Röntgenrohre, deren Voltgeschwindigkeit gleich dem Scheitelwerte der Röhrenspannung ist. Da das Röntgenspektrum im kurz- welligsten Teile aber nur geringere Intensität besitzt als im mittleren Teile seiner Gesamt- ausdehnung, und da außerdem die kurzwelligsten Röntgenstrahlen am schwächsten absorbiert werden, so kommen die schnellsten beim Ionisationsvorgange erzeugten

Die Druckluftkammern von Berg, Schwerdtfeger und Thaller 247

Primärelektronen nur in verhältnismäßig geringer Zahl vor. Berg, Schwerdtfeger und Thaller haben den Einfluß des Kammerdurchmessers bei Röntgenstrahlengemischen verschiedener mittlerer Härte experimentell untersucht, indem sie zylindrische lonisa- tionskammern aus Aluminium von 20 cm Länge und von 4, 8, 12 und 16 cm Durchmesser mit Ein- und Austrittsfenstern aus Zellon benutzen. Die in Tabelle 38 mitgeteilten Ergeb- nisse lehren, daß bei 84 kV ungefilterter Strahlung bereits mit einem Kammerdurch- messer von 8 cm Vollionisation erreicht ist, während dies nach Tabelle 27 erst bei Durch- messern von etwa 20 cm der Fall sein sollte. Demgegenüber zeigt sich bei dem homoge- neren und härteren Strahlengemisch von 140 kV und 5 mm Aluminiumfilter auch zwischen 12 und 16 cm Kammerdurchmesser noch eine Zunahme der Ionisation; vielleicht ist also hier auch bei 16cm Durchmesser die Ausnutzung der Primärelektronen noch nicht vollständig.

Tabelle 38. Ionisation in Abhängigkeit von der Härte der Röntgenstrahlen und Kammergröße nach Berg, Schwerdtfeger und Thaller.

Ungefiltert

| Filter 5 mm Aluminium Kammerdurchmesser 140 kV SIkV 112 kV | (Spitzenspannung) | 100 100 100 102 103 108 12 . 102 105 116 16 102 105 122

Diese Ergebnisse lehren, daß man, unserer Vermutung entsprechend, in der Praxis tatsächlich mit kleinerem Kammerdurchmesser auskommt, als es die Lenardschen Zahlenwerte der Tabelle 27 verlangen. Wie weit man den Durchmesser der Kammer reduzieren darf, hängt einerseits ab von der geforderten Genauigkeit der Ionisations-

zum Flekirometer

Abb. 32. Druckluftkammer nach Berg, Schwerdtfeger und Thaller.

messung (a) und anderseits von der Homogenität der zu messenden Strahlengemische (b). Für höchste Genauigkeit und für monochromatische Röntgenstrahlung dürfte man aller- dings die Lenardschen Zahlenwerte nicht unterschreiten.

Da in jedem Falle die heute in der Tiefentherapie angewandten Spannungen von 200 kV und mehr zur Messung reiner Luftionisation Riesenkammern erfordern, die für

248 H. Küstner

Meßzwecke außerordentlich unbequen sind, gingen Berg, Schwerdtfeger und Thaller und kurz danach Behnken zum Prinzip der Druckluftkammer über. Ihm liegt folgender Gedanke zugrunde. Da die Bahnlänge der Elektronen dem Luftdruck umgekehrt pro- portional ist, so kommt man bei einem Druck von n Atmosphären mit einem ni? des Durchmessers aus, den die Kammer bei Atmosphärendruck haben müßte. Sie konstru- ierten daher Kammern, welche Drucke von mehreren Atmosphären auszuhalten inıstande sind.

Der Forderung I genügen sie durch Wahl hinreichend hohen Druckes; der Forderung II durch Verwendung des Schutzschichtprin-

Abb. 33. Druckluftkammer nach Behnken. zips vermöge zweier Hilfselektroden rechts und links der Meßelektrode. Der Forderung III wegen kleideten Berg, Schwerdtfeger und Thaller ihre Druck- luftkaıinmer mit Aluminiumblech, Behnken die seine mit Papier aus, das durch einen Graphitüberzug leitend gemacht ist. Den Forderungen IV und V genügten die ersten drei Autoren durch Verwendung des von ihnen angegebenen röhrenförmigen Ansatzes, welcher die Ein- und Austrittsfenster trägt. Ihre Kammer ist in Abb. 32 im Längs- schnitt und in der Ansicht von der Stirnseite aus wiedergegeben. Die Kammer besitzt einen lichten Durchmesser von 13,2 cm und eine lichte Länge von 17,5 cm. Die Wan- dungen b.stehen aus 2 mm starkem Eisenblech. Die nötigen festen Verbindungen sind durch autogene Schweißung hergestellt. Die Kammer kann mit Luft bis zu 6 At- mosphären Druck gefüllt werden. Als Ma- nometer dient eine einseitig zugeschmolzene Glaskapillare mit Quecksilbertropfen. Hat diese Kapillare dieselbe Temperatur wie die Kammer, so zeigt der Stand des Queck- silbertropfens nicht den Druck, sondern die Dichte der Luftfüllung an, die bei Absor;:- tion der Röntgenstrahlen und bei Träger- bildung tatsächlich maßgebend ist. Das S . * Eintrittsfenster von 6 mm Durchmesser be- druck für ein hartes Röntgenstrahlengemisch in

der Kammer von Berg, Schwerdtfeger und steht aus I mm starkem Zellon, das Aus- Thaller. trittsfenster aus 3 mm starkem Glas. Der Querschnitt des einfallenden Strahlenbün- dels wird durch die vordere Bleiblende Bl begrenzt, die zur Verminderung der Streu- strahlung eine konische Bohrung besitzt. Da das Strahlenbündel innerhalb der Kammer divergiert, wurde dem Austrittsfenster ein entsprechend größerer Durchmesser von 12mm gegeben. Die Druckluftkammer von Behnken zeigt Abb. 33 im Längsschnitt und in der Ansicht von der Stirnseite. Der lichte Durchmesser der Kammer beträgt 7 cm, ihre lichte Länge 15,8 cm. Die Kammer besteht aus gezogenem Messingrohr; die Stirnflächen werden durch 5 mm starke Messingdeckel D gebildet, die durch je 12 Schraubbolzen B auf die Flanschen fest gepreßt werden. Zur Dichtung dienen Zwi- schenlagen aus Blei. Ein- und Austrittsfenster bestehen aus Zellon von 1 mm Stärke. Die Kammer ist für Drucke bis zu 10 Atmosphären gebaut. Die Bleiblende kann ver-

mittels der Halter H direkt an die vordere Stirnwand angesetzt werden.

Die zur Sättigung erforderliche Gleichspannung wurde bei beiden Kammern mit

—e Jomsahonsstrom

7 Z ger 4rmosphären

Abb. 34. Abhängigkeit der Ionisation vom Luft-

Drucklüftkammer von Behnken. Druckluftkammerniessungen 249

Hilfe von Transformatoren, Glühventilröhren und Kondensatoren hergestellt. Sie betrug bei Berg, Schwerdtfeger und Thaller 1000 Volt, bei Behnken etwa 3200 Volt.

4. Messungen mit der Druckluftkamnaer.

Berg, Schwerdtfeger und Thaller ließen ein mit 180 kV Scheitelspannung und 1 mm Kupferfilter hergestelltes Strahlengemisch durch ihre Druckluftkammer fallen und untersuchten die Ionisation in Abhängigkeit vom Druck. Die in Abb. 34 dargestellte -Kurve lehrt, daß für dieses Strahlengemisch bei Drucken von 2 Atmosphären und mehr Proportionalität zwischen lonisation und Druck besteht. Nach der Lenardschen Tabelle 27 beträgt die Bahnlänge der schnellsten Primärelektrunen, die dieses Strahlen- gemisch auszulösen befähigt ist, bei einer Atmosphäre etwa 58 cm, bei zwei Atmosphären also 29 cm. Der Umstand, daß trotz eines Kammerradius von nur 6,6 cm schon von zwei Atmosphären an Proportionalität besteht, beweist, daß man für das angewandte Strahlen- gemisch praktisch reine Luftionisation bereits bei ein Viertel derjenigen Bahnlänge mißt die für homogene Strahlung in Spalte 3der Lenard- schen Tabelle 27 gegeben wird. 160

Berg, Schwerdtfeger und Thaller unter- Di suchten die Abhängigkeit: der Ionisation vom Druck auch dann, als nach Entfernen der röhrenförmigen Ansätze die Fenster direkt an der Stirnwand be-

—> Jonenstrom.

festigt waren. Der Verlauf der Kurve ist der gleiche a

wie bei Abb. 34, nur geht ihre geradlinige Verlänge- =

rung nicht durch den Nullpunkt, was bei dieser An- _

ordnung auf die an den Fenstern der Kammer aus- ; gelöste Streustrahlung und Elektronenemission zu- 0123456789

rückzuführen ist. Abb, 35. Abhängigkeit der Ioni En eat E . 35. Abhängigkeit der lonisa- Behnken untersuchte die Abhängigkeit zwi- tion vom Luftdruck bei harter ur.d

schen Ionisation und Druck bei einem weichen, völlig weicher Röntgenstrahlung in der ungefilterten Strahlengemisch von 51 kV Scheitel- Kammer von Behnken. spannung und bei einem harten, das bei 185 kV

Scheitelspannung durch 0,5 mm Zink und 1] mm Aluminium gefiltert war. Der ver- schiedene Verlauf der Kurven in beiden Fällen ist in Abb. 35 wiedergegeben. Beide Kurven verlaufen bei niedrigen Drucken oberhalb der durch den Nullpunkt gehenden gestrichelten Geraden. Die Kurve für harte Strahlung steht damit im Gegensatz zu derjenigen von Berg, Schwerdtfeger und Thaller. Die Ursache ist darin zu suchen, daß bei der Behnkenschen Kammer die Fenster in der Stirnfläche liegen. Unter diesen Umständen spielt sich der Vorgang folgendermaßen ab. Einerseits wer- den bei niedrigem Druck und bei dem harten Strahlengemisch die ausgelösten Elek- tronen nicht voll ausgenutzt; dies hätte eine Verkleinerung der Ionisation von Jyarı bei niedrigem Druck zur Folge, wie sich das in Abb. 34 bei den Messungen von Berg, Schwerdtfeger und Thaller zeigt. Anderseits aber werden durch die Röntgenstrahlen bei der Behnkenschen Anordnung der Fenster auch an diesen Primärelektronen aus- gelöst, welche in nennenswerter Anzahl in den Meßraum gelangen. Diese Elektronen fliegen bei harter Strahlung und niedrigem Druck über den Raum der beiden äußeren Schutzelektroden der Kammer hinaus in den Bereich der mittleren Meßelektrode und bewirken hier bei niedrigem Druck eine Vergrößerung der Ionisation Je. Der Ionisa- tionsausfall infolge ungenügender Elektronenausnutzung und die Primärelektronen- emission der Fenster überlagern sich also im entgegengesetzten Sinne, und zwar über- wiegt bei der Behnkenschen Kammer die letztere.

250 H. Küstner

Von Interesse ist der Vergleich zwischen der bei einem harten Strahlengemisch er- haltenen Kurve von Berg, Schwerdtfeger und Thaller mit derjenigen von Behnken. Die ersteren arbeiteten mit 180 kV und 1 mm Kupfer, Behnken mit 185 kV und 0,5 mm Zink + l mm Aluminium. Wie wir im X. Kapitel sehen werden, ist der Einfluß der Aluminiumfilterung zu vernachlässigen; Zink und Kupfer sind im periodischen System benachbarte Elemente und ihre Filtereigenschaften können daher als fast gleich angesehen werden. Der Überschuß von 5kV bei Behnken macht sein Strahlengemisch etwas reicher an härtesten Komponenten. Dieser Einfluß wird aber reichlich überkompensiert durch die Verwendung des halb so dicken Schwermetallfilters, so daß sein Strahlengemisch ım Mittel als weicher anzusprechen ist als dasjenige von Berg, Schwerdtfeger und Thaller. Nun zeigt sich, wie Abb. 34 lehrt, bei der Kammer dieser Forscher schon von zwei Atmosphären ab Proportionalität zwischen Ionisation und Druck, während bei der im Mittel weicheren Strahlung von Behnken diese Proportionalität erst bei 8 Atmo- sphären einsetzt. Die Ursache ist darin zu suchen, daß Berg, Schwerdtfeger und Thaller den Wandwirkungsbeitrag der Fenster in zweifacher Weise unschädlich machen, nämlich einerseits durch Herausrücken der Fenster vermittels der röhrenförmigen An- sätze, und zweitens durch Verwendung der Schutzschicht mit Hilfselektrode, während Behnken auf die letztere Schutzmaßnahme allein angewiesen ist. Der Vergleich beider Kurven lehrt, daß man mit der Kammer von Berg, Schwerdtfeger und Thaller bei dem zulässigen Höchstdruck von 6 Atmosphären auch dann noch Proportionalität zwischen Ionisation und Druck erhält, d h. reine Luftionisation mißt, wenn man mit Strahlengemischen arbeitet, die im Mittel beträchtlich härter sind als ein solches von 180 kV Scheitelspannung und 1 mm Kupferfilterung. Demgegenüber wird man bei der Behnkenschen Kammer mit ihrem zulässigen Höchstdruck von 10 Atmosphären keine im Mittel härteren Strahlengemische anwenden dürfen als das eben genannte, da sonst keine reine Luftionisation mehr zu erwarten ist. Voraussichtlich ließe sich der Meßbereich bei der Behnkenschen Druckluftkammer in sehr einfacher Weise dadurch wesentlich erweitern, daß man dieselben röhrenförmigen Fensterträger an ihr anbringt wie bei der Druckluftkammer von Berg, Schwerdtfeger und Thaller.

Die nur von Behnken bei der weichen Strahlung gemessene Ionisation zeigt in dem ganzen Bereich bis zu 10 Atmosphären Druck keine Proportionalität mit diesem, vielmehr verläuft die Kurve Jweicn vom Nullpunkt ausgehend leicht gekrümmt. Behn- ken deutet das so, daß die extrem weiche Strahlung, von der man zunächst einen streng geradlinigen Verlauf erwarten möchte, durch die Absorption, welche in der Druckluft

Tabelle 39. Berücksichtigung der Absorption weicher Strahlung in der Druckluft- kammer nach Behnken.

1] Längs der Meß- | Cas Durck p in Atm. elektrode absorbierte Jweich (beobachtet) Jweich (beobachtet)

Röntgenenersie | pro absorbierte Energie 1 0,0175 21,5 | 1228 2 0,0342 43,0 | 1257 3 0,0502 63,5 | 1265 4 0,0656 82,0 1250 5 0,0800 101,0 1263 6 0,0942 118,0 1253 7 0,1077 134,0 1244 8 0,1203 149,0 1239 H 0.1323 163,0 1232 10 0,1445 177,0 1225

Korrektur auf Normaldruck bei großen Kammern 251

dem Druck proportional gesteigert ist, bereits merklich in ihrer Intensität geschwächt wird, was das Absinken der Ionisation bei zunehmendem Druck zur Folge hat. Behnken hat die Absorption des weichen Strahlengemisches in Luft bestimmt, indem er Messungen in verschiedenem Abstande der Kammermitte vom Antikathodenbrennfleck ausführte. Aus der Abweichung vom quadratischen Abstandsgesetz konnte er den Absorptions- koeffizienten zu u = 0,0027 für das weiche Strahlengemisch festlegen. Berechnet er mit Hilfe desselben die längs der Meßelektrode in der Druckluft absorbierte Röntgen- energie JA weich und bezieht er die gemessene Ionisation Jweich auf jene, so erhält er die in Spalte 4 der Tabelle 39 mitgeteilten Zahlenwerte, welche innerhalb der Versuchs- fehler konstant sind. Daß diese Zahlenwerte nicht proportional mit dem Druck ansteigen, liegt daran, daß die absorbierte Energie ebenfalls proportional dem Druck ist. Die Kon- stanz beweist, daß man auch bei weicher Strahlung reine Luftionisation mit der Druck- luftkammer messen kann, wenn man nur die gemessene lonisation auf absorbierte Energie bezieht.

5. Die Korrektur auf Normaldruck von 760 mm Quecksilber bei gewöhnlichen Kammern.

a) Große Kammer.

Wie wir sahen, wird die Gesamtionisation um einen Bruchteil zu groß bestımmt, der von der Streustrahlung und von der Emission von Primärelektronen durch die Fenster hervorgerufen wird. Demgegenüber bewirkt vorzeitiges Auftreffen der an der Luft aus- gelösten Primärelektronen auf zu nahe Kammerwände einen Ausfall an Ionisation. Im allgemeinen werden sich beide Einflüsse nicht kompensieren; daß bei normalem Druck bald der eine, bald der andere überwiegen kann, lehren die bei harter Strahlung aufge- nommenen Kurven der Abb. 34 und 35. Bei der ersteren überwiegt für 1 Atmosphäre die Bahnverkürzung, bei der letzteren die Elektronenemission der Fenster.

Für den lonisationseffekt ist in Wirklichkeit nicht der Druck, sondern die Dichte maßgebend, da ihr die Zahl der Moleküle im Kubikzentimeter proportional ist. Nun hat, wie wir im I. Kapitel sahen, Mc Clung bei seiner zweiten Versuchsreihe den Druck konstant gehalten und die Temperatur von + 15 auf + 272° C erhöht; da aber bei konstantem Druck die Dichte umgekehrt proportional der absoluten Temperatur ist, deren Nullpunkt bei 273° C liegt, so entspricht das rund einer Dichteänderung von 2:1. Hierbei fand Mc Clung, daß die Ionisation umgekehrt proportional der absoluten Temperatur, d. h. proportional der Dichte ist, was reiner Luftionisation entspricht. Ob bei seiner Kammer und bei seinem Strahlengemisch wirklich zufällig Kompensation der Störungen auftrat, ist schwer festzustellen. Von Interesse ist aber die Frage, ob wir die Korrekturformel (la) und (lb), die wir an Hand seiner Ergebnisse für gewöhnliche Kammern zur Reduktion auf Normaldruck von 760 mm ableiteten, auch jetzt noch als zu Recht bestehend ansehen dürfen, nachdem wir die Fehlereinflüsse kennenlernten. Diese Formel geht von der Voraussetzung aus, daß die Ionisation in der Umgebung einer Atmosphäre der Dichte der Luft und daher dem Druck proportional sei.

Betrachten wir die für harte Strahlen erhaltenen Kurven der Abb. 34 und 35. Legen wir eine Gerade durch den Nullpunkt und durch den Kurvenpunkt von einer Atmosphäre, so zeigt sich, daß diese Gerade für die nächste Umgebung dieses Punktes so dicht auf die gemessene Kurve fällt, daß man beide kaum unterscheiden kann. In Wirklichkeit schneidet unsere Gerade die Kurve; aber sie tut es unter einem äußerst spitzen Winkel, so daß sie jene fast berührt. Nehmen wir nun an, der Druck schwanke um + oder 50mm um den Normaldruck von 760 mm, so bedeutet das, daß wir nur ca. ?/,, Atmosphäre

“252 H. Küstner

auf der beobachtenden Kurve entlang zu gehen hätten, um aus dem so ermittelten Kurven- punkte die Änderung der Ionisation, d. h. die Korrektur zu ermitteln. Innerhalb dieses Bereiches ist aber eine Abweichung zwischen der beobachteten Kurve und unserer Ge- raden kaum nachweisbar. Bedenken wir weiter, daß wir im Einzelfall gar nicht wissen, ob die Abweichung in Wirklichkeit im Sinne der in Abb. 34 oder der in Abb. 35 darge- stellten Kurve liegt, so müssen wir annehmen, daß unsere Formel (la) und (1 b) eine völlig hinreichende mittlere Korrektur liefert.

b) Fingerhutkamnıer.

Anders liegen die Verhältnisse bei der Fingerhutkammer. Diese steht ganz im Strahlenkegel und ihre Wände und ihre Elektrode sind starke Quellen für Primärelek- tronen und Streustrahlung, welche beide einen Ionisationszusatz liefern. Bei dem kleinen Volumen, das die Bahnen der in der Luft ausgelösten Primärelektronen nur zu einem kleinen Teile ausnutzt, wird jene Wandwirkung besonders stark hervortreten. Daß das der Fall ist, lehren die Messungen von Friedrich und Glasser (Abb. 20); im Einzelfalle sind die Einzeleinflüsse verschieden, aber stets quantitativ kaum abzuschätzen.

Die von den Röntgenstrahlen an den Kammerwänden ausgelöste Zahl von Primär- elektronen kann von dem Drucke p im Gasraum nicht abhängig sein; wohl aber werden diese Primärelektronen im Gasraum eine Zahl sekundärer und tertiärer Träger erzeugen, die dem Drucke p proportional ist. Demgegenüber werden die von den Röntgenstrahlen am Gas ausgelösten Primärelektronen eine Ionisation hervorrufen, die p? proportional ist, da auch bei den weichsten, in der Praxis in Frage kommenden Röntgenstrahlen die Bahnen der Primärelektronen an den Kammerwänden stets ein vorzeitiges Ende finden werden. Die Gesamtionisation J setzt sich daher bei der Fingerhutkammer aus zwei Einzelwirkungen zusammen. lst w und l die Zahl der in der Zeiteinheit an der Wandung und an Luft von Atmosphärendruck ausgelösten Primär- elektronen, so wird

J=w'p+1l:p. (64)

40 Jonisationsstrom

2MA 114 kv mit Q3 Cu Filter,

Do Berlin 31

e = GEN SE Oh Untersch 155 Nehmen wir nun einmal an, es sei w klein

gegen l. Dann wird die Ionisation nahezu propor- tional p? zunehmen. Nehmen wir demgegenüber an, w sei groß gegen l; dann steigt die lonisation nahe- zu linear mit p an. Bei den gebräuchlichen Kam- mern wird w von derselben Größenordnung sein wie l, und wir dürfen eine zwischen beiden Extrem- fällen verlaufene Druckabhängigkeit der Ionisation erwarten.

Diese Betrachtungen lehren, daß, je nachdem die Wandwirkung die Luftionisation überwiegt oder nicht, der Einfluß des Druckes auf die gemessene Ionisation bei der Fingerhutkammer stärker oder ebensogroß sein kann wie bei der großen Kammer. Quantitativ Allgemeingültiges läßt sich nicht aus-

Be ee RE sagen; hier kann nur die Untersuchung des Sonder- Abb. 36. Abhängigkeit der Ionisation falles Aufklärung geben vom Luftdruck bei der Fingerhutkam- mer des Siemens- Röntgen- Dosismessers Messungen über die Druckabhängigkeit der

nach Schlechter. Fingerhutkammer wurden, soweit dem Verfasser

vos Berlın mm 760mm

Jona ınd Kammer

inmm H 200 400 600 80 10emmhg

Korrektur auf Normaldruck bei Fingerhutkammern. Energiemessung 253

bekannt ist, bisher nur für diejenige des Siemens-Röntgen-Dosismessers ausgeführt. Die Ergebnisse wurden dem Verfasser von Herrn Dr. Schlechter in freundlichster Weise zur Verfügung gestellt, wofür ihm an dieser Stelle ganz besonders herzlichst gedankt sei. Schlechter brachte die Fingerhutkammer in einen kleinen Rezipienten, der mit einem Quecksilberbarometer und einer Luftpumpe in Verbindung stand. Mit Hilfe dieser Anordnung untersuchte Schlechter die Abhängigkeit der lonisation vom Luftdruck für 2 Strahlengemische, nämlich bei 70 kV ohne Filter und bei 114 kV mit 0,3 mm Kupferfilter. Seine Ergebnisse zeigt Abb. 36. Auffällig ist, daß die Kurven leicht gekrümmt sind im entgegengesetzten Sinne, als nach Gleichung (64) zu erwarten wäre. Nimmt man an, daß der Luftdruck für eine Stadt wie Berlin bei 20° C zwischen 735 und 760 mm Quecksilber, also um etwa 3,4 % schwankt, so bedingt diese Druckände- rung ein Ansteigen der Ionisation von 2,34 auf 2,40, d. h. um etwa 2,6%. Wir dürfen also die Ionisation nahezu dem Druck proportional ansetzen. Beträchtlich wird dem- gegenüber der Unterschied der Ionisation, der an demselben Gerät in verschiedener Höhe über dem Meeresspiegel gemessen wird. Für das härtere Strahlengemisch ergibt sich hier beispielsweise für Berlin und Davos ein Ionisationsunterschied von 15%, also ein Unter- schied, der keineswegs vernachlässigt werden darf und nach Eichung des Gerätes in Berlin in Davos unbedingt berücksichtigt werden müßte. Diese Betrachtungen setzen gleiche Lufttemperatur voraus. Treten auch Temperaturschwankungen ein, so können die Ionisationsunterschiede noch weit erheblicher werden, da die Dichte der Luft für die Jonisation maßgebend ist. Näheres hierüber wurde bereits im I. Kapitel behandelt.

Achtes Kapitel. Die Energiemessung der Röntgenstrahlen.

l. Absorption von Energie ist die Vorbedingung für alle Wirkungen.

Immer wieder begegnet man in der Literatur einer Fragestellung in der folgenden oder in ähnlicher Form:

„Besitzen harte oder weiche Röntgenstrahlen bei einem bestimmten Objekt größere biologische Wirkung ?“

Diese Fragestellung ist ebenso unvollständig wie die folgende: ‚Was erscheint dir größer, dieser Teller oder der Mond ?“‘

Beiden Fragestellungen fehlt eine grundlegende Angabe. Bei dem Teller muß man den Abstand vom Auge mit angeben und bei den Röntgenstrahlen die Einheit, in der man mißt. Daß eine Fragestellung wie die erstere überhaupt möglich ist, ist nur darauf zurückzuführen, daß das Fundamentalgesetz aller Vorgänge gar nicht erfaßt ' wurde: das Gesetz von der Erhaltung der Energie. Energie kann nie entstehen oder verlorengehen; sie kann nur ihre Erscheinungsform wechseln. Allein dort, wo Energie absorbiert wurde, kann Wirkung irgendwelcher Art erzielt werden. Deshalb wird obige Fragestellung sogleich vollständig, wenn wir sagen:

„Besitzt harte oder weiche Röntgenstrahlung bei einem bestimmten Objekt größere biologische Wirkung, wenn in beiden Fällen dieselbe Röntgenenergie absorbiert wurde ?™

So drängt sich uns die Frage auf, ob es möglich ist, mit Hilfe der Ionisationsmethode die Energie der Röntgenstrahlen zu messen. Mit dieser Frage wollen wir uns hier be- schäftigen und das Problem der Abhängigkeit biologischer Wirkung von der Wellen- länge bei gleicher absorbierter Röntgenenergie für das nächste Kapitel aufsparen.

_ Wir werden hier 3 Methoden der Energiemessung kennenlernen, die auf der quanten-

254 H. Küstner

haften Auffassung des Absorptions- und Emissionsvorganges beruhen, jener Auffassung, die auch wir an die Spitze unserer Betrachtungen stellten. Eine 4. Methode benutzt die Umsetzung der absorbierten Röntgenenergie in Wärmeenergie.

Wird ein Quant Röntgenenergie hv der Frequenz v von einem Atom absorbiert, so tritt nach unseren oben entwickelten Anschauungen zweierlei ein. Einerseits wird ein Planetenelektron aus einer der Schalen des Atoms gerissen. Hierzu ist die Arbeit A

m nötig; und mit einer kinetischen Energie 2 vi, die gleich ist der Differenz aus absorbierter Energie und Abtrennungsarbeit, verläßt das Elektron die Atomperipherie. Es gilt:

m 2 2 ə " =h'y— À. (23)

Auf diesen Erstakt der Absorption und der teilweisen Wiederemission folgt eine „Verweilzeit‘‘ von etwa ein Hundertmillionstel Sekunde. Nach Verlauf derselben erfolgt der zweite Akt der Emission: die Lücke, die durch Herausreißen des Planeten- elektrons entstand, wird durch ein weiter außen gelegenes wieder ausgefüllt. Mag dies direkt geschehen durch ein Elektron der äußersten Schale, oder mag zunächst eines aus einer mittleren Schale an die freie Stelle springen, und mag sich dessen freier Platz nach einander durch andere von außen her wieder ausfüllen: bei jedem Sprunge wird eine Linie dercharakteristischen Strahlung des Atoms emittiert. Die Ergänzung der Lücke des beim Absorptionsakt aus dem Atomverbande losgerissenen Elektrons ist dann ein Vor- gang für sich, für dessen Ablauf es gleichgültig ist, wie die Lücke entstand. Insonderheit ist es hierfür gleichgültig, welches die Frequenz des absorbierten Strahlungsquants war; dieser Umstand äußert sich allein in der mehr oder minder großen kinetischen Energie des losgerissenen Planetenelektrons.

Nehmen wir nun an, es sei eine gewisse Energie E der Frequenz v in 1 Sekunde im Kubikzentimeter eines Mediums absorbiert worden. Dann setzt sich diese absorbierte Energie zusammen aus n Strahlungsquanten; es ist:

E=n-h-v, (65)

d. h., es sind auch n solcher Strahlungsquanten pro Sekunde und Kubikzentimeter ab- sorbiert worden.

Liegen die Dinge so, wie wir sie eben schilderten, so werden als Folge dieser ein- zelnen n Absorptionsprozesse auch n Emissionsprozesse in zweierlei Gestalt erfolgen: einerseits werden n Elektronen in Freiheit gesetzt werden und anderseits werden n Akte charakteristischer Strahlungsemission stattfinden, welch letzteres so zu verstehen ist, daß bei einem Akte mehrere Spektrallinien emittiert werden können: die Summe ihrer Einzelquanten muß gleich der Abtrennungsarbeit sein:

h.v+hv’+hv”’+...=A. (66)

Beide Vorgänge können zur Energiemessung der Röntgenstrahlen herangezogen c werden. Kennt man v = 3 der absorbierten Strahlung, und gelingt es, n zu zählen, so

kann man die Energie E berechnen, da h = 6,54.10 77 ergsek. bekannt ist. Das Pro- blem der Energiemessung ist damit auf das andere reduziert, die Zahl n der absorbierten Energiequanten hv zu bestimmen, und wir wollen uns nun mit den Methoden bekannt machen, nach denen dies möglich ist.

Energiemessung durch Ionisationsmessung charakteristischer Sekundärstrahlung 255

2. Messung von n durch Beobachtung der Intensität charakteristischer Sekundärstrahlung.

Diese Methode ist von Kossel vorgeschlagen worden. Sie läuft darauf hinaus, die vom Atom aufgespeicherte Abreißarbeit zu messen, die dieses, nach Ablauf der Ver- weilzeit, in Form charakteristischer Strahlung abgibt. Wie wir sahen, kann diese, ent- sprechend Gleichung (66), in Form mehrerer Spektrallinien emittiert werden. Dabei ist die Intensität einer solchen Linie ein Maßstab für die Häufigkeit ihrer quantenhaften Einzelemissionen. Nun lehrt aber die Erfahrung, daß die Intensität der Spektrallinien einer Serie zueinander stets in einem bestimmten Verhältnis steht. Und zwar ist die Frequenz der absorbierten Strahlung, wie wir schon oben betonten, ohne Einfluß auf die Häufigkeit der Einzelvorgänge oder der Intensität der einzelnen Linien. Hieraus folgt: fassen wir eine bestimmte Linie, z. B. die K,„-Linie, ins Auge, so wird die Zahl der Emis- sionsprozesse derselben proportional sein der Zahl n der quantenhaften Absorptions- prozesse, die sich in der Sekunde und im Kubikzentimeter des absorbierenden Elements abspielen, ganz einerlei, welches die Frequenz v der absorbierten Energie war. Wurden n Energiequanten der Frequenz v absorbiert, sind also n Atome zur Strahlungsemission „angeregt‘‘ worden, und ist u der Bruchteil aller Fälle, in denen eine Spektrallinie der Frequenz v, emittiert wird, so haben wir eine Emission von u ` n Lichtquanten der charak- teristischen Sekundärfrequenz v, zu erwarten. Die Energie, die 1 ccm des absorbieren- den Elementes in der Sekunde in Form dieser Spektrallinie emittiert, beträgt dann also:

E'=u:'n-h,, (67) oder, wenn wir vermöge Gleichung (65) nh = (65) hier einsetzen: E =u E S, (68)

Vergleichen wir zwei primäre Röntgenstrahlungen mit den Frequenzen v, und v, miteinander, welche beide dieselbe sekundäre charakteristische Spektrallinie anzuregen vermögen, so sind die von ihnen erzeugten sekundären Energien derselben Frequenz v, :

E,\=u.E.— Mi und (69) Ys E’, = u: E: —. 275 U’ Pe ve

Hieraus ergibt sich das Energieverhältnis der Primärstrahlungen verschiedener Wellen. länge zu u SE

E, T E, a (70)

Das Wesentliche an dieser Methode ist das, daß die Sekundärstrahlung in beiden Fällen dieselbe Wellenlänge besitzt. Es lassen sich deshalb die beiden Primärenergien verschiedener Wellenlängen durch Ionisationsmessung miteinander vergleichen. Denn die im allgemeinen unbekannte Wellenlängenempfindlichkeit der Ionisationskammer fällt bei dieser Methode dadurch heraus, daß man in beiden Fällen nur verschiedene Intensitäten charakteristischer Sekundärstrahlung derselben Wellenlänge mißt, und für ein und dieselbe Wellenlänge darf man die gemessene lonisation stets der Energie

256 H. Küstner

proportional setzen, welehes die Konstruktion der Ionisationskammer auch sei. Die einzige Forderung ist die der Sättigung.

3. Messung von n durch Auszählung der Primärelektronenbahnen.

Mit jeder Absorption eines Energiequantums ist die Emission eines losgerissenen Planetenelektrons verbunden. Läßt man ein Röntgenstrahlbündel von 1 qem Querschnitt während t Sekunden durch eine Wilsonsche Nebelkammer fallen, und zählt man nach der Expansion längs 1 cm Bahn nt lange Bahnen, die von solchen Primärelektronen herrühren, so kann man hieraus mit Hilfe des bekannten t das n ermitteln. Dieses Ver- fahren wäre besonders geeignet, weil sich die langen Bahnen der beim Absorptionsprozeß losgerissenen Elektronen, auf die es uns hier ankommt, leicht von den kurzen Bahnen der Rückstoßelektronen unterscheiden lassen, so daß das Ergebnis durch die mit dem Streuvorgang verbundene Ionisation nicht gefälscht wird. Diese beiden von Kossel vorgeschlagenen Verfahren sind indessen noch nicht angewandt worden.

A. Messung von n durch die Ionisationswirkung der losgerissenen Primärelektronen.

Dieses Verfahren wurde zuerst von Holthusen empfohlen. Es war dies der erste Vorschlag, die Energie der Röntgenstrahlen durch die von ihnen hervorgerufene reine Gasionisation zu messen. Aus diesem Grunde hat Holthusen 3 Forderungen erhoben:

I. Es muß Sättigung vorhanden sein.

II. Die Bahnen der Primärelektronen dürfen kein vorzeitiges Ende an den Kammer- wandungen finden, damit ihre ionisierende Kraft voll ausgenutzt wird.

III. Es dürfen nur diejenigen Träger zur Messung gelangen, deren erzeugende Primärelektronen durch das primäre Röntgenstrahlbündel am Gas ausgelöst wurden.

Um diese Forderung zu erfüllen, unternahm Holthusen, zum Teil gemeinsam mit Becker, jene Untersuchungen, die wir im VI. Kapitel gewürdigt haben, und die das Fundament der Messung reiner Ionisation am Gasraum bilden.

Wir wollen zunächst voraussetzen, es handle sich einerseits nur um sehr leichtatomige Elemente und andererseits um Röntgenstrahlung hinreichend hoher Frequenz oder kurzer Wellenlänge, wodurch in Gleichung (23) die Abtrennungsarbeit A im Vergleich zum ab- sorbierten Energiequantum hvy verschwindend klein wird, so daß sich die ganze absor- bierte Energie in kinetischer Energie des abgetrennten Primärelektrons wieder findet. Es möge also gelten:

m o 9 -vcooh’v. (37)

Läßt man ein Röntgenstrahlbündel der Frequenz v und von l qem Querschnitt durch eine Ionisationskammer fallen, die allen 3 Forderungen Holthusens für Messung reiner Gasionisation genügt, und mißt man einen von der Röntgenstrahllänge l cm er- zeugten Sättigungsstrom i, d. h. die in der Sekunde erzeugte Elektrizitätsmenge, so ist

i=1-n-S. (71)

Hierin bedeutet S die von jedem Primärelektron längs seiner ganzen Bahn erzeugte Zahl sekundärer -- tertiärer Träger, die für Röntgenstrahlen jeder bekannten Frequenz

c y = - nach der Formel

A IV-12; (36)

aus Spalte 9 der Lenardschen Tabelle 27 bekannt ist. Mit Hilfe des so ermittelten

257

Die Bestimmung der Röntgenstrahlenergie aus ihrer Ionisationswirkung

Wertes n ergibt sich unter Zuhilfenahme von Gleichung (65) die pro Kubikzentimeter Gas und pro Sekunde absorbierte Röntgenenergie E.

Handelt es sich nur darum, die Energie von 2 Röntgenstrahlbündeln gleichen Quer- schnitts, aber verschiedener Wellenlängen A, und %, zu vergleichen, von denen pro Sekunde und pro Kubikzentimeter wohl die gleichen Energien E, aber verschiedene

Zahlen n, und n, von Energiequanten absorbiert werden, so gilt n -h.y n E ee rn (72) ns ’h’w n Au E

Also ist das Verhältnis der während derselben Zeit in demselben Volumen absorbierten Anzahl von Quanten

DM ne (73) bekannt. Die beobachteten Sättigungsströme müssen sich dann verhalten wie Ze _ Bd ` A S (74) i m. % Be oder, vermöge Gleichung (36), wie d V S, u N (75) lg Vu 8

Die Tabelle 40 gibt, entsprechend dem Zahlenmaterial von Lenard, in Spalte 3 die Werte S/V. Eine Strahlung der Wellenlänge 0,122 A hätte demnach etwa den doppel- ten ionisierenden Effekt wie eine Strahlung von 0,499 À, und den zehnfachen wie eine Strahlung von 4,80 A. obgleich in allen Fällen dieselbe Röntgenenergie absorbiert wurde. Die Zahlen der Spalte 3 stellen mit der

Härte der Röntgenstrahlen veränder- liche Faktoren dar, durch die man die für eine bestimmte Strahlung gemessene Ionisation dividieren muß, um die im Gasraum absorbierten Energien mit- einander vergleichen zu können.

Dieser Methode von Holthusen stehen folgende Bedenken entgegen:

I. Wir sind oben von der Voraus- setzung ausgegangen, es sei die Lostren-

Tabelle 40. Trägerbildung in Luft bei gleicher absorbierter Röntgenenergie verschiedener Wellenlänge nach Holthusens Theorie.

nungsarbeit A verschwindend klein im 0,737 | o | nn Vergleich zur Energie h v des absorbier- > DES 241 4,0: SES ten Quants. Es enthält aber die Luft, 0,359 34,3 | #66 in der die Ionisationsmessungen ausge- 0,264 16,5 8,31 führt werden, einen beträchtlichen Pro- SE GE SEH = Be l 0,155 79,1 7.33 zentgehalt an schweratomigen Edel- s a To gasen, wie wir im II. Kapitel bei Be- a | 101 Ge

S 0,096 128 8,99 rechnung der Luftabsorption bereits 0.0764 161 9.4 sahen. Berechnet man unter Zugrunde- 0,0606 203 9,80 legung der Massenabsorptionskoeffizien- wun `" zen 9.88 ten, zu denen obige Berechnung führte, 0,0360 342 9,68 für alle Bestandteile der Luft, wieviel 0,0268 459 9,15 Prozent der Gesamtabsorption auf die 0,0186 626 R16 einzelnen derselben entfallen, so erhält 1 | 2 | 3

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 17

258 H. Küstner

Tabelle 41. Anteile der einzelnen Luftbestandteile an der Absorption.

` Element Gewichtsprozente u | Gu | Gesamtabsorption. G e: Ai px? n o

Sauerstoff . . . 2.2... 23,2 2,66 | 61,7 | Air

Stickstoff . . . .... 15,5 1,98 150,3 ‚2

Argon. a A eg de 1,3 | 33 42,9 16; i

Krypton. . 2.2.2... 0,028 293 8,21

Xenon. . 2. 2 2 2 2.0. 0,005 825 4,13

1 DE E

man als Ergebnis Spalte 5 von Tabelle 41. Man sieht, daß allein Argon mit etwa 16°, beteiligt ist. Da nach Kossel®/. aller Absorptionen eines Atoms auf K-Absorptionen gehen, so ist zu erwarten, daß etwa 14 %, aller losgerissenen Primärelektronen aus der K-Schale des Argons stammen. Nach Tabelle 17 mißt die K-Absorptionsbandkante des Argon 3,866 Ä. Wird eine Röntgenstrahlung absorbiert, die auch nur eine Spur kurzwelliger ist, also z. B. eine solche von 3,865 À, so wird deren Energie im Argonatom fast restlos zur Abtrennungsarbeit verbraucht, so daß diese Primärelektronen die Atomperipherie mit einer äußerst kleinen Geschwindigkeit verlassen und so fast keine Fähigkeit zur Bildung sekundärer Träger besitzen. Bei Röntgenstrahlen von 3,865 Ä Wellenlänge kommen also 14%, aller Primärelektronen für Ionisationswirkung nicht in Frage. Je härter die Röntgenstrahlen sind, desto mehr wird dieser Effekt freilich zurücktreten. Bei der halben Wellenlänge von etwa 1,93 A werden diese 14%, aller Primärelektronen be- reits etwa die Hälfte der kinetischen Energie besitzen, die dem absorbierten Lichtquant entspricht, und für die harten Strahlengemische der Tiefentherapie spielt die Abtrennungs- arbeit beim Argon keine nennenswerte Rolle mehr. Beim Krypton und Xenon wird man den entsprechenden Vorgang unberücksichtigt lassen dürfen, da sie für hin- reichend harte Röntgenstrahlen nur mit etwa 3%, bzw. 1,5% an der Gesamtionisation beteiligt sind.

II. Die in Spalte 9 der Tabelle 27 mitgeteilten Zahlen S für die sekundären + tertiären Träger, die ein Primärelektron bestimmter Geschwindigkeit auf seiner ganzen Bahn in Luft von Atmosphärendruck durchschnittlich auslöst, sind von Lenard aus anderen, experimentell gewonnenen Größen berechnet, so daß sich alle Unsicherheiten der letz- teren in den Werten S häufen, worauf Lenard schon selbst hinweist.

5. Die Energiemessung der Röntgenstrahlen durch ihre Wärmewirkung bei der Absorption und die lonisation.

Nehmen wir an, es falle Röntgenstrahlung durch ein festes Medium. Dann wird sie geschwächt: ein Teil wird gestreut, ein anderer Teil wird absorbiert und hierbei in charak- teristische Sekundärstrahlung und in kinetische Energie von Elektronen umgesetzt. Je nach der Härte der Röntgenstrahlen einerseits und je nach der Gestalt und der Stellung des Absorbens im periodischen System anderseits muß ein gewisser Teil dieser in neue Formen übergegangenen Energie aus dem Absorbenten wieder austreten; ein anderer Bruchteil aber wird in ihm absorbiert bleiben, und dieser äußert sich in Erwärmung des Absorbenten. Aus dieser in ihm entwickelten Wärmeenergie kann man dann auf die Energie der Röntgenstrahlen schließen, wenn man weiß, welcher Bruchteil der Energie sich durch Wiederentweichen aus dem Absorbenten der Messung entzieht. Die Be- stimmung gerade dieses Bruchteiles ist um so schwieriger, je härter die Röntgenstrah- lung ist.

Die Energiemessung der Röntgenstrahlen durch ihre Wärmewirkung

Die Wärmewirkung der Röntgenstrahlen ist von verschiedenen Forschern gemessen worden. Sie ist außerordentlich gering. So sind bei- spielsweise nach Behnken etwa 3 Stunden erforderlich, um ein Stück Platin von 1 mm Dicke in 50cm Abstand vom Brennfleck um l/o? C zu erwärmen. Der, Nachweis solcher geringer Wärmeenergien stellt hohe Anforde- rungen an die Meßkunst. Aus diesen Gründen gestaltet sich die Energiemessung der Röntgen- strahlen auf kalorimetrischem Wege äußerst schwierig.

In diesem Zusammenhange sind diejenigen Messungen von Interesse, bei denen die Wärme- wirkung der Röntgenstrahlen und die durch sie hervorgerufene Ionisation der Luft mitein- ander verglichen wurden. Als erster führte dies Angerer durch, leider aber nur für dasselbe Strahlengemisch bei verschiedener Intensität. Seine Messungen lieferten aber das wichtige Er- gebnis, daß bei derselben Wellenlänge die ge- messene Ionisation der Energie der Röntgen- strahlen proportional ist, ein Gesetz, das’ wir aus Gründen der Wahrscheinlichkeit allerdings bis- her schon immer als gültig betrachtet haben. Boos arbeitete ebenfalls bolometrisch und dehnte seine Versuche durch Filterung desselben Strahlengemisches auf Röntgenstrahlen ver- schiedener mittlerer Härte aus. Er bediente sich einer Ionisationskammer, die Holthusens Forderungen genügt. Die genauesten Unter- suchungen in dieser Richtung sind ganz neu und wurden von Grebe und Kriegesmann unter- nommen. Diese brachten eine Bleiplatte, in der ihre Strahlung zum größten Teile absorbiert wurde, in ein Dewargefäß. Dieses stand durch eine Kapillare mit einem zweiten, gleichartigen in Verbindung, in dem sich eine ebensolche Bleiplatte befand, welche durch einen elektri- schen Strom geheizt werden konnte. In der Kapillare saß ein Flüssigkeitstropfen, der durch seine Bewegung nach der einen oder anderen Seite eine Ungleichheit der Erwärmung der Luft in dem einen oder anderen Gefäße anzeigte. Blieb der Tropfen stehen, so war die Erwärmung in beiden Gefäßen die gleiche. Die Einstellung des Tropfens wurde durch ein Mikroskop von hundertfacher Vergrößerung beobachtet. Wurde die durch die Röntgenstrahlen in dem einen Blei-

Tabelle 42. Energie und Ionisationswirkung der Röntgenstrahlen nach Grebe und Kriegesmann.

sation bei glei-

cher in Luft ab- sorbierter

Röntgenenergie

Relative Ioni-

Energie- verbrauch pro erzeugtes Ionen- paar in Luft Erg

für Luft B

tionskoeffizient

S 3 z E SÉ:

Ionenzahl pro ccm Luft bei Strahlen- intensität von

1 Erg pro

qcm

Ionisation bei gleicher Ener- gie der Rönt- genstrahlen J E

Ionisation in willkürlichen Einheiten, be- obachtet an Holthusen- Kamera J

E

i bestimmt durch Kalori- meter

kürlichen Ein-

Energie in will heiten,

länge, bestimmt in Kupfer, A in A

Mittlere Wellen-

>

Röhren- spannung in | aus Absorption

10-11 10-11 10-11 10-11 10-11

87 57 15 42 77

A A A Y A E

13 16 25 35 44

a å o Gw Gw "e

nn A Ää EE

na A ĀÄ A Āā A A

[ Āā AA A ë ē A ü 2

259

260 H. Küstner

stück hervorgerufene Wärme durch die von dem elektrischen Strom in dem anderen Blei- stück erzeugte Wärme gerade kompensiert, so war, da die Erwärmung durch elektrischen Strom dem Quadrat der Stromstärke proportional ist, dieses Quadrat der Stromstärke ein Maß für die Energie der absorbierten Röntgenstrahlung. Die gleiche Strahlung wurde außerdem zur Ionisierung der Luft in einer großen Kammer mit leichtatomigen Wänden benutzt, welche Holthusens Forderung entsprach, so daß das Verhältnis der Energie zur lonisation bestimmt werden konnte. Durch Änderung der Röhrenspannung und der Dicke der Kupferfilterung wurde die mittlere Härte des Strahlengemisches variiert. Für das Reststrahlengemisch wurde der Massenschwächungskoeffizient in Kupfer bestimmt und mit seiner Hilfe aus den Messungen Richtmyers die mittlere Wellenlänge des Rest- strahlengemisches festgelegt. Die Ergebnisse zeigt Tabelle 42 in Spalte 2. Die Spalten 3 und 4 geben die durch kalorimetrische Messung bestimmte Energie der Röntgenstrahlen in willkürlichen Einheiten sowie die von ihnen in einer Holthusen- Kammer erzeugte Ionisation. Das Verhältnis dieser Werte in Spalte 5 liefert die Ionisation durch Röntgen- strahlen gleicher Energie, aber verschiedener Wellenlänge; und in Spalte 6 sind diese Werte mit einem konstanten Faktor multipliziert, der durch die konstruktionellen Ausmaße der Anordnung bedingt wird, so daß man die Ionenzahl erhält, die Röntgen- strahlen von, 1 Erg pro Quadratzentimeter in Leem Luft erzeugen. Damit ist eine Ionisationskammer, die Holthusens 3 F orderungen entspricht, empirisch als Energie- meßBinstrument geeicht.

Noch schwieriger als diese Eichung einer Ionisationskammer als Energiemeßinstru- ment ist die Aufgabe, die erzeugte Ionisation zu der hierfür erforderlichen, in der Luft der Kammer absorbierten Röntgenenergie verschiedener Wellenlänge in Beziehung zu setzen, denn dazu wird die Kenntnis der Absorptionskoeffizienten von Röntgenstrahlen verschiedener Wellenlänge in Luft vorausgesetzt. Grebe und Kriegesmann haben auch diese Untersuchung durchgeführt. Sie haben dabei angenommen, daß die Streuung entsprechend einer Formel Comptons mit der Wellenlänge abnimmt (vgl. III. Kap.). Mit Hilfe der Messungen des Schwächungskoeffizienten leichtatomiger Substanzen von Richtmyer und Hewlett haben sie so die in Spalte 7 mitgeteilten Massenabsorp- tionskoeffizienten für Luft ermittelt und erhalten für diese in Spalte 8 den Verbrauch von Röntgenenergie in Erg, der zur Erzeugung eines Trägerpaares in Luft erforderlich ist. Die Ordinaten der gekrümmten Kurve in Abb. 37 sind den Werten der Spalte 8 proportional. Der Wert für 0,56 å wurde von Boos gewonnen; er schließt sich den Messungen von Grebe and Kriegesmann gut an. Das hier mitgeteilte Zahlen- material verdankt der Verfasser einer freundlichen persönlichen Mitteilung des Herrn Grebe, wofür ihm ganz besonders gedankt sei.

Die reziproken Werte der Spalte 8 gibt Spalte 9. Sie stellen, abgesehen von einem konstanten Zahlenfaktor, die Ionisation dar, die bei gleicher, in Luft absorbierter Rönt- genenergie entsteht. Man kann diese mit den Werten von Spalte 3 der Tabelle 40 ver- gleichen, welche dasselbe nach Holthusens Theorie liefert. Hierbei zeigt sich in der Tat gerade der umgekehrte Gang der Ionisation mit der Wellenlänge. Nach Grebe findet die Abweichung zwischen Holthusens Theorie und dem experimentellen Befunde durch den Compton-Effekt ihre Erklärung. Wie wir im III. Kapitel sahen, wird gerade bei den kürzeren Wellenlängen das Auftreten von Rückstoßelektronen immer wahrscheinlicher und das von Primärelektronen durch den Absorptionsvorgang immer unwahrscheinlicher. Wird die gleiche Röntgenenergie einmal in eine Anzahl schneller Primärelektronen, das andere Mal in eine entsprechend größere Anzahl langsamer Elektronen umgesetzt, so kommt den schnelleren die größere, den langsamen die kleinere ionisierende Wirkung zu, wie aus Spalte 3 der Tabelle 40 hervorgeht. Wird also für harte Röntgenstrahlen der mit

Die Ergebnisse der Energiemessung zeigen große Unterschiede 261

dem Streuvorgang verbundene Energieverbrauch immer wahrscheinlicher, dem die Rückstoßelektronen mit ihrer geringen ionisierenden Kraft ihre kinetische Energie zu verdanken haben, während der Energieverbrauch zur Bildung schneller Primärelektronen beim „wahren Absorptionsvorgang‘‘ mit ihrer großen Ausbeute an sekundären und ter- tiären Trägern immer seltener wird, so kann hierdurch ein Gang der Ionisation mit der Wellenlänge bedingt werden, der demjenigen von Holthusens Theorie entgegengesetzt ist. Nach den Messungen von Boos und denen von Grebe und Kriegesmann über- wiegt in dem untersuchten Bereiche für Wellenlängen bis herab zu 0,17 Ä der erstere. Es ist indessen, besonders nach den Untersuchungen von Fricke und Glasser (III. Kapitel) sehr wahrscheinlich, daß mit weiterer EJ) Härtesteigerung eine Umkehr eintritt. In neuester Zeit hat Bouwers die Energie E der Röntgenstrahlen ver- schiedener Wellenlänge auf bolometri- schem Wege gemessen und sie mit der Schwärzung s der photographischen Platte durch Röntgenstrahlen ver- glichen. Weiterhin haben Berthold | und Glocker die lonisation J der Be a 0

Röntgenstrahlen verschiedener Wellen- l 5 DER länge in einer Holthusenkammer mit Se 37. Die Zur Erzielung gleicher Ionisation nötige öntgenenergie verschiedener Wellenlänge, einerseits

der Schwärzung s der photographischen nach GrebeundKriegesmann (o o o o), anderseits Platte verglichen. Ihre Ergebnisse, be- nach Bouwers, Berthold und Glocker(x x x x).

zogen auf gleiche in der Kammer und

in der Platte absorbierte Energie, zeigt Abb. 126. Da auch Bouwers’ Messungen auf die in der Platte absorbierte Energie bezogen sind, so braucht man nur seine Be- stimmung von E/s mit derjenigen von s/J durch Berthold und Glocker zu multi- plizieren, um den Verbrauch an Röntgenenergie verschiedener Wellenlänge zur Er- zeugung gleicher Ionisation E/J zu erhalten. Der Vergleich dieses Ergebnisses mit dem- jenigen von Grebe und Kriegesmann ist von großem Interesse und wurde von Berthold und Glocker durchgeführt. Abb. 37 zeigt die Kurve von Grebe und Kriegesmann einerseits und andererseits das Ergebnis von Bouwers-Berthold- Glocker. Während nach diesen die für dieselbe Ionisation erforderliche Röntgen- energie unabhängig von der Wellenlänge ist, ändert sie sich nach Grebe und Krieges- mann im gleichen Wellenlängenbereich im Verhältnis 1:8. Dieser völlige Mangel an Übereinstimmung mit größter Sorgfalt durchgeführter Messungen ist bisher noch un- erklärlich. Er beweist, daß die Energiemessung der Röntgenstrahlen heute noch großen Schwierigkeiten begegnet, und daß dieses Problem noch nicht als gelöst gelten kann.

07 08

Neuntes Kapitel. Die Standarddosimetrie.

L Die Ursachen der Verwirrung in der heutigen Dosismessung.

Die Angaben verschiedener Dosimetergeräte, mögen sie auf der Ionisationswirkung der Röntgenstrahlen oder auf einer anderen Wirkung derselben beruhen, lassen sich heute im allgemeinen nicht miteinander vergleichen. Hierfür sind drei Ursachen ver- antwortlich:

262 H. Küstner

I. Verschiedenheit der Angaben verschiedener Geräte.

a) Fingerhutkammern. Wie die im VI. Kapitel besprochenen Untersuchungen von Friedrich und Glasser zeigen, können die Angaben einer Fingerhutkammer aus Aluminium und einer solchen aus Horn bei 0,16 A einander gleich sein, während die erstere bei 0,25 Ä 182%, und bei 0,43 Ä sogar 276%, der Ionisation der letzteren auf- weist (Abb. 20). DaB Kammergröße und Stiftlänge auch bei demselben Kammermaterial von großem Einfluß sind, zeigten Jaeger und Halberstäaedter (Abb. 28 und 29).

b) Große Kammern. Nach den Untersuchungen von Holthusen und von Berg, Schwerdtfeger und Thaller sind Gestalt und Material der Ionisationskammer von Einfluß auf die von verschieden harten Röntgenstrahlen hervorgerufene Ionisation (Tabelle 35 und 38).

c) Große Kammer und Fingerhutkammer. Unter diesen Umständen erscheinen die Ergebnisse von Grebe und Martius selbstverständlich, nach welchen die ‘Angaben einer großen und einer Fingerhutkammer einen erheblichen Gang mit der Wellenlänge der Röntgenstrahlen aufweisen (Tabelle 30).

d) Andere Dosimeterverfahren. Wenn schon die Angaben der einzelnen Ionisations- geräte untereinander so große Unterschiede zeigen, so kann es nicht wunder nehmen, daß zwischen dem lonisationsverfahren und ande-

ren Verfahren ebenfalls erhebliche Abweichun- Jenısatıon an Stanadraramerd gen vorhanden sind. Als Beispiel mögen hier seg r die Messungen des Verfassers dienen, der die 0 7 gi 03 43 auf der Leitfähigkeitsänderung des Selen be-

e Weltehiange 2ın A

Abb. 38. Relative Wellenlängenempfindlich- ruhenden Angaben des Fürstenau-Intensi-

Ilrstendau- Einneiten I

keit der Selenzelle, großer Ionisationskam- meters mit der Ionisation an einer großen mer und Fingerhutkammer aus Kohle nach Kammer und einer Fingerhutkammer, beide Küstner. aus Kohle, verglich (Abb. 38). Setzt man die

Angaben beider Geräte bei 0,12 A gleich 100 %, so zeigt das Fürstenau-Intensimeter bei 0,22 A etwa 200 %, bei 0,47 À etwa 70% der mit der Ionisationskammer gemessenen Intensität an.

II. Verschiedenheit der Einheit.

a) Verschiedene Werte derselben Einheit. Da das Ziel der Bestrahlung die biologi- sche Wirkung ist, so ist die von Seitz und Wintz eingeführte ‚Hauteinheitsdosis“ oder H.E.D. sehr verbreitet. Man erkennt sie an einer Rötung der bestrahlten Haut- oberfläche. Ein exakteres Verfahren, um den Grad dieser Rötung zu messen, etwa wie das von Hausser und Vahle oder der hierauf gegründete Rötungsmesser von Fricken- rath, haben sich leider noch keine weitere Verbreitung in der Praxis verschaffen können. Daher ist bisher der Willkür in der Beurteilung des Rötungsgrades ziemlich viel Spiel- raum gelassen. So fanden Grebe und Martius, die mit einem transportablen Ionisations- gerät die H.E.D.-Werte verschiedener Institute untereinander verglichen, Unterschiede zwischen 100 und 390%, d.h. fast das Verhältnis 1:4!

Neben diesem experimentellen Befunde können wir eine auf theoretischer Grundlage ermittelte Zusammenstellung Solomons setzen. Dieser rechnete die von verschiedenen Autoren gewählten und der Ionisationsmessung zugrunde gelegten Einheiten auf gemein- sames energetisches Einheitsmaß um. Dadurch wird es möglich, die Angaben der ver-

Die Ursachen der Verwirrung ın der heutigen Dosismessung 263

schiedenen Autoren, wieviel ihrer Einheiten zur Erreichung der H.E.D.-Dosis erforder- lich sind, miteinander zu vergleichen. Hierfür ergeben sich mit Hilfe der Einheit von

Szillard 240000 erg Friedrich 21500 Duane 215000 ,, Dauvillier 30000 Solomon 250000 ,,

Die Angaben unterscheiden sich also teilweise um mehr als das Zehnfache!

Diese ungeheuerlichen Unterschiede sind sicher nur zu einem Teil auf die Unsicher- heit bei der H.E.D.-Bestimmung zurückzuführen. Zum anderen Teil sind sie in Fehler- quellen begründet, welche in der Ionisationsmessung selbst zu suchen sind. So ist es höchst wahrscheinlich, daß manche der obigen Autoren in Wirklichkeit gar nicht die von den Röntenstrahlen erzeugte, ihrer Definition entsprechende Elektrizitätsmenge maßen, sondern eine durch Wandwirkungsbeitrag oder Wirkungsausfall stark veränderte.

b) Beziehung verschiedener Einheiten zueinander. Da ein systematischer, experi- menteller Vergleich der nach verschiedenen Einheiten arbeitenden verschiedenen Dosimeterverfahren noch nicht stattgefunden hat, so versteht im allgemeinen ein Dosi- meterverfahren die Sprache des anderen nicht und die Angaben derselben lassen sich nicht auf einander beziehen.

III. Ungenauigkeit im Handel befindlicher Dosimetergeräte.

Es befinden sich heute noch zahlreiche Dosimeter im Handel, deren Genauigkeit den Anforderungen, die man an ein Dosimetergerät zu stellen hat, in keiner Weise ge- nügen. Als typisches Beispiel hierfür diene das Kienböck-Quantimeter. Schon Krönig und Friedrich fanden, daß erst bei Dosisunterschieden von 50% eine Schwärzungs- differenz der Kienböck-Streifen festgestellt werden konnte, und daß gleich belichtete Streifen Schwärzungsdifferenzen zeigten, die Dosisunterschieden von mehr als 50% ent- sprachen. Bei einer erneuten Nachprüfung des Verfassers fand sich sogar ein Dosis- fehler von 267%. (Vergl. XX. Kapitel 2.) Trotz dieser Veröffentlichungen in der Fach- literatur wird das Kienböck- Quantimeter auch heute noch ohne Bedenken ruhig weiter in den Handel gebracht und ärztlicherseits verwendet.

2. Das Prinzip der Standarddosimetrie.

Dieses Durcheinander veranlaßte den Verfasser, der Deutschen Röntgen-Gesell- schaft auf dem Kongreß 1923 den Vorschlag zu unterbreiten, die Vereinheitlichung der Dosismessung zu organisieren. Es ist durchaus zu erwarten, daß die Durchführung dieses Planes einerseits einen Rückgang der Verbrennungen, anderseits eine Steigerung der Heilerfolge mit sich bringt.

Schon im Jahre 1920 hatte Dietlen den Vorschlag gemacht, Röntgenmaschinen vor ihrer Inbetriebnahme an Ort und Stelle durch eine Kommission mit Hilfe trans- portabler Geräte eichen zu lassen, die an ein Standardgerät angeschlossen sein sollten. Als Einheit sollte die im Friedrichschen e gemessene H FD dienen. Hierdurch sollte der Röntgenarzt von der Verantwortung für die eigene Dosismessung bis zu einem ge- wissen Grade entlastet werden. Dieses Vorgehen setzt aber voraus, daß die Apparatur innerhalb der bei der Eichung berücksichtigten Betriebsbedingungen zeitlich reprodu- zierbare Röntgenstrahlung liefert. Wie wir im XI. Kapitel sehen werden, liegt hierin freilich eine große Gefahr.

Aus diesem Grunde bewegte sich der Vorschlag des Verfassers in etwas anderer Richtung. Er hat allerdings jene Forderung zur Voraussetzung, die wir schon an die

264 H. Küstner

Spitze unserer Betrachtungen setzten, daß jeder, der Röntgentherapie betreibt, unbe- dingt über ein Dosimeter verfügen und mit seiner Handhabung so vertraut sein muß, daß er einwandfreie Messungen auszuführen vermag. Damit ist das ganze Problem auf die Aufgabe zurückgeführt, das im täglichen Gebrauch befindliche Dosimetergerät nach einer allgemein eingeführten Einheit zu eichen und es auf seine Zuverlässigkeit zu prüfen. Um dies durchführen zu können, wurde in Übereinstimmung mit Dietlen der Bau eines Standarddosimetergeräts gefordert, dessen Empfindlichkeit unbedingt keinen zeit- lichen Schwankungen unterworfen ist.

Dieses soll, unverrückbar fest an einem Orte aufbewahrt, der Eichung aller im Gebrauch befindlichen Dosimetergeräte dienen, ebenso wie man in Paris das Normal- meter aufbewahrt, nach dem die Metermaßstäbe der Kulturstaaten geeicht sind. Nach dem festen Standdarddosimetergerät sollen transportable Geräte geeicht werden, die man an die verschiedenen Institute bringt, um die dort gebrauchten Dosimeter zu eichen und sie so an das Standardgerät anzuschließen. Nach erfolgter Eichung können die transportablen Geräte daselbst verbleiben oder zum Standardgerät zurückgebracht werden. Die Wahl der Standardeinheit selbst wurde, als für die Praxis belanglos, zu- nächst offen gelassen.

Auf diesem Wege begegnet man wirkungsvoll den obengenannten Mängeln unserer Dosimetergeräte:

I. Alle durch die Eichung an das Standardgerät angeschlossenen Gebrauchsgeräte sind auch ganz von selbst untereinander geeicht: jedes versteht die Sprache des anderen. Der Arzt ist nunmehr in der Lage, die von einem Kollegen begonnene Behandlung fort- zusetzen; er vermag seine Ergebnisse anderen mitzuteilen und die Erfolge anderer für sich nutzbar zu machen.

II. Durch die fachkundige Eichung der an verschiedenen Instituten gebrauchten Dosimetergeräte läßt sich darüber entscheiden, ob jedes einzelne derselben den unbedingt nötigen Forderungen an Melßgenauigkeit und zeitliche Konstanz der Empfindlichkeit genügt.

Die Deutsche Röntgen-Gesellschaft hat einen Ausschuß gegründet, der sich die Verwirklichung dieses Planes zur Aufgabe machte und den Verfasser mit der experimen- tellen Durchführung betraute.

3. Die Forderungen der Praxis und Forschung an die Standarddosimetrie.

Wir müssen zwei Aufgaben der Standarddosimetrie unterscheiden: die für den Praktiker und die für den Forscher.

I. Der Praktiker will die Röntgenstrahlen als Medikament benutzen. Ihm kommt es darauf an, eine bestimmte Dosis, die auf Grund gewonnener Erfahrung bei einer bestimmten Krankheit heilend wirkt, dem Patienten zuzuführen. Für ihn heißt dosieren: ein Strahlengemisch bestimmter Zusammensetzung und Intensität während einer bestimmten Zeit einem bestimmten Krankheitsherde zuführen. Der Praktiker stellt der Dosimetrie also die Aufgabe, zu reproduzieren.

Für den Praktiker ist daher die Wahl der Einheit völlig belanglos. Er ist mit jeder Einheit zufrieden, wenn sie nur allgemein eingeführt wird, so daß er auch die Dosen anderer Praktiker bei sich und die eigenen zeitlich nacheinander reproduzieren kann.

II. Der Forscher will feststellen, in welcher Weise sich das Walten der Natur vollzieht zwischen Einstrahlung von Röntgenenergie einerseits und zwi- schen biologischer, physikalischer und chemischer Wirkung anderseits. Kennt er die Vorgänge im einzelnen, so will er sie mit anderen wissenschaftlichen Erfahrungen ver- knüpfen und so neue Wege weisen zu neuen Erfolgen. Aber alle diese Wirkungen be-

Das Prinzip der Standarddosismessung. Die Einheiten 265

ruhen allein auf der Umwandlung der Röntgenenergie in andere Energieformen. Der Forscher stellt der Dosimetrie also außer der Aufgabe, zu reproduzieren, noch die, die Energie der Röntgenstrahlen zu messen.

Nach I müssen Einheiten gewählt werden für die Zeit, für die Intensität der Röntgen- strahlen und für die Härte des Strahlengemisches. Wir wollen uns nun mit der Wahl derselben im einzelnen befassen.

4. Die Zeiteinheit.

Die Zeit läßt sich mit völlig hinreichender Genauigkeit nach der international fest- gelegten Einheit von 1 Minute = 60 Sekunden messen.

5. Die Intensitäts- und Dosiseinheit.

Bei der oben erwähnten Schwierigkeit, eine biologische Einheit scharf festzulegen, und ebenso nach den grundlegenden Untersuchungen von Krönig und Friedrich konnte kein Zweifel bestehen, daß eine physikalische Einheit für die Intensität zu wählen sei. Zu der Zeit, als der Verfasser die Standarddosismessung vorschlug, war weder die Messung der reinen Luftionisation noch die Energiemessung der Röntgen- strahlen so weit gefördert wie heute. Es war daher das Gegebene, die Unterstützung der Forschung hintanzusetzen und zunächst den Bedürfnissen des Praktikers gerecht zu werden. Der Verfasser schlug aus diesem Grunde vor, die Empfindlichkeit des Standardgerätes selbst als Einheit zu wählen. Dieser Vorschlag bietet eine Reihe von Vorteilen:

I. Alle Konstruktionsprinzipien für den Bau des Standardgerätes können sich der Aufgabe höchster Genauigkeit und Empfindlichkeit sowie zeitlicher Konstanz der Empfindlichkeit unterordnen und brauchen durch keine Rücksichten auf Nebenun:- stände, wie Ausnutzung reiner Luftionisation, beschränkt zu werden.

II. Die einzelnen Institute können auch nach ihrem Anschluß an das Standard- gerät die bei ihnen gebräuchliche Einheit (z. B. starke oder schwache Erythemdosis) beibehalten, wenn sie nur ihre Angaben in Standardeinheiten machen.

III. Die Eichung nach energetischer Einheit bleibt unter allen Umständen das Ziel der Röntgendosismessung. Aber die experimentelle Durchführung der Energie- messung der Röntgenstrahlen kann an anderer Stelle erfolgen. Sie wird bewußt von der medizinisch-praktischen Standarddosismessung abgetrennt als ein Problem, das im Laboratorium zu bearbeiten ist. Hierdurch wird das Standardgerät für die Eichung nach energetischer Einheit gleichsam freigehalten. Sobald die Energiemessung der Röntgenstrahlen verschiedener Wellenlänge mit hinreichender Genauigkeit und Zu- verlässigkeit durchgeführt ıst, kann das Standardgerät ebenfalls nach energetischer Ein- heit geeicht werden.

IV. Hierbei werden, ohne Vornahme weiterer Messungen, alle Dosimetergeräte, die bereits an das Standardgerät angeschlossen sind, ebenfalls nach energetischer Einheit geeicht, wozu es nur einer Bekanntmachung der Eichkurve bedarf.

Nach unserer Definition im V. Kapitel verstehen wir unter ‚Intensität‘ J der Röntgenstrahlen diejenige Energie E, die in der Zeit t durch die zur Strahlrichtung senkrechte Fläche F geht. Es ist also

J (76)

Ft‘ Setzen wir F = l qcm, t=1sek., so wird J = E, d.h. die Intensität einer Röntgen- strahlung ist gleich der Energie, welche in der Sekunde durch die zur Strahlrichtung senkrechte Fläche von 1l qem tritt.

266 H. Küstner

Intensität und Energie sind also durch eine sehr einfache Beziehung miteinander verbunden. Wir können daher auch die Intensitäten zweier Röntgenstrahlbündel ver- schiedener Wellenlänge nur dann miteinander vergleichen, wenn wir ihre Energie messen können. Es scheint am Platze, dies ausdrücklich zu betonen, da man den Begriff . Toten. sität‘‘ vielfach gebraucht, anscheinend ohne sich dieses Umstandes recht bewußt zu sein. Insbesondere können die von Röntgenstrahlen verschiedener Wellenlänge hervorgerufenen Ionisationen auch bei Verwendung einer Holthusenschen oder einer Druckluftkammer niemals ein absolutes, sondern nur ein relatives Intensitätsmaß liefern, da nach Tabelle 42 Röntgenstrahlen verschiedener Wellenlänge, aber gleicher Energie, verschiedene Ionisationsfähigkeit besitzen.

Auf Grund der durchaus richtigen Anschauung, daß nur derjenige Anteil der Röntgenenergie, der im Körper absorbiert wird, in diesem eine Wirkung hervorbringen kann, definierte Christen die Dosis folgendermaßen:

Abb. 39. Ionisationskammer nach Krönig und Friedrich.

„Die physikalische Dosis ist gleich derjenigen Röntgenenergie, welche in einem Körperelement absorbiert wird, dividiert durch das Volumen dieses Körpers.“ T Nach Christen ist also die Dosis D

Ea {~ l D = y?’ wobei V das Volumen des Körpers ist, welches die Energie E, absorbiert. Die Ein- führung des Christenschen Dosisbegriffes hat also die Möglichkeit, die Energie der Röntgenstrahlen zu messen, zur Voraussetzung.

Die Unlösbarkeit dieser Aufgabe veranlaßte 1910 Szillard, den Dosisbegriff Christens zu verlassen, um statt von der absorbierten Energie von der durch die Röntgenstrahlen hervorgerufenen Luftionisation auszugehen. Hierauf fußen die grund- legenden Untersuchungen von Krönig und Friedrich. Diese bedienten sich einer Ionisationskammer, die im Schnitt in Abb. 39 wiedergegeben ist. Das Prinzip der Kammer, die Ionisation in einem meßbaren Luftvolumen zu bestimmen, war folgendes: Das Strahlenbündel tritt, durch zwei Blenden D, und D begrenzt, in die Ionisations- kammer ein. Der Querschnitt der in der Ionisationskammer von den Strahlen durch- setzten Luftsäule ist durch den Flächeninhalt des kleineren Blendenloches D gegeben. Die Elektroden der Ionisationskanımer sind parallel der Strahlenrichtung so ange- bracht, daß sie nicht von Strahlen getroffen werden. Die Längenbegrenzung der durch-

(77)

Die Intensitätseinheit und die Dosiseinheit. „R“ 267

setzten Luftsäule, die zur Messung der Ionisation dienen soll, wird dadurch erreicht, daß vor und hinter der zur Messung dienenden Elektrode P, je eine Hilfselektrode P, angebracht ist, die P, gegenüber auf die gleiche Spannung gebracht wird wie P,. Die Elektroden bestehen aus Aluminiumblech und haben einen Abstand von 2cm. Krönig und Friedrich definierten die Dosis wie folgt:

„Einheit der Dosis ist diejenige Strahlenmenge, die in 1 ccm Luft durch die Ionisation eine Elektrizitätsmenge von 1 elektrostatischen Einheit bei Sättigungsstrom transpor- tiert, wobei unter elektrostatischer Einheit diejenige Elektrizitätsmenge verstanden wird, die einen Leiter von" der Kapazität 1 (1 cm) auf die Einheit des Potentials (300 Volt) auflädt. Sie wird nach Kohlrausch mit einem kleinen deutschen e bezeichnet.“

Heute wissen wir, daß dies keine hinlängliche Definition ist, da sich die ionisieren- den Vorgänge im wesentlichen in der Umgebung dieses durchstrahlten Kubikzentimeters abspielen. Die Ionisation wird also von der Umgebung, der Kammergröße und dem Kammermaterial beeinflußt. Die Definition wäre eine vollständige, wenn Krönig und Friedrich gesagt hätten: „Einheit der Dosis ist diejenige Strahlenmenge, die bei der von uns benutzten wohldefinierten Kammer in Leem Luft. .usf.‘“ Wollte man obige Definition dahin abändern, so würde die Schwierigkeit entstehen, daß neben jene bereits in der Literatur verbreitete Definition eine zweite für e gestellt würde, was zu Ver- wechslungen Anlaß geben würde.

Inzwischen ist dank der Arbeiten von Becker, Holthusen, Berg, Schwerdt- feger, Thaller und Behnken die Messung der reinen Luftionisation so ausgebaut worden, daß sich, bei hinreichender Vorsicht, z. B. bei Messung mit einer Druckluft- kammer, alle Fehlerquellen ausschalten lassen. Der Standardausschuß der Deutschen Röntgen-Gesellschaft hat deshalb vorgeschlagen, folgende Einheit für die Dosismessung zu wählen:

„Die absolute Einheit der Röntgenstrahlendosis wird von derjenigen Röntgen- strahlenenergiemenge geliefert, die bei der Bestrahlung von 1 cem Luft von 18° C Tem- peratur und 760 mm Quecksilber Druck bei voller Ausnutzung der in der Luft gebil- deten Elektronen und bei Ausschaltung von Wandwirkungen eine so starke Leitfähig- keit erzeugt, daß die bei Sättigungsstrom gemessene Elektrizitätsmenge eine elektro- statische Einheit beträgt. Die Einheit der Dosis wird ‚1 Röntgen‘ genannt und mit ‚R‘ bezeichnet.“

Die Deutsche Röntgen-Gesellschaft hat auf dem Kongreß 1924 dementsprechend den Beschluß gefaßt:

„Auf diese Einheit soll in allen Publikationen Bezug genommen werden. Alle In- stitute werden aufgefordert, sich nach dieser Einheit in ihren Arbeiten und Veröffent- lichungen zu richten.“

Durch diesen Entschluß hat man sich dafür entschieden, die Einheit auf die gleich- sam in Reinkultur gezüchtete Ionisationswirkung der Röntgenstrahlen an Luft auf- zubauen.

Um allen Mißverständnissen vorzubeugen, sei nochmals ausdrücklich betont, daß Röntgenstrahlen verschiedener Wellenlänge, die dieselbe absolute Einheit der Röntgen- strahlendosis `. RI" liefern, verschiedene Energie besitzen; denn wie Tabelle 42 lehrt, haben Röntgenstrahlen verschiedener Wellenlänge, aber gleicher Energie verschiedene ionisierende Wirkung; also müssen sie auch bei gleicher ionisierender Wirkung ver- schiedene Energie besitzen. Die Christensche physikalische Dosis, welche sich auf die im Körper absorbierte Energie bezieht, ist damit endgültig verlassen.

Die Einheit ‚„R‘, für deren allgemeine Einführung wir uns entschieden haben, gründet sich auf die Ionisationswirkung der Röntgenstrahlen, nicht auf deren Energie.

268 H. Küstner

Wir kommen demnach, entsprechend dem unter 3 I Gesagten, allein dem Bedürfnis des Praktikers entgegen, dessen Wunsch es ist, zu reproduzieren. Da hierfür aber die Wahl der Einheit völlig belanglos ist, wird seinen Bedürfnissen vollauf Genüge getan.

Um in einem Krankheitsherde eine bestimmte Wirkung zu erzielen, wird es nötig sein, diesem eine bestimmte Anzahl Hr" zuzuführen. Diese Zahl können wir, in An- lehnung an einen Vorschlag Christens, als den Sensibilitätskoeffizienten bezeichnen. Dieser wird verschieden sein höchstwahrscheinlich je nach der Härte der Strahlen und sicher je nach der Art des biologischen Objektes. Vielleicht treten auch noch andere Faktoren ins Spiel. Ihn zu ermitteln, bedarf es der tätigen Mitarbeit aller, die Röntgen- therapie treiben. Nur auf der Grundlage der Standarddosismessung können alle Kräfte hierzu nutzbar gemacht werden.

Für den Forscher ist jene Frage von besonderem Interesse, die wir schon im VIII. Kapitel aufgeworfen haben: ‚Besitzt harte oder weiche Röntgenstrahlung bei einem bestimmten Objekt größere biologische Wirkung, wenn in beiden Fällen dieselbe Röntgenenergie absorbiert wurde ?“ Es ist heute ein heftiger Streit darüber entbrannt, ob hier ein Einfluß der Wellenlänge zu erwarten sei. Die Entscheidung vermag allein das Experiment zu erbringen.

Trotzdem sei ausdrücklich betont, daß es verfrüht wäre, wollte man die zu mes- senden Sensibilitätskoeffizienten auf die heute vorliegende Energiemessung der Röntgen- strahlen und nicht auf „R“ gründen. Denn die Ergebnisse der Energiemessung sind, wie wir im VIII. Kapitel sahen, noch sehr widerspruchsvoll und unsicher. Dem- gegenüber stellt die Ionisationsmessung von ,R“ eine wohldurchgearbeitete Meßmethode dar, von der, auch bei weiterer Verbesserung, keine so großen Änderungen zu erwarten sind wie von der Energiemessung. Daß es trotzdem möglich ist, die Dosimeter außer in „R“ nach widerspruchsfrei geglückter Energiemessung durch Vergleich auch als Energiemesser zu eichen und, unbeschadet der im Gebrauch befindlichen ‚„R‘-Einheit, die Fortschritte der Energiemessung auf die geeichten Dosimeter ohne Vornahme neuer Eichungen zu übertragen, ist ein besonderer Vorzug unseres Systems der Standard- dosismessung.

Wir können aber schon heute eine Konsequenz an diese Überlegung knüpfen. Sollte sich ergeben, daß die biologische Wirkung nur von der Art des Einzelobjekts und von der Größe der absorbierten Röntgenenergie, nicht aber von der Wellenlänge der Röntgen- strahlen abhängt, so wären solche Sensibilitätskoeffizienten, die man auf die Einheit der absorbierten Energie bezieht, allein von Objekt zu Objekt verschieden. Das wäre allerdings ein außerordentlicher Vorteil gegenüber unseren oben eingeführten Sen- sibilitätskoeffizienten, die sich an RB", also an die Ionisation der Röntgenstrahlen, an- lehnen, und die deshalb nicht allein von Objekt zu Objekt, sondern außerdem auch von Wellenlänge zu Wellenlänge verschieden sein müssen. Die Zahl der verschiedenen Sensibilitätskoeffizienten würde sich dann auf rund ein Zehntel reduzieren. Der Vorteil dieser Vereinfachung wäre so groß, daß die auf Ionisationswirkung beruhende Ein- heit „R“ von der energetischen verdrängt werden dürfte.

6. Die Härtebestimmung.

In letzter Zeit hat sich der Spektralapparat zur Messung der Strahlenqualität mehr und mehr Eingang in die Medizin verschafft. Wenn ihm auch heute eine große Be- deutung für Versuche im Laboratorium zuzusprechen ist, so erweist er sich doch für die Strahlungen der Tiefentherapie in seiner heutigen technischen Durchführung, beson- ders bei Verwendung der photographischen oder einer subjektiven Methode zur Be- stimmung der Qualität eines Strahlengemisches, für die Praxis als zu ungenau. wie

Die Härtebestimmung. Die Aufgaben der Standarddosismessung 269

eingehende Untersuchungen des Verfassers gezeigt haben. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle näher hierauf einzugehen. Es kann daher nur soviel gesagt werden, daß der Spektralapparat zur Härtebestimmung für die Tiefentherapie in der medizini- schen Praxis vorläufig nicht in Frage kommt.

Demgegenüber läßt sich ein Strahlengemisch bequem und für die Praxis hinreichend scharf bestimmen durch

Angabe des Antikathodenmetalls,

Angabe der Spannungsform,

Angabe der Filterung und

Messung der Halbwertschicht des Reststrahlengemisches mit bestimmtem Gerät.

Wir werden im XVIII. Kapitel auf diese Fragen eingehender zurückkommen.

7. Die Aufgaben der Standarddosimetrie.

Zwei Aufgaben wurden bereits an die Spitze unserer Ausführungen gestellt:

I. Eichung anderer Dosimeter nach RI" und, nach widerspruchsfreier Durch- führung der Energiemessung, als Energiemeßinstrumente.

II. Prüfung ihrer Meßgenauigkeit und zeitlichen Konstanz der Empfindlichkeit.

Hierzu kommen die weiteren Aufgaben, die sich aus unseren Betrachtungen er- geben:

III. Die Messung reiner Luftionisation muß noch mit homogeneren und härteren Strahlengemischen angestrebt werden. Auch fordert die Wichtigkeit der Energie- messung, daß sie von verschiedenen Seiten, womöglich nach ganz verschiedenen Me- thoden, durchgeführt werde. So fällt der Standarddosismessung die weitere Aufgabe zu, die voneinander heute noch stark abweichenden Ergebnisse zueinander in Be- ziehung zu setzen, etwa ebeuso, wie die fortschreitende Verbesserung der Atom- gewichtszahlen jährlich bekanntgegeben wird.

IV. In möglichst enger Zusammenarbeit mit anderen klinischen Instituten müssen die Beziehungen zwischen RI" und der biologischen Wirkung für verschiedene Objekte und für verschieden harte Strahlen hergestellt werden (Sensibilitätskoeffizienten).

8. Die Konstruktion des Standardgerätes.

Es wurden vom Verfasser zwei Modelle des Standardgerätes gebaut. Diese sind ein- ander fast gleich und besitzen bis auf geringe, noch erforderliche Verbesserungen bereits

Tabelle 43. Maße der Ionisationskammern bei den Standardgeräten 1 und 2.

Alle Längen in cm Standardgerät 1

Standardgerät 2

Länge des Koblezylinders K . . .. 2... 2.2.0. Länge desselben mit Verschlüssen V. . . .....

Lichte Länge des Kohlezylinders K (zwischen V). . 25,9 29,0 Innerer Durchmesser des Kohlezvlinders K. . . . . 6,4 6,4 Äußerer Durchmesser des Kohlezylinders K g 7,4 7,4 Dicke der Verschlüsse V . . 2: 2 2 2 2 2 2 2 0. 1,0 1,0 und 1,5 Lochdurchmesser an den Verschlüssen V. . .... 3,0 3,0 Abstand der inneren Kohlemembranen M ..... 27,8 31,5 Abstand der äußeren Kohlemembranen . . . . .. 33,7 35,2 Länge der Stabelektrode A. . . 2. 22 2 220. 19,3 23,3 Durchmesser der Stabelektrode A. . . 2. 2. 2 2.. 0,5 0,5

Abstand der Stabelektrode A von der inneren Zvlinder- Wand aa E re ée ee A

270 H. Küstner

die endgültige Form. Für ihre Durchführung waren folgende vier Gesichtspunkte maß- gebend:

I. Die Methode darf in ihrer Empfindlichkeit keinen unkontrollierbaren Schwan- kungen unterworfen sein (Konstanz der Empfindlichkeit).

DEZ E- i TE ee CH

H sie D PAF d E, Ëer A Ka a E

Sättigungs- Spannung

d

Raum für Batterie zur Ladung der Schneiden. (in derMitte zu erden)

eb ge A E E A S E EE H 2 4 6 8 10 12 #4 cm

ES ua: kohe WE 52;

j Bernstein [L__]Messing Abb. 40. Standardgerät nach Küstner.

II. Die Methode muß die empfindlichste von allen sein. III. Die Methode muß die genaueste von allen sein. IV. Die Messung und Eichung muß sich jederzeit schnell und bequem durchführen lassen. Die Forderung I hatten wir an die Spitze unserer Ausführungen über das Prinzip der Standarddosimetrie gestellt. Die Forderungen II und III sind deshalb selbst-

Die Konstruktion des Standardgeräts 271

verständlich, weil man von zwei Geräten immer mit Hilfe des empfindlicheren und ge- naueren das unempfindlichere und ungenauere eichen wird. Empfindlichkeit und Ge- nauigkeit bilden den Maßstab für die Leistungsfähigkeit eines Meßgerätes. Als Standard- gerät wird daher nur ein solches dienen können, von dem nicht anzunehmen ist, daß es in absehbarer Zeit in einem dieser zwei Punkte von einem anderen Gerät überholt werden wird. Die Forderung IV ist eine Betriebskostenfrage.

Das Standardgerät ist im Durchschnitt in Abb. 40 dargestellt. Die Maße der Ionisationskammern sind in Tabelle 43 mitgeteilt. Die Kammern sind mit Luft gefüllt. Um Auslösung von Elektronen durch Streustrahlung an den Kammerwänden nach Möglichkeit zu unterdrücken, besteht jede lonisationskammer aus einem Kohle- zylinder K. Die Innenelektrode bildet einen Kohlestab A, der exzentrisch achsenparallel angeordnet ist, so daß ihn das schmale, die Kammer axial durchsetzende Röntgenstrahl- bündel nicht treffen kann. Dieses tritt ein und aus durch dünne Kohlemembranen M, deren Absorptionsvermögen für die in der Therapie gebräuchlichen Strahlengemische sehr klein ist. Die Kammer K wird durch eine Hochspannungsbatterie von etwa 160 Volt auf Sättigung geladen. Die ganze Anordnung ist von einem geerdeten, dicken Blei- schutz umgeben, der elektrostatische Störungen und Dunkeleffekt, d. h. einen Ausschlag des Elektrometers bei Abblendung des Röntgenstrahlbündels unmittelbar vor der Kammer, ausschließt. Die Filter befinden sich in großem Abstande von der Ionisations- kammer, so daß nur ein verschwindend kleiner Bruchteil der von ihnen ausgehenden Streustrahlung in die Kammer fallen kann.

Als Elektrometer dient das Einfadenelektrometer mit Schneiden veränderlichen Ab- standes nach Lutz und Quarzfadenaufhängung veränderlich einstellbarer Spannung nach Wulff, welches den höchsten an ein Elektrometer zu stellenden Anforderungen genügt.

Die Kapazität der Anordnung läßt sich von Zeit zu Zeit, die Voltempfindlichkeit jederzeit, auch während der Messung, bequem und schnell kontrollieren.

Die Konstanz der Empfindlichkeit des Standardgerätes wurde bereits mit Hilfe des Radiums erwiesen, das bekanntlich eine sehr durchdringende Röntgenstrahlung, die y-Strahlung, aussendet, die erst nach etwa 2000 Jahren auf die Hälfte ihrer Intensität sinkt. Diese praktisch konstante Strahlenquelle lieferte stets den gleichen Ausschlag, ein Beweis für die Konstanz der Empfindlichkeit des Standardgerätes.

Die Eichung des Standardgerätes nach ‚‚R“ erfolgt durch Vergleich mit einer Druck- luftkammer von Siemens & Halske. Eine solche wurde dem Göttinger Laboratorium für medizinische Physik, in dem sich die Standardgeräte befinden, und welches die Eichungen ausführt, in sehr dankenswerter Weise von der Firma Siemens & Halske zur Verfügung gestellt.

Zehntes Kapitel. Die Strahlung unserer Röntgenröhren.

Die Strahlung, die von unseren Röntgenröhren ausgeht, ist nicht homogen; sie besteht vielmehr aus einem Strahlengemisch, dessen Homogenitätsgrad zwar durch die Art der Filterung mehr oder minder verändert werden kann, das sich aber niemals vollkommen homogen machen läßt.

Wie wir gesehen haben, ist die Empfindlichkeit der einzelnen Dosimetergeräte auf Röntgenstrahlen verschiedener Härte schon im Rahmen des Ionisationsverfahrens sehr verschieden. Die Härte des Röntgenstrahlgemisches ist also für die Dosismessung von Wichtigkeit. Ferner ist, worauf wir im XIX. Kapitel näher eingehen wollen, die Ver-

272 H. Küstner

teilung der Strahlung in der Körpertiefe bei harten und weichen Strahlen infolge ver- schiedener Absorptions- und Streuungsverhältnisse derselben sehr verschieden. Die Qualität eines Strahlengemisches ist also auch für die Tiefendosierung von großer Be- deutung.

Beim Betriebe einer Röntgenmaschine und einer Röntgenröhre spielt eine große Anzahl von Faktoren eine wichtige Rolle. Unter diesen Faktoren sind solche, die für die Qualität und Quantität der Strahlung ausschlaggebend sind; andere wieder sind ohne jede Bedeutung. Aber gerade unter den letzteren sind solche, denen eine Zeitlang irrttümlicherweise in der Literatur ein Einfluß zugeschrieben wurde.

So ist es von außerordentlicher Wichtigkeit, daß sich der Arzt darüber klar ist, welchen Faktoren ein Einfluß zukommt und welchen nicht; nur den ersten muß er seine Aufmerksamkeit zuwenden. Denn in der Praxis wird es nicht immer möglich sein, die Betriebsbedingungen genau konstant zu halten.

Aus diesem Grunde wollen wir uns mit den Gesetzen der vom Röntgenrohr aus- gehenden Strahlungen beschäftigen.

Röntgenstrahlen sind kurzwellige Lichtstrahlen. Im Bereiche sichtbaren Lichtes sind uns zwei Arten von Spektren geläufig: die Linienspektren, die für die Elemente, die sie emittieren, charakteristisch sind wir erinnern uns hier an die bekannten gelben D-Linien des Natriums und das Regenbogenspektrum. Beide Arten von Spektren finden sich auch im Röntgengebiet: die charakteristische Strahlung der Antikathode und das kontinuierliche Röntgenspektrum.

I. Die charakteristische Strahlung der Antikathode.

Die Vorgänge beim Zustandekommen der Linien des charakteristischen Röntgen- spektrums haben wir eingehend im V. Kapitel behandelt. Dort wurden auch in den Tabellen 22—24 die Wellenlängen der Linien der verschiedenen Serien in Ä und in Abb. 15 eine Anzahl von Moseley aufgenommener Spektra der K-Serie verschiedener Antikathodenmetalle mitgeteilt.

l. Die charakteristische Strahlung technischer Röntgenröhren.

Die Antikathoden unserer technischen Röntgenröhren bestehen wohl ausnahmslos aus schweratomigen Elementen, wie Tantal, Wolfranı oder Platin. Die kurzwelligste Linie der L-Serie, die von diesen Elementen dank einer nennenswerten Intensität noch in Frage kommen könnte, wäre die L,-Linie von Platin. Aber auch sie ist noch langwelliger als 1 Á; ihr Anteil am Gesamtspektrum ist daher bei ungefilterter Strahlung allein schon infolge des Durchganges durch die Glaswand der Röntgenröhre ver- schwindend klein und bei Verwendung von !/,—-lmm Kupferfilter überhaupt nicht mehr nachweisbar. Es Abb. 41. Röntgenspektra von spielen daher allein die Linien der K-Serie bei der Ge- Zune et Platinantikathoden samtintensität der Strahlung eine Rolle.

EE In Abb. 41 ist die Aufnahme eines Tantal- und eines Platinspektrums auf dieselbe Platte durch Seemann

zur Wiedergabe gebracht. Die Skala zeigt die Wellenlängen in Ä. Der Zahl 0 würde unendlich harte Strahlung entsprechen, die es in Wirklichkeit nicht gibt. (Die photo- graphische Marke bei etwa 0,008 A ist willkürlich.) Die Linien des Platin treten in erster Ordnung bei etwa 0,16 und 0,185 Ä auf. Es ist nun eine Eigentümlichkeit aller

m

Die charakteristische Strahlung technischer Röntgenröhren 273

Spektralapparate, jede vorhandene Wellenlänge noch einmal in zweiter Ordnung wieder- zugeben, wo sie in Wirklichkeit gar nicht existiert, nämlich an der Stelle, die ihrer doppelten Wellenlänge entspricht. In zweiter Ordnung ist aber das ‚Auflösungsvermögen“ des Spektralapparates doppelt so groß; und so zeigt es sich, daß jede der beiden dicken Linien in erster Ordnung in Wirklichkeit aus zwei Linien besteht, die in erster Ordnung noch nicht aufgelöst sind: in zweiter Ordnung trennt man deutlich die y-, ß-, æ- und «'-Linie der K-Serie (vgl. Tabelle 22).

Da Tantal und Platin im periodischen System um fünf Stellen auseinanderliegen, unterscheiden sich die Wellenlängen entsprechender Linien deutlich erkennbar um etwa 0,025 A. Wolfram unterscheidet sich im periodischen System um eine Stelle vom Tantal; seine Linien liegen denen des Platins daher etwa um !/, näher als die des Tantal.

2. Die Intensität der Spektrallinien in Abhängigkeit von der Spannung.

Wie wir im V. Kapitel sahen, ist zur Erzeugung charakteristischer Strahlung eine Mindestspannung nötig. Sie ist durch die Gleichung

Aat Va =123 (78)

bestimmt, in der A, die Absorptionsbandkante bedeutet. Die K-Serie besitzt nur eine solche Absorptionsbandkante. Steigert man die Röhrenspannung V, so setzt bei Überschreiten der der Absorptionsband- kante A, entsprechenden Spannung V, die Emission aller Spektrallinien der K-Serie gleichzeitig ein, und je mehr man die Span- nung steigert, desto größer wird die Inten- sität derselben. Kettmann hat die Ab- hängigkeit ihrer Intensität J von der Span- nung V untersucht. Er fand

d

J = Konst. : (V? V 42). (79) o ,

Indessen nimmt diese Erhöhung der In- Abb. 42. Abhängigkeit der Intensität der tensität nicht unbegrenzt mit der Steigerung Chrom-K.-Linie von der Röhrenspannung der Spannung über die Mindestspannung zu: il ANI

P g u p g zu: vielmehr erreicht die Intensität der charak- teristischen Strahlung bei einem Mehrfachen der Mindestspannung einen Grenzwert. Die Ursache ist darin zu suchen, daß die Elektronen, die um so schneller auf die Anti- kathode auftreffen, je höher die Röhrenspannung ist, auch um so tiefer in die Antikathode eindringen. Der Entstehungsherd rückt daher mit der Steigerung der Spannung immer tiefer unter die Antikathodenoberfläche und die Absorption der charakteristischen Strahlung in der Antikathode nimmt zu. Abb. 42 zeigt eine Messung von Kettmann für die K,-Linie des Chrom.

Nach Tabelle 17 mißt die Absorptionsbandkante von Wolfram 0,178 Á, die für Pla- tin 0,158 A Nach Gleichung (78) sind die entsprechenden Anregungsspannungen für die K-Serie 69 bzw. 78kV. Die höchsten heute in der Therapie gebräuchlichen Spannungen betragen etwa 200 kV. Bei diesen wird die Intensität der charakteristischen Strahlung noch nicht ihren Grenzwert erreicht haben, so daß für heute in der Therapie erreichbare Spannungen die Intensität der charakteristischen Strahlung wenigstens an- genähert nach Gleichung (79) zunehmen wird.

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd.I 18

274 H. Küstner

3. Charakteristische Strahlung und kontinuierliches Spektrum.

Außer dem Linienspektrum ist in Abb. 41 auch das kontinuierliche Röntgenspektrum, wenn auch retuschiert, so doch qualitativ anschaulich wiedergegeben. Wie unsere fol- genden Betrachtungen zeigen werden, nimmt auch dessen Gesamtintensität mit der Röhrenspannung zu. Hiermit geht aber auch eine Steigerung seiner mittleren Härte Hand in Hand. Demgegenüber steigt beim Linienspektrum allein die Intensität, nicht aber die Härte mit der Spannung. Beide Komponenten, die charakteristische und die kontinuierliche, bestimmen die Intensität und Härte des Gesamtspektrums. Leider ist Quantitatives über das Zusammenwirken beider Komponenten noch nicht bekannt. Nur soviel kann gesagt werden, daß bei verschiedenen Antikathodenmetallen trotz gleicher Betriebsbedingungen die mittlere Härte etwas verschieden sein kann.

Nach den Aufnahmen von Webster und Clark (Abb. 17) hatte es den Anschein, als erfolge die Emission der charakteristischen Strahlung auf Kosten des kontinuierlichen Spektrums: bei demjenigen Bereich desselben, der kurzwelliger ist als die K-Absorptions- bandkante, erscheint die Intensität im Vergleich zum langwelligeren Gebiet reduziert. Indessen konnten Wagner und Kulenkampff zeigen, daß diese Erscheinung nur dadurch vorgetäuscht wird, daß in Beobachtungsrichtung nahezu parallel zur Anti- kathodenoberfläche die bei Überschreiten der Absorptionsbandkante sprunghaft ge- steigerte Absorption die harten Anteile des kontinuierlichen Spektrums stärker am Aus- tritt hindert als die weicheren. Ein Einfluß charakteristischer Strahlung auf die Emission des kontinuierlichen Spektrums besteht daher nicht.

I. Das kontinuierliche Röntgenspektrum. l1. Die Methoden zur Aufnahme.

Zur Aufnahme eines kontinuierlichen Röntgenspektrums kommen zwei Methoden in Frage: entweder die photographische Aufnahme mit oder ohne Verstärkerschirm oder die Ionisationsmessung. Alle Spektren, die wir bisher besitzen, sind deshalb entweder photographische Spektren oder Ionisationsspektren. Keine von beiden Methoden ver- mag die Energie der Röntgenstrahlen verschiedener Wellenlänge zueinander in Beziehung zu setzen. Über die „Energieverteilung‘, d. h. über das Intensitätsverhältnis der ein- zelnen Wellenlängen des Spektrums zueinander, vermag daher weder die eine noch die andere Methode etwas auszusagen. Trotzdem begegnet man in der Literatur immer wie- der Untersuchungen oder Angaben über die Energieverteilung des kontinuierlichen Röntgenspektrums, die sich auf die photographische Aufnahme oder Ionisationsmessung stützen. Manche Autoren haben sogar die gemessene Ionisation und nicht einmal die in der Ionisationskammer absorbierte Energie zu den energetischen Vorgängen beim Auftreffen der Kathodenstrahlelektronen auf die Antikathoda in Beziehung gesetzt und aus diesen Vorgängen, deren ursächlicher Zusammenhang heute noch völlig unge- klärt ist, eine Theorie über die ‚Energieverteilung im kontinuierlichen Röntgenspektrum gegründet, die notwendig jeder reellen Unterlage entbehrt.

Aus diesen Gründen werden wir im folgenden ausdrücklich nur vom kontinuierlichen „Ionisationsspektrum‘“ oder vom kontinuierlichen ‚photographischen Spektrum‘ reden.

2. Die Grenzwellenlänge des kontinuierlichen Röntgenspektrums bei

Gleichspannung.

In Abb. 43 sind eine Reihe Messungen von Ulrey dargestellt. Er untersuchte mit Hilfe eines Spektralapparates die lonisation in Abhängigkeit von der Wellenlänge bei

Die Grenzwellenläuge des kontinuierlichen Röntgenspektrums 275

verschiedenen Gleichspannungen. Jeder Röhrenspannung entspricht eine ganz be- stimmte Grenzwellenlänge oder ein ganz bestimmtes ‚„‚kurzwelliges Ende‘ des kontinuier-

lichen Röntgenspektrums. Und zwar be- steht zwischen der Grenzwellenlänge A. gemessen in A, und der Röhrenspannung V, gemessen in kV, wieder die Beziehung

ı-V-123. (80)

Diese Beziehung wurde für die Grenzwellen- länge der Röntgenstrahlen von Duane und Hunt nachgewiesen und wird deshalb viel- fach als das Gesetz von Duane und Hunt bezeichnet. Wie wir im IV. Kapitel sahen, steht dasselbe in engem Zusammenhange mit dem Planckschen Wirkungsquantum und Einsteins Gesetz, und es wird deshalb vielfach auch die Planck-Einsteinsche Gleichung genannt.

3. Die Grenzwellenlänge des kon- tinuierlichen Röntgenspektrums bei anderen Spannungsformen.

Behnken untersuchte die Grenzwellen- länge bei sinusförmiger Wechselspannung

FINE ET ETF TTS EEL IBAN AS Sage EE

NIE LESS IN ENEE MANERER EERHER ESEL ELITE SEI IN RSR

Ka

02 03 0% 05 06 0? 08 09

Abb. 43. Kontinuierliche Ionisationsspektra für verschiedene Werte von Gleichspannung nach

Ulrey.

ebenfalls nach der lonisationsmethode. Er fand, daß Gleichung (80) erfüllt ist, wenn man für V die Werte der Scheitelspannung einsetzt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß man bei Induktorbetrieb dementsprechend die Spitzenspannung zu wählen hat.

Danke Juri ea FORNES E NNGEN E gd K e TEAR a HEN : £ & SEIEN 8, = tt WS S SEELEN SG % S | $s EnH Se $, CEPAT E ; S Sy i NM ech a HAH 5 u sl IA Le 2 ` HENNE SAS e "Oe BRONDSIE u UBEENERumE ESG WEHEN Lo 04 05 Ge Q? A 0,9 03 04 05 06 07 08 Pr; o Af Am Abb. 44a. Abb. 44h. Abb. 44a und b. Ionisationsspektra verschiedener Antikathodenelemente bei derselben

Gleichspannung nach Ulrey.

18*

276 H. Küstner

4. Die Grenzwellenlänge des kontinuierlichen Röntgenspektrums ist unabhängig vom Antikathodenelement. Die Abb. 44a und 44b zeigen eine Anzahl von lonisationsspektren Ulreys bei ver-

schiedenen Antikathodenelementen, aber derselben Röhrenspannung. Diese ist demnach ohne Einfluß auf die Grenzwellenlänge.

3. Die Grenzwellenlänge des kontinuierlichen Röntgenspektrums ist unabhängig von der Röhrenart. Während Ulrey ein Glühkathodenrohr benutzte, arbeitete Wagner mit einem gas-

haltigen Röntgenrohr. In beiden Fällen erwies sich das Gesetz von Duane und Hunt als erfüllt. Die Röhrenart ist also ohne Einfluß auf die Grenzwellenlänge.

6. Die Grenzwellenlänge ist unabhängig vom Winkel zwischen Richtung der Kathodenstrahlen und Richtung der Röntgenstrahlen (Azimut).

Wagner untersuchte mit Spektrometer und lIonisationskammer das von der Kupferantikathode A (Abb. 45) ausgehende kontinuierliche Röntgenspektrum bei etwa

Wellenlängen n #0 "cm

vw A 10 H DG wg Ae Ar 22 23 Ze A

Abb. 45. Röntgenröhre für Azimut- Abb. 46. Das kontinuierliche Ionisationsspektrum in untersuchung nach Wagner. Abhängigkeit vom Azimut nach Wagner.

10 kV, wenn die Kathodenstrahlen einmal von der Kathode K,, einmal von der Kathode K, ausgingen. Er beobachtete also im ersten Falle rechtwinklig (transversal), im zweiten Falle stumpfwinklig (rückläufig) zur Kathodenstrahlrichtung. Seine in Abb. 46 dar- gestellten Ergebnisse zeigen in beiden Fällen dieselbe Grenzwellenlänge. Webster ge- langte bei 38 und 67 kV und bei Winkeln von 55 und 145° zu demselben Ergebnis. Der Azimut ist demnach ohne Einfluß auf die Grenzwellenlänge.

7. Die Gesamtintensität des kontinuierlichen Röntgenspektrums in Abhängigkeit von der Spannung.

Die Betrachtung der Kurven von Ulrey (Abb. 40) lehrt, daß das kontinuierliche Ionisationsspektrum um so intensiver ist, je höher die Röhrenspannung ist. Sicher ist, daß die Gesamtintensität des Spektrums mit der Röhrenspannung wächst. Wären die Ulreyschen Kurven in Wirklichkeit Energiekurven, nicht aber Ionisationskurven, so würde ihr Flächeninhalt die Intensität des Gesamtspektrunms darstellen. So aber ist es

Intensität urd Härte des kontinuierlichen Röntgenspektrums 277

vorläufig nicht möglich, aus ihnen eine quantitative Beziehung zwischen Intensität und Röhrenspannung abzuleiten.

Sehr sorgfältige Messungen des kontinuierlichen Röntgenspektrums sind von Kulenkampff mit Gleichspannung bis zu etwa 12kV ausgeführt worden. Für diese niederen Spannungen und die dementsprechend weichen Strahlen gehorchte seine Ionisa- tionskammer den Forderungen Holthusens. Kulenkampff hat alle Fehlerquellen ausgeschaltet und seine Ionisationsspektra auf die in der Kammer absorbierte Energie bezogen. Energiespektra sind sie deshalb freilich noch nicht. Nach seinen Ergebnissen würde bei Gleichspannung Proportionalität mit dem Quadrat der Spannung bestehen. Da bei so niedrigen Spannungen das Ergebnis kaum durch Ionisation von Rückstoßelek- tronen entstellt sein wird, so mag in der Tat bei Spannungen bis etwa 12 kV das qua- dratische Gesetz Gültigkeit besitzen. Für höhere Spannungen und demzufolge härtere Strahlen ist die Ionisationskamnicer aber sicher kein Energiemeßinstrument mehr. Hier muß die im VIII. Kapitel besprochene 'Thermosäule oder das Bolometer Verwendung fin- den. Mit Hilfe des letzteren fanden Ms. Carter zwischen 45 und 70 kV und neuerdings Bouwers zwischen 30 und 105 kV sehr angenähert Proportionalität zwischen der von der Antikathode emittierten Röntgenenergie und dem Quadrate der Röntgenspannung. Der auf die charakteristische Strahlung entfallende Anteil ist hierbei freilich nicht eli- miniert. Ferner ist nicht genau anzugeben, welcher Bruchteil der Röntgenenergie sich in Form von Sekundärstrahlung und kinetischer Energie von Elektronen der Wärme- messung entzog. Schließlich werden durch die Absorption in der Glaswand unserer tech- nischen Röntgenröhren die weichen Anteile des kontinuierlichen Röntgenspektrums stark absorbiert, und daher besteht in praxi eine Abweichung vom Proportionalitäts- gesetz. Da genauere Untersuchungen indessen bis heute noch nicht vorliegen, so bietet das Gesetz der Proportionalität zwischen Röntgenenergie und Spannungsquadrat vor- läufig den besten Anhalt für Überschlagsrechnungen.

Für gefilterte Strahlungen gilt das Proportionalitätsgesetz natürlich nicht.

Ionisationsmessungen liefern sicher keine einwandfreie Aussage über die Abhängig- keit der Röntgenenergie von der Röhrenspannung.

8. Die Härte des kontinuierlichen Röntgenspektrums in Abhängigkeit von der Spannung.

Da die Kurven von Ulrey Ionisationskurven und keine Energiekurven sind, so läßt sich Quantitatives über die Härteverteilung im kontinuierlichen Spektrum nicht aussagen. Insbesondere entbehren die wiederholten Erörterungen über die absolute Lage des Kurvenmaximuns jeder Grundlage.

Demgegenüber ist die qualitative Folgerung zulässig, daß die mittlere Härte des kontinuierlichen Spektrums mit der Spannung steigt. Dies ergibt sich aus folgendem:

a) sichergestellt ist, daß mit wachsender Spannung die Grenzwellenlänge abnimmt; mit jeder Spannungssteigerung ist also ein Auftreten neuer, härterer Komponenten verknüpft;

b) mit zunehmender Spannung verschiebt sich das Maximum in Richtung kürzerer Wellenlängen, und es ist anzunehmen, daß auch beim Übergang von Ionisationskurven zu Energiekurven die Verschiebung in diesem Sinne erhalten bleibt:

c) bei der Absorptionsanalyse, z. B. durch Bestimmung der Halbwertschicht in Kupfer (XVIII. Kapitel), erweist sich die mittlere Härte der von der Antikathode ausgehenden Strahlung um so größer, je höher die Spannung ist.

278 H. Küstner

9. Das kontinuierliche Röntgenspektrum in Abhängigkeit von der Spannungsform.

Es sei unter sonst gleichen Versuchsbedingungen in verschiedenen Fällen der Wert der Gleichspannung, der Scheitelspannung und der Spitzenspannung, also auch die Grenzwellenlänge die gleiche. Dann lehrt eine einfache Überlegung:

100

1.00

E Q FEIK $ 3 050,3

S JMA ~N S ew 15 MA

3 3MA MM "3 AW 16 MA

3 MA 075MA

03 0% 05 06 07

A GE l A.10°cm Abb. 47. Abb. 48.

Abb. 47 und 48. Das kontinuierliche Ionisationsspektrum am Glühkathodenrohr und gashaltigen Rohr. A bei Sinusspannung, B bei Induktorbetrieb und C bei Gleichspannung nach Dauvillier.

a) Deckt sich der Verlauf von zwei Ionisationsspektren, so muß sich auch der der zugehörigen Energiespektren decken;

b) Liegt das Maximum einer Ionisationskurve bei kürzeren Wellenlängen als das einer anderen, so wird auch das Maximum der ersten Energiekurve bei kürzeren Wellenlängen liegen als das der zweiten.

Hierauf gründen sich unsere nachstehenden Fol- gerungen.

Den Einfluß der Spannungsform untersuchte Dauvillier bei sinusförmiger Wechselspannung, bei Gleichspannung und bei Induktorbetrieb am Glüh- kathodenrohr (Abb. 47) und am gashaltigen Rohr (Abb. 48) nach der Ionisationsmethode bei etwa 50 kV.

Bei diesen Messungen ist die Höhe des Maximums hier nicht von Interesse: sie entspricht nur dem Milli- amperestrom und läßt sich bei geeigneter Regulierung desselben gleichmachen. Uns kommt es hier vielmehr nur auf die relative Kurvenform an. Die Aufnahmen A? 0060 0085 omg 0135 0160 Q18 lehren: bei Betrieb mit Induktor und mit sinusförmiger E E ioi: Wechselspannung ist die Intensität des kontinuier- graphisches Röntgenspektrum einer chen Röntgenspektrums angenähert gleich. Bei Glühkathodenröhre bei !4 mm Kup- Gleichspannung ist demgegenüber das Strahlen- ferfilterung und Betrieb mit Induk- gemisch, entsprechend dem nach der kurzwelligen tor, Wechsel- und Gleichspannung ` Seite verschobenen Maximum, reicher an harten Kom-

a ponenten. Und zwar gilt dies in gleicher Weise für das Glühkathodenrohr wie für das gashaltige Rohr.

Glocker untersuchte ebenfalls mit Glühkathodenröhre, aber mit !/,-mm-Kupfer- filter bei 167 kV die Abhängigkeit von der Spannungsform. Er photographierte das Spektrum mit dem Seemann-Apparat. Die Photometrierungen zeigt Abb. 49. Das sehr angenäherte Zusammenfallen der Kurven beim Betrieb mit Induktor und sinusförmiger Wechselspannung und die Verschiebung des Maximums in Richtung kurzer Wellenlängen

Einfluß von Spannungsform und Röhrenart 279

bei Gleichspannung lehrt, daß die Er- Tabelle 44. Bei 167000 Volt, 3 mA, 1 mm Cu-Filter iontometrisch gemessene Tiefenintensitäten in Prozenten der Oberflächenintensitäten.

gebnisse von Dauvillier auch bei hohen Spannungen und Filterung Gül- tigkeit besitzen. |

Daß in der Tat die Strahlung bei Gleichspannung härter ist als bei Wech-

1,0 mm Messing

6 Ls š 2 n 2 ` d , selspannung und bei Induktorbetrieb, Ge ee ? $ de ge 2 F de konnte Glocker durch Absorptions- 5.0 nm S 11.00 9,35 9.10 messung der direkten, nicht spektral Tlo mm %„ 4,85 4.05 3,96

zerlegten Strahlung von 167kV und !/, mm Kupfer bestätigen (Tabelle 44). Die größte Härte besitzt die mit Gleich- spannung (G) erzeugte Reststrahlung: nach 7!/, mm Messing mißt sie noch 4,85%, der einfallenden Intensität gegenüber rund 4% bei Induktor (I), Gleichstrom (G) und Wechselstrombetrieb (W). Der Erfahrungssatz, daß bei gleicher Grenz- wellenlänge die Strahlung unabhängig von der Form der Spannungs- kurve praktisch gleich sei, verliert seine Gültigkeit.

Auch die Strahlenausbeute erwies sich nach Glocker bei Ionisationsmessung direkter, nicht spektral zerlegter Strahlung für Gleichspannung viel günstiger, und zwar nahezu 1,5mal so groß wie bei Induktorbetrieb bzw. 1,6 mal so groß wie bei Wechselstrombetrieb.

10. Das kontinuierliche Röntgenspektrum in Abhängigkeit von der Röhrenart.

Glocker photographierte bei genau gleicher Spitzenspannung eines Induktors von 160 kV bei !/, mm Zinkfilterung die Strahlung einer Glühkathodenröhre und eines gashaltigen Rohres mit dem Seemann-Apparat. Die ausgezeichnete Übereinstimmung beider Photometer- kurven (Abb. 50) beweist die völlige Gleichwertigkeit der Strahlenqualität beider Röhrengattungen bei Induktorbetrieb.

Eine andere Frage ist es freilich, ob bei der- selben spektralen Verteilung und bei gleicher Milli- amperezahl die Gesamtausbeute an Strahlung von der Röhrenart abhängt. Nach Messungen von Dau- villier kommt dem gashaltigen Rohre bei 52 kV etwa doppelt so große ioniserende Wirkung zu als dem Glühkathodenrohr bei der nur 6 kV niedrigeren Spannung von 46 kV. Und auch Fritz fand, daß bei gleicher Röhrenstromstärke und Grenzwellen- länge das Strahlengemisch einer Lihenfeld-Röhre 494060 oos ano 015 0160 Q185 am Transformator etwa zweimal. am Induktor mehr als dreimal solange Belichtungszeit erfordert als ein i S

; | graphisches Röntgenspektrum einer gashaltiges Rohr bei Transformator- oder Induktor- gashalligenund einer Glülikatlisden- betrieb, um dieselbe photographische Schwärzung röhre bei 160kV und 1. mm Zink- hervorzurufen. Dieser Befund ist deshalb um so filterung und Induktorbetrieb nach erstaunlicher, weil beim Glühkathodenrohr allein Glocker. Elektronen, beim gashaltigen Rohre außerdem aber die an der Röntgenstrahlerzeugung nicht mitbeteiligten Gasionen den Stromtransport besorgen. Er steht aber im Einklang mit der Erfahrung, daß das gashaltige Rohr bei diagnostischen Aufnahmen kürzere Expositionszeit fordert als das Glühkathodenrohr.

xJon.R. o GIŬÖhk.R.

Abb. 50. Ausphotometriertes, photo-

280 H. Küstner

ll. Das kontinuierliche Röntgenspektrum in Abhängigkeit vom Antikathodenelement.

Wagner und Kulenkampff haben die Intensität des kontinuierlichen Spektrums auch in Abhängigkeit vom Antikatliodenmaterial geprüft. Sie fanden, daß Proportio- nalität zwischen der Intensität des kontinuierlichen Spektrums und der Stellenzahl des- jenigen Elements im periodischen System besteht, das als Antikathode dient. An der Gültigkeit dieses Gesetzes ist nicht zu zweifeln ; denn hier wurden verschiedene Antikatho- denmaterialien bei gleicher Röhrenspannung, also auch bei derselben ‚‚Energieverteilung“ untersucht. |

Da Tantal, Wolfram und Platin die Stellenzahlen 73, 74 und 78 haben, so werden sich, bei gleicher Spannung, die Intensitäten des kontinuierlichen Röntgenspektruns bei diesen Antikathodenmetallen wie 73:74:78 oder wie 93,5:95:100 verhalten. Zum Teil wird dieser Effekt aber durch die Emission charakteristischer Strahlung kom- pensiert, deren Intensität mit der Spannung steigt (vgl. I, 2).

12. Das kontinuierliche Röntgenspektrum in Abhängigkeit vom Azimut.

Ein Vergleich der bei transversaler und rückläufiger Röntgenstrahlung aufgenom- menen lonisationsspektren Wagners (Abb. 46) lehrt:

a) Die Intensitäten unterscheiden sich im langwelligen Gebiet relativ wenig; der Unterschied nimmt aber bis zur gemeinsamen Grenzwellenlänge hin zu und dort ver- halten sich die Intensitäten wie 1:1,7. Die rückläufige Gesamtstrahlung ist somit im Mittel weicher;

b) die rückläufige Strahlung ist bei allen Wellenlängen und daher auch in ihrer Gesamtintensität schwächer als die transversale.

Bei Wegfiltern der weichen Strahlenanteile ergab die direkte Ionisationsmessung zwischen der transversalen und rückläufigen Strahlung das Intensitätsverhältnis 1,6:1.

Ob dasselbe Verhältnis auch bei höheren Spannungen besteht, ist noch nicht unter- sucht worden.

Die im allgemeinen verwandten Tubusse unserer Röhrenstative lassen nur einen kleineren Winkelbereich als den von Wagner untersuchten offen, so daß aus diesem Grunde auch bei starker Filterung kein so großer Intensitätsunterschied für die ver- schiedenen Strahlrichtungen bei demselben Rohre zu erwarten ist. Nicht unmöglich wären indessen ähnliche Unterschiede zwischen Röhren verschiedener Kathodenstrahl- richtung.

Wir kommen nun noch zu einigen Punkten, die lange Zeit umstritten waren, heute aber geklärt sind.

13. Die Unabhängigkeit der Grenzwellenlänge und mittleren Härte des kontinuierlichen Röntgenspektrums von der Röhrenstromstärke und der „Brennfleckbelastung“.

Nach Lilienfeld soll sich die mittlere Härte der Strahlung mit dem Röhrenstrom und mit der Stromdichte im Brennfleck (‚spezifische Belastung des Brennfleckes‘‘) ändern.

Demgegenüber fand Behnken bei Präzisionsmessungen mit Spektralapparat und Ionisationskammer:

a) Bei Änderung des Röhrenstromes von 1—5 mA. ändert sich die Grenzwellenlänge nicht:

Antikathodenelement; Azimut; Brennfleckbelastung; Frequenz; Filterung SEN

b) bei Änderung des Röhrenstromes von 1—6 mA. ist die Ionisation durch die ein- zelnen Wellenlängen des Spektrums genau proportional der Stromstärke: also ist auch die Energieverteilung unabhängig vom Röhrenstrom und die Gesamtenergie diesem proportional;

c) Lochkameraaufnahmen des Brennfleckes zeigen zwischen 1 und 6 mA. keinerlei Veränderungen desselben. In all seinen Punkten nimmt also die Belastung proportional der Stromstärke zu. Sie hat keine Härteänderung zur Folge.

14. Die Unabhängigkeit der Grenzwellenlänge von der Frequenz der

Wechselspannung.

Nach Lilienfeld soll die Grenzwellenlänge mit der Frequenz abnehmen, d. h. das Gesetz von Duane und Hunt soll keine Gültigkeit besitzen.

Demgegenüber hat Karolus durch direkte Spannungsmessung gezeigt, daß Lilien- feld von unrichtigen Annahmen über die Höhe der Spannung ausging. Karolus wies bei konstant gehaltener Spannung die Unabhängigkeit der Grenzwellenlänge von der Frequenz im Bereiche von 50—500 Perioden nach.

15. Der Einfluß von Filtern auf den Verlauf des kontinuierlichen Röntgenspektrums.

Der Verfasser hat den Einfluß von Kohle-, Aluminium- und Kupferfiltern auf den Verlauf des Ionisationsspektrums rechnerisch untersucht. Aus einer Formel Behnkens,

9 “u -$73 - A ..... es e eH -C

d P der 200 KV Scheitel. SPANNUNG

Sntensıt0 a Intensılar

e ër ée 05 06 ër GE ër Ze O Q? Qz Q3 dée ge ge 0 Qa o "e Yelleniöngen in A Wellenlängen n d Abb. 51. Abb. 52.

Abb. öl und 52. Kontinuierliche Ionisationsspektra bei 200 kV, ungefiltert und für verschiedene Filterungen nach einer Formel Behnkens berechnet von Küstner.

die den Verlauf des Ionisationsspektrums erfahrungsgemäß gut wiedergibt, berechnete er den der ungefilterten Strahlung bei 200 kV. Mit Hilfe der in Tabelle 6 aufgeführten Formeln für die Schwächung läßt sich alsdann der Verlauf des Ionisationsspektrums bei verschiedener Filterdicke ermitteln. Die in Abb. 5l und 52 dargestellten Ergebnisse lehren, daß das Strahlengemisch um so homogener ist, je höher die Stellenzahl des Filters ist. Freilich gewinnt man nichts mehr, wenn man statt Kupfer ein Element höheren

282 H. Küstner

Atomgewichts als Filter verwendet; man erreicht dann vielmehr allein, daß die Absorp- tionsbandkante des Filters sich störend im Wellenlängenbereich des Reststrahlengemisches bemerkbar macht. Später vom Verfasser mit dem Seemann-Spektrographen auf- genommene und mit dem registrierenden Photometer ausphotometrierte photographische Spektren haben, soweit ein Vergleich zwischen photographischer und Ionisationsmethode überhaupt möglich ist, die Richtigkeit der obigen Rechnung vollauf bestätigt.

16. Der Einfluß der Beschaffenheit der Antikathode auf die von ihr ausgehende Strahlung.

Neu gelieferte Röntgenröhren zeigen vielfach schon einen von der Fabrikation her- rührenden geringen Anstich der Antikathode. Dieser kann während des Betriebes stark zunehmen, und bisweilen sieht man Röntgenröhren, die im Brennfleck schachtartige Vertiefungen aufweisen. Da im allgemeinen diejenige Röntgenstrahlung ausgenutzt wird, welche sich senkrecht zur Kathodenstrahlrichtung und etwa unter 45° zur Oberfläche der Antikathode ausbreitet, so kann ein solcher Änstich einen nennenswerten Verlust der Strahlenausbeute bedingen. Dieser Verlust kommt vornehmlich auf Rechnung jener härtesten Komponenten, welche kurzwelliger sind als die charakteristische Linien- strahlung der Antikathode, da ja die Absorption an der Bandkante der Serie sprunghaft wächst. Wie diese härtesten Komponenten durch die Absorption vorzugsweise unter- drückt werden, zeigt beispielsweise das in Abb. 17 wiedergegebene Spektrum von Web. ster und Clark. Bei diesen genügte schon der Umstand, daß die Röntgenstrahlung die guterhaltene Antikathode verhältnismäßig tangential verließ, zum Zustandekommen dieser Erscheinung. Der Anstich einer Antikathode im Brennfleck wirkt sich in ent- sprechender Weise aus. Man hüte sich deshalb anzunehmen, daß die Strahlenausbeute einer Glühkathodenröhre unverändert dieselbe bleiben müsse und unterziehe dieselbe von Zeit zu Zeit einer Prüfung auf Intensität und Härte.

17. Zusammenfassung der Ergebnisse.

a) Die Intensität der charakteristischen Strahlung der Antikathode folgt nahezu dem Gesetz J = konst. (V? V 4?);

b) ihre Emission ist ohne Einfluß auf den Verlauf des kontinuierlichen Spektrums; c) die Grenzwellenlänge des kontinuierlichen Röntgenspektrums gehorcht dem Ge-

setze von Duane und Hunt AV = KS Bei Wechselspannung ist V die Scheitelspannung, bei Induktorbetrieb die Spitzen- spannung.

d) Die Grenzwellenlänge ist unabhängig vom Antikathodenmetall;

el o Se e von der Röhrenart (Glühkathoden- oder Ionenrohr);

ER, 4; = sg 0 unabhängig vom Azimut;

g) » = 2 SS vom Röhrenstrom;

h) | d = von der Brennfleckbelastung:

i) d 2 von der Frequenz der Wechselspannung;

k) die Gesamtintensität des kontagio Röntgenspektrums wächst vermut- lich angenähert proportional dem Quadrate der Röhrenspannung;

Antikathodenbeschaffenheit. Reproduzierbarkeit der Röntgenstrahlung 283

l) bei gleicher Spannung und gleichem Röhrenstrom liefert das gashaltige Rohr anscheinend intensivere Strahlung als das Glühkathodenrohr;

m) die mittlere Härte nimmt mit der Spannung zu;

n) die mittlere Härte ist bei gleicher Grenzwellenlänge dieselbe bei Sinusspannung und bei Induktorbetrieb;

o) die mittlere Härte ist bei gleicher Grenzwellenlänge bei Gleichspannung größer als bei Sinusspannung oder Induktorbetrieb;

p) es gelten n) und o) sowohl für Glühkathoden- wie für gashaltige Röhren;

q) für Glühkathodenrohr und für gashaltiges Rohr verläuft das kontinuierliche Röntgenspektrum bei Induktorbetrieb genau gleich;

r) das kontinuierliche Röntgenspektrum ist bei rückläufiger Strahlung schwächer;

s) das kontinuierliche Röntgenspektrum ist bei rückläufiger Strahlung im Mittel weicher;

t) der Verlauf des Ionisationsspektrums bei Filterung läßt sich qualitativ berechnen; die Homogenität des Strahlengemisches steigt mit der Stellenzahl und Dicke des Filters; photographische Spektra bestätigen dieses Gesetz;

u) durch Anstich der Antikathode kann sowohl die Härte als die Intensität einer Röntgenröhre unter sonst gleichen Betriebsbedingungen herabgesetzt werden; beide müssen daher dauernder Kontrolle unterzogen werden.

Elftes Kapitel.

Die Reproduzierbarkeit der Röntgenstrahlung bei gleicher Einstellung der Maschine.

Die Frage, inwieweit sich durch Einspielenlassen des primären Kilovoltmeters, das

an den Primärklemmen des Transformators oder Induktors liegt, und des Milli- amperemeters im Röhrenstromkreise auf dieselben Skalenteile, eine reproduzierbare Strahlung erhalten läßt, ist aus zweifachem Grunde von besonderem Interesse. Einer- seits wird die Genauigkeit einer Meßreihe unter unkontrollierbaren Schwankungen der Röntgenstrahlenqualität leiden. Anderseits verfügen die wenigsten über ein Dosimeter, das die Konstanz der Röntgenstrahlung während der Bestrahlung zu kontrollieren ge- stattet, und müssen sich daher darauf verlassen können, daß bei gleicher Einregulierung der Maschine die Strahlung nach Intensität und Härte unverändert erhalten bleibt. Ist diese Bedingung nicht erfüllt, sonütztauch die sorgfältigste Dosis- messung vor Beginn der Bestrahlung nichts. Die angeschnittene Frage ist deshalb von derselben Wichtigkeit wie die Genauigkeiteiner Dosis- messung überhaupt. Der Verfasser untersuchte deshalb den Einfluß

der Netzspannung,

des Ein- und Zweiröhrenbetriebes,

der Gleichrichtervorrichtung und

des Dauerbetriebes.

Die Messungen fanden am Intensivreformapparat der Veifawerke, also an einem Umformerapparat statt. Die Ergebnisse werden sich, zum mindesten quantitativ, nicht ohne weiteres auf andere Apparatetypen übertragen lassen, auch ist vielleicht der eine oder der andere Einfluß bei anderen Apparaten nicht vorhanden. Uns kommt es hier nur darauf an zu zeigen, daß solche Einflüsse überhaupt vorhanden sein können. Im Einzelfalle ist stets nachzuprüfen, ob sie auftreten und wieweit sie zu berücksichtigen sind.

284 H. Küstner

l. Der Einfluß der Netzspannung.

Durch Vorschalten eines Regulierwiderstandes vor die Maschine konnte die Netz- spannung künstlich verändert werden, wie sich durch ein Voltmeter nachweisen ließ, das an den Klemmen der Maschine lag. Wurde bei verschiedenen Netzspannungen zwischen 190 und 215 Volt primäres Kilovoltmeter und sekundäres Milliamperemeter auf «demselben Skalenteil gehalten, so zeigten sich bei etwa 180 kV für ungefilterte Strahlung 10%, für 1 mm Kupferfilterung 50%, Jonisationsunterschiede oder Dosis- fehler! | Diese Ergebnisse lehren, daß sich die Intensität der Röntgenstrahlen bei Einspielen der Meßinstrumente nur dann reproduzieren läßt, wenn die Netzspannung unverändert dieselbe ist. Um dies zu erreichen, kann man sich beispielsweise des Schnell- und Eil- reglers der Siemens-Schuckert-Werke bedienen, welcher automatisch für konstante Netz- spannung sorgt. Wer nicht über die Mittel zu seiner Beschaffung verfügt, erreicht dasselbe, wenn er, wie der Verfasser, einen Regulierwiderstand vor die Maschine legt und die Spannung mit seiner Hilfe auf einen Wert einreguliert, unter den die Netzspan- nung nicht zu sinken pflegt, z. B. auf 205 statt 220 Volt. Der hierdurch entstehende Energieverlust von etwa 7%, wird gern in Kauf genommen werden für die Gewißheit, daß hierdurch eine drohende Verbrennungsgefahr beseitigt ist. Die Verwendung des Regulierwiderstandes beim Therapiebetriebe hat sich bereits außerordentlich bewährt. Die Regulierung der Maschine hat sich durch Zufügen dieser weiteren Reguliervorrich- tung nicht etwa, wie man denken könnte, kompliziert, sondern im Gegenteil vereinfacht. Sobald nämlich die Maschine eingelaufen ist, hat man es nicht mehr nötig, wie bisher Spannung und Heizstrom einzeln zu regulieren, man kann vielmehr beide unreguliert lassen und sich auf Regulierung des Widerstandes auf den erforderlichen Wert, z. B. 205 Volt, beschränken. Tut man dies, so spielen primäres Kilovoltmeter und sckundäres Milliamperemeter von selbst immer auf dieselben Zahlenwerte ein.

Ebenso gelang es Friedrich und Körner, durch Vorschalten eines Regulierwider- standes vor einen Induktorapparat mit Gasunterbrecher (Sanitasapparat) und Konstant- halten der Spannung auf diesem Wege, die Intensität der Strahlen völlig konstant zu halten.

2. Der Einfluß des Ein- und Zweiröhrenbetriebes.

Wurden Netzspannung, Kilovoltzahl am primären Spannungsmesser und sekun- däre Milliamperezahl konstant gehalten und die Jonisation einmal bei Einröhrenbetrieb, einmal bei Zweiröhrenbetrieb gemessen, so zeigten sich für 1 mm Kupferfilterung loni- sationsunterschiede von 20%. Wie eine Spektralaufnahme bestätigte, ist die Ursache im Sinken der Hochspannung bei erhöhter Belastung der Maschine zu suchen.

Man wird hieraus die Lehre ziehen: bei Eichung einer Maschine hat man außer der Netzspannung auch die Belastungseinflüsse zu berücksichtigen, die bei verschie- dener Milliamperezahl und bei Ein- und Zweiröhrenbetrieb verschieden sein können: d. h. man hat die Maschine für verschiedene Milliamperezahlen sowie für Ein- und Zweiröhrenbetricb besonders zu eichen.

3. Der Einfluß der Gleichrichtervorrichtung.

Bei rotierenden Funkenstrecken kann je nach deren Konstruktion ein mehr oder minder großer Spannungsverlust in der Funkenstrecke selbst auftreten. Die Spitzen rotierender Schwerter brennen allmählich ab, wodurch der Spannungsverlust sehr Le-

Netzspannung; sekundäre Belastung; Gleichrichter; Dauerbetrieb 285

trächtlich werden kann. Glühkathodenventilröhren bedingen im allgemeinen nur einen Spannungsverlust von einigen hundert Volt, den man vernachlässigen darf.

Überwachung der Maschine durch Eichungen von Zeit zu Zeit bieten hier einen Schutz gegen Dosierungsfehler, welche beträchtliche Werte annehmen können.

4. Der Einfluß des Dauerbetriebes.

Trotz Konstanthalten aller obengenannter Faktoren zeigten Versuche des Ver- fassers während sechsstündigen Betriebes ein allmähliches, systematisches Sinken der Ionisation um etwa 10%.

Eine Prüfung der Maschine bei Dauerbetrieb wird lehren, inwieweit man bei dieser mit einem Nachlassen der Intensität zu rechnen hat. Ist dies der Fall, so muß bei lang- zeitigen Bestrahlungen unbedingt von Zeit zu Zeit eine Kontrolle der Intensität vor- genommen werden.

5. Der Einfluß der Antikathodenbeschaffenheit.

Dieser wurde bereits im letzten Kapitel unter 16 behandelt.

Zwölftes Kapitel.

Die physikalischen Grundlagen der Messung der gebildeten Träger.

Bei einer punktförmigen Lichtquelle ist die Intensität umgekehrt proportional dem Quadrate des Abstandes von jener; das gilt auch für eine nicht genau punktförmige Lichtquelle wie den Brennfleck unserer Röntgenröhren, solange der Abstand des Punk- tes, in dem wir die Intensität betrachten, vom Brennfleck groß ist im Vergleich zu dessen Durchmesser. Bei weichen Röntgenstrahlungen zeigt sich hier allerdings ein Einfluß der Luftabsorption; dieser läßt sich aber rechnerisch ausschalten, wie die im VII. Kapitel besprochenen Versuche von Behnken lehren.

Wegen dieser Abnahme der Intensität mit der Entfernung vom Brennfleck muß man also Vergleichsmessungen entweder in allen Fällen im gleichen Abstande von jenem vor- nehmen, oder man muß einen Abstand als Einheit wählen, auf welchen man die bei anderen Abständen gemessene Intensität reduziert.

Es möge im folgenden die Intensität der Röntgenstrahlen in 1 m Brennfleckabstand mit J, bezeichnet werden. Dann beträgt die Intensität J in a Meter Brennfleckabstand De

an (80)

Wir wollen nun näher untersuchen, in welcher Beziehung die Aufladung eines Elek- trometers infolge von Ionisation durch Röntgenstrahlen zu deren Intensität steht. Wir nehmen dabei an, daß die Ionisation der Intensität der Röntgenstrahlen desselben Härte- gemisches proportional ist, wozu wir auf Grund der im VIII. Kapitel angeführten Mes- sungen Angerers durchaus berechtigt sind.

Ein Röntgenstrahlengemisch von bestimmter Zusammensetzung habe in a Meter Brennfleckabstand die Intensität 1. Ein Loch von l qem Querschnitt befinde sich eben- falls in a Meter Abstand vom Brennfleck. Ein Röntgenstrahlbündel falle durch dieses Loch in eine Ionisationskammer, durchsetze diese und erzeuge innerhalb derselben pro Sekunde N Träger eines Vorzeichens und der Einheitsladung e Dann ist die pro Se-

286 H. Küstner

kunde in der Kammer entstehende Ladung desselben Vorzeichens Ne. Fällt das Bündel der Intensität 1 durch ein Loch von q qem in die Kammer, so ist die pro Sekunde darin erzeugte gleichnamige Ladung q Ne und die in t Sekunden erzeugte beträgtq Net. Hat dasselbe Röntgenstrahlbündel nicht die Intensität 1, sondern die Intensität J, so ist wegen der Proportionalität zwischen Intensität und lonisation die während t Sekun- den in der Kammer erzeugte gleichnamige Ladung Jq Net. Zwischen dieser in a Meter Brennfleckabstand herrschenden Intensität J, zwischen der Intensität J, in 1 Meter Brennfleckabstand und zwischen der in t Sekunden erzeugten Ladung L desselben Vor- zeichens besteht alsdann die Beziehung

L=J.qNet= eru Net (81) Besitzen die Ionisationskanımer, das Elektrometer und ihre gemeinsame Verbindungs-

leitung die Kapazität C, so wird nach der bekannten Beziehung RE GER (82

unter Voraussetzung der Sättigung der mit der Meßelektrode verbundene Elektrometer-

zeiger infolge der Ionisation auf die Spannung V aufgeladen und die Gleichung (81) geht über in v J, =a t Die Ladung e ist bekannt. Sie beträgt 4,774 x 107!" elektrostatische Einheiten oder 1,591 x 107" elektromagnetische Einheiten.

Die Zahl von N Trägern, die ein Strahlenbündel von 1 qem Querschnitt und von der Intensität 1 pro Sekunde in einer bestimmten Kammer erzeugt, wird bestimmt durch deren Größe, Gestalt, Material, Gasfüllung und Gasdruck sowie durch die Temperatur. Bei der Berücksichtigung der beiden letzten Faktoren wird also N für ein bestimmtes Strahlengemisch eine ganz bestimmte Konstante der benutzten Ionisationskammer sein. Desgleichen bleiben die Kapazität C des Systems und der Lochquerschnitt q unverän- dert, solange keine Beschädigungen eintreten. Daher werden die in der eckigen Klammer von Gleichung (83) stehenden Größen für dasselbe Gerät und ein bestimnites Strahlen- gemisch einen ganz bestimmten, konstanten Zahlenwert darstellen; für ein anderes Strahlengemisch werdeu sie, wegen der Änderung von N mit der Wellenlänge, einen anderen, aber wieder konstanten Wert besitzen. C, q und N sind deshalb nur von Zeit zu Zeit bei demselben Strahlengemisch darauf zu prüfen, ob sie durch äußere Einflüsse eine Änderung erfahren haben.

Demgegenüber wären a, t und V im Einzelfalle zu messen. Voraussetzung ist dabei, daß das Klektrometer als Spannungsmesser nach irgendeiner Spannungseinheit geeicht

ist, damit man seine Angaben bei verschiedenen Ausschlägen zueinander in Beziehung setzen kann.

C

83 Me (83)

Die handelsüblichen Elektrometer sind im allgemeinen indessen nicht als Spannungs- messer geeicht, ihre Skalenteile sind vielmehr meist willkürlich angeordnet. Man hilft sich dann so, daß man immer zwischen denselben beiden Skalenteilen A und B beob- achtet, denen immer ein und dieselbe Spannungsdifferenz s entspricht, vorausgesetzt natürlich, daß das Instrument unbeschädigt bleibt. Man beobachtet dann stets die Zeit t, die das Elektrometer braucht, um sich von A bis B, je nach seiner Konstruktion, aufzu- laden oder zu entladen; s ist dann ebenfalls eine Apparatkonstante, und wir setzen es daher mit in die eckige Klammer:

a? | s-C | a?

=, = K. (84)

u.N-s

Physikalische Grundlagen der Trägermessung. Die Genauigkeit der Meßmethoden 287

Die Intensität Jọ eines bestimmten Strahlengemisches ist alsdann proportional dem Quadrat des Brennfleckabstandes und umgekehrt proportional der Ladungszeit zwischen A und B.

Bei der Fingerhutkammer kann man q weglassen, da sie stets ganz im Strahlenbündel steht, und wenn man wieder N als die gesamte pro Sekunde in ihr erzeugte Trägerzahl eines Vorzeichens definiert. Über Unterschiede der Ionisation bei Durchstrahlung in Längsrichtung und in Querrichtung s. XIV. und XIX. Kapitel.

Dreizehntes Kapitel.

Die Meßmethoden und ihre Genauigkeit. I. Abstoppmethode.

Nach unseren Betrachtungen des letzten Kapitels reduziert sich die Intensitäts- messung auf die Bestimmung der Ladungszeit, die der Zeiger des Elektrometers braucht, um von einem Skalenteil A nach einen Skalenteil Bzu laufen. Hierzu dient im allgemeinen die Stoppuhr.

l. Einflüsse des Gerätes.

Wintz und Rump haben auf eine Fehlerquelle bei Elektrometern hingewiesen, deren bewegliches System nicht trägheits- und reibungsfrei ist. Diese Fehlerquelle ent- steht dadurch, daß das System erst kurze Zeit nach Beginn der Ionisation in merkliche Bewegung gerät. Der Zeiger folgt dann mit wachsender Geschwindigkeit, überschreitet die momentane Gleichgewichtslage, schwingt darüber hinaus usf. Daraus ergibt sich eine dem Ablauf überlagerte Schwingungsbewegung mit abklingender Amplitude. Der Ablauf des Zeigers erfolgt daher ungleichmäßig, bald langsamer, bald schneller. Bei längerer Ablaufzeit macht sich dies kaum bemerkbar. lst diese aber von der Größen- ordnung der Eigenschwingung des Systems oder kleiner, so müssen größere Ungenauig- keiten entstehen. Der Zeiger soll nach Beginn der Röntgenstrahleneinwirkung, die plötzlich einsetzt, bereits in möglichst stetige, pendelungsfreie Bewegung übergegangen sein, ehe er Skalenteil A erreicht. Darum muß die Ruhelage des Zeigers vor Anfang der Messung hinreichend weit vom Skalenteil A liegen. Man versäume niemals, im Drange, schnell mit der Messung fertig zu werden, hierauf Rücksicht zu nehmen.

Die Eigenschwingungsdauer r eines Gerätes bestimmt man, indem man seinen Zeiger anstößt und die Zeit T zwischen n Durchgängen durch denselben mittleren Skalen-

teil in derselben Richtung abstoppt. Dann ist 7 = SCH

Bei kleinen Ablaufzeiten kommt hierzu der Einfluß der Dämpfung, die hauptsäch- lich durch den Widerstand der Luft hervorgerufen wird. Hierdurch werden die Werte der Intensität zu klein.

2. Psychologische Einflüsse.

Die Zeit zwischen dem Reiz und zwischen der Reaktion des Beobachters, in unserem Falle zwischen der Beobachtung des Zeigerdurchgangs durch einen Skalenteil und zwi- schen dem Drücken der Stoppuhr, ist im allgemeinen bei jedem Individuum verschieden.

Die Reaktionszeit hebt sich dann im Mittel aus der Beobachtung heraus, wenn beide Reize sowohl wie beide Reaktionen stets gleich sind. Die Reaktionen bestehen stets im Druck auf die Stoppuhr. Damit auch die Reize gleichartig seien, muß der Beobachter seine Beobachtungen bei Skalenteil A und B in gleicher Weise anstellen. Und zwar muß

288 H. Küstner

er entweder erst den Skalenteil A mit dem Auge festhalten und den Zeigerdurchgang abstoppen und dann B festhalten und wieder den Zeigerdurchgang abstoppen. Das setzt aber reichlich Zeit zwischen beiden Vorgängen voraus, damit sich das Auge rechtzeitig auf B einstellen kann. Oder der Beobachter folgt dem Zeiger mit dem Auge und stoppt die zwei Durchgänge ab. Keinesfalls darf man bei A und B verschiedene Beobachtungs- arten anwenden. Über die Bedeutung psychologischer Faktoren bei derartigen Beob- achtungen ist in der Psychologie der Reaktionsversuche reiches Material gesammelt. Auf diese spezielleren Untersuchungen (motorische und sensorische Einstellung) näher einzugehen, würde hier zu weit führen.

Aus eben diesem Grunde ist es auch unzulässig, einmal den Bewegungsbeginn des Zeigers aus seiner Ruhelage, das andere Mal seinen Durchgang durch einen Skalenteil zu stoppen. Dies wäre auch aus dem oben aufgeführten, rein physikalischen Grunde fehlerhaft.

Die Genauigkeit der Beobachtung unterliegt auch subjektiven Einflüssen. Nach dem Übergange von einer anderen Tätigkeit sind die ersten Beobachtungen im allgemeinen weniger genau als spätere. Während der Beobachter zu Anfang mehr oder minder er- regt ist, vermag er sich erst nach einiger Zeit auf seine Beobachtungstätigkeit zu konzen- trieren. Es empfiehlt sich daher stets, die ersten 5 bis 10 Beobachtungen als Einübung aufzufassen und sie ein für allemal unberücksichtigt zu lassen. Demgegenüber tritt bei angestrengter Beobachtung, beim einen Beobachter früher, beim anderen später, Er- müdung und damit verbunden ein Sinken der Genauigkeit ein. Erholungspausen fordern bei manchen Beobachtern erneute Zeit zur Konzentration. Störungen sind unter allen Umständen fernzuhalten. Messungen, bei denen solche eintraten, sind zu streichen.

Durch Selbstkritik kann man das Ergebnis bei der Mittelwertbildung sehr verbessern, wenn man sich beim Anstoppen wie beim Abstoppen merkt, ob dies sehr früh, früh, gut, spät oder sehr spät (ff, f, g, s, ss) geschieht. Man hat an der Einzelmessung dementsprechende Korrekturen anzubringen.

Systematische Übung erhöht die Leistungsfähigkeit oft beträchtlich.

3. Die Reihenfolge der Beobachtungen.

Hat man der Reihe nach Zeitintervalle zunehmender Größe zu messen, wie z. B. bei der Bestimmung der Halbwertschicht eines Strahlengemisches, wozu man Filter zunehmender Dicke in den Weg der Röntgenstrahlen bringen muß, so ist es besser, bei jedem Einzelfilter eine Beobachtung zu machen und die ganze Reihe mehrmals, wo- möglich vor- und rückwärts, zu wiederholen, als bei jedem Filter mehrmals zu messen und die ganze Reihe nur einmal aufzunehmen. Besteht nämlich ein systematischer zeit- licher Gang, z. B. ein allmähliches Sinken der Intensität der Röntgenstrahlen, die für die Beobachtung als konstant angenommen werden muß, so zeigt sich das bei der ersten Methode, und bei der Mittelwertbildung entsprechender Beobachtungen hebt sich der Fehler heraus, während dies bei der zweiten Methode nicht der Fall ist.

Als Beispiel dafür, wie man die Reihenfolge der Beobachtungen zu wählen hat, diene eine Untersuchung von Friedrich und Körner. Diesen kam es darauf an, die Ioni- sation in verschiedenen Tiefen eines Wasserphantoms zu messen. Hierzu brachten sie in drei aufeinanderfolgenden Versuchsreihen die Fingerhutkammer nacheinander in folgende Tiefen:

Reihe I:in 0 10 2 8 4 6 Dem Tiefe;

II: 0 2 4 5 6 810 , D 5 4 2 0, e

LEI

„uU: „10 8 6

Abstoppmethode und Zweielektrometer-Methode. 289 `

4. Die Mittelwertbildung.

Kann von Einzelbeobachtungen der- Tabelle 45. Ablaufzeiten bei konstanter selben Größe angenommen werden, daß Ionisationsquelle (Radium- y-Strahlprä- ihnen derselbe Grad von Zuverlässigkeit parat). (beobachtet ach’ der dE

methode. zukommt, so stellt das arithmetische Mittel 1 den wahrscheinlichsten Wert dar; deshalb Abgestoppte Sekunden 18.66 18,48 darf man einzelne, besonders abweichende j 5 18,84 18,60 Werte nicht ohne besonderen Grund von d Ve

der Mittelwertbildung ausschließen. = Bezeichnet man mit: SE

n die Anzahl der Einzelbeobach- ar tungen, Ee )

A, A,... A, ihre Abweichungen Reihe vom arithmetischen Mittel,

& die Summe der Fehlerquadrate, d.h. Ze AF + A” +... Av,

so ist der mittlere Fehler

+0,18 , +0,13

+ 0,082 | + 0,057 I 11

der Einzelbeobachtung des Mittelwertes —+ V = E=+ EH DE (85a) n n— 1 n(na—l) yn (85b)

Die wahrscheinlichen Fehler betragen zwei Drittel hiervon.

Tabelle 45 zeigt zwei Beobachtungsreihen gleicher Ablaufzeiten, die durch die ioni- sierende Wirkung eines radioaktiven y-Strahlenpräparates hervorgerufen und abgestoppt wurden.

I. Die Zweielektrometer-Methode.

Sie kann immer dann angewandt werden, wenn man unter Benutzung derselben Röntgenstrahlquelle entweder zwei Geräte oder zwei Intensitäten, wie z. B. die der ge-

filterten und der ungefilterten Strahlung, vergleichen will. Das Tabelle 46. Skalenteile und deren Verhältniszahlen,

Prinzip der. Zesislektiemeten: bestimmt nach der Zweielektrometer- Methode.

Methode ist das, daß man zwei von demselben Brennfleck aus-

Skalenteile

gehenden Röntgenstrahlbündeln Elektrometer I | 60,5 59,7 60,1 60,2 gleichzeitig und gleich lange __ _” 1 | 38,2 38,0 381 33 Zutritt zu den Meßgeräten ver- I/I | 0,632 0636 oun 0,636

schafft. Am einfachsten geschieht

das durch Heben und Senken einer gemeinsamen Bleiklappe. Hierbei heben sich einer- seits Betriebsschwankungen im wesentlichen heraus, anderseits ist dadurch, daß nach Einwirkung der Röntgenstrahlen die stehenden Zeiger abgelesen werden, die Genauig- keit der Ablesung sehr viel größer als beim Abstoppen der Durchgänge. Die unter I, 1 beschriebenen Einflüsse des Geräts kommen nicht in Frage.

Die Zweielektrometer-Methode ist der Abstoppmethode daher an Genauigkeit der Ergebnisse weit überlegen. Bei schwankenden Betriebsbedingungen ermöglicht sie viel- fach überhaupt allein die Beobachtung.

Ist ein Dunkeleffekt (s. XIV. Kap.) vorhanden, so ist zu seiner Ausschaltung die Zeit zwischen den beiden Ablesungen des Geräts, nicht die Ablaufzeit maßgebend.

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 19

290 H. Küstner

Da die Ablaufzeiten bei beiden Elektrometern gleich sind, die Belichtungsbedingun- gen bei dem einen von beiden aber von Fall zu Fall verschieden sind, so werden wenig- stens bei einem von beiden Ausschläge verschiedener Größe auftreten. Es muß also min- destens ein Elektrometer über einen größeren Bereich seiner Skala als Spannungsmesser geeicht sein. Bequemer ist es freilich, wenn das bei beiden Elektrometern der Fall ist. Man ist dann nicht genötigt, die Bleiklappe gerade dann zu schließen, wenn der Zeiger des ungeeichten von seiner Ruhelage A bis zum Skalenteil B gelangt ist, was sich nur bei ziemlicher Übung erreichen läßt und was auch dann nicht bei jeder Einzelbeobachtung gelingt. Wir werden im nächsten Kapitel sehen, wie man ein Elektrometer als Span- nungsmesser eichen kann.

In Tabelle 46 ist eine Meßreihe, bestehend aus 4 Paaren von Einzelablesungen, mit- geteilt. Die Verhältniszahlen unterscheiden sich nur um einige Promille vom Mittelwert.

Vierzehntes Kapitel. Justierung und Fehlerquellen.

Weil eine mangelhafte Justierung in der Regel selbst eine Fehlerquelle darstellt, so ist es ratsam, Justierung und Fehlerquellen gemeinsam zu behandeln.

l. Justierung.

Die Justierung erfolgt im allgemeinen mit Hilfe eines Fluoreszenzschirmes. Marken, die man sich aus Drahtkreuzen, womöglich aus Bleidraht, herstellt, können die Justierung sehr erleichtern. Man muß dabei darauf bedacht sein, diese Justierungsmarken vor Beschädigungen zu schützen; am zweckmäßigsten bringt man sie zwischen Zelluloid- folien an. Ihre Verwendungsmöglichkeit ist von Fall zu Fall so ver- schieden. daß hierüber keine näheren Angaben gemacht werden können.

a) Justierung der Fingerhutkammer.

Die Fingerhutkammer muß sich ganz im Strahlenbündel befin- den. Ihr Schattenbild muß auf dem Fluoreszenzschirm beispielsweise das der Abb. 53 sein.

Bei Fingerhutkammern mit Schwefel als Isolator darf dieser nicht von Röntgenstrahlen getroffen werden (vgl. 3.).

Glocker, Rothacker und Schönleber beobachteten an einer kleinen Ionisationskammer der üblichen Form eine ausgesprochene Abb. 53. Rönt- Abhängigkeit von der Richtung der Röntgenstrahlen: bei Bestrahlung an der in axialer Richtung war die Ionisation 2—3mal so stark als in Rich- Re on tung senkrecht dazu. Während Friedrich an seiner Fingerhutkammer Röntgen-Dosis. und Holfelder, Bornhauser und Yaloussis an derjenigen des

messers. Siemens-Dosismessers keinen derartigen Richtungseffekt feststellen

konnten, wurde nach einer Angabe Glockers seine Beobachtung von anderer Seite bestätigt. Da die Unabhängigkeit der Ionisation von der Bestrahlungs- richtung für die Messung der Tiefendosis im Wasserphantom von Bedeutung ist, so muß man sich bei der Anschaffung einer Fingerhutkammer davon überzeugen, ob sie diese Bedingung erfüllt.

b) Justierung der großen Kammer.

Die große Kammer wird nur von einem schmalen Strahlenbündel durchsetzt. Grund- sätzlich erfolgt die Begrenzung desselben nur durch eine Blende. Ihr Abstand vom

Justierung und Fehlerquellen; Blenden- und Filterstellung 291

Brennfleck ist der maßgebende Abstand a. Andere Blenden dienen nur dazu, um un- gewollte Strahlungen fernzuhalten, deren Quelle nicht der Brennfleck ist, so z. B. die von der Glaswand des Röntgenrohres, von der Luft, von den Filtern oder von der Begren- zungsblende selbst ausgehenden Streustrahlen, sowie die Stielstrahlung. Diesen Hilfs- blenden ist daher grundsätzlich ein Lochdurchmesser D zu geben, der größer ist als der Querschnitt desjenigen Strahlenbündels, welches, entsprechend den ausgezogenen Linien der Abb. 54, einerseits durch den Lochquerschnitt q der Hauptblende H im Brennfleck- abstand a und anderseits durch die gesamte Antikathodenoberfläche begrenzt wird. Hier-

richtig!

falsch’

Ab. 54. Strahlengang bei richtiger Anordnung der Abb. 55. Strahlengang bei falscher Anordnung Blenden. der Blenden.

durch wird erreicht, daß auch bei Verschiebungen des Brennflecks über die ganze Anti- kathodenoberfläche das Primärstrahlbündel die Ränder der Löcher D niemals treffen und an ihnen Streustrahlung auslösen kann, die als Zusatzstrahlung die Ionisation in der Kammer in unerwünschter Weise erhöht. Eine Begrenzung des Primärstrahlbündels durch zwei enge Blenden vom Lochquerschnitt q, wie das in Abb. 55 dargestellt ist, wäre fehlerhaft. Denn bei dieser Anordnung gelangt nur ein kleiner Teil der vom Brenn- fleck ausgehenden Strahlung in die Kammer. Stellt man eine Loch- blendenaufnahme des Brennflecks einer Glühkathodenröhre her, so zeigt dieser im allgemeinen eine Struktur, welche den Windungen

der Glühspirale mehr oder minder ähnelt. Bei einer geringen Brenn- Köntgenstrahlen=> fleckverschiebung, die durch Änderung der Röhrenspannung oder | durch Ausdehnung des Antikathodenstiels infolge seiner Erwärmung Si verursacht sein kann, muß daher bei zwei engen Blenden eine Strah- N

lung in die Ionisationskamnier gelangen, die von verschiedenen Stellen Abb. 56. !Koni-

des Brennflecks ausgeht und somit von sehr verschiedener Intensität sche Blendenboh- sein kann rung zur Unter- S 8 S drückung der Um die an den Lochrändern der Hauptblende H ausgelöste Se- Blendenstren-

kundärstrahlung auf ein Minimum herabzudrücken, empfiehlt es sich, strahlung. dem Loch q eine schwach konische Begrenzung zu geben (Abb. 56),

deren enge Öffnung dem Brennfleck zugekehrt ist. Die zwischen der Hauptblende H und der Ionisationskammer angeordnete Hilfsblende B dient zur Unterdrückung der von H ausgehenden Sekundärstrahlung. Sie ist um so wirksamer, je größer ihr Ab- stand b von der Hauptblende im Vergleich zum Durchmesser ihres Loches D ist. Die Stielstrahlung wird um so wirksamer unterbunden, je näher die erste Hilfsblende B dem Brennfleck ist.

2. Filteranordnung.

Bringt man das Filter in der Nähe der Ionisationskammer an, gleichviel, ob dies eine große oder eine Fingerhutkammer ist, so kann man hierdurch das Ergebnis stark fälschen. Denn man mißt alsdann einen großen Teil der Streustrahlung mit, die vom Filter ausgeht.

Die Größe dieses Filterfehlers ergibt sich deutlich aus einem Versuch von Krönig und Friedrich. Diese unterwarfen die mit 40 cm paralleler Funkenstrecke erzeugte Röntgenstrahlung einmal einer Filterung von 3mm Aluminium, einmal einer solchen

19*

292 H: Küstner

Tabelle 47. Einfluß der Filterstellung auf die

Messung der Schwächung in Prozenten der auf- fallenden Strahlung nach Krönig und Friedrich.

Reststrahlengemisch: 40 cm Parallelfunkenstrecke und 3 mm Aluminium

Das Filter von 5mm Aluminium befand sich

von l mm Kupfer. In 50cm Brenn- fleckabstand brachten sie eine Fin- gerhutkammer an und untersuchten, um wieviel Prozent ihres Anfang- wertes die obigen Reststrahlen- gemische geschwächt wurden, wenn sie dieselben mit weiteren 5 mm Aluminium filterten und hierbei

in halbem Fokusabstand 48% 2900 , É , : vorsder Tonal ons kan S dieses Filter einmal in die Mitte mer . 41% 21,595 zwischen Brennfleck und Ionisations-

kammer, das andere Mal unmittel- bar vor die letztere brachten. Das Ergebnis zeigt Tabelle 47. Der Unterschied beträgt in Prozenten der durchgelassenen Strahlung bei dem mit 3 mm Aluminium gefiltertem Reststrahlengemisch 14,5%, bei dem mit 1 mm Kupfer gefilterten 16%. Aus diesem Grunde ist ein Hauptgesetz für Filtermessungen: das Filter weg von der lonisations- kammer!

Glocker hat unter der Annahme gleichmäßiger Ausbreitung der vom Filter aus- gehenden Sekundärstrahlung berechnet, daß deren Einfluß auf die gemessene Ionisation bei Mittelstellung des Filters zwischen Brennfleck und Ionisationskammer ein Minimum wird. Wie wir im III. Kapitel sahen, breitet sich aber die Streustrahlung um so mehr in Primärstrahlrichtung aus, je größer deren Härte ist. Wenn daher das Minimum für die Mittelstellung quantitativ auch nicht eintreten wird, so bleibt trotzdem bestehen, daß die Zusatzstrahlung durch das Filter bei Mittelstellung weitaus geringer sein wird als bei Kammernähe, und es wäre deshalb zweckmäßig, sich bei Filtermessungen stets auf die Mittelstellung zu einigen, weil man dadurch reproduzierbare Verhältnisse schafft.

3. Der Bleischutz der Meßanordnung.

Abgesehen von der Ionisationskammer müssen alle Teile, in denen ebenfalls Ioni- sation entstehen kann, vor ungewollter Strahlung geschützt sein. Es ist das vor allem derjenige Luftraum, der in Abb. 57, welche eine Jonisationseinrichtung schematisch darstellt, durch Schraffierung hervorgehoben ist.

Bei vielen Dosimetergeräten ist das Kabel, welches die Fingerhutkammer mit dem Elektrometer verbindet, selbst mit Luft gefüllt. Es ist daher wichtig, dieses Kabel, welches selbst meist keinen hinreichenden Schutz gegen ungewollte Strahlung bietet, wenigstens an seinen biegsamen Stellen durch Hüllen aus Blei oder Bleigummi zu schützen. Unter- lassungen können hier zu schr großen Meßfehlern führen, da der Luftraum der Fingerhut- kammer selbst meist nur klein ist im Vergleich zum Luftinhalt des Kabels. Bei großen Kammern ist sorgsam die Kammer selbst, das Elektrometer und die Verbindungsleitung zwischen beiden mit einem hinreichenden Strahlenschutz aus Blei zu umhüllen, welcher nur durch Löcher von genügendem Durchmesser dem Strahlenbündel gerade Raum zum Ein- und Austritt bietet. Diese Maßnahme ist, wegen stets im Raume vorhandener Streustrahlung, unerläßlich. Ein Beispiel für derartigen Strahlenschutz gibt das Standard- gerät Abb. 40.

Grebe konnte zeigen, daß der Schwefel, der im Dunkeln einen guten Isolator dar- stellt, bei Bestrahlung mit Röntgenstrahlen eine erhebliche Zunahme seiner Leitfähigkeit

ZS D EH EE

Abb. 57. Bei unzureichendem Blei- schutz findet in den schraffierten Luft- räumen ungewünschte Ionisation statt.

Bleischutz; Isolations- und: Dielektrikumsfehler 293

zeigt, die die Größenordnung des Ionisationsstromes einer kleinen Kammer erreicht. Zum Nachweis dieser Fehlerquelle diente ein Aluminiumkasten von 4x 4x 1cm? Inhalt; er enthielt eine Innenelektrode von 3 xX 3 cm? Fläche, die mit dem Elektrometer verbunden war. Das Innere des Kastens war mit Schwefel gefüllt. Es zeigte sich, daß die Leitfähigkeit des Schwefels proportional der Intensität der Röntgenstrahlen zunimmt. Das Verhältnis zwischen der Leitfähigkeit des Schwefels und der Ionisation an Luft er- wies sich als unabhängig von der Härte der Röntgenstrahlen. Schwefelisolation einer Fingerhutkammer kann daher zu erheblichen Meßfehlern führen, wenn man den Schwefel bei der Justierung nicht sorgsam vor Bestrahlung schützt.

Vor Beginn jeder Beobachtung hat man sich davon zu überzeugen, ob der Bleischutz ausreichend ist. Dies geschieht durch Ausblenden des wirksamen Querschnitts q des Bündels möglichst unmittelbar vor der Ionisationskammer, und zwar bei der intensivsten Strahlung und höchsten Spannung, die für die Untersuchung in Frage kommt. Hierzu `

S ? Abb. 58. Prüfung auf ausreichen- Abb. 59. Prüfung auf ausreichen- den Bleischutz bei der großen den Bleischutz bei der Kammer. Fingerhutkammer.

bedient man sich am besten eines Bleischirmes S von mindestens 5 mm Dicke (Abb. 58 und 59), dessen Umrandung diejenige von q höchstens um 1 mm überragen soll. Die hier- bei auftretende Ionisation muß verschwindend klein bleiben im Vergleich zu jeder bei der Messung beobachteten, wenn der Strahlenschutz als ausreichend gelten soll.

4. Isolations- und Dielektrikumsfehler.

Beide sind von Krönig und Friedrich eingehend untersucht worden.

a) Der Isolationsfehler.

Bei ungenügender Isolation der Anordnung wird sich diese auch von selbst ohne Einwirkung der Röntgenstrahlen entladen oder aufladen. Der Mangel an Isolation kann auf Unsauberkeit der Bernsteinisolatoren, bei Gummikabeln auf Unsauberkeit von deren Endstellen oder auf Brüchigkeit derselben durch zu hohes Alter oder auch auf Luftfeuchtigkeit beruhen. Bei Unsauberkeit und Feuchtigkeit hilft am besten Abreiben mit reinem Äther und Nachpolieren mit einem ganz fettfreien Tuch. Zu alte Gummi- kabel sind auszutauschen.

Vor jeder Messung hat man sich von der Isolation der Anordnung zu überzeugen. Um sich zweifelsfrei vor Ionisationswirkungen zu schützen, stellt man die Röntgen- maschine ab. Zur Prüfung legt man Sättigungsspannung an. Die Isolation ist nur dann hinreichend, wenn der Selbstablauf des Instrumentes verschwindend klein bleibt im Vergleich zu jedem während der Messung beobachteten Ablaufe.

b) Der Dielektrikumsfehler.

Eine ebenfalls auf dem Ionisationsmaterial beruhende Fehlerquelle ist die, daß die Ladung des Elektrometersystems allmählich in das isolierende Material hineinkriecht, um während der Messung wieder aus ihm herauszukriechen. Um sich ein Bild von der

294 H. Küstner

Größe dieser Fehlerquelle zu verschaffen, haben Krönig und Friedrich eine Reihe von Versuchen angestellt, bei denen sie die Elektrizitätsmenge, die während der ver- schiedenen, für die Messungen in Betracht kommenden Zeiten in das Isoliermaterial hinein- bzw. herauskroch, bestimmten. Hierbei spielt natürlich die Güte der Isolation eine Rolle.

Bei Kurve I der Abb. 60 wurde die Entladung des nach langer Pause frisch auf- geladenen Elektrometers von 5 zu 5 Minuten beobachtet. Während 100 Minuten zeigt sich ein Ladungsverlust um mehr als die Hälfte der zwölfteiligen Skala: die Ladung kriecht von dem Elektrometer in den Isolator.

Vor Aufnahme der Kurve II war das Gerät 5 Stunden lang in völlig geladenem Zustande bis zum Teilstrich 0 gehalten worden. Hier zeigt sich während 100 Minuten ein Ladungsverlust von etwa zwei Skalenteilen: durch die voraufgegangene Aufladung ist der Isolator bereits so stark mit Elektrizität angefüllt, daß er dem Elektrometer- system während 100 Minuten nur noch eine geringe Ladung zu entziehen vermag.

Wurde das Gerät 5 Stunden lang auf Ladung gehalten und dann möglichst schnell völlig entladen, so ergab die anschließende Beobachtung Kurve III. Die Ladung kriecht hier aus dem Isolator auf das System zu- rück. Indessen zeigt sich hier nach etwa 50 Minuten angenäherter Stillstand.

Vor Aufnahme der Kurve IV wurde das Elektrometer lange Zeit aufgeladen und dann nur bis zur Hälfte entladen. Die an- schließende Beobachtung zeigt nur noch

0 10 20 30 A0 50 60 70 80 90 100 einen Gang um weniger als einen Skalenteil.

Minuten Ein- und Auskriechen der Ladung halten Abb. 60. Isolations- und Dielektrikumsfehler des sich hier annähernd das Gleichgewicht. Iontoquantimeters von Krönig und Friedrich. Die Beobachtungen von Krönig und Friedrich lehren, daß Vernachlässigung der Dielektrikumseigenschaften bei sehr langsam ablaufenden Instrumenten zu sehr großen Fehlern führen kann. Bei den meisten heute gebräuchlichen Dosimetergeräten erfolgt der Ablauf in wenigen Sekunden und der Dielektrikumsfehler wird deshalb inner- halb der Einzelmessung keine Rolle spielen. Immerhin wird man sich über seinen Einfluß durch Versuche, wie sie Krönig und Friedrich anstellten, Rechenschaft ab- zulegen haben.

Wie wir im XV. Kapitel sehen werden, sind Geräte vom Typ A und B frei vom Isolations- und Dielektrikumsfehler. Aber nur wenige der gebräuchlichen Dosimeter- geräte sind von diesem Typ.

5. Der Dunkeleffekt.

Die unter 3. und 4. behandelten Einflüsse: unzureichender Strahlenschutz, man- gelnde Isolation und der Dielektrikumsfehler bedingen eine Anzeige des Gerätes auch ohne Bestrahlung der Ionisationskammer. Wir wollen sie unter dem Namen ‚Dunkel- effekt“ zusammenfassen.

Läßt sich der Dunkeleffekt nicht völlig unterdrücken, so muß man ihn durch eine Korrekturrechnung ausschalten. Ist Jẹ die wahre, Jp die beobachtete Intensität und täuscht der Dunkeleffekt eine Intensität J) vor, so ist

J = dr Jp.

Dunkeleffekt; elektrostatischer Schutz und Erdung 295

Die durch den Dunkeleffekt bewirkte Ablaufzeit zwischen den Skalenteilen A und B betrage tp Sekunden, diejenige bei Bestrahlung zwischen denselben Skalenteilen tp, während der wahren Ionisation die Ablaufzeit tẹ entsprechen möge. Da die Ablauf- zeiten umgekehrt proportional den Intensitäten sind, so gilt

1 te tp u tp = tp tp’ = oder Ei p’tp ty = —————. 87 nen (87)

Ein Beispiel erläutere die Ausführung.

Zwischen den Skalenteilen A und B beträgt der Dunkeleffekt 115 Sekunden, wäh- rend man bei Bestrahlung 7 Sekunden mißt.

Dann ist die wahre Ablaufzeit

7.115 805 ty = HESS = 108 = 7,46 Sekunden,

und die wahre Intensität ist proportional

6. Der elektrostatische Schutz und die Erdung.

Nach dem bekannten Versuch von Faraday ist es unmöglich, ein Elektrometer, das sich in einer allseitig geschlossenen, metallischen Umhüllung befindet, dadurch auf- zuladen, daß man der Umhüllung eine Ladung erteilt. Denn sobald sich diese mit- geteilte Ladung verteilt hat, befindet sie sich nur an der Oberfläche der Umhüllung. In ihr Inneres greifen keine Kraftlinien ein.

Besitzt die Umhüllung demgegenüber eine Öffnung, die frei oder mit einem Isolator bedeckt ist, so kann das in ihrem Innern befindliche Elektrometer starke Ladungen erhalten. Denn durch die Öffnung können Kraftlinien aus der Umgebung in das Innere der Umhüllung und damit auf das Elektrometer übergreifen. Noch schlimmer ist es, wenn ein Teil der Umhüllung isoliert ist; denn dann kann sich die mitgeteilte Ladung nicht über die ganze Oberfläche ausbreiten, und das Elektrometer steht dann gleichsam im Innern eines Kondensators.

Die im Handel befindlichen Dosimetergeräte sind im allgemeinen mit einer gut leitenden, die ganze Anordnung umschließenden metallischen Umhüllung versehen. Eine Öffnung, die mit einem Isolator bedeckt ist, stellt aber das Glasfenster dar, durch das man Zeiger und Skala beobachtet. Hier ist ein Eingang für Störungen zu suchen. Denn wenn man das Gerät in die Nähe der Hochspannungsleitung bringt, so muß man damit rechnen, daß durch Influenz oder Überkriechen von Ladungen dauernd eine Auf- ladung seiner Umhüllung stattfindet. Um sich vor dieser Fehlerquelle zu schützen, empfiehlt es sich, das Fenster mit einem ganz feinmaschigen Drahtnetz zu überdecken, das noch genügenden Durchblick gewährt und mit der Umhüllung in gut leitender Verbindung stehen muß.

Ob die Verbindung der leitenden Umhüllung eine Unterbrechung erlitten hat, läßt sich leicht mit einem elektrischen Läutewerk in derselben Weise feststellen, wie man Sicherungen darauf prüft, ob sie durchgebrannt sind.

296 H. Küstner

Der oben angeführte Faradaysche Versuch gilt für ruhende Ladungen. Die Ver- hältnisse liegen bei unseren Dosimetern, vor allem bei solchen, die durch ein Kabel eine besonders langgestreckte Form besitzen, insofern etwas anders, als vermöge der induzierenden und influenzierenden Wirkung des hochgespannten Wechselstromes dauernd Ladungen auf der Umhüllung des Meßgerätes entlangfließen. Es ist nicht ohne weiteres zu überblicken, ob hierdurch ein Ausschlag des umhüllten Elektrometers be- dingt werden kann. Um dies zu prüfen, ließ der Verfasser, wie dies in Abb. 61 dargestellt ist, die Entladung eines Funkeninduktors in Form eines prasselnden Funkenbandes ihren Weg über das mehrere Meter lange Kabel eines Iontoquantimeters von Reiniger, Gebbert & Schall nehmen. Es zeigte sich hierbei auch nicht der geringste Aus- schlag. Man wird hieraus den Schluß ziehen dürfen, daß, zum wenigsten bei diesem Gerät, Ladungen, die unter dem Einfluß der Hochspannungsleitung auf der Umhüllung des Gerätes hin und her fließen, ohne Einfluß auf die Angaben des Instruments sind.

Man begegnet immer wieder in der Literatur der Angabe, daß, um Störungen der Messung zu vermeiden, die Umhüllung des Gerätes geerdet sein müsse. Nach dem Ge- sagten vermag eine solche Erdung vorhandene Störungen nicht zu beseitigen. Denn sie ver- mag es nicht zu verhindern, daß unter Ein- wirkung der Hochspannung Ladungen auf der Umbhüllung des Gerätes hin und her fließen. Ebensowenig kann sie das Eingreifen von Kraft- a Ba: EEN linien durch das Glasfenster unterbinden. Ab- S en hilfe gegen Störungen sind daher in der oben

Wechselstrom. angegebenen Richtung zu suchen. Erdung des Gerätes ist demgegenüber zum Schutze des Beobachters vor elektrischen Schlägen unerläßlich. Springt ein Funke von der Hochspannungsleitung auf das Gerät über, so kann der Strom alsdann auf direktem Wege zur Erde abtließen, während bei nichtvorhandener oder unzureichender Erdung des Gerätes Gefahr besteht, daß die Entladung über den Körper des Beobachters erfolgt.

Zeigt es sich, daß ein Gerät nur nach Anlegen der Erdung störungsfrei arbeitet, so ist das ein Beweis für Fehlerhaftigkeit seines elektrostatischen Schutzes. Ehe man diesen Fehler nicht gefunden und beseitigt hat, sind die Angaben des Gerätes auch bei Erdung unbrauchbar.

SR 7 & E E H. ll ll,

T. Sättigung.

Daß Sättigung Vorbedingung für die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse ist, wurde schon wiederholt auseinandergesetzt.

Fünfzehntes Kapitel.

Die Meßgeräte.

Sättigung ist die Vorbedingung für richtige Ionisationsmessung. Um diese zu er- halten, muß eine verhältnismäßig hohe Spannung zwischen der Kammerwand und der Meßelektrode vorhanden sein. Dies gilt, ganz gleichgültig, nach welcher Methode die Messung durchgeführt wird. Während sich nun alle im XIV. Kapitel aufgeführten Fehlerquellen durch hinreichende Vorsichtsmaßregeln ausschalten lassen, hängt der Isolations- und Dielektrikumsfehler von dem Isolator zwischen Meßelektrode und

Meßgeräte nach dem Schutzringprinzip 297

Kammerwand ab. Inwieweit er im Einzelfall unterdrückt wird, kommt auf die Kon- struktion der Meßanordnung an. Wir müssen deshalb ganz allgemein zwei Konstruktions- prinzipien unterscheiden.

l. Vermeidung von Isolations- und Dielektrikumsfehlern durch das Schutzringprinzip.

Prinzip: Die Isolatoren, welche die Elektrode tragen, deren Aufladung gemessen werden soll, liegen stets nur zwischen sehr kleinen Spannungsunterschieden von wenigen Volt.

Ausführung A (Abb. 62). Die hohe Sättigungsspannung zwischen der Außenwand der Ionisationskammer K und der Meßelektrode E wird von den Isolatoren i aufge- nommen. Diese befinden sich zwischen der Kammerwand und dem in’ diesem Falle zylinderförmigen ‚Schutzring‘‘ S, der mit der Elektrometerhülle und der Erde in Ver-

Ausführung A Ausführung Ra Ausführung B, A

Abb. 62. Ionisationsgerät Abb. 63. Ionisationsgerät Abb. 64. Ionisationsgerät Typ A nach dem Typ Ba nach dem Typ Bb nach dem Schutzringprinzip. Schutzringprinzip. Schutzringprinzip.

bindung steht. Für Isolation zwischen E und S sorgt der Isolator J. Vor der Messung ist E durch den Kontakt C mit S verbunden und daher geerdet. Zur Messung wird C geöffnet und E ladet sich durch die Ionisation um einige Volt auf, die bei hinreichender Empfindlichkeit des Elektrometers einen Ausschlag über die ganze Skala bewirken können.

Als Beispiel für diese Ausführung diene das Standardgerät (Abb. 40).

Für manche Zwecke, so z. B. bei einer Fingerhutkamera, die in Körperhöhlen ein- geführt werden soll, ist es ein Nachteil dieser Ausführung, daß die Kammerwand an Sättigungsspannung liegt. Dies wird vermieden durch

Ausführung B. Hierbei ist die Wand der Kammer K mit der Elektrometerhülle verbunden und geerdet. Die Isolatoren i, welche wiederum die Sättigungsspannung aufnehmen, befinden sich wieder zwischen der Kammerwand und dem Schutzring S, welcher bei dieser Ausführung aber an Sättigungsspannung liegt. Vor Beginn der Messung ist die Meßelektrode E durch den Kontakt C mit S verbunden. Bei der Ausführung Ba (Abb. 63) entspricht der Ausschlag des Elektrometers vor Beginn der Messung also der vollen Sättigungsspannung. Zur Messung wird C geöffnet und E erleidet infolge der Ionisation einen Ladungsverlust, der einigen Volt entspricht. Bei dieser Ausführung ist also nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Skala, entsprechend dem Rückgang der Sättigungsspannung um einige Volt, zur Messung verwendbar. Um diesen Nachteil zu beheben, kann man bei der Ausführung B, b (Abb. 64) den Schutzring S durch Er-

298

H. Küstner

weiterung nach unten hin zur Elektrometerwand ausbilden. Dann liegt zwischen dieser und E durch Schließen des Kontaktes C vor der Messung kein Spannungsunterschied

Abb. 65. lIonisationsgerät Typ Bb nach dem Schutz- ringprinzip, mit Kabel.

und bei Öffnen von C ladet sich E durch die Ionisation um einige Volt auf, die bei hinreichender Empfindlichkeit des Elektrometers einen Ausschlag über die ganze Skala be- wirken können.

Die Ausführung B eignet sich für Fingerhutkammer mit Kabelverbindung zum Meßgerät; als Beispiel hierfür diene Abb. 65, welche der Ausführung B, b entspricht. Freilich muß man hier für die Gewißheit, den Ionisations- und Di- elektrikumsfehler zu unterdrücken, eine konstruktionelle Kom- plikation in Kauf nehmen: das Kabel muß aus drei vonein- ander isolierten Leitern bestehen, die einander umhüllen, nämlich der Elektrode E, der auf Sättigungsspannung liegen- den Schutzhülle S und dem metallischen Panzer des Kabels, der mit der Umhüllung der ganzen Anordnung und der Erde in Verbindung steht und möglichst gut mit Blei geschützt, sein soll.

In den hier besprochenen Fällen mit Ausnahme von B, a muß das Elektrometer schon bei wenigen Volt einen hin- reichenden Ausschlag zeigen, also ziemlich empfindlich sein. Aus diesem Grunde wird man sich im allgemeinen zur Er- zeugung einer gut konstanten Sättigungsspannung einer Bat- terie B bedienen müssen, die am einfachsten aus Trocken-

elementen besteht; die Lichtleitungtläßt sich meist deshalb nicht verwenden, weil sich Netzschwankungen zu stark auf das hochempfindliche Elektrometer durch Influenz

IHI, Erde

Abb. 66. Ionisationsgerät

ohne Schutz gegen Isola-

tions- und Dielektrikums- fehler.

übertragen, und elektrostatische Aufladung läßt sich meist während der erforderlichen Beobachtungszeit nicht hin- reichend konstant halten.

2. Geräte ohne Ausschaltung der Isolations- und Dielektrikumsfehler.

Prinzip: Die Isolatoren, welche die Meßelektrode tragen, liegen zwischen der gesamten Sättigungsspannung. Gegen überkriechende Ladungen und Dielektrikumsfehler besteht deshalb kein Schutz.

Die wegen ihrer Einfachheit meist angewandte Aus- führungsform zeigt Abb. 66. Elektrometerhülle und Kammer- wand sind geerdet, und die Meßelektrode wird vor Beobach- tungsbeginn durch den Kontakt C auf Sättigungsspannung geladen. Das Elektrometer zeigt deshalb zu Anfang einen Ausschlag, der durch die Ionisation und den damit verbun-

denen Ladungsverlust von E zurückgeht. Hierbei sinkt der Spannungsunterschied zwi- schen Eund K, und man darf deshalb den Rückgang der Ladung nur solange zur Messung ausnutzen, als der jeweilig vorhandene Spannungsvorrat zur Sättigung ausreicht.

3. Aufladevorrichtungen.

a) Netzspannung. Bei Gleichspannung kann diese zur Aufladung dienen. Um eine beliebige Spannung herzustellen, bedient man sich meist der ‚Potentiometeranordnung“

Meßgeräte ohne Schutzringprinzip; Aufladevorrichtungen 299

(Abb. 67). Zwischen die Pole der Lichtleitung wird ein Regulierwiderstand von einigen tausend Ohm gelegt; man kann von diesem eine beliebige Spannung abgreifen und sie an einem Voltmeter ablesen. Zum Schutz des Elektrometers vor Kurzschluß dient ein Schutzwiderstand S von einigen Millionen Ohm, z.B. ein Silitwiderstand.

b) Batterie. Diese kann aus kleinen Akkumulatoren oder Trockenelementen be- stehen. Beide halten den Stromverbrauch einer Potentiometeranordnung in der Regel nicht aus. Um die Spannung beliebig variieren zu können, muß man an jedem beliebigen Element anschließen können. Ein Schutzwiderstand S ist ebenfalls unerläßlich.

Es ist ein Vorzug solcher Batterien, daß man sie durch eine metallische, geerdete Umhüllung elektrostatisch schützen kann.

c) Aufladevorrichtung nach Brenzinger. Das Prinzip derselben ist folgendes: Ladet man einen Kondensator der Kapazität C mit Hilfe einer Gleichspannungsquelle

Abb. 67. Potentiometeranordnung. Abb. 68. Aufladevorrichtung nach Brenzinger.

(Netz, Batterie) auf die Spannung v auf, so ist die auf ihm vorhandene Elektrizitäte- menge L

L=C-.v. (88) Verkleinert man nach Entfernen der Spannungsquelle die Kapazität des Kondensators auf den Wert c, so besteht die Beziehung:

L=c-V. (89) Da die Elektrizitätsmenge L hierdurch nicht verändert wurde, so muß Cv=c-’V (90) sein und die Spannung ist auf den Wert VK S (91)

gestiegen. Ein Kondensator besteht in seiner einfachsten Ausführung aus zwei Metall- platten, die durch einen Isolator getrennt sind. Man verkleinert die Kapazität eines solchen am einfachsten dadurch, daß man die Platten auseinanderzieht. Die Ausfüh- rung von Brenzinger ist in Abb. 68 dargestellt. Das Metallgehäuse G ist unten durch die Metallscheibe S, abgeschlossen und durch die Klemme E geerdet. Eine zweite Metallscheibe S, kann durch den isolierten Druckknopf L gegen den Isolator D ge- preßt werden. In niedergedrücktem Zustande steht S, durch den Hebel H über die Kontaktschraube KS und den Steckkontakt St mit der Spannungsquelle in Verbindung und wird dadurch aufgeladen. Vermindert man den Druck auf L, so hebt sich S}, H löst sich von KS und die Spannung steigt mit der Entfernung von S,. Bei einem geeigneten Spannungswerte kann man durch Niederdrücken des Knopfes K eine Ver- bindung zwischen S, und A und auf diesem Wege mit dem Elektrometer herstellen, welches hierdurch aufgeladen wird.

300 H. Küstner

Um die Anordnung auch bei Wechselstromnetz gebrauchen zu können, ist die Glühlampe, die zur Beleuchtung des Elektrometers dient, durch Anbringen eines dritten Kontaktes als Glühventil ausgebildet.

d) Aufladung durch Reibungselekterisiermaschine. Sehr viele Geräte besitzen eine kleine Reibungselektrisiermaschine. Eine vielfach gebrauchte Ausführungsform ist die folgende. Durch Drehen an einer Kurbel wird eine kleine Hartgummiwalze an einem Isolierstoff gerieben. Die hierbei entstandene elektrische Ladung wird durch Druck auf einen Knopf dem Elektrometer mitgeteilt. Vor der Inbetriebnahme und bei feuchtem

Wetter empfiehlt sich Ab-

Ruhestellung reiben der Walze mit einem

Ladung seidenen Lappen. In gutem

Zustande erhält die Maschine

ihre Ladungsfähigkeit tage-, ja monatelang.

an aneyu.

4. Ablaufende Elektro-

metergeräte.

Die Meßmethode ist die im XIII. Kapitel entwickelte.

Vollständigkeit bei der Auf- zählung dieser Geräte ist nicht möglich. Es können daher nur £rde einige in Deutschland beson- e STE ders gebräuchliche Instru- mente aufgeführt werden.

a) Einfadenelektrometer.

-- Blei

- Aluminium Für wissenschaftliche Unter- suchungen eignen sich diese 5 am besten in der Ausführung

mit Schneiden veränderlichen Abstandes nach Lutz und Quarzfadenaufhängung verän-

J derlich einstellbarer Spannung

nach Wulf. Die Bewegung

Abb. 69. Ionimeter nach Martius von C. H. F. Müller mit des Fadens, der aus einem Finfadenelektrometer nach Grebe. Platindraht von 1 bis 5 Tau-

sendstel Millimeter Dicke be-

steht, wird an einem Mikroskop von etwa hundertfacher Vergrößerung abgelesen. Die Fadenbewegung erfolgt im elektrischen Felde zwischen den Schneiden S, und S,, die durch zwei Batterien auf entgegengesetzt gleicher Spannung gehalten werden. Die Vorzüge dieses Elektrometers sind folgende:

seine Empfindlichkeit läßt sich innerhalb eines außerordentlich großen Bereichs

beliebig ändern;

sein Ausschlag ist für die ganze Skala weitgehend proportional der Spannung;

seine Einstellung erfolgt momentan (trägheitslos);

seine Kapazität ist sehr klein.

Das Standardgerät bedient sich dieses Elektrometers; es ist in Abb. 40 wieder- gegeben.

Ablaufende Elektrometergeräte nach Grebe und Martius (C. H. F. Müller) 301

b) Zweifadenelektrometer nach Wulf mit Quarzfadenaufhängung. Die Aufladung beider unmittelbar nebeneinander ausgespannter Fäden bewirkt eine gegenseitige Ab- stoßung und eine Anziehung derselben durch die geerdeten Elektrometerwandungen. Die Einstellung der Fäden wird im Mikroskop abgelesen. Ihre Einstellung erfolgt ebenfalls momentan, aber die Empfindlichkeit ist geringer als die eines Einfaden- elektrometers. Sein Vorzug ist, daß es einer Hilfsbatterie zum Aufladen der Schneiden nicht bedarf. Krönig und Friedrich bedienten sich desselben bei ihren grundlegenden Untersuchungen.

H

$ P t 3 A d w A

Abb. 70. Ionimeter nach Martius von C. H. F. Müller mit Einfadenelektrometer nach Grebe, Außenansicht.

Ein weiterer Vorzug aller Fadenelektrometer ist ihre große Unempfindlichkeit gegen Stoß.

c) Das Einfadenelektrometer von Grebe zeichnet sich durch Einfachheit und Billigkeit aus. Sein Faden besteht aus einem etwa ein zweihundertstel Millimeter dicken, platinierten Quarzfaden. Dieser ist (Abb. 69) in etwa 1 mm Abstand von der Messing- platte P leicht gekrümmt mit seinen Enden an zwei Klötzchen befestigt. Bei Auf- ladung des Systems wird der Faden von der Platte abgestoßen und seine Bewegung wird im Mikroskop M beobachtet.

d) Das lonimeter nach Martius von C. H. F. Müller bedient sich des Elektro- meters nach Grebe. Am Boden desselben ist ein Aluminiumrohr senkrecht angebracht, welches einen Bleischutz, die Schwefelisolation und die Innenelektrode enthält und an seinem unteren, geschlossenen Ende als Fingerhutkammer ausgebildet ist. Diese

302 H. Küstner

taucht in ein Wasserphantom. Durch Verschie- bung des Elektrometers mit seiner Fingerhut- kammer gemeinsam längs einer Skala kann man bei horizontalem Strahlengang die Ionisation in verschiedener Tiefe unter der senkrechtstehen- den Wasseroberfläche messen (Abb. 69 und 70).

e) Das Ionometer nach Wulf von Koch & Sterzel (Abb. 71) bedient sich des Einfaden- elektrometers nach Wulf. Sein Faden wird durch eine Glühlampe auf eine lichtgeschützte Mattglasscheibe projiziert, welche die Skala trägt. Die Fingerhutkammer besteht aus Kohle und kann entweder starr oder durch ein Kabel mit dem Elektrometer verbunden werden.

Ein besonderer Vorteil dieses Gerätes ist der, daß sich die Reibungselektrisiermaschine für die Aufladung vor und nach dem Drehen an der Kurbel selbsttätig an- und abschaltet. Hierdurch läßt sich der Faden mit großer Leichtigkeit auf jede beliebige Stelle der Skala bringen.

f) Das Iontoquantimeter von Reiniger, Gebbert & Schall besitzt ein Zeigerquadrant- elektrometer. Abb. 72 zeigt das Gerät, Abb. 73 seine Skala. Die Fingerhutkammer besteht aus Aluminium von 0,25 mm Dicke und ist durch Abb. 71. Ionimeter mit Einfadenelektro. ein Kabel mit jenem verbunden. Die Isolation meter nach Wulf von Koch und Sterzel. des in Paragummi eingebetteten Kabels wird

durch Bernsteinpfropfen bewirkt.

g) Das Dosimeter von Friedrich (Abb. 74) besitzt eine Fingerhutkammer aus graphitiertem Horn, die durch ein gummiisoliertes Kabel ebenfalls mit einem Zeiger-

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Abb. 72. Iontoquantimeter von Reiniger, Gebbert und Schall.

elektrometer verbunden ist. Durch Wahl der Größe, der Wandstärke und des Materials der Ionisationskammer ist ein Parallelgehen von biologischer Wirkung und Messung

Geräte von Koch und Sterzel; Reiniger, Gebbert und Schall; Friedrich 303

3

C Ko O O U D

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Abb. 73. Skala des lontoquantimeters von Reiniger, Gebbert und Schall.

Abb. 74. Dosimeter nach Friedrich.

304 H. Küstner

innerhalb eines gewissen Härtebereiches erreicht. Das Gerät ist nach Friedrichschen Einheiten e bzw. Behnkenschen Einheiten RI" geeicht.

h) Das Elektroskop nach Back (Abb.75), in der Ausführung der Veifawerke, ist nach dem Prinzip der Blattelektroskope gebaut. Das Blatt, bestehend aus einem Kohlefaden, wird durch eine Glühlampe auf eine Mattglasskala projiziert. Die große Ionisationskammer ist fest mit dem Elektrometer verbunden. Durch einen Tubus, der in seinem Innern Blenden trägt, und durch eine dünne Zelluloidfolie tritt das Rönt- genstrahlbündel in die Kammer und fällt in dieser zwischen zwei Kohleplatten hindurch, deren un- tere geerdet und deren obere mit dem Elektroskop leitend verbun- den ist (Abb. 76). Der Tubus ist auch zur Aufnahme der Filter be- stimmt.

Der Tubus kann abgenommen und durch ein gepanzertes Kabel ersetzt werden. Dieses trägt an seinem freien Ende eine Fried- richsche Fingerhutkamera, deren Meßelektrode durch die hochiso- lierte Zuleitung mit der oberen Kohleplatte und so mit dem Blatt- elektroskop in Verbindung gesetzt wird.

Die Geräte d bis h werden durch eine Reibungselektrisier- maschine aufgeladen; die Geräte f und h werden auch mit der Vor- richtung von Brenzinger ge- liefert.

3. Direkt zeigende Geräte.

Der Vorteil dieser Geräte den

ablaufenden gegenüber besteht da-

Abb. 75. Elektroskop nach Back, Außenansicht rin, daß die Angabe des Zeigers

(Veifa-Werke). direkt ein Maß für die Ionisation

liefert, während bei den ablaufen-

den Geräten zur Bestimmung jeder Ablaufzeit zwei Beobachtungen nötig sind, deren

reziproker Wert 1/t erst die Ionisation angibt. Die Methode bringt also Zeitersparnis bei der Messung mit sich.

a) Das Iontogalvanometer von Janus (Abb. 77). Dasselbe benutzt eine Riesen- ionisationskammer. Diese besteht aus einer großen Anzahl graphitierter Papierflächen von 40 x 50 qem Größe, die in 10 mm gegenseitigem Abstand so angeordnet sind, daß je die geradzahligen und die ungeradzahligen Flächen ein zusammenhängendes System bilden. Beide Systeme sind kreuzweise ineinandergestellt. Die Sättigungsspannung

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Elektrometer nach Back (Veifawerke); Iontogalvanometer von Janus 305

liefert eine Trockenbatterie von 100 Volt; ihr einer Pol steht direkt mit dem einen System in Verbindung, ihr anderer Pol über ein Drehspul-Zeigergalvanometer mit dem anderen System. Ein Teilstrich des hochempfindlichen Galvanometers entspricht einem Zehn- millionstel Ampere. Der eine Pol der Batterie ist geerdet; die Ionisationskammer und

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Abb. 76. Elektroskop nach Back, Innenansicht (Veifa-Werke).

die Batterie sind von einer geerdeten Metallhülle umgeben und auch die Zuleitung zum Galvanometer befindet sich in einem geerdeten Metallschlauch. Die Zahl der wohl zum großen Teile durch Bestrahlung der graphitierten Papierflächen gebildeten Träger ist so groß, daß bei 25cm Brennfleckabstand und bei 2,5 MA. die Strahlung einer harten Siederöhre einen Ausschlag von 30 Teilstrichen am Galvanometer ergibt. b) Der Siemens-Röntgendosismesser. Dieser ver- | stärkt durch ` Verwendung einer Glühkathoden-Ver- stärkerröhre den schwachen, in einer Fingerhutkammer aus graphitiertem Horn entstehenden Ionisationsstrom auf etwa das Hunderttausendfache, so daß dieser an einem empfindlichen Drehspul-Zeigergalvanometer ab- gelesen werden kann. Die Wirkungsweise der Ver- stärkerröhre ist in der Abb. 78 schematisch dargestellt. Ein gasfreies Rohr besitzt einen Wolframdraht, der durch eine Heizbatterie zur Weißglut erhitzt werden kann. Ihm gegenüber befindet sich ein Drahtgitter, in der Abbildung durch eine gestrichelte Gerade ange-

Batterie Scherheits- Cahwanometer

Widerstand AN Abb. TE Heizbatterne Anodenbatteme Heuwbatter:e Anodenbotterie Iontogalvanometer von Janus. Abb. 78. Wirkungsweise der Verstärkerröhre,

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd 20

306 H. Küstner

Abb. 79. Schaltungsschema des Siemens-Röngten-Dosismessers.

deutet, und hinter diesem die Anode, in der Abbildung durch einen geraden Strich dargestellt. Aus dem glühenden Drahte treten, ebenso wie bei der Glühkathoden- röntgenröhre, Elektronen aus. Verbindet man den Glühdraht mit dem positiven, das Gitter mit dem negativen Pol einer Batterie, wie das die linke Zeichnung der Abb. 78 darstellt, so werden die Elektronen von dem Gitter abgestoßen und können nicht durch dieses hindurch zur Anode gelangen, und zwar auch dann nicht, wenn diese auf dem Umwege über ein Galvanometer mit dem positiven Pol der Anodenbatterie verbunden ist, deren negativer Pol am Glühdraht liegt. Kehren wir aber, entsprechend der rechten Zeichnung von Abb. 78, die Pole der Gitterbatterie um, so werden die aus dem Glüh- draht austretenden Elektronen von dem nunmehr positiven Gitter angezogen und fliegen durch dessen Maschen auf die noch positivere Anode, so daß nunmehr in dem Strom-

Abb. 80. Außenansicht des Siemens-Röntgen-Dosismessers.

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Der Siemens-Röntgen-Dosismesser 30%

kreis: Glühkathode, Anode, Galvanometer, Anodenbatterie, Glühdraht ein Strom fließen kann, den das Galvanometer anzeigt. Man kann also durch die Spannung des Gitters den Strom im Anodenkreise steuern, und zwar erhält man für eine ganz geringfügige Änderung der Gitterspannung eine erhebliche Änderung des Anodenstromes. Will man also den schwachen lonisationsstrom der Fingerhutkammer verstärken, so kommt es darauf an, mit seiner Hilfe die Gitterspannung zu ändern. Nach dem Ohmschen Gesetze

var (92)

ist der Spannungsunterschied V an den Enden eines Widerstandes R propor- tional dem Strom J, der diesen durch- fließt (Abb. 79). Beim Siemens-Rönt- sendosismesser fließt der schwache Ionisationsstrom von der geerdeten Wandung der Fingerhutkammer über die Meßelektrode und von dieser über einen sehr großen Widerstand R zu der die Sättigungsspannung liefernden Batterie, deren anderer Pol gemeinsam mit dem Gehäuse, welches die ganze Anordnung zum Zwecke elektrostatischen Schutzes umschließt, geerdet ist. Trotz des geringen Ionisationsstromes J ist, vermöge des hohen Widerstandes R, die Spannung V ausreichend, um das Gitter zu steuern und so an dem Galvanometer M einen dem Ionisationsstrome entsprechenden Ausschlag hervorzurufen. Die gesamte Anordnung zeigt Abb. 80. Links ist das Wasserphantom zu sehen, in dem sich die der Höhe nach verstellbare Fingerhutkammer befindet. Durch ein Kabel mit geerdeter Umhüllung steht diese in Verbindung mit dem bleigepanzerten Kasten, welcher das Verstärker- rohr enthält, und von diesem führt ein weiteres geerdetes Kabel zum Schaltpult mit den Schaltern, den Batterien und dem Zeigergalvanometer.

Dem Gerät ist ein radioaktives Präparat beigegeben, mit dessen Hilfe sich die Kon- stanz seines Widerstandes R prüfen läßt, von deren Unveränderlichkeit die Konstanz der Empfindlichkeit des Gerätes abhängt.

Abb. 81.

Registriergerät zum Siemens-Röntgen-Dosismesser.

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Abb. 82. Kurve des Registriergerätes zum Siemens-Röntgen-Dosismesser. DIE

308 H. Küstner

An den Meßtisch kann auch eim registrierendes Meßgerät (Abb. 81) angeschlossen werden, das auf einen ablaufenden Papierstreifen die Ionisation als Kurve aufzeichnet (Abb. 82).

c) Elektrometer mit parallelgeschaltetem hohen Widerstand. Jedes als Spannungs- messer geeichte Elektrometer vermag den Ionisationsstrom direkt anzuzeigen, wenn man ihm einen hinreichend hohen, bekannten Widerstand R parallel schaltet und für Aufrechterhaltung der Span- nung sorgt (Abb. 83). Vermöge der Gleichung (92) ist dann die von dem Elektrometer angezeigte Spannung V dem lonisationsstrom J proportional.

6. Dosiszähler.

Abb. 83. Alle bisher beschriebenen Dosimetergeräte erlauben Elektrometer mit parallel- nur die Ionisation in mehr oder minder großen Zeitabstän- BEE geet ie das Registriergerät von Siemens, ununter-

Widerstand zur direkten Strom- EI EE ae ö messung. brochen zu messen. Um ein Maß für die dem Patienten während der Bestrahlung zugestrahlte Dosis zu erhalten, muß man bei letztgenanntem Gerät erst den Flächeninhalt der Dosiszeitkurve er- mitteln; bei Messungen von Zeit zu Zeit muß man die Einzelmessungen in ein Koordi- natenpapier eintragen, die Punkte durch eine Kurve verbinden und deren Flächeninhalt bestimmen (Abb. 84). Demgegenüber

g

S liefert ein Dosiszähler direkt eine dem Flächeninhalt der Kurve

2 entsprechende Angabe, ähnlich wie ein nach Kubikzentimetern

$ geteiltes offenes Gefäß diejenige Regenmenge zu zählen ge- AANA stattet, die in einer bestimmten Zeit auf seine Öffnung nieder- Abb. 84. ging. > ne

17.55.Tonisationskurve: a) Der Dosiszähler von Hammer bedient sich einer Ioni-

sationskammer (Abb. 85), deren Außenelektrode dauernd auf ein oberhalb der Sättıgungsspannung liegendes Potential geladen ist. Die Innenelektrode ist mit einer Platte P verbunden, gegenüber welcher ein geerdetes Blättchen B leicht beweglich angeordnet ist. Nimmt die Innenelektrode in- folge einer Ionisation in der Kammer eine allmählich an- steigende Ladung an, so wird das Blättchen B immer mehr gegen die Platte P hingezogen, bis es den Kontakt C, be- rührt. Hierdurch wird ein elektrischer Automat A aus- gelöst; dieser bewirkt 1. das Vorwärtsspringen eines Zähl- werkzeigers um einen Skalenteil, 2. eine kurze Berührung von C, mit P, so daß dieses und die Innenelektrode geerdet werden. Demzufolge nimmt B wieder seine gestreckte Lage ein, und das Spiel wiederholt sich von neuem. Mit dem Zählwerk läßt sich eine Schreibvorrichtung Abb. 85. Schema des Dosis- verbinden, die auf einem bewegten Papier eine Linie zeich- zählers nach Hammer. net, welche für jeden Zeigersprung des Zählwerks eine Zacke aufweist. Bei gleichmäßigem Laufe müssen die Zacken in gleichmäßigen Abständen liegen, unregelmäßige Zwischenräume verraten Fehler der Anordnung und des Bedienungspersonals sowie die Netzschwankungen ; darüber hinaus stellen die Zacken einen urkundlichen Beleg für die applizierte Strahlen- menge dar. Das Wesentliche dieses Instrumentes liegt in der Tatsache, daß Ionisierungskammer

Dosiszähler nach Hammer und nach Jaeger 309

und elektrometrische Anordnung zu einem kleinen beweglichen Apparat vereinigt sind, von dem aus nur gewöhnliche Drähte zu der Anzeigevorrichtung führen.

Dem Gerät ist ein kleines Radiumpräparat beigegeben, mit dessen Hilfe man die Konstanz seiner Angaben prüfen kann.

b) Der Dosiszähler nach Jaeger bedient sich, ebenso wie der Siemens-Röntgen- dosismesser, einer Verstärkerröhre. Ihr .Gitter steht über ein Kabel mit der Innen- elektrode einer Fingerhutkammer aus graphitiertem Horn in Verbindung und wird negativ aufgeladen. Hierdurch wird der Elektronenstrom nach der Anode zunächst gesperrt. Durch die Ioni- sation sinkt die negative Gitter- ladung, und nach einer Zeit, die um so kürzer ist, je intensiver die Rönt- genstrahlen sind, kann der Elektronen- strom über die Anode abfließen und durch ein Relais einen Automaten in Tätigkeit setzen. Dieser bewirkt erstens Vorwärtsspringen des Zähl- werkzeigers um einen Skalenteil und zweitens erneute negative Aufladung des Gitters, worauf sich das Spiel wiederholt. Die Außenansicht des Ge- rätes gibt Abb. 86.

Sechszehntes Kapitel.

Sättigungsprüfung und Spannungseichung.

Obgleich eine Angabe des Her- stellers, unter welchen Bedingungen Sättigung besteht, bei der Wichtig- keit dieser Frage eigentlich als selbst- ETS verständlich erscheint, und obwohl error un nn a EE eine Eichung des Elektrometers als Abb. 86. Dosiszähler nach Jaeger. Spannungsmesser die Verwendungs- möglichkeit jedes Gerätes, wie wir im XIII. Kapitel sahen, sehr erhöhen würde, ist doch meistens weder das eine noch das andere vorhanden. Aus diesen Gründen tritt an den Beobachter die Aufgabe heran, meistens die Sättigungsprüfung und häufig die Spannungseichung selbst vorzunehmen. Wir behandeln hier einige Methoden, die zum Ziele führen.

I. Sättigungsprüfung. l. Röntgenstrahlintensität und Sättigungsspannung.

Die Prüfung auf Sättigung läßt sich am einfachsten bei denjenigen Geräten an- stellen, welche das Anlegen einer beliebigen Spannung an die lonisationskammer er- lauben. Diese Möglichkeit ist beispielsweise gegeben beim Standardgerät (IX. Kapitel!

310 H. Küstner

und beim Iontogalvanometer (XV. Kapitel). Die Schaltungsweise ist schematisch in Abb. 2 dargestellt: dort wird mit Hilfe des Galvanometers der Ionisationsstrom direkt gemessen.

Wir lassen zuerst eine schwache Röntgenintensität auf die Ionisationskammer fallen und erhöhen, von Null ausgehend, die Spannung V der Batterie A. Der bei jedem Werte gemessene lonisationsstrom i zeigt Sättigung schon bei verhältnismäßig niedriger Spannung, wie Kurve 1 der Abb. 87 veranschaulicht. Steigern wir die Intensität der Röntgenstrahlung, so hat das Ergebnis einer neuen Beobachtungsreihe das Aussehen der Kurve 2, die erst für höhere Spannung Sättigung aufweist, und mit jeder weiteren Erhöhung der Intensität ergibt sich eine andere Sättigungskurve. Verbinden wir die- jenigen Punkte der Sättigungskurven, in denen ihre Krümmung in eine Gerade über- geht, so erhalten wir den in Abb. 87 gestrichelten Kurvenzug. Dieser sagt aus:

Bei einem bestimmten Gerät ist die Höhe der Sättigungsspannung von der Größe der lIonisation abhängig. Die an einem bestimmten Gerät ge- messene gestrichelte Kurve gibt an, welche Ionisationsströme äußerstenfalls gemessen werden dürfen, wenn an der Ionisationskammer eine ge- gebene Spannung V liegt.

Bei im Handel befindlichen Geräten, welche für direkte Anzeige des Ionisationsstromes eingerichtet sind und eine ganz bestimmte Spannung für die Ionisationskammer vor- schreiben, wie z. B. der Siemens-Röntgen-Dosismesser, wird man im allgemeinen annehmen dürfen, daß die Sättigungs- spannung so bemessen ist, daß für den ganzen Meßbereich

Abb. 87. des Gerätes Sättigung vorhanden ist. Anders liegen in- Sättigungskurvenschar. dessen die Dinge bei ablaufenden Dosimetergeräten. Be- sitzen diese nur zwei Skalenteile A und B, zwischen denen man die Ablaufzeit des Zeigers abzustoppen hat, so wird für schwache Ionisation, also für große Ablaufzeiten, zwar Sättigung stets vorhanden sein. Steigert man aber die Intensität, so wird die Ablaufzeit kleiner, und stets wird es für das bestimmte Gerät und für die vorgeschriebene Spannung an der Ionisationskammer einen Grenzwert der Ionisation geben, bei dem die Sättigung aufhört. Hier wird man sich durch einen Ver- such zu überzeugen haben, welches die kürzeste Ablaufzeit zwischen A und B ist, die für Sättigung zulässig ist. Hat ein Gerät gar noch weitere Skalenteile C, D, E usf., so werden die bei Sättigung zulässigen kürzesten Ablaufzeiten zwischen AC, AD, AE usf. wiederum andere sein als die für AB, und jede muß im Einzelfalle bestimmt werden. Ist diese Sättigungsprüfung des betreffenden Gerätes erst einmal durchgeführt, so wird sie ein für allemal solange Gültigkeit besitzen, als man annehmen darf, daß das Gerät nicht durch äußere Einflüsse Änderungen seiner Empfindlichkeit erlitten hat.

2. Sättigungsprüfung für Ablaufzeit zwischen zwei Skalenteilen bei | vorgeschriebener Kammerspannung.

Zu den Meßgeräten mit vorgeschriebener Kammerspannung gehören insbesondere alle diejenigen Meßgeräte, bei denen, z. B. durch eine Elektrisiermaschine, das Elektro- meter vor Beginn der Messung auf einen bestimmten Skalenteil aufgeladen werden muß.

Die Sättigungsprüfung für die Ablaufzeit zwischen den Skalenteilen A und B läßt sich in folgender Weise durchführen. Man hält die Intensität und Qualität der Röntgen- strahlung sorgfältig konstant und mißt die Ablaufzeit zwischen A und B bei ver- schiedenen Brennfleckabständen. Arbeitet man mit hinreichend harter Strahlung, so daß die Luftabsorption nicht wirksam werden kann (vgl. VII. Kapitel, Abschnitt 4), so

Sättigungsprüfung 311

ist die Intensität der Strahlung umgekehrt proportional dem Quadrate des Brennfleck- abstands. Solange Sättigung vorhanden ist, verhalten sich daher die Ablaufzeiten wie die Quadrate der Brennfleckabstände. Ist hingegen keine Sättigung mehr vorhanden, entziehen sich vielmehr eine Anzahl Träger durch Rekombination und Diffusion der Messung, so erfolgt der Ablauf zu langsam. Dies wird nur bei hoher Intensität, also bei kleinen Brennfleckabständen zu erwarten sein.

Da es eine gewisse Schwierigkeit bietet, die Röntgenröhre mit der erforderlichen Konstanz zu betreiben, so wird man | bei jedem einzelnen Brennfleck- on 48. en -o nn. abstand mehrere Messungen vor- er onısatlon mn enen rennilec zunehmen haben, wobei man bezüg- lich der Reihenfolge die Vorschriften Brennfleck- im XIII. Kapitel zu beachten hat. abstand In Tabelle 48 sind Ablaufzeiten t a Meter in Sekunden angegeben, welche

Beob. Ablaufzeit t in Sek.

Mittelwerte aus je zehn Einzelbeo- R ; oa bachtungen darstellen sollen, die bei 4 1.90 den verschiedenen Brennfleckabstän- 3 2.20 den von a Meter ausgeführt sein 2 2,52 mögen. Der Sättigungscharakter 1 3,98

kommt durch Krümmung der Kurve

ganz besonders deutlich dann zur Geltung, wenn man t durch a? dividiert. Solange Sättigung vorhanden ist, wird dann t: a? einen konstanten Wert besitzen; ist dagegen keine Sättigung mehr vorhanden, so wird t zu groß und das Verhältnis t: a? nimmt zu. Besonders anschaulich wird das Ergebnis durch die graphische Darstellung lin Abb. 88. Als Abszissen sind die Ablaufzeiten t, als Ordinaten die Verhältnisse t: a? aufgetragen. Man erkennt, daß für das in unserem Bei- spiel angenommene Gerät Sättigung nur dann vor- handen ist, wenn die Ablaufzeit zwischen den Skalen- teilen A und B länger ist als 30 Sekunden.

Für weitere Skalenteile C, D usf. wären besondere Versuchsreihen aufzustellen.

Will man Schwankungen der Röntgenstrahlinten- sität nach der Zweielektrometermethode ausschalten, sO Abb, 88. Graphische Darstellung verspricht dies nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn das zur Sättigungsprüfung zweite zur Verfügung stehende Elektrometer als Span- (zu Tabelle 48). nungsmesser geeicht ist. Beidiesem Verfahren müssen die Röntgenstrahlen auf beide Geräte im Einzelfalle gleich lange einwirken; aber wegen des verschiedenen Brennfleckabstands des ersten Geräts, dessen Zeiger stets von A nach B laufen soll, wird die Bestrahlungszeit und deshalb auch der Ablauf des zweiten Elektro- meters von Fall zu Fall verschieden sein. Nur wenn dieses als Spannungsmesser ge- eicht ist, kann man daher nach Gleichung (83) aus seinen Angaben auf die Intensität der Röntgenstrahlen schließen.

II. Spannungseichung. l. Anlegen verschiedener, bekannter Spannungen an das Elektrometer.

Die Methode setzt einerseits voraus, daß dies technisch möglich ist: beim Standard- gerät z. B. ist hierauf besonders Rücksicht genommen. Andererseits muß man über eine

312 H. Küstner

Spannungsquelle verfügen, die ausreicht, um den Zeiger über die ganze Skala abzu- lenken und die Spannung muß sich nach irgendeinem Verfahren genau genug messen lassen. In manchen Fällen genügt

Tabelle 49. Eichung eines Elektrometers als die Spannung des Stadtnetzes. Spannungsmesser durch Vergleich mit einem

geeichten Gerät.

(Die Potentiometerschaltung siehe Abb. 67.) Nicht anwendbar ist b) Skalenteile diese Methode im allgemeinen für er den, der nicht über besondere Mittel verfügt, bei solchen Dosimetergerä- ten, welche durch eine Reibungs- elektrisiermaschine aufgeladen wer- den; denn die von dieser erzeugte Spannung übersteigt die der Stadt- netze meist um das Mehrfache. Die im folgenden beschriebenen Methoden beruhen auf der lonisa- tionswirkung der Röntgenstrahlen. Sie setzen daher Sättigung im gan- zen untersuchten Spannungsbereich voraus, was sich stets erreichen läßt, wenn man mit hinreichend schwacher Intensität arbeitet.

a) Skalenteile

Gerät

Sättigungsgrenze

Sättigungsgrenze

2. Vergleich mit einem als Spannungsmesser geeichten, ablaufenden Ionisationsgerät nach der Zweielektrometer-Methode.

Man bringt vor Beginn der Beobachtung die Zeiger beider Elektrometer auf Null. Man läßt dann die Röntgenstrahlen solange einwirken, bis der Zeiger des geeichten 8 Instruments I auf Skalenteil 1 kommt und liest die Zeigerstellung des zu eichenden Elektrometers II ab. Diese entspricht dann einer Spannung V in unbekannten Einheiten. Nach erneuter Ein- stellung beider Zeiger auf Null läßt man durch längere Belichtung Zeiger I bis Skalenteil 2 laufen. Die beim Elektrometer II abgelesene Zeiger- stellung entspricht dann der doppelten Span- nung 2V. So fährt man über einen möglichst

Elèktrometer E großen Bereich der Skala fort und sorgt nur da- 0 20 30 40 s0 60 70 30 ee wo für, daß bei beiden Elektrometern stets Sättigung

l vorhanden jst. Als Beispiel einer solchen Meß- Abb. 89. Eichung eines Elektrometers rehe diene Tabelle 49 als Spannungsmesser durch Vergleich ee mit einem geeichten Gerät.

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Das Unterbrechen der Strahlung gerade in dem Augenblicke, wenn Zeiger I einen bestimmten Skalenteil erreicht hat, gelingt nicht immer. Es ist aber auch nicht nötig, so vorzu- gehen. Man kann die Bestrahlung ebensogut bei beliebiger Zeigerstellung es Elektro- meters I unterbrechen, wenn man zwischen den Skalenteilen der beiden Elektrometer interpoliert (Tabelle 49b). Trägt man die Werte aus Tabelle 49a und 49b auf Koor- dinatenpapier auf, wie dies in Abb. 86 geschehen ist, so müssen sie alle auf derselben. Kurve liegen.

Gleichung (83) lehrt, daß t V=,“ e Konst. (93)

Methoden der Spannungseichung 313

Der Spannungsunterschied V ist J, und t direkt und a? umgekehrt proportional. Hier- auf lassen sich einige weitere Möglichkeiten der Spannungseichung aufbauen.

3. J, und a bleiben ungeändert, t wird variiert.

Hierzu läßt man dieselbe Röntgenstrahlung aus demselben Brennfleckabstand während verschiedener Zeiten t, die man abstoppt, auf das zu eichende Gerät einwirken. Da die Spannungsunterschiede V den Zeiten t proportional sind, so erhält man eine Spannungseichung in willkürlichen Einheiten. Es empfiehlt sich, zur Kontrolle auf Konstanz der Strahlung ab und zu die Ablaufzeit zwischen zwei bestimmten Skalen- teilen A und B nachzuprüfen, welche konstant bleiben soll.

4. J, und t bleiben ungeändert, a wird variiert.

Man hält die Strahlung konstant und exponiert die Ionisationskammer aus ver- schiedenen Brennfleckabständen a während gleicher Zeiten t. Am besten bedient man sich der Zweielektrometer-Methode. Man läßt den Brennfleckabstand des zweiten Geräts unverändert und bestrahlt beide Geräte immer so lange, daß der Zeiger am zweiten Elektrometer von einem Skalenteil A nach einem Skalenteil B läuft. Das zweite Elektrometer braucht hierfür also nicht als Spannungsmesser geeicht zu sein.

3. t und a bleiben ungeändert, J, wird variiert.

Aus der Einstellung der Maschine auf die Intensität zu schließen, ist, wie wir im XI. Kapitel sahen, unzulässig. Wollte man diese Methode anwenden, so müßte man die Intensität in jedem Falle mit einem zweiten Gerät messen, dessen Spannungsempfind- lichkeit bekannt sein müßte. Das käme aber auf das unter 2 geschilderte Verfahren hinaus, nur mit dem Unterschiede, daß sich mit der Intensität auch die Härte des Strahlengemischs in unkontrollierbarer Weise ändern kann. Da aber beide Geräte auf verschieden harte Strahlen verschieden empfindlich sein können, so birgt diese Methode eine verhängnisvolle Fehlerquelle. Sie wurde nur erwähnt, um vor ihr zu warnen.

Siebzehntes Kapitel. Die Konstanz der Empfindlichkeit und ihre Prüfung.

Wir nehmen an, daß Justierung und Fehlerquellen, die wir im XIV. Kapitel be- sprochen haben, sorgsam berücksichtigt werden, und betrachten hier nur solche Ein- flüsse, die die Empfindlichkeit des Geräts verändern können, sich aber der Beobachtung entziehen.

Wir gehen aus von der im XII. Kapitel abgeleiteten Formel für die Intensität J, in Im Brennfleckabstand:

a? s-C Jo = | | f (84)

t q- N d Hierin sind a und t im Einzelfalle zu messen, während die in der eckigen Klammer stehenden Größen im allgemeinen eine für das benutzte Gerät charakteristische Kon- stante darstellen.

l. Der Brennfleckabstand a.

Am zweckmäßigsten wird man den Brennfleckabstand von der Glaswand der Röntgenröhre aus messen und den Brennfleckabstand von der Röhrenwand besonders

Pause Fe Zeg EE EE

314 H. Küstner

festlegen. Hierzu kann man sich leicht des folgenden behelfsmäßigen Geräts bedienen (Abb. 90). Man legt die Röntgenröhre R horizontal auf eine Spiegelglasplatte S, so daß die Strahlrichtung, in der später beobachtet werden soll, ebenfalls horizontal verläuft. Von beiden Seiten schiebt man sacht in Strahlrichtung an die Röntgenröhre zwei Holz- klötze oder Kästen K heran, deren Seitenflächen rechtwinkelig aufeinander stehen müssen. Über diese Klötze legt man ein Zentimetermaß, auf welchem man eine Marke M, beispielsweise aus weißem Karton, gleiten läßt. Man visiert an dieser entlang den Brennfleck an und verschiebt sie solange, bis das Auge, die Marke, der Brennfleck und das Spiegelbild des Auges auf einer Linie liegen. Auf dem Zentimetermaß kann man alsdann den Abstand der Marke von dem einen Holzklotz und damit den Brennfleck- abstand von dem entsprechenden Punkte der Röhren- glaswand ablesen.

Im übrigen fällt ein Fehler bei der Messung des Brennfleckabstandes um so weniger ins Gewicht, je größer man den Brennfleckabstand bei der Beobach- tung wählt.

Bei der Fingerhutkammer mißt man den Brenn- fleckabstand am zweckmäßigsten bis zur Kammer- Abb. 90. e DEEN mitte; denn nur dann schafft man für Fingerhutkam- fleckabstandes von der Röntgen- Men verschiedener Größe vergleichbare Verhältnisse.

röhrenwand. Bei der großen Ionisationskammer mißt man den Brennfleckabstand bis zur Hauptblende H, deren Loch

vom Querschnitt q das Strahlenbündel begrenzt (Abb. 54), und zwar auch dann, wenn H einigen Abstand von der Kammer hat. Denn wenn man auch den Kammerabstand ändert, so fällt doch immer dieselbe Röntgenenergie durch die Kammer, da jene nur durch den Brennfleckabstand von H und den Querschnitt von q bestimmt wird; aus rein geometrischen Gründen ist allein der Querschnitt des Strahlenbündels im Innern der Kammer etwas verschieden, wenn man diese verschiebt und die Blende H festhält.

2. Die Ablaufzeit t.

Meßgenauigkeit und Fehlereinflüsse sowie Mittelwertbildung bei der Zeitmessung wurden bereits im XIII. Kapitel behandelt. Eine große Fehlerquelle kann indessen auch falscher Gang der Stoppuhr sein. Der Gang der Stoppuhr muß deshalb ab und zu einer Prüfung unterzogen werden.

a) Prüfung der Geschwindigkeit der Stoppuhr. Dies geschieht durch Vergleich während eines längeren Zeitraums mit einer gewöhnlichen Uhr mit Sekundenzeiger. Wenn eine solche Uhr am Tage um eine Minute falsch geht eine gewöhnliche Taschen- uhr ne im allgemeinen weitaus genauer —, so wird hierdurch ein Fehler von E Ge

u uno d 0 d 1440 0,0007, also von weniger als (fl begangen

Man versäume nicht zu prüfen, ob der Gang einer Stoppuhr, die frisch aufgezogen ist, anders ist, als wenn sie nahezu abgelaufen ist.

b) Prüfung auf Zeitverlust beim An- und Abstoppen der Uhr. Falls der Zeiger einer Stoppuhr beim Anstoppen nicht augenblicklich anspringt und beim Abstoppen nicht augenblicklich anhält, entstehen zwei Fehler, die sich wegen ihrer Kleinheit bei dem unter a angegebenen Verfahren im allgemeinen nicht bemerkbar machen. Auch bei der Messung fallen sie um so weniger ins Gewicht, je größer die Ablaufzeit ist. Genau bestimmen kann man die Größe dieser Fehler nur durch Vergleich der Stoppuhr mit

Die Konstanz der Empfindlichkeit beeinflussende Faktoren 315

einem sehr genau gehenden Chronoskop, z. B. mit dem nach Hipp, über das die meisten psychologischen Institute verfügen.

c) Vergleich zweier Stoppuhren miteinander. Dies geschieht am einfachsten auf die Weise, daß man ihre Druckknöpfe ruckweise gegeneinander drückt und die Uhren dadurch gleichzeitig in Gang setzt und gleichzeitig wieder abstoppt. Vergleicht man eine größere Anzahl Uhren auf diese Weise von Zeit zu Zeit miteinander, so wird sich ein Fehler, der sich im Laufe der Zeit bei der einen herausgebildet hat, hierbei bemerk- bar machen,

3. Der Lochquerschnitt q.

Die Ionisation ist proportional dem Querschnitt q des Loches in der Blende. Um diese vor Deformationen zu bewahren, die die Empfindlichkeit der Anordnung ändern würden, empfiehlt es sich, die Lochblende in einen schützenden Behälter zu montieren. Dieser soll auf dem Wege des ausgeblendeten Röntgenstrahlbündels aus einem auch die weichsten Röntgenstrahlen möglichst wenig schwächenden Material bestehen, welches nur dazu dient, das Loch vor Berührung zu schützen. Die Lochblende braucht diesem Behälter alsdann auch nicht für die Beobachtungen entnommen zu werden.

Will man die Sicherheit noch weiter steigern, so kann man alle Messungen auf eine Normalblende beziehen, welche nur dazu dient, die im täglichen Gebrauch befindlichen Blenden durch Vergleich mit ihr zu prüfen, im übrigen aber unbenutzt verwahrt wird.

Der Vergleich von Lochblenden geschieht am besten nach der Zweielektrometer- Methode. Hierbei setzt man der Reihe nach die zu vergleichenden Blenden vor die Ionisationskammer des einen Geräts, während das andere nur dazu dient, um Betriebs- schwankungen auszuschalten.

Es empfiehlt sich, die Lochblenden bei harten und bei weichen Strahlen gesondert miteinander zu vergleichen.

Durch den Vergleich mit der Normalblende läßt sich die Änderung von q kontrol- lieren, und zwar unabhängig davon, ob sich andere Faktoren geändert haben, die in der eckigen Klammer der Gleichung (84) stehen und eine charakteristische Konstante des Geräts bedeuten.

4. Die Kapazität C.

Diese ist nur von der räumlichen Anordnung der Leiter abhängig. Daher ist bei allen Geräten, bei denen diese ausgenommen das Zeigersystem fest gelagert sind, nur durch Deformation (z. B. durch Stoß) eine Kapazitätsänderung zu erwarten.

Sind demgegenüber gewisse Metallteile der Anordnung beweglich, so ist eine Ände- rung der Kapazität denkbar. Bei biegsamen Kabeln wird dies im allgemeinen zwar nicht der Fall sein, solange die Meßelektrode gut axial im Mantel gehalten wird. Da- gegen tritt bei Einfadenelektrometern durch Verstellung des Schneidenabstandes bis- weilen eine merkliche Kapazitätsänderung ein.

3. Die Trägerzahl N.

Unter Voraussetzung der Reduktion auf gleiche Temperatur und gleichen Druck nach Gleichung (1) im I. Kapitel ist die Zahl N von Trägern eines Vorzeichens, welche ein bestimmtes Röntgenstrahlengemisch pro Sekunde in der Kammer auslöst, nur vom Material, der Gestalt und der Abmessung der Kammer abhängig. Eine Änderung von N wäre daher nur möglich

a) Durch Materialänderung, z. B. durch Oxydation. Dies wäre denkbar durch Ein- dringen unreinen Wassers in eine Fingerhutkammer; freilich ist zu erwarten, daß sich

316 H. Küstner

dies gerade bei der Fingerhutkammer durch eine Schädigung der Isolation bemerkbar macht.

b) Durch Änderung von Gestalt und Abmessung. Je kleiner eine Kammer ist, desto stärker muß eine Änderung von Gestalt und Abmessung die Trägerzahl N be- einflussen. Nach den Messungen von Fricke und Glasser (VI. Kapitel) ist sie für Fingerhutkammern aus Kohle und Aluminium deren Volumen proportional. Die Finger- hutkammer ist bei ihrer Beweglichkeit besonders leicht Beschädigungen ausgesetzt. Hierauf sollte bei ihrer Konstruktion ganz besonders Rücksicht genommen werden. Solange sie nicht gebraucht wird, soll sie durch eine Hülle geschützt werden.

6. Die Spannungsempfindlichkeit s.

Nach dem XII. Kapitel ist s die Spannungsdifferenz, die dem Abstande zweier Skalenteile A und B entspricht. Es darf im allgemeinen nicht vorausgesetzt werden, daß diese unbedingt zeitlich konstant ist. Die verschiedensten Einflüsse können sich hier geltend machen. Die Temperatur spielt besonders bei Fadenelektrometern eine Rolle. Sie beeinflußt die Ausdehnung des Fadens und damit seine mechanische Spannung, folglich auch die elektrische Spannungsempfindlichkeit des Geräts. Bei Geräten mit drehbaren Zeigern können mechanische Änderungen, z. B. Verschiebung derjenigen Teile infolge von Stoß eintreten, die durch elektrostatische Anziehung oder Abstoßung die Bewegung des Zeigers bewirken. Bei transportablen Geräten muß man immer mit einer Änderung der Spannungsempfindlichkeit rechnen. Ihre Nachprüfung kommt einer neuen Eichung gleich, wie wir sie im XVI. Kapitel besprochen haben.

7. Die elektrische Elementarladung e

Diese ist, wie wir im XII. Kapitel sahen, eine universelle Konstante und daher keinen Einflüssen unterworfen.

8. Die Änderung der Empfindlichkeit bei Änderung eines oder mehrerer Faktoren.

Die Änderung der Empfindlichkeit kann nur durch Änderung der Faktoren s, C, q und N eintreten.

Ist einer der im Zähler stehenden Faktoren s oder C unbemerkt größer geworden, so wird man zwischen den Skalenteilen A und B bei gleicher Intensität längere Ab- laufzeit t messen: die Beobachtung täuscht also zu geringe Intensität J, vor.

Ist dagegen einer der im Nenner stehenden Faktoren q oder N unbemerkt größer geworden, so wird man zwischen den Skalenteilen A und B kürzere Ablaufzeit messen: die Beobachtung täuscht also zu große Intensität J, vor.

Die Faktoren im Zähler und Nenner wirken also im entgegengesetztem Sinne.

Es ist durchaus denkbar, daß sich zwei der vier Faktoren gleichzeitig, und zwar so geändert haben, daß sich ihre Änderung nahezu kompensiert. Von den vier Fak- toren s, C, q und N ändert sich nur N mit der Härte der Röntgenstrahlen. Haben sich also zwei der Faktoren s, C und q geändert, so wird eine einmal vorhandene Kom- pensation für alle Wellenlängen eintreten. Ist auch N an der Änderung beteiligt, so ist es möglich, daß Kompensation für ein Strahlengemisch eintritt, für ein anderes nicht.

Eingehende Aufklärung kann hier nur die Nachprüfung jedes einzelnen der vier Faktoren bringen. Das Standardgerät ist so eingerichtet, daß es dieses erlaubt. Die handelsüblichen Instrumente lassen das aber im allgemeinen nicht zu, und man wird

Prüfung auf Konstanz der Empfindlichkeit durch ein radioaktives Präparat 317

sich bei diesen meist mit der Prüfung begnügen müssen, ob sich der Zahlenwert, den die eckige Klammer darstellt, geändert hat oder nicht. Hierfür stehen zwei Wege offen: Vergleich mit einem radioaktiven Präparat und Vergleich mit einem anderen Gerät, dem man konstante Empfindlichkeit zutraut.

9. Prüfung auf Konstanz der Empfindlichkeit durch ein radioaktives Präparat.

Wir kennen drei Arten radioaktiver Strahlungen: die «-Strahlen, die ß-Strahlen und die y-Strahlen. Die «-Strahlen sind doppelt positiv geladene Heliumatome; die ß-Strahlen sind Elektronen oder Kathodenstrahlteilchen; die y-Strahlen sind sehr harte Röntgenstrahlen. Die ionisierenden Wirkungen der «-, B- und y-Strahlen verhalten sich zu einander etwa wie 10000:100:1.

a) y-Strahlenpräparat. Als solche dienen meistens Radiumpräparate. Die ioni- sierende Wirkung wird nicht vom Radium selbst hervorgerufen, sondern sie geht von seinen Zerfallsprodukten aus. Das-Radium scheidet ein radioktives Gas, die sog. Emana- tion, aus, welche sich ihrerseits wiederum in die Produkte Radium A, Bund C verwandelt. Die ionisierenden y-Strahlen kommen vom Radium B und C.

Obgleich der größte Teil der Radiumemanation im Radiumsalze selbst okkludiert bleibt, entweicht doch stets ein geringer Bruchteil derselben. Um dieses zu verhüten, muß das Präparat unbedingt luftdicht in ein Glasröhrchen eingeschlossen sein. Ist das nicht der Fall, so schlagen sich die Zerfallsprodukte der Emanation an den Wänden des Zimmers nieder. Während man die entwichene Emanation in der Regel durch Lüftung vertreiben‘kann, sind die Niederschläge ihrer Produkte schwer zu entfernen und können wegen ihrer ionisierenden Wirkung dazu führen, daß genaue Messungen in dem ver- seuchten Raum überhaupt nicht mehr durchführbar sind.

Radium im Radiumsalz ist nach Angabe Rutherfords etwa einen Monat nach seiner Herstellung im' Gleichgewicht mit seinen Produkten. Dann sendet es y-Strahlen aus, die großes Durchdringungsvermögen besitzen und deren Intensität proportional ist der Menge des vorhandenen Radiums. Es ist wichtig, daß das Glasröhrchen, welches das Radiumpräparat enthält, einen Monat vor Beginn der Beobachtungen abgeschmolzen wurde. Nur auf diese Weise wird ein möglicher Fehler durch Entweichen von Emanation und eine etwa folgende Abnahme der y-Strahlen vermieden.

Außer der y-Strahlung geht vom Radium B und C auch eine ziemlich intensive ß-Strahlung aus, die infolge ihres korpuskularen Charakters aber viel stärker absorbiert wird als jene. Unterdrückt man diese ß-Strahlung nicht, so kann sie zu erheblichen Versuchsfehlern führen: schon wegen verschiedener Dicke des Glaskölbchens, in welches das Präparat eingeschmolzen ist, kann die ß-Strahlung in verschiedenen Richtungen verschieden sein. ` So fand der Verfasser für die Ionisation durch ein solches Präparat:

vor Drehung des Präparats 7,07 nach Drehung um 180° 9,23,

was einem Unterschied von rund 30% in der Ionisation entspricht. Es ist klar, daß diese 8-Strahlung bei einer Fingerhutkammer, die an verschiedenen Stellen verschiedene Wandstärke besitzt, zu sehr erheblichen Ionisationsunterschieden führen kann. Durch Filterung mit Blei läßt sich diese ß-Strahlung weitgehend unterdrücken. So ergab sich mit l mm Bleifilter vor Drehung des Präparats 3,205 lmm nach Drehung um 180° 3,215,

318 H. Küstner

also nur noch ein Unterschied von 0,3%. Bei stärkerer Filterung nimmt die Ionisation

weiter ab: ohne Filter 7,10

mit |} mm Blei 3,65 2mm ,„ 2,82.

Ein y-Strahlpräparat, das zur Prüfung auf konstante Empfindlichkeit dienen soll, wird daher mindestens mit 1 mm Blei zu filtern sein. Da ein solches Bleifilter selbst leicht Beschädigungen ausgesetzt ist, so wird man es entweder durch seine Anordnung oder durch Umhüllung mit einem widerstandsfähigem Material wie z. B. Aluminium oder Kupfer von etwa 1/, mm schützen.

Da die Intensität der y-Strahlung umgekehrt proportional dem Quadrate des Ab- stands vom Präparat ist, so wird, besonders bei großer Nähe der Ionisationskammer, eine geringe Verschiebung des Präparats bereits einen beträchtlichen Unterschied in der Ionisation verursachen. Als Beispiel men hierfür diene die Tabelle 50. Die Inten- Intensitäts- sität der Strahlung in l cm Abstand vom unterschied bei Ab- "Präparat ist in dieser willkürlich gleich 100 standsfehler von gesetzt. Die zweite Spalte gibt an, wie man voned groß die Intensität alsdann bei anderen Abständen des Präparats ist, und die

Tabelle 50. Intensitätsunterschied bei fehlerhaftem Abstand eines y-Strahl- präparats.

cm

1 , Spalte 3 zeigt, um wieviel Prozent sich 3 11.1 6,7 diese in Spalte 2 aufgeführte Intensität 4 6,25 5,0 ändert, wenn man das Präparat um 1 mm 5 4,0 4,0 verschiebt. Dieser Intensitätsunterschied i SN SE beträgt selbst in 10 cm Entfernung vom 8 1.56 2.51 Präparat noch 2%.

d 1,24 2.21 Dieser Umstand fordert, daß das Prä- 10 1.00 2,00 parat in seinem Glaskölbchen gut fixiert 1 | 2 | 3 sein muß. So fand der Verfasser für ein

Präparat, das in ein Glaskölbehen von etwa l cm Durchmesser eingeschmolzen, aber nicht fixiert war und sich in 8 cm Ab- stand von der Ionisationskammer befand, bei 1 mm Bleifilterung folgende Werte für die Ionisation:

Pulver nach der Ionisationskammer zugeschüttelt 3,31, Pulver von der Ionisationskammer weggeschüttelt 3,06,

also einen Unterschied von 7,5%.

Da der Abstand des Präparats von der Kammer von so großem Einfluß auf die Ionisation ist, so muß man unbedingt fordern, daß die Hülse, die das Präparat trägt, so konstruiert ist, daß bei Überschieben derselben über die Kammer stets genau die gleiche wechselseitige Lage von Präparat und Kammer gewährleistet wird. Dies ge- schieht am besten auf die in Abb. 91 dargestellte Weise. Die Hülse, welche straff über den Kammerhalter paßt, besitzt einen Wulst W, der sich gegen jene anlegt. Um sicher zu sein, daß die Hülse auch ganz über den Kammerhalter geschoben ist, ist eine Marke M angebracht.

Das Präparat kann sich sowohl in Verlängerung der Kammerachse als rechtwinklig zu dieser befinden (Abb. 92). Bei der letzten Ausführung kann bei nicht völlig achsen- symmetrischem Bau der Kammer die lonisation leicht von einer Drehung des Präparats

Gamma-Strahlpräparate 319

um die Kammerachse abhängig sein. Der axialen Anordnung ist daher der Vorzug zu geben.

Zusammenfassend müssen wir folgende Forderungen an ein y-Strahlenpräparat stellen:

Es muß einen Monat vor der Benutzung in einen Glaskolben eingeschmolzen wor- den sein;

es muß im Glaskolben fixiert sein;

der Glaskolben muß im Halter (Hülse) fixiert sein;

das Präparat muß mindestens mit 1 mm Blei gefiltert sein;

das Bleifilter muß vor Beschädigungen geschützt sein;

die Lage des Präparats zur Kammer muß eindeutig fixiert sein;

das Präparat darf wegen des Abstandsfehlers der Kammer nicht zu nahe kommen.

Die Verwendung eines y-Strahlenpräparats hat folgende Nachteile:

Wegen der Durchdringungsfähigkeit der y-Strahlung findet Ionisation aller Luft- räume in der Umgebung der Kammer statt, und zwar auch derjenigen, die vor der Wir- kung der Röntgenstrahlen durch Blei hinreichend geschützt sind. Aus diesem Grunde

P da Sfrante Praparat

Abb. 91. Abb. 92. Axiale Anordnung. Rechtwinklige Anordnung. Abb. 91 und 92. Gamma-Strahlpräparat mit Hülse, Bleifilter und Fingerhutkammer.

kann man mit einem Präparat auch nur ein und dasselbe Gerät auf Konstanz der Emp- findlichkeit prüfen, nicht aber verschiedene Geräte durch dasselbe Präparat miteinander vergleichen, da die Trägerbildung durch Röntgenstrahlen nur in der Kammer, durch -Strahlen aber auch teilweise im Anschlußkabel stattfinden kann.

Aus diesem Grunde muß man bei Änderung der Ionisation durch y-Strahlen sehr vorsichtig mit der Folgerung sein, es müsse sich auch die Empfindlichkeit des Geräts gegen Röntgenstrahlen geändert haben. Möglicherweise ist allein eine Veränderung benachbarter Lufträume die Ursache.

Auch zur Einzelprüfung verschiedener Geräte kann dasselbe Präparat nur dann dienen, wenn sein Halter genau über die Kammerhalter der verschiedenen Geräte paßt, was im allgemeinen nicht der Fall ist.

Aus diesem Grunde und wegen des für genaue Messungen nötigen, nicht zu kleinen Präparatabstandes ist das Arbeiten mit einem y-Strahlenpräparat verhältnismäßig kostspielig.

b) «-Strahlenpräparat. Die bequemste Substanz ist hierfür nach Rutherford schwarzes Uranoxyd, das für alle praktischen Zwecke als eine unveränderliche Quelle der Strahlung angesehen werden kann. Um das Uranoxyd zu fixieren, zerreibt man es zu feinem Pulver und mischt es darauf mit einer organischen Flüssigkeit, z. B. Chloroform oder Äther. Nach Aufstreichen oder Zerstäuben auf eine Metallplatte verdampft die Flüssigkeit und hinterläßt eine dünne Schicht von Uranoxyd, die fest auf der Platte haftet. Die von dieser ausgehende lonisation ist praktisch der «-Strahlung zuzuschreiben.

320 H. Küstner

Der große Vorzug eines Uranoxydpräparats ist seine Billigkeit. Demgegenüber ist es ein Nachteil, daß man im allgemeinen bei den zur Verfügung stehenden Spannungen keine vollkommene Sättigung erreicht. Abb. 93 zeigt 2 Sättigungskurven von Ruther- ford. Das Uranoxyd war gleichförmig auf eine Platte aufgetragen, und die andere be- fand sich einmal in 5mm, einmal in 25 mm Abstand über jener. Die Sättigung wird um so früher erreicht, je näher die Platten einander stehen; will man aber schon mit

matten: -Avstand Smm

N. = „Anstand E

Sättıgungs - Kurve fur

H Uranium - Strahlen

0 20 40 60 80 100 Volt

Abb. 93. Sättigungskurven durch Alphastrahler (Uranoxyd) bei 5 und 25 mm Plattenabstand nach

100 Volt Sättigung erhalten, so darf der Plattenabstand äußerstenfalls 5 mm betragen. Behnken untersuchte ferner die Abhängigkeit der Ionisation durch ein Uran- oxydpräparat vom Luftdruck für ein Intervall von etwa 720—810 mm Quecksilberdruck bei 18°C und fand 1,4% Änderung der Ionisation. Seine Ergebnisse zeigt Abb. 94. Eine weitere Gefahr bei Verwendung eines «-Strahlen- präparats besteht darin, daß sich durch Stoß einzelne Teile der Schicht von ihrer Unterlage ablösen können, wodurch sich die Ionisation des Präparats ändert. Die Oberfläche eines «-Strahlenpräparats muß mindestens 50 qem groß sein; denn bei zu kleiner Oberfläche kommt die Ionisation durch jedes einzelne «-Strahlteilchen zur Geltung, da die ionisierende Wirkung eines «-Strahl-

Rutherford (aus Marx’ Hand-

teilchens viel größer ist als die eines radioaktiven buch der Radiologie, Bd. II).

ß-Strahlteilchens oder gar eines viel langsameren, von Röntgenstrahlen ausgelösten Primärelektrons. Bei einem zu kleinen «-Strahlenpräparat springt daher der Elektrometerzeiger ruckweise vorwärts, oder er wandert ungleichmäßig schnell. Bei einem großen «-Präparat ergibt sich dem- gegenüber ein guter statistischer Mittelwert der Ionisation, und der Zeiger wandert gleichmäßig und immer gleich schnell. Da die Ema- nation ein Produkt der Uranreihe ist. so ist wegen der unter a) besprochenen Wirkung derselben Vor- sicht am Platze.

10. Prüfung auf Konstanz der Empfindlich- keit durch Vergleich mit einem anderen Gerät.

Dichte Luft Ey REELLE

Ein solcher Vergleich verspricht nur dann Aus- sicht auf Erfolg, wenn man von dem Vergleichs- gerät mit Bestimmtheit annehmen darf, daß seine Empfindlichkeit konstant geblieben ist. Das ist aber äußerstenfalls dann zu erwarten, wenn es keinen Erschütterungen ausgesetzt war, d. h. wenn es unbeweglich fest montiert war. Der Einfluß der Temperatur auf die Spannungsempfindlichkeit des Vergleichsgeräts muß jedenfalls bekannt sein.

Abb. 94. Ionisation durch Uranoxyd in Abhängigkeit vom Luftdruck nach Behnken.

11. Das Eichstandgerät.

Ein Gerät, das allen Anforderungen genügen dürfte, ist das vom Verfasser in Vor- schlag gebrachte Eichstandgerät. Sein Prinzip ist folgendes:

Eine Ionisationskammer, ein Elektrometer und ein radioaktives Präparat sind starr miteinander verbunden und mit ausreichendem Strahlenschutz gegen Röntgenstrahlen (Bleihülle) versehen. Das ganze Gerät ist unverrückbar fest angebracht, am besten auf

a-Strahlpräparate. Das Eichstandgerät 321

eine eiserne Wandkonsole geschraubt und durch festen Abschluß nach außen hin gegen Beschädigung durch Eingriffe geschützt. Ohne räumliche Verschiebung des radioaktiven Präparats läßt sich seine Wirkung auf die Anordnung ausschalten. Dies kann bei einem y-Strahlenpräparat durch Einschieben einer hinreichend dicken Bleiplatte geschehen (Abb. 95), bei einem «-Strahlpräparat, indem man dieses in einer zweiten Kammer

SE Röntgen Strahl- Bündel f y E f $ I D Zu Zur Quelle für A Fr Dei: Dannung ttigungsspannung a rt 2 p ; RS Drucke A "astra BEN «nopf zur, 11 Kam Unterbrechungs » S grapardt 2001 Yerstellung stelle 2 der Unter= f ; Sr ab brechung N N N a. Strahl. > Präparat Abb. 95. Eichstandgerät mit y-Strahl- Abb. 96. Eichstandgerät mit «-Strahl- präparat nach Küstner. präparat nach Küstner.

ionisierend wirken läßt, deren Leitung zur übrigen Anordnung mechanisch unterbrochen werden kann (Abb. 96).

Bei solider Ausführung und der oben besprochenen Befestigungsart darf voraus- gesetzt werden, daß sich von den 4 Faktoren s, C, q und N, die die Empfindlichkeit

Tabelle 51. Ablaufzeit des Eichstandgeräts durch das radio- aktive Präparat: 10 Sekunden.

Eichstandgerät E Dosimeter D Sekunden

Sekunden

des Eichstandgeräts bestimmen, C, q und N nicht ändern können, und daß deshalb auch Änderungen seiner Empfindlichkeit auf Röntgenstrahlen verschiedener Wellenlänge, die allein durch N entstehen könnten, nicht auftreten werden. Wohl wäre aber eine zeitliche Änderung seiner Spannungsempfindlichkeit s denkbar. Diese schaltet man da- durch aus, daß man mit der Stoppuhr die Ablaufzeit zwischen den Skalenteilen A und B des Eichstandgerätes bestimmt, die das radioaktive Präparat bewirkt, und anschließend diejenige, die nach Abschalten des radioaktiven Präparats ein bestimmtes Röntgenstrahl- gemisch hervorruft. Alsdann vergleicht man dasjenige Gerät, das man auf die Kon- stanz seiner Empfindlichkeit prüfen will, bei diesem Strahlengemisch mit dem Eich- standgerät, was am besten nach der Zweielektrometer-Methode geschieht. Dabei läßt man das Eichstandgerät immer zwischen den Skalenteilen A und B ablaufen. Den Ver- gleich beider Geräte führt man in derselben Weise für verschiedene Röntgenstrahlen-

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 2]

322 H. Küstner

gemische durch. Die Spannungsempfindlichkeit des Eichstandgeräts hebt sich hierbei heraus.

Ein Beispiel erläutere die Ausführung. Durch Mittelwertbildung ist die Ablaufzeit des Eichstandgeräts durch das radioaktive Präparat zwischen A und B zu 10 Sekunden bestimmt. Die Tabelle 51 gibt an, wieviel Sekunden die Ablaufzeit des Eichstandgeräts zwischen A und B und des zu prüfenden Dosimeters zwischen den Skalenteilen C und D betrug, wenn beide gleichzeitig mit demselben Strahlengemisch, der Reihe nach aber mit den verschiedenen Strahlengemischen I—IV bestrahlt wurden. Da die Ionisation der Ablaufzeit umgekehrt proportional ist, so geben die Zahlen der Spalte 4 die Ionisation am Dosimetergerät, bezogen auf die am Eichstandgerät. Zur Ausschaltung der Spannungs- empfindlichkeit des Eichstandgeräts hat man diese Zahlenwerte noch durch 10 zu dividieren.

Es möge sich nun aus irgendeinem Grunde die Spannungsempfindlichkeit des Eich- standgerätes geändert haben, so daß an einem anderen Tage seine Ablaufzeit durch das radioaktive Präparat zwischen A und B 20 Sekunden beträgt. Wenn sich die Empfind- lichkeit des zu prüfenden Geräts in dieser Zeit nicht geändert hat, so müßten sich trotz-

Tabelle 52. Ablaufzeit des Eichstandgeräts durch das radio- aktive Präparat: 20 Sekunden.

Eichstandgerät E; Dosimeter D

Strahlengremisch dn dn. Sekunden Sekunden JE Ä 20 JE I 14 5 | 280 > 0140 II 16 4 Am 1.0200 HI 10 3 3,34 | 0,167 IV 185 | 6 3,00 | 0,150 IR A 2 3 | 4 | 5

dem in Spalte 5 dieselben Zahlenwerte ergeben. Die Ablaufzeit des Eichstandgeräts ist jetzt doppelt so groß wie im ersten Falle, und zwar ebenfalls für Röntgenstrahlen. Die beiden Geräte liefern also nunmehr die Ablaufzeiten der Tabelle 52. Dividiert man die Werte der Spalte 4 durch 20, so zeigen sich in der Tat dieselben Werte wie in Spalte 5 der Tabelle 51, was bedeutet, daß sich das zu prüfende Gerät, unserer Vor- aussetzung entsprechend, in der Tat nicht geändert hat.

Die Vorzüge dieser Methode sind die folgenden:

Unkontrollierbare Änderungen von C, q und N des Eichstandgeräts sind wegen seiner festen Aufstellung nicht zu erwarten;

unkontrollierbare Änderungen der Spannungsempfindlichkeit des Eichstandgeräts heben sich durch die Methode heraus;

es können nicht allein die Ionisationsmeßgeräte der verschiedensten Konstruktionen, sondern auch Dosimeter, die nach anderen Prinzipien arbeiten, miteinander verglichen werden;

da hierfür nur ein Eichstandgerät, also auch nur ein radioaktives Präparat erfor- derlich ist, und da das Elektrometer primitivste Form besitzen kann, so ist das Verfahren wohlfeil ;

der Vergleich verschiedener Geräte kann bei beliebigen Strahlengemischen durch- geführt werden;

wählt man den Abstand der Röntgenröhre vom Eichstandgerät so, daß die Ab- laufzeit desselben durch die Röntgenstrahlung gleich derjenigen durch das radioaktive

Das Röntgensche Aksorptionsgesetz 323

Präparat wird, so heben sich auch noch etwa vorhandene Zeitmeßfehler heraus, die ihre Urasche in fehlerhaftem Gang der Stoppuhr haben, vorausgesetzt, daf der Fehler ein systematischer ist, d. h. daß er sich bei jeder Einzelmessung gleich bleibt;

die Eichung des Eichstandgeräts nach RI" unterliegt keinerlei Schwierigkeiten, so daß jeder, der über ein Eichstandgerät verfügt, jederzeit in der Lage ist, die Eichung seiner Dosimetergeräte nach RI". welches ihr Prinzip auch sei, mit Hilfe des Eichstand- geräts nachzuprüfen.

Achtzehntes Kapitel. Die Härtemessung der Röntgenstrahlen.

In neuerer Zeit hat sich die Härtemessung der Röntgenstrahlen mit Hilfe des Spek- tralapparats auch in die medizinische Praxis mehr und mehr Eintritt zu verschaffen gesucht. Für den Rahmen dieser Abhandlung käme höchstens die Untersuchung spektral zerlegter Röntgenstrahlung nach der Ionisationsmethode in Frage. Bei der außerordent- lich geringen Intensität spektral zerlegten Röntgenlichtes stellt seine Ionisationsmessung außerordentliche Anforderungen an die Meßgenauigkeit und ist daher zunächst nur im physikalischen Laboratorium anwendbar (vgl. IX. und X. Kapitel). Aus diesem Grunde dürfen wir hier von einer Behandlung der Spektralionisationsmessung absehen.

l. Das Röntgensche Absorptionsgesetz.

Schon bei seinen ersten grundlegenden Untersuchungen über den Durchgang von Röntgenstrahlen durch Glas und Stanniol gelangte Röntgen zu folgendem Ergebnis: „Denkt man sich die untersuchten Körper in gleich- dicke, zu den parallelen Strahlen senkrechte Schichten zerlegt, so ist jede dieser Schichten für die in sie ein- dringenden Strahlen durchlässiger als die vorher- gehende; oder mit anderen Worten: die spezifische Durchlässigkeit eines Körpers ist um so größer, je dicker der betreffende Körper ist.“ Dieses Gesetz wird das Röntgensche Absorptionsgesetz genannt; da wir Wellenlänge 3 heute wissen, daß wir beim Durchgang von Röntgen- Abb. 97. Kontinuierliches Spek- strahlen durch Materie deren Schwächung messen, trum in Abhängigkeit von der müßten wir es eigentlich als ‚„Röntgensches Schwä- Filterdicke (schematisch), chungsgesetz‘‘ bezeichnen.

Die Untersuchungen über das kontinuierliche Röntgenspektrum (X. Kapitel) haben die Gewißheit gebracht, daß die von unseren Röntgenröhren ausgehende Strahlung nicht homogen ist, sondern sich aus einer großen Anzahl Komponenten verschiedener Wellenlängen zusammensetzt. Auch haben die Untersuchungen über die Schwächung der Röntgenstrahlen verschiedener Wellenlänge gelehrt, daß in einem und demselben Material die Schwächung um so größer ist, je langwelliger die Strahlung ist. Diese beiden Tatsachen erklären uns zwanglos das Röntgensche Schwächungsgesetz. In Abb. 97 ist schematisch dargestellt, in welcher Weise das kontinuierliche Spektrum geschwächt wird, wenn man der Reihe nach mehr und mehr Filter desselben Materials in den Weg der Röntgenstrahlen bringt: stets erfolgt die Schwächung am meisten auf Kosten der weichen Komponenten. Hieraus ergibt sich, daß mit zunehmender Filter- dicke die mittlere Wellenlänge einer inhomogenen Strahlung abnimmt, ihre mittlere Härte

zunimmt: die Strahlung wird durchdringungsfähiger, das Filter wird durchlässiger für sie. 21*

Jonisation

324 H. Küstner

2. Der Einfluß des Ionisationsgeräts auf das Ergebnis der Härtemessung.

Filtern wir ein gegebenes Strahlengemisch der Reihe nach mit mehr und mehr Fil- tern desselben Materials und derselben Dicke, und messen wir in jedem Einzelfalle die Ionisation mit einer Kammer, die, entsprechend den Forderungen Holthusens, die Trägerbildung voll ausnutzt, also beispielsweise mit einer Druckluftkammer, so werden wir bei dem gegebenen Strahlengemisch für jede Anzahl von Filtern einen bestimmten Wert der Ionisation finden. Messen wir unter gleichen Bedingungen mit einer anderen Ionisationskammer, welche, im Vergleich zu der eben genannten, empfindlicher auf weiche Strahlen ist als auf harte, so wird sich jedesmal bei Hinzufügen eines Filters eine stärkere Ionisationsabnahme ergeben als im ersten Falle; d. h. die Schwächung durch jedes Filter wird größer, das Strahlengemisch daher im Mittel als schwächungs- fähiger oder weicher erscheinen. Umgekehrt täuscht uns eine Ionisationskammer, welche relativ empfindlicher

0 7 2 3 mmlua 4 A E Te tt R E Ee auf harte Strahlung ist als Go 44 HIHI auf weiche, jedesmal bei Zu- Nee ee re schalten eines Filters eine ge- 90 N e ringere Ionisationsabnahme EN SS a a E AEN En nn m Ra EE vor als im ersten Falle, und NNE e er N N a scheint uns im Mittel härter. E ei RE | Be RES NL N | El 8 Wollen wir also die mitt- ong NN lee 4 lere Härte eines Strahlenge- AE E a Sec mischs mit Hilfe der Schwä- LE Seen SE S t chung bestimmen, die es EE durch Filter eines bestimm- TE BE BD a E E ge ten Materials und bestimmter E DEE DE BE E EE GE RE a E ES DE A Dicke erleidet, so kann das Abb. 98. Ergebnis nur dann eindeutig Absorptionskurven in Kupfer, aufgenommen mit verschiedenen sein, wenn man entweder eine Fingerhutkammern von Jaeger und Halberstacdter. ganz bestimmte, definierte

Ionisationskammer benutzt, oder wenn man die benutzte Ionisationskammer bezüglich ihrer Wellenlängenempfind- lichkeit durch Vergleich mit einer bestimmten lonisationskanımer geeicht hat und die Meßergebnisse auf jene umrechnet. Am zweckmäßigsten wählt man hierfür die Druckluftkammer.

Daß schon im Rahmen der Ionisationsmethode Unterschiede im Ergebnis der Härte- messung durch Filterung auftreten werden, ist nach den Untersuchungen von Friedrich und Glasser (VI. Kapitel, Abb. 20) durchaus zu erwarten.

Den starken Einfluß verschiedenartiger Fingerhutkammern auf die Absorptions- kurven desselben Strahlengemisches in Kupfer konnten Jaeger und Halberstaedter nachweisen. Sie benutzten hierzu drei der gebräuchlichsten Dosimetergeräte: das Ionto- quantimeter von Reiniger, Gebbert und Schall, den Siemens-Dosismesser, in Abb. 98 als „kleine Friedriehkammer“ bezeichnet, und das Friedrich-Iontoquantimeter. Der schr verschiedenartige, zum Teil sogar gekreuzte Verlauf der Kurven lehrt, daß die Art der Kammer das Meßergebnis sehr stark beeinflussen kann.

Den Einfluß des Moeßgeräts auf das Meßergebnis der Halbwertschicht s. unter 3.

Einfluß des Geräts. Halbwertschicht. Schwächungskoeffizient 325

3. Die Halbwertschicht in einem bestimmten Filtermaterial als Maß der mittleren Härte.

Läßt man ein gegebenes Strahlengemisch der Reihe nach durch mehr und mehr Filter desselben Materials und bestimmter Dicke fallen, und mißt man vor und nach jeder Einzelfilterung die Ionisation, so nimmt diese mit zunehmender Gesamtfilterdicke ab. Trägt man die benutzten Filterdicken als Abszissen, die gemessenen Ionisationen als Ordinaten auf und legt man eine Kurve durch die Punkte, so kann man leicht diejenige Filterdicke bestimmen, durch welche die Ionisation des gegebenen Strahlen- gemisches auf die Hälfte herabgedrückt worden ist. Diese Filterdicke bezeichnet man als die Halbwertschicht des Strahlengemisches in dem betreffenden Filtermaterial.

Ist die gegebene Strahlung homogen oder monochromatisch, so kommt ihr für das betreffende Filtermaterial ein ganz bestimmter Schwächungskoeffizient u zu. Zwischen diesem und der Halbwertschicht in demselben Material besteht eine einfache Beziehung. Ist J, die Ionisation durch die ungefilterte Strahlung und J die Ionisation nach Durch- setzen der Halbwertschicht dyw, so besteht zufolge der Gleichung (2) die Beziehung

J Jade lu =- e l (94) Da sich J, kürzt, so wird i > =e n dyw (95) oder 2= et "inw, (96)

Logarithmiert man diese Gleichung, so erhält man: log. 2 = u dyw = 0,693. (97)

Da der Schwächungskoeffizient in einem bestimmten Material von der Wellenlänge der Röntgenstrahlen abhängig ist, so gilt diese Gleichung streng nur für homogene Strahlung; bei inhomogener Strahlung ist sie dann näherungsweise gültig, wenn man unter u den mittleren Schwächungskoeffizienten des Strahlengemischs versteht, welcher vielfach auch mit Hr bezeichnet wird.

Als Beispiel dafür, wie stark die Messung der Halbwertschicht durch die Eigenart des Meßgeräts beeinflußt wird, mögen die Ergebnisse von Jaeger und Halberstaedter (Abb. 98) dienen. Setzt man mit ihnen die Ionisation an der Oberfläche gleich 1000°/% so ergibt sich für dasselbe Strahlengemisch die Halbwertschicht in Kupfer mit dem Ionto- quantimeter zu 0,25 mm Kupfer, mit der großen Friedrichkanımer zu etwa 0.2 mm Kupfer und mit dem Siemens-Dosismesser zu 0,1 mm Kupfer. Diese ungeheueren Unter- schiede lehren, daß Härteangaben, die mit einem lonisationsgerät gewonnen wurden, das nicht mit einem Normalgerät wie die Druckluftkammer geeicht ist, ziemlich wert- los sind. i

4. Der Schwächungskoeffizient in einem bestimmten Filtermaterial als Maß der mittleren Härte.

Während die Bestimmung der Halbwertschicht einer Strahlung in einem bestimm- ten Medium unter der Voraussetzung eines bestimmten Ionisationsgeräts auch bei in- homogener Strahlung stets zu einem eindeutigen Ergebnis führt, gilt dies für den Schwä- chungskoeffizienten u nicht. Denn nach dem Röntgenschen Schwächungsgesetz ändert ein Strahlengemisch beim Durchgang durch ein Medium seine Härte, und auf die Bestimmung des Schwächungskoeffizienten ist es daher von Einfluß, eine wie dicke

326 H. Küstner

Filterschicht man seiner Messung zugrunde legt. Je dünner diese ist, desto höher wird das Ergebnis für u ausfallen und desto mehr wird es sich dem Werte nähern, der dem u des Strahlengemisches entspricht. Aus diesem Grunde wählt man die Dicke des Filters nur so groß, als es gerade nötig ist, um das Verhältnis zwischen der lonisation J, ohne Filter und der Ionisation J mit Filter genau genug zu messen. Aus der gewählten Filterdicke D in Zentimetern folgt dann für das betreffende Medium

J=J eT" P (98) oder J

—e+"D. (99) Logarithmi^ren liefert J

u D = loge JS (100)

Hierin bedeutet log, den sog. natürlichen Logarithmus mit der Basis e = 2,718, welchen mit dem sog. Briggschen oder gemeinen Logarithmus logjọ mit der Basis 10 die Be- ziehung verbindet:

loge 2 = 2,30259 2 logo Z . (101) Hierdurch erhält man , J 2,30259 5 [4 == = D S logio- > (102)

3. Filtermaterial, Homogenitätspunkt und praktische Homogenität.

Filtert man eine monochromatische Röntgenstrahlung, indem man der Reihe nach immer mehr Filter der gleichen Dicke in ihren Weg bringt, so wird, da der Schwächungs- koeffizient u für eine monochromatische Strahlung eine Konstante ist, durch Hinzufügen jedes einzelnen Filters die Intensität der Strahlung um den gleichen Prozentsatz ge- schwächt. Trägt man die Gesamtfilterdicken als Abszissen, die Logarithmen der zuge- hörigen, gemessenen lonisationen als Ordinaten auf, so erhält man eine Gerade. Dieses Ergebnis läßt sich leicht aus der Gleichung

J, u D = log 7 (100) ableiten, für die man auch Jo u D = loge o loge Jo loge J (103 schreiben kann. Mit Hilfe der Beziehung (101) geht Gleichung (103) über in uD get 230259 logio Jo logio d (104) worin J, und x Konstanten, J und D Veränderliche sind. Setzt man deshalb: logio Jo = K, (105) und u - seek 106 2 30259 WE (106) so nimmt Gleichung (104) die Form logo J =K K,- D (107)

an, und das ist die Gleichung einer Geraden, wenn man logo J als Ordinaten und D als Abszissen aufträgt. Hierbei bedeutet D jedesmal die Gesamtfilterdicke in Zentimetern, bei der eine Ionisationsmessung ausgeführt wird.

Filtermaterial, Absorption und Streuung 327

Filtert man demgegenüber ein Strahlengemisch, so muß man, will man die Intensität der Strahlung durch Hinzufügen eines Filters in jedem Falle um denselben Prozentsatz schwächen, die Dicke der Filter immer größer wählen. Dies folgt aus unseren Betrach- tungen unter l über das Röntgensche Schwächungsgesetz. Trägt man Filterdicken und Logarithmen der zugehörigen, gemessenen lonisationen wieder als Koordinaten ein, so erhält man deshalb nunmehr eine gekrümmte Kurve. Bei Benutzung leichtatomi- ger Filter lehrt aber die Erfahrung, daß man, nachdem man eine hinreichend große Anzahl derselben von zunehmender Dicke in den Weg des Röntgenstrahls gebracht hat, die Stärke der Filter nicht mehr zu erhöhen braucht, um die Ionisation um den gleichen Prozentsatz zu schwächen. Bei der Kurve gibt sich das dadurch zu erkennen, daß sie, nach anfänglicher Krümmung, von da ab geradlinig verläuft. Man hat hieraus den Schluß gezogen, daß die Strahlung alsdann ‚praktisch monochromatisch“ oder „Prak- tisch homogen‘ sei.

In Wirklichkeit ist diese Schlußweise falsch, worauf Holthusen und der Verfasser wiederholt hingewiesen haben. Dies läßt sich leicht aus der Tabelle 6 erkennen, welche für verschiedene Medien die Zahlenwerte für den Massenabsorptionskoeffizienten und den Massenstreukoeffizienten liefert. Während die Massenabsorptionskoeffizienten bei abnehmender Wellenlänge proportional der dritten Potenz derselben sinken, gibt die Tabelle bei jedem Medium für den Massenstreukoeffizienten einen konstanten Zahlen- wert an. Wie wir im II. Kapitel sahen, ist letzteres nicht ganz richtig: auch die Massen- streukoeffizienten sinken etwas mit abnehmender Wellenlänge, aber in viel geringerem Maße als die Massenabsorptionskoeffizienten. Und zwar ist dieses Sinken des Massen- streukoeffizienten nach Barkla und Sale um so geringer, je leichtatomiger das Filter ist; und auch Statz konnte bei Wasser keine Abnahme des Massenstreukoeffizienten mit der Wellenlänge mehr feststellen, während er bei Aluminium eine solche noch beob- achtete.. Wir werden daher annehmen dürfen, daß die Massenstreukoeffizienten der Tabelle 6 um so weniger abhängig von der Wellenlänge sind, je niedriger das Atomgewicht des Filtermaterials ist, und daß die Änderung des Massenstreukoeffizienten mit der Wellenlänge gegen die Änderung des Massenabsorptionskoeffizienten vernachlässigt werden darf. Betrachten wir nun für die verschiedenen Medien der Tabelle 6 bei abnehmender Wellenlänge die Beziehung zwischen den Massenabsorptionskoeffizien- ten und den Massenstreukoeffizienten, so zeigt sich folgendes: da bei Kohlenstoff der Massenabsorptionskoeffizient 1,0%? beträgt, der Massenstreukoeffizient aber 0,18, so wird schon bei verhältnismäßig langen Wellenlängen der erstere klein im Vergleich zum letzteren ; demgegenüber tritt dies bei Kupfer wegen seines 147 mal so großen Absorptions- koeffizienten erst bei verhältnismäßig kurzen Wellenlängen ein. Aluminium steht zwi- schen beiden und unterscheidet sich vom Kupfer in demselben Sinne wie Kohlenstoff, und für Wasser gelten sehr ähnliche Zahlenbeziehungen wie für diesen. Diese Tatsachen sind von großer Wichtigkeit für die Prüfung von Strahlengemischen auf ihre Homogenität nach der Filtermethode, da die verschiedene Wirkungsweise der einzelnen Filter allein durch ihre Eigenschaft bestimmt wird, zu absorbieren und zu streuen.

Bilden wir entsprechend Gleichung (12) das Verhältnis V:

_ absorbierte Energie A - A"

gestreute Energie = o CS NS

p

vernachlässigen wir, um einen zahlenmäßigen Überschlag zu gewinnen, die Wellenlängen- abhängigkeit des Massenstreukoeffizienten, und setzen wir die V-Werte für verschiedene Medien zueinander in Beziehung, so erhalten wir

328 H. Küstner

Vo: Vo: Var: Veu = 2 EN: = Re à AS: 6 A (109) e C P Ho P Al P Cu oder, da sich die Wellenlängen kürzen, Ve: Vo: Var: Var <) : a : [s ( ; (110) S 6 6 OG 6 P’cC p Han P / Al P / Cu

Einsetzen der Zahlenwerte von Tabelle 6 liefert dann: 1,0 2,5 145 147 0,18 0,18 0,16 0,5 oder Ve: Muar Var: Veu = 1:35 : 16,3 : 53. (112)

Dieses Ergebnis lehrt, daß das Verhältnis der verschiedenen V-Werte zueinander, zum wenigsten der Größenordnung nach, bei verschieden harten Röntgenstrahlen den- selben Zahlenwert besitzt, und zwar ist V für Kupfer etwa 50mal so groß als für Kohlen- stoff, 20 mal so groß als für Wasser und 3mal so groß als für Aluminium. Für Zink, das dem Kupfer im periodischen System benachbart ist, gelten nahezu dieselben Zahlenwerte.

Ist nun ein Strahlengemisch nach Durchsetzen einer gewissen Filterdicke eines leicht- atomigen Filters zwar keineswegs monochromatisch, wohl aber im Mittel so hart gewor- den, daß seine weitere Schwächung im wesentlichen allein durch die Streuung der Filter hervorgerufen wird, so ändert sich bei weiterer Filterung der Schwächungskoeffizient nur noch in dem Maße, wie sich der Streukoeffizient ändert. Und da sich bei Wasser eine Änderung des Streukoeffizienten mit der Wellenlänge überhaupt kaum nachweisen läßt, so muß bei weiterer Filterung mit leichtatomigem Material die prozentuale Schwächung nahezu unabhängig von der Härte sein. Hierauf beruht der Übergang der anfänglich gekrümmten Kurve in eine Gerade. In Wirklichkeit sagt also die Filtermethode gar nichts darüber aus, von wann ab eine Strahlung ‚praktisch homo- gen“ ist, sondern allein darüber, von wann ab die Absorption klein wird gegen die Streuung oder, mit anderen Worten, von wann ab unsere Filtermethode versagt.

Wir können aus dieser Überlegung zwei Folgerungen ziehen. Erstens ist zu erwarten, daß für zwei sehr harte Strahlengemische, die sich nur durch ihre mittlere Härte unter- scheiden, die Filtermethode bei Verwendung eines leichtatomigen Filters sehr angenähert denselben ‚Homogenitätspunkt‘“, in dem die Krümmung in eine Gerade übergeht, liefern wird, wofern nur die beiden Strahlungen so hart sind, daß die Absorption gegen die Streuung verschwindend klein wird. Für Wasser muß dies schon bei verhältnismäßig weichen Strahlen eintreten. Zweitens ist zu erwarten, daß bei Verwendung verschie- denen Filtermaterials (z. B. einmal Kupfer, einmal Aluminium) verschiedene ‚„Homo- genitätspunkte‘“ für dasselbe Strahlengemisch erhalten werden.

Da die ‚praktische Homogenität‘, ermittelt an Aluminiumfiltern oder gar an Wasser, in der medizinischen Praxis eine große Rolle spielt, so unterzog der Verfasser obige Über- legungen einer experimentellen Prüfung, indem er dasselbe Strahlengemisch einer Wolframglühkathodenröhre bei etwa 195 kV einmal mit Kupfer, einmal mit Aluminium zunehmender Dicke filterte. Zwei so erhaltene Kurven sind in Abb. 99 dargestellt. Das Ergebnis lehrt:

a) Die Aluminiumfilterkurve geht nach anfänglicher Krümmung in eine Gerade über. Ein „‚Homogenitätspunkt H“ wird hier, wie zu erwarten, tatsächlich vorgetäuscht.

b) Die Kupferfilterkurve verläuft gekrümmt; eine Geradlinigkeit läßt sich nicht nachweisen. Demgegenüber zeigt sich mit aller Deutlichkeit, daß, wenn die Strahlung

Ver Vios Va Va - = 5,55 : 13,9 : 90,6 : 294 (111)

Homogenitätspunkt und praktische Homogenität 329

durch Kupferfilterung auf denselben Bruchteil ihrer Anfargsionisation geschwächt ist wie bei Aluminiumfilterung im ‚„Homogenitätspunkt H“, die Kupferfilterkurve sehr deutlich weiterhin ihre kontinuierliche Krümmung aufweist.

Hieraus folgt: ‚Homogenitätspunkt‘‘ und ‚praktische Homogenität‘‘ sind durch Eigenschaften zu leichtatomiger Filter vorgetäuscht. Ihnen kommt keinerlei Realität zu. Im Hinblick auf die eben überschlägig berechneten V-Werte ist demnach Wasser noch weitaus ungeeigneter als Aluminium, um mit seiner Hilfe die Homogenität einer Strahlung zu prüfen.

Glocker und Kaupp haben die Frage, ob sich die Härte eines Strahlengemisches wirklich schärfer durch die Bestimmung seines Schwächungskoeffizienten Uc, in Kupfer oder seines Schwächungskoeffizienten Ho o in Wasser charakterisieren läßt, einer experi- mentellen Prüfung unterzogen. Sie benutzten hierzu eine Reihe verschiedener Rest- strahlengemische, für deren jedes sie Hau o und ucu bestimmten. Das von beiden Herren freundlichst zur Verfügung gestellte Zahlen- material gibt Tabelle 53. Die Ergebnisse lehren in Übereinstimmung mit unseren erden theoretischen Erwägungen, daß der Schwä- Ñ RE ma IDEE chungskoeffizient in Wasser nur sehr ge- EE e E ringe Unterschiede zeigt, die, um überhaupt Spannungsmesser W deutlich in Erscheinung zu treten, hohe Forderungen an die Meßgenauigkeit stellen. Die Zahlenwerte für Go o liegen alle sehr nahe bei dem Werte 0,18, der in Tabelle 6 für den Massenstreukoeffizienten für Wasser angeführt wird. Daß sie zum Teil niedriger HEBRREKZERE sind als dieser, kann ebensogut in der Form $ g á der Ionisationskammer wie in dem Umstande Abb. 99. Filterkurven an Aluminium und Kupfer begründet liegen, daß der Wert 0,18 der Ab- nach Küstner. nahme der Massenstreuung mit der Wellen- länge keine Rechnung trägt. Sicher aber kann gesagt werden, daß bei den Untersuchungen von Glocker und Kaupp der mittlere Massenabsorptionskoeffizient für Wasser sehr klein sein wird im Vergleich zu dem beobachteten Massenschwächungskoeffizienten und damit auch im Vergleich zum Massenstreukoeffizienten, der die Differenz beider darstellt. Da bei Wasserfilterung also der Massenabsorptionskoeffizient, der allein über die mitt- lere Härte des Strahlengemisches Aufschluß zu geben vermag, schon bei verhältnismäßig gering gefilterten Therapiestrahlen außerordentlich klein wird und deshalb neben der beobachteten großen Massenstreuung kaum in Erscheinung tritt, erweist sich die Wasser- filterung zur Bestimmung der Härte eines Strahlengemisches als ungeeignet. Dieser Umstand dürfte auch die Unterschiede in den Angaben verschiedener Autoren über die Schwächungskoeffizienten der von ihnen benutzten Strahlengemische in Wasser erklären.

E E E WI SR EE EE 2

Tabelle 53. Schwächungskoeffizienten verschiedener Strahlengemische in Wasser und a A nach Glocker und ER

Vorfilter 1 mm Kupfer WP mm Kupfer

E m nn

Parallelfunkenstrecke zwischen Spitzen 44 cm 42 cm 44 cm 42 cm 36 cm 32 cm

i

UH,O 0,166 0,168 0,170 0,173 0,175 | 0,178

HCH 50 | 3,3 5,69 | 6,48 | 6,96 | 7,36

330 H. Küstner

Demgegenüber weist der Schwächungskoeffizient in Kupfer einen weit größeren Gang mit der Härte der Strahlen auf. Während sich für die beiden ersten, härtesten Strahlengemische die Werte Gu oa nur um 1,6%, unterscheiden, beträgt der Unterschied von uca 6%. Bei dem ersten und letzten, nur mit 0,5 mm Kupfer vorgefilterten Rest- strahlengemisch unterscheiden sich die Yjr,o-Werte nur um 4,7%. die ucu-Werte aber um 29,4%! Der Schwächungskoeffizient in Kupfer zeigt demnach einen weit stärkeren Gang mit der Härte der Röntgenstrahlen und ist daher dem Schwächungskoeffizienten in Wasser zur Charakterisierung eines Strahlengemisches weit überlegen. Prinzipiell gleichwertig ist dem Kupferfilter das Zinkfilter, da Zink, als Nachbarelement des Kupfers im periodischen System, sehr nahe die gleichen Eigenschaften hat wie dieses. Indessen ist reines Zink nur verhältnismäßig schwer zu erhalten, so daß bei Verwendung von Zinkfiltern zur Härtemessung Vorsicht geboten ist.

Um die Leistungsfähigkeit der Kupferfiltermethode zu untersuchen, stellte der Verfasser durch Wahl verschiedener Röhrenspannungen und verschieden dicker Kupfer-

0 0 1 Game 0648 1 0 02% Q6 RE 05 Ce 01

Abb. 100. Bestimmung der Halwertschichten in Kupfer von 13 Strahlengemischen nach Küstner.

filter 13 verschiedene Reststrahlengemisch her. Diese waren, infolge ihrer starken Kupferfilterung, teilweise auserordentlich viel homogener als die in der Tiefentherapie gebräuchlichen Strahlengemische und auch als die von Glocker und Kaupp be- nutzten. Der Verfasser unterwarf diese 13 Reststrahlengemische nach der Zwei- elektrometer-Methode einer Bestimmung ihrer Halbwertschicht in Kupfer. Abb. 100 zeigt die Ergebnisse. Als Abszisse ist die Dicke der Kupferfilter aufgetragen, mit denen das Reststrahlengemisch gefiltert wurde, als Ordinate das Verhältnis J; :Jọ, d. h. die lonisation durch das gefilterte Reststrahlengemisch, bezogen auf die Ionisation des ungefilterten Reststrahlengemisches. Trotz der verhältnismäßig guten Homogenität der Reststrahlengemische unterscheiden sich die in Abb. 100 angegebenen Werte für die Halbwertschichten HW in Millimeter Kupfer sehr deutlich voneinander. Die Methode ist also zur Analyse eines Strahlengemisches sehr gut geeignet.

Die Härtemessung in der Diagnostik gebräuchlicher, verhältnismäßig weicher Strahlengemische wird demgegenüber am besten mit Aluminiumfiltern durchgeführt. Denn Kupferblech hinreichend geringer Stärke ist im allgemeinen nicht zu bekommen. Für die weichen, diagnostischen Strahlengemische ist auch die Absorption im Aluminium etwa von gleicher Größenordnung wie die Streuung, so daß hier die Bedenken gegen das

Aluminium in Wegfall kommen, die gegen dasselbe für harte Tiefentherapiestrahlungen erhoben wurden.

Der Heterogenitätsfaktor; die prozentuale Tiefendosis 331

6. Der Heterogenitätsfaktor nach Christen.

Durch die Halbwertschicht oder den Schwächungskoeffizienten in einem bestimmten Filtermaterial ist ein Strahlengemisch keineswegs eindeutig bestimmt. Denn es ist ohne weiteres denkbar, daß, trotz gleichen Filtermaterials, zwei verschiedene Strahlengemische dieselbe Halbwertschicht oder dasselbe ur besitzen; dies kann dann eintreten, wenn sich das eine Strahlengemisch sowohl in dem Bereich härterer wie in den weicherer Wellen- längen ausdehnt als das andere.

Die Halbwertschicht einer Röntgenstrahlung in einem bestimmten Filtermaterial sei d}. Die aus diesem Filter wieder austretende Strahlung werde weiterhin untersucht und habe die Halbwertschicht d. Die Strahlung, die die Filter der Gesamtdicke d, + d, wieder verläßt, besitze die Halbwertschicht d, usf.

Völlig monochromatische Strahlung wird durch Filterung nur in ihrer Intensität, nicht aber in ihrer Wellenlänge geändert. Bei monochromatischer Strahlung sind also alle aufeinander folgenden Halbwertschichten einander gleich und ihr Verhältnis ist

d; ¿d : d}... = L. (113)

Ein inhomogenes Strahlengemisch wird demgegenüber nach dem Röntgen- sc hen Schwächungsgesetz mit zunehmender Filterdicke im Mittel immer härter. Die zweite Halbwertschicht d, wird deshalb größer sein als die erste d}, die dritte größer als die zweite usf. Christen hat das Verhältnis

(114)

als den Heterogenitätsfaktor bezeichnet. Je homogener das Strahlengemisch ist, desto näher liegt h an 1, je inhomogener es ist, desto größer ist h als 1. Aus diesem Grunde stellt der Heterogenitätsfaktor h ein durchaus zweckentsprechendes Maß für den Homogeni- tätsgrad eines Strahlengemisches dar. Voraussetzung ist aber auch hier, daß ein geeig- netes Filtermaterial wie Kupfer verwendet wird. Denn, wie wir sahen, ist die Massen- schwächung hinreichend harter Strahlengemische in einem leichtatomigen Filter, wie z. B. Wasser, stets nahezu gleich, und deshalb würde sich bei Verwendung eines solchen auch bei verschiedenen Strahlengemischen hinreichender Härte h = d,:d, stets sehr nahezu gleich 1 ergeben und folglich kein Kriterium für die Homogenität des Strahlen- gemisches sein.

7. Die prozentuale Tiefendosis in Wasser als Maß der mittleren Härte.

In der Praxis kommt es in erster Linie darauf an, die Tiefendosis zu kennen, die, in Prozenten der Oberflächendosis, bei einem bestimmten Strahlengemisch in bestimmter Tiefe erzielt wird. Aus praktischen Gründen wird diese deshalb häufig zur Charakteri- sierung der Härte eines Strahlengemisches benutzt. Wie wir im neunzehnten Kapitel sehen werden, ist es nicht möglich, dieselbe rechnersich zu erfassen; man ist daher auf ihre experimentelle Bestimmung angewiesen. Die Schwierigkeiten, die hierbei noch zu den soeben erörterten hinzutreten, sollen im nächsten Kapitel behandelt werden. Die Tiefendosis muß aus praktischen Gründen in einem Material bestimmt werden, das möglichst genau dieselben Absorptions- und Schwächungsverhältnisse und dieselbe Dichte aufweist wie menschliches Gewebe: man bedient sich deshalb eines leichtatomigen Materials wie Wasser oder Paraffin. Wie wir ebenfalls im nächsten Kapitel sehen werden, wird die Ionisation in der Tiefe aber im wesentlichen durch die Streustrahlung bedingt. Schon aus diesem Grunde eignet sich die Angabe der Tiefendosis noch weniger zur

332 H. Küstner

Härtedefinition als die Bestimmung des Schwächungskoeffizienten in Wasser. Da sich die Tiefendosis desselben Strahlengemisches aber auch noch mit der Größe des Einfalls- feldes, mit dem Brennfleckabstand des Mediums und mit dessen Material ändert, so ver- mag sie nur unter gleichzeitiger Angabe dieser drei Faktoren und des Dosimeters inner- halb der Grenzen ihrer geringen Leistungsfähigkeit zu eindeutiger Definition der Härte eines Strahlengemisches zu dienen.

Trotzdem wird in der Praxis meist die Tiefendosis zur Charakterisierung der Strah- lung verwandt. Denn dem Praktiker komnit es auf die Tiefendosis selbst an. nicht auf den Schwächungskoeffizienten oder die Halbwertschicht, aus denen er die Tiefendosis ja doch nicht errechnen kann. Er begnügt sich mit Recht damit, Strahlungen durch ihr Verhalten im Innern des Körpergewebes zu definieren, einerlei, ob sie vor ihrem Eintritt in dieses genau denselben Grad von Homogenität oder Härte besitzen. Die von Seitz und Wintz in 10 cm Wassertiefe gemessene prozentuale Tiefendosis ist alsdann nach den Untersuchungen von Holfelder, Bornhauser und Yaloussis ein besonders günstiges Kriterium für die Qualität einer Strahlung (neunzehntes Kapitel).

Demgegenüber verdient die Bestimmung einer Strahlung durch ihre Halbwertschicht oder ihren Schwächungskoeffizienten in Kupfer überall da den Vorzug, wo es sich um möglichst scharfe Charakterisierung eines besonders homogenen Strahlengemisches handelt; dies kommt beispielsweise bei wissenschaftlichen Untersuchungen oder bei Eichungen in Frage.

Neunzehntes Kapitel. Die Tiefendosis und ihre Messung.

l. Oberflächendosis, Tiefendosis, Dosenquotient und prozentuale Tiefen- dosis.

Unsere bisherigen Betrachtungen erstreckten sich nur auf die Messung von Intensi- tät und Härte der Röntgenstrahlen mit oder ohne Filter im Luftraum. Wir wenden uns nun der Bestimmung der Röntgenstrahlenintensität in der Körpertiefe zu als einem Pro- blem, das für die medizinische Praxis außerordentliche Bedeutung besitzt.

Messen wir die Intensität einer gegebenen Röntgenstrahlung einmal, indem wir eine Fingerhutkammer in bestimmtem Brennfleckabstand frei in Luft aufstellen, das andere Mal, indem wir eine größere Menge Körpergewebe oder Wasser unmittelbar hinter die Kammer bringen, so werden wir im letzten Falle eine beträchtlich höhere Intensität feststellen. Die Ursache ist in der Streustrahlung zu suchen, die der Kammer im zweiten Falle durch das Medium zugestrahlt wird, und die ihre Wirkung zu der der Primärstrah- lung addiert. Für eine solche an der Körperoberfläche gemessene Dosis hat man daher den Begriff der ‚„Oberflächendosis‘“ geprägt.

Demgegenüber bezeichnet man eine Dosis im Innern des Körpers oder Phantoms als ‚„Tiefendosis‘“.

Vielfach setzt man für die Oberflächendosis den Zahlenwert 100 und für die Tiefen- dosen relative Zahlenwerte. Dividiert man die in einer bestimmten Tiefe gemessene Tiefendosis durch die Oberflächendosis, so erhält man für die betreffende Stelle den „Dosenquotienten‘“ in Prozenten der Oberflächendosis. Für das Verhältnis der Tiefen- dosis in 1®cm Tiefe zur Oberflächendosis führten Seitz und Wintz die Bezeichnung „prozentuale 'Tiefendosis‘‘ ein.

Der Dosenquotient in einer bestimmten Tiefe ist abhängig von der Entfernung der

Oberflächendosis, Tiefendosis, Dosenquotient, prozentuale Tiefendosis 333

Strahlenquelle von der Oberfläche des bestrahlten Objekts, von der Absorption in diesem und von der Streustrahlung desselben. Lange Zeit hat man die Bedeutung der letzteren unterschätzt und deshalb geglaubt, man könne einen Dosenquotienten rein rechnerisch allein aus der Absorption und aus dem Brennfleckabstand unter Benutzung des quadra- tischen Abstandsgesetzes und des Absorptionskoeffizienten ermitteln. Friedrich und Krönig erkannten als erste den ungeheueren Einfluß der Streustrahlung. Dieser läßt sich auch heute noch nicht rechnerisch erfassen, und so gilt auch heute noch das von ihnen aufgestellte Gesetz:

„Eine Tiefendosis läßt sich nicht berechnen aus der Halbwertschicht und dem Abstandsgesetz. Läßt sich die Dosis in der Tiefe nicht durch Ein- führung der Meßkammer des Dosimeters direkt bestimmen, so bleibt als gangbarer Weg die Bestimmung der Dosis für die gewünschte Tiefe im Wasserphantom bei Einhaltung möglichst derselben Bedingungen wie bei der therapeutischen Bestrahlung.“

Wer Tiefentherapie betreibt, ist auch heute noch vor die Aufgabe gestellt, Tiefen- dosen und Dosenquotienten zu messen. Ihre Bestimmung gehört zu den schwierigsten Aufgaben der Röntgenmeßtechnik. Nur so erklärt es sich, daß auch Forscher von Ruf zu quantitativ unrichtigen Ergebnissen gelangten. Seit den ersten Untersuchungen von Krönig und Friedrich bis zu den Präzisionsmessungen von Holfelder, Born- hauser und Yaloussis haben die Ergebnisse beträchtliche Verbesserungen erfahren. Dies war nur möglich durch die fortschreitende Erkenntnis anfänglich verborgener und doch schwerwiegender Fehlerquellen. So wird nur derjenige, dem diese Fehlerquellen bekannt sind, das erforderliche Höchstmaß an Meßgenauigkeit erreichen, das allein vor verhängnisvollen Rückschlägen schützen kann. Aus diesem Grunde müssen sowohl diejenigen Faktoren, von denen der Wert des Dosenquotienten abhängt, als die Fehler- quellen bei seiner Bestimmung genau behandelt werden.

2. Prinzipielles zur Messung des Dosenquotienten.

Nach der Definition von Behnken (IX. Kapitel) ist die Dosis der Ionisation pro- portional. Die Messung der Tiefendosis setzt die Anwendung einer möglichst kleinen Ionisationskammer voraus. Solange wir annehmen dürfen, daß die mittlere Härte der Röntgenstrahlung auch in der Tiefe des Körpergewebes oder Phantoms keine so starke Änderung erfährt, daß die Wellenlängenabhängigkeit der Kammer störend in Erschei- nung tritt, dürfen wir deshalb den Dosenquotienten und die prozentuale Tiefendosis dem Quotienten aus der in der Tiefe und an der Oberfläche gemessenen Ionisation pro- portional setzen.

Die genauesten Ergebnisse sind mit Hilfe der Zweielektrometer- Methode zu erwarten. Hierbei hält man die Kammerstellung des einen Geräts unverändert, während man die Kammer des anderen ihre Stellung zwischen Oberfläche und Tiefe wechseln läßt. Es empfiehlt sich, die feststehende Kammer außerhalb des untersuchten Strahlenkegels zu belichten, um eine Schattenwirkung ihres Trägers zu vermeiden.

Bei Verwendung nur eines Meßgeräts muß für peinlichst genaue Konstanz der Betriebsbedingungen gesorgt werden.

3. Faktoren, welche den Wert des Dosenquotienten beeinflussen.

Durchsetzt ein Röntgenstrahlbündel ein bestimmtes Medium bestimmter Dicke, so breitet sich von jedem Punkte, der von dem primären Strahlenbündel getroffen wird, wenn auch verschieden intensiv in verschiedenen Richtungen, so doch nach allen Rich- tungen Streustrahlung aus. Diese Streustrahlung wird daher sowohl solche Punkte des

334 H Küstner

Mediums treffen, die außerhalb des primären Strahlenbündels liegen, als auch solche, die sich innerhalb desselben befinden. Im letztgenannten Falle erhält jeder Punkt außer der Primärstrahlung noch eine Streuzusatzstrahlung. Die Größe derselben hängt von dem Streukoeffizienten und von rein geometrischen Verhältnissen ab.

a) Der Intensitätsabfall mit zunehmendem Abstande vom Zentralstrahl.

Eine einfache Überlegung erklärt uns leicht qualitativ diesen Intensitätsabfall. Das Rechteck der Abb. 101 stelle einen zum Zentralstrahl senkrechten Schnitt durch das rechteckige Strahlenbündel dar, dessen Strahlungsquelle wir

SE uns so weit hinter der Zeichenebene liegend denken, daß wir, RER ohne einen nennenswerten Fehler zu begehen, alle in der Zeichenebene liegenden Punkte als gleich weit vom Brennfleck

ansehen dürfen. Alle diese Punkte erhalten dann dieselbe Pri- recht zum Zentralstrah] märstrahlung, und jeder dieser Punkte sendet deshalb nach durch ein rechteckiges Allen Richtungen in der Zeichenebene dieselbe Streustrahlungs- Röntgenstrahlenbündel energie aus. Wir greifen nun willkürlich 5 Punkte I--V heraus, unterhalb der Wasserober- die in gleichem Abstande auf der Parallelen zur großen Kante See des Rechtecks durch dessen Mittelpunkt liegen, und wir be- trachten der Reihe nach, welche gestreute Energie die Punkte II, II und I von den anderen 4 Punkten erhalten. Punkt III bekommt Streustrahlung von den beiden gleich weit entfernten Nachbarpunkten II und IV und von den beiden doppelt so weiten Punkten I und V. Demgegenüber erhält Punkt II Streustrahlung zwar auch von seinen 2 Nachbarpunkten I und III, darüber hinaus aber nur von dem einen Punkte IV in doppeltem Abstande und von dem Punkte V in dreifachem Ab- stande. Die dem Punkte II zugestrahlte Streustrahlung muß also etwas kleiner sein als die von Punkt III auf- genommene. Schließlich erhält der Randpunkt I seine Streustrahlung aus einfacher, doppelter, dreifacher und vierfacher Entfernung: er erhält also noch weniger als Punkt II. Die Intensität zeigt also tatsächlich einen Ab- fall nach dem Rande hin.

Daß diese Betrachtung nur qualitativen Wert be- sitzen kann, folgt schon daraus, daß wir allein 5 Punkte beliebig herausgriffen und alle dazwischen, daneben, dar- über und darunter liegenden vernachlässigten. Dehnen wir aber unsere Betrachtung auf Zwischen- und Nebenpunkte aus, so ergibt sich für jeden einzelnen qualitativ dasselbe Gesetz der Intensitätsabnahme nach dem Rande zu. Die Durchführung muß freilich dem Leser überlassen bleiben.

Daß ein Punkt P außerhalb des Primärstrahlkegels eine um so geringere Streustrah- lung erhält, je weiter er vom Kegel entfernt ist, folgt ebenfalls aus unseren Abstands- betrachtungen. Der Streustrahlenmantel um den Primärstrahlenkegel muß also nach außen hin schwächer werden.

Eine Frage, die in neuester Zeit aufgeworfen wurde, ist die, ob die Intensität an der Grenze des Primärstrahlenbündels eine sprunghafte Änderung erleidet oder nicht. Nach Messungen von Dessauer und Vierheller auf photographischer Grundlage sollte sich der Intensitätsübergang kontinuierlich vollziehen. Eine einfache Überlegung lehrt indessen, daß dies a priori unmöglich ist. Betrachten wir allein die Streuzusatzstrahlung, die ein Punkt P erhält, und lassen wir diesen vom Innern des Primärstrahlenkegels. durch dessen Begrenzung nach P’ wandern, wie das in Abb. 102 angedeutet ist. Seine mitt-

Abb. 101. Schnitt senk-

Abb. 102.

Zur Streuzusatzstrahlung.

Intensitätsabfall mit zunehmendem Abstande vom Zentralstrahl 335

lere Entfernung von allen Streu- strahlungsquellen nimmt dann völlig stetig ab, und beim Grenzübergang durch den Primärstrahlenmantel kann die Streustrahlung, die P er- hält, nur abnehmen, keinesfalls aber zunehmen. Da sich aber der Streu- strahlung innerhalb des Primär- strahlenkegels noch die Primärstrah- lung überlagert, welche, scharfen Brennfleck und scharfe Blende vor- ausgesetzt, aus rein geometrischen Gründen scharf begrenzt sein muß, so muß notwendigerweise trotz der Streuzusatzstrahlung die Schärfe der Primärstrahlbegrenzung auch im streuenden Medium erhalten bleiben. Den Beweis hierfür erbrachten Hol- felder, Bornhauser und Yaloussis nach der Ionisationsmethode und Gottlieb auf photographischem Wege. Die experimentelle Behandlung dieses Problems setzt aber die

Abb. 103.

Versuchsanordnung von Friedrich und Körner.

Feldgrösse 2x2 cm WA Feldgrösse 8x8 cm 4,400 Feldgrösse 14x 1#.cm S q "MOT 80 SER ER sol N EL ONTIJ S KI

2 FH=50cm Abb. 104. Messungen der Tiefendosis von Friedrich und Körner.

Kenntnis zahlreicher Meßfehlerquellen voraus, und wir können erst dann, wenn wir uns mit diesen vertraut gemacht haben, auf jene wichtigen Untersuchungen näher eingehen. b) Der Einfluß der Größe des Einfallsfeldes auf den Dosenquotienten.

Die Streuzusatzstrahlung nimmt zu mit der Größe des Einfallsfeldes. Dies ergibt sich aus der Betrachtung des Zentralstrahles. Bei kleinem Einfallsfelde wird nur ein

336 H. Küstner

verhältnismäßig kleines Volumen vom Primärstrahl getroffen, dessen Punkte den auf dem Zentralstrahl gelegenen Punkten einen Streuzusatz zustrahlen; bei einem großen Einfallsfelde gibt es demgegenüber viele solche Streustrahlungsquellen in der Umgebung des Zentralstrahles. Wegen dieser Zunahme der Streuzusatzstrahlung geht auch eine Erhöhung der Tiefendosis mit der Steigerung der Feldgröße Hand in Hand.

Von den vielen Messungen des Tiefenquotienten greifen wir hier diejenigen von Friedrich und Körner heraus, deren Versuchsanordnung vorbildlich ist. Diese zeigt Abb. 103. Sie bedienten sich eines Wasserphantoms, da Wasser außerordentlich nahe denselben Absorptions- und Streukoeffizienten pro Masseneinheit besitzt wie Muskel- gewebe. Das Wasserphantom bestand aus einem zylindrischen Zinkblechgefäß von 35 cm Durchmesser und 25 cm Höhe und war etwa bis zu 20 cm Höhe mit Wasser gefüllt. Zur Messung diente eine Fingerhutkammer aus 0,1 mm starkem Aluminiumblech und von l cem Inhalt, die durch ein Kabel mit einem Wulfschen Zweifadenelektrometer

Tabelle 54. Prozentuale Tiefendosis für verschiedene Einfallsfelderund Brenn- fleckabstände nach Friedrich und Körner. Parallelfunkenstrecke: 38 cm.

Fokushautabstand in cm 35 | 40

Filter: 1 mm Kupfer; Halbwertschicht 3,3 cm Wasser

2x2 12,1 | 12,4 | _ | 12,4 8x8 21,5 | 23,0 | ar = 26,2 14x14 27.9 28.2 30.2 31.2 32.4 33,7 20x20 336 | 36 | 379 41,4 Filter: 10 mm Aluminium: Halbwertschicht 2,9 cem Wasser 2x2 II == 10.3 | ' | 10,9 5x8 19,4 z= 20.9) | == | geg 22,8 14x14 22,1 23.1 25,5 25,7 26,2 25,7 20 x 20 _ | 26,1 25,1 | 29.6 | = 31,2

verbunden war. Zur Einführung der Kammer war seitlich an dem Gefäß ein Ansatz A angebracht, der mit einem eingeschliffenen Metallschieber S geschlossen war. Dieser ge- stattete bequem ein Auf- und Abwärtsführen der Meßkammer und trug eine Zentimeter- einteilung zur Tiefeneinstellung. R ist eine Glühkathoden-Röntgenröhre, F ein Filter zur Homogenisierung des Strahlengemischs, Bl eine Bleiblende und FH der Brenn- fleckabstand von der Wasseroberfläche.

Die Ergebnisse ihrer Messungen längs des Zentralstrahles sind in Abb. 104 und 107 und Tabelle 54 für verschiedene Einfallsfelder und Brennfleckabstände darge- stellt. Man erkennt, daß sich die prozentuale Tiefendosis beim Übergang von Einfalls- feldern von 2 x 2qcm zu solchen von 20 x 20 qem teilweise mehr als verdreifacht.

Großmann bediente sich kugelförmiger Ionisationskammern aus 1 mm dickem, innen graphitiertem Elfenbein; die Meßelektrode bildete eine zu jener konzentrische, außen graphitierte Elfenbeinkugel. An der Wasseroberfläche tauchte die Kugel bis zur Hälfte ins Wasser ein. Nach seinen Messungen nimmt die prozentuale Tiefendosis eben- falls mit der Größe des Einfallsfeldes zu, doch scheint sie sich bei Einfallsfeldern, deren Durchmesser nicht viel größer als 25 cm ist, einem Grenzwerte zu nähern (Abb. 105).

c) Der Einfluß des Brennfleckabstandes auf den Dosenquotienten.

Für dasselbe Einfallsfeld verteilt sich diejenige Röntgenstrahlung, die durch die Oberfläche tritt, in einer bestimmten Tiefe bei kleinem Brennfleckabstand über eine große

Prozentvale Tiefendosis p ———

Einfluß der Größe des Einfallsfeldes und des Brennfleckabstandes 337

Fläche (Abb. 106a), bei großem Brennfleckabstande aber über eine kleine (Abb. 106b). Bezogen auf gleiche Intensität an der Oberfläche ist also die Intensität der Primärstrah- lung in bestimmter Tiefe bei großem Brennfleckabstand größer als bei kleinem. Außer- dem erhalten aber die Punkte des Zentralstrahls ihre Streuzusatzstrahlung von Zentren her zugestrahlt, deren mittlere Entfernung vom Zentralstrahl im Falle a größer ist als

% 10mm Al-Filter Zomm Cu-Filter

Durchmesser des Einteittsfeldes

Abb. 105. Die prozentuale Tiefendosis in Ab-

hängigkeit vom Durchmesser des kreisrunden

Einfallsfeldes nach Großmann. Scheitelspan-

nung 189 kV. Brennfleckabstand des Wasser- spiegels 50 cm.

EFLENT]

0 0 2 4 6 8 10cm

Abb. 106a. Abb. 106 b, 0 2 4 6 8 10cm Einfluß des Brennfleckabstandes auf den Abb. 107. Messung und Berechnung des Dosen- Dosenquotienten. quotienten von Friedrich und Körner.

im Falle b. Bezogen auf gleiche einfallende Röntgenenergie ist daher auch die Streu- zusatzstrahlung in bestimmter Tiefe bei großem Brennfleckabstande größer als bei kleinem. Aus diesen Gründen nimmt der Dosenquotient mit wachsendem Brennfleck- abstande zu.

Die Ergebnisse von Friedrich und Körner (Abb. 104 und 107 [obere Kurven] und Tabelle 54) lassen diesen Einfluß des Brennfleckabstandes deutlich erkennen.

Großmann fand bei 190 kV und kreisrundem Einfallsfeld von 20 em Durchmesser die prozentuale Tiefendosis für 70 cm Brennfleckabstand im Mittel um 20%, größer als bei 35 cm (Abb. 108).

ES (EA

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd.

338 H. Küstner

d) Einfluß der Härte der Röntgenstrahlen auf den Dosenquotienten.

Die Abb. 109 und 110 geben nach Großmann bei verschiedener Kupferfilterung und bei verschiedenen Einfallsfeldern die Abhängigkeit der prozentualen Tiefendosis p von der Scheitelspannung V der Röntgen- maschine wieder, während Abb. 111 den Einfluß der Dicke der Kupferfilterung auf p bei verschiedenen Scheitelspannungen zeigt. Man erkennt, daß die prozentuale Tiefendosis nach anfänglicher Zunahme schließlich sowohl von einer gewissen Röh- renspannung wie von einer gewissen Filter- dicke an nicht mehr zunimmt. Dieser Befund ist leicht verständlich. Ist die Strahlung so hart, daß die Absorption klein ist im Ver- gleich zur Streuung, so wird die Verteilung der Röntgenenergie im wesentlichen allein durch die Streuung bestimmt, und diese ist nahezu unabhängig von der Wellenlänge. Die hier mitgeteilten Absolutwerte der pro- zentualen Tiefendosis sind nach Angabe von Abb. 108. Die prozentuale Tiefendosis in Ab- Geer Ve 2i E hängigkeit vom Brennfleckabstand des Wasser- sich die Messung mit kleineren Kammern

spiegels nach Großmann. Scheitelspannung nicht durchführen ließ (vgl. 5c—e). 189 kV. Durchmesser des Einfallsfeldes 20 cm. e) Die Größe der Streuzusatz-

strahlung. Um festzustellen, wie groß die Streuzusatzstrahlung bei verschiedenen Feldgrößen und Abständen ist, ermittelten Friedrich und Körner die Halbwertschichten in Wasser

nd u. ==# c | e Ge Se en 0 - 3 `, SG $7” k S $ $ E an KS AS I a

RW Ge e - e e . D A m, Ka 4 HK e 7 Dën Ze 7 Ke 11 2” WM

O AV Ve Abb. 109. Durchmesser des Einfallsfeldes 7,5 cm. Abb. 110. Durchmesser des Einfallsfeldes 20 cm.

Die prozentuale Tiefendosis in Abhängigkeit von der Röhrenscheitelspannung nach Großmann. Brennfleckabstand des Wasserspiegels 50 cm.

Einfluß der Härte; Größe der Streuzusatzstrahlung

339

der von ihnen benutzten Röntgenstrahlengemische. Sie fanden für die mit 10 mm Alu- minium gefilterte Röntgenstrahlung eine Halbwertschicht von 2,9 cm Wasser und für

die mit 1 mm Kupfer gefilterte Strahlung eine Halbwertschicht von 3,3 cm Wasser. Mit Hilfe dieser Halbwertschichten und mit Hilfe des Gesetzes, daß die Intensität der . Röntgenstrahlung umgekehrt pro- portional dem Quadrate des Brenn- fleckabstandes ist, berechneten sie die Intensität der Primärstrahlung allein für die verschiedenen Wasser- tiefen oder, mit anderen Worten, diejenigen Zahlenwerte, die die Mes- sung dann ergeben würde, wenn es keine Streuzusatzstrahlung gäbe. Die Ergebnisse dieser Rechnung zei- gen die unteren Kurven der Abb. 107. Man erkennt, daß in 10 cm Tiefe die Streuzusatzstrahlung, welche dem Abstande beider Kurven entspricht, ein Vielfaches der primären Inten- sität ausmacht.

Jaeger und Rump führten

Abb. 111. Die prozentuale Tiefendosis in Abhängigkeit

von der Filterdicke nach Großmann. Brennfleck-

abstand des Wasserspiegels 50 cm. Durchmesser des ..Eänfallsfeldes 20 cm.

mit dem Siemens-Röntgen-Dosismesser Untersuchungen mit und ohne Wasserphantom

am Zentralstrahl aus. dene Filterungen. Die Kurven 1, 2, 3 und 4

sind in Luft gemessen -3

und geben das quadrati- Se sche Abstandsgesetz gut 0 wieder. Ihnen entepre- 1

chen in Wasser die Kur- ven a, b, c und d Der 4 Unterschied im Verlaufe 5 zwischen Luft- und Was- 6 serkurve zeigt in an- schaulicher Weise, wie g weit sich die Streuzu- 10 satzstrahlung des Was- 11

sers nach aufwärts in 12 Luft erstreckt. In einer 0 gewissen Tiefe unter der Abb. 112. Wasseroberfläche, die

von Strahlung, Filte-

SH Wassertiefe

TAA ET IAN ei

Die Ergebnisse ihrer Untersuchung zeigt Abb. 112 für verschie-

DAZANZEPZHE AH

Verteilung der Röntgendosis inLuft und Wasser gemessen mit

dem Siemens- en f: Favenklinik

01

Ionisation längs des Zentralstrahles in Luft und in Luft und Wasser nach Jaeger und Rump.

rung, Feldgröße und Abstand abhängt, schneiden sich beide Kurven: hier ist die Dosis in Wasser dieselbe wie in Luft. Schwächung und Streuzusatzstrahlung heben sich

hier gerade auf, es ist also

Absorption + Streuverlust in Wasser = Streuzusatz.

22*

340 H. Küstner

Den Einfluß der Feldgröße untersuchten sie bei 175 kV, 40 cm Brennfleckabstand und 0,5 mm Zink + 2,5 mm Aluminium. Mit zunehmendem Feld rückt der Punkt, für den die Schwächung gleich dem Streuzusatz wird, tiefer in das Wasser

hinein und der Streuzusatz durch das

CG? Wasser in der diesem vorgelagerten Luft- SSES schicht nimmt zu. Weiterhin ergab sich 25 700 in Bestätigung von Messungen Groß- R manns (Abb. 105), daß mit Zunahme 600 der Feldgröße die prozentuale Tiefen- Asp dosis p einem Grenzwerte zustrebt. Abb. 113 zeigt die von Jaeger und ET #0 Rump für ein Feld von 17 x 17 qem der direkten} gewonnene Streuzusatzdosis absolut und in Prozenten der direkten Strahlung. o ` Hiernach nimmt die absolute Streu- o zusatzstrahlung, wenn man sich aus der Di Luft dem Wasser nähert, langsam zu Wassertiefe | 0 und hat bei einer Wassertiefe von etwa

A 2 0m2 4 6 8 10 22 3 cm ein Maximum, um dann langsam Abb. 113. Streuzusatz absolut und in Prozenten der abzuklingen. Diese allmähliche Abnahme einfallenden Strahlung nach Jaeger und Rump. ergibt sich aus der Überlegung, daß mit

wachsender Tiefe die von den einzelnen Raumelementen zugestrahlte Dosis ihrerseits auch durch Absorption und Streuverlust ge- schwächt ist, so daß die Zusatzdosis, wenn auch langsam, immer weiter abnehmen muß. Nähert man sich von der Luft her dem Wasser, so steigt der Streuzusatz in Prozenten der direkten Strahlung an. Für das Einfallsfeld von 17 x 17 qem beträgt er an der Wasser- oberfläche 42 % der direkten Strahlung. Innerhalb des Wassers steigt die Kurve steil an, und zwar um so mehr, je größer die Tiefe ist. Daraus geht hervor, daß in größeren Tiefen die Strahlung zum weitaus überwiegenden Teile aus Streustrahlung besteht.

Tabelle 55. Tiefendosen, gemessen mit verschiedenen Instrumentariıen.

10-mm-Al-Filter. 1-mm-Cu-Filter.

Dosis in | Rotax a Symmetrie | Dosis in Rotax E Symmetrie cm Tiefe | (Sanitas) (Veifa) (Reiniger) cm Tiefe | (Sanitas) | (Veifa) (Reiniger)

Feldgröße 88cm, F.H. = 35 cm

0 100 | 100 100 0 100 100 100 5 50.8 50,1 50,2 5 51.4 52,0 32.3 10 20,9 | 19,6 20.2 10 23.0 22,8 22,7 Feldgröße 20 - 20 cm, F.H. = 30 cm 0 | 100 | 100 j 100 O j 100 100 100 5 57.8 57,4 57,2 5 66.5 nun | oa 10 TI 204 | 26,2 26,3 10 | 33.6 349 | 2 Feldgröße 20 - 20 cm, F.H. = 50 cm 0 100 | 100 100 0 | 100 100 100 5 59,8 60,0 60,0 5 13.8 74.1 13,5 10 31,2 | 31,8 30,6 10 | 41,4 40,6 41,0

Einflußlosigkeit der Maschinenart. Verschiedenheit bei Paraffin und Wasser 341

D Der Einfluß der Röntgenmaschine auf den Dosenquotienten.

Diesen untersuchten Friedrich und Körner. Entsprechende Betriebsbedingungen vorausgesetzt, entsprechen die Messungen am Intensivreformapparat mit Coolidge-Röhre sowie am Symmetrie-

apparat mit Müller- % I Z m - ——— Wasser Siederöhre den am Sani- 90 : Paraffin tasinduktor mit Coo- 80 lidge-Röhre ermittelten 70 so vollkommen, daß 60

S 50 jederEinwand übereinen 40 verschiedenen Verlauf 30 der Dosenkurven hin- 20 fällig ist, wie Tabelle 55 10 zeigt. 01234567891%

! 0123456789 g) Der Einfluß 012345678910

des Mediums auf den 012345678910

Dosenquotienten. Abb. 114. Der Dosenquotient in Wasser und Paraffin nach Saupe.

Dia Tietendasswird I. 30 cm Brennfleck-Oberflächenabstand ] 180kV, 4m A, 0,8 mm

, ` II. 40 ,, = = Kupfer + 3 mm Alu- im wesentlichen durch mt 50 ` $ S SE den Streukoeffizienten IV. 80 ,, D ge Feld: 15 x 15 qcm.

bestimmt. Nach Ta-

belle 6 ist nun der Streukoeffizient pro Masseneinheit für alle leichtatomigen Substan- zen fast derselbe; der Streukoeffizient verschiedener Medien verhält sich daher nahezu wie deren Dichten. Aus diesem Grunde ist zu erwarten, daß sich für die prozentuale Tiefen- dosis in Medien verschiedener Dichte verschiedene Werte ergeben werden. Saupe untersuchte den Verlauf des Dosenquotienten für dasselbe Strahlengemisch in Wasser und Paraffin von 54° C. Schmelzpunkt. Seine in Abb. 114 mitgeteilten Ergebnisse lehren, daß bei seinen Versuchsbedingungen am Paraffinphantom im Mittel um etwa 7 Einheiten höhere Werte für die prozentuale Tiefendosis gemessen werden als am Wasserphantom. Für einen Fokushautabstand von 30cm macht das in 10cm Tiefe einen Dosisunterschied von 20% aus.

Tabelle 56. Einfluß des F.H.A. auf die Applikationszeit einer bestimmten Dosis bei verschiedenen Finfallsfeldern.

F.H.A 30 cm 35 cm 45cm Mit dem quadratischen Ge- setz berechnete Werte 100 136 255,3 Gemessene Werte bei 10-mm- Al-Filter Feldgröße 2x2 cm 100 142,2 188,2 249,2 309,4 ge 8x8 n 100 136,2 178,0 236,0 287.3 14x14, 100 139,5 186,7 255,8 329,0 a 20x20, 100 143,0 182.2 230,0 289,9 Gemessene Werte bei 1-mm- Cu- Filter Feldgröße 2x2 cm 100 140,6 188,1 242,0 309,0 N Sx8 100 138,2 189,0 227,3 295,0 » 14x11, 100 135.2 173.2 226,6 294,0

aw 20x20 100 133,9 175,9 240,0 ` 291,5

342 H. Küstner

Hieraus folgt, daß zwischen den am Wasser und an anderen Medien gemessenen prozentualen Tiefendosen beträchtliche Unterschiede bestehen können. Die prozentuale Tiefendosis ist daher nur unter Angabe des Mediums, in dem sie gewonnen wurde, ein- deutig festlegbar.

Dosis 4. Das quadratische un Abstandsgesetz bei der Oberflächendosis.

Von großer prakti- scher Bedeutung ist die

20 x 20 + 20 x 20cm FD=-50cm Frage, ob das quadrati- 0% X 20x27cm sche Abstandsgesetz auch > für die Oberflächendosis

gilt,d. h. auch dann, wenn die Ionisationskammer 0 5em 10 cm 15cm Tiefe vor einem stark streuen- den Körper steht. Da,

Abb. 115. Vergleich der von Friedrich und Körner, Glocker, wie wir sahen, die Streu-

Rothacker und Schönleber sowie von Dessauer und Vierheller

bestimmten Kurven für die Tiefendosis. zusatzstrahlung desselben C: Photographische Werte von Glocker, Rothacker und Schön- in dem Luftraum weit vor leber. der Oberfläche wirkt, so

P: Photographische Werte von Dessauer und Vierheller.

i ist das nicht von vorn- J: Iontometrische Werte von; Friedrich und Körner.

herein anzunehmen. Friedrich und Körner haben diese Frage zuerst experimentell mit der oben beschriebenen Anordnung (Abb. 103) untersucht. Die obere Begrenzungsfläche der Ionisationskammer aus Aluminium schnitt hierbei immer mit der Wasseroberfläche ab. Die Ergebnisse zeigt Tabelle 56. Die Unter- schiede der gefundenen Werte für verschiedene Feldgrößen und Strahlenwerte von den errech- neten sind nach Friedrich und Körner zu gering, als daß man daraus Abweichungen vom quadratischen Gesetz folgern dürfte. Groß- mann fand dieses Gesetz annähernd bestätigt.

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3. Faktoren, welche die Genauigkeit der Messung beeinflussen.

ALLA Ad Add GA IIIBIISIT

Abb. 116. Die Schlagschattenwirkung des a) Die Eintauchtiefe der Kıngerhut " Meßkammerträgers nach Holfelder, kammer an der Wasseroberfläche.

Bornhauser und Yaloussis. Nach den Angaben von Großmann erhält man verschiedene Werte für die prozentuale Tiefendosis, je nachdem, ob man an der Wasseroberfläche die Mittelebene der Kammer in den Wasserspiegel verlegt oder die Kammer vollständig eintauchen läßt. Mit völlig eingetauchter Kammer arbeiteten beispielsweise Friedrich und Körner, sowie Martius. Großmann verlegte die Mittelebene der Kammer in den Wasserspiegel, und Jaeger und Rump näherten sich mit der Kammer von der Luft her im Zentralstrahl der Wasseroberfläche und maßen auf diese Weise die Ionisation von mehreren Zentimetern außerhalb des Wasserspiegels bis zu 12 cm unter demselben. Aus ihren Messungen

Quadratisches Abstandsgesetz für Oberflächendosis. MeBßfehlerquellen 343

(Abb. 112) geht demgegenüber hervor, daß die Ionisation in einem Bereich von mehreren Zentimetern außerhalb des Wasserspiegels bis zu etwa 1 cm unterhalb desselben, gemessen mit dem Siemens-Röntgen-Dosismesser, konstant bleibt. Hieraus folgt, daß es zum wenigsten für die kleine graphitierte Hornkammer dieses Geräts belanglos ist, ob man die Oberflächendosis unmittelbar oberhalb oder unterhalb des Wasserspiegels mißt. Zu demselben Ergebnis gelangten Holfelder, Bornhauser und Yaloussis. Für die Richtigkeit dieser Beobachtung spricht der Umstand, daß zum wenigsten ein Teil der Kurven von Friedrich und Körner die Wasseroberfläche ebenfalls nahezu rechtwinklig durchsetzt, und daß sich die Kurven, welche Glocker, Rothacker und Schönleber nach einem photographischen Verfahren erhielten, ausgezeichnet mit denen von Fried- rich und Körner decken (Abb. 115), im Gegensatz zu den nach einem anderen photo- graphischen Verfahren gewonnenen Kurven Dessauers. Nach einer freundlichen Mit- teilung des Herrn Glocker ließen er und seine Mitarbeiter dabei das das photographische

Reagens enthaltende Kölbchen zur

Messung der Oberflächendosis bis zu 44-54 sr IT

Ger

10

seiner Mittelebene in den Wasser- spiegel eintauchen.

b) Die Abschirmung der Streu- strahlung durch den Meßkam- merträger wurde von Holfelder, Bornhauser und Yaloussis untersucht. Auf dem

$ © G Horizontalschnitt eines Strahlenkegels > Pe HHHH Länge des Graphitsnfi sei bei z ein Streustrahlenzentruman- 9 E DEE EE der kleinen Kammer

genommen (Abb. 116). Die Meß- He ee ee

kammer in der Lage a wird stärkere Jee ée 12 u #6 rm30

Ionisation anzeigen als die Meßkam- Abb, 117. Einfluß der Stiftlänge bei der Fingerhut- mer in der Lage b, da die letztere von kammer auf die Messung der Oberflächendosis, der einem stärkeren Schattenhof umlagert Tiefendosis und der prozentualen Tiefendosis nach

werden muß, so daß hier ein Ausfall Jaeger und Halberstaedter.

der von der sekundären Streustrah-

lung ausgelösten tertiären Streustrahlung eintritt. Der Meßkammerträger von a schirmt nur Strahlen aus der Richtung des Energieminimums ab, erzeugt also nur einen relativ geringen Schattenhof.

Um sich ein Bild über die Größenordnung dieser Fehlerquellen zu verschaffen, stellten Holfelder und seine Mitarbeiter ein genaues Modell des Meßkammerträgers ohne Meßkammer von der anderen Seite her der Meßkammer gegenüber. Vergleichsmes- sungen mit und ohne dieses Hilfsmodell ergaben, daß je nach der Größe des Einfall- feldes der Schattenhof des Meßkammerträgers bei Oberflächenmessungen zwischen 2 und 6% und bei Messungen in 10 cm Tiefe zwischen 4 und 12% der an der Meßstelle vorhandenen Strahlung abschirmt. Die hierdurch bedingten Fehlerquellen können also ungünstigenfalls etwa 10%, der Meßergebnisse innerhalb des direkten Strahlenkegels erreichen. Für die gewöhnliche Bestimmung der prozentualen Tiefendosis fanden Hol- felder und seine Mitarbeiter, daß der Siemens-Röntgen-Dosismesser bei einem Einfalls- felde von 6 X 8 qcm die prozentuale Tiefendosis durchschnittlich um 1—2 Prozentzahlen zu gering mißt, während bei einem größeren Hautfelde von 9 x 9 qem diese Differenz durchschnittlich 2—3 Zahlen betragen und bei einem noch größeren Hautfelde von 10 x 15 qcm diese Differenz zwischen 2 und 4 Zahlen liegen kann. Um diese Zahlenwerte wäre die gemessene prozentuale Tiefendosis zu erhöhen.

344 H. Küstner

c) Die Kammergestalt.

Wie wir schon im XIV. Kapitel erwähnten, fanden Glocker, Rothacker und Schönleber, daß eine kleine Ionisationskammer der üblichen Form eine ausgesprochene Abhängigkeit von der Richtung der ankommenden Röntgenstrahlen zeigte; bei Bestrah- lung in Richtung ihrer Längsachse war die Ionisation 2—3mal so groß als in Richtung senkrecht hierzu. Diese Beobachtung wurde von anderer Seite bestätigt, während die von Friedrich und Körner benutzte Ionisationskammer diesen Richtungseffekt nicht aufwies. Um den Einfluß der Kammergestalt auszuschalten, bediente sich Großmann kugelförmiger Ionisationskammern von 2cm Durchmesser aus l mm dickem, innen graphitiertem Elfenbein.

d) Die Kammergröße.

Da die Tiefendosis von Punkt zu Punkt verschieden ist, so müßte man sich, um dieselbe in einem Raumpunkte zu erfassen, eines unendlich kleinen Meßkörpers bedie- nen können. Da jedoch unser Meßkörper, die Ionisationskammer, endliche Abmessungen hat, so können wir mit ihr nicht die Dosis in einem Punkte, sondern nur die mittlere Dosis in einem Volumenelement messen, das im Vergleich zum ganzen Bestrahlungsraume keineswegs verschwindend kleine Abmessungen aufweist. Daher können die gemessenen Werte auch nicht als genaue Relativwerte der wahren Oberflächendosis und als wahre Werte der prozentualen Tiefendosis angenommen wer- den. Der Einfluß der Kammergröße auf das Meßergebnis ist nach Großmann bei Be- stimmung der Oberflächendosis lange nicht so groß wie bei der der absoluten und der prozentualen Tiefendosis. Er gibt an, daß bei Benutzung von zylindrischen Kammern von bloß 1 cm Durchmesser kleinere Werte der prozentualen Tiefendosis gewonnen wur- den. Aus diesen Gründen stellten Glocker und seine Mitarbeiter neben die eben erwähnte Grundforderung der Richtungsunabhängigkeit des Meßgerätes noch die zweite ‚der möglichst kleinen Raumerfüllung‘“. Die aus diesem Grunde von Großmann angestrebte kugelförmige Ionisationskammer von nur Lem Durchmesser ließ leider keine genügende Meßgenauigkeit erzielen, so daß sich Großmann mit solchen von 2cm Durchmesser begnügen mußte. Nach seinen Angaben dürften daher die von ihm gemessenen Werte der prozentualen Tiefendosis zu hoch sein.

e) Die Länge des Kammerstiftes.

Nach Untersuchungen von Jaeger und Halberstaedter (Abb. 117) sinkt das Meßergebnis für die prozentuale Tiefendosis desselben Strahlengemisches von 41 auf 34%, wenn man bei gleicher Hülle der Fingerhutkammer allein die Länge des Kammer- stiftes von 0 bis 20 mm erhöht, d. h. pro Millimeter Längenzunahme des Stiftes vermin- dert sich das Ergebnis für die prozentuale Tiefendosis um 1,3%. Durch Röntgenaufnah- men läßt sich leicht kontrollieren, ob sich die Länge des Stiftes, etwa durch Stoß, geändert

hat.

f) Das Kammermaterial.

Jaeger und Rump sowie Großmann bedienten sich innen graphitierter Horn- kammern, Martius sowie Friedrich und Körner kleiner Aluminiumkammern. Die letzteren betonen, daß für die gefilterten Strahlungen der Tiefentherapie das Kammer- material nur von untergeordneter Bedeutung sei. Ein Vergleich der Messungen ver- schiedener Autoren kann hier schwerlich eine Entscheidung bringen, da die Versuch- bedingungen nicht leicht zueinander in Beziehung gesetzt werden können.

Die Verteilung der Röntgendosis auf die einzelnen Punkte des Mediums 345

6. Die Verteilung der Röntgendosis auf die einzelnen Punkte des Mediums oder Wasserphantoms.

Wie wir oben sahen, ist die Dosis auf dem Zentralstrahl stets am größten und nimmt nach dem Rande des Strahlenkegels hin ab. Infolge der Streustrahlung aus dem Strahlen- kegel in das benachbarte Gewebe wird auch dieses vom Primärstrahl nicht Getroffene eine gewisse Dosis erhalten. Will man sich über die Verteilung der Dosis auf die verschie- denen Raumpunkte unterrichten, so bleibt nichts übrig, als dieselbe für verschiedene mögliche Bedingungen, wie z. B. die Härte der Strahlung, die Größe des Einfallfeldes und den Brennfleckabstand, von Fall zu Fall und von Punkt zu Punkt auszumessen.

a) Die Darstellung der Meßergebnisse

kann vorzugsweise auf zwei verschiedene Arten erfolgen. In beiden Fällen legt man eine Ebene durch den Zentralstrahl. Bei einem runden Einfallsfeld kann es eine beliebige sein. Bei einem rechteckigen Einfallsfeld wird man sie so wählen, daß sie entweder

parallel der großen oder der kleinen Kante oder 100 BUREEEBRBRBSEBEEEN BESEHREFASE

in der Diagonale des Rechtecks verläuft. In

dieser Ebene stellt man, 60 60 vom Zentralstrahl aus- 40 40 gehend, die gemessene 20 20 Ionisation dar. Die erste 0 o Darstellungsweise wähl- C H mMBCcH2 02 68 OG Gm

ten KrönigundFried- Abb. 118. Ionisation in bestimmter Wassertiefe für verschiedene rich. Sie trugen die in ` Abstände vom Zentralstrahl nach Krönig und Friedrich.

einer bestimmten Tiefe

gemessenen lonisationen als Ordinaten, den Abstand der Punkte vom Zentralstrahl als Abszissen auf und erhielten so Kurven wie die der Abb. 118. Die andere Methode, die der Isodosenkurven, brachten Holfelder, Bornhauser und Yaloussis zur An- wendung. Sie zeichneten in die oben genannte Zentralstrahlebene alle Punkte ein, in denen sie eine Messung vorgenommen hatten, und bezifferten jeden Punkt mit dem Werte der in ihm gemessenen lonisation, wobei sie die Ionisation an der Oberfläche mit 100 bezeichneten. Durch Interpolation zwischen den Beobachtungspunkten ließen sich solche Punkte finden, die die gleiche Dosis erhalten hatten, und durch Verbin- dung dieser Punkte miteinander ergaben sich die Isodosenkurven (Abb. 119 und 122).

b) Entstellender Einfluß der Kammergröße am Rande des Primär- strahlkegels. |

Holfelder und seine Mitarbeiter haben als erste den entstellenden Einfluß der Kammergröße auf die Messung in der Nähe der Begrenzung des Primärstrahlbündels er- kannt und ihn in außerordentlich sorgfältiger Weise eliminiert. Den schroffen Übergang aus dem starken Primärstrahlbündel, dem ‚Strahlungslicht‘“, zu der geringen Strahlungs- intensität, dem ‚„Strahlungsschatten‘, muß die Meßkammer in einem ganz bestimmten Bezirk verschleiern, welcher genau ihrer Größe entspricht. Da die Kammer nicht mit einem Punkt, sondern mit ihrem ganzen Rauminhalt die Ionisationswirkung der Röntgen- strahlen erfaßt, so wird sich bei jenem Übergang immer noch ein Teil der Kammer im Strahlenlicht befinden, während ein anderer Teil bereits im Strahlenschatten liegt. Holfelder und seine Mitarbeiter haben diesen Verschleierungseinfluß gemessen, indem

346 H. Küstner

sie eine Fingerhutkammer in Luft allmählich unter einen Bleischirm zurückzogen, welcher ein Strahlenbündel einseitig scharf begrenzte, wie dies in Abb. 120b dargestellt ist. Statt des in Wirklichkeit vorhandenen, schroffen Intensitätsabfalls an der Grenze

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Abb. 119. Isodosenkurven von Holfelder, Bornhauser und Yaloussis. Rundes Einfallsfeld, 12 cm Durchmesser. Blende auf Wasser aufliegend. Extrem harte Strahlung. Parallelfunkenstrecke 45cm. Kupferfilter 0,5 mm.

Oben: Fokuswasserabstand 30 cm.

Unten: Fokuswasserabstand 70 cm.

a) Direkte Auswertung der gemessenen Zahlen in Form von Isodosenkurven. b) —-—— direkt gemessene Intensitäten in 0,5 und 10 cm Tiefe. tatsächliche Intensitätskurven, rechnerisch gewonnen durch Ausschalten des infolge der endlichen Meßkammergröße bedingten Fehlers. c) Wahre Isodosenkurven, gewonnen mit Hilfe von b aus a. Man beachte den scharf am Randstrahl begrenzten Strahlenkegel und den verhältnismäßig sehr schwachen Streu- strahlenmantel.

des Bündels, wie ihn die ausgezogene dicke Kurve der Abb. 120a darstellt, erhielten sie die dünn ausgezogene Kurve, deren mit römischen Ziffern bezeichnete Werte den Kammerstellungen der Abb. 120b entsprechen. Bei einem anderen Versuch wurden die Isodosenkurven eines scharf ausgeblendeten Strahlenbündels in Luft gemessen. Wäre keine Verschleierungswirkung der Kammer vorhanden, so wäre ein Isodosenbild zu er-

Entstellender Einfluß der Kammergröße auf die Randstrahlschärfe 347

warten, wie es die linke Hälfte der Abb. 120c darstellt. Tatsächlich lieferte die Messung die in der rechten Hälfte der Abb. 114c wiedergegebenen Isodosenkurven.

In welcher Weise die Berücksichtigung der Kammergröße die am Wasserphantom gemessenen Isodosenkurven beeinflußt, möge als typisches Beispiel die Abb. 119 dartun.

Holfelder und seine Mitarbeiter blendeten durch eine dem Wasser aufliegenderunde Blende von 12cm Durchmesser einen Strahlenkegel aus. Als Spannungsquelle diente der Symmetrie- apparat Modell 1919, als Röhre eine A.E.G.-Glüh- kathodenröhre mit Wolf- ramantikathode, der Röhrenstrom betrug 3 Milliampere, die Parallel- funkenstrecke 45 cm zwi-

c Abb. 120. Einfluß der endlichen Kammergröße auf die Schärfe der

schen Spitze und Platte Randstrahlmessung nach Holfelder, Bornhauser und Yaloussis.

und 12 cm zwischen Ku-

geln von I2 cm Durchmesser. Die oberen drei Figuren der Abb. 113 gelten für einen Fokuswasserabstand von 30 cm, die unteren für einen solchen von 70cm. In beiden

Fällen stellen die Kurven a die direkte Auswertung der gemessenen Zahlen in Form von Isodosenkurven dar. Die Kur- ven b zeigen für 0, 5 und 10 cm Tiefe den Einfluß der endlichen Kammergröße: die ausgezogenen Kurven entsprechen den direkt gemessenen Intensitäten, während die gestrichelten Linien die tatsächlichen Intensitätskurven darstellen, die durch Ausschaltung des durch die endliche Größe der Meßkammer bedingten Meß- fehlers in der oben geschilderten Weise gewonnen wurden. Hieraus ergibt sich das tatsächliche Isodosenkurvenbild c. Der Randstrahl selbst ist hiernach bis in größte Tiefen hinein völlig scharf er- halten, und die Strahlenenergie bricht an der Grenze des Strahlenbündels plötzlich zusammen. Nur ein dünner Streustrahlenmantel von ganz geringen Energiewerten umlagert den Strahlen- kegel.

H _ -m un u M e en

Abb. 121. Photographische Aufnahme des Röntgen- strahlbündels im Wasserphantom von Gottlieb.

Die Frage nach der scharfen Begrenzung des Strahlenkegels ist von großer Be- deutung für die Bestrahlungstechnik nach der Mehrfeldermethode. Da die Ergebnisse von HoHfelder und seinen Mitarbeitern auf dem Umwege über eine Korrekturrechnung gewonnen wurden, so ist es von besonderem Interesse, daB Gottlieb auf einem völlig

I

348 H. Küstner

anderen Wege zu genau denselben Ergebnissen gelangte. Gottlieb brachte doppelt gegossene Schleußner-Neofilme in das Wasserphantom, so daß diese mit der Zentral- strahlebene zusammen fielen, in welcher Holfelder und seine Mitarbeiter ihre Isodosen- kurven darstellten. Abb. 121 zeigt einen solchen Film nach seiner Belichtung und Ent- wicklung in ein Drittel natürlicher Größe. Der Strahlenkegel einer harten, schwer ge- filterten Strahlung wurde aus 70 cm Brennfleckabstand mit wassernaher, kreisrunder Blende von 6cm Durchmesser aufgenommen. Die Schärfe der Randstrahlung beweist die Richtigkeit der Untersuchungen von Holfelder und seinen Mitarbeitern. Diese haben weiterhin die Schwärzung einer ganzen Reihe Gottliebscher Filme in Form von Isodosenkurven ausgewertet und gefunden, daß sich diese wieder in exaktester Form mit den von ihnen mit Hilfe des Siemens-Röntgen-Dosismessers aufgenommenen und der Korrekturrechnung unterworfenen Werten decken.

Abb. 122. Einfluß der Blendenstellung auf den Verlauf der Isodosenkurven nach Holfelder, | Bornhauser und Yaloussis.

Fokuswasserabstand 50 em.

Linke Hälfte jeder Kurvenschar: Blende 25cm über der Wasseroberfläche. Rechte Hälfte jeder Kurvenschar: direkt auf der Wasseroberfläche. g a) Durchmesser des runden Einfallsfeldes 18 cm. b) Durchmesser des runden Einfallsfeldes 6,9 cm. Abgesehen von geringerer Tiefenwirkung bei wasserferner Blende unterscheiden sich die Isodosen- kurven nur in dem schmalen Halbschattenbereich rechts und links vom Randstrahl. Der übrige Verlauf der Isodosenkurven folgt in typischer Weise den von Holfelder, Bornhauser und Yaloussis ermittelten Gesetzen.

c) Einfluß der Blendennähe auf die Begrenzungsschärfe des Primärstrahlkegels.

Holfelder und seine Mitarbeiter haben weiterhin den Einfluß untersucht, den der Abstand der Blende von der Wasseroberfläche auf die von ihnen gefundene Schärfe der Randstrahlung ausübt. Abb. 122 gibt zwei kreisrunde Strahlenbündel für einen Brennfleckabstand der Wasseroberfläche von 50 cm, und zwar Abb. a für ein Einfall- feld von 18 cm, Abb. b für ein solches von 6,9 cm Durchmesser. In beiden Abb. a und b gilt die linke Hälfte für eine entfernte Blende von 25 cm Abstand vom Wasserspiegel, die rechte Hälfte für die ihm direkt aufliegende Blende, und zwar nach Vornahme der Korrektur wegen der endlichen Kammergröße. Abgesehen davon, daß bei wasserferner Blende eine etwas geringere Tiefenwirkung erzielt wird, ist der Verlauf der Isodosen- kurven nur unterschiedlich in dem schmalen Halbschattenbereich rechts und links vom

Einfluß der Blendennähe; Folgerungen für die Praxis 319

Randstrahl, welcher rein geometrisch in der Größe des Brennflecks seine Erklärung findet. Im Interesse der isolierten Durchstrahlung eines Krankheitsherdes unter weit- gehender Schonung der Nachbarschaft sowie auch im Interesse der Erzielung größt- möglicher Tiefenwirkung empfiehlt es sich daher, die Blende direkt auf der Haut des Patienten anzubringen. Strebt man demgegenüber in besonderen Fällen einen all- mählichen Übergang der Intensität nach der Seite zu an, so muß man die Entfernung zwischen Blende und Haut mindestens dreimal so groß wählen als die Entfernung zwischen Blende und Brennfleck, da sonst der Halbschattenbezirk für den beabsich- tigten Zweck nicht weit genug ausfällt.

7. Folgerungen für die Praxis.

Die Isodosenkurven von Holfelder und seinen Mitarbeitern zeigen am Zentral- strahl in Übereinstimmung mit den Messungen von Jaeger und Rump, daß die Inten- sität in den ersten Zentimetern unter der Oberfläche fast konstant bleibt; erst von da ab erfolgt der steilste Abfall bis zu 12—14 cm Tiefe, um sich dann allmählich wieder abzuflachen. Hieraus ziehen Holfelder und seine Mitarbeiter zwei für die Praxis besonders wichtige Folgerungen:

a) „Die Tiefendosis in 10 cm Tiefe liegt annähernd am Ende, aber noch ınnerhalb des Steilabfalls der Intensitätskurve. Verschiedenheiten im Verlauf der Intensitäts- kurve müssen sich deshalb besonders stark auf die Tiefendosis in 10 cm Tiefe auswirken. Der von Seitz und Wintz geprägte Begriff der prozentualen Tiefendosis, welcher das Verhältnis der Tiefendosis in 10 cm Tiefe zur Oberflächendosis festlegt, bildet also eine besonders glückliche Formel zur Kennzeichnung der Tiefenwirkung eines Strahlenkegels.‘“

b) „Alle jene Methoden, welche einen oberflächlich liegenden Tumor mit Über-

deckungsschichten von 3—6 cm Dicke bepacken, in der Absicht, den Tumor durch Tieflagerung in einen Teil des Strahlenkegels zu verlegen, der einen flacheren Intensitäts- abfall zeigt, gehen von einer irrigen Vorstellung aus und bewirken das Gegenteil von dem beabsichtigten Zweck. Der flachste Intensitätsabfall liegt dicht an der Oberfläche des Strahlenkegels. Ihn homogen zu gestalten, haben wir wirksamere Mittel als den Umbau mit Überdeckungsschichten. Der Umbau mit Überdeckungsschichten (Radio- plastin Jüngling, Paraffin, Bolussäckchen, wassergefüllte Gummikissen usw.) ist nur da indiziert, wo es sich um den Ausgleich von Unebenheiten der Körperfläche handelt.‘ . Glocker, Rothacker und Schönleber kommen auf Grund ihrer Untersuchungen der Tiefendosis im Wasserphantom nach ihrer photographischen Methode, deren Er- gebnisse ausgezeichnet mit denen von Friedrich und Körner übereinstimmen (Abb. 115), ebenfalls zu dem Ergebnis, daß dem Verfahren künstlicher Überdeckungs- schichten seine theoretische Grundlage entzogen worden sei.

c) Da nach den Messungen von Jaeger und Rump mit dem Siemens-Röntgen- Dosismesser die Dosis am Zentralstrahl von einigen Zentimetern außerhalb der Wasser- oberfläche bis zu einem Stück in diese hinein konstant bleibt, so folgt hieraus, daß es, zum wenigsten bei Messungen mit diesem Gerät, gleichgültig ist, ob man die Finger- hutkammer über die Wasseroberfläche, zur Hälfte in diese oder unter dieselbe bringt, wenn man nur die Tiefe, für die man den Dosenquotienten bestimmt, ebenso wie den Brennfleckabstand, vom Wasserspiegel an rechnet. Dasselbe gilt für die Bestimmung der Oberflächendosis am Wasserphantom wie am Patienten. Man darf also ruhig die Fingerhutkammer in der Mitte des Feldes auf die Haut auflegen und die gemessene Dosis als Oberflächendosis anschen.

350 H. Küstner

Will man die Messung auch während der Bestrahlung durchführen, so wird man im allgemeinen genötigt sein, die Fingerhutkammer an den Rand des Bestrahlungsfeldes zu bringen, um eine Schattenwirkung durch den Kammerträger auszuschließen. Man wird sich deshalb durch eine besondere Messung davon zu überzeugen haben, um wieviel sich die in der Mitte und die am Rande des Feldes gemessene Dosis voneinander unter- scheiden, und die Differenz berücksichtigen müssen. Besondere Aufmerksamkeit hat man darauf zu richten, daß die Fingerhutkammer ganz vom Primärstrahlbündel erfaßt wird, da eine teilweise Beschattung derselben naturgemäß zu großen Dosisfehlern führen kann.

Eine gute optische Darstellung der Röntgenstrahlenverteilung innerhalb des mensch- lichen Körpers vermittelt der Fehlerwähler von Holfelder; dieses Instrument ge- stattet die Auswertung der durch die Ionisationsmessungen gewonnenen Kenntnisse für die praktische Röntgentherapie in einer ideal beweglichen Weise.

Zwanzigstes Kapitel. Hergang einer Messung.

Bei unseren bisherigen Betrachtungen war die systematische Anordnung des Stoffes maßgebend. Für den Praktiker dürfte es von Interesse sein, die einzelnen Punkte in derjenigen Reihenfolge aufzuführen, in welcher er sie im Verlaufe der Messung zu beachten hat, unter gleichzeitigem Hinweis auf diejenigen Stellen im Text, an denen sie ausführlich behandelt wurden.

I. Vorbereitungen zur Messung.

. Anlegen eines Regulierwiderstandes vor die Röntgenmaschine (XI. Kap., 1).

. Anlegen eines Voltmeters an die Klemmen der Maschine (XI. Kap., 1).

. Bestimmung des Brennfleckabstandes der Röntgenröhrenwand (XVII. Kap., 1). . Prüfung der Stoppuhr (XVII. Kap., 2).

. Bestimmung der Eigenschwingungsdauer des Geräts (XIII. Kap., I, 1).

. Prüfung des Geräts auf Isolationsfehler (XIV. Kap., 4).

. Prüfung des Geräts auf Dielektrikumsfehler (XIV. Kap., 4).

. Erdung des Geräts (XIV. Kap., 6).

. Justierung des Geräts (XIV. Kap., 1).

10. Sorge für hinreichenden Bleischutz. Abdecken des Melikabels mit Blei oder Bleigummi (XIV. Kap., 3). Schwefelisolatoren dürfen nicht von Röntgenstrahlen ge- troffen werden (XIV. Kap., 3).

11. Bestimmung des Dunkeleffekts (XIV. Kap., 5). 12. Bestimmung des Luftdrucks (I. Kap., 4; VII. Kap., 2 u. 5). 13. Bestimmung der Temperatur (I. Kap., 4; VII. Kap., 2 u. 5).

Für den Gang aller weiteren Messungen hat die Genauigkeit der Beobachtung die Hauptbedeutung (XIII. Kap.).

Durch den Regulierwiderstand ist die Netzspannung genau konstant zu halten (XI. Kap., 1).

SO sl 3 1 WW DO Fa

IH. Sättigungsprüfung (XVI. Kap.).

Bei direkt zeigenden Geräten darf die Sättigung im allgemeinen vorausgesetzt werden (XVI. Kap., I, 1).

Bei ablaufenden Geräten muß im täglichen Gebrauch dafür gesorgt werden, daß

Hergang einer Messung 351

die Ionisation geringer, also die Ablaufzeit länger ist als bei der Sättigungsprüfung, wenn Sättigung vorhanden sein soll (XVI. Kap., I, 1). Die Sättigungsprüfung gilt solange, als das Gerät unbeschädigt bleibt (XVI. Kap., I, 1). Methoden der Sättigungsprüfung (XVI. Kap., I, 2).

IH. Spannungseichung (XVI. Kap.).

Auf die Konstanz der Spannungsempfindlichkeit kann man sich nicht unbedingt verlassen. Besonders die Temperatur kann von Einfluß sein (z. B. bei Fadenelektro- metern) (XVII. Kap., 6).

Methoden der Spannungseichung (XVI. Kap., II, 1—4).

IV. Prüfung auf Konstanz der Empfindlichkeit.

1. Bestimmung des Brennfleckabstandes a (XVII. Kap., 1).

2. Prüfung des Lochquerschnitts q (XVII. Kap., 3).

3. Prüfung der Konstanz der Empfindlichkeit durch ein radioaktives Präparat (XVII. Kap., 9) oder

4. durch Vergleich mit einem anderen Gerät (XVII. Kap., 10) oder

5. durch Vergleich mit dem Eichstandgerät (XVII. Kap., 11).

V. Intensitätsmessung.

Gesondert auszuführen für Ein- und Zweiröhrenbetrieb und für verschiedene Milli- amperebelastung (XI. Kap., 2).

Womöglich während der Bestrahlung fortlaufend auszuführen; falls das nicht möglich ist, muß wenigstens ab und zu die Maschine auf Änderung bei Dauerbelastung (XI. Kap., 4) und auf Änderung der Leistungsfähigkeit geprüft werden (XI. Kap., 3).

Zur Prüfung der Röhre auf Änderung der Beschaffenheit der Antikathode ist In- tensitätsmessung bisweilen erforderlich (X. Kap., 16).

Die Ergebnisse sind verschieden, je nachdem die Kammer frei steht oder sich un- mittelbar vor der Oberfläche eines Phantoms befindet (XIX. Kap., 1).

Das quadratische Abstandsgesetz gilt sowolıl für die freie Kammer als für die Oberflächendosis (XIX. Kap., 4). |

Bei Bestimmung der Oberflächendosis am Phantom ist es, zum wenigsten sicher beim Siemens-Röntgendosismesser, gleichgültig, ob die Kammer auf, zur Hälfte in oder unmittelbar unter der Phantomoberfläche liegt, wenn man im Zentralstrahl mißt (XIX. Kap., 3, 5 u. 7).

Bei Messung während der Bestrahlung muß man die Kammer wegen des Halter- schattens an den Rand des Feldes bringen, aber so, daß sie ganz bestrahlt wird (XIX. Kap., 7). Man hat durch besondere Messung den Unterschied zwischen dem Ergebnis für die Oberflächendosis im Zentralstrahl und am Rande des Feldes zu be- stimmen und diesen in Rechnung zu setzen (XIX. Kap., 7).

Luftdruck und Temperatur sind zu berücksichtigen (I. Kap., 7; VII. Kap., 2 u. 5).

VI. Härtemessung (XVIII. Kap.). (Vgl. auch dieses Kapitel. VIII.)

Am genauesten durchführbar nach der Zweielektrometer-Methode. (XIII. Kap., II.)

Filter weg von der Kammer, womöglich im halben Brennfleckabstand anbringen! (XIV. Kap., 2).

Einfluß der Ionisationskammer auf das Ergebnis (VI Kap., 8; XVIII. Kap., 2 u. 3; XIX. Kap., 5.). Zur Charakterisierung eines Strahlengemisches ist die Kammerart von größter Bedeutung.

352 H. Küstner

Daher möglichst Eichung, mindestens Angabe derselben.

Bei Charakterisierung durch Filter dient in der Tiefentherapie Kupfer, in der Diagnostik Aluminium (XVIII. Kap., 5).

Verwendung von Zinkfiltern (XVIII. Kap., 5).

Bei Charakterisierung durch Schwächungskoeffizienten: Filter möglichst dünn (XVIII. Kap., 4).

Charakterisierung durch Halbwertschicht (XVIII. Kap., 3).

Beispiel für Bestimmung der Halbwertschicht in Kupfer (XVIII. Kap., 5).

Bestimmung des Heterogenitätsfaktors nach Christen (XVIII. Kap., 6).

Charakterisierung durch prozentuale Tiefendosis (XVIII. Kap., 7, und XIX. Kap.).

VII. Tiefendosis (XIX. Kap.).

Die Tiefendosis ist abhängig von und deshalb besonders zu bestimmen für:

Strahlengemische verschiedener Härte (XIX. Kap., 3d);

Verschiedene Fokushautabstände (XIX. Kap., 3c);

Verschiedene Einfallsfelder (XIX. Kap., 3b);

Verschiedenes Phantommaterial wie Wasser oder Paraffin. Letzteres liefert höhere

Werte der prozentualen Tiefendosis (XIX. Kap., 3g);

Verschiedene Fingerhutkammern (XIX. Kap., 5).

Am genauesten durchführbar nach der Zweielektrometer-Methode (XIX. Kap., 2).

Prüfung der Kammer auf Richtungsabhängigkeit (XIX. Kap., 5c).

Berücksichtigung: der Abschirmung durch Meßkammerträger (XIX. Kap., 5b).

Die Messung erfolgt für den Zentralstrahl (XIX. Kap., 3a).

Die prozentuale Tiefendosis ist das Verhältnis der Ionisation in 10 cm Tiefe zur Ioni- sation an der Oberfläche (XIX. Kap., 1).

Es ist, zum wenigsten für den Siemens-Röntgen-Dosismesser, gleichgültig, ob die Kammer in der oberen Stellung auf, zur Hälfte in oder unmittelbar unter der Phantom- oberfläche liegt, wenn man im Zentralstrahl mißt, und wenn der Mittelpunkt der Kammer in der unteren Stellung 10 cm Abstand von der Phantomoberfläche hat (XIX. Kap., 3e, da u. 7).

Für Ausmessung der einzelnen Punkte in der Tiefe beachte man:

Bei Randstrahlmessung muß der Fehler durch die endliche Kammergröße eliminiert

werden (XIX. Kap., 6b).

Die Blende muß unmittelbar auf dem Phantom und dem Patienten aufliegen

(XIX. Kap., 6c).

Beabsichtigte Ausnahmen (XIX. Kap., Gei

Überdeckungsschichten sind nur zum Ausgleich von Körperunebenheiten anzu- wenden (XIX. Kap., 7).

VIII. Angabe der Dosis in „R“ (IX. Kap.). (Vgl. auch dieses Kapitel, VI.)

Die Angabe erfolgt entsprechend der Eichtabelle.

Gleichzeitig muß die Härte des Strahlengemisches mitgeteilt werden, und zwar ent- weder durch

Angabe der prozentualen Tiefendosis,

Angabe des Fokushautabstandes,

Angabe des Einfallsfeldes, (XIX. Kap.)

Angabe des Phantommaterials,

Angabe der Art der Fingerhutkammer oder durch

Die Stellung der Ionisationsmethode zu anderen Dosimeterverfahren. Die Selenzelle 353

Angabe der Halbwertschicht in Kupfer, die dem verwendeten Reststrahlengemisch

zukommt, (XVIII. Kap., 3), sowie

Angabe des Meßgeräts oder durch

Angabe des Schwächungskoeffizienten u in Kupfer, der dem verwendeten Rest-

strahlengemisch zukommt (XVIII. Kap., 4), sowie

Angabe des Meßgeräts.

Für in der Praxis gebräuchliche Strahlengemische wählt man oft die prozentuale Tiefendosis; für homogenere, stärker gefilterte wird man die Halbwertschicht oder den Schwächungskoeffizienten in Kupfer bestimmen (XVIII. Kap., 7). Für genaue Be- stimmung des Homogenitätsgrades dient der Heterogenitätsfaktor nach Christen (XVIII. Kap., 6).

£Einundzwanzigstes Kapitel.

Die Stellung der Ionisationsmethode zu anderen Dosimeterverfahren.

Es ist von Wichtigkeit, die Stellung der Ionisationsmethode zu anderen Dosimeter- verfahren zu kennen, unc zwar sowohl bezüglich ihrer Genauigkeit als ihrer Wellen- längenempfindlichkeit.

Außer der Ionisationsmethode stehen zur Verfügung:

. die Leitfähigkeitsänderung, z. B. der Selenzelle (Fürstenau-Intensimeter) ;

. die Empfindlichkeit der photographischen Platte;

. die Fluoreszenzhelligkeit von Leuchtschirmen ;

. die Färbung von Mineralien, z. B. des Bariumplatinzyanürs, der Sabouraud- Tablette;

. die chemische Umsetzung (Ausfällung) ;

. die biologische Reaktion; . die physikalische Ener mesine:

Die Beziehungen zwischen der physikalischen Energiemessung und der Ionisations- messung in Abhängigkeit von der Wellenlänge der Röntgenstrahlen haben wir bereits im VIII. Kapitel behandelt. Daselbst sahen wir, daß die biologische Methode an Ge- nauigkeit nicht im entferntesten mit der Ionisationsmethode konkurrieren kann. Über die Wellenlängenabhängigkeit biologischer Reaktionen läßt sich heute noch nichts aus- sagen, da Untersuchungen über gleiche absorbierte Energie noch nicht vorliegen (vgl. VIII. und IX. Kapitel). Wir haben somit hier nur noch die Methoden A bis E zu behandeln.

RR Hab

L Die Leitfähigkeitsänderung der Selenzelle.

Bereits Krönig und Friedrich haben die Selenzelle eines Fürstenau-Intensi- meters mit einer Fingerhutkamera bei vier verschiedenen, verhältnismäßig inhomogenen Strahlengemischen verglichen. Sie fanden einen Gang der Empfindlichkeit, der für Strahlengemische mittlerer Härte ein deutliches Extremum zeigt (Tabelle 57). Bei Ver- suchen des Verfassers mit ähnlichen Strahlengemischen ergab sich derselbe Befund. Der Verfasser hat deshalb ein ganz neues Fürstenau-Intensimeter, Spezialtyp für Tiefentherapie, bei zwölf verhältnismäßig stark” mit Kupfer gefilterten und bei ver- schiedenen Spannungen erzeugten und daher ziemlich homogenen Strahlengemischen einem Vergleich mit einer Fingerhutkammer aus Kohle und mit der großen Kohle-

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd.I 23

354 H. Küstner kammer des Standardgeräts (IX. Kapitel) unterworfen. Die zwölf Reststrahlengemische wurden auf ihre Halbwertschicht in Kupfer geprüft, und für diejenigen Wellenlängen, welche nach den Messungen von Richtmyer und von Duane und Mazumder diesen Halbwertschichten entsprechen, wurden die beobachteten Fürstenau-Einheiten, be- zogen auf Ionisation an großer und kleiner Kammer, als Kurve I und II in Abb. 38 eingetragen. Das Maximum tritt bei diesen homogeneren Strahlengemischen mit außer- ordentlicher Schärfe bei etwa 0,22 Ä hervor und es ist durchaus zu erwarten, daß es bei noch homogeneren Strahlungen noch deutlicher hervortreten wird. Zweifellos ge- nügte für die harten Strahlungen auch die große Kammer den Forderungen Holthusens (VIII. Kapitel, 3) nicht. Wäre hierdurch aber für die harten Strahlen die Ionisation zu gering gemessen worden, und wollte man diesen Einfluß kompensieren, so träte das Maximum nur noch stärker hervor. Die zu geringe Größe der Ionisationskammer kann also das Maximum nicht erklären, wofür auch der Umstand spricht, daß sich die Kurven für die größere und die Fingerhutkammer fast decken. Da die K-Absorptionsbandkante des Selen bei 0,979 Ä liegt (Tabelle 17), kann sie ebensowenig die Ursache der Er-

scheinung sein. Demgegenüber hat der

Tabelle 57. Fürstenau-Intensimeterund Fingerhutkamera nach Krönig und Friedrich.

Intensitätsverhältnis nach Krönig und Friedrich

Röntgenstrahlen A ` Fingerhut- ` Fürstenau- gefiltert mit kamera !Intensimeter Fürstenau- | Fingerhut-

Intensimeter kamera

1 mm Kupfer

10 mm Aluminium 1,10 3 mm Aluminium 1.06 0,83

Verfasser das Zustandekommen des Maxi- mums dadurch erklärt, daß für weiche Röntgenstrahlen die Ionisation im wesent- lichen durch den normalen Absorptions- vorgang, für harte Röntgenstrahlen aber mehr und mehr durch die Rückstoßelek- tronen des Compton-Effekts bedingt wird. Die Untersuchungen von Fricke und Glasser (III. Kapitel, Tabelle 15), die sich gerade auf das Wellenlängengebiet zwischen 0,1l und 0,2 À erstrecken, schei- nen dieses zu bestätigen.

Die Zuverlässigkeit des Fürstenau- Intensimeters haben Krönig und Fried-

rich mittels einer konstanten y-Strahlquelle geprüft und gefunden, daß bei ihren Mes- sungen, die in Zeitintervallen bis zu mehreren Monaten ausgeführt wurden, die Werte in recht guter Übereinstimmung waren. Die Differenzen in den Meßwerten überstiegen nicht 5% des Mittelwertes.

Untersuchungen des Verfassers führten zu folgenden Ergebnissen:

a) Die Selenzelle zeigt im wesentlichen in den ersten 40 Minuten eine Abnahme der Empfindlichkeit (Ermüdung), die bis zu 27% der Empfindlichkeit im Gleichgewichts- zustande betragen kann.

b) Bei Dauerbetrieb (bis zu 6 Stunden) unterliegt die Selenzelle Empfindlichkeits- schwankungen bis zu 10% ihrer mittleren Empfindlichkeit.

2. Die Empfindlichkeit der photographischen Platte.

Die photographische Platte wird sowohl mit als ohne Verstärkerschirm als Reagens auf Röntgenstrahlen verwendet. In beiden Fällen ist ihre Empfindlichkeit wesentlich verschieden; beide Fälle müssen daher getrennt behandelt werden.

a) Die photographische Platte ohne Verstärkerschirm. Die grundlegenden Untersuchungen hierüber verdanken wir Glocker und seinen Mitarbeitern und Bouwers. Wird von der auf die fertig entwickelte und fixierte

Die photographische Platte 355

Platte auffallenden Lichtmenge i, sichtbarer Strahlung nur der Betrag i hindurch- gelassen, so beträgt die Schwärzung der Platte in absolutem Maß

S = log. 4 S i (115)

wobei logio der Briggsche Logarithmus ist. Tritt also nur Jun Lage, 1/1000 des ein- fallenden Lichts durch die Platte, so st S = 1, S = 2, S = 3. Zur Orientierung diene folgendes: Nach Glocker ist bei einer Thoraxaufnahme, je nach Entwicklung, für die Lungenpartien S = 1; für die Rippenschatten S = 0,5; die starken Schwärzungen der Randpartien außerhalb des Thorax geben S = 2. Infolge der Entwicklung tritt auch ohne vorherige Belichtung ein ‚‚Schleier‘“ auf. Für ihn ist S = 0,1 bis 0,2. Die Schleier- schwärzung ist zu subtrahieren.

Glocker hielt während jeder Versuchsreihe die Qualität der ziemlich gut monochro- matischen Strahlung konstant. Aus diesem Grund konnte er die Intensität der Röntgen- strahlen nach der Ionisationsmethode messen und mit der Schwärzung vergleichen. Seine Ergebnisse sind:

Das Produkt aus Röntgenintensität und Expositionszeit ist maßgebend für die Schwärzung. Ändert 5

man beide Faktoren, S : : ʻi J so ist die Schwärzung 02 I solange dieselbe, als , ihr Produkt das glei- Q12 che ist. 1 00% Der Verlauf einer

0 1 2 3 4 5 t

san a ug: 0 6 R BB A A0 tMın Abb. 124. Anfänglicher Verlauf der d. h. die Abhängigkeit Abb. 123. Schwärzungskurve Schwärzungskurven für Röntgen- derSchwärzungSvom durch Röntgenstrahlen nach strahlen (I) und Licht (II) nach Produkt Expositions- Glocker. Glocker.

zeit x Röntgeninten-

sität, ist unabhängig von der Wellenlänge. Die Silberbandkante übt keinen Einfluß auf die Schwärzungskurve aus, d. h. die Schwärzungskurve ist dieselbe, gleichviel, ob die Wellenlänge der Röntgenstrahlen größer oder kleiner als die der K-Absorptions- bandkarte des Silbers (0,49 A) ist. Abb. 123 zeigt den typischen Verlauf einer Schwär- zungskurve.

Für sehr kleine Schwärzungen besteht strenge Proportionalität zwischen der Schwärzung und dem Produkt Expositionszeit x Röntgenintensität. Ein Schwellen- wert, wie bei sichtbarem Licht, tritt nicht auf (Abb. 124).

Im Gebiete starker Schwärzungen erfolgt die Zunahme der Schwärzung wie beim sichtbaren Licht proportional dem Logarithmus des Produktes: Expositionszeit x Röntgenintensität.

Nach Bouwers folgt die Schwärzung dem Gesetz von Buse:

t-J S= C: log. 7 + ) i (116)

worin t die Belichtungszeit, J die Intensität der Röntgenstrahlen bedeuten und C und c Konstanten sind. Bei S = 4 tritt Solarisation ein. Hinsichtlich der Abhängigkeit der Schwärzung von der Entwicklungsweise muß auf das Original verwiesen werden. En

356 H. Küstner

Den Zusammenhang zwischen Schwärzung. und Ionisation für Röntgenstrahlen ver- schiedener Wellenlänge untersuchte Berthold. Seine Kammer genügte den Forderungen

u ween

Schwärzung /lonisation.

Pt Ce SnAg Mo Zr Rb Se Cu Fe AnA

Abb. 125. Schwärzung der photographischen Platte in Abhängigkeit von der Wellenlänge der Röntgenstrahlen, bezogen auf gleiche gemessene Ionisation nach Berthold.

192

Schwarzung /Jonisation

D Ce SnAgMoZr Rb Se Cu Fe AınA

Abb. 126. Schwärzung der photographischen Platte in Abhängigkeit von der Wellenlänge der Röntgenstrahlen, bezogen auf gleiche in der Bromsilberschicht und Ionisationskammer absorbierte Energie nach Berthold.

Holthusens, und seine verschiedenen Strahlungen waren nahezu homogen. Die Ab- hängigkeit der auf gleiche Ionisation bezogenen Schwärzungen von der Wellenlänge in Ä zeigt Abb. 125. Man erkennt an der K-Ab- sorptionsbandkante sowohl des Broms wie des Silbers ein sprunghaftes Zunehnmen der Schwär- zung. Bezieht man demgegenüber das Verhältnis der Schwärzung zur Ionisation auf gleiche in der Platte und in der Luft absorbierte Energie, so erweist sich dieses Verhältnis als nur wenig ab- hängig von der Wellenlänge und die Sprünge an den " Bandkanten fallen weg, wie Abb. 126 lehrt.

16

12

40] YEJSOUNYIEISJƏA . ‚9

Wellenlänge b) Die photographische Platte mit Verstärker- 0 02 04,06 08 10Ä schirm. Abb; 157. Der Folienfaktorin.Abhängie- Diese Untersuchungen verdanken wir Glocker

keit von der Wellenlänge nach Glocker. und Schlechter. Wir verstehen unter dem Ver-

stärkungsfaktor V das Verhältnis der Expositions- zeit ohne zur Expositionszeit mit Verstärkerschirm, wenn in beiden Fällen gleiche Intensität der Strahlung und gleiche Schwärzung vorhanden ist. Wie Abb. 127 zeigt, weist der Verstärkungsfaktor eine große Abhängigkeit von der Wellenlänge der Rönt-

Ionisation und Plattenschwärzung. Behnkens photographisches Dosimeter 357

genstrahlen auf; er nimmt mit der Härte der Röntgenstrahlung zu, erleidet aber an der K-Absorptionsbandkante des Silbers einen Sprung nach kleineren Werten. Kurve I gilt für Durchleuchtung in der Reihenfolge.Folie Platte, Kurve II für die umgekehrte Reihenfolge, und zwar für Heyden-Folie. Besteht auch die Folie aus einem Material, das im untersuchten Wellenlängenbereich eine Absorptionsbandkante besitzt, so ist für diese ebenfalls eine Unstetigkeit zu erwarten.

Da der Verstärkerschirm durch sichtbares oder ultravinlettes Licht auf die Platte einwirkt, so verursacht seine Verwendung auch im Röntgengebiet einen Schwellenwert für den Verlauf der Schwärzungskurve, wie Abb. 128 zeigt.

c) Die Zuverlässigkeit der photographischen Emulsion in ihren Schwärzungsangaben ist verhältnismäßig gering.

So beobachteten bereits Krönig und Friedrich, daß die Empfindlichkeit einer photographischen Schicht an verschiedenen Stellen derselben Platte oftmals Unter- schiede von mehr als 50 % aufwies. Auch fanden sie des öfteren bei Kienböck- Streifen, die die gleiche Dosis Strahlen erhalten hatten und ein- wandfrei gleich chemisch behandelt waren, Schwärzungs- differenzen, die nach der Empfindlichkeitsbestimmung mehr als 50 % der Dosis entsprechen würden. Der Verfasser fand bei Kienböck-Streifen sogar Schwärzungsunter- schiede, welche bei vorschriftsmäßiger Anwendung des Verfahrens zu -Dosisfehlern von 267%, führen würden. Diese Tatsachen und der Umstand, daß die Schwärzung im Vergleich mit der Ionisation für gewisse Wellenlängen Unstetigkeiten aufweist, machen das photographische Ver- fahren für praktische Dosierungszwecke, bei denen man Schlüsse aus Einzelaufnahmen ziehen will, unbrauchbar, insofern nicht besondere Vorsichtsmaßregeln angewendet werden. Für wissenschaftliche Untersuchungen ist esin der Abb. 128. Anfänglicher Verlauf Hand eines erfahrenen Fachmannes‘natürlich brauchbar. E SC Kurye- dureh

; e öntgenstrahlen mit und ohne

d) Das photographische Dosimeter nach Behnken. verstärkerfolie nach Glocker.

Dieses Verfahren schaltet die beiden wesentlichstep Fehlerquellen der photographischen Methode, nämlich einerseits Schwärzungsunter- schiede und andererseits Einflüsse des Entwicklungsverfahrens, dadurch aus, daß ein streifenförmiger Teil der Platte zunächst mit einer Glühlampe, welche als Standard dient, unter bestimmten Betriebsbedingungen eine bestimmte Zeit lang aus bestimmter Entfernung belichtet wird. Bei Bestrahlung der Platte mit Röntgenstrahlen wird dieser Streifen durch Blei geschützt. Die Röntgenaufnahme erfolgt mit Hilfe einer Ver- stärkerfolie; zwischen diese und die Platte ist eine vielstufige Treppe aus Gelatinefolien gelegt, welche je nach ihrer Dicke die vorzugsweise ultraviolette Strahlenwirkung der Folie auf die Platte absorbieren. Nach der Entwicklung der Platte zeigt sich eine ge- wisse Schwärzung des Lichtstandardstreifens und eine Schwärzungsskala, die, für die harten Strahlen der Tiefentherapie, nach Abb. 127 im wesentlichen durch das Leuchten der Verstärkerfolie unter der Einwirkung der Röntgenstrahlen bedingt wurde (Abb. 129). Das Verfahren wurde von Behnken auch für Härtemessung der Röntgenstrahlen aus- gebaut, doch muß diesbezüglich auf das Original verwiesen werden. Bei vorschrifts- mäßiger Verwendung schaltet es auch diejenige Fehlerquelle aus, welche durch die sprunghafte Absorption der ‚Röntgenstrahlung an der Silberbandkante der Emulsion bedingt wird. Das Behnkensche Verfahren stellt daher das einzige einwandfreie photo- graphische Dosimeter dar.

358 H. Küstner

3. Die Fluoreszenzhelligkeit von Leuchtschirmen.

Wintz und Rump haben die Fluoreszenzhelligkeit eines Astralschirmes mit Hilfe eines Polarisationsphotometers ausgemessen und unter den verschiedensten Verhält- nissen durch gleichzeitige Messungen mit dem Iontoquantimeter verglichen. Da der Astralschirm in der Hauptsache aus Zinksilikat besteht, also nur Elemente niedriger

Abb. 129. Aufnahme mit Hilfe des photographischen Dosismessers nach Behnken.

Atomzahl enthält, deren Absorptionsbandkante außerhalb des Wellenlängenbereichs der

Tiefentherapie liegt, so ergab sich, abgesehen von gewissen Abweichungen, die in der

Eigenart der Meßmethoden begründet sind, durchaus befriedigende Übereinstimmung

der Resultate. Abb. 130 zeigt die beobachtete

HK A E Ionisation und Fluoreszenzhelligkeit in Ab-

BEENDEN hängigkeit von der Aluminiumfilterdicke für

TETE eine Strahlung von 110 kV Scheitelspannung.

Die größte Abweichung tritt bei ungefilterten

S Strahlen auf. Aber schon mit Filterungen von

4 mm Aluminium an decken sich die Kurven

vollkommen. Für die in der Tiefentherapie

gebräuchlichen, im allgemeinen beträchtlich

härteren Strahlengemische darf also Überein-

stimmung in den Angaben des Iontoquanti-

meters und des Fluoreszenzschirmes angenom-

men werden, vorausgesetzt, daß dieser leicht-

| atomige Bestandteile enthält. Im Hinblick

E auf die Empfindlichkeitsunterschiede, die Fin-

Abb. 130. Ionisation am Iontoquantimeter gerhutkammern aus verschiedenem Material

und Fluoreszenzhelligkeit in Abhängigkeit bei: verschiedenen. Wellenlän i Ver

von der Härte der Röntgenstrahlen nach Se Si

Wintz und Rump. suchen von Friedrich und Glasser auf-

weisen (Abb. 20, VI. Kapitel), dürfte dieses

Ergebnis allerdings nicht ohne weiteres auf andere Fingerhutkammern zu über-

tragen sein.

Wintz und Rump haben ein Dosimeter konstruiert, das auf der Fluoreszenz-

wirkung der Röntgenstrahlen beruht. 4. Die Färbung der Sabouraud-Noire-Tablette.

Diese wurde von Krönig und Friedrich zur Prüfung ihrer Empfindlichkeit Röntgenstrahlen von bestimmter Härte bei verschiedenen Dosen ausgesetzt. Die Ab-

Fluoreszenzmethode; Färbungsmethode; chemische Umsetzung 359

lesung erfolgte mit einem Holzknecht-Dosimeter bei gewöhnlichem Glühlicht sowie bei einer Speziallampe. Die Ergebnisse sind in Tabelle 58 dargestellt und beweisen, daß die Empfindlichkeit der Sabouraud-Noire-Tablette eine äußerst geringe ist. Erst bei einer Dosisdifferenz von etwa 50% können wir einen Unterschied in der Verfärbung der Tablette feststellen. Öfters wiederholte Messungen hatten dasselbe Resultat. Nach diesen Ergebnissen dürfte die Sabouraud-Noire-Ta- blette kaum den Anforde- rungen der Tiefentherapie genügen.

Trotzdem hat sie sich Abgelesener Wert am Holz- für die Oberflächenthera-. knecht-Dosimeter in H . pie außerordentlich gut bewährt. Hier kann die Ionisationsmethode offenbar deshalb nicht konkurrieren, weil die Wellenlängenempfindlichkeit der verschiedenen lonisationsgeräte bei den weichen Strahlengemischen sehr verschiedenen Härtegrades der Oberflächentherapie zu stark ins Gewicht fällt.

Tabelle 58. Empfindlichkeit der Sabouraud-Noir6-Tablette.

1,5—1,75 1,5—1,8 2,0—2,5

5. Die chemische Umsetzung.

Bei der systematischen Durchforschung röntgenstrahlenempfindlicher Lösungen zeigte nach Angaben Glockers keine eine genügende Empfindlichkeit außer der Jodo- form-Chloroformlösung. Bei dieser tritt schon nach !/, Minute eine deutliche Rot- färbung infolge von Jodausscheidung auf. Glocker, Rothacker und Schönleber haben den Vorgang quantitativ eingehend untersucht. Dabei fanden sie, daß bei ge- ringer Strahlenintensität die Reaktion erst nach einer gewissen Bestrahlungszeit ein- setzt; es besteht ein ‚„Schwellenwert‘‘ wie bei der photographischen Wirkung sichtbaren Lichtes. Ist die Reaktion unter Einwirkung der Röntgenstrahlen aber einmal ein- geleitet, so läuft sie auch nach Aussetzen der Bestrahlung solange weiter, bis der im bestrahlten Kölbchen vorhandene Sauerstoff aufgebraucht ist. Folgender Versuch möge als Beispiel dienen. Mehrere Kölbchen wurden gleich lange, aber verschieden intensiv bestrahlt. Während sich die intensiv belichteten bereits unter der Röhre, die anderen erst einige Minuten nach der Bestrahlung färbten, erwies sich bei allen verschieden intensiv bestrahlten Kölbehen 10 Minuten nach Beendigung der Bestrahlung die aus- geschiedene Jodmenge als gleich groß. Die Röntgenstrahlen wirken also nur auslösend. Die durch die Bestrahlung eingeleitete chemische Reaktion schreitet dann unabhängig von der Einwirkung der Röntgenstrahlen fort, und der größte Teil der ausgeschiedenen Jodmenge rührt von dieser ausgelösten Reaktion her. Die Verwendung dieser Reaktion zu Meßzwecken und zur Dosierung ist somit unmöglich, da die Jodmenge der Strahlungs- energie keineswegs proportional ist.

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Yaloussis, E., H. Holfelder und O. Bornhauser s. Holtelder.

Strahlenschutz und Anlage von Röntgenabteilungen

Von

Professor Dr. R. Glocker

Mit 11 Abbildungen im Text

-

Inhaltsverzeichnis.

Fe Einleitung: % 2.2 e 2 u ep e Kae a EEE aa ER Ta IL Physikalische Grundlagen des Strahlenschutzes. . . 2 2 22 2 2 2 nen.

III. Messungen der Schutzwirkung verschiedener Stoffe... 2. 2 2 22.2200.

IV. Strahlenschutzeinrichtungen und Anlage von Röntgenabteilungen

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Seite 367

367 371 374

I. Einleitung.

In dem Maße, wie die Intensität und Härte der in der Therapie angewandten Rönt- genstrahlen gesteigert wurde, wuchs die Dringlichkeit der Schaffung eines ausreichenden Strahlenschutzes für den Arzt und das Hilfspersonal. Auch kleine, erst beginnende Strahlenschädigungen, wie sie sich z. B. aus einer Veränderung des Blutbildes zu er- kennen geben, erfordern ernste Beachtung, weil im Laufe der Jahre durch Akkumulation kleinster Dosen eine schwere gesundheitliche Gefährdung entstehen kann.

Für die Beurteilung des Umfanges des Strahlenschutzes und für die Bemessung der Dicke der strahlensicheren Wände ist es von größter Wichtigkeit, die Maximaldosis zu kennen, die ein Röntgenologe ohne jedes Anzeichen einer Strahlenschädigung in jahrelanger Tätigkeit ertragen kann. Auf Grund einer Umfrage bei verschiedenen amerikanischen Röntgeninstituten hat Mutscheller kürzlich für diese Toleranzdosis angegeben, daß im Laufe eines Monates Maa Erythemdosis anstandslos ertragen werde. Rechnet man den Monat zu 200 Arbeitsstunden, so heißt dies, daß die Intensität der Röntgenstrahlung an den Stellen des Röntgenzimmers, an denen röntgenologisch be- rufstätige Personen während der Bestrahlung verweilen, höchstens so groß sein darf, daß in 20000 Stunden eine volle Erythemdosis erreicht wird. Es ist sehr zu wünschen, daß auch die deutschen Röntgenologen sich für diese Frage interessieren und durch statistische Beiträge eine möglichst genaue Bestimmung des Zahlenwertes der Toleranz- dosis ermöglichen.

Wie aus diesen einleitenden Bemerkungen hervorgeht, ist das Problem des Strahlen- schutzes ein physikalisches und ein biologisches zugleich. Mit dem ersteren Teile wird sich die vorliegende Arbeit befassen, während dem zweiten Teile ein Aufsatz von medi- zinischer Seite im zweiten Bande der „Ergebnisse der medizinischen Strahlentherapie‘ gewidmet sein wird.

II. Physikalische Grundlagen des Strahlenschutzes.

Trifft ein paralleles Röntgenstrahlbündel!) senkrecht auf eine D cm dicke Schicht irgendeines Stoffes auf, so wird die Intensität der Strahlung beim Durchgang durch die Schicht in der aus dem Grundgesetz der Absorption leicht zu berechnenden Weise geschwächt; es gilt

Jede "h, (1) wobei J, die Intensität auf der Vorderseite der Schicht, J , e » » Rückseite ` D und

u eine von der chemischen Zusammensetzung des Stoffes und der Qualität der Strahlung abhängige Größe ist, die „Schwächungskoeffizient‘‘ genannt wird.

1) Praktisch läßt sich diese Annahme verwirklichen durch enge Abblendung der Strahlung und durch großen Fokusabstand.

368 R. Glocker

Das Gesetz für die Strahlenschwächung ist im Falle homogener Röntgenstrahlen besonders einfach. Bei Erhöhung der Dicke wird die Qualität der Strahlung nicht geändert und der Schwächungskoeffizient behält den gleichen Wert bei. Eine praktisch homogene Strahlung ist z. B. eine stark gefilterte Tiefentherapiestrahlung.

Bei einer nichthomogenen Strahlung, welche aus vielen verschiedenen Wellen- längen besteht, werden beim Durchgang durch einen Stoff die langwelligen Strahlen viel mehr geschwächt wie die kurzwelligen, und die Folge davon ist, daß von Schicht zu Schicht die Qualität der Strahlung und der Schwächungskoeffizient sich ständig ändern.

Abgesehen von den Spektralbezirken anormaler Absorption nimmt der Schwächungs- koeffizient ungefähr proportional der dritten Potenz der Wellenlänge zu!). Steigert man z. B. die Spannung einer Röntgenröhre auf das Doppelte unter gleichzeitiger Er- höhung der Filterdicke, so daß die Wellenlänge des wirksamen Spektralbereiches etwa im Verhältnis 1:2 abnimmt, so muß zur Erzielung gleicher Schutzwirkung die Schutz- wand nahezu 8mal so dick sein. Jede Spannungssteigerungim Tiefentherapie- betrieb erfordert also eine außerordentlich große, weit mehr als pro- portionale Verstärkung der Schutzwände. Aus diesem Grunde ist es zweck- mäßiger, die Erzielung großer Dosen durch Konstruktion von Röntgenröhren mit hoher Strombelastbarkeit zu erreichen als durch Steigerung der Spannung. Der letztere Weg sollte erst dann beschritten werden, wenn klar bewiesen ist, daß den kurzwelligen Strahlen eine spezifisch größere biologische Wirksamkeit zukommt.

Untersucht man die Schwächung ein und derselben homogenen Strahlung in gleich dicken Schichten verschiedener Stoffe, so findet man, daß der Schwächungskoeffizient ungefähr proportional mit der dritten Potenz der Atomzahl?) und der Dichte an- steigt. Da der Einfluß der Atomzahl ein viel größerer ist als der der Dichte, so wird man zur Herstellung von Strahlenschutzwänden Stoffe mit großer Atom- zahl oder, was praktisch dasselbe bedeutet, mit hohem Atomgewicht verwenden, um bei kleiner Schichtdicke eine möglichst starke Schwächung der Strahlungsintensität zu erreichen. Bei einer stark gefilterten Therapiestrahlung hat man z. B. bei Verwendung von Eisen an Stelle von Blei eine etwa 30 mal so große Dicke zu nehmen; statt der üblichen 5 mm Bleiwand würde man also Eisenplatten von 15 cm Dicke einbauen müssen, um gleiche Schutzwirkung zu erhalten.

Aus dem Absorptionsgesetz ergibt sich noch eine weitere praktisch wichtige Folgerung: die Schwächung der Strahlung in einer Schutzwand nimmt nicht proportional mit der Dicke zu. Verstärkt man eine Schutzwand auf das Doppelte, so nimmt die Schutzwirkung viel mehr als um das Doppelte zu. Die Berech- nung erfordert in jedem einzelnen Falle die Kenntnis des Schwächungskoeffizienten der Strahlung in dem betreffenden Stoffe. Für die zur Zeit üblichen gefilterten Tiefentherapie- strahlungen (200000—220000 Volt Spannung an der Röhre, 1-mm-Cu-Filter) ist der Schwächungskoeffizient in Blei im Mittel x = 15 (Berthold).

Zum praktischen Gebrauch des Absorptionsgesetzes ist in Tabelle 1 eine Reihe von Zahlenwerten für die sog. Exponentialfunktion angegeben.

1) Im ganz kurzwelligen Gebiete entspricht die Zunahme des Schwächungskoeffizienten nicht mehr ganz der dritten Potenz der Wellenlänge, weil die Streuung gegenüber der reinen Absorp- tion merklich wird und weil die Streuung sich nur wenig mit der Wellenlänge ändert. Die Abwei- chungen von dem oben angegebenen Gesetze sind um so kleiner, je hochatomiger der betreffende Stoff ist.

2) Atomzahl heißt die Zahl, welche die Stellung jedes Elementes im periodischen System angibt.

Physikalische Grundlagen des Strahlenschutzes 369

Tabelle 1.

Zahlenwerte der Exponentialfunktion

| 1,0 | 0,37 uD = Schwächungskoeffizient x Dicke 1,3 0,27 1,6 0,20 Bruchteil der durch die Schicht 1,9 0,15 sen d _ j hindurchdringenden Strahlungsin- 2,2 0,11 "A |tensität, bezogen auf die auffal- 2,5 0,08 lende Intensität 3 0,05 4 0,018 5 0,007 6 0.0025

Zur Erläuterung der Tabelle 1 diene folgendes Beispiel: Wie stark nimmt die Schutz- wirkung einer Wand von 2 mm Blei bei Verdoppelung des Bleibelages zu, wenn der Schwächungskoeffizient der Strahlung u = 15 ist? Da in Gl. 1 die Dicke D immer in Zentimetern ausgedrückt werden muß, so ist

für die 2 mm dicke Wand uD = 15. 0,2 = 3, also e— “P = 0,05, an IT 4 ET IT uD =]. 0,4 == 6, IT e’"D = 0,0025.

Von der auftreffenden Intensität geht durch 2 mm Blei der 0,0öte Teil, d.h. 5%, hindurch, während durch 4 mm Blei nur !/,% hindurchgelangt. Die Verdoppelung der Schutzwand bewirkt somit eine Erhöhung der Schutzwirkung auf das 20fache, ein überraschend günstiges Resultat.

Da keine technische Röntgenstrahlung so streng homogen ist, daß sie bei einer Intensitätsabnahme auf Bruchteile eines Prozentes genau der Gl. 1 folgt, so weicht die Wirklichkeit ein wenıg von dem Ergebnis des Rechenbeispiels ab. Messungen von Berthold an einer mit 220000 Volt Spannung erzeugten, mit 1 mm Kupfer gefilterten Therapiestrahlung ergeben hinter 2 mm Blei 0,38%, hinter 4 mm Blei 0,028%, der ursprünglichen Intensität. Die Erhöhung der Schutzwirkung infolge Verdoppelung des Bleibelages beträgt somit das l4fache, also etwas weniger, als die Berechnung er- geben hatte.

Für viele Zwecke ist aber doch die Berechnung von Nutzen, weil sie rasch ohne umständliche Versuche über die Wirksamkeit von Änderungen an den Strahlenschutz- einrichtungen eine orientierende Auskunft gibt, wenigstens insoweit, als es sich um die Abschirmung von direkter Strahlung handelt.

Bei jeder Strahlenschutzanlage muß nämlich außer der direkten auch die indirekte Bestrahlung verhütet werden. Die Kenntnis der Gesetze der Sekundärstrahlung ist deshalb in mannigfacher Hinsicht von Vorteil, und immer wieder sollte die alte Er- fahrung in die Erinnerung gebracht werden, daß jeder von Röntgenstrahlen getroffene Stoff selbst wieder Röntgenstrahlen aussendet.

Von den drei verschiedenen Arten von Sekundärstrahlung:

l. sekundäre Kathodenstrahlung (Emission von Elektronen), 2. charakteristische Eigenstrahlung, 3. zersteruet Strahlung

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 24

370 R. Glocker

kommen nur die beiden letztgenannten Arten hier in Betracht. Die Eigenstrahlung eines Stoffes wird nur von begtimmten Spektralbezirken der auffallenden Strahlung an- geregt. Um die Eigenstrahlung des Bleies zu erregen, muß die Röntgenröhre mit mindesten 90000 Volt betrieben werden, während für Barium schon eine Spannung von 40000 Volt genügt. Die Erregung ist dann eine besonders starke, wenn die Hauptintensität der von der Röhre ausgesandten Strahlung in dem charakteristischen Spektralbezirk liegt. Eine mit 2 mm Kupfer gefilterte Tiefentherapiestrahlung erregt z. B. die Bariumeigen- strahlung weniger als bei Filterung mit !/, mm Kupfer. Die Eigenstrahlung jedes Stoffes ist praktisch homogen und hat eine für jedes Element charakteristische Härte. Die Halb- wertschicht in Aluminium beträgt bei der Bleistrahlung etwa 12 mm, bei der Barium- strahlung 3 mm.

Die zerstreute Strahlung ist in bezug auf die Härte und Strahlungszusammen- setzung!) identisch mit der ursprünglichen Strahlung; der Vorgang der Zerstreuung kann aufgefaßt werden als eine einfache Richtungsänderung der Strahlung infolge Beugung an den Elektronen der Atome. Die Stärke der Streuwirkung ist in der Richtung der ursprünglichen Strahlung am größten und senkrecht hierzu am klein- sten. Die Größe des Streuungskoeffizienten, der in ähnlicher Weise definiert wird

wie der Schwächungskoeffizient durch Gl. 1, wechselt von Stoff zu Stoff und hängt von der Härte der Röntgenstrahlen ab; er nimmt im allgemeinen mit dem Atomgewicht eines Ele- mentes zu und mit der Wellen- länge der Strahlung ab. Doch ist der Gang mit der Wellen-

g- "p länge viel geringer als beim Schwächungskoeffizienten. Abb. 1. Streustrahlung bei engem und weitem Bestrahlungsfeld. Wie ist diese Abnahme des

Streuungskoeffizienten mit der Wellenlänge zu vereinen mit der bekannten Beobachtung, daß bei Spannungs- steigerung, d. h. also beim Übergang zu immer kurzwelligeren Strahlungen, sich im Röntgenbetrieb die Streuung des Bodens, der Wände usw. immer stärker be- merkbar macht? Es ist zu unterscheiden zwischen der in einer dünnen Schicht eines Körpers entstehenden Streustrahlung (Streuungskoeffizient) und der aus einem ausgedehnten Körper austretenden Streustrahlung (Streuung des Körpers). Von der in einem Körper entstehenden zerstreuten Strahlung tritt stets nur ein kleiner Bruchteil aus, weil die Streustrahlen im Körper selbst eine Absorption erleiden Bei großen Härtegraden nimmt zwar die in einer dünnen Schicht des Körpers ent. stehende Streustrahlung ab; uber infolge der größeren Härte der Primärstrahlung un- der Streustrahlungen können viel tiefer gelegene Schichten noch merkliche Beiträge zu der aus dem Körper austretenden Streustrahlung liefern, und die Streuung des Körpers nimmt daher zu. Nicht bloß für die Anlage von Röntgenschutzhäusern, sondern auch für die Be- urteilung von Röntgenschutzstoffen ist die Berücksichtigung der Streuung von Wichtig- keit. Läßt man auf die Wand vor dem Beobachter P in Abb. 1 ein enges Strahlen-

1) Die neueren Versuche von Compton u. a., welche eine geringe Änderung der Strahlungs- qualität beim Zerstreuungsvorgang ergeben haben. kommen hier praktisch nicht in Betracht.

Messungen der Schutzwirkung verschiedener Stoffe 371

bündel auffallen, so gelangt weniger Streustrahlung von der Wand nach P als bei Ver. wendung eines weit geöffneten Bündels. Aus meßtechnischen Gründen ist es üblich, die Schutzstoffe im Laboratorium mit engen Strahlenbündeln zu prüfen, während bei der praktischen Verwendung später die ganze Oberfläche bestrahlt wird. Wie die Unter- suchungen von Berthold erstmals gezeigt haben!), erhält man auf diese Weise zu gün- stige Werte für die Schutzwirkung.

II. Messungen der Schutzwirkung verschiedener Stoffe.

Jede Absorptionsmessung bei Verwendung sehr harter Strahlen hat mit der Schwierig- keit zu kämpfen, daß die vom Boden, von den Wänden und von den Gegenständen des Untersuchungsraumes ausgehende intensive Sekundärstrahlung in das Meßgerät gelangt. Bei der Prüfung von Röntgenschutzstoffen liegen die Verhältnisse noch besonders un- günstig; die zu messende Strahlungsintensität ist durchschnittlich nur ein Tausendstel der auffallenden Intensität. Eine anschauliche Vorstellung von der Wirkung der Sekundärstrahlung erhält man durch folgenden Versuch: Auf eine photographische Platte wird ein mehrere Zentimeter dicker Messingblock aufgelegt, der im Innern Bohr- löcher verschiedener Weite enthält. Mit 200000 Volt Spannung wird eine Viertelstunde exponiert und dann in bekannter Weise entwickelt. Die Platte ist überall gleichmäßig schwarz, und von den Bohrlöchern ist keine Spur zu sehen. Die rückwärts auf die Platte auftreffende Sekundärstrahlung des Zimmerbodens ist nämlich intensiver wie die direkte beim Durchgang durch den Block stark geschwächte Strahlung. Eine Wiederholung des Versuches nach seitlicher und rückwärtiger Umhüllung des Stückes mit 5 mm Bleiblech beweist die Richtigkeit dieser Erklärung. Es ist also eine Grundbedingung jeder Ab- sorptionsuntersuchung bei sehr harter Strahlung, daß das Meßgerät durch eine allseitige Umhüllung mit einer genügend dicken Bleischicht gegen störende Sekundärstrahlung von seiten der Umgebung geschützt wird.

Die Strahlenschutzwirkung eines Stoffes kann auf verschiedene Weise geprüft werden. Entweder wird für verschiedene Schichtdicken photographisch oder ionto- metrisch gemessen, wieviel Prozent der ursprünglichen Strahlungsintensität noch vor- handen sind, oder es wird nach Walter die Dicke der Bleischicht ermittelt, welche die Strahlung in gleichem Maße schwächt. Diese Methode der Bestimmung der „äqui- valenten Bleidicke‘ hat Vorzüge prinzipieller und meßtechnischer Art; insbesondere erübrigt sich eine photometrische Ausmessung der photographischen Platten.

Sollen für Schutzstoffe mit anderen wirksamen Elementen als Blei, z. B. für Barytstein, die äquivalente Bleidicke bestimmt werden, so ergeben sich nach Franke verschiedene Werte, je nach der Dicke der zur Messung benutzten Schicnten; z. B. sind bei einer Strahlung von 200000 Volt Spannung 7,5 mm Baryt = 1,1 mm Blei und 60 mm Baryt = 4,2 mm Blei. Franke fordert daher mit Recht, daß bei jeder Schutzstoffmessung die Bestimmung der äquivalenten Bleidicke an einer solchen Schichtdicke des Schutzstoffes vorgenommen wird, wie sie später im Betriebe verwendet wird, und daß eine Angabe?) über die zur Prüfung benutzte Strahlungshärte beigefügt wird. Im vorliegenden Falle würde man auf Grund der Messung der äquivalenten Bleidicke für 7,5 mm Baryt und

1) Vgl. hierzu Teil II.

2) Das Verhältnis der Schutzwirkung ist wegen der verschiedenen spektralen Lage der selek- tiven Absorptionsstelle des Bleies und des Bariums außerdem noch von der Strahlungsqualität ab- hängig.

24*

372 R. Glocker

Umrechnung auf die in der Praxis übliche Dicke von 60 mm zu der ganz falschen Vor- stellung kommen, daß 60 mm Barytstein 9 mm Blei entsprechen.

Eine Versuchsanordnung für photographische Bestimmungen der äquivalenten Bleidicke ist in Abb. 2 schematisch dargestellt (Berthold).

In einen Bleiklotz von 10 mm Wandstärke wurde eine Kassette fürl2 x 75 mm Platten eingeführt und die seitliche Öffnung sodann ebenfalls mit 10 mm Blei ver- schlossen. Auf der Oberseite des Klotzes befand sich ein Fenster von trichterförmiger Gestalt, um bei Verwendung großer Bestrahlungsfelder die vom Untersuchungskörper S Ä ausgehende Sekundärstrahlung aufnehmen

zu können. Die größte Feldgröße war ein

TR u Kreis von 36 cm Durchmesser auf der Ober-

J \ fläche des Untersuchungskörpers bei dem aus

/ \ Abb. 2 ersichtlichen Plattenabstand. Bei B,

/ \ wurde zu Vergleichsmessungen mit engem

/ \ Strahlenbündel ein 5 mm dickes Bleiblech / \ mit kreisförmiger Bohrung eingelegt.

/ \ Bei iontometrischen Messungen ist die

Abschirmung des Meßgerätes mit größeren

Fohusdislans 300 3

| N N Schwierigkeiten verknüpft. Am geeignetsten TU sind ee bei denen die lonisa- oe be eg Danan Tuae pge EE tionskammer und der Meßraum, in dem sich

das die Ionisation anzeigende Organ (Faden oder Blättchen des Elektrometers) befindet, eine Einheit bilden. Iontometer mit kleiner Ionisationskammer und großem Meßraum, beide durch eine schlauchartige Leitung ver- bunden, sind weniger geeignet, weil hier die Abb. 2. Anordnung zur photographischen Prü- Wirkungsmöglichkeiten der Sekundärstrah-

fung von Schutzstoffen. lung viel größer sind als für die zu messende

primäre Strahlung.

Bei den Messungen von Berthold wurde eine große Ionisationskammer von 30 cm Durchmesser und 40 cm Länge verwendet, welche unter der Türöffnung des Schutzhauses aufgestellt und außerdem mit 8 mm Blei gegen primäre und mit 5 mm Blei gegen sekundäre Strahlung abgedeckt wurde. Die Ergebnisse der photographischen und iontometrischen Messungen stimmten sehr gut überein!).

Bei der Messung mit engem Strahlenbündel Größe des Bestrahlungsfeldes auf der Oberfläche des Untersuchungskörpers 5 gem ergaben sich folgende Verhältnis- zahlen für die Schutzwirkung gegenüber sehr harter Therapiestrahlung (180000 bis 220000 Volt Spannung an der Röhre):

Tabelle 2. Verhältniszahlen der Schutzwirkung.

= SC KN ZE s

| Ee

Ne?

Blei | Bleigummi | Bleiglas | Barytstein (60 mm dick)

1 | 3 | 8,5—10 | 13,5

Um die Schutzwirkung von 3 mm Blei zu erreichen, ist bei Bleigummi eine Dicke von 9 mm erforderlich. Die Absorption des Bleiglases?) war von Stück zu Stück etwas ver-

1) Dies war von vornherein nicht zu erwarten, da die photographische Wirkung der Röntgen- strahlen sich möglicherweise in anderer Weise mit den Wellenlänge ändert wie die Ionisationswirkung. 2) Von C. H. F. Müller, Hamburg, geliefert.

Messungen der Schutzwirkung verschiedener Stoffe 373

schieden; im Mittel entspricht einer Bleiglasschicht von 18—20 mm Dicke ein Bleiblech von 2 mm.

Kennt man die Schwächung der Strahlungsintensität in Prozenten für Blei (vgl. Teil I), so kann man mit Hilfe der Tab. 2 sofort angeben, wie groß die durch Bleiglas, Bleigunmi, Barytstein hindurchgehende Strahlungsintensität ist (Tab. 3).

Tabelle 3. Schwächung der Primärstrahlung (220000 Volt, 1-mm-Cu-Filter) durch 3 mm Bleigummi auf 2,2°, der ursprünglichen Intensität,

» 158 , Bleiglas an 0,45 bis 0,26°, der ursprünglichen Intensität, » 36 ,„ Bleiglas an 0,04 bis 0,026°,, der ursprünglichen Intensität,

60 ,„ Barytstein 0,02%, der ursprünglichen Intensität.

Wie schon am Schlusse des Teiles I erwähnt wurde, ist die tatsächliche Schutz- wirkung der Stoffe kleiner, als sie sich im Laboratoriumsversuch unter Verwendungenger Strahlenbündelergibt. Die in Abb. 2 gezeichnete Anordnung ermöglichte es, einen großen Teil der vom Untersuchungskörper ausgehenden Streu- strahlung mitzumessen und so die Verhältnisse der Praxis zu reproduzieren. Nach Weg- nahme der Blende B, betrug das Bestrahlungsfeld auf der Oberfläche des Probekörpers rund 1000 gem. Die Schutzwirkung ist jetzt nur noch etwa die Hälfte.

Tabelle 4. Verhältnis der Schutzwirkungen bei großem Feld zu der bei kleinem Feld. Blei... mm 1:16, Bleiglas. . 36 1: 1,7, Barytstein 60 1:2,

Die äquivalente Bleidicke zu 60 mm Barytstein ist bei großem Feld 4,1 mm gegen- über 4,4 nım bei kleinem Feld (enges Strahlenbündel). Die Verhältniszahl für die Schutz- wirkung von Blei und Barytstein ist nunmehr 1:15 gegenüher 1:13,5 in Tab. 2. Die Messungen zeigen, daß das bisher geübte Verfahren der Schutzstoffprüfung, Messung im Versuch mit engem Strahlenbündel und Übertragung des Resultates auf die prak- tischen Verhältnisse, bei denen eine ausgedehnte Fläche des Schutzstoffes bestrahlt wird, nicht angängig ist.

Für die Beurteilung des röntgenstrahlengefährdeten Umkreises eines Therapie- betriebes ist es unerläßlich, die Absorptionswirkung der Zimmerwände und des Zimmer- bodens zu kennen. Zu diesem Zwecke wurden von dem Verf. zusammen mit Berthold Messungen an Probewänden angestellt, die aus verschiedenen Baustoffen aufgeführt waren.

Aus Stampfbeton (Mischungsverhältnis Zement: Kies = 1:10) wurde ein Probe- körper mit den Abmessungen 25 X 25 x 50 cm hergestellt. Die Schwächung der Strah- lung in diesem 25 cm dicken Betonblock entsprach bei engem Bestrahlungsfeld einer 5,3 mm dicken Bleischicht, während bei weitem Bestrahlungsfeld die äquivalente Bleidicke nur 4,2 mm betrug. Da der Beton aus leichtatomigen Elementen besteht und da das be- strahlte Volumen viel größer ist wie beim Blei, so ist es verständlich, daß die Streu- strahlung beim Übergang vom engen zunı weiten Felde beim Betonkörper einen größeren Bruchteil der direkt hindurchgehenden Strahlung ausmacht wie beim Blei: die Folge davon ist, daß die Schutzwirkung des Betonblockes relativ zu der des Ble:bleches mit zunehmender Größe des Bestrahlungsfeldes kleiner wird, da die Intensität hinter Beton mehr zunimmt als hinter Blei.

Da die Dichte des Betons je nach dem Zementgehalt schwankt, so wird mau für die Praxis mit der angenäherten Beziehung

25 cm Beton = 4 mm Blei rechnen.

374 | R. Glocker

Zur Prüfung der Absorption von Backsteinwänden wurden durch Aufeinander- schichten von Ziegelsteinen (Größe 6,5 x 12,5 x 25 cm) Probewände mit den Dicken 25 cm (entsprechend einer Wand aus einem Stein), 32,5 cm und 50 cm (entsprechend einer Mauerstärke von zwei Steinen) hergestellt, wobei die Fugen der Steine gegenseitig versetzt wurden; l

Das Verhältnis der Dicken mit gleicher Schutzwirkung ergab sich zu

Blei: Ziegelstein = 1:80 bei engem Feld, = 1l : 110 bei weitem Feld. In der Praxis is talso die Schutzwirkung einer Mauerstärke von 50 cm = der einer Bleiwand von 4,5 mm Dicke.

Die Schutzwirkung der Ziegelsteine ist wesentlich geringer als die des Betons. Außer in der Verschiedenheit der chemischen Zusammensetzung liegt der Grund für dieses unterschiedliche Verhalten in den zahlreichen kleinen Hohlräumen im Inneren der Ziegelsteine. Nach den Untersuchungen des Materialprüfungsamtes in Lichterfelde beträgt der Gehalt an Hohlräumen bei guten Ziegelsteinen rund 30%, des Volumens.

Bei Fachwerkswänden kann von einer definierten Strahlenschwächung nicht ge- sprochen werden, da an den Stellen der Holzbalken die Durchlässigkeit stets größer ist als in den gemauerten Füllungen.

An und für sich ist die Schutzwirkung einer gewöhnlichen Wand aus Beton oder Ziegelsteinen überraschend groß. Es darf dabei aber nicht übersehen werden, daß die Schutzwirkung'!) nur von dem Produkt (vgl. Gl. 1)

‚Schwächungskoeffizient x Dicke

abhängt und daß die große Dicke der Wände die geringe spezifische Absorption der Bau- stoffe ausgleicht. In den Kreisen der Röntgenologen findet sich häufig die unrichtige Anschauung, daß alle bleihaltigen Stoffe Sicherheit vor Strahlung gewähren und daß die leichtatomigen Stoffe, wie Zement, Steine usw., in beliebig dicken Schichten für die Strahlung absolut durchlässig seien.

In einer Klinik war z. B. die Belegung einer 50 cm dicken Betonwand mit 3 mm Blei geplant, weil in dem Nebenraum merkliche Röntgenstrahlung nachgewiesen werden konnte. Diese Verstärkung war unnötig, da ja 50 cm Beton Schutzwirkung einer 8 mm dicken Bleiwand gleichkommt. Dagegen fand sich in der Betonwand ein Bleiglasfenster von 4 mm Dicke, das einer Bleischicht von höchstens !/, mm Blei entspricht, und hier hatte die Verstärkung einzusetzen.

IV. Strahlenschutzeinrichtungen und Anlage von Röntgenabteilungen.

Die besonders große Gefährdung des Personals in Röntgentherapie-Instituten be- ruht auf drei Faktoren:

l. großes Durchdringungsvermögen der erzeugten Strahlung;

2. starke Sekundärstrahlung;

3. große Strahlungsintensität.

Zum dritten Punkte ist erläuternd zu bemerken, daß die von einer Röntgenröhre ausgesandte Strahlenintensität bei gleicher Stromstärke proportional mit dem Quadrat der Spannung zunimmt. Die im Tiefentherapiebetrieb erzeugte Strahlungsintensität

1) Abgesehen von der in der Schicht des Stoffes entstehenden Sekundärstrahlung.

Strahlenschutzeinrichtungen und Anlage von Röntgenabteilungen 375

ist durchschnittlich 10—20mal größer als beim diagnostischen Arbeiten. Dazu kommt daß die Zeitdauer der Röhrenbenutzung im letzteren Falle viel kleiner ist.

Für die technische Ausführung von Strahlenschutzeinrichtungen sind zwei Gesichts- punkte zu beachten:

l. Abschirmung der direkten und der indirekten Strahlen;

2. Gleichmäßigkeit der Schutzwirkunganallen Stellen des zu schützen- den Raumes. Ä

Wie im I. Teile bereits erwähnt wurde, ist die Sekundärstrahlung des Bodens una der Zimmerwände um so intensiver, je härter die von der Röntgenröhre erzeugte Strah- lung ist. Eine einfache, einige Quadratmeter große Schutzwand ist in Betrieben, in

Abb. 3. Einfluß der Stellung der Schutzwand.

denen mit 200000 Volt Spannung gearbeitet wird, ein ganz und gar unzulänglicher Schutz. Nicht bloß im Interesse des Personals, sondern auch im eigensten Interesse des verantwortlichen Institutsleiters ist zu hoffen, daß die Zeiten endgültig vorüber sind, in denen dieses dürftige Schutzmittel als ausreichend angesehen wurde. Nach dem gegenwärtigen Stande der wissenschaftlichen Erkenntnis würde im Falle einer Röntgen- schädigung des Personals die Haftpflichtfrage wohl kaum verneint werden

Abb. 4. Strahlensichere Befestigung von Bleiplatten.

können, solange nicht Schutzmittel vorhanden sind, um auch eine Ge- fährdung durch Sekundärstrahlung zu verhüten.

In Instituten mit leichter Therapie kann eine einfache Schutzwand Verwendung finden, wenn sie so aufgestellt ist, daß möglichst wenig Sckundärstrahlung in den zu schützenden Raum gelangen kann. Die gefährliche Sekundärstrahlung wird um so kleiner, je breiter und höher die Schutzwand ist, je kleiner ihre Entfernung von der Zimmerwand ist und je näher die Röhre vor der Schutzwand angebracht ist (Abb. 3).

Die beste Lösung des Strahlenschutzproblemes bietet das erstmals von Albers- Schönberg vorgeschlagene allseitig geschlossene Schutzhaus. Beim Vorhandensein dicker Beton- oder Ziegelsteinwände können diese ohne Verstärkung mit benützt werden, indem die Ecke eines Zimmers als Schutzhaus ausgebildet wird. Als Unterlage für den

376 R. Glocker

Bleibelag wird zweckmäßig eine Holzverschalung verwendet. Zur Befestigung dienen Schrauben oder starke Nägel; da Eisen viel durchlässiger ist wie Blei, so müssen diese mit besonderen Kappen aus Blei bedeckt werden. Eine einfache Kappe (Abb. 4) wird dadurch hergestellt, daß der Nagel durch die eine Hälfte eines Bleistreifens hindurch- geschlagen wird und daß dann die andere Hälfte über dem Nagelkopf umgebogen wird. Daß beim Aneinanderfügen der Bleiplatten eine gegenseitige Überdeckung statt- findet, ist unerläßlich.

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Abb. 5. Grundriß des Röntgenlaboratoriums an der Technischen Hochschule Stuttgart.

Bei Verwendung von Barytsteinen (Käm pe- Lorey - Platten) mit den Abmessungen 3x 25 x 50 cm oder 6 x 25x50 cm wird eine Spaltbildung dadurch vermieden, daß die Platten mit keilförmigen Fugen ineinander hineingreifen. Barytsteinwände können als freitragende Wände aufgemauert werden; als Bindemittel dient eine Mischurg von Barytpulver und Zement. An Stelle von Gipsputz ist der besseren‘ Haltbarkeit wegen ein Zementputz zu verwenden. Wegen des großen Gewichtes der Barytplatten ist auf genügende Tragfähigkeit des Bodens bzw. auf breite Fundamente zu achten.

Abb. 6. Schematische Raumanordnung eines medizinischen Röntgeninstitutes.

Eine moderne Röntgenschutzanlage zeigt Abb. 5, welche den Grundriß des Röntgenlaboratoriums an der Techn. Hochschule in Stuttgart enthält. Beim Bau des Institutes im Jahre 1921 handelte es sich um die Aufgabe, die Schalt- stellen von vier modernen Röntgenapparaten strahlensicher anzuordnen und gleich- zeitig dafür zu sorgen, daß die in einem Röntgenraum vorgenommenen Messungen nicht durch die Strahlungen der Röhren in den anderen Räumen gestört werden. Durch Vereinigung der vier Schaltstellen in einen einzigen, zentral gelegenen Raum

Strahlenschutzeinrichtungen und Anlage von Röntgenabteilungen 377

wird eine wesentliche Kostenersparnis erzielt und außerdem eine sehr einfache Betriebs- überwachung ermöglicht.

Um die Zentralschaltstelle liegen ringsherum die vier Röntgenräume (a, b, c, f und der Maschinenraum c). Der Strahlenschutz des Raumes d besteht aus einem allseitig 5 mm dicken Bleibelag, der vom Zimmerboden bis zur Zimmerdecke sich erstreckt. In den Türen, welche teils als Klapp-, teils als Schiebetüren ausgebildet sind, befinden sich Beobachtungsfenster, welche mit zwei Bleiglasscheiben von je 20 mm Dicke ver- schlossen sind. Trotz der beträchtlichen Dicke der Bleiglasschicht können die Teilstriche des Milliamperemeters auf mehrere Meter Entfernung hin sicher abgelesen werden. Die Wände zwischen den einzelnen Röntgenräumen sind mit 6 cm dicken Barytsteinen be- legt. Den Abschluß gegen die Mittelhalle des Institutes bildet eine von den Funda- menten bis zum Dach reichende große Barytmauer, die bei a eine mit 5 mm Blei gesicherte Türe enthält; das Institut wird dadurch in zwei Teile zerlegt, in einen röntgenstrahlen- gefährdeten Teil, welcher die eigentlichen Röntgenlaboratorien umfaßt, und einen röntgenstrahlensicheren Teil (Vorstandszimmer, Assistentenzimmer, Sammlung, Werk-

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Abb. 7. Grundriß der Therapieabteilung der Chirurgischen Univ.-Klinik Leipzig.

statt, Dunkelkammer usw.). Die Ventilationseinrichtungen zur Beseitigung der Röntgen- gase bestehen in einem an der Decke des Schutzhauses d befindlichen Ventilator, der aus einem Luftschacht vom Dache her Luft ansaugt, und aus verschiedenen Ventilatoren in den einzelnen Röntgenräumen, welche Luft nach außen absaugen. Dadurch, daß frische Luft in das Schutzhaus eingeblasen wird, wird ein Eindringen der Röntgengase in das Schutzhaus vermieden. Die absaugenden Ventilatoren in den Röntgenräumen sind nicht, wie üblich, an der Decke, sondern am Fußboden angebracht, da die Röntgengase schwerer als Luft sind und sich in den unteren Luftschichten ansammeln.

Für ein medizinisches Röntgeninstitut ist die ringförmige Gruppierung der Bestrah- lungsräume um einen zentralen Schutz- und Schaltraum herum nicht zweckmäßig, weil das Heranbringen der Kranken außerordentlich erschwert ist. Man wird lieber eine Anordnung der in Abb. 6 gezeichneten Art wählen, bei der der Gang als Zentral- schaltstelle ausgebildet ist. Die räumliche Trennung je zweier Bestrahlungsräume B durch den gemeinsamen Maschinenraum M macht einen Strahlenschutz zwischen ihnen entbehrlich. Zu schützen sind nur die beiden Wände der Schaltstelle S und evtl. die Trennwände zwischen den Räumen B und den anderen Zwecken dienenden Nachbar- räumen, falls die Mauern (25 cm Beton oder 50 cm Ziegelsteinwand) nicht schon ge- nügen. Dies ist meist der Fall, wenn die Röntgenstation sich im Untergeschoß eines

378 R. Glocker

großen Gebäudes befindet. Die Unterbringung im Untergeschoß, genügende Stockhöhe vorausgesetzt, bietet den weiteren Vorteil, daß eine Abschirmung der Strahlung nach unten unnötig ist. Inwieweit über den Therapiezimmern gelegene Räume geschützt werden müssen, hängt von der Dicke und dem Material der Zimmerdecke sowie von der Dauer der Benutzung dieser Räume ab.

Als Beispiel eines vorbildlich eingerichteten medizinischen Röntgeninstitutes ist in Abb. 7 der Grundriß der neuerbauten Therapieabteilung der Chirurgischen Universitäts- klinik Leipzig dargestellt!). Der durch halbhohe Wände (Abb. 8) aus Kämpe- Lorey - Platten in 7 Boxen unterteilte Bestrah- lungsraum (6—12 in Abb. 7) ist beiderseits umgeben von dem Maschinenraum 16 und dem 17 m langen Bedienungs- gang. 13., auf dem sich die Schalttische befinden (Abb. 9). Das Problem, sowohl den Be- dienungsplätzen als auch den Bestrahlungsboxen eine direkte Zuführung von Luft und Licht zu verschaffen, wurde in ge- schickter Weise dadurch gelöst, daß die Decke des Bedienungs- ganges niederer ist als die des Bestrahlungsraumes: Oberhalb dem Tonnengewölbe des Bedie- nungsganges befinden sich große Stellfenster zur Licht- und Luft- zuführung für die Bestrahlungs- boxen. Die Abschirmung der Therapieräume gegen die Um- gebung ist nach allen Rich- tungen mit großer Sorgfalt durchgeführt worden. Der Be- tonboden und die Betondecke des Therapieraumes wurde mit einer 10cm hohen Schicht ge-

Abb. 8. Bestrahlungsraum der Therapieabteilung der stampften Schwerspats bedeckt.

Chirurgischen Univ.-Klinik Leipzig. Die Seitenwände bestehen aus

6cm dicken Barytsteinwänden

(Kämpe-Lorey-Platten), während die weniger wichtige Trennwand zwischen Bestrahlungs-

und Maschinenraum durch einen doppelseitigen Verputz aus Schwerspatzement geschützt

ist. Der Zutritt zu den Bestrahlungsboxen erfolgt vom Bedienungsgang aus durch 6-mm-

dicke Bleitüren mit Bleiglasfenstern. Die Hochspannungsdurchführungen sind eben-

falls strahlensicher ausgebildet; die Niederspannungsleitungen wurden in bleigefütterte Kanälen verlegt.

1) Die Abb. 7—9 wurden von Herrn Oberarzt Dr. Baensch in dankenswerter Weise zur Ver- fügung gestellt.

Strahlenschutzeinrichtungen und Anlage von Röntgenabteilungen 379

Bei der Anlage von Röntgenabteilungen können durch zweckmäßige Wahl der Räume Ersparnisse in bezug auf den Röntgenschutz gemacht werden. Ungünstig ist die Wahl eines mittleren Stockwerkes, welches einen Strahlen- schutz nach oben und nach unten nötig macht. Gut geeignet ist z. B. eine Baracke. Steht .eine solche -nicht zur Verfügung, so sind Bäume am Ende eines Ganges zu be- vorzugen.

Die zweite Forderung „Gleichmäßigkeit der Schutzwirkung‘“ wird in der Praxis häufig nicht beachtet, und zwar meist aus Unkennt- nis über die Schutzwirkung der verschiedenen Stoffe. In einer Klinik war z. B. eine 6 cm dicke Barytwand mit 2 mm Blei be- legt worden, während die Blei- glasfenster nur 18 mm dick waren. Die Schutzwirkung der Wand beträgt somit 4 + 2 = 6 mm Blei, die des Bleiglases höchstens 2 mm Blei. Die schwächste Stelle der Anlage ist also gerade dort, wo sich das Personl ständig aufhält.

Diese Beobachtung, daß die Bleiglasscheiben im Verhältnis zu der Dimensionierung der Baryt- oder Bleiwände ziel zu schwach gewählt werden, ist durchausnicht vereinzelt. Beim modernen Therapiebetrieb müssen unbedingt zwei je etwa 20 mm dicke Blei- glasscheiben aufeinander- gelegt werden, um eine genügende Strahlensicher- heit zu erhalten.

Eine andere Lösung des Strahlenschutzes läßt sich da- durch erzielen, daß die Rönt- genstrahlenquelleallseitig Abb. 9. Bedienungsgang der Therapieabteilung der Chirur- strahlensicher umschlos- gischen Univ.-Klinik Leipzig. sen wird; nur auf der dem Patienten zugekehrten Seite befindet sich eine Öffnung für den Austritt des Strahlen- bündels. Die bisher verwandten Bleiglashauben gewähren in dieser Hinsicht nur einen geringen Schutz; ein großer Teil der Röntgenstrahlung kann ungehindert nach den Seiten und nach oben austreten. Dazu kommt, daß der Durchmesser der zur Zeit üblichen Bleiglashauben zu klein ist, um bei 8 Milliampere Belastung und 200000 Volt Spannung die entstehende Wärme abzuführen. Bei längerem Betrieb zerspringt entweder die Röhre oder der Bleiglastopff. Die allgemeine Einführung von Therapie- röhren mit großer Strombelastbarkeit erfordert dringend eine baldige

380 R. Glocker

Lösung dieser Schwierigkeiten. Es wird nicht zu vermeiden sein, der Röhren- haube größere Abmessungen zu geben auf die Gefahr hin, daß im Bestrahlungsbetriebe mancherlei Unbequemlichkeiten entstehen. Es scheint überhaupt die Entwicklung dahin zu gehen, der Röhre nur noch eine beschränkte Einstellungsmöglichkeit zu geben und dafür durch entsprechende Ausbildung des Lagerungstisches die Einstellung durch Verschiebung des Patienten vorzunehmen.

Eine solche Anordnung ist in Deutschland zuerst von Siemens & Halske aus- geführt worden. In das Bestrahlungszimmer ragt ein langer weiter, mit Blei beschlagener Kasten nach Art eines Rüssels herein (Abb. 10), in dem sich die Röhre mitsamt den Hochspannungsleitungen befindet. Diese Konstruktion bietet den weiteren Vorteil, daß

Abb. 10. Ansicht des Siemens-Bestrahlungskastens.

die Entstehung von Röntgengasen im Bestrahlungsraum und die Berührung der Hoch- spannungsleitungen unmöglich gemacht wird. Bei einer amerikanischen Anordnung ist die Röhre teilweise beweglich mit freiliegenden Hochspannungsleitungen. Die Röhre liegt in einem tonnenförmigen, mit Blei beschlagenen Kasten, der gedreht und geneigt werden kann. Bei einem von Reiniger, Gebbert und Schall nach Angabe von Prof. Wintz ausgeführten Stativ ähnlicher Art (Abb. 7) befindet sich die Röhre in einem Pertinax- rohr mit Bleigummiumhüllung, durch welches ständig ein Luftstrom geblasen wird. Bei der Verwendung strahlensicherer Bestrahlungsgeräte wird es im allgemeinen für zulässig gehalten, das Röntgenpersonal ohne weitere Schutzvorkehrungen im Bestrah- lungszimmer unterzubringen. Dabei ist vor allem die Frage zu prüfen, ob nicht die im Körper des Patienten bei Großfelderbestrahlung entstehende Streustrahlung intensiv genug ist, um in der Umgebung des Patienten einen dauernden Aufenthalt des Röntgen- personals zu verbieten. Nach ionometrischen Messungen von Glocker und Kaupp ist bei 210000 Volt Röhrenspannung und 4 MA. Stromstärke, 0,5 mm Cu-Filter, 35 cm

Strahlenschutzeinrichtungen und Anlage von Röntgenabteilungen 381

Fokusdistanz und 10 x 15cm Feldgröße die aus dem bestrahlten Körper seitlich aus- tretende Streustrahlung in 2m Abstand von der Körpermitte ungefähr so groß, daß sie in 1000 Stunden ein Erythem erzeugen würde. Unter Zugrundelegung der in der Einleitung erwähnten Toleranzdosis von Mutscheller mit 20000 Stunden Erythemzeit muß die aus dem Körper des Patienten austretende Streustrahlung als nicht ungefährlich fürdas Röntgenpersonal bezeichnet werden. Es ist daher zu empfehlen, den Platz beim Schalttisch durch eine kleine Schutzwand gegen

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Abb. 11. Ansicht des Wintz-Bestrahlungsgerätes.

diese Streustrahlung zu schützen oder durch Bleigummiabdeckung des bestrahlten Kör- pers bzw. durch Anbringen von strahlenundurchlässigen abnehmbaren Seitenwänden am Bestrahlungstisch das Austreten der Streustrahlung zu verhindern.

Wer die Entwicklung der Röntgentechnik in den letzten Jahren aufmerksam ver- folgt hat, muß den Eindruck gewinnen, daß nach der Vervollkommnung der Apparate und Röhren nunmehr die Ausgestaltung der Bestrahlungsgeräte und der Schutzvorrich- tungen für das Röntgenpersonal in den Brennpunkt des Interesses gerückt sind.

382 R. Glocker

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Physikalische Sensibilisierung

Von

Professor Dr. Hermann Holthusen

Mit 6 Abbildungen und 8 Tabellen im Text

Inhaltsverzeichnis.

Seite

1. Binleitüng: 2.4.28 Sa. r LE Er ee 355 II. Die klinischen Untersuchungen über die Sekundärstrahlenwirkung `... 386 A. Sensibilisierung mit fluoreszierenden Substanzen . 2 2 2 2 2 2 nn nn nen 386

B. Sekundärstrahlensensibilisierung . . 2 2 200 0 0 m nn nn 389 III. Die physikalischen Grundlagen der Sekundärstrahlentherapie . . . 2. 2 2 2 222.0. 398 A. Die Absorption und die charakteristische Strahlung. . . . . 2: 2 2 2 2 200 e.. 398

B. Die Elektronenstrahlung `, 407

C. Die Streustrahlúng s s ua af e 2 a ae ar dg 409 IV. Die Theorie der Sekundärstrahlensensibilisierung . . . a. a 2 2 2 2 En 2 2 ne. 409 A. Massive Sekundärstrahler `, 411

1. Sekundäre Wellenstrahlung der Inzidenzseite. . . 22. 2 2. 2 2 2 2 nn nen 411

2. Sekundäre Wellenstrahlung der Emergenzseite . . . 2: 2 2 2 2 2 en ne. 414

3. Die sekundäre Elektronenstrahlung . . 2 2 2 2m nn nn nen 419

B. Diffuse Verteilung der Sekundärstrahler im Gewebe. . . . 2. 22 2220000. 421

V. Experimentelle Untersuchungen zur Sekundärstrahlentherapie . . . . 2 22 222... 422 A. Physikalische Untersuchungen . . 2 2 2 Em nn rn en 423

1. Sekundäre Wellenstrahlung . . . 2 2 2 En Er m Er nen 423

2. Sekundäre Elektronenstrahlung `, 426

B. Biologische Untersuchungen . . 2 2 2 2 m nr nn nenne 429

VI. Die klinischen und experimentellen Ergebnisse der Sekundärstrahlentherapie unter Berück- sichtigung ihrer theoretischen Grundlagen . . . 2. 2 2 2 2 EEE Een 435

I. Einleitung.

In diesem Kapitel sollen alle diejenigen Wege besprochen werden, die eingeschlagen worden sind oder eingeschlagen werden können, um in einem biologischen System unter Ausnutzung der physikalischen Eigenschaften der auffallenden Röntgenstrahlen eine Vermehrung ihrer Wirksamkeit hervorzurufen. Die Möglichkeit einer optischen Sensi- bilisierung ist bekanntlich von F. W. Vogel zuerst dargetan worden, dem es gelang, durch Zusatz von fluoreszierenden Farbstoffen (Eosin) die Lichtempfindlichkeit der photographischen Platte weiter nach der langwelligen Seite des Spektrums im sichtbaren Gebiete auszudehnen. Die optische Sensibilisierung biologischer Vorgänge zum ersten Male mit Bewußtsein erkannt zu haben, ist das Verdienst von O. Raab und W. v. Tap- peiner, die bei Gelegenheit von Untersuchungen über die Einwirkung von Akridin auf Protozoen (Paramäcien) die Feststellung machen konnten, daß die Anwesenheit dieses fluoreszierenden Farbstoffes die Paramäcien ausgesprochen lichtempfindlich machte. Wurden die Tiere in einer Konzentration der Farbstofflösung, die sie im Dunkeln unbeeinflußt ließ, ans helle Tageslicht oder gar Sonnenlicht gebracht, so starben sie in kurzer Zeit ab. Diese „photodynamische Erscheinung‘, wie sie von Tappeiner genannt wurde, ist ein in der Biologie ganz allgemein verbreiteter Vorgang. Bei An- wesenheit von fluoreszierenden Farbstoffen der verschiedensten Provenienz erwirbt die lebende Zelle eine ausgesprochene Lichtempfindlichkeit in einem Grade, daß sie unter günstig gewählten Versuchsbedingungen fast momentan zugrunde geht. Und ähn- lich wie die Zelle lassen sich Fermente und Toxine, Hämolysine, Präzipitine und ver- wandte Stoffe zerstören. Der Zusammenhang der photodynamischen Erscheinung mit der Fluoreszenz der wirksamen Farbstoffe darf als sichergestellt gelten (Jodlbauer und Tappeiner, J. Pioro), ebenso die Tatsache, daß die Stärke der Fluoreszenz und der Grad der Wirksamkeit nicht miteinander parallel gehen, woraus geschlossen werden kann, daß die sensibilisierende Wirkung nicht von den Fluoreszenzstrahlen als solchen abhängig ist. Wir kommen später darauf zurück (S. 388). Die Analogie zwischen der photodynamischen Erscheinung und der Sensibilisierung photographischer Platten ist, so sehr auch auf die nahe Verwandtschaft zwischen den beiden Vorgängen von den ver- schiedensten Seiten hingewiesen wurde (Neißer und Halberstädter), dennoch keine vollständige, und die von ihrem Entdecker gewählte Bezeichnung der in Frage kommen- den Vorgänge als ‚photodynamische Erscheinung‘“ besteht daher zu Recht (Jodlbauer). Die meisten Farbstoffe nämlich, mit denen sich eine biologische Photosensibilisierung erzielen läßt, wirken, wenn auch in wesentlich geringerem Grade doch auch schon im Dunkeln, und diese Dunkelreaktion ist der Lichtreaktion gleich (Jodlbauer und v. Tappeiner, Jodlbauer und Haffner). Es geht daraus hervor, daß diese Farbstoffe nicht nur als Lichtüberträger im physikalischen Sinne zu gelten haben, sondern daß sie auch eine pharmakologische Wirkung im gewöhnlichen Sinne des Wortes ausüben. Dieser Umstand darf nicht vernachlässigt werden. Nach allen Erfahrungen, für die wir aus dem Gebiete der Röntgenstrahlen noch zahlreiche Beispiele anführen werden, er- höht jede schädigende Einwirkung auf das betrachtete biologische System, mag sie auch

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 25

386 H. Holthusen

an und für sich unterschwellig sein, die Anspruchsfähigkeit gegenüber einer direkten Strahlenschädigung. Es ist danach anzunehmen, daß es sich bei der photodynamischen Wirkung nicht um eine reine optische Sensibilisierung handelt, sondern daß die ein- tretende Wirkung sich aus der optischen Sensibilisierung und derreinchemischen Wirkung des für das biologische System nicht indifferenten Farbstoffes zusammensetzt. In Übereinstimmung mit der von Eder gegebenen Definition kann man diese Form der Wirkungssteigerung auch als chemische Sensibilisierung bezeichnen. Wenn wir mit v. Seuffert streng genommen nur da berechtigt sind, von einer „Sensibilisie- rung‘ zu sprechen, wo am Objekt selber und seiner „Empfindlichkeit‘“ etwas geändert wird, so würde gerade diese Form des Wirkungsmechanismus den Namen „Sensibilisie- rung‘ verdienen, allerdings nicht als physikalische, sondern als chemische Sen- sibilisierung anzusprechen sein. Gerade die physikalische Sensibilisierung ist ihrem Wesen nach, wie v. Seuffert mit Recht betont, insofern sie ein Verfahren charakterisieren soll, in welchem durch Einführen sekundärstrahlenspendender Substanzen die Dichte der wirksamen Strahlen erhöht wird, gar kein Sensibilisierungsverfahren, da dabei am Objekt selber und seiner Empfindlichkeit überhaupt nichts geändert wird. Übrigens haben wir, da sich der Ausdruck ‚Sensibilisierung‘ gerade für die Wirkungssteigerung durch Ausnutzung der Sekundärstrahlen eingebürgert hat, denselben auch für dieses Kapitel beibehalten.

I. Die klinischen Untersuchungen über die Sekundär- strahlenwirkung.

A. Sensibilisierung mit fluoreszierenden Substanzen.

Die ersten klinischen Versuche, pathologische Gewebe für die Einwirkung der Röntgenstrahlen zu sensibilisieren, knüpfen an die photodynamischen Erscheinungen beim sichtbaren Lichte an. Kothe injizierte Eosin in 1%, iger und 1°/ „iger Lösung bei Warzen jeden zweiten Tag unter die Haut. Nach viermaliger Röntgenbestrahlung trat die Reaktion in dem injizierten Bereiche schneller und mit größerer Heftigkeit ein als im normalen, nicht vorbehandelten Gewebe. In einem Falle bildete sich die Warze, die gerade in dem injizierten Gebiete besonders groß gewesen war, dort am deutlichsten zurück. In Übereinstimmung damit trat bei einem Kaninchen, das jedesmal eine halbe Stunde vor der Bestrahlung eine Injektion von 1—2 cem Eosin bekommen hatte und in täglichen Sitzungen von je !/, Stunde im ganzen 31/, Stunden bestrahlt worden war, eine Epilation und nachfolgende Geschwürsbildung an der bestrahlten Stelle auf. Ein ähn- licher Versuch an den Ohren hatte gleichfalls Geschwürsbildung zur Folge. An Bakterien- kulturen, die mit Farbstoffen versetzt wurden, waren die Versuche vielleicht nur deswegen nicht entscheidend, weil eine schädigende Dosis überhaupt nicht erreicht wurde. Werner, der Versuche in ähnlicher Richtung anstellte, hatte zunächst beim Bepinseln der Haut mit Eosinlösung und nachfolgender Bestrahlung keinerlei Erfolg. Später verwendete er neben der Aufpinselung auch subkutane und intrakutane Reaktionen 1 %iger und 1°/ „iger alkoholischer Lösungen. Intrakutane Reaktionen führten zu lebhafter Rötung, mäßiger Schuppung und etwas Hyperämie, vermochten aber nur dann zu sensibilisieren, wenn sie unmittelbar oder nur kurze Zeit (höchstens 2—3 Tage) vor der Bestrahlung appliziert worden waren, und zwar ließ sich die Sensibilisierung um so leichter erzielen, je rascher die Bestrahlung nach der Injektion vorgenommen wurde. Der Grad der Wirkungs-

Röntgensensibilisierung mit fluoreszierenden Substanzen 387

steigerung stieg mit der Bestrahlungsintensität, mit der Konzentration der Eosinlösung und der Dichte der Infiltration. Daraus, daß das Eosin, wenn es länger als 2—3 Tage im Gewebe liegt, keine Wirkung mehr auszuüben vermag, schloß Werner auf eine Ver- änderung des Farbstoffes im Gewebe. Im übrigen schienen ihm die Versuche zu be- weisen, daß das Eosin erst durch die Radiumstrahlen die Fähigkeit erhält, auf das Ge- webe zu wirken. Polland berichtete im gleichen Jahre über eine Reihe von Fällen, von denen die eine Gruppe mit Radium allein, die zweite mit Sonnenlicht und sensibi- lisierenden Substanzen und die dritte mit sensibilisierenden Substanzen und Radium behandelt war. In dieser dritten Gruppe befand sich ein Fall von Lupus, der nach einer Injektion einer 1°/ „igen Lösung von Eosin mit Radium, allerdings in geringeren Dosen als in den Wernerschen Fällen, bestrahlt wurde und in dem sich ebensowenig wie in einem zweiten ähnlichen Falle eine verstärkte Wirkung nachweisen ließ. Dagegen konnte im Tierversuche gezeigt werden, daß durch kräftige Eosinsensibilisierung resistentes Gewebe empfindlicher gemacht wird. So konnte der Knorpel des Kaninchenohres, der bei der Bestrahlung mit schwachen Radiumkapseln intakt blieb, durch kräftige Sensibilisierung zur Auflösung gebracht werden. Hahn, der die Eosinbehandlung nach Tappeiner bei Ulcus rodens des Kopfes zunächst als medikamentöse Behandlung an- wandte, sah in einem Falle mit enorm großem Geschwür am Kopfe durch die Eosin- behandlung allein nur ein promptes Sistieren der bis dahin sehr reichlichen Sekretion. Erst durch die Röntgenbestrahlung wurde eine gute Überhäutung vom Rande her er- reicht. Zu einer skeptischen Beurteilung der Frage, ob sich die photodynamischen Wirkungen fluoreszierender Farbstoffe im sichtbaren Lichte auch auf die Applikation von Röntgen- und Radiumstrahlen übertragen lassen, kommt Jodlbauer, und zwar auf Grund von Versuchen an Paramäcien. Wandte er die bei der Untersuchung der photo- dynamischen Erscheinungen erprobte Methodik an und brachte die Protozoen in Eosin- lösungen von 1:1000 bzw. 1:5000, die sich für die Sensibilisierung im sichtbaren Lichte als sehr wirksam erwiesen hatten, oder ließ er sie auf Invertin und Diastase wirken, so machte die Anwesenheit des Sensibilisators keinen Unterschied. Die fluoreszierenden Substanzen werden von Röntgenstrahlen eben nicht erregt. Gegen die Stichhaltigkeit dieser Versuche läßt sich immerhin einwenden, daß die angewendete Röntgen- und Ra- diumstrahlung zu gering war, als daß sie den Schwellenwert der Wirksamkeit selbst bei den sensibilisierten Versuchsobjekten erreicht hätte. M.Fränkel sah nach Eosinisie- rung und Röntgenbestrahlung günstige Erfolge in Form von Abkürzung der Bestrahlungs- zeit bei Fluor albus und brachte 2 Fälle von gonorrhoischem Fluor zur Heilung.

In etwas anderer Weise ging Gauthier vor, indem er !/, Stunde vor der Bestrah- lung 0,3 g Chinin, das bekanntlich als Sulfat in Lösung durch ultraviolette Strahlen zur Fluoreszenz erregt wird, in die Geschwulst injizierte. Er konnte sich jedoch bei einem Vergleich von 5 mit Röntgenstrahlen allein und 5 nach vorheriger Sensibilisierung behandelten Fällen von einer günstigen Wirkung der Strahlen in den mit Chinin be- handelten Fällen nicht überzeugen. Bernabeo brachte, von dem Gedanken ausgehend, daß durch Röntgenstrahlen nur Substanzen in kristallinischer Form zur Fluoreszenz erregt werden, in Paraffin suspendierte fluoreszierende Substanzen ins Gewebe, berichtet aber nicht über seine Resultate. Martenstein griff neuerdings die Frage, ob sich die Erfahrungen mit den photodynamischen Wirkungen des sichtbaren Lichtes auch auf die Behandlung mit Röntgenstrahlen übertragen ließe, noch einmal auf, indem er an 2 Fällen von Hydroa vacciniformis bei Geschwistern, bei denen besonders durch ultraviolette Strahlen von weniger als 200 vu Wellenlänge starke Reaktionen erzeugt wurden, Röntgenstrahlen (1 H.E.D.), Alphastrahlen (Doramadsalbe in der Konzentration von 1000 stat. Einh. auf 1 g Salbe), Beta- und Gammastrahlen (in Form eines plattenförmigen

25*

388 H. Holthusen

Mesothorpräparates von 11 mg) zur Anwendung brachte. Er kam zu dem Resultat, daß die Bestrahlungsreaktionen bei den Hydroakranken und auf normaler Haut in gleicher Stärke auftraten.

Insgesamt können die Erfahrungen, die mit der Injektion fluoreszierender Farb- stoffe und nachträglicher Bestrahlung gemacht wurden, nicht als besonders ermutigend bezeichnet werden. Die positiven Wirkungen, die einzelne Autoren gesehen zu haben glauben, sind offenbar diesen selber nicht so überzeugend gewesen, daß sie sie zu wei- teren Versuchen in der eingeschlagenen Richtung ermutigt hätten. Heute, wo wir den Zusammenhang zwischen der Fluoreszenz der photodynamisch wirksamen Farbstoffe und ihrer sensibilisierenden Wirkung wenigstens in seinen Grundzügen überblicken, erscheint uns das nicht wunderbar. Damals, als die meisten der beschriebenen Versuche angestellt wurden, war der Zusammenhang zwischen Fluoreszenz und Wirksamkeit der sensibilisierenden Farbstoffe noch kontrovers. Während von Jodlbauer immer der Zusammenhang mit der Fluoreszenz betont wurde. betrachtete Neißer den Vor- gang als eine Photosensibilisierung. Wenn wir auch den Mechanismus der eigent- lichen ‚„photodynamischen Erscheinung‘, d. h. der Sensibilisierung photobiclogischer Reaktionen für sichtbares Licht durch die Anwesenheit fluoreszierender Farbstoffe nicht vollständig übersehen, so dürfen wir doch heute, besonders auf Grund der Unter- suchungen von Franck und seiner Schule annehmen, daß das Prinzipielle in der Wir- kungsweise der fluoreszierenden Farbstoffe darin besteht, daß erstens durch ihre An- wesenheit im Gewebe Absorptionszentren für das sichtbare Licht geschaffen werden, und zweitens, daß die Lichtenergie von den fluoreszierenden Farbstoffen in einer Form absor- biert wird, in der sie die Energie an die lichtempfindlichen Gewebsmoleküle übertragen können. Die wirksame Form der Absorption im Farbstoffmolekül führt in ihm eine Elek- tronenanregung herbei, deren Vorhandensein als Folge der Belichtung durch die Eigen- schaft der Fluoreszenz gerade bewiesen wird. Bei der Rückkehr aus dem erregten in den Ausgangszustand des Moleküls wird analog dem Vorgange bei der Röntgenfluoreszenz (vgl. S. 401) die Fluoreszenzstrahlung ausgesendet. Nun wird aber die Absorption für Röntgenstrahlen durch Hinzufügen der gewöhnlichen fluoreszierenden Farbstoffe in den bei der Lichtsensibilisierung in Betracht kommenden Konzentrationen von 1:1000 und weniger gar nicht gesteigert. Vor allem aber tritt in einer Lösung derartiger Farbstoffe unter dem Einflusse der Röntgenstrahlen gar keine sichtbare Fluoreszenz auf, selbst wenn man sie mit Röntgenstrahlen von großer Intensität, 60 mA. und mehr, bestrahlt. Wie aus dem Zusammenhange zwischen Wellenlänge der Erregerstrahlung und der ausgesendeten Fluoreszenzstrahlung mit ihren ausgesprochenen Maxima an bestimmten Stellen des Spektrums hervorgeht, ist die Fluoreszenzerregung beim Lichte auf ganz bestimmte Wellenlängen des erregenden Lichtes abgestimmt. Bei einer Er- regung durch Elektronen, auf welche die Röntgenfluoreszenz zurückzuführen ist, sollten eigentlich beliebige Quantengrößen, also auch die für die Erregung sichtbarer Fluores- zenz erforderlichen Quanten von den Primärelektronen abgegeben werden können. Möglicherweise ist das Auftreten sichtbarer Fluoreszenz unter der Einwirkung von Rönt- genstrahlen nur eine Frage der Intensität. Doch ist es immerhin auffallend, daß im Gegensatz zu dem Verhalten der fluoreszierenden Farbstoffe in einer Lösung von Chinin- sulfat 1:100 auch mit den uns zur Verfügung stehenden Intensitäten der Röntgen- strahlen bereits eine deutlich sichtbare Fluoreszenz in grünlichem Lichte auftrat (vgl. S. 429). So muß man denn dem Vorgehen von Bernabeo und von Gauthier vom physi- kalischen Standpunkte aus eine größere Berechtigung zusprechen als den Versuchen mit fluoreszierenden Farbstoffen. Gerade bei den vom sichtbaren Lichte zur Fluoreszenz angeregten Farbstoffen fehlen alle Voraussetzungen für eine Anregung durch Röntgen-

Wirkungsmechanismus bei der Sensibilisierung mit fluoreszierenden Farbstoffen 389

strahlen. Wenn dennoch mehrere Beobachter eine Zunahme der Strahlenreaktion nach Eosinisierung des Gewebes gesehen haben, so sind wir nicht berechtigt, sieohne weiteres als Täuschung abzutun, sondern müssen annehmen, daß die Vorbehandlung in einem anderen Sinne „sensibilisierend‘“ gewirkt hat, nämlich dadurch, daß sie als pharmako- logisches Agens die Anspruchsfähigkeit des Gewebes für die Röntgenstrahlen verstärkt hat. Gegen diese Auffassung darf nicht eingewendet werden, daß die Eosinisierung allein keine Wirkung ausgeübt habe. Durch die Untersuchungen von Hoffmann und von Kroetz wissen wir, daß auch unterschwellige chemische und thermische Reize in Ver- bindung mit Röntgenstrahlen wirksam werden können, und aus Versuchen von Jodl- bauer und v. Tappeiner und Jodlbauer und Haffner wissen wir ferner, daß die photodynamisch wirksamen Farbstoffe dieselben Reaktionen als ‚„Dunkelreaktionen“, wenn auch nach wesentlich längeren Zeiten und stärkeren Konzentrationen im Gefolge haben, die sie in schwächeren Konzentrationen und in wesentlich kürzeren Zeiten unter der Mitwirkung des sichtbaren Lichtes hervorbringen. Übrigens berichtete Plesch neuerdings u. a. über einen Fall von Lymphogranulomatose, bei dem sich die media- stinalen Drüsentumoren allein durch Allgemeinbehandlung mit Äskulin, einem fluores- zierenden Farbstoff des Planzenreichs, zurückbildeten. In diesem Zusammenhange sind auch die Versuche von Baldwin zu erwähnen, welche die gesteigerte Empfindlichkeit von Paramäcien gegenüber Röntgenstrahlen nach vitaler Färbung mit Trypanblau zum Gegenstande haben, mit einem Farbstoffe also, der photodynamisch nicht wirksam ist. Es wurde eine !/,%, ige Lösung von Trypanblau in Mengen von 2—4ccm am 1., 3. und 5. Tage gegeben und am 5. Tage mit 100 mA.-Min. in 17,5 em Abstand bei 50 kV. bestrahlt. Das Intervall bis zum Tode der Tiere wurde von 110—120 Stunden bei nor- malen Tieren auf 60—70 Stunden bei gefärbten Tieren herabgesetzt. Histologisch unterschieden sich die bestrahlten, vital gefärbten Tiere nicht von den ungefärbten bestrahlten Kontrolltieren. Verf. vergleicht selber die Wirkung mit der eines optischen Sensibilisators. Wir möchten umgekehrt sagen, daß die in diesen Versuchen erwiesene Herabsetzung des Schwellenwertes der Empfindlichkeit für Röntgenstrahlen durch Vital- färbung auch der Grund für die gelegentlich beobachtete Wirkungssteigerung bei Eosi- nisierung gewesen ist. Benutzt man noch dazu, wie es in den Versuchen von Werner der Fall war, zur Injektion eine alkoholische Lösung, so setzt man damit einen Gewebs- reiz, der das Gewebe während der Dauer seiner Wirksamkeit zweifellos in einen Zustand erhöhter Anspruchsfähigkeit gegenüber Röntgenstrahlen setzen kann. Als Parallele sei nur auf die Versuche von Halberstädter und Simons über die Steigerung der Röntgenstrahlenwirkung an der menschlichen Haut hingewiesen. So ist es auch nicht wunderbar, daß Werner die Wirkungssteigerung einige Tage nach der Eosininjektion abflauen sah, auch wenn das Gewebe noch Eosin enthielt. Nach dieser Zeit war eben die entzündliche Reaktion im Gewebe, welche die Sensibilisierung darstellte, abgeklungen. Die Annahme einer Veränderung des Eosins im Gewebe innerhalb dieser Zeit ist nicht erforderlich.

B. Sekundärstrahlensensibilisierung.

Das Problem der physikalischen Sensibilisierung bei Röntgenstrahlen wurde zum ersten Male 1910 von Barkla aufgerollt im Zusammenhange mit seinen klassischen Untersuchungen über die Auslösung charakteristischer Sekundärstrahlen in Metallen. Barkla gab die Anregung, durch Einbringen von Metallsalzen in das Gewebe auch in diesem die Voraussetzungen für die Entstehung der Röntgenfluoreszenzstrahlen zu schaffen und dadurch die biologische Strahlenwirkung zu verstärken. Barkla selber

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nahm für diese Wirkungssteigerung durch Sekundärstrahlung sowohl die sekundäre Röntgenstrahlung wie auch die sekundäre Elektronenstrahlung in Anspruch. Es ist nicht ohne Interesse, daß von den späteren Untersuchern in Analogie mit der photodynanischen Wirkung des sichtbaren Lichtes das Wesen der Sensibilisierungs- erscheinung zunächst in der Wirkung der Fluoreszenzstrahlen selber gesucht wurde. Aber ebenso wie bei der photodynamischen Erscheinung die Sensibilisierungswirkung nicht von den Fluoreszenzstrahlen als solchen ausgeht, so haben sich auch bei der phy- sikalischen Sensibilisierung durch Röntgenstrahlen die Fluoreszenzwellenstrahlen selber als praktisch unwirksam erwiesen. Wie der Wirkungsmechanismus bei der photodyna- mischen Wirkung in Vorgängen an den Elektronen seine Erklärung findet, so geben auch bei der Röntgensensibilisierung die Elektronenstrahlen den Ausgangspunkt für die tat- sächlich mögliche physikalische Sensibilisierung ab.

Im Jahre 1910 veröffentlichte Albers- Schönberg in der 3. Auflage seines bekann- ten Lehrbuches der Röntgentechnik Versuche über die von Sekundärstrahlen ausgehen- den biologischen Wirkungen. Diese Versuche, die im Zusammenhange mit der Frage nach den im Röntgenbetriebe unumgänglich notwendigen Schutzmaßnahmen angestellt waren, bestanden darin, daß Meerschweinchen monatelang während der regulären Arbeiten im Institut auf 1,50 m Abstand den sekundären Glasstrahlen der Röntgenröhre ausgesetzt wurden. Es kamen jedoch Zeichen der Schädigung, nachweisbar durch die Atrophie der spezifischen Elemente der Keimdrüsen, nicht zur Beobachtung. Diese Ver- suche gehören jedoch im strengen Sinne nicht zu unserem Thema, da sie die Betrachtung der sekundären Streustrahlen für sich genommen, zum Gegenstande haben, nicht eine durch Sekundärstrahlen hervorgerufene Steigerung der primären Röntgenwirkung. Hernamann-Johnson gab 1911, angeregt durch einen Vortrag von J. J. Thomson über Sekundärstrahlen, Silberpulver per os oder per klysma, als Brot- oder Milchmahlzeit, und behandelte auf diese Weise im ganzen 7 Fälle von Magen- und Darmgeschwüren und ein Pyloruskarzinom. Die Erfolge schienen ihm ermutigend. Einen plattenförmigen Sekundärstrahler in Form eines Schillingstückes wandte er in einem Falle von Ulcus rodens an der Wange an, in dem nach anfänglicher Reaktion mit starker Schwellung glatte Heilung eintrat. In einem anderen Falle wurde der Sekundärstrahler als 2 %ige Lösung von Arg. nitr. injiziert. In einer Arbeit des folgenden Jahres bespricht derselbe Autor zunächst die verschiedenen Formen der Sekundärstrahlenanwendung unter Zugrundelegung der von Barkla und seinen Mitarbeitern gewonnenen Daten über die physikalischen Eigenschaften der Sekundärstrahlen. Es werden unterschieden die Me- thoden, bei denen entweder die von einem von Röntgenstrahlen getroffenen Metall zurückgestrahlte Sekundärstraklung ausgenutzt wird (anadrastische Strahlen), oder die von einem in das Gewebe injizierten Sekundärstrahler nach allen Seiten ausgehende Sekundärstrahlung benutzt wird (pandrastische Strahlen), oder schließlich die in der Richtung der Primärstrahlung fallende Sekundärstrahlung sich auswirkt (syndrastische Strahlen). Das weiteste Anwendungsgebiet hat die Methode, die von den anadrastischen Strahlen Gebrauch macht. Hierher gehört die schon in der ersten Publikation besprochene Methode der Sensibilisierung des Verdauungstraktes durch Silberpulver. Argyrie braucht dabei nicht befürchtet zu werden. Ein Patient des Autors bekam ohne Beeinträchtigung seines Befindens 500 g im Laufe eines halben Jahres. Der Grund dafür, daß das dia- gnostisch verwendete Wismut, anders als das Silber, keine schädigende Wirkung durch ungewollte Sensibilisierung verursacht, beruht darauf, daß dieses nicht zur charakte- ristischen Sekundärstrahlung erregt wird und daß die von ihm ausgehende Elektronen- strahlung so stark absorbierbar ist, daß schon die im Munde erfolgende Umhüllung der Wismutbissen mit Speichel genügt, um die Sekundärstrahlen des Wismut bis zur Wir-

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kungslosigkeit zu absorbieren. Sollen dickere Gewebsschichten beeinflußt werden, so muß das ganze Gewebe mit dem Sekundärstrahler durchsetzt werden, die oberfläch- liche Applikationsweise genügt nicht. Diese ‚„pandrastische‘‘ Form der Sekundärstrahlen- anwendung hat der Verfasser durch intratumorale Injektion von Ammoniumbromid, Strontiumbromid und -laktat versucht, in der Hoffnung, daß diese Salze auch in die Zellen eindringen würden. Denn da die Reichweite der hauptsächlich wirksamen Elek- tronenstrahlen nur etwa 5 u beträgt, so vermögen sie den Kern großer Zellen nur unter dieser Voraussetzung zu erreichen. Eine 11/,%,ige Kollargollösung, die im übrigen in bezug auf Sekundärstrahleneffekte die gleiche Wirksamkeit ausübt wie eine isotonische Lösung von Strontiumbromid, ist deswegen weniger brauchbar, weil sie nicht in die Zellen eindringt. Schließlich wird ein Fall eines Sarkoms bei einem 14jährigen Kinde mit- geteilt, bei dem durch Injektion einer 10% igen Lösung von Wismut und Eisenzitrat nach 9monatiger Behandlung völliger Schwund eintrat. Sollen die in der Richtung der Primärstrahlung fallenden „syndrastischen‘ Strahlen ausgenutzt werden, so kommen nur ganz dünne Schichten in Betracht, durch welche die Primärstrahlung möglichst wenig geschwächt wird. Der Verfasser empfiehlt Zinkoxyd und eine weiche bis mittel- - harte Strahlung, berichtet aber nicht über eigene klinische Erfahrungen. Die weiteren Ausführungen betreffen die Beschreibung von Vorrichtungen zur Erzeugung von Be kundärstrahlungen bestimmter Metalle, um auf diese Weise in ihrer Qualität scharf- definierte Strahlen für therapeutische Zwecke benutzen zu können. Eine Reihe von Beiträgen zur Sekundärstrahlentherapie stammen aus den Jahren 1913. Gauß und Lembcke wurden durch Versuche an Kaulquappen, die mit und ohne Aluminiunfilter in Kollargollösungen verschiedener Konzentration bestrahlt wurden, dazu geführt, das Verfahren der Injektion von Kollargol ins Gewebe zum Zwecke der Steigerung der Röntgenstrahlenwirkung auch für die menschliche Therapie zu empfehlen und stellen diesbezügliche Mitteilungen in Aussicht. Doch ist über die klinischen Erfahrungen mit der Kollargolsensibilisierung nichts bekannt geworden. Auch Müller-Immenstadt beschränkt sich bei einer Besprechung der Kombinationen, in denen die Röntgenbestrah- lung mit anderen Formen therapeutischer Maßnahmen angewendet wird, auf den Hin- weis, die Kolloidmetalle als Sekundärstrahlenspender anzuwenden, wobei er besonders Elektroselen, -iridium, -vanadin und -kobalt namhaft macht. Neben der intratumoralen Injektion erwähnt er als andere Möglichkeiten der Ausnutzung für die charakteristischen Sekundärstrahlen die Einführung reflektierender Metallplatten und die Zufuhr von Wismutbrei. Steuart benutzte zur Behandlung des Ösophaguskarzinoms eine in die Speiseröhre eingeführte Silberröhre, durch welche die Ernährung vor sich gehen konnte, und bestrahlte durch zahlreiche Einfallsfelder so, daß die Oberfläche der Silberröhre nach und nach ringsum getroffen wurde. Er empfiehlt das gleiche Verfahren für die Behandlung des Rektumkarzinoms. Harris empfahl eine Vorbehandlung des karzi- nomatösen Rektums mit Zinksalbe. Die von E. G. Beck auf Grund seiner Wismut- pastenbehandlung mit nachfolgender Röntgenbestrahlung erzielten Erfolge verdankt er nach Christen ebenfalls der vom Wismut ausgehenden weichen Sekundär- strahlung. Wolze und Pagenstecher fanden auf Grund der Beobachtungen an einem Tonsillarkarzinom, daß Tumorgewebe, das mit Kuprase vorbehandelt war, prompter auf Röntgenstrahlen ansprach als ohne diese Maßnahme. Er führt die Wirkung zum Teil auf die von den Kupferatomen ausgehenden Sekundärstrahlen zu- rück, außerdem soll die Quellung und Hyperämie zur Sensibilisierung des Tumors beitragen. Von der Vorstellung ausgehend, daß die Sekundärstrahlung um so wirk- samer sein müsse, je stärker sie absorbiert wird, empfiehlt er nach dem Vorgange von Spude das Ferrum oxydulatum nigrum (Riedel), da die Sekundärstrahlung

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des Eisens besonders weich ist. Auf die Rolle des Eisens bei dem Wirkungsmecha- nismus kurzwelliger Röntgen- und Gammastrahlen macht Löwenthal aufmerksam. Nach seinen Untersuchungen über die Wirkung verschiedener Metalle auf die photo- graphische Platte (vgl. S. 428) kommt er zu dem Ergebnis, daß es in erster Linie die sekundären Elektronenstrahlen sind, denen die biologische Wirkung der Strahlen zu verdanken ist. Ihre Entstehung im Eisen- und im Kalziumatom läßt Hämoglobin und Kalk im Organismus schon normalerweise eine wesentliche Rolle als solche Energieüberträger spielen. Während aber Pagenstecher den Übergang zu weichen Sekundärstrahlen und damit zu Metallen mit niedrigem Atomgewicht empfohlen hatte, kommt Löwenthal auf Grund seiner Versuche zu dem Resultat, daß die Inten- sität mit der Höhe des Atomgewichtes des Sekundärstrahlers anwächst. Klotz ver- wendete die Kolloide der Schwermetalle, die, wenigstens im Tierexperinent, schon an und für sich, wie Neuberg zeigte, imstande sind, Tierkarzinonıe zur völligen Heilung zu bringen. Von 13 Fällen wurden zunächst einige mit Elektrokupfer, der größere Teil mit Elektrokobalt behandelt. Bei den verabfolgten Dosen (5— 10 g pro dosi) wurden keine schädlichen Nebenwirkungen gesehen. Von Sellheim wurde neben der pharmakolo- gischen die Wirkung der Sekundärstrahlen in Anspruch genommen. Holzbach, der ebenfalls an der Sellheimschen Klinik arbeitete, benutzte für seine von ähnlichen Gedankengängen ausgehenden Versuche Fulmargin, ein Silberkolloid von besonders feiner Verteilung. Von intravenöser Injektion sah er ab, da nach Versuchen von Cohn und Nicolescu das injizierte Silber schon nach wenigen Minuten aus der Blutbahn verschwunden ist. Er wählte den Weg der direkten Injektion in das zu bestrahlende Gewebe und empfiehlt diese Methode zur Nachprüfung, wenn er auch über egene Erfolge nicht berichten kann. Weiter greift er Versuche von Heile auf, der sah, daß dasselbe Strahlenquantum, das an den mit Kochsalz unterspritzten Hautpartien keine Schädigung hervorrief, an den mit Jodoform injizierten Stellen eine deutliche Dermatitis herbeiführte. Er glaubt, daß dabei nicht, wie Heile annahm, die Ansammlung von Leukozyten und deren Zerstörung durch die Strahlen die Hauptrolle spielen, sondern daß bei der Wir- kungssteigerung frei werdendes Jod im Spiele sei. Er wandte das Jod in Form einer 1%, igen Lösung von Jodoformöl an, das er in Mengen bis zu 60 cem in die Bauchhöhle einspritzte, um dann sofort die Bestrahlung anzuschließen. Bei inoperabler Blasen- und Nierentuberkulose wurden 0,5g Jodoform in Beem Chloroform gelöst, in 30 ccm Öl aufgeschwemnit und in die Harnwege eingeführt, bei Kolipyelitis Kollargol ins Nieren- becken injiziert. Auch diese Methoden werden als aussichtsreich zur Nachprüfung empfohlen. Salzmann richtete sein Hauptaugenmerk auf die charakteristischen Eigen- strahlen. Aus seinen physikalischen Experimenten, die später besprochen werden sollen, zog er den Schluß, daß die Substanzen mit mittlerem Atomgewicht die besten Aussichten für die Ausnutzung der Sekundärstrahlen böten, und verwandte in seinen praktischen Versuchen eine Kadmiun:schale, die in der Weise an den Tumor herangebracht wurde, daß sie ihn nach Möglichkeit umfaßte. Dies ließ sich beim Portiokarzinom durch Einbringen in das hintere Scheidengewölbe immerhin bewerkstelligen. Um die ganz weiche L-Strahlung zu absorbieren, wurde das Metall in eine dünne Haut von Guttapercha ein- gewickelt. Es wurden von ihm 4 Fälle mitgeteilt, 2 Portiokarzinome, 1 Zervix- und Portiokarzinom und ein Rezidiv im Parametrium nach Totalexstirpation, die alle günstig beeinflußt wurden. 1914 berichtete Albers-Schönberg in einem Vortrage auf den Internationalen medizinischen Kongreß in London über Versuche an Menschen und Tieren, in denen mit pulverisiertem Aluminium (Feilspänen) gefüllte Aluminiumhülsen als Sekundärstrahler verwandt wurden. Die Tierversuche waren so angestellt, daß nur Sekundärstrahlen zur Anwendung kamen. Die von der primären Röntgenstrahlung

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getroffenen Aluminiumhülsen gaben aber zu wenig Sekundärstrahlen ab, um einen meßbaren Effekt hervorzubringen. Untersucht wurde wie in den früheren Versuchen die Wirkung auf die Keimdrüsen. Auch die Versuche am Menschen, und zwar an Kranken mit Myomen und Mastdarmkarzinomen, denen ähnliche Aluminiumhülsen in die Vagina oder das Rektum eingeführt waren, fielen nicht überzeugend aus, doch hält Verfasser es für möglich, daß mit anderen Metallen bessere Wirkungen zu erzielen seien. Werner teilt 1915 mit, daß er das Verfahren der Sekundärstrahlensensibilisierung seit 1905 bei einzelnen Fällen immer wieder erprobt hat, und zwar durch Injektion von kol- loidalem Silber. Er hat eine Verstärkung der Strahlenwirkung festgestellt, doch scheint ihm nicht entschieden, ob nicht der quantitative Vorteil durch eine qualitative Ver- schlechterung wettgemacht wird. Nach Injektionen von Elektroselenium und Selen- vanadium hatte er den Eindruck einer Verstärkung des Strahleneffektes, jedoch einer zu stürmischen Reaktion, so daß er zu dem milder wirkenden Enzytol überging. Erst 1918 wurde das Sekundärstrahlenproblem weiter verfolgt, und zwar zugleich von verschiedenen Seiten und unter verschiedenen Gesichtspunkten. Gemeinsam war den Untersuchern das Bestreben, das wirksame Metallsalz in das erkrankte Gewebe hineinzubringen. Stepp und Cermak richten ihr Hauptaugenmerk auf die sekundäre Wellenstrahlung und stützen sich in ihren theoretischen Überlegungen in erster Linie auf die Untersuchungen von Salzmann, wonach die Atome, deren Atomgewichte zwischen 107 und 120 liegen, die beste Ausbeute an Eigenstrahlen liefern. Wenn es sich darum handelt, die wirksamen chemischen Verbindungen in das erkrankte Gewebe zu bringen, dahin, wo die Sekundärstrahlenwirkung erwünscht ist, so fallen von den Atomen in der Umgebung des Wirkungsmaximunms das giftige Antimon weg und ebenso das in seiner Wirkung auf den Körper noch nicht genügend erforschte Kadmium, dagegen sind Jod und Silber erfolgversprechend. Silber wurde als Kollargol in 1%,iger Lösung zu Einspritzungen in die Harnblase verwendet oder in Form der Crede&schen Salbe zu Einreibungen auf die Haut, Jod in Form von Jodoformglyzerin bei Gelenkerkran- kungen angewandt oder als Jodkali innerlich gegeben. Letztere Anwendungsform erschien aus dem Grunde aussichtsreich, weil es nach verschiedenen Untersuchungen anzunehmen ist (Osw. Loeb, Michaud, v. d. Velden), daß tuberkulöses und Karzinom- gewebe imstande sind, Jod in sehr viel größeren Mengen aufzunehmen als gesunde Organe und Gewebe. Was die praktischen Versuche an Kranken anbetrifft, so berichten sie über 9 Fälle von Blasentuberkulose, bei denen die Autoren jedoch hinsichtlich der Beurteilung der Wirkung zurückhaltend sind, ferner über eine Reihe von Gelenkerkran- kungen, bei denen intraartikuläre Injektionen von Jodoformglyzerin und Einreibungen von Credescher Salbe auffallende Besserungen herbeiführten, endlich über einige Fälle von Basedowscher Erkrankung mit Einreibungen von Credescher Salbe in die Struma, die aber bei der Veröffentlichung noch nicht abgeschlossen waren, ebenso wie die Versuche mit innerlicher Darreichung von Jodkalium. In einer späteren Arbeit über die Röntgentiefentherapie in der inneren Medizin werden als weiteres Anwendungs- gebiet angegeben: Lymphogranulomatosen mit innerlicher Jodbehandlung und äußer- licher Jodapplikation in Salbenform, Blasen- und Nierentuberkulose, von denen 11 Fälle behandelt wurden, wobei die Anreicherung des Jodes in der Niere bei großen internen Jodgaben von Bedeutung ist, Drüsentuberkulosen und Strumen, bei denen Jod in Salben- form angewendet wird. Im ganzen sind die mitgeteilten Ergebnisse nicht sehr überzeu- gend. Über Erfahrungen an malignen Tumoren, bei denen innerliche Jodtherapie eben- falls aussichtsreich erscheint, können die Autoren noch nicht berichten. In diesem Zu- sammenhange mögen auch die Mitteilungen M. Fränkels über mehrere Fälle von erhöhter Radiosensibilität der Haut bei Brom-, Jod- und Salvarsankuren Erwähnung finden.

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Bessunger ging ähnlich wie Holzbach bei seiner Empfehlung der Anwendung des Jod in Kombination mit der Strahlentherapie zunächst von seiner Wirkung als differen- tem chemischen Körper aus. Es wurden etwa 5 ccm einer Lösung von Jodkali, Jodthion, Jodolyt und der wasserunlösliche Jodolytester in Mengen von etwa 5 ccm in die erkrank- ten Partien eingespritzt und mit 30 X bestrahlt. Anschließend trat eine Rötung und Schwellung der vorbehandelten Körpergegenden auf. 6 Tage später begann Nässen und Krustenbildung. Da die Wirkung auf die Injektionsstelle beschränkt war und sich eine Flächenwirkung nicht erzielen ließ, so wurde zu einer anderen Methode übergegangen, bei welcher der Kranke vor der Bestrahlung ? g Jodolyt erhielt und am nächsten Tage am Erkrankungsorte mit Jodthion und Jodolytesterazetonöl eingerieben wurden. Es tritt dann im Bereiche der so behandelten lupösen Partien eine Geschwürsbildung ein, die bei kräftigen Patienten unter Salbenverbänden abheilt. Besonders starke Bestrah- lungsreaktion wurde bei den krustoulzerösen Formen beobachtet. Während der Autor in seiner ersten Arbeit die Wirkungssteigerung auf die Abspaltung von freiem Jod zu- rückführt, das auch zum Teil mit der Stärkereaktion nachgewiesen werden konnte, nimmt er in einer späteren Publikation auch die Sekundärstrahlung, die von den Jod- atomen ausgeht, für die Strahlenwirkung in Anspruch. In den Versuchen, die Rohrer in dem gleichen Jahre unabhängig von Stepp und Cermak ebenfalls mit der Kom- bination von Jod und Röntgenbestrahlung ausführte, kam es diesem Autor darauf an, durch Einverleibung des Jodsalzes in das erkrankte Gewebe dessen Absorption zu steigern. Ihn leitete dabei der Gedanke, daß die erhöhte Absorption mit einer gleich großen Vermehrung der Wirkung verbunden sein müsse. Er machte seine Versuche an tuberkulösen Lymphomen, in die er nach Bepinselung der Haut mit Jodtinktur zu- nächst eine blutisotonische Lösung, später 10 % ige Jodkaliumlösungen möglichst gleich- mäßig injizierte. Er berechnete, daß, wenn es ihm gelang, auch nur eine Konzentration des Jodkalium im Gewebe von 0,8% zu erzielen, die Absorption dadurch auf das Doppelte erhöht würde. An die Injektion wurde unmittelbar die Bestrahlung mit harter Therapie- röhre angeschlossen (10—12 Wehnelt). Der Autor führt die günstigen Erfolge seines 18 Fälle von Lymphomen umfasenden, aber nur kurze Zeit beobachteten Materials auf die vermehrte Absorption zurück. Das Hauptanwendungsgebiet für das Verfahren sieht er allerdings bei der Bestrahlung bösartiger Tumoren, über die er selbst keine Erfahrungen besitzt. Dabei sind extrem harte Strahlen angezeigt, um die Intensitätsverminderung nach der Tiefe durch vermehrte Absorption nicht zu groß werden zu lassen. Die Erfolge Bessungers (s. oben) führt er ebenfalls auf vermehrte Absorption zurück. Gegen die Ausführungen Rohrers machte Lenk geltend, daß seine klinischen Erfolge deswegen nicht beweiskräftig seien, weil bei einem Vergleichsmaterial ohne Sensibilisierungs- behandlung jederzeit die gleichen, wenn nicht noch bessere Erfolge erzielt werden könn- ten. Die Schwierigkeit bei der Injektionsmethode liegt in der Erreichung gleichmäßiger Verteilung. Hoffnungsvoller erscheint dem Verfasser der von v.d. Velden, Jakobi, Neu- berg und seinen Mitarbeitern eingeschlagene Weg, die spezifische Organaffinität be- stimmter Salze auch für die Sekundärstrahlentherapie auszunutzen. In einem von Lenk mitgeteilten Falle eines Patienten, der auf einer Halsseite zwei gleich große und gleich alte Lymphome von gleicher Konsistenz nebeneinander aufwies und von denen der eine mit Jodkaliumlösung infiltriert wurde, zeigte sich nach einer Bestrahlung mit 7 H unter 3—4 mm Aluminiunfilter kein merklicher Unterschied in der Rückbildungsgesch windig- keit. Zu der gleichen ablehnenden Stellungnahme gelangte Palugyay auf Grund der Nachprüfung des Rohrerschen Jodsensibilisierungsverfahrens an der 2. Med. Univ.- Klinik in Wien an 6 Fällen von Lymphonen, die ebenso wie bei Lenk nach dem Gesichts- punkte ausgewählt waren, daß 2 oder mehr Lymphome von möglichst gleichem Alter.

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annähernd gleicher Konsistenz und annähernd gleicher Größe vorhanden waren. Er rät sogar von der Anwendung des Verfahrens wegen der Gefahr der Fistelbildung direkt ab. In einer späteren Arbeit bezweifelt Rohrer die Beweiskraft der negativen Erfah- rungen Lenks, die sich nur auf den zeitlichen Verlauf der Rückbildung von Lymphomen bei einem einzigen Patienten stütze. Er selbst teilt einen Fall mit, in welchem er nach Injektion von 10 cem 30% iger Jodkaliumlösung mit ultraharten Strahlen (12—15 mm Aluminium Halbwertschicht) die sehr rasche Zurückbildung eines großen Karzinoms beobachten konnte. Auch die von Lenk geäußerte Ansicht, daß die vermehrte Absorp- tion im Jodatom im Gegensatz zur Annahme Rohrers keine Wirkungssteigerung be- deute, wird dahin berichtigt, daß man die Röntgenwirkung als Wirkung von Elcktronen auffassen könne, deren Wirkungssphäre erheblich über den Ort ihrer Entstehung hinaus- greife, ja, daß sie bei harten Strahlen bis zu einem Umfange von 0,38 mm im Gewebe wirksam sein könnten. Spieß ließ sich bei seinen gemeinsam mit Voltz veröffentlichten Versuchen über die Möglichkeit einer Steigerung von Röntgenstrahlenwirkung mittels metallischer Sekundärstrahlen durch die Befunde von Neuberg, Caspari und Löhe über die Tumoraffinität bestimmter kolloidaler Metallsalze leiten. Er benutzte das von den Höchster Farbwerken hergestellte Aurokantan und Chrysolgan intravenös in Mengen von 0,5—-1,0 g, nachdem er durch Analysen festgestellt hatte, daß das Gold im Tumor gespeichert wurde. Die Verteilung des Goldes im Tumor blieb allerdings offen. Über klinische Erfolge wird nicht berichtet. Hat das Jod und haben andere Metallsalze von ähnlichem Atomgewicht einen wirkungssteigernden Effekt bei der Röntgenstrahlen- wirkung durch Sekundärstrahlenbildung, so muß die Möglichkeit unfreiwilliger Haut- sensibilisierung bei der Anwendung metallhaltiger Salben und Pflaster in Kombination mit der Röntgentherapie ins Auge gefaßt werden. Bei verschiedenen Gelegenheiten, so z. B. in der Diskussion zu einem Vortrage von Martin und Caldwell werden denn auch Beobachtungen über Hautreaktionen unter Pflastern nach Bestrahlungen mit- geteilt, die zum Teil auf die Sekundärstrahlen der metallhaltigen Klebemasse zurück- geführt werden können. Weitere wichtige Beiträge zur theoretischen Deutung und quantitativen Wirkung der Sekundärstrahlentherapie lieferten Friedrich und Bender und Gudzent. Sie kamen auf Grund ihrer physikalischen bzw. biologischen Versuche, über die später berichtet werden soll, zu einer ablehnenden Stellungnahme hinsichtlich der Möglichkeit einer erfolgreichen Anwendung der Sekundärstrahlentherapie für kli- nische Zwecke. Gudzent hatte Gelegenheit, einen Fall von Argyrie zu bestrahlen. In solchen Fällen findet sich das Silber in dichten massenhaften Kügelchen um die Epithel- zellen gelagert, so daß in quantitativer Hinsicht äußerst günstige Bedingungen für Ver- gleichsversuche geschaffen werden. Dennoch zeigten sich bei einer 24stündigen Bestrah- lung mit 50 mg Radium und Bestrahlung einer entsprechenden Stelle beim Gesunden mit der gleichen Dosis überhaupt keine Unterschiede zwischen dem sich beiderseits ent- wickelnden Erythem. Neuerdings wurde von Schreuß ein ähnlicher Fall mit Röntgen- strahlen untersucht und die Angabe von Gudzent bestätigt gefunden.

Nach diesen Arbeiten, welche die Möglichkeit der Sekundärstrahlensensibilisierung so wenig aussichtsvoll erscheinen ließen, mußten die Erfolge um so mehr überraschen, die Ellinger und Gans mit der Injektion von Thoriumnitrat ins Gewebe und darauf- folgender Röntgenbestrahlung hatten. Die ersten Experimente wurden an Ratten ausgeführt, an denen in Vorversuchen die ungiftige Wirkung des Thoriumnitrats bei sub- kutaner Injektion einer 10 % igen Lösung in Mengen von 0,2—1,0 cem festgestellt worden war. Nach einer Röntgenbestrahlung auf derart vorbereitete Hautstellen zeigte sich selbst bei !/,, H. E D. noch eine deutliche Reaktion, bestehend in Ödem, Haarausfall und Nekrose, während unbestrahlte Kontrollen keinerlei Reaktion und mit Kochsalzlösung

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von gleichem osmotischen Druck (1,8%) injizierte und bestrahlte Tiere bei 1 H.E.D. nur ein vorübergehendes örtliches Ödem aufwiesen. Die gegen die Umgebung scharf abgegrenzte Nekrose trat bei den Thoriumtieren un: so zeitiger auf, je größer die Dosis gewählt war. Versuche mit isotonischer Lösung zeigten keinen Erfolg. Die Bestrahlung braucht der Injektion nicht unmittelbar zu folgen: auch nach Abklingen des auf die Injektion folgenden primären Ödems nach 3 Tagen hat die Bestrahlung die gleiche Wirkung. Versuche an Lupusherden beim Menschen (0,5 ccm intramuskulär, 1,5 ccm subkutan + 1 H.E.D.) zeigten ebenfalls Ödem und darauffolgende, auf den injizierten Bezirk beschränkte Nekrose, die rasch zur Abheilung kam. Der Mechanismus der Sensibilisierung wird in der Wirkung der von den Thoriumatomen ausgehenden sekun- dären Elektronen gesehen. In einer späteren Arbeit berichten Ellinger und Rapp über ihre Erfahrungen mit der röntgensensibilisierenden Wirkung von Thoriumsalzen nach intratumoraler Injektion 10% iger Lösung von Thoriumnitrat bei 20 Patienten mit malignen Tumoren. Die Injektion der zweifach hypertonischen Lösung muß wegen der Schmerzen bei der Injektion in Lokalanästhesie oder in Narkose vorgenommen wer- den. Im Einzelfalle wurden bis zu 25 cem gegeben. Die Röntgenbestrahlung fand am Tage der Injektion statt. Innerhalb 1/ioo—!/2 H.E.D. konnte kein Unterschied in der Wir- kung festgestellt werden: ein Überschreiten von !/, H.E.D. ist unnötig. Das ziemlich bald nach der Injektion auftretende Ödem zwang in einem Falle von metastatischem Submaxillardrüsentumor zur Tracheotomie. Die mit dem Ödem zusammenhängenden Schmerzen waren nach 12 Stunden verschwunden. Nach 2—3 Tagen bildete sich eine schwarzbraune Nekrotisierung. Die Abstoßung der Schorfe erfolgte ohne die geringste Blutung. Die Erfahrungen ermutigten zum Ausbau dieser Behandlungsart. Weniger günstige Ergebnisse hatten Siedamgrotzky und Picard, welche die Methode von Ellinger ebenfalls in der Krebstherapie anzuwenden versuchten. In 3 Fällen von Kar- zinom der Zunge, der Wange und der Mamma, die mit 10%, iger Lösung von Thorium- nitrat umspritzt waren, wurde nach Dosen von ?/,—?/, H.E.D. eine Steigerung der Röntgenstrahlenwirkung erreicht, die nach der Schnelligkeit des Eintrittes wie nach der Stärke der Reaktion bisher in dieser Form nicht beobachtet worden war, allerdings nur in einem Falle zur Besserung, im zweiten zu einem tödlichen Glottisödem, im dritten zu einer schweren Phlegmone der ganzen Umgebung des Bestrahlungsbezirkes geführt hatte. Die Autoren stellen selber den unglücklichen Ausgang der beiden letzten Fälle als Folge zu großer Bestrahlungsdosen hin. Schließlich ist noch das Vorgehen von Sluys zu erwähnen, der, um bei Radium- und Röntgenbestrahlung die sekundäre Betastrahlung im Gewebsinnern für therapeutische Zwecke auszunutzen, feine Nadeln oder biegsame und starre Drähte aus reinem Metall in das Gewebe brachte oder das Gewebe mit Metall- salzen imprägnierte. Als Metalle dienten Gold, Platin, Wismut und Uran oder deren Salze, und zwar wurden sie danach ausgesucht, daß ihre selektive Absorption einer etwas längeren Wellenlänge entsprach, als die Einstrahlung besaß, damit jeweils das Maximum der Sekundärstrahlung für jedes Element erregt wurde. Nach der Bestrahlung können die Sekundärstrahler entweder entfernt oder liegengelassen werden. Makroskopische und histologische Befunde erinnern an die mit Radiumnadeln nach der Spickmethode erzielten Erfolge. In einer Reihe von Arbeiten beschäftigt sich Ghilarducci mit der Frage der klinischen Verwendungsmöglichkeit der Sekundärstrahlentherapie. Seine experimentellen Untersuchungen über die Einwirkung der Sekundärstrahlen verschie- dener Metalle auf Bakterienkulturen brachten ihn zu dem Ergebnis, daß bei innigem Kontakt mit dem Gewebe eine erhebliche Wirkungssteigerung ausgeübt werden könne, die er auf die Fluoreszenzstrahlung, und zwar die weiche L-Strahlung zurückführt. Um die Metallstrahler in das Gewebe hineinzubringen, bedient er sich der Ionto-

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„horese. Ein mit 0,5% iger Protargollösung getränkter Verbandmull bildete den posi- tiven Pol und wurde 20—60 Minuten lang der Einwirkung eines galvanischen Stromes von 5—20 mA. ausgesetzt. Auf diese Weise gelang es, die Silberionen bis in 2 cm Gewebstiefe zu bringen. Bei der histologischen Untersuchung zeigten sich die Silber- partikelchen den Bindegewebszügen entlang angeordnet und in den Zellkernen. Die klinischen Erfolge in 24 Fällen von Lupus und 11 Fällen von Epitheliomen schienen dem Autor verheißungsvoll und veranlaßten ihn, in der eingeschlagenen Richtung weiterzuarbeiten. Eine wesentliche Rolle bei der Erklärung der günstigen Wirkung spielt die Vorstellung von der biologischen Verschiedenwertigkeit von Strahlen verschiedener Wellenlänge. Weitere klinische Versuche betrafen das Trachom und die Sykosis, wobei stets die Sekundärstrahler mittels Iontophorese ins Gewebe gebracht wurden. Die Beobachtung, daß es auf diesem Wege gelang, Mengen bis zu 7 Erythemdosen auf die Haut zu applizieren, ohne daß es zu einer Nekrotisierung des Gewebes gekommen wäre, beweisen nach Ghilarduceci, daß den weichen Sekundär- strahlen eine Sonderwirkung zukommt. Es wird ihnen eine besondere sklerosierende Wirkung zugesprochen, wie sie vorher von dem Autor an dem mit Wismut sensibili- sierten Kaninchenmagen studiert worden war. Nach der gleichen Methode von Ghi- larduceci, jedoch unter Benutzung von Quecksilber statt Silber zur Iontophorese hat Piccaluga eine größere Anzahl von Fällen von Hämorrhoiden behandelt. Die Röntgen- behandlung geschah mit zinkgefilterter Strahlung in einer Dosis von 40—60 % H.E.D. Endlich ist in diesem Zusammenhange die Methode der Verkupferung von Wintz zu erwähnen. Auf Grund ausgiebiger Versuche mit L. Seitz, die bis zum Jahre 1913 zurückgehen, ist Wintz seit 1921 dazu übergegangen, alle Fälle von Uteruskarzinom mit der „Verkupferung‘ zu behandeln. Es werden bei diesem Verfahren ähnlich wie bei Ghilarducci mit Hilfe eines elektrischen Schwachstrumes, also auf elektrolytischem und kataphoretischem Wege, von einer in die Scheide eingeführten Anode aus Kupfer- kationen in den karzinomatösen Tumor und seine Umgebung gebracht. Eine röhren- förmige, an ihrem Ende gießkannenförmig ausgebildete Kupferröhre von ca. 1cm Durchmesser ist auf die Länge von 4—6cm frei, der übrige Teil durch Hartgummi- überzug geschützt. Durch Umwicklung mit Zellstoff und Gaze entsteht eine Schwamm- elektrode, die, um Verbrennungen der Schleimhaut zu vermeiden, der Scheide fest anliegen muß. Durch einen mit der Kupferröhre verbundenen Irrigator wırd verdünnte Kupferselenlösung in einer Menge von 15—20 Tropfen in der Minute zugeführt, soviel, daß die Tamponade gut durchfeuchtet ist, aber keine Flüssigkeit aus der Vagina heraus- läuft. Eine kochsalzgetränkte Kompresse von 30x 40 cm auf das Abdomen oder den Rücken gelegt, bildet: die Kathode, die Stromquelle besteht aus einem Akkumulator von 3—4 Zellen. Es wird einschleichend der Strom bis auf 40—50 mA. gebracht und im ganzen die Verkupferung 250—300 mA.-Stunden durchgeführt. Untersuchungen ergaben, daß hierbei das Kupfer weit in das dem Tampon benachbarte Gewebe eindringt. Die Wirkung setzt sich nach Wintz zusammen aus der Sekundärstrahlenwirkung, einer desinfizierenden und einer oligodynamischen Wirkung. Die Empfindlich- keit des Karzinomgewebes wird auf diese Weise um 20%, gesteigert, die Rückbildung der Tumoren erfolgt etwa doppelt so rasch. Nur bei Überdosierung besteht die Gefahr der Nekrosenbildung in der Nähe der Anode und einer Nierenschädigung, falls dieses Organ vor Einleitung der Behandlung nicht intakt war.

Fassen wir die geschilderten klinischen Versuche mit Metallen als Sekundärstralilen zusammen, so lassen sich verschiedene Tendenzen unterscheiden, welche die einzelnen Autoren zu ihrer Anwendung veranlaßt haben. Ein Teil der Autoren stellt die pharmako- dynamischen Wirkungen der angewandten Metalle und Metallverbindungen in den Vor-

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dergrund oder weist ihnen doch einen wichtigen Anteil an dem Zustandekommen der Gesamtwirkung zu. Bei einzelnen Autoren, wie Ghilarducci, bildete den Ausgangs- punkt ihres Handelns der Gesichtspunkt, durch die Erzeugung der Sekundärstrahlen mit der Wirkungssteigerung zugleich eine qualitativ anderswertige und vielleicht höher- wertige Strahlung zu erzeugen. Allen genannten Autoren gemeinsam ist schließlich der Gesichtspunkt, durch die rein physikalischen Bedingungen der Absorptionsvermeh- rung und Sekundärstrahlenerzeugung in Metallen und Metallsalzen günstigere Verhält- nisse für die Strahlenwirkung zu schaffen. Die Auffassungen über das Ausmaß der zu erreichenden Wirkungssteigerungen, den Modus der Wirksamkeit, die Rolle der sekun- dären Fluoreszenz- und Elektronenstrahlung oder nur der Absorption gehen allerdings weit auseinander.

Offenbar können die klinischen Beobachtungen am Krankenbett in ihrer Vieldeutig- keit allein darauf die Antwort nicht geben. Von einer Reihe von Autoren wurde denn auch. um tiefer in den Wirkungsmechanismus und die Wirkungsmöglichkeiten der Sekundär- strahlensensibilisierung einzudringen, das Tierexperiment und der Laboratoriumsversuch zu Rate gezogen. Eine kritische Würdigung des hier gesammelten experimentellen Versuchsmaterials und seiner Ergebnisse ist jedoch nur unter weitgehender Berücksich- tigung der physikalischen Vorgänge der Strahlenabsorption und Sekundär- strahlenbildung unter den verschiedenen in der Sekundärstrahlentherapie verwirk- lichten Fällen möglich, die daher im folgenden zunächst gegeben werden soll.

II. Die physikalischen Grundlagen der Strahlentherapie.

A. Die Absorption und charakteristische Strahlung.

Die Möglichkeit der physikalischen Sensibilisierung ist durch die Tatsache gegeben, daß bei der Schwächung der Intensität von Röntgenstrahlen in einer materiellen Schicht ein Teil der aufgenommenen Röntgenstrahlenenergie wieder in Strahlung umgewandelt wird und diese sich zu der Primärstrahlung hinzuaddieren kann. Der Umstand, daß die Sekundärstrahlung in der Regel weicher, d. h. stärker absorbierbar als die Primär- strahlung ist, hat zur Folge, daß die von dem Sekundärstrahler ausgehende, bei der Absorption entstehende Strahlung in seiner näheren Umgebung besonders wirksam werden muß.

Bekanntlich wird eine Röntgenstrahlung bei ihrem Durchgang durch eine materielle Schicht in ihrer Intensitat durch Absorption gemindert, wobei ein Teil der absorbierten Strahlung in andere Energieformen überführt wird. Eine weitere Abnahme der Primär- intensität beruht auf dem Vorgange der Streuung, d. h. der Eigenschaft der Materie, einen Teil der durchfallenden Röntgenstrahlen aus der Primärrichtung in eine andere Richtung abzulenken. Wenigstens bestand bis vor kurzer Zeit die Annahme, daß hierbei eine Energietransformation nicht stattfinde. sondern daß die gestreute Röntgen- energie nur in ihrer Strahlrichtung verändert werde. Wie wir noch sehen werden, läßt sich diese Auffassung heute nicht mehr aufrechterhalten (vgl. S. 409).

Die Stärke der Absorption ist in weitem Maße von der Natur derabsorbierenden Substanz und von der Qualität der durchfallenden Strahlen abhängig. Was die Materialabhängigkeit anbetrifft, so weiß man seit langem, daß nicht das chemische Verhalten von irgendeinem Einfluß ist, sondern nur die Elemente, aus denen sich der absorbierende Körper zusammensetzt, und zwar ist es, wie bei vielen auf die Atome zu be- ziehenden Eigenschaften, die Ordnungszahl des betreffenden Elementes, von der die

Absorption und Absorptionssprünge 399

Stärke seiner Absorption abhängt. In Verbindungen gehorcht die Absorption einem einfachen Additionsgesetz. Seitdem uns die Röntgenspektroskopie mit spektral zer- legten, homogenen Röntgenstrahlen zu arbeiten erlaubt, ist das Suchen nach dem Gesetz, das die Abhängigkeit der Absorptionsgröße von der Ordnungszahl des absorbie- renden Elementes und der Wellenlänge beherrscht, besonders in Amerika Gegenstand zahlreicher Untersuchungen gewesen (Richtmyer, Hewlett, Richtmyer und Grant, Richtmyer und Warbuton, Duane und Mazumder, Allen, Wingårdh). Die Arbeiten der letzten Jahre ergeben übereinstimmend, daß die Absorption eines Atoms nahezu mit der vierten Potenz, die Absorption pro Masseneinheit nahezu mit der dritten Potenz der Ordnungszahl anwächst und angenähert mit der dritten Potenz der Wellenlänge zunimmt. Diese Gesetzmäßigkeit gilt jedoch für jedes einzelne Element nur innerhalb bestimmter Grenzen. Betrachtet man das absorptive Verhalten der be- treffenden Substanz, indem man sie nach und nach mit Strahlen immer kürzerer Wellen- länge bestrahlt, so nimmt die Absorption zunächst mit der dritten Potenz der Wellen- länge ab, bei bestimmten, für jeden untersuchten Körper ganz charakteristischen Wellen- längen treten sprunghafte Änderungen der Absorption, sog. „Absorptionssprünge“ auf, an denen die Absorption plötzlich auf das Mehrfache des ursprünglichen Wertes ansteigt. Mit der vermehrten Absorption in kausalem Zusammenhange steht die Fähig- keit der Elemente, eine für jedes Element charakteristische Fluoreszenzstrahlung auszusenden. Im ganzen sind 4 derartige Absorptionssprünge und ebenso 4 Gruppen von charakteristischen Fluoreszenzstrahlen vorhanden, die als K-, L-, M- und N-Ab- sorption bzw. Emission bezeichnet werden; allerdings sind bisher erst 3 Absorptions- sprünge gemessen worden und nur bei den hochatomigen Elementen, Wismut, Thorium und Uran, sind alle 3 Absorptionssprünge, nämlich der K-, L- und M-Absorptions- sprung, bekannt. Geht man in der Elementenreihe weiter nach abwärts, so rücken die Absorptionsgrenzen immer mehr ins langwellige Gebiet. Es beruht hauptsächlich auf Schwierigkeiten experimenteller Art, daß bei den Elementen mit niedrigerer Ord- nungszahl als dem Wismut bisher nur 2 Absorptionssprünge und unterhalb vom Silber nur noch 1 Absorptionssprung gemessen sind. Größer ist der Umfang, in dem die charakteristischen Emissionsspektren direkt gemessen sind, was in erster Linie mit günstigeren technischen Bedingungen für ihren Nachweis zusammenhängt. Hier kennen wir bei den schwersten Elementen vom Wismut an sogar die sämtlichen 4 Emissions- gebiete der K-, L-, M- und N-Strahlung, von da bis zum Dysprosium (Ordnungszahl 66) nur noch 3, unterhalb vom Dysprosium nur 2 und vom Nickel (28) an nur noch 1 Eniis- sionsspektrum, das K-Emissionsspektrum. Dieses ist bisher bis zum Element mit der Stellezahl 11, dem Natrium in der Elementenreihe nach abwärts verfolgt. Wenn diese Angaben für das gesamte Gebiet aller bekannten Röntgenstrahlen gelten, so muß hinzu- gefügt werden, daß in dem Gebiete technisch verwendeter Röntgenstrahlen nur die K-Absorptionssprünge der Elemente mit mittlerem und hohem Atomgewicht und die L-Absorptions- und Emissionsspektren der Elemente mit hohem Atomgewicht in Be- tracht kommen.

Die Begründung für dieses eigentümliche Verhalten der Elemente bei der Absorp- tion und der Zusammenhang zwischen Steigerung der Absorption und Ausdehnung der charakteristischen Fluoreszenzstrahlung findet seine Erklärung in den inneratomaren Vorgängen bei der Absorption. Bekanntlich besitzt jedes Element eine seiner Ordnungs- zahl entsprechende Anzahl von Elektronen in seiner Peripherie, die in bestimmten Gruppen (Atomschalen) zusammengeordnet sind, sich in verschiedenem Abstande vom Atomkern befinden und die insgesamt durch die positive Kernladung des betreffenden Atoms gerade abgesättigt werden. Je weiter peripher eine Elektronengruppe gelegen ist,

400 H. Holthusen

desto weniger fest ist ihre Bindung an den Kern, desto weniger Energie erfordert es, ein Elektron der Gruppe völlig vom Kern abzulösen. Die dem Kern zunächst liegende Elektronengruppe ist die K-Gruppe, dann folgen in größerer Entfernung vom Kern die L-Gruppe und weiter peripher die M- und N-Gruppe aufeinander. Bei den Ele- menten mit niedrigem Atomgewicht sind nur die K- und L-Gruppe mit Elektronen besetzt. Erst bei den Elementen mit höheren Ordnungszahlen reicht die in ihnen vor- handene Elektronenzahl aus, um auch die äußeren Atomschalen mit Elektronen zu besetzen. Wenn Atome von Strahlung getroffen werden, so wird ein Teil der in der Strahlung enthaltenen Energie dazu verwandt, um Elektronen vom Kern abzulösen, sie entweder völlig aus der Kernwirkungssphäre zu entfernen oder wenigstens auf eine äußere, vom Kern weiter entfernte, nicht von Elektronen besetzte Bahn zu bringen. Ablösung vom Kern bedeutet Arbeitsleistung gegen die Anziehungskräfte, die vom posi- tiven Kraftfelde des Atomkernes ausgeübt werden. Der hierzu nötige Energieaufwand wird aus der Strahlung entnommen. In der Umsetzung von Strahlungsenergie in Elektronenenergie besteht der primäre Absorptionsvorgang der Strah- lung. Denken wir uns ein bestimmtes Atom, sagen wir Platin, in dem K-, L-, M- und N-Ring mit Elektronen besetzt sind, mit immer festerer Bindung der Elektronen an den Kern, je näher wir dem Atomkern kommen, mit der festesten Bindung also in dem kern- nächsten K-Ring, und fragen wir uns, was geschieht, wenn es von einer Röntgenstrah- lung mittlerer Wellenlänge getroffen wird, fragen wir uns vor allem, bis zu welcher Tiefe die Strahlung in das Atom hineindringt, welche von den energetisch verschiedenwertigen Atomschalen durch die Strahlung beeinflußt wird. Der nächstliegende Gedanke wäre der, daß hierfür die Intensität der Strahlung maßgebend ist. Es hat sich aber gezeigt, daß nur die Wellenlänge der Strahlung darüber entscheidet, in welchem Grade ein bestimmtes Atom von ihr beeinflußt werden kann. Die Wirksamkeit einer Strahlung wird in qualitativer Hinsicht bestimmt durch die Energieelemente, in welche die Strahlung unterteilt ist. Ihre Größe ist ausschließlich von der Wellenlänge der Strah- lung bzw. ihrem reziproken Werte der Schwingungszahl in der Weise abhängig, daß das für jede Wellenlänge charakteristische Energieelement, ihrer Schwingungszahl v multipliziert mit der universellen Planckschen Wirkungskonstante h (h = 6,55 x 107% erg. pro sec.) proportional ist. Die Schwingungszahl v ist dabei der Wellenlänge A indirekt, der Lichtgeschwindigkeit e direkt proportional: v = c/A.

Bei einer bestimmten Wellenlänge oder, was das gleiche ist, bei einer bestimmten Größe des Energieelementes h - v der auf das Atom wirkenden Röntgenstrahlung können alle die Elektronen beeinflußt, d. h. auf höhere Bahnen gehoben oder gar vollständig aus dem Wirkungsbereich des Kernkraftfeldes entfernt werden, für welche die Abtren- nungsarbeit kleiner ist als die Energie des Quantums h'v. Als Abtrennungsarbeit bezeichnet man den Energiebetrag, der notwendig ist, um ein Elektron aus der Anziehungs- sphäre des Atomkernes, an den es im Normalzustande gebunden ist, völlig zu entfernen. Gehen wir zu kürzeren Wellenlängen über, so wächst das Energicelement bh: v und bei einer ganz bestimmten Wellenlänge wird es so groß, daß es nunmehr eine neue, fester an den Kern gebundene Elektronengruppe ebenfalls beeinflussen kann. Von dieser Wellenlänge an beteiligt sich plötzlich eine größere Zahl Elektronen des Atoms als bisher an dem Absorptionsvorgang, die Absorption wächst sprunghaft. Jeder Absorp- tionssprung eines Elementes bezeichnet die Stelle, an der sich eine neue Elektronengruppe an der Absorption beteiligt. Der Zusammenhang zwischen Absorption und Aussendung der charakteristischen Strahlung ist in folgendem gegeben: ein durch Strahlung beein- flußtes Atom, in dem entweder Elektronen die ihnen mit der Strahlung zugeführte Energie dazu benutzt haben, um auf äußere Bahnen zu springen, oder das Atom voll-

Beziehung zwischen Atombau und Eigenstrahlung 401

ständig verlassen haben, enthält in diesem sog. ‚angeregten‘ Zustande einen Überschuß an Energie, der wieder frei wird, wenn die leergewordenen Plätze in dem Elektronen- gefüge des Atoms von irgendwelchen in der Umgebung der Atome stets vorhandenen Elektronen wieder besetzt werden. Bei diesem Vorgange der Elektronenrückkehr wird gerade soviel Energie gewonnen, wie vorher aufgewendet worden ist, um das Atom anzuregen, und diese Energie wird als Strahlung nach außen abgegeben. Die Wellen- länge der ausgesendeten Eigen- oder Fluoreszenzstrahlung richtet sich nach den Energie- verhältnissen in dem Gefüge des betreffenden Atoms, und zwar ist sie, da v = c/X und die gewonnene Energie in ein Energiequantum von der Größe E = hv umgewandelt wird, c'h Bon (1) d. h. um so kleiner, je fester das strahlende Elektron an den Kern gebunden ist. Was nun die Größe der Energieelemente einer Wellenstrahlung im Verhältnis zur Größe der Abtrennungsarbeiten der Elektronen betrifft, so läßt sich darüber folgendes sagen: beim sichtbaren Licht reichen die Energieelemente im allgemeinen nicht aus, um Elektronen völlig aus der Wirkungssphäre der Kerne zu entfernen (Ausnahmen bilden z. B. die Kaliumzelle). Nur Elektronenverschiebungen auf den äußersten Bahnen kommen vor, und die bei der Rückkehr der Elektronen in den Normalzustand ge- wonnene Energie wird als Fluoreszenzstrahlung sichtbaren Lichtes nach außen ab- gegeben. Die Wellenstrahlen des sichtbaren Lichtes vermögen nur die Peripherie der Atome zu beeinflussen. Da ihre Konfiguration in Verbindungen verschiedener Atome, d. h. in Molekülen, mannigfachen Veränderungen ausgesetzt ist, so ist das Verhalten der Materie gegen Licht von der molekularen Zusammensetzung der ab- sorbierenden Substanzen abhängig, eine Eigenschaft der Moleküle. Gehen wir zum Ultraviolett über, so reichen die Energieelemente in der Regel aus, um die Elektronen völlig aus der Kernwirkungssphäre zu entfernen, sie treten als freie Elektronen auf und lassen sich bei geeigneter Versuchsanordnung als solche nach- weisen (lichtelektrischer Effekt). Erst bei den Röntgenstrahlen mit einer Wellen- länge, die mehrere tausend Mal kürzer ist und deren Energieelemente um ebenso- viel größer sind, hat die Energie der Quanten einen genügend großen Wert, um auch die inneren Elektronenschalen der Elemente mit höherer Ordnungszahl zu beein- flussen, und zwar Atome mit um so größerer Kernladung, je kleiner die Wellenlänge der Erregerstrahlung ist. Wir verstehen jetzt, warum die Absorption der Röntgenstrahlen, die sich an den inneren Elektronen der Atome abspielt, von der Konfiguration in der von der Strahlung getroffenen Moleküle unabhängig ist, warum die Absorp- tion der Röntgenstrahlen eine reine Atomfunktion ist, und wir sehen ein, daß die Grenze der Absorption für eine bestimmte Elektronenschale mit steigender Ordnungszahl immer kurzwelliger werden muß. Wir begreifen ferner, warum bei der Röntgenfluoreszenz die erregende Wellenlänge stets kurzwelliger sein muß als die aus- gesendete Fluoreszenzstrahlung; denn es kann nie mehr Energie bei der Rückkehr der Elektronen zum Atom gewonnen werden, als vorher zur Anregung der Atome aufgewendet wurde. In der Tabelle 1 sind für eine Reihe der wichtigsten Elemente die Wellenlängen angegeben, bei denen der Absorptionssprung des K-, L- und M-Niveaus eintritt, und ferner die Wellenlängen der wichtigsten Emissionslinien, bei der K-Emissionsserie der K,- Linie, bei der L-Emission, die eine erhebliche spektrale Ausdehnung hat, der Linien «, und ry, Auf die Wiedergabe der M- und N-Emissionslinien ist verzichtet, weil ihnen für die Praxis keinerlei Bedeutung zukommt. Die Wellenlängenzahlen, auf 3 Stellen

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 26

402 H. Holthusen

abgerundet, sind den Tabellen von Siegbahn entnommen. Die Regelmäßigkeit des Weiterrückens der Absorptionskante bzw. der Emissionslinien nach der Seite kleinerer Wellenlängen in jeder Reihe ist nur der Ausdruck dafür, daß die Energieverhält- nisse der inneren Elektronen im Atom ausschließlich von der Kernladung beherrscht werden.

Was die absolute Größe der Absorption in Abhängigkeit von Material und Wellen- länge und die Größe des Absorptionssprunges anbetrifft, so wird als Maßstab für sie all- gemein ein Absorptionskoeffizient durch die zahlenmäßige Angabe des Betrages der Einfallstrahlung definiert, der in der Einheit der Schichtdicke unter der Voraus- setzung zur Absorption gelangen würde, daß von einer Schwächung der Strahlung innerhalb der Schicht abgesehen werden könnte. Dividiert man diese Größe, für deren Bezeichnung allgemein der Buchstabe u eingeführt ist, durch das spezifische Gewicht der betreffenden Substanz, so erhält man den Massenabsorptionskoeffizienten w/p.

Tabelle 1.

Wellenlängen der K-, L,- und M,-Absorptionsgrenzen und der K- und L-Emission.

Element Lyı 12 Mg 9,51 9,87 13 Al 7,94 8,32 15 P 5,76 6,14 16 S 5,01 5,36 19 K 3,43 3,73 20 Ca 3,06 3,35 24 Cr 2,07 2,28 25 Mn 1,89 2,10 26 Fe 1,74 1,93 29 Cu 1,38 1,54 13,3 30 Zn 1,30 1,43 12,2 33 As 1,04 1,17 9,65 34 Se 1,00 1,10 8,97 35 Br 0,917 1,04 8,36 38 Sr 0,770 0,873 6,85 42 Mo 0,618 0,708 5,39 4,71 47 Ag 0,484 3,68 0,558 4,15 3,51 50 Sn 0,422 0,489 3,59 2,99 53 J 0,371 2,71 3,14 2,58 56 Ba 0,331 2,36 2,77 2,24 74 W 0,178 1,21 0,209 1,47 1,10 78 Pt 0,158 1,07 0.185 1,31 0,955 79 Au 0,152 1,04 1.27 0,924 80 Hg 0,148 1,01 1,24 0,893 82 Pb 0,138 0,97 1,17 0,837 83 Bi 0,135 0,921 4,76 1,14 0,811 90 Th 0,113 0,758 3,72 0,953 0,651 92 U 0,107 0,720 3,49 0,154 0,908 0,613

Das grundlegende Absorptionsgesetz, für dessen Ableitung auf die Lehrbücher der Physik und Röntgenkunde verwiesen werden muß, lautet für eine homogene Strahlung:

Lehena (2)

wo I, die Intensität der Strahlung an der Oberfläche, I die Intensität der Strahlung in der Tiefe d, u der Absorptionskoeffizient und e die Basis des natürlichen Logarithmus ist.

Absorptionsgrenzen und Absorptionsgesetze 403

Was die Streuung anbetrifft, durch die, wie wir gesehen haben, die Primärstrahlung abgesehen von der eigentlichen Absorption beim Durchgang durch eine Substanzschicht geschwächt wird, so kann man in analoger Weise wie den Massenabsorptionskoeffizienten u einen Streuungskoeffizienten s bzw. einen Massenstreuungskoeffizienten s/p definieren. Nach der von Allen kürzlich auf Grund ausgedehnter Messungen im Wellenlängengebiet 1,0—0,51 å.E. aufgestellten allgemeinen Formel ist:

w/p = C-A". NP + s/p (3)

In dieser Formel bedeutet A die Wellenlänge, N die Ordnungszahl des betreffenden Elementes; n ist = 2,92; p ebenfalls = 2,92; C eine Konstante, die einen verschiedenen Wert annimmt, je nachdem, ob es sich um eine Primärstrahlung handelt, die weicher oder härter ist als die K-Erregungsgrenze. Auf der längerwelligen Seite der K-Erregungs- grenze bezeichnen wir sie als C, jenseits des Absorptionssprunges als C,. In der Tabelle 2

Tabelle 2. Absorptionsformeln, hergeleitet aus Messungen mit spektral zerlegten Röntgenstrahlen.

Wellenlängen- Autor bereich AR

Jahr Material Allgemeine Formel

Richtmyer und 0,08—0,48 Aluminium, Kupfer, Wasser | u/p = 6,58 x 10 N’ x +

u/p = CX? N” + o/p o/p = 0-14 bis 0-7

Grant + 0,155 1921 | Richtmyer 0.17—0,8 | Aluminium, Molybdän, Sil- | u/p = [KR] + [LA] + ber, Blei D R op 1921 | Richtmyer 0,093— 0,95 Wasser, Aluminium, Kup- | ua = 22,9 x 107 N‘ SC fer, Molybdän, Silber, Loo Blei Ua = Atomabsorption 1923 | Richtmyer u. | unterhalb der K- | Kobalt, Nickel, Eisen, |ua = 22,4 x + Warburton Absorptions- Kupfer + ou grenze 1923 | Windgärdh 0,156—0,254 | Aluminium, Kobalt, Kup- 3 2288 fer, Zink, Silber, Zinn (pl ON +k; C= Aas 1924 | Allen 0,1—0,51 Kohlenstoff, Magnesium, in der Atomform: Aluminium, Schwefel, GAN NP TEE Eisen, Nickel, Zink, Sil-| P Br ber, Zinn, Wolfram, Pla- Ck = 2,19 x 10 tin, Gold, Blei, Wismut n = 2,92 p=4 als Massenabsorptions- | gesetz: | |

—3

Ch=1x10 | Ck = 7,85 bis3.3 x 10° n = 2,92 | p = 2,92

sind die Resultate neuerer Absorptionsmessungen mit spektral zerlegten Röntgenstrahlen zusammengestellt und jedesmal angegeben, für welchen Wellenlängenbereich die Unter- suchung stattgefunden hat. Es geht daraus hervor, in welchen Grenzen die vorliegenden allgemeinen Formeln bereits als endgültig angesehen werden können. 5

SO?

494 H. Holthusen

Über die Größe des Absorptionssprunges sind wir bei den Elementen mittleren Atomgewichtes schon seit den klassischen Untersuchungen von Barkla und Sadler ziemlich genau orientiert. Die neueren Messungen mit spektral zerlegtem Licht haben sie im wesentlichen bestätigt. In der Formel von Allen bringt offenbar der Unterschied zwischen C; und Cęą zum Ausdruck, auf das Wievielfache des Betrages vor dem Absorptionssprung die Absorption an der Erregungsgrenze der K-Strahlung ansteigt. Nach Allen erhöht sich die Absorption an der K-Absorptionsgrenze bei den Elementen mit mittlerem Atomgewicht (Silber) auf etwa den 7fachen Wert und fällt bis zum Wismut auf 3,3. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß das Hinzukommen von nur 2 Elektronen, nämlich der beiden Elektronen des K-Ringes, die Absorption auf den mehrfachen Wert steigert, obwohl diese beiden hinzukommenden Elektronen doch bei den höheratomigen Elementen nur einen winzigen Bruchteil aller Atomelektronen ausmachen. Zu einer Erklärung dieses Verhaltens fehlen uns noch die Unterlagen, aber vielleicht hängt es damit zusammen, daß die beiden K-Elektronen bei steigender Ordnungszahl relativ immer weniger im Verhältnis zur Gesamtzahl der Atomelek- tronen ausmachen, wenn der K-Absorptionssprung mit steigendem Atomgewicht immer kleiner wird.

Über die absolute Größe der charakteristischen Sekundärstrahlenemission besitzen wir nur ein verhältnismäßig dürftiges experimentelles Material, das nach mehrfacher Richtung begrenzt ist. Einmal betrifft es nur die Sekundärstrahlung von Metallen mit mittlerem Atomgewicht (Chromsilber), und zweitens stammen die vorhandenen Zahlen aus der Zeit, in der man noch nicht mit spektral zerlegter Röntgenstrahlung arbeitete. In Betracht kommen die Arbeiten englischer Autoren, von Barkla und Sadler, Bragg und Porter und Whiddington. Sadler war es insbesondere, der für eine Reihe von Metallen die Emissionsstärke charakteristischer Sekundärstrahlung bestimmte, falls sie von der Röntgenfluoreszenzstrahlung eines zweiten höheratomigen Metalles getroffen wurde und eine Reihe von Zahlenwerten gewann, aus denen neben der Abhängigkeit der maximal emittierten Sekundärstrahlung von dem Atomgewicht des Strahlers auch besonders die Abhängigkeit der Intensität der charakteristischen Sekundärstrahlung von der Qualität der erregenden Röntgenstrahlung hervorging. Barkla und Sadler definierten einen Emissionskoeffizienten K einer Substanz in der gleichen Weise wie den Absorptionskoeffizienten u als den Bruchteil der auffallenden Strahlung, der von der Einheit der Schichtdicke unter der Voraussetzung in Sekundärstrahlung um- gesetzt wird, daß eine Intensitätsverminderung innerhalb der Schicht nicht stattfindet. In den insbesondere von Sadler gefundenen Werten von K und ihrer Abhängigkeit von der Härte der erregenden Röntgenstrahlung einerseits und von der Natur des Se- kundärstrahlers anderseits erkannte Glocker unter Berücksichtigung der inzwischen gemessenen Wellenlängen der charakteristishen Metallsekundärstrahlen einfache ge- setzliiche Zusammenhänge, die durch die beiden Formeln:

K,=3,3°p'2 (4) und K =K, LI | (5)

gegeben sind. In diesen Formeln bedeutet K, den Emissionskoeffizienten der charak- teristischen Sckundärstrahlung K an der Erregungsgrenze, p die Dichte des Sekundär- strahlers, Z die Ordnungszahl, A die Wellenlänge der Primärstrahlung, Ae die der Absorp- tionsbandkante.

Es ist also, zunächst in dem Intervall der Sekundärstrahler Chrom bis Kupfer,

Emissionskoeffizienten der Eigenstrahlung 405

deren Werte Glocker bei seiner Rechnung zugrunde legen konnte, K,, das Maximum des Emissionskoeffizienten K in einem Volumenelement des sekundärstrahlenspenden- den Metalles, dessen Ordnungszahl und außerdem seiner Dichte proportional. Und ebenso nimmt der Emissionskoeffizient rasch von seinem Maximum ab, wenn die Wellenlänge der erregenden Strahlung sich von der Wellenlänge der Absorptionsbandkante entfernt.

Mehr als der Emissionskoeffizient K und sein Maximum an der Absorptionskante RK, interessiert uns der Prozentsatz der in dem Sekundärstrahler absorbierten Primär- strahlung, der in charakteristische Sekundärstrahlung umgesetzt wird. Über diese Größe, die wir k nennen wollen, liegen nur einige Angaben von Bragg und Porter für wenige Metalle vor, aus denen hervorgeht, daß etwa 20—35% der Primärstrahlung in Sekundärstrahlung umgewandelt wird, und zwar ein mit der Atomzahl des Sekundär- strahlers steigender Prozentsatz (Tabelle 3).

Tabelle 3. Emissionskoeffizienten k der prozentischen Sekundärstrahlenemission einiger Metalle nach Bragg und Porter.

S Erregende Strahlen sind K-Strahlen von Ordnungszahl | Sekundärstrahler

Zink Arsen Zinn 13 Aluminium = 26 Eisen 0,135 0,200 0,155 28 Nickel 0,132 0,293 0,262 29 Kupfer 0,340 0,313 30 Zink 0,371 0,356 50 Zinn Wellenlängen K4 der Erregerstrahlen l sind: 1,43 Ä.E. | 1,17 A.E. 0.49 A.E.

Man könnte den Prozentsatz der in Sekundärstrahlung umgewandelten Primär: strahlung auch auf einem anderen Wege berechnen, nämlich unter der Voraussetzung der Gültigkeit der Gleichung (4) und Division des aus ihr berechneten Wertes durch den Absorptionskoeffizienten der Primärstrahlung im Sekundärstrahler. Handelt es sich doch bei der prozentischen Absorption um das Verhältnis von Emission und Absorp- tion, und diese beiden Größen werden durch K, resp. u in analoger Weise dargestellt. Leider führt die Glockersche Formel, wenn man sie extrapoliert, bei den schwer- atomigen Elementen zu Werten von K, die größer werden, als der Absorptions- koeffizient der Primärstrahlung an der Absorptionsbandkante. Glocker selbst be- zweifelt denn auch schon, ohne allerdings gerade auf diesen Zusammenhang hinzuweisen, ob seine Formel überhaupt eine Extrapolation verträgt. Kossel hält die Gültigkeit der beiden Glockerschen Formeln für den Gang des Emissionskoeffizienten mit der Ordnungszahl des Sekundärstrahlers und mit der Wellenlänge der Primärstrahlung ebenfalls für zweifelhaft, und zwar auf Grund einer Kritik der Sadlerschen Werte für K und K4, bzw. der Rechnungen, die Sadler anstellte, um sie aus seinen Messungen herzuleiten. In einer neueren Arbeit kommt er, von theoretischen Erwägungen ausgehend, zu dem Resultat, daß das Umsetzungsverhältnis von primärer in sekundäre Fluoreszenz- strahlung an der Erregungsgrenze gleich, oder nahezu gleich 1 ist.

Kossel geht von quantentheoretischen Erwägungen aus, und zwar von der Vorstellung, daß jedes Quant bei seiner Absorption höchstens die Veranlassung eines Sekundärstrahles werden kann. In einer gegebenen Schicht des Sekundärstrahlers werden pro Oberflächeneinheit von der Primärstrahlung absorbiert: N Quanten von der Energie Eù.

406 H. Holthusen

Ep= N rh: ve

wo E, die absorbierte Energie der Primärstrahlung bezeichnet, v, die Frequenz der Primärstrahlung ist. Von diesen Quanten werden bei der Primärstrahlung vp der Bruchteil u also im ganzen ou: N Quanten in Sekundärstrahlung von der Energie E, = u:'N-h-v, umgesetzt.

Um die Größe u zu bestimmen, benutzt Kossel ebenso wie Glocker die Sadler- schen Zahlen für den Emissionskoeffizienten. Er berücksichtigt aber die zuerst von Holthusen für die Energieberechnung aus lonisationsmessungen herangezogene Ab- hängigkeit der Trägerbildung von der Wellenlänge (Geschwindigkeit der ausgelösten Primärelektronen) nach den Tabellen von Lenard und zeigt, daß mit dieser Korrektur die Sadlerschen Messungen eine Unabhängigkeit der Größe K von der Wellenlänge beweisen. Er hält es für möglich, daß u = 1 ist, d. h. daß jedes primäre Absorp- tionsereignis jenseits der Absorptionsbandkante Anlaß für die Emission eines Sekundärstrahles wird, obgleich auch denkbar ist, daß die Energie eines Teiles der N angeregten Atome des Sekundärstrahlers nicht in Form von Wellenstrahlung, sondern (nach einem zuerst von Rosseland beschriebenen Mechanismus) als Elektronenenergie abgegeben wird. Hierfür würde sprechen, daß mit der charakteristischen Fluoreszenz- strahlung, wie wir seit Dorn wissen, das Auftreten von Elektronenbildung vergesell- schaftet ist. Neueste exakte Versuche von Barkla und Dallas zeigen jedoch, daß an der Absorptionsbandkante höchstens 7 % der mehr absorbierten Energie in Form von Elektronenstrahlung erscheinen. Sind diese Messungen zuverlässig, so würden sie besagen, daß weitaus der größte Teil der mehrabsorbierten Energie an der Erregungs- grenze der Fluoreszenzstrahlung in sekundäre Wellenstrahlung übergeführt wird, urd damit würde die Kosselsche Vermutung, daß u nahezu gleich 1 ist, eine gewichtige Stütze erfahren. Kossel bezweifelt, daß u irgendwie vom Material des Sekundärstrahlers abhängt und stellt deswegen, wie schon erwähnt, die Allgemeingültigkeit der Glocker- schen Formel (4) in Frage. Ebensowenig liegt Grund für die Annahme einer Abhängig- keit des Faktors u von der Wellenlänge der Primärstrahlung vor, denn wie Kossel mit Recht ausführt, ist die Frage, wieviel Prozent der insgesamt im K-Ring angeregten Atome ihre Energie in Form von Strahlung emittieren, wieviele sie als Energie bewegter Elektronen wieder aussenden, unabhängig von der Art (Wellenlänge) der erregenden Strahlung. Damit würde aber auch die Glockersche Gleichung (5) hinfällig.

Etwas anderes ist es allerdings, wenn wir eine Energiebilanz über den Prozentsatz der absorbierten Primärstrahlung aufstellen, der als Seckundärstrahlung wiedererscheint. Zunächst kann man davon ausgehen, daß an der Absorptionsgrenze nur der Zuwachs an Absorption in charakteristische Sekundärstrahlung umgesetzt wird. Steigt also die Absorption auf den siebenfachen Wert, so ist anzunehmen, daß an der Absorptions- grenze ®/, der Primärstrahlung im K-Ring, !/, von den übrigen Elektronen aufgenommen werden. Ob dieses Verhältnis beim Übergang zu kürzeren Wellenlängen der Erreger- strahlung das gleiche bleibt, ist nicht sicher. Es wäre denkbar, daß die Wahrscheinlich- keit dafür, wieviel Prozente der gesamten absorbierten Strahlung von den Elektronen des K-Ringes aufgenommen werden, an der Erregungsgrenze ein Maximum hätte. Darüber wissen wir nichts. Aber die Abnahme des Absorptionssprunges mit steigender Ordnungszahl zeigt soviel, daß die prozentische Sekundärstrahlenemission mit steigender Ordnungszahl langsam abnimmt. Was die Wellenlängenabhängigkeit der prozentischen Sekundärstrahlenemission anbetrifft, so haben wir nach der Quantentheorie davon aus- zugehen, daß ein absorbiertes primäres Quant auch nur ein Sekundärquant auslösen kann. Die Energie des Sekundärquants bleibt stets die gleiche, unabhängig davon, ob

Eigenstrahlung und Elektronenstrahlung als Summe des absorbierten Energieüberschusses 407

es durch ein Primärquant ausgelöst wurde, das an der Erregungsgrenze gerade etwas größer war als das Sekundärquant oder durch ein Primärquant von einer mehrere Oktaven größeren Schwingungszahl und einem dementsprechend um das Mehrfache größeren Energieinhalt. Infolgedessen muß sich mit abnehmender Wellenlänge der Pri- märstrahlung über die Erregungsgrenze hinaus die Energieausbeute in der Sekundär- strahlung immer ungünstiger gestalten, und zwar im Verhältnis der Wellenlängen der Primärstrahlung zu der der Sekundärstrahlung. Die Quantentheorie fordert, daß die emittierte Sekundärstrahlenenergie beim Übergang zu kürzeren Wellenlängen von der

Erregungsgrenze her im Verhältnis - "- abnimmt, wenn Ae die primäre Wellenlänge,

8 Ae die sekundäre Wellenlänge bezeichnet.

Das mechanische Bild, nach welchem wir uns mit Bohr den primären Wellen- strahlenabsorptionsvorgang vorstellen können, gibt uns auch die Antwort auf die sich hier stellende Frage nach dem Verbleib des absorbierten Energieüberschusses. Wir erinnern uns, daß bei jedem Absorptionsereignis ein Atomelektron ein volles Quant aufnimmt und dessen Energie dazu benutzt, um gegen die Anziehungskraft vom Atomkern her Arbeit zu leisten. Bisher hatten wir nur den Fall ins Auge gefaßt, daß die absorbierte Energie gerade ausreicht, um das keanspruchte Elektron auf eine äußere Bahn zu heben, oder gerade aus der Kernwirkungssphäre zu entfernen. Über- trifft die in dem absorbierten Quant enthaltene Energie die Abtrennungsarbeit, so teilt sie dem absorbierenden Elektron eine Bewegungsenergie E mit, die gleich der Quantenenergie h - v, vermindert um die Abtrennungsarbeit A ist:

E=h-'v-A (6)

Der Energieüberschuß erscheint in Form von Elektronenstrahlung. Daß die Elek- tronen, die aus den mit einer Primärröntgenstrahlung von der Frequenz v bestrahlten Atonıen herausgetrieben werden, dem oben angegebenen Gesetz entsprechende Ge- schwindigkeiten haben, konnten de Broglie und Widdington zeigen. Und zwar ergaben sich, je nachdem die cemittierten Elektronen aus dem K-, L- oder M-Niveau stammten, für die in ihnen enthaltene Energie die Formeln:

Ex=h'v— Ar E = h. y Ar, (4) Ey=h'v-— Ay

wo Ax, AL, A, die Abtrennungsarbeiten für die Elektronen des K-, L- und M-Niveaus bedeuten.

B. Die Elektronenstrahlung.

Die Betrachtung des Energieüberschusses bei der Umsetzung von absorbierter Primärstrahlung in Sekundärstrahlung zeigte uns den Ursprung der sekundären Elek- tronenstrahlung. Allgemein können wir also sagen, daß der Betrag der Primärstrahlung, der bei der Absorption in einer materiellen Schicht in Elektronenstrahlung umgesetzt wird, gleich ist der absorbierten Primärenergie abzüglich der Abtrennungsarbeit für die absorbierenden Atomelektronen. Bei Elementen mit niedrigem Atomgewicht ist die Abtrennungsarbeit, die zugleich den Anteil der gesamten absorbierten Energie darstellt, der in Fluoreszenzwellenstrahlung umgewandelt wird, stets gering gegenüber der ge- samten Energieabsorption. Bei den Elementen mit höherer Ordnungszahl und in der Nähe der Erregungsgrenzen für charakteristische Strahlen kann sie aber bedeutende Werte annehmen.

408 H. Holthusen

Wir wissen heute, daß der Energieüberschuß über die Abtrennungsarbeit bei der Primärstrahlenabsorption nicht die einzige Quelle für die Entstehung von Elektronen- strahlen ist, sondern haben seit einiger Zeit in den bei dem Vorgange der Streuung entstehenden sog. „Compton-Elektronen“ eine weitere Ursache für Elektronen- bildung kennengelernt. Es darf heute als sichergestellt gelten, daß die Streuung von Röntgenstrahlen ebenfalls quantenhaft, in abgeteilten Energieeinheiten h v erfolgt, daß bei einem Teil aller Streuvorgänge ein mit der Härte der Primärstrahlung wachsender Betrag von Primärstrahlung in Elektronenstrahlung übergeht und daß um ebensoviel das Quant der gestreuten Strahlung kleiner ist ala das der Primärstrahlung. Das heißt aber nichts anderes, als daß die Streustrahlung weicher ist als die Primärstrahlung, wie es durch Compton bei seinen Messungen gefunden wurde. Bothe hat die Compton- Elektronen mit der Wilsonschen Nebelmethode direkt nachweisen können. Aus seinen Messungen ging zugleich hervor, daß sie bei den in der Medizin verwendeten Röntgen- strahlengemischen eine verhältnismäßig geringe Rolle spielen, machten sie doch bei 86 Kilovolt erst 1 % der gesamten Jonisationswirkung aus. Mit abnehmender Wellen- länge wächst dieser Betrag rasch an: In einer neuerdings von Fricke und Glasser ausgeführten Bestimmung desjenigen Anteils der durch Röntgenstrahleu in Luft ver- ursachten Ionisation, der auf Rechnung der Compton- oder Rückstoßelektronen zu setzen ist, fand sich bei der Untersuchung mit spektral zerlegter Röntgenstrahlung ein Verhältnis der Ionisation durch Absorptionselektronen zu der lIonisation durch Rück- etoßelektronen (Streuelektronen), das bei A = 0,18 AE 0,28, also kaum !/, betrug, bei A = 0,115 AR auf weniger als La nämlich 0,094 absank. Da das Verhältnis von Streuung und Absorption im Wasser und damit auch im Gewebe ähnlich ist, wie in der Luft, so müßten die genannten Zahlen auch für den Körper zutreffen. Bei Radiuni- gummastrahlen beruht die Ionisacionswirkung wahrscheinlich so gut wie ausschließ- lich auf Compton-Elektronen.

Die Bedeutung der Elektronenstrahlung für die Sensibilisierung beruht darauf, daß sie außerordentlich absorbierbar ist und daß die bei jedem Absorptionsakt ausge- lösten „Primärelektronen‘‘, wie wir sie zum Unterschied von den ‚„Sekundärelektronen“ nennen, die sie selber auf ihrem Absorptionswege aus den Molekülen, mit denen sie zusammenstoßen, in Freiheit setzen, die gesamte Energie, die ihnen beim Absorptions- akte mit auf den Weg gegeben wurde, in der unmittelbaren Umgebung ihres Entstehungs- ortes erschöpfen. Je größer die von ihnen aufgenommene Energie, desto größer ist ihre Geschwindigkeit und desto größer der Weg, den sie bis zu ihrer völligen Erschöpfung zurücklegen. Anders als bei Röntgenstrahlen zeigt die Absorption der Elektronenstrahlen nicht den raschen Anstieg mit der Ordnungszahl des Absorbers, sondern ist der Masse proportional. Bezeichnen wir als „Wirkungsweite‘“ der Elektronenstrahlen den Weg,

Tabelle 4.

Wellenlänge Voltgeschwindigkeit Prozente der Wirkungsweite Å. E. der Kathodenstrahlen | Lichtgeschwindigkeit in Millimetern 1 1.2 x 10? 0.22

0,75 1,67 x 10% 0,25

0,5 2,5 x 10% 0,3 0,0103 mm 0.25 OU x 10% 0,41 0,049 ,

0,15 8,32 x 104 0,505 0.13

0.10 1.25 x 10° 0,6 0,29 Se

0,08 1,56 x 10° 0,65 0,47 ° ,„

0,06 2,08 x 10° 0,7 0,65

Elektronenstrahlung Streustrahlung 409

den sie zurücklegen, bis ihre Energie auf 1% gesunken ist, so können wir auf Grund der von Lenard gegebenen Daten berechnen, wie groß der Aktionsradius der zu bestimmten Röntgenstrahlen gehörigen Elektronenstrahlen im Gewebe ist, wenn wir annehmen, daß jedes Elektron den gesamten Betrag des Röntgenstrahlenenergiequantums aufgenommen hat (Tabelle 4). Bei Metallen als Sekundärstrahlenspendern ist nach den Gleichungen (7) allerdings der Energiebetrag der Abtrennungsarbeit in Abzug zu bringen. Aus der Tabelle 4 ersehen wir, daß selbst bei den härtesten Therapiestrahlen die Wirkungsweiten der Primärelektronen höchstens Bruchteile eines Millimeters betragen.

C. Die Streustrahlung.

Während bis vor kurzem als Charakteristikum des Streuvorganges der Röntgen- strahlen gerade die völlige Übereinstimmung der Wellenlänge der gestreuten Strahlung mit der Primärstrahlung gelten konnte, kann diese Charakterisierung des Streuvorganges heute keine Allgemeingültigkeit mehr beanspruchen. Denn wie berichtet, haben neuere Messungen ergeben, daß die Wellenlänge der Streustrahlen wenigstens bei großen Ab- lenkungswinkeln etwas größer ist als die der Primärstrahlen. Ist v, die Schwingungs- zahl der Primärstrahlung, v, die der Sekundärstrahlung und E die Energie, die von dem Elektron aufgenommen wird, an dem der Streuvorgang sich abspielt, und ihm einen Impuls mitteilt, so gilt: h- wy=h: y +E (8)

und es muß daher, wenn E einen endlichen Wert hat, v, kleiner sein als vp. Erfahrungs- gemäß sind vp und ve nur sehr wenig voneinander unterschieden. Dennoch kann die Summe der Vorgänge E merklich werden, da im Gewebe, wenigstens bei harten Strahlen, auf schr wenige Absorptionsvorgänge sehr viele Streuvorgänge kommen. Es ändert sich nämlich die Größe der Streuung, als deren Maß auf S. 403 der Streukoeffizient s bzw. der Massenstreukoeffizient s/p definiert wurde, mit der Härte nicht oder nur wenig, währerd die Absorption mit der dritten Potenz der Wellenlänge abnimmt. Auf diese Weise kommt es, daß im Gewebe bei Bestrahlung mit harten Therapiestrahlen auf 95% gestreuter Strahlung nur 5% absorbierte Strahlung kommen. Auch von der Natur des Strahlers ist die Größe des Streustrahlenkoeffizienten weitgehend unabhängig. Soweit die Messungen bisher als zuverlässig zu gelten heben (man darf nie vergessen, daß die Werte für s/p alle auf indirektem Wege gewonnen sind!) darf man sagen, daß der Massen- streukoeffizient bei den leichtatomigen Elementen bis zum Kupfer etwa 0,16 beträgt und weiter in der Elementenreilie im Vergleich zum Absorptionskoeffizienten nur wenig, nämlich bis etwa 0,5 ansteigt.

So groß die praktische Bedeutung der Streuung für die Intensitätsverteilung in der Strahlentherapie und so groß die theoretische Bedeutung der Comptonschen Streuelektronen (Rückstoßelektronen) ist, so spielen sie doch bei dem hier zur Er- örterung stehenden Problem der Sensibilisierung durch Sekundärstrahlen keine Rolle. Die Gründe dafür werden auseinanderzusetzen sein, wenn nunmehr dazu übergegangen wird, auf Grund der im vorhergehenden gegebenen physikalischen Grundlagen das Problem der Sekundärstrahlensensibilisierung von seiner theoretischen Seite her zu betrachten

IV. Die Theorie der Sekundärstrahlensensibilisierung.

Wie erwähnt, geht der Vorschlag. die bei der Absorption von Röntgenstrahlen entstehenden Sekundärstrahlen für die Röntgentherapie auszunutzen, von folgenden, zuerst von Barkla angestellten Erwägungen aus: Bei harten Röntgenstrahlen, deren Anwendung in der Tiefentherapie unumgänglich notwendig erscheint, wenn man einen

410 H. Holthusen

allzu großen Intensitätsverlust im Körperinnern vermeiden will, liegen die Verhältnisse für die Ausnutzung der Röntgenstrahlung wegen des sehr niedrigen Absorptionskoeffi- zienten des Gewebes recht ungünstig. Es müßte möglich sein, durch Hinzubringen von Körpern mit einer im Verhältnis zum Gewebe wesentlich stärkeren Absorp- tion, wenn die Zunahme der Absorption zugleich eine Vermehrung wirksamer Se- kundärstrahlung bedeutet, diese für das Gewebe nutzbar zu machen, und zwar würde hierfür sowohl die sekundäre Fluoreszenzstrahlung wie die Elektronenstrah- lung in Betracht kommen. Der Grad der Ausnutzung der Sekundärstrahlung müßte mit der Feinheit der Verteilung des Sekundärstrahlers im Gewebe zunehmen, weil mit zunehmender Aufteilung des Sekundärstrahlers ein wachsender Betrag der Sekundär- strahlung im Gewebe selbst wieder absorbiert wird. Die Wirkungssteigerung müßte um so größer ausfallen, als es Elemente gibt, welche die 30—50fache Absorption des Gewebes besitzen, so daß von ihnen auch dann noch eine sehr kräftige Sekundär- strahlenwirkung ausgehen müßte, wenn durch die Anwesenheit des Sekundärstrahlers im Gewebe die Absorption auf !/,, und weniger herabgemindert sein sollte.

Nach der Theorie von Barkla, die wir auch heute noch einer grundsätzlichen Be- trachtung der Vorgänge bei der physikalischen Sensibilisierung zugrunde legen können. ist die Voraussetzung für eine Wirkungssteigerung eine Vermehrung der Absorption. Daß es so sein muß, kann nach allgemeinen energetischen Prinzipien nicht zweifelhaft sein. Darum sind aber auch Wirkungssteigerungen nur durch die mit dem Vorgang der Absorption verknüpften Sekundärstrahlungen möglich, nicht dagegen durch die beim Streuungsvorgang etwa auftretenden Rückstoßelektronen. Denn nur die Absorption läßt sich durch Hinzufügen von Substanzen mit höherem Atomıgewicht günstiger ge- stalten, nicht dagegen die Streuung vermehren, da für sie die Verhältnisse im Gewebe am günstigestn liegen. Wohl nimmt der Streukoeffizient mit steigendem Atomgewicht etwas zu, jedoch in der ganzen Elementenreihe höchstens auf den dreifachen Wert. Sehr viel rascher wächst mit steigendem Atomgewicht die Absorption. Infolgedessen wird ein mit dem Atomgewicht wachsender Anteil der gebildeten Streustrahlung in dem betreffenden Sekundärstrahler selbst wieder absorbiert. Dieser, die Intensität der Streustrahlung vermindernde Effekt überkompensiert die geringe Zunahme des Streu- strahlenkoeffizienten mit der Ordnungszahl. Infolgedessen gilt der allgemeine Satz, daß die Streustrahlenemission eines Körpers um so größer ist, je niedriger sein Atom- gewicht. Rein theoretisch betrachtet würde sich allenfalls mit einer Substanz wie dem Paraffin, dessen Absorption noch geringer ist, als die des Gewebes, und bei welcher der reichliche Gehalt an Weasserstoffatomen eine besonders intensive Streuwirkung zur Folge hat, eine Wirkungssteigerung durch Streustrahlenvermehrung erzielen lassen. Doch kommt ein solches Vorgehen natürlich praktisch nicht in Frage.

Bei der Betrachtung der quantitativen Verhältnisse der Sekundärstrahlenwirkungen in den Anwendungsformen, die sich praktisch verwirklichen lassen, sind 2 Fälle zu unter- scheiden:

A. Es handelt sich um einen Sekundärstrahler von massiver Form;

B. der Sekundärstrahler findet sich fein verteilt im Gewebe.

Im ersten Falle sind zwei Unterabteilungen zu unterscheiden:

1. Der Sekundärstrahler befindet sich hinter der zu beeinflussenden Gewebsschicht. (Sekundärstrahlung der Inzidenzseite);

2. der Sekundärstrahler befindet sich zwischen der Strahlenquelle und der zu be- einflussenden Gewebsschicht (Sekundärstrahlung der Emergenzseite).

Ferner ist in allen Fällen die sekundäre Wellenstrahlung und die Elektronen - strahlung gesondert zu betrachten.

Theorie. Sekundäre Wellenstrahlung der Inzidenzseite 411

A. Massive Sekundärstrabler.

l. Sekundäre Wellenstrahlung der Inzidenzseite.

Die Theorie der Sekundärstrahlenemission einer metallischen Platte als Sekundär- strahler ist zuerst von Bragg und Porter, dann vor allem ausführlich von Großmann und später von Glocker behandelt worden. Bragg und Porter stellten Versuche über den absoluten Wert des Sekundärstrahlenemissionskoeffizienten an, indem sie mit der Ionisationsmethode die sekundäre Wellenstrahlung maßen, die von einer mit homogener Röntgenstrahlung bestrahlten Metallplatte ausging. Diese bestand ihrerseits in den Eigenstrahlungen bestimmter Metalle. Um in diesem Falle aus dem gemessenen Ioni- sationswert auf die Größe der Sekundärstrahlenemission eines Volumelementes des Sekundärstrahlers zu schließen, und da- durch einen brauchbaren Zahlenwert für den EBmissionskoeffizienten zu erhalten, mußten sie berücksichtigen, daß infolge der Absorption der Primärstrahlung beim Ein- dringen in den Sekundärstrahler die Sekun- därstrahlenbildung mit zunehmender Ein- dringungstiefe abnahm und daß infolge der mit zunehmender Tiefe wachsenden Absorp- tion der gebildeten Fluoreszenzstrahlen im Sekundärstrahler selbst, die entshehenden Sekundärstrahlen nicht vollständig zur Wir- kung kamen. Sie fanden, daß die Inten- sität der Sekundärstrahlung an einem be- liebigen Punkte der Oberfläche eines platten- förmigen metallischen Sekundärstrahlers, dessen Oberfläche der Einfachheit der Rech- nung halber unendlich groß angenommen wurde, von der Intensität der Primärstrahlung und dem spezifischen Emissionsvermögen des Sekundärstrahlers abhängig und außerdem eine Funktion des Verhältnisses der Ab- sorptionskoeffizienten der Primärstrahlung und der Sekundärstrahlung im Sekundär- strahler sei. Sie berechneten diese Funktion und fanden für sie den Verlauf, der in Abb. 1 graphisch wiedergegeben ist. Großmann übernahm die Braggschen Rech- nungen und stellte für das Verhältnis der durch die Fluoreszenzstrahlung in einem Volumelement (z. B. Gewebselement) an einem beliebigen Punkte der Oberfläche eines plattenförmigen Sekundärstrahlers gewonnene Dosis D, zu der von der Primärstrahlung herrührenden Dosis D,, die Gleichung auf:

Abb. 1. Verlauf von F («a,/«&,) der Inzidenz- strahlung (nach Großmann).

a A 9

D, T B (9)

Er gelangte zu dieser Gleichung durch folgende Überlegungen: Die Intensität der

Sekundärstrahlung an der Oberfläche des Sekundärstrahlers ist abhängig 1. von der

Intensität der Primärstrahlung I,, 2. von der prozentigen Sekundärstrahlung k

und 3. von dem nach Bragg und Porter zu bestimmenden Werte der Funktion f (a, /%,),

wo &, den Absorptionskoeffizienten der Primärstrahlung, &, den Absorptionskoeffi-

zienten der Sekundärstrahlung bedeutet, und zwar besteht mit Ip, und k direkte Proportionalität, so daß geschrieben werden kann:

den = I,. R k a f (&,/%2).

412 H. Holthusen

Da aber in unserem speziellen Fall weniger das Verhältnis der Intensitäten von Primär- und Sekundärstrahlung in dem betrachteten Volumelement von Wichtigkeit ist, sondern das Verhältnis der Dosen, und nach einem Grundgesetz der Dosimetrie das Verhältnis der Dosen, die ein Gewebselement von 2 Strahlungen mit den Intensitäten I, und I, mit den Absorptionskoeffizienten ß, und ß, (der Primär- und Sekundärstrahlung im Gewebe) erhält,

aa h

D, LB ist, so läßt sich das Verhältnis der in dem Volumelement V auf der Inzidenzseite absor- bierten Dosis primärer und sekundärer Strahlung durch die Gleichung (9) zum Ausdruck hringen.

Großmann hat nach dieser Formel für 4 Elemente, nämlich Kupfer und Zink als Repräsentanten leichterer Metalle, Silber als Beispiel eines Metalles von mittlerem Atomgewicht und Gold als Beispiel für ein Element mit hohem Atomgewicht das Ver- hältnis von D, /D,, in einem (Gewebselement an der Oberfläche des Sekundärstrahlers ausgerechnet. Und zwar unter der Voraussetzung, daß diese Metalle von Primär- strahlen getroffen werden, deren Wellenlängen 1/,—2 Oktaven und tiefer liegen, als die charakteristische Strahlung des Sekundärstrahlers.. Bei der Berechnung der D,/D,,Werte standen ihm nur für Kupfer und Zink die experimentell bestimmten Zahlen von Bragg und Porter zur Verfügung (vgl. Tabelle 3). Bei diesen beiden Ele- menten ergab die Ausrechnung ein Maximum für den Beitrag der Sekundärstrahlung an der Gesamtwirkung von etwas weniger als 40%, etwa 2 Oktaven unterhalb der Er- regungsgrenze. Bei der Berechnung der Werte für Silber waren keine experimentell be- stimmten Zahlen für k vorhanden. Sie wurde deswegen hypothetisch gleich 0,5 gesetzt und als von der Wellenlänge unabhängig angenommen. Unter dieser von dem Autor selber als wahrscheinlich nicht zutreffend bezeichneten Voraussetzung ergab sich eine Sekundärstrahlenwirkung an der Oberfläche des Sekundärstrahlers, die um so stärker wurde, je weiter sich die Wellenlänge der Primärstrahlung von der Erregungsgrenze nach der kurzwelligen Seite entfernte. Sie hatte bei einer Strahlung. die etwa eine Oktave kurzwelliger war als die Erregerstrahlung, erst den Betrag von 75% der Primär- strahlung erreicht !). Beim Gold endlich beschränkt sich Verf. nur auf die Betrachtung der L-Sekundärstrahlen und spricht nur die Vermutung aus, daß die Sekundärstrahlen- emission mit der Härte abnimmt.

Zu einer einfachen Darstellung der Funktion f («,/x,) kommt Glocker, wenn er das Verhältnis von &;/%ə gleich e setzt, nämlich:

1 fe)’, je ln (1 + ee).

Was die Gültigkeit der von Großmann für den Betrag der Sekundärstrahlenwirkung auf der Inzidenzseite berechneten Werte D (Dn, anbetrifft, so hängen sie davon ab, mit welcher Sicherheit die Werte von k bekannt sind. Es wurde schon darauf hingewiesen (S. 405), daß nach neuerer Auffassung (Kossel) die Größe k wahrscheinlich größer zu berechnen ist, als es von Bragg und Porter aus ihren Messungen geschehen ist, und daß sie an der Erregungsgrenze nahezu gleich 1 wird, um mit abnehmender Wellenlänge

1) in der Arbeit von Großmann sind die Erregerstrahlungen entweder durch Angabe der Me- talle, deren charakteristische Fluoreszenzstrahlen als Erregerstrahlen dienten, oder durch Angabe ihrer Halbwertschicht in Wasser charakterisiert. Der Einheitlichkeit der Darstellung halber, wurde von uns die Umrechnung auf Wellenlängenwerte vorgenommen.

Sekundärstrahlenemission der Inzidenzseite in Abhängigkeit von der Wellenlänge 413

An Às in Betracht, und benutzen für f (c) die Glockersche Formel, so nimmt die Großmann- sche Formel folgende Gestalt an:

D,, o Ps Ap II

1 ER EE st Dp B A 12 2e Ee (10)

im Verhältnis abzunehmen. Ziehen wir diese Überlegungen, die viel für sich haben,

In dieser Formel ist: D,, = Sekundärstrahlendosis in einem Gewebselement an der Oberfläche des Sekundär- strahlers; Dp, = Primärstrahlendosis in einem Gewebselement an der Oberfläche des Primär- strahlers; Bp = Absorptionskoeffizient der Primärstrahlung im Gewebe; B, = Absorptionskoeffizient der Sekundärstrahlung im Gewebe; p. P Go = Absorptionskoeffizient der Primärstrahlung im Sekundärstrahler; Ge = Absorptionskoeffizient der Sekundärstrahlung im Sekundärstrahler.

Da in dieser Formel nur das Verhältnis der Absorptionskoeffizienten im Primär- und Sekundärstrahler vorkommt, so können wir bis zu einem gewissen Grade unabhängig von der Natur des Sekundärstrahlers ganz allgemein die Änderung der prozentigen Sekundärstrahlenemission beim Übergang zu kürzeren Wellenlängen angeben, wenn wir sie auf bestimmte in Oktaven und Bruchteilen einer Oktave bzw. Bruchteilen der Wellenlänge der Sekundärstrahlung anzugebende Wellenlängenunterschiede zwischen Primär- und Sekundärstrahlung beziehen. Eine Änderung von Metall zu Metall tritt nur insofern ein, als das Verhältnis «,/x,; wegen der verschiedenen Größe des Absorptions- sprunges in verschiedenen Metallen bei einem bestimmten Wellenlängenabstand von der Erregungsgrenze und damit eines bestimmten ß,/ß, nicht immer das gleiche ist.

In der Tabelle 5 sind unter Benutzung der obigen Formel (10) die Werte von D, (Dr

Tabelle 5. Verhältnis von K-Sekundär- und Primärstrahlung in Abhängigkeit von der Wellenlänge der Erregerstrahlung beim Silber. Inzidenzstrahlung.

in in Prozenten | p D sel D Po

von Ag!)

für Silber berechnet, und zwar je für die Erregungsgrenze sowie für eine Reihe von Wel- lenlängen, die zwischen dieser und 1 Oktave niedriger liegen, und weiter für Wellen- längen, die 2 und 3 Oktaven kürzer sind. Die Formel (10) läßt sich für die Berechnung

1) Au) = 0,558 AE | 2) Wellenlänge der Erregungsgrenze; A = 0,484 A.E.

414 H. Holthusen

noch etwas vereinfachen. Unter Zugrundelegung der Formel von Allen, wonach sich die Absorptionskoeffizienten mit A7" °? ändern, und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß in der Formel (10) nur das Verhältnis der Absorptionskoeffizienten vorkommt, können wir auf die Berechnung der Absorptionskoeffizienten verzichten und dafür das Verhältnis der A-Werte setzen. Bei der Berechnung der Größen c ist allerdings zu be- rücksichtigen, daß nur æ, nach der Formel zu berechnen ist, die jenseits des K-Absorp- tionssprunges gilt, also unter Einsetzung des Wertes für Cķę in die Formel (3). Wir er- innern uns, daß Ce für Silber 7,85 beträgt (vgl. S. 404) und setzen für oe _ 185. x Àp 2.92 Fon 1,292 er e, IR UN TUE Cha E Formel (10) nimmt dann nach einer sich leicht ergebenden Zusammenziehung folgende vereinfachte Form an: D, ast [1 KEE (10

re [27 2e c) a

Aus der Tabelle 5 geht hervor, daß sich zu der Primärstrahlung eine Sekundär- strahlung hinzuaddiert, die, wenn wir uns von der Erregungsgrenze nach der kurzwelligen Seite entfernen, zunächst einem Maximum zustrebt, das etwa eine Oktave unterhalb der Wellenlänge der K-Strah- lung erreicht wird und dann kontinuierlich abnimmt. Übersichtlicher noch kommt in der graphischen Darstellung der Abb. 2 der Verlauf vonD,,/P,, als Funktion des Wellen- längenverhältnisses von Primär- und Sekundärstrahlung zum Ausdruck.

Die an der Inzidenzseite eines metallischen Sekundär-

Abb. 2. Ds,/Dp, der In- strahlers unter günstigsten Bedingungen zu erreichende zidenzstrahlung als Funktion Dosisvergrößerung von etwa 60% wird jedoch aus dem von Ap/As. Grunde in Wirklichkeit geringer ausfallen, weil bei An-

wesenheit des Metallsekundärstrahlers die Rückstreuung aus den unterhalb des bestrahlten Gewebselementes liegenden Metallschichten er- heblich geringer ausfällt, als wenn die Rückstreuung tieferer Metallschichten wirk- sam ist. Auch darf nicht vergessen werden, daß alle Rechnungen nur unter der ver- einfachten Annahme einer homogenen Primärstrahlung gültig sind, ein Fall, der in der Praxis auch bei stark gefilterter Strahlung nicht annähernd verwirklicht ist.

2. Die sekundäre Wellenstrahlung der Emergenzseite.

Die von der Emergenzseite eines Metallstrahlers ausgehende Sekundärstrahlung und ihr Verhältnis zur Primärstrahlung wurde ebenfalls von Großmann, wenn auch in einem etwas anderen Zusammenhange, berechnet. Und zwar ergab sich diese Frage- stellung bei einer Erörterung des Problems der Sekundärstrahlen als Gefahrenquellen. Die Berechnung des Verhältnisses der hinter einem Metallfilter aus diesem austretenden charakteristischen Sekundärstrahlung zur Primärstrahlung führte zu einer Formel von analogem Bau, wie für die Inzidenzstrahlung. Wieder war

I= Ip k: E,

KI

Der Verlauf von F als Funktion von ge, wurde von Großmann auf graphischem Wege gefunden, ihr Verlauf ist in Abb. 3 dargestellt. Allerdings gelten die Werte ohne

Sekundäre Wellenstrahlung der Emergenzseite 415

weiteres nur unter der Voraussetzung einer unendlich dicken Sekundärstrahlerschicht, doch möchte Großmann ihren Geltungsbereich für Sekundärstrahlerschichten, die etwa 3 mm Aluminium äquivalent sind, bis zu einem Betrage der Größe geg, von 0,75 ansetzen. Die Berechnungen für verschiedene Sekundärstrahler und verschiedene Er- regerstrahlen führen Großmann zu folgenden Schlüssen:

1. Die von einem bestimmten Filter ausgesandte Emergenzstrahlenenergie kommt einem um so höheren Prozentsatz der von dem Sekundärstrahler hindurchgelassenen Primärstrahlenenergie I,, gleich, je weicher die Primärstrahlung ist.

2. Die auf eine bestimmte Intensität der in den Sekundärstrahler eintretenden Primärstrahlung Ip; bezogene Intensität der Emergenzstrahlung wächst bei Zunahme der Härte der Primärstrahlung an und strebt einem Maximum zu, das allerdings in den von Großmann gegebenen Beispielen, in denen die erregende Wellenlänge bis 2 Oktaven kürzer war als die K-Strahlung (Eisen), noch nicht erreicht wurde.

Wiederum sind es weniger die Inten- sitäten und ihr Vergleich, die unser In- teresse in Anspruch nehmen, sondern die absorbierten Dosen. Hier zeigt sich nach Großmann, daß die ungewollte Sekun- därstrahlendosis, welche die unter dem Sekundärstrahler liegende Schicht auf- nimmt, im Vergleich zur Dosis, die sie von der Primärstrahlung empfängt, eben- falls mit der Härte der Primärstrahlung abnimmt. Vergleicht man die Summe von Primär- und Sekundärstrahlendosis hinter

Gr 0 04 06 0 dem Sekundärstrahler (D, + D,,) mit der e ES ZS er Strahlendosis, die die unmittelbar darun- Abb. 3. Verlauf von F (ap/as) der Emergenz- p/ Ge

terliegende Schicht ohne die Anwesen- strahlung (nach Großmann). heit des Sekundärstrahlers erhalten hätte

D D (Dpi) so wird das Verhältnis | ne mit abnehmender Wellenlänge der Primär-

pi

strahlung ebenfalls kleiner.

Auch für die aus einem Sekundärstrahler in der Richtung der Primärstrah- lung austretende Fluoreszenzstrahlung hat Glocker eine Formel von ähnlicher Form aufgestellt wie für die Inzidenzstrahlung, indem sich unter der Voraussetzung, daß c=&,/&, kleiner als 1 ist, für f (c) die Form:

f (e) = $ 4c In (1 0)

ergab. Allerdings trifft diese Voraussetzung nur dann zu, wenn die Erregerstrahlung wesentlich kurzwelliger ist als die im Sekundärstrahler erregte Fluoreszenzstrahlung. An der Erregungsgrenze wird bekanntlich von dem Eigenstrahler die erregende Primär- strahlung mehrfach so stark absorbiert wie die emittierte Fluoreszenzstrahlung. Erst etwa 1 Oktave unterhalb der Erregungsgrenze wird die Glockersche Formel brauchbar.

Für die Berechnungen von D,,/D,, der Emergenzstrahlung in der Tabelle 6 ist, da sich die Berechnung nach der Glockerschen Formel für kleine Werte von c als unsicher erwies, die Großmannsche graphische Darstellung der Funktion F bzw. die von ihm in seinen Tabellen berechneten Werte von F als Funktion von e benutzt

416 H. Holthusen

Tabelle 6. Verhältnis von K-Sekundär- und Primärstrahlung beim Silber in Ab- hängigkeit von der Wellenlänge der Erregerstrahlung. Emergenzstrahlung.

Ag 192 /Ap 192 | 2 f(e) Ds,/Dp, Ds, + Dp,

Ap in Prozenten |

ee ey Ee EE

pi

0,5 3,8 0,54 0,8 3,04 0,23 0,25 14,3: 0,137 0.04 0,57 1,07 0,125 | 54.2 | 0,0181 0,004 | 0,217 | 1,16 0,0625 205,4 0.00237 0,0006 0,123 1,11

worden, im übrigen die Formel in analoger Weise wie Formel (10) anfgebaut und ver- einfacht, so daß sie die Form annimmt:

D, (RE KEEN

2-92 A

Es zeigt sich in Übereinstimmung mit Großmann eine rasche Abnahme des Beitrages der Sekundärstrahlung an der Gesamtstrahlenwirkung hinter dem Sekundärstrahler beim Übergang zu härteren Strahlen.

Soll die Frage beantwortet werden, ob und in welchem Grade sich die Dosis in einem Gewebselement durch Zwischenschalten eines Sekundärstrahlers im Vergleich zur Dosis ohne sein Vorhandensein verstärken läßt, ein Fall, der z. B. verwirklicht ist, wenn etwa ein metallhaltiges Pflaster auf der Haut liegt, so konımt. es, wie schon erwähnt, auf das Ver- hältnis der Summe der Primär- und Sekundärstrahlendosis unter dem Sekundärstrahler (Ds, + Dp.) zu der Dosis an der Oberfläche des Sekundärstrahlers bzw. ohne Sekundär- strahler an. Will man das Verhältnis SE Dr. berechnen, sc muß eine Festsetzung

pi über die Dicke der Sekundärstrahlerschicht getroffen werden, und zwar im Falle unserer allgemeinen Annahme als Funktion des Absorptionskoeffizienten der charakteristischen Sekundärstrahlung im Sekundärstrahler. Wir nehmen willkürlich an, daß der Sekundär- strahler eine Schichtdicke von 4 Halbwertschichten = 4a, hat und daß in diesem Falle praktisch alle Sekundärstrahlung, die überhaupt wirksam werden kann, auch gebildet wird, so daß die Gleichung (10a) gültig bleibt. Es gilt dann:

; 0 - 693 5 Du, == Du e- p tas, und da a, = E Dp = Uwe" 2. TIc (11) i D, D Dh (b+1 Setzen wir ferner: => = b, D, =bD,,, so wird: —- ae Mr en) und Dpi Dpi

Po

D e~a .71C 1 b DER

nach (11) = u Tr =e’tie(1+b) | (11a) pi

Die Tabelle 6 zeigt, daß das Verhältnis der Summe von Primär- und Sekundär-

strahlung hinter einem Filter zur Primärstrahlung ohne Filter durch ein Maximum

hindurchgceht, allerdings erst bei einer Wellenlänge, die um 3 Oktaven tiefer liegt als die D. +D Wellenlänge der erregten K-Strahlung. Von da an strebt das Verhältnis ht pi mit weiter abnehmender Wellenlänge, wie leicht verständlich ist, dem Grenzwert 1 zu.

Das Auftreten des Maximums wird durch folgende Überlegung verständlich: Offenbar

1) Für eine Schichtdichte des Sekundärstrahlers von 4 Halbwertschichten der Sekundär- strahlung.

Intensität der Emergenzstrahlung in Abhängigkeit von der Wellenlänge der Erregerstrahlung 417

nimmt zunächst das Verhältnis D,/D,ı schneller zu, als das Verhältnis D, /D,, ab- nimmt. Die Höhe des Maximums hängt von der Stärke der Sekundärstrahlenemission und von der Filterdicke ab. Die Abhängigkeit des Maximums von der Filterdicke zu berechnen, läßt die Gleichung (10) allerdings nicht zu, da mit abnehmender Dicke die Funktion F (u) sich in zunächst nicht bekannter Weise ändert.

Wenn wir von dem Kosselschen quantentheoretischen Ansatz für die Entstehung der Sekundärstrahlung ausgehen, können wir die Berechnung der Sekundärstrahlen- wirkung auch noch in etwas anderer Weise durchführen: Wir betrachten den allgemeinen Fall, daß die Sekundärstrahlerdicke 4 a, beträgt, wo a, die Halbwertschicht der charak- teristischen Strahlung in der Sekundärstrahlersubstanz ist. Wir setzen x a, = u und wählen ferner die Intensität der Strahlung so, daß in einem beliebigen Volumelement du im Gewebe an der Oberfläche des Sekundärstrahlers N - du Absorptionsereignisse in der Zeiteinheit eintreten. In dem gegenüberliegenden Volumelement gleicher Größe im Sekundärstrahler werden in der gleichen Zeit N :«,/ß, du Absorptionsereignisse stattfinden, wo œp der Absorptionskoeffizient der Primärstrahlung im Sekundärstrahler, ß, der Absorptionskoeffizient der Primärstrahlung im Gewebe ist. Bezeichnet K den Prozentsatz der Absorptionsereignisse, der zur Sekundärstrahlenemission führt, so wer- den K - N '«,/ß, Sekundärstrahlenquanten gebildet. Wir setzen mit KosselK=1. Die Sekundärstrahlenwirkung in einem Gewebselement du an der Oberfläche des Sekundärstrahlers setzt sich zusammen aus der Sekundärstrahlung aller Elemente d u der Sekundärstrahlerschicht, deren Wirkungsbeitrag ähnlich wie in den früheren Be- trachtungen (Formel 9 und 10) eine Funktion des Verhältnisses der Absorptionskoeffi- zienten der Primärstrahlung («,) und der Sekundärstrahlung (æ, ) in dem Sekundär- strahler ist:

f (u) = f (a, Gel, und da «p und «a, von A, und Ae abhängen, = 9 (X, ,A5)-

Wir erhalten dann,. indem wir von der Integration nach den beiden anderen Raum- koordinaten absehen, für die Sekundärstrahlenwirkung auf das Volumelement des Gewebes einen Ausdruck von der Form:

ku

N- B, d hu du=N = P F (u) du.

Wir vergleichen nun das Verhältnis der absorbierten Sekundärstrahlung in dem Gewebs- element d u zur absorbierten Primärstrahlung in dem gleichen Volumelement, also unter Benutzung der gleichen Bezeichnungen wie früher, des Verhältnisses D, (Dr, und zwar einmal bei einer Primärstrahlung, die gerade an der Erregungsgrenze liegt, und das andere Mal einer Primärstrahlung, die um 1 Oktave kürzer ist. Da es sich hier um die ab- sorbierten Dosen handelt, so haben wir noch zu berücksichtigen, daß in N Quanten

A

der Sekundärstrahlung nur eine Energiemenge steckt, die um N —- kleiner ist als die S

N Quanten der absorbierten Primärstrahlung, wo Ap die Wellenlänge der Primärstrah-

lung und à, die Wellenlänge der Sekundärstrahlung ist, und daß von N Quanten der Sekundärstrahlung nur N : Bp Quanten im Gewebe absorbiert werden. Wir erhalten so für das Verhältnis D, /D,, den Ausdruck:

Da _. Ae Dp SE As

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 27

. F (u) (12)

418 H. Holthusen

Auf Grund dieser Gleichung läßt sich folgendes sagen: Bei gleichem Verhältnis der Wellenlänge der Erregerstrahlung zur Wellenlänge der erregten Fluoreszenzstrah- lung ist die spezifische Sekundärstrahlenwirkung D, /D,, auf ein Volumelement des Gewebes an der Oberfläche des Sekundärstrahlers abhängig von der Absorption der Primärstrahlung im Sekundärstrahler. Die Sekundärstrahlenemission ist ceteris paribus um so ausgiebiger, je größer die Absorption im Sekundärstrahler ist. Entfernen wir

A uns mit der Primärstrahlung von der Erregungsgrenze, so ändert sich _” und F (u).

As

Das Verhältnis der Wellenlängen von Primär- und Sekundärstrahlung nimmt ab. F (u) verhält sich verschieden, je nachdem wir die Inzidenz- oder Emergenzseite ins Auge fassen. Betrachten wir zunächst die Inzidenzseite, so läßt sich folgendes sagen: Bei gleicher Anzahl Absorptionsvorgänge an der Sekundärstrahleroberfläche (N -du = const. für alle Wellenlängen) finden in der in Betracht gezogenen Schicht des Sekundärstrahlers von der Dicke ka, um so mehr Absorptionsereignisse statt und führen zur Sekundärstrahlenemission, je härter die Primärstrahlung ist. Denn um so langsamer erfolgt ihr Intensitätsabfall.e Es wird also F (u) mit abnehmender Primärwellenlänge größer und strebt einem Grenzwerte zu, der dann erreicht ist, wenn die Absorption in der für die Sekundärstrahlenbildung in Betracht kommenden Schicht ka, praktisch vernachlässigt werden kann. Wenn F (u) anfangs rascher zu-

A nimmt, als = abnimmt, so wird auch D), /D,, anfangs größer werden, wie es die Zahlen

der Tabelle 5 zeigen. Leider liegt eine Berechnung der Funktion F (u) in der Form, wie wir sie definiert haben, noch nicht vor.

Gehen wir jetzt zu einer Betrachtung der Emergenzstrahlung über, so nimmt, wie sich leicht einsehen läßt, F (u) mit abnehmender Primärwellenlänge erst rasch und dann allmählich ab, um ebenfalls einem Grenzwerte zuzustreben, der wiederum erreicht ist, wenn die Schwächung der Primärstrahlung bei weiterer Abnahme der Primärwellenlänge sich nicht mehr ändert. Die Abnahme der Funktion F (u) beruht darauf, daß, bezogen auf gleiche Zahl der Absorptionsereignisse in dem Element du an der Oberfläche des Gewebes, gegenüber der Oberfläche des Sekundärstrahlers, in den tiefen Schichten bei einer weichen Primärstrahlung sehr viel mehr Absorptionsereignisse stattfinden und zur Sekundäremission Veranlassung geben, als bei harten Strahlen, bei denen die Intensitäts- zunahme im Filter gegen die Primärstrahlenrichtung nur gering ist. Da ww ebenfalls

S abnimmt, so wird D, /D,, mit abnehmender Wellenlänge zuerst rasch und dann lang- samer kleiner werden.

Zusammenfassend kommen wir zu dem Schluß, daß eine Wirkungssteigerung in der Umgebung eines metallischen Sekundärstrahlers nur in bescheidenem Umfange möglich ist. Offenbar gelingt es auch im günstigsten Falle nicht, die Wirkung an der Oberfläche des Sekundärstrahlers auch nur zu verdoppeln. Darauf, daß das Maximum der berechneten Wirkung deswegen in praxi nicht erreicht wird, weil wir es stets mit weitgehend inhomogenen Strahlen zu tun haben, wurde schon hingewiesen (S. 414).

Ein weiterer Umstand, der den Umfang der Sekundärstrahlenemission beeinträchtigt, besteht darin, daß sie in der Regel wesentlich leichter absorbierbar ist als die Primär- ` strahlung und ihre Wirkung daher von der Sekundärstrahleroberfläche her im Gewebe rasch abfällt. Diese Tatsache und die nach Formel (12) vorauszusehende Zunahme der wirksam werdenden Sekundärstrahlung mit steigender Absorption des Sekundär- strahlers muß uns dazu führen, bei der Auswahl geeigneter Sekundärstrahler den Metallen

Sekundäre Elektronenstrahlung 419

mit hohem Atomgewicht den Vorzug zu geben. Doch darf die Auswahl nur unter Be- rücksichtigung der Qualität der Primärstrahlung erfolgen, und es ist hierbei zu fordern, daß das Maximum des Primärstrahlenspektrums jedenfalls Wellenlängen GREEN die kürzer sind als die Erregerstrahlen.

3. Die sekundäre Elektronenstrahlung.

Für die Wirkungssteigerung durch die aus einem metallischen Sekundärstrahler austretende Elektronenstrahlung sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Ihre Größe hängt ab von dem Absoprtionsvermögen des Sekundärstrahlers für die Pri- märstrahlung und von der Absorption der durchgehenden Klektronenstrahlung im Se- kundärstrahler. Holthusen machte darauf aufmerksam, daß die aus Metallen aus- tretende Elektronenstrahlung deswegen mit der Ordnungszahl stark ansteigen müßte, weil die Massenabsorption der Röntgenstrahlen mit der Stellenzahl stark wächst, während die Absorption der Flektronenstrahlen nach Lenard annähernd massenproportional ist. Eine starke Zunahme der sekundären Elektronenemission mit dem Atomgewicht war auch experimentell schon lange bekannt. Theoretisch wäre zu fordern, daß die Intensitäten der Wandstrahlung dem Massenabsorptionskoeffizienten proportional ansteigen. Ebenso ist aus vielen experimentellen Untersuchungen bekannt, daß die Elektronenemission aus der Oberfläche eines Sekundärstrahlers mit der Härte der Primärstrahlung stark zunimmt (Innes und C. A. Sadler). Es liegt dies daran, daß die Wirkungsweiten der ausgelösten Kathodenstrahlen mit abnehmender Wellenlänge der Primärstrahlen immer größer werden, und daher immer größere Schichten des Se- kundärstrahlers sich an der Sekundärstrahlenemission beteiligen.

Über die Gesamtzahl der aus einem Sekundärstrahler, an die Oberfläche dringenden Primärelektronen haben Berg und Ellinger unter der Annahme, daß die Schwächung der Röntgenstrahlenintensität in der für die Elektronenemission in Betracht kommenden Wandschicht vernachlässigt werden kann, also unter alleiniger Berücksichtigung der Absorption der Primärelektronen im Sekundärstrahler eine einfache Integrationsrechnung aufgestellt, die ihnen für die Gesamtzahl der an die Oberfläche gelangenden Primär- elektronen den Ausdruck: H ee

N = Ia (13) ergab. In diesem Ausdruck ist n die pro Atom emittierte Zahl von Elektronen, z die Zahl der Atome pro Volumeinheit, x der Absorptionskoeffizient der Elektronen. Bezeichnet man mit d die Dichte, mit A das Atomgewicht der Substanz, mit L = 6,7 x 103 die Avogadrosche Zahl, so ist z = L:d/A. Nach dem Lenardschen Massenproportio- nalitätsgesetz kann mit Annäherung u = a: d gesetzt werden, wenn o die nur von der Geschwindigkeit abhängige Absorptionskonstante ist. Die Gleichung (13) geht dann über 1n: n- L

Ae A a

Die Gleichung ermöglicht, aus ihr einige allgemeine Gesetzmäßigkeiten abzuleiten. Sie könnte, wie Berg und Ellinger ausführen, dazu dienen, aus der Zahl N der austre- tenden Elektronen die Zahl n der von einzelnen Atom entsandten Elektronen zu berechnen, und umgekehrt, wenn man imstande wäre, die Zahl N oder n für jede einzelne Elektronen- geschwindigkeit anzugeben, da o von dieser Geschwindigkeit abhängt. Doch reichen auch die von Berg und Ellinger ausgeführten Messungen, auf die wir noch zurück-

kommen werden, dazu nicht aus. 27*

420 H. Holthusen

Sehen wir, wie groß nach Gleichung (13a) die Wirkung der Sekundärelektronen auf ein Volumelement des Gewebes an der Oberfläche des Sekundärstrahlers ausfällt, wenn in diesem N Quanten der Primärstrahlung absorbiert werden.. Der Ausdruck

-L = bezeichnet offenbar die Zahl der pro Volumeinheit emittierten Elektronen. Werden

in einem Volumelement des Gewebes N Quanten der Primärstrahlung absorbiert, so ge- langen in einem Volumelement des Sekundärstrahlers N «,/ß, Quanten zur Absorption, wobei, wie früher ao den Absorptionskoeffizient der Primärstrahlung im Sekundärstrahler, Bp den Absorptionskoeffizient der Primärstrahlung im Gewebe bedeutet. o hatten wir definiert als die Absorptionskonstante der ausgelösten Primärelektronen. Sie entspricht dem Massenabsorptionskoeffizienten bei Röntgenstrahlen. Nennen wir wie früher o den Absorptionskoeffizienten der ausgelösten Kathodenstrahlen im Sekundärstrahler, so ist px =a,. Es wird also jedes Oberflächenelement des Gewebes getroffen von ap p a 4a, der Elektronenstrahlen des Sekundärstrahlers und des Gewebes im Gewebe der gleiche ist,

Primärelektronen, und wenn wir annehmen, daß der Absorptionskoeffizient

o

werden Bu: a “N> a Primärelektronen in der Volumeinheit des Gewebes absorbiert. p S

Nach der Quantentheorie entsteht aus jedem absorbierten Strahlenquant ein Primär-

elektron, dessen Energie = bh: vp A ist. Das Verhältnis der Elektronenenergie von

N im Sekundärstrahler absorbierten Quanten zu der Gesamtenergie von N im Gewebe h'v, A

absorbierten Quanten ist also a Bezeichnen wir wieder wie früher mit D,,

den von der Sekundärstrahlung herrührenden Wirkungsbeitrag und mit D,, den Wir-

kungsbeitrag durch Primärstrahlung, so ist:

E 14 Da °P do, h.v der

Aus dieser Gleichung leiten wir folgende Sätze ab:

1. Die sekundäre Elektronenstrahlung ist bei einer bestimmten Wellenlänge der Erregerstrahlung im Gebiete der medizinisch verwendeten Röntgenstrahlen allein von dem Absorptionskoeffizienten des Sekundärstrahlers für dieselbe und der Abtrennungs- arbeit seiner Elektronen des K-Ringes abhängig. Der Absorptionskoeffizient der aus- gelösten Primärelektronen «,/p, die „Absorptionskonstante‘“, ist unabhängig von der Substanz des Strahlers.

2. Da oe mit dem Atomgewicht rasch ansteigt, so wächst dementsprechend die Scekundärstrahlenemission innerhalb ein und desselben Absorptionsgebietes mit dem Absorptionskoeffizienten.

3. Die Proportionalität der Elektronenemission mit æ, gilt jedoch nur, solange die Abtrennungsarbeit klein gegenüber der Größe des Energiequantes der Erregerstrah- lung ist. Gehen wir bei einer bestimmten Erregerstrahlung die Elementenreihe durch, so wächst mit steigender Ordnungszahl A rasch an. In dem Gebiete der Elemente, die merklich zur Sekundärstrahlung erregt werden, nimmt die Elektronenemission wesentlich langsamer zu als proportional œp. D, /D,, strebt also einem Maximum zu, Sc? - schneller abzunehmen beginnt, als œp

das dann überschritten wird, wenn

anwächst.

4. Ein Minimum der Elektronenemission findet sich bei den Elementen, deren K-Strahlung durch die Erregerstrahlung gerade nicht mehr erregt wird.

Quantentheoretischer Ansatz der Elektronenemission 421

5. Mit weiter ansteigender Stellenzahl im periodischen System nimmt die Elek- tronenemission wieder zu, nach dem Absorptionsgesetz für die L-Absorptien (vgl. S. 403).

Die unter 2—5 gegebenen Ausführungen zu der Formel (14) finden ihre Illustration in der Abb. 4, die den Verlauf der Elektronenemission unter der Annahme einer homogenen Primärstrahlung von A = 0,15 AE. graphisch darstellt. Der Berechnung von Ge ist die Absorptionsformel von Allen zugrunde gelegt. Die Abtrennungs- arbeiten sind aus den Wellenlängenzahlen der K-Absorptionsgrenze nach Siegbahn berechnet.

6. Bei einer inhomogenen Strahlung überlagert sich der Absorptionsverlauf mehrerer Strahlungen, von denen jede für sich den Typus der Abb. 4 hat. Die Ausprägung des Maximums und Minimums der Elektronenemission kann dabei weitgehend ausgeglichen werden. EE

7. Die sekundäre Elektronenstrahlung ist um WE so stärker, je kurzwelliger die Primärstrahlung ist. Denn mit abnehmender Wellenlänge wächst die Geschwindigkeit der ausgelösten Primärelek- tronen und ihre Absorptionskonstante «&s/p wird kleiner. Die Wirkungssteigerung mit abnehmen- der Impulsbreite geht umgekehrt proportio- nal ole.

8. Eine plötzliche Steigerung erfährt die Abb. 4. Verlauf der Elektronenemission Elektronenemission an der Erregungskante der inder Elementenreihe, berechnet für eine K-Strahlung (bzw. der anderen charakteristischen homogene Erregerstrahlung von à = 0.15 Strahlungen) wegen des plötzlichen Herauf- A.E. nach Gleichung (14). schnellens des Absorptionskoeffizienten. Die Mehrausbeute an Elektronen ist allerdings zunächst gering wegen des hohen Wertes der Abtrennungsarbeit A.

9. Entfernt sich die Erregerstrahlung von der Erregungsgrenze einer Fluoreszenz- wellenstrahlung nach der kurzwelligen Seite, so steigt die Ausbeute an Elektronenstrahlen,

h.v bezogen auf die absorbierte Energiemenge, in dem Maße, wie der Ausdruck -— S

—— Sich d dem Werte 1 nähert.

Vergleichen wir die Gleichung (14) mit der Gleichung (12), so sehen wir den durchaus analogen Bau. Der nach der Quantentheorie zu erwartende Unterschied in der Energie- ausbeute bei der Sekundärstrahlung ist: in Gleichung (12), wo es sich um eine Wellenstrahlung handelt, ausgedrückt durch das Verhältnis Ap/às. Ihm entspricht in Gleichung (14) der Ausdruck: a S tronenstrahlen nur eine Funktion von deren Wirkungsweite oder dem ihm reziproken Werte des Absorptionskoeffizienten o.

F(u) ist im Falle der Erregung von Elek-

B. Diffuse Verteilung des Sekundärstrahlers im Gewebe.

Betrachten wir endlich den Fall, daß sich der Sekundärstrahler in Form fein ver- teilter Massen im Gewebe befindet, so sind darüber noch weniger theoretische Unter- lagen vorhanden als über die bisher behandelten Falle Großmann hat zwar den Zuwachs an Strahlung berechnet, den die Umgebung von einem einzelnen Sekundär- strahlerteilchen erfährt und das durchaus verständliche Resultat erhalten, daß dieser

422 H. Holthusen

in gewissen Grenzen von der Größe der Massenteilchen abhängig ist und mit seiner Größe zunimmt. Bei der Betrachtung eines ganzen Systems von suspendierten Se- kundärstrahlerteilchen im Gewebe addieren sich aber die Sekundärstrahlen, die von den einzelnen Teilchen ausgehen und der gesamte Zuwachs an Strahlung ist von der durchschnittlichen Dichte der Sekundärstrahlenmenge im Gewebe abhängig. Die Auswirkung der Sekundärstrahlung ist offenbar um so ausgiebiger, je kleiner bei gleicher Gesamtkonzentration des Sekundärstrahlers im Gewebe die Teilchengröße ist, worauf schon 1910 von Barkla hingewiesen wurde. Vielleicht läßt sich über die hier herrschenden Gesetze am leichtesten eine Vorstellung gewinnen, wenn wir ein beliebiges Volumelement in einem Körper, in dem sich fein verteilte Sekundärstrahler befinden, so betrachten, als wenn es zwischen zwei plattenförmigen Sekundärstrahlern gelegen wäre, von denen der obere seine Emergenzstrahlung und der untere seine In- zidenzstrahlung auf das Gewebselement du wirken läßt. Die Wirkung auf du ist dann einfach die Summe der Emergenz- und Inzidenzstrahlung nach dem früher besprochenen, für plattenförmige Sekundärstrahler gültigen Gesetzen. Ebenso muß aber auch die Schwächung durch die über dem betrachteten Gewebselement liegende Sekundär- strahlerschicht in Betracht gezogen werden. Allerdings erfährt die Sekundärstrahlung ihrerseits dadurch eine Abschwächung, daß es sich gleichsam um im höchsten Grade poröse Sekundärstrahler handelt, um so poröser, je geringer die Konzentration des Sekundärstrahlenspenders im Gewebe ist. Gehen wir von der Oberfläche in die Tiefe, so nimmt die Sekundärstrahlung zunächst zu, und zwar solange, bis die Sekundärstrahlen- emission der Emergenzseite ihr Maximum erreicht hat. Das wird, wenn wir die sekundäre Wellenstrahlung betrachten, in um so größerer Tiefe der Fall sein, je geringer die Absorp- tion der Sekundärstrahlung in dem betrachteten Sekundärstrahler- + Gewebssystem ist; sicherlich in einer Tiefe von wenigen H.W.S. der Sekundärstrahlung. Sehen wir die sekundäre Elektronenstrahlung als maßgebend an, so ist das Maximum der Wirkung bereits in Bruchteilen eines Millimeters, von der Oberfläche an gerechnet, erreicht. Die Intensität der Strahlung nimmt praktisch von der Oberfläche her ab, und zwar rascher als ohne Sekundärstrahler, da dieser eine vermehrte Absorption bedingt. Es hängt von der Wirkungssteigerung durch die Sekundärstrahlung und von der Größe der Absorption in dem sekundärstrahlerhaltigen Gewebe ab, von welcher Tiefe an auf alle Fälle eine Wirkungsverminderung infolge der verstärkten Absorption im Vergleich zur Intensität der Strahlenwirkung ohne Anwesenheit des Sekundärstrahlers stattfindet.

V. Experimentelle Untersuchungen zur Sekundär- strahlentherapie.

Nachdem wir im voraufgehenden die physikalischen Gesetze besprochen haben, von denen die Entstehung und Wirkung der Sekundärstrahlen abhängt, gehen wir nunmehr dazu über, die. Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen über Steige- rung der biologischen Strahlenwirkungen durch Erzeugung von Sekundärstrahlen zu besprechen. Wir stellen dabei an den Anfang eine Reihe physikalischer Untersuchun- gen, bei denen die experimentelle Anordnung unter Berücksichtigung der Möglichkeiten therapeutischer Verwirklichung getroffen wurde oder wenigstens sich mit ihnen ver- gleichen läßt und bringen sodann die Resultate der biologischen und tierexperimen- tellen Untersuchungen. Erst daran soll sich die kritische Würdigung der klinischen Erfahrungen und Aussichten der Sekundärstrahlentherapie anschließen.

Diffuse Verteilung der Sekundärstrahlen. Experimentelle Untersuchungen 423

A. Physikalische Untersuchungen.

Wir betrachten gesondert die Experimente, die dem Nachweis einer sekundären Wellenstrahlung dienen, und die, welche Vorhandensein und Umfang der sekundären Elektronenstrahlung (Primärelektronen) zum Gegenstande haben.

l. Sekundäre Wellenstrahlung.

Zum Nachweis der von Metallen, und zwar sowohl von Metallflächen als auch von fein verteilten Metallpartikeln im Gewebe, bzw. dem Wasserphanton, ausgehenden sekun- dären Wellenstrahlen ist sowohl die Ionisationsmethode als auch noch häufiger die photographische Methode herangezogen worden. Die Versuche von Bragg und Porter und von Sadler, welche die von blanken Metallen ausgehenden Sekundärstrahlen mit der Ionisationsmethode maßen, wenn sie von den homogenen Eigenstrahlen höher- atomiger Metalle erregt wurden, fanden schon Erwähnung. Sie dienten vor allem dazu, um aus ihnen die prozentische Sekundärstrahlenemission zu berechnen, wie sie den Zahlen der Tabelle 3 zugrunde liegen. In den Versuchen von Bragg und Porter fielen die homogenen Sekundärstrahlen einer Zinkplatte auf eine Ionisationskammer, deren Vorder- und Hinterwand ein Fenster hatte, das abwechselnd mit einer Papierfolie oder mit Metallfolien verschiedener Zusammensetzung verschlossen wurde. Bei dieser Ver- suchsanordnung wurde nicht nur die sekundäre Wellenstrahlung, sondern auch die sekundäre Elektronenstrahlung gemessen. Um erstere für sich zu berechnen, mußte eine entsprechende Korrektur angebracht werden. Schon aus den Zahlen von: Bragg und Porter geht hervor, daß die Wirkung der Primärelektronen wesentlich größer war als der Mehreffekt an Ionisation, der durch die sekundäre Wellenstrahlung hervorgerufen wurde. Um die Wirkung der Primärelektronen auszuschalten, wurde die metallische Oberfläche mit einem Blatt Papier bedeckt. So stellten diese Autoren z. B. fest, daß die Ionisation in der Kammer von 136 auf 177 stieg, wenn die homogenen Fluoreszenzstrahlen des Zinks auf die Kammer auftrafen und deren Rückseite statt durch Papier von einem mit Papier bedeckten Nickelblech gebildet wurde, und berechneten daraus, daß in diesem Falle die Wirkung der sekundären Wellenstrahlen 30%, der Primärstrahlung betrug. Von verschiedenen Autoren, zuerst 1911 von Hernaman-Johnson, später von Salz- mann, Dessauer und Cermak, wurde die Wirkungssteigerung durch rückwärtige Sekundärstrahlung auf photographischem Wege gezeigt. Von diesen Autoren wurde im Gegensatz zu Sadler und Bragg und Porter die inhomogene Strahlung harter Therapie- röntgenröhren verwendet, die allenfalls nach der in der Therapie üblichen Weise ge- filtert war. In der Anordnung von Hernaman-Johnson fielen die Röntgenstrahlen von unten zunächst um die Verhältnisse der Filterung im Gewebe nachzuahmen durch einen Behälter mit einer mehrere Zentimeter dicken Wasserschicht und dann durch die in schwarzes Papier lichtdicht eingewickelte Platte, gegenüber deren von der Strahlenquelle abgewendeten Schichtseite, und zwar außerhalb des Papier- umschlages, sich entweder eine Silberfolie oder Silber und andere Metalle und Me- tallsalze in Pulverform befanden. Es zeigte sich, daß auch durch das Papier hindurch eine deutliche Schwärzung an den Stellen eintrat, an denen die Silberfolie oder das Silberpulver der Schicht der Platte gegenübergelegen hatte. Im Gegensatz dazu übte Wismutsubnitrat, wie es für Kontrastmahlzeiten benutzt wurde, keinerlei Wir- kung aus. Indem gleichzeitig eine Schwärzungsskala mit verschiedenen Intensitäten auf eine solche Platte mitphotographiert wurde, konnte festgestellt werden, daß die Wirkungssteigerung durch die rückwärtige Fluoreszenzstrahlung des Silbers etwa 30%

424 H. Holthusen

betrug. Der Umstand, daß das Wismutpulver keinerlei Sekundärstrahleneffekt zeigte, bestätigt nur die Tatsache, daß von den von Hernaman-Johnson benutzten mittel- harten Röhren die K-Strahlung des Wismut noch nicht erregt wird. Die zweifellos erregte L-Strahlung war zu schwach, um eine meßbare Schwärzung hervorzurufen. Salzmann fand in seinen Versuchen mit einer Röhre von 10 Wehnelt Härte und 6 mm Aluminium- filter auf einer in 50 cm Abstand angebrachten Platte, hinter welcher der Schichtseite gegenüber die Metallbleche, ‚um einen direkten chemischen Einfluß der Metalle auf die Platte auszuschalten“, mit einer Lage dünnen Papiers bedeckt waren, die in der Schwär- zung der Schichtseite zum Ausdruck kommende Strahlenwirkung bei den Elementen vom Atomgewicht zwischen 107 und 120 (Ag 47—Sb;5l) am wirksamsten. Unbewußt hat damit der Verf. den Einfluß der leicht absorbierbaren Elektronenstrahlung aus- geschaltet und die alleinige Wirkung der charakteristischen Eigenstrahlung auf die photographische Platte gemessen. Die Unterschiede in der Sekundärstrahlenwirkung verschiedener Metallfolien ergaben sich auch aus einer Röntgenaufnahme, die in ganz ähnlicher Anordnung Dessauer und Cermak anfertigten. Die Strahlen durchdrangen zunächst das Plattenglas, darauf die photographische Schicht, dann eine 0,01 mm dicke Aluminiumfolie zur Absorption der Elektronenstrahlen und schließlich eine Reihe von nebeneinanderliegenden Metallblechen, nämlich Aluminium, Eisen, Kupfer, Zink, Zinn, Kadmium, Silber, Platin und Blei. Die Resultate Salzmanns, die allerdings nicht erwähnt werden, wurden dabei bestätigt. Aluminium bildete sich überhaupt nicht ab. Die Stellen, an denen Eisen, Kupfer und Zink gelegen hatten, waren durch eine schwache Schwärzung eben erkennbar, Silber, Kadmium und Zinn zeigten die kräftigste Silber- reduktien, und Platin und Blei bildeten sich wieder schwächer ab. Wurde die Strahlen- richtung umgedreht, d. h. durchdrangen die Röntgenstrahlen zuerst die Metallfolien, die mit Ausnahme von Platin und Blei möglichst genau gleich 0,1 mm gewählt wurden, so war in allen Fällen die Absorptionswirkung wesentlich stärker als eine etwaige Sekun- därstrahlenwirkung. Leider finden sich keine Angaben über die Qualität der benutzten Primärstrahlen. Eine Versuchsreihe, in der die relative Sekundärstrahlenemission ver- ‚chiedener Metalle in Abhängigkeit von der Strahlung untersucht wurde, stellte Verf. zusammen mit Sielmann an (noch nicht veröffentlichte Versuche). Es waren Eisen, Zink, Silber, Zinn, Wolfram, Gold, Blei in Form von quadratischen Metallblechen aus- gewählt, um die Sekundärstrahlen in einem möglichst großen Umfange des periodischen Systems zu überblicken. Die Strahlenqualität war in verschiedener Weise abgestuft. Die härteste benutzte Strahlung wurde von einem Neosymmetrieapparat nach Filterung durch 1,0 mm Kupfer gewonnen. Die Strahlungen mittlerer und niederer Härte wurden. von einem Radiosilexapparat geliefert, bei %0 und 10 Kilovolt wurden Lindemannröhren verwendet. Die Resultate einer solchen Versuchsreihe sind in Tabelle 7 wiedergegeben. Die Versuchsanordnung schloß sich an Hernaman-Johnson an. Zwischen Metall- oberfläche und Schichtseite der Films war zur Absorption der Primärelektronen ein dünner Karton dazwischengelegt. Um die Wirkung der Sekundärstrahlen auszuschalten, befand sich die ganze Anordnung in einem Bleikasten, von dem während der Dauer der Ex- position der Deckel heruntergezogen wurde. Der Umstand, daß auf diese Weise auch außerhalb der Metallbleche die Bleistrahlung, wenigstens bei starken Primärstrahlen, sich an der Schwärzung der Filme zwischen den Metallblechen beteiligen konnte, macht eine quatitative Auswertung der Schwärzungsintensitäten unmöglich. Dagegen kommt in der Änderung der relativen Beteiligung der verschiedenen Metalle an der Sekundär- strahlenwirkung die Abhängigkeit der Sekundärstrahlenemission von der Qualität der Primärstrahlung gut zum Ausdruck Bei den härtesten verwendeten Primärstrahlen des Neosymmetrieapparates werden die Wolframstrahlen wenigstens ebenso stark erregt:

Sekundäre Wellenstrahlung; experimentelles 425

Tabelle 7. Die Wirkung der charakteristischen sekundären Wellenstrahlung verschiedener Metalle auf Röntgenfilms.

Strahlung Fe Zn Ag Sn W Au Pb

Symmetrie; Span-

nungshärtemesser:

125; 1,0 mm Cu

+ 0,1 mm Al.-Filter O Spur ? + + + + + + + Radiosilex 100 kV. eff.

1,0 mm Cu

+ 0,1 mm Al.-Filter O O + + + + + + O Radiosilex 80 kV. eff.

0,5 mm Cu

+ 0,1 mm Al.-Filter O Spur + + + |schw. + Spur O Radiosilex 60 kV. eff.

3 mm Al.-Filter O schw. + Radiosilex 40 kV. eff.

2 mm Al.-Filter O + +: + O O O Radiosilex 20 kV. eff.

1 mm Al.-Filter schw. + +! + Spur O O Spur Radiosilex 10 kV. eff.

Lindemannröhre,

Papierfilter + + Spur O Spur Spur Spur

+ + UN il

=

e) O

wie die Zinnstrahlen, bei sehr weichen Primärstrahlen, 10 und 20 Kilovolt und Lindemann- röhren wird nur die K-Strahlung von Eisen und Zink deutlich erregt und allenfalls macht sich die L-Strahlung des Bleis etwas geltend.

Von besonderem Interesse sind die Versuche von Friedrich und Bender, und zwar deswegen, weil sie die Einwirkung der sekundären Wellenstrahlen verschiedener Sub- stanzen nicht nur in fester Form, sondern auch in Lösungen zeigen. Die Verf. be- nutzten eine Versuchsanordnung, die den Verhältnissen, wie sie bei der Anwendung fester, kompakter und fein verteilter Sekundärstrahler im Körper verwirklicht ist, wesentlich näher kommt als die bisher beschriebenen Versuche, indem sie die Sekun- därstrahler im Wasserphantom untersuchten. Bei dieser Versuchsanordnung ging der Ausfall an Streustrahlung aus dem Wasser, der durch das Einbringen des Sekundär- strahlers verursacht wurde, mit in die Messung ein (vgl. S. 414). Die Messung geschah mit einer Ionisationskammer von 1 cem Inhalt, die in dem Wasserphantom in beliebige Lagen gebracht werden konnte. Da in der Wand der Ionisationskammer, die aus 0,01 mm dickem Aluminium bestand, mit Sicherheit alle Primärelektronen festgehalten wurden, so kam nur die primäre und sekundäre Wellenstrahlung und Streustrahlung zur Messung. Es wurden Sekundärstrahler in fester Form (Silber, Wolfram, Blei) und fein verteilt (Lösungen von Jodkali, Chlorbarium, Natriumwolframat, Kollargol) untersucht, wenn die Strahlung einer Glühkathodenröhre am Induktor, gefiltert durch 3 bzw. 10 mm Aluminium oder 1 mm Kupfer, auf sie wirkte. Bei Anbringung der Sekundärstrahler in Luft, dicht hinter der Ionisationskammer (die Lösungen in einem Zelluloidkästchen von 10 x 10 X 3cm), wurde der Effekt in einem Maße verstärkt, daß er zwischen 0,9 % (bei Aluminium) und 17,5%, (bei Silber) der Dosis ohne Sekundärstrahler schwankte. Bei einer die Wirkung der Sekundärstrahler im menschlichen Körper nachahmenden Anordnung im Wasserphantom trat, wenn sich die Ionisationskammer an der Oberfläche einer 20 cm hohen Wasserschicht befand, in der Regel eine Abschwächung der Wirkung durch unter die Kammer gelegte Metalle oder durch in Wasser zur Auflösung gelangte Metallsalze ein, nur bei 7 % igen Lösungen von NaWO, zeigte sich eine geringe Intensi-

426 H. Holthusen

tätszunahme. Daß hierbei die Abschirmung der rückwärtigen Streustrahlung durch die zwischengeschalteten absorbierenden Medien eine Rolle spielt, wurde auch dadurch gezeigt, daß bei Verringerung der Feldgröße von 15 x 15 bis auf 2 x2cm der Einfluß der Sekundärstrahler in den meisten Fällen wieder wirkungsverstärkend wurde. Umgibt man die Meßkammer mit einer die Lösungen der Sekundärstrahler enthaltenden dünn- wandigen Glaskugel von 6 cm Durchmesser und mißt im Wasserphantom, so zeigt sich, mit Ausnahme von Wolframsalzen und Kollargol in 5% iger Lösung, stets eine abschwä- chende Wirkung. Die Absorption überkompensiert also den Sekundärstrahleneffekt, mit Ausnahme von Wolfram, welches für seine eigene, in der Primärstrahlung vorwiegend vorhandene K-Strahlung ein besonders geringes Absorptionsvermögen besitzt. Mit Recht entnehmen die Verf. aus ihren Versuchen, daß auch in der Sekundärstrahlen- therapie die Streustrahlung eine wichtige Rolle spielt, allerdings nicht als wirkungssteigern- der Faktor, sondern als negatives Moment, indem die teilweise Ausschaltung ihres bei Tiefentherapiestrahlungen wesentlichen Einflusses den Vorteil, der durch die Bildung von sekundären Wellenstrahlen evtl. erzielt werden kann, wieder aufwiegt. Bemerkens- wert ist die Wirkungssteigerung beim Wolfram.

Der von den Autoren aus ihren Zahlen gezogene Schluß, daß die Sekundärstrahlen- therapie bei den üblichen Härtegraden nur eine verschwindende Bedeutung hat, ist gleichwohl nicht berechtigt, weil in den beschriebenen Versuchen, wie die Verf. übrigens selber betonen, die Primärelektronen nicht mitgemessen wurden. Nach allem, was wir wissen, kommt ihnen eine besondere Bedeutung auch bei der Sekundärstrahlensen- sibilität zu.

2. Die sekundäre Elektronenstrahlung.

Der Einfluß der von stark absorbierenden Körpern ausgehenden Elektronenstrahlung wurde auf verschiedenen Wegen nachzuweisen versucht. Mit der ionometrischen Methode kann man die Elektronenemission aus Metallwänden in der Weise untersuchen, daß man die Wand der Ionisationskammer selber aus verschiedenen Metallen herstellt oder inner- halb der Ionisationskammer strahlende Flächen aus verschiedenen Metallen in den Weg des Röntgenstrahlenbündels bringt. Auf diesem Wege hat zuerst Innes nachgewiesen, daß die durch Röntgenstrahlen ausgelöste sekundäre Kathodenstrahlung mit dem Atom- gewicht des Strahlers ansteigt. Die relativen Intensitäten der Ionisation, welche die aus Metallen austretenden Primärelektronen in der Luft einer Ionisationskammer er- zeugen, wenn sie von den homogenen Eigenstrahlen verschiedener Metalle erregt wurde, hat Sadler für eine Reihe von Metallen untersucht. Die Zahlen Sadlers zeigen deutlich, daß die Elektronenemission ein Minimum hat. Allerdings tritt nur beim Kupfer und Zink als emittierenden Metallen das Minimum gerade dann auf, wenn die Wellenlänge der Erregerstrahlung mit der charakteristischen Strahlung des emittierenden Metalles übereinstimmt. Doch genügen die vier gewählten Sekundärstrahler (Aluminium, Eisen, Kupfer, Silber) nicht, um bei den übrigen emittierenden Metallen Näheres über den Gang der Elektronenemission mit der Ordnungszahl auszusagen. Moore verglich den von ver- schiedenen Gasen hervorgerufenen Ionisationseffekt und fand, daß die von der homo- genen Kupferstrahlung erregte Atomionisation für Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel und Chlor innerhalb der Versuchsfehlergrenzen mit der vierten Potenz des Atomgewichtes proportional ansteigt. In den Messungen Holthusens, in denen in einer lonisationskammer die Wandstrahlung von Papier, Paraffin, Aluminium und Kupfer bei mittleren Härtegraden miteinander verglichen wurde, stimmten die Messungen gut miteinander überein unter der Annahme, daß die reine, aus der Wand austretende Elektronenstrahlung mit dem Absorptionskoeffizienten parallel ginge. In sehr eingehen-

Sekundäre Elektronenstrahlung 427

den Untersuchungen von Berg und Ellinger mit Metallblechen und Gußstücken ergab sich, daß die Elektronenemission der Inzidenzseite (vgl. S. 419) von Aluminium bis Thorium mit der Ordnungszahl erheblich anstieg. Der Verlauf der Elektronenemission in Ab- hängigkeit von der Stellenzahl des Sekundärstrahlers bei den drei verschiedenen unter- suchten Spannungen ist in Abb. 5 wiedergegeben. Als Abszissen sind die Ordnungs- zahlen der untersuchten Elemente, als Ordinaten die Elektronenemission angegeben. Die punktierten Linien geben die Lage der Edelgase und damit den Beginn je einer neuen Reihe des periodischen Systems zu erkennen. Die drei übereinanderliegenden Kurven verbinden die Meßresultate bei den drei verschiedenen Spannungen. Die Zunahme der Wandemission erfolgte um so rascher in der Elementenreihe, je niedriger die Spannung der Primärstrahlung gewählt war.

` T ap H D Ae A A Ze in

Das Verhältnis der Elektronenemis- 2 | T I : TI a H D D D Ki $ sion von Aluminium und Thorium e

betrug für eine Primärstrahlung ` wer von 84 kV. 1: 70,5, für 120 kV. 1:67 %

159 und für 148 kV. 1:36. Es liegt nahe, mit t für dieses auffälige Verhalten die 3% Rückstoßelektronen in Anspruch zu an nehmen. Die von diesen ausgehende F

Ionisationswirkung steigt nur wenig Š mit der Ordnungszahl an und über- | 2 lagert sich der lIonisationswirkung ` aw der eigentlichen Absorptionselek- tronen. Ihr Einfluß müßte sich ge- u

rade in der gefundenen Richtung 3 | I geltend machen, indem durch sie —- Urdnungszahl der Elemente die Unterschiede in der Elektronen- Abb. 5. Die Elektronenemission

in Abhängigkeit von der Stellenzahl in der Elementar-

emission zwischen den einzelnen reihe (nach Berg und Ellinger).

Metallen ausgeglichen würden, und zwar in steigendem Maße mit an- wachsender Härte der Erregerstrahlung. Den wellenförmigen Verlauf der Kurven möchten die Verf. mit den Perioden des natürlichen Systems in Zusammenhang bringen und dahin interpretieren, daß immer im Anfang der Perioden der Anstieg langsam erfolgt. Wahr- scheinlicher ist, daß hier der Einfluß der K-Emission zum Ausdruck kommt. Mit Wahr- scheinlichkeit ist sogar zwischen den Elementen 53 (Jod) und 74 (Wolfram) ein Emis- sionsminimum zu vermuten, das nur deswegen sich dem Nachweis entzogen hat, weil aus dem Gebiete der seltenen Erden keine Elemente untersucht wurden. Die zweite Kurven- einbuchtung beruht allein auf der Messung der Emission des Molybdans und dürfte nicht genügen, um daraus ein grundsätzliches Verhalten der Emissionskurve abzuleiten. Das Auftreten eines Minimunis der Elektronenemission auch bei komplexer Erregerstrahlung zwischen Jod und Wolfram wurde übrigens von Liechti im biologischen Versuche direkt nachgewiesen (vgl. S. 432).

Auf photographischem Wege zeigte zuerst Hernaman-Johnson nach derselben Methode, wie sie oben beschrieben wurde, mit dem einzigen Unterschiede, daß die Me- talle bzw. Metallsalze nicht außen auf das Entwicklungspapier der Platte, sondern un- mittelbar auf die Schicht gelegt wurden, daß der Effekt der Schwärzung bei dieser An- ordnung wesentlich stärker ausfällt. Die Berechtigung seiner Deutung, daß es sich dabei um die Wirkung der Elektronenstrahlen handelt, geht auch daraus hervor, daß die Inten- sität der Schwärzung, welche die verschiedenen Metalle bei dieser Versuchsanordnung

428 H. Holthusen

auf die photographische Platte ausübten, mit steigendem Atomgewicht kontinuierlich größer wurden. Mit Metallen von einem Atomgewicht von über 126 konnte Hernaman- Johnson, wenn eine Papierlage zwischen der Plattenoberfläche und der Sekundär- strahleroberfläche lag, wie wir schon berichteten, keine Schwärzung mehr nachweisen. Lag jedoch die Sekundärstrahleroberfläche der photographischen Schicht unmittelbar auf, so gaben Wismut und Blei eine besonders starke Silberreduktion. Einen ganz ähn- lichen Versuch führte Löwenthal 1912 aus. Er brachte Metallbleche oder Pulver von Aluminium, Stahl, Eisen, Kupfer, Zink, Silber, Platin und Blei hinter die Ausschnitte eines Kartons und legte darauf mit der Schichtseite eine photographische Platte. Er benutzte, weil es ihm darum zu tun war, die Wirkung besonders harter, gammastrahlen- ähnlicher Röntgenstrahlen zu demonstrieren, durch 1 mm Blei gefilterte harte Röntgen- strahlen eines Apexinstrumentariuns mit Gundelachröhre. Die Schwärzung beschränkte sich auf die Teile der Metallbleche, die den Kartonausschnitten gegenüberlagen, waren also durch die stark absorbierbare Elektronenstrahlung hervorgerufen, in steigendem Maße mit der Zunahme des Atomgewichtes des Metallstrahlers.

Es liegt nahe, diesen Sekundärstrahleneffekt auf die Röntgenplatte in der Weise auszunutzen, daß man geeignete Sekundärstrahler der Bromsilberemulsion selber zu- setzt. Merkwürdigerweise haben derartige Versuche bisher zu praktischen Ergebnissen nicht geführt. Schleußner hat zwar eine ausgezeichnete, für Röntgenstrahlen sensi- bilisierte Platte, die sog. ‚‚Neoplatte‘‘, herausgebracht, in welcher eine wirksame Ad. sorptionsverbindung des Bromsilbers mit einem komplizierten Strontiumsalz eine Wir- kungsverstärkung besonders für weiche Strahlen, und zwar nur für die Belichtung durch Röntgenztrahlen, hervorruft. Dennoch läßt es Verf. dahingestellt, ob bei den verhältnis- mäßig geringen Mengen, in denen sich der Sekundärstrahler zur Anwendung bringen ließ, überhaupt eine Verstärkung durch sekundäre Strahlung es ist hier natürlich in erster Linie an sekundäre Elektronenstrahlung zu denken —- als ursächlich in Betracht kommt.

Einen anderen photochemischen Prozeß als die Bromsilberreduktion durch Röntgen- strahlen versuchte Ziegler mit Sekundärstrahlen zu sensibilisieren, nämlich die Eder- sche Mischung, deren Beeinflussung durch Röntgenstrahlen bereits seit langer Zeit bekannt ist und sogar Veranlassung gegeben hat, darauf eine dosimetrische Methode aufzubauen (Kalomelandosimeter von Schwarz). Ziegler bestrahlte das Edersche Gemisch, eine wäßrige Lösung von Ammoniumoxalat und Sublimat, in flach gewölbten, allseitig geschlossenen Kuvetten von 40—50 ccm Rauminhalt und untersuchte, ob die Geschwindigkeit der Kalomelausfällung dadurch beeinflußt wird, wenn er Jod als Se- kundärstrahler hinzufügte. Da bei der Verwendung von Jod in pulverisierter Form sofort ein unlöslicher Niederschlag von Jodquecksilber entsteht, so benutzte er ein fein pul- verisiertes Jodoform, das zu 96,5 % aus Jod besteht. Das Jodoform wurde zwecks feinster Verteilung mittels einer Pulvergebläses der Quecksilbersalzlösung zugefügt und mußte, da es ziemlich rasch zu Boden sinkt, im Anfange des Versuches alle !/,—!/, Minuten kräftig ge- schüttelt werden. In verschiedenen Versuchen, in denen der Jodgehalt der Mischung bis zu 4%, betrug, war niemals eine Wirkungssteigerung durch den Jodoformzusatz festzu- stellen. Es scheint, daß die Verhältnisse für die Wirkung der Sekundärstrahlung in dieser Versuchsanordnung aus verschiedenen Gründen ungünstige gewesen sind. Zunächst war das Jodoform eben nicht in molekularer oder kolloidaler Verteilung, sondern in verhältnis- mäßig grober Suspension vorhanden. Sodann bewirkte die Sedimentierungsgeschwindig- keit, wie der Verf. selbst angibt. eine Verteilung, bei der die oberen Schichten den Sekun- därstrahler in verhältnismäßig geringerer Konzentration enthielten als die tieferen Schichten, und schließlich ist anzunehmen, daß die Schichtdicke, über die sich leider keine Angabe findet, bei einer Menge von 40—50 cem so groß war, daß die Mehrabsorption

Biologische Untersuchungen 429

die evtl. Sekundärstrahlenwirkung überwog. Denn daß eine Steigerung der Röntgen- strahlenwirkung durch Hinzufügen von Metallsalzen als Sekundärstrahlenspendern zu einem strahlenempfindlichen System möglich ist, zeigt eine einfache und demonstrable Versuchsanordnung, bei der die Wirkung auf die Röntgenfluoreszenz als Maßstab dient. Bringt man eine 1 % ige saure Chininsulfatlösung in eine Metallschale Glas zu nehmen verbietet sich wegen der dann störenden Röntgenfluoreszenz des Glases und beobachtet sie im Innern des Radioskops, aus dem alle Glasteile entfernt sein müssen, und bringt zum Schutze der Augen vor die der Beobachtung dienende seitliche Öffnung ein Bleiglas, so sieht man beim Einschalten der Röhre die Chininlösung in blaßgrünlicher Fluoreszenz aufleuchten. Fügt man zu der Chininsulfatlösung eine geringe Menge Zink- sulfat, so wird die Fluoreszenz erheblich heller. Der Beweis dafür, daß die Wirkungs- steigerung in diesem Falle durch physikalische Sensibilisierung, und zwar durch Ver- mehrung der Elektronendichte von den Absorptionszentren der Metallatome her hervor- gerufen ist, wird dadurch schlüssig, daß die Wirkungssteigerung mit dem Absorptions- vermögen des zugesetzten Metallsalzes anwächst. Beim Hinzufügen äquimolekularer Mengen von Natrium- und Zinksulfat ist die Wirkungssteigerung auf die Chininfluoreszenz beim Zinksulfat wesentlich stärker.

B. Biologische Untersuchungen.

Die geschilderten physikalischen und photochemischen Modellversuche finden ihre Ergänzung in einer Reihe biologischer Experimente, welche die Möglichkeit der Aus- nutzung der Sekundärstrahlensensibilisierung auch für klinische Zwecke dartun sollten. Gauß und Lembcke stellten Versuche über die Wirkung der Röntgenstrahlen auf Kaul- quappen an, die in Kollargollösungen (1:25—1:400 einer 2% igen Stammlösung) sus- pendiert waren. Sie verglichen jedoch nur die Wirkung verschieden gefilterter Strah- lungen miteinander, nicht den Einfluß der Anwesenheit des Kollargols als solchem. So ist denn jedenfalls auf Grund der im übrigen sehr ausführlich mitgeteilten Protokolle nicht festzustellen, ob der von den Verf. gezogene Schluß, daß es möglich sei, durch Be- nutzung eines zweckmäßig gewählten Strahlentransformators einen stärkeren Ausschlag im Effekt zu erzwingen, berechtigt ist. Aus dem gleichen Jahre stammen Versuche von Schwarz, der Erbsenkeimlinge gleichzeitig in Wasser und einer Elektrargollösung bestrahlte und bei letzteren stärkere Wachstumshemmungen erzielte. Das gleiche Er- gebnis hatte Hernaman-Johnson bei der Bestrahlung von Senf- und Baumwoll- samen. Wenn Silberpulver zwischen die Samenkörner gemischt wurde, so war die gleiche Wachstumshemmung mit kleineren Dosen zu erreichen. Petry ging von den Unter- suchungen von Tappeiner und Neuberg über die lichtkatalysatorische Wirkung von fluoreszierenden Substanzen und Metallsalzen aus und untersuchte die Wirkung zahl- reicher Stoffe auf Amöben, auf Lab- und Pegninlösung. Dabei kamen eine Reihe von Schwermetallsalzen, allerdings in sehr großen Verdünnungen, zur Anwendung. Da, wie der Autor selber feststellte, eine viertägige Kultur von Amöben des Heuinfuses 15 E.D. glatt ertrug, im allgemeinen die mit Katalysatoren versetzten Amöben jedoch nur mit 2—4 E.D. bestrahlt wurden, so hätte es schon einer außerordentlich starken Sensibili- sierung bedurft, um überhaupt den Effekt der Schädigung nachweisbar zu machen. Bei den gewählten Verdünnungen, die beim wolframsauren Natrium zwischen 1:200 bis 1:600 schwankten, und beim Urannitrat 1:200000 erreichten, ist das nicht gerade wahrscheinlich. So fielen denn sowohl die Versuche an Amöben wie die mit Labextrakt, mit 4%, iger Pegninlösung und schließlich die mit der Hämolyse angestellten kombinierten Röntgenbestrahlungsversuche negativ aus. Zu den gleichen negativen Resultaten kam

430 H. Holthusen

von Wassermann, der bei seiner Untersuchung über die Strahlenwirkung auf Mäuse- karzinomzellen in der Zuführung von kolloidalen Metallen sowohl in corpore wie in vitro nicht nur keine Wirkungssteigerung sah, sondern bei den vorbehandelten Karzinomen eher eine Verminderung der Strahlenwirkung feststellte. Dagegen kamen Halber- städter und Goldstücker in Versuchen an Trypanosomen in vitro zu dem entgegen- gesetzten Resultat. Sie hatten gefunden, daß das mäusepathogene Trypanosoma brucei mit 300 X bestrahlt eine deutliche Verzögerung im Angehen der Infektion bei einer Maus verursacht und bei 400 X völlige Abtötung der Trypanosomen erreicht wurde. In den Sensibilisierungsversuchen wurden die Trypanosomen in Lösungen von Elektrokuprol und Elektromartiol, die durch Kochsalz isotonisch gemacht worden waren, mit normalen Kontrollen verglichen und außerdem Versuche mit Kuprase gemacht. Während das ebenfalls auf seinen wirkungssteigernden Effekt untersuchte Enzytol keine Förderung gegenüber Kochsalz erkennen ließ, tötete Elektrokuprol die Trypanosomen in einer Serie, in der sie im Kochsalz durch 400 X noch nicht beeinflußt wurden, schon bei 300 X; Elektromartiol zeigte wenigstens bei 400 X deutliche Verzögerung beim Angehen der Infektion in der Maus. Elektrokupol 1:10 hatte Kochsalz gegenüber keinen Vorteil, ebensowenig Kuprase 1:1000. Elektrokuprol und Elektromartiol verstärken also die Röntgenwirkung bei geeigneter Dosierung. Während die sensibilisierende Wirkung des Enzytol auf eine Summation von chemischer und Strahlenwirkung zurückgeführt werden muß, schließen die Autoren beim Elektromartiol, weil es bei vierstündigem und noch längerem Aufenthalt mit Trypanosomen völlig wirkungslos blieb, Summationswirkung aus und halten Sensibilisierung durch Sekundärstrahlen für wahrscheinlich. Über die Berechtigung dieser Schlußfolgerung vgl. S. 438.

Eingehende biologische Versuche über die Steigerung der Strahlenwirkung durch Sekundärstrahlen liegen von Gudzent vor. Ihm kam es vor allem darauf an, festzustellen, ob die minimalste Menge der sekundärstrahlenspendenden Metalle, die der Körper über- haupt verträgt, noch einen biologischen Effekt hervorbringt und wie groß dieser ist. Er machte bei Mäusen und Kaninchen intramuskuläre bzw. intravenöse Injektionen von Jodkali (bis 1,4 g pro kg), Eisen, Kupfer, Silber, Platin, Wismut, Gold (die Metalle in kolloidaler Lösung) in den für diese Versuchstiere maximal erträglichen Dosen, mit denen die beim Menschen erreichbaren Konzentrationen jedenfalls erheblich überschritten wurden. Ein verwertbarer Unterschied zwischen vorbehandelten und Kontrolltieren zeigte sich nirgends. Die Bestrahlungen wurden mit Gammastrahlen und hartgefilterten Röntgenstrahlen vorgenommen und die Wirkungsstärke aus der Zeit bis zum eintretenden Tode nach der Bestrahlung ersehen. Mit Ausnahme vom Jod rechneten die gegebenen Metallmengen nach Zehnteln bzw. Hundertsteln Gramm pro Kilogramm Körper- gewicht. Auch Müller stellte seine Versuche unter dem Gesichtspunkte an, eine An- schauung über den Grad der biologischen Wirkung künstlich im Tierkörper erzeugter Sekundärstrahlung eine Anschauung zu erhalten. Dabei sollten nach Möglichkeit Ver- hältnisse geschaffen werden, wie sie für die Praxis in Betracht kommen. Als Kriterium für den Grad der Strahlenwirkung zog er die Kurve des sich an die Bestrahlung an- schließenden Leukozytenabfalles heran, nachdem er sich in Vorversuchen davon über- zeugt hatte, daß Intensität der Strahlenwirkung und Leukozytenverminderung einiger- maßen miteinander parallel gingen. Die eigentlichen Versuche wurden an Kaninchen und Meerschweinchen ausgeführt und als Sensibilisator in der Hauptsache kolloidales Eisen, in einem Versuche auch Kollargol angewendet. Das kolloidale Eisen wurde in Mengen von 30 ccm intravenös und von 20— 40 cem intraperitoneal gegeben. In dem Kollargol- versuch waren dem Kaninchen an 5 Tagen im ganzen 18 ccm einer 5 % igen Kollargol- lösung intravenös injiziert worden. Der Leukozytenabfall war fast in allen Fällen

Biologische Untersuchungen an Trypanosomen, Warmblütern und Bakterien 431

(6 Versuche) nach der Sensibilisierung deutlich gesteigert, was von dem Autor als Wirkung der sekundären Betastrahlung gedeutet wird.

Während es sich in den bisher beschriebenen biologischen Versuchen stets um die Frage nach der Wirkung fein verteilter Sekundärstrahlenspender in mehr oder minder großer Verdünnung handelte, verwandten Milani und Donati eine Versuchsanordnung, in welcher die biologische Wirkung der von einem massiven Sekundärstrahler aus- gehende Sekundärstrahlung in die Erscheinung trat. Es wurde der Einfluß der von Me- tallblechen ausgehenden Sekundärstrahlung auf oberflächliche Agarkulturen verschie- dener Bakterienarten (prodigiosus und pyocyaneus) untersucht. Dabei durchsetzten die Röntgenstrahlen zunächst den Glasboden der Petrischale, dann den Agar, darauf die Bakterienschicht und fielen schließlich auf die dieser gegenüber in sehr nahem Abstande angebrachten Metallbleche, deren Sekundärstrahlen auf diese Weise ungehindert auf die Kulturoberfläche fallen konnten. Es wurden folgende Metalle benutzt: Aluminium, Eisen, Kupfer, Zink, Silber, Zinn, Platin, Gold, Blei. Die bakterizide Wirkung steigerte sich mit dem Atomgewicht des Metalles. Sie war beim Aluminium äußerst gering und hatte beim Gold ein Maximum. Der Autor, der seine Versuche auf Anregung von Ghilar- ducci anstellte, führt die Wirkung auf die in den Metallen entstehende weiche Fluores- zenzstrahlung zurück. Halberstädter und Meyer griffen diese Versuche auf und bestätigten sie in vollem Umfange. Sie untersuchten fast die gleichen Metalle wie die zuletzt genannten Autoren, außerdem Wolfram und Quecksilber. Auch bei ihnen zeigte Aluminium keine Wirkung. Dann nahm mit steigendem Atomgewicht dcs Metall- strahlers die wachstumshemmende Wirkung bis zu einem Maximum beim Gold zu und hielt sich bei den Metallen mit noch höherem Atomgewicht auf der gleichen Stärke. Eine oligodynamische Wirkung wurde in der Weise ausgeschaltet, daß eine Goldplatte für 8 Stunden unter denselben Bedingungen wie beim Bestrahlungsversuch in die Nähe einer frisch angelegten Kultur gebracht wurde. Eine Einwirkung auf das Bakterienwachs- tum war dann nicht vorhanden. Die Bestrahlung wurde mit einem Siemens & Halske- Induktor und Coolidgeröhre ausgeführt. Daß es sich um den Einfluß einer sehr stark absorbierbaren Strahlung handelte, ging daraus hervor, daß dort, wo die Platinnadel beim Beimpfen der Platten ein wenig in den Agar geraten war und die Kolonien so in die Tiefe wuchsen, selbst unter Gold nur eine geringe Wachstumshemmung eintrat.

Cluzet, Rochaix und Kofman stellten ebenfalls an Bakterien die Wirkung der sekundären Röntgen- und Radiumstrahlung fest. Wurden Peptonwasserkulturen von Typhus und Pyozyaneus in Röhrchen von 10 mm Durchmesser gebracht und ein Radiumröhrchen von 15 mg RaBr, in einer Platinhülse von 0,5 mm Dicke in die Kultur- flüssigkeit eingetaucht, so gelang es, bei Temperatur durch 12tägige Bestrahlung bei Typhus und ”tägige Bestrahlung bei Pyozyaneus das Wachstum völlig zu unter- drücken. Daß hierbei die Wirkung von sekundären Betastrahlen vorliegt, die von der Platinhülse des Radiumpräparates ihren Ausgang nehmen, wurde dadurch nachgewiesen, daß eine 1 mm dicke Glasschicht um das Platinfilter des Radiumröhrchens die schädigende Wirkung fast vollständig aufhob insofern, als nach 12tätiger Bestrahlung bei Pyozyaneus nur geringe Entwicklungsverzögerung von etwa 10 Stunden gesehen wurde. In den Röntgenversuchen der Verf. wurden massive Metallstücke oder kolloidale Metallösungen als Sekundärstrahler in die Kulturflüssigkeit gebracht. Aussaaten von Kulturen, die nur mit Metallen zusammengebracht oder nur bestrahlt waren, dienten als Kontrollen. Von soliden Metallen bewirkte Aluminium in Peptonwasserkulturen von Typhusbazillen im Vergleich zu den Kontrollen eine Wachstumshemmung. Eisen und Kupfer wirkten an und für sich kulturschädigend. Bei Dysenteriebazillen zeigten Kobalt und Nickel eine auf Sekundärstrahlen zu beziehende Wachstumshenimung. Wirkungslos blieben

432 H. Holthusen

Selen und Wismut selbst nach 14stündiger Bestrahlung. Durch Kadmium wurde die Kultur von vornherein geschädigt. Gar keine Wirkungen wurden mit harten Strahlen erzielt (20 Tage lang je 90 Minuten Bestrahlung) und ebensowenig mit kolloidalen Metall- lösungen, die mit Peptonwasserkulturen im Verhältnis 2,5:1,5 gemischt bestrahlt wurden, soweit nicht, wie beim Silber, das Metall selber bakterientötend wirkte.

Immer mehr wurde in den weiteren Arbeiten die Rolle der Elektronen bei dem Zustandekommen des Sensibilisierungseffektes in den Vordergrund gestellt. Am stärk- sten zeigte sich ihr Einfluß in den Versuchen von Ellinger und Gans, in denen die Wirkung einer sekundären Fluoreszenzstrahlung von vornherein ausschied, weil sie in merklicher Menge durch die benutzten Strahlengemische gar nicht erregt wurde. In einem großen Teile der bisher beschriebenen Versuche, vielleicht mit alleiniger Ausnahme der eben genannten und der Versuchsanordnung von Milani und Donati und Halber- städter und Meyer, in denen die Sekundärstrahlenspender nicht in unmittelbare Be- rührung mit dem biologischen Objekt gebracht waren, mußte es zweifelhaft bleiben, ein wie großer Bruchteil der erzielten Wirkungssteigerung auf die Mitwirkung chemischer Einflüsse zurückzuführen sei. In den Versuchen von Holthusen wurde vor allem Wert darauf gelegt, die für das Zustandekommen der Wirkungen maßgebenden physikali- schen und chemischen Faktoren voneinander zu trennen. Als Kriterium für die Inten- sität der Strahlenwirkung diente die Hämolyse und später der Grad der Braunfärbung von verdünntem hämolysierten Blut durch Methämoglobinbildung. Zu der Erythro- zytensuspension bzw. den Hämoglobinlösungen wurden als Sensibilisatoren verschiedene Metallsalze, und zwar Kochsalz, Bromkalium, Jodkalium und Bariumchlorid hinzu- gefügt. Um einen Maßstab für den Einfluß zu haben, den die Anwesenheit der Salze als solcher auf die Geschwindigkeit der Methämoglobinbildung ausübte, diente der Ver- gleich mit der Wirkung, den der Zusatz der gleichen Salze auf die Reaktionsstärke der unter denselben Bedingungen vorgenommenen Quarzlampenbestrahlung ausübte. Hierbei wurde von der Voraussetzung ausgegangen, daß sich die Licht- und Röntgen- reaktion ihrem Wesen nach nicht voneinander unterscheiden, wohl aber in den physika- lischen Bedingungen ihres Zustandekommens, indem bei der Lichtreaktion die Absorp- tion im lichtempfindlichen Molekül selber alleiniger Wirkungsort ist, bei der Röntgen- reaktion aber auch die umgebenden Reaktionszentren als Sekundärstrahlenspender mit in Betracht gezogen werden müssen. Bei einem Vergleich der Geschwindigkeiten, mit denen sich die Hämoglobinlösungen nach verschiedenen Salzzusätzen im Röntgen- versuch, bzw. Quarzlampenversuch durch Methämoglobinbildung verfärbten, ergab sich, daß Ausmaß und Geschwindigkeit der Methämoglobinbildung beim Bariunichlorid relativ zu den übrigen Salzen im Röntgenversuch auf etwa das Dreifache anstieg. Schon der Umfang dieser Wirkungssteigerung weist darauf hin, daß es sich dabei nur um den Ein- fluß der ausgelösten Primärelektronen handeln kann. Der Beweis dafür, daß die Wirkungssteigerung von äußerst stark absorbierbaren Sekundärstrahlen ausging, wurde dadurch erbracht, daß die sehr radiosensiblen Askariseier, in den gleichen Lösungen bestrahlt, in ihrer Anspruchsfähigkeit auf die Röntgenbestrahlung in keiner Weise be- einflußt wurden. Offenbar hatte der geringe Radius der Eier, der etwa 0,05 mm beträgt, bereits genügt, um die wirksamen Sekundärstrahlen von einer Einwirkung auf den zentral gelegenen Kern fernzuhalten.

b- Neuerdings kam Liechti auf die experimentelle Anordnung von Milani und Do- nati und Halberstädter und Meyer zurück, indem er ebenfalls die Wirkung ver- schiedener Metallsekundärstrahlen auf oberflächliche Agarkulturen von prodigiosus untersuchte. Methodisch schließen sich die Versuche eng an Meyer und Halber- städter an." Zunächst wurde der Einfluß der Ordnungszahl auf die Stärke der Sekundär-

Biologische Versuche an Bakterien | 433

strahlenwirkung nachgeprüft. Im ganzen wurden die Resultate der Voruntersucher bestätigt. Bei Anwendung metallischer Platten zeigten Elemente hoher Ordnungszahl keine intensivere Wirkung als solche von mittlerem Z. Bei Versuchen mit Metallsalzen, die zum Zwecke der Untersuchung in stets frischem und trockenem Zustande in die Fächer eines 5 mm tiefen Holztroges gepreßt waren (Fe, Sr, Mo, Ag, Sn, J, Ba, Ce, Hg, Pb), war ein ausgesprochenes Wirkungsmaximum bei Ordnungszahlen zwischen 47 und 50, ein darauffolgendes Minimum bei Z = 58 oder etwas höher und ein zweites Maximum bei Z = 80 vorhanden. Während die Dosiserhöhung bei blanken Metallen das 40—50fache betrug, bewirkten die Metallsalze eine Erhöhung um etwa das 25fache. Der Einfluß der Qualität der Erregerstrahlung kam darin zum Ausdruck, daß sich bei harten Strahlen das Schädigungsmaximum im Vergleich zu weichen Strahlen um ein Geringes nach der Richtung höherer Ordnungszahlen verschob. Durch Vergleich der Wirkung der blanken Metalle mit der Wirkung nach Bedeckung mit 0,1 Paraffin oder 0,2 mm dickem geleimten Schreibpapier oder 0,1 mm dickem Zelophan wurde die Wir- kung stark herabgesetzt, aber nicht vollständig aufgehoben. Sie stieg jetzt schätzungs- weise linear mit der Ordnungszahl des emittierenden Elementes. Das Auftreten des Intensitätsmaximums möchte der Verf. als Ausdruck der Beteiligung einer Fluoreszenz- strahlung deuten. Die weitgehende Aufhebung der Wirkung durch ein so geringes Filter wie 0,1 mm Paraffin beweist, daß es sich um eine sehr stark absorbierbare Sekundär- strahlung handelt, wofür nur die Elektronenstrablung in Betracht kommt. Liechti sieht in dem Auftreten der zwei Maxima das Mitwirken der charakteristischen Wellen- strahlung. Daß der Einfluß der sekundären Wellenstrahlung überhaupt noch nachweisbar sein soll, wenn die Elektronenstrahlung für sich schon eine Wirkungssteigerung auf das 25—50fache hervorruft, ist schwer verständlich, da sie nach allem, was man weiß, nicht einmal eine Intensitätszunahme auf das Doppelte der Primärstrablung zur Folge hat. Wir möchten gerade umgekehrt unter Hinweis auf das S. 421 Ausgeführte sagen, daß die Fluoreszenzstrahlung das Auftreten des Minimums bedingt hat. Sein Auftreten in der Gegend des Cer erscheint bei der von Liechti benutzten Primärstrahlung durch- aus plausibel. Liechti ist damit in seinen Ergebnissen über Berg und Ellinger hinausgegangen und hat gezeigt, daß es auch bei komplexer Frregerstrahluug zu einem ausgesprochenen Minimum der Klektronenemission in der Gegend der Erregungskante kommt und nicht nur zu einem langsameren Anstieg mit der Ordnungszahl, wie es nach den Emissionskurven von Berg und Ellinger den Anschein hat. Holthusen und Sielmann haben kürzlich Versuche ausgeführt, welchen im wesentlichen die gleiche Methodik zugrunde lag wie Liechti und seinen Vorgängern, und deren aus- führliche Wiedergabe an anderer Stelle erfolgen soll. Auch sie kamen im wesentlichen zu einer Bestätigung der Befunde ihrer Voruntersucher. Allerdings wurde in diesen Versuchen, bei denen der Abstand der Metalle von der Kul.uroberfläche ein wenig mehr als 1 mm betrug, der gleiche Grad der Schädigung, den eine H.E.D. unter Zinn und Blei hervorrief, auf der freien Kulturoberfläche von einer Dosis ausgeübt, die zwischen 20 und 30 H.E.D. lag.

Abb. 6 zeigt die Wirkung der von einem Zinkblech ausgestrahlten Sekundärstrahlen (Primärelektronen) auf eine oberflächliche Prodigiosuskultur. Die Platte war während der Bestrahlung mit einer H KD des mit 100 kV. eff. betriebenen Radiosilexapparates unter Anwendung von 0,5 mm Kupfer + 1,0 mm Aluminiumfilter zur Hälfte abgedeckt. Die Grenze der Abdeckung ist in der Abbildung durch einen Strich angegeben; a ist die bestrahlte, b die unbestrahlte Seite. Die ausgesparte Partie, auf der nur vereinzelt oberflächliche Kolonien aufgeschossen sind, entspricht der Lage eines senkrecht zur Abdeckungsgrenze angebrachten Zinnbleches von 1 cm Breite. Die Wirkung der Elek-

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bu. 28

434 H. Holthusen

tronen greift deutlich über den Rand des Zinnbleches hinaus; der in seinem Wachstum beeinflußte Streifen ist wesentlich breiter als 1 cm und reicht auch mehrere Millimeter unter die abgedeckte Partie der Platte hinunter. Übrigens ist auch außerhalb des Zinn- streifens die Dichte der Kolonien auf der bestrahlten Plattenhälfte geringer als auf der unbestrahlten Hälfte. Die Platte zeigt zugleich, daß die vom Zinn- blech ausgehende Strahlung äußerst alssorhierbar war: eine dichte Aus- saat feinster Kolonien im Innern des Agars war auch direkt unter dem Zinnstreifen in keiner Weise in Zahl und Wachstum der Kolonien beein- flußt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß für den Grad der Wirkungssteigerung die Einzelheiten des Versuches von entscheidender

Abb. 6. Einwirkung der Sekundärstrahlung eines . = Zinnblockes auf eine oberflächliche Prodigiosuskultur. Bedeutung sind. Zu ihnen gehört l die Qualität der Erregerstrahlung

und der Abstand der Metalle von der Kulturoberfläche. Schließlich war das Versuchsobjekt selber, eine oberfläch- liche Bakterienkultur, dem Nachweis der sekundären Elektronenstrahlung besonders günstig, weil bei den Dimensionen der Bakterien selbst für die höchst absorbierbare Elektronenstrahlung eine Absorption innerhalb des Versuchsobjektes sich nicht wirkungs- hemmend geltend machte. Wählt man auch nur ein Objekt von etwas größerer Aus- dehnung, wie z. B. die Askaridencier, so beträgt die Zunahme der Wirkung zwischen Aluminium und Blei kaum noch das Doppelte. In der Tabelle 8 finden sich die Resultate

Tabelle 8 Prozentische Schädigung von Askarieiern bei Bestrahlung auf verschiedenen Materialien.

Strahlung: Radiosilex 90 kV. eff. Lilienfeldröhre

Zinkfilter Kartonfilter Holz (3cm dick)... .... 33 Aluminium `, aaa’. 69 49 Wolfram. . . 2. 2.2 2 2 20. 77 57 lege Zoe & 2.02% 2.3 E 82 67 Blei} u 0: E 0 5 ie e ehe 13 | 57

eines bisher nicht veröffentlichten Versuches des Verf. aus dem Jahre 192?, in dem die Eier gleichzeitig auf Holz und verschiedenen Metallblechen der zinkgefilterten Strah- lung des Radiosilexapparates bei 100 kV. eff. ausgesetzt waren. Die Intensität der Schädigung ist durch die Trozentzahl der entwicklungsgehemmten Larven ausgedrückt. Ziehen wir in Betracht, daß die Wirkung der rückwärtigen Streustrahlung sich gerade in umgekehrter Richtung, also beim Holz am intensivsten geltend machen müßte, so ist ein Einfluß von Sekundärstrahlen, und zwar, da die Wirkung mit der Ordnungszahl ansteigt, von sekundären Elektronenstrahlen unverkennbar. Er ist jedoch nicht ent- fernt so ausgesprochen wie in den Bakterienversuchen. Das Maximum der Schädi- gung heim Platin spricht dafür, daß sich hier bereits der Einfluß einer sekundären Wellenstrahlung (K-Strahlung) geltend macht (vgl. Zeile 2 der Tabelle 7).

Beziehungen zwischen klinischen und experimentellen Ergebnissen 435

VI. Die klinischen und experimentellen Ergebnisse der Sekundärstrahlentherapie unter Berücksichtigung ihrer theoretischen Grundlagen.

Es bleibt die Aufgabe, das physikalische und biologische Experiment mit dea klinischen Beobachtungen in Beziehung zu setzen. Unsere theoretischen Erörterungen führten uns unter Berücksichtigung der physikalischen Konstanten der Sekundärstrahlen- emission zu dem Schluß, daß sich mit den sekundären Wellenstrahlen nur unter sehr günstigen Voraussetzungen ein geringer Sekundärstrahleneffekt erzielen läßt. Mit Unrecht und durchaus nicht im Sinne von Barkla, der zuerst die Anregung für die Anwendung der Sekundärstrahlen in Biologie und Medizin gab, wurde allzu häufig bei der Begründung der Strahlentherapie und Auswahl der geeigneten Sekundärstrahler der Schwerpunkt nach der Seite der sckundären Wellenstrahlen verlegt. Wenn in der Strahlentherapie überhaupt therapeutische Möglichkeiten liegen, so sind sie so gut wie ausschließlich in der Ausnutzung der in hochatomigen Körpern entstehenden sekun- dären Elektronenstrahlen gegeben. Hier lassen sich, wenigstens im biologischen Experiment, unter günstigen Bedingungen, wie die Untersuchungen an oberflächlichen Bakterienkulturen ergeben haben, erhebliche Wirkungssteigerungen erzielen. Leider sind diese Voraussetzungen bei der klinischen Anwendung der Sekundärstrahler nicht realisierbar. Übereinstimmend lehren die Versuche, daß bereits eine sehr geringe Filter- dicke dazu ausreichend ist, um die wirksame Elektronenstrahlung vollkommen zu ab- sorbieren. Von den beiden Sorten von Primärelektronen, die wir heute kennen, legen überhaupt nur die Absorptionselektronen und nur, wenn sie von harten Röntgen- strahlen ausgelöst sind, merkliche Strecken im Gewebe zurück, während die Rückstoß- elektronen nur am Orte der Absorption selber wirksam sind. Auf alle Fälle muß der innigste Kontakt der Oberfläche des emittierenden kompakten Metalls oder der Metall- partikelchen mit dem Gewebe gefordert werden. Versuche von Hernaman-Johnson mit Wismutbrei, von Halberstädter und Meyer mit grauer Salbe ergaben, daß schon eine geringe Flüssigkeits- oder Fettschicht, wie sie sich auf Schleimhautoberflächen in der Regel finden dürfte, genügt, um die Wirkung der Primärelektronen vollkommen auszuschalten. Ebenso zeigte sich in den Versuchen von Holthusen, daß die bei ober- flächlichen Bakterienkulturen so stark zur Wirkung kommende sekundäre Elektronen- strahlung ihren Einfluß schon fast vollständig verliert, wenn ein etwas größeres Ver- suchsobjekt, wie das Ei des Pferdespulwurms, gewählt wird. Das Heranbringen von massiven Sekundärstrahlern auf die Körperoberfläche kann daher günstigenfalls, bei harter Primärstrahlung und innigstem Kontakt mit dem Metall, in den allerobersten Zellschichten eine erhebliche Wirkungszunahme durch Elektronenstrahlung bedingen, im übrigen nur unter dem Gesichtspunkte des Einflusses einer eventuellen Fluoreszenz- wellenstrahlung bewertet werden.

Steht die Ausnutzung der sckundären charakteristischen Wellenstrahlung in Frage, so führen die Gesetze über die Abhängigkeit der Eigenstrahlung von der Wellen- länge der Erregerstrahlung zu den: Schluß, daß die Auswahl des günstigsten Sekundärstrahlers von der Qualität der Erregerstrahlung abhängt. Der von Salzmann zuerst erhobene und später vielfach übernonımene Befund eines Emis- sionsmaximums der Atome in der Umgebung von Silber, Zinn und Kadmium trifft nur für eine Erregerstrahlung von mittlerer Härte zu. Bei den heute in der Therapie üblichen Strahlenhärten liegt wenn man von den seltenen Erden praktisch absehen kann

28*

436 H Holthusen

das Emissionsmaximum der Eigenstrahlung in der Gegend des Wolfram. Betrachtet man die Sekundärstrahlung allein, so kann durch sie günstigenfalls immerhin eine Wirkungssteigerung auf etwas mehr als das Doppelte erzielt werden. Unter den Vor- aussetzungen, wie sich die Anwendung plattenförmiger Sekundärstrahler im Körper verwirklichen läßt, ist damit jedoch immer ein Ausfall an Streustrahlung verbunden, der die Wirkungszunahme durch Sekundärstrahlung zum großen Teile ausgleicht, häufig überkompensiert. Das alles gilt für den Fall, daß die rückwärts ge- richteten Sekundärstrahlen ausgenutzt werden, indem das zu sensibilisierende Objekt sich zwischen Strahlenquelle und Sekundärstrahler befindet. Hat umgekehrt der Sekundärstrahler zwischen der Strahlenquelle und dem Körper seinen Platz, so ist nur unter ganz bestimmten, praktisch nicht in Betracht kommenden Bedingungen mit dünnen Metallfolien ein ganz geringer Effekt zu erzielen. So darf es nicht wunder- nehmen, daß die klinischen Erfolge bei dieser Art der Sekundärstrahlenanwendung mit massiven Metallstrahlern nur gering waren und daß sich diese Methode der Se- kundärstrahlensensibilisierung nicht durchzusetzen vermochte, sondern bereits seit längerer Zeit vollständig verlassen ist.

Um so günstiger scheinen von vornherein die Verhältnisse für die Wirkung der sekundären Elektronenstrahlung, und zwar bei der Einführung der Sekundär- strahler in fein verteilter Form ins Gewebe zu liegen. Auf diesem Wege sind denn auch bis in die jüngste Zeit hinein immer neue Ansätze gemacht worden, die Sekundärstrah- lung auszunutzen. Die Theorie zeigte uns (S. 421), daß sich die an irgendeinem Punkte im sensibilisierten Gewebe erreichte Wirkungsvermehrung aus zwei Teilwirkungen zu- sammengesetzt denken läßt, von denen die eine den zurückgestrahlten Elektronen ent- spricht, die andere Hälfte durch die in der Richtung der Primärstrahlen fallenden Elektronen hervorgerufen wird. Wir konnten danach die Berechnung der gesamten Wirkungszunahme auf die Fälle der Sekundärstrahlung aus flächenhaften massiven Sekundärstrahlern zurückführen. Wenn das berechtigt ist, so müßten sich irgendwie die Ergebnisse bei der Einwirkung von blanken Metallen und Metallsalzen bei Bakterien auf die Verhältnisse bei der Einbringung von Sekundärstrahlern ins Gewebe übertragen lassen. Das ist auch zweifellos möglich. Ein entscheidendes Moment, das berücksichtigt werden muß, ist jedoch die wesentlich geringere Zahl der Absorptions- und Sekundär- strahlenemissionszentren pro Volumeinheit in dem durch Injektion von Metallsalzen sensibilisierten Körpergewebe im Vergleich mit einem soliden Metallstrahler. Gudzent hat vor allem darauf aufmerksam gemacht, daß die Aussichten der Sekundärstrahlen- therapie durch die Grenzen, bis zu denen wir die Konzentration des Sekundärstrahlers im Gewebe ohne Schädigung treiben können, sehr eng gezogen sind. Schon aus den von Gudzent angeführten Zahlen geht hervor, daß wenigstens auf dem Wege der intravenösen Einverleibung nur so geringe Konzentrationen am Bestrahlungsorte erreicht werden können, daß von ihnen eine merkliche Wirkungsvermehrung durch Sekundärstrahlung nicht erwartet werden kann. Tierexperimente haben dies bestätigt. Leider haben sich auch die Hoffnungen, die an die Möglichkeit geknüpft wurden, die Affinität bestimmter Substanzen zu pathologischen Geweben, insbesondere zum Tumorgewebe therapeutisch auszunutzen, nicht erfüllt. Wenn überhaupt nachweisbare Unterschiede in der Ver- teilung der Metallsalze im Körper eintraten, wie es z. B. durch die Analysen von Jeß für Jodsalze nachgewiesen wurde, so sind die gefundenen Unterschiede vom Standpunkte der Sekundärstrahlentherapie aus gesehen praktisch hedeutungslos. Von verschiedenen Seiten ist die Frage ventiliert worden, ob die im Körper physiologischerweise vor- handenen Sekundärstrahler Eisen und Kalk etwas mit der Strahlenwirkung als solcher zu tun haben (Loewenthal, Picard) und bei pathologischer Anhäufung in

Praktische Bedeutung der sekundären Elektronenstrahlung 437

bestimmten Zellen und Geweben für diese gefahrbringend sein können (Weber). Zwei Erwägungen entziehen diesen Vorstellungen den Boden. Erstens ist auch die Konzen- tration dieser Sekundärstrahler im allgemeinen viel zu gering, um eine meßbare Wirkung hervorzurufen, und zweitens werden, wie unsere Versuche mit der Sekundärstrahlen- wirkung von Metallblechen auf die photographische Platte ergaben, im Eisen nur so wenig Elektronenstrahlen, und sekundäre Fluoreszenzstrahlen erst bei so niederen Härtegraden erregt, wie sie weder in der Diagnostik noch viel weniger in der Therapie zur Anwendung kommen. Größere Konzentrationen der Sekundärstrahler lassen sich bei direkter In- jektion in das erkrankte Gewebe erzielen. Doch wird hiermit zugleich eine oft unkon- trollierbare Schädigung gesetzt, die sich dann sehr häufig in einer vehementen Bestrah- lungsreaktion äußert. Als einwandfreier Beweis für das Vorkommen einer physikalischen Sensibilisierung beim Hinzufügen von Salzen zu einem biologischen System kann eigent- lich allein der Versuch in Anspruch genommen werden, in dem die Erhöhung der Geschwin- digkeit der Methämoglobinbildung durch Zusatz einer Bariumchloridlösung nur auf diesem Wege erklärt werden konnte. Hier lagen jedoch Verhältnisse vor hinsichtlich der Konzentration des verwendeten Sekundärstrahlers (6 % ige Lösung!), wie sie im leben- den Körper höchstens in den Versuchen von Ellinger und seinen Mitarbeitern verwirk- licht wurden. Auch in diesem Falle war die erhaltene Wirkungssteigerung wesentlich geringer, als sie von der Theorie gefordert war. Im Zusammenhange mit dem, was wir bei der Diskussion der Versuche von Ellinger und Berg ausgeführt haben, ist es auch hier wahrscheinlich, daß das Zurückbleiben hinter der errechneten Wirkung auf die Nichtberücksichtigung des ausgleichenden Einflusses der Rückstoßelektronen zurück- zuführen ist. Die ganze Argumentation bei der Sekundärstrahlensensibilisierung baut auf der Vorstellung von der Absorptionsvermehrung durch Hinzufügen hochatomiger Substanzen auf. Erfahren wir nun aber durch die Arbeit von Fricke und Glasser, daß die Absorptionselektronen bei harten Strahlen nur noch den zehnten Teil der Rück- stoßelektronen ausmachen, so wird auch den theoretischen Vorstellungen, welche die Möglichkeit einer Verwendung des Sekundärstrahleneffektes in der Therapie ergaben, der Boden weitgehend entzogen.

Von Ghilarduceci insbesondere ist noch ein anderer wichtiger Gesichtspunkt an- geführt worden, der uns veranlassen muß, der Sekundärstrahlentherapie unser Interesse zuzuwenden, nämlich der Umstand, daß den Sekundärstrahlen als Strahlen von anderer Wellenlänge als die Primärstrahlen eine besondere biologische Wir- kung zukomme. Über die Frage der Abhängigkeit der biologischen Wirkung in quali- tativer Beziehung von der Wellenlänge der einwirkenden Strahlung bestehen noch große Meinungsverschiedenheiten, die zu erörtern hier nicht der Platz ist. Der Nachweis für das Vorhandensein qualitativ verschiedenartiger Wirkungen von Strahlen verschiedener Härtegrade hat nie erbracht werden können. Holthusen und andere haben wiederholt darauf hingewiesen, daß der von der biologischen Verschiedenwertigkeit von Licht ver- schiedener Wellenlänge hergenommene Vergleich aus physikalischen Gründen unhalt- bar ist. Alle biologischen Erfahrungen und physikalischen Überlegungen sprechen viel- mehr für eine Unabhängigkeit der Qualität der biologischen Strahlenreaktion von der Wellenlänge. So muß jeder Versuch, nach Einführung eines Sekundärstrahlers ins Ge- webe Änderungen der Strahlenreaktion auf die veränderte Qualität der zur Absorption gelangten Röntgenstrahlung zurückzuführen, von vornherein sehr skeptisch beurteilt werden.

Kommen wir somit dazu, die Aussichten für die Verwirklichung einer Sekundär- strahlentherapie in der Form, wie sie Barkla bei seiner ersten Anregung vorgeschwebt hat, als schr gering zu bezeichnen, so bleiben die zum Teil erheblichen klinischen Wir-

438 H. Holthusen

kungen vieler der Maßnahmen, die in der Absicht der Sekundärstrahlenausnutzung ausgeführt sind oder bei denen eine Mitwirkung der Sekundärstrahlen wenigstens in Betracht gezogen werden muß, zu erklären übrig. Es ergab sich schon wiederholt Ge- legenheit, darauf hinzuweisen, daß die experimentellen Untersuchungen über die Sekundärstrahlensensibilisierung nur in den seltensten Fällen ‚reine Versuche“ dar- stellen. Noch viel weniger darf von den klinischen Untersuchungen mit Sekundär- strahlern behauptet werden, daB bei ihnen reine Versuchsbedingungen in dem Sinne vorgelegen hätten, daß in ihnen allein die physikalische Wirkung des Strahlungszuwachses durch Sekundärstrahlen die Strahlenreaktion beeinflußt habe. Fast in allen Fällen ist noch eine chemisch-pharmakologische Wirkung der benutzten sekundärstrahlen- spendenden Substanzen in Rechnung zu ziehen. Über ihren Einfluß bei dem Ausfall der Versuche, welche die Übertragung der photodynamischen Wirkung des sichtbaren Lichtes auf Röntgenstrahlen zum Gegenstande hatten, wurde schon gesprochen. Die Größe ihrer Mitwirkung ist in den meisten Fällen schwer zu beurteilen. Auch ist ihr Einfluß bei den pharmakologisch weitgehend verschiedenartigen Substanzen, die Ver- wendung gefunden haben, durchaus nicht gleichmäßig. In einzelnen Fällen, wie bei der Anwendung kolloidaler Metallösungen zur Sensibilisierung von Tumorgewebe, ist daran zu erinnern, daß die kolloidalen Metalle als solche das Tumorwachstum, wenigstens im Tierexperiment, zu hemmen, ja in einzelnen Fällen Tumoren zu völligem Verschwinden zu bringen vermögen. Tatsächlich sind mehrere der im ersten Teile dieser Arbeit nam- haft gemachten Autoren bei der Anwendung kolloidaler Metallösungen in Kombination mit der Strahlentherapie zunächst gar nicht von der Ausnutzung ihrer Eigenschaft als Sekundärstrahler ausgegangen, sondern wollten sie als pharmakologisches Adjuvans der Strahlenwirkung benutzen. Bei vielen der verwendeten Substanzen handelt es sich um ausgesprochene Zellgifte. Auf die Arbeiten von Jodlbauer und Tap- peiner und Jodlbauer und Haffner über die Dunkelreaktion der photodynamisch wirksamen Farbstoffe wurde schon eingegangen, ebenso auf die Untersuchungen von Hoffmann, von Kroetz u. a., aus denen das Manifestwerden unterschwelliger schädi- gender Reize in Verbindung mit Strahlenreizen hervorgeht (S. 389). Mit großer Wahr- scheinlichkeit darf behauptet werden, daß so gut wie alle klinischen Beobachtungen über Sekundärstrahlensensibilisierung, soweit sie überhaupt einer kritischen Beurteilung standhalten in den meisten Fällen fehlt ein entsprechendes Vergleichsmaterial —, auf das Zusammenwirken der Strahlen und einer „chemischen Sensibilisierung‘ zurück- zuführen sind. Es kann nicht die Aufgabe sein, diese Einflüsse in allen Eınzelarbeıten nachzuweisen. Generell sei noch einmal bemerkt, daß der Vorversuch, in dem das Sen- sibilisierungsmittel sich in den angewandten Konzentrationen als unwirksam erwies, nicht ausreicht, um einen pharmakologischen Einfluß bei der kombinierten Strahlen- und Sensibilisierungsreaktion in Abrede zu stellen.

Wenn die kritische Sichtung des gesamten zur Frage der Sckundärstrahlensensibili- sierung vorliegenden experimentellen und klinischen Materials auch dazu führen muß, ihr eine maßgebende Bedeutung für die Klinik abzusprechen, so soll damit die Forschung nur mit um so größerem Nachdruck auf den aussichtsreicheren Weg der chemischen Sensibilisierung mit dem Ziele einer Steigerung der Empfindlichkeit des Angriffspunktes der Strahlen auf chemisch-pharmakologischem Wege hingewiesen werden.

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Der Röntgenhoden

Von

Priv.-Doz. Dr. Hans R.Schinz und Dr. Benno Slotopolsky

Mit 38 Abbildungen im Text, 4 Tabellen und 1 Schema

Inhaltsverzeichnis.

Seite

I. Problemstellung . 3. 2 2.45 2.0 2 ei a en. Än LL Der Verlauf der Röntgenatrophie des Hodens . . . 2.2: 2 2 2. m m nn nn. 449 1:<Die Fruheffekte : 2.2. 2... 2 = 225 er 2 2 ie EEE er Sei 449

2. Die Stadien der Depopulation `... 457

3 Die Restitution u. 2 e 2a. nee en en 469 HI. Der Einfluß der Dosis `, 476 ` 1. Verschieden starke Dosen bei einmaliger Bestrahlung. . . . . a 2 2 2 2220. 478

2. Einmalige und fraktionierte Bestrahlung . . . : >: 2 2 2 m m nn rn 483

IV. Das Verhalten der einzelnen Kategorien des Samenepithels gegenüber der Röntgenenergie.

Die Stellung der Röntgenhypobiosen des Hodens unter den Hodenhypobiosen überhaupt 486

V. Die Latenzzeit bei der Röntgenatrophie des Hodens . . 2... 2 2 2 2 2222. 491 VI: Die Zwischenzellen.. coi aioi a e ern 2: 22 2 2 288 2.2 an Eat 493 VAL. Die Mitösen:.; d 5.5 28.2 ere e er a ee wa 507 VIII. Die Sertolizellen. Repopulation oder Regeneration? . . 22 2: 2 2 2 nn nenne. 511 IX. Zusammenfassung: e-so a a 2.2 2.2 8 ea ch Dun ee 519 X. Literaturverzeichnis . 2... & 2 u.a u ee el Bea a da EL

I. Problemstellung.

Der Einfluß der Röntgenstrahlen auf den geschlechtsreifen Hoden erscheint auf den ersten Blick als ein heute restlos gelöstes Problem, als ein Gebiet, auf dem es kaum noch etwas zu untersuchen gibt. Die Anzahl der diesem Thema gewidmeten Arbeiten ist in der Tat eine recht große. Im Anschluß an den aufsehenerregenden Befund von Albers- Schönberg (1903) wurden in den folgenden 8 Jahren dem Röntgenhoden von verschie- denster Seite eine größere Anzahl von Untersuchungen gewidmet, die mit den Arbeiten von Simmonds (1909/10) und von Kyrle (1911) einen gewissen Abschluß fanden!). Seither hat das Thema die Forscher kaum mehr beschäftigt. Die diesbezüglichen Dar- - Jegungen in den Lehrbüchern der Röntgenbiologie und Röntgentherapie und in neueren sexualbiologischen Arbeiten, die die Röntgenatrophie des Hodens im Hinblick auf die Probleme der Hodeninkretion in den Kreis ihrer Betrachtung ziehen (z. B. Stieve 1921), stützen sich auf jene genannten Untersuchungen der Jahre 1903—1911, dabei werden im deutschen Sprachgebiete neben der Arbeit von Herxheimer und Hoffmann (1908), vor allem die Arbeiten von Kyrle (1911) und Simmonds (1909/10) zugrunde gelegt. Ein näheres Studium dieser Arbeiten ergibt aber, daß sie noch sehr viele und gar nicht unwichtige Lücken aufweisen. So geben diese Arbeiten vor allem kein klares Bild über die Histogenese der Röntgenatropbie des Hodens, sondern beschränken sich im wesent- lichen auf die Schilderung der Endeffekte. So sagt charakteristischerweise Simmonds: „Es ist überhaupt recht schwer, eine bestimmte Reihenfolge der Zerstörungserscheinun- gen in den geschädigten Samenkanälchen festzustellen. Von mehreren Untersuchern wird zwar angegeben, daß zuerst die Spermatogonien, dann die Spermatozyten, dann die Spermatiden geschädigt werden. Das ist in manchen Fällen wohl vorauszusetzen, in der Mehrzahl der Beobachtungen tritt das Bild der Zerstörung indes plötz- lich auf, ohne daß es möglich ist, bestimmte Angaben über den Verlauf des Prozesses zu machen"? Und Müller (1915) berichtet aus dem Instititut Heinekes ganz entsprechend, daß die Strahlenveränderungen am Hoden ‚,‚erst nach

1) Die Literatur bis 1910 ist, soweit speziell der Röntgenhoden in Betracht kommt, in einem Übersichtsreferat von Faber (1910—1911) zusammengefaßt worden. Nicht berücksichtigt sind in dieser Zusammenfassung die Untersuchungen über die Einwirkung von y-Strahlen auf die männliche Keimdrüse von Seldin (1904), Scholtz (1904), Thies (1905), Thaler (1905), Werner (1906) u. a. (vgl. Literaturverzeichnis). Gleichzeitig mit dem Referat von Faber erschienen die beiden oben- genannten wichtigen Arbeiten von Simmonds und Kyrle und eine für die Zytologie der Strahlen- wirkung wichtige Arbeit von Barrat und Arnold (1911). Seither sind zwar noch einige histologische Beiträge zu der Frage veröffentlicht worden sie behandeln sowohl die Röntgen-, wie die y-Strahlen- wirkung auf den Hoden. Aber diese Arbeiten (vgl. Literaturverzeichnis) haben entweder keine wesentliche weitere Förderung der Erkenntnis gebracht, oder sie sind, wie die wichtige Arbeit von Mohr (1919) bis in die jüngste Gegenwart so gut wie unbekannt geblieben, so daß sie jedenfalls keinen Einfluß auf die allgemeinen Anschauungen über dies Gebiet ausgeübt haben, und diese bisher nach wie vor in Deutschland wenigstens sich auf die Arbeiten von Kyrle und noch mehr von Sim- monds stützten. 2) Von uns gesperrt.

446 H R. Schinz und B. Slotopolsky

längerer Zeit histologisch nachweisbar sind“. ‚Frühveränderungen in Gestalt von Pyknose und Kernzerfall haben wir an Hoden niemals finden können.“ Auch die Arbeit von Kyrle bringt in dieser Hinsicht außerordentlich wenig. So erfahren wir aus ihr eigentlich nichts Bestimmtes über das Verhalten der Spermiogonien der Röntgen- energie gegenüber: „Ganz bestimmte Angaben über die einzelnen Phasen des Degenera- tionsprozesses der Spermatogonien zu machen, ist unmöglich; unter den vielen Dege- nerationsprodukten im Kanälchen erscheint es ausgeschlossen, zu entscheiden, dieses Gebilde entsteht aus zugrunde gehenden Spermatogonien, oder hier liegt eine Entwick- lungsphase geschädigter Spermatogonien vor; man wird mit der Annahme nicht fehl- gehen, daß die Zerstörungserscheinungen an den verschiedenen Arten der Samenzellen ziemlich übereinstimmen . . "7 Kyrle beschränkt sich auf die Feststellung, daß im End- effekt, wenn der bekannte Zustand erreicht ist, auf dem sich nur noch Sertolizellen (Se) in den Samenkanälchen befinden, daß dann auch keine Spermiogonien mehr sich nach- weisen lassen. „Spermatogonien lassen sich zwischen den etwas verlängerten Sertoli- zellen nirgends finden; das berechtigt zur Annahme, daß auch sie durch die Strahlenwirkung zerstört wurden‘“!). Soweit Kyrle überhaupt auf die Histo- genese der Röntgenatrophie eingeht, gibt er an, daß zuerst die Spermiden und später erst die Spermiozyten geschädigt werden. Gleichzeitig legt er großes Gewicht auf das Vorkommen von unter anderem durch das Zusammenfließen degenerierender Spermiden entstandenen eigentümlichen Riesenzellen. Damit wird der Eindruck erweckt, als ob die Röntgenatrophie in ihrem Verlaufe den übrigen Formen der Hodenatrophie, wie sie z. B. infolge von Lageveränderungen, mechanischen Schädigungen aller Art und nach Unterbindung des Samenleiters auftreten, vollkommen gleiche. Denn für all diese Formen der Hodenatrophie ist charakteristisch, daß die Leerung der Kanälchen unter Desquamation des Samenepithels und Riesenzellbildung und unter massenhaftem nekrobiotischen Zerfall von Samenepithel erfolgt, wobei die Spermiden (Spd.) jeweils den Anfang machen, später erst die Spermiozyten (Spe.) und ganz zuletzt erst die Spermio- gonien (Spg.) folgen (vgl. dazu Schinz und Slotopolsky 1924). Vor eine um so größere Überraschung sieht sich derjenige gestellt, der dann aus den Arbeiten der Regaudschen Schule (Regaud 1908, Blanc 1906) erfährt, daß nach den Ergebnissen dieser Autoren der Prozeß bei der Röntgenatrophie auch ganz anders verlaufen kann, indem die Spermio- gonien zuerst der Degeneration verfallen, und nur sie allein eigentlich zugrunde gehen, während die übrigen Kategorien des Samenepithels sich im ganzen weiter entwickeln und ihr normales Ziel, die Umwandlung in Spermien (Sp.), erreichen. Die Leerung der Samenkanälchen würde also in solchen Fällen nicht durch einen massenhaften nekrobio- tischen Zerfall des Samenepithels, sondern lediglich dadurch erfolgen, daß infolge des isolierten Unterganges der Spermiogonien der Nachschub ausbleibt, der normalerweise im Hoden immer vorhanden ist.

Als wir vor einiger Zeit eine systematische Untersuchung über die Histologie und Histogenese der hypobiotischen Prozesse am Hoden Hodenatrophie und Hodennekrose anstellten (Schinz und Slotopolsky 1924), sahen wir uns demgemäß vor die Frage gestellt, ob die Röntgenatrophie des Hodens eine Sonderstellung einnehme und ander- seits, worauf der Widerspruch zwischen den Schilderungen Kyrles und Regauds über den typischen Verlauf der Röntgenatrophie beruhe. Eine Andeutung in dieser Hinsicht macht bereits die Regaudsche Schule selber (z. B. Blanc 1906), indem sie betont, daß der von ihr beschriebene Ablauf der Erscheinungen nur nach Anwendung mäßiger Dosen eintrete, und daß stärkere Dosen das ganze Samenepithel zerstören können. Uns

1) Von uns gesperrt.

Röntgenhoden 447

reizte es, durch eigene Nachforschung uns von der Richtigkeit dieser Auffassung zu über- zeugen, die uns allerdings von vornherein bereits sehr wahrscheinlich schien. Die Frage war für uns aus einem bestimmten Grunde von besonderem Interesse: Wir sind nämlich der Ansicht, daß die Empfindlichkeit der lebenden Substanz gegenüber der Röntgen- energie sich mit der allgemeinen Sensibilität der lebenden Substanz gegenüber Reizen schlechthin deckt (Schinz 1924), insbesondere sehen wir in der Ermittlung der Röntgen- empfindlichkeit der einzelnen Kategorien des Samenepithels ein Mittel zur Feststellung ihrer wahren Empfindlichkeit überhaupt, weil die Röntgenstrahlen unmittelbar auf das Parenchym einwirken, und weil sie weiterhin alle Partien desselben, konkret gesprochen, sämtliche Kategorien des Samenepithels in den Samenkanälchen des Hodens gleichzeitig und mit gleicher Intensität treffen, so daß sich aus dem verschiedenen Verhalten dieser einzelnen Kategorien nach Röntgenbestrahlung ein sicherer Schluß auf ihre verschiedene Empfindlichkeit ziehen läßt. Im Gegensatz dazu liegt die Situation bei den übrigen Formen der Hodenatrophie, wie wir sie teilweise in unserer oben erwähnten Arbeit studiert haben, durchaus anders. Hier beruht die Atrophie zumeist auf Ernährungs- störungen, oder es wirken solche wenigstens bei ihrem Zustandekommen mit. Es ist aber klar, daß die verschiedenen Kategorien des Samenepithels von einer Ernährungsstörung bestimmten Grades, je nach ihrer Lagerung im Kanälchen in ganz verschiedenem Grade betroffen werden, am stärksten jeweils die von der Membrana propria am entferntesten liegenden Spermiden, am schwächsten die ihr unmittelbar aufsitzenden Spermiogonien. Daher beweist die typische Reihenfolge der nekrobiotischen Vorgänge bei diesen Formen der Hodenatrophie Beginn der Degeneration an den Spermiden, langsames Weiter- schreiten über die Spermiozyten bis zu den Spermiogonien, die zuletzt daran kommen an sich nichts für eine verschiedene Empfindlichkeit der verschiedenen Kategorien des Samenepithels, und so stellt die Röntgenbestrahlung ein ausgezeichnetes Experiment dar, um diese Empfindlichkeitsskala, falls eine solche besteht, zu ermitteln.

Aus einem weiteren: Grunde ist es nicht unwichtig, die histogenetischen Vorgänge genau zu studieren, die zu dem schließlichen Endeffekt bei der Röntgenatrophie hin- leiten, weil es natürlich für die Wirkungen auf die Nachbarschaft, zunächst einmal auf das Zwischengewebe, dann aber auch auf den Gesamtorganismus nicht gleichgültig ist, ob bei der typischen Röntgenatrophie, wie bei den anderen Formen der Hodenatrophie die Leerung der Samenkanälchen durch einen massenhaften nekrobiotischen Zerfall von Samenepithel, oder lediglich dadurch zustande kommt, daß der Nachschub von den Spermiogonien aus unterbleibt. Heutzutage, wo Röntgenbestrahlungen des Hodens sogar zu „Verjüngungszwecken‘ und bei Störungen im Bereiche der sekundären Ge- schlechtsmerkmale als Heilmittel vorgeschlagen werden (z. B. Steindl 1924), bietet diese Frage sogar ein praktisch-medizinisches Interesse.

Von praktisch-ärztlichem Interesse ist heute auch das Verhalten der Zwischenzellen bei der Röntgenatrophie des Hodens. Die Wirkung der Röntgenstrahlen auf den Hoden spielt ja eine gewisse Rolle in dem Kampfe um die Pubertätsdrüsenlehre. Auch die Rönt- genstrahlen sollten ja angeblich dazu dienen, eine „isolierte Pubertätsdrüse‘ zu erzeugen, bzw. „eine Wucherung der Pubertätsdrüse‘ hervorzurufen. Vorstellungen namentlich letzterer Art spielen heutzutage bei den oben genannten praktisch-medizinischen In- dikationsstellungen eine maßgebende Rolle. Abgesehen davon ist das Studium des Ver- haltens der Zwischenzellen bei der Röntgenatrophie des Hodens für die Aufklärung der physiologischen Bedeutung dieser heute so eifrig studierten Elemente überhaupt von Wert, und es lassen sich aus ihm, wie die vorliegende Arbeit zeigen wird, manche Schlüsse auch für die „Theorie der Zwischenzellen‘ ableiten. Während bezüglich der Vorgänge am Samenepithel vor allem der Widerspruch zwischen den maßgebenden deutschen

448 H R. Schinz und B. Slotopolsky

und französischen Autoren eine nochmalige genaue Untersuchung notwendig machte, ist das Verhalten der Zwischenzellen bei der Röntgenatrophie des Hodens bisher über- haupt noch nicht exakt untersucht worden. Die Mehrzahl der Autoren, z. B. Bergoni6 und Tribondeau (1906) und Simmonds (1909/10), behauptet, dal3 die Zwischenzellen bei der Röntgenatrophie des Hodens eine absolute Vermehrung erfahren. Regaud (Regaud und Nogier 1911) bezweifelt das und hält diese Vermehrung für eine ledig- lich relative, durch die Schrumpfung der Samenkanälchen vorgetäuschte. Aber ebenso- wenig wie die anderen für ihre Anschauung, so hat er für die seinige wirklich einen Be- weis erbracht. Ein solcher läßt sich nämlich nur führen, wenn man die absoluten Men- genverhältnisse des generativen und des intergenerativen Anteils im normalen und im röntgenatrophischen Hoden nach der von Stieve (1919—1923) angegebenen Methode bestimmt. Die Prüfung des Verhaltens der Zwischenzellen nach der Methode von Stieve haben wir demgemäß als unsere zweite Aufgabe beim Studium der Röntgenatrophie des Hodens betrachtet.

Immer wieder, und namentlich in letzter Zeit hat Regaud darauf hingewiesen, daß die Wirkung der Röntgenstrahlen auf den Hoden als ein Paradigma für ihre Ein- wirkung auf die bösartigen Geschwülste, die mit dem Testikel unter anderem ‚„unend- liche‘“ Vermehrungsfähigkeit der sie aufbauenden Elemente teilen, gelten kann. Und er hat z. B. auch seine Methode der Dauerbestrahlung mit geringen Dosen (natürlich von Radium) auf Versuche am Hoden basiert (Regaud 1922). In der Tat bietet das Studium der Röntgenwirkungen am Hoden auch vom strahlenbiologischen und strahlen- therapeutischen Standpunkt aus wertvolle Erkenntnismöglichkeiten. Eine große Rolle spielt in der Strahlenbiologie der Gegenwart die Frage der besonderen Sensibilität der Zelle im Stadium der Mitose. Sie wird allgemein als eine besonders erhöhte betrachtet. (vgl. Schinz 1924). Nun aber ist Mohr (1919) in einer ausgezeichneten, viele Jahre in Vergessenheit gewesenen Untersuchung über den Einfluß der Radiumbestrahlung auf den Hoden (bei Heuschrecken) zu dem Resultate gelangt, daß eine solche exquisite Empfindlichkeit der Mitosen im Hoden nicht nachzuweisen ist und daß hier ein Teil der ruhenden Zellen nämlich die jüngsten Spermiozyten eine bedeutend größere Radiosensibilität aufweise, als die Reifeteilungen. Daraus würde die merkwürdige Situation resultieren, daß, während die Geschlechtszellen zu den strahlenempfindlichsten Zellarten überhaupt gehören, und die Zellen im allgemeinen während der Teilung am strahlenempfindlichsten sind, gerade die Teilungen der Geschlechtszellen relativ strahlenunempfindlich sich verhalten. Im Gegensatz dazu sind die Mitosen nach Regaud auch im Hoden das Allerempfindlichste bei Bestrahlung. Auch auf diesen Widerspruch beschlossen wir bei unseren Untersuchungen nebenbei unser Augenmerk zu richten, wenn wir uns auch darüber klar waren, daß uns das zur Verfügung stehende Objekt, nämlich ein Säugetierhoden unsere Versuche haben wir an insgesamt 66 Kaninchen- hoden ausgeführt für eine definitive Entscheidung der Frage nicht sehr geeignet ist.

Schließlich haben wir bei unseren Untersuchungen auf noch einen Punkt unser Augenmerk gerichtet. Nach der unseres Wissens einstimmigen Ansicht der auf diesem Gebiete tätig gewesenen Autoren wir nennen insbesondere Regaud (1908), Villemin (1906) und Simmonds (1909/10) ist eine Regeneration nur möglich, wenn nicht alle Spermiogonien zugrunde gehen, sondern ein Teil sich erhält. Dieser gewinnt dann später seine Vermehrungsfähigkeit wieder und restituiert auf diese Weise dann wieder das Samenepithel. Der Vorgang ist entsprechend dieser Auffassung nicht als wirkliche, echte Regeneration, sondern nur als eine Repopulation zu bezeichnen. Im Gegensatz zu dieser Anschauung würde die Auffassung stehen, daß auch nach Untergang sämtlicher Spermiogonien eine Restitution dadurch möglich wäre, daß die Sertolizellen sich teil-

Röntgenhoden 449

weise entdifferenzieren und Spermiogonien aus sich hervorgehen lassen, von denen dann die Repopulation ausgeht. Die Entdifferenzierung der Sertolizellen und die Neubildung von Spermiogonien auf diese Art würde dann einen echten Regenerationsvorgang re- präsentieren. Für die Restitution nach der Röntgenatrophie des Hodens ist ein solcher Vorgang bisher nie behauptet worden. Nur Kyrle (1911) zieht ihn wenigstens in Er- wägung. Die Annahme einer Regeneration von den Sertolizellen aus erscheint ihm aller- dings sehr ‚gewagt‘. Im Gegensatz dazu machen neuerdings Stieve (1921—1923) und Romeis (1921) zwischen Sertolizellen und Spermiogonien keinen prinzipiellen Unterschied, halten die Sertolizellen für indifferente Elemente und beschreiben in von ihnen beobachteten Fällen von Restitution des Samenepithels nach vorangegangener Atrophie Alkoholatrophie, Atrophie nach Steinachunterbindung eine Regene- ration des Samenepithels von den Sertolizellen aus, für die sie allerdings die Bezeichnung Sertolizellen ablehnen. Morphologische Veränderungen an den Sertolizellen, die wie eine Entdifferenzierung aussehen, und die dazu führen, daß die betreffenden Sertolizellen äußerlich wenigstens wieder das Bild der indifferenten Samenzellen darbieten, hat seiner- zeit Bouin (1897) bei Hodenatrophien beobachtet, und auch wir haben seinerzeit ent- sprechende Beobachtungen machen können (Schinz und Slotopolsky 1924). Wie weit diese morphologischen Erscheinungen auch einen realen physiologischen Hinter- grund haben, wagten wir damals nicht zu entscheiden. Es war von vornherein gegeben, bei dem Studium der Röntgenatrophie und der Restitution des Hodens nach Röntgen- bestrahlung, dieser Frage näherzutreten.

II. Der Verlauf der Röntgenatrophie des Hodens. 1. Die Früheffekte.

Unsere Untersuchungen beziehen sich auf 33 mit verschiedenen Dosen bestrahlte Kaninchen!). Davon wurde die überwiegende Mehrzahl lediglich einer einmaligen Bestrahlung unterworfen: nur bei einem kleinen Teile der Versuchstiere wurde zum Vergleiche eine mehrfache Bestrahlung vorgenonimen. DBestrahlt wurde die Regio inguinalis und scrotalis von der Bauchseite her, so daß beide Hoden gleichmäßig von den Strahlen getroffen wurden. In verschiedenen Intervallen wurden nun die einzelnen Testikel, insgesamt also 66, exstirpiert und histologisch untersucht. Die Befunde bei der histologischen Untersuchung unmittelbar nach der Bestrahlung, !/, Stunde später, 2 Stunden, 21/, Stunden, 3 Stunden, 4 Stunden, 2 Tage, 2!/ Tage, 3 Tage, 4 und 5 Tage nach der Röntgenbestrahlung, fassen wir als Früheffekte in diesem Abschnitte zu- sammen.

Bezüglich der von uns verwandten Terminologie bemerken wir: Der Hoden besteht aus einem generativen und aus einem intergenerativen Anteil. Der intergenerative Anteil enthält bei unserem Versuchstier, dem Kaninchen, unter normalen Verhältnissen nur sehr wenig, fast überhaupt kein fibrilläres Bindegewebe und fällt praktisch mit den Zwischenzellen (Leydigschen Zellen) zusammen. Der generative Anteil besteht aus den Samenkanälchen, von uns in dieser Arbeit gelegentlich auch

schlechtweg als Kanälchen oder Tubuli bezeichnet. Die Samenkanälchen bestehen aus einer „Wan- dung‘, der bindegewebigen Membrana propria und aus einem Wandbelag, Dieser Wandbelag

1) Herr Prof. Dr. P. Clairmont hat uns in liberalster Weise das Versuchsmaterial und die technischen Hilfsmittel und Arbeitskräfte der chirurgischen Universitäts-Klinik Zürich zur Ver- fügung gestellt. Herr Prof. Dr. W. Felix räumte uns bereitwilligst einen Arbeitsplatz am dortigen anatomischen Institute ein. Beiden Herren sei auch an dieser Stelle unser verbindlichster Dank ausgesprochen.

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 29

450 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

enthält die Sertolizellen, das „Samenepithel‘ und die Spermien. Sertolizellen und Spermien gehören also unserer Terminologie nach nicht zum Samenepithel, da die Sertolizellen den abortiven Teil des generativen Anteils darstellen, das Samenepithel aber sein evolutiver Teil ist, die Spermien aber, als Elemente von ganz eigenartiger Differenzierung, die normalerweise dazu bestimmt sind, sich vom Wandbelag loszulösen, nicht gut zum ‚Samenepithel‘ gerechnet werden können. Dieses besteht aus den Spermiogonien, den Spermiozyten (in der Literatur auch oft als Spermiozyten I. Ordnung bezeichnet), den Präspermiden (in der Literatur oft Spermiozyten II. Ordnung genannt) und den Spermiden. Die Präspermiden sind als nur ganz kurzdauerndes Zwischenstadium zwischen den beiden Reifeteilungen in unserem Zusammenhange von geringer Bedeutung. Wenn wir dalıer von den verschiedenen Kategorien des Samenepithels sprechen, so meinen wir damit in der Regel die Spermiogonien, die Spermiozyten und die Spermiden. Als ein besonderes, offensichtlich recht lange andauerndes Stadium der Speimiozyten ist die Synapsis von Bedeutung. Hodenatrophie nennen wir alle Zustände, bei denen der Wandbelag der Samenkanälchen eine abnorme Reduktion aufweist. Bei demjenigen häufig vorkommenden Typus der Hodenatrophie, bei dem durch eine aufeinander folgende nekrobiotische Degeneration der Spermiden, Spermiozyten und Spermio- gonien die Leerung der Kanälchen erfolgt, unterscheiden wir 5 Grade des Atrophierungsprozesses: Atrophie 1. Grades: Spermiden entwickeln sich nicht mehr weiter, bilden abnorme Riesenzellen. Atrophie 2. Grades: Spermiden verschwunden, Wandbelag nur noch aus Sertolizellen, Spermio- gonien und Spermiozyten. Atrophie 3. Grades: Spermiozyten zugrunde gegangen, Wandbelag nur noch aus Sertolizellen und Spermiogonien. Atrophie 4. Grades: Das ganze Samenepithel zugrunde gegangen, Wandbelag nur noch aus Sertolizellen. Atrophie 5. Grades: Auch Sertolizellen zerstört, kein Wandbelag mehr, unter Verdickung und hyaliner Entartung der Membrana propria Obliteration des Kanälchens Spermatoangitis obliterans oder Fibrosis testis. Über die Terminologie, über den Bau des normalen und des atrophischen Hodens, vgl. man im übrigen unsere Beiträge zur experimentellen Pathologie des Hodens (Schinz und Slotopolsky 1924).

Das Resultat bei der Untersuchung unmittelbar nach der Bestrahlung (Prot. Nr. 28, r.) und 1/ Stunde später (Prot. Nr. 12, r.) die verwandten Dosen waren in diesen Fällen 2 H.E.D. und oO H.E.D. war hinsichtlich irgendwelcher sichtbaren morphologischen Veränderungen vollkommen negativ. Wahrnehmbare Veränderungen haben wir erst bei Untersuchung einige Stunden nach der Bestrahlung gefunden. Zwar nach einer Bestrahlung mit 2 H.E.D. ist auch nach 3 Stunden (Frot. Nr. 28, 1.) im histologischen Bilde noch nichts Auffallendes zu erkennen, und selbst wenn 15 H.E.D. appliziert worden waren, kann der sichtbare Effekt nach 2 Stunden noch gleich Null sein (Prot. Nr. 21, r.).

In einem anderen Falle waren jedoch 2 Stunden nach Beendigung einer Bestrahlung, bei der 15 H.E.D. appliziert worden waren (Prot. Nr. 27r), sehr interessante Verän- derungen am Hodenparenchym zu konstatieren. Allerdings muß man schon recht starke Vergrößerungen, am besten die Immersion zu Hilfe nehmen, um diese Verände- rungen zu erkennen. Es finden sich nämlich hier bei im übrigen vollkommen intaktem Samenepithel nekrobiotische Veränderungen an einem Teile der Spermiogonien und ferner nekrotisierende Mitosen. Die Spermiogonien sind klein, sie liegen basal, einge- keilt zwischen die großen durch ihr mächtiges Chromatingerüst bzw. durch ihre im Zu- stande der Synapsis intensiv gefärbten kompakten Kerne imponierenden Spermiozyten einerseits und die Sertolizellen und die Membrana propria anderseits. Man muß seine Aufmerksamkeit auf die Spermiogonien richten, um Veränderungen an den Samen- kanälchen feststellen zu können. Aber diese sind dann im übrigen einwandfrei wahr- zunehmen. Für die Abbildung (vgl. Abb. 1) haben wir einen besonders eklatanten Fall gewählt. Neben zahlreichen unveränderten Spermiogonien findet man eine be- trächtliche Anzahl, deren Protoplasma sich durch eine intensive Azidophilie auszeich- net, also in Hämatoxylin-Eosinpräparaten intensiv rot gefärbt ist. Wir möchten diesen Zustand als Pyknose des Protoplasmas entsprechend den analogen Erscheinungen am Kerne nekrotisierender Zellen bezeichnen. Auch die Kerne dieser Spermiogonien zeigen bisweilen Pyknose, häufiger Wandhyperchromatose und Karyorrhexis. Meistens scheinen sie aber durch Ghromatolyse zugrunde zu gehen, so daß die Spermiogonien-

Röntgenhoden 451

leichen sich im Gegensatze zu den später zu beschreibenden Spermiozytenleichen meist dadurch auszeichnen, daß sie nur noch den abgestorbenen Zelleib erkennen lassen und von dem Zellkerne nichts mehr zu sehen ist.

Wie in jedem Testikel, so sind auch in dem eben beschriebenen zahlreiche Mitosen insbesondere im Bereiche der Spermiozyten wahrzunehmen, d. h. die Reifeteilungen. Einen Teil derselben finden wir nun, wie gesagt, nekrotisch (vgl. Kapitel VII). Es ist nicht leicht, darüber sind sich wohl alle Autoren einig, bei Vorhandensein zahlreicher und kleiner Chromosomen und angesichts der möglichen Beeinflussung durch die histo- technischen Prozeduren, pathologische Veränderungen an Mitosen nachzuweisen. Auch bei Durchsicht unserer Präparate von vollständig normalen Kaninchenhoden finden

EK d 2 |

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Abb. 1. Früheffekt der Röntgenschädigung aus einem einmal mit 15 H.E.D. bestrahlten Kaninchen-

hoden (Prot. Nr. 27, r.) Haemat. Eosin, Zeiß, OK. 5 x Ap. 90. Spermiden und Spermiozyten

intakt, Spermiogonien in Nekrose. Zum Teil sind die Leichen schon resorbiert. Links im Bilde

eine Spermiogonie mit Wandhyperchromatose. Rechts noch einige leidlich intakte Spermiogonien, ebenso unten. (Spg. = Spermiogonien, Spgl. = Spermiogonienleichen.)

wir die Mitosen vielfach klumpig und die einzelnen Chromosomen in ihnen nicht immer gut voneinander gesondert. Daß die intensive Färbbarkeit des Chromatins, die sonst als Pyknose ein Symptom der Degeneration ist, hier nicht als solches verwertet werden kann, versteht sich ja von selber. Aber wir glaubten eine auffallend starke Verklumpung des Chromatins im Bereiche von Reifeteilungsstadien als pathologisch deuten zu dürfen, wenn gleichzeitig und darauf legten wir das Hauptgewicht das Protoplasma jene intensive Azidophilie zeigte, die wir oben als Pyknose des Protoplasma bezeichnet haben. Eine andere Täuschungsmöglichkeit war jedoch dabei in Erwägung zu ziehen. Große, bei Hämatoxylin-Eosinfärbung intensiv rotgefärbte, mit z. B. 2 kompakten kleinen Kernresten versehene, im Bereiche der Spermiozyten liegende Zellen konnten womöglich auch zugrunde gegangene Spermiozytenriesenzellen sein, während wir sie als im Diaster- stadium zugrunde gegangene Mitosen auffaßten. Wir glaubten diese Täuschungs- 29*

452 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

möglichkeit dadurch ausschalten zu können, daß wir die Diagnose nekrotische Mitosen zunächst nur stellten, wenn dieselben inmitten einer Gruppe von Reifeteilungen lagen, die unverändert oder relativ wenig verändert waren, so daß sich ihre Natur mit Sicher- heit erkennen ließ. Es sei noch hinzugefügt, daß in den beschriebenen nekrotischen Zellteilungsstadien auch das zugrunde gegangene Chromatin vielfach eine etwas röt- liche Färbung aufweist, d. h. azidophil wird.

Viel ausgeprägter sind die beschriebenen Veränderungen, wenn bei vorausgegangener Applikation von 30 H.E.D. 4 Stunden nach der Bestrahlung (Prot. Nr. 18, 1.) untersucht wird. Hier sind jetzt nicht nur Spermiogonienleichen in beträchtlicher Zahl zu finden, sondern bisweilen auch schon veränderte, nekrotisierende Spermiozyten und degenerie- rende Mitosen. Und fernerhin sieht man auf den Schnitten eine Desquamation des Samen- epithels, d h. seines „mobilen Teiles‘ (Spermiozyten und Spermiden) in das Lumen. Auch in dieser Erscheinung ist der Ausdruck eines nekrobiotischen Vorganges zu erblicken.

Untersucht man nun nach 3 Tagen, so haben nach Applikation von 15 H.E.D. (Prot. Nr. 14, r.) die Veränderungen keinen allzu großen Fortschritt gemacht. Zwar sind die Spermiogonien nunmehr zum größten Teile aus den Samenkanälchen verschwunden, aber im übrigen zeigen diese noch ein vollkommen normales Bild.

Wenn dagegen 30 H.E.D. appliziert worden sind, so sind nach 2!/, Tagen und noch mehr nach 3 Tagen bereits weitere erhebliche Veränderungen zu konstatieren (Prot. Nr.18, r. und 26, r.). Es finden sich nur noch ganz wenige Spermiogonien. Die Spermio- zyten sind zum größten Teile geschädigt, nur die Synapsisstadien scheinen durchwegs normal zu sein. Die Spermiozyten degenerieren zumeist unter einer Art Chromatolyse, so daß ihre Kerne Ähnlichkeit mit denen der Spermiden bekommen (vgl. Abb. 2). Vielfach zeigen sie auch Desquamation ins Lumen. In diesem Falle hat man auf den ersten Blick Mühe, zu erkennen, ob es sich um zugrunde gehende Spermiozyten oder um im Verlaufe der Nekrobiose aufgequollene Sperniden handelt. Eine Betrachtung der Spermiozyten, da, wo sie in loco degenerieren, ergibt aber, daß es sich auch bei diesen desquamierten Elementen um Spermiozyten handelt. Bei Untersuchung nach 3 Tagen (Prot. Nr. 26, r.) sind die Veränderungen an den Spermiozyten noch ausgeprägter. Man sieht sehr viele Spermiozytenleichen mit Pyknose oder Chromatolyse. Auch hier scheinen die Synapsen sämtlich unversehrt zu sein, dagegen sieht man neben normalen Reifeteilungsstadien auch viele nekrotisierte Mitosen. Solche kann man auch im Bereiche der desquamierten Massen antreffen. Die Desquamation nimmt zu, und sie betrifft unter Umständen auch allein die Spermiden, was uns zeigt, daß nunmehr die Degeneration auch diese Kategorie des Samencepithels ergriffen hat. Hierdurch kommt es stellenweise in den Kanälchen zu einem Bilde, das an eine Atrophie 2. Grades erinnert; an anderen Stellen, wo auch die Spermiozyten, sei es ins Lumen desquamiert wurden, sei es in loco zugrunde gegangen sind, bietet sich uns auch bereits ein einer Atrophie 3. Grades ähnliches Bild. Im Gegensatz dazu finden sich auch in den Schnitten hier und da Kanälchen, die eine merkwürdige Abweichung von der Norm insofern aufweisen, als sie zwar gut gefüllt sind, der Wand- belag aber ausschließlich aus Spermiden besteht. Wir wollen schon an dieser Stelle sagen, daß diese Erscheinung dadurch zustande kommt, daß nach dem Untergange der Spermiogonien durch die Bestrahlung in der seither verflossenen Zeit (3 Tage) die zur Zeit der Bestrahlung vorhanden gewesenen Spermiozyten sich weiter entwickelt und sämtlich zu Spermiden umgebildet haben, während eine Neubildung von Spermiozyten von den Spermiogonien aus, wie sie unter normalen Verhältnissen gleichzeitig erfolgt wäre, natürlich unter den vorliegenden Umständen nicht mehr in Frage kam.

Untersucht man 5 Tage Aach Applikation von 30 H.E.D. (Prot. Nr. 17, r.), so findet man den Wandbelag der Samenkanälchen meist nur noch aus Sertolizellen gebildet. Die

Röntgenhoden 453

Spermiden und Spermiozyten sind nun sämtlich zugrunde gegangen, hier und da sieht man im Lumen der Kanälchen noch Reste von ihnen, gelegentlich auch noch durch das Zusammenfließen zugrunde gehender Spermiden entstandene Riesenzellen. Zell- teilungen sind natürlich nicht mehr aufzufinden, gleichzeitig weisen die Samenkanälchen eine starke Schrumpfung und das Zwischengewebe eine starke relative Vermehrung auf.

Ganz anders entwickeln sich die Verhältnisse. wenn kleinere Dosen, z. B. 4 H.E.D. oder namentlich unter dieser Grenze stehende Dosen, z. B. 2 H.E.D., appliziert werden. Während wir ja bei Applikation von 15 H.E.D. bereits 2 Stunden nach der Bestrahlung unter Umständen eine teilweise Degeneration der Spermiogonien konstatieren konnten, findet sich 3 Stunden nach einer Bestrah- lung mit 2H.E.D. (Prot. Nr. 28, 1.) an den Spermiogonien noch keine Veränderung, und während jedenfalls wenn 30 H.E.D. appliziert werden im Laufe der ersten 2—3 Tage nach der Bestrahlung der De- generationsprozeß auch auf die Spermio- zyten und Spermiden übergreift, finden wir 3 Tage nach einer Bestrahlung mit 4 H.E.D. (Prot. Nr. 3, r.) die Spermiden im ganzen intakt, nur höchst selten Riesen- zellbildung in ihrem Bereiche, und die Degenerationserscheinungen an den Sper- miozyten sind weniger ausgebreitet. Vor allem fehlt auch die nach Anwendung größerer Dosen zu diesem Zeitpunkte schon typische Desquamation. Fast sämt- bech zerstört sind nur die Spermiogonien,

Abb. 2. Früheffekt der Röntgenschädigung aus

während die anderen Kategorien des Samenepithels sich zum Teil vielleicht selbst zum größeren Teile sogar ruhig weiterentwickelt haben, was uns diejenigen, hier nicht seltenen Partien zeigen, in denen ein quantitativ, d. h. an Dicke durchaus normaler Wandbelag besteht, der sich aber

einem einmal mit 30 H.E.D. bestrahlten Kanin- chenhoden (Prot. Nr. 18, r.) Haematox. Eosin, Zeiß, KO.5 x Ap. 90. An Stelle der sämtlich zugrunde gegangenen Spermiogonien sieht man Lücken zwischen den Sertolizellen. Die Spermio- zyten sind teilweise bis auf die Membrana pro- pria hinabgerückt. Spermiozyten bei dieser Dosis auch nekrobiotisch: Zum Teil Pyknose, zum Teil

ausschließlich aus Spermiden zusammen- setzt. (Zur Erklärung dieser Erscheinung s. S. 457 ff.). Daß die Weiterentwicklung der Spermiozyten aber hier nicht durchwegs zu einem guten Ende führt d. h. zur Aus- bildung normaler Spermiden —, zeigt das Vorkommen von abnormen und von nekro- tisierenden Mitosen.

Noch viel deutlicher wird der Unterschied im Früheffekte gegenüber der Einwirkung großer Dosen, wenn wir einen mit 2 H.E.D. bestrahlten Testikel 4 Tage nach der Bestrah- lung betrachten (Prot. Nr. 1, r.). Während nach Applikation von 30 H.E.D. zu diesem Zeitpunkte der Wandbelag der Samenkanälchen in voller Degeneration und zu einem großen Teile bereits bis auf die Sertolizellen reduziert ist, und während namentlich hier zu diesem Zeitpunkte ein ausgedehnter Zerfall von an im Hoden statt- findet (Prot. Nr.26, r. und 17, r.), finden wir nach Applikation von 2 H.E.D. zu dem gleichen Zeitpunkte ein ganz ar Bild. Die Tubuli sind alle prall gefüllt und be- finden sich in voller Spermiogenese. Schöne normale Reifeteilungen sind mühelos in großer

Karyorrhexis, zum Teil wohl degenerierende Mitosen.

454 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

Zahl zu finden. Ein oberflächlicher Untersucher würde einem solchen Hoden sogar überhaupt nichts ansehen. In Wirklichkeit zeigt dieser Testikel aber eine fundamentale Veränderung. Es sind nämlich fast sämtliche Spermiogonien aus ihm verschwunden. Die Degeneration der Spermiogonien in den ersten Tagen nach der Bestrahlung haben wir auf den vorigen Seiten auf Grund unserer Beobachtungen über die Einwirkung größerer Dosen von AH KD ab geschildert. Der Testikel, den wir jetzt beschreiben, lehrt uns, daß 4 Tage nach der Bestrahlung, auch wenn nur 2 H.E.D. appliziert wurden, die Spermiogonien unter allen Umständen bereits zum größten Teile verschwunden sind, oder besser ausgedrückt, ihren Degenerationsprozeß abgeschlossen haben, denn die wenigen Spermiogonien, die jetzt noch erhalten sind, bleiben es auch in der Folgezeit und degenerieren nur, wenn der Testikel dauernd atrophisch bleibt und nicht wieder eine Resti- tution erfährt. Nach Bestrahlung mit 2 H.E.D. kommt es aber immer zu einer solchen.

Der Zustand, bei dem der Wandbelag der Samenkanälchen nur noch aus Sertoli- zellen besteht, muß im allgemeinen als ein Spätbefund bei der Röntgenatrophie bezeichnet werden, und trotzdem haben wir ihn hier bereits unter den Frühbefunden aufgeführt, näm- lich als eine Erscheinung, die man 5 Tage nach einer Bestrahlung mit 30 H.E.D. beobachten kann. Es versteht sich, daß bei Anwendung so großer Dosen eben die Degenerations- prozesse sich so rasch abspielen, daß hier Frühbefunde und Spätbefunde in mancher Hinsicht zusammenfallen.

Noch viel ausgesprochener ist das natürlich, wenn noch größere Dosen, z. B. 50 H.E.D. angewandt werden. Während nach Applikation von Dosen von ca. 1 bis 4 H.E.D. nach 2 Tagen nur die Spermiogonien der Degeneration verfallen und sonst noch keine Veränderungen im Testikel wahrzunehmen sind, so hat bei Applikation größerer Dosen um 30 H.E.D. herum in dieser Zeit der Degenerationsprozeß auch schon die Spermiozyten erreicht. Nach Applikation von 50 H.E.D. aber finden wir unter Umständen zu diesem Zeitpunkte bereits das ganze Hodenparenchym nekro- tisch. Wir haben diese unerhört hohe Dosis auch mit der Absicht appliziert, eine Hoden- nekrose zu erzeugen, denn wir waren überzeugt, daß zwischen Hodenatrophie und Hoden- nekrose nur quantitative Unterschiede hinsichtlich der auslösenden Reize bestehen (s. Schinz und Slotopolsky, 1924), aber wir waren dennoch sehr überrascht, als wir diesen Effekt so ungemein rasch auftreten sahen. Äußerlich, makroskopisch betrach- tet, erschien der betreffende Testikel (Prot. Nr. 33, r.) normal, jedenfalls war er noch von normaler Größe. Das histologische Bild zeigt aber, wie gesagt, eine ausgesprochene, zum Teil bereits komplette Nekrose (vgl. Abb. 3). Der Wandbelag der Samenkanälchen ist durchwegs aufgelockert, so daß seine Elemente das Lumen zumeist voll ausfüllen. Diese verschiedenen Elemente sind sämtlich in loco ‚‚erstarrt‘‘. Protoplasma und Kerne sind durchwegs pyknotisch. Alle Kategorien des Samenepithels zeigen in dieser Hin- sicht das gleiche Bild. Auffallend ist, daß viele Kanälchen nur abgestorbene Spermiden enthalten, die hier bis auf die Membrana propria reichen. Dieser Befund erinnert uns an eine seinerzeit von uns bei der Untersuchung der hämorrhagischen Nekrose des Hodens gemachte Beobachtung (s. Schinz und Slotopolsky, 1924). Auch dort scheint offenbar im Beginne des Prozesses vielfach eine Beschleunigung der Reifeteilung einzutreten, was man annehmen muß, um das beschriebene Bild zu erklären. Auch der intergenerative Anteil ist nicht mehr völlig normal, wohl ist die Membrana propria der Samenkanälchen und sind die Kerne der Zwischenzellen intakt, aber die Zelleiber der Zwischenzellen sind merkwürdig schwach färbbar. Die Zwischenzellen scheinen demgemäß auch schon in De- generation begriffen zu sein. Bezüglich der Auffassung und Erklärung des beschriebenen Bildes im allgemeinen verweisen wir auf unsere Darstellung der Hodennekrose in unseren Beiträgen zur experimentellen Pathologie des Hodens (Schinz und Slotopolsky, 1924).

Röntgenhoden 455

Die Untersuchung eines mit 50 H.E.D. bestrahlten Testikels 4 Tage nach der Be- strahlung (Kontr.-Nr. 33, 1.) bot eine weitere Überraschung insofern, als hier Veränderun- gen von etwas geringerer Schwere, vor allem aber von ganz anderer Art vorlagen. Nur

Abb. 3. Röntgenkoagulationsnekrose des Hodens aus einem einmal mit 50 H.E.D. bestrahlten

Kaninchenhoden (Prot. Nr. 33, r.) Haematox. Eosin, Zeiß, OK.5 x, Ap. 90. Lockerung des

Epithelverbandes und rasche Nekrobiosen in loco. Sertolizellen vereinzelt noch nachweisbar,

Spermiogonienleichen bereits resorbiert. Schwerste Pyknose der Spermiozyten. Auch die Spermiden- kerne sind pyknotisch, nur infolge ihrer Chromatinarmut nicht so auffällig.

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Abb. 4. Schwerste Röntgenatrophie mit gleichzeitiger Kolliquationsnekrose aus einem einmal mit

50 H E.D. bestrahlten Kaninchenhoden (Prot. Nr. 33, 1.). Haematox. Eosin, Zeiß, OK. 5 x, Ap. 90.

Bei a noch Reste desquamierter Spermidenmassen mit Wandhyperchromatose, bei b auch diese verschwunden. Die Sertolikerne scheinbar wie durcheinander geworfen im Lumen verstreut.

teilweise zeigen die Samenkanälchen auch hier das bei dem rechten Hoden desselben Versuchstieres beschriebene Bild der Koagulationsnekrose. Zum größten Teile weisen sie ein Bild auf, das entweder einen sehr schweren Grad von Atrophie oder aber, was uns wahrscheinlicher vorkommt, eine Kolliquationsnekrose darstellt (vgl. Abb. 4).

456 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

Die Samenkanälchen sind hier mit einer geronnenen strukturlosen Masse erfüllt, die im allgemeinen keinerlei zellige Bestandteile, keine Pyknosen von Kernen oder Zell- leibern, keine Kernreste, keine Kernschatten erkennen läßt, kurz, von dem ganzen Samenepithel ist überhaupt nichts zu sehen, dagegen liegen in dieser strukturlosen Masse unverkennbare Sertolikerne in stattlicher Anzahl zerstreut herum. Gegenüber dem Bilde bei schwerer Hodenatrophie nehmen sie nur selten eine periphere Lage ein und zeigen auch deutliche Anzeichen der Degeneration. Daneben findet nian in den Kanäl- chen hier und da auch noch einmal einige erhaltene Spermienköpfe es ist ja von der Hodennekrose bekannt, daß sich Spermienköpfe noch ungemein lange erhalten können (s. Schinz und Slotopolsky, 1924). Da im allgemeinen keine Erscheinungen von Desqnamation nachweisbar sind und diese doch eine ungeheure sein müßte, wenn das Bild in 4 Tagen auf dem Wege der Atrophie, d. h. der Leerung der Kanälchen zustande gekommen wäre, so halten wir uns zu unserer Deutung des Bildes als Kolliquations- nekrose für berechtigt. Immerhin sind mit diesem Prozeß zweifellos auch nekrobiotische Vorgänge im Sinne der Hodenatrophie verknüpft, indem wir in einem Teile der Kanälchen doch Überreste vakuolig degenerierter Spermidenkerne und auch von anderen degenerie- renden Elementen des Samenepithels sehen. Die Kanälchen weisen eine außerordent- liche Schrumpfung auf. Die Membrana propria ist jeweils intakt. Ebenso intakt sind die Kerne der Zwischenzellen, während ihre Leiber durch eine auffallend schwache Färbbarkeit eine beginnende Degeneration auch der Zwischenzellen verraten.

Im ganzen ist festzustellen: eine Bestrahlung mit 50 H.E.D. führt in wenigen (2—4) Tagen zu schwerster kompletter Hodenatrophie, kombiniert mit Kolliquations- und Koagulationsnekrose, wobei aber den nekrotisierenden Vorgängen der Vorrang vor den atrophierenden zukommt. (Über die Begriffe Hodenatrophie und Hodennekrose vgl. Schinz und Slotopolsky, 1924.)

Das Interesse für die Früheffekte der Röntgenwirkung auf den Hoden veranlaßte uns seinerzeit bei Gelegenheit einiger doppelseitiger Kastrationen am Menschen!) 12 Stunden, 18 Stunden, 36 Stunden und 90 Stunden vor der Operation den einen der beiden Testikel einer Röntgenbestrahlung zu unterwerfen, wobei uns nachher jeweils der unbestrahlte Hoden als Testobjekt dienen konnte. Die Dosis war in 3 Fällen je 100% der H.E.D. einmal 150 % der H KI Sie genügte, wie wir aus einer seither von uns vorgenommenen Röntgensterilisation wissen, um eine vollständige, ja wahrscheinlich sogar um eine dauernde Azoospermie zu erzeugen (auch in diesem Falle haben wir nicht mehr als eine einmalige Bestrahlung mit 100%, der H ED vorgenommen). Das Resultat ist um so interessanter. Weniger überrascht waren wir davon, daß wir 12, 18 und 36 Stunden nach der Bestrahlung keinerlei Veränderungen an den betreffen- den Testikeln wahrnehmen konnten. Das hatten wir auch nach unseren Kaninchen- versuchen zu erwarten. Aber es hat uns doch etwas gewundert, daß auch 90 Stunden, d. h. 4 Tage nach der Bestrahlung, noch gar kein morphologischer Effekt derselben sichtbar ist. 4 Tage nach Applikation von 2 H.E.D. finden wir beim Kaninchen die Sper- miogonien bereits zum größten Teile verschwunden. Wenn es sich nun auch in unseren Versuchen am menschlichen Hoden um geringere Dosen handelte im vorliegenden Falle waren 100% der H.E.D. appliziert worden —, so ist es dochinteressant,daßnach 4Tagennichteinmalbeginnende Degenerations- erscheinungen an den Spermiogonien wahrzunehmen sind. Sogar normale Spermiogonienmitosen bekommt man zu sehen (vgl. Abb. 5). Es kann aber nicht be-

1) Es handelte sich um vollkommen gesundes Material. Die Kastrationen wurden an Sexual- verbrechern vorgenommen. (Siehe Slotopolsky und Schinz, 1925.)

Röntgenhoden 457

zweifelt werden, daß in diesem Falle schließlich doch noch eine vollkommene Depopulation erfolgt wäre. Man kann sich das auf zwei Arten erklären: entweder wären die Spermio- gonien im Laufe der nächsten Tage doch noch zur Nekrose gekommen oder sie hätten im Laufe der nächsten Tage ihre Teilungsfähigkeit eingestellt. Da aber die Spermio- gonien, die in einem Testikel etwa 1 Woche nach einer Bestrahlung vorhanden sind, kaum mehr mit den zur Zeit der Bestrahlung vorhanden gewesenen identisch sein können es muß sich vielmehr um deren Töchter oder Enkel halten —, so ergibt sich daraus, daß es nicht eine direkte unmittel- bare Schädigung der Spermiogonien ist, sondern eine zunächst latent bleibende, die sich erst bei den fol- genden Generationen auswirkt, wenn ein menschlicher Hoden durch eine ein- malige Bestrahlung mit 100% der H.E.D. sterilisiert wird.

Natürlich muß man bei der Fahndung auf so geringe Effekte, wie sie im besten Falle als Frühetfekte nach Bestrahlung mit kleinen Dosen zu erwarten sind, große Vorsicht walten lassen und sich vor leichtfertigen Schlüssen, die in einem so kompliziert und so wechselvoll gebauten Organ, wie es der Hoden und speziell der menschliche Hoden ist, leicht möglich wären, hüten. So sahen wir in einem unserer unbestrahlten Testobjekte an einer Stelle 17 Spermiogonienmitosen beiein- ander. Hätten wir das in einem der bestrahlten Hoden gesehen, so hätten wir leicht auf die Idee

kommen können, es handle sich um eine Vermeh- Abb. 5. Normale Spermiogonienteilungen aus rung der Mitosen als Früheffekt der Bestrahlung. einem menschlichen Hoden 90 Stunden nach Umgekehrt sahen wir in jenem unbestrahlten einmaliger Bestrahlung mit 100%/, der H.E.D. Testikel an einer anderen Stelle 6 Spermiogonien- Haematox. Eosin, Zeiß, KO. 15 x, Ap. 90. Ganz nekrosen, daneben 2 Spermiozytennekrosen und rechts im Bilde die Membrana propria. Ihr auf- omge Spermidenriesenzellen, ein Befund, der als sitzend von oben nach unten eine ruhende und hier und da sporadisch auftretende Erscheinung drei sich teilende Spermiogonien. In der 2. Etage im menschlichen Hoden nicht selten ist und zur Sertolikerne, gegen das Lumen zu eine Spermio- „normalen Pathologie‘‘ des menschlichen Hodens zyte (?) und drei Spermiden in Spermiohisto- gehört 1). genese.

2. Die Stadien der Depopulation.

Die Früheffekte, von denen wir in dem vorigen Abschnitte berichtet haben, waren von verschiedener Natur. Wenn wir nunmehr die verschiedenen Stadien der ,Depopu- lation“ (‚„‚Entvölkerung‘' mit diesem Ausdruck bezeichnet die Regaudsche Schule die Leerung der Samenkanälchen) besprechen wollen, die sich an die Früheffekte an- schließen, so sind natürlich damit nicht jene ‚‚Früheffekte‘“ gemeint, die man nach Applikation ganz großer Dosen, von 30 oder gar von 50 H.E.D. z. B., beobachtet. 4 bis 5 Tage nach der Bestrahlung sind ja hier die Kanälchen bereits vollkommen geleert, liegt ja bereits eine komplette Atrophie 4. Grades vor bzw. es entsteht durch eine Kolli- quationsnekrose ein ähnliches Bild. Wenn aber eine Koagulationsnekrose eintritt, wie wir das ja an einem Falle bereits 2 Tage nach einer Bestrahlung mit 50 H.E.D, beob-

1) Siehe Slotopolsky und Schinz, 1925.

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achten konnten, so schließt sich natürlich daran keine Depopulation, keine Leerung der Kanälchen mehr, sondern was jetzt folgen kann, ist nur noch die Organisation oder Resorption des nekrotisch gewordenen Organes. Die Früheffekte, an die sich die in diesem Abschnitte zu betrachtende Depopulation der Samenkanälchen anschließt, sind viel- mehr diejenigen, welche nach Applikation geringerer Dosen, von Dosen, welche unter 4 H.E.D. liegen, sich beobachten lassen. Diese Früheffekte, die in den ersten Tagen nach einer Bestrahlung von 1—3 H.E.D. etwa eintreten, bestehen kurz gesagt in einer sichtbaren Erscheinung: in dem Untergange der großen Mehrzahl der Spermiogonien; und in einer unsichtbaren, die sich aus den folgenden Vorgängen erschließen läßt: in einem Erlöschen der Teilungsfähigkeit der wenigen Spermiogonien, die der Zerstörung entgehen.

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Abb. 6. Stadium I der Röntgendepopulation des Hodens aus einem mit 2 H.E.D. einmal bestrahlten Kaninchenhoden (Prot. Nr. 1, 1... Haematox. Eosin, Zeiß, KO. 5 x, Ap. 90. Die Spermiogonien sind sämtlich verschwunden. In die so zwischen den Sertoli entstandenen Lücken sind die Spermiden nachgerückt. Das Samenkanälchen enthält Sertolizellen, Spermiozyten, Spermiden und Spermien, welche sämtlich unversehrt sind bis auf eine gewisse Anisozytose der Spermiden.

An diese Früheffekte schließt sich die Depopulation an. Wir betrachten zunächst einen mit 2 H.E.D. bestrahlten Testikel 10 Tage nach der Bestrahlung (Prot. Nr. 1, 1.). Die Samenkanälchen sind von normaler Weite, sind alle gut gefüllt, enthalten bei oberflächlicher Betrachtung alle Stadien der Spermiogenese, und zahlreiche von ihnen enthalten reife, wohlausgebildete Spermien. Ein auf diesem Gebiete unerfahrener Untersucher könnte angesichts dieses Bildes leicht glauben, daß es sich hier noch um völlig normale Verhältnisse handelt, und auf die Idee kommen, daß wir uns hier noch innerhalb der Latenzzeit der Röntgenwirkung befinden. Nichts wäre unrichtiger. Ein genaues Zusehen zeigt, daß in allen diesen so wohl gefüllten Kanälchen bis auf ganz sel- tene Ausnahmen die Spermiogonien fehlen, und daß die basale Schicht des Wandbelages hier von den Sertolizellen und Spermiozyten, manchmal auch von den Sertolizellen

Röntgenhoden 459

und Spermiden, gebildet wird. Das ist bereits bedeutungsvoll genug: es bedeutet, daß die Matrix des Organes verlorengegangen ist. Aber noch mehr: der beschriebene

Abb. 7. Stadium I der Röntgendepopulation des Hodens Kaninchen (Prot. Nr. 1,1.). Haematox. Eosin, Zeiß, KO.5 x, Ap. 90. Dasselbe Stadium, wie Abb. 6, aber einzelne Spermiozyten (oben und rechts im Bilde) sind pyknotisch. Ausgesprochene Anisozytose der Spermiden.

Testikel befindet sich bereits in voller Depopulation. Wenn wir genauer zusehen, aus welchen Kategorien der Wandbelag der Samenkanälchen sich hier zusammensetzt,

Abb. 8. Stadium II der Röntgendepopulation des Hodens (Prot. Nr. 1, 1.) Haematox. Eosin, Zeiß, KO.5 x, Ap. 90. Inhalt des Samenkanälchens: Sertolizellen, Spermiozyten und Spermiden.

so finden wir, von den Sertolizellen abgesehen, bald Spermiozyten, Spermiden und Sper- mien, bald Spermiozyten und Spermiden, bald Spermiozyten und Spermien, bald Reife- teilungen und Spermien, bald Präspermiden und Spermien und endlich auch des öfteren

460 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

Spermiden und Spermien. Wir betrachten diese Zustandsbilder als sechs aufeinander- folgende Stadien des Depopulationsprozesses, der dadurch zustande kommt, daß die zur Zeit der Bestrahlung vorhanden gewesenen Kategorien des Samenepithels sich noch weiter entwickeln, daß aber kein Nachschub mehr von der Matrix aus (den Spermiogonien) erfolgt, weil diese zum größten Teile zerstört, und soweit sie noch erhalten ist, „gelähmt“ ist.

Das Stadium I der Depopulation (vgl. Abb. 6 u. 7) Wandbelag aus Sertoli- zellen, erwachsenen Spermiozyten, Spermiden und Spermien weisen unserer An- sicht nach diejenigen Samenkanälchen auf, deren Spermiozyten sich zur Zeit der Bestrahlung im Stadium der Synapsis befanden. Diese jungen Spermiozyten haben sich in der Zwischenzeit in ausgewachsene, die das Spiremstadium zeigen, umgebildet. Die zur Zeit der Bestrahlung vorhanden gewesenen erwachsenen Spermiozyten aber

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Abb. 9. Stadium III der Röntgendepopulation des Hodens (Prot. Nr. 10). Haematox. Eosin, Zei, KO.5 x, Ap. 90). Inhalt des Samenkanälchens: Sertolizellen, Spermiozyten und Spermien.

haben durch die beiden Reifeteilungen die Spermiden geliefert, die sich nunmehr in dem Wandbelage finden, während die seinerzeit vorhanden gewesenen Spermiden sich in Spermien umgewandelt haben.

In Kanälchenabschnitten, in denen dieses Stadium I bereits eine Zeitlang bestan- den hat, hat sich inzwischen aus ihm das II. Depopulationsstadium entwickelt (vgl. Abb. 8): Die Spermien sind abgestoßen, und der Wandbelag besteht nur noch aus Sertolizellen, Spermiozyten und Spermiden.

Kanälchenpartien, die zur Zeit der Bestrahlung noch weiter in ihrer spermiogene- tischen Phase voraus waren, bzw. die sich seither rascher entwickelt haben, weisen das IIl. Depopulationsstadium auf (vgl. Abb. 9): Die Spermiden des Stadiums II haben sich in Spermien umgewandelt, und der Wandbelag besteht denıgemäß nur noch aus Sertolizellen, Spermiozyten und Spermien.

Entsprechend der verschiedenen spermiogenetischen Phase verschiedener Kanäl- chenpartien zur Zeit der Bestrahlung, bzw. einer verschiedenen Entwicklungsgeschwin- digkeit in verschiedenen Kanälchenabschnitten seit der Bestrahlung treffen wir auch

Röntgenhoden 461

noch zwei weitere Stadien der Depopulation in unseren Testikeln an: Stadium IV mit einem Wandbelag aus Sertolizellen, Reifeteilungsspindeln und Spermien, bzw. Sertoli- zellen, Präspermiden und Spermien (vgl. Abb. 10), und Stadium V mit einem Wand- belag aus Sertolizellen, Spermiden und Spermien (vgl. Abb. 11). Dieses Stadium weisen diejenigen Kanälchen auf, die zur Zeit der Bestrahlung nur reife Spermiozyten, d. h. einen Wandbelag aus Sertolizellen, Spermiogonien, reifen Spermiozyten (im Spirem- stadium), Spermiden und evtl. Spermien enthielten.

Im Gegensatz zu den verschiedenen spermiogenetischen Phasen, die sich in jedem normalen Testikel finden, lassen sich die beschriebenen fünf Stadien als Depopulations-

Abb. 10. Stadium III und IV der Röntgendepopulation des Hodens (Prot. Nr. 1, l.). Haematox. Eosin, Zeiß, KO. 5 x, Ap. 90. Rechts im Bilde Stadium 'III: Sertolizellen, Spermiozyten, Spermien; links und oben Stadium IV: Sertolizellen, Reifeteilüngen, Präspermiden bzw. Spermien.

stadien ohne weiteres dadurch erkennen, daß im Wandbelag die Spermiogonien fehlen. Aber auch ohne dieses Hilfsmittel ist die Diagnose: ‚‚Testikel in Depopulation‘ möglich, wenn man die Stadien II—V, ganz besonders aber das Stadium V häufig in einem Hoden antrifft. Insbesondere kommt es im normalen Hoden nie vor, daß die Spermiden in der ganzen Zirkumferenz eines Samenkanälchens bis auf die Membrana propria hinabreichen. Immer sind, wenn auch gelegentlich einmal in Abweichung von der Regel ein lückenloser Kranz von Spermiozyten die Spermiden von der basalen Reihe des Wandbelages trennt, doch wenigstens einige Spermiozyten auch in solchen Kanälchen des normalen Hodens zu finden, in denen die Spermiden an der einen oder anderen kleinen Stelle die Membrana propria erreichen. Ganz anders im in Depopula- tion begriffenen Röntgenhoden. Hier ist es ein ganz gewöhnliches Bild, ja eigentlich das charakteristische Bild, daß die Spermiden bis auf die Membrana propria hinab-

462 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

reichen, ohne daß auch nur eine einzige Spermiozyte in der ganzen Zirkumferenz des Kanälchenschnittes zu sehen wäre.

Nekrobiotische Erscheinungen sind an den Elementen des Samenepithels im Verlaufe der genannten Stadien im allgemeinen nicht zu beobachten. Die Leichen der Spermiogonien, die in den Tagen des Früheffektes noch häufiger sichtbar waren, sind jetzt fast alle verschwunden. Nekrobiotische Erscheinungen an den Spermiozyten aber bilden bei dieser Verlaufsweise der Röntgenatrophie eine Seltenheit. Nur ganz gelegent- lich läßt sich unter den Spermiozyten eine pyknotische Zelle auffinden (vgl. Abb. 7).

Um nun den weiteren Verlauf der Depopulation kennen zu lernen, betrachten wir z. B. einen mit 1 H.E.D. bestrahlten Hoden 25 Tage nach der Bestrahlung (Prot. Nr. 4, r.). Hier ist auch für den ungeübten Untersucher die Depopulation ohne weiteres kenntlich.

Abb. 11. Stadium V der Röntgendepopulation des Hodens (Prot. Nr. 1, 1.). Haematox. Eosin,

Zeiß, KO.5 x, Ap. 90. Sertolizellen, Spermiden, Spermien im Kanälchen, einzelne Spermiozyten

des Stadium III haben sich hier nicht weiter entwickelt, sondern sind der Nekrobiose verfallen (oben im Bilde). Die Spermiden reichen zum Teil bis auf die Membrana propria.

Der größte Teil der Samenkanälchen ist ‚leer‘, d. h. der Wandbelag ist auf eine einzige Schicht reduziert.

Ein Teil der Kanälchen ist allerdings noch gut gefüllt, und zwar höchst charak- teristischerweise mit lauter Spermiden, die an den Stellen, wo keine Sertolizellen der Membrana propria aufsitzen, diese direkt erreichen. Es ist dies das Depopulations- stadium VI, welches sich an das oben beschriebene V. Depopulationsstadium direkt anschließt: Die auf diesem vorhanden gewesenen Spermien sind ins Lumen abgestoßen worden, und nun besteht der Wandbelag nur noch aus Sertolizellen und Sper- miden (vgl. Abb. 12).

Sobald auch diese Spermiden sich in Spermien umgewandelt haben, ist die letzte Generation von Spermien gebildet, die num direkt über den Sertolizellen stehen. Es ist das Depopulationsstadium VII, ein höchst charakteristisches Bild, das sich von dem der gewöhnlichen Hodenatrophie 4. Grades durch die Anwesenheit von Spermien unter- scheidet und erkennen läßt, daß die Leerung der Samenkanälchen hier nicht durch einen

Röntgenhoden 463

sukzessiven nekrobiotischen Zerfall der verschiedenen Kategorien des Samenepithels, sondern lediglich dadurch erfolgte, daß beinormaler Weiterentwicklung der zur

Abb. 12. Stadium VI der Röntgendepopulation des Hodens aus einem einmal mit 1 H.E.D. be- strahlten Kaninchen (Prot. Nr. 4, r.) Haematox. Eosin, Zeiß, KO. 5 x, Ap. 90. Wandbelag aus Sertolizellen und Spermiden bestehend, die bis auf die Membrana propria vorgerückt sind.

Zeit der Bestrahlung vorhanden gewesenen Spermiden und Spermio- zyten der normalerweise vorhandene Nachschub von den Spermio- gonien aus unterblieb (vgl. Abb. 13).

Abb. 13. Stadium VII der Röntgendepopulation des Hodens (Prot. Nr. 4, ri Haematox. Eosin, Zeiß, KO.5 x, Ap. 90. Wandbelag aus Sertolizellen und Spermien. Es ist hier bereits das erste Restitutionsstadium superponiert: Man sieht wieder zahlreiche (aus den Sertolizellen; neugebildete Spermiogonien zwischen den Sertolizellen. Links unten im Bilde eine zweikernige Spermiogonie.

Ist nun auch diese letzte Spermiengeneration abgestoßen, so besteht der Wand- belag nur noch aus den Sertolizellen, das Depopulationsstadium VIII ist erreicht und damit das Ende der Depopulation. Dieses Bild ist dann von dem der gewöhn-

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Abb. 14. Stadium VIII der Röntgendepopulation des Hodens aus einem einmal mit 4 H.E.D. be- strahlten Kaninchenhoden (Prot. Nr. 3, 1.). Haematox. Eosin, Zeiß, KO. 5 x, Ap. 90. Der Wand- belag besteht nur noch aus Sertolizellen.

lichen Hodenatrophie 4. Grades in keiner Weise zu unterscheiden (vgl. Abb. 14 und 15); der Endeffekt ist also bei beiden Formen der Atrophie derselbe, nur ist

die Verlaufsweise eine durchaus andere. Die beiden letzten Depopulationsstadien, Stadium VII und VIII treten nicht immer in reiner Form auf, d. h. wenn eine Restitution stattfindet, und eine solche

Abb. 15. Dauernde Röntgenatrophie von Samen- kanälchen (Prot. Nr. 3,1... Haematox. Eosin, Zeiß, KO.5 x, Ap. 90. Die zum Teil von der Membrana propria abgehobenen, ins Lumen wandernden Sertolikerne in den außerordentlich geschrumpften Kanälchen sind an Zahl erheb- lich erduziert. Sie sind offenbar in Degene- ration begriffen, auf jeden Fall aber regene- rationsunfähig.

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dürfte nach unseren Erfahrungen nach einmaliger Bestrahlung mit 1—3 H.E.D. die Regel sein, so superponiert sich das l. Stadium der Restitution den beiden letzt-

Abb. 16. Beginn der Restitution auf dem Depopulationsstadium VII (vgl. Abb. 13) aus einem einmal mit 4 H.E.D. bestrahlten Kaninchenhoden (Prot. Nr. 4,r.). Haematox. Eosin, Zeiß, KO. 5 x, Ap. 90.

genannten Depopulationsstadien. D. h. es treten im Wandbelag auf einmal wieder zahl- reiche Spermiogonien auf, so daß auf den Depopulationsstadien VII und VIII der Wand- belag unter Umständen aus in einer Reihe liegenden Sertolizellen und Spermiogonien und

Abb. 17. Aus demselben Kaninchenhoden (Prot. Nr. 4, r.). Haematox. Eosin, Zeiß, KO.5 x, Ap. 90. Das Samenkanälchen zum Großteil von den Spermien entleert. Restitution durch Neu- bildung von Spermiogonien in vollem Gange.

unmittelbar über ihnen liegenden Spermien, bzw. aus einer Reihe von Sertolizellen und Spermiogonien allein besteht, und dieses ist in der Tat bei dem soeben beschriebenen Testikel (Prot. Nr. 4, r.) der Fall (s. Abb. 16 u. 17). Im Gegensatz dazu finden wir z.B.

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 30

466 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

30 Tage nach Applikation von 2 H.E.D. bei einem anderen Testikel den Wandbelag der Kanälchen ganz vorwiegend aus Sertolizellen gebildet, und vollständig aus Sertoli- zellen 37 Tage nach Applikation von 4 H.E.D. (Prot. Nr. 3, 1.). In dem letzteren Falle halten wir es allerdings für wahrscheinlich, daß es zu keiner Restitution mehr kommt.

Wenn wir uns nun fragen, worin das Wesen der geschilderten Vorgänge liege, so ist festzustellen: In einer mäßigen Dosis appliziert, d. h. in einer Dosis, die gerade noch stark genug ist, um eine vollkommene Depopulation, bzw. Atrophie 4. Grades, oder klinisch gesprochen eine Azoospermie zu bewirken, bringen Böntgenstrahlen lediglich die Spermiogonien direkt zur Nekrose. Die übrigen Kategorien des Samenepithels lassen sie, von vereinzelten sporadischen Ausnahmen abgesehen, intakt, und behindern sie in ihrer Weiterentwicklung nicht. Bedeutet das, daß sie überhaupt keine Wirkung auf diese Kategorien des Samenepithels haben ? Wir glauben nicht. Denn es fällt uns an allen unseren Präparaten auf, daß die Spermiden, insbesondere auf den so charakte- ristischen Depopulationsstadien V und VI sich durch eine sehr ungleiche Größe aus- zeichnen, Größenschwankungen, die weit über die Variabilität hinausgehen, die wir im normalen Hoden beobachten. Während normalerweise die Variationsbreite des Sper- midendurchmessers sehr gering ist und meist zwischen 5,3 und Gu schwankt Werte bis zu 4,6 u treten sehr selten und solche von 6,5 bis 8 u nur ganz ausnahmsweise einmal auf so ist während der Depopulation eine viel größere Variationsbreite in dieser Hin- sicht wahrnehmbar, wobei die Grenze vor allem nach oben verschoben ist. So findet man in jedem spermidenhaltigen Kanälchen hier alle Übergänge von 4,6 bis 8,7 u. Wir bezeichnen diese unseres Wissens bisher von der Regaudschen Schule und von Herxheimer und Hoffmann (Regaud 1908, Hoffmann 1908) beschriebene Er- scheinung als Anisozytose der Spermiden. Sie ist der Ausdruck einer latenten Schädigung der von der Bestrahlung getroffenen Spermiozyten evtl. auch Präsper- miden, die zwar in ihrer Weiterentwicklungsfähigkeit nicht betroffen werden, aber abnorme Produkte liefern. Diese Art von Schädigung gehört zu den Schädigungen, die Regaud, da sie sich nicht an der von den Strahlen getroffenen Zelle selbst, sondern erst in späteren aus ihr hervorgehenden Generationen zeigen, als heredozelluläre Schädigungen, bezeichnet.

Wir glauben, in der Annahme nicht fehl zu gehen, daß die aus diesen Spermiden ge- bildeten Spermien auch zu einer normalen Befruchtung nicht fähig sein dürften.

Eine heredozelluläre Schädigung braucht sich natürlich nicht allein nur in der Qualität der Nachkommenschaft zu zeigen, sie kann auch quantitativer Natur sein. Wir haben gewisse Anhaltspunkte für die Annahme, daß auch eine heredozellu- läre Schädigung quantitativer Natur bei dem Ablaufe der Depopulation, wie wir ihn beschrieben haben, mitwirkt, nicht etwa im Sinne einer zahlenmäßigen Verminderung der gebildeten Spermiden oder Spermien, sondern im Sinne einer Verlangsamung der Teilungsvorgänge an den Spermiozyten und Präspermiden und vielleicht auch der Um- wandlung der Spermiden in Spermien, d. h. der Spermiohistogenese, und auf diese Weise der Depopulation selber. Das würde also bedeuten, daß durch die (heredozelluläre) Schädigung der Spermiozyten, Präspermiden und Spermiden der Depopulationspro- zeß verlangsamt, und so der klinische Effekt der Bestrahlung vermindert wird, eine Paradoxie, die aber nach dem Gesagten vollkommen verständlich ist.

Die Depopulation bei der hier beschriebenen Verlaufsweise der Röntgenatrophie des Hodens kommt dadurch zustande, daß bei erhaltener Weiterentwicklungsfähigkeit der übrigen Kategorien des Samenepithels die Spermiogonien, von wenigen Ausnahmen, die aber auch ihre Teilungsfähigkeit einbüßen, abgesehen, zugrunde gehen, d. h. daß die „Matrix“ dieser „holokrinen Drüse“ verschwindet. Es ist aber ersichtlich, daß

Röntgenhoden 467

der gleiche Effekt auch eintreten müßte, wenn die Spermiogonien, ohne daß auch nur eine einzige von ihnen abzusterben brauchte, lediglich für eine gewisse Zeit ihre Tei- lungsfähigkeit einstellen würden. Theoretisch ist denkbar, daß es eine Dosis gibt, die zu klein ist, um die Spermiogonien abzutöten, aber noch groß genug, um ihre Teilungs- fähigkeit aufzuheben. Es ist auch nach dem Gesagten selbstverständlich, daß diese Dosis für den Kaninchenhoden bei einmaliger Bestrahlung unter 100% der H.E.D. liegen muß.

Wir hatten die große Freude, eine solche Dosis zu finden. Sie existiert, und sie beträgt 10% der H.E.D. 11 Tage nach einer Bestrahlung mit 10% der H. E. D. (Prot. Nr. 20,r.) finden wir den Wandbelag der Samenkanälchen in bezug auf die Mengeder Spermiogonien überall normal, aber daneben eine ausgesprochene De- population. In vielen Kanälchen stehen direkt über dieser basalen aus Sertolizellen

Abb. 18. Vollkommene Depopulation eines Hod:nkanälchens nach Applikation einer minimalen Röntgendosis einmalige Applikation von 10% der H.E.D. (Prot. Nr. 20, r.). Haematox. Eosin, Zeiß, OK. 5 x, Ap. 90. Die Depopulation ist hier nicht durch einen Untergang, sondern lediglich durch einen Teilungsstillstand der Spermiogonien bewirkt. Im Gegensatz zu den Abb. 13, 16 u. 17 sind die zahlreichen, hier vorhandenen Spermiogonien nicht aus Sertolizellen neugebildete, sondern alte, vorübergehend gelähmte Spermiogonien. Das Leerungsstadium ist also bereits am Verschwin- den. Oben im Bilde liegen die Spermiogonien sehr dicht gedrängt und scheinen die Sertolikerne aus der basalen Etage verdrängt zu haben: rasch aufeinanderfolgende Spermiogonienteilung.

und Spermiogonien gebildeten Reihe Spermiden; häufig treffen wir auch das Depo- pulationsstadium VII: eine basale Reihe aus Sertolizellen und in diesem Falle morphologisch völlig intakten und in völlig normaler Zahl vorhandenen Spermiogonien und unmittelbar darüber ein Kranz von Spermien (vgl. Abb. 18). Gelegentlich sind diese Spermien von der basalen Spermiogonienreihe noch durch einen Abstand getrennt, der der Dicke der Schicht entspricht, die normalerweise zwischen den Spermiogonien und den Spermien liegt, ein ungemein instruktives Bild, das mit verblüffender Deutlichkeit zeigt, was hier vorging und in demonstrativster Weise klarmacht, daß im Hoden kein statisches, sondern ein dynamisches Gleichgewicht herrscht, daß alles hier in ständiger Bewegung ist, und daß die Spermiogonien sich ununterbrochen teilen müssen, wenn nicht in kürzester Zeit es braucht nur 10 Tage dazu die Samenkanälchen sich mehr oder weniger vollständig leeren sollen. Ein solches Präparat gehört unseres Er- achtens in jeden normal-histologischen Kurs, weil es dem Lernenden mit größter Plasti- zität etwas vor Augen führt, worauf für das Verständnis des Testikels viel ankommt. Hier erscheint die Röntgenbiologie von nicht minder großer Bedeutung für die normale, 30*

468 H R. Schinz und B. Slotopolsky

wie für die pathologische Histologie. ‚En modifiant expérimentalement par les radia- tions la structure et les fonctions d’un organ complexe (testicule, ovaire, thymus etc.), on met en oeuvre un moyen d’analyse simple et efficace; on dissocie, avec une pré- cision et une sûreté incomparable, des éléments anatomiques et des phénomènes phy- siologiques intriqués les uns dans les autres, et par conséquent, difficiles à distinguer nettement à létat normal.“ (Regaud und Lacassagne, 1922).

Der beschriebene Teilungsstillstand der Spermiogonien nach einer Bestrahlung mit 10% der H.E.D. ist jedenfalls nur ein vorübergehender. 1. einmal finden wir in dem erwähnten Testikel in den Spermiogonien der geleerten Kanälchen bereits wieder häufig Teilungsfiguren es scheint also, daß nach ca. 10 Tagen die ‚Lähmung‘ sich wieder zu lösen beginnt, und vor allem, bei einem mit 45%, der H.E.D. bestrahlten Testikel, in welchem 11 Tage nach der Bestrahlung die Spermiogonien zum Teil zugrunde gegangen, zum Teil gelähmt" worden waren, sehen wir 32 Tage nach der Bestrahlung, zu einem Zeitpunkt, zu dem wir bei Dosen von 1 bis 3 H.E.D. noch vollständige Atrophie vor- finden, die Schädigung bereits wieder vollkommen ausgeglichen und in den Samen- kanälchen ein Bild, das sich von dem normalen in nichts mehr unterscheidet. Es kann wohl kein Zweifel sein, daß dieser Verlauf um so eher nach Applikation von nur 10% der H.E.D. zu erwarten ist. Leider ist uns der zweite nach 32 Tagen exstirpierte Testikel des mit 10% der H.E.D. bestrahlten Versuchstieres durch einen unglücklichen Zufall abhanden gekommen, so daß wir den genannten Schluß nur indirekt nach dem bei Be- strahlung mit 45%, der H.E.D. Beobachteten ziehen können. Wir werden die Lücke bei geeigneter Gelegenheit ausfüllen und dann auch noch eine Reihe von Zwischenstadien, zwischen dem 10. und dem 30. Tage untersuchen. Das Objekt ist reizvoll genug, um auch. eine ganz detaillierte Nachforschung zu rechtfertigen.

Die Tatsache, daß wir bei Applikation von 10%, der H. E. D. schon nach 11 Tagen eine teilweise vollständige Depopulation bis zum Stadium VIII vor uns haben, während wir 10 Tage nach Appli- kation von 200°, der H.E.D. z. B. die Depopulation nur bis zum Stadium VI vorgeschritten finden (s. S. 16—18, Prot. Nr. 1,1.) gibt zu denken. Die Differenz ist zu groß, um als individuelle Schwan- kung erklärt zu werden. Wir vermuten, daß bei Applikation von 10°, der H. E. D. die Spermiozyten, Präspermiden und Spermiden nicht nur an ihrer Weiterentwicklung nicht gehindert werden, sondern, daß auch ihre Weiterentwicklungsgeschwindigkeit nicht vermindert wird. Die Depopulation geht deshalb, wie wir glauben, hier mit einer Geschwindigkeit vor sich, die dem normalen Teilungsrhyth- mus der Spermiozyten und Präspermiden unter normaler Dauer der Spermiohistogenese entspricht. Dagegen dürfte, wie bereits oben ausgeführt, bei Anwendung höherer Dosen die Geschwindigkeit der Entwicklung der Spermiozyten, Präspermiden und Spermien herabgesetzt und auf diese Weise die Dauer der Depopulation verlängert werden. Es darf allerdings nicht verschwiegen werden, daß diese Annahme etwas Willkürliches an sich hat. So nimmt Regaud (1911) im Gegensatz zu unserer Auffassung an, daß die Depopulationszeit nach Abtötung der Spermiogonien, die bei der Ratte ca. 4 Wochen dauert, der normalen Entwicklungsdauer einer „spermiogenetischen Linie‘, d. h. der Zeit, welche von der Teilung einer Reservespermiogonie (in eine Reservespermiogonie und in eine aktive Spermiogonie), bis zur Eliminierung der Spermien, die aus ihr (der durch jene Teilung gebildeten aktiven Spermiogonie) hervorgehen, verfließt. Die auf diese Weise bestimmte Dauer einer spermio- genetischen Linie findet Regaud bei Hund und Katze ebenso groß. Auch wir konnten konstatieren, daB nach Bestrahlung mit 1 bis 3 H. E. D. die Depopulationszeit im Kaninchenhoden ca. 4 Wochen beträgt. Aber wir halten es nicht ohne weiteres für erlaubt, eine Röntgenbestrahlung von beliebiger Dosis zur Bestimmung der normalen Dauer eines spermiogenetischen Zyklus zu verwenden, und wir halten es für sehr gut möglich, daß, wie oben ausgeführt, diese Depopulationszeit nicht der normalen Dauer eines spermiogenetischen Zyklus entspricht, sondern diesem gegenüber verlängert ist. Wir wurden, abgesehen von prinzipiellen Erwägungen, durch den erwähnten Befund nach Applikation von 10°% der H. E. D. darauf geführt, wobei man bereits 10 Tage nach der Bestrahlung eine ganz weit- gehende, vielfach bereits vollendete Depopulation antrifft. Immerhin könnte es dennoch möglich sein, daß die Auffassung von Regaud zu Recht bestünde, und daß die rasche Depopulation nach Bestrahlung mit 10°, der H. E. D. gegenüber der normalen Entwicklungszeit verkürzt wäre und auf einer Reizwirkung der schwachen Dosis auf die Spermiozyten z. B. beruhen würde. In

Röntgenhoden 469

diesem Falle müßte man annehmen, daß entsprechend dem Arndt-Schulzschen biologischen Grund- gesetz der schwache Reiz von 10%, der H. E. D. auf die Spermiozyten fördernd wirke, der stärkere Reiz von 100—300% der H.E.D. sie aber unbeeinflußt lasse. Größere Dosen würden dann auf die Spermiozyten lähmend und noch größere tötend wirken. (Siehe darüber noch Seite 478 ff.) Die ganze Frage scheint uns noch weiterer Untersuchungen bedürftig.

Sehr instruktiv sind für das Verständnis des Mechanismus der Röntgenatrophie bei Applikation schwacher und mittlerer Dosen, d h. von Dosen unter 400 % der H ED. schließlich doch die bereits angedeuteten Bilder, die man bei Bestrahlung mit 45%, der H.E.D. zu sehen bekommt. Es ist ungemein charakteristisch, wie man 11 Tage nach einer solchen Bestrahlung (Prot. Nr. 19, r.) in den in Depopulation begriffenen Kanälchen ungefähr die Hälfte der Spermiogonien morphologisch intakt, die übrige Hälfte aber „spurlos“ verschwunden sieht. 10 Tage nach der Bestrahlung mit verschwindenden Ausnahmen überhaupt keine Spermiogonien mehr, wenn 2 H.E.D. appliziert wurden; nur ein Teil der Spermiogonien erhalten, wenn 45%, der H.E.D. verabreicht wurden; sämtliche Spermiogonien erhalten, wenn mit 10%, der H.E.D. bestrahlt worden war. Im übrigen zeigte der erwähnte Testikel Stadium I bis V der Depopulation, gerade so, wie wir das auch sonst ca. 10 Tage nach der Bestrahlung zu sehen bekommen. Daß noch innerhalb der ersten 4 Wochen nach der Bestrahlung mit 45% der H.E.D. eine voll- ständige Repopulation erfolgt (Prot. Nr. 19, 1.), haben wir bereits gesagt.

Die Atrophie des Hodens wird im allgemeinen in eine Reihe von Stadien oder Grade eingeteilt. So unterscheidet Spangaro (1902) drei Grade, Goette (1921) vier Grade und wir selbst (Schinz und Slotopolsky, 1924), haben seinerzeit fünf Grade der Hodenatrophie unterschieden (s. S. 450 der vorliegenden Arbeit). Der Leser darf sich nicht wundern, daß er in der in diesem Abschnitt gegebenen Schilderung des Verlaufes der Röntgenatrophie des Hodens diese Grade (oder Stadien) nicht wiederfindet. Die Röntgenatrophie des Hodens nimmt nämlich innerhalb der Hoden- atrophien eine Sonderstellung ein und repräsentiert einen eigenen Ty- pus. Während bei den übrigen Hodenatrophien die Leerung der Kanälchen durch einen sukzessiven nekrobiotischen Untergang der Spermiden, Spermiozyten und Spermio- gonien erfolgt, geht der Prozeß bei der Röntgenatrophie nach Applikation kleiner oder mittlerer Dosen in unserem Falle bis zu 4 H.E.D. in umgekehrtem Sinne und ohne nennenswerte nekrobiotische Erscheinungen vor sich. Und gerade diese Verlaufsweise nach Applikation der genannten Dosen haben wir der Schilderung in diesem Abschnitte zugrunde gelegt. Bei Dosen über 4 H.E.D., insbesondere dann bei den ganz großen Dosen, von 15, von 30 H.E.D. erfolgt die Leerung der Kanälchen in einer dem allgemeinen Typus der Hodenatrophie ähnlichen Weise, wenigstens insoweit, als hier nekrobiotische Prozesse am Samenepithel im Vordergrund stehen, wie wir das in dem Kapitel über die Früheffekte bereits angedeutet haben. Wir kommen auf die verschiedenen Verlaufs- weisen der Röntgenatrophie des Hodens bei Applikation verschieden hoher Dosen und auf die allgemeine Stellung der Röntgenatrophie des Hodens innerhalb der Hoden- hypobiosen, d. h. der nekrotischen und atrophischen Prozesse am Hoden überhaupt, noch ausführlicher zurück.

3. Die Restitution.

Wir haben in dem vorangegangenen Abschnitte bereits erwähnt, daß nach Appli- kation von Dosen bis zu 4 H.E.D. sich an die Depopulation regelmäßig wieder eine Repopulation anschließt, daß also die Röntgenatrophie des Hodens in solchen Fällen nur vorübergehend, die Azoospermie nicht dauernd ist. Auf die interessanteste Frage

470 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

bei dieser Erscheinung, nämlich von welchen Elementen die Restitution ihren Ausgang nimmt, ob von den wenigen persistierenden Spermiogonien, die sich dann wieder er- holen würden, oder von den ja durchweg in toto persistierenden Sertolizellen, die dann eine Art Entdifferenzierung durchmachen müßten, wollen wir jetzt noch nicht eingehen. Wir behandeln sie ausführlicher im letzten Abschnitt der vorliegenden Arbeit. Hier sei nur darauf hingewiesen, daß interessanterweise, wie das Regaud bereits an- gegeben hat, die Restitution unmittelbar ohne Intervall an die Depopula- tion anschließt, ja sie superponiert sich ihr sogar, wie wir gesehen haben, d. h. in den letzten beiden Depopulationsstadien finden wir auf einmal wieder typische Sper- miogonien in den Kanälchen (z. B. Prot. Nr. Ar und l.), die auch bald wieder Teilungs- figuren erkennen lassen (vgl. Abb. 16, 17 und 19). Im übrigen schreitet der Prozeß

Abb. 19. Repopulation eines Röntgenhodens nach einmaliger Bestrahlung mit 1 H.E.D. (Prot.

Nr. 4, r.). Haematox. Eosin, Zeiß, KO.5 x, An 90. Spermiogonien, Spermiogonienteilung, neu-

gebildete Spermiozyten, Reifeteilungen und alte, von der Depopulation her zurückgebliebene Spermien.

dann verschieden rasch fort. So finden wir in einem Falle 40 Tage nach einer Bestrah- lung mit 3 H.E.D. (Prot. Nr. 8, 1.) im Wandbelag der Kanälchen auffallend viele von den Sertolizellen deutlich zu unterscheidende Spermiogonien, hier und da einmal in Mi- tose und manchmal auch bereits Synapsen, während wir in einem anderen Falle nach Applikation von 2 H.E.D. schon 38 Tage nach der Bestrahlung (Prot. Nr. 7, 1.) die Re- stitution schon viel weiter fortgeschritten finden. Wir sehen hier bereits Spermiozyten, Reifeteilungen, Präspermiden, ja selbst schon Spermiden (vgl. Abb. 20). Vereinzelte Spermien, die man hier in den Kanälchen sieht, dürften dagegen noch aus der Depopu- lationsperiode stammen: Angesichts dessen, daß die Repopulation vielfach bereits beginnt, ehe noch das letzte Depopulationsstadium erreicht ist, kann man es verstehen, daß die letzte Spermiengeneration, die im Depopulationsstadium VII unmittelbar über den Sertolizellen steht, bei Einsetzen der Repopulation gegen das Lumen hin weg- geschoben wird. Die verschiedene Geschwindigkeit der Restitution in beiden Fällen mag eine individuelle Schwankung darstellen, mag aber auch mit der verschiedenen Stärke der seinerzeit angewandten Dosis zusammenhängen. 47 Tage nach der Bestrah- lung finden wir, wenn die Dosis kleiner als 4 H.E.D. war, die Restitution bereits voll-

Röntgenhoden 471

kommen vollendet. Die betreffenden Testikel sind dann von einem normalen Organe nicht mehr zu unterscheiden (z. B. Prot. Nr. 7 r. und 8r.). Bei Applikation von 4 H.E.D. haben wir verschiedene Verlaufsweisen beobachtet. Einmal (Prot. Nr. 11, 1.) fanden wir 42 Tage nach der Bestrahlung den Hoden in Repopulation, die teilweise bis zur Ausbildung von Synapsen oder sogar Spermiozyten gediehen war. In allen anderen Fällen hingegen war die Atrophie nach Applikation von 4 H.E.D. offenbar dauernd. Für beweisend halten wir insbesondere einen Fall (Prot. Nr. 15, 1.), in dem wir den be- treffenden Testikel erst 66 Tage nach der Bestrahlung untersucht und völlig atrophisch gefunden haben. Aber auch bei der Untersuchung zu einem früheren Zeitpunkt kann man unter Umständen aus dem völligen Fehlen von Spermiogonien, aus dem Aussehen von Sertolizellen, die nicht mehr in einem schönen Kranze an der Peripherie des Kanäl-

Abb. 20. Vorgeschrittene Repopulation eines Röntgenhodens 38 Tage nach einer Bestrahlung mit

2 H.E.D. (Prot. Nr. 7, 1... Haematox. Eosin, Ze, KO. 5 x, Ap. 90. Zahlreiche Synapsen, Reife-

teilungen. Präspermiden (links im Bilde), ja selbst schon Spermiden. Vereinzelte Spermien dürften vielleicht noch aus der Depopulationsperiode stammen.

chens, sondern zerstreut im Lumen umbherliegen, bzw. aus einer bereits eingetretenen Verdickung der Membrana propria einen Schluß auf die dauernde Natur der Atrophie machen, so z. B. in einem unserer Fälle (Prot. Nr. 16, 1.) 35 Tage nach einer Bestrahlung mit 4 H.E.D. (vgl. Abb. 21). In allen Fällen, in denen noch größere Dosen appliziert worden waren, wird selbstverständlich auf eine Restitution schon gar nicht zu rechnen sein. Es versteht sich von selber, daß z. B. 25 Tage nach einer Bestrahlung mit 15 H.E.D. (Prot. Nr. 21, 1.) kein Anzeichen einer solchen wahrnehmbar ist (vgl. Abb. 22).

In unseren Kaninchenversuchen erfolgte nach einmaliger Röntgenbestrahlung entweder innerhalb spätestens 7 Wochen nach der Bestrahlung eine vollständige Resti- tutio ad integrum, deren erste Anzeichen gewöhnlich bereits in der 4. Woche auftraten, oder andernfalls blieb eine Restitution überhaupt aus. Allerdings erstreckt sich die längste von uns gemachte Beobachtung auch nicht mehr als über 66 Tage. Aber wir persönlich möchten vorerst nicht glauben, daß in den betreffenden Fällen im Laufe der Zeit noch eine Restitution eingetreten wäre. Immerhin geben die klinischen Er- fahrungen, nach denen nach lang dauernder totaler Azoospermie sich die Testikel später doch noch erholten wir meinen die Erfahrungen an Röntgenologen und

472 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

Röntgenpersonal —, zu denken. Die Frage bedarf noch weiterer experimenteller Ver- folgung.

Im Tierversuch fanden wir als Grenzdosis für das Eintreten oder Ausbleiben einer Restitution unmittelbar im Anschluß an die Depopulation, also innerhalb der ersten 7 Wochen nach der Bestrahlung, den Wert von 4 H.E.D. Interessant war daher für uns ein abweichendes Verhalten bei einem Menschen, den wir durch einmalige Bestrahlung mit 1 H.E.D. sterilisiert haben. In diesem Falle findet sich 9 Wochen nach der Be- strahlung eine vollkommene Atrophie, und kein Anzeichen irgendwelcher Restitution!) (vgl. Abb. 23). Ob eine solche hier im Laufe der Zeit noch erfolgt wäre, wissen wir nicht.

Hingegen verfügen wir über einen anderen Fall, in dem uns beim Menschen mit Sicherheit eine dauernde Sterilisierung gelungen ist?). Über diesen Fall haben wir

Abb. 21. Endstadium der Röntgenatrophie des Hodens 35 Tage nach Applikation von 4 H.E.D.

(Prot. N.r 16, LL Haematox. Eosin, Zeiß, OK. 5 x, Ap. 40. Starke Schrumpfung der Samen-

kanälchen, Reduktion des Samenepithels auf die Sertolizellen. Starke relative Vermehrung des Zwischengewebes.

seinerzeit nach 6 Monate langer Beobachtungsdauer berichtet (vgl. Schinz 1922). D. h. es bestand damals 6 Monate lang Azoospermie. Heute können wir hinzufügen, daß dieser Zustand nunmehr nach 3 Jahren unverändert ist, d. h. es ist an dem Dauer- effekt kein Zweifel möglich. Es sind bei dem Manne damals ca. 41/, H.E.D. (Ober- flächendosis auf die Skrotalhaut) in 5 Teilbestrahlungen innerhalb knapp 3 Monaten appliziert worden. Wir wissen jetzt, daß diese Dosis sicher ausreicht, um

1) Es handelte sich um einen Sexualverbrecher, der zuerst aus eugenischen u. a. Gründen rönt- gensterilisiert seine Frau wollte von diesem Manne keine Kinder mehr und erklärte sich unter der Bedingung einer Sterilisation des Ehegatten zur Aufrechterhaltung der Ehe bereit; anderseits er- hoffte man von einem geregelten Sexualverkehr des Mannes eine Besserung seines Lebenswandels und später, als er rückfällig wurde, kastriert worden war.

2) Es handelte sich hier um eine Sterilisation aus sozialen und eugenischen Gründen bei einem 34 jährigen Imbezillen, der bereits 8 Kinder in die Welt gesetzt hatte.

Röntgenhoden 473

dauernd zu sterilisieren. Dagegen wird diese Dosis wohl kaum die Mindestdosis der Dauersterilisation gewesen sein. Darin stimmen wir Markovits (1923) gerne zu. Aber es kam damals nicht auf einen wissenschaftlichen Versuch an, sondern auf die Lösung der uns gestellten ärztlichen Aufgabe, den Mann möglichst rasch und möglichst sicher dauernd zu sterilisieren und ihn im übrigen dabei nicht zu schädigen. Es traten weder lokale, noch allgemeine schädliche Nebenwirkungen auf auch Libido und Potenz blieben unverändert und der Mann wurde dauernd steril. Indessen würden wir heute in einem entsprechenden Falle, nachdem wir über die Erfahrung verfügen (siehe oben), daß mit einer einmaligen Applikation von 1 H.E.D. eine vollständige Hodenatrophie zu erzielen ist, 9 Wochen nach der Bestrahlung jedenfalls noch besteht, zunächst einmal diese Dosis applizieren die in dem Lehrbuche von Jüngling, 1924,

Abb. 22. Dasselbe Stadium, wie in Abb. 21, 25 Tage nach einmaliger Applikation von 15 H.E.D.

(Prot. Nr. 21, LL Haematox. Eosin, Zeiß, OK. 5 x, Ap. 40. Im Lumen der Samenkanälchen

pyknotische Riesenzellreste als Zeichen dafür, daß die Depopulation seiner Zeit nicht allmählich,

bloß durch Zerstörung der Spermiogonien, sondern unter nekrobiotischen Zerstörungsvorgängen auch an den übrigen Kategorien des Samenepithels erfolgte.

angegebene Dosis von 30%, der H.E.D. halten wir, auch im Hinblick auf unsere Tier- versuche, für zu niedrig und den Effekt abwarten. Eventuell wäre dann noch nach eingetretener Azoospermie ungefähr 2 Monate nach der ersten Bestrahlung die Bestrahlung zu wiederholen, um den Effekt möglichst zu einem dauernden zu gestalten. Unbedingt erforderlich erscheint es uns aber man möge im übrigen dosieren, wie man wolle —, während der Latenzzeit bis zum Eintreten der Azoospermie über diese siehe S. 39 ff. von dem Patienten strikten Kondomgebrauch bzw. die Anwendung eines Okklusivpessars bei der Frau zu verlangen, sofern in dieser Periode Kohabitationen stattfinden. Auf die Befruchtungsunfähigkeit der in dieser Periode vorhandenen Sper- mien, auf dieMarkovits hinweist, darf man sich nicht verlassen, nachdem neuerdings Lacassagne (1924) vom Gegenteil berichtet. Für den Fall, daß während dieser Zeit eine Konzeption eintreten sollte, wäre bei der Frau ein artifizieller Abort einzuleiten,

474 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

für den hier eine typische eugenische Indikation vorliegen würde. Denn wir können auf die genotypische Integrität dieser Spermien nicht mit Sicherheit rechnen, da das Experiment von Lacassagne (l. c.) nur die Intaktheit der Nachkommenschaft in der 1. Generation beweist. Aus dem gleichen Grunde scheinen uns temporäre Röntgen- sterilisationen beim Manne nicht weniger bedenklich als bei der Frau, und der Vor- schlag von Markovits (1922), in geeigneten Fällen beide Teile abwechselnd zu sterilisieren, ist unseres Erachtens unbedingt abzulehnen. Temporäre Röntgensterili- sierungen lehnen wir überhaupt ab. Eine Röntgensterilisierung kommt nur in Betracht, wenn sie dauernd sein soll. Wenn man aber diesen Zweck erreichen will, ist beim Manne die doppelseitige Vasektomie die Methode der Wahl, da sie momentan und restlos zu-

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Abb. 23. Aus einem menschlichen Testikel, 9 Wochen nach Röntgensterilisation mit 1 H.E.D. Haematox. Eosin, Zeiß, OK. 5 x, Ap. 40. Komplette Röntgenatrophie mit Reduktion des Kanälchen- inhaltes bis auf die Sertolizellen.

verlässig wirkt. Für die Röntgensterilisation bleiben als Anwendungsgebiet beim Manne nur die Fälle, wo eine dauernde Sterilisierung gewünscht wird, ein operativer Eingriff aber aus irgendeinem Grunde nicht am Platze oder nicht möglich ist.

Die verschiedenen Stadien der Restitution Wiederauftreten von Spermiogonien, von Synapsen, von Spermiozyten im Spiremstadium, Reifeteilungen, von Spermiden und schließlich von Spermien verstehen sich von selber und entsprechen im morpholo- gischen Bilde vollkommen verschiedenen Stadien der präpuberalen Entwicklung des Hodens, nur daß der Prozeß natürlich viel schneller verläuft. Interessant wäre nur eine genauere zeitliche Fixierung dieser einzelnen Stadien, wir verfügen zur Zeit nicht über entsprechendes Beobachtungsmaterial, nehmen uns aber vor, der Sache näherzutreten, da man sich fragen kann, ob nicht die Dauer der einzelnen Restitutionsstadien einen Anhaltspunkt für die normale Dauer der betreffenden Entwicklungsstufen des Samen-

Röntgenhoden 475

Tabelle 1. Dosierungs- und Zeittabelle der einmal bestrahlten Kaninchen.

Sämtliche Bestrahlungen wurden von der Bauchseite her bei einem Fokushautabstand von 23 cm

ausgeführt bei einer Röhrenbelastung von 2,5 mA., einer Feldgröße von 6 x 8cm und der Spannung 7

(36 cm Parallelfunkenstrecke) bei Filtrierung und der Spannung 3 (27cm Parallelfunkenstrecke) ohne Filtrierung.

Karim: e | Bestrah- Kastration in Stunden (St.) oder Tagen han nn Ge Ve in nn Filter (T.) nach Bestrahlung a: | in Min. rechts | Abb. | links | Abb. 0,5 mm Zink 6, 7, 8, 1 2 1200 70 und 4T. 24 10 T. 9, 10, 1 mm Al. 11 0,5 mm Zink 2 2 1200 70 und 15T. 30 T. 35 1 mm Al. 0,5 mm Zink 3 4 2400 140 und 3T: 32 a 37T. 14, 15 1 mm Al. 0,5 mm Zink 4 1 600 35 und 25 T. 12, 13, 30 T. 1 mm Al. 16,17,19 0,5 mm Zink 5 1 600 35 und 50 T. 1 mm Al. 9 2 1175 30 3 mm Al. 33 T. 41 T. 10 3 1764 45 3 mm Al. 34 T. 36 38 T. 27 11 4 2350 60 3 mm Al. 35 T. 42 T. 12 6,5 4030 60 St 21, St. 0,5 mm Zink 13 1 600 35 und 15 T. 20 T. 1 mm Al. 14 15 9050 135 3T. 10 T. 15 4 2350 60 3 mm Al. 30 T 28 66 T. 16 4 2350 60 3 mm Al. 2ST. 35 T. 16, 29 17 30 18100 270 5T. 16 T. 18 30 18100 270 21 T. 2, 32 b 4 St. 3lc 0,5 mm Zink 19 45% 257 15 und 11T. 32 T. 1 mm Al. 0,5 mm Zink 20 10% 60 3,5 und 11T. 18 1 mm AL 21 15 9050 135 2 St. 25 T. 22, 30 26 30 18100 270 3T. 21-T. 27 15 9050 135 2 St. 1, 31b 0,5 mm Zink 28 2 1200 70 und 1/0 St. | 25, 31a 3 St. 1 mm Al.

33 50 30200 450 2T. 3 4T. 4

476 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

epithels bei der normalen Spermiogenese bieten könnte. Regaud hat die Dauer der Depopulation benutzt, um daraus die normale Dauer eines ganzen spermio- genetischen Zyklus zu erschließen. Vielleicht könnte ein genaueres Studium der Repopulation einen Rückschluß auf die Dauer der einzelnen Phasen dieses Pro- zesses ermöglichen.

III. Der Einfluß der Dosis.

Die Hodenbestrahlungen, über die wir in dieser Arbeit berichten, wurden am Spe- zialtiefentherapicapparat von Siemens & Halske mit Ölinduktor ausgeführt. Als Meßinstrument diente der in der physikalisch-technischen Reichsanstalt (P.T.R.) in absoluten Einheiten R. geeichte Siemens-Röntgen-Dosismesser.

Auf Grund der an einem großen Patientenmaterial für verschiedene Betriebs- bedingungen biologisch an der Bauchhaut ermittelten H.E.D.-Zeiten, wie sie im täg- lichen röntgentherapeutischen Betrieb verwendet wurden, haben wir mit dem geeichten Dosismesser für nachfolgende Betriebsbedingungen:

1. F.H. 23 cm, Feldgröße 6: 8 cm, Spannung 36 cm Parallelfunkenstrecke, 2,5 M.A. 0,5 mm Zink + 1 mm Al. biologisch ermittelte H.E.D.-Zeit 35 Min.

2. F.H. 23 cm, Feldgröße 6:8 cm, Spannung 36 cm Parallelfunkenstrecke, 2,5 M.A. 3mm Al. biologisch ermittelte H.E.D.-Zeit 15 Min.

3. F.H. 23 cm, Feldgröße 6: 8 cm, Spannung 24 cm Parallelfunkenstrecke, 2,5 M. A. ohne Filter biologisch ermittelte H.E.D.-Zeit 9 Min.

in absoluten Einheiten 600 R. gefunden.

Um Vergleiche mit anderen Kliniken zu ermöglichen und um eine absolut genaue Reproduktion der Versuchsbedingungen wieder herstellen zu können, geben wir deshalb außer der biologischen Dosisangabe jeweils auch die Werte in R. an (vgl. Tabelle 1 und 2).

N.B. Bei den großen Dosen, von 4 H.E.D. an, traten im Laufe der nächsten Wochen an der Bauchhaut und Skrotalhaut Epilation und Verbrennung 1. Grades auf, verbunden mit Ödem des äußeren Genitale. Bei Dosen von 15 H.E.D. an trat schon innerhalb der ersten Tage ein enormes Penis- und Skrotalödem auf, und in den folgenden Tagen schwerste Röntgenverbrennungen. Auch die Muskulatur wurde bei diesen Dosen geschädigt, und nach Wochen konstatierte man Bindegewebs- wucherungen.

Über die in den verschiedenen Gewebstiefen vorhandenen Dosen geben die nach- folgenden Abschwächungskurven Auskunft (s. Abb. 23a):

Abschwächungskurven.

Die nachstehenden Abschwächungskurven sind in einem Wasserphantom aufgenom- men worden, geben also ungefähr die Verhältnisse wieder, wie sie im menschlichen Kör- per vorhanden sind. Bei Bestrahlung von Kaninchen oder Ratten usw., deren Volumen bedeutend geringer ist, wird dementsprechend der Streuzusatz ebenfalls geringer sein, die aus den Kurven abzulesenden Tiefendosen in Wirklichkeit also wohl auch etwas geringer, infolge des verminderten Streuzusatzes. Da die Abweichungen aber erst sich in größeren Tiefen stärker bemerkbar machen dürften, haben wir auf Messungen im kleinen Wasserphantom verzichtet.

477

Röntgenhoden

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478 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

Es versteht sich von selbst, daß die in den Protokollen und in den Tabellen in H.E.D. und R. angegebenen Dosen sich auf die Oberfläche beziehen, daß also der beim Ka- ninchen gewöhnlich intraabdominell liegende Hoden etwas weniger erhalten hat, je nach der Tiefe, in der er sich befand. Der prozentuale Anteil in den verschiedenen Gewebs- tiefen ist den obenstehenden Abschwächungskurven zu entnehmen.

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Abb. 23a. Abschwächungskurven.

1. Verschieden starke Dosen bei einmaliger Bestrahlung.

Was wir über die Wirkungsweise verschiedener Dosen bei der Röntgenatrophie des Hodens beobachten konnten, ist nach zwei Richtungen hin von Wichtigkeit. Einmal verschaffen uns die gewonnenen Resultate einen besseren Einblick in das Wesen der Vorgänge und geben zugleich gewisse Anhaltspunkte für die praktisch-medizinische Frage der Röntgensterilisation des Mannes. Anderseits aber bilden diese Resultate eine Erklärung für die verschiedenen und zum Teil sich widersprechenden Angaben der Autoren über den Verlauf der Prozesse.

Es besteht eine außerordentlich klare Proportionalität zwischen Dosis und Effekt auf unserem Gebiete, eine Proportionalität, die eine der wesentlichen Eigentüm- lichkeiten der Strahlenwirkung ausmacht. Die Röntgenstrahlen wirken nicht, wie man auch in neuerer Zeit noch gelegentlich gemeint hat (z. B. Petry 1913), spezifisch. Sie zeichnen sich vor anderen Agenzien nur durch die Tiefenwirkung und durch ihre feine Dosierbarkeit aus (vgl. Schinz, 1924). Diese feine Dosierbarkeit ermöglicht nicht

Röntgenhoden 479

nur die therapeutische Verwendung der Röntgenenergie, sondern ermöglicht es auch, sie in den Dienst theoretisch-biologischer Fragen zu stellen. Sensibilitätsdifferenzen lassen sich nur ermitteln, wenn man geringe Reize anwendet, das ist ja ohne weiteres verständlich.

Wenn wir uns nun die Frage stellen, welches die empfindlichsten Elemente des Samenepithels sind, so kann uns eine Bestrahlung mit einer mäßigen Dosis, die gerade ausreicht, um diese Elemente zu schädigen, darüber Aufschluß geben.

Die geringste, wenigstens indirekt faßbare Schädigung, die einer Zelle zu- gefügt werden kann, ist die vorübergehende Aufhebung ihrer Teilungsfähig- keit. Eine solche Schädigung zeigt sich an den Spermiogonien des Kaninchenhodens nach einmaliger Bestrahlung mit 10% der H.E.D (siehe S. 467). Die übrigen Kate- gorien des Samenepithels werden dabei auch in ihrer Teilungsfähigkeit nicht geschädigt. Der Vorgang zeigt uns dreierlei: 1. Er demonstriert uns in prächtiger Weise die elektive Wirkung der Röntgenstrahlen. 2. Er lehrt uns, daß die Spermiogonien die empfind- lichsten Elemente des Samenepithels sind und 3. daß es so wie bei anderen Zellen auch bei ihnen möglich ist, durch eine passend gewählte Dosis lediglich die Teilungsfähigkeit aufzuheben bzw. herabzusetzen, ohne die Zelle selbst zu vernichten.

Diese Grenze ist bei Bestrahlung eines Kaninchenhodens mit 45%, der H.E.D. überschritten, insofern, als diese Dosis bereits einen Teil der Spermiogonien, sagen wir die Hälfte, abtötet.

Noch stärkere Dosen, 1, 2, 3 H.E.D., töten fast sämtliche Spermiogonien direkt ab. Das ist aber die einzige direkt nekrotisierende Wirkung, die sie am Samen- epithel entfalten. Die anderen Kategorien desselben lassen sie unversehrt, höchstens setzen sie ihre Teilungsgeschwindigkeit etwas herab.

Bis zur Zerstörung der Spermiogonien vergeht eine gewisse Latenzzeit. Diese zählt bei den genannten Dosen 1—3 H.E.D. nach Tagen. 3 Stunden nach einer Be- strahlung mit 2 H.E.D. ist im histologischen Bilde noch keinerlei Veränderung an den Spermiogonien zu erkennen. 4 Tage nach der Bestrahlung sind sie fast sämtlich ver- schwunden.

Entsprechend der strengen Proportionalität zwischen Dosis und Effekt vermin- dert sich nun diese Latenzzeit ganz erheblich, wenn wesentlich größere Dosen appliziert werden. So kann man bereits 2 Stunden nach Beendigung einer Bestrahlung mit 15 H.E.D. die Spermiogonien teilweise in voller Nekrobiose antreffen. Werden aber 30 H.E.D. appliziert, so findet man schon 4 Stunden nach der Bestrahlung Spermiogonienleichen in beträchtlicher Zahl, und darüber hinaus hat die Nekrobiose auch schon auf die Spermiozyten übergegriffen.

Die Dosis von 4 H.E.D. erwies sich in unseren Versuchen als eine Grenzdosis insofern, als die nach Applikation von Dosen unter 4 H.E.D. regelmäßig unmittelbar im Anschlusse an die Depopulation eintretende und spätestens 9 Wochen nach der Be- strahlung vollendete vollständige Restitution des Hodens nach Bestrahlung mit 4 H.E.D. in der Regel unterblieb. Diese Dosis ist aber eine Grenzdosis auch insofern, als die direkte Degeneration hier nicht mehr allein auf die Spermiogonien be- schränkt bleibt, sondern auch bereits auf die übrigen Kategorien des Samen- epithels übergreift.

Viel ausgeprägter ist diese Erscheinung aber, wenn größere Dosen in unseren Versuchen 15 und 30 H.E.D angewandt werden. Wir sagten schon, daß nach Be- strahlung mit 30 H.E.D. bereits 4 Stunden nachher Veränderungen an den Spermio- zyten wahrzunehmen sind. Diese äußere sich zum Teil in dem Aussehen der Zellen, zum Teil darin, daß sie den Wandbelag verlassen und ins Lumen desquamiert werden.

480 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

Letztere Erscheinung ist 4 Stunden nach Applikation von 30 H.E.D. bereits auch an den Spermiden wahrzunehmen. 21/,—3 Tage nach Bestrahlung mit 30 H.E.D. haben diese Veränderungen erhebliche Fortschritte gemacht. Die Spermiozyten sind durch- wegs in voller Degeneration. Man sieht sehr viele Spermiozytenleichen. Die Des- quamation, die auch die Spermiden betrifft, hat weiterhin zugenommen. Diese Vorgänge führen dazu, daß 5 Tage nach der Bestrahlung der Wandbelag der Samen- kanälchen zum größten Teile nur noch aus Sertolizellen gebildet wird.

Während also bis zur vollkommenen Leerung der Samenkanälchen und bis zum Eintreten eines Zustandes, der einer Atrophie 4. Grades entspricht, bei einer Bestrah- lung mit Dosen von 1—4 H.E.D. etwa ca. 4 Wochen verstreichen, tritt dieser Zustand nach Applikation von 30 H.E.D. bereits nach 5 Tagen ein. Und was noch wichtiger ist: Bei den erstgenannten kleineren Dosen kommt dieser Zustand lediglich durch eine elektive Vernichtung der Spermiogonien zustande, während die übrigen Kategorien des Samenepithels ihre normale Entwicklung vollziehen; bei den großen Dosen, wie etwa von 30 H.E.D., hingegen geht das ganze Samenepithel direkt nekrobiotisch zugrunde.

Nekrobiose des Samenepithels bei Persistenz der Sertolizellen führt immerhin nicht zur Hodennekrose, sondern nur zur Hodenatrophie. (Über diese Begriffe siehe Schinz und Slotopolsky, 1924.) Es ist aber auch möglich, durch die Röntgenstrahlen eine eigentliche Hodennekrose zu erzeugen: Also nicht Leerung der Kanälchen unter all- mählicher Nekrobiose des Samenepithels und Persistenz der Sertolizellen und der Zwischenzellen, sondern fast ‚momentane‘ Verflüssigung oder Erstarrung des gesamten Kanälcheninhaltes mit früher oder später darüber hinaus auch eintretendem Untergange der Zwischenzellen. Dieser Effekt tritt, wie wir gesehen haben, 2—4 Tage nach einer einmaligen Bestrahlung mit 50 H.E.D. ein. Während nach Applikation von 30 H.E.D. z. B. ein zwar irreparabel atrophisches, aber immerhin doch noch lebendes Organ zurück- bleibt, so schafft die Dosis von 50 H.E.D. ein totes Gebilde.

Der verschiedene Effekt der Dosen unter und über 4 H.E.D. erklärt unserer Ansicht nach den scheinbaren Widerspruch zwischen der Schilderung der Regaudschen Schule, die bei der Röntgenatrophie eine elektive Zerstörung der Spermiogonien in den Vorder- grund stellt und von einer Leerung der Kanälchen bei der Röntgenatrophie des Hodens ohne nennenswerten nekrobiotischen Zerfall von Samenepithel als der typischen Ver- laufsweise und damit von einer gewissen Sonderstellung der Röntgenatrophie des Hodens berichtet und den Befunden insbesondere von Kyrle (1911) und Thaler (1905), nach denen die Röntgenatrophie des Hodens von den anderen Hodenatrophien in ihrem Ver- laufe in keiner Weise verschieden zu sein scheint und ebenfalls durch einen massenhaften Zerfall von Samenepithelien, durch direktes Zugrundegehen nicht nur der Spermio- gonien, sondern namentlich auch der Spermiozyten und Spermiden unter Desquama- tion und Riesenzellbildung charakterisiert wird. Wir legen zur Lösung dieses schein- baren Widerspruches kein Gewicht darauf, daß Thaler mit Radium bestrahlt hat, denn die Radiumwirkung kommt ja, wie man heute weiß, der Röntgenwirkung in jeder Beziehung gleich, und Kyrle berichtet ja überdies Ähnliches, wie Thaler, von Röntgen- bestrahlungen des Hodens. Aber wir glauben, daß der ganze scheinbare Widerspruch dadurch bedingt ist, daß jedenfalls den betreffenden Befunden von Regaud und seinen Mitarbeitern Dosen zugrunde liegen, die der Applikation von 1—4 H.E.D. in unseren Versuchen entsprechen, daß aber Kyrle und Thaler Dosen appliziert haben, die von ähnlicher Stärke waren wie die Applikation von 15—30 H.E.D., jedenfalls von höheren Dosen als 4H.E.D., in unseren Versuchen. Kyrle berichtet charakteristischerweise von Dermatitiden, die ausnahmslos 10—14 Tage nach der Bestrahlung im Bereiche der bestrahlten Partien aufgetreten seien und die gelegentlich sogar zu tiefgreifenden Ne-

Röntgenhoden 481

krosen der Haut geführt hätten. Diese Erscheinungen haben wir in unseren Versuchen aber nur bei Bestrahlungen mit Dosen über 4 H.E.D. gesehen. Hieraus erklärt sich die Schilderung von Kyrle, nur macht er den Fehler, seine Beobachtungen zu verallgemei- nern und als die typische Verlaufsweise der Röntgenatrophie zu betrachten. Erster Effekt der Gewebsschädigung infolge der Bestrahlung ist seiner Meinung nach stets ein Sistieren der Spermiohistogenese (d. h. der Umwandlung der Spermiden in Spermien; Kyrle gebraucht dafür den Ausdruck Spermiogenese, der heute zur Bezeichnung dieses Vorganges nicht mehr üblich ist und in einem viel weiteren Sinne gebraucht wird, näm- lich zur Bezeichnung der gesamten Entwicklungsvorgänge von der Spermiogonie bis zum Spermium). Diese Erscheinung gehe zeitlich allen anderen Degenerationsvorgängen voraus. „Offenbar ist das Zellplasma der Spermatiden (in unserer Ausdrucksweise Sper- miden) im höchsten Grade gegen die einwirkende Noxe empfindlich. Es verliert allem Anschein nach recht rasch die Fähigkeit, weitere Umwandlungen durchmachen zu können, ohne daß dies zunächst durch direkt morphologisch nachweisbare Veränderungen am Zellplasma oder am Kern ausgedrückt wäre "7 Diese Darstellung, die den Eindruck erweckt, als ob die Vorgänge bei der Röntgenatrophie genau so verlaufen wie bei den typischen Hodenatrophien, durch Ernährungsstörungen oder nach Vasoligatur (Schinz und Slotopolsky, 1924, Bouin, 1897), ist durchaus irrig. Selbst für die großen Dosen, mit denen Kyrle gearbeitet hat, trifft sie nicht zu. Auch hier ist der erste Effekt der Bestrahlung der, wie wir gesehen haben, unter Umständen bereits nach einigen Stunden sich einstellende Untergang der Spermiogonien. Die Spermiden aber sind gerade die re- lativ am wenigsten empfindlichen Elemente des Samenepithels, und zu einem Sistieren der Spermiohistogenese kommt es nur bei Anwendung so hoher Dosen, die auch die Spermiden schwer schädigen. Aber es gibt, wie wir gesehen haben, auch Dosen, die eine vollkommene Atrophie herbeiführen können, ohne die fortwährende Neubildung von Spermien während der Depopulationszeit von 3—4 Wochen zu inhibieren. Simmonds wird wohl auch mit ähnlichen Dosen gearbeitet haben wie Regaud, denn er erklärt, daß sich die Degeneration des Samenepithels nicht gut verfolgen lasse, daß aber dann plötzlich nach ca. 4 Wochen die komplette Atrophie mit Reduktion des Wandbelages bis auf die Sertolizellen da sei. Diesen Zeitraum betrachtet er als Latenzzeit der Strahlen- wirkung. Nach unseren bisherigen Darlegungen dürfte es aber klar sein: Auch in den Versuchen von Simmonds ist es sicherlich in den ersten Tagen nach der Bestrahlung zu einer elektiven Zerstörung der Spermiogonien gekommen, einem äußerlich unschein- baren Ereignis, das Simmonds entgangen sein dürfte (vgl. Abb. 24 u. 25). Und hieran schloß sich dann eine allmähliche Depopulation im Laufe von 3—4 Wochen, wobei nur an der Qualität des Wandbelages der im übrigen gut gefüllten Samenkanälchen die schwere Alteration des Organes zu erkennen ist. ‚‚Comme ces constatations échappent aisément à tout oeil non particulièrement exercé, on peut bien dire qu’il s’agit d'une lésion latente.“ Diese im Hinblick auf die Früheffekte mäßiger Bestrahlungen gemachte Äußerung von Blanc (1906) hat eine gewisse Geltung auch für die sich anschließende Depopulationsperiode. Erst nach Abschluß derselben, d. h. ca. 4 Wochen nach der Bestrahlung, trat dann in den Versuchen von Simmonds der von ihm als „plötzlich“ bezeichnete Effekt ein, der auch bei bloß quantitativer Betrachtung des Wandbelages der Kanälchen ins Auge springt. Auch Bergonie und Tribondeau (1902—1906) sind wie Kyrle (1911) im Irrtum, wenn sie eine Verlaufsweise, die dem gewöhnlichen Ablauf der Hodenatrophie, z. B. nach Vasoligatur, entspricht, auch als die typische Verlaufsweise der Röntgenatrophie des Hodens bezeichnen. Die Regaudsche Schule hat das seinerzeit bereits gebührend betont (siehe z. B. Blanc, 1906). Immerhin räumen Bergonie und Tribondeau in ihrer letzten Arbeit (1906) ein, daß nicht alle Zellen des Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 31

482 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

Samenepithels nekrobiotisch zugrunde gehen, und daß sie, je näher sie dem Stadium des Spermiums sind, um so mehr „Chance“ haben, dem Untergang zu entgehen und ihre Entwicklung zu vollenden eine nicht ganz klare Darstellung. Unklar in dieser Be- ziehung ist auch die Darstellung von Herxheimer und Hoffmann (1908). „Die zu- erst geschädigten Samenzellen sind die Spermatogonien und Spermatozyten, in ge- ringerem Maße die Spermatiden. Gleich hiermit bilden sich die Spermatiden nicht mehr in Spermatozoen um, und die Spermatogenese erlischt überhaupt.“ Aus den Einzelbefunden Hoffmanns aber er findet z. B. 14 Tage nach Abschluß der Bestrah- lung die Spermiogonien sehr vermindert und zahlreiche Kanälchen lediglich von Sper-

Abb. 24. Röntgenhoden während der Depopulationsperiode. Aus einem mit 1: H.E.D. einmalig bestrahlten Kaninchenhoden (Prot. Nr. 1, r.). Haematox. Eosin, Zeiß, KO.5 x, Ap. 40. Fixation Carnoy. Die noch gut gefüllten Samenkanälchen erscheinen ‚scheinbar‘ normal. Der Hoden be- findet sich aber in voller Depopulation. In allen Kanälchen fehlen die Spermiogonien. Im übrigen sieht man die Depopulationsstadien I bis V. Direkt pathognomonisch sind die beiden Kanälchen rechts im Bilde: Inhalt nur aus Sertolizellen, Spermiden, die bis auf die Membrana propria reichen und Spermien bestehen (Depopulationsstadium V). Die hellen Lücken zwischen den einzelnen Samenkanälchen sind Kunstprodukte durch Schrumpfung.

miden erfüllt, die hier bis auf die Sertolizellen hinabreichen, also unser Depopulations- stadium V!) schließen wir, daß es sich auch in seinen Versuchen im allgemeinen um mäßige Dosen und demgemäß um einen typischen Verlauf der Röntgenatrophie in unserem Sinne gehandelt hat. Allerdings wird durch die außerordentliche Verzettelung der Dosen in den Versuchen Hoffmanns er bestrahlte z. B. 1 oder 2 Wochen lang jeden Tag 15 Minuten die ganze Situation sehr kompliziert.

Wir gestatten uns nunmehr das über die Wirkung verschiedener Dosen bei einmaliger Applikation Gesagte in einer kleinen Tabelle (3) zusammenzufassen. In dieser bedeutet Spg. Spermiogonien, Spc. Spermiozyten. Über die einzelnen Depopulationsstadien ver- gleiche man den betreffenden Abschnitt dieser Arbeit. Bezüglich des Begriffes Atrophie 4. Grades siehe S. 450.

1) Die von uns bei der Röntgenatrophie unterschiedenen Depopulationsstadien sind auf S. 457 ff. dieser Arbeit aufgeführt.

Röntgenhoden 483

2. Einmalige und fraktionierte Bestrahlung.

Das Interesse, das heute in der praktischen Strahlentherapie der Frage: einmalige Intensiv- bestrahlung oder fraktionierte Bestrahlung mit kleinen Dosen (bzw. Dauerbestrahlung bei Radium) entgegengebracht wird, veranlaßte uns auch einige Versuche in dieser Richtung zu unternehmen. Bei einer Reihe von Versuchstieren haben wir die 100 bzw. 200%, der H.E.D., die wir bei anderen auf einmal verabfolgten, in 3 Teildosen mit Intervallen von 2—3 Tagen, also insgesamt innerhalb einer Woche appliziert, und zwar 3 Teildosen zu je 3313% der H. E. D. in den Fällen, in denen wir einen Vergleich mit dem Effekt einer einmaligen Applikation von 100% der H.E.D. haben wollten, und 3 Teildosen zu je 331, %, 662/4% und 100%, der H. EK D. in den Fällen, die uns als Vergleich mit dem Effekt dienen sollten, den die einmalige Applikation von 200% der H.E.D. bewirkt.

Abb. 25. Übersichtsbild durch einen normalen Kaninchenhoden bei Stieve-Fixation. Haematox.

Eosin, Zeiß, OK. 5 x, Ap. 40. Man beachte die tadellose Konservierung, insbesondere die Ab-

wesenheit aller artifizieller Lücken im Gegensatz zum Präparat Abb. 24, wo mit Carnoyschem Gemisch fixiert und mit den übrigen Methoden weiterbehandelt worden war.

Beginnen wir mit dem Resultat dieser letzteren Versuchsserie: 16 Tage nach der ersten, bzw. 10 Tage nach der letzten Bestrahlung finden wir hier in den betreffenden Testikeln die Depopulations- stadien!) III bis VII (Prot. Nr. 32, r.) V bis VIII (Prot. Nr. 31, r.), VI bis VIII (Prot. Nr. 25, r). Dem gegenüber finden wir 10 Tage nach einmaliger Applikation der ganzen Dosis von 2 H.E.D. im Testikel die Depopulationsstadien I bis V (Prot. Nr. 1, 1.), 15 Tage nach solcher Bestrahlung die Depopula- tionsstadien V bis VIII (Prot. Nr. 2, r.).

Je nachdem wir nun den Effekt der fraktionierten Bestrahlung mit dem der einzeitigen ent- sprechend einem von der ersten oder einem von der letzten der Teilbestrahlungen gerechneten Inter- vall vergleichen, fällt das Resultat verschieden aus: 16 Tage nach der ersten der Teilbestrahlungen, bei der ja nur 331,%, der H.E.D. appliziert wurden, finden wir bereits die Depopulationsstadien III bis VIII, d. h. einen Effekt, der dem 15 Tage nach Applikation der ganzen Dosis d. h. 200%, der H. E. D. im ganzen (bei Prot. Nr. 31, r. und 25, r. sogar vollkommen) gleichkommt. Danach scheint die fraktionierte Bestrahlung wirksamer gewesen zu sein, als die einzeitige. Wir müssen aber be- denken, daß bereits bei der ersten Teilbestrahlung 331, % der H. E. D. verabreicht wurden; wenn wir uns nun erinnern, daß 10%, der H. E. D. bereits genügten, um eine Depopulation zu bewirken und daß

1) Die von uns bei der Röntgenatrophie unterschiedenen Depopulationsstadien sind auf S. 460 ff dieser Arbeit aufgeführt.

31*

Oa Google

10% H.E.D.

45%, H.E.D.

100% H.E.D.

200%, H.E.D.

300%, H.E.D.

400%, H.E.D.

650% H.E.D.

15000; H.E.D.

Stunden

Keine Ver- änderungen a. d. Spg. sichtbar

Keine Ver- änderungen a. d. Spg.

Nekrobiose d. Spg.

H. R. Schinz und B. Slotopolsky

ca. 2 Tagen

Spg. ver- schwunden

Nach

ca. 4 Tagen

Spg. ver- schwunden

Spg. ver- schwunden. Teilweise Degen. der Spc. Beg. Depopul.

Nach

Nach

Nach

ca. 10 Tagen | ca. 25 Tagen | ca. 30 Tagen | ca. 50 Tagen

Teilungsstill- stand d. Spg. Depopul. Vielfach bis Stad. VIII

Spg. teils zer- stört, teils gelähmt. De- popul. bis Stad. V

Spg. zum Großteil zer- stört. Depo-

pulations- stadien I— V

Depopula- tionsstadien I—V

Depopula-

tionsstadien | 4. Gr.

I—VI.

Depopula-

Restitutio ad integrum

Depopula-

tionsstadien | tionsstadien

VI—VIII.

VII u. VIII.

Beg. Restitu-| Beg. Restitu- tion (wieder | tion (wieder

viel Spg.)

Atrophie Kein Anzeichen e. Restit.

viel Spg.)

Depopula- tionsstadien VII u. VIII. Beg. Restitu- tion (wieder

viel Spg.)

Depopula- tionsstadien VII u. VIII. Beg. Restitu- tion: Spg. u.

Synapsen.

Vollkommene Depopul.- Atrophie 4. Grades.

An d. Haut Epilation u. Röntgen-

verbrennung |

Restitutio ad integrum

Restitutio ad integrum

Restitutio ad integrum

Dauernde Atrophie 4. Grades.

Röntgenhoden 485

Bestrahlung |Nacheinigen| Nach | ch | Nach mit Stunden | ca.2 Tagen | ca. 4 Tagen | ca. 10 Tagen | ca. 25 Tagen

ca. 30 Tagen | ca. 50 Tagen

3000% H.E.D. | Ausgedehnte | Spg. ver- Meist Z. T. Hoden- Nekrobiose | schwunden. | Atrophie nekrose mit

d. Spg. Beg. | Ausgedehnte| 4. Grades Verkalkung, Nekrobiose | Nekrobiose z. T. Atrophie d. Spe. Beg. | d. Spc. u. mit intratu-

Desquama- | Desquama- bulärer Ver- tion d. Samen- ition d. Samen- kalkung und epithels epithels starker inter-

tubulärer Bindegewebs-

wucherung.

Atrophische

Kanälchen eng mit ein-

schichtigem

Epithel 5000% H. E.D. Komplette | Komplette

Nekrose des | Nekrose des Hodens. Alle | Hodens. Alle Kategorien | Kategorien d. Samen- | des Samen- epithels zer- | epithels zer- stört. Beg. | stört. Beg. Degen. auch | Degen. auch d. Zwischen- |d. Zwischen-

; zellen zellen

nach Applikation von 45%, der H. E.D. diese Depopulation in ihrem Verlauf bereits beträchtliche Ähnlichkeit mit der nach Verabreichung von 1 und 2 H. E. D. eintretenden aufwies, so erscheint durch den Ausfall des Versuches ein Beweis für die größere Wirksamkeit fraktionierter Bestrahlung doch nicht erbracht. Ebensowenig werden wir einen solchen aus der scheinbar noch wichtigeren Tatsache ableiten können, daß 11 Tage nach Verabreichung von 2 H. E. D. in 3 Portionen ein bedeutend stär- kerer Effekt zu beobachten ist (Depopulationsstadium III bis VIII), als 10 Tage nach Verabreichung derselben Dosis in einer Portion (Depopulationsstadium I bis V). Es dürften eben bei diesen Ver- suchen sowohl die angewandte Gesamtdosis, wie die Teildosen zu groß gewesen sein, um ein wirk- liches Experimentum crucis für die Frage nach der verschiedenen Wirksamkeit einzeitiger oder mehr- zeitiger Bestrahlungen zu sein. Es kommt auch noch eine gewisse individuelle Variabilität im Ver- laufe der Depopulation hinzu, wie uns weitere Versuche dieser Art gelehrt haben. Aber eines be- weisen die Versuche doch immerhin, nämlich, daß der Effekt bei fraktionierter Bestrahlung keineswegs geringer zu sein braucht als bei einzeitiger. Eine Ver- zettelung der Dosen lag in unseren Fällen jedenfalls nicht vor.

Werfen wir noch kurz einen Blick auf die übrigen Resultate der entsprechenden Versuche. Zu- nächst noch einige Versuche mit 2 H. E. D. einzeitig oder in 3 Teildosen. 25 Tage nach Applikation der ersten Teildosis, bzw. 20 Tage nach Applikation der letzten finden wir Depopulationsstadium VII bis VIII (Prot. Nr. 31, ìl.) und Depopulationsstadium VIII (Prot. Nr. 25, 1.). 35 Tage nach der ersten bzw. 30 Tage nach der letzten Bestrahlung aber finden wir hier ebenfalls Depopulationssta- dium VII bis VIII (Prot. Nr. 32, 1.). 30 Tage nach einer einmaligen Ganzbestrahlung mit 2 H. E. D. finden wir Depopulationsstadium VIII (Prot. Nr. 2, 1.). Die Resultate zeigen, wie die oben besproche- nen, daß die fraktionierte Bestrahlung den gleichen Effekt hatte wie die einzeitige und daß im übrigen individuelle Schwankungen im Verlaufe vorkommen. Diese könnten allerdings bei einem Versuchstier wie dem Kaninchen, bei dem die Testikel durch den zeitlebens weit offenen Leisten- kanal jederzeit auf dem Skrotum in die Bauchhöhle hinaufgezogen werden können, überhaupt ihre Lage fortwährend beträchtlich verändern können, auch durch solche Lageveränderungen während der Bestrahlung erklärt werden, ohne daß wir auf eine verschiedene Resistenz des bestrahlten Organes bei verschiedenen Individuen zurückzugreifen brauchten. Immerhin haben wir durch Anwendung einer möglichst genügenden Feldgröße die genannte Fehlerquelle auszuschalten getrachtet.

486 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

Die Versuche mit einzeitiger und fraktionierter Bestrahlung mit insgesamt 100%, der H.E.D. ergaben ein prinzipiell gleiches Resultat, wie die mit 200°, der H. E. D. Daß man bei außerordent- lich langen Intervallen eine Verzettelung der Dosis feststellen kann, ist wohl ohne weiteres ein- leuchtend. Dieses Intervall dürfte für jedes Gewebe verschieden lang sein. Was speziell den Hoden anbetrifft, so haben unsere Experimente gezeigt, daß die Applikation einer bestimmten Dosis X auf einmal oder in 3 Teilfraktionen innerhalb einer Woche keinen Unterschied ausmachte. Der Schluß- effekt ist quantitativ und qualitativ derselbe. Dies Resultat hat sicherlich für die Karzinomtherapie eine gewisse Bedeutung. Regaud (1923) hat dagegen nicht nur die Gleichwertigkeit, sondern die Überlegenheit langdauernder Bestrahlungen gegenüber größeren einmaligen Bestrahlungen her- vorgehoben. Er erreichte z. B. bei einer 28tägigen Bestrahlung mit 4,161 Millicurie eine vollständige und endgültige Sterilisation beim Widder, währenddem er bei einer Bestrahlung von nur 42 Stunden Dauer und einer Dosis von 12,97 Millicurie immer noch die Persistenz vereinzeltzr Spermiogonien beobachtete. Unsere fraktionierten Bestrahlungen sind in dieser Hinsicht noch ergänzungsbedürftig. Die fraktionierte Bestrahlung des Kaninchenhodens wäre dann der einmaligen Bestrahlung über- legen, wenn z. B. die 10 malige Applikation von 10% der H. E. D. zu einer endgültigen Dauersterili- sation führte, während die einmalige Applikation von 100°, der H.E.D. nur zu einer temporären Sterilisation führt. Solche Versuche sind im Gange.

IV. Das Verhalten der einzelnen Kategorien des Samen-

epithels gegenüber der Röntgenenergie. Die Stellung

der Röntgenhypobiosen des Hodens unter den Hoden- hypobiosen überhaupt.

Seitdem die Röntgenveränderungen am Hoden histologisch studiert werden, weiß man und alle Autoren sind sich darüber einig —, daß die fertigen Spermien, die Ser- tolizellen und das Zwischengewebe der Röntgenenergie gegenüber außerordentlich re- sistent sind, daß das Samenepithel aber eine außerordentliche Radiosensibilität besitzt. Auf diese Erscheinung unter anderem haben Bergonie und Tribondeau ihr bekanntes Gesetz basiert: Das Zwischengewebe des Hodens, insbesondere die Zwischenzellen, und die Sertolizellen der Samenkanälchen sowie die fertig gebildeten Spermien sind als Elemente von hoher Differenzierung und als Zellen, die sich nicht teilen, strahlenresi- stent; das undifferenzierte, in ständiger Teilung begriffene Samenepithel ist höchst strahlensensibel.

Soweit es sich um ganze Gewebe handelt, stimmen die Resultate von Bergonie und Tribondeau am Hoden auch zweifellos mit ihrem Gesetz überein: Zwischen- gewebe als Dauergewebe strahlenresistent, Samenepithel als ‚Mausergewebe‘“ (vgl. Schinz, 1924) sensibel. Aber diese Übereinstimmung besteht nicht mehr hinsichtlich der Befunde von Bergonie und Tribondeau an einzelnen Zellkategorien, d. h. an den verschiedenen Kategorien des Samenepithels. Hier sollen nach Bergonie@ und Tri- bondeau (1904) die großen Spermiozyten empfindlicher sein als die Spermiogonien. Dagegen finden Bergonie und Tribondeau wiederum die Spermiden resistenter als die großen Spermiozyten. Dieses stünde in Übereinstimmung mit ihrem Gesetz, die an- geblich größere Empfindlichkeit der erwachsenen Spermiozyten den Spermiogonien gegenüber stünde dagegen im Widerspruch dazu. Auch die Angabe von Hoffmann (1908), daß Spermiogonien und Spermiozyten der Bestrahlung gegenüber gleich emp- findlich seien, steht in Widerspruch mit dem Gesetz.

Natürlich wäre das an sich durchaus kein Grund, um die betreffenden Angaben zu bezweifeln. Die Gesetze müssen den Tatsachen angepaßt werden, aber nicht die Tat- sachen den Gesetzen. Und das Gesetz von Bergonie und Tribondeau ist eine Regel, die ohnchin viele Ausnahmen hat. So sind nach Regaud und Dubreuil (1908) die in-

Röntgenhoden 487

differenten Samenzellen des infantilen Hodens strahlenresistenter als die Spermio- gonien des geschlechtsreifen. Aber gerade innerhalb des Samenepithels des geschlechts- reifen Hodens hat, wie wir aus den Befunden der Regaudschen Schule wissen, das Ge- setz von Bergonie und Tribondeau volle Gültigkeit. Wir können diese Befunde vollauf bestätigen. Daß die Spermiogonien unter allen Umständen die weitaus emp- findlichsten Elemente des Samenepithels sind, steht nach unseren Ausführungen über die Früheffekte der Bestrahlung und über den Einfluß der Dosis ja absolut fest.

Nach den Befunden Mohrs (1919) bei Radiumbestrahlung von Heuschreckenhoden sollen aller- dings die jungen Spermiozyten die empfindlichsten Elemente und die Spermiogonien weit weniger empfindlich sein. Aber Mohr erbringt unseres Erachtens einen zwingenden Beweis für diese An- schauung nicht. Es wäre bei der Versuchsanordnung Mohrs denkbar, daß die von der Bestrahlung getroffenen Spermiogonien in dem Intervall von dieser bis zur histologischen Untersuchung sich bis zu jungen Spermiozyten weiter entwickelt hätten. Die Bestrahlung hätte in diesem Falle bei Intakt- lassung aller übrigen Kategorien des Samenepithels die Spermiogonien letal heredozellulär geschä- digt. (Unter letaler heredozellulärer Schädigung verstehen wir eine Schädigung der Zelle, die sich erst bei ihren Nachkommen, dann aber tödlich auswirkt, siehe dazu Schinz 1924). Die Spermiogo- nien wären dann die empfindlichsten Elemente des Samenepithels im Heuschreckenhoden, würden aber bei der von Mohr angewandten Dosis nicht sofort, sondern erst auf dem Stadium der jungen Spermiozyten zugrunde gehen. Vielleicht ist dieses ein besonders „kritisches“ Stadium. Die Bedeu- tung solcher „kritischer Stadien‘ für die Vorgänge bei heredozellulären Schädigungen äußert sich in anderen Fällen darin, daß eine durch irgendeinen Reiz latent geschädigte Zelle erst zugrunde geht, wenn sie in Karyokinese tritt (siehe darüber Schinz 1924). Es muß allerdings bemerkt werden, daß auch Regaud unbeschadet der von ihm nachdrücklich betonten maximalen Empfindlichkeit der Spermiogonien ebenfalls von einer besonderen Sensibilität der jungen Spermiozyten berichtet. Wir haben in dieser Hinsicht keine eigenen Erfahrungen.

Daß die Spermiozyten empfindlicher sind, als die Spermiden, kann man daraus entnehmen, daß bei dem typischen Verlauf der Röntgenatrophie, bei dem lediglich die Spermiogonien zugrunde gehen und nekrobiotische Erscheinungen am Samenepithel im übrigen nur vereinzelt auftreten, eben diese vereinzelten Nekrobiosen sich speziell im Bereich der Spermiozyten zeigen. Noch deutlicher wird das bei Anwendung größerer Dosen, wo es zu einem sukzessiven nekrobiotischen Zerfall der Spermiogonien, Sper- miozyten und Spermiden kommt, der sich in seinem allmählichen Übergreifen von der einen Kategorie auf die andere gut verfolgen läßt (siehe unsere Ausführungen im Kapitel Früheffekte). Daß selbst bei dem typischen Verlauf der Röntgenatrophie, d. h. nach Applikation von mäßigen Dosen, vereinzelt auch Spermidenriesenzellbildung zu beobach- ten ist, ändert daran nichts, weil eben die betreffenden Kanälchenabschnitte in toto schwerer betroffen sind. Auf keinen Fall beginnen bei der Röntgenatrophie des Hodens die degenerativen Veränderungen an den Spermiden, wie das bei Hodenatrophien infolge mechanischer Schädigungen oder Ernährungsstörungen (Schinz und Slotopolsky, 1924), oder infolge Vasoligatur (Bouin, 1897) der Fall ist. Die Reihenfolge der De- generation, sofern eine solche überhaupt das ganze Samenepithel ergreift, ist bei der . Röntgenatrophie des Hodens unter allen Umständen genau umgekehrt, wie bei den genannten anderen Formen.

Das Studium der histologischen Vorgänge bei diesen Formen, bei denen die Degene- ration zuerst die Spermiden und zuletzt erst die Spermiogonien ergreift, könnte leicht zu einer falschen Vorstellung über die wahre Empfindlichkeit dieser Elemente führen. Der Bestrahlungsversuch schützt uns vor einem solchen Irrtum und lehrt uns die wahre Empfindlichkeit der verschiedenen Kategorien des Samenepithels kennen. Eine spezi- fische Wirkung der Röntgenstrahlen und eine spezifische Röntgenempfindlichkeit gibt es ja nicht (vgl. Schinz, 1924). Auch hier bewährt sich die Röntgenbiologie als all- gemeine Biologie. Auch das Gesetz von Bergonie und Tribondeau gehört in Wirk- lichkeit in das Gebiet der allgemeinen Biologie.

488 H. R. Schinz und B. Siotopolsky

Ebenso ist allgemein biologisch und allgemein pathologisch an dem Verlauf der Röntgenatrophie des Hodens nach Applikation mittlerer und kleiner Dosen sehr in- struktiv, wie nicht nur durch direkte Zerstörung von Zellen, sondern auch lediglich durch Störungen ihrer Teilungsfähigkeit man denke insbesondere an die Folgen einer Applikation von 10% der H.E.D. in unseren Versuchen weitgehende atrophische Veränderungen in einem Organ zustande kommen können. Auch diejenige Schädigungs- art einer Zelle, die sich nicht an ihr selbst, sondern erst an ihren Nachkommen mani- festiertt heredozelluläre Schädigung Regaud lernt man bei der Röntgenatrophie des Hodens kennen. Hierher gehört z. B. Anisozytose der Spermiden, die aus den von der Bestrahlung betroffenen Spermiozyten, Reifeteilungsstadien oder Präspermiden her- vorgeht. Schwerere heredozelluläre Schädigungen, die Bildung von Teratospermien hat Regaud beschrieben (siehe z. B. Regaud).

Der Verlauf der Vorgänge bei der Röntgenatrophie des Hodens erlaubt gewisse Rückschlüsse auch auf die Vorgänge in bestrahlten Tumoren. Auch hier werden Stö- rungen der Teilungsfähigkeit und heredozelluläre Schädigungen allein schon weitgehende Veränderungen bewirken können. Auf der anderen Seite wird aber hier ebenso, wie bei einer Bestrahlung mit Dosen bis zu 4 H.E.D. am Hoden mit einer Restitution, unter Umständen mit einem Rezidiv zu rechnen sein. Die vollständige, auch funktionelle Restitution des Hodens nach einer temporären Sterilisation, wie wir sie aus einem Ver- suche von Lacassagne kürzlich kennenlernten (Lacassagne, 1924), hat bei der Tumorbehandlung ihr Gegenstück in einem auch hinsichtlich seiner Malignität völlig ungeschwächten Rezidiv.

Es ist außerordentlich wichtig, sich klar zu machen, daß bei Bestrahlung mit Dosen, die man als die üblichen bezeichnen kann, ja die in der Röntgentherapie zum Teil. be- reits als sehr hohe Dosen betrachtet werden, die Röntgenatrophie des Hodens ohne nennenswerten nekrobiotischen Zerfall von Samenepithelien lediglich dadurch zustande kommt, daß der Nachschub von der zerstörten oder gelähmten Matrix aus unterbleibt. Es ergibt sich daraus, daß eine Röntgenbestrahlung der Hoden mit eben diesen üblichen Dosen hinsichtlich ihrer morphologischen Eigentümlichkeiten und deshalb hinsichtlich ihrer physiologischen Wirkungen mit anderen Eingriffen am Hoden, die ebenfalls eine Atrophie des Organes bewirken, nicht ohne weiteres verglichen werden kann. Es kann eine Röntgenbestrahlung der Hoden, selbst wenn sie zu dauernder Atrophie führt, namentlich hinsichtlich ihrer Allgemeinwirkungen auf den Organismus mit der Anlegung eines künstlichen Kryptorchismus oder mit einer Steinach-Operation nicht ohne weiteres verglichen werden. Die Wirkungen der beiden letztgenannten Eingriffe auf den Gesamt- organismus beide sind als Verjüngungsoperationen vorgeschlagen worden beruhen unserer Ansicht nach lediglich auf einer Resorption von massenhaft zerfallendem Samen- epithel; mit einer allfälligen Vermehrung der Zwischenzellen bei diesen Prozessen haben sie nichts zu tun (siehe darüber Schinz und Slotopolsky, 1925). Von einer Röntgen- bestrahlung der Hoden mit den üblichen, d. h. mit mäßigen Dosen, wobei außer den an Zahl und an Masse nicht ins Gewicht fallenden Spermiogonien nichts zerfällt und nichts resorbiert wird, sind daher keinerlei ‚‚verjüngenden‘‘ oder sonst irgendwie stimulierende Wirkungen zu erwarten. Wir haben das an anderer Stelle (Schinz und Slotopolsky, 1925) bereits gegenüber Steindi (1924) betont, der die Röntgenbestrahlung der Hoden bei Impotenz als gleichwertig einer Steinachoperation empfiehlt. (Daß wir übrigens auch gegen eine Steinach-Operation in solchen Fällen große Bedenken haben, sei hier nur nebenbei bemerkt. Es wird in der erwähnten Arbeit ausführlicher erörtert.)

Wenn wir uns schließlich fragen, welche Stellung die Röntgenhypobiosen des Ho- dens unter den Hodenhypobiosen überhaupt einnehmen, so haben wir festzustellen:

Röntgenhoden 489

Die Röntgenschädigung des Hodens kann Atrophie, kann Nekrose sein. Es ist nur eine Frage der Dosis, ob das eine oder andere eintritt. Die Röntgenatrophie des Hodens kann eine Hypoplasie sein, wenn ein jugendliches Organ bestrahlt wurde. Dann ist die Konse- quenz ein Ausbleiben der normalen Weiterentwicklung (Schinz und Slotopolsky, 1924). Sie ist Atrophie im engeren Sinne, wenn die Bestrahlung an einem geschlechts- reifen Testikel vorgenommen wurde. Gegenüber den übrigen Hodenatrophien nimmt die Röntgenatrophie des geschlechtsreifen Hodens eine Sonderstellung ein. Unter allen Um- ständen verläuft bei ihr die Degeneration der einzelnen Kategorien des Samenepithels in einer Reihenfolge, die ihrer wahren Empfindlichkeit entspricht. Bei dem typischen Verlauf der Röntgenatrophie wir meinen damit den Verlauf nach Applikation mitt- lerer Dosen kommt hierzu noch als weiteres Charakteristikum, daß die Leerung der Kanälchen, ohne nennenswerten nekrobiotischen Zerfall von Samenepithel, lediglich durch Fehlen des Nachschubs von der Matrix aus zustande kommt.

Wenn wir uns ein Samenkanälchen als ein mit Flüssigkeit gefülltes Gefäß mit elasti- scher Wandung vorstellen, dessen Spiegel trotz andauernden Abflusses immer auf gleicher Höhe bleibt, weil dauernd auch ein entsprechender Zufluß erfolgt, so haben wir uns die Vorgänge bei den verschiedenen Hodenhypobiosen so vorzustellen: Bei der Nekrose er- starrt die ganze Flüssigkeitssäule auf einmal oder zersetzt sich. Bei der Atrophie hin- gegen ist das Wesentliche eine Leerung des Gefäßes unter gleichzeitiger Schrumpfung seiner elastischen Wand. Bei der Röntgenatrophie in ihrer typischen Verlaufsweise erfolgt die Leerung des Gefäßes lediglich dadurch, daß der Zufluß unterbleibt, während der Abfluß in normaler Weise weitergeht. Bei ‚„atypischem‘‘ Verlaufe der Röntgenatro- phien und bei Hodenatrophien infolge von mechanischen Schädigungen oder Er- nährungsstörungen wird diese Leerung noch dadurch beschleunigt, daß das Gefäß von oben her gewissermaßen ausgeschöpft wird.

Diese Verhältnisse werden durch das beigefügte Schema illustriert, in dem wir der Einfachheit halber die einzelnen Kategorien des generativen Anteils durch ihre Kerne repräsentiert sein lassen. Die Degeneration am Samenepithel ist schematisch so dargestellt, als ob sie ausschließlich durch Pyknose erfolge, während ja doch in Wirklichkeit speziell die Chromatolyse hier ebenfalls eine große Rolle spielt. Abteilung I des Schemas stellt den Vorgang bei der Hodennekrose dar, wie sie durch Autolyse, durch hämorrhagische Infarzierung oder durch exzessive Röntgenbestrahlung zustande kommt: Der gesamte Inhalt der Samenkanälchen erstarrt oder verflüssigt sich mit einem Schlage. Abteilung II, III und IV stellen verschiedene Verlaufsweisen der Hodenatrophie dar. Hier ist eine allmähliche Leerung der Kanälchen das Charakteristische, und es bleiben am Schluß als lebender Bestandteil wenigstens die Sertolizellen zurück. Dieser Endeffekt ist bei allen 3 dar- gestellten Formen der Atrophie der gleiche. Sehr verschieden ist aber seine Genese. In Abtei- lung II ist die typische Röntgenatrophie dargestellt. Dabei repräsentieren die Unterabteilungen a und b die verschiedene Wirkung von Dosen, die die Spermiogonien nur lähmen und von solchen, welche die Spermiogonien vernichten. Der Depopulationseffekt ist aber im Prinzip in beiden Fällen der gleiche. Über die charakteristischen Depopulationsstadien V—VII die Spermiden, bzw. die Spermien reichen direkt bis auf die basale Reihe der Sertolikerne hinunter kommt es hier schließlich zur völligen Leerung der Kanälchen, ohne daß nennenswerte nekrobiotische Prozesse am Samenepithel im Spiele wären. Abteilung III des Schemas zeigt den „atypischen‘‘ Verlauf der Röntgenatrophie nach Applikation hoher Dosen. Die Leerung der Kanälchen erfolgt hier durch einen sukzessiven nekrobiotischen Zerfall des Samenepithels, der bei den Spermiogonien anfängt und über die Spermiozyten bis zu den Spermiden hin fortschreitet. Diese nekrobiotischen Erscheinungen bilden eine Gemeinsamkeit zwischen der atypischen Verlaufsweise der Röntgenatrophie des Hodens und der in Abteilung IV dargestellten Verlaufsweise der Hodenatrophie infolge von Ernährungs- störungen, von mechanischen Schädigungen und von Unterbindung des Ausführungsganges. Hier ist die Reihenfolge der nekrobiotischen Vorgänge am Samenepithel aber umgekehrt. Die Degene- ration beginnt an den Spermiden und ergreift die Spermiogonien erst ganz zuletzt. Demgemäß unter- scheiden wir bei diesen Formen der Hodenatrophie eine Reihe von Stadien im Schema sind Sta- dium I bis IV dargestellt die bei der Röntgenatrophie nicht nachweisbar sind.

490 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

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Schema. Verlauf und Endzustände bei den verschiedenen Hodenhypobiosen sind dargestellt. Ganz oben in der Mitte ein Sektor aus einem normalen Samenkanälchen. Er ent- hält von der Membrana propria angefangen bis an das Lumen: Sertolizellen (Se.), Spermiogonien (Spg.) Spermiocyten (Spc.), Spermiden (Spd.), Spermien (Sp.). Spc. als ganze Zellen gezeichnet, Se., Spg. und Spd. bloß durch ihre Kerne repräsentiert. Unter I ist die Hodennekrose dargestellt. Sie beruht auf einer mehr oder weniger plötzlichen Degeneration aller Elemente des Samenepitiels Koagulation oder Auflösung in loco. II, III und IV stellen die Hodenatrophie dar, die durch eine allmähliche stadienweise Leerung der Samenkanälchen charakterisiert wird. II ist die typische Verlaufsweise der Röntgenatrophie des Hodens, bei der nekrobiotische Vorgänge am Samenepithel ganz in den Hintergrund treten bzw. allein auf die Spg. beschränkt sind. III und IV ist die atypische Verlaufsweise der Röntgenatrophie und die normale" Verlaufsweise der übrigen Hodenatrophien (infolge von Ernährungsstörungen, nach Vasoligatur usw.), wobei nekrobiotische Vorgänge am Samenepithel in großem Umfange das Bild beherrschen. Charakteristisch für die Rönt- genatrophie (III) ist aber, daß auch hier von Anfang an die Spg. fehlen, die als die empfindlichsten Elemente des Samenepithels zuerst zugrunde gehen, während sie sich bei den übrigen Formen der Hodenatrophie (IV) umgekehrt am längsten erhalten. Die erste Kolonne von Ila und IIb zeigt, wie durch die Röntgenbestrahlung die Spg. entweder gelähmt (IIa) oder getötet worden sind (IIb) und wie infolgedessen eine Neubildung von Spe. nicht mehr stattgefunden hat, die zur Zeit der Be- strahlung vorhanden gewesenen Spc. sich inzwischen in Spd. umgewandelt haben. Die zur Be- strahlungszeit vorhanden gewesenen Sp. sind nebenhodenwärts fortgeschwommen. Die damaligen Spd. haben sich in eine neue Generation Sp. umgewandelt. In der 2. Kolonne von IIa und IIb sind auch diese Sp. nicht mehr vorhanden. Die hier anwesenden Sp. sind aus den Spd. der ersten Ko- lonne von IIa und IIb hervorgegangen. Neue Spd. sind natürlich keine gebildet worden. In der dritten Kolonne von IJa und IIb ist auch die letzte, seit der Bestrahlung noch gebildete (dritte) Spermiengeneration nebenhodenwärts fortgeschwommen und nun sind die Samenkanälchen ganz leer von Sp. Der Ablauf der Erscheinungen ist bei III und IV ein ganz anderer. Die erste Kolonne von III zeigt die Spg. allesamt getötet und resorbiert. Die Spc. zeigen vorgeschrittene, die Spd. beginnende Degeneration, nämlich Riesenzellbildung und das Unvermögen der Spermiohistogenese. Die zu Beginn vorhandenen Sp. sind nebenhodenwärts fortgeschwemmt. Eine Neubildung hat nicht stattgefunden. Die zweite Kolonne von III zeigt Zunahme der nekrobiotischen Prozesse, die dritte Kolonne von III zeigt das Zugrundegehen der Spe. in loco, während die Spd. unter Desquamation ins Lumen abgestoßen und fortgeschwemmt sind. IV zeigt die gerade umgekehrte Reihenfolge des Untergangs der einzelnen Kategorien des Samenepithels gegenüber III. Die vier Kolonnen von IV stellen die vier Stadien der Hodenatrophie bei Ernährungsstörungen und verwandten Schädlichkeiten dar.

Röntgenhoden 491

V. Die Latenzzeit bei der Röntgenatrophie des Hodens.

Als charakteristische Eigentümlichkeit der Wirkungsweise der Röntgenstrahlen gilt die zwischen dem Auftreten erkennbarer Veränderungen und der Bestrahlung zu beobachtende, oft recht lange Latenzzeit. Wir sind der Ansicht, daß man in dem Phä- nomen der Latenzzeit zu Unrecht eine besondere Eigentümlichkeit der Röntgenwirkung sieht und daß dieses Phänomen ein biologisches überhaupt ist, das auch bei anderen Reizwirkungen eine Rolle spielt. Nichtsdestoweniger ist das Studium der Latenzzeit nach Röntgenbestrahlung biologisch und pathologisch lehrreich und vor allem von praktischer Wichtigkeit.

Der Begriff der Latenzzeit ist außerordentlich vielgestaltig, und die Latenzzeit ist jedesmal eine andere, wenn man den Standpunkt wechselt, unter dem man sie betrachtet, d. h. es kommt ganz darauf an, auf welche Erscheinungen und auf welche Objekte wir den Begriff Latenzzeit anwenden.

Bei der Röntgenatrophie des Hodens kann man als klinische Latenzzeit diejenige Zeit bezeichnen, welche von der Bestrahlung bis zum Eintreten einer Azoospermie ver- streicht. Markovits (1923) bezeichnet sie als indirekte Latenzzeit. Es ist klar, daß diese Zeit eine ganz bestimmte Dauer besitzt und daß sie um ein Bestimmtes größer sein muß als die Depopulationszeit: Die Azoospermie tritt ein, wenn auch die letzten seit der Bestrahlung neu gebildeten Spermien den Nebenhoden, in dem sie nach dem Austritt aus dem Hoden gespeichert wurden, verlassen haben. Die klinische Latenz- zeit ist demgemäß gleich der Depopulationszeit plus der Verweildauer der letzgebildeten Spermien im Nebenhoden. D. h. sie dürfte die Depopulationszeit um einige Wochen übertreffen. Daraus ergibt sich aber, daß in Fällen, in denen die Vorgänge der Depo- pulation und der Restitution sehr rasch aufeinander folgen, nach außen hin, klinisch, überhaupt kein Effekt in Erscheinung tritt, es sei denn, daß man eine tastbare Größen- verminderung des depopulierten Hodens als solche betrachten wollte. Diese Sachlage ist in unseren Versuchen gegeben gewesen, in denen die Restitutio ad integrum ent- weder bereits innerhalb der ersten 4 Wochen nach der Bestrahlung bei Applikation von Dosen unter 1 H.E.D., oder aber wenigstens innerhalb der ersten 3 auf die nach ca. 28 Tagen vollendete Depopulation folgenden Wochen vollendet war. Ein klinischer Effekt der Bestrahlung im Sinne der Azoospermie kann nur in solchen Fällen’ eintreten, in denen entweder die Restitution erst monatelang nach der Depopulation oder über- haupt nicht erfolgt.

Die Depopulationszeit und damit die klinische Latenzzeit ist je nach der angewandten Dosis verschieden. Wie wir gesehen haben, ist z. B. nach Applikation von 30 H.E.D. der Hoden bereits nach 5 Tagen völlig ‚‚entvölkert‘‘, während bei Applikation von mäßigen Dosen: von 1, 2, 3 H.E.D., in unseren Versuchen ca. 4 Wochen bis zur vollstän- digen Depopulation vergingen.

Die klinische Latenzzeit Regaud nennt sie ‚makroskopische Latenzzeit‘‘ beruht bei der typischen Röntgenatrophie des Hodens auf denselben Erscheinungen wie bei der Haut. Auch hier besteht die unmittelbare Wirkung der Bestrahlung in einer Schädigung der Matrix, von der aus dann kein Nachschub mehr erfolgt. Der klinische Effekt in diesem Falle Epilation und Dermatitis aber zeigt sich erst, wenn sich das Fehlen dieses Nachschubes fühlbar macht, d. h. wenn die von der Bestrahlung nicht ernstlich geschädigten differenzierteren Elemente ihre normale Entwicklung Zyto- morphose im Sinne von Minot vollendet haben (siehe hierzu Regaud, 1923).

Ganz anders liegt die Sache, wenn wir nach der Latenzzeit für die Schädigung der

492 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

einzelnen Kategorien des Samenepithels fragen. Hier ist vor allem die Latenzzeit be- züglich der Spermiogonien wichtig. Meßbar ist sie nur da, wo durch die Bestrahlung überhaupt morphologische Veränderungen an den Spermiogonien erzeugt werden entsprechend der Definition Heinekes (1914), der als Latenzzeit die Zeit zwischen Aufhebung der Teilungsfähigkeit der Zelle und ihrem Tode bezeichnet. Wo, wie in un- seren Versuchen, nach Applikation von 10% der H.E.D. bloß die Teilungsfähigkeit der Spermiogonien vorübergehend aufgehoben wird, da kann man natürlich praktisch nicht feststellen, in welchem Moment dieser Effekt eintritt. Anders in den Fällen, wo die Spermiogonien durch die Bestrahlung getötet werden. Hier beträgt die Latenzzeit bei Anwendung mäßiger Dosen in unseren Versuchen von 2—4 H.E.D ca. 3 Tage. Bei Applikation höherer Dosen ist sie kürzer, unter Umständen sogar ganz wesentlich kürzer. So fanden wir ja nach Applikation von 30 H.E.D. bereits wenige Stunden später eine ausgedehnte Nekrobiose der Spermiogonien vor.

Den Begriff der Latenzzeit, wie ihn Heineke formuliert hat, können wir allerdings nicht akzeptieren: Erstens einmal dürfte es auch für den Teilungsstillstand der Zellen eine Latenzzeit geben, nur daß diese eben schwer meßbar ist. Zweitens spricht Heineke vom natürlichen Tode der Zellen, während hier doch zweifellos ein künstlicher Tod vor- liegt, es sei denn, daß man den in der Tat unabwendbaren Tod einer Zelle, die ihre Tei- lungsfähigkeit pathologischerweise für immer verloren hat, als natürlichen bezeichnen wollte. Drittens verallgemeinert Heineke seinen für die Zelle in gewisser Hinsicht passenden Begriff der Latenzzeit, indem er diese Latenzzeit als die Latenzzeit über- haupt bezeichnet, während, wie wir gesehen haben, für ganze Organe, namentlich auch unter funktionellen Gesichtspunkten, die Latenzzeit etwas ganz anderes ist. Hier ist die Latenzzeit die ‚Resultante komplexer Faktoren‘ (Regaud, 1923).

Gleichviel aber, ob es sich um die ‚mikroskopische‘ oder um die ‚makroskopische“ Latenzzeit handelt, in jedem Falle hängt die Latenzzeit von der Dosis ab, in dem Sinne, daß sie bei stärkerer Dosierung abnimmt.

Bei der Hodenatrophie infolge von Ernährungsstörungen ist die auf die Spermiden einwirkende Schädigung offenbar so stark, daß sie diese Zellkategorie nach nur recht kurzer Latenzzeit zur Nekrobiose bringt. Dem nekrobiotischen Zerfall der Spermio- zyten geht hier eine längere und dem der Spermiogonien eine sehr lange Latenzzeit, man kann auch sagen ‚Krankheitsdauer‘ voraus (siehe darüber Schinz und Sloto- polsky, 1924). Diese lange Latenzzeit für die morphologisch faßbare Schädigung der Spermiogonien bei Hodenatrophien infolge von Ernährungsstörungen u. dgl. scheint uns dafür zu sprechen, daß die auf die Spermiogonien hierbei einwirkende schädigende Reizstärke quantitativ einen geringeren Wert hat als die schädigende Reizstärke, die bei einer mäßigen Röntgenbestrahlung appliziert wird.

In der außerordentlich kurzen Latenzzeit der Lymphozyten, die Heineke bei seinen bekannten Versuchen gefunden hat, erblickt er eine besondere Eigentümlich- keit dieser Gewebsart und glaubt, daß das Iymphoide Gewebe der Röntgenenergie gegen- über eine ausgesprochene Sonderstellung einnimmt. Angesichts dessen, daß Heineke mit Dosen bestrahlt hat, die unseren großen Dosen von 15—30 H.E.D. entsprechen dürften, und angesichts dessen, daß bei Applikation solcher Dosen die Latenzzeit der Spermiogonien in unseren Versuchen sich als nicht kürzer erwies als die der Lympho- zyten in den Versuchen Heinekes, könnte man versucht sein, den Spermiogonien eine gleich große Radiosensibilität zuzubilligen wie den Lymphozyten. Wir ziehen diese Konsequenz aber nicht, da wir aus einer eigenen Beobachtung wissen, daß auch bei An- wendung viel geringerer Dosen als die, mit denen Heineke gearbeitet hat, die Latenz- zeit der Lymphozyten außerordentlich kurz ist. In einem Falle von hämolytischer

Röntgenhoden 493

Anämie, in dem eine Milzexstirpation vorgenommen wurde, haben wir 12 Stunden vor der Operation den unteren Pol der Milz mit 1 H.E.D. bestrahlt (Oberflächendosis). Die histologischen Präparate aus dieser Partie zeigen den von Heineke beschriebenen ausgedehnten Zerfall der Lymphozyten, während nach Applikation der gleichen Dosis am Hoden entsprechende Veränderungen an den Spermiogonien doch erst wesentlich später auftreten dürften, wissen wir doch aus eigenen Versuchen am menschlichen Hoden (siehe S. 456 und 457), daß nach Applikation der gleichen Dosis 4 Tage später an den Spermiogonien noch keine Degenerationserscheinungen wahrnehmbar waren. Immer- hin ist, wie uns unsere Tierversuche gezeigt haben, die Latenzzeit bei den Spermiogo- nien als eine recht kurze zu bezeichnen, und es scheint uns zulässig, die Spermio- gonien hinsichtlich ihrer Radiosensibilität wenigstens in die Nähe der Lymphozyten zu stellen.

Den Lymphozyten eine eigentliche Sonderstellung anzuweisen, erscheint uns aus prinzipiellen Gründen, die sich aus den gesamten Ausführungen in diesem Abschnitt ergeben, nicht zulässig. Die ganze Frage der Latenzzeit ist überhaupt eine rein quanti- tative und hängt lediglich davon ab, bis zu welcher Feinheit die histologische Unter- suchung getrieben wird. Erinnern wir uns, daß Simmonds für die Latenzzeit bei der Röntgenatrophie des Hodens nicht unter klinischen, sondern unter histologischen Gesichtspunkten! 4 Wochen angibt, während sie unter histologischen Gesichtspunkten ja in der Tat, auch bei maßvoller Dosierung, nur höchstens 4 Tage beträgt wenn man eben die histologische Analyse weit genug treibt. Ganz entsprechend zweifeln wir aber auch nicht daran, daß da, wo wir noch keine morphologischen Veränderungen nach- weisen konnten z. B. einige Stunden nach Bestrahlung mit 2—4 H.E.D. wohl trotzdem schon solche vorhanden gewesen sein werden, die eine verfeinerte histologische Technik der Zukunft uns vielleicht einst noch kennen lehren wird.

VI. Die Zwischenzellen.

Auch der Röntgenhoden spielt in dem Kampf um das morphologische Substrat der Hodeninkretion eine Rolle. Auch in dem Röntgenhoden hat man wie in kryptorchen, transplantierten und vasoligierten Testikeln eine ‚isolierte Pubertätsdrüse‘“ erblicken wollen. Auch hat man geglaubt und diese Ansicht ist heute sehr weit verbreitet —, daß die Röntgenstrahlen eine Reizwirkung auf die ‚Pubertätsdrüse‘‘ ausüben, und man hat deshalb auch daran gedacht, Röntgenbestrahlung der Hoden zu „Verjüngungs‘- und anderen Stimulationszwecken anzuwenden (Steinach), bzw. man hat diese Idee auch in die Tat umgesetzt (siehe darüber z. B. Steindl, 1924, und über unsere Kritik an diesem Vorgehen, Schinz und Slotopolsky, 1925).

Der Röntgenhoden, der in den Samenkanälchen immerhin die, wie in dem letzten Abschnitt der vorliegenden Arbeit gezeigt werden wird, keineswegs gleichgültigen Ser- tolizellen enthält, stellt auf keinen Fall eine ‚isolierte Pubertätsdrüse‘‘ dar. Das braucht ja wohl nicht mehr besonders betont zu werden. Daß die Vermehrung der Zwischen- zellen im Röntgenhoden, über die die Mehrzahl der Autoren berichtet, schwerlich auf einer Reizwirkung beruhen dürfte, geht aber daraus hervor, daß diese auch sonst regel- mäßig beobachtet wird, wenn der generative Anteil aus irgendeiner Ursache zugrunde geht).

1) Am Ovar liegen die Verhältnisse entsprechend. Nicht nur das Röntgenovar, sondern auch das Schwangerschaftsovar zeigt eine Wucherung der „Pubertätsdrüse‘. (Siehe darüber Schinz, 1923.) In mancher Hinsicht besteht bei dieser Streitfrage eine Analogie zu dem Streit über die

494 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

Vor allem ist aber doch erst zu prüfen, ob diese Vermehrung der Zwischenzellen auch eine wirkliche, absolute, und ob sie nicht gar lediglich durch die Schrumpfung der Samenkanälchen vorgetäuscht und rein relativ ist.

Den Gedanken, daß eine wirkliche Vermehrung der Zwischenzellen im Röntgen- hoden durch eigens darauf gerichtete Untersuchungen zu beweisen ist, haben offenbar bereits Bergonie und Tribondeau gehabt. Aber die Methode, die Bergonie und Tribondeau (1906) anwandten, war vollständig verfehlt: sie fertigten in entsprechen- der Weise Zeichnungen von Schnitten durch röntgenatrophische Hoden und durch normale Kontrollorgane an, schnitten in beiden die Partien aus, die dem Zwischengewebe entsprechen sollten, und verglichen dann ihr Gewicht. In den Röntgenhoden war dies Gewicht größer als in normalen Kontrollorganen. Es ist klar, daß Bergonie und Tri- bondeau mit ihrem Vorgehen nichts weiter erreichten als einen zahlenmäßigen Ausdruck dafür, was man auf den Schnitten ohnehin sieht, und daß sie so lediglich für die ja ohne- hin zweifellose relative Zwischenzellvermehrung im Röntgenhoden einen bestimmten in einer Zahl ausdrückbaren Wert erhielten. Der schwere Irrtum von Bergonie und Tribondeau war, daß sie glaubten, mit ihrer Methode eine absolute Vermehrung der Zwischenzellen im Röntgenhoden bewiesen zu haben, was ohne Berücksichtigung des Gesamtvolumens der verglichenen Organe gar nicht möglich ist. Regaud und Nogier (1911) kritisieren an dem Vorgehen Bergonies und Tribondeaus nur technische Fehler Bergonie und Tribondeau haben z. B. einfach die intertubulären Zwischen- räume dem Zwischengewebe gleichgesetzt, obwohl in ihren Präparaten bedeutende Artefakte vorhanden waren. Auf den grundsätzlichen Irrtum Bergonies und Tri- bondeaus treten sie aber nicht ein. Sie zweifeln den absoluten Charakter der Zwischen- zellvermehrung im Röntgenhoden an, ohne aber einen Beweis für ihre Ansicht zu er- bringen oder eine Methode anzugeben, mit der die Frage zu lösen ist. Auch Lipschütz (1919) hat den Gedanken ausgesprochen, daß eine Zwischenzellvermehrung im histo- logischen Schnitte unter Umständen bloß relativ sein kann. Aber auch er hat aus diesem Gedanken seinerzeit noch keine praktischen Konsequenzen gezogen.

Es ist das unbestreitbare Verdienst Stieves (1919—1924), eine Methode angegeben zu haben, die dem Probleme gerecht wird. Stieve hat diese Methode bei seinen um- fangreichen Untersuchungen dann auch konsequent angewandt und durch die dabei erzielten Ergebnisse sowie durch die Schaffung der Methode überhaupt die ganze Zwischenzellfrage außerordentlich gefördert.

Stieve zeichnet, schneidet aus und wiegt wie Bergonie und Tribondeau. Dann aber berechnet er, indem er das vor der histologischen Verarbeitung bestimmte Gesamt- volumen des zu untersuchenden Testikels heranzieht, aus den gefundenen relativen die wirklichen absoluten Werte. Z. B.: Ein zu untersuchender Testikel habe ein Volumen von l cem. Eine Reihe von durch verschiedene Regionen dieses Hodens gemachten Schnitten wird bei gleicher Vergrößerung auf gleich dicken Karton gezeichnet. Aus diesen Kartons werden die dem Zwischengewebe und die den Samenkanälchen ent- sprechenden Partien herausgeschnitten und gewogen. Die Wägung ergebe ein Ge- wichtsverhältnis von 1:9 zwischen intergenerativem und generativem Anteil. Das be- deutet, daß auch die Volumina des intergenerativen und des gencerativen Anteils in diesem Hoden sich wie 1:9 verhalten. Mithin würde in diesem Hoden der generative- Anteil 0,9 ccm, der intergenerative Anteil aber 0,l ccm einnehmen. Handelt es sich um einen irgendwie veränderten Testikel, so kann man, indem man normale Kontroll-

Ursache der Bindegewebswucherung in bestrahlten Karzinomen. Während die einen eine un- mittelbare Reizwirkung der Strahlen auf das Bindegewebe annehmen, sehen die anderen in seiner Vermehrung nur die Reaktion auf den Untergang des Karzinomgewebes.

Röntgenhoden 495

organe in entsprechender Weise untersucht, durch Vergleichung der so gefundenen ab- soluten Zahlen feststellen, ob eine im histologischen Schnitte zu konstatierende Ver- mehrung oder Verminderung des Zwischenzellgehaltes absolut oder nur relativ ist. Das ist die Methode. Es gibt bei ihr noch einige technische Einzelheiten zu disku- tieren: Stieve hält auf peinlichste histotechnische Verarbeitung der für derartige Unter- suchungen bestimmten Testikel. Im normalen Nagetierhoden, mit dem er hauptsäch- lich gearbeitet hat und mit dem ja auch in den meisten Experimentaluntersuchungen überhaupt gearbeitet wird, liegen die Samenkanälchen dicht gedrängt beieinander und sind nur an den Knotenstellen durch spärliches Zwischengewebe getrennt. Stieve schneidet bei seiner Rekonstruktionsmethode jeweils die Tubuli und die intertubulären Zwischenräume aus. Letztere setzt er dem Zwischengewebe gleich. Er darf das auch im Gegensatz zu Bergonie und Tribondeau, die kolossale Artefakte in ihren Prä- paraten hatten angesichts der tadellosen Konservierung seiner Präparate. Um Schrumpfungen, also die Bildung künstlicher Zwischenräume zwischen den Tubuli zu vermeiden, hat Stieve vorzugsweise folgendes Vorgehen angewandt: Die Objekte werden in einer auf 37°C erwärmten Mischung von 76 Teilen konzentrierter wäßriger Sublimatlösung, 4 Teilen Eisessig und 20 Teilen konzentriertem Formol 3 Stunden lang im Thermostaten fixiert. Sie werden sodann auf 24 Stunden in 70% gen Jodalkohol überführt, und nun wird ganz langsam, jeweils nur um 5%, mit der Konzentration des Alkohols (natürlich nicht mehr Jodalkohol), in die Höhe gegangen und dann in üblicher Weise über Chloroform in Paraffin eingebettet. Sämtliche Prozeduren bis zur Ein- bettung vollziegen sich im Thermostaten bei 37° C. Der Erfolg dieser Technik ist, wie wir uns überzeugen konnten, ausgezeichnet. So schöne Präparate, wie mit dieser Tech- nik, haben wir bei keiner anderen Art der Verarbeitung erhalten, jedenfalls nie in solcher Häufigkeit. Auch bei dieser Technik erlebt man ab und zu einen Fehlschlag, indes ist das ungleich häufiger bei den anderen üblichen Methoden der Verarbeitung der Fall. Entsprechend der bereits von Hermann (1889) geäußerten Ansicht hatten auch wir daran gedacht, daß sich die artifiziellen Lücken zwischen den Kanälchen, die man in ohne besondere Kautelen hergestellten Hodenpräparaten so ungemein häufig zu sehen bekommt, vielleicht vermeiden ließen, wenn man das Organ jeweils in toto fixiere, und daß es dann auf die Art der Fixation im übrigen nicht so sehr ankomme. Aber es hat sich gezeigt, daß das Hervorquellen des Hodenparenchyms über die Schnittflächen, wenn man den Testikel durchschneidet, belanglos ist, wenn die Technik von Stieve angewandt wird, und daß anderseits eine Totalfixierung nichts nützt, wenn man im übrigen eine andere Art der Fixation, z. B. eine solche in Carnoyschem Gemisch anwendet!). Als wir das erkannt hatten, haben wir dementsprechend bei den zu Zwischenzellunter- suchungen bestimmten Ojekten nicht nur die Technik von Stieve angewandt, son- dern die Hoden hier jeweils vor der Fixierung auch immer aufgeschnitten, weil bei Fixierung des unaufgeschnittenen Organes, wenn es nicht kleiner ist als 1 cem, die innersten Partien meist unbrauchbar werden. Eine kleine Korrektur an den technischen Angaben von Stieve möchten wir uns noch erlauben: Bei nicht allzu kleinen Objekten genügt ein 24 Stunden langes Verweilen in Jodalkohol nicht, um das Sublimat voll-

1) Bei einem frischen Kaninchenhoden haben wir festgestellt, daß nach Abtrennung des Fett- körpers und des ganzen Nebenhodens das Gewicht 2.6 g betrug. Das Volumen bestimmten wir zu 2,53 ccm. Das spezifische Gewicht beträgt danach 1,038. Das nach der Formel 4/3 x a b? berechnete Volumen betrug 2,74cem. Nach Fixation in Carnoy-Gemisch und Überführen in absoluten Al- kohol wog derselbe jetzt alkoholimbibierte Hoden noch 1,775 g, währenddem die Volumenbestimmung ZIL eem und die Volumenberechnung 2,36 cem ergab. Der in toto fixierte Hoden war also von 2,53 ccm auf 2,11 ccm geschrumpft.

496 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

kommen zu entfernen; es machen sich dann später in den Schnitten Sublimatkristalle unangenehm bemerkbar. Wir haben deshalb später immer länger jodiert.

Die Resultate dieser Technik waren bezüglich der Vermeidung von artifiziellen Lücken in den Präparaten, wie gesagt, sehr gute. Kleine Lücken allerdings traten hier und da in den Schnitten doch auf. Diese Lücken machten für die Berechnung eine ge- wisse Schwierigkeit, da es sich schwer sagen läßt, ob sie durch eine Dissoziation des Hodenparenchyms oder aber durch Schrumpfungsprozesse entstehen, und in letzterem Falle, ob diese Schrumpfung lediglich die Samenkanälchen oder in gleichem Maße auch das Zwischengewebe betrifft. Wir haben uns auf den Standpunkt gestellt, daß die künst- lichen Lücken schwerlich bloß einer Schrumpfung der Samenkanälchen allein zuge- schrieben werden können und haben deshalb bei der Berechnung der Mengenverhält- nisse die Lücken jeweils einfach in Abzug gebracht. Wir haben aber, um uns zu über- zeugen, ein wie großer Fehler durch dieses Vorgehen allenfalls entstehen könnte, sämt- liche Berechnungen gleichzeitig auch noch in der Weise ausgeführt, daß wir die Lücken mit einbezogen und sie dem generativen Gewebe zurechneten, was der Annahme ent- sprechen würde, daß diese Lücken lediglich durch eine Schrumpfung der Samenkanälchen allein entstehen. Es ergabsich, wie vorauszusehen war, daß bei dieser zweiten Berechnungs- art im Gegensatz zur ersten die Samenkanälchen etwas besser und die Zwischenzellen etwas schlechter abschnitten. Aber zahlenmäßig war der Unterschied so gering, daß wir in dieser Hinsicht völlig beruhigt sein konnten. Selbst in dem Falle, in welchem die artifiziellen Lücken unter allen unseren Objekten dieser Art (Prot. Nr. 10, 1.), am stärk- sten entwickelt waren, betrug die Differenz zwischen der absoluten Menge der Zwischen- zellen bei beiden Arten der Berechnung nicht mehr, als !/, des größeren der beiden Werte, d. h. bei der zweiten Art der Berechnung bekommt man um !/, weniger als bei der ersten Art. Im übrigen aber waren die Differenzen durchwegs noch viel unwesent- licher. Die von uns im folgenden für den Grad der absoluten Vermehrung des Zwischengewebes bei der Röntgenatrophie angegebenen Zahlen dürften daher im schlimmsten Falle um eine Kleinigkeit, unter keinen Umständen aber um mehr als II, zu reduzieren sein. Das grundsätzliche Endergebnis wird davon nicht tangiert.

"Noch eine grundsätzliche Frage ist bei der Stie v e- Methode zu diskutieren: Stieve macht bei der Berechnung der Mengenverhältnisse keinen Unterschied zwischen Zwischen- gewebe und Zwischenzellen. Dieses Vorgehen ist von Benoit (1922) und von Lip- schütz (1923) bemängelt worden. Bei dem Vorgehen von Stieve würden auch die Gefäße zu Unrecht mitgerechnet und vor allem das gewöhnliche Bindegewebe. Das Vorgehen von Stieve könne sogar dazu führen, von einem Hoden mit Fibrosis testis zu behaupten, es hätte hier eine ungeheure Vermehrung der Zwischenzellen stattgefun- den. Wir halten diese Einwände, denen sich auch F. Levy 1924 in einem Referat anschließt, für unberechtigt. Der Einwand, daß die Gefäße mitgerechnet werden, ist im allgemeinen unwesentlich. Er spielt eine gewisse Rolle nur in bestimmten Fällen von Brunstveränderungen des Hodens, wo bei dem Eintritt der Brunst das Gefäß- netz eine wesentliche Erweiterung erfährt. Im übrigen wird man größere Gefäße, die auch bei schwacher Vergrößerung im histologischen Schnitt deutlich sind, natürlich bei der Berechnung eliminieren, und das hat unseres Wissens auch Stieve getan. Der Einwand aber, daß zu Unrecht auch das gewöhnliche Bindegewebe mitgerechnet würde, ist nach zwei Richtungen hin zu prüfen. Sofern ansehnliche Mengen fibrillärer Substanz bei dieser Berechnung mit den Zwischenzellen in einen Topf geworfen würden, wäre das allerdings ein Fehler. Aber die fibrilläre Interzellularsubstanz spielt im Nagetier- hoden eine verschwindende Rolle. Ganz anders liegen in dieser Hinsicht die Verhält- nisse im menschlichen Hoden. Hier ist das fibrilläre Bindegewebe ein Faktor, mit dem

Röntgenhoden 497

zu Technen ist, und die Stieve- Methode ist deshalb hier etwas zu modifizieren (siehe darüber Slotopolsky und Schinz, 1925). Beim Nagetierhoden und auch bei allen an- deren Spezies, mit denen Stieve gearbeitet hat, ist nur die Frage zu erwähnen, ob man gewöhnliche Bindegewebszellen und Zwischenzellen zusammenwerfen darf. Die Unter- suchungen namentlich von Stieve sprechen sehr dafür, daß die Zwischenzellen nichts weiter als ein vorübergehendes Umwandlungsstadium von Bindegewebszellen, daß sie nur mit Lipoiden aufgefüllte Bindegewebszellen sein dürften. So hat Stieve (1922) festgestellt, daß im Zwischengewebe des jugendlichen Gänsehodens der Plasmaleib aller Zellen, von den voll entwickelten Zwischenzellen an bis herab zu den feinsten spindel- förmigen Gebilden, mit osmierbaren bzw. durch Sudan III darstellbaren Granulis er- füllt ist, während die Zellen im Inneren der Samenkanälchen von derartigen Einlage- rungen vollkommen frei sind. Die Menge der lipoiden Granula steht dabei jeweils in direkter Proportion zur Größe des Zelleibes. Man kann aber auch umgekehrt sagen: Die Größe des Zelleibes der Zwischengewebszellen und damit ihre morphologische Er- scheinungsweise als ‚gewöhnliche Bindegewebszellen‘‘ oder „Leydigsche Zwischen- zellen“ hängt lediglich von der Menge der eingelagerten Lipoide ab. Stieve, der aus- drücklich auf dem Standpunkte steht, daß man als Zwischenzellen alle Gebilde im Inter- stitium des Hodens zu bezeichnen hat, deren Plasmaleib osmierbare Granula enthält, mögen sie sich im übrigen hinsichtlich ihrer Form verhalten, wie sie wollen, handelt also durchaus konsequent, wenn er bei seinen Mengenbestimmungen das ganze Zwischen- gewebe als eine Einheit betrachtet. Aber ganz abgesehen davon, selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellen wollte, daß Zwischenzellen eine Zellart sui generis sind und daß sie mit den gewöhnlichen Bindegewebszellen des Hodeninterstitiums nichts zu tun haben ein Standpunkt, den, soweit die morphologischen Beziehungen in Betracht kommen, ja nicht einmal Bouin und Ancel (1903), Tandler und Groß (1913) oder Lipschütz (1919) vertreten —, so würde dennoch zur Mengenbestimmung kein an- deres Verfahren möglich sein als das von Stieve. In unseren röntgenatrophischen Hoden mit Hypertrophie des Zwischengewebes liegen gewöhnliche Bindegewebszellen und Zwischenzellen so eng gedrängt beieinander und so sehr durcheinandergewürfelt, daß es überhaupt nicht möglich ist, sie voneinander zu trennen. Entweder müßte man hier auf jede Möglichkeit einer annähernden Bestimmung der absoluten Mengenver- hältnisse überhaupt verzichten, oder man muß es so machen, wie Stieve es gemacht hat.

Zur Berechnung der absoluten Mengenverhältnisse bestimmt Stieve vor der Fi- xierung das Gesamtvolumen des betreffenden Testikels. Er faßt den Testikel als ein Rotationsellipsoid auf und berechnet sein Volumen demgemäß aus dem langen und aus dem kurzen Durchmesser nach der Formel 4/3 x: ab?, wobei 2 a die Drehachse ist und 2b in unserem Falle die kurze Achse. Diese Art, das Volumen zu bestimmen, ist manch- mal nicht ganz unbedenklich, nämlich dann, wenn, wie das bei unseren Kaninchen- hoden oft der Fall war, der Hoden an dem einen seiner Pole bedeutend dicker ist als an dem anderen (der Kaninchenhoden verjüngt sich manchmal recht erheblich gegen den unteren Pol hin). Natürlich wird man sich in solchen Fällen so zu helfen suchen, daß man die Dicke auf mittlerer Höhe des Organes als kleinen Durchmesser des Rotations- ellipsoides nimmt. Aber man muß sich fragen, ob es überhaupt notwendig ist, für die Berechnung nach Stieve das Volumen zu verwenden, und ob man nicht statt dessen einfach das Gewicht nehmen kann. Es erscheint dies in der Tat zulässig, wenn man vor- aussetzen darf, daß das spezifische Gewicht des generativen und des intergenerativen Anteils des Hodens gleich groß ist. Wir haben zur Entscheidung dieser Frage an einer größeren Anzahl von normalen und atrophischen Kaninchen- und Rattenhoden das Vo- lumen berechnet und das Gewicht bestimmt, und es hat sich dabei ergeben, daß das

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 32

498 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

spezifische Gewicht des Hodens als Ganzes immer ungefähr gleich 1 ist!), gleichviel, ob er relativ sehr wenig Zwischengewebe enthält, wie das bei normalen Testikeln, oder relativ sehr viel Zwischengewebe, wie das bei atrophischen Hoden der Fall ist. Wir haben demgemäß, da das Gewicht sich ja leichter genau bestimmen läßt, all unseren Berechnungen das Gewicht der betreffenden Testikel zugrunde gelegt (natürlich nach sorgfältigem Abpräparieren von Nebenhoden und Fettkörper).

Wir wollen nunmehr über die so erhaltenen Resultate berichten: Als Testobjekte verwandten wir die beiden normalen Hoden eines ca. 1 Jahr alten geschlechtsreifen Kaninchens und ferner die 4 Hoden von 2 weiteren normalen, aber ca. 2 Jahre alten Individuen. Es handelt sich um die Prot.-Nr. A (ca. 1 Jahr alt), B und 28 (ca. 2 Jahre alt). Die Berechnung ergab:

Abb. 26. Aus einem normalen, geschlechtsreifen Kaninchenhoden, Übersichtsbild zur Veranschau-

lichung der relativen Mengenverhältnisse von generativen und intergenerativen Geweben. Weiß =

Samenkanälchen, schwarz = Zwischengewebe, schraffiert = artifizielle Lücken. Haematox. Eosin.

Sublimat-Eisessig-Formol nach Stieve. Die den Abb. 27—30 zugrunde liegenden Präparate sind

in gleicher Weise hergestellt. In dem vorliegenden normalen Kaninchenhoden entfallen 5°, auf

das Zwischengewebe und 95%, auf das generative Gewebe, in absoluten Werten 0,085 g Zwischen- gewebe und 1,615 g generatives Gewebe.

Der rechte Hoden von Kaninchen A wiegt 1,7 g und enthält 5%, Zwischengewebe und 95°%, generatives Gewebe. Also auf das Zwischengewebe entfallen 0,085 g, auf das generative Gewebe 1,6l5g. Der linke Hoden von A (vgl. Abb. 26), wiegt 1,75g. Er enthält ebenfalls 5%, Zwischengewebe und 95 % generatives Gewebe. Auf das Zwischen- gewebe entfallen hier demgemäß 0,0875 g, auf das generative Gewebe 1,6625 g. Durch- schnittlich beträgt demgemäß die Masse des Zwischengewebes in einem von einem ca. 1 Jahr alten Tiere stammenden normalen geschlechtsreifen Kaninchenhoden ca. 0,086 g,

1) Das spezifische Gewicht eines frischen Kaninchenhodens bestimmten wir bei Volumbestim- mung durch Wägung des verdrängten Wassers zu 1,038.

Röntgenhoden 499

während die Masse des generativen Anteils hier durchschnittlich 1,643 g, also ungefähr das 20fache beträgt.

Der rechte Hoden von Kaninchen B wiegt 2,8g. Er enthält 4,3%, Zwischengewebe, 95,7%, generatives Gewebe. Die absolute Menge des Zwischengewebes beträgt mithin 0,12 die des generativen Gewebes 2,68 g. Der linke Hoden desselben Tieres wiegt 3,15g. Er enthält ebenfalls 4,3%, Zwischengewebe und 95,7%, generatives Gewebe. Die absolute Menge des Zwischengewebes beträgt hier demgemäß 0,135 g, die des gene- rativen Gewebes 3,02 g.

Der rechte Hoden von Kaninchen 28 wiegt 2,6 g. Er enthält 4,25 % Zwischengewebe, 95,75% generatives Gewebe. Die absolute Menge des Zwischengewebes, beträgt hier

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Abb. 27. Aus einem röntgenatrophischen Kaninchenhoden (Prot. Nr. 10, 1.). Einmalige Bestrah-

lung mit 3 H.E.D., 38 Tage später. Haematox. Eosin. Übersichtsbild zur Veranschaulichung der

relativen Mengenverhältnisse von generativem und intergenerativem Gewebe. Die Menge des Zwischen-

gewebes beträgt 60%, die des generativen 40%, oder in absoluten Werten 0,432 g gegen 0,288 g.

Das Zwischengewebe ist hier also auch absolut vermehrt, auf das 2l,fache gegenüber dem Normalen.

0,11 g, die des generativen Gewebes 2,49 g, Der linke Hoden desselben Tieres wiegt 2,45 g. Er enthält 4,7%, Zwischengewebe und 95,3%, generatives Gewebe. Die absolute Menge des Zwischengewebes beträgt hier demgemäß 0,115 g, die des generativen Ge- webes 2,335 g.

Es ergibt sich: das Hodengewicht bei einem ca. 1 Jahr alten Kaninchen beträgt ungefähr 1,73 g. Davon sind ca. 1,643 g generatives Gewebe, 0,086 g Zwischengewebe. Bei einem 2 jährigen Kaninchen ist das Durchschnittsgewicht des Hodens ca. 2,75 g. Davon sind 4,4%, = 2,63 g generatives Gewebe und 15,6% = 0,12 g Zwischengewebe.

Berechnet man aus den bei dem 1 jährigen und bei den 2jährigen Tieren gefundenen Zahlen einen gemeinsamen Durchschnitt, so ergibt sich: Ein normaler geschlechtesreifer

32*

500 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

Kaninchenhoden enthält ca. 0,1 g Zwischengewebe. Es scheint uns gleichwohl richtiger, statt dieses Wertes den bei dem einjährigen Tiere gefundenen Wert von 0,086 g den nunmehr folgenden Berechnungen an röntgenatrophischen Kaninchenhoden zugrunde zu legen, weil die betreffenden Versuche gleichfalls an ca. 1 Jahr alten Tieren ausgeführt wurden und deshalb in diesen Fällen ein ähnlicher Ausgangszustand wie bei dem auf die absoluten Mengenverhältnisse in seinen Testikeln untersuchten 1 Jahr alten Test- individuum A bestanden haben wird.

Die Berechnung der absoluten Mengenverhältnisse in röntgenatrophischen Hoden haben wir in 4 Fällen vorgenommen, bei denen sämtlich eine schwere Atrophie 4. Grades vorlag. Es handelt sich um die Prot. Nr. 10 1., Prot. Nr. 15 r., Prot. Nr. 16 l. und Prot.

Abb. 28. Aus einem röntgenatrophischen Kaninchenhoden (Prot. Nr. 15, r.). Einmalige Bestrah-

lung mit 4 H.E.D., 30 Tage nachher. Haematox. Eosin. Es besteht eine starke relative Ver-

mehrung des Zwischengewebes. Generatives Gewebe = 329%, Zwischengewebe = 68%. Die abso-

lute Vermehrung des Zwischengewebes tritt neben der relativen sehr zurück. Absolute Menge des Zwischengewebes gegenüber einem normalen Hoden auf ca. das 13, fache vermehrt.

Nr. 21, 1., wobei allemal eine Reduktion des Wandbelages bis auf die Sertolizellen mit starker Schrumpfung der Kanälchen und mehr oder minder starker relativer Vermeh- rung des Zwischengewebes 38 Tage, 30 Tage, 35 Tage und 25 Tage nach einer Bestrah- lung mit 3, 4, 4 und 15 H.E.D. bestand.

Der Hoden Nr. 10 1. (vgl. Abb. 27) wiegt 0,72 g und enthält ca. 60%, d. h. ca. 0,432 g generatives und ca. 40%, d. h. 0,288 g Zwischengewebe. Gegenüber einem nor- malen Testikel eines ungefähr gleichaltrigen Individuums, der, wie oben ausgeführt, ca. 0,086 g Zwischengewebe enthält, ist das Zwischengewebe also hier auf das 3!/,fache, genauer: um 235%, vermehrt.

Der Hoden Nr. 15 r. (vgl. Abb. 28) wiegt 0,44g. Er enthält ca. 68%, d.h.

Röntgenhoden 501

0,3 g generatives und ungefähr 32%, d. h. 0,14 g Zwischengewebe. Das Zwischen- gewebe ist demgemäß hier einem normalen Hoden gegenüber auf das ca. 1?/sfache, genauer: um 63% vermehrt.

Der Hoden Nr. 1611. (vgl. Abb. 29) wiegt 0,32 g. Er enthält ca. 40%, d. h. 0,128 g generatives und ca. 60%, d. h. 0,192 g Zwischengewebe. Das Zwischengewebe ist mit- hin hier einem normalen Testikel gegenüber auf das ca. 2!/‚fache, genauer: um 124 % vermehrt.

Der Hoden Nr. 211. (vgl. Abb. 30) wiegt 0,38 g. Er enthält ca. 60%, d. h. 0,228 g generatives und ca. 40%, d. h. 0,152 g Zwischengewebe. Das Zwischengewebe ist dem- gemäß hier auf das ca. 1?/‚fache, genauer: um 77%, vermehrt.

Abb. 29. Aus einem röntgenatrophischen Kaninchenhoden (Prot. Nr. 16, 1.). 35 Tage nach ein-

maliger Applikation von 4 H.E.D. Haematox. Eosin. Enorme relative Vermehrung des Zwischen-

gewebes. Generatives Gewebe = 40°, Zwischengewebe = 60°. Die sehr geringfügige absolute

Vermehrung des Zwischengewebes (absolute Menge des Zwischengewebes hier 0,192 g) tritt dem-

gegenüber ganz in den Hintergrund. Die Abbildung zeigt, welchen verhängnisvollen Täuschungen eine reine Schätzung der absoluten Mengenverhältnisse unterliegt.

Für den Fall, daß man beanstanden sollte, daß wir diesen Berechnungen Vergleichs- werte aus Hoden zugrunde gelegt haben, die nur ca. 1,75 g wogen, während wir ja selbst bei anderen Kaninchen größere Hodengewichte, sogar bis zu 3,15 g, gefunden haben, wollen wir noch angeben, wie das Resultat ist, wenn man als normale Menge des Zwischen- gewebes einen Wert zugrunde legt, bei dessen Berechnung auch die schwereren Testikel der 2jährigen Tiere mit einbezogen wurden, also den Wert von 0,1 g. Auch dann würde bei unseren 4 Fällen von Röntgenatrophie eine absolute Zunahme des Zwischengewebes vorliegen, wenn auch nur um 188%, um 40%, um 92%, und um 52%.

Die absolute Hypertrophie des Zwischengewebes in diesen Fällen steht also bei

602 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

beiden Arten der Berechnung außer Zweifel. Im übrigen ziehen wir, wie oben begründet, die erste Art der Berechnung vor und kommen daher zu dem Resultat, daß in röntgen- bestrahlten Hoden, die eine Atrophie 4. Grades aufweisen, das Zwischengewebe eine Vermehrung um 63—235% aufweist. Durchschnittlich beträgt die Vermehrung in unseren Fällen 149%, sagen wir 150%. Man kann also schematisch sagen: In einem röntgenatrophischen Hoden ist das Zwischengewebe im Durchschnitt ungefähr auf das 21/ fache vermehrt. Die Tabelle 4 zeigt alle die gefundenen Werte bei normalen und bei röntgenatrophischen Kaninchen.

Diese Werte wären allerdings um ein Geringes zu reduzieren, wenn man die gelegentlich in den Präparaten auftretenden kleineren oder größeren artifiziellen Lücken in die Rechnung mit einbeziehen

Abb. 30. Aus einem röntgenatrophischen Kaninchenhoden (Prot. Nr. 21, LL 25 Tage nach ein-

maliger Bestrahlung mit 15 H.E.D. Haematox. Eosin. Starke relative Vermehrung des Zwischen-

gewebes. Generatives Gewebe = DUT, Zwischengewebe = 40°%,. Absolute Vermehrung des Zwischen- gewebes ganz unbedeutend 0,152 g.

und den Samenkanälchen zurechnen wollte, während wir sie aus der Berechnung jeweils ausgeschaltet. haben (siehe darüber S. 496). In dem Falle von Kaninchen Nr. 15 r., wo diese artifiziellen Lücken relativ reichlich ausgebildet sind, finden wir beim Ausschneiden aus den Kartons durchschnittlich: Kunstprodukte 1,05 g, Zwischengewebe 2,325 g, Samenkanälchen 4,925 g, Summa 8,3g. Davon Zwischenzellen 2,325 g = 28%. Das Gesamtgewicht dieses Hodens beträgt 0,44 g. Demgemäß ent- hält er 0,123 g Zwischengewebe. Bei der oben angegebenen Art der Berechnung ergab sich dem- gegenüber für das Zwischengewebe der Wert von 0,14g. Man sieht, es ist eine kleine Differenz. Wenn man nunmehr den Grad der Zwischengewebsvermehrung in diesem Hoden feststellt, so beträgt er nach der oben gegebenen Art der Berechnung, wie dort angegeben, 63°, d. h. gegenüber einem nor- malen Hoden eines gleichaltrigen Tieres ist das Zwischengewebe in dem röntgenatrophischen Hoden des Kaninchens Nr. 15 r. um 63%, vermehrt. Wendet man aber die hier gegebene, etwas abweichende Art der Berechnung an, so ergibt sich ein etwas geringerer Wert: Als durchschnittliche Normalmenge des Zwischengewebes bei einem ca. 1 Jahr alten Tiere haben wir dann nicht 0,086 g, wie bei der obigen Art der Berechnung, sondern nur 0,08 g anzunehmen. Dem gegenüber steht dann beim Kaninchen

Röntgenhoden 503

Tabelle 4. Quantitative Zahlenangaben über das Zwischengewebe bei normalen und bei röntgenatrophischen Kaninchenhoden.

Absolute Absolute Zwischen-

Gesamt- Davon Davon Prot. Nr. masse des | generatives | Zwischen- u > Seng GG gn Hodens Gewebe Gewebe generativen wischen- |absolut ver- Gewebes gewebes mehrt um

Br.

ca. 2 J. 2,8g 95,7% 4,3% 2,68 g 0,12 g

alt

Bl.

ca. 2 J. 3,15g 95,7% 4,3%, 3,02 g 0,13 g alt 28 r.

ca. 2 J. 2,6 g 95,75% 4,25% 2,49 g 0,11g alt 28 1.

ca. 2 J. 2,45 g 95,3% 4,7% 2,335 g 0,115 g alt Ar.

ca. 1 J. 1,7g 95% 5% 1,615 g 0,085 g alt Al.

ca. 1 J. 1,75 g 95% 5% 1,6625 g 0,0875 g alt 101. |

ca. 1 J. 0,72 g 60% 40% 0,432 g 0,288 g 235% alt 15r.

ca. 1 J. 0,44 g 68% 32% 0.3 g 0,14 g 63% alt | 16 1.

ca. 1 J. 0,32 g 10% 60% 0,128 g 0,192 g 124% alt 21.

ca. 1 J. 0,38 g 60% 40% 0,228 g 0,152 g 77% alt

15 r. ein Wert von 0,123g. Das bedeutet eine absolute Zwischengewebsvermehrung um 53,7%. Während also in diesem Hoden nach der oben gegebenen Art der Berechnung, vermittels derer alle oben angegebenen Zahlen gewonnen wurden, eine Zunahme des Zwischengewebes um 63%, vorliegt, besteht nach der hier gegebenen Berechnungsweise nur eine solche um 53,7%. Aber auch diese Diffe- renz ist im Grunde außerordentlich klein und vermag prinzipiell an dem Resultate nichts zu ändern. Selbst in dem Falle des Kaninchens Nr. 10 l., wo die artifiziellen Lücken noch stärker hervortreten, ist die Differenz nicht wesentlich größer, bei allen übrigen Fällen aber weitaus kleiner. Die oben ge- gebenen Werte behalten daher grundsätzlich volle Gültigkeit.

Dieses Ergebnis, das zwar die bisher vielfach ausgesprochene Ansicht von einer ab- soluten Vermehrung des Zwischengewebes bei der Röntgenatrophie in einer gewissen Hinsicht bestätigt, zeigt aber gleichzeitig aufs deutlichste, wie außerordentlich groß der Unterschied zwischen der absoluten und der relativen Zwischengewebsvermehrung ist. Im normalen Kaninchenhoden nimmt das Zwischengewebe knapp 5% des Gesamt- volumens ein, in röntgenatrophischen Kaninchenhoden dagegen 30—60%. Relativ ist daher das Zwischengewebe bei der Röntgenatrophie auf das 6—12fache, absolut aber nur ungefähr auf das 2!/ fache vermehrt. Besonders instruktiv ist in dieser Hin-

504 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

sicht die Betrachtung der Abb. 31 von Kaninchen Nr. 16 1. Wer sich bloß auf die Be- trachtung des Schnittbildes stützt, könnte meinen, daß hier eine ungeheure Vermehrung des Zwischengewebes vorliegt. In Wirklichkeit beträgt diese aber nur 124 %.

Sieht man von den relativen Mengenverschiebungen ab und macht man sich in absoluten Zahlen klar, was bei der Röntgenatrophie des Hodens eigentlich passiert, so muß man trotz der absoluten Zwischengewebsvermehrung sagen: Die wesentlichen

Abb. 31. Mitosenbilder. Haematox. Eosin, Zeiß, KO.15 x. Ap. 09. a) Normale Reifeteilungen,

sofort nach Bestrahlung mit 2 H.E.D. (rot. Nr. 28, rtl Der Vergleich mit unbestrahlten Mitosen

läßt keine Unterschiede erkennen. b) XNekrotische Mitose 2 Stunden nach Bestrahlung mit

15 H.E.D. (Prot. Nr. 27, r.) Die einzelnen Chromosomen sind verklumpt, das Protoplasma ist

stark oxyphil. ei Normale Mitose 4 Stunden nach Bestrahlung mit 30 H.E.D. (Prot. Nr. 18, 1.).

In diesem Hoden waren viele normale Mitosen und gar keine Mitosenleichen feststellbar. Eine exquisite Sensibilität der Reifeteilungen scheint also nicht zu bestehen.

quantitativen Veränderungen betreffen eigentlich nur den generativen Anteil. Dieser vermindert seine Masse von durchschnittlich 1,66 g im normalen Hoden auf durchschnitt- lich 0,27 g im röntgenatrophischen. Das Zwischengewebe aber vermehrt seine Masse nur von ungefähr 0,086 g auf ungefähr 0,215 g. Es erscheint in der Tat nicht von gar großer Bedeutung, daß in einem röntgenatrophischen Hoden ca. 0,2 g Zwischengewebe gegenüber ca. 0,08g in einem normalen vorhanden sind. Die Vorstellung von einer ungeheuren ‚Wucherung der Pubertätsdrüse‘“, die man aus einer bloßen Betrachtung

Röntgenhoden 505

der Schnitte sich leicht bilden könnte und jedenfalls auch vielfach gebildet hat, wird schon damit auf ihr richtiges Maß zurückgeführt. l

Die absolute Hypertrophie des Zwischengewebes im Röntgenhoden ist im wesent- lichen eine Hypertrophie der Zwischenzellen. Wieweit es sich bei dieser aber um wirk- liche Zellvermehrung handelt, muß dahingestellt bleiben. Man könnte sich gut vorstellen, daß die Hypertrophie lediglich durch Vergrößerung des Plasmaleibes der bereits vorhandenen Zwischenzellen zustande kommt. Evtl. könnte dazu noch eine „Auffüllung‘‘ weiterer Bindegewebszellen mit Lipoiden kommen, d. h. eine Zwischen- zellvermehrung durch ‚Apposition“. Man käme damit um die Schwierigkeit herum, wie man eine Vermehrung von Elementen erklären soll, an denen Zellteilungen ja doch nur als ganz seltene Ausnahme beobachtet worden sind.

Unter Hunderten von Präparaten mit relativer und absoluter Zwischenzellhypertrophie haben wir ein einziges Mal in einem Zwischenzellhaufen um ein atrophierendes Samenkanälchen in einem menschlichen Hoden eine sichere Zwischenzellmitose gesehen. Die häufiger beschriebenen Amitosen von Zwischenzellen haben wir ebenfalls häufiger, speziell im Rattenhoden zu sehen bekommen. Wir sind aber in Übereinstimmung mit der Mehrzahl der Autoren, z. B. Regaud (siehe Sénat, 1900), der Ansicht, daß es sich hierbei lediglich um eher degenerative Vorgänge an alten Elementen handelt, die nur zu Zweikernigkeit, aber nicht zu wirklicher Zellvermehrung führen. Die von Stieve be- schriebene wirkliche Zwischenzellvermehrung durch Amitose im Vorbrunsthoden der Gans (Stieve, 1922) möchten wir einstweilen nur als eine interessante Ausnahme betrachten.

Die absolute Hypertrophie des Zwischengewebes und der Zwischenzellen im Röntgen- hoden, wenn sie auch, wie gesagt, nicht bedeutend ist, bedarf nichtsdestoweniger einer Erklärung. Grundsätzlich kommen 4 Erklärungsmöglichkeiten in Betracht: 1. Das Zwischengewebe hypertrophiert infolge einer direkten Reizwirkung der Röntgenstrahlen. 2. Das Zwischengewebe hypertrophiert durch Resorption zerfallenen Samenepithels. 3. Das Zwischengewebe hypertrophiert, weil infolge der Schrumpfung der Samen- kanälchen der sonst auf ihm lastende Druck fortfällt und dieser Fortfall einen Wachs- tumsreiz darstellt, e vacuo. 4. Das Zwischengewebe hypertrophiert infolge der Zufuhr von nach dem Untergange des Samenepithels überschüssigem Nährmaterial zum Hoden.

Die Erklärung der Zwischengewebshypertrophie durch direkte Reizwirkung der Röntgenstrahlen ist unseres Erachtens abzulehnen, weil eine Hypertrophie des Zwischen- gewebes auch bei allen möglichen anderen Hodenatrophien in genau derselben Weise eintritt. Diejenigen, die eine Röntgenreizwirkung auf die Pubertätsdrüse an- nehmen und deshalb Röntgenbestrahlungen der Hoden zu Verjüngungs- oder ähnlichen Zwecken empfehlen, sollten sich vor Augen halten, daß 1. die absolute Vermehrung der Zwischenzellen im Röntgenhoden sehr viel geringer ist, als es bei Betrachtung von Schnitten den Anschein hat, 2. daß nicht die Bestrahlung direkt als solche die Ursache der Zwischenzellhypertrophie repräsentiert und 3. daß die neueren Untersuchungen über die Hodeninkretion im allgemeinen immer mehr zugunsten einer Bildung des In- kretes durch den generativen Anteil sprechen.

Eine Erklärung der Zwischengewebshypertrophie durch Resorption von zerfallenem Samenepithel kommt beim Röntgenhoden kaum in Betracht. Bei der typischen Ver- laufsweise der Röntgenatrophie des Hodens, d. h. nach Applikation mäßiger Dosen, spielt, wie wir in dieser Arbeit mehrfach betont haben, der Zerfall von Samenepithel praktisch überhaupt keine Rolle. Unter unseren Versuchstieren sind aber Nr. 16 l. und 15, r. nur mit 4 H.E.D., ja Nr. 10 l., welches die stärkste Zwischengewebshypertrophie aufweist, nur mit 3 H.E.D. bestrahlt worden.

Es kommen daher nur die beiden anderen Erklärungen in Betracht. Gegen die Annahme einer Zwischengewebshypertrophie infolge von trotz der Atrophie des gene- rativen Anteils unverändertem oder nur wenig reduziertem Blutzufluß zum Testikel

506 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

scheinen allgemein-physiologische Bedenken zu bestehen (Biers Blutgefühl und die von W. R. Heß entwickelten Vorstellungen über die Regulierung des Blutkreislaufes). Man könnte sich aber denken, daß das ,Blutgefühl“ des Hodens an das Zwischengewebe gebunden ist, und daß deshalb der Blutzufluß trotz der Atrophie des generativen Anteils unverändert bleibt. Die Hypertrophie des Zwischengewebes würde dann dadurch zu- stande kommen, daß die Samenkanälchen dem Zwischengewebe kaum mehr etwas „abnehmen“.

Die Annahme einer Zwischengewebswucherung e vacuo, einer ‚„raumfüllenden Hyper- trophie‘‘, ist an sich recht plausibel, bietet aber die Schwierigkeit, daß die Zwischen- zellen ja einer selbständigen Vermehrung nicht fähig sind. Aber man könnte gut an- nehmen und auch dann stünden wir mit den Vorstellungen von Bier und Heß wohl durchaus im Einklang —, daß die bei Schrumpfung der Samenkanälchen ein- tretende Tendenz des Zwischengewebes zu raumfüllender Hypertrophie einen mehr oder minder unveränderten Blutzufluß zum Testikel auch nach dem Verschwinden des Samenepithels zur Folge hat und daß dieser dann zu einer Hypertrophie der vorhandenen Zwischenzellen und zu einer Auffüllung weiterer Bindegewebszellen mit Lipoiden führt. Also etwa folgendermaßen:

Die Schrumpfung der geleerten Samenkanälchen ruft im Zwischengewebe eine Tendenz zu raumfüllender Hypertrophie hervor. Diese bedingt die Aufrechterhaltung eines genügenden Blutzuflusses zum Testikel. Das nunmehr überschüssige Nährmittel führt zur Vergrößerung der bereits vorhandenen und zur Neubildung weiterer Zwischen- zellen aus gewöhnlichen Bindegewebszellen. Daneben könnte natürlich auch noch eine wirkliche Vermehrung von Bindegewebszellen durch Teilung eine Rolle spielen.

Hingegen sind wir der Meinung, daß unter anderen Umständen, nämlich wenn bei einer Hodenatrophie das Samenepithel nekrobiotisch zerfällt, daß dann auch dieser Faktor bei der Zwischengewebshypertrophie eine Rolle spielen kann. Wir denken dabei namentlich an Bilder, die wir im menschlichen Hoden gesehen haben, wo um einzelne atrophierende, noch gar nicht wesentlich geschrumpfte Samenkanälchen herum ganz iso- bert eine außerordentliche herdweise Zwischenzellvermehrung zu konstatieren war (s. Slotopolsky und Schinz, 1925). Hier hat man entschieden den Eindruck, daß es die Resorption zerfallenden Samenepithels ist, die die Zwischengewebshypertrophie, d. h. eine Vergrößerung der vorhandenen Zwischenzellen und eine Neuauffüllung weiterer Bindegewebszellen, evtl. auch eine Teilung von solchen hervorruft!). Unsere Re- sultate bei der Röntgenatrophie des Hodens zeigen nur, daß eine Resorption von zer- fallenden Samenepithelien für das Zustandekommen einer Zwischengewebshypertrophie nicht unbedingt notwendig ist; sie beweisen aber natürlich keineswegs, daß dergleichen überhaupt nicht vorkommt. Stieve (1923) geht unseres Erachtens zu weit, wenn er annimmt, daß die Resorption des zerfallenden Samenepithels bei involutiven Vorgängen am Hoden nur im Nebenhoden erfolgt und daß Zwischengewebe bzw. Zwischenzellen an ihr keinesfalls beteiligt sind. Am menschlichen Hoden konnten wir einmal, wie seinerzeit bereits Spangaro (1902), ein Eindringen von Zwischenzellen in atrophische Samenzellen- kanälchen beobachten (s. Slotopolsky und Schinz, 1925), was doch darauf hinweist, daß die Zwischenzellen nicht lediglich eine Speicherfunktion, sondern doch wohl auch phagozytäre Funktionen besitzen. Wir sind in der Tat der Ansicht, daß das Zwischen- gewebe, insbesondere die Zwischenzellen, als eine Art ‚Leber‘ zwischen Samenkanälchen und Blut zwischengeschaltet sind und daß nicht nur der Weg vom Blut in die Zwischen- zellen und dann evtl. von diesen in die Samenkanälchen, sondern auch umgekehrt der Weg

1) Die teleologische Erklärung Kyrles (1911), der in solchen Vorgängen einen Prozeß sieht, der eine allfällige Regeneration des Samenepithels ermöglichen soll, sagt uns nicht zu.

Röntgenhoden 507

von den Samenkanälchen in die Zwischenzellen und von diesen evtl. ins Blut, jenach den Umständen, begangen wird. Auch eine Mitwirkung der Zwischenzellen bei der Hoden- inkretion im Sinne von Berblinger, Romeis und Harms sowie eine Schutzfunktion der Zwischenzellen für den generativen Anteil im Sinne von Kitahara halten wir demgemäß für durchaus möglich. Morphologisch sind die Zwischenzellen jedenfalls nichts weiter als eine Modifikation des Bindegewebes, dessen speichernde und phago- zytäre, kurz trophische Funktionen im weitesten Sinne sich auch an anderen Stellen des Organismus bewähren. Physiologisch sind sie am ehesten dem Fettgewebe, der Leber und den Plexus chorioidei (mit ihrer Schutzfunktion für das Gehirn im Sinne von v.Monakow) zu vergleichen.

VI. Die Mitosen.

Es gibt heute in der Röntgenbiologie und Röntgentherapie eine ‚„Mitosen- frage“. Röntgenbiologen und Röntgentherapeuten stehen heute allgemein auf dem Standpunkte, daß die Zelle im Stadium der Mitose eine besondere Radiosensibilität auf- weist. Man beschäftigt sich zur Zeit mit der Unterfrage, in welcher Phase der Mitose wiederum die Empfindlichkeitssteigerung maximal ist, und man versucht anderseits die gewonnenen Erkenntnisse auf diesem Gebiete für die Strahlentherapie praktisch nutzbar zu machen (s. z. B. die Disskusion über den karyokinetischen Index, de Nabias und Forestier [1923] und Regaud [1923]). In den Grundlagen der ganzen Anschauung besteht aber eine merkwürdige Inkongruenz mit den Befunden Mohrs (1919), der gerade im Hoden, diesem sonst so röntgensensibeln und so mitosenreichen Organe, die besondere Empfindlichkeit der Mitosen bestreitet und die jungen Spermio- zyten als viel empfindlicher bezeichnet. Im Gegensatz dazu stehen die Angaben der Regaudschen Schule (s. z.B. Blanc, 1906), daß die von der Bestrahlung getroffenen Mitosen bei Applikation einer mäßigen Dosis, die im übrigen nur ausreicht, um die Spermiogonien zu schädigen, sämtlich unmittelbar zugrunde gehen. Es lag somit für uns nahe, bei unseren Studien über die Röntgenatrophie des Hodens auf das Verhalten der Mitosen besonders zu achten.

Hinsichtlich des Verhaltens der Mitosen gegenüber der Röntgenbestrahlung ist scharf zwischen den unmittelbar von der Bestrahlung getroffenen Mitosen und den Mitosen zu unterscheiden, die sich erst später an Zellen einstellen, die sich während der Bestrahlung im Ruhestadium befanden. In der röntgenbiologischen Literatur wird das fast regelmäßig durcheinandergeworfen. Wie die von der Bestrahlung unmittelbar ge- troffenen Mitosen sich verhalten, kann man grundsätzlich nur entscheiden, wenn man unmittelbar oder nur ganz kurze Zeit nach der Bestrahlung untersucht, und wenn die Bestrahlung nicht so lange gedauert hat, daß allfällig während der Bestrahlung zugrunde gegangene Mitosen in dieser Zeit bereits resorbiert sein könnten. Wir setzen dabei, in Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht voraus, daß die Dauer einer Mitose im allgemeinen einige Stunden beträgt. Anderseits folgt aber aus dem Umstande, daß mit einer Dauer der Mitosen von immerhin mehreren Stunden zu rechnen ist, wiederum: Wenn man in einem Testikel, der nicht allzulange Zeit bestrahlt wurde, kurze Zeit nach der Bestrahlung ausschließlich normale Mitosen findet, so ist man berechtigt anzuneh- men, daß wenigstens ein Teil dieser Mitosen bereits zur Zeit der Bestrahlung im Gange war und also direkt von den Strahlen getroffen wurde.

Dieser Fall ist in unseren Untersuchungen mehrfach verwirklicht, so bei einem so- fort nach einer Bestrahlung mit 2 H.E.D. fixierten Testikel (Prot. Nr. 28r.), bei dem

508 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

wir ausschließlich normale Reifeteilungen fanden. Wir haben solche Mitosen aus diesem Hoden auf Abb. 3la abgebildet. Der Vergleich mit unbestrahlten Mitosen läßt keine Unterschiede erkennen. Gewiß ist zuzugeben, daß diese Mitosen nicht so schön aussehen wie z. B. Mitosen bei Amphibien usw. Das hängt damit zusammen, daß wir es mit sehr viel Chromosomen zu tun haben und auch mit sehr kleinen Kernteilungsbildern. Aber wenn wir z. B. diese Mitosen mit den Abbildungen von Regaud über die Mitosen des normalen Rattenhodens vergleichen, so finden wir absolut keine Differenzen. In einem anderen Falle (vgl. Abb. 31b) fanden wir allerdings bei der Untersuchung 2 Stunden nach Beendigung der Bestrahlung mit 15 H.E.D. (Prot. Nr. 27r.) typische zugrunde gehende Mitosen. Wir glaubten damit den richtigen Zeitpunkt für das Studium der während der Bestrahlung vorhandenen und im Anschluß an die Bestrahlung zugrunde gehenden Mitosen ermittelt zu haben. Direkt nach der Bestrahlung schienen die Mitosen normal, nach einem Latenzstadium von 2 Stunden schienen sie aber abzusterben. Un- sicher wurde aber das Resultat dadurch, daß wir über keinen entsprechenden Befund 4 Stunden nach einer Bestrahlung mit 30 H.E.D. (Prot. Nr. 181.) berichten können. Obwohl hier die Bestrahlung 4!/, Stunden dauerte und die Untersuchung erst 4 weitere Stunden später vorgenommen wurde, so macht es doch die Anwesenheit von ausschlieB- lich normalen Reifeteilungen (vgl. Abb. 31c) in diesem Testikel sehr wahrscheinlich, daß wenigstens die Mitosen, die gegen Ende der Bestrahlung in Gang kamen, ruhig weiter- geführt wurden. Man ist sogar fast gezwungen, das auch für die zu Beginn der Bestrah- lung im Gang gewesenen anzunehmen, weil in dem untersuchten Objekte keine Mitosen- leichen im Sinne des ‚„Primäreffektes‘‘ von Alberti und Politzer (1923) zu finden sind. Ebensosehr vermißten wir solche in einem unmittelbar nach der Bestrahlung mit 6!/, H.E.D. untersuchten Testikel (Prot. Nr. 12r.). Unsere Resultate sind also nicht eindeutig. Sicher ist nur, daß die Mitosen den Spermiogonien gegenüber doch relativ unempfindlich sind; doch ist aus den oben angegebenen Gründen, welche u.a. ja auch bis heute verhindert haben, die Chromosomenzahl des Kaninchens zu bestimmen, das Objekt zur sicheren Entscheidung der Sensibilität der Mitosen ungeeignet, und wir möch- ten uns deshalb hierüber nur außerordentlich vorsichtig ausdrücken.

Auf Grund der Lektüre der Arbeit von Mohr waren wir, bevor wir diese eigenen Erfahrungen machten, geneigt, eher der Anschauung von Regaud beizupflichten, weil uns die Schlußfolgerungen Mohrs, bei dessen Untersuchungen das minimale Intervall zwischen Bestrahlung und Fixierung 24 Stunden betrug, also viel zu lang war, nicht schlüssig erschien. Nachdem wir aber die oben geschilderten Erfahrungen gemacht haben, bleibt uns, so ‚„unsympathisch‘‘ uns dieser Gedanke auch ist, fast nichts anderes übrig als der Schluß: Während im allgemeinen die Radiosensibilität der Zelle im Stadium der Mitose außerordentlich zunimmt und während unter allen Zellarten die Geschlechts- zellen zu den strahlenempfindlichsten gehören, scheinen gerade die Teilungen der Ge- schlechtszellen relativ strahlenunempfindlich zu sein.

Von diesem Probleme grundsätzlich zu unterscheiden ist die Frage, wie die Bestrah- lung auf die Mitosen der Geschlechtszellen einwirkt, die zur Zeit der Bestrahlung sich im Ruhestadium befinden. Hier kommt der ‚Sekundäreffekt‘‘ von Alberti und Politzer, d. h. nicht eine unmittelbare, sondern eine heredozelluläre Wirkung der Röntgenenergie in Frage. Solche heredozelluläre Wirkungen können, wie die heredozellulären Störungen überhaupt, letal oder nicht letal sein. Demgemäß beobachtet man im „Sekundär- effekt“ entweder nekrotisierende oder bloß abnorme Mitosen; letztere verlaufen bis ans Ende und führen zur Bildung abnormer Produkte. Die nekrotisierenden Mitosen des Sekundäreffektes unterscheiden sich von denen des Primäreffektes unter anderem dadurch, daß sie erst einige Zeit nach der Bestrahlung auftreten.

Röntgenhoden 509

Im Gegensatz zu unseren negativen Befunden bezüglich eines Primäreffektes an den Mitosen haben wir in dieser Hinsicht eher positive Beobachtungen machen können. Denn 3 Tage nach einer Bestrahlung mit 4 H.E.D. (Prot. Nr. 3 r.) und 2!/, bzw. 3 Tage nach einer Bestrahlung mit 30 H.E.D. (Prot. Nr. 18r. bzw. 26r.) haben wir außer normalen auch sichere abnorme sowie nekrotisierte Mitosen gesehen, also einen Se- kundäreffekt, und zwar zum Teil einen letalen. Abb. 32 (Prot. Nr. 3r.) zeigt typisch nekrotisierte und pathologische Mitosen. Die nekrotisierten Mitosen (Abb. 32b) sind im Gegensatz zu den nekrotisierten Mitosen in Abb. 31b heredozellulär geschädigte Mi- tosen, denn zur Zeit der Bestrahlung war die Zelle noch im Ruhestadium. Der einzige Unterschied zwischen den zwei Abbildungen ist also ein zeitlicher. Heredozelluläre pathologische Mitosen, die aber nicht letal geschädigt sind, finden sich in Abb. 32a. Sie entsprechen Bildern, wie sie Barrat und Arnold beobachtet haben. Die Produkte aus diesen abnormen Mitosen sind natürlich auch abnorm. Wir haben hierauf bei Be- sprechung der Anisozytose der Spermiden hingewiesen. Interessant ist auch in dieser

Abb. 32. Mitosenbilder des Sekundäreffektes. Haematox. Eosin, Zeiß, KO. 15 x, Ap. 90. a) Mul-

tipolare heredozellulär geschädigte Mitosen (Prot. Nr. 3, r.) 3 Tage nach Bestrahlung mit

4 H.E.D. Es handelt sich um abnorme Mitosen, deren Mutterzellen im Ruhestadium von Röntgen-

strahlen getroffen worden waren. b) Heredozellulär letal geschädigte Mitosen 217 Tage nach Be-

strahlung mit 30 H.E.D. (Prot. Nr. 18, r.). Diese nekrobiotischen Mitosen gehören im Gegensatz zu den nekrobiotischen Mitosen der Abb. 31b zum sog. Sekundäreffekt.

Beziehung der Fall, in dem wir 4 Stunden nach einer Applikation von 30 H.E.D. unter- suchten (Prot. Nr. 181.). Hier finden wir lauter normale Reifeteilungen (vgl. Abb. 31). Es fehlt also hier nicht nur der Primäreffekt, sondern auch der Sekundäreffekt insofern, als unter diesen Teilungen ja sicherlich doch auch solche sein dürften, die sich von wäh- rend der Bestrahlung noch ruhenden Zellen herleiten. Die herodozelluläre bzw. letale heredozelluläre Schädigung der Mitosen braucht also selbst bei einer Dosis von 30 H.E.D. offenbar erst noch eine gewisse Latenzzeit, um in Erscheinung zu treten.

Eine vorübergehende Zunahme der Teilungen im Anschluß an die Bestrahlung, wie sie Schwarz (1924) angibt, oder umgekehrt eine ‚‚mitosenfreie Zwischenzeit‘ vor dem Sekundäreffekt im Sinne von Alberti und Politzer ist uns in unserem Objekte nicht auf- gefallen. Was die Beschleunigung des Teilungsrhythmus anbetrifft, so verweisen wir darauf, was wir einerseits auf Seite 457 gesagt haben, wo wir betonten, daß man in unbestrahlten Testobjekten an einer Stelle plötzlich 17 Spermiogonienmitosen beieinander schen kann bei einem bestrahlten Objekt der Frühepoche würde man hier wohl ohne weiteres auf eine Reizwirkung schließen und anderseits darauf, daß wir beim Studium des Ver- laufes der Depopulation in gewissen Fällen tatsächlich eine Beschleunigung des Ablaufes

510 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

der Umwandlung der Spermiozyten in Präspermiden bzw. der Präspermiden in Spermiden usw. annehmen mußten (vgl. S. 468). Auch daraus darf aber natürlich auf eine direkte Reizwirkung nicht geschlossen werden; die Phänomene sind viel zu komplex und können ebenso leicht wie durch direkte Reizwirkung durch den Wegfall von Hemmungen er- klärt werden. Wir sind nur berechtigt zu erklären, daß der Regulationsmechanis- mus innerhalb des Samenepithels gestört ist. Was die Frage der mitosenfreien Zwischen- zeit anbetrifft, so möchten wir nochmals auf unsere Abb. 5 verweisen, auf der wir 90 Stunden nach der Bestrahlung eines menschlichen Hodens mit einer Dosis, welche

Abb. 33. Normale Reifeteilungen aus einem einmal mit 1 H.E.D. bestrahlten menschlichen Hoden,

12 Stunden nachher. Heidenhain Eisenhämatox., Zeiß, KO.15 x, Ap. 90. Man erkennt auf dem

Bilde 3 Präspermiden, 6 Reifeteilungen, 5 Sertolikerne, 4 Spermiogonien und 2 Kerne der Mem- brana propria.

sicher zu einer zumindest temporären Sterilisation führt (100% der H.E.D.), Spermio- gonienteilungen finden. Klassisch schöne Reifeteilungen finden sich bei derselben Dosis und am selben Objekte auch 12 Stunden nach Beendigung der Bestrahlung (vgl. Abb. 33).

Das Resultat ist: Die Teilungen der Geschlechtszellen scheinen wirklich in mehr- facher Hinsicht eine Sonderstellung einzunehmen. Nach unseren Beobachtungen ist die Empfindlichkeit der Reifeteilungsstadien nicht nur nicht größer, sondern sogar geringer als die der Spermiogonien. Immerhin halten wir die Frage noch nicht für erledigt und sind der Ansicht, daß sie an geeigneterem Materiale, als es der Säugetierhoden ist, noch weiter verfolgt werden muß.

Röntgenhoden 511

VII. Die Sertolizellen. Repopulation oder Regeneration?

Es versteht sich, daß die Forscher, die über die Röntgenatrophie des Hodens ge- arbeitet haben, auch die Frage besonders beschäftigt hat, von welchen Elementen eine allfällige Restitution ihren Ausgang nimmt. Die Antwort, die die verschiedenen Unter- sucher auf diese Frage gegeben haben, ist bisher immer dieselbe gewesen: Eine Restitution ist nur möglich, wenn einige Spermiogonien wenigstens der Vernichtung entgehen und wenn diese Spermiogonien im übrigen sich später wieder erholen, so daß sie sich von neuem zu teilen vermögen. Darüber sind sich alle bisherigen Untersucher: Bergonie und Tribondeau, Regaud und Mitarbeiter, Villemin, Simmonds und im Grunde auch Kyrle der allerdings einen leisen Zweifel hat, ob die Restitution nicht von den Sertolizellen ausgehen könnte einig. Auch uns blieb seinerzeit, in Ermangelung eigener Erfahrungen, nichts übrig, als uns dieser Anschauung anzuschließen (Schinz und Slotopolsky, 1924).

Regaud wies darauf hin, daß man angesichts dieser Verhältnisse nicht eigentlich von einer Regeneration des Samenepithels sprechen dürfe, sondern daß man den Vorgang korrekter als Repopulation zu bezeichnen habe, da es sich ja bei dem Vorgang nur um eine Wiederaufnahme der Tätigkeit von eine Zeitlang gelähmt gewesenen Spermiogonien handle. Sein Mitarbeiter Blanc aber meint, er wolle darauf nicht allzu großes Gewicht legen, da es sich dabei im Grunde nur um eine Wortfrage handle. Selbstverständlich handelt es sich nur um eine Wortfrage, wenn man sich über den zugrunde liegenden Vorgang einig ist. Ganz anders verhält sich die Sache aber, wenn man mit der Alter- native: Repopulation oder Regeneration? die Frage meint, ob die Restitution des Samenepithels von den Sertolizellen oder von zurückgebliebenen Spermiogonien aus- geht. Dann liegt ein sachliches Problem vor. In diesem Sinne haben wir die Frage in der vorliegenden Arbeit gestellt.

Der Hoden ist eine holokrine Drüse, dessen Sekret die Spermien und dessen Matrix die Spermiogonien sind. Untergang, aber auch nur vorübergehender Funktionsstillstand der Matrix führt zur Aufhebung der ‚„Sekretbildung‘‘. Sofern bei der Röntgenatrophie des Hodens die Matrix nur teilweise zugrunde gehen, zum Teil sich aber zunächst gelähmt erhalten und sofern dann dieser Überrest der Matrix seine Tätigkeit später wieder aufnehmen sollte, so würde es sich hierbei um einen Vorgang handeln, den man tatsächlich am besten mit dem Regaudschen Ausdruck Repopulation zu bezeichnen hat. Sofern aber die zu Beginn der Restitution neugebildeten Spermiogonien aus Ser- tolizellen entstehen sollten, so würde das bedeuten, daß die verlorengegangene Matrix aus andersartigen Elementen ganz neu gebildet wird. In diesem Falle wäre der Vorgang als echte Regeneration zu bezeichnen.

Über die Sertolizellen ist die allgemeine Meinung die, daß es sich um hochdifferen- zierte, restlos an die Funktion der Ernährung der Samenzellen angepaßte und absolut teilungsunfähige Elemente handelt. Die Annahme einer Regeneration aus den Sertoli- zellen wäre nach Kyrle zumindest ‚sehr gewagt“. Entsprechend dieser allgemeinen Meinung besteht ebenso allgemein die Ansicht, daß ein Hoden, in dessen Samenkanäl- chen sich nur noch Sertolizellen befinden, unweigerlich zu dauernder Sterilität ver- dammt ist. In dieser Auffassung müssen einen aber gewisse Befunde stutzig machen, die allerdings bisher merkwürdig wenig Interesse gefunden haben und kaum bekannt zu sein scheinen.

Es handelt sich hier in der Hauptsache um einen merkwürdigen Befund von Bouin (1897). Bouin beschreibt im Verlaufe der Hodenatrophie, die nach Unterbindung des

512 H. R. Schinz und B. Slotopolsky

Ductus deferens eintritt, in gewissen Bezirken des Hodens eine eigentümliche Ver- änderung der Sertolizellen, die morphologisch das Bild einer Entdifferenzierung dar- bietet: Die vordem bizarr geformten, außerordentlich chromatinarmen und durch ein zentral gelegenes scharf hervortretendes Kernkörperchen ausgezeichneten Sertolizellen runden sich ab, werden dunkler, granuliert und entwickeln mehrere Kernkörperchen, die eine periphere Lage einnnehmen. Sie sehen dann vollkommen so aus wie die Kerne der indifferenten Samenzellen des fötalen und infantilen Hodens (vgl. Abb. 34). Bouin bezeichnet den Vorgang als Entdifferenzierung bzw. als Anaplasie im Sinne von Hanse- manns. Er äußert sich aber nicht darüber, s5 ob er mit diesem Begriff nur den morpholo- gischen Vorgang charakterisieren oder ob er ihm auch einen physiologischen Sinn beilegen will. Von einer Regeneration des Samen- epithels von diesen entdifferenzierten Ser- tolizellen aus berichtet Bouin nichts.

Seit Bouin ist nun diese Frage nicht weiter verfolgt worden. In unseren Beiträgen zur experimentellen Pathologie des Hodens (Schinz und Slotopolsky, 1924) haben wir die Frage wieder aufgenommen; wir ha- ben den von Bouin geschilderten Vorgang, dem auch wir bei Hodenatrophien in ähn- licher Weise mitunter begegneten, als regres- sive Metamorphose bezeichnet. Wir woll- ten mit diesem Terminus im Sinne Ribberts zum Ausdruck bringen, daß es sich hierbei um einen Rückschlag in rein morphologischem Sinne handelt. Physiologisch wollten und

l konnten wir mit dem Worte nichts präjudi- Abb. 34. Regressive Metamorphose (Entdiffe- ES A renzierung) der Sertolizellen in einem durch zieren, weil in den en SAE studierten Fällen Vasoligatur atrophisch gewordenen Hoden Von Hodenatrophie eine Restitution bei (nach Bouin). Die mit zentralen Nukleolen dauernd schädigendem Agens überhaupt versehenen blassen Kerne der Sertolizellen nie stattgefunden hatte und somit eine wandeln sich dadurch, daß sie etwas dunkler Prüfung der Frage, ob eine solche von den werden und vor allem dadurch, daß sich in . ; . ihnen mehrere peripher gelegene Kernkörper- Tegressiv metamorphosierten Sertolizellen chen entwickeln, zu Kernen um, die denen ausgehen könne, überhaupt nicht in Be- der indifferenten Samenzellen des infantilen tracht kam. Hodens vollkommen gleichen. Um so größere Bedenken hatten wir gegen die Auffassung von Stieve (1921—23) und Romeis (1921), die sogar morphologisch nicht entdifferenzierte Sertolizellen in atrophischen Hoden grundsätzlich als indifferente Zellen bezeichnen und dieser Be- zeichnung einen höchst realen Sinn geben, indem sie offenbar auf dem Standpunkte stehen, daß bei allfälliger Restitution das Samenepithel von diesen Sertolizellen aus re- generiert wird. Wir fanden damals, daß erstens einmal rein morphologisch die Bezeich- nung dieser unveränderten Sertolizellen als indifferente Zellen nicht gerechtfertigt und ferner, daß die regeneratorischen Potenzen, die Stieve und Romeis ihnen zuschreiben, nicht bewiesen seien. Immerhin hielten wir schon damals die originelle Ansicht von Stieve und Romeis, mit der diese übrigens vollkommen allein stehen, für sehr inter- essant und weiterer Verfolgung dringend bedürftig.

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Röntgenhoden 513

Seither gemachte Beobachtungen am Röntgenhoden und an anderen atrophischen Testikeln haben uns geholfen, unsere Anschauungen in dieser Hinsicht zu klären, und wir können uns heute, um das gleich vorwegzunehmen, im Prinzip durchaus der An- sicht von Stieve und Romeis anschließen.

Allerdings können wir es nicht vorbehaltlos tun, und namentlich bezüglich der rein morphologischen Bewertung der verschiedenen in Betracht kommenden Bilder stehen wir auch heute auf einem anderen Standpunkte als Stieve. Wir meinen nämlich, daß, unbeschadet der regeneratorischen Potenzen der Sertolizellen, kein Anlaß vorliegt, typische Sertolizellen in atrophischen Hoden als indifferente Zellen oder gar als Sper- miogonien zu bezeichnen, wie Stieve das tut. Wenn die Sertolizellen potentiell in- differente Zellen sind, so sind sie es auch im normalen Hoden, und ebensowenig, wie man sie hier als indifferente Zellen oder gar als Spermiogonien bezeichnen wird, darf man das unseres Erachtens in atrophischen Hoden tun. Den Wandbelag der Samen- kanälchen eines Mäusehodens mit Alkoholatrophie beschreibt Stieve folgendermaßen: „Bei den meisten ist die Wandung nur von einer einzigen Zellschicht ausgekleidet, sie wird von indifferenten kleinen Spermiogonien gebildet, deren bläschenförmig heller Kern ein bis höchstens drei Nukleolen besitzt und die verschiedensten Formen aufweist. Bald erscheint er rund, bald oval oder dreieckig, dann wieder zipfelförmig ausgezogen. Trotz dieser äußeren Verschiedenheiten ist die Größe dieser Kerne ziemlich gleich. Der Plasmaleib ist schmal, die Zellgrenzen sind undeutlich, irgendwelche Gebilde, die man als Sertolizellen ansprechen könnte, sind nicht zu erkennen. Spermatogonienteilungen fehlen.“ Wir für uns erkennen in dieser Beschreibung einen Wandbelag aus typischen, „idealen‘‘ Sertolizellen, die alle charakteristischen Merkmale dieser Zellart aufweisen: ein bläschenförmiger, heller Kern mit ein bis drei Nukleolen einer dieser Nukleolen pflegt im Gegensatz zu den anderen oxyphil zu sein von wechselvoller, bizarrer Form! Das ist das typische Charakteristikum der Sertolizellen, mögen sie sich im übrigen in einem voll tätigen oder in einem atrophischen Hoden befinden. Daß die Sertolizellen hier der Aufgabe, die sie unter normalen Verhältnissen haben, nämlich ‚‚die reifenden Spermatozoen zu ernähren‘, nicht mehr genügen können, daß sie durch den Untergang des Samenepithels teilweise funktionslos geworden sind wir sagen teilweise, weil wir an die Bedeutung der in atrophischen Hoden verbliebenen Sertolizellen für die Inkretion und für eine allfällige Regeneration denken —, kann doch kein Grund sein, sie nun nicht mehr als Sertolizellen, sondern plötzlich als Spermiogonien zu bezeichnen. Wir können diesbezüglich nur wiederholen, was wir seinerzeit schon in dieser Frage gesagt haben (Schinz und Slotopolsky, 1924): „Zunächst erscheint es uns nicht richtig, daß wir, wie Stieve meint, nur solche Gebilde in den Tubulis als Sertolizellen bezeichnen dürfen, welche die Aufgabe haben, die reifenden Spermatozoen zu ernähren. Wir dürfen mit diesem Namen auch sicher diejenigen Elemente belegen, die diese Aufgabe hatten und welche eben nach dem Zugrundegehen der übrigen Elemente allein so gut wie unverändert in den Kanälchen zurückgeblieben sind. Jeder, der die Histogenese der Hodenatrophie studiert, kann sich überzeugen, daß es die wirklichen, echten Sertolizellen sind, die in den Tubuli schließlich als solche zurückbleiben und dann allein jenen charakteristischen Wandbelag hochgradig atrophischer Tubuli bilden.“ An einer anderen Stelle sagt Stieve von einem Wandbelag aus Sertolizellen: ‚Sie (d.h. die Zellage des Wandbelages) wird von kleinen indifferenten Ursamenzellen gebildet, deren dicht gelagerte Kerne allent- halben gleichen Bau zeigen. Sie sind bläschenförmig mit deutlicher Membran, in der Mitte ein ziemlich großer Nukleolus. Der Kernsaft erscheint hell, von einem äußerst feinen Gerüst durchsetzt. Sehr verschieden ist die Form der einzelnen Kerne, bald oval, bald unregelmäßig, bald drei- oder viereckig oder auch zipfelförmig ausgezogen. Irgend-

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 33

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welche Gebilde, die man als Sertolizellen bezeichnen und den übrigen Kernen der Wand- bekleidung gegenüberstellen könnte, lassen sich nicht auffinden.‘‘“ Wir fassen das so auf: es sind eben lauter Sertolizellen da.

Vollständig anders sieht demgegenüber ein Wandbelag aus, wie er uns in den oben- genannten Beschreibungen Bouins entgegentritt, wie wir ihn selbst seinerzeit beschrie- ben haben, und wie er z. B. in den auf Tafel 11 in Steinachs Verjüngung abgebildeten Samenkanälchen zu sehen ist. Hier finden wir wesentlich kleinere dunkle, gleichmäßig granulierte, gleichmäßig rund oder oval geformte Kerne, die morphologisch nichts mit den Sertolizellen des geschlechtsreifen, aber sehr viel mit den indifferenten Samen- zellen des infantilen Hodens gemein haben.

Diese beiden, dem morphologischen Bilde nach durchaus verschiedenen Arten des Wandbelages atrophischer Samenkanälchen haben wir seinerzeit (Schinz und Sloto- polsky, 1924) scharf auseinandergehalten und demgemäß sogar zwei morphologische Typen der Hodenatrophie als Hodenatrophie im engeren Sinne wenn der Wandbelag aus Sertolizellen gebildet ist und als regressive Metamorphose des Hodens bei einem Wandbelag aus indifferenten Zellen unterschieden.

Unsere seitherigen Studien, insbesondere am Röntgenhoden, haben uns indessen ge- zeigt, daß diese Trennung in dieser Schärfe nicht durchzuführen ist und daß zwischen den zwei genannten Typen verschiedene Übergänge bestehen. Indem wir oben zwei Beschreibungen Stieves, die unserer Ansicht nach von typischen Sertolizellen handeln, andere Bilder gegenüberstellten, die typische indifferente Zellen darstellen, haben wir die extremen Fälle herausgegriffen, in denen uns jedenfalls immer vom rein morpholo- gischen Standpunkt aus! die Entscheidung nicht schwer wird. Aber es gibt auch noch andere Bilder. Z.B.kann man den Wandbelag atrophischer Samenkanälchen bei Atrophie vierten Grades mitunter von Kernen gebildet finden, die durch ihre Chromatinarmut und durch die typischen zentral gestellten ein bis drei Kernkörperchen, von denen eines oxyphil ist, unverkennbar als Kerne von Sertolizellen imponieren. Aber die Form dieser Kerne ist merkwürdig regelmäßig. Sie’ sind rundlich bis oval, nicht viel anders geformt als die Kerne von Spermiogonien. Immerhin müßte selbst in einem solchen Wandbelag das gelegentliche Vorkommen von (amitotischen ?) Einschnitten, wie sie für die Sertoli- kerne so ungemein charakteristisch sind, auch jemand, der die typischen Nukleolenver- hältnisse übersieht, über die Natur dieser Kerne aufklären. Aber der typische Wand- belag unserer ‚Atrophie im engeren Sinne“ liegt hier nicht mehr vor. Einen solchen Wandbelag beobachteten wir bei unserem Röntgenhodenmaterial z. B. in einem voll- kommen atrophischen Testikel 37 Tage nach einer Bestrahlung mit 4 H.E.D. (s. Prot. Nr. 3, 1.). Anderseits begegnet man dann wieder Fällen, in denen der Wandbelag hoch- gradig atrophischer Samenkanälchen sich offenbar aus Spermiogonien und Sertoli- zellen zusammensetzt. Aber es ist hier nicht möglich, die Sertolizellen von den Spermio- gonien immer scharf zu unterscheiden. Die Kerne der Spermiogonien sind hier viel heller, als wir es sonst von ihnen gewohnt sind, und die Kerne der Sertolizellen sind hier ander- seits öfters rundlich, wie die von Spermiogonien. Wir mußten in solchen Fällen schon das azidophile Kernkörperchen zur Differentialdiagnose zu Hilfe nehmen (z. B. Prot. Nr. 2,1; 30 Tage nach Bestrahlung mit 2H.E.D., vgl. Abb. 35, und Prot. Nr. 10, r; 30 Tage nach Bestrahlung mit 3 H.E.D., vgl. Abb. 36).

Dies waren die Bilder, die in unseren Röntgenhoden an eine regressive Metamor- phose, wie wir sie seinerzeit beschrieben haben, denken ließen. Aber es bestand doch ein Unterschied gegenüber dem damals Beobachteten und namentlich auch gegenüber dem von Bouin Beschriebenen: Das Bild der indifferenten Samenzellen des infantilen Hodens haben wir in unseren Röntgenhoden nie gefunden. Die Entdifferenzierung der Sertoli-

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zellen bzw. der regressiven Metamorphose trat uns hier in einer Form entgegen, die lediglich durch eine Verwischung des Unterschiedes zwischen Sertolizellen und Spermio- gonien charakterisiert wird. Soweit das deskriptiv Morphologische.

Physiologisch bzw. morphogenetisch war nun die Frage vor allem die: Bedeutet diese Verwischung des Unterschiedes zwischen Sertolizellen und Spermiogonien, daß sich hier Sertolizellen in Spermiogonien umgewandelt haben? Und ferner: Knüpfen sich an diesen Vorgang Zellteilungsvorgänge, die die Restitution vervollständigen ? Schließ- lich kann man womöglich zu Beginn der Restitution auch in den Sertolikernen, die noch deutlich als solche zu erkennen sind, Mitosen antreffen ? Die letzte Frage können wir nach unseren Beobachtungen am Röntgenhoden selbst nicht sicher bejahen. Aber

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Abb. 35. Aus einem einmal mit 2 H.E.D. bestrahlten Kaninchenhoden (Prot. Nr. 2, LL Haema- tox. Eosin, Zei, KO.5 x, Ap. 90. Regressive Metamorphose (Entdifferenzierung) der Sertoli- zellen. Die typischen Sertolizellen sind an der länglichen Gestalt ihrer Kerne und den eigentüm- lichen, in der Mitte des blassen Kernes gelegenen Nukleolen zu erkennen, von denen einer immer oxyphil ist. In den entdifferenzierten Sertolizellen hat sich der Kern abgerundet, ist aber immer noch sehr blaß und bisweilen sind noch die typischen Kernkörperchen, insbesondere das azido- phile sichtbar. In dem sich anscheinend das Chromatin der Nukleolen über den ganzen Kern verteilt, jedenfalls der ganze Kern gleichmäßig dunkel wird, wandeln sich die Sertolizellen dann vollends in Spermiogonien um. Im Verlaufe dieser Umwandlung wird ein Stadium durchlaufen, auf welchem dem einzelnen Kern nicht angesehen werden kann, ob er noch ein Sertoli- oder schon ein Spermiogonienkern ist. Eine solche Gruppe „indifferenter Zellen“ ist links unten in der Abbil- dung dargestellt. Diese indifferenten Zellen entsprechen aber im morphologischen Bilde nicht den indifferenten Samenzellen des infantilen Hodens, das sonst bei Hodenatrophie gelegentlich beobachtet wird (vgl. Abb. 34).

in einem hochgradig atrophischen Hoden einer alten Ratte, den wir in anderem Zusam- menhange untersuchten (s. darüber Slotopolsky und Schinz, 1925) fanden wir in den Samenkanälchen einen ähnlich aussehenden Wandbelag, wie wir ihn soeben als regressive Metamorphose im Röntgenhoden beschrieben haben, und hier bekamen wir nicht nur Übergänge von Sertolizellen zu Spermiogonien, sondern auch zahlreiche Mitosen in noch unverkennbar als Sertolizellen imponierenden Elementen zu sehen, ein Bild, wie wir es in der herrschenden Anschauung über die Teilungsunfähigkeit und regeneratorische Wert- losigkeit der Sertolizellen befangen für kaum möglich gehalten hätten (vgl. Abb. 37 u. 38). Angesichts dieser Beobachtung gewinnt auch die Angabe von Stieve, der in einer seiner Arbeiten (1923) eine Regeneration des alkoholatrophischen Hodens von Ele- menten aus beschreibt, die nach der beigegebenen Abbildung als typische Sertolizellen betrachtet werden müssen, für uns besondere Bedeutung. Die beiden erst gestellten Fra- gen aber können wir auch auf Grund unserer Beobachtungen am Röntgenhoden be- EM

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jahend beantworten. Die beschriebenen Bilder lassen wohl keine andere Deutung’ zu, als daß es sich hier um eine teilweise Umwandlung der Sertolizellen in Spermiogonien handelt. Gleichzeitig vorhandene zahlreiche Mitosen (vgl. Abb. 36) lassen den Weg erkennen, auf dem die Restitution dann weiter schreitet, nur daß es uns nicht möglich ist zu entscheiden, ob es sich dabei um Mitosen von Sertolizellen oder von durch Umbildung solcher neu entstandenen Spermiogonien handelt. Es liegt hier ein Bild vor, wie es Romeis (1921) bereits seinerzeit am vasoligierten Rattenhoden beschrie- ben hat.

Zusammenfassend können wir sagen: Es existieren heute eine Reihe von Beobach- tungen über Umwandlungen von Sertolizellen in Spermiogonien sowohl als auch über mitotische Teilungen noch unveränderter Sertolizellen in atrophischen Hoden und über eine durch diesen Vorgang ausgelöste Regeneration.

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Abb. 36. Aus einem mit 3 HK D einmal bestrahlten Kaninchenhoden, 34 Tage nach Applikation

(Prot. Nr. 10, r.) Haematox. Eosin, Zeiß, KO.5 x, Ap. 90. Regressive Metamorphose (Ent-

differenzierung) der Sertolizellen und erster Beginn der Regeneration eines Röntgenhodens. (Vgl.

Abb. 35.) Auch hier Übergänge von Sertolizellen zu Spermiogonien. Die Kerne der neugebildeten

Spermiogonien sind blaß. Den im Bilde vorhandenen Mitosen ist nicht anzusehen, ob sie zu Sertolizellen oder bereits zu Spermiogonien gehören.

Damit erscheint der Restitutionsvorgang im Röntgenhoden in einem ganz anderen Lichte als bisher. An sich schon ist ja die Vorstellung nicht sehr plausibel, daß von den an Zahl so geringen und im übrigen ja sicherlich so schwer geschädigten Spermiogonien, die in einem röntgenatrophischen Hoden hier und da einmal im Wandbelag der Samen- kanälchen noch zu finden sind, die vollständige Restitutio ad integrum ausgehen sollte. Kyrle fand sogar in röntgenatrophischen Testikeln schließlich überhaupt keine einzige Spermiogonie mehr und er ist daher auch in großer Verlegenheit, wie er die Restitution erklären soll. Aber selbst und darauf legen wir besonderes Gewicht wenn sich auch in einem röntgenatrophischen Hoden, der später wieder restituiert wird, hier und da noch ganz vereinzelt Spermiogonien finden, so ist es a priori eigentlich nicht das Wahrschein- lichste, sondern eher das Unwahrscheinlichste, daß von diesen die Restitution ausgehen soll. Nur das Dogma von der Teilungsunfähigkeit der Sertolizellen hat zu dieser an sich so wenig plausibeln Erklärungsweise Anlaß gegeben.

Wir glauben aber, daß die oben mitgeteilten Beobachtungen nun doch beweisen, daß man sich hier einem Irrtum hingegeben hat, und wir stehen heute vor der hoch-

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interessanten Tatsache, daß die Sertolizellen trotz ihrer hohen Differenziertheit sich offenbar die Potenzen der indifferenten Samenzellen, von denen sie stammen, zeitlebens bewahren und daß diese scheinbar lediglich zu Dienstleistungen für das Samenepithel bestimmten und zu sonst nichts brauchbaren Elemente noch ganz andere Potenzen in

Abb. 37. Aus einem hochgradig altersatrophischen und dann vasoligierten Rattenhoden. Hae- matox. Eosin, Zeiß, KO. 15 x, Ap. 90. Entdifferenzierung und Teilung der Sertolizellen. Die an der bizarren, vielfach gekerbten Form ihrer Kerne und an den typischen Nukleolenverhältnissen als solche erkennbaren Kerne der Sertolizellen sind auffallend dunkel und granuliert. Sie geben sich dadurch als Sertolizellen in Entdifferenzierung zu erkennen. Auf diesem Stadium, noch ehe sie sich in typische Spermiogonien umgewandelt haben, vermögen sie bereits auch in Teilung zu treten: Mitosen in dem unteren Kanälchen, das ausschließlich Sertolizellen in Entdifferenzierung, aber keine einzige Spermiogonie enthält. Das obere Kanälchen zeigt außerdem auch zwei (neu- gebildete?) Spermiogonien. Man beachte in beiden Kanälchen die dichte Gedrängtheit der ent- differenzierten Sertolizellen, ein indirekter Beweis dafür, daß hier Vermehrungsvorgänge sich abspielen.

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sich tragen, daß sie potentiell indifferente Elemente sind und daß sie in der Tat die Fähig- keit haben, bei einer Hodenatrophie das ganze Samenepithel zu regenerieren. Wenn Stieve daher von der Hodenatrophie vierten Grades sagt: ‚Man ist daher nicht be- rechtigt zu behaupten, daß in solchen Fällen der generative Anteil des Hodens völlig zerstört ist; es hat eben nur eine Rückbildung bis auf jene großkernigen Elemente statt- gefunden, aus denen sich sowohl echte, leistungsfähige Spermiogonien als auch Sertoli- sche Zellen entwickeln können‘, so muß man ihm gewiß zustimmen. Nur daß man hin- zufügen muß, daß jene großkernigen Elemente im normalen Organ die Sertolizellen darstellten.

Angesichts dieser Sachlage könnte einen die so auffallende Widerstandsfähigkeit der Sertolizellen und ihre hartnäckige Persistenz selbst in hohen Graden der Hoden- atrophie leicht zu teleologischen Gedankengängen veranlassen. Es ist in der Tat sehr „zweckmäßig“, daß die Sertolizellen so widerstandsfähig sind. Auch in Hinblick auf

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Abb. 38. Aus einem hochgradig altersatrophischen and dann vasoligierten Rattenhoden. Haec- matox. Eosin, Zeiß, OK. 5 x, Ap. 90. Entdifferenzierung und Vermehrung der Sertolizellen. Kerne der Sertolizellen vielfach dunkel und granuliert. Zahlreiche Übergänge zu Spermiogonien. Vereinzelt das Bild der indifferenten Samenzellen des infantilen Hodens. Typische Spermiogonien noch nicht ausgebildet. Zahlreiche Mitosen der dicht gedrängten, sich entdifferenzierenden Sertolizellen.

die Frage nach dem Substrate der Hodeninkretion sind die gewonnenen Erkenntnisse von Bedeutung. In den ‚isolierten Pubertätsdrüsen‘‘ sind, wie bekannt, zumindest immer noch Sertolizellen vorhanden. Elementen, die die Fähigkeit haben, das ganze Samenepithel wieder zu regenerieren, wird man aber auch die Fähigkeit nicht absprechen wollen, die innersekretorischen Funktionen des Samenepithels zu besorgen, sei es, daß sie von vornherein schon an ihnen beteiligt sind, sei es, daß sie sie erst bei Eintreten der Hodenatrophie übernehmen.

Die Vorgänge bei der Verödung und bei einer allfälligen Restitution des Hodens nach Röntgenbestrahlung haben wir uns nunmehr folgendermaßen vorzustellen: Zuerst erfolgt eine Degeneration der Spermiogonien. Daran schließt sich eine Depopu- lation der Samenkanälchen, weil die vorhandenen Spermiden und Spermiozyten sich allmählich in Spermien umwandeln und keine Matrix mehr da ist, die einen Nachschub liefern könnte. Wenn nun die Sertolizellen durch die Bestrahlung nicht allzusehr ge- schädigt, d. h. ihrer regeneratorischen Potenzen nicht beraubt wurden, so erfolgt nun- mehr eine Regeneration der Spermiogonien von den Sertolizellen aus, und daran

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schließt sich, nachdem die Matrix auf diese Weise wiederhergestellt ist, die Repopu- lation des Testikels, d.h. die Wiederfüllung der Samenkanälchen mit allen Stadien der Spermiogenese. Sind dagegen die Sertolizellen durch eine starke Bestrahlung eben- falls erheblich geschädigt worden, so verlieren sie ihre regeneratorischen Potenzen, und es hat bei der Degeneration und Depopulation sein Bewenden. Eine Restitution findet nicht mehr statt.

IX. Zusammenfassung.

L Die Röntgenhypobiose des Hodens nimmt unter den Hodenhypobiosen eine Sonderstellung ein. Diese beruht aber nicht auf einer qualitativ spezifischen Wirkungs- weise der Röntgenstrahlen, sondern auf ‚quantitativen‘ Besonderheiten, die sie vor anderen Reizen auszeichnen.

2. Es sind dies Tiefenwirkung und feine Dosierbarkeit. Die Röntgenstrahlen wirken unmittelbar auf das Hodenparenchym ein und treffen alle Elemente desselben gleichzeitig und mit gleicher Stärke. Ihre feine Dosierbarkeit ermöglicht es ander- seits, Reizstärken zu applizieren, die nur die empfindlichsten Elemente des Parenchyms schädigen, die weniger empfindlichen aber so gut wie unberührt lassen. Es ist eben da- durch möglich, mit den Röntgenstrahlen elektiv zu wirken.

3. Demgemäß entspricht der Verlauf der Röntgenatrophie des Hodens der wahren Empfindlichkeit der verschiedenen Elemente des Hodenparenchyms. Röntgensensi- bilität und allgemeine Sensibilität einer Zelle stehen zwar nicht im Widerspruch mitein- ander, aber bei anderen Formen der Hodenatrophie, insbesondere bei solchen, die mit Ernährungsstörungen im Zusammenhange stehen, kommt die wahre Empfindlichkeit der verschiedenen Zellkategorien nicht zum Vorschein. Wenigstens soweit das Samenepithel in Betracht kommt, dessen an sich empfindlichsten Elemente, die Spermiogonien, hier durch ihre periphere Lage in der Nähe der Gefäße eine Vorzugsstellung einnehmen, die den Ablauf der Erscheinungen ‚‚verfälscht‘“.

4. Ganz anders bei der Röntgenatrophie des Hodens. Hier zeigen sich bei Appli- kation einer Dosis, die die übrigen Kategorien des Samenepithels vollkommen intakt läßt, die Spermiogonien allein geschädigt, und wenn, bei Anwendung größerer Dosen, auch die übrigen Kategorien des Samenepithels von der Nekrobiose ergriffen werden, so entspricht doch die Reihenfolge der Degeneration vollkommen der verschiedenen Empfindlichkeit der verschiedenen Elemente: zuerst degenerieren die Spermiogonien, später die Spermiozyten, dann erst die Spermiden, während bei Hodenatrophien infolge von Ernährungsstörungen der Ablauf der Erscheinungen gerade umgekehrt ist.

5. Die feine Dosierbarkeit der Röntgenwirkung erlaubt es, eine vorübergehende vollständige Leerung der Samenkanälchen lediglich dadurch zu erzeugen, daß die Spermiogonien bloß für eine Zeitlang ihrer Teilungsfähigkeit beraubt werden. Das Bild, das sich zirka zwei Wochen später im Hoden einstellt, ist eine ausgezeichnete Illustration sowohl für die maximale Empfindlichkeit der Spermiogonien wie für die elektive Wirk- samkeit der Röntgenstrahlen wie für das dynamische Gleichgewicht, das im Hoden herrscht.

6. Entsprechend der feinen Dosierbarkeit der Röntgenstrahlen läßt sich eine ganze Skala der Röntgenwirkungen am Hoden aufstellen, wobei sich eine direkte Proportio- nalität von Dosis und Effekt ergibt: Die schwächste Dosis, die noch im Sinne einer Hypobiose wirksam ist, lähmt vorübergehend die Spermiogonien. Eine etwas stärkere Dosis lähmt einen Teil der Spermiogonien, tötet die übrigen. Eine noch stärkere Dosis

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tötet fast sämtliche Spermiogonien und beraubt damit das Samenepithel seiner Matrix. Die genannten Dosen fassen wir als schwache und mittlere Dosen zusammen. Sie ge- nügen, um, wenigstens vorübergehend, vollständige Atrophie des Hodens, d.h. Re- duktion des Wandbelages der Samenkanälchen bis auf die Sertolizellen zu erzeugen. Dosen, die darüber hinausgehen, rufen nekrobiotische Erscheinungen auch an den Sper- miozyten und Spermiden hervor. Die Leerung der Samenkanälchen erfolgt dabei wesent- lich rascher. Wir fassen die betreffenden Dosen als starke Dosen zusammen. Aber auch diese starken Dosen führen nur zur Atrophie. Im Gegensatz dazu kann durch Appli- kation allerstärkster Dosen in wenigen Tagen eine vollkommene Nekrose des Hodens erzeugt werden.

7. Den Verlauf der Röntgenatrophie des Hodens nach Applikation kleiner und mäßiger Dosen, wie sie allein auch für die Anwendung in der ärztlichen Praxis in Betracht kommen, bezeichnen wir als typischen. Im Gegensatz dazu nennen wir den Ablauf der Erscheinungen nach Applikation großer und größter Dosen atypisch. Bei typischem Verlaufe unterscheidet sich die Röntgenatrophie des Hodens von den übrigens Hoden- atrophien dadurch, daß ein nennenswerter nekrobiotischer Zerfall von Samenepithel bei ihr nicht stattfindet. Bei atypischem Verlaufe der Röntgenatrophie des Hodens kommt es zwar auch zu einem massenhaften nekrobiotischen Zerfall von Samenepithel, aber durch die andere Reihenfolge der einzelnen Phasen dieses Prozesses unterscheidet sich die Röntgenatrophie des Hodens auch hier von den übrigen Formen der Hoden- atrophie.

8. Die strenge Proportionalität zwischen Dosis und Effekt äußert sich bei der Rönt- genatrophie des Hodens auch darin, daß man eine Abhängigkeit der Latenzzeit von der Dosis konstatieren kann. Das betrifft einmal die klinische, ‚‚makroskopische“ Latenzzeit. Es kommt schneller zur Leerung der Kanälchen und damit zur Azoospermie, wenn größere Dosen appliziert werden. Interessanter aber ist der Zusammenhang zwi- schen Dosis und ‚„mikroskopischer‘ Latenzzeit: Während nach Applikation mäßiger Dosen die Spermiogonien erst nach 2— 3 Tagen der Nekrobiose verfallen, tun sie es nach Bestrahlung mit großen Dosen bereits nach einigen Stunden.

9. Es hat den Anschein, als ob die Spermiogonien noch empfindlicher sind als die Reifeteilungsstadien der Samenzellen. Einen direkten Untergang unter der Einwirkung der Bestrahlung, einen sog. ‚„Primäreffekt‘‘, konnten wir an diesen nicht konstatieren. Selbst mit starken Dosen gelingt es offenbar nicht, die von der Bestrahlung in Karyo- kinese betroffenen Samenzellen abzutöten. Es ergibt sich daraus die merkwürdige Situa- tion, daß im allgemeinen zwar im Stadium der Mitose eine außerordentliche Sensibili- tätssteigerung der Zellen eintritt, daß aber gerade die Mitosen der im übrigen so hoch empfindlichen Samenzellen relativ strahlenunempfindlich zu sein scheinen.

10. Im Gegensatz dazu konnten wir aber an den Reifeteilungen mitunter wohl einen „Sekundäreffekt‘“ beobachten: Von der Bestrahlung im Ruhezustand getroffene Spermiozyten, die durch die Bestrahlung zunächst nur latent geschädigt werden (heredo- zelluläre Schädigung), zeigen diese Schädigung unter Umständen, wenn sie in Teilung treten, sie können dann evtl. sogar absterben (letale heredozelluläre Schädigung). Demgemäß besteht der Sekundäreffekt zum Teil aus abnormen, zum Teil aus nekroti- sierenden Mitosen. Eine heredozelluläre Schädigung der Spermiozyten, evtl. Prä- spermiden oder evtl. auch der Reifeteilungsstadien erblicken wir ferner in den auf- fallenden Größenschwankungen der in der Periode der Leerung der Samenkanälchen gebildeten Spermiden (Anisozytose der Spermiden).

11. Die Vorgänge, die sich nach einer mäßigen Bestrahlung im Testikel abspielen, sind die folgenden: Zuerst erfolgt eine Degeneration der Spermiogonien. Daran schließt

Literaturverzeichnis 521

sich eine Depopulation der Samenkanälchen, weil die vorhandenen Spermiden und Spermiozyten sich allmählich in Spermien umwandeln und keine Matrix mehr da ist, die einen Nachschub liefern könnte. Wenn nun die Sertolizellen durch die Bestrah- lung nicht allzusehr geschädigt, d.h. ihrer regeneratorischen Potenzen nicht beraubt wurden, so erfolgt nunmehr eine Regeneration der Spermiogonien von den Sertoli- zellen aus, und daran schließt sich, nachdem die Matrix auf diese Weise wiederherge- stellt ist, die Repopulation des Testikels, d. h. die Wiederfüllung der Samenkanälchen mit allen Stadien der Spermiogenese. Sind dagegen die Sertolizellen durch eine starke Bestrahlung ebenfalls erheblich geschädigt worden, so verlieren sie ihre regeneratorischen Potenzen, und es hat bei der Degeneration und Depopulation sein Bewenden. Eine Re- stitution findet dann nicht statt.

12. Für eine allfällige Restitution des Hodens nach Röntgenbestrahlung bedarf es demgemäß nicht der Persistenz vereinzelter Spermiogonien. Die Restitution kann von den Sertolizellen ausgehen. Diese sind potentiell indifferente Elemente und stellen im volltätigen, geschlechtsreifen Hoden eine Art von Reservematerial dar, das berufen ist, bei allfälliger Zerstörung des Samenepithels dieses eventuell neu zu bilden. Da bei dauernder Zerstörung des Samenepithels die Sertolizellen auch jedenfalls ganz allein die Hodeninkrete zu bilden vermögen, so gewinnen sie damit eine außerordentliche Be- deutung. Sie sind demnach nicht nur Nährzellen des Samenepithels, son- dern auch endokrine Drüsenzellen und Reservezellen zugleich.

13. Ein röntgenatrophischer Hoden ist demnach keine ‚isolierte Pubertätsdrüse‘“. Aber auch die starke Wucherung der Zwischenzellen im Röntgenhoden, an die von so vielen geglaubt wird, ist zum größten Teile nur relativ, durch die Schrumpfung der Kanälchen vorgetäuscht. Die absolute Zunahme, die das Zwischengewebe bei der Röntgenatrophie des Hodens erfährt, ist demgegenüber nicht sehr bedeutend. Zu er- klären ist sie im übrigen als eine ‚raumfüllende‘ Hypertrophie e vacuo, bzw. durch einen nach dem Untergang des Samenepithels bestehenden Überschuß von zum Hoden zuge- führtem Nährmaterial.

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Die Strahlenbehandlung des Kollumkarzinoms Von

Professor Dr. Wilhelm Lahm

Vorstand des Laboratoriums und Leiter des Röntgeninstitutes der Staatlichen Frauenklinik Dresden

Mitf48 Abbildungen im Text und 24 Tabellen

Inhaltsverzeichnis.

Seite

Vorbemerkung: 5.5.4... 2 ee EE Ki Er Ne ee Dip we er aeg 530 1. Kapitel: Die Diagnose des Kollumkarzinoms, seine Ausbreitung nach der Um-

gebung und die Frage der Operabilität . 2... 2:2: 2 2 En nn. 531

2. Kapitel: Operieren oder Bestrahlen? ..... Gm ee DS

1. Die quantitative Seite der Frage . .. . .. 2. Er rm nn ne. e ër e BR

2. Die qualitative Seite der Frage `, . 54l

a) Lebensverlängerung `... . . 541

b) BRezidivbildung: 2 e a s-a 2.6.28 02 02 2000 2.0 mr Se ee E 2 542

c) Matastasenbildungen nach ferngelegenen Organen . . . . 2.22.2220. 543

d) Die Möglichkeit der lokalen und allgemeinen Schädigungen . . . ..... 543

e) Die Besserung der Operabilitätsziffer . . . 2: 2 2 2 2 nn nee. ... ÖH

f) Die Beeinflussung der Schmerzen. e, <.. ÖH

g) Die Behandlungsfähigkeit der Rezidive . .. 2.2. 2222020. e, DH

3. Kapitel: Die Radiumbestrahlung . ...... 2.2.2 nn rn nn. . . . 545

I. Zur historischen Entwicklung... 545

I Die Raáadiumtechnik 2 2% & a A 2 & wa a ana ey 550

A. Vorbereitende Maßnahmen. . `, ae ee

e Desinfektion: soe 2.8.0 ES 0 e e re a a fer 551

2. Probeexzision und Exkochleation `. . . . DDL

eis gereent, a sn was ES EEE ee Bern 552

B.: Die Dosierung = ee a 2.8 2 u 04 Ra ee te ch a DO

1. Radiosensibilität und Radiosensibilisierung . . . 2... 2 222 nenn 554

2,.-MaBeinheiten: = är ee we) e Sl a ei ER er 557

3. Dosierüngstäbellen: . . % u a. 2 en re ae 559

d Einheit. der Dosis s ecs 2. 018 a: AE Sera ra ee en 568

5. Die Reizsummation und das Zeitproblem. . . 2. 2. 2 2 2 Er nn nn 570

C. Die strahlende Substanz ; & . 4.8... 0 u wa wa Wa new. 571

1.: Fassung und Form <e o e » 2.3 2. 5 2 u ea Be ee 571

2. Palterung 2.5 2 wa... a Eee EN EV ad wie ale ie 573

3. Bestrahlungsapparate . . oaoa e 513

a) Heidelberger Gerät . ER NEE EE EE we ei ae EN 513

b) Berliner Gerät . e, u & Bu m Ara wo ee ee ae Ae , , 574

6). Münchner: Gerab;..2 sis a eg e AE E E E E a e 575

d) Dresdner Gerät :- ei 2 u 2 we En u mn Ae IE RE Eh 575

4. Die Fassung der radioaktiven Substanz . . 2. 2... m a a a nen 577

D: Ph lisinstrumente 2-2... snom ma e en a ee ee ern 578

E. Ort und Art der Applikation 2. 2... L nn non nn a ne 578

1. Zentrale Applikation (zervikale) . . 2 2 2 oo Lone 579

2. Urethrale und vesikale Bestrahlung . . . 2 2 2 2 nn nme. Ei 8 EC

3. Rektale Applikation . . E e EEE re ie A Ge ah er war: COOL

4. Vaginale Applikation. e e ée a ee ee e bg A 580

5. Parametrane Applikation . . . ... syu dt tege e a EC um re IS

6. Abdominale Bestrahlung . . . .... SC ee EN Re Ee er ol

Inhaltsverzeichnis

F. Die Praxis der Radiumbestrahlung . . . s. s. s oaos e rn rennen.

Wa E DD ta

. Wie weit ist das Karzinom ausgebreitet? . . » . 2 2 2 2 2 2 a‘ . Wie hoch ist die Sensibilität ?. . . . 2 2 2 EEE Er ne . Wo liegt die Grenze der erlaubten Dosis? . . . 2 2 2 2 2 2 2 en ee. . Indikationen und Kontraindikationen. Prognose . . .. s. 2.22.20 s ae

5. Gefahren und Schädigungen . ». 2 2 2: 2 2 rn nn rennen Anhang: Die Emanationsbehandlung . . . » : 2 2 2 ren nr rennen.

4. Kapitel: Die Röntgenbestrahlung des Kollumkarzinoms.. . . 2.» 2.2... I. Zur historischen Entwicklung. . . 2 2 2 2 En En rennen

II. Die Röntgentechnik . . . 2 2 2 2 0 u re Er u re ne A. Vorbereitende Maßnahmen. . . 2. 2 22H En rn nn rennen ne

B: Die: Dosierung: o ar a. u a Bee nn ee

1. 2.

3. 4. 5.

Allgemeinös i e 2.50... a EE EE EE ar ee Der Dosisbegriff und die Karzinomdosis . . . » . 2». 2 2 2 2 een. a) Verzettelung der Dosen . . » 2 2 2 2 en nr nr rn. b) Die Reizdosierung . . » 2: 2: 2 0 Er 0 En ee Er e c) Ungenügende Dosierung . . . 2: 2 2 En 2 nn nr rennen Die Radiosensibilität und Radiosensibilisierung . . - . . 22.2000. MaBeinheiten. +... e a. 2-0. 5 Wu. wu le ee ier

GC... Die: Apparaturen e, 5 8 ee 2 Kerr en 1. Einstell- und Bestrahlungsgeräte. . . . » 2 2 2 nr a e

2. Strahlensammler . . . . s. 4.5 vu. le 23a Sk E ee

3. Umbaumethoden' se s = 2... We era nee

= D. Bestrahlungsmethoden. . . . 2 2 2 2 0 m Er rennen I. Allgemeiner Teil. . 2 2: 2 0 4 wa a SE a EEE ER EEE

a) Die homogene Bestrahlung. - . » » 2 2 2 2 rn ren nenne b) Der Zeitfaktor . eier Zone an re Ae e et ©) Messung der Dosen +... s aos a woa #4 wa aa a re e a

Il.

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1.

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Die Bestrahlungsmethode von Seitz-Wintz. . . . 2. 2 2 2220. a) Die Vorbehandlung einschließlich der Verkupferung . . ... 2... b) Die Röntgenbestrahlung . . . 2 2 2 nn nn nn nn. c) Die Nachbehandlung . . . 2». - 22 2 2 2 en en en een nenn

. Die Methode von Krönig-Friedrich-Opitz . . . . 2 2 2 2 2 nn nee . Methode Dessauer-Warnekros . . 2 2: 2 m m m ren nen . Methode Martius . 4... 5 3: Ef 3. AE wer ei < Bigene: Methode: a sna JL nur a Zn u aa Een a ee . Kritik und Ausschau . 2 22 0 0 em rn ne.

Anhang: Die postoperative Nachbestrahlung und die kombinierte Radium-Röntgen- Let

5. Kapitel: Die Folgen und Erfolge der Strahlenbehandlung . , 2...

1. Der klinische Heilungserfolg. . . . 2 2 2 nn nern n 2. Die histologischen Veränderungen des Karzinomzerfalls und des Gewebsauf- DAUES 2 0.0 0 u ann er re en EE EEN are ee de Der zahlenmäßig nachweisbare Erfolg . .. . 2: 2 2 2 222 nenne. a) Für die Radiumbestrahlung . . 2... 22. 2 2 mn nennen. b) Für die Röntgenbestrahlung . . . s 2: 2 2 2 rn ernennen c) Radium-Röntgen kombiniert . . 2 2 2 2 2 rn rer. d) Prophylaktische Nachbestrahlung . . . . 2 222... 200.

3.

Literäturverzeichn is. oer 4 3 2 wa e E EB ER VE ERT

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd.I 34

617 622 623 624 625 626 626 626 628 629 630 630

Vorbemerkung.

Nicht ohne Zögern bin ich der Aufforderung der Herausgeber dieser ‚Ergebnisse‘ gefolgt, die Strahlenbebandlung des Kollumkarzinoms in einer Form darzustellen, welche den Namen ‚‚Ergebnisse‘“ verdient. Ergebnissesindetwas Abgeschlossenes, die Strahlenbehandlung des Kollumkarzinoms aber befindet sich im vollen Fluß. Kein seichtes, langsam hinfließendes Wasser ist es, sondern ein reißender, schäumender Strom, der sich kaum in seine Grenzen bannen läßt und da und dort über die Ufer tritt, Nachbargebiete befruchtend und fruchtbares Gelände mit sich fort- reißend. Selbst ragende Felsen und festgefügte Brücken halten dem Ungestüm des Stromes nicht immer stand: was gestern noch als ein Axiom galt, zerschellt morgen in Atome; und was heute wie eine kleine Versandung aussieht, ist morgen eine Bank, auf der man Hütten bauen zu können glaubt.

Ein Bild dies nur, aber ein wahres Bild! Kaum gelingt es dem seit Jahren mit dem Strom Vertrauten, das ‚,Schifflein der Praxis“ ungefährdet durch alle Strom- schnellen zu bringen. Wie schwer ist es oft, wenn heute wie ein glänzender Stern eine neue Entdeckung, eine neue Theorie oder Methode, ein neues Hilfsmittel, eine neue Fehlerquelle für Mißerfolge auftaucht, an dem einmal gesicherten Besitz festzuhalten und nicht der Taube auf dem Dache nachzujagen, indessen der Sperling aus der Hand entflieht.

So war ich mir der großen Aufgabe und Verantwortung bewußt, welche an mich herantrat, und mit prüfender Gewissenhaftigkeit habe ich mich ihr unterzogen. Subjek- tiv ist vieles gefärbt, und doch, wer Ergebnisse schreibt, soll er nicht objektiv sein? Da bitte ich aber nur eines zu bedenken: ein Sammelreferat sollten diese Ergebnisse nicht sein, sie sind als kritischer Bericht über den heutigen Stand unseres Wissens gedacht. Wo aber bliebe eine Kritik, die nicht subjektiv gefärbt ist? Sie wäre ‚farblos‘ und ‚dünn‘, und weder Freund noch Feind wüßten, wie sie gemeint ist. Nur eigenes Urteil vermag klärend und anregend zu wirken; beides aber war mein Ziel. Ob es mir gelungen ist, muß ich dem Urteil der Leser überlassen.

Die Strahlentherapie des Kollumkarzinoms ist eine ganze Disziplin für sıch. Wer sich auf das rein Technische beschränkt, verfehlt sicher zum größten Teile sein Ziel: die Klärung unserer Anschauungen und die Anregung zu neuem Tun. Mein erster Entwurf zu diesen Ergebnissen ging deshalb darauf aus, mit der Diagnose und Ausbreitung des Karzinons anzufangen und dann stufenweise alle die Fragen aufzurollen, welche den gewissenhaften Hausarzt und den zugezogenen Fachkollegen bewegen, ehe er der krebskranken Frau einen Rat gibt, der nur zu oft über das Wohl und Wehe der ganzen Familie entscheidet. Das Thema von der pathologischen Anatomie interessierte mich um so mehr, als ich seit mehr als zehn Jahren alle mikroskopischen Untersuchungen der Klinik selber vornehme und über ein reiches Material verfüge, das mehrfach nach dieser und jener Richtung hin durchgeschen ist. Schließlich aber mußte ich einsehen, daß ein solches

Diagnose des Kollumkarzinoms 531

Verfahren nicht nur den Raum, der mir zur Verfügung stand, weit überschritten, sondern auch noch derartiger Vorarbeiten bedurft hätte, wenn ‚„Ergebnisse‘‘ daraus hätten werden sollen, daß es mir in so kurzer Zeit schlechterdings unmöglich gewesen wäre, zu einem Abschluß zu kommen. Ich habe deshalb an meinem Entwurf aller- dings festhaltend das erste?) und auch das zweite Kapitel nur sehr kursorisch be- handelt und im wesentlichen die eigenen Beobachtungen und wenig Literaturangaben herangezogen. Ganz ausführlich habe ich aber dann die Radium- und Röntgen- bestrahlung besprochen und ihr eine Übersicht über die zur Zeit bekannten Er- folge angegliedert. Dadurch erhält mein Thema die Einteilung von selbst; und wer sich mehr für seinen klinisch-technischen Teil interessiert, kann zur Not die beiden ersten Kapitel überschlagen, um so mehr, als auch später immer auf die anatomischen Verhält- nisse Rücksicht genommen ist.

Erstes Kapitel.

Die Diagnose des Kollumkarzinoms, seine Ausbreitung nach der Umgebung und die Frage der Operabilität.

Die Diagnose des Kollumkarzinoms geschieht mit Hilfe der klinischen Beobachtung und der makroskopischen und mikroskopischen Untersuchung. Sie kann leicht und sicher sein, aber sie kann selbst dem Erfahrenen größte Schwierigkeiten bereiten. Manch- mal bleibt die Diagnose trotz aller Hilfsmittel offen, wenn es sich z. B. um atypische präkankröse Epithelwucherungen handelt (Geller) oder wenn, nach Entfernung des verdächtigen Gewebes durch die Exzision, die Gesundheit dauernd erhalten bleibt. Selbst sichere Karzinome können bekanntlich durch einfache lokale Eingriffe gelegent- lich zur Heilung kommen. Für die Frühdiagnose hat die mikroskopische Untersuchung überragende Bedeutung.

Der mikroskopischen Untersuchung möchte Wintz nicht prinzipiell das Wort reden. Er glaubt beobachtet zu haben, daß der Erfolg der Strahlenbehandlung in den Fällen zu wünschen übrig ließ, wo Exzisionen vorgenommen worden sind. Wenn die Diagnose Karzinom makroskopisch-klinisch feststehe, möge die mikroskopische Untersuchung ruhig unterbleiben. Einen solchen Standpunkt kann ich nicht teilen. Einmal habe ich einen derartigen Einfluß der Exzision auf die Prognose der Fälle nicht feststellen können, und anderseits halte ich es doch für viel zu wichtig, daß nicht nur der Arzt zu einer genauen lokalen Kontrolle, einschließlich der Probeexzisionen, an- gehalten wird (Frühdiagnose!), sondern daß auch die Diagnose in jedem einzelnen Falle, schon im Interesse der späteren Beurteilung, möglichst genau gestellt wird. Wintz empfichlt die Probeexzision eventuell nach der ersten Bestrahlung vorzunehmen. Da- gegen ist natürlich nichts einzuwenden. Wir in Dresden haben dies in der Zeit, als wir die sog. probatorischen Bestrahlungen vornahmen, stets getan. Eine Verschlechterung des Erfolges haben wir dabei nicht beobachten können, auch die Diagnose selbst wurde durch die vorangegangene Bestrahlung nicht erschwert.

Auf Einzelheiten der makroskopisch-mikroskopischen und klinischen Diagnose möchte ich nicht eingehen. Ein Wort dagegen über die serologischen Methoden zur Diagnose, welche jetzt mehr

und mehr sich in den Vordergrund drängen. Sachs hat uns darüber vor kurzem eine zusammen- fassende Darstellung geschenkt, deren wesentlichste Gesichtspunkte ich hier wiederholen möchte.

1?) Siehe meinen Beitrag zu Seitz-Halban, Biologie u. Pathologie des Weibes, Urban-Schwar- zenberg 1924, Bd. 4. 34*

532 W. Lahm

Sachs selbst hat an den Anfang seiner Beobachtungen das Ergebnis der bisherigen Unter- suchungen gestellt und betont, daß die Serologie uns bis heute noch keine brauchbare Ant- wort auf die vielen Fragen der Geschwulstbildung im Organismus gegeben habe.

Geht man davon aus, daß die Karzinome nicht Infektionskrankheiten im gewöhnlichen Sprachgebrauch sind, so kann man nicht erwarten, Immunitätsreaktionen bei ihnen zu finden. Es kommt hinzu, daß uns die Gegenwart von Antikörpern (bei infektiösen Erkrankungen) nur darüber belehrt, ob ein bestimmter Erreger in den Organismus einmal eingedrungen ist. Ob er noch anwesend ist oder bereits eliminiert wurde, darüber sagt uns die Immunitätsreaktion nichts aus.

Trotzdem haben die Untersuchungen, wie sie in der Immunitätswissenschaft, besonders im Zu- sammenhange mit der Syphilisreaktion, angestellt worden sind, uns aussichtsreiche Wege und Arbeits- methoden eröffnet. Es führt das Geschwulstwachstum ebenso wie die Veränderungen, welche unter dem Einfluß der Lues entstehen, nicht nur zu einer Alteration des lokal ergriffenen Gewebes, sondern auch der näheren und weiteren Umgebung. So entstehen im Serum und noch mehr im Plasma des Blutes Veränderungen, welche dem Nachweis auf irgendeine Art zugänglich sind (Mahnert und Zacherl). In erster Linie scheint es sich hierbei um die Anwesenheit von Eiweiß- substanzen mit gesteigerter Labilität zu handeln. Alle die Reaktionen, welche bei der Lues, dem Karzinom, der Gravidität und der Tuberkulose bisher positiv gefunden worden sind, müssen, wie es scheint, in ihrer letzten Bedingtheit auf derartige Stabilitätsdifferenzen im Serum und Plasma zurückgeführt werden (Sachs). Präzipitation, Komplementbindung, Anaphylaxiereak- tion, Fermentnachweis nach Abderhalden oder Kottmann, die gesteigerte Senkungs- geschwindigkeit (Klein, Mickulicz-Radecki), die Freund-Karminersche und Meiostag- ninreaktion und selbst der veränderte Antitrypsingehalt sollen und können so eine Erklärung finden. Als spezifisch ist keine dieser Reaktionen erkannt worden. Eine etwas andere Stellung nehmen vielleicht die hämolytischen Reaktionen von Kahn-Potthoff und Dietrich ein, wo durch Zusatz von Normalserum die Fettsäure- oder Gallensäurehämolyse stärker gehemmt wird als durch das Serum von Karzinomkranken, Aber auch hier ist die Reaktion nicht spezifisch.

So ist also das Ergebnis der Serumreaktionen zwar für unsere Kenntnisse der Biologie der Ge- schwülste nicht ganz negativ, aber was wir für die Diagnose des Karzinoms und noch mehr für die des Rezidivs brauchen, wird uns nicht gegeben.

Das bisher Besprochene betrifft, mit einziger Ausnahme vielleicht der serologischen Reaktionen, die rein formale Diagnose. Wir stellen damit fest, daß ein Karzinom vorliegt. Ich betone es schon lange, daß uns mit der einfachen formalen Diagnose nicht gedient ist und stelle ihr zur Seite die funktionelle Diagnose, d, h. das Feststellen vom Wesen und dem Charakter des malignen Wachstums. Wir wollen in der Diagnose nicht nur einen morphologischen, sondern auch einen biolo- gischen Inhalt finden.

Was ich als funktionelle Diagnose des Kollumkarzinoms bezeichne, finden wir zum ersten Male in der großen Monographie über das Uteruskarzinom von Schott- länder und Kermauner erwähnt. Ich habe das gleiche Thema in dem oben er- wähnten Beitrage zum Handbuch der Biologie und Pathologie des Weibes von Seitz und Halban eingehend behandelt. Von den verschiedensten Gesichtspunkten aus kann man dementsprechend das Kollumkarzinom betrachten: nach der Schwere der Erkrankung, nach der äußeren Form des Karzinons, welche die „innere Form“ und Wachstumsrichtung wiederspiegelt und nach dem Reifegrad des karzinomatösen Gewebes, der Differenzierung der Zellen, wie man sie auch nennt.

Die Schwere der Karzinomerkrankung beurteilt man nach der Ausdehnung des Neoplasmas und nach seinen Folgen. Krönig und Döderlein haben vier Gruppen des Kollumkarzinons unterschieden, welche für die Prognose der Fälle und ihre Opera- bilität die nötigen Anhaltspunkte geben sollen.

Gruppe I: Das Karzinom reicht bis an das parazervikale Gewebe heran; die Grenze, welche durch die äußersten Muskelfasern der Zervix bestimmt wird, ist noch nicht überschritten.

Gruppe II: Das Karzinom reicht in kontinuierlichen breiten Strängen bis zur Beckenwand.

Gruppeneinteilung der Karzinome 533

Gruppe III: Außer dem Primärherd am Collum uteri findet man die Beckenlymph- drüsen, besonders die Iliakaldrüsen, erkrankt, dabei ist es gleichgültig, ob das Parametrium mitbeteiligt ist oder frei gefunden wird.

Gruppe IV: Das Karzinom ist über das kleine Becken hinaus fortgeschritten, Metastasenbildungen in ferngelegenen Organen sind nachweisbar oder wahrscheinlich.

Den Folgen nach betrachtet man Karzinome als schwer, bei denen ischiasartige Schmerzen bereits vorhanden sind, bei denen es zu einer Kompression der Ureteren gekommen ist und wo Schwierigkeiten der Stuhl- und Harnentleerung bereits beobachtet werden. Eine allgemeine Kachexie verstärkt den üblen Eindruck, muß aber nicht un- bedingt vorhanden sein.

Die Beurteilung der Karzinome nach der Schwere ist höchst unsicher. Selbst am anatomischen Präparat kann es noch schwer sein festzustellen, wie weit das Karzinom vorgedrungen ist. Um wieviel schwerer muß deshalb die Beurteilung bei der klinischen ` Untersuchung sein! Zweifellos aber bedeutet die mutmaßliche Schwere des Kar- zinoms (Gruppeneinteilung) für den Operateur einen guten Anhaltspunkt für seine Indikationsstellung. Für den Radiotherapeuten aber kommt weniger die vorhandene als die mögliche Ausbreitung in Frage, wie wir später noch eingehender besprechen werden (siehe auch die Frage der Lebensdauer der karzinomkranken Frauen auf S. 18).

Nach der äußeren Form unterscheidet man das Kollumkarzinom als Tumor, als Ulkus und als karzinomatösen Krater. Das Karzinom erhebt sich also über die Basis, es bleibt mit ihr gleich oder es bricht in dieselbe ein. Als besondere Form der nicht erhabenen Karzinome kennen wir den sog. Zuckergußkrebs, von dem nicht feststeht, ob er dem Corpus oder dem Collum uteri angehört. Der zentrale Zervixknoten ist gewöhnlich eine Abart des in die Tiefe wachsenden karzinomatösen Kraters. Nach der Konsistenz unterscheidet man die weichen markigen von den skirrhösen Karzinomen. Sie enthalten einen verschiedenen Bestandteil an Binde- gewebe und zeigen vielleicht etwas verschiedenes Wachstum und verschiedene Zer- fallsgeschwindigkeit. Das markige Karzinom zerfällt frühzeitig, das skirrhöse bleibt derb. Ob es zur Metastasenbildung und zum ausgebreiteten Tiefenwachstum kommt, hängt davon ab, welche Tendenz das Karzinom besitzt, d. h. ob es zur Tumorbildung oder zur Kraterbildung neigt. Die äußere Form des Karzinoms geht bis zum gewissen Grade der inneren Form parallel, insofern die Tumorbildung der exophytischen Aus- breitung entspricht, während die Kraterbildung das gewöhnliche Bild des endophy- tischen Karzinoms ist. Selbstverständlich weist jedes exophytische Karcinom auch endophytische Eigenschaften auf, so daß man auch exo-endophytische Karzinome unter- scheiden kann. Schottländer hat unter seinen 123 Fällen 66,7 %, endophytische, 5,8 % exophytische und 27,5%, endo-exophytische Karzinome gezählt.

Die äußere Form des Karzinoms bedeutet weder für den Operateur noch für den Strahlentherapeuten im allgemeinen etwas Besonderes. Trotzdem ist die Kenntnis der Wachstumsrichtung und auch das äußere Bild nicht ganz gleichgültig. Exophytische Tumorbildung besagt im allgemeinen, daß die Ausbreitung nach der Um- gebung sich langsam vollzieht. Der endophytische Krater ist dagegen in der Regel infiziert und es kommt leichter zur Ausbreitung sowohl des Karzinonms wie der Infektion auf die Parametrien. Wenn auch zahlreiche Ausnahmen von dieser Regel vorkommen, so gestattet sie doch bis zu einem gewissen Grade die Prognose- stellung (Pinch). Dem Radiotherapeuten dient der Krater oft zur Aufnahme der Radiumpräparate, indessen er den Tumor bisweilen abtragen muß, um den Zervikal- kanal freizulegen. Zu beachten ist aber stets, daß der Krater im allgemeinen nicht in den Zervikalkanal übergeht, sondern nur einer Muttermundslippe ent-

534 W. Lahm

spricht. Will man also den Zervikalkanal bei einem karzinomatösen Krater feststellen, so muß man seinen Eingang an der Peripherie des Kraters suchen. Er liegt nach vorne, wenn der Krater der hinteren Muttermundslippe angehört, und er liegt nach hinten, wenn der Zerfallstrichter im Bereich der vorderen Muttermundslippe liegt.

Was die „innere‘ Form des Karzinoms betrifft, so berühren wir hiermit Fragen der Ätiologie. Bezüglich der Einzelheiten in dieser Hinsicht muß ich auf meinen oben erwähnten Beitrag verweisen. In kurzen Worten aber darf ich hervorheben, daß meines Erachtens das Wesen der karzinomatösen Bildung darin beruht, daß die Be- ziehungen von Zelle zu Zelle eine Änderung erfahren, daß der innere Auf- bau, die Organisation des epithelialen Verbandes verlorengehen muß, wenn das asoziale und schrankenlose Wachstum des Karzinoms erfolgen soll. Voll erhaltene innere Organisation bedeutet also: Aufrechterhaltung des sozialen Zellverbandes, Verlust derselben: Möglichkeit und Beginn der karzinomatösen Wuche- rungen. Selbstverständlich wird der innere Bauplan des Epithels nicht ‚von sich aus‘“ in Ordnung gehalten, sondern es spricht der Einfluß des Gesamtorganismus mit. Konstitutionelle Verschiedenheiten, hereditäre Dispositionen, erworbene Erkrankungen, Infektion und vieles andere spielen eine Rolle. Bei Desorganisation der Epithelverbände kann es zur Bildung neuer Zellrassen kommen, welche im Mikroskop gelegentlich leicht erkannt werden können. Nicht selten ist es, daß sog. ortsunterwertige Eigenschaften auf- tauchen. Im Genitalkanal besitzt z. B. das Epithel des ehemaligen Müllerschen Ganges (Uterus, Zervix und ein Teil der Vagina) zweifellos außerordentliche Differenzierungs- potenzen. Eine ganz gewöhnliche Erscheinung ist es deshalb, daß Zylinderzellenkarzi- nome des Genitale Plattenepithel bilden, und daß Plattenepithelkarzinome, welche keine Verhornung bisher aufwiesen, mit einemmal Hornperlen bilden.

Der veränderte Bauplan als Einteilungsprinzip für das Kollumkarzinom, von Schottländer und Kermauner erstmalig aufgestellt, ist inzwischen von Frankl, Adler und mir übernommen worden. Er kommt weitgehend den biologischen Verhält- nissen des Karzinoms entgegen und hat uns in mancher Beziehung schon zu wertvollen Resultaten verholfen. Man unterscheidet danach die Karzinome in primär solide und in sekundär solide Karzinome, weil, wie schon erwähnt wurde, auch primär drüsige Karzinome sekundär solid werden können. Die Übersicht, welche sich auf diese Weise von den Kollumkarzinomen ergibt, ist folgende:

l. Primär solide Plattenepithelkarzinome.

a) Unreife Plattenepithelkarzinome; b) mittelreife Plattenepithelkarzinome; c) reife Plattenepithelkarzinome.

2. Drüsige Karzinome.

a) Hochdifferenzierte Karzinome (Adenokarzinome); b) sekundär solide Karzinome.

Auf Einzelheiten der histologischen Struktur soll nicht weiter eingegangen werden, nur will ich betonen, daß die ausgereiften Plattenepithelkarzinome oft eine ganz über- raschende Ähnlichkeit im Aufbau mit dem normalen Plattenepithel der Haut besitzen, daß die mittelreifen Plattenepithelkarzinome ebenfalls wohlgeordnet übereinander die Schichten der Epithelien erkennen lassen (ohne daß Verhornung auftritt) und daß die unreifen Karzinome wie durcheinandergestreut die rundlichen und oft chromatinreichen Kerne der Matrix aufweisen; ihr besonderes Kennzeichen ist die außerordentliche Poly- morphie der einzelnen Elemente. Das sekundär solide Karzinom ist manchmal kaum vom primär soliden zu unterscheiden. Man findet erst nach langem Suchen ein paar Stellen, wo man die Drüsenimitation mit Sicherheit nachweisen kann. Das hoch-

Reifegrad und Ausbreitung 535

differenzierte Kollumkarzinom, auch als Adenoma malignum bezeichnet, macht für die Diagnose erhebliche Schwierigkeiten, weil im Zellaufbau kaum eine Veränderung gegen- über den normalen Epithelien zu finden ist und nur der Nachweis des destruktiven Wachstums schließlich die Diagnose sicherstellt.

Die Ausbreitung der genannten Karzinome geschieht bald quer durch das Gewebe (plexiform), bald Iymphatisch, bald in breiten Zügen, bald in schmalen Sprossen, ohne daß wir mit Sicherheit sagen könnten, auf welchen Eigentümlichkeiten des karzinoma- tösen Gewebes oder des sich wehrenden Organismus dies beruht.

Nach der Richtung der Ausbreitung unterscheidet man außer dem örtlichen Tiefenwachstum eine Weiterverbreitung nach der Scheide und nach den Para- metrien. Vom parametranen Bindegewebe kommt besonders das seitlich vom Uterus gelegene Gewebe, aber auch das in der Richtung nach der Blase oder dem Rektum befindliche in Frage.

Die Vagina erkrankt nach Schottländer und Kermauner in etwa 45% der Fälle, doch hängt das ganz davon ab, ob das Karzinom exo- oder endophytisch ist und wie lange es bereits bestanden hat. Was für uns am wichtigsten ist, ist die Tatsache, daß Metastasen im Scheidenrohr durch retrograde Verschleppung von Geschwulst- teilchen im Lymphstrom der Vaginalwände entstehen können. Wir haben sie besonders häufig auftreten sehen, wenn nach der Radiumbestrahlung oder durch die Infektion bei endophytisch wachsenden Karzinomen leichte Exsudatbildung in den Parametrien auftrat. Es würde das mit der Auffassung Krömers übereinstimmen, daß eine leichte Kompression der Lymphgefäße seitlich des Collum uteri genügt, um den Lymphstrom umzukehren und ihn, statt durch die Parametrien, durch das paravaginale Binde- gewebe zu leiten. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, daß Henkel von 110 postoperativen Rezidiven 70mal die tiefgelegenen Abschnitte der Vagina als Ausgangspunkt fand.

Was es bedeutet, daß so häufig das Kollumkarzinom nach der Vagina metastasiert, ist für den Operateur und Strahlentherapeuten ohne weiteres klar. Es würde sich schwer im Erfolg rächen, wenn der eine oder der andere dieser Tatsache bei seiner Behandlung nicht volle Rechnung tragen würde.

Die Parametrien sind, soweit es die seitlich vom Collum uteri gelegenen Abschnitte betrifft. sehr oft vom Karzinom befallen. So konnten Schottländer und Kermauner nachweisen, daß in 75%, ihrer Fälle, obwohl es sich um operable Karzinome gehandelt hatte, das Parametrium bereits von dem Neoplasma erreicht war. Selbstverständlich gründet sich diese Feststellung auf mikroskopische Untersuchungen, denn daß besonders dem endophytisch wachsenden Karzinom eine eitrige Reaktion im Parametrium voran- zugehen pflegt, ist schon dadurch bekannt, daß klinisch-palpatorisch die Feststellung über die wirkliche Ausbreitung des Karzinoms oft nicht möglich ist. Wie häufig das Lig. sacro-uterinum beteiligt ist, konnte nicht genau festgestellt werden. Schottländer und Kermauner fanden daselbst ‚relativ selten" Karzinome, Brunet in 14%. Es mag schon hier betont werden, daß die Lymphdrüsen in den Parametrien karzinomatös erkrankt gefunden werden können, ohne daß das eigentliche Bindegewebe Sitz der Neubildung ist.

Karzinome der vorderen Muttermundslippe haben eine besondere Wachstums- richtung nach der Blase und dem Ureter, die Karzinome der hinteren Lippe nach dem Rektum. Besonders die Blase wird von weiter fortgeschrittenen Karzinomen oft in Mitleidenschaft gezogen. Bekannt sind die Untersuchungen von Winter, Kolischer und Zangemeister, welche zystoskopisch folgende Veränderungen, in 3 Gruppen geteilt, an der Blasenwand feststellen konnten.

536 W. Lahm

Gruppe I: Dislokation des Blasenbodens oder einer der Seitenwände, Hyperämie und starke Gefäßentwicklung, Hämorrhagien, Wülste und Falten (meist quer verlaufende, durch tiefe Furchen getrennt).

Gruppe II: Bullöses Ödem und starke Erhebungen eines der Ureterenostien.

Gruppe Ill: Knötchenbildung, papilläre Wucherungen, Ulkusbildung.

Gruppe I enthält Veränderungen, wo man mit der Operation des Karzinoms noch rechnen kann, obwohl Zangemeister der Auffassung ist, daß die Bildung von Wülsten und Falten bereits ein sehr ominöses Zeichen ist. Symptome der Gruppen JI und III schließen die Operation aus.

Der Ureter findet sich von Karzinommassen oft dicht ummauert, trotzdem bleibt seine Schleimhaut gesund und Rezidivbildung vom erkrankten Ureter aus ist sehr selten. Klinisch tritt die Kompression des Ureters durch Stauung des Urins und Hydronephrosen- bildung usw. in Erscheinung; auch ist es wertvoll zu wissen, daß etwa 51 % der nicht- operierten Karzinomfälle durch Pyelitis ihren Tod finden (Holzbach!.

Auf das Rektum gehen im allgemeinen nur sehr weit fortgeschrittene Karzinome über. Auch hier beobachtet man in der Regel ähnlich wie beim Ureter —, daß die Schleimhaut freibleibt, wenn schon die Muskulatur des Rektums weitgehend er- griffen ist.

Zum Schluß noch ein Wort über die Mitbeteiligung der Lymphdrüsen. Die Lymphdrüsen werden auf dem Wege des kontinuierlichen Wachstums oder der Meta- stasenbildung erreicht. Endophytische Karzinome gehen rascher auf die Drüsen über als exophytische, die Inguinaldrüsen werden, selbst wenn retrograde Metastasen auf- treten, relativ selten erreicht. Hauptsitz der karzinomatösen Infektion sind die Drüsen des hypogastrischen Dreiecks. Festzuhalten ist, daß in etwa 36% der Fälle die Drüsen, trotz kranker Parametrien, gesund gefunden werden.

Die anatomischen Untersuchungen über die Ausbreitung des Kollumkarzinoms nach der Umgebung stellen also fest, daß weitaus in der Mehrzahl der Fälle mit der Er- krankung des Beckenbindegewebes oder der Lymphdrüsen zu rechnen ist, daß also die Strahlenbehandlung des Karzinoms das Gesamtausbreitungsgebiet erreichen muß. Immerhin aber können die Lymphdrüsen recht lange frei von Krebs bleiben.

Die Frage der Operabilität wird in der Regel vom Kliniker nach der Ausbreitung des Karzinoms entschieden. Selbstverständlich spielen noch andere Faktoren eine Rolle, als wie sie in dieser anatomischen Zusammenstellung genannt sind. Allgemein- erkrankungen wie Herz- und Nierenleiden, infektiöse Prozesse und Kachexie, werden in Hinsicht auf die Narkose und den Operationsschock erwogen. Trotz- dem gibt letzten Endes die Gruppeneinteilung, wie wir sie Döderlein und Krönig verdanken, den Ausschlag.

Gruppe IV schaltet in der Regel für die Operation prinzipiell aus, höchstens kann es vorkommen, daß, wenn die Frage der Fernmetastasen noch nicht absolut geklärt ist, eine Probelaparotomie vorgenommen wird, doch kann dies nur für besondere Ausnahmefälle gelten. |

Bei Gruppe III steht es in der Regel kaum anders. Hier ist die letzte Zuflucht der Probeschnitt, der über die wirkliche oder vermutete Ausdehnung der Neubildung entscheidet.

Gruppe II, auch als die Gruppe der Grenzfälle bezeichnet, stellt die größten Anforderungen an die Entscheidung des Klinikers. Das Karzinom ist in der Regel weit fortgeschritten und der Eingriff entsprechend groß. Ist das Allgemeinbefinden nicht einwandfrei, so resultiert eine primäre Mortalität, die auch heute noch 20—30 % beträgt. Es kommt hinzu, daß es sich um endophytische und infizierte Fälle handeln

Operabilität. Operieren oder Bestrahlen 537

kann, bei denen mit der lokalen Infektion und der allgemeinen Peritonitis gerechnet werden muß.

So bleibt nur die Gruppe I übrig, wo der Operateur sich leichten Herzens zum Eingriff entschließen darf, weil er mit einer gewissen Sicherheit die Prognose beurteilen kann. Leider sind die Fälle der Gruppe I trotz der Aufklärung, wie sie Winter in größtem Maßstab versucht hat, noch relativ sehr seltene Gäste in unseren Kliniken (ca. 20%). Eine Gesamtoperabilitätsziffer von 65 % (Gruppe I und II) ist schon als hoch zu bezeichnen.

Immer und immer wieder hat der Operateur, im Vertrauen auf sein Können und angesichts der trostlosen Lage, in der sich Karzinonıkranke befinden, versucht, die Operabilitätsziffer in die Höhe zu schrauben. Der Erfolg war fast überall gleich: es stieg die primäre Mortalität, ohne daß die Dauerheilung wesentlich größere Zahlen auf- wies. In neuerer Zeit hört man fast überall, daß der Prozentsatz der operablen Fälle zurückgegangen ist (München ca. 42%), weil mehr Fälle auch desolater Natur den Kliniken überwiesen werden. Steckt man die Grenzen in bezug auf die Operation noch so weit, so scheint heute doch kaum mehr als eine Operabilitätsziffer von 50%, das Resultat zu sein. Damit ist natürlich schon ein gewichtiges Wort für die zweite SE die uns hier beschäftigen soll, gesprochen, Operieren oder Bestrahlen ?

Zweites Kapitel. Operieren oder Bestrahlen?

Die Frage Operieren oder Bestrahlen zieht sich seit 1913 wie ein roter Faden durch die Literatur. Damals sind es Krönig und Gauß gewesen, welche sich auf Grund sehr schlechter Erfahrungen von der Operation des Kollumkarzinoms abgewendet haben und zur Strahlentherapie übergingen. 5,85% Heilungen nach 5, nach 10 Jahren0%, so lautete das Krönigsche Fazit der Arbeit von 1904—1911. Zwar hat Krönig nicht immer ein so schlechtes Resultat gehabt, wie er es von Freiburg mitteilen mußte, aber dieses ihn selbst erschütternde Ergebnis ließ ihn unbedingt nach neuen Wegen für die Behandlung des Uteruskarzinoms suchen. Für seinen Entschluß, zur Be- strahlung überzugehen, waren, das mag nochmals betont werden. die besonderen Freiburger Verhältnisse maßgebend.

Für uns besteht heute deshalb die Frage: Wie ist der Krönigsche Entschluß zu bewerten und wie steht es mit seiner Gültigkeit für die Allgemeinheit?

Selbstverständlich besitzt die Höhe des zahlenmäßig erfaßbaren Heilerfolges immer wieder eine ausschlaggebende Wichtigkeit in der schicksalsschweren Entscheidung Ope- rieren oder Bestrahlen. Trotzdem braucht man die erzielten Resultate nicht nur nach den absoluten Werten zu beurteilen, sondern kann sie nach den verschiedensten Richtungen hin bewerten. Warnekros sagt in seinem Referat, daß der ‚Maßstab unseres Könnens hier und wie überall in der Medizin der klinische Erfolg, d. h. die dauernde Heilung sei“. Es ist also nicht der Erfolg schlechtweg, das Primärresultat, welches nach Warnekros erstrebenswert erscheint, sondern die dauernde Befreiung von dem Leiden. Ich selbst hatte bei der ersten Durchsicht unseres Karzinommaterials den Eindruck gewonnen, daß die (Radium-) Bestrahlung mit 48stündiger Dauersitzung bei 4—5 maliger Wiederholung zwar einen riesigen Eingriff für die Frauen dar- stellte, daß damit aber falls er überstanden würde eine gewisse Sicherheit für eine Dauerheilung gegeben ist. Etwas ganz Ähnliches gilt

538 W. Lahm

übrigens für die Operation und die Primärmortalität (s. die Lebensdauer der Karzinom- kranken auf S. 541).

Zweifellos können noch andere Gesichtspunkte als wie die der Dauerheilung maß- gebend sein. So kann der Früherfolg, der ohne wesentliche Beschwerden und ohne den Kranken aus seinem Berufe zu entfernen erreicht wird, als erstrebenswert betrachtet werden. Die Schmerz- und Blutstillung, die Vermeidung tiefgreifender Schäden, die Ersparung der Operation und des Krankenhausaufenthaltes können weiterhin in den Vordergrund treten (Duncan).

Man kann also in der Frage Operieren oder Bestrahlen ein quantitativ-slatistisches und ein qualitatives Problem unterscheiden. Das quantitativ-statistische Problem be- stände danach in der Feststellung des absoluten Heilerfolges, das qualitative in der Bewertung des Heilablaufes (Flateau).

Nimmt man auf Grund dieser Ausführungen an, daß die Frage Operieren oder Bestrahlen nur aus den Erfahrungen der Praxis zu beantworten sei, so darf dem ent- gegengehalten werden, daß auch die Wissenschaft ein Wort mitzureden hat. Es ist notwendig, daß wir wissen oder erforschen, wo und wie die Strahlenenergie in den Spontanheilungsprozeß eingreift oder ihn in Gang bringt. Es muß fest- gestellt werden, ob die jeweiligen Erfolge Zufälle sind oder besonderen Glücksumständen ihr Eintreten zu verdanken ist. Auf dieser Basis erst gelingt es eine Vorstellung zu gewinnen, ob die Erfolge verbesserungsfähig sind oder nicht. Endlich ist die Frage der Strahlenschädigungen genau zu prüfen und in Vergleich zu setzen mit der geübten Technik. Die Auswahl der Fälle, ihr makroskopisches und mikroskopisches Verhalten, die Komplikation mit Myom und Schwangerschaft spielen noch eine be- sondere Rolle.

Aus der Lösung aller dieser Fragen entwickelt sich endlich ein Schema, das wir kurz als eine spezielle Indikation bezeichnen können. Es scheint, als wenn gerade in dieser Richtung die Lösung des gesamten hier angeschnittenen Fragenkomplexes zu suchen sei (Lazarus). Die Frage Operieren oder Bestrahlen darf dann aller- dings nicht in dieser Allgemeinheit gestellt werden oder sie kann falls sie gestellt wird nur eine ganz allgemeine Beantwortung erfahren. Will man zu einem wirklichen Ziel und Abschluß kommen, so müssen wir die Fälle ihrem Wesen nach unterscheiden bzw. das biologische Verhalten der Karzinome dem Körper gegenüber als Grundlage wählen und darauf aufbauend die Indikation zur Operation oder Bestrahlung oder zur kombinierten Behandlung usw. stellen.

1. Die quantitative Seite der Frage.

Als geheilt betrachtet man (nach Winter) diejenigen Fälle, welche 5 Jahre nach abgeschlossener Behandlung noch frei von einem Rezidiv gefunden werden. Wir wissen heute, daß Rezidivfreiheit noch keine Dauerheilung bedeutet, weil Rückfälle nach 10 und 15 Jahren noch vorkommen können. Trotzdem muß man sagen, daß sich die 5jährige Beobachtungsfrist als Maßstab des Erfolges durchaus bewährt hat, weil, wie eine größere Anzahl von Statistiken zeigt, nach dem 5. Jahre das Rezidiv außer- ordentlich selten ist (Thaler).

Krönig hatte bei der Sichtung seines Freiburger Operationsmaterials (Freund- Wertheim) festgestellt, daß nach 5 Jahren noch 5,85%, nach 7 Jahren noch 3,4 %,, nach 10 Jahren 0% Heilungen zu verzeichnen seien. Er ging bei der Berechnung dieser Ziffern von der Gesanıtzahl aller zugegangenen (histologisch sicher gestellten) Fälle aus (209) und hat damit die Grundlage einer Statistik geschaffen, welche für die Ent-

Das quantitative Problem 539

scheidung unserer Frage zweifellos gut brauchbar ist. In seiner Jenenser Zeit hat Krönig mit weit besserem Erfolg operiert (Dauerheilungen nach Busse 25,3%), und da an der Technik usw. durch den Übergang nach Freiburg nichts geändert wurde, so ist der allein mögliche Schluß der, daß das Freiburger Material sehr viel mehr schwerere Fälle enthielt als das Jenenser. Schon Krönig hat darauf hin- gewiesen und Opitz hat es neuerdings bestätigt. Es kommen aus der ländlichen Bevölkerung des Schwarzwaldes auffallend viel Spätfälle nach Freiburg, so daß bei einer trotzdem sehr weitgehenden Indikationsstellung die Operabilitätsziffer sehr niedrig wird.

Aus den Krönigschen ersten Bestrahlungsfällen hat Berger eine Dauer- heilungsziffer von rund 8%, berechnet. Es ist also kein Zweifel, daß für das Frei- burger Material die Bestrahlung trotz der Kinderkrankheiten, mit denen sie damals noch belastet war, zu besseren Resultaten führte als die Operation.

Betrachtet man nun aber Verhältnisse, welche nicht ganz so schlecht liegen wie die eben geschilderten in Freiburg, so kommt man in größere Verlegenheit, in welcher Richtung die Entscheidung zu suchen ist. So berechnet Döderlein die Heilungsziffer seiner Operationsfälle auf 20,4%, und bietet damit eine Zahl, wie sie fast allgemein für den Dauererfolg des operablen Kollumkarzinoms angegeben ist. Die Schwankungen in diesen Ziffern sind nicht allzu groß. Mit an der obersten Grenze steht bekanntlich Franz, der 28%, Dauerheilungen mitteilen konnte. Zahlen an der unteren Grenze haben Bumm und Sigwart mit 16% (später 32,3%) und Wertheim mit 18,3%, gegeben.

Das Bestrahlungsresultat zeigt nun bei Döderlein nach einer noch nicht ganz abgeschlossenen 5jährigen Beobachtung mit einer absoluten Heilziffer von 19,5%, fast völlige Gleichheit des Erfolges mit der Operation.

Döderlein (v. Seuffert) war bei seiner statistischen Betrachtung zunächst den gleichen Grundsätzen gefolgt wie Krönig, d.h. er hatte als Basis für seine Berech- nungen die Gesamtzahl der zugegangenen Karzinomfälle gewählt. Außerdem hat er sein Material aber in Gruppen eingeteilt und die Heilresultate für die operablen und nichtoperablen Fälle getrennt voneinander aufgestellt. Die aussichtslosen Fälle wurden bei der ersten Statistik (absolute Heilziffer) mitgezählt, bei der zweiten Auf- stellung unberücksichtigt gelassen. Dabei ergab sich, daß von den operablen Fällen (Gruppe I und II) etwa 30% durch die Bestrahlung geheilt worden waren (von Gruppe I sogar 42,5%), daß von den inoperablen Fällen 14,3%, Heilungen erzielt wurden. Damit war die Beurteilung des Erfolges nach den anatomischen Gruppen zum ersten Male entscheidend in den Vordergrund getreten. Mit aller Deut- lichkeit wurde klar, daß die Strahlenbehandlung der inoperablen Fälle beträcht- liche Erfolge versprach.

Das Döderleinsche Resultat erfuhr von allen Seiten Bestätigung. Giesecke, aus der Stöckelschen Klinik in Kiel, teilte 10,5%, Kraul aus der Pehamschen Klinik 12,5%, Bumm 14%, Baisch 16,5%, Kehrer 22% und Weinbrenner 33%, Dauer- heilungen mit. Ich habe unter Zusammenziehung von 17 in allen ihren Einzelheiten mitgeteilten Statistiken etwa 2000 Fälle zusammengesucht und 10% Heilungen der inoperablen Fälle für 5 Jahre berechnet!). Die Schwankungen sind dabei sehr erheblich gewesen (0—33%), was wohl auf die Technik der Bestrahlung zurück- zuführen ist.

1) Statistiken von Baisch, Bumm, Döderlein, Eckelt, Hüssy, Dietrich, Adler, Kupfer- berg, Schweitzer, Heymann, Seitz, Wintz, Sippel, Weinbrenner. Kehrer, v. Seuffert und Giesecke.

540 W. Lahm

Die Frage, wie man inoperable Fälle in Zukunft behandeln soll, steht nach dem Ergebnis dieser Untersuchungen bereits fest. Es kommt auf keinen Fall (primär!) eine forcierte Operation, sondern nur die Bestrah- lung in Frage. (Operation vorbestrahlter Fälle scheidet hier aus.)

Offensichtlich bleibt nach dieser Feststellung nur noch die gleiche Entscheidung für die operablen Fälle übrig. In Wirklichkeit aber kompliziert sich gerade hier die Frage in unerwarteter Weise.

Untersuchen wir zunächst, welche ResultatedieOperationbeidenoperablen Fällen aufzuweisen hat, so finden wir, daß die Werte, welche hier bekanntgeworden sind, innerhalb weiter Grenzen differieren, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Gesamt- zahl der Fälle nicht allzu groß, die möglichen Fehler der Statistik deshalb um so bedeutender sind. Döderlein rechnet mit der Operation auf etwa 32,3%, Heilungen, wobei die Gruppe I mit mehr als 40%, die Gruppe II mit nur etwa 12% beteiligt ist; Bumm-Schäfer geben 41,8%, an, Wertheim 42,2 %, Zweifel45%,v. Franque48%.

Ich will nicht darauf eingehen, ob diese Zahlen ganz den strengen Forderungen gerecht werden, welche Winter an die Statistik gestellt hat. Es muß genügen, wenn Operateure, welche mit Interesse ihr Material verfolgen, angeben, daß sie 30—50 % Dauerheilungen des Kollumkarzinoms aufzuweisen haben.

Die Strahlenbehandlung kann diesen Beobachtungen nur zum Teil ähnliche Zahlen gegenübersetzen, weil die Technik der Bestrahlung dauernd gewechselt hat und für eine bestimmte Technik noch kaum abgeschlossene Zahlenwerte vorliegen. Immerhin konnte Döderlein schon 1920 für die operablen Fälle über 31%, Dauerheilungen berichten. Baisch gibt eine Zahl von 28,5 %, Kehrer von 45,4%, an. Aus der von mir zusammen- gestellten Statistik von 2000 Fällen der Literatur ergibt sich eine Dauerheilungs- ziffer von 20,5%. Die Zahl ist auffallend klein, enthält aber natürlich alle Vor- und Nachteile, welche von Anfang an in der Strahlenbehandlung geherrscht haben. Zu sehr viel besseren Zahlen kommt man, wenn einwandfreie Technik, voll- ständig durchgeführtes Bestrahlungsschema und größere Erfahrungen berücksichtigt werden. So rechnet Kehrer mit 45,4%, Dietrich (Göttingen) mit 55%, Opitz mit 60% und Döderlein gar mit 72%, Heilungen. Trotzdem ist es kein Zweifel, daß die Strahlenbehandlung des operablen Kollumkarzinoms noch nicht durchweg einen Erfolg aufzuweisen hat, wie er durch die Operation erzielt werden kann. Selbstverständlich gilt auch für die Röntgen- und Radiumbestrahlungen, was Stöckel von der Operation sagt, „wenn man die Technik nicht hat, hat man schlechte Resultate‘.

Für die Bewertung der Gesamtfrage Operieren oder Bestrahlen können wir also sagen: Bei den inoperablen Fällen ist eine starke Überlegenheit der Strahlenbehandlung vorhanden, bei den operablen Fällen kann die Gleichberechtigung angenommen werden. In Zahlen ausgedrückt würde das heißen, es ist festzustellen, wie sich die Gesamtzahl der Heilungen. be- rechnet auf die Zahl der gesamten Zugänge, verhält (absolute Heilungs- ziffer!). Für die Operation haben wir eine Zahl von 20,5% feststellen können, für die Bestrahlung kommen nach unserer großen Statistik 20% in Frage. Daraus würde sich ergeben, daß Operation und Strahlenbehandlung als völlig gleichwertige Me- thoden nebeneinanderzustellen sind.

Vergleicht man mit diesem Resultat unsere obigen Feststellungen (wonach die Operation der Bestrahlung überlegen schien), so sieht man, wohin die Statistik führen kann. Der Einwand, daß die chirurgische Tätigkeit des Gynäkologen in dieser Statistik allzusehr mit der großen Zahl derjenigen Frauen belastet wird, welche gar nicht

Das qualitative Problem 541

von ihm behandelt werden können und behandelt worden sind, liegt nahe (Menge). Chirurgisch behandlungsfähig sind nur die operablen Karzinome, bestrahlungsfähig können alle Karzinome sein, einschließlich selbst der aussichts- losesten Fälle. Für die Operation haben wir aber eine Heilungsziffer von rund 50%, festgestellt, während von allen bestrahlten Fällen nur 20% geheilt werden.

Auch diese Art der Zusammenstellung gibt unbedingt ein schiefes Bild, denn der chirurgischen Therapie liegen nur die operablen Fälle, also die prognostisch günstigen, zugrunde, die Aktinotherapie abermußmitallen zugegangenen Fällen rechnen. Es ist leider nicht möglich gewesen, aus dem vorhandenen Zahlen- material diejenigen Fälle vom Konto der Strahlentherapie abzuziehen, welche als gänz- lich aussichtslos anzusprechen sind, weil in der Mehrzahl der Statistiken nur 3 Gruppen unterschieden werden und in der dritten Gruppe sich auch alle diejenigen Fälle befinden, welche kaum eine Aussicht auf Erfolg mehr boten. Nur Döderlein hat die absolut aus- sichtslosen Fälle besonders unterschieden. Zieht man sie von seinem mitgeteilten Material ab, so ergibt sich ein Mittelwert der Heilungen von 20,8%, für die Gesamtzahl der bestrahlten Fälle. Dieser Mittelwert erhebt sich kaum über den der allgemeinen Statistik, woraus hervorgeht, daß auch hier, trotz des Abzuges der gänzlich aussichtslosen Fälle, noch eine enorme Belastung durch die prognostisch sehr ungünstigen, wenn auch nicht aussichtslosen Fälle vorliegt.

Es bleibt uns zuletzt deshalb nichts anderes übrig, als einen Vergleich zwischen den prognostisch genau gleichmäßig zu beurteilenden Fällen zu ziehen. Leider ist auch das zum Teil nicht möglich, weil die Unterscheidung der Fälle in den Statistiken nicht scharf genug oder das Material zu klein ist. Vor allem lassen in dieser Beziehung die Operationsstatistiken im Stich. Nur ganz allgemein kann man sagen, daß sowohl bei der Operation wie bei der aktinischen Therapie die doppelte bis drei- fache Heilung in Gruppelerreicht wird wiein Gruppe II und daß die Strahlen- behandlung bei geeigneter Technik eine Unterlegenheit nicht erkennen läßt. Baisch z. B. und ebenso Recazens ziehen für beginnende Karzinome unbedingt die Strahlen- behandlung vor und weisen auf 100%, Erfolge hin; ähnlich E. Kehrer.

Obwohl wir nach diesen Zusammenstellungen fast die Unmöglichkeit zugeben müssen, auf Grund der Statistik eine auch nur allgemeine Beantwortung der Frage Operieren oder Bestrahlen zu geben, dürfen wir auf Grund des vor- handenen Zahlenmaterials doch sagen, daß die Operation und die Bestrahlung, wenn sie in geeigneten Händen ruhen, als gleichwertige Methoden nebeneinandergestellt werden dürfen.

2. Die qualitative Seite der Frage.

Als qualitative Seite der Frage Operieren oder Bestrahlen wollten wir die Art des Heilverlaufes betrachten.

a) Lebensverlängerung. Es ist wiederum Krönig gewesen, der zum ersten Male das Augenmerk auf den späteren Verlauf der behandelten Fälle gelenkt hat und damit der Statistik gewissermaßen das starre Wesen der nackten Zahlen genommen hat. Krönig ließ bei seinem Freiburger Material zunächst die Lebensdauer der Fälle ver- folgen, und zwar getrennt vom Beginn der ersten Symptome bis zum Klinikaufenthalt und von da bis zum Tode. Unter dem Einfluß der hohen primären Operationsmortalität haben die operierten Frauen im Durchschnitt kein längeres Leben auf- zuweisen als die nichtoperierten. Alle Karzinome besitzen durchschnittlich eine Lebensdauer von insgesamt 85 Wochen, d h. vom ersten Beginn der Erscheinungen bis zum Tode vergingen noch nicht ganz 2 Jahre. Die Operabilitätsgrenze wird etwa

542 W. Lahm

29 Wochen nach Beginn der Erkrankung (= 7 Monate) erreicht. Am Ende des ersten Jahres waren nahezu alle Fälle inoperabel. Nach der Aufnahme in die Klinik leben die operablen Fälle im Durchschnitt noch 56 Wochen, die nichtoperierten noch 32 Wochen. Die überlebende Kranke hat nach der Operation etwa 5%, Wahrscheinlichkeit, am Ende des 4. Jahres noch zu leben, für die nichtoperierte eröffnet sich eine solche Aussicht überhaupt nicht.

Es ist natürlich schwer, in allgemeinen Worten eine solche Statistik aufzustellen. Immerhin ist es interessant, daß durch diese Untersuchungen eine gewisse Konstanz der Wachstumsgeschwindigkeit aller Karzinome festgestellt werden konnte, welche darin zum Ausdruck kommt, daß vom Beginn der ersten Symptome bis zum Tode stets an- nähernd die gleiche Zeit verstreicht. Doch muß betont werden, daß die Krönigschen Zahlen von Müller publiziert nur für die Freiburger Verhältnisse gelten. Nach- prüfungen, die inzwischen von Siegel und Kraul gemacht worden sind, kommen zum Teil zu etwas anderen Resultaten.

Siegel findet, daß die operierten Fälle von der Klinikaufnahme an noch ca. 141 Wochen (= 2°/, Jahre) zu leben haben, indessen die nichtoperablen Fälle eine Lebens- dauer von 117 Wochen (=: 21/, Jahr) aufweisen. Auch hier ist also ein Gewinn durch die Operation von nur etwa einem halben Jahre zu verzeichnen. Der Vorteil der Operation liegt darin, daß 5 Jahre nach dem Behandlungsbeginn von den Operierten noch 24%, von den Nichtoperierten nur noch 13%, leben.

Kraul findet bei dem Wiener Material eine durchschnittliche Lebensdauer der nichtbehandelten Karzinome von Beginn der ersten Symptome bis zum Tode von 34 Wochen (= 9 Monate), bei Operierten eine solche von 96 Wochen (=: His Jahr), bei Bestrahlten (Bestrahlung wurde nur bei den inoperablen und aussichtslosen Fällen vorgenommen) von 60 Wochen. Danach ist der Einfluß der Operation und auch der Bestrahlung deutlich und bemerkenswert. Im übrigen würde sich die Bösartigkeit des Freiburger Krebses sowohl gegenüber dem Wiener wie dem Gießener Material eindrucksvoll hervorheben.

Außer der Lebensdauer sind verfolgt worden die Rezidivbildung nach Operation und Bestrahlung, die Metastasierung in ferngelegene Organe, die Möglichkeit der lokalen und allgemeinen Schädigungen (Verbrennung, Fisteln, Blutbild, Kachexie), die Besserung der Operabilitätsziffer durch die Bestrahlung, die Behebung der Schmerzen, die Behandlungsfähigkeit der Rezidive u. a. m. Nur in Stichworten kann auf die angeschnittenen Fragen eingegangen werden. 8

b) Rezidivbildung. Es ist nicht leicht, das Rezidiv einwandfrei festzustellen oder auszuschließen. ‚Gesundheit‘ als solche, ‚„völliges Wohlbefinden‘, selbst erhebliche Gewichtszunahme und objektiv nachweisbare Rekonstruktion der vorher zerfallenen Portio (Bumm) schließen das Rezidiv nicht aus, wie anderseits fühlbare Verände- rungen in den Parametrien in Form von Strängen, Verdichtungen, Knotenbildungen usw. das Rezidiv nicht sicher stellen. Selbst abnehmendes Gewicht und Kachexie sprechen nicht eindeutig für den Rückfall. So ist die Frage, ob und wann ein Rezidiv eingetreten ist, nicht ganz leicht einwandfrei zu beantworten. Letzten Endes bleibt doch nur als Kontrolle die länger andauernde Beobachtung, so daß auch aus diesem Grunde eine Statistik, welche sich auf zu kurze Zeiträume erstreckt, abgelehnt werden muß. Heymann hat es seinerzeit zuerst ausgesprochen, daß ein Rezidiv nach einer seit einem Jahre eingetretenen Heilung kaum noch zu erwarten sei und zu den Aus- nahmen gerechnet werden müsse. Er hält auch heute noch mehr oder weniger an dieser Auffassung fest, obwohl ihm Bumm auf Grund seiner eigenen Beobachtungen ent- schieden widersprochen hat und auch Wintz eine solche Annahme für „etwas zu vor-

Rezidivbildung, Schädigungen 543

eilig“ hält. Seitz wiederum möchte trotzdem eine vorläufige Statistik (Beobach- tung 2—3 Jahre) empfehlen und glaubt, daß die spätere Beobachtung nicht mehr allzuviel an den Primärerfolgen ändern würde. Weshalb ein solcher Standpunkt seine Bedenken hat, ist schon oben auseinandergesetzt worden. Die Diagnose des Rezidivs ist gar zu schwer, und je länger wir die bestrahlten Fälle nachbeobachten konnten, desto mehr stellt sich heraus, daß die Zahl der Dauerheilungen bis zum 5. Jahre noch erheblich abfällt. Dann allerdings scheint eine recht beachtliche Konstanz der Heil- ziffern einzutreten.

c) Metastasenbildung nach ferngelegenen Organen. Von Prochownik und Adler zum ersten Male in die Diskussion geworfen, ist die Auffassung, daß die bestrahlten Fälle bei der Rezidivierung besonders häufig zur Aussaat von Fernmietastasen neigten, fast Allgemeingut geworden. Wertheimer ist dieser Frage am Material der Frank- furter Frauenklinik (unter Walthard) eingehend nachgegangen und konnte fest- stellen:

a) daß bei nichtbestrahlten Fällen Metastasen in ca. 54%, auftreten die Zahl

stimmt gut mit den Literaturangaben überein (Mittelwert 55,7 %);

b) daß bei bestrahlten Fällen in 48,2%, Metastasen vorhanden sind, welche sich auf nah- und ferngelegene Gebiete verteilen.

Danach beurteilt, würden die bestrahlten Fälle im ganzen also besser dastehen als die nichtbestrahlten Fälle. Vergleicht man aber nun die Bildung der Fernmetastasen miteinander, so ergibt sich:

c) daß die bronchialen, trachealen und subklavikularen Drüsen bei unbestrahlten

Fällen häufiger befallen waren als bei bestrahlten (14% zu 3,7 %);

d) daß von den befallenen Organen nur die Leber eine auffallende und stark betonte Sonderstellung einnimmt. Während bei der Lunge, der Milz, der Niere, den Nebennieren und den Knochen das Verhältnis der Metastasen bei bestrahlten und unbestrahlten Fällen nur 2:3 betrug, fand sich bei der Leber ein Verhältnis von fast 2:1.

Aus diesen Beobachtungen, welche Wertheimer übrigens auch nach der Rich- tung hin ergänzte, daß bei jugendlichen Personen der Krebs eine starke Proliferations- fähigkeit aufweist, geht hervor, daß im allgemeinen die bestrahlten Fälle in bezug auf die Fernmetastasen nicht ungünstiger dastehen als die nichtbestrahlten, daß aber Lebermetastasen mit einer gewissen Häufigkeit zur Beobachtung kommen.

d Die Möglichkeit der lokalen und allgemeinen Schädigungen. Hier steht die Operationsbehandlung der Strahlentherapie kaum nach. Schon die hohe Zahl der Todes- fälle bei der Operation weist darauf hin. Zwar ist die Mortalität der bestrahlten Fälle entgegen einer oft gehörten Anschauung nicht Null, aber bei geeigneter Technik und Aus- wahl der Fälle ist sie im ganzen doch recht gering. Dafür kommen aber auf das Konto der Strahlenbehandlung die Schädigungen, über welche auf Seite 589 genauer berichtet ist, und auf das Konto der Operation die zahlreichen Nebenverletzungen, welche immer möglich sind. Die operativen Schädigungen sind allerdings in der bisweilen sehr hohen primären Mortalitätsziffer enthalten (bis zu 35%), die Strahlenschädigungen dagegen entwickeln sich schleichend. Dadurch können sie, besonders wenn man die lange Dauer der Hautschädigungen und die Unzuträglichkeiten der Fisteln bedenkt, zu einer rechten Crux medicorum werden. In neuester Zeit hat Belugin über die Beeinflussung der Sterb- lichkeit durch im Becken befindliche Eiterherde bei der Radiumbestrahlung berichtet und unter 600 Fällen doch über nahezu 4%, Mortalität durch eitrige Prozesse im Becken oder im Peritoneum berichtet. Er führt derartige Krankheiten auf eine aktive Strahlen- wirkung zurück.

544 W. Lahm

e) Entscheidend zugunsten der Bestrahlung spricht die Besserung der Operabilitäts- Ziler, Zwar bestehen darüber keine Statistiken. Doch haben eine große Anzahl von Autoren (Bumm, Baisch, A. Meyer, Schmieden, Fletscher, Shaw) von der Bedeutung der Vorbestrahlung berichtet. Man kann diese Vorbestrahlung sowohl mit Röntgenstrahlen wie mit Radium ausführen. Es überhäutet das Karzinom, es wird kleiner, die Infektionsgefahr wird geringer, und, wie Schmieden meint, wird auch die Proliferationskraft des Karzinoms geschwächt. Selbst wenn ein Karzinom unter der Vorbestrahlung nicht völlig operabel wird, so besteht nun doch die Möglichkeit zu einer unvollkommenen Operation, womit bei der zweifellos hohen Bedeutung der Nachbestrahlung nach Operation ein beachtlicher Fortschritt erzielt ist.

f) Schmerzen sind ein Symptom der Spätfälle oder der Rezidive. Operationen sind in beiden Fällen zwar möglich, besonders beim Rezidiv (Franz, Henkel), aber gefährlich, und die Schmerzen werden nicht selten durch die Operation nicht beeinflußt. Die Bestrahlung greift auch hier als ein sehr wertvolles Hilfsmittel ein und ist nicht selten von einem glänzenden wenn vielleicht auch vorübergehenden Erfolg be- gleitet.

g) Für die Behandlung schwerer Rezidive, bei denen, wie gesagt, die Operation sehr oft versagt, stellt die Strahlentherapie die letzte Möglichkeit der Hilfe dar.

Ükerblickt man das, was wir als qualitative Seite der Frage „Operieren oder Be- Strahlen?" aufgefaßt haben, so ergibt sich eine ganze Reihe von Gesichtspunkten, welche zugunsten der Bestrahlung sprechen. Selbstverständlich sind wir über den Heilungs- verlauf im Anschluß an die Bestrahlung erst durch die praktische Erfahrung belehrt worden. Im gleichen Bereich in der Praxis der Strahlenbehandlung liegt noch eine ganze Reihe von Punkten, welche bei der Frage Operieren oder Bestrahlen bedacht werden müssen. Fieber, welches während der Bestrahlung eintritt (besonders bei der Radiumbestrahlung), das Wegbleiben der Patienten nach der ersten Bestrahlungs- serie oder nach einer Teilbestrahlung, die manchmal schwierige Organisation und die Anpassung der Bestrahlungsabteilungen an den klinischen Betrieb, die enormen Aufwendungen an Unkosten und Arbeit und an technischen Fähigkeiten und Fertigkeiten sind hier zu nennen. Wir werden über die meisten dieser Punkte später noch berichten. Es mag aber schon hier betont sein, daß z. B. Fiebersteigerungen häufig auftreten und bisweilen auch die Entfernung des Radiums vorzeitig fordern. Übersteigt aber das Fieber nicht 38,5, so bleibt uns die Möglichkeit der Röntgenbestrah- lung als Zusatzbestrahlung noch erhalten. Steigt die Temperatur allerdings höher an, so müssen wir unbedingt mit der Behandlung warten. Oftmals schließt sich an eine Radiumbestrahlung ein langes Krankenlager an, welches in seinem Einfluß auf den anatomischen Prozeß aber ganz verschieden zu bewerten ist. Das Karzinom kann während dieser Zeit stationär bleiben, zurückgehen oder stark wurchern. Es kann sein, daß nach dieser Erkrankung die Weiterbehandlung mit Radium unmöglich wird; die Röntgenbehandlung kann meist, wenn auch erst nach längerer Zeit, unbedenklich durchgeführt werden und ist auch bald nach Abfall des Fiebers möglich, falls keine thrombotischen Prozesse im Becken bestehen. Das sog. Fortbleiben der Patienten ist ein schwierig zu beurteilender Nachteil der Strahlenbehandlung. Fast überall findet man Klagen darüber in der Literatur. Am meisten hat wohl Adler diesen Nachteil hervor- gehoben. Es scheint nicht ausgeschlossen, daß die Radiumbehandlung wegen ihrer Schmerzhaftigkeit besonders mit diesem Nachteil belastet ist und daß man in Zukunft sie möglichst schmerzlos durchführen muß. Im übrigen aber mag darauf hingewiesen sein, daß auch hier wie überall die gute Behandlung und die Aufklärung der Frauen

Vernichtung des Neoplasmas, Schonung des Wundbettes 545

mit am meisten Erfolg verspricht. Selbst die Größe der Bestrahlungsinstitute spielt hierbei vielleicht eine Rolle, weil die individuelle und dauernde Nachkontrolle der zu bestrahlenden Fälle und auch der Erfolg der Behandlung, der zweifellos mit der Zahl der bestrahlenden Personen sinkt, maßgebend für das Verhalten der Frauen ist.

Wegen der Teilbestrahlung, welche man früher wegen der Gefahr der Reiz- dosierung so ängstlich beurteilte, braucht man heute keine erheblichen Bedenken mehr zu haben. Selbstverständlich ist es nicht zweckmäßig, die Bestrahlung zu verzetteln, aber wirkliche Schädigungen werden durch Teilbestrahlung wohl kaum bewirkt.

Wenn wir in den bisherigen Ausführungen besonders die praktische Seite der Strahlentherapie hervorgehoben haben, so soll zum Schlusse wenigstens noch erwähnt werden, daß auch die wissenschaftliche Seite an dem Problem Öperieren oder Bestrahlen mitspricht. Es kommt z. B. in Frage der Angriffspunkt der Strahlen, ob er an den Karzinomzellen, im Bindegewebe oder an den Heilkräften des Gesanıt- organismus erfolgt; es kommt in Frage die Biologie des Gewebes, die Höhe der Dosis nach Qualität und Quantität, die Technik der Bestrahlung, die Dosierung nach Zeit und Reizgröße. Über alle diese Punkte müssen wir in unseren späteren Betrachtungen ausführlich sprechen. Es soll hier nur gezeigt werden, daß die Beant- wortung der Frage Operieren oder Bestrahlen nicht in zwei Worten erfolgen kann. Wollen wir trotzdem zum Schluß unsere Auffassung in wenigen Sätzen zusammenfassen, so müssen wir sagen:

Es steht fest, daß die Operation und die Bestrahlung bei der Be- handlung des Kollumkarzinoms als gleichwertige Methoden aufzufassen sind, so daß wir, wenn irgend angängig, beide Methoden, und zwar prinzi- piell zur Anwendung bringen sollen. Dabei ist darauf zu achten, daß die Ope- ration nicht mit einer zu hohen primären Mortalität belastet wird.

Wenn es sich um inoperable Fälle handelt, soll vorbestrahlt werden, und zwar mit heilkräftiger Dosis. Sollte dadurch die Operation möglich werden, so ist zu operieren. Auf diese evtl. notwendige Operation ist bei der Technik der Strahlenbehandlung zu achten. Sind die Fälle weiterhin inoperabel, so sind sie auch weiterhin zu bestrahlen, weil die Erfolge bei geeigneter Technik und Dosierung durchaus gut sind.

Auch bei der Operation und Bestrahlung ist zu sagen, was schon im anatomischen Teile betont wurde, Vernichtung des Neoplasmas, Schonung aber des Wundbettes.

Nicht in der Größe der Operation liegt die Hoffnung auf den Erfolg begründet, sondern in der Entfernung des größeren Anteils vom Krebs überhaupt; was das Messer entfernt hat, braucht der Organismus nicht mehr zu überwinden.

Drittes Kapitel.

Die Radiumbestrahlung. 1. Zur historischen Entwicklung.

Runge gibt, wie die Mehrzahl der deutschen Autoren, in seinem „Praktikum der gynäkologischen Strahlentherapie“ an, daß der Amerikaner Abbé die ersten Versuche gemacht habe, das Uteruskarzinom mit Radium zu heilen (1905). Foveau de Cour- melles nennt Danlos als den Vater der Radiumtherapie, insofern er die strahlende

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I. 35

546 W. Lahm

Substanz überhaupt zum ersten Male als „Heilmittel“, und zwar gegen die Hauttuber- kulose verwendet habe (1901). Für sich selbst nimmt er die Priorität in Anspruch, erstmalig tiefliegende Karzinome mit Radium behandelt zu haben (1904).

Wie dem auch sei: Ich habe den Eindruck, daß man Exner das Verdienst zu- erkennen muß, die Bedeutung der Radiumstrahlen für die Krebsbehandlung nicht nur erkannt, sondern auch das Problem der Heilwirkung so in Angriff genommen und ge- fördert zu haben, daß daraus die Praxis der Radiumbehandlung eine verläßliche Unter- lage gewinnen konnte. Exner (Sitzungsber. d. kaiserl. Ak. d. Wiss., math.-naturw. Kl., 1903, 112) hat gezeigt, daß

l. eine Beeinflussung des Karzinomgewebes durch die Bestrahlung mit Radium-

promid stets erfolgt,

2. Geschwülste von nicht zu großem Umfang unter Umständen ganz bemerkens-

werte Resultate erkennen lassen,

3. die Karzinomzellen unter dem Bilde degenerativer Erscheinungen durch wuchern-

des Bindegewebe verdrängt (,‚zersprengt‘‘) werden.

Exner schließt aus diesen Beobachtungen auf eine große Heilwirkung des Radiums, empfiehlt aber die praktische Anwendung nur für inoperable Fälle.

Im Jahre 1906 erschien eine kleine Arbeit von Schücking (Pyrmont), der bei einer 56jährigen Frau nach Anwendung von 3 mg Radiumbromid den ausgedehnten Zerfall eines inoperablen J,ervixkarzinoms beobachtet hatte. Mikroskopisch konnte er am Rande des Zerfallsherdes zahlreiche Mitosen im Karzinomgewebe und schwere Gefäßveränderungen Sklerosen und Endothel- schädigungen im Bindegewebe feststellen. Bis 1906 war das Radium ungefiltert in kleinen Hartgummi- . . . kapseln mit Glimmerfenster verwendet worden, d. h. modern Abb. 1. Dominici- Sg Ge e Röhrchen, breite gesprochen: es hatte eine kombinierte Bestrahlung mit ß- und kurze und längere Y-Strahlen stattgefunden. schmale Form. Neu war nunmehr die „Hartfilterung“, welche Dominici einführte (1907). Neu war auch die Anwendung großer Mengen von Radium (50 mg Radiumbromid), obwohl darauf von Dominici noch kein Wert gelegt wurde.

Das Hartfilter Dominicis bestand aus 1/, mm Blei oder einer äquivalenten Filte- rung (s. S. 573) mit Gold oder Silber; zugleich wurden die sekundären Strahlen, welche im Filter entstehen, durch Papier oder Gaze abgefangen. Dominici nannte seine (neue) Strahlung „ultrapenetrierend‘ und konnte ihre große Wirkung, trotz der durch die Filterung bedingten Intensitätsabnahme auf etwa ein Zwölftel der ursprüng- lichen Stärke, bald nachweisen.

Die Radiumträger (Röhrchen, Tuben), welche Dominici angab, haben von ihrem Erfinder den Namen bis auf den heutigen Tag behalten; es sind zylindrische, gerade Hohlgefäße von ca. 2,5—3cm Länge und 0,6—1 cm Dicke. Das Radium wurde, meist in feine Silberhülsen verpackt, in diese Röhrchen hineingeschoben. Ver- schluß durch ein Schraubengewinde (Abb. 1).

Wickham und Degrais (1908) haben als erste die Dominici-Methode weiter ausgebaut; sie bestrahlten systematisch und waren durch sog. „Filterkontrollen‘ (bis zu 2 und 3 mm Blei) immer mehr bestrebt, die Strahlung von ß-Strahlen zu reinigen. Sie haben als erste die Kreuzfeuerbestrahlung ausgeführt.

Große Dosen Radium haben sodann Cheron und Rubens Duval (1910) empfohlen und angewendet. Sie nannten ihre Bestrahlung die „Technik der mas-

Historisches zur Radiumtherapie 547

siven Dosen" und wiesen darauf hin, daß man um so stärker filtern müsse, je höher die Wertigkeit der Präparate sei. Trotzdem beobachteten sie, was erst die späteren Untersucher wieder genauer kennen lehrten, „Radiumschwielen‘, d. h. ‚an die Stelle des Karzinoms traten nach der Bestrahlung derbe Massen‘, welche sowohl der Diagnose „Heilung“ als auch der späteren Allgemeinprognose Schwierigkeiten machten.

In Deutschland war man in der gleichen Zeit (1910) auch lebhaft an der Arbeit. So berichten Czerny, Seligmann und Nahmacher, der erstgenannte auf dem 39. Chirurgenkongreß in Berlin, von ihren Erfahrungen mit Radium. Czerny hatte manchen Erfolg gesehen und wollte Radium weiter verwenden. Seligmann betont die schmerzlindernde Wirkung, sieht darin zugleich aber eine Gefahr, weil durch Zuwarten in dieser Zeit der (klinischen) Remission vielleicht die kostbarste Zeit für die (doch notwendige) Operation verlorengehe. Nahmacher betont gleich Chéron und Rubens Duval —, daß man hohe Dosen anwenden müsse (10 und 20 mg in zahlreichen Sitzungen) und sieht einen besonderen Vorzug der Bestrahlung in der Kombination mit der Operation (Vor- und Nachbestrahlung). Nahmacher konnte schon über mehr als 100 zum Teil sehr beachtliche Erfahrungen berichten und hat sich auch die histologische Untersuchung seiner Fälle angelegen sein lassen (Schmor!).

Frl. Lourier (Petersburg) hat die neue Methode auch im Tierversuch angewendet. Es ist interessant zu wissen, daß sie trotz eines deutlichen Rückganges der Geschwülste (Nekrose usw.) noch positive Impfresultate bei Übertragung auf gesunde Tiere erhielt. Bekanntlich haben Kaysser, Opitz u. a. in neuester Zeit die gleiche Beob- achtung gemacht, wobei nur zu bemerken ist, daß die Methodik der neueren Unter- sucher der fortgeschrittenen Erkenntnis entsprechend exakter war. Kayser konnte bekanntlich feststellen, daß bisweilen selbst die 2- und 4fache ‚Karzinomdosis‘“ nicht genügte, um den Impfversuch negativ werden zu lassen.

In einer zweiten Arbeit haben dann Chéron und Rubens Duval Richtlinien für die Behandlung der Zervixkarzinome mit ‚tief eindringenden Radiumstrahlen‘“ auf- gestellt: operable Fälle sollen operiert werden; fortgeschrittene Karzinome soll man entweder allein bestrahlen (Prognose aussichtsvoll) oder operieren und nachbestrahlen; inoperable Fälle sind der Radiumbehandlung un- bedingt zuzuweisen. Interessant ist hier wiederum eins: die Autoren behaupten, die Radiumbestrahlung mache die Tumoren keimfrei. Exakt bewiesen wird das nicht; vor allem fehlen auch die Angaben, welche Dosen dafür nötig seien. Ich möchte daran erinnern, daß die neuesten Erfahrungen (Chirurgenkongreß 1924, Heidenhain) davon zu berichten wissen, daß durch Röntgenschwachbestrahlung Keimfreiheit von Wunden, Phlegmonen und Panaritien zu erzielen ist.

Das Bild, das sich etwa um das Jahr 1911 von der neuen Radiumtherapie abzeichnet, läßt schon gewisse Linien erkennen. Ich bin nicht der Meinung Meidners, daß es in Deutschland ziemlich trostlos gewesen sei und daß ein Erfolg von der Radiumbehand- lung sich nur bei flachen, oberflächlichen Geschwülsten erwarten lasse. Es ist richtig: in Deutschland dem doch sicher reichen Lande klagte man über die hohen Preise der radioaktiven Substanz, und schon damals steht zu lesen: Ja, wenn das Radium nicht so teuer wäre! Nur so ist es meines Erachtens zu erklären, daß z. B. Arendt auf den Gedanken kommen konnte (von Lazarus später sehr energisch abgelehnt), statt mit den Radiumsalzen mit gepulverter Uranpechblende (in Gummihülle ge- packt) zu bestrahlen. Arendt hat im übrigen abgesehen von der Entgleisung, daß „Dosierung nur bei hohen Dosen notwendig sei“ sehr richtig bemerkt, daß die hohen Intensitäten kleiner Präparate zu vermeiden seien und daß statt dessen nur ‚„‚umfang- reiche Flächen“ zur Anwendung kommen sollten. Wir werden später schen, welche

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548 W. Lahm

Bedeutung gerade dieses Problem in der Radiumtiefentherapie durch v. Seuffert, Friedrich, Menge, Kehrer-Lahm, Matzdorf u. a. gewonnen hat.

Pinkuss, Littauer, Sticker, Werner, v. Seuffert und Gauß haben dann ‚weiterhin über die Erfolge mit Radium berichtet. Das Kongreßjahr 1913, das von so außerordentlicher Bedeutung für die Radiotherapie (wie man sie schon damals nannte) war, warf seine Schatten voraus. Sticker schuf ein sorgfältig durchgearbeitetes Radium- instrumentarium, Werner kombinierte auch die Radiumbehandlung mit Borcholin, und v. Seuffert und Gauß wiesen erstmalig auf denLeukozytensturz hin, den die Intensivbestrahlung zur Folge hat.

In aller Erinnerung steht das Kongreßjahr 1913 (Kongreß für Physiotherapie in Berlin, Internationaler medizinischer Kongreß in London) und ganz besonders die Tagung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie in Halle (Engelhorn). Sie zu charakterisieren ist wohl nichts geeigneter als ein Passus aus der Rede Bumms, welche er als Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie am 26. Mai 1920 bei Eröffnung hielt:

„Wir sind vor 7 Jahren von Halle in einem merkwürdigen Zustande der Begeiste- rung man kann fast sagen der Berauschung nach Hause gegangen. Ungeahnte Möglichkeiten schienen sich aufzutun. Die gutartigen Uterusgeschwülste waren mit Hilfe der Röntgenröhre überwunden und zur Heilung gebracht. Es schien, als ob durch die Verwendung der Strahlen des Radiums und des Mesothoriums nun auch das zweite viel größere, heiß umstrittene Problem der operationslosen Heilung bösartiger Neu- bildungen der Verwirklichung nahegebracht wäre. Radium war damals die Losung, wie alle wissen, die auf jenem Kongreß gewesen sind, und die begehrtesten Leute waren dort die Vertreter der Firmen, die Radium und Mesothorium zu vergeben hatten.

Eine Erinnerung bezeichnet vielleicht am besten die damals herrschende Stimmung.

Ich ging mit meinem alten Freunde Wertheim, den uns im Frühjahr, viel zu früh für uns und die Wissenschaft, auf der Höhe seines Schaffens eine tückische Grippe entrissen hat, nach der Sitzung, in der die Erfolge des Radiums demonstriert worden waren, in Lauchstädt,. dem klassischen Badeort bei Halle, auf Goetheschen Wegen spazieren.

Wertheim hatte ein Manuskript in der Tasche, das er mir zeigte und welches die sämtlichen Resultate seiner Operationen beim Uteruskarzinom, wohlgeordnet und untersucht enthielt. Er meinte: Es hat nun keinen Sinn mehr, diese Tabellen zu demon- strieren und zu verlesen, ich muß es als ein tragisches Schicksal hinnehmen, daß meine Lebensarbeit, die Radikaloperation des Uteruskarzinoms, in dem Augenblick überholt und unnütz gemacht wird, wo ich sie mit vielen Mühen und unter sehr schmerzlichen Verlusten auf die Höhe der Ausbildung gebracht habe.“

Wie anders ist es gekommen, und doch:

Kein Zweifel, daß der Gynäkologenkongreß 1913 ein Markstein in der Geschichte der Radiumbehandlung war und ist. Mit einem Schlage war die neue Therapie im Bewußtsein aller Ärzte und vieler gebildeter Laien. Aber indes die hohen Wogen der Begeisterung nach außen hin langsam abebbten, setzte an allen Orten eine intensive Arbeitsleistung ein, welche insbesondere den Problemen der Tiefenwirkung und des Wirkungsmechanismus gewidmet war. Bumm hat wohl mit als erster die sog. „s-em-Grenze“ in die Diskussion geworfen. Anfangs meinte er, viel weiter reiche das Messer des Chirurgen auch nicht, später fand er in den 3 Zentimetern eine bedrückend enge Grenze, die auch durch die Steigerung der Dosis wenigstens nicht ungestraft nicht zu überwinden sei. Der Wirkungsmechanismus der Radiumbestrahlung schien nach zwei Richtungen hin der Aufklärung zu bedürfen: nach der physikalischen

Bergonniesches und Schultz-Arndtsches Gesetz 549

und nach der biologischen. Das physikalische Problem führte vor allem auch in starker Anlehnung an die inzwischen mächtig aufblühende Röntgenologie zu mehr oder minder ausgiebigen, falschen und richtigen, nutzbringenden und nutzlosen Be- trachtungen über die „physikalische Dosis‘‘, die Sekundärstrahlung u. a. m. und ist heute ziemlich im Sande steckengeblieben. Die biologische Erforschung der Strahlenwirkung ist dagegen heute noch in vollem Fluß, sie schickt sich vielleicht sogar an, uns zu neuen Wegen in der Strahlenbehandlung zu führen. Hier sollen die Frage- stellungen nur kurz angedeutet werden. Schon Exner, nach ihm Sticker und Heinicke, haben die Anschauung vertreten, daß das Krebsgewebe nicht primär, sondern sekundär, und zwar unter dem Einfluß des wuchernden Bindegewebes, zugrunde gehe (,,Druckschwund‘“‘). Heute vertreten Opitz, Kok, Kaysser u. a. fast den gleichen Standpunkt und hoffen durch entsprechende Bestrahlung gerade der Geschwulst- umgebung die Heilerfolge zu steigern. Das ist die eine Seite des Problems; die andere gruppiert sich um die Richtigkeit des Bergonnieschen und des Schultz-Arudt- schen Gesetzes. Danach soll erstens die Strahlenempfindlichkeit der Zellen größer sein, je größer ihre reproduktive Tätigkeit ist, je länger ihr karygenetisches Werden dauert und je weniger ihre Morphologie und Funktion bereits fixiert sind. Zweitens aber sollen kleine Dosen wachstumsfördernd (reizend), große Dosen wachstums- hemmend (lähmend) wirken. Eine Teilfrage dieses Problems wäre die wechselnde Strahlenempfindlichkeit der Gebärmutterkrebse je nach ihrer histologischen Beschaffen- heit (Kehrer-Lahm, Döderlein jun.).

Das Bergonni6sche Gesetz, schon von Wickham und Bellot angezogen und be- stätigt, dürfte im großen und ganzen seine Richtigkeit haben. Aber: die genannten Zell- eigenschaften sind nicht Individualcharaktere, sondern sie spiegeln bis zu einem ge- wissen Grade die altruistischen Gesetze wider, welche im Metazoon die Gewebe zu Organen und die Organe zum Organismus vereinigen. Wenn wir erst hier gewisse Ein- blicke werden gewonnen haben, so wird es uns vielleicht gelingen, in jedem Falle die Strahlenempfindlichkeit einer Zelle oder eines Gewebes vorauszusagen. Aber nicht nur dies: es wird uns vielleicht auch die Möglichkeit gegeben sein, den einen oder den anderen Faktor im Leben der Zelle willkürlich derart zu beeinflussen, daß eine gesteigerte Sensi- bilität erzielt wird. Hofbauers Hypophysenvorbestrahlung bei Genitalkarzinomen stellt vielleicht eine Etappe auf diesem Wege dar (s. Abschnitt B, Sensibilität und Sensi- bilisierung).

Das Schulz-Arndtsche Gesetz ist heiß umstritten. Von vielen behauptet oder stillschweigend angenommen und von Voltz in strenge physikalische und mathematische Formen gegossen, hat es durch Holzknecht, Pordes u.a. eine scharfe Ablehnung erfahren. Nicht alles, was wie eine ‚Reiz‘‘dosierung aussieht, ist eine solche. Die Probleme liegen hier zur Zeit viel tiefer (Lahm). Wie es scheint, wird das Schultz-Arndtsche Gesetz für die nächste Zeit keine Bedeutung für die Praxis der Bestrahlung haben, womit selbstverständlich nicht auch gesagt ist, daß die kleinen Dosen keine Daseins- berechtigung hätten.

Eine wichtige Etappe auf dem Wege.der Radiumanwendung in der Gynäkologie stellt die Arbeit von E. Kehrer aus dem Jahre 1918 dar, insofern sie sich mit dem Problem der Dosierung und der Tiefenwirkung (Reichweite) der Radiumpräparate ein- gehend beschäftigt. Sie hat in der Therapie der radioaktiven Strahlen im Sinne Krönigs ganz entschieden die Forderung nach exakter Bestimmung der Strahlenintensität auf- genommen und wollte an Hand einer Reihe von Präparaten mit bekannter Aktivität und auf Grund zahlreicher bestrahlter Karzinome ganz bestimmte Zahlenwerte an- geben, welche als Grundlage für die praktische Dosierung gelten sollten. Leider haben

550 W. Lahm

sich nicht alle Zahlen und Angaben später als richtig aufrechterhalten lassen, weil sie zum Teil auf falschen Voraussetzungen beruhten (Absorption im Gewebe zu hoch an- gesetzt u. a. m.), aber der Gedanke als solcher, daß nur die exakte Dosierung zu neuem Fortschritt führen könne, war richtig und fruchtbringend.

Fast um die gleiche Zeit war das ausgezeichnete, leider nur zu wenig beachtete Buch von v. Seuffert nach langen Druckschwierigkeiten erschienen. Es enthält eine Fülle von Material der Döderleinschen Klinik und ist eine fast unerschöpfliche Fund- grube für den exakt und wissenschaftlich arbeitenden Radiologen. Was Keetman schon 1913 betont hatte, daß die Radiumwirkung nicht nur von der angewandten Menge und der Bestrahlungszeit, sondern noch viel mehr vom Abstand und der Konzentration der radioaktiven Substanz abhängig sei, ist hier in langen Versuchsreihen erstmalig exakt bewiesen worden. Die Verteilung der strahlenden Substanz auf eine große Fläche und damit die Abschwächung der unerwünschten Nahwirkung ist meines Erachtens die wichtigste Neuerung, die hier in Erscheinung tritt und schließlich zu einer fast prinzipiellen Umgestaltung unserer Radiumtechnik führte. v. Seuffert hatte bei seinen „knopfförmigen Silberkapseln‘ eine strahlende Fläche von 400 qmm zur Verfügung und sagt doch (l. c. S. 176), „das schwierige und bisher noch nicht gelöste technische Problem ist also: Herstellung eines oder doch nur einiger weniger hochwertiger Be- strahlungsapparate mit größerer Flächenverteilung, die für alle Bedürfnisse der praktischen Tiefentherapie brauchbar sind‘; Felderteilung und Kreuzfeuerbestrah- lung das betont v. Seuffert ausdrücklich liegen nicht im Wege solcher Be- strebungen.

Eine Lösung des von v. Seuffert klargestellten Problems haben die Arbeiten von Opitz-Friedrich, Kehrer-Lahm, Matzdorf und Zander gebracht: sie erreichen die Besserung des Dosenquotienten nicht durch die technisch so schwierige Flächen- verteilung des Radiums, sondern durch die Verteilung auf einer langen Linie, einer langen dünnen Walze usw. Auf Einzelheiten ihrer Arbeiten und die praktische Bestätigung ihrer Ansichten durch weit bessere Erfolge bei solcher Technik durch Menge-Eymer, v. Seuffert, Zander wird später einzugehen sein.

In neuester Zeit ist die Radiumbehandlung immer mehr ins Schlepptau der Röntgen- therapie geraten, insofern sich die Unterschiede in der Strahlenqualität (Härte) immer mehr verringern und die Radiumanwendung in der Regel nur als ein letztes Adjuvans der Röntgenbehandlung gedacht ist. Diese Abhängigkeit ist sicher nicht glücklich; denn wenn nicht alles trügt, ist die Radiumtherapie doch etwas anders als die Röntgen- behandlung, und außerdem sind nicht einmal die biologischen Grundlagen der kombinierten Behandlung so gefördert, daß wir wirklich ernsthaft die Art unserer Kombination vertreten und begründen können!).

Über die neuere Geschichte der Radiumtherapie findet sich in den einschlägigen Kapiteln das Nötige.

2. Radiumtechnik.

Als Exner, Schücking, Abbe u.a. das Radium erstmalig zur Behandlung maligner Geschwülste anwandten, kann man von der Innehaltung einer besonderen Technik eigentlich noch nicht reden. Es war eine Radiumapplikation, welche die genannten Autoren vornahmen. Erst mit Dominici, Cheron und Rubens Duval kam eine eigentliche Technik auf. Dem Radium wurde eine bestimmte Form und Fassung gegeben, die Dosierung wurde quantitativ begrenzt und man schritt zu

1) Siehe den Nachtrag auf S. 568.

Radiumtechnik 551

vorbereitenden Maßnahmen, welche die voraussichtliche Wirkung zu bessern ver- sprach (Exkochleation, Kauterisation usw.). Es kann nicht unsere Aufgabe sein, auf alle Einzelheiten einzugehen, wie sie sich hier entwickelt haben. Es sollen aber die prägnantesten Punkte, welche auch heute noch für die Radiumtherapie eine Rolle spielen, in übersichtlicher Weise zusammengestellt und besprochen werden.

A. Vorbereitende Maßnahmen. 1. Desinfektion.

Es ist keine in der Natur der Sache begründete Forderung, bei der Radiumapplika- tion keimfrei zu arbeiten. Wird das Radium äußerlich angewandt, so genügt voll- kommen die ‚allgemein übliche und wünschenswerte Reinlichkeit‘“ oder, anders aus- gedrückt: Wenden wir Radium in unmittelbarer Berührung mit dem Menschen an, so sollen wir bestrebt sein, dem zu behandelnden Menschen keine fremden Keime zuzu- führen. Das erreichen wir am leichtesten, wenn wir das Radiumpräparat desinfizieren. Auch beim Einlegen in Körperhöhlen (Mund, Nase, Ösophagus, Scheide, Rektum) müssen wir nicht unbedingt steril arbeiten. Notwendig und dringend aber wird dieses Erfordernis, wenn wir das Radium in Körperhöhlen einführen, welche normalerweise keimfrei sind (Blase, Uterus, Peritoneum), oder wenn wir das Radium an Stellen legen, die wir uns erst nach vorbereitenden chirurgischen Maßnahmen zugänglich machen (intratumorale und parametrane Bestrahlung). Hier hängt der Erfolg der ganzen Be- strahlung sehr oft davon ab, ob es uns wirklich gelingt, die Keimfreiheit der Körper- höhlen bis zur Beendigung der Bestrahlung aufrechtzuerhalten. Steigerung der Körper- temperatur und der Pulszahl orientieren uns darüber meist gut und schnell.

Bisweilen erlebt man nach der Bestrahlung noch den Eintritt von Fieber. Das hat in der Regel darin seinen Grund, daß der biologische Selbstschutz, über welchen die keimfreien Hohlorgane verfügen, durch die Radiumbestrahlung gelitten hat oder gar zerstört wurde. So sehen wir postaktinische Temperatursteigerungen nach uterinen Bestrahlungen, ähnlich wie wir sie vom Spätwochenbett kennen; auch Infektionen des uropoetischen Systems spielen eine Rolle.

Endlich können sich Infektionen an Strahlenschädigungen anschließen; auch sie zeigen einen „Verzug‘' (Bier), weil die Strahlenwirkung erst nach einer gewissen Latenz auftritt. Ein typisches Beispiel der hier gemeinten Infektionen sind die Phlegmonen des paraproktalen Bindegewebes nach Rektumulzeration (Kehrer-Lahm, Belugin). Die Zerstörung der Schleimhaut schafft dem bakterienreichen Mastdarminhalt die Ein- trittspforte (s. Abschnitt IV).

Der Einlage des Radiums in das Cavum uteri hat eine peinliche Desinfektion der Vulva und Scheide vorauszugehen. Selbstverständlich ist eine absolute Keim- freiheit um so weniger zu erzielen, je größer der zerfallende und stets keimhaltige Krebsherd ist. Die Desinfektion der Scheide geschieht in der Regel wohl mit Sublimat (1°/%), Sublimatalkohol, Wasserstoffsuperoxyd (3%); den ulze- rierenden Karzinomkrater kann man mit dem Paquelin verschorfen oder mit Jod- tinktur oberflächlich verätzen. E. Kehrer empfiehlt, die Jodtinktur direkt im Röhren- spekulum auf das Karzinom. auffließen zu lassen und dann mit trocknen Tupfern die überschießende Menge zu entfernen.

2. Probeexzision und Exkochleation.

Die Probeexzision ist in der Regel ein unumgänglich notwendiger Teil der Dia- gnose (s. Kapitel I). Sie soll natürlich möglichst schonend vorgenommen werden, doch

552 W. Lahm

kommt es wie wir bereits gehört haben bei der Probeexzision nicht allein auf die rein formale Diagnose, sondern auch darauf an, daß wir aus den anzufertigenden Schnitten die Art des Karzinoms (Reifegrade), seine Wachstumsrichtung und die Reak- tion des umgebenden Bindegewebes kennenlernen. Es ist in der Literatur wohl gelegent- lich auf die Gefahr hingewiesen worden (Wintz), daß die Probeexzision als ein Wachstumsreiz wirken und die Ausbreitung der Neubildung beschleunigen könne. Wir selbst haben in der Dresdner Klinik außerordentlich häufig vor allem in der ersten Zeit von der Probeexzision Gebrauch gemacht, weil wir dadurch anfangs allein in der Lage waren, den Bestrahlungserfolg in Verbindung mit einer bestimmten Dosis exakt zu kontrollieren, und haben weder in besonderen Fällen noch in unseren Gesamtresultaten den Eindruck gewonnen, daß die Probeexzision eine Gefahr für die Propagation des Karzinoms einschließe.

Etwas anders liegt vielleicht die Sache in bezug auf die Infektionsgefahr. Erste Exzisionen bringen wohl kaum je einmal ernstere Komplikationen mit sich, doch haben sich an spätere Exzisionen bisweilen sehr akute infektiöse Prozesse angeschlossen, so daß wir heute, wenn nicht irgendein bestimmter zwingender Grund vorliegt, wäh- rend der Bestrahlung keine Probeexzisionen mehr vornehmen. Besonders betonen aber möchte ich: da ein schlechter Einfluß der Probeexzision nicht nachweis- bar ist, so soll die erste Exzision nicht gar zu stiefmütterlich ausfallen. An ein paar Bröckelchen aus dem Zerfallskrater kann man zwar rein formal die Diagnose stellen; aber nichts ersetzt uns die Aufschlüsse, welche uns die nur am größeren Ge- websstück mögliche genaue funktionelle Beurteilung des Gewebes vermittelt (Lahm).

Die Exkochleation verfolgt in der Hauptsache den Zweck, das frische Krebs- gewebe freizulegen und der Radiumwirkung möglichst unmittelbar zugänglich zu machen. Es ist klar, daß dieser Gesichtspunkt nur dann eine wirkliche Berechtigung hat, wenn man das zu behandelnde Karzinom für eine sehr beschränkte lokale Affektion hält und kein Vertrauen zur Tiefenwirkung des Radiums besitzt. Für die Mehrzahl der Fälle ist demnach die Exkochleation eine geradezu kurzsichtige Maßnahme, die oft mehr Nach- teile in sich birgt Blutungen, Aufwühlen von Gewebsinfektionen als sie Vorteile bringt. Ich bin immer der Meinung, man soll das Karzinomgewebe so wenig wie mög- lich mechanisch reizen ich rechne dazu auch die allzu häufigen und allzu eingehenden gynäkologischen Untersuchungen weil nicht nur mit dem längst nachgewiesenen Gehalt des ulzerierenden Karzinoms an pyogenen Keimen gerechnet werden muß, sondern weil auch eine direkte Iymphatische Verbreitung von Krebszellen durch Druck möglich ist.

Etwas anders steht es mit der Kauterisation eines Karzinoms. Die strahlende Hitze des Brennstiftes tötet auf der einen Seite mit den Zellen auch die Eitererreger, auf der anderen Seite setzt sie an den tiefgelegenen Zellen Schädigungen, welche von der Radiumwirkung ihrem Wesen nach nicht allzu verschieden und daher sicher nur erwünscht sind. Endlich aber wird durch die Kauterisation eine verschorfte (trockene) Wundfläche geschaffen, was für die sofortige Radiumeinlage ein Vorzug ist. Nach Probeexzisionen oder Exkochleationen das Radium sofort einzulegen, empfiehlt sich nicht. | 3. Probebestrahlung (probatorische Bestrahlung).

Eine eigentliche ‚‚Probebestrahlung‘“ des Karzinons ist vom Verfasser zur Fest- stellung der individuellen Radiosensibilität vorgeschlagen und in einer gewissen Zahl von Fällen auch ausgeführt worden. Was sonst gelegentlich in der Literatur als Probe- bestrahlung benannt wird, ist eine besondere Form der Bestrahlungstechnik. So hat z. B. Füth die Karzinome erst ‚‚probeweise‘ mit kleinen Dosen bestrahlt und ist als- dann erst zu den hohen Dosen übergegangen.

Dosierung 553

Die probatorischen Bestrahlungen führten wir in folgender Weise aus: es wurden kleine Radiumdosen (ca. 12—30 mg Ra-Elem.) an den Karzinomherd der Zervix oder der Portio angelegt und nach 6 Stunden wieder entfernt. Nach 4 Tagen wurde an der Applikationsstelle eine Probeexzision vorgenommen. Schnittrichtung bei der mikro- skopischen Untersuchung so, daß man die Oberfläche und die tieferen Schichten des Gewebes in einer Ebene übersehen konnte. Indem man nun durch genaueste Zell- untersuchung die Tiefe der Wirkung festzustellen versuchte und andererseits genau die verabreichte Dosis berechnete, hoffte man die individuelle Strahlenempfindlichkeit des Krebsgewebes feststellen zu können. Das ist uns bisher aber nicht gelungen, so daß die probatorische Bestrahlung in dieser Richtung noch keine praktische Be- deutung besitzt.

Gelegentlich wurde mir vom Kliniker mitgeteilt, er fürchte die probatorische Be- strahlung. Man habe bisweilen den Eindruck, als sei eine raschere Propagation des Karzinoms nach der niedrigen Dosierung erfolgt. Ich habe nachdem die Fälle alle mehrere Jahre zurückliegen das Heilresultat mit dem der anderen Fälle verglichen und keinerlei Unterschied finden können. Prognostisch ungünstig ist also die proba- torische Bestrahlung nicht zu bewerten (von 18 Fällen des Jahres 1920 sind heute 9 ge- heilt, 6 gestorben, 3 fraglich oder verschollen).

B. Die Dosierung.

Von fast allen Autoren, welche sich eingehend mit dem Strahlenproblem beschäftigt haben, ist betont worden, daß der Dosierung die entscheidende Wichtigkeit für den

Sichtbare Haufrötung.

Normaler Zustand.

iLatenz Erythem. 2.Lälenz

Abb. 2. Zum Dosisbegriff. Ein Reiz von bestimmter Größe bringt einen biologischen Vor- gang zustande, der nach Art einer Kurve verläuft. Überschreitung einer ‚‚Grenze‘‘ bewirkt eine erkennbare „Reaktion‘“.

therapeutischen Erfolg zukomme Es soll nicht verkannt werden, daß mit diesem Aus- druck oft nur äußerlich der Eindruck einer genauen Übereinstimmung der Meinungen hervorgebracht wurde, indessen innerlich ein jeder den Inhalt des Satzes nach seiner Fasson auslegte. Und trotzdem ist kein Zweifel, die Dosierungsfrage ist diejenige, um die am meisten und härtesten gekämpft worden ist, und sie ist die- jenige, welche die größte Literatur hervorgebracht hat.

Die ‚Dosis‘ ist eigentlich ein Volum begriff, d. h. sie ist diejenige Energiemenge, welche in der Raumeinheit absorbiert wird (Friedrich). Mit diesem rein physikalischen Begriff können wir in der Medizin der Radiunistrablen nicht allzuviel anfangen. Ich habe deshalb seinerzeit die Dosis als diejenige Reizgröße (Intensität) definiert, welche bestimmt ist, einen gewissen biologischen Effekt hervorzurufen. Statt biologischen Effekt kann man natürlich auch physikalischen Effekt sagen, und dann hat man den physikalischen Dosis- (Raum) Begriff wieder. Ich glaube, da man die von mir angegebene Definition am besten durch eine Kurve darstellt (s. Abb. 2). Früher hatte ich die Kurve an ihrem Anfang etwas anders gezeichnet, um die „Reizkomponente‘“ der Schwach- bestrahlung zur Darstellung zu bringen. An eine direkte Reizwirkung, die ich nie im

554 W. Lahm

mikroskopischen Bilde beobachtet habe, konnte ich nie glauben. Aus dem Bilde geht hervor, daß der Reiz nach einer gewissen Latenzzeit zu einer so bedeutenden biolo- gischen Störung führt, daß die Latenzschwelle überschritten wird und ein sichtbarer Erfolg hier das Erythem erzielt wird.

Ich möchte für meine weiteren Ausführungen an dieser Definition der ‚Dosis‘ festhalten und werde zu besprechen haben, daß die Reizgröße abhängig ist vom Milligrammgehalt (= Aktivität) der Präparate und von der Bestrahlungszeit. Ob die Reizschwelle überschritten wird, ist wieder abhängig von der Reizgröße und der Radiosensibilität. Von dieser Basis ausgehend, kommen Theorie und Praxis der Radiumbestrahlung zustande.

1. Radiosensibilität und Radiosensibilisierung.

Das Problem der Radiosensibilität und Radiosensibilisierung kann man physi- kalisch und biologisch auffassen. Mit Recht hat Voltz darauf hingewiesen, daß man als Sensibilität eines lebenden Systems „diejenige Empfindlichkeit bezeichnet, durch welche es einer einwirkenden Kraft ermöglicht wird, einen Zu- stand erhöhter Assimilation oder Dissimilation hervorzurufen“. Diese Empfindlichkeit (Labilität) des Systems kann man auch physikalisch-mathematisch definieren, und zwar durch seinen Gehalt an kinetischer und potentieller Energie. So ist es möglich:

1. die Sensibilität energetisch zu begreifen,

2. die Sensibilität durch Energiezufuhr zu verändern, falls die letztere in ihrer Größenordnung so beschaffen ist, daß sie die primäre, d. h. im System selbst wirksame Energie merklich zu beeinflussen vermag.

So konnten Voltz u.a. zeigen, daß der galvanische Strom die Assimilation zu hemmen vermag und dadurch sich als ein Mittel ausweist, welches zur Sensibilisierung dienen kann. Offenbar können auch die Röntgenstrahlen auf die Sensibilität der Zellen einen Einfluß gewinnen (Sensibilitätsverminderung s. Schwarz).

Und wiederum wissen wir seit langem, daß wir auch in den sog. Eigenstrahlern (Elemente mit einem Atomgewicht über 27) Substanzen besitzen, welche am Orte der Strahlenwirkung eine Steigerung der physikalischen Raumdosis, d. h. der Strahlen- absorption herbeiführen und dadurch Einfluß auf die Energieverhältnisse des leben- den Systems gewinnen. Streng genommen bedeuten die letzteren Methoden allerdings keine Sensibilisierung, sondern eine Steigerung der einwirkenden Strahlendosis.

Ich nenne hierzu nur die Versuche mit fluoreszierenden Substanzen, Selen- eosin, Quecksilber, Jod, Arsen (Werner) und die Verkupferung (s. Kapitel V).

Im eigentlichen Sinne sensibilisierend wirkt dagegen zweifellos das Enzythol (borsaures Cholin), nicht dagegen das Lezithin (Fernau). Als Sensibilatoren sind auch die Reize anzusehen, welche von der Hypophyse, dem Ovarium und vielleicht den anderen inneren Drüsen (M. Fraenkel) ausgehen, bzw. von diesen Drüsen nach Be- strahlung derselben wirksam werden.

Hofbauer hat bekanntlich in der Döderleinschen Klinik gezeigt, daß die Be- strahlung der Hypophyse allein ein Vulvakarzinom zur Rückbildung anregte und daß die nachfolgende Lokalbestrahlung einen überraschend guten Erfolg hatte. Bezüglich des Ovariums habe ich schon vor langem darauf hingewiesen, daß es für den Heilungs- prozeß beim Karzinom mit und ohne Bestrahlung von Wichtigkeit sei. Wiederholt habe ich betont, daß der biologische Erfolg kleiner Radiumdosen beim Karzinom viel- leicht darauf zurückzuführen sei, daß die ovarialschädigende Dosis nicht erreicht wurde. Haben wir doch in Dresden, genau wie Döderlein und Schäffer, einen Fall erlebt,

Sensibilität und Sensibilisierung 555

wo eine Frau nach der Heilung des weit fortgeschrittenen Kollumkarzinoms konzi- pierte und abortierte, wodurch bewiesen wird, daß entweder die Empfindlichkeit des Karzinomgewebes noch größer war als die der Ovarialsubstanz, oder daß eben die Ovarialfunktion sehr wesentlich zum biologischen Erfolg der Kar- zinombeseitigung mit beiträgt. Es darf in diesem Zusammenhang auch darauf hin- gewiesen werden, daß Thies seit Jahren bei der Totalexstirpation des Uterus die Ova- rien erhält, und zwar indem er sie an den Spermatikalgefäßen hängend nach dem Ober- bauch umschlägt und dort fixiert. Bei im übrigen gleicher Operationstechnik, bei gleicher Operabilitätsziffer und gleicher primärer Mortalität stieg dabei seine Karzinomheilung von 21 auf 43%.

Sehen wir von der physikalisch-energetischen Definition der Radiumsensibilität ab, so haben wir es rein praktisch-medizinisch mit einem Problem zu tun, das uns zeigt, wievielmal mehr das Krebsgewebe strahlenempfindlicher ist als das übrige Gewebe des Körpers.

Ich kann nicht auf die geschichtliche Entwicklung des Sensibilitätsbegriffes in diesem Sinne (Krönig-Friedrich, Seitz-Wintz), auch nicht auf die Methoden ein- gehen, wie jene zu festen Zahlenwerten gekommen sind. Es steht heute fest (Kaysser, Opitz), daß es eine einheitliche Karzinomempfindlichkeit nicht gibt und daß die in der Röntgenologie gewöhnlich genannte Zahl von 100—110% der H.E.D.

1. für das Radium noch nicht bewiesen ist (zugegebenermaßen ist dieselbe auch sehr schwer festzustellen), Te dazu den Nachtrag auf S. 568).

2. überhaupt nur eine obere Grenze (Toleranzdosis) bedeuten soll, welche bei der perkutanen (Röntgen-) Bestrahlung des Kollumkarzinoms nicht überschritten werden soll. In diesem Sinne ist auch der Ausdruck Holzknechts von der ‚Dosis- stufe‘ aufzufassen. Es beträgt nach ihm die Sensibilität des Karzinoms nicht x% der H.E.D., sondern es weist der Krebs eine Empfindlichkeit von m bis n % auf (s. unsere Angaben auf S. 557).

In neuester Zeit ist, vor allem von Opitz, immer wieder betont worden, daß die Rückbildung des Karzinoms unter dem Einflusse der Bestrahlung ein biologisches Problem sei. Es ist das zweifellos richtig und bereits durch die Untersuchungen von Lourier bewiesen. Welches aber die biologischen Faktoren sind, durch welche die Rück- bildung des Karzinoms bewirkt wird, ist ganz unklar. Ich möchte z. B. nur an die Fälle von Spontanheilung erinnern (Sauerbruch), bei denen es bis zu einem gewissen Grade direkt charakteristisch ist, daß der Restitutio ad integrum eine völlige Erschöpfung des Organismus durch Blutung oder schwerste Kachexie vorausgeht. Einen selbst beobachteten Fall dieser Art darf ich zur Illustration wohl hier erwähnen:

Am 17. September 1921 kam eine 5ljährige Frau Elise N. zur Nachuntersuchung, nachdem sie im August desselben Jahres 7290 Milligrammelementstunden Radium und eine entsprechende Zusatzdosis mit Röntgenstrahlen erhalten hatte. (Zwei Großfelder von Bauch und Rücken N D 33% oberflächlich je 50°, der H. EK D) Der im August als Karzinom der Gruppe II bezeichnete Fall er- wies sich jetzt als sicher der Gruppe III angehörig. Auch wurden 8 Did. Gewichtsabnahme fest- gestellt.

5 Wochen später, am 25. Oktober 1921, stellte sich die Patientin wieder vor. Sie hatte wieder 8 Did. an Gewicht abgenommen. Die Untersuchung (E. Kehrer) ergab einen mächtigen Krater in der Gegend der Zervix, der überall mit papillären Wucherungen besetzt war.

Epikritisch wurde festgestellt, daß das Karzinom durch Radium so gut wie unbeein- flußt sei und die ganze Erkrankung als so progredientsich erweise, daßeine weitere Rönt- genbehandlung sich erübrige.

Am 9. Februar 1923 15 Monate nach diesem soeben mitgeteilten Urteil erschien die Pa- tientin überraschenderweise wieder. Von Karzinom war nichts mehr nachweisbar, Gewichts- zunahme über 23 Pfd.

V

556 W. Lahm

Anamnestisch ergab sich, daß Patientin nach ihrer letzten Untersuchung in der Klinik am 25. Oktober 1921 bettlägerig wurde und an Gewicht so herunterkam, daß sie zum Skelett abgemagert sei. Bis 28. März 1922 volle 5 Monate habe sie fest zu Bett gelegen. Anfang November 1921 seieine schwere Blutung eingetreten, die von dem zugezogenen Hausarzt nur durch Tamponade hatte gestillt werden können. Elendester Zustand die ganzen Monate.

Am 8. Februar 1924 stellte sich Patientin wiederum vor. Sie sah sehr gut aus, hatte nochmals 12 Pfd. an Gewicht zugenommen und zeigte keine Spur einer karzinomatösen Erkrankung.

Ich glaube nicht, daß man diesen Fall als einen direkten Erfolg der Strahlenbehandlung buchen kann, möchte vielmehr annehmen, daß es sich hier um eine Spontanheilung handelt.

In welcher Weise biologisch gesprochen sich die Spontanheilungen des Kar- zinoms vollziehen, darüber bestehen bis heute nur Vermutungen. Ich habe vor 2 Jahren darauf hingewiesen, daß es sich vielleicht um einen Vorgang handle, „als dessen sicht- baren Ausdruck wir die Prosoplasie des Karzinomgewebes auffassen dürfen“. Ich möchte gerade inı Hinblick darauf die Untersuchungen und Beobachtungen besprechen, über welche Adler und Kehrer-Lahm berichtet haben.

Es hat Adler erstmalig darauf aufmerksam gemacht, daß sich ein auffallender Unterschied in der primären Heilungsziffer der histologisch unterscheidbaren Karzi- nome ergebe. Folgende kleine Tabelle ist seinen Beobachtungen entnommen:

Tabelle 1. Adler, Radiosensibilität und histologisches Bild.

S Lebend nach Radio- Histologisch Zahl 6 Monaten sensibilität reif s a eo aa 20 70% stark Plattenepithelkarzinome Landen En 36 25% mäßig unrelf Ee 53 5,6% schlecht Rein drüsige Karzinome . ........ 14 0% refraktär

Daraus schien einwandfrei hervorzugehen, daß die ausgereiften Formen des Plattenepithelkarzinoms ganz entschieden besser reagieren wie die unreifen Formen und daß die rein drüsigen Karzinome des Kollums sich refraktär ver- halten. Trotzdem ist Adler mehr der Auffassung, daß nicht die Reifegrade, sondern die Wachstumsformen die größere Bedeutung für die in diesen Zahlen zum Ausdruck kommende Radiosensibilität besitzen, weil die schlechte Empfindlichkeit der unreifen Karzinome im Widerspruch stehe zu dem Bergonieschen Gesetz (s. ul So unter- suchte er weiter und fand, daß von 36 vorzugsweise auf dem Lymphwege fort- schreitenden Tumoren nur 3 = 8,3% primär geheilt wurden; das schien Adlers Auffassung zu bestätigen.

Wir haben in Dresden die Radiosensibilität unserer Kollumkarzinome in der gleichen Weise geprüft, wie es Adler getan hat, nur daß wir statt der primären Heilungsziffer nach 6 Monaten die von 2 Jahren einsetzten. Die folgende Tabelle gibt unsere Beobach- tungen wieder. |

Tabelle 2. Kehrer-Lahm, Radiosensibilität und histologisches Bild.

Ne | Geheilt nach Radio- EE? Ge 2 Jahren sensibilität

reif oaa aa 30 450, | stark Plattenepithelkarzinome Landen an e 80 349,

MP =: 2 zn a % 10 2595 l mittel Sekundär solide Plattenepithelkarzinome . . E 340,

Rein drüsige Rarzinome ......... 12 09%, refraktär

Sensibilität und histologisches Bild 557

Auch hieraus ergibt sich, daß die Radiumsensibilität der reifen Karzinome am größten ist; für die übrigen Formen mit Ausnahme des Adenoms, das absolut re- fraktär erscheint ist das Ergebnis nicht so eindeutig. Immerhin erscheinen auch hier die unreifen Karzinome auffallend wenig radiosensibel.

So scheint sich hier in der Tat ein ganz bemerkenswerter Widerspruch gegen das Bergonie-Tribondeausche Gesetz aufzutun, welches bekanntlich besagt, daß eine Zelle um so radiosensibler ist:

1. je größer ihre reproduktive Tätigkeit ist,

2. je länger ihr karyokinetischer Werdegang ist und

3. je weniger ihre Form und Funktion definitiv fixiert ist.

Ich möchte das Bergoniesche Gesetz hier nicht als bewiesen hinstellen, gehe aber auf diese Frage nicht näher ein. Ich will nur betonen, daß es uns gelang den Wider- spruch, der hier hervorgehoben wurde, durch weitere Untersuchungen aufzu- klären. Bei den gleichen Fällen, die unserer obigen Tabelle zugrunde liegen, haben wir nämlich während und nach der Bestrahlung zahlreiche Probeexzisionen vorge- nommen, welche stets so ausgeführt waren, daß sie ungefähr bis in eine Tiefe von 2 cm ins Gewebe der Zervix reichten. Dabei ergab sich, daß die ausgereiften Karzinome mit 3—7000 Milligrammstunden vernichtet wurden, die mittelreifen Formen eine Dosis von 1000 (!) bis 8000 Milligrammstunden bei einem Optimum von 3000—5000 Milligrammstunden in 33 von 79 Fällen brauchten, und daß die unreifen Karzinome auf 2000—15000 Milligrammstunden verschwanden, ohne bei irgendeiner Dosierung ein Optimum aufzuweisen. Aus diesen Untersuchungen haben wir unsere Radiosensibilität der verschiedenen Karzinomformen berechnet und sind zu folgender Überzeugung gekommen: Es beträgt die

Radiumsensibilität des reifen Plattenepithelkarzinoms 1-—21/, H.E.D.!) si mittelreifen CC unreifen (E (22 29

Man erkennt hieraus nicht nur, daß die Radiosensibilität der Karzinome sehr verschieden groß ist, sondern daß sich auch bis zu einem gewissen Grade eine Bestätigung des Bergonniéschen Gesetzes findet.

Es ist oben schon darauf hingewiesen worden, daß wir auf der Basis dieser Ver- suche bestrebt gewesen sind, die individuelle Radiumsensibilität festzustellen, daß wir bisher aber zu einem Ziel in diesem Sinne nicht gekommen sind. Adler hat die Radio- sensibilität seiner Karzinome nicht in dieser Weise bestimmt, hält aber das Carzinoma colli durchschnittlich für doppelt so empfindlich wie das Epithel der Haut.

2. Maßeinheiten.

Die physikalische Messung der Radioaktivität macht große Schwierigkeiten, weil auf der einen Seite die Energie der radioaktiven Substanzen gering ist, auf der anderen Seite aber die Durchdringungsfähigkeit der y-Strahlen so groß ist, daß die Meß- instrumente kaum genügend vor unerwünschten Einflüssen zu sichern sind. Wintz hat schon im Jahre 1914 die iontoquantimetrische Messung seiner Radiumdosen ver- sucht und hatte dabei ein 6m (!) langes Kabel von der Meßkammer bis zum Elektro- meter verwendet. Trotzdem mußte er die Versuche später abbrechen, weil sie zu keinem befriedigenden Resultat führten. Es kam hinzu, daß die Verhältnisse während des

1) Über die Größe der H.E.D. siehe auch den Nachtrag auf S. 568.

558 W. Lahm

Krieges es für die Mehrzahl der Radiumtherapeuten unmöglich machten, sich ein physi- kalisches Meßinstrument zu verschaffen.

So blieb für die Messung der Reizgröße bei der Anwendung des Radiums nur die Bestimmung nach der Milligrammstunde und die biologische Einheit übrig. Statt der Dosis wurde also die Intensität bestimmt.

Gegen die Milligrammstunde ist vielfach Sturm gelaufen worden. Trotzdem glaube ich nicht, daß man dieses Maß, welches zweifellos sehr bequem ist und nur einer rich- tigen Begriffsumgrenzung bedarf, wird ausmerzen können. Ist doch die biologische Ein- heit allein immer ein höchst unsicherer Wert, der letzten Endes doch noch der objektiven (physikalischen oder mathematischen) Sanktionierung bedarf (s. Haut-Einheitsdosis in der Röntgenologie S. 603).

Die Hauptvorwürfe gegen die Milligrammstunde sind drei:

1. daß sie nicht zu erkennen gestatte, mit wieviel Milligramm (Radiumelement: die Angabe nach Radiunısalz ist jetzt vollkommen verlassen) bestrahlt worden ist,

2. daB sie nicht feststellen lasse, ob die Bestrahlung in einer einmaligen Dauer- sitzung (Dosis plena) oder unterbrochen (Dosis refrakta) erfolgt sei,

3. daß die Filterung, die Größenordnung der Präparate, der Abstand vom lebenden Gewebe und die Art der Applikation (dem lebenden Gewebe nur angelagert oder mitten in demselben liegend) keine Berücksichtigung finden.

Die beiden ersten Vorwürfe kann man durch geeignete Schreibweisen bzw. durch die Angabe, daß völlige Reizsummation anzunehmen sei, entkräften. Man braucht die Zahl 1000 mg Stunden nur zu schreiben 50 x 20 Milligrammstunden oder 50 x (10 + 10) = 1000 Milligrammstunden, und es wird kein Zweifel mehr darüber bestehen, in welcher Weise bestrahlt wurde.

Der dritte Vorwurf, der streng genommen nur teilweise zum Dosisbegriff gehört, ist nicht leicht abzutun. Es ist richtig, daß 10000 mg- Stunden Radium anders zu bewerten sind, wenn sie durch 1,5 mm Messing oder durch 3 oder gar 10mm Blei gefiltert: wurden. Schon der Abstand vom lebenden Gewebe spielt hier eine große Rolle, weil mit die größte Energie des Radiums sich in den ersten zwei Zentimetern verbraucht.

Es bleibt daher nur übrig, diese Dinge Filterung, Größe der Präparate, Abstand und Applikation von Fall zu Fall genau anzugeben, was ja schließlich zur ganzen Beurteilung der Technik und Methodik nicht nur der Dosierung von größtem Werte ist.

Als erster hat sich Krönig mit der Frage eines Maßes für die radioaktive Strahlung befaßt. Er bezeichnete die Radiumintensität als Impulsstärke und hatte für ihre Berechnung bereits 1914 gemeinsam mit Königsberger eine Formel festgestellt.

v. Seuffert ging von der (vielfach bestätigten ?) Überlegung (Beobachtung) aus, daß das Karzinom durch 4dstündige Bestrahlung mit 50-Milligrammstundenelement (= 100 mg Radiumbromid) geheilt würde, wenn seine Ausdehnung rings um den Zer- vikalkanal nicht mehr als 30 mm betrage. Er bezeichnete die Reizgröße, die bei solcher Dosierung in 30 mm vom Zervikalkanal noch wirksam sein mußte, als Karzinom- dosis und setzte sie gleich 1. Seine Tabellen entsprechen also einer biologischen Do- sierung und sind auf die Karzinomdosis 1 bezogen (s. nächsten Abschnitt S. 556).

Kehrer hat sich in seiner ersten Arbeit, in der er sich mit der Berechnung der Radioaktivität beschäftigte (1915), an Krönig-Königsberger angelehnt und unter der Voraussetzung eines punktförmigen Radiunfokus nach Impulsstunden gerechnet. Gleichzeitig gab er an, daß eine Mindestintensität von 1 Milligramm Radiumelement vorhanden sein müsse, wenn das Karzinomgewebe noch zugrunde gehen sollte. Auf diese

Maßeinheiten und Tabellen 559

Weise meinte er, lasse sich für jedes Präparat leicht die Reichweite berechnen; eine Er- klärung oder einen Beweis hat Kehrer dafür nicht angegeben.

In Kehrers Referat zum Gynäkologenkongreß (1920) wurde die Radioaktivität nach Milligrammelementstundenzentimeter (mgeh/cm) berechnet, d.h. es wurde als Ein- heit diejenige Intensität gewählt, welche ein (gefiltertes) Radiumpräparat von l] mg Elementgehalt in 1 cm Abstand entfaltet.

Friedrich hat mit Glaser zusammen die Intensität der Radiumpräparate ionto- quantimetrisch gemessen und den Ablauf des Instrumentes (in Sekunden ausgedrückt) als Einheit gewählt. Die gefundenen Zahlen wurden sodann auf „100°“ bezogen, womit die Intensität in 1 cm Abstand vom Radiumpräparat willkürlich bezeichnet ist.

Matzdorf ‚„mißt‘“ nach Einheitsmilligrammenergie (E. mg. E.). Er versteht darunter die Intensität, welche ein mit 1,5 mm Messing und 5 mm Zelluloid gefiltertes Präparat rechnerisch liefert. Als Einheitsmilligrammintensität (E. mg. I.) bezeichnet er die Energie, welche in 1 cm Abstand vom Mittelpunkt einer mit Einheitsfilter gefil- terten radioaktiven Substanz wirksam wird. Außerdem berechnet er die Größe dieser Energie für verschieden ausgedehnte Präparate bei verschiedenem Abstande. In jeder Dosisangabe soll nach ihm stehen:

1. der Milligrammelementgehalt;

2. die Bestrahlungszeit;

3. die Wirksamkeit an der Oberfläche des Gewebes, an einem tiefgelegenen Punkte und an einem ferngelegenen Strahlenziel;

4. die jeweilige Gesamtenergie, wie sie sich aus der Summe der einzelnen Energien und der Bestrahlungszeit berechnet.

Über das Abstandsmaß herrscht im allgemeinen keine Meinungsverschiedenheit. Seitz-Wintz schlagen einmal vor, besser nach Millimetern zu rechnen. Das ist unbedingt richtig, und wir tun es allgemein, indem wir stets die erste Dezimalstelle beim Abstand mit berücksichtigen, was in der Röntgentherapie natürlich nicht der Fall ist.

Inbezugaufdie Bestrahlungszeit sind alle Autoren den gleichen Weg gegangen: es wird allgemein nach der Bestrahlungsstunde gerechnet.

3. Dosierungstabellen.

Von ‚Maßeinheiten‘“ in der Radiumtherapie zu sprechen, klingt fast wie Ironie, wenn man die mannigfaltigen Angaben der Autoren, welche zur Radiumdosierung dienen sollen, betrachtet. Dabei kann unsere Liste nicht einmal den Anspruch auf Vollständig- keit machen! Und doch wie bedauerlich: denn es ist zweifellos richtig, daß die Unsicher- heit und Unzulänglichkeit, welche gerade auf dem Gebiete der Dosierung herrschen, Grund dafür gewesen sind, daß zahlreiche Forscher von der Radiumtherapie abgekommen sind (Matzdorf). Ich möchte im folgenden aber zeigen, daß de facto die Unterschiede in den Angaben der einzelnen Autoren nicht allzu groß sind und daß es sehr wohl er- reicht werden könnte, wirklich mit einer Einheit auf dem Gebiete der Radiummessung oder -berechnung zu arbeiten.

Die älteren Dosierungstabellen von Krönig, E. Kehrer, G. Klein usw. können hier übergangen werden, es kommen nur die neueren Zahlen von Kehrer-Lahm, Friedrich-Glaser, Seitz-Wintz, Hauschting, Zander und Martius in Frage.

Ich möchte von den Beobachtungen der Berliner Klinik (Hauschting- Zander) ausgehen. Die genannten Autoren haben von Radiumpräparaten mit ver- schiedenem Elementgehalt, verschiedener Form und Ausdehnung die Erythemdosen an

560 W. Lahm

der Oberfläche der Präparate und in 2 und 3 cm Tiefe (Abstand) bestimmt. Außerdem haben sie geprüft, in welcher Weise sich neben- oder hintereinander gelegte Präparate in ihrer Wirkung addieren. Es stellte sich dabei heraus:

1. daß die Erythemzeiten sich bei ein und demselben Präparat, gleichgültig, . welches Filter verwendet wird, wie 1:6:15:36 verhalten, wenn das Präparat zuerst

3x 26mg R.EI sich were nebeneinander.

Abb. 3. Drei nebeneinanderliegende Radiumpräparate. Summation der Wirkung auf der Haut, wie die Strahlenkegel zeigen. Nach Zander, Arch. f. Gynäk. 115.

der Haut anliegt und dann auf 1, 2 und 3cm Abstand entfernt wird (zwischen Präparat und Haut Wasser als streuendes Medium);

2. daß (quer) nebeneinandergelegte Präparate sich in ihrer Wirkung addie- ren (Abb. 3), wobei ein verschiedener Milligrammelementgehalt der zusammengefügten

Haut.

Abb. 4. „Längsgeschaltete‘“‘ Radiumpräparate. Zwischen den 3 Präparaten liegen kleine Zwischenräume, dadurch wird eine gleichmäßige Wirkung auf die Haut verhindert. Nach Zander, Arch. f. Gynäk. 115.

del EE, Au

Präparate keine Rolle spielt und daß das Verhältnis der Erythemzeiten, wie es oben angegeben wurde, bei der Tiefenwirkung sich nicht verändert;

3. daß (in der Länge) hintereinandergeschaltete Präparate getrennte Erytheme ergeben, selbst wenn die Radiumträger direkt aneinander anstoßen (Abb. 4).

Haur.

Abb. 5. Rechtwinklig zueinander liegende Radiumprä parate. Summation der Wirkung; die schwarzen Stellen zeigen das Maximum der Wirkung.

Befindet sich zwischen den Radiumträgern ein Messingstück von etwa 4—5 mm Dicke, so liegen die Erytheme fast 1 cm auseinander. Auch nach der Tiefe hin selbst noch in 2cm Abstand vom Radiumpräparat wird dieses „Minimum an Intensität“ nicht auf- gehoben;

4. rechtwinklig zueinander angeordnete Radiunstifte verstärken sich (Abb. 5).

In diesen Angaben scheint das quantitative Moment, das doch schließlich die Dosie- rung bedeutet, noch fast ganz zu fehlen. Nur Verhältniszahlen werden uns gegeben. Sie besitzen aber, wie wir gleich weiter sehen werden, einen recht erheblichen Wert.

Tiefenwirkungszeiten 561

Hervorheben möchte ich an dieser Stelle nur noch, um den Vergleich bei unseren Betrach- tungen zu erleichtern, daß bei Hauschting und Zander der Begriff

„Oberfläche“ einen Abstand von 0,4—0,5 cm m cm Tiefe“ » 33 an 1,4—1,5 „2cm Tiefe“ ,, = 2,4—2,5 ,„

vom Mittelpunkt der strahlenden Substanz bedeutet, denn, wie die Autoren mitteilen, liegt das Radium in einem ca. 3 mm dicken Silberröhrchen, darauf folgen 2mm Messing und ein 1—2 mm dickes Gummisekundärfilter. Wir werden auf den „Fokushautabstand‘“, der sich aus diesen Angaben berechnen läßt, später noch einmal zurückkommen.

Nach den Berliner Zahlen möchte ich die Dresdener Werte angeben. Ich habe 1921 in großen Umrissen schon 1920 im Referat Kehrers über die Radiumbestrah- lung Kurven und Tabellen gegeben (s. S. 569), welche für die verschiedensten Präpa- rate (verschiedene Wertigkeit, verschiedene Länge und Ausdehnung) gezeichnet waren und welche eine sehr merkwürdige Tatsache erkennen lassen: es besteht nämlich hier für kurze Präparate (bis 20 mm Länge) das gleiche Verhältnis der Dosen, wie es auch in der Bummschen Klinik von Hauschting und Zander errechnet worden ist.

Wird ‚an der Oberfläche“ die Dosis 1 gegeben'),

so beträgt sie in 1 cm Tiefe = 1:5,8 (rund !/,) in 2 cm Tiefe = 1:15,3 (rund Is) in 3 cm Tiefe = 1:30,7 (rund 1/31)

Man erkennt die fast absolute Übereinstimmung dieser Werte mit den Berliner Zahlen; nur im 3. Zentimeter besteht eine kleine Abweichung, die aber wirklich unbe- deutend ist. Was die Dresdener aber ganz und gar von den Berliner Zahlenangaben unter- scheidet, ist:

1. die absolute Höhe der für die Erzeugung eines Erythems notwendige Dosis (sie beträgt in Berlin für 40 mg Radiumelement 2 Stunden, in Dresden für 54 mg 211, Stun- den, Genaueres s. unten);

2. die völlige Veränderung der oben angegebenen Verhältniszahlen, wenndieradioaktive Substanzin Form einer kontinuierlichen ‚„‚Brennlinie“ (das Wort stammt aus dem Kehrerschen Referat zum Gynäkologischer Kongreß 1920) angeordnet ist.

Auf den erstgenannten Punkt werden wir weiter unten noch genauer eingehen. Über die Verhältniszahlen beilanggestreckten Präparaten haben unsere Untersuchun- gen aber folgendes ergeben:

Es verhalten sich hier die Dosen wie 1:8: 22,5: 835,8.

Es geht aus diesen Werten klar hervor, wie außerordentlich die kontinuierlich an- geordnete radioaktive Substanz jedem anderen Gerät in bezug auf Schonung der nächsten Nachbarschaft überlegen ist. Während Hauschting und Zander in 2cm Tiefe (der „kritischen Zone‘ bei der Radiumbestrahlung des Kollumkarzinoms) eine Dosis von nahe- zu 21/, Erythemeinheiten (2,4) verabreichen, wenn sie oberflächlich 36 Erythemdosen

J mgeh 116- 32

1) Berechnung der Grundzahlen nach Tabelle 11 S. 568. In 1cm Abstand 261- -= __-;

em 2 o? Se 12-6 _ 6,5 °8 in Zem Abstand 45 = Eed 3cm Abstand 17 = - zo; in 4cm Abstand 8,5 = E

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 36

562 W. Lahm

applizieren, werden bei der Dresdener Methode am gleichen Punkte kaum mehr als UI, Erythemdosen wirksam (1,6 H.E.D.). Liegt z. B. der Mastdarm 2 cm von der Außen- seite eines Radiumpräparates entfernt und ist die nächste Nachbarschaft des Röhr- chens so unempfindlich wie das Myometrium, so kann man nach den Dresdener Zahlen 30 Erythemadosen in aller Ruhe applizieren, ohne den Mastdarm irreparabel zu schädigen.

Ich glaube, es kann nicht schlagender als durch diese einfache Berech- nung bewiesen werden, wie wichtig gerade die kontinuierlich angeordnete, nicht auf kleinem Raume zusammengeballte und nicht unterteilte radio- aktive Substanz für die Bestrahlung des Kollumkarzinoms wie für jede Bestrahlung überhaupt ist.

Amreich befand sich bei seinen Untersuchungen, wie man die Wirksamkeit der Radiumbehandlung steigern könnte, auf dem gleichen, und zwar dem besten Wege. Er sagt: ‚‚Erschwert wird die Radiumtherapie besonders durch die übermäßige Mit- bestrahlung des Gewebes zwischen Strahlenquelle und Strahlenziel (gemeint sind die möglichen äußersten Vorposten des Karzinoms an der Beckenwand). „Kritisch“ ist vor allem die Zone, die etwa 2 cm vom Zervikalkanal entfernt liegt und den Ureter birgt (kritische parametrane Schicht). Amreich legte sich nun die Frage vor. ob die Intensität der Bestrahlung in den kritischen Schichten durch veränderte Form der Radiumträger herabgemindert werden könnte. An Beispielen zeigt er, daß bei punktförmigen oder kugeligen Radiumpräparaten die Abnahme der Intensität nach dem Ge- setz vom Quadrat des Abstandes erfolge, 1:1/,:1/g:/1g:/g; usw., daß aber bei ge- streckten Präparaten (von UL em Länge z. B.) Abweichungen von diesem Gesetz beständen, welche

28% 159% 33% USW. Abstand vom in 1 2 3 cm | Radiumträger betrügen.

Soweit ist alles richtig. Nun aber unterläuft Amreich ein folgenschwerer Irrtum. Bei der Frage, zu wessen Gunsten die Abweichungen ins Gewicht fallen, antwortet er: zuungunsten der kritischen Schicht. Er hätte sagen müssen: Wenn in 1 cm und 2cm Abstand von Radiumröhrchen eine 28% ige und 7,5% ige Verminderung der Strahlenintensität eintritt (Amreich nahm offenbar eine Vermehrung an), so kann das nur zugunsten der kritischen Schicht, des prognostischen Index, wie er sich ausdrückt, wirken.

Es ist also ein bedauerlicher, aber absoluter Fehlschluß, wenn Amreich zu dem Schlusse kommt, daß man bei Anwendung von punkt- oder kugelförmigen Strahlen- quellen das beste Dosenverhältnis zwischen Strahlenziel und kritischer Tiefe erhält d. h. es ist falsch, wenn er sagt „es können die Chancen der Strahlenquelle durch Ver- änderung der Form nicht gebessert werden“.

Es seien nunmehr die Beobachtungen von Friedrich und Glaser angeschlos- sen. Die Autoren haben mit einer eigens dazu hergestellten Versuchsanordnung die Dosen gemessen, welche rings um ein Radiumröhrchen erwartet werden dürfen. Als Ausgangspunkt diente ein Präparat von 46,46 mg Radiumelement, das in cine 2,25 cm lange, 0,46 cm dicke Silberhülse eingeschlossen war und mit 1,5 mm Messing gefiltert wurde. Messung in einem eigens hergestellten Glasphantom, das mit Wasser gefüllt werden konnte. Leider ist bei den Zahlen der folgenden Tabelle nicht gesagt, ob die Ab- stände vom Mittelpunkt der strahlenden Substanz und der Meßkammer oder von der Oberfläche des Röhrchens bzw. der Kammer bestimmt sind. Wir werden auf diese Frage noch zurückkommen müssen.

Meßresultate 563

Tabelle 3. Meßresultate nach Friedrich-Glaser.

Abstand in cm

Rad.-Elem. Länge des Präpar. 2,28 cm

Dosis ın Wasser in Luft

100 23,2 10,4 5,4 3,3 2,2 1,2 100 25,0 11,2 6,0 4,0 2,6 1,4

Für ein Präparat von erheblich größerer Länge (= 8,28 cm) lassen sich unter sonst gleichen Bedingungen folgende Zahlen gewinnen (Tabelle 4):

Tabelle 4.

Abstand inem | 1

1395,5 mg

Rad.-Elem. Länge des Präpar. 8,28 cm

100 32,4 15,7 100 30,5 15,0

Dosis in Wasser in Luft

Interessant an diesen beiden Tabellen ist, daß in Tabelle 3 die Dosen im wassergefüllten Phantom alle kleiner sind als die im leeren Phantom, während in Tabelle 4 bis zum 4. Zentimeter die Wasserzahlen größer und erst von da ab kleiner werden als die Luftzahlen. Es ist klar, daß ein solches Ergebnis rechnerisch wohl niemals erhalten werden kann; aber auch physikalisch dürfte seine Erklärung auf Schwierigkeiten stoßen. Mit der Streustrahlung und mit der | Vergrößerung des durchstrahlten Volums allein ist hier meines : Erachtens nichts zu erklären; daß beide genannten Faktoren kodu | | an dem auffallenden Ergebnis beteiligt sind, versteht sich 05% von selber. Übrigens ergaben die Versuche von Friedrich und en à Glaser, daß auch die absolute Dosis durch die Streustrah- Zeigt ` Pokal. Distanz lung im Wasserphantom erhöht wird, und zwar in folgender und „Oberflächen”-Di-

Weise: stanz. Tabelle 5.

zm e Ze va oa

Abstand in cm .......

Dosis bezogen auf 100. 100 23,2 | 10,4 5,4 3,3 | 2,2 1,2 Absolute Dosis ....... 108 25 I 11,2 5.8 3,6 2,4 1,3 Differenz `... 80, 80, | go, 80, 9% | a% 90,

Bei den langen Präparaten lauten die entsprechenden Zahlen:

108 34,6 16,3 10,0 6,0 4,5

2, DM z = b Pa H SNCT 3 mo’ ’O/ Difierenz 8% 105 Ce BOSG 1.90, 95 3

Wenn wir nun auch hier den Vergleich mit den Berliner und Dresdener Zahlen versuchen, so gelingt das nur auf dem Wege der Umrechnung, weil wir von der Dosis in Berührung mit dem Radiumröhrchen ausgehen müssen. Ich wähle dazu folgenden Weg (s. Skizze Abb. 6):

36*

564 W. Lahm

In 10 mm Abstand soll die Intensität 100 betragen, in 6 mm beträgt sie dann

Und weiter: wenn in 20 mm Abstand die Intensität 23,2 beträgt, so in 16 mm 23,2 - 20? A Und endlich: wenn in 30 mm Abstand die Intensität 10,4 beträgt. so in 26 mm 10,4 + 30°

262

= 36.

Stellt man die Zahlen nebeneinander und vergleicht sie, so erhält man die Intensi-

täten 289:36:14:6,7

1:8 :20:40

Wenn man bedenkt, daß das Röhrchen, welches hier ausgemessen wurde, zweifellos länger war als das Berliner (2.28 cm gegen 1,5cm) und erheblich kürzer als das lange Dresdener (2,28 cm gegen 5,1 cm), so versteht man sehr wohl die Abweichungen, die im ganzen nicht groß sind, sich aber den von mir für das lange Dresdener Präparat gegebenen Zahlen nähern (1:8:22,5: 36).

Ich glaube, daß diese Umrechnung sich gelohnt hat, weil wir daraus erkennen, daß an sich die Methoden der Messung oder der Berechnung gleichwertig sind und daß wir mit den Zahlen, wie sie bis jetzt vorliegen, in der Praxis Dosierungen wirklich vornehmen können.

Wir wollen aber weiter noch die Zahlen von Seitz und Wintz und v. Seuffert an uns vorüberzichen lassen, um wirklich alles zu tun, was zu einer einheitlichen Dosie- rung führen kann. Erst dann wollen wir zu den absoluten Werten unsere Zahlen übergehen.

Seitz und Wintz geben folgende Übersicht:

Tabelle 6.

ng Zeit | Dosis in 2 em | 3 Ä 4 5 6

140.3 11.5 Std. ` ju "nn, ao, än, ne, 140.3, 2R po = | 1100, 690, 180, 300, DEEG E, e (us, , 5809 al, 208, 140, 98,7 j 335 n w 110°, 67% Ai 330,

Stellt man diese Angaben denen von Friedrich und mir gegenüber, so ergibt sich folgendes Bild:

Tabelle 7.

Dosis in cm

Nach S.-W. .... Friedrich . Lahm ....

100°, | 500, | 3 1009 | An, | 2: 10005 | 459% | 2

300%, | 21%, | 14%

alle Werte sind auf 100°, in

1419,:.1 99%, | o | 2cm Abstand umgerechnet.

16% | 11%

Die Zahlen von Friedrich und mir sind fast absolut gleich, die Zahlen von Seitz und Wintz liegen durchweg etwas höher und weichen auch erheblich von dem Tiefen- wirkungsgesetz ab, das uns die Bum msche Klinik beschert hat. Trotzdem sind natürlich die Unterschiede an sich nicht erheblich, und wenn man bedenkt, daß die 95%, welche

Messungen und biologische Eichung 565

Seitz und Wintz bei Anwendung von 140,3 mg Radium in 3cm Abstand (rechnerisch!) gefunden hatten, sich bei der Bestrahlung de facto als zu hoch erwiesen haben (beträgt doch die Bestrahlungszeit, wie Tabelle 6 ergibt, für 110% statt 2x 11,5 = 23 Stunden nur 22 Stunden), so kommt man mehr und mehr zu den Zahlen, die ich bzw. Friedrich mitgeteilt haben.

v. Seuffert gibt seiner Meßtabelle, inwelcher Fokal- und Flächen bestrahlung je nach der Länge des Ra-Präparates unterschieden wird, folgendes Aussehen:

Tabelle 8. Dosis hei Fokalbestrahlung Flächenbestrahlung (0,5 cm lang) (3 cm lang) In (äem aannaaien: 137,22 | 16.9 ENEE 8,2 = 3400, 5,0 = 250°, I ee deren 2,4 == 1009, 2,0 = 100% E unre aris LI == 4% 10 = 50% ahdas eier 06 = 2395 0.58 = 29% E E 0,38 = 16%, | 0.36 = 180% DI Busse 0,28 = 10,59%, | 0.25 = 12,5%

Auch hier erkennt man wieder, obwohl eine Umrechnung der Werte auf 1 und 2 cm statt auf 1,2 und 2,2cm nicht mehr vorgenommen wurde, daß die prozentualen Dosen kaum von den früher festgestellten (Tabelle 7) abweichen. Das Ver- hältnis der Tiefendosen ist allerdings wesentlich anders, als wie es in den Berliner Zahlen zum Ausdruck kommt. Der Vergleich ist hier leicht, weil auch v. Seuffert nicht mit »Fokalabstand“‘, sondern mit Entfernungen von der Oberfläche des Radiumröhrchens rechnet; die 0,2 cm ‚„Grundabstand‘“ sind als Maß des Sekundärfilters anzusehen.

Berliner Verhältnis 1:6 :15:36 München: Fokalbestr. 1:17 :57 :125 Flächenbestr. 1:3,4:8,5:17

Diese erheblichen Differenzen sind sehr auffallend. Sie sind meines Erachtens aber auf die ersten Zahlen in der v. Seuffertschen Tabelle zurückzuführen, welche bei der Fokalbestrahlung zu hoch und bei der Flächenbestrahlung (vielleicht) etwas zu niedrig angesetzt sind.

Endlich möchte ich in diesem Zusammenhange noch Martiuserwähnen. Er hat sich um die Radiumdosierung sehr verdient gemacht, indem er ähnlich, wie ich es hier tue, die Ergebnisse der verschiedenen Autoren einer vergleichenden Kontrolle unterwarf und dabei zu dem Resultat kam, daß wir bei einigermaßen gutem Willen schon heute in der Lage scien, einheitlich zu dosieren. Von da bis zur einheitlichen Dosierungsangabe sollte aber meines Erachtens nur noch ein Schritt sein.

Martius gibt in seiner zitierten Arbeit übrigens zum ersten Male den Grund an, weshalb beim Radium die rechnerisch gewonnenen Zahlen wenn die Berechnungen nur hinreichend genau sind mit den gemessenen so auffallend gut übereinstimmen. Es konnte nämlich Grebe zeigen, daß die Streustrahlung im Gewebe die Ab- sorption ungefähr kompensiert, so daß rechnerisch nur die geometrisch be- dingte Abnahme der Intensität zu berücksichtigen ist.

Das gilt natürlich für alle Präparate; in der einfachsten Form des Quadratgesetzes natürlich nur für konzentrierte Präparate. Martius aber geht noch einen Schritt weiter. Er wendet rechnerisch stets das einfache Quadratgesetz an, wonach die Inten-

566 W. Lahm

sität mit dem Quadrat der Entfernung vom Mittelpunkt der strahlenden Substanz ab- nimmt. Dieser Entschluß muß überraschen. Doch hält Martius uns folgende Zahlenwerte entgegen: Tabelle 9.

Dosen eines kurzen Präp. in cm 1 | 2 3 | 4 5 | 6 Nach Friedrich: 100 | 23,2 10,4 5,4 3.3 >. Nach Martius berechnet: 100 | 25 11.1 6,2 4.0 2,89, Dosen eines langen Präparates 1.324 15,7 4,3 5,6 4,20, (wie oben) ze i 32,41) | 14,4 81 3,650,

und hält die Abweichungen vom Quadratgesetz für zu unerheblich, um die weit größeren und zeitraubenden Berechnungen, wie ich sie seinerzeit durchgeführt hatte, für berechtigt zu halten.

Nur eines hat der Radiotherapeut zu berücksichtigen (Anmerkung der Tabelle!), er muß die Erythemdosis bei allen Präparaten, welche länger als 2 cm sind, nicht bei 1cm, sondern bei 2cm Abstand bestimmen (biologische Eichung). Schema der Ausführung nach Krönig-Friedrich s. Abb. 7

Praparat. vn) gA- 45mm Messing-Filfer,

"Gan "` E Amm Celluloid. SE dm Celluloid. SE Lee e gd KE BRE, Ar A DIIRGELE Z Z BEZ SG ` Ha

uf.

Abb.7. Eichung eines Radiumpräparates an der Haut. Nach Krönig-Friedrich, Grundlagen.

Beispiel: 1. Radiumpräp. A: 1,5cm lang; Erythemdosis bei 1cm Abstand vom Mittelpunkt der strahlenden Substanz: 8 Stunden. Dann muß bei 2cm 3cm 4 em Abstand 4 x 8 = 32 9x8= 12 16 x 8 = 128 Stunden

bestrahlt werden, wenn Erytheme in dem betreffenden Abstand auftreten sollen.

2. Radiumpräp. B: 2,7 cm lang; Erythemdosis in Zem Abstand: 24 Stunden. Dann muß bei 3cm {4 cm Dem Abstand Y,x4=54 %Y,x24=% 9, x 24= 150 Stunden.

bestrahlt werden, wenn Erytheme in dem betreffenden Abstand auftreten sollen.

Es muß zugegeben werden, daß der Vorschlag von Martius mit größter Einfach- heit den der genügenden Genauigkeit verbindet. Um rasch am Krankenbett die annähernd notwendige Radiumdosierung zu überschlagen, ist er zweifellos ausgezeich- net. Trotzdem möchte ich vorschlagen, für die endgültige Berechnung so genau wie überhaupt möglich zu verfahren.

1) Die Zahl ist der gemessenen gleichgesetzt.

Die absoluten Dosen 567

Bevor wir nun zu einem endgültigen Einheitsvorschlag übergehen, wollen wir noch die absoluten Radiumdosen der Autoren miteinander vergleichen. Folgende Ta- belle 10 mag die notwendige Übersicht geben:

Tabelle 10 (fokale Bestrahlungen).

Autor

Adler 50 0,36 11, Std. 577 75 35 0,41 3—5(!) 600—1000 | 100—160 30 0,37 45 880—1100 | 120—150 Seitz-Wintz 1 3,0—3,5 | 82Std. ` 470— 352 4123 98,7 3,0—3,5 | 33, | 264— 363 3257 Kehrer 35 04 | 3% Sta ; | %2 112 54 0,4 94 760 121 68 0,4 | 14 740 119 Hauschting- 40 0,4 4 2 Std. | 500 80 Zander 26 0,4 ER 580 94 15 0,4 a S 750 120 Martius 45 | 1.0 6 Std. 270 270 45 2.0 8 | an | 2160

Aus dieser Tabelle erkennt man deutlich, daß leider hinsichtlich der absoluten Werte in der Dosierungsangelegenheit noch arge Lücken klaffen. Betragen doch die Unterschiede zwischen den Dosenangaben von Adler-Kehrer und Seitz- Wintz 100 und über 100%! Wie sich das erklärt, ist vorerst noch vollständig in Dunkel gehüllt!). Man könnte daran denken, daß die Präparate von Adler und Kehrer sehr stark mit Barium verunreinigt wären, wodurch ein großer Teil der Aktivität (100%) verlorenginge. Für das Adlersche Präparat (Nr. 31) könnte das zutreffen (es enthält 62 mg RaBaSO,, welches nur 12% ist), von dem Kehrerschen Präparat ist mir eine solche Zusammensetzung nicht bekannt. Aber wenn in derartigen Dingen die Ursache der enormen Unterschiede in der Erythemdosis gesucht werden muß, so ist natürlich klar, daß die reine Berechnungspraxis nicht anwendbar ist. Auf alle Fälle muß von jedem Präparat die Erythemdosis bestimmt werden (biologische Eichung).

Auf einen Punkt muß ich noch aufmerksam machen, um ja nicht durch diese Be- trachtungen evtl. den Anlaß zu geben, in Zukunft zu schwach zu dosieren. Wir haben oben gehört, daß Adler die Karzinomdosis auf ca. !/, der Erythemdosis angibt. Auch wir in Dresden rechnen für die Mehrzahl der Kollumkarzinome mit einer Empfind- lichkeit von etwa 3—400 mgeh/cm, also 50% der H.E.D. Diese Übereinstimmung ist auf- fallend. Und wenn wir die Angaben v. Seufferts, Schautas u. a. zugrunde legen, wonach das Kollumkarzinom von 3 cm Ausdehnung mit 50 mg Radiumelement in 48 Stun- den zu heilen ist, so kommen wir auch auf 268,8 mgeh/cm, eine Dosis, welche ganz gut zu unseren Vorstellungen paßt. Aber gerade weil hier die Übereinstimmung der Beobach- tungen und Zahlenangaben so auffallend ist, möchte ich davor warnen, nun einfach die Erythemdosis niedriger anzusetzen, als wie sie Adler, Kehrer und zum Teilauch Bumm gefunden haben. Ich meine: es sollten noch einmal überall die Dosen nachge- prüft werden, welche zur Erzielung des Erythems bei genau bekannten physikalischen und mathematischen Bedingungen notwendig sind; eine

1) Siehe Nachtrag auf S. 568.

568 W. Lahm

Änderung von 10 Minuten in der Bestrahlungszeit und von 0,2cm im Abstand machen ja soviel aus und sind für diese Fragen doch so wichtig!

4. Einheit der Dosis.

Eine Einheit der Dosis ist auf Grund unserer Ausführungen heute schon möglich. Wir brauchen auf der einen Seite nur den Vorschlag von Martius anzunehmen und auf der anderen Seite nach den Dosenangaben von Friedrich oder mir!) zu be- rechnen, so ist für die Praxis vollkommen vorgesorgt. Ich möchte im folgenden die praktischen Grundlagen für diese Einheit der Dosis in Gestalt von 2 Kurven (Abb. 8 und 9) und einer Tabelle geben.

Tabelle 11. Dosierung bei Fokal- und Flächenbestrahlung.

Kurzes Präparat

l Langes Präparat

`

Abstand absol. Wert Basar | absol: Wert EE SE gemessen | in o lungszeit ' Dosis |gemessen ` o: lungszeit Dosis in % | ir. ZN; Se n. Fried- n. Lahm [n. Martius D. Martiusi n. Fried- o Lahm In. Martius'n. Martius rich rich lcm 108 116 m 100 108 51 (102)2) | 2:55 25 29 4xm 25 34,6 , 18(36) m : 100 (35)2) 3, 11,2 12 9xm 11,1 16,8 . 9(185) %/, x mj 44 (16,2) 4 5,8 6,5 16 x m | 6,2 10,0 CTAA ËCH 2%, x m | 25 (8,8) 55; 3,6 4,1 25 x m ı 4,0 6,0 ,3,7(7,49 | %/, x m 16 (5,6) e. 2,4 28 Tam 38 A8 ,2,7(5.4 |3, x m |11,1(4,0) 8. 1,3 1,6 64x m, 1,6 2,6 1,6 (3,2) | %/, x m | 6,2 (2,2)

Nachtrag bei der Korrektur.

Die Widersprüche, welche sich in bezug auf die Absolutwerte der Dosen in den bis- herigen Ausführungen erkennen ließen, haben in allerneuester Zeit eine sehr interessante Aufklärung durch Martius erfahren. Martius konnte feststellen, daß nach ‚absoluten Einheiten“ (in Röntgen‘) gemessen, die Erythemdosen in 27 deutschen Röntgen- instituten derart schwanken, daß der niedrigste und höchste Wert sich wie 1:4 ver- halten. Mit anderen Worten: Was der eine schon ein Erythem nennt, ist für den anderen „noch gar nichts“.

Ich habe nun im Röntgeninstitut der Frauenklinik Dresden ebenfalls die Erythem- dosis nach Röntgeneinheiten (R) gemessen und komme zu einem Werte von etwa 1000 R. Wenn man nun bedenkt, daß wir in Dresden von der Erythemdosis ausgingen, welche wir mit unseren Radiumpräparaten erhalten hatten, und wenn man mit Martius 600R. als „mittlere Gebrauchserythemdosis‘‘ ansieht, so steht fest, daß wir sowohl bei der Ra- dium- wie bei der Röntgenbestrahlung mit einer ganz einheitlichen, aber 40 % über der mittleren Dosis gelegenen Intensität bestrahlt haben. Stellt man nun die Erytheme der Kliniken Seitz, Kehrer, Bumm, v. Franque& nebeneinander, so ergibt sich folgendes Bild (Tabelle 11a).

Tabelle 11a. Strahlenintensität für die Radium-

und Röntgenerytheme.

Röntgenerythem

Radiumerythem

Seitz 264—470 mgeh/em | 390 R Kehrer 750 a | 1000 R Bumm 500—750 sp | 800 R v Franque. 270—540 2 435 R

1) Die Zahlen sind aus meiner „Radiumtiefentherapie‘“ Steinkopff 1921 entnommen. 2) In Klammern sind die Werte beigefügt, welche den Vergleich der Zahlenreihen erleichtern,

Vereinheitlichung der Dosenangaben. R-Zahlen 569

Daraus geht mit aller Deutlichkeit hervor, daß in jeder Klinik eine bestimmte Erythemdosis vorhanden ist, welche der ‚„Bestrahlungstradition‘ entspricht, daß aber un-

geachtet dessen von Klinik zu Klinik Differenzen bestehen, welche fast unglaublich scheinen, welche aber durch die Messungen von Martius einwandfrei feststehen.

Ich möchte nun an dieser Stelle gleich den Schluß ziehen, den auch Martius gezogen hat, für die Radium- dosierung zu einer „mittleren Ge- brauchserythemdosis‘ überzugehen. Ich würde sie nach den Dresdener Er- fahrungen durch den Wert 450 mgeh/cm charakterisiert sehen. Mit anderen Worten:

ein konzentriertes Präparat (bis 1,5 cm lang) gibt mit entsprechender Filterung bei 1 cm Fokaldistanz die Erythemdosis bei 450 Milligrammstunden;

ein langgestrecktes Präparat (über 1,5cm) muß, um in 2 cm Abstand ein Erythem zu ergeben, etwa 3 mal länger liegen (32,4: 100).

Abb. 8. Fokalbestrahlung. Der Verlauf der Isodynamen oder Isodosen um ein kurzes Ra- diumpräparat (s. Tabelle XI).

Mit dieser neu geschaffenen Basis stimmt sehr gut überein, was wir bisher über die Radiumempfindlichkeit der Karzinome wissen. Seitz und Wintz haben bekanntlich

Abb. 9. Flächenbestrahlung. Der Verlauf der Iso- dynamen oder Isodosen um ein langgestrecktes Radium-

präparat.

die Karzinomdosis mit 110%, der Erythemdosis (obere Grenze) angenommen. Wir selbst haben bestimmt, daß die mittelreifen und unreifen Karzinome eine Empfindlichkeit von 250—1000 mgeh/cm aufweisen mit einem Maximum um 4— 500 mgeh/cm, was nach der neuen Berech- nung 100—110% der Erythem- dosisentspricht. DieseÜber- einstimmung scheint mir sowenig ich an dem Begriff der „Karzinomdosis‘“ sonst festhalte von größter Bedeutung, weil damit erstmalig sich auch die Differenzen der Strahlenempfindlichkeit der Kollumkarzinomegegen die Röntgen- bzw. die Ra- diumstrahlen aufklären. Gleichzeitig aber erhält dadurch der Vorschlag von Martius, die

570 W. Lahm

Erythemdosis mit 600 R. festzusetzen, eine sehr wesentliche sachliche Unterstützung, so daß ich unbedingt für die Annahme seiner „mittleren Gebrauchserythem- dosis““ eintrete.

5. Die Reizsummation und das Zeitproblem.

In unseren bisherigen Betrachtungen haben wir bestimmte Dosen für das Haut- erythem und für die Vernichtung des Karzinoms angegeben, wobei als Voraussetzung angenommen wurde, daß die Bestrahlung in einer Sitzung erfolge (Dauerbestrahlung). Sobald die gleiche Dosis unter Einschaltung von Pausen verabreicht wird (Dosis refracta), verändern sich die Verhältnisse von Grund auf. Auch ist von vornherein nicht zu sagen, was im einzelnen geschieht. Drei Möglichkeiten stehen offen:

a) es kann trotz insgesamt gleichbleibender Dosis ein Minus im biologischen Er- folg eintreten. Man spricht in solchen Fällen von verzettelter Dosis;

b) es kann trotz Verteilung der Gesamtdosis auf mehrere Sitzungen der volle biologische Erfolg eintreten; man bezeichnet das als Reizsummation;

c) es können Dosen, welche an sich keinerlei biologischen Erfolg haben, durch häu- fige Wiederholung zu einem solchen führen. Man spricht in diesen Fällen von Reiz- kumulation, wobei die Frage offenbleibt, ob es sich um eine einfache Summation oder um ein wirkliches Plus in der Reizgröße handelt (Elektivwirkung).

Die genaue Verfolgung der Verhältnisse, die wir eben besprochen haben, stellt das sog. Zeitproblem dar. In die Praxis übersetzt heißt das:

a) man muß über eine genaue Kenntnis der erlaubten Pausen verfügen, welche die volle Reizsummation nicht verhindern;

b) man muß die Bedingungen erforschen, welche für die Elektivität der Strahlen- wirkung von Wichtigkeit sind (Reizkumulation).

Als grundlegend für das Problem der Reizsummation möchte ich die Arbeit von R. Werner bezeichnen, der erstmalig in tierexperimentellen Versuchen dartun konnte, daß bei mittlerer Dosierung ein Zwischenraum von 4—5 Tagen nicht überschrit- ten werden darf, wenn eine volle Summation der Dosen eintreten soll.

Weiterhin haben Waeber und Hauschting-Zander in sehr verdienstvoller Weise Material zusammengebracht, welches im großen und ganzen die Tierversuche Werners beim Menschen bestätigt und ergänzt. Folgende Zahlenwerte dürfen heute als feststehend angenommen werden:

Tabelle 12. "ie H.E.D. Zi H.E.D. getrennt durch Pause von 17 Tg. geben volle H.E.D. U, + ta II II an 29 99 10 99 an ?9 99 ta LA e LK L H LK) 99 D 29 39 HE) HI U + Big E? an 99 sn 1 TD an sn

Die in dieser Tabelle auftretende Latenzzeit bezeichnet man zweckmäßig nach einem Vorschlag von Bumm als Wirkungszeit. Hauschting unterscheidet eine Voll- wirkungszeit und eine Nachwirkungszeit. Die hier gegebene Tabelle gilt für die Voll- wirkungszeit ` über die Nachwirkungszeit wo auch eine gewisse Summation zu erwarten ist liegen bisher genauere Zahlen nicht vor, doch kann allgemein gesagt werden, daß 5—6 Wochen nach einer Bestrahlung, deren Größe unter einer H.E.D. liegt, jede Wirkung abgeklungen ist. Es stimmt das mit Beobachtungen, welche wir in Dresden schon vor Jahren gemacht haben, überein.

Eine Bestrahlungsserie gilt als abgeschlossen, wenn die nach Art und Ausdehnung des Karzinoms festgelegte Milligrammstundenzahl erreicht ist.

Reizsummation und Zeitproblem 571

Eine zweite, selbst eine dritte Serie kann dieserersten Bestrahlung folgen, ja es ist vielleicht sogar besser, wenn sie prinzipiell angewendet wird, falls nicht irgend- welche anatomischen Verhältnisse eingetreten sind, welche sie unmöglich machen. (Atresie des Cavum uteri, Parametritis, Adnexitis.)

Oft tritt während einer Bestrahlung Fieber ein, dann ist natürlich die Serie zu unterbrechen. Dauert es längere Zeit, bis die Temperatur zur Norm abfällt, so kann eine sehr unerwünschte Verzettelung der Dosen die Folgen sein. Treten beim zweiten oder dritten Versuch mit Radium zu bestrahlen immer wieder Fiebererscheinungen auf, so ist es zweckmäßig, die Radiumbestrahlung abzubrechen und Röntgenbehandlung anzu- wenden. Die neue Methode ist dann bereits als einekombinierte Behandlung anzu- sehen, selbst wenn die Radiumdosis sehr klein war.

Das Problem der Kumulation bzw. das der elektiven Einwirkung der Strahlen auf das Karzinom hat vor allem Adler bearbeitet. Von dem Gedanken ausgehend, daß das Karzinom doppelt so empfindlich sei wie das normale Epithel bzw. das Binde- gewebe, glaubte er durch intermittierende Bestrahlung die Einwirkung auf das Kar- zinom ganz wesentlich gegenüber der Einwirkung auf das Bindegewebe steigern zu können. Auf Einzelheiten seiner Theorie, die zweifellos von großem Wert sein könnte, wenn sie richtig ist, soll hier nicht weiter eingegangen werden, doch mag betont werden, daß auch die Erfahrungen bei der Röntgenbestrahlung für die große Bedeutung der intermittierenden und vor allem der Serienbestrahlung sprechen. Es ist vielleicht kein Zufall, daß Wintz bei seiner „Karzinombestrahlung‘‘, die sich im wesentlichen aus drei Sitzungen zusammensetzt, so gute Erfolge aufzuweisen hat; auch möchte ich darauf hinweisen, daß ich selbst auf dem Röntgenkongreß 1924 mitteilen konnte, daß die erfolg- reich bestrahlten Karzinomfälle zu 84%, diejenigen sind, welche 2- oder 3mal, also in Serien, bestrahlt worden sind.

Alles in allem kann man also die Forderung aufstellen, daß die Radiumbestrahlung sein soll:

1. intermittierend und summierend;

2. eine Serienbestrahlung mit Abständen von je etwa 6 Wochen.

C. Die strahlende Substanz.

1. Fassung und Form.

Wie Fernau gezeigt hat, empfiehlt es sich, die strahlende Substanz in Glasgefäße (Röhrchen, Kapillaren) einzufüllen und diese mit einem dünnen Silber- oder Platinmantel von ungefährr 0,1—0,2 mm Wandstärke zu umgeben. In das Glasröhrchen wird zweck- mäßigerweise ein Platindraht eingeschmolzen, der die Aufgabe hat, elektrische Aufladun- gen der Außenfläche des Glasröhrchens abzuleiten. Glasgefäße und Silbermantel zu- sammen bezeichnet man als Radiumträger.

Die Radiumträger besitzen eine wechselnde Form und passen sich in der Regel dem Organ an, das bestrahlt werden soll (Racasens, Kurtzahn). Für das Kollumkarzinom kommen stäbchenförmige, kugelige, halbkugelige und plattenförmige Radiumträger in Frage. Die stäbchenförmigen Präparate können gerade sein oder eine leichte Biegung oder Knickung aufweisen. Früher ging man von der Auffassung aus, daß die Anpassung der Form des Radiumträgers an das jeweilig zu bestrahlende Organ bzw. an die Ausbreitung des Karzinoms eine außerordentlich wichtige Forderung sei. Heute müssen wir sagen, daß unser Streben vielmehr darauf gerichtet sein muß, möglichst einfache Formen des Radiumträgers zu schaffen, und zwar deshalb, weil bei jedem kompliziert gestalteten Radiumträger das Strahlenfeld sich verändert und für den prak-

572 W. Lahm

tischen Gebrauch erst neu berechnet oder biologisch ausgewertet sein will. Mit der einfachen Form des Radiumträgers liegt die Dosierungein fürallemal fest. A priori scheint das punktförmige Radiumpräparat oder die Radium kugel die ein- fachste geometrische Form zu sein, in der wir das Radiumpräparat anwenden können. Die Strahlen breiten sich dann in Form von Kugelschalen aus, das Feld muß überall im gleichen Abstande von der Kugel die gleiche Intensität besitzen. Die Erfahrung sowohl als auch die messende und berechnende Nachprüfung des Strahlenfeldes bei punktförmi- gen Präparaten hat aber gezeigt (Friedrich, Lahm, Matzdorf), daß in diesen Fällen ein anderer Faktor sehr unangenehm ins Gewicht fällt, und zwar die Inhomogenität des Strahlenfeldes. Sie fällt bei der praktischen Anwendung der radioaktiven Substanz derartig ins Gewicht, daß man auf die scheinbar ideale Form, die das punktförmige Präparat gibt, verzichtet hat und zu anderen Formen des Radiumträgers übergegangen ist. Als sehr gut für die verschiedenen Arten der Anwendung hat sich das lang- gestreckte Radiumpräparat bewährt, das allerdings noch weit die Dimensionen des Dominicischen Röhrchens (Abb. 1) überschreitet. Man verteilt die radioaktive Sub- stanz nunmehr auf mehrere Zentimeter Länge (= Fläche) und erreicht dadurch eine Homogenisierung des Strahlenfeldes von beträchtlichem Grade. Wenn es nun noch gelingt, das zu bestrahlende Karzinom in die Mitte des Strahlenfeldes zu bringen oder, mit anderen Worten, das Radiumröhrchen in die Mitte des Krebsherdes zu applizieren, so ist ein idealer Zustand erreicht. Beim Kollumkarzinom macht eine derartige Anord- nung zunächst keine Schwierigkeiten, insofern in der Regel der Krebs den Zervikalkanal konzentrisch umwächst. Trotzdem darf man nicht glauben, daß die Einlage des Radium- röhrchens in das Cavum uteri sich vollkommen dem Ausbreitungsgebiet des Kollum- karzinoms anpaßt. In vielen Fällen ich verweise hier besonders auf die Darstellungen in Kapitel 1 müssen wir damit rechnen, daß das ganze kleine Becken von mikrosko- pisch kleinen oder auch größeren Karzinomteilen durchsetzt ist, und unser Ziel muß es sein, das Radiumpräparat so im Becken anzubringen, daß möglichst das ganze Becken gleichmäßig durchstarhlt wird. Ideal würde das Radiumpräparat liegen, wenn es zwi- schen der Beckeneingangsebene und der Beckenweite in der Führungslinie des Beckens gelegen wäre, denn damit erst wäre die Möglichkeit gegeben, daß auch die iliakalen Drüsen von Radiumstrahlen getroffen würden.

Amreich hat darauf hingewiesen, daß es im allgemeinen unzweckmäßig sei, das ganze Becken gleichmäßig mit Strahlen zu durchsetzen. Er fordert vor allem einen Schutz nach der Blase und dem Rektum und erreicht denselben dadurch, daß er Metall- blenden an den Filtern anbringt, welche die Strahlung nach der unerwünschten Richtung absorbieren sollen. Überlegt man sich aber, daß

1. das ganze Lymphgebiet des kleinen Beckens als infiziert angesehen werden muß;

2. jedes, auch mehrere Millimeter dicke Metallfilter sehr wenig von den harten y-Strahlen wegnimmt (Halbwertschicht für Blei 6 mm!);

3. die Dosierung trotz evtl. besonderer Maßnahmen von vornherein stets so einge- richtet werden muß, daß die Hohlorgane des kleinen Beckens Blase, Rektum und Ureter keine schädigende Dosis erhalten,

so erübrigt es sich, in eine Diskussion des Amreichschen Vorschlages einzutreten. Hinweisen möchte ich nur darauf, daß ich selbst Messungen mit solchen Blenden an- gestellt habe und keine erhebliche Herabsetzung der Dosen feststellen konnte, was meines Erachtens gewiß nicht im Sinne Amreichs noch für einen Vorteil dieses Verfahrens zu halten ist.

Bestrahlungsgeräte 673

2. Filterung.

Der Radiumträger als solcher (Glas- und Silbermantel) läßt die«-Strahlung der radio- aktiven Substanz schon nicht mehr hindurch oder vermindert ihre Intensität doch auf einen völlig zu vernachlässigenden Bruchteil. Anders steht es mit der ß-Strahlung. Sie muß erst durch entsprechende Filterung besonders zurückgehalten werden. Es geschah das in den ersten Versuchen (Dominici, Chéron) mit Platin oder Gold, später ver- wendete man Blei und Messing. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht, wie stark das Filter sein muß, um die ß-Strahlung vollständig zu vernichten. Es ist selbstverständlich, daß man das Filter nicht stärker als unbedingt notwendig wählt, damit nicht auch die therapeutisch so wertvolle y-Strahlung in unerwünschter Weise abgeschwächt wird.

Tabelle 13.

Messing Silber Blei | Gold | Platin

| |

3,5 mm | 1,2 mm | 1,0 mm 0,9 mm

Metalle Al.

Volle Absorption der ß-Strahlen TEE

0,5 mm

0,6 mm

Nicht in allen Fällen scheint es erwünscht, die ß-Strahlung vollkommen durch die Filterung wegzunehmen. Wenigstens haben Bumm und Kehrer angegeben, daß die B-Strahlung eine blutstillende Wirkung entfaltet, was bei der Bestrahlung des Kollum- karzinoms oft von großem Vorteil sei. Andere Autoren betonen dagegen, daß die y -Strah- Jung. wie sie bei etwas stärkerer Dosierung allein übrigbleibe, die gleiche Wirkung habe. Jedenfalls ist es bei Bestrahlungen vom Zervix- oder Uteruskanal aus nicht schlimm, wenn die -Strahlung nicht restlos durch die Filterung weggenommen ist; die dicke Muskelwand der Gebärmutter verträgt sie und nimmt zweifellos auch den letzten Rest auf, ehe sie am Beckenbindegewebe schädlich wirken kann. Selbstverständlich bedeutet jeder Zuwachs der Intensität in unmittelbarer Nähe des Radiumträgers eine an sich unerwünschte Verschlechterung der Feldhomogenität. Eine Filterung mit Messing von 0,8—1,0 mm darf als ausreichend angesehen werden.

3. Bestrahlungsapparate.

Eigentliche Bestrahlungsapparate gibt es nach dem, was im vorigen Abschnitt aus- geführt wurde, kaum. Was an solchen bekannt geworden ist, sind eigentlich nur Hilfs- mittel für die leichte und sichere Applikation der radioaktiven Substanz; am Bestrah- lungsprinzip als solehem wird dadurch in der Regel nichts geändert. Ich möchte im fol- genden trotzdem einige Apparate zur Darstellung bringen, welche uns zugleich die Metho- den einer Reihe von Kliniken zeigen.

a) Heidelberger Gerät (Menge-Eymer).

Heidelberg bestrahlt ‚vom ganzen unpaaren Genitalkanal aus“, legt also mehrere Präparate der Länge nach hintereinander ins Korpus, in die Zervix und in die Scheide.

Ins Corpus uteri und in den Zervixkanal kommt ein geradegestrecktes Röhrchen von etwa Dom Länge. Es enthält hintereinander 2—3 (gewöhnlich 3) Radiumträger von größerer oder geringerer Konzentration. Bei der Bestrahlung eines Kollumkarzinoms kommen die weniger konzentrierten Träger in das Korpus, die stärker konzentrierten in das Kollum. Soll die strahlende Fläche noch mehr vergrößert werden, so wird zwischen die einzelnen Radiumträger durch Zusammenschrauben der Filterhüllen ein Zwischen- raum von !/,cm gelegt (= einstellige Kreuzfeuerbestrahlung a S. 581), was aber die Homo- genität des Feldes nicht verbessert (s. S. 569).

574 W. Lahm

Ist im Collum uteri ein karzinomatöser Krater vorhanden, so eignet sich dafür ein plattenförmiger oder halbkugeliger Radiumträger. Er wird mit der im Korpus liegenden Röhre fest verbunden.

In die Scheide wird ein langes Präparat längs oder zwei sagittal gerichtete Präparate quer in beide Scheidengewölbe eingelegt. Sie sind stets von einem Hartgummiblock umgeben, um den nötigen Abstand von der Blase und dem Mastdarm zu gewährleisten. Der Hartgummi dient zugleich als Sekundär- filter, welches im Korpus und im Zervikalkanal wegfällt oder jedenfalls wegfallen kann.

Eine Übersicht über derartig eingelegte Präparate gibt Abb. 10.

Die Bestrahlung des Uteruskarzinoms durch Präparate, welche in der Längsrichtung in den Genitalkanal eingelegt sind, gestattet keine weiteren Modifikationen. Dagegen können die sagittal gestellten Präparate durch geeignete Hilfsmaßnahmen Abb. 10. Heidelber- 80 zu der längsverlaufenden Strahlenachse verschoben wer- ger Gerät. 3 Präp. den, daß ein ‚echtes Kreuzfeuer‘‘ auf das Karzinom entsteht. im Cavum uteri, ein Ursprünglich lagen die gedachten Präparate in einem modi- Präp. vor der Portio, fizjerten Mengeschen Keulenpessar (Abb. 11). Neuerdings eins in der Scheide (in ; este ein Zwanksches Pessar Scheint man das modifizierte Zwanksche Pessar anzuwenden eingelegt). Nach Eymer, (Abb. 12), dessen Vorzüge (Möglichkeit der geschlossenen Ein-

C. f. Gyn. 1922. führung, nachträgliche Spreizung, nachdem die richtige Lage

erreicht ist), sofort ins Auge fallen müssen. Öffnet man das

Pessar (Abb. 13), so daß die beiden Flügel sich nach links und rechts bewegen, so ge-

lingt es auf diese Weise, die radioaktiven Präparate bis tief in die Parametrien hinein-

zudrücken, vorausgesetzt, daß dieselben durch derbe Karzinommassen nicht bereits völlig hart und unnachgiebig geworden sind.

Abb. 13. Zwanksches

Mengesches Keulen- Abb. 12. Pessar geöffnet. In den pessar mit eingelegten ZwankschesPessar beiden gespreizten Scheren Radiumpräparaten. (geschlossen). Radiumpräparate.

b) Berliner Gerät (Bumm-Zander).

In der Bummschen Klinik haben Hauschting und Zander ein Bestrahlungs- gerät ausgearbeitet, welches das Resultat ihrer bereits erwähnten Versuche zur Fest- stellung der Tiefendosis ist.

Heidelberger, Münchner, Dresdener Gerät 575

Es besteht aus einer ca. 6 cm langen Messingröhre, in welche das gestreckte, und zwar kontinuierlich angeordnete Präparat (ununterbrochene Brennlinie) hinein- geschoben wird. Am rückwärtigen Ende der Röhre ist eine Platte aufschraubbar, auf der ein oder zwei Präparate mit Stenzmasse fixiert werden können (Abb. 14).

Das Schraubengewinde dient dazu, die jeweilige Länge des Cavum uteri genau einzustellen (vorherige Sonden- messung), die Stenzmasse soll für absolute Festlegung der Präparate in der Scheide und ihre Distanzierung von der Blase und dem Mastdarm sorgen.

c) Münchener Gerät (Döderlein-v. Seuffert).

Die Münchener Frauenklinik hat bisher einen eigenen Bestrahlungsapparat nicht publiziert. Sie hat lediglich eine Methode, welche physikalisch und medizinisch-klinisch aufs beste durch vielfältige Versuche v. Seufferts begründet worden ist, angegeben, und hat es dem einzelnen überlassen, wie er das als richtig erkannte Prinzip in die Praxis um- setzen will.

Die Münchener Methode könnte man als die „Methode der möglichst verteilten Radiumsubstanz‘ bezeich- nen, d. h. auch sie verwendet intrauterin langgezogene Präparate, bestrebt indessen dazu eine Wirkung von Abb. 14. Berliner Ge-

$ rät. Radium im Corpus außen von der Bauchwand her durch die Bestrahlung teri und vor der Portio. mit großen Radiumkapseln (perkutane Bestrahlung). Nicht Nach Zander, Arch. f. Radiumkanonen sind es, wie sie seinerzeit Krönig an- Gyn. 115. gegeben hatte, sondern Platten, auf welchen die strahlende Substanz ganz gleichmäßig in der feinsten Weise verteilt ist. Man kann diese Radium- träger für längere Zeit ziemlich nahe an die Haut heranbringen (1,2 cm), ohne eine Verbrennung befürchten zu müssen.

UNI

d) Dresdener Gerät (Radiumkapillare nach Kehrer-Lahm).

In Dresden ist man auch auf dem Wege eigener systematischer Untersuchungen zu dem neuerdings fast allgemein anerkannten Prinzip der Dezentralisation der radioaktiven

Abb. 15. Dresdener Gerät. Radiumkapillare mit Hartgummiblock (aufschraubbar) auf Gleitschiene.

Substanz gekommen. In Dresden bildete der Ausgangspunkt für die neue Richtung die mathematische Berechnung der Impulsstärke, wie sie Kehrer mit Rübsamen für konzentrierte Präparate unter Annahme eines punktförmigen Radiumfokus angestellt hatte. Es wurde von mir mit Hilfe einer Reihenberechnung, indem ich der Längenaus- dehnung aller bisher verwendeten Radiumpräparate Rechnung trug, versucht, die Inten-

576 W. Lahm

sitätswerte in der Umgebung der Präparate genauer festzustellen. Dabei ergab sich, daß, wenn man die Radiumpräparate auf 5 und 6cm Länge sich verlängert dachte, ein Strahlenfeld entstand, dessen Homogenität gegen früher ganz außerordentlich in die Augen stach. Indem nun die Punkte gleicher Intensität in der Umgebung des Ra- diumpräparates durch Linien verbunden wurden (Isodynamen), entstanden Kurven, welche mit großer Sicherheit die Dosierung ermöglichten (Abb. 8 u. 9 S. 569).

ee "SO WEE

EE FIR

Abb. 16. Einfluß der unterbrochenen Dickfilterung auf das Strahlenfeld. Dicht bei der Filterung Absinken der Intensität, in größerer Entfernung durch Überkreuzung der Strahlung Steigerung der Intensität.

Außer den intrauterin einzulegenden Radiumkapillaren verwendet auch die Dres- dener Frauenklinik Vaginalpräparate, und zwar werden dieselben in einen Hartgummi- block eingelegt, der wie ein Klingelknopf zum Verschrauben eingerichtet ist (Abb. 15) und einen Mindestabstand der Präparate vom Gewebe von 1cm garantiert.

Das Einlegen dieses vaginalen Blocks geschieht mit Hilfe einer Gleitschiene, deren Anwendung und Bedeutung man aus der Abb. 15 leicht erkennt.

In neuester Zeit hat Verfasser noch ein weiteres Bestrahlungsgerät konstruiert, welches bisher aber noch nicht praktisch erprobt ist. [Wie ich während der Korrektur (20. Dezember 1924) erfahre, ist im Jahre 1914 von Ernst Pohl in Kiel ein Patent eingereicht worden (Nr. 346 404), welches die Radiumbestrahlung in ähnlicher Weise vorschlägt. Dort heißt es: „Der der Erfindung zugrunde lie- gende Gedanke besteht nun darin, die nicht auf die zu bestrahlende

KR ` Fläche treffenden Strahlen abzu-

d z Ai d q 3,6 sl gi bisher blenden, weil sie nur nutzlos die

; dem Präparat mehr benachbarten

d = SE 10 A 3 2,5 Zu jet al Stellen a Körpers bestrahlen und in diesem zu einer erheblichen

Abb. 17. Intensitätsverhältnis bei diskontinuierlicher SChädlichen Überbestrahlung füh- Bleifilterung. ren“. Es wird vorgeschlagen, das

Radium fokal zu verteilen, was

aber wohl Schwierigkeiten macht

und keine Vorzüge gegen die kontinuierliche Brennlinie bietet.] Es ist im Prinzip nach dem Zwank - schen Pessar gebaut. Der Längsteil desselben enthält das Radiumpräparat Nr. 1 in einem ca. 0,7 cm dicken Bleimantel, der siebförmig nach allen Seiten durchbohrt ist. Dadurch wird erreicht, daß die Intensität der Strahlung in der Nähe des Präparates noch mehr abgeschwächt wird (siehe die sche- matische Abb. 16), in der Tiefe des Gewebes aber durch Überkreuzung der frei austretenden Strahlen noch eine genügende Strahlenintensität erlangt wird. Mit Hilfe des Apparates kann man sehr hohe Dosen auf einmal anwenden und erhält trotzdem ein Strahlenfeld von ganz unerwarteter Homogenität. Die Isodynamen wie ich sie berechnet habe, ergeben ungefähr folgendes Bild (Abb. 17). Die beiden seitlich, und zwar beweglich angebrachten Vaginalpräparate sind in der gleichen Weise mit Blei umhüllt wie das Mittelstück, sind aber nur mit 0,4cm dickem Bleimantel umhüllt. Sie werden durch Auseinanderfaltung des Pessars möglichst tief in die Parametrien hineingeschoben.

Form und Fassung der radioaktiven Substanz 577

Der Hauptvorzug dieses neuen Gerätes ist neben der Homogenisierung des Strahlenfeldes seine Anwendung lediglich von der Scheide aus. Es werden dadurch voraussichtlich die leider immer noch häufigen Infektionen und Fiebererscheinungen, welche durch intrauterine Einlage der Radium- präparate entstehen, vermieden (Bumm).

Nachteilig an dem Instrument scheint zunächst zu sein, daß es recht schwer ist und daß es nicht so sehr in die Mitte des Karzinomgebietes im kleinen Becken gebracht werden RE wie das für die intrauterin eingelegten Präparate gilt. Immer- hin scheint mir die Verteilung der Strahlen- energie im Becken nicht ungünstig, wenn es nur gelingt das Instrumentarium entsprechend hoch und die beiden Seitenteile entsprechend weit nach dem Parametrium vorzuschieben.

Es mag betont sein, daß die Oberfläche des Instrumentariums vollkommen glatt ist, weil die lochförmigen Durchbohrungen des Bleies zum Abfangen der Sekundärstrahlung mit 1 mm Aluminium überzogen sind.

4. Die Fassung der radioaktiven V Substanzen.

Aus dem Vorhergehenden ist die Art Abb. 18. Nadelförmige Radiumträger und der Fassung der radioaktiven Substanz ein sog. „Radium-Element”. in ihren Hauptzügen bereits zu über- sehen. Außer den röhrenförmigen Behältern kommen vor allem die Plattenbehälter in Frage, deren Dicke, Größe und Form in der verschiedensten Weise variiert werden kann. Endlich sind als Spezialform noch die Radiumnadeln zu erwähnen. Es sind das röhrenförmige Radiumträger von ungefähr 1,2 mm Durchmesser und 20—30 mm Länge, welche an der einen Seite eine scharfe Spitze, an der anderen Seite eine Öse besitzen

CO

we Sch H

Abb. 18a. Spickmethode der Kollumbestrahlung (kombiniert mit Radiumtubus). Nach Delporte u. Cahen.

(Abb. 18). [Die radioaktive Substanz ist im Innern dieser Nadeln in feinster Weise ver- teilt. Sie dienen dazu, in die Tumoren eingestochen zu werden (Spickmethode, s. Abb. 18a nach Delporte), und man erwartet einen um so größeren Erfolg, je ausgiebiger man eine Geschwulst mit diesen Nadeln durchsetzen kann. Die Hülle der Nadeln besteht aus Platiniridium. In neuester Zeit hat man (Radiumchemie A.-G. Frankfurt a. M., Reiniger, Gebbert Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd.I 37

578 W. Lahm

u. Schall) die radioaktive Substanz, um Umfüllungen, Neufassungen usw. zu vermeiden, in kleinste ‚Zellen‘ eingebracht, welche je etwa 1—2,5 mg Radiumelementaktivität besitzen und eine Dicke von 0,65 mm und eine Länge von 11 mm aufweisen (Abb. 18). Um eine Nadel zu füllen, braucht man 1 oder 2 oder 3 derartige Zellen. Um einen röhren- förmigen Behälter zu „laden“ 5, 6, 10 und mehr solcher Zellen; und ebenso für die Plattenbehälter. Diese Neuordnung im Gebrauch der radioaktiven Substanz scheint mir außerordentlich empfehlenswert, weil man jede gewünschte Form und Ausdehnung der Präparate schnell und leicht herstellen kann.

D. Hilfsinstrumente.

Die Radiumeinlage gestaltet sich im allgemeinen nicht schwieriger als die Einlegung eines Lamiariastiftes oder eines Pessars, wenn auch das Suchen des Zervikalkanals manchmal Mühe macht (die Berliner Frauenklinik legt in Narkose ein!). Trotzdem ist eine ganze Reihe von Hilfsinstrumenten in Gebrauch, deren Anwendung für die Er- leichterung des praktischen Betriebes durchaus sich empfiehlt. Die Dilatation des Zervikalkanals geschieht mit Metalldilatatoren, welche die Heidelberger Schule (Eymer) durchbohrt verwendet, um das Hinaufpressen von etwa infiziertem Uterusinhalt in die

Abb. 19. Flatausches Radiumspekulum. Das Hilfsinstrument dient zum Einführen, das Spekulum nimmt dann das Radium auf.

Tuben sicher zu vermeiden. Das Radiumröhrchen selbst wird mit einer Zange eingeführt, die nachfolgende Einführung des vaginalen Hartgummiblocks geschieht in der Dresdener Klinik auf einer Gleitschiene, wie sie Abb. 15 darstellt. Heidelberg ver- wendet die in Abb. 10, 12, 13 dargestellten Pessare, Berlin die bereits erwähnte Stenz- masse. Die Tamponade wird wie sonst mit Korn- und Kugelzange ausgeführt.

Ein besonderes Hilfsinstrument für die Radiumbestrahlung hat Flatau angegeben (Abb. 19). Es besteht aus einem Miniaturspekulum mit durchbrochener Wand und soll nach der Dilatation des Zervikalkanals in denselben zur dauernden Offenhaltung der Lichtung eingelegt werden. Vorhergehende Erweiterung bis etwa Hegar 8. Erst in dieses Spekulum kommt das Radiumpräparat zu liegen, das nun also nicht in direkter Be- rührung mit dem Gewebe sich befindet, so daß zwischen Spekulum und Radiumpräparat etwa sich bildendes Sekret die Möglichkeit des Abfließens hat. Durch das Flatausche Gerät soll vermieden werden, daß eine Sekretretention im Cavum uteri eintritt, durch welche aufsteigende Infektionen bekanntlich sehr begünstigt werden. Das Spekulum hat den Nachteil, daß es nach längerem Gebrauch unansehnlich und schließlich von den Gewebesäften direkt zerstört wird. Es würde sich dementsprechend vielleicht emp- fehlen, das kleine Spekulun aus nicht rostendem Stahl oder aus Edelmetall herzustellen.

E. Ort und Art der Applikation.

Die Handhabung des Radiums haben wir in den vorangehenden Abschnitten nun schon zum größten Teil kennengelernt. Es bleibt noch übrig, über den Ort und die Art der Applikation zu sprechen.

Hilfsinstrumente. Ort und Art der Applikation 579

Adler hat sehr richtig betont, daß nicht ein Fall zu behandeln sei wie der andere und daß der Gynäkologe jedesmal und zwar auf Grund des objektiven Befundes und seiner Kenntnis von der Metastasierung des Karzinoms sich überlegen muß, welche Applikationsweise die beste Aussicht auf Erfolg besitzt. Beim Kollumkarzinom schrän- ken sich natürlich die Möglichkeiten etwas ein. Trotzdem müssen auch hier der Sitz, die Ausbreitung, die Größe des Karzinoms und die Zeit seines Bestehens berücksichtigt werden. Stets muß man also den genauen gynäkologischen Befund der Bestrahlung zugrunde legen und außerdem die Ausbreitung des Karzinoms in den Lymphwegen des kleinen Beckens mit in Rechnung stellen. Eine vollständige Bestrahlung soll die seitlich an der Beckenwand gelegenen Drüsen unbedingt erreichen.

1. Zentrale Applikation (zervikale).

Mit Adler können wir unterscheiden:

a) die zentrale Applikation, d. h. die Einlage des Radiums mitten in den karzinomatösen Tumor (Krater) oder, wie es sich in der Regel wohl mehr empfiehlt, in den meist konzentrisch umwachsenen Zervikalkanal und in die Uterushöhle (zer- vikale Applikation);

b) die endourethrale und vesikale Applikation,

c) die rektale Einlage,

d) die vaginale Applikation,

e) die Einlage ins Peritoneum,

f) die Bestrahlung vom Bauch oder Rücken aus (perkutane Bestrahlung),

g) die parietale Applikation (Adler) oder parametrane Applikation (Bumm). l

Über die zentrale Applikation braucht hier nichts weiter hinzugefügt zu werden, sie ist allgemein bekannt, wird meist geübt und bedarf der Vorbereitungen, welche oben schon ausführlich erwähnt wurden.

Der zentralen Applikation gegenüberzustellen ist die periphere Applikation, wie sie durch die Einlage des Radiums in die Urethra, die Blase oder das Rektum ge- geben ist. Es versteht sich von selbst, daß man hier zweckmäßigerweise nur Präparate verwendet, welche die nächste Umgebung nicht allzu stark in Mitleidenschaft ziehen (langgestreckte Präparate). Würde man das nicht tun, so könnte man die Bestrahlung nur kurze Zeit durchführen und die Gefahr der Fistelbildung bliebe doch bestehen.

2. Urethrale und vesikale Bestrahlung.

Adler hat die urethrale Bestrahlung gelegentlich mit nur sehr schwacher Filterung (0,2 mm Platin) ausgeführt, weil er die Dilatation der Harnröhre fürchtete. Ich glaube, man braucht nach den Untersuchungen von Vey darin nicht mehr allzu ängstlich zu sein und kann bis Hegar 8—9 ruhig erweitern. Adler gibt an, daß er die Röhrchen unter allen Kautelen der Asepsis nach Sterilisierung in Formalindämpfen eingeführt hat und daß in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten bestehen. Dagegen gelang es ihm zu- nächst nicht, eine genügende Fixation des Radiumträgers zu erreichen. Schließlich half er sich so, daß er aus Plastilin ein Modell fornite, das einerseits in der Vagina durch einen Zapfen Halt fand, anderseits den Radiuniträger in der Urethra festhielt. Durch Heftpflasterstreifen und eine T-Binde wurde das Modell so fest ans Genitale an- gedrückt, daß eine Verschiebung der Kapsel nie beobachtet wurde. Das Plastilin soll frei von Blei sein!

Krk

580 W. Lahm

Man kombiniert die urethrale Bestrahlung mit der zervikalen, vaginalen und evtl. auch der rektalen Bestrahlung und kann sicher sein, durch diese Art des Kreuz- feuers vor allem die peripher gelegenen Propagationszonen des Karzinoms genügend zu treffen.

Die vesikale Bestrahlung hat bisher vorwiegend die Urologen beschäftigt. Vor allem hat Schüller gut erdachte und handliche Instrumente für die Applikation des Radiums angegeben. Uns interessiert aber hier nur die Dosis, welche man der Urethra und Blase zumuten kann. Sie beträgt nach Schüller ca. 1500—2900 mgeh/cm, d. h. die Einlage von 50 mg Radiumsalz wird, wenn gut gefiltert, für 50 Stunden anstandslos vertragen.

3. Rektale Applikation.

Die rektale Bestrahlung ist eine periphere Bestrahlung wie die vesikale. Sie hat ihre Nachteile und Vorteile. Vorteilhaft ist, daß man keine Infektion zu fürchten hat. Un- günstig ist besonders, daß das Rektum nicht median, sondern in der linken Hälfte des Beckens verläuft, so daß die rektale Applikation in erster Linie für Karzinome in Frage kommt, welche nach dem linken Parametrium entwickelt sind.

Vor der rektalen Applikation muß der Darm gründlich entleert, die Kost schon 24 Stunden vorher entsprechend eingestellt sein. Vor der Einlage selbst wird Opium- tinktur verabreicht. Soll die rektale Bestrahlung mit einer vaginalen kombiniert werden, so hat die vaginale Einlage zuerst zu geschehen.

Die Radiumkapsel hat Adler, mit Gaze und einem Gummifingerling umgeben, nach gründlicher Einfettung des letzteren in die Ampulle recti hinaufgeschoben. Statt dessen kann man auch ein Instrument anwenden, welches dem Ösophagusdilatator von Stark sehr ähnlich gebaut ist, geschlossen eingeführt und im Rektum erst geöffnet wird. Auf diese Weise wird ein sicherer Abstand des Radiums von der rektalen Wand gewähr- leistet. Eine besondere Fixation des Radiumpräparates ist im allgemeinen nicht not- wendig, duch kann man einen eingefetteten Tampon, mit Seidenfaden armiert, zur Fixa- tion hinter dem Radium einschieben.

Die Bestrahlungsdauer ergibt sich nach der Stärke des Präparates, der erlaubten Dosis und dem Abstand des Radiumröhrchens von der Rektumwand. Adler ist niemals über 6 Stunden hinausgegangen und hat dann stets Pausen von mindestens einigen Tagen eingeschaltet.

4. Die vaginale Applikation.

Von der nur vaginalen Applikation ist man heute so gut wie ganz abgekommen (s. die Bestrahlungsgeräte von Heidelberg, Berlin, Dresden), und zwar wegen der Gefahr der Rektumschädigung. Sie wieder einzuführen, gelingt vielleicht mit Hilfe des oben von mir beschriebenen Gerätes.

5. Parametrane Bestrahlung.

Eine besondere Form der peripheren Bestrahlung stellt die parietale und parametrane Applikation dar, wie sie Adler (Amreich) und Bumm empfohlen haben. Das Radium kommt dabei nicht in eine präformierte Höhle, sondern in einen Kanal, der künstlich erst hergestellt wird und möglichst durch die Wurzel der Parametrien geht. Zur para- metranen Bestrahlung ist also eine Voroperation mit allen ihren Vor- und Nach- teilen notwendig. Vorteilhaft ist, daß man in einem sterilen Milieu arbeitet; nachteilig wirkt, daß eine Infektion meist nicht dauernd fernzuhalten ist und dadurch die Möglich- keit zur Entstehung schwer eitriger Parametritiden gegeben ist.

Die Operation an sich ist einfach. Man durchtrennt die Haut in der Gegend des

Applikationsmethoden 581

Dammes links und rechts der Raphe und geht stumpf mit dem Finger bis in die Höhe der Interspinallinie. Auf dem gleichen Wege wird das Radium eingelegt, die Wunde dann durch leichte Tamponade und einen Heftpflasterverband provisorisch geschlossen. Die Entfernung des Radiums geschieht nach 12—24 Stunden. Nachher ist die Sekretion der Wunde infolge lokaler Gewebsnekrosen oft beträchtlich, doch soll meist nach kurzer Zeit eine ungestörte Granulierung eintreten (Bumm).

6. Die abdominale Bestrahlung.

Man muß hier zwei verschiedene Formen unterscheiden:

a) von der Bauchhaut aus; b) vom Peritoneum aus.

Die abdominale Methode wird hauptsächlich von v. Seuffert angewendet und von ihm als perkutane Bestrahlung bezeichnet. Die letztere Methode hat Mentzel angegeben. Sie dient in der Hauptsache dazu, einzelne größere Karzinomknoten, welche im Ovarium oder auf dem Uterus sitzen, zu vernichten, und kommt in der Regel nur bei gelegentlicher Laparotomie (Probelaparotomie) in Frage. In Dresden haben wir auch schon gelegentlich daran gedacht, große Rezidivknoten an der Beckenwand nach Totalexstirpation durch peritoneale Bestrahlung zu beseitigen, und hatten geplant, von oben und möglichst extra- peritoneal an die Tumoren heranzukommen. Am Tage vor der Applikation bekam die Patientin Fieber und der langsam erweichende Tumor brach nach dem Rektum hin durch; Exitus nach 10 Tagen. Einen solchen Ausgang muß man immer mit in Rechnung stellen, weil er vielleicht ein Beweis dafür ist, daß die Karzinomknoten doch häufiger infiziert sind als man denkt. Der parametranen Bestrahlung würde damit eine Gefahr erwachsen, die zunächst als unerwartet angesehen werden muB.

An Hand der beschriebenen Methoden läßt sich eine individualisierende Bestrah- lung des Kollumkarzinonıs ausarbeiten. Allerdings ermöglicht erst die Kenntnis der „Leistungsfähigkeit der einzelnen Elementarmethoden‘“ diese individualisierende und sicher nicht systemlose Behandlung. Es ist unmöglich, auf alle Einzelheiten in dieser Hinsicht einzugehen, doch wollen wir im folgenden eine Übersicht geben, in welcher Weise eine Durchführung der Bestrahlung möglich ist.

I. Einstellige Bestrahlung (von einem Orte aus):

a) zervikal b) zervikal-uterin, c) vaginal, d) vaginal-zervikal-uterin, ei Radium in einer kontinuierlichen Strahlenlinie (Großfelderbestrah- lung), B) Radium in einer nichtkontinuierlichen Strahlenlinie (Kreuz- feuer- oder Kleinfelderbestrahlung).

II. Kreuzfeuerbestrahlung: a) zervikal-vaginal (Gewölbe), b) vaginal-vaginal (Präparate längs und quer), c) vaginal-urethral-vesikal, d) vaginal-(uterin-)rektal, e) vaginal-parietal-(parametran), f) vaginal-vesikal-rektal-parietal.

582 W. Lahm

F. Die Praxis der Radiumbestrahlung.

Die Elemente der Radiumbestrahlung, wie sie eine analytische Betrachtung der einzelnen Vorgänge ergibt, haben wir nunmehr zusammengestellt. Nun gilt es noch zu einer Synthese zu gelangen.

Drei Fragen müssen bei jedem Karzinom, das zur Behandlung kommt, gestellt und beantwortet werden:

1. Wie weit ist das Karzinom ausgebreitet?

2. Wie hoch ist seine Sensibilität?

3. Wo liegt die Grenze der erlaubten Gesamtdosis?

1. Die Ausbreitung des Karzinoms ergibt sich mit allen Einschränkungen, die der kritische Untersucher seinem Befund selber gibt, aus der bimanuellen Palpation und der Beurteilung des ganzen Status. Die Gruppeneinteilung, die wir Krönig und Dö- derlein verdanken,

A) Operable Fälle = Gruppel,

B) Grenzfälle Gruppe II, C) Inoperable Fälle == Gruppe III, D) Aussichtslose Fälle == Gruppe IV,

findet auch hier Anwendung.

Wir wollen annehmen, wir hätten uns zur Bestrahlung der Karzinome aller Gruppen entschlossen und könnten die Operation als Methode der Wahl zunächst ausscheiden.

2. Die Radiosensibilität des Karzinoms kann wie oben ausführlich erörtert wurde meist geschätzt werden. Lediglich vom rein drüsigen (hochdifferenzierten) Kollum- karzinom wissen wir (Adler, Kehrer, Döderlein), daß es refraktär ist. In diesen Fällen ist also die Operation bei Karzinomen der Gruppen I und II die allein mögliche Methode. In Fällen der Gruppe III und IV würde die Bestrahlung von vornherein nur ein palliatives Ziel verfolgen können.

Für die Plattenepithelkarzinome auch die sekundär soliden dürfen wir, so- weit sie nicht reif sind, mit einer Radiosensibilität von etwa !/, Erythemdosis rechnen; bei reifen Karzinomen nehmen wir die volle H.E.D. als notwendige bzw. erlaubte Ge- samtdosis an (H.E.D. mit 750 mgeh/cm gerechnet).

3. Bleibt die wichtigste Frage: die Höhe der erlaubten bzw. notwendigen Gesamt- dosis. Seitz-Wintz und auch Menge, Opitz, Bumm haben die letztere mit ca. 6000 Milligrammstunden angegeben; in Dresden haben wir nicht selten die doppelte Menge und mehr verabreicht.

Schematisch darf man sich nicht an die eine oder die andere Zahl halten. Die folgende Tabelle zeigt deutlich, daß man die Höhe der Dosis nach der Ausbreitung des Karzinoms variieren darf und muß, zeigt uns zugleich aber auch, wo die alleroberste, die „absolute Grenze" ungefähr gelegen ist.

Tabelle 141). Heilungsziffern nach 5jähriger Beobachtung.

Bis 3000 mgeh ............ 100°, On, | 029 029 3000—6000 mgeh .. ...... 100% | 330; 169% 020 6000—10000 mgeh..... i 55925 l 30% 19% | 0% ! 12% 0%

Wa | ZO

über 10000 mgeh.......... 25% | 10%

1) Nach Kehrer.

Praxis der Radiumbestrahlung 583

Daraus geht hervor, daß

1. die absolute oberste Grenze bei etwa 10000 Milligrammstunden ge- legen ist, denn bei Überschreitung dieser Grenze sinken die Heilungsziffern in allen Gruppen,

2. die Fälle der Gruppe I nicht mehr als 6000 Milligrammstunden erhalten dürfen,

3. der Anstieg der Dosis bis auf 10000 mgeh für Fälle der Gruppe III keinen Schaden, eher Vorteil bedeutet,

4. die Fälle der Gruppe IV für die Radiumbestrahlung als aussichtslos zu betrachten sind.

Verfolgt man das Material noch mehr in Einzelheiten, so ergibt sich nach meinen Beobachtungen

1. daß alle Frauen über 46 Jahre, Frauen mit Karzinomkrater, aber deutlicher Demarkationszone und endlich kachektische Frauen hohe Dosen, gelegentlich auch über 10000 Milligrammstunden auffallend gut vertragen,

2. daB man in der Dosierung sehr vorsichtig sein muß

a) bei beginnendem Karzinom (ohne Demarkation), b) bei jungen Frauen (drittes Jahrzehnt!), c) bei blonden Frauen.

Endlich aber spielt, wie Kehrer und Lahm dartun konnten, die Rektumdistanz eine große Rolle. Es darf die Gesamtdosis niemals höher werden, als daßam Rektum (die Blase und der Ureter spielen fast die gleiche, aber nicht ganz so gefährliche Rolle) die Nekrosedosis erreicht wird. Sie beträgt nach Kehrer-Lahm ca. 185%, der H.E.D., nach Seitz-Wintz und Krönig-Friedrich ca. 135%, (bei Röntgenbestrah- lung!). Wird die Rektumwand nekrotisch, so gestattet sie der Darmflora den Durchtritt ins periproktale Bindegewebe, wodurch septisch-saprische Beckenbindegewebserkrankungen, oft auch Peritoniden entstehen.

Über den Zusammenhang von Rektumdistanz und Gesamtdosis mag folgende Tabelle, die ich seinerzeit publiziert habe, Aufschluß geben:

Tabelle 15. Erlaubte Tiefendosis bei einer

Rektumdistanz vom Radium

Länge der Radiumpräparate

8 20 mm | 40 mm | 60 mm

1,0 cm 2800 ' 3600 LO 4, 5300 | 5700 20 n. 8000 ) 9000 2,5 ' 12000 , 12000 30 | 1516000 | an. 20000 |

Man erkennt daraus den Vorzug der langen Präparate und sieht deutlich die ge- steckte Grenze. Bei einem Präparat von 20 mm Länge wird die Rektumdosis bei 2,5 cm Abstand schon mit 9700 Stunden erreicht, indessen man bei 40 oder 60 mm langen Präpa- raten auf 12000 Stunden hinaufgehen kann.

Was nun die notwendige Dosis betrifft, so steht sie allein in Abhängigkeit von der Radiosensibilität des Karzinoms, die wir nur schätzen können. Die folgende Tabelle zeigt die Zusammenhänge.

584 W. Lahm

Tabelle 16. Notwendige Radiumdosis bei einer Radiosensibilität von

Tiefenausdehnung des 750 1000 mgeh/cm

Karzinoms von 250 500

= 30%, H.E.D. | = 60% H.E.D. | = 100% H.E.D. | = 125°, H.E.D. Och este 250 500 | 750 1000 ls sun Des 560 1100 1650 2250 SE ee 1000 2000 3000 4000 3.0 hee 2250 | 4500 6750 9000 AU ee 4000 8000 12000 16000 DO ae 9000 | 18000 27000 36000

Daraus geht hervor, daß es zwar zweifellos Karzinome gibt, welche mit den erlaubten Dosen bis in 6cm Tiefe vernichtet werden können, daß aber die Reich- weite des Radiums mit der Radiosensibilität steht und fällt. Da wir über sie aber vor Beginn der Bestrahlung nichts wissen, so müssen wir in jedem Falle bis zu der Dosis gehen, welche uns durch den Rektumabstand als Maximalwert vor- geschrieben wird.

Auch Amreich hat in sehr ausführlichen Besprechungen auf die Erschwerung hingewiesen, welche der zervikalen Radiumapplikation durch die ‚übermäßige Mit- bestrahlung des Gewebes zwischen der Strahlenquelle und dem Strahlenziel‘“ erwächst (Strahlenziel = Vorposten des Karzinoms an der Beckenwand). Er nennt das Zwischen- gewebe ‚kritisch‘ und unterscheidet:

a) eine kritische parametrane Schicht (Ureter!), b) eine kritische vordere Schicht (Blase), c) eine kritische hintere Schicht (Rektum).

Amreich, welcher die kritischen Schichten in etwa 11/,—2cm Tiefe (vom Zervikal- kanal aus gemessen) verlegt, prüft nun alle Methoden, um das Strahlenverhältnis zwischen kritischer Schicht und Strahlenziel (= prognostischer Quotient) besser zu machen. Verschiedene Möglichkeiten schweben ihm vor: Distanzierung der Strahlenquelle, Veränderung ihrer Form, Kompression der Parametrien, Steigerung der Radiosensibilität des Karzinoms und Verwendung von Metallblenden zum Schutze der Blase und des Rektums. Außer der Kompression siehe die Methode Eymers mit dem Zwankschen Pessar und der Bestrahlung mit kugelförmigen Präparaten (daß sich Amreich hier geirrt hat, wurde schon betont) schien aber prak- tisch kein Weg offen zu bleiben. Auch wir sehen heute nur in der Längsstreckung der Präparate, der Distanzbestrahlung, wie ich sie mit dem neuen vaginalen Bestrahlungs- gerät vorgeschlagen habe, der Kompression und der Kreuzfeuerbestrahlung (evtl. mit Röntgenbestrahlung!) die einzigen Möglichkeiten dieser ungünstigen Bedingungen Herr zu werden.

Wir möchten im folgenden in einer Tabelle nochmals zeigen, wie sich der progno- stische Quotient Amreichs zahlenmäßig darstellt.

Tabelle 17.

Abstand der krit. Schicht

Dosis an der am Strahlenziel krit. Schicht ` (6 cm)

Dosierung Verhältnis

| 2700 el 6000 mgeh 2.05; i Kc mgeh 170 mgeh 9:1 ap. 1000 | 6:1

Kritische Schicht und Dosis _ 585

Nachdem wir nun über die Dosierung insgesamt orientiert sind, bleibt die Umrech- nung in Zeit. Denn in der Regel ist unsere Radiumbestrahlung eine Dosierung ‚nach Zeit“, weil die Menge der verfügbaren Milligramm-Radiumelemente feststeht.

Zunächst eine Tabelle zur Umrechnung:

Tabelle 18.

bei 15 20 30

Milli

gramm-Std. 100 mg Ba EL

67 50 34 20 14 |10 1200 80 60 40 24 17 |12 1500 100 75 50 30 1 | 15 2000 133 100 67 40 29 | 20 Es entsprechen $ 2500 167 125 83 : 50 35 | 25 ren 3000 200 150 100 60 43 | 30 4000 265 200 135, 80—55 | 40 5000 330 250 165 100 71 | 50 6000 400 | 300 200 120 84 | 60

Damit ist aber das Zeitproblem noch nicht erledigt. Abgesehen von den Fragen, welche oben bereits besprochen wurden, hat man im Laufe der Zeit noch gewisse Er- fahrungen gemacht:

1. Man hat bei der Anwendung großer Dosen schon bald nach Beginn der Be- strahlung unangenehme Zustände bei den bestrahlten Frauen auftreten sehen, die man mit der Höhe der Dosis (der Intensität des Reizes) in Zusammenhang brachte.

2. Man hat oft die Beobachtung gemacht, daß eine zulange Bestrahlung Folgen nach sich zog, welche den an sich guten Anfangserfolg zu vernichten drohten.

Was die Schäden betrifft, welche man auf die Einwirkung großer Dosen glaubt zurückführen zu müssen, so ist es zunächst recht schwer anzugeben, ob die Höhe der Dosis wirklich das schädigende Moment darstellt. Zwar ist von einigen Autoren auf den negativen Chemotropismus, den die radioaktive Substanz auf Bakterien ausübt, hin- gewiesen worden (man nahm an, virulente Keime könnten durch die Radiumpräparate allein in die parametranen Lymphspalten vertrieben werden), doch muß dem ent- gegengehalten werden, daß es sehr viele Fälle gibt, bei denen eine Infektion zweifellos von Anfang an besteht und trotzdem eine fieberhafte Erkrankung auch bei der Verab- reichung großer Dosen nicht eintritt.

Es liegt in vielen Fällen deshalb vielleicht näher, daran zu denken, daß die Einlage des Radiums als solche zu einer Schädigung geführt hat, wie wir das von den fieber- haften akuten Störungen nach Laminariadilatation usw. kennen. Ich möchte ganz besonders noch einmal darauf hinweisen, daß mir die Anwendung durchbohrter Metall- dilatatoren (Eymer) durchaus zweckmäßig erscheint. Solide Stifte können sehr wohl einen infizierten Inhalt der Zervix oder des Corpus uteri nach den Tuben und dem Peri- toneum pressen.

Zur Vermeidung hoher Dosen zu Beginn der Bestrahlung hat Füth sein „ein- schleichendes“ Verfahren (s. S. 552) empfohlen. Ob er wesentlich bessere Erfolge in Hinsicht auf fieberhafte Erkrankungen während der Radiumbestrahlung erlebt hat, kann ich leider nicht angeben. Im übrigen hoffe ich, daß das neue vaginale Gerät, das oben beschrieben worden ist, die Fiebersteigerungen während der Bestrahlung ganz be- seitigen wird. Über die Möglichkeit der passiven Immunisierung durch Serum s. S. 590.

Sehr lange Bestrahlungen müssen immer als ungünstig angesehen werden, ganz gleichgültig, ob die Länge der Bestrahlung durch den Gebrauch zu kleiner Mengen von Radium oder durch die Größe der Karzinome bedingt ist. Nicht nur in der Inflations-

586 W. Lahm zeit, sondern auch vorher und nachher entzogen sich die Patienten der ihnen auf die Dauer unbequemen Behandlung, so daß die planmäßige Behandlung nicht zum Ab- schluß kommt. Außerdem nimmt auch die Infektionsgefahr von Tag zu Tag zu, weil das zerfallende Karzinom und die Zerstörung des Selbstschutzes in der Vagina für viru- lente Keime geeignete Aufenthaltsbedingungen schafft. Endlich muß darauf hin- gewiesen werden, daß das normale Bindegewebe sich bei immer wieder- holten Insulten durch zu lange Bestrahlung nicht mehr erholt und seine natürliche Widerstandskraft gegen das vordringende Karzinom- gewebe einbüßt. Es empfiehlt sich daher, lieber eine Bestrahlung zu einer gewissen Zeit zu unterbrechen und dieselbe zu einem späteren Zeitpunkt wieder fortzusetzen, als durch zu lange Bestrahlungen die genannten ungünstigen Momente heraufzubeschwören. Wenn wir nun endlich zum Ausgangspunkt unserer Besprechungen zurückkehren, so müssen wir bezüglich der absoluten Höhe der Dosis (Reizgröße) darauf hinweisen, daß der Zeitfaktor von geradezu ausschlaggebender Bedeutung ist, da wir eigentlich fast stets „nach Zeit“ dosieren. Selbstverständlich ist die Frage nach der Gesamt- dosis (Toleranzdosis) kein physikalisches Problem, sondern ein biologisches und vielleicht sogar ein konstitutionelles. Zwei Dinge sind es, welche in dieser Richtung für die Höhe der anzuwendenden und erlaubten Dosis in Betracht kommen: a) die Größe und Ausbreitung des Karzinoms, d. h. die rein topographischen Ver- hältnisse, b) das Allgemeinbefinden der Frau, d.h. ihr somatisch-konstitutioneller Zustand. Die zu verabreichende Dosis muß zweifellos der Tiefenausbreitung des Karzinoms gerecht werden. Darüber ist heute nicht ein Wort mehr zu verlieren. Selbst wenn es vereinzelte Fälle gibt, wo durch eine einmalige ganz geringe Dosierung fortgeschrittene Karzinome eine auffallende Besserung oder gar Heilung erfahren, so steht doch fest, daß die Dosis mit der Ausbreitung des Karzinoms gesteigert werden muß (s. Tabelle 14). Im übrigen ist die Dosis abhängig von der Radiosensibilität des Karzinomgewebes (die wir allgemein nicht kennen) und von der Distanz der Blase und des Rektums von der Strahlenquelle. Die folgende Tabelle mag die Gesamtheit der Zusammenhänge zwischen Radiosensibilität, Rektumdistanz und Dosenhöhe noch einmal wiedergeben.

Tabelle 19. Rektumdistanz lcm 1,5 cm 2cm 2,5 cm 3 cm 3,5 cm Maximum der Bestrahlungszeit 48 Std. | 84 Std. | 120 Std. | 180 Std. | 240 Std. | 280 Std. in Stunden bei 100 mg Ra.-El. | = 2 Tg. |= 31% Te. | = 5 Tg. |= 715 Tg. | = 10 Tg. | = 12 Tg. Gesamtdosis . e ueseuenoeee 4800 ` näm 12000 | 18000 | 24000 ' 28000 Radiosensibilität in mgeh/cm Tiefenwirkung in cm 250 3 05 gu" o5 | 500 25 JI 35 l d4 | 45 ı 55 | 6 750 2 j 25 | 35 4 45 5 1440 1 | 02 Ä 2.3 2,8 3,2 4

|

Somatisch und konstitutionell kennen wir heute erst wenig Faktoren, welche für die Radiumdosierung in Frage kommen. Immerhin aber können wir sagen, daß das Alter der Frau, vermutlich auch ihr Pigmentgehalt und ihr Allgemeinzustand eine große Rolle spielen. Jugendliche Frauen vertragen Radium im allgemeinen schlecht, ebenso blonde Frauen. Bei Frauen über 46 Jahren kann man dreiste Dosen anwenden, ohne eine erhebliche Schädigung erwarten zu müssen. Das gleiche gilt für kachektische

e?

Maximum der Dosis. Indikationen und Kontraindikationen 587

Frauen. Außerdem vertragen Frauen mit einem Zervixkrater die Radiumeinlage meist besser, als solche, bei denen sich eine Demarkationszone gegen das nichtulzerierte oder beginnende Karzinom noch nicht gebildet hat. Es ist ganz auffallend, wie von diesen Faktoren die Prognose des Einzelfalles abhängt. Wenn wir auch im allgemeinen mit einer absoluten Dosis von etwa 10000 Milligrammstunden rechnen, welche nicht über- schritten werden soll, so muß doch betont werden, daß oft schon eine Dosis von 6000 Milli- grammstunden (bei jugendlichen Frauen und bei beginnenden Karzinomen) das eben erträgliche Maximum darstellt. Der absolute Wert der erlaubten Reizgröße steht wahr- scheinlich im Zusammenhang mit der sog. ‚„Raumdosis“, d.h. mit der Strahlenmenge, welche im Körper absorbiert wird. Nach dem von mir beobachteten Material habe ich den Eindruck, daß aber nicht so sehr die Höhe der Gesamtdosis schädlich wirkt, als vielmehr die Menge der angewandten radioaktiven Substanz. Mir will es scheinen, als wenn die Anwendung von mehr als 100 mg Radiumelement stets zu unangenehmen Folgeerscheinungen führte. Ob das auch bei meinem neuen Bestrahlungsgerät der Fall sein wird, kann ich bisher nicht sagen, doch scheint es mir nicht wahrscheinlich, da hier ein großer Teil der Intensität nur innerhalb des Blei- mantels zur Wirksamkeit kommt.

Am besten wäre es, wenn jede Bestrahlung in einer einzigen Sitzung vollzogen werden könnte, weil dann über die Höhe der Dosis und schließlich auch über die zu erwartende Wirkung kein Zweifel bestehen könnte. Es läßt sich eine solche Methode beim Kollumkarzinom nur schwer durchführen (siehe unten Methode Amreich), weil die Gefahr der Infektion und Sepsis immer drohend im Hintergrunde steht. Bestrah- - lungen von 48 Stunden Dauer sind in dieser Hinsicht schon nicht mehr gleichgültig. Nur Menge wendet (auch heute noch?) die radioaktive Substanz 72 Stunden im Cavum uteri an, ohne unangenehme Erfahrungen zu erleben. Für alle Autoren, welche die einmal als notwendig erkannte Strahlendosis durch Unterteilung (Dosis refracta) ver- abreichen, ist es wichtig zu wissen, in welcher Weise sich die Dosen summieren (S. 570).

4. Indikationen und Kontraindikationen zur Radiumbestrahlung, Prognose derselben.

Über die allgemeine Indikation zur Bestrahlung wurde bereits in Kapitel II ge- sprochen. Der Entschluß zu bestrahlen ist also gefaßt. Hier kommt es nur noch darauf an, die Indikation für die Radiumbestrahlung als solche zu stellen, und zwar ob

a) alleinige Radiumbestrahlung, b) kombinierte Radium-Röntgenbehandlung, c) eine bestimmte, festzulegende Bestrahlungsmethode

in Anwendung kommen soll.

Es ist ein schwerer und verantwortungsvoller Entschluß, den wir bei der Ent- schließung zur alleinigen Radiumbestrahlung fassen. Zwar haben wir schon gesehen, daß gute Erfolge mit der alleinigen Radiumbestrahlung erzielt werden können und oft vorhanden sind (Kehrer, Baisch, Döderlein), aber mit Gewißheit können wir sie nicht voraussagen, weil wir die Radiosensibilität des Karzinoms im Einzelfall nicht kennen und über die Reparationskraft des Organismus nicht genügend orientiert sind. Es kommt hinzu, daß die nächstmalige Anwendung von Radium erschwert sein kann, wenn die erste Sitzung zu stark ausgefallen war. Dabei muß noch darauf hingewiesen werden, daß allem Anschein nach der Erfolg wesentlich besser wird, wenn man 2- oder 3mal bestrahlen kann (Lahn).

Für die Mehrzahl der Fälle kommt aus dieser einfachen Überlegung heraus die kombinierte Radium-Röntgenbestrahlung in Frage, aber nicht aus den Grün-

588 W. Lahm

den, wie sie von Opitz, Seitz-Wintz und Bumm erhoben worden sind, daß die Reich- weite der Radiumstrahlen zu gering sei, sondern lediglich, weil wir nach der ersten Bestrahlung die Möglichkeit zur Wiederholung besitzen möchten.

Mit der Indikationsstellung zur Bestrahlung des Kollumkarzinoms hat sich erst- malig Kehrer beschäftigt. Es wurden von ihm, unter der Voraussetzung der wechseln- den Radiosensibilität, 3 Gruppen unterschieden:

Strahlengruppe A: Radiosensibilität des Karzinoms ungefähr 30% der H.E.D. Diese Fälle sind, wie aus den auf Seite 584 mitgeteilten Tabellen hervorgeht, mit Radium allein zu bestrahlen und auch zu heilen, selbst wenn das Karzinom bis zur Beckenwand reicht. Die Mastdarmdosis tritt im allgemeinen nicht störend in Erscheinung, weil mit der Vergrößerung des Portiotumors auch der Abstand zwischen Zervikalkanal und Rektum zunimmt. Dieser Gruppe gehört wahrscheinlich die Mehrzahl aller Kollum- karzinome an. „Jedenfalls darf man rechnen, daß fast alle mittelreifen und ein Teil der ausgereiften Formen darin unterzubringen sind.

StrahlengruppeB: Radiosensibilität des Karzinoms 100%, der H.E.D. Diese Fälle sind mit Radium allein nicht zur Heilung zu bringen, wenn ihre Tiefenaus- dehnung mehr als 3 cm beträgt. Auch dann muß schon fast das Maximum der erlaubten Dosis überschritten werden. Die Nekrosedosis des Rektums macht sich sehr unangenehm geltend, darf aber keinesfalls außer acht gelassen werden. Zu dieser Gruppe gehören die Karzinome der niederen Zellreife und der Restteil der Kankroide.

StrahlengruppeC: Die Radiosensibilität ist geringer als die der Haut (Karzi. -nomdosis = 200—300% der H.E.D.). Tiefenwirkung nur 1—2cm. Für Karzinome, deren Ausdehnung nicht mehr beträgt, ist unbedingt zur Operation zu raten.

Die hier von Kehrer skizzierte Indikationsstellung geht von dem Gedanken aus, daß die Radiosensibilität des Karzinoms bekannt ist. Da dies aber nicht der Fall ist, so entscheidet natürlich letzten Endes doch die Ausdehnung des Karzinoms über den einzuschlagenden Weg: Unbedingt zur Operation kommen die hoch differen- zierten Drüsenkarzinome des Collum uteri, falls sie noch der Gruppe II angehören. Über die Höhe der Dosis bei allen anderen Fällen entscheiden die Rektumdistanz, die Form des Radiumröhrchens und die obengenannten konstitutionellen und somatischen Gesichtspunkte.

Amreich stellt folgende Übersicht auf:

1. Die einfache zervikale Methode setzt keinen operativen Eingriff voraus und ist deshalb grundsätzlich vorzuziehen. Als Normalmethode kann sie trotzdem nicht hingestellt werden wegen der Verschiedenheit der Ausbreitung des Kollumkarzinoms und der verschiedenen Angriffsart der Methohen. Sie ist geeignet für alle Fälle mit geringer Infiltration des Beckenbindegewebes.

2. Die Kreuzfeuermethode, vom Zervikalkanal und irgendeiner Stelle der Peripherie aus, eignet sich besonders für Fälle mit weitgehender seitlicher Infil- tration. Sie darf vor allem dann auf Erfolg rechnen, wenn sie intermittierend durch- geführt wird.

Anders ausgedrückt: Alle leichten Fälle (operablen Fälle) fallen der einfachen Zervikalmethode zu, alle mittelschweren Fälle kommen zur Kreuzfeuer- bestrahlung.

Größere Infiltrate im Beckenbindegewebe und an der Beckenwand eignen sich besonders für die parietale und parametrane Bestrahlung.

Eine wirkliche Kontraindikation gegen die Bestrahlung es sei denn gegen die parietale und parametrane bei allzu großem Schwächezustand der Frauen gibt es nicht. Auch das Drüsenkarzinom des Collum uteri haben weder Amreich noch Adler

Strahlengruppen. Gefahren 589

in dieser Hinsicht genannt, obwohl beide das obsolut refraktäre Verhalten dieser Karzı- nomformen beobachtet hatten.

Ich selbst möchte als Kontraindikation die Thrombose der Beckenvenen nennen.

Zuletzt noch ein Wort zur Prognose der bestrahlten Fälle. Bisher waren wir gewohnt, die Prognose des Karzinoms, auch wenn der anfängliche Erfolg der Be- strahlung gut aussah, sehr ernst zu stellen oder falls wir das nicht taten unseren besseren ‚Glauben‘ an dem ‚guten Aussehen“, dem ‚guten Ernährungszustand‘“, der „Gewichtszunahme“ und anderen Allgemeinsymptomen aufzurichten. Wirklich ver- läßliche Unterlagen schienen uns nicht zu Gebote zu stehen. Die Prognose fiel also zu- sammen mit dem Heilungserfolg.

Ich habe vor zwei Jahren geglaubt, von einer Beobachtung Mitteilung machen zu müssen, welche sich mir bei den Untersuchungen über die individuelle Radiosensibili- tät aufgedrängt hatte: das Verhalten der eosinophilen Zellen in der Umgebung des Kar- zinomgewebes zum endgültigen Heilerfolg. Ich gewann den Eindruck und konnte denselben dann durch Nachuntersuchungen an großem Material bestätigt finden —, daß das Auftreten von eosinophilen Zellen in der Nachbarschaft der Karzinomzüge ein „gutes Reagieren‘‘ widerspiegelt. Ich konnte dartun, daß in allen Fällen mit Eosino- philie fast die doppelte Zahl der Dauerheilungen zu beobachten ist wie in Fällen ohne Eosinophilie und betrachte dies Zeichen heute noch als ein prognostisch günstiges.

Über die Bewertung und Beurteilung der lokalen Eosinophilie kann man sehr ver- schiedener Meinung sein. Anfänglich hatte ich den Eindruck, daß die Granulierung der Leukozyten besonders bei den reifen Karzinomen auftrete, und hatte mir die Anschau- ung gebildet, es könnten hornartige Abbauprodukte sein, welche die Eosinophilie her- vorrufen. Seit man die Eosinophilie als ein Symptom der Vagotonie kennt, neige ich der Auffassung zu, daß die lokale Eosinophilie ein Zeichen der vagotonischen Konstitu- tion sei.

5. Gefahren und Schädigungen.

Für die Gefahren und Schädigungen in Verbindung mit der Radiumbestrahlung kommt es natürlich darauf an, in welcher Weise bestrahlt wurde. Die vaginale Bestrah- lung besitzt eine andere Bedeutung wie die zervikale und uterine, und wieder eine andere wie die parietale und die parametrane. Auf alle Einzelheiten können wir im Rahmen dieser Betrachtungen nicht eingehen, nur 5 Fragen sollen eine kurze Würdi- gung erfahren, und zwar die

1. der Mortalität,

2. der Nekrosebildung,

3. der Infektion,

4. der Fistelbildung,

5. der Allgemeinschädigung.

Der Radiumbestrahlung, wie der Aktinotherapie überhaupt, geht der Ruf voraus, daß sie ungefährlich sei. Die primäre Mortalität soll bei der Strahlenbehandlung des Uteruskarzinoms wegfallen. Theoretisch läßt sich diese Behauptung wohl begrün- den, aber in der Praxis sieht die Sache wesentlich anders aus. Zwar gibt es noch eine ganze Reihe von Autoren, welche über auffallend geringe Mortalität bei der Radium- bestrahlung berichten. Ich glaube aber, daß die Zahlen sofort anders lauten würden, wenn man einmal eine Statistik sehen könnte, wo alle Todesfälle innerhalb des ersten Vierteljahrs nach der Bestrahlung eingetragen wären. Gewiß ist die Bestrahlung als solche ungefährlich, aber die Manipulationen, die mit ihr verbunden sind, können zu sehr gefährlichen Folgeerscheinungen führen. Dabei ist nicht einmal Rücksicht ge-

590 W. Lahm

nommen auf alle die vielen Fälle, über die wohl jede Klinik berichten könnte, welche den sog. Kinderkrankheiten der neuen Therapie oder mißverstandenen Dosierungsvor- schlägen zum Opfer fallen. Ich weise in dieser Beziehung nur auf das erschütternde Bekenntnis von Schauta hin, das er von seinen eigenen Erfahrungen gibt.

Ganz gewöhnliche Erscheinungen bei der Radiumbestrahlung sind die Gewebs- nekrosen. Betrachtet man einen Zervikalkanal 4 Wochen nach der Radiumeinlage, so sieht man, wie große Teile des Gewebes sich in Form gelblichweißer zusanımenhängen- der Membranen abstoßen und eine Demarkationszone im gesunden Gewebe sich mehr und mehr ausbildet. Diese Nekrose des Gewebes ist eine Folge der Überdosierung, wie sie entweder durch ungenügende Filterung der Präparate entsteht (ß-Strahlenwirkung) oder wie sie im Interesse einer ausreichenden Bestrahlung des ganzen Beckens in nächster Nähe des Radiums nicht zu vermeiden ist. Je mehr wir das Strahlenfeld der Radium- präparate homogen gestalten, desto mehr fällt die Nekrosenbildung weg. Sie ist also letzten Endes verursacht durch die ungünstige Intensität, die wir im Strahlenfeld des Radiums leider immer noch besitzen. Sie nimmt zu mit der stärkeren Konzentrierung der Präparate, sie nimmt ab bei möglichst gleichmäßiger Verteilung der radioaktiven Substanz auf ein Großfeld (langgestreckte Präparate) und bei entsprechender Distan- zierung.

Für die Ausbildung der Nekrosen ist natürlich die Strahlenempfindlichkeit des bestrahlten Gewebes maßgebend. Wird schon im ersten Strahlengange Karzinom- gewebe getroffen, so kann es, da es empfindlicher ist als das Epithel der Haut, zu einer unerwartet schnellen Einschmelzung der ganzen Umgebung des Radiumröhrchens kom- men. Die Abstoßung der ganzen Vaginalwand ist nicht selten, wenn das Karzinom z. B. subepithelial im paravaginalen Gewebe oder gar im Epithel vorgedrungen ist. Das Gewebe der Zervix und des Corpus uteri ist im allgemeinen wenig empfindlich gegen die Strahlung, so daß es selten zu einer tiefgehenden Nekrose kommt. Selbst die Schleim- haut des Uterus verträgt vielleicht 20— 25 Erythemdosen nach Waeber sogar 30— 40 ohne daß sie total zerfällt. Ungünstiger Einfluß in dieser Hinsicht kommt vielleicht nur der Hyperämie zu, welche ganz allgemein die Sensibilität der Körpergewebe steigert.

Infektionen während der Bestrahlung des Kollumkarzinoms sind besonders gefürchtet. Sie zu verhüten, darf man kein Mittel scheuen, das die moderne Gynäko- logie uns in die Hand gegeben hat (Serum- und Vakzinebehandlung.) Zweifellos handelt es sich hier bisweilen um das Aufpeitschen älterer entzündlicher Prozesse, ein Vorgang, der natürlich nicht zu vermeiden ist (Belugin). Häufiger geht die Infektion von dem infizierten Karzinomgewebe aus, sei es, daß die Bakterien in die Parametrien hinein- getrieben wurden, sei es, daß sie beim Durchschieben des Radiums durch den infizierten Zervixkrater nach der Uterushöhle und den Tuben verschleppt wurden. Die Ent- fernung des Radiums und das längere Aussetzen der Bestrahlung ist meist die sehr unerwünschte Folge der Infektion. Daß die Bestrahlung unter solchen Umständen leicht verzettelt und nahezu wertlos werden kann, braucht kaum betont zu werden.

Als Folge der Infektion hat Kehrer die schon von Cheron und Rubens Duval beschriebenen Radiumschwielen aufgefaßt, und ich glaube, daß diese Auffassung wenigstens für die ganz derben Parametritiden zu Recht besteht. Wenn wir später hören, welche Folgen die Radiumschwielen auch bei geheilten Fällen haben können, wird es uns eine doppelte Mahnung sein, die Infektionen während der Bestrahlungen möglichst zu vermeiden.

Fistelbildungen kommen bei der Radiumbestrahlung im Dickdarm (Rekto- vaginalfistel), im Dünndarm, in der Blase, in der Urethra und in den Ureteren vor. Sie sind in der Regel das Zeichen der Überdosierung, von der wir ausführlich gesprochen

Emanationsbehandlung 591

haben. Bisweilen allerdings handelt es sich um Fisteln, die dadurch entstehen, daß das Karzinomgewebe eine Brücke zwischen zwei der genannten Hohlorgane bildete und durch die Bestrahlung eingeschmolzen wurde. Noch seltener treten die Fisteln als Folge von Spätschädigungen auf, über deren Entstehung wir heute noch zu wenig wissen und die wir deshalb auch nicht vermeiden können.

Über die Allgemeinschädigungen, welche mit der Strahlenbehandlung verbunden sind, wird an anderer Stelle noch zu sprechen sein. Nur auf zwei Bilder möchte ich hier hinweisen, welche wir bei der Radiumbestrahlung oft zu sehr unangenehmen Kompli- kationen führen sehen, das sind die Störungen der Rektumentleerung und die Zustände, die sich an die schrumpfende Parametritis anschließen.

Wird die Radiumbestrahlung beabsichtigt oder unbeabsichtigt in einer Höhe vor- genommen, bei welcher die Rektumwand nicht genügend geschützt ist, so kommt es nicht nur zur Schleimhautnekrose, sondern nachfolgend zu einer narbigen Heilung, welche manchmal zu einem fast völligen Verschluß des Mastdarmes führen kann. Wir haben Fälle gesehen, wo kaum mit einer Uterussonde durch die Stenose des Rektums hindurchzukommen war und wo sich die Fäzes hinter dieser Striktur in geradezu un- glaublicher Weise gestaut hatten. Schrittweise und unermüdlich wiederholte Dilatation vermag das Leiden für kurze Zeit zu bessern. Trotzdem gefährden solche Stenosen durch das gestörte Allgemeinbefinden den Erfolg unserer Behandlung und sollten darum besser von vornherein vermieden werden.

Das gleiche gilt von den Schwielen im Beckenbindegewebe, deren Entstehung allerdings sehr oft weder vorausgesagt noch vermieden werden kann. In ihren Folgen aber ist die „Parametritis atrophicans radio-therapeutica‘ sehr unangenehm, weil sie zu einer Verzerrung der Baucheingeweide führt und zur Quelle unendlich zahl- reicher Beschwerden werden kann.

Anhang. Die Emanationsbehandlung.

Emanation entsteht aus dem Radium als gasförmiges Zerfallsprodukt. Ebensowenig wie das reine Radium sendet die Emanation y-Strahlen aus. Derartige Strahlung kommt erst dem nächsten Zerfallsprodukt, dem Radium C, zu.

Emanation kann man, weil sie sich in Radium C umwandelt, in der Therapie der malignen Tumoren in der gleichen Weise verwenden wie das Radium selbst. Die Tech- nik hat sich nur danach zu richten, daß die Emanation ein Gas ist.

Als Vorteile der Emanationsbehandlung werden im allgemeinen drei Dinge ge- nannt:

1. die Unabhängigkeit von dem festen Präparat, welches dauernd in sicherer Aufbewahrung gehalten werden kann,

2. die Möglichkeit, der strahlenden Substanz jede beliebige Form und Aus- dehnung zu geben,

3. die Art der Dosierung, welche in jeder beliebigen Größe leicht herzu- stellen ist.

Es kommt hinzu, daß die Wirkung der Emanation nach etwa 31/, Tagen auf die Hälfte, nach 11!/, Tagen auf 10%, der ursprünglichen Intensität absinkt, wodurch es möglich ist, ohne eine Überdosierung befürchten zu müssen, Patienten mit eingelegten Emanationspräparaten zu entlassen.

Im allgemeinen ist die Emanationsbehandlung sehr wenig eingeführt. In Deutsch- land ist sie kaum bekannt und wird wohl nur von Holfelder angewendet. In Prag ist

592 W. Lahm

es Tomanek, in Wien Heiner, welche ihr ein besonderes Interesse entgegengebracht haben.

Die Gewinnung der Emanation ist relativ einfach. Das Radiumsalz wird in Wasser gelöst und die Emanation, welche als Gas aus der Flüssigkeit entweicht, durch geeignete Apparate abgesaugt, gereinigt und in Glaskapillaren umgefüllt. In beliebiger Länge kann man die Glasröhrchen durch eine Stichflamme abschneiden und besitzt dann sofort die verwendungsbereite Emanation.

Die Messung der Emanation geschieht nach ‚Curie‘. Man versteht unter 1 Cu- rie, diejenige Aktivität, welche mit 1g Radium im Gleichgewicht sich be- findet. Im praktischen Betrieb ist natürlich die Maßeinheit in der Regel das Milli- curie, welches man mit mc bezeichnet. Praktisch geschieht die Intensitätsmessung dadurch, daß man den Vergleich zwischen einem bekannten festen Radiumpräparat und einem Emanationspräparat zieht. Becker hat neuerdings ein anderes Verfahren angegeben, bei dem es gelingt, die strömende Emanation genau nach ihrer Aktivität zu messen. Es handelt sich um das sog. Emanometer, dessen Prinzip darin besteht, daß die Emanation, welche aus einem gelösten Radiumpräparat entweicht, zunächst ge- sammelt und dann in einer genau bestimmten Zeit durch ein Röhrensystem geführt wird und dabei auf ein Ionisationsinstrument einwirkt. Die Messung mit dem Emano- meter nach Becker erreicht an Genauigkeit vollkommen die Vergleichsmessung im radio- aktiven Gleichgewicht, an Schnelligkeit ist sie der genannten Methode weit überlegen.

Was die Menge der Emanation betrifft, welche aus dem gelösten Radiumsalz gewonnen wird, so hängt es natürlich davon ab, welche Ausbeute die verwendeten Auf- nahmeapparate ergeben. Rein theoretisch läßt sich berechnen, daß 100 mg Radium- element in einem Tage ca. 17,5 mc, in 3,85 Tagen ca. 50 mc, in weiteren 30 Tagen ca. 100 me liefern. Die entstehende Menge ist also nicht proportional der Zeit, sondern fällt nach und nach etwas ab, und zwar deshalb, weil nach dem Entstehen ein dauern- der Zerfall der Emanation sofort einsetzt. Es ist deshalb zweckmäßig, jeden Tag die Emanation über dem gelösten Radiumsalz abzunehmen.

Der Zerfall der Emanation geht so vor sich, daß ihre Aktivität in 3,85 Tagen auf die Hälfte absinkt. Man nennt diese Zeit die Halbwertzeit der Emanation. Mit. ihr muß man natürlich bei der Dosierung rechnen, weil die Aktivıtät Tag um Tag, und zwar nicht ganz gleichmäßig abfällt. Die Verminderung der Aktivität geht aus der folgenden Kurve (Abb. 20) hervor.

Die Emanation kann therapeutisch zwar direkt verwendet werden, doch ist ihre Umfüllung ins Glakapillaren die gewöhnliche Methode der Anwendung in der Gynäko- logie, Chirurgie und Dermatologie. Statt der meist geraden Glaskapillaren, welche in Form dünnster Nadeln oder stärkerer Röhrchen (Tuben) verwendet werden, kann man die Emanation in jedes Gefäß von beliebiger Form und Größe einfüllen. Der leichteren Herstellung wegen behält man in der Regel die Bildung kleiner nadel- förmiger Kapillaren bei und konstruiert größere Emanationsträger dadurch, daß man mehrere Kapillaren zusammenfügt. Die Emanationskästen, wie sie z. B. Failla angewendet hat, enthielten bis zu 70 Kapillaren mit einer Gesanıtaktivität von 2000—2500 me.

Die Anwendung der Radiumemanation geschah und geschieht in genau derselben Weise wie die des festen Radiumsalzes. Man hat siehe Seitz im allgemeinen zwei Hauptverfahren unterschieden, in denen die Emanation bi der Behandlung maligner Tumoren Verwendung findet:

1. das sog. Janewaysche Verfahren,

2. das Verfahren von Stevenson.

Gefilterte und ungefilterte Bestrahlung 593

Janeway, dessen Kapillaren mit höchstens 1—2 mc, in der Regel sogar nur mit I o—/ı me geladen sind, kommen direkt in den Tumor ohne jede Filterung zu liegen und bleiben dauernd daselbst. Sie wirken einerseits entzündungser- regend, anderseits wie ungefilterte Radiumpräparate, also mit B- und y-Strah- len zugleich. Von Heiner wird die Methode als zu radikal bezeichnet, weil sie den Pa- tienten erhebliche Schmerzen und Beschwerden bereitet. Die Frauen werden nach der Einführung der Kapillaren entlassen und kommen erst nach mehreren Wochen oder Monaten zur Nachuntersuchung und evtl. Nachbehandlung.

Stevenson verwendet Kapillaren, welche 10—30 me Aktivität besitzen und in Platiniridiumnadeln unter- gebracht werden. Die Nadeln werden in Abständen von 700% ca. 20—25 mm (Clark) in den Tumor eingestoßen und bleiben 18—24 Stunden liegen. Man berechnet die Gesamtdosis etwa so, daß pro Kubikzentimeter Tumor !/ me Aktivität ver- braucht wird (Failla).

Die beiden genannten Ver- fahren sind seit 1914 im Ge- 50% brauch und werden besonders in Amerika und Frankreich verwendet. Es ist interessant, daß Wetterer in seiner jüng- 25% sten Übersicht über die auslän- dische Literatur keine spezielle 425% Arbeit über Emanationsbehand- 625% lung veröffentlicht, woraus zu

schließen ist, daß auch heute noch die Emanationsbehand- Abb. 20. Abnahme der Emanationsaktivität. Auf der Ordinate die Intensität, auf der Abszisse die Tage.

AA 3e 5 CS I BB RO NI 1 15 18 17

lung keine allgemeine Verbrei- tung erfahren hat. Ich folge in meiner Darstellung den Mitteilungen, die Schmidt besonders aus der amerika- nischen Literatur uns gegeben hat.

Die Emanationsbestrahlung übt in der gleichen Weise eine Allgemeinwirkung aus, wie wir sie vom Radium kennen. Bei der Resorption des Gases (intravenöse In- jektion) sieht man eine schwere Beeinträchtigung des Stoffwechsels negativer Stick- stoff- und Phosphorbilanz eine Schädigung des Blutbildes und einen unheilvollen Einfluß auf die bestehende Gravidität (Bagg). Selbstverständlich soll es bei der Emanationsbehandlung mit Glaskapillaren nicht zu einer Resorption der Emanation kommen, doch ist dieselbe bei Bruch der Kapillaren immerhin einmal möglich. Wir selbst haben es in Dresden vor Jahren erlebt, daß aus einem undicht gewordenen Radium- präparat Emanation ausgetreten war und zu erheblichen Schädigungen der betreffen- den Patienten sogar mit Ulkusbildung an den äußeren Genitalien geführt hatte.

Über die Technik der Emanationsanwendung haben besonders Failla, Clark, Duncan und Freer berichtet. Failla verwendet im Memorial Hospital in Neuyork nur Emanation oder radioaktive Niederschläge (fein verteilte radioaktive Substanz), niemals mehr das Radium selber. Seine Glasröhrchen enthalten 100— 400 mc

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 38

594 W. Lahm

Aktivität; seine Dacks" (Kästen) besitzen eine Aktivität bis zu 1000 und 2000 me, Stets erfolgt eine Filterung mit Silber (0,5 mm) und 1,0—1,5 mm Platin oder 2 mm Blei. Werden hohe Dosen verabreicht, so wendet er perkutane Bestrahlungen an und vergrößert den Abstand zwischen Emanationspräparat und Haut auf 4—10cm. Die Gesamtdosis berechnet er auf 10— 18000 me,

Clark verwendet Stahlnadeln aus nicht rostendem Stahl, welche 0,3 mm dick und 20—30 mm lang sind. Sie enthalten 10—20 mg Radiumsulfat oder die entsprechende Menge Emanation. Sie werden im Abstand von 20—25 mm direkt in den Tumor ein- gestoßen (Lokalanästhesie) und bleiben 18—24 Stunden liegen. Duncan verwendet 200—500 me in Röhrchen und läßt dieselben 10—20 Stunden liegen. Seine Gesamt- dosis berechnet er auf 6000— 10000 mc-Stunden.

Freer, welcher über die Behandlung des Larynxkarzinoms berichtet, verwendet Emanationstuben von 0,85 mm Dicke und 15,8 mm Länge, mit einer Aktivität von 50—400 mc (im allgemeinen nur 50— 100).

In der Dosierung und Indikation weichen die amerikanischen Autoren, welche die Emanation verwenden, kaum von der uns bekannten ab. Wiederholt wird beson- ders die Frühdiagnose als ausschlaggebend für den zu erwartenden Erfolg betont (Duncan, Wiggers). Taylor trat besonders warm für die Vorbestrahlung der karzinomatösen Tumoren ein. Samuel verabreicht pro Serie etwa 3600 Einheiten und wiederholt diese Serien noch zweimal in einem Abstande von 4 Wochen. Besonders interessant ist, daß er gleich uns (Dresden) die Erfahrung gemacht hat, daß ältere Frauen (über 60 Jahre) auffallend gut die Radiumdosierung vertragen.

Über die tödliche Dosis für die Karzinomzellen liegen zwei interessante Mit- teilungen von Clark und Freer vor. Clark betont, daß 80—100 mg Radiumelement in 7 Stunden die Karzinomzellen abtöten, und Freer gibt an, daß eine lokale Dosis von 600— 700 mc-Stunden genüge, um das Larynxkarzinom bis etwa in 1 cm Tiefe restlos zu zerstören. Die beiden Angaben stimmen auffallend gut zueinander. Betrachten wir unsere eigenen Zahlenwerte damit, so würde die Karzinomdosis der amerikanischen Autoren etwa unserer (Dresdener) H KD. entsprechen. Daß im Reagenzglas (Tumor. kulturen) weit höhere Dosen notwendig sind, hatten bekanntlich Wood und Prime gezeigt.

Sehr hohe Dosen an Emanation verwendet Tomanek, der 1000 me in die Zervix und 1000 mc perkutan auf beide Parametrien einwirken läßt. Allerdings scheint er diese Dosen nur eine Stunde zu applizieren. Auch Freer gibt an, daß er Drüsen der Hals- region mit 500— 1000 me 17 Stunden lang bestrahlt hat.

Aus unseren kurzen Ausführungen erkennt man leicht, daß irgendeine besondere Überlegenheit der Emanationsbehandlung über die Behandlung mit fester Substanz nicht festzustellen ist. Anderseits sind die Vorzüge der varia- blen Dosierung und Applikation zweifellos beträchtlich. Seit aber das feste Radiumsalz in kleine Teile (sog. „Radiumelemente“, s. S. 577) zerlegt ist, verschwindet der Vor- teil der variablen Form und Dosierung mehr und mehr, denn man kann mit Hilfe der kleinen Elemente sich jedes gewünschte Radiumpräparat schnell und rasch herstellen. Dann wird der Standpunkt Heiners verständlich, der die Behandlung mit fester Substanz der Emanation unbedingt vorzieht.

Ich selbst möchte vor allem der Verwendung der Radiumelemente das Wort reden, weil ihre Intensität nach Quantität und Raum sehr gut variiert werden kann und eine Verwendung der vorhandenen radioaktiven Substanz in der sparsamsten Weise möglich ist. Auch wird man bei allen Methoden der Anwendung vollkommen unab- hängig von der einmal vorhandenen Form der Radiumpräparate. Die Formen stellt

Radiumelemente. Röntgenbehandlung 595

man sich nach Bedarf her, die Ladung derselben geschieht auf Grund der Berech- nungen und der geometrischen Verhältnisse durch die Einführung der Radiumelemente in geeigneter Weise in die hohlen stäbchen- oder plattenförmigen usw. Behälter.

Viertes Kapitel. Die Röntgenbehandlung des Kollumkarzinoms. I. Zur historischen Entwicklung.

Die Röntgenbehandlung des Uteruskarzinoms ist relativ spät aufgekommen. Sieht man die Angaben der Literatur durch, so findet sich bereits im gleichen Jahre, wo die Entdeckung Röntgens die Stätten der Wissenschaft und der Praxis auf den verschie- densten Gebieten befruchtete, die Röntgendiagnostik sich mächtig entwickeln. Hein- richs in Berlin (27. 3. 1896) und Spencer in London (April 1896) sind wohl die ersten gewesen, welche über Röntgenbefunde bei fötalen Mißbildungen berichteten. Von Therapie ist noch keine Rede, nicht einmal von besonderer biologischer bzw. physiologischer Wirkung der neuen Strahlen, obwohl bei der Diagnostik bisweilen Belichtungszeiten von mehreren Stunden zur Anwendung kamen!). Die erste Notiz in dieser Hinsicht scheint sich in dem Buche von O. Büttner und Müller (Erfurt 1897) zu finden, wo es heißt, daß über die physiologische Wirkung, d. h. über den therapeu- tischen Wert der Pyknoskopie (wie sich die Autoren ausdrücken) noch nichts bekannt sei, daß sich aber die Berichte mehrten über schädliche Wirkungen nach fort- gesetzten Bestrahlungen. Dermatitiden und totaler Haarausfall werden hier als ganz besonders unangenehme Erscheinungen erwähnt.

Dann entwickelte sich als erstes die Behandlung der Myome und Metrorrha- gien, welche Deutsch, Morton, Foveau de Courmelle, Albers-Schönberg, Immelmann, Gauß u.a. die größte Förderung verdankt.

Über Karzinombestrahlung mit Röntgenlicht berichtet wohl zuerst v. Leyden, aber nur mit einem Wort. Er erwähnt auf dem internationalen Krebskongreß in Heidel- berg am 25. September 1906, daß er gewisse Besserungen mit Röntgen- und Radiumbestrahlung gesehen habe, über definitive Erfolge aber nichts be- richten könne. Dann äußert sich Eltze, ein Schüler von Gustav Klein, ausführ- licher über die Krebsbehandlung. 7 Fälle sind in der II. Münchner Frauenklinik behandelt worden. Sie waren alle inoperabel, doch zeigte sich, daß das Wachstum der Rezi- dive gehemmt wurde, daß die Schmerzen und die Jauchung sich besserten, daß aber eine Heilung nicht eintrat.

Wenn man die inhaltsschweren Schlußsätze der beiden hier an erster Stelle ge- nannten Autoren bedenkt: „Der Erfolg blieb unseren Bemühungen versagt“, und mit wissendem Auge die 17 Jahre überfliegt, welche seitdem die Geschichte der Röntgenologie weitergeeilt ist, so will uns der Glaube an eine bessere Zukunft fast ver- lassen. Welch ein begeisterungsvolles Hoffen in den ersten 10 Jahren nach diesen kümmerlichen Anfängen! Welch eine tiefe Niedergeschlagenheit gerade in unseren Tagen! Wo sind die Fälle, welche mit x-Strahlen je vom Karzinom dauernd ge- heilt sind, ruft uns die Skepsis zu, und schwer ist es, darauf eine klare, bündige Antwort zu geben, weil wir noch mitten in der Entwicklung stehen und alles

L E. Zweifel gibt an, daß Ziemssen bereits 1898 Röntgentherapie versucht habe; ich konnte die Angabe nicht nachprüfen.

38*

596 W. Lahm

Erreichte eine vorübergehende Täuschung sein kann. Aber wenn ich auch unseren Ausführungen und ‚Beweisen‘ damit weit voraneile, so muß ich doch schon hier betonen, daß zu der Bestrahlungstherapie des Uteruskarzinoms und noch mehr vielleicht anderer Karzinome ein gutes Stück Optimismus gehört, der immer wieder nach neuen Wegen und Methoden sucht und sich durch Mißerfolge, welche beim Kar- zinom doch wirklich nicht nur der Strahlenbehandlung beschert sind, nicht irremachen läßt. Ich brauche nur an die Heilung völlig inoperabler Fälle mich zu erinnern und finde hoffentlich mit vielen Röntgenologen und Gynäkologen zusammen darin die Kraft zu hoffnungsfroher neuer Arbeit.

Als sehr wichtig für die weitere Entwicklung der Röntgentherapie muß ich die Ar- beiten von Gaylord und Cloves und Dessauer bezeichnen, welche etwa in die Zeit der ersten Röntgenbestrahlungen des Karzinoms fallen. Sie stehen in einem gewissen Gegensatz zueinander und stellen zwei Richtungen dar, welche in der Strahlenbehand- lung des Uteruskarzinoms noch in unseren Tagen erkennbar sind.

Gaylord und Cloves berichten nach Beobachtungen an über 3500 Mäusen über die Spontanheilung des Karzinoms. Sie stellen fest, daß die Heilung des Karzinoms durch Röntgenstrahlen histologisch in derselben Weise vor sich geht wie die Spontan- heilung: Atrophie der Epithelien, Bildung von Pseudoriesenzellen (Synzitien), Auf- treten von Fremdkörperriesenzellen am Rande des nekrotisch werdenden Materials und Wucherungen des Bindegewebes. Mäuse, welche spontan vom Karzinom geheilt wurden, zeigten sich widerstandsfähig gegen weitere Krebsimpfungen. Die Fähigkeit der Abwehr konnte mit ihrem Blut auf andere Mäuse übertragen werden. Bei Heilungen durch Bestrahlung war ein gleicher Erfolg nicht deutlich zu beobachten.

Die Mitteilungen von Gaylord und Cloves, welche aus dem Cancer Research Laboratory der Universität Buffalo stammen, blieben ziemlich unbeachtet, doch kann man in der Folgezeit eine ganze Reihe von Untersuchungen verfolgen, welche bewußt oder unbewußt in der gleichen biologischen Richtung sich bewegen. Ich möchte hier- zu vor allem die Arbeit von Eugen Bornait-Legueule erwähnen, der in einer Disser- tation (Paris) ausführliche Mitteilungen über das histologische Verhalten bestrahlter Karzinome machte und feststellte, daß die Röntgenstrahlen sowohl auf Karzinom- zellen wie auf Bindegewebszellen einwirken. Das Neoplasma verschwindet, das Stroma wuchert. Der erstgenannte Prozeß geht schnell, der zweite relativ langsam und zögernd vor sich.

Die Folgezeit bringt in biologischer Hinsicht relativ wenig neue Tatsachen, ob- wohl der Gedankengang als solcher immer noch trotz der inzwischen durch Dessauer aufgerollten physikalischen Probleme (s. unten) vorwiegend auf die Biologie und Physiologie der Strahlenwirkung gerichtet ist. So verlangt z. B. Albers-Schön- berg eine sichere Wirkung der Strahlen, eine absolute Schonung der Haut und eine möglichst kurze Dauer der Therapie. Aschoff verfolgt das mikrosko- pische Verhalten der Karzinome und sieht schnell wachsende Krebse unter dem Ein- fluß der Strahlenbehandlung sich in langsam wachsende umwandeln und auch Rob. Meyer betont auf Grund seiner Beobachtungen, daß es sehr leicht möglich sei, daß die Heilung des Karzinoms sich unter Veränderung des Baucharakters, der inneren Struk- tur, vollziehe.

Ganz in der gleichen Richtung, d. h. immer wieder das biologische Verhalten der bestrahlten Karzinome berücksichtigend, liegen die Untersuchungen und Forderungen Teilhabers, der bis in die neueste Zeit der Förderung der lokalen und allgemeinen Abwehrkräfte des Organismus seine Aufmerksamkeit zuwendet. Die Erzeugung von Hyperämie und Leukozytose durch Wärmebehandlung und Diathermie (Müller) hat

Das biologische und physikalische Problem i 597

keine andere Bedeutung als die, das Karzinom durch Einwirkungen vom Körper aus in seiner Aggressivität zu hemmen. Selbst die Sensibilisierung der Krebszellen, wie sie durch die Verwendung von Selen (Wassermann), Wolfram (Krukenberg) und Kupfer (Wintz) verursacht worden ist und ausgeübt wird, folgt dem gleichen Ziele.

Wenn wir hier das biologische Problem, das die Strahlentherapie des Uterus- karzinoms derart kennt, von Gaylord und Cloves ausgehend bis zu den modernsten Bestrebungen in geschlossener Linie verfolgt haben, so entspricht das nicht der geschicht- lichen Wahrheit; die Entwicklung der Röntgentherapie ging andere, sehr viel verschlun- genere Wege. Es wurde schon betont, daß fast gleichzeitig mit der Arbeit von Gaylord und Cloves Untersuchungen von Dessauer erschienen, welche die Röntgentherapie in ein ganz neues und für sie fruchtbares Fahrwasser brachten. Von Dessauer stammt das physikalische Problem, das die Röntgenologie noch heutigentages als eines ihrer vornehmsten kennt, über das sie in absehbarer Zeit nicht hinauskommen wird, auch wenn seine praktische Bedeutung für die nächste Zeit aller Voraussicht nach etwas mehr zurücktreten dürfte.

Dessauer legte sich die Frage vor, wie es gelingen könnte, eine bestimmte gewollte Dosis in eine beliebige Tiefe des Körpers zu bringen, ohne daß die Oberfläche (Haut) dabei geschädigt werde, und auf welche Weise man einen physikalisch definierbaren Wert ermitteln könne für die Größe der erzielten Intensität. Es kann nicht auf alle Einzelheiten dieser physikalischen Richtung eingegangen werden, sie sind an vielen Stellen der Literatur erörtert worden. Nur die Etappen, wie sie durch die Namen Christen, Friedrich, Krönig, Gauß, Hans Meyer, Wintz gekennzeichnet sind, sollen Er- wähnung finden.

Das physikalische Problem hat über ein Jahrzehnt die Geister derartig wach- gehalten, daß die traurigen Schlußresultate v. Leydens und Eltzes über die Heilung des Karzinoms mit Röntgenstrahlen fast vergessen wurden. In immer neuen physika- lischen Fragestellungen und Fehlerquellen suchte man die Unzulänglichkeit der bisherigen Erfolge zu erklären und übersah, daß die Heilungen wegen biologischer Widerstände ausblieben. Und doch besitzen wir eine Reihe von Mitteilungen, welche schon mitten in diesem physikalischen Arbeitstaumel hätten ernst stimmen müssen. So erinnert Daels aus Gent schon 1912 daran, daß man die so hoffnungsvoll begonnene Serunitherapie des Karzinoms sehr mit Unrecht gegen die so höchst unsicher wirkende Röntgenbestrahlung eingetauscht habe, und Bumm zeigt in einwandfreier Weise, daß trotz gelegentlich geradezu überraschender klinischer Erfolge von einer anatomischen Heilung durch die Röntgenbestrahlung nicht die Rede sein könne. In gleicher Weise äußert sich Kaestle, und Meidner faßt sogar als Tagesmeinung auf, daß die Röntgenbestrahlung erst dort zuständig werde, wo die Chirurgen das Messer niederlegten. Wenn man das Gewicht dieser Stimmen rückblickend betrachtet, so ist es fast unverständlich, wie trotzdem die Röntgentherapie diesen gewaltigen Auf- schwung oder Umfang hat annehmen können, den wir in der Tat beobachtet haben. Nach meiner Auffassung sind daran in allererster Linie die ungemein günstigen Erfolge schuld, welche von der Radiumbehandlung des Uteruskarzinoms mitgeteilt werden konnten; sie gaben immer wieder den Anstoß zu neuer Hoffnung, zu neuer Arbeit, und "sie förderten die Tätigkeit der Industrie, welche bestrebt war, Strahlen herzustellen, welche den y-Strahlen des Radium ebenbürtig oder wenigstens nahezu ebenbürtig sein möchten. Trotzdem kommen wir auch heute nicht um die Frage herum, welche schon v. Leyden und Eltze erhoben haben und welche die Schicksalsfrage der Röntgentherapie des Karzinoms ist, ob Heilung vom Krebs mit Röntgen- strahlen möglich sei. Wir fühlen uns verpflichtet, auf diese Frage den Hauptwert

598 S W. Lahm

unserer Ausführungen zu richten und sie bei allen Erörterungen nie aus dem Auge zu lassen. Das eine steht fest: der Mühe und Arbeit ist dieses Problem wert, aber nur wer das Problematische der Aufgabe sieht, darf hoffen, ans Ziel zu gelangen.

I. Röntgentechnik.

Unter Röntgentechnik verstehen wir, genau der Wortbildung entsprechend, die „Kunst“ des Bestrahlens. Es ist die Bestrahlung des Karzinoms sicher nicht nur „Handwerk“, welches dem ‚Röntgentechniker‘‘ überlassen werden kann (Wintz). Mit Recht betont auch Opitz, daß wir „jeden Fall als Problem für sich zu betrachten haben, daB jedes Schema unmöglich ist“ und daß oft genug gerade dann , die ärztliche Kunst zu ihrem Rechte kommt und Triumpbhe feiert, wo die Schablone Schiffbruch leidet“.

Deshalb fassen wir unsere gesamten nachfolgenden Betrachtungen unter dem Begriff der Röntgentechnik darin zusammen und sehen unser vornehmstes Ziel darin, überall dem Wesen, dem , Warum“ und ‚Weshalb‘ jeder Maßnahme nachzuspüren, um auf diese Weise unnötigen Ballast zu erkennen und zu eliminieren bzw. notwendige Voraussetzun- gen stärker betont hervorzuheben. Dem ganz allgemeinen Problem der Bestrahlungs- kunst Rechnung tragend, welche heute nicht nur in der Bestrahlungals solcher, sondern auch in der Allgemeinbehandlung des Organismus ihre Aufgabe erblickt, werden wir da und dort Dinge einflechten, welche zwar noch nicht Allgemein- gut der Röntgentherapeuten geworden sind, aber sehr der Beachtung bedürfen.

A. Vorbereitende Maßnahmen.

Ehe man die erste Bestrahlung durchführt, ist eine große Reihe von Beobachtungen. Überlegungen und Vorbereitungen auszuführen, über welche man sich im allgemeinen kaum noch Rechenschaft gibt, welche aber sehr wohl zur ganzen Bestrahlungstechnik gehören. Seitz-Wintz drücken sich in ihrem Buch ‚Unsere Bestrahlungsmethoden“ einmal so aus: „Heute ist die Bestrahlung des Uteruskarzinoms nahezu eine Selbstverständlichkeit; man vergesse aber nicht, daß sie einmal ein ‚Entschluß‘ war!“ Die Arbeit, welche auch heute noch eigentlich jeder Bestrahlung vorausgehen müßte, ist schon zum großen Teile geleistet und braucht von uns nur mehr oder minder reproduziert zu werden. Aber gehen muß jeder einmal den Weg, den die großen Pioniere der Röntgenkunst, Krönig-Friedrich, Seitz-Wintz, Warnekros-Des- sauer angelegt haben, sonst kennt er sich nie aus. Ich meine: die Prüfung der Appa- ratur und Röhre, die Messung der Quantität und Qualität des Röntgenlich- tes, die Beurteilung der biologischen Wirkung und Wirksamkeit und die Aufstellung eines Bestrahlungsplanes. Wintz teilt seine Technik in zwei Probleme: in ein medizinisch-physikalisches und ein biologisches. Das medizinisch- physikalische Problem ist es, was jeder Strahlentherapeut vor jeder Strahlentherapie sicher vor Augen und im Herzen haben muß; es umfaßt alles das, was „Eigenleben“ zurückgibt und gewährleisten muß. Bis zu einem gewissen Grade stellt es den ‚‚kon- stanten Faktor“ in seinem Rechenexempel dar.

Inkonstant und mit allen Vorzügen und Mängeln behaftet, welche das bunt schaf- fende „Leben“ charakterisiert, ist der zweite, der biologische Faktor. Es ist uns schlech- terdings unmöglich, die biologische Reaktion auf einen bestimmten Strahlenreiz genau vorauszusagen. Es sieht nur so aus, als sei eine physikalische Dosis dem biolo- gischen Erfolg stets äquivalent. Für gewisse Fälle und bei grober Beurteilung der Ver-

Röntgentechnik. Vorbereitungen 599

hältnisse mag ein solcher Zusammenhang vorgetäuscht werden. So scheint das Haut- erythem eine recht konstante Reaktion zu sein, welche man durch eine bestimmte Qualität und Quantität der Strahlung wohl charakterisieren kann. Wie sehr das ein Trugschluß ist, wollen wir weiter unten noch eingehend besprechen!) ; hier mag nur darauf hingewiesen werden, daß die Latenzzeit, die Höhe der Wirkung, das Abklingen derselben und die Restitutio enormen Schwankungen unterliegen kann. Und dabei ist die Haut ein „gesundes“ Organ, das nicht wie ein krankes ganz anders auf einen Reiz ansprechen muß! Kranke Organe dazu rechne ich auch die schrankenlos wachsenden asozialen Verbände der karzinomatösen Zellverbände verhalten sich, wie tausendfältig bekannt ist, ganz anders gegen jeden Reiz; meist sprechen sie stärker darauf an, doch kommt auch das Gegenteil vor.

Der biologische, der eigentliche „Heilfaktor‘‘ nach Wintz, bzw. die Re- stitutionskraft des Organismus nach Warnekros, läßt sich also nicht mit Sicher- heit vorausbestimmen. Trotzdem müssen wir versuchen, ihn ‚abzuschätzen‘“.

Kein objektives Urteil es sei denn die anamnestisch erhobene rapide Gewichts- abnahme —, sondern nur der subjektive ‚medizinische‘‘ Instinkt, unterstützt durch objektive Untersuchungsmethoden, helfen uns hier vorwärts. Wir halten einen guten Ernährungszustand für beachtlich, obwohl die Adipositas gerade bei karzinomatösen Frauen nicht ganz selten ist und mit der chronischen Anämie in Zusammenhang stehen könnte. Wie sehen einen Hämoglobingehalt von ‚noch‘ über 50% als prognostisch gut an. Wir beurteilen ein kleines Karzinom besser als ein großes, obwohl es doch eigentlich nicht so sehr auf die Größe als auf die Schnellwüchsigkeit und den endo- oder exophytischen Wachstumscharakter ankommt. Wir achten endlich auf den Konstitutionstypus der erkrankten Frau und erfragen die hereditären Verhält- nisse, um über den vagotonischen oder sympathikonischen Zustand (Opitz) bzw. über die „allgemeine Krebsdisposition‘“ bzw. die ‚lokale Bereitschaft oder Bedingt- heit“ ein Urteil zu gewinnen. Ja, wir erforschen sogar die sozialen und Berufsver- hältnisse, um auch nach dieser Hinsicht unser Urteil zu stützen, nachdem wir durch Theilhaber wissen, daß das Karzinom eine Erkrankung des ‚arbeitenden Volkes“ mit besonderer Bevorzugung des Fleischer- und Gastwirtsgewerbes ist.

Und noch weiter muß unsere Gedankenarbeit reichen. Wir müssen uns mit dem allgemeinen Verlauf und der allgemeinen Prognose der einzelnen Karzinomfälle beschäftigen, soweit sie uns durch eigene Beobachtungen oder fremde Mitteilungen zu- gänglich sind. Unsere Kenntnisse stecken in dieser Beziehung noch ganz in den Anfängen, auch ist es fraglich, ob es heute, wo jeder Fall möglichst sofort in Behandlung genommen wird, noch gelingen wird, die nötigen Daten zu erhalten. Nur weniges mag erwähnt sein: Karzinom und Basedowsche Erkrankung kommen sehr selten miteinander vor (Opitz), der Basedowsche Zustand schließt offenbar eine Karzinomentwicklung aus. Wenn das richtig ist, d. h. wenn es wirklich mehr oder minder die Funktion der Schild- drüse allein ist, welche solchen Einfluß hat, so wäre in Zukunft ein besonderes Augenmerk auf die formes frustes des Basedow zu lenken bzw. die Prognose solcher Fälle genau zu verfolgen. Etwas Ähnliches gilt für die Beziehungen zwischen Schwangerschaft und Karzinom. Zwar wird das Karzinom durch die Schwangerschaft nicht ausgeschlos- sen, doch haben sich hier Beobachtungen erheben lassen (A. Meyer, Kok), welche für die Besserung der Karzinomprognose sprechen. Wie es mit der Thymus steht, wissen wir noch nicht genau. Wir wissen nur, daß auch der Status thymico-Iymphaticus das Karzinom mehr oder minder ausschließt und daß die Preßsäfte der Thymus eine kräf-

1) Siehe auch den Nachtrag auf S. 568

600 W. Lahm

tige karzinolytische Wirkung entfalten (Morgenstern). Die gleiche Eigenschaft be- sitzt auch das Blutserum des Neugeborenen (Freund-Kamminer), sie geht verloren, wenn zur Zeit der Pubertät oder auch noch später die Thymus allmählich der Atrophie verfällt. In welcher Beziehung die Hypophyse und das Ovarium zum Karzinomwachs- tum stehen, wissen wir noch kaum; Zusammenhänge sind aber auch hier wahrscheinlich, nachdem Hofbauer über Rückbildungsvorgänge in einem Vulvakrebs nach Hypo- physenbestrahlung berichtet hat und nachdem ich selbst auf den merkwürdigen und überraschenden Erfolg kleiner Radiumdosen auf weit fortgeschrittene Kollumkarzinome evtl. mit Erhaltung der Ovarialfunktion hingewiesen habe. Die Operationsresultate von Thies, der nach Totalexstirpation des karzinomatösen Uterus unter Schonung der Ovarien (Emporschlagen derselben in Verbindung mit dem Lig. suspens. ovarii) die doppelte Heilungsziffer erreichte wie vorher, sprechen in demselben Sinne. Und endlich muß noch eines Organes gedacht werden, das offenbar eine ganz allgemeine Bedeutung für die Widerstandskraft des Organismus besitzt, der Haut. Die Haut als Sitz immuni- satorischer Vorgänge (Müller), als Respirations- und Exkretionsorgan, als Organ der Wärmeregelung und vieler damit in Verbindung stehender Regulationen im mensch- lichen Körper (Stoffwechsel, Hämatopoese) darf aus unserem Bewußtsein nicht mehr ver- schwinden. Seit nun Opitz an dem Krönigschen Karzinommaterial gezeigt hat, daß alle Fälle rasch ein Rezidiv aufweisen bzw. heute alle nicht mehr am Leben sind, welche bei Großfeldbestrahlung an der Haut ein Erythem II. oder III. Grades aufwiesen, seit- dem ist die Bedeutung der Haut auch für spezielle aktinische und allgemeintherapeutische Fragen in bezug auf das Karzinom über alle Zweifel erhaben. Aber: von der Funktion der Haut und der Karzinomprognose wissen wir deshalb nichts Gewisses; weite Lücken unseres Wissens gilt es hier noch zu schließen, wobei uns als Arbeitsmethoden die Ka- pillarmikroskopie, die elektrische Leitfähigkeit, die Überempfindlichkeits- reaktion und der respiratosische Quotient vorschweben.

Aber außer diesen ganz allgemeinen Fragen bewegen uns sehr oft ganz spezielle Probleme. Wie ist die hochgradige Anämie zu bewerten ? Wie soll man einen Herz- fehler beurteilen? Welche Bedeutung kommen einer enteritischen oder peritone- alen Reizerscheinung und dem Fieber zu?

Was die Anämie betrifft, so ist sie beim Uteruskarzinom, falls nicht ungewöhnlich schwere venöse oder gar arterielle Blutungen bestanden haben, im allgemeinen nicht allzu hochgradig. Werte von 18 und 20% Hämoglobin, wie man sie bei myomkranken Frauen doch relativ oft findet, sind hier selten. Auch eine Leukopenie wird recht selten ange- troffen. Findet man aber Werte von 25% Hämoglobin und 2000—3000 weißen Blut- körperchen, so erscheint es doch zweckmäßig, eine Vorbehandlung einzuleiten (s. auch Zumpe). Gewöhnlich wird in der Röntgenologie die Anämiebehandlung als Nach- behandlung erwähnt, offenbar weil man vor der Bestrahlung nicht allzuviel Zeit ver- lieren will. Ich möchte aber glauben, daß bei jeder ernsteren Blutarmut die Vor- behandlung unbedingt am Platze ist, kombiniert höchstens mit einer Therapie, welche sich die Verminderung von Blutung und Jauchung aus dem karzinomatösen Tumor zum Ziele setzt. Über die Methoden, welche hier in Frage kommen, brauche ich wohl nichts hinzuzusetzen, sie sind allgemein bekannt und müssen nach allgemein medizinischen Gesichtspunkten bewertet werden. Jeden Fortschritt muß der Gynäkologe und Rönt- genologe verfolgen und sich zunutze machen.

Das Herz bedarf im allgemeinen keiner besonderen Beachtung, d. h. wirklich ernst- hafte Schädigungen der Herzkraft sind unter dem Einfluß der Bestrahlungen bisher nicht bekanntgeworden. Trotzdem darf und soll das Herz nicht vernachlässigt werden. Auf zwei Dinge, welche unmöglich für die Herzkraft bedeutungslos sein können, möchte

Beurteilung des Allgemeinbefindens 601

ich nur hinweisen. Erstens auf die Kochsalzverarmung des Blutes (Sielmann) nach der Bestrahlung und zweitens auf das Absinken des Blutzuckerspiegels (Nürn- berger). Die Verminderung der Natriumionen im Blut kann nicht gleichgültig sein; wir wissen heute zu genau, welche Bedeutung der Ionenverschiebung für die Aktion der glatten und quergestreiften Muskulatur zukommt (Rubino und Varela, Merdler, Lahm). Und der Blutzucker, der das Energiereservoir für die Arbeitsleistung der Organe darstellt, scheint mir von noch größerer Wichtigkeit. Es ist sehr die Frage, ob man nicht auch den Blutzuckerverlust, ähnlich wie den Kochsalzverlust, therapeutisch ausgleichen sollte. Derartige Methoden sind in der Behandlung der Herzkrankheiten bereits bekannt und bedürfen nur der Übertragung.

Daß Darm und Blase bei der Röntgenbestrahlung einer besonderen Beachtung bedürfen, ist lange schon Gemeingut der Röntgenologen geworden (v. Franqu&, Seitz- Wintz, Fischer, M. Müller). Erstens dürfen beide Organe nicht durch Überdosierung geschädigt werden, zweitens soll ihre starke Füllung sie nicht an einen Ort bringen, wo man sie im allgemeinen nicht vermutet; die Folge davon ist auch hier in der Regel wieder die Überdosierung. Wir werden davon später noch zu reden haben. Was uns hier interessiert, ist der Reizzustand von Darm und Blase, den man als Entzündung bezeichnen kann und der seine Ursache in den verschiedensten Momenten findet. Die chronische Kolitis, mit Flatuleszenz und Druckschmerzhaftigkeit besonders im Bereich des Koekum und der Flexura sigmoidea, ist nicht nur eine Spätfolge der Ruhr und anderer akuter Darmerkrankungen, sie hat sich vielfach auch als Folge der zellulosereichen, unzweck- mäßigen Kriegsernährung gezeigt (H. Strauß). Es kommt hinzu, daß der entero- gene Reizzustand noch durch peritoneale Prozesse, welche vom Peri- oder Para- metrium ausgehen, gesteigert werden kann. Als Folge beobachtet man dann bisweilen eine Druckempfindlichkeit des Leibes, welche lebhaft an eine Peritonitis erinnert und von derselben auch dem Wesen nach vielleicht nur durch das Fehlen der Temperatur- steigerung unterschieden ist. Es versteht sich von selbst, daß derartige Zustände so- wohl primär das Befinden der kranken Frauen beeinträchtigen müssen, wie sie auch ganz besonders unangenehme Verschlimmerungen nach der Bestrahlung aufweisen können. Therapeutisch wird von Internisten in diesen Fällen das Pfefferminzöl in Form der Goldammerschen Pillen und Diätwechsel empfohlen.

Für den Gynäkologen und Röntgenologen ist es wichtig zu wissen, daß man in solchen Fällen die gewünschte Darmreinigung nicht mit drastischen Mitteln, wie Rheum und Aloe, vornimmt, überhaupt jeden Reiz möglichst vermeidet, sondern mit Rizinus, besser noch mit milden Einläufen (auch Öleinlauf), zum Ziele zu gelangen sucht. Besteht eine wirkliche Enteritis mit profusen Durchfällen, so verbietet sich sowieso die sofortige Bestrahlung. Man möchte nur immer bedenken, daß man als Gegenmittel nicht Wismut (Eigenstrahlen!) gebrauchen darf, sondern die Tanninpräparate (Tannalbin, Tannigen) und Bolus alba verabreicht.

Was endlich die Fiebersteigerungen betrifft, so bilden sie nicht ohne weiteres eine Kontraindikation gegen die Bestrahlung. Nicht nur, daß durch die Bestrahlung der Stickstoffverbrauch, der im Fieber vermehrt ist, nicht weiter durch die Röntgen- bestrahlung gesteigert wird (Hauenstein), haben wir und wohl auch andere oft genug bei bestehendem Fieber bestrahlt, ohne daß größere Beschwerden die Folge waren. Trotzdem wird man eine hochfiebernde Frau (über 38,5) oder eine solche, bei der das Fieber einen akuten Charakter hat, nicht ohne zwingenden Grund unter die Röhre legen. Jede fiebernde Patientin befindet sich mehr oder minder in einer negativen Phase, in der sie ihre volle Abwehrkraft nicht besitzt. Wir haben uns besonders bei der Radium- Röntgenbehandlung öfter im Zweifel befunden, ob wir das Fieber erst abklingen lassen

602 W. Lahm

sollten oder bestrebt sein müßten, die Radiumdosis ‚auszunutzen‘. Ist die Pause zwi- schen beiden Serien zu lange, geht die Wirkung zweifellos zum größten Teile verloren. Ich glaube, man kann sich in folgender Weise helfen: Besteht keine Temperatur- steigerung über 38,5 und ist das Abdomen weich und nicht druckempfindlich, hält sich vor allem der Puls innerhalb der „Fiebergrenze“ (bei 38,5— 90), so kann man unbedenklich bestrahlen. Peritoneale Reizerscheinungen und die Möglichkeit der Beckenthrombose halten mich ganz bestimmt von der Bestrahlung ab. Bei Throm- benbildung in den Beckenvenen habe ich ganz akute Verschlimmerungen sofort nach der Betrahlung auftreten sehen.

Zu den sog. vorbereitenden Maßnahmen gehört auch die Entscheidung der Frage, ob ambulant oder stationär, d.h. bei klinischer Aufnahme bestrahlt werden soll. Wintz spricht sich unbedingt für die klinische Aufnahme aus, Martius bezeichnet sie als erwünscht. Sicher ist, daß die Kostenfrage nicht selten entscheidend ıns Gewicht fällt, zumal manche Kassen die Einrichtung haben, daß nur der Klinikaufenthalt oder die Bestrahlungskosten bezahlt werden. Die kombinierte Radium-Röntgenbestrahlung muß stets klinisch durchgeführt werden, die alleinige Röntgenbestrahlung haben wir oft ambulant vorgenommen, und nur selten sind uns die Frauen zu den planmäßig vor- gesehenen Sitzungen ausgeblieben. Allerdings ist es dabei nicht gleichgültig, mit welcher Methode man bestrahlt; bei der Großfeldermethode von Warnekros-Dessauer blieben die Frauen oft gern im Hause, wenn sie erst zwei Felder hatten; ihr Zustand ver- bot ihnen ohne weiteres an den Heimweg zu denken. Die zweiten und dritten Nach- bestrahlungen, welche ich neuerdings mit relativ kleinen Dosen vornehme, lassen sich leicht ambulant durchführen; zur Not bleiben die Frauen eine Nacht in der Klinik.

B. Die Dosierung. 1. Allgemeines.

Über Dosis, Dosierung, Dosisbegriff und ähnliches ist soviel geschrieben wor- den, daß sich die Feder fast sträubt, das Kapitel neu aufzurollen. Es scheint so einfach das Problem, und doch, welche Schwierigkeiten hat man aus ihm ausgegraben! Es ist kein Zweifel: der Erfolg der Karzinombehandlung steht und fällt mit der Karzinomdosis! Mag Holzknecht noch so bewußt die biologische Seite des Dosis- begriffes gegen die physikalisch-technische hervorgehoben haben, mag er noch so über- zeugend darzutun versuchen, daß die Karzinomdosis nunmehr gestorben sei an die ungeheuer tief ins Zelleben des Neoplsamas eingreifende Wirksamkeit der strahlenden Energie glaubt er doch! Wer die Vorträge Holzknechts in seiner Röntgenologie II mit liebevollem Eingehen und ganz im Sinne des Autors liest, dem wird das Herz immer banger und starrer, je weiter er vordringt. Was gestern noch groß und in scharfen Um- rissen vor uns zu stehen schien, wird klein und verschwimmt, was wir gestern noch und sei es etwas schematisch und doktrinär gelehrt und gelernt, grinst uns heute als hohle Phrase an, die vor dem kritischen Auge des Fachmannes im Nachbargebiet des Biologen und Physikers nicht mehr bestehen kann. Wie eine große Tragik lesen sich die Vorträge, und oft fröstelt es uns, wenn wir den Autor mit fast überscharfer Kritik und Selbstkritik sprechen hören. Da auf einmal schließt die Sache so befreiend, so er- lösend, daß man ordentlich aufatmet: das Karzinom hat doch eine Achillesferse, die auch Holzknecht anerkennt, hat doch eine Stelle, wo es bis zum Tode verwundbar ist: seine Mitose, seine Chromatosomen! Und fast ebenso begeistert, wie er vorher resigniert war, klammert sich Holzknecht an die Theorie von Schinz und Regoud, und man fühlt es ordentlich, wie ihm der Optimismus, wie er sich für jeden Röntgenologen

Die Dosierung; Karzinomdosis 603

schickt, weit mehr liegt als der Pessimismus. Selbstkritik ist sicher gut, ob wir aber immer und überall unser eigener Richter sein sollen, ist doch die Frage!

2. Der Dosisbegriff und die Karzinomdosis.

Es kann nicht meine Aufgabe sein, den Begriff der Dosis in physikalischer und bio- logischer Hinsicht erschöpfend darzustellen. Ich möchte ihn insoweit klar herausarbeiten, als er zur praktischen Arbeit notwendigerweise definiert sein muß.

Krönig und Friedrich hatten erstmalig den Begriff der Karzinomdosis festgelegt. Sie verstanden darunter eine Strahlenintensität, welche eine deutlich sichtbare und tastbare Verkleinerung des Karzinoms zur Folge hatte. Gültig war diese Karzi- nomdosis zunächst nur für das Mammakarzinom und für die einmalige Bestrah- lung. Zugleich stellten Krönig und Friedrich fest, daß weitgehende individuelle Schwankungen zu beobachten sind, so daß man bei der Fixierung der Dosis in einer bestimmten Zahl (Intensität) nur von einer „mittleren“ Karzinomdosis sprechen dürfe. Die Intensitätszahl gaben Krönig und Friedrich in ‚absoluten Einheiten“ an und nannten dafür 140e. Die Hautdosis hatten sie entsprechend mit 170, die Ovarial- dosis mit 30e gefunden. Es mag betont sein, daß Krönig und Friedrich die biolo- gische Wirksamkeitin völliger Abhängigkeit von der physikalischen Dosis glaubten, d. h. nicht die Qualität der Strahlung spiele irgendeine Rolle, sondern nur die Quantität der Strahlung, die „pro Raumeinheit absorbierte Energie“.

Nach Krönig und Friedrich haben Seitz und Wintz die Karzinomdosis bestimmt, und zwar für das Uteruskarzinom. Von möglichst genauen physikalischen Versuchs- bedingungen ausgehend (Messung und Konzentration der Strahlung), beobachteten sie an etwa 130 Fällen, daß das Portio- und Zervixkarzinom primär verschwindet, wenn man 90—110% der Hautdosis an dasselbe heranbringt. Die Hautdosis entsprach 35 Abläufen ihres Elektrometers, die Karzinomdosis also 31—35 Anläufen. Die sog. Ovarialdosis fanden sie bei 12 Abläufen.

Auch Warnekros hat die Karzinomdosis bestimmt; er ist sich ebenso wie Krönig und Friedrich bewußt, daß große Schwankungen (Sensibilitätsunterschiede) vorkommen, doch setzt er keinen mittleren, sondern etwa den oberen Wert fest und definiert ihn durch die Dauer einer Bestrahlung beigenaufestgelegter Qualitätund Quantität des Röntgenlichtes (Intensiv Reformapparat, 200 KV, 2,0 MA 0,8 mm Cu + 1 mm Al, 30 cm Fokushautabstand, Strahlenkegel 56 X 35° Öffnung). Haut- und Karzinom- dosis stehen in einem Verhältnis von 100:85, wobei zu beachten ist, daß die Haut bis zur dunkelroten Verfärbung, blasiger Abhebung der Epidermis und seröser Ausschwitzung der Wundfläche bestrahlt wird (Hautmaximal- dosis). Als Testobjekt dienten karzinomatöse Leistendrüsen bei inoperablem Uterus- karzinom.

Es ist darauf hingewiesen worden (Martius), daß die Karzinomdosen der ge- nannten Autoren eine auffallende Übereinstimmung erkennen lassen, die ganz be- sonders dann hervortritt, wenn man die Vergleichsbasis, d. h. die Hautdosis überall gleichmacht. Zweifellos ist die Erlanger Hautdosis (H.E.D.) die kleinste: leichte Rötung nach 8—10 Tagen, zarte Bräunung nach 3—4 Wochen, die Berliner die größte, während Freiburg in der Mitte steht (Erythem 1°). Selbstverständlich läßt sich eine Umrechnung auf gemeinsame Basis vornehmen. Aber: schon Warnekros hat darauf hingewiesen, daß die Erythemdosis um 30—40% schwanken kann, und Bachem hat dies durch seine Untersuchungen in den verschiedensten Instituten be- stätirt. Schwankt aber die „Basis“ in einem derartigen Umfang, soschwankt

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auch der ganze Überbau; nimmt man hinzu, daß Freiburg die „mittlere“ Karzinom- dosis meint, Berlin die ‚obere‘‘ Grenze, so wird die behauptete Übereinstimmung recht illusorisch (vgl. auch den Nachtrag auf S. 568).

Aber und dies scheint mir der springende Punkt in der ganzen Angelegenheit wenn auch keine Übereinstimmung bezüglich der Dosishöhe besteht. so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß es eine Karzinomdosis, d. h. eine Röntgenintensität gibt, bei welcher manche Karzinome so schwer geschädigt werden, daß sie ver- schwinden (absterben). Voraussagen können wir diese Dosis nicht.

Nach dieser Definition könnte jemand einwenden, der Begriff der Karzinomdosis sei völlig illusorisch. Dieser Meinung bin ich nicht. Als Dosis bezeichnen wir eine Röntgenenergie. Als Karzinomdosis bezeichnen wir eine Röntgenenergie, welche bei karzinomkranken Frauen zur Anwendung kommen soll. Es ver- steht sich von selbst, daß die Karzinombestrahlung ein Würfeln um Sein oder Nichtsein darstellt, bei dem bis zur erlaubten Grenze bestrahlt wird Diese Grenze ist natürlich biologisch gezogen. Wir wissen alle, daß sie nicht von einer bestimmten „Organdosis‘“‘ oder „Hautdosis‘“ in Abhängigkeit steht, sondern durch den Zustand und die Reaktionsfähigkeit des Gesamtorganismus gegeben ist.

Die Karzinomdosis ist also ein Maximum! Sie wird bestimmt:

a) durch die Quantität und Qualität der Strahlung, b) durch die Zeitdauer der Bestrahlung,

c) durch das Volumen des durchstrahlten Körpers, d) durch die Dignität der getroffenen Organe.

In der Karzinomdosis unserer Definition steckt also bis zu einem gewissen Grade die Raumdosis; sie enthält aber auch den Begriff der Toleranz- und Minimaldosis; sie ist mit einem Wort eine Behandlungsdosis.

Definiert ist die Karzinomdosis des Uteruskarzinoms bisher meines Erachtens erst einwandfrei durch Seitz-Wintz, Opitz-Friedrich und den Verfasser.

Seitz-Wintz geben an: Symmetrieinstrumentarium, selbsthärtende Siederöhre, 33cm Funkenstrecke, 0,5 mm Zinkfilterung, 2,5MA. Stromstärke, 23cm Fokushautabstand, Feldgröße 6 X 8cm, 7 Felder, je 28 Minuten Be- strahlung (bis zur vollen H.E.D.). Zweimalige Wiederholung mit je 6—7 Wo- chen Pause.

Opitz-Friedrich fordern: Homogenbestrahlung, Anwendung von 2 Groß- feldern von Bauch und Rücken, Feldgröße 16 X 18cm, Dosis 150e im Bereich der Portio, Belastung der Haut nicht über die einfache Erythemdosis. Zusatzbestrahlung mit Radium. Nur einmalige Bestrahlung.

Lahm bestrahlt bis zur lokalen und allgemeinen Erträglichkeit, d. h. bei Mehr- und Klein- und Mittelfelderbestrahlung bis zur Dosis von 100 bis 110% an der Portio. Ein- bis zweimalige Wiederholung. Kombination mit Radium, dessen Dosierung individuell geregelt wird. Addition der Dosen darf am Rektum 150% der H.E.D. nicht überschreiten!).

Nachdem wir in dieser Weise den Begriff der Karzinomdosis festgelegt haben, könnte es sich erübrigen, auf die verschiedenen Kontroversen näher einzugehen. Trotzdem soll der Vollständigkeit halber auch die Opposition gegen jeden Dosisbegriff zu Worte kom- men. Holzknecht ist bisher wohl als der schärfste Gegner und Kritiker aufgetreten, wir wollen sehen, was er sagt.

1) Die H.E.D. betrug bisher etwa 950—1000 R und ist jetzt auf 600 R zurückgeschraubt.

Verzettelung, Reizwirkung, ungenügende Dosierung 605

Holzknecht sieht „die freie Entwicklung der Röntgentherapie zum Heile der Menschheit“ von drei Seiten bedroht:

1. von der Lehre von der Verzettelung der Dosen,

2. von der Lehre von der Reizwirkung,

3. von der Lehre der Wirkungsverminderung durch ungenügende Dosierung.

Kein Zweifel: jede allzu scharf betonte Lehre (mit Gesetzeskraft!) muß eine aufblühende, rasch vorwärts eilende Methode hemmen und ersticken. Und in einer gewissen Gefahr haben wir zweifellos gestanden, uns von ‚‚grauer Theorie“ beherrschen zu lassen, wo ‚nur des Lebens goldener Baum‘ uns gute Früchte bringen kann. Insofern ist Holzknecht nur zu danken, daß er wohl einer der ersten! seine Stimme erhob, um die Röntgenologie auf ihre ‚Grundlagen‘, den ‚gesicherten biolo- gischen und pathologischen Wissensbesitz‘“ zurückzuführen. Aber: was Holzknecht als „Bedrohungen“ bezeichnet, sind Etappen unserer Röntgentheorie; die Röntgen- praxis ging vielfach Gott sei Dank! ihre eigenen Wege. Und weiter: daß fast mit einem Schlage an vielen Stellen die Abkehr von dem ‚‚ingenieurmäßigen‘‘ Gebrauch der Röntgenstrahlen eintrat Holzknecht nennt Regoud-Paris, Holthusen- Hamburg, Schinz-Zürich, Hirsch-Neuyork —, kann doch nicht Zufall sein. Die Röntgenologie ist nicht im Begriff des Erstarrens gewesen, sie hat sich be- sonnen auf ihre Grundlagen und strebt nun neuen Zielen nach. Ich habe schon in der historischen Übersicht auf die zwei Richtungen in der Röntgenlehre die biologische und die physikalische hingewiesen und muß sagen: ohne Physik und Mathematik, ohne „Wägen und Messen“ (Seitz-Wintz) können wir auch biologisch nicht weiter- arbeiten und hätten nie die Basis erreicht, von der aus wir jetzt ins biologische Neuland vorstoßen. Wie sehr doch auch die Röntgenologen Ärzte gewesen sind, sehen wir mit beinahe klassischer Deutlichkeit an Seitz und Wintz, welche trotz der Überzeugung, daß die Karzinomdosis nur durch einzeitige Anwendung von 100—110% der H.E.D. zu erreichen sei, aus biologischen, rein ärztlichen Gründen (Blutuntersuchungen usw.) den „Wettlauf“ mit dem Karzinom aufnahmen und alle 6—7 Wochen bestrahlten!

Auch theoretisch lagen die Verhältnisse vielleicht nicht ganz so schlimm, wie man nach den zum Teil doch recht scharfen Ausführungen Holzknechts (Vortrag VIII) denken könnte. Ich darf in diesem Zusammenhange vielleicht auf das Kehrersche Radium- referat vom April 1920, an dem ich die Ehre hatte mitzuarbeiten, hinweisen. Dort heißt es im Abschnitt über die medizinische Dosimetrie (S. 70): „Bei der medizinischen Strah- lendosis handelt es sich um eine Reizgröße, welche von einem bestimmten Erfolg begleitet ist, sie ist kein feststehender, sondern ein relativer Be- griff. Von Wichtigkeit für die zu erzielende und erzielte Wirkung ist auch der Zu- stand des Erfolgsorgans sowie des Allgemeinorganismus. Es spricht das kranke Herz auf Digitalis an, während das gesunde keine Steigerung der Arbeitsleistung er- kennen läßt; der biologische Erfolg ist eine (Energie-) Transformation, in der Pharma- kologie an die direkte chemisch-physikalische Bindung, hier an die physikalische Um- wandlung der absorbierten (?) Strahlung in sekundäre und Fluoreszenzstrahlung ge- bunden. Und wie man die Epithelkörperchen oder die Schilddrüse wegen ihrer beson- deren Affinität zu Kalk und Jod als Kalk- oder Jodsammler bezeichnen könnte, so läßt sich in der Strahlentherapie von ‚Strahlensammlern‘ sprechen, insofern alle die Zellen, welche Metalle von einem Atomgewicht über 27 als Bausteine enthalten,während der Dauer der Bestrahlung zu Eigenstrahlung werden und die Wirkung der Bestrahlung potenzieren können. Die Erklärung des feineren Vorganges der Wirkung wird in der Medizin von der pharmakologischen, in der Strahlentherapie von

606 W. Lahm

der physikalischen Analyse erwartet. Beide Formen der Zerlegung können aber nur zu Änderungen bezüglich der Einverleibung des Mittels im wei- testen Sinne des Wortes, zu Verbesserungen der Resorption usw. führen, aber nichts Neues bezüglich der Dosis bestimmen, es sei denn, daß das Mittel von Grund aus verändert würde. Daraus ergibt sich, daß das Problem der (Radium-) Dosierung nicht durch eine physikalische Analyse des Erfolges, sondern nur durch Empirie und Experiment geklärt werden kann (auch im Original gesperrt). Solange wir über Physiologie und Pathologie der Zelle, insbeson- dere in ihrem Verband, noch so ungenügend orientiert sind wie bisher, solange wird auch die biologische Komponente des Strahlenerfolges für uns unfaßbar bleiben, mögen wir über die Art der Transformationin elek- trische, chemische und physikalische Wirkungen auch noch so genau unter- richtet sein.“

Darin ist meines Erachtens ganz klar die Abkehr bzw. die Abwehr von unberech- tigten und unzweckmäßigen Einflüssen der Physik auf ein rein biologisches Problem enthalten. Was auffallen muß und meines Erachtens bisher noch nie scharf betont wurde, ist die schiefe oder zweideutige Begriffsbestimmung der Karzinomdosis. Ich habe schon oben hervorgehoben und auch in dem zitierten Abschnitt ist es betont —, daß die Karzinomdosis eine „Portion Röntgenstrahlen‘, eine Energie-, eine Reizgröße ist! Sieistnichteinein Zahlen ausgedrückte biologische Reaktion! Daran möchten wir uns in Zukunft immer halten.

Ich muß mit einigen Worten noch auf die Fragen eingehen, deren einseitige Be- antwortung nach Holzknecht eine so große Bedrohung für die erfolgreich fort- schreitende Röntgenologie darstellt.

a) Verzettelung der Dosen.

Von der Haut wissen wir, daß die Erythemdosis, auf drei etwa gleiche Portionen verteilt, kein Erythem hervorruft, wenn zwischen den einzelnen Bestrahlungen ein Zwischenraum von mehreren Tagen liegt. Die gleiche Beobachtung hat sich an anderen biologischen Objekten, z. B. an den Wurzelkeimlingen der Vicia equina dartun lassen. Daraus wurde der Lehrsatz aufgestellt: Die zeitliche Konzentration ist für den vollen Strahlenerfolg notwendig. Obwohl das zweifellos ein übereiltes Urteil war, wurde die neue Erkenntnis sofort in die Therapie des Karzinoms eingeführt und die Forderung der einzeitigen Bestrahlung erhoben.

Hält man dem Ausfall des Erythemversuches den anderen gegenüber, daß nicht gekeimte Bohnen die einmal empfangenen Strahlenreize bewahren und voll addie- ren (Jüngling), so fällt mit einem Schlage die ganze Lehre von der Verzettelung der Dosen in sich zusammen. Wiederum scheint ein biologisches Problem sich darzutun: die ruhende, langsam sich wandelnde Zelle empfindet die Pausen nicht! Nähme ihr Entwicklungsgang 1 Jahr ein, so kann eine Pause von wenigen Tagen nichts ausmachen; verläuft er in 10 Tagen, dann können schon Stunden ihren Einfluß geltend machen. Leicht müßte essein, solche Fragen am winterschlafenden Tiere zu prüfen, bei dem zur Sommerszeit die Reizsummation eine andere sein müßte als zur Winterszeit.

Nicht ganz in den Rahmen dieser Betrachtungen paßt der Kaißersche Impfversuch. Kaißer hat bekanntlich Tierkarzinome in vitro mit mehrfacher Karzinomdosis be- strahlt und mit dem gleichen Material noch positive Impfresultate erhalten. Schon Seitz hat betont, daß der Ausfall dieser Versuche nichts mit der Karzinomdosis als solcher zu tun hat. Die in vitro gehaltene Krebszelle hatte ihren Stoffwechsel auf ein Minimum eingestellt sie nimmt z. B. keinen Sauerstoff auf (Piccaluga) und kann infolge-

Protoplasmaaktivierung durch Zellzerfall 607

dessen eine ganz andere ‚Sensibilität‘‘ gegen die Strahlen besitzen als in vivo. ‚„Ruhende Zellen“ sind nach dem Bergonnieschen ‚‚Gesetz‘“ immer unempfindlicher als arbeitende. Aber: wenn den ruhenden Zellen im Gegensatz zu den virulenten die Fähigkeit der Reiz- speicherung zukommen soll, wie es Jüngling angenommen hat und auch wir hier vor- ausgesetzt haben, so müßte die Radiosensibilität ein „Faktor an sich‘, eine ‚‚Arteigen- tümlichkeit‘‘ sein, die sofort manifest wird, sobald das ruhende Gewebe tätig wird.

Und doch läßt sich auch hier wieder die Brücke schlagen. Durch Schinz wissen wir, daß es eine optimale Karzinomdosis gibt, welche nach zwei Richtungen hin ganz genau bestimmt ist; erstens bezüglich der absoluten Höhe, zweitens bezüglich der Reizfolge: nicht die einmalige Bestrahlung stellt das Dosisoptimum dar wenigstens nicht insofern, als es sich um die Vernichtung des Karzinoms handelt —, sondern die mehrmalige Bestrahlung. Ist das richtig, so bestizen die Kaißerschen Versuche keine Beweiskraft, und wir werden sehr viel umlernen müssen. Dann erst wird sich auch das Problem der verzettelten Dosen klar enthüllen. Nur eines ist schon heute richtig: es haftet dem Ausdruck der „Verzettelung‘ nicht mehr das Odium der Minderwertigkeit an (Holzknecht).

b) Die Reizdosierung.

Hier muß ich mich voll und ganz den Ausführungen anschließen, welche Holz- knecht gegeben hat. Es fällt mir das um so leichter, als ich persönlich nie an das ge- glaubt habe, was die Röntgenologen und Gynäkologen als ‚Reizdosis‘ bezeichnet haben. Mit 30—40% der H.E.D. sollte es gelingen, das Karzinom zum Wachstum anzuregen (Seitz-Wintz). Ich glaube, man kann kein schlagenderes Argument gegen diese Annahme vorbringen als den Hinweis auf die Tatsache, daß die ersten Röntgenthera- peuten solche Dosen gar nicht besaßen und trotzdem nur von Wachstumsstillstand und Rückgang der Karzinome berichtet haben (Holzknecht). Etwas Derartiges wäre undenkbar, wenn es eine „Reizdosierung‘‘ gäbe.

Damit könnte ich diesen Abschnitt eigentlich verlassen, und trotzdem möchte ich noch ein Wort für den Begriff der Reizdosierung sagen. Wachstumsreize am Karzinom sehen wir nicht, wohl aber Entzündungsreize am Gefäßbindegewebsapparat (Rötung) und Anregung bestimmter Funktionen (Niere, Ovarium, Hypophyse). Hier liegt noch ein Widerspruch. Widersprüche aber sind die dankbarsten Handhaben für neue Er kenntnis. Wenn wir uns der histologischen Untersuchungen erinnern ich darf auf meine eigenen (1913) und die von Haendly hinweisen —, so hören wir von Degenerativ- wirkungen an den Karzinomzellen und am Bindegewebe (wenigstens anfangs) mit nach- folgender Hyperämie, Exsudation und Wucherungserscheinungen am Bindegewebe (2. Stadium). Es ist das eine Reaktion, wie wir sie in der gleichen Art beim infektiösen Bindegewebsprozeß und bei der Proteinkörpertherapie erleben. Nehmen wir die letztere: spricht man hier nicht auch von einer ‚„Protoplasmaaktivierung‘‘, obwohl wir ganz genau wissen, daß sie die Folge erst eines Abbaues ist? Auch die Latenzzeit der Wirkung paßt ausgezeichnet zu einer solchen Auffassung.

Danach würde man als „Reiz“bestrahlung eine Aktivierung von (proto- plasmatischen) Lebensvorgängen zu verstehen haben. Ursache dafür könnte der Zerfall von Eiweiß durch die Strahlenwirkung sein. Der Nachweis dafür ist bekanntlich auch in vitro bereits erbracht!) (Strauß).

1) Wie die „Reizbestrahlung‘‘ der Ovarien zu erklären ist, habe ich an anderer Stelle ausführ- lich dargestellt (Röntgenbehandlung der gutartigen Genitalerkrankungen, Keim u. Nemnich, Frankfurt 1924.

608 W. Lahm

Wollte man den Ausdruck ‚Reizbestrahlung‘‘ ausmerzen meines Erachtens liegt dazu kein Grund vor —, so könnte man sagen: „Protoplasmaaktivirung durch Röntgen- bestrahlung“ (s. auch Martius).

Zum Schluß möchte ich nochmals betonen: ich kenne keine direkt erregende Dosis für die Karzinomzellen; falls es aber doch eine Aktivierung im Sinne der Proto- plasmaaktivierung gibt, kann sie nur den Erfolg des beschleunigten Stoffwechsels des beschleunigten Aufbaues und Zerfalles (!) haben, so daß als ‚Erfolg‘ doch mehr die Regression als die Progression auftritt. Eine erregende Wirkung auf langsam wach- sende Zellen durch Protoplasmaaktivierung halte ich zwar für möglich, kann mir aber nicht das Material denken, welches bei homogener Zusammensetzung eines Gewebes und homogener Durchstrahlung die (aktivierenden) Zerfallsprodukte liefern sollte. Liegen Zellkomplexe von großer Sensibilitätsdifferenz nebeneinander, so kann der sen- siblere zerfallen und den resistenteren ‚‚erregen“.

c) Ungenügende Dosierung.

„Ungenügende Dosierung“ ist der Entschuldigungsgrund für jeden Fehlschlag in der Karzinomtherapie. ‚Ungenügend“ kann die technische Zentrierung oder Ap- plikation der Strahlen sein; „ungenügend“ wird die Dosis bezeichnet, welche nicht 90—110% der H.E.D. beträgt; ‚ungenügend‘ ist die Bestrahlung, welche den Zeit- faktor (Pausen) unberücksichtigt läßt ‚ungenügend‘ war die Bestrahlung, welche erfolglos blieb.

Auf die ‚„ungenügende‘“ Bestrahlung folgte ein Scheinerfolg, eine Verkleinerung des Karzinoms, eine Schrumpfung, eine ‚primäre Heilung‘; kurze Zeit später aber war das alte Leiden wieder da.

„Ungenügend‘ sagte der Laie, „ungenügend“ kritisierte sich selbst in schärfster Form der Röntgenologe.

„Ungenügend‘“ war das Schlagwort, das unser Unwissen verdeckte. Fast nannte man auch „ungenügend“ die Bestrahlung, welche kein Mensch ertrug, weil sie zu groß war. Selbst als die neusete Zeit das Wort prägte: ‚zuviel ist vielleicht schlechter als zu wenig“ (Opitz, Werner), wandte man sich vom Sektionstisch ab mit dem Gedanken: Karzi- nom ist immer noch da, wo finde ich nur noch ein Hautfeld, um den Feind von einer neuen Seite aus anzupacken!

Schwer belastet schreitet die Strahlentherapie des Krebses einher mit dem Brand- mal an der Stirne, daß sie ihre Patienten entlasse, ehe das wuchernde Krebsgewebe ganz zugrundegerichtet sei; daß sie sich freiwillig des Machtmittels beraubt, das in der Narkose und der einmaligen Operation liegt; daß sie das Wiederkommen der Kranken von tausend Faktoren abhängig mache, von denen die schlimmsten die Trägheit und die Unkenntnis sind! |

„Von den fertigbestrahlten Frauen leben“ sagt die Statistik, und mit Grauen sehen wir, um wieviel besser es um das Schicksal dieser Wenigen bestellt ist, als um das- jenige derer, die nicht wiederkehrten, wie es „planmäßig befohlen‘ war. Auf der einen Seite der Friedhof der „ungenügend Bestrahlten“, auf der anderen Seite das Ely- sium der ‚„Gehorsamen“!

Liegt hier nicht der Beweis auf der Hand, daß die ‚kleinen Dosen‘ schaden und nur die „großen Dosen‘ nützen? Müssen wir vielleicht doch wieder das Problem der Reiz- wirkung neu aufrollen? Keinesfalls! Auch hier lügt die Statistik, wie sie es so oft tut. Es kommen wieder die Frauen, die wir in erträglichen Grenzen bestrahlt haben; es bleibt fort das Heer derjenigen, bei denen wir die „persönliche Grenze" aus Unkenntnis oder aus Dosenfanatismus unbeachtet ließen; es bleiben auch alle fort, bei denen wir das

Experimentelle Erfahrungen 609

Karzinom nicht an seiner verwundbaren Stelle trafen; und es bleiben alle fort, deren Glaube, Interesse, Energie oder Geld geschwunden waren. Kein Zweifel: die Ver- zettelung in der Strahlentherapie kämpft einen Kampf mit menschlicher, allzu menschlicher Schwäche; aber sie kämpft ihn nicht wegen der ‚„un- genügenden Dosis“!

Zum Schlusse möchte ich noch mit zwei Worten auf die erwähnte neue Theorie von Schinz, Regoud usw. eingehen. Dort heißt es (nach Holzknecht):

1. durch keine Dosis wurde eine Wachstumsförderung erregt;

2. mit zunehmender Dosis stieg die Wachstumsschädigung an, aber nicht unbegrenzt;

3. die höchsten einmaligen Dosen brachten abnehmende Wirkung;

4. durch einmalige Bestrahlung konnte ein Impfkarzinom niemals geheilt werden;

5. zwei von drei Tumoren schwanden vollständig und dauernd, wenn 6mal mit 4 Tagen Intervalleine entsprechend verminderte Dosis gegeben wurde.

Schinz schließt daraus, daß die Röntgenempfindlichkeit der Karzinomzellen nicht in allen Phasen ihrer Entwicklung gleich groß ist, sondern zur Zeit der Kernteilung ein Maximum aufweist (Holthusen). Erst wenn Mitosen getroffen werden, kann Hei- lung eintreten; die Höhe der Dosis spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

Diese neue Theorie entspricht ganz dem Bergonnieschen Gesetze; sie steht im Wider- spruch (?) mit der Reizspeicherung in ruhenden Zellen (Jüngling). Es wird sich in der Zukunft das Strahlenproblem vielleicht um die beiden Pole drehen:

1. Bestrahlung zur Zeit der Wachstumsverlangsamung mit der Absicht der Reizspeicherung;

2. Bestrahlung zur Zeit der Wachstumsbeschleunigung mit der Absicht der sofortigen Degenerativwirkung.

Weiter auf die Fragen einzugehen verbietet der Raum; über eigene experimentelle Untersuchungen hierüber zu berichten, behalte ich mir vor.

3. Die Röntgensensibilität und Röntgensensibilisierung.

Über die Strahlenempfindlichkeit der Kollumkarzinome gegen Röntgenstrahlen ist etwas Geneucs bisher nicht bekannt. Man findet zwar da und dort die Angabe, daß die Radiosensibilität innerhalb enger Grenzen schwanke, aber in exakter Weise ist die Frage bisher noch nicht angegangen worden. Der Hauptgrund hierfür liegt wahrscheinlich in der ungenügenden Möglichkeit, die Strahlenintensität genau zu messen, und in der Scheu, sich auch während des zu erwartenden Heilungsprozesses durch mikroskopische Untersuchungen von der Rückbildung des Krebses im bestrahlten Gebiete zu überzeugen. Probeexzisionen, nur nach 6—7 Wochen entnommen, besitzen meines Erachtens einen geringen Wert.

Beim Radıum (s. S. 557) haben wir bekanntlich festgestellt, daß die Sensibilität dem histologischen Reifegrad entsprechend schwankt, und für

mittelreife Karzinome ca. 1/,—11/, Erythemdosen reife H 3 1-21, Se unreife 5 e Age, z

beträgt. Ähnliche Werte bestehen für die Röntgenstrahlen nicht, auch muß betont wer-

den, daß wohl noch niemand auch wir nicht die Heilung eines Kollumkarzinoms

mit einer Dosis von 60% der H.E.D. erlebt hat, selbst wenn dieselbe in Teilbestrahlun- Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschunge. «Bd. I 39

610 W. Lahm

gen verabreicht wurde. Ich halte die notwendige Dosis für das Karzinom bei Ver- wendung von Röntgenstrahlen für viel höher liegend und setze sie etwa der Haut- dosis entsprechend an, d. h. das Karzinom pflegt primär zu schwinden, wenn bei Mehr- und Mittel- und Kleinfelderbestrahlung ca. 100% der Hautdosis auf die Portio verabreicht werden (bis 660 R). Ich zweifle nicht, daß es Kar- zinome gibt, welche bei geringeren Dosen reagieren und zurückgehen (verschwinden?), aber bei der üblichen Bestrahlungstechnik muß man mit einer nahezu vollen Haut- dosis am Tumor rechnen (s. Abschnitt D und Nachtrag auf S. 568).

Holzknecht hat bekanntlich, als er die festliegenden Dosen in der Medizin besei- tigen wollte, die sog. Dosisstufe eingeführt. Man versteht darunter die Grenzwert- bestimmung der biologischen Wirkungsbreite. So mag es Ovarien geben, welche schon auf 10—15% der H.E.D. ihre Funktion für immer einstellen. 10—15% wäre also die untere Grenze der Kastrationsdosis. Anderseits kann die Applikation von 34% der H.E.D. ohne Dauererfolg in bezug auf die regelmäßige Wiederkehr der Menstruation sein; die obere Grenze der Kastrationsdosis wäre also etwa bei 33-—40%, der Erythem- dosis zu suchen (240 R). Legt jedes Institut sich eine Liste seiner Fälle an, so besteht: die Möglichkeit, die ‚‚mittleren‘‘ Dosen (Maximum der Häufigkeit) und die oberen und unteren Grenzwerte zu bestimmen. Es ist sicher sehr wertvoll, wenn man die ganzen Dosis- stufen für ein Organ kennt; ob es aber in der Praxis sich lohnt, danach zu arbeiten, ist eine andere Frage; und dann vor allem: sobald eine vitale Indikation an uns herantritt, müssen wir auch nach Holzknecht zum Dosenoptimum greifen, welches in der Regel sehr hoch gelegen ist (der ‚praktischen‘ Dosis entspricht). Und beim Karzinom besteht immer die vitale Indikation, was es wohl rechtfertigt, de facto an der oberen Grenze der Dosisstufe zu arbeiten.

Von welchen Faktoren die Sensibilität der Karzinome letzten Endes abhängt, wissen wir nicht. Es ist möglich, daß es die Mitosenbildung ist, welche einen besonderen Zustand der Strahlenempfindlichkeit schafft; Steigerung des Stoffwechsels scheint dabei keine Rolle zu spielen (Holthusen); es ist auch möglich, daß es, wie oben angedeutet, Eigenstrahler in den Zellen sind, welche die Wirkung an bestimmten Stellen steigern. Auch hiermit würde sich die Ungleichmäßigkeit des biologischen Erfolges erklären lassen, denn es ist seit langem bekannt, daß niemals die ganze Masse des Karzinoms trotz Homogenbestrahlung in der gleichen Weise leidet. Die Theorie der Eigenstrahler würde nun aber vor allem den Erfolg der Sensibilisierungsversuche mit hochgewichtigen Metallsalzen erklären, welche man zur Verstärkung der Strahlenwirkung in den Tumor einspritzt oder in seiner Umgebung verteilt. Bekanntlich nimmt Wintz seit einigen Jahren die Verkupferung der Kollumkarzinome vor (s. S. 631). Er läßt das Cu auf gal- vanischem Wege durch den Tumor transportieren.

Wie Halberstädter und Simons ausgeführt haben, kann man die Steigerung der Wirkung der Röntgenstrahlen in der verschiedensten Weise zu erreichen ver- suchen: durch Steigerung der Strahlenabsorption und durch Änderung der Re- aktionsbereitschaft im Gewebe. Für die letztere kommen in Frage die zu beein- flussenden Zellen selbst und die ernährenden Gefäße. Ob es Faktoren gibt, welche an den Zellen selbst wirken, lassen die Autoren dahingestellt, ihnen selbst gelang es durch freies Jod, Wärmeapplikation, Ammoniakeinreibung und Bestrahlung mit ultraviolettem Licht die Wirkung der Röntgenstrahlen zu steigern. Es war dabei gleichgültig, ob die Anwendung der genannten Mittel vor oder nach der Bestrahlung erfolgte, woraus die Autoren schließen, daß nicht. Eigenstrahlenwirkung mitspielt, sondern nur die Ent- zündungserregung. War dieselbe schon abgeklungen (bei Ammoniakeinreibung ist sie sehr flüchtig), so blieb die Wirkungssteigerung aus.

Hilfsmaßnahmen. Maßeinheiten 61i

In gleicher Weise ist die Sensibilisierung des Gewebes durch echte Entzündung (Schwarz) und Diathermie zu erklären (Müller, Bering, Hans Meyer).

Über Eigenstrahlung berichten Ellinger-Rapp und Sidamgrotzky-Pivard. Das 10% ige Thoriumnitrat erwies sich als relativ ungiftig und infolge seines hohen Atomgewichtes (Ordnungszahl!) als ein sehr kräftiger Eigenstrahler. Dosen bis etwa 1/ der sonst üblichen genügten, um schwere Nekrosen herbeizuführen. Therapeutisch sind die Erfolge noch nicht eindeutig.

Die Wachstumsanregung (evtl. durch Röntgenstrahlen!) ist als Sensibilisierungs- mittel bisher noch nicht bekannt. Ob die Hypophysenbestrahlung in diesem Sinne wirkt, ist vorerst nur eine Theorie.

Über Desensibilisierung und Wachstumshemmung! —, welche eine große Bedeutung haben müßten, wenn damit eine Reizspeicherung verbunden wäre, ist wenigstens aus der neueren Zeitnichts bekannt. Kompression (Schwarz), Anämisierung durch Adrenalin (Reicher-Lenz) und Hochfrequenz (Müller) ge- hören nahezu der Geschichte an; ihr Angriffspunkt war offenbar das Gefäßsystem, eine Vermutung, die doch vielleicht wert ist, festgehalten zu werden.

4. Maßeinheiten.

Die Röntgenstrahlen bedürfen bei ihrer praktischen Anwendung der Charakteri- sierung nach zwei Richtungen hin; es müssen Intensität und Härte, oder wie man wohl auch sagt, Quantitätund Qualitätder Strahlen bestimmt werden. Das Neben- einander dieser beiden Eigenschaften kommt dadurch zustande, daß jede Röntgenröhre Strahlen verschiedener Wellenlänge liefert, so daß im Strahlenbündel neben harten stets auch weiche Röntgenstrahlen enthalten sind. Würde es gelingen, eine Röhre zu kon- struieren, aus der Strahlen nur einer Wellenlänge austreten, so würde man bloß die Intensität zu bestimmen brauchen. Man spricht in diesen Fällen von einer monochro- matischen Strahlung.

In der Therapie des Kollumkarzinoms kommen Strahlen zur Anwendung, deren Wellenlänge etwa 0,8—0,3 AE. beträgt, also sehr harte Strahlen. Man charakterisiert die Härte der Strahlung in der Praxis ausschließlich nach der Filter- methode, d.h. durch Angabe der sog. Halbwertschicht (Küstner), und versteht darunter diejenige Filterdicke von Aluminium oder Kupfer, welche die Intensität der Strahlung unter sonst gleichen Bedingungen auf die Hälfte herabsetzt. Küstner hat darauf hingewiesen, daß man besser die Halbwertschicht in Kupfer als in Aluminium bestimmt, weil im Aluminium die Streustrahlung wegen der Dicke der notwendigen Schicht eine zu große Rolle spielen kann. Die Halbwertschicht der bei der Therapie des Kollumkarzinoms zur Anwendung kommenden Strahlen beträgt etwa 14—16 mm Aluminium und 0,5 mm Kupfer. Zahlreiche Tabellen und Kurven der Literatur geben Aufschluß über derartige Messungen. Man erkennt dabei zugleich, daß die Abnahme der Intensität anfänglich sehr rasch erfolgt, dann kleiner wird, um zuletzt für jeden Bruchteil der zugelegten Schicht gleichzubleiben. Man verfügt im Augenblick, wo die Absorption im nächsten Millimeterfilter die gleiche ist wie im vorhergehenden, über eine sog. homogene Strahlung. Es gelingt also, durch die Filterung eine qualitative Homogenität der Röntgenstrahlen zu erzielen.

Dessauer bestimmt die Qualität der Röntgenstrahlen durch die prozentuale Abschwächung in Wasser pro Zentimeter Schichtdicke. Eine Strahlung, welche pro Zentimeter Wasser 11—- 13% abnimmt, ist sehr hart und zur Bestrahlung des Kollum- karzinoms wohl geeignet. Die Kurve, welche Dessauer seinerzeit angegeben hat, um die prozentuale Abschwächung in Wasser, die Absportion in Aluminium und den Ab-

S ke

612 W. Lahm

sorptionskoeffizienten miteinander zu vergleichen, sei hier angegeben (Abb. 21). Die Messung geschieht in der Weise, daß man die Intensitäten vergleicht, welche nach dem Durchtritt der Strahlen durch 1 und dann durch 2cm Aluminiumfilter übrigbleibt.

Ist die Strahlung völlig homogen, so muß das Verhältnis der beiden Werte sich der Zahl 1 nähern. .

Beispiel: Am Intensivreformapparat messe ich bei bestimmtem Betriebsbedingungen und 30 cm Abstand vom Fokus der Röhre eine Intensität von 10, nach Vorschaltung von 1 cm Aluminium sinkt die Intensität auf 6 herab (Verhältnis 10:6 = 1,7). Die Vorschaltung von wiederum 1 cm Alu- minium vermindert die Intensität auf 4 (Verhältnis 6: 4 = 1,5). Der Vergleich ergibt, daß erstmalig die Intensität um 40°% sinkt, bei der 2. Messung um 31—33 2%. Der Vergleich beider ergibt einen Bruch von 17:15 = 1,13. Würde man noch ein drittes Mal 1 cm Aluminium vorschalten, würde die Inten- sität auf vielleicht 2,8 absinken = 30%. Das Verhältnis beträgt dann 4: 2,3 = 1,43. Das Verhält- nis der vorgehenden Strahlung zur jetzigen ist nunmehr 150: 143 = 1,05, d. h. es nähert sich immer mehr der Zahl 1.44

ı Die Härte der Strahlung ist durch die Halbwertschicht bzw. die prozentuale Ab- schwächung in Wasser genügend charakterisiert. Die Intensität der Strahlung ist wesentlich schwerer zu bestimmen.

Für die Messung der Intensität der Strahlung stehen uns physikalische und biologische Methoden zur Verfügung. Es kann hier nicht auf alle Einzelheiten der Ve:fahren und ihre Kritisierung durch Berufene und Unberufene eingegangen wer- den, es muß genügen, wenn wir das Urteil bekannter Autoren auf diesem Gebiete hören.

Holthusen schreibt: ‚Es bestehen keine Zweifel, daß in der praktischen Dosimetrie heute die lonisationsmethoden das Feld behaupten.“ Auch Küstner, der neben- einander die Ionisation, dieSelenzellenmessung (Fürstenau), die Photographie und Fluoreszensmessung bespricht, läßt nur die erstgenannte Methode zu. Trotz aller Angriffe, die auf das Iontoquantimeter an seiner verschiedensten Ausgestaltung gemacht worden sind, hat es sich fast überall eingebürgert und man kann wohl sagen auch bewährt. Was man den früheren Methoden der Intensitätsbestimmung zum Vorwurf machte, war ihre Unzuverlässigkeit, wenn es galt, Strahlen verschiedener Härte zu messen. Es hat das seinen Grund darin, daß die genannten Meßinstrumente die absorbierte Strahlung messen, daß aber die Absorption der Strahlung in den ver- schiedensten Substanzen großen Schwankungen unterworfen ist, welche von der Natur der Substanz (der Ordnungszahl der Atome) abhängt. Friedrich glaubte seinerzeit den Nachweis erbringen zu können, daß die Absorption der Strahlung in Luft konstant bleibe bzw. nur in Abhängigkeit stehe von den gebildeten sekundären ß-Strahlen. Auf diese Weise entstand das ‚luftelektrische‘“ Iontoquantimeter. Im Augenblick ist auch diese Feststellung Friedrichs schwankend geworden, insofern Grebe und Martius glauben nachgewiesen zu haben, daß harte Strahlen einen stärkeren Absorptionsverlauf erfahren (also eine spezifische Absorption besitzen) als weiche Strahlen. Selbstver- ständlich können über die Bedeutung dieser Beobachtung nur die Physiker entscheiden, doch schon heute muß gesagt werden, daß die Unterschiede im Bereich der praktisch verwendeten Strahlung nicht allzu erheblich sein können, da man schon bisher die Ergebnisse der Iontoquantimetermessung mit größtem Erfolg auf das biologische Gebiet übertragen hat. Es soll weiter unten von diesem Punkte noch einmal die Rede sein.

Wenn wir für die Intensitätsmessung im Rahmen dieser Betrachtungen auch nur die Ionisationsmethode berücksichtigen, so ist damit nicht gesagt, daß sie uns ein einheitliches Maß für die Röntgenstrahlenintensität in die Hand gibt. Der Ablauf der Ionisationsinstrumente hängt von so vielen physikalischen Be- dingungen ab, daß er nicht leicht normalisiert werden kann. Es hatte deshalb schon

Standardmessungen 613

Friedrich vorgeschlagen, nach einem absoluten Maß zu rechnen und zu dosieren und die elektrostatische Einheit als Grundlage desselben anzunehmen. Sie wird mit einem deutschen e bezeichnet und stellt eine Strommenge dar, welche einen Leiter von der Kapazität 1 auf die Einheit des Potentials (300 Volt) auflädt. Das Maß e wird bis- her nur im Institut von Opitz und Friedrich angewendet und hat sich noch nicht weiter eingebürgert. In neuerer Zeit sind dagegen auf Anregung von H. Küstner Be- strebungen im Gange, ein Standardinstrument zu schaffen, mit dessen Hilfe andere Intensitätsinstrumente geeicht werden, welche nun ihrerseits wiederum dazu dienen, eine Einheitsdosis allgemein zugäng- lich zu machen. Die Einheit der Röntgenintensität soll als „Röntgen“ bezeichnet werden. Es steht zu wünschen, daß diese Bemühungen, an denen außer Küster vor allem Holthusen und Behnken be- teiligt sind, von Erfolg gekrönt sein werden (siehe Nachtrag auf S. 568).

Biologisch läßt sich die

Strahlenintensität in der ALINN verschiedensten Weise be- l stimmen. Selbstverständlich A Ulli I Anc mill SA / ay | 7 x |

haften der biologischen Messung außerordentliche Mängel an, mm

folg begleitet ist und jede ge- u I ringere Dosierung im glei- DINNER a 2 3 4 D

schon deshalb, weil nur ene be- stimmte Reizgröße von einem

bestimmten biologischen Er-

chen biologischen Maß-

stab nicht oder nur un- ei a ann genau gemessen werden

kann. Zwar hilft man sich durch die Kombination der biologischen Messung mit der physikalischen, indem man den Gegenwert des biologischen Erfolges physikalisch mißt und alle kleineren Reizgrößen mit Hilfe der physikalischen Messung wiedergibt. Die biologische Dosis ist gewissermaßen die Einheit der kursierenden Wäh- rung, die physikalische Dosis die Scheidemünze.

Als biologische Objekte kommen heute im wesentlichen drei in Frage: die Keimlinge der Pferdebohne (Methode Jüngling), die Haut (Seitz-Wintz) und die Eier des Pferdespulwurms (Holthusen). Auf Einzelheiten will ich an dieser Stelle nicht eingehen, zumal nur die ‚„Hautdosis‘“ bisher als Einheit eine weitgehende Verbreitung gefunden hat. Das volle Hauterythem bezeichnet man mit Seitz-Wintz als 100 und drückt die schwächeren und größeren Intensitäten in Prozenten aus.

Jedes biologische Objekt, auch die Haut, hat einen großen Nachteil: es verändert

Wasser pro 4cm Schicht in%

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Abb. 21. Härtekurve nach Dessauer.

614 W. Lahm

sich während der Bestrahlung. Innerhalb kurzer Zeiträume macht das vielleicht nichts aus; zieht sich aber die Bestrahlung in die Länge oder wird sie gar ‚verzettelt‘“, d.h. durch längere Pausen unterbrochen, so ‚‚registriert‘‘ das biologische Objekt un- genau. Nur die ruhende Bohne soll, wie wir gehört haben, die Strahlenreize wie ein physikalisches Meßinstrument sammeln und addieren (Jüngling).

Die hier genannte Eigenart des biologischen Objektes bedingt es, daß die biologische Dosis nicht nur durch Energieeinheiten, sondern auch durch eine Zeitangabe charakte-

R4

LUC, EA CIAN Ze

Abb. 22. ch Hau Bang Die Reaktion WE in 3 ER FEIERN DE Erythemkurve. Ordinate zeigt Rötungsgrade R1—4. Abszisse zeigt die Zeit in Tagen. Nach Miescher, Strahlenther. 16.

risiertt werden muß. Innerhalb enger Grenzen kann man in der Praxis davon wohl absehen; daß der Zeitfaktor aber eine außerordentliche Rolle spielt, darf man sich nie verhehlen. Auch die Verminderung des Erfolges wir haben schon gehört, daß dies nicht immer der Fall ist bei ‚„Verzettelung der Dosis“ gehört in dieses Kapitel.

; Die Hautdosis nach Seitz-Wintz müßte also, streng genommen, so charak- terisiertt werden: sie entspricht einer Röntgenenergie von 37 Sektorenab- läufen, verabreicht in etwa 35 Minuten.

Noch von einem weiteren Faktor hängt der biologische Erfolg ab: von der Mitbeteiligung des Gesamtorganismus. Es ist nicht gleichgültig, ob man die

i JER NED BEE). EP SSC SR

Abb. 22a. Das Hauterythem. 3 a

Haut direkt bestrahlt oder ob sie nach Durchquerung des ganzen Körpers „von hinten her“ getroffen wird. Der Organismus reagiert auf die Durchstrahlung und er vermag das biologische Tastobjekt zu beeinflussen. Krönig hat es schon vor vielen Jahren betont, daß es nicht gleichgiltig sei, ob man ein Kollumkarzinom direkt oder vom Abdomen aus bestrahle; im letzteren Falle gleiche physikalische Dosis voraus- gesetzt sei die Wirkung erheblich abgeschwächt. Und endlich noch ein dritter Gesichtspunkt, jede biologische Reaktion erlaubt subjektive Deutungen. Ganz besonders gilt das von der Hautdosis. Hier muß von Fall zu Fall entschieden werden; „Rötung“ und „Bräunung‘‘ müssen gegeneinander abgewogen werden; die Zeit des Auftretens muß genau registriert werden. Welche Schwankungen der sub- jektiven Auffassung!

Das Hauterythem 615

Seitz-Wintz hatten gemeint, wenn die erste Rötung nach & Tagen, die Pigmen- tierung in der 3. oder 4. Woche auftauche, so sei ein Erythem charakterisiert, das keine allzu großen Schwankungen in der subjektiven Deutung zulasse (+ 10%).

Warnekros glaubte das Erythem II besser fixierbar; Waeber plädierte für die Pigmentdosis. Opitz-Friedrich nehmen als Einheit einen leichten Entzündungs- zustand der Haut. Ritter, Prost, Krüger dosieren nach der Follikelschwellung usw.

Haußer und Vahle und noch überzeugender Bachem haben dargetan, daß nach Wellenlänge, Energie und Beurteilung enorme Schwankungen der ‚„Einheitsdosis‘“ vorkommen können (30% u. m. nach Martius sogar 400°,).

R3 EES HEIN EE

Abb. 23. Das Hauterythem. Unvollkommene Reaktion.

So kann man Miescher nur zustimmen, wenn er schreibt, „daß wir von einer einheitlichen Auffassung weit entfernt sind und daß die klinische Bezeichnung ‚Röntgen- erythem“ ein qualitativ und quantitativ außerordentlich wenig präziser Begriff ist.“

Wir verdanken übrigens Mischer eine Analyse des Röntgenerythems, welche ich für so wichtig halte, daß ich hier ein kurzes Referat seiner Arbeit einschalten möchte. Mischer stellt zunächst fest, daB die sog. Latenzzeiten trotz gleicher physikalischer und Zeitdosierung ganz verschieden sind und bei gleichen Bedingungen 1—7 Wochen dauern können. Es besteht also zwischen Latenz und Dosis kein konstantes Verhältnis. Weiter fand er, daß die biologische Reaktion, welche wir als Erythem bezeichnen, in Form einer „wellenförmigen Reaktionskurve‘“ verläuft (Abb. 22). Hatte man bisher nur zwischen Vorreaktion (Früherythem) und eigentlicher Reaktion unterschieden,

SRSRSRRESERSER, N NIII

ER EE E

Abb. 24. Das e auterythem. a erste a zweite Welle.

so stellte Mischer eine, zwei oder drei Reaktionsmaxima fest, welche durch tiefe Wellentäler oder durch leichte Reaktionsrückgänge getrennt wurden (Abb. 22a).

Die Wellen, welche durch die Kurven der Abb. 22—24 dargestellt sind, betreffen sowohl das Erythem wie die Pigmentierung. Die letztere kann man sich neben dem Erythem leicht durch Kom- pression der Haut mit dem Glasspatel zur Darstellung bringen. Das Phänomen als solches spiegelt vielleicht gewisse rhythmische Vorgänge im biologischen Objekt wider, es erschwert aber natürlich die praktische Verwendbarkeit der Haut als Dosismesser. Anderseits konnte festgestellt werden:

1. daß die Wellen zu ziemlich feststehenden Terminen aufzutreten pflegen unabhängig von der Dosis. Bei niederen Dosen fallen eine oder zwei Wellen aus (Abb. 23), bei höheren Dosen ver- schmelzen die Wellen (Abb. 24). Die Latenzzeit ändert sich dabei nur scheinbar. Es liegt

die 1. Welle am 1.— 4. Tage

za 2. 39 8.—22. 29 3. 99 E 21 21. an

616 W. Lahm

Das Maximum der Wirkung fällt in der Regel in die dritte Welie. Manchmal konnte noch eine 4. Welle beobachtet werden.

2. daß ein deutlicher Einfluß von Haut- und Haarfarbe nicht bestand.

3. daß im Bereich der höheren Reaktionsausschläge die Schwankungen der Reaktionsgröße (nach einer Rötungsskala) nur + 15—20°, gegen + 40—509% bei schwächeren Reaktionsausschlägen betrug.

Endlich konnte Mischer noch die sehr bemerkenswerte Tatsache feststellen, daß die Haut- reaktion weitgehend mit seinem Iontoquantimeter parallel ging. Jedenfalls zeigte sich eine weit bessere Übereinstimmung als mit der Sabouraudtabelle. Wenn dies Ergebnis natürlich zunächst auch nur ein besonderes Interesse für das eigene Instrument Mischers hat, so läßt es an- derseits hoffen und erwarten, daB wir in dem Standardinstrument auf Iontoquantimetrischer Basis eine Maßeinheit bekommen, welche mit den biologischen Reaktionen mehr oder minder identifiziert werden kann.

So kommen wir also schließlich doch dahin, nach wie vor eine Dosis- einheit, und zwar am liebsten eine physikalische zu fordern. Das Dosieren selbst nach Qualität, Quantität und Zeit muß aber völlig dem Arzt überlassen bleiben.

Die physikalische Dosis kennt eine ganze Reihe spezieller Begriffe, welche in be- sonders schöner und klarer Weise bei Voltz besprochen werden, von denen hier nur eine kurze Übersicht und Definition gegeben werden soll.

Man unterscheidet:

1. eine Oberflächendosis, 2. eine Tiefendosis und bildet aus beiden das Verhältnis, 3. den Dosenquotienten.

Als Oberflächendosis bezeichnet man gewöhnlich die Größe der Strahlenabsorption in der Haut, als Tiefendosis diejenige, welche in 10 cm Gewebstiefe noch vorhanden ist. Selbstverständ- lich ist die Annahme von 10 cm rein willkürlich; sie entspricht aber im Mittel ungefähr dem halben dorsoposterioren Durchmesser des menschlichen Körpers bei der Genitalbestrahlung. Bezeichnet man die Oberflächendosis mit D,, die Tiefendosis mit D,, so ist der Dosenquotient (Q)

1

Es versteht sich von selbst, daß der Dosenquotient in Abhängigkeit steht von der Härte der Strahlen, der Feldgröße und dem Fokusoberflächenabstand und dem Absorptionsver- mögen der durchstrahlten Schicht; es soll darauf nicht weiter eingegangen werden.

Weitere Größen in der Dosenlehre sind

4. die effektive Dosis und

5. die Nutzdosis.

Als effektive Dosis bezeichnet man das Maximum der Tiefendosis, welches bei einer bestimm- ten Strahlung und einem bestimmten Fokusoberflächenabstand erreichbar ist. Sie wird in Prozenten der Oberflächendosis angegeben. Oft sagt man statt dessen auch „prozentuale Tiefendosis‘“. Irgendeine Einengung des Strahlenbündels durch Felderbegrenzung findet nicht statt.

Als Nutzdosis bezeichnet man die in Prozenten zur Oberflächendosis gedrückte Tiefendosis bei in jeder Hinsicht scharf charakterisierter Bestrahlung, d. h. Härte, Abstand und Feldgröße sind genau angegeben. Die Nutzdosis ist derjenige Wert, mit dem wir am meisten rechnen. Wir bestimmen im Phantom, beim Patienten oder an der Leiche für unsere besonderen Methoden die „Nutzdosis“ und schaffen uns dadurch ein Bild von der Art der Bestrahlung.

Außer diesen mehr physikalischen Dosisbegriffen gibt es noch einen, dem biolo- gische Bedeutung zukommt, die sog. Raumdosis. Man versteht darunter die Gesanıt- heit der in einem Strahlenkegel absorbierten Strahlen, soweit er in einem lebenden Or- ganismus wirksam werden kann. Die Raumdosis setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:

1. Aus der Absorption im Strahlenkegel selbst,

2. Aus der Absorption im Rand- und Nach bar gebiet.

Zu messen ist die Raumdosis sehr schwer, weil die „Seitenstrahlung‘“ unter Umständen einen erheblichen Betrag erreichen kann. Man charakterisiert im allgemeinen die Raum-

Der physikalische Dosisbegriff 617

dosis durch das Volum des im Organismus liegenden Strahlenkegels und schätzt die Absorptionsgröße nach der Härte der Strahlen ab. Es ist selbstverständlich, daß diese geometrische Beurteilung der Raumdosis ein ganz unexakter Wert ist, aber wir haben vorläufig nichts Besseres an ihre Stelle zu setzen. Zu- und Abnahme der Raum- dosis wird durch Konstruktion des jeweiligen Strahlenkegels im Or- ganismus bestimmt.

Als a bezeichnet Wintz diejenige Raumdosis, welche einem Strahlenkegel von 6 x 8cm Feldgröße, 23 Fokushautabstand und 20 cm Dicke der durchstrahlten Schicht entspricht. Die dfache Raumdosis = 5a wird anstandslos vom Organismus vertragen; die 7fache Raumdosis stellt den oberen Grenzwert dar (a in Raummaß ausgedrückt ca. 2000—2100 cem = 2—21/,, Liter). l

Die „Erträglichkeit“ wird nach dem Verhalten des Blutbildes bestimmt

Bock). l 5. Intensitätsverteilung und Dosierungstafeln.

Der erste, welcher die Quantität der Strahlung in der Tiefe des menschlichen Kör- pers zu bestimmen versuchte, war Perthes. Seitdem ist eine fast übermenschliche Ar- beitsleistung vollbracht worden, um das quantitativ-physikalische Problem in der Strah- lentherapie zu lösen. Am Ende sind wir deshalb doch nicht, aber wir sind vielleicht weiter als wir denken. Bisher standen wir vielleicht allzusehr unter dem beängstigenden Eindruck, daß die Karzinomdosis diese schien gewissermaßen immer der Probier- stein für die Echtheit unserer Werte allzu eng begrenzt sei, daß schon eine ganz geringe Unter- oder Überdosierung die Aussicht auf einen günstigen Erfolg hinfällig machen würde. Ganz so ängstlich brauchen wir heute nicht mehr zu sein. Das Schwer- gewicht unserer therapeutischen Bestrebungen liegt beim biologischen Problem der Dosierung und heißt vielleicht in zwei Schlagworte ge- faßt: Raumdosis und Zeit. In diesem Sinne sind Holzknechts Forderungen von der Dosierung aufzufassen: „prinzipiell richtig, nicht übermäßig exakt, mög- lichst einfach“ und in diesem Sinne wollen wir auch die Differenzen betrachten, welche über den absoluten Wert der physikalischen Dosis noch bestehen.

Die ersten genaueren Tabellen auf Grund genauer Messungen stammen meines Wissens von Friedrich-Krönig. Sie sind für eine bestimmt charakterisierte Strah- lung aufgestellt (Filterung 0,3 mm Al bis 1,0 Cu) und waren nicht als Hilfsmittel für die Dosierung gedacht.

Später haben Seitz-Wintz, Baumann (von Reiniger, Gebbert u. Schall), Voltz, Dessauer-Vierheller, Martius, Holfelder u.a. ihre Resultate publi- ziert. Am weitesten verbreitet sind heute wohldie Voltzschen Tafeln und die Dessauer- Vierhellerschen Kurven, welche zur Zeit in einem schweren Abwehrkampfe gegen die neueren Ergebnisse der Holfelderschen Messungen stehen.

Ich gebe auf Seite 92 eine einzige Tabelle. welche die Werte der genannten Autoren für eine bestimmte Strahlung nach der Nutzdosis berechnet enthält:

Daraus erkennt man, daß abgesehen von der ‚„Oberflächendosis‘‘, welche in der voluminösen 1—2cm dicken Meßkanmer wirklich nicht allzu genau zu messen sein dürfte, die Werte ganz leidlich übereinstimmen, obwohl die Feldgrößen, die Filterung, Spannung und Intensität der Strahlungen noch nicht genügend gegeneinander ab- gewogen sind. Man erkennt aber deutlich, daß nur Schwankungen innerhalb weniger Prozent vorliegen.

Ein ganz anderes Bild aber ergibt sich, wenn man die Intensitätsverteilung betrach- tet, wie sie Dessauer und z. B. Holfelder mitgeteilt haben. Wir möchten zweierlei zur Darstellung bringen:

618 W. Lahm

Tabelle 20. Prozentuale Tiefendosen.

Voltz Dessauer-

Tiefe 0.5Zn | Vierheller | Holfelder 10x15 | 15 x 20 1 em Se 91.9 84 92,7 84,8 85 100 u 96 0, 85,0 70 86,5 71,8 73 90 3, = 78.6 59 80,8 61,2 61 83 Ze 320, 72,2 50 75,0 53,3 52 75 E S 66,4 42 69,5 43,9 45,4 67 6. 67,5% 60,0 36 64,0 39,8 40,8 60 S e 53,8 30 58,8 37,4 37,5 49 "Za 54% 47,5 26 53,2 39,9 34,5 42 "i = 41.2 23 47,3 30,6 32,3 37 iii 440, 34,7 20 41,6 27,9 30,0 39

1. Die sog. Isodosenbilder der genannten Autoren (Abb. 25—29), mit besonderer Berück- sichtigung der Randpartien.

Abb. 25. Strahlenkegel nach Abb. 26. Strahlenkegel nach Holfelder. Die Dosis- Holfelder. verteilung ist durch verschiedene Tonung angegeben.

2. Die Strahlenbilder der Dosenverteilung, wie man sie durch verschiedene Ab- tönung herstellen kann.

Unüberbrückbar sind die Gegensätze, welche sich auf Grund dieser Darstellungen ergeben.

1. Das Strahlenfeld erscheint nach Holfelder auch in der Tiefe des Körpers ent- sprechend der Blende scharf begrenzt (Abb. 25).

2. In der Tiefe von 4—8cm unter der Oberfläche besitzt das Strahlenbündel eine „bauchige Auftreibung‘“, welche durch den Streustrahlenzusatz bedingt ist; in größerer Tiefe geht die Auftreibung verloren (Abb. 26).

3. Der Strahlenmantel, den das zentrale Strahlenbündel besitzt, ist schmal und von sehr geringer Intensität (Abb. 26, geringste Intensität 5%).

4. An der Hautoberfläche ist das Strahlenbündel ebenso scharf begrenzt wie in der Tiefe.

i Verteilung der Dosis im Strahlenkegel 619

Abb. 27. Strahlenkegel nach Dessauer-Vierheller. Die Dosisverteilung durch ver- schiedene Tonung angegeben (10 zu 109%).

5. Die Intensitätskurven verlaufen dicht, unter der Oberfläche ziemlich flach, so daß nur geringe Intensitätsunterschiede zwischen Mitte und Rand des Strahlenkegels bestehen; in größerer Tiefe ändert sich das Bild (Abb. 26).

Aus diesen Beobachtungen ergeben sich recht beachtliche Folgerungen für die

Abb. 28. Randpartien des Dessauerschen (links) und des Holfelderschen (rechts) Strahlenkegels.

Ph Google

620 W. Lahm

Tiefentherapie. Holfelder weist z. B. darauf hin, daß die Methoden der „Über- schichtung‘‘ des Hautfeldes, mit der Absicht, den Tumor in das Gebiet der „planen Isodosen“ zu verlegen (s. die Kurven von Dessauer), der inneren Berechtigung ent- behren, weil die Isodosen in größerer Tiefe nicht planiert, sondern eher noch steiler werden usw.

Zum Schluß sei in diesem Zusammenhange noch auf eine Arbeit von Caesar aus der medizinischen Klinik in Freiburg hingewiesen, der außerhalb des Strahlenkegels noch Intensitäten fand, welche er nicht glaubt vernachlässigen zu können (Abb. 29). Sie nehmen in ihrer Größe ab, wenn die Feldabgrenzung nicht durch eine zwischen Fokus und Haut angebrachte Blende, sondern durch Abdeckung auf der Haut erfolgt, sie nehmen zu, wenn die Abblendung der Röhre durch einen umschließenden Blei- glasstopf nicht ganz sorgfältig und genügend vorgenommen ist. Auf der Kathoden-

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Abb. 29. Dosenverteilung außerhalb des Strahlenkegelse nach Caesar.

seite waren die Intensitäten stets größer als auf der Anodenseite. Bei kleiner Feld- größe glaubt Caesar, daß die absorbierte Energie außerhalb des Strahlenkegels die- jenige im Zentralstrahl erreichen oder gar übertreffen könne.

Man erkennt: die Frage der Energieverteilungim Organismusstecktnoch voller ungelöster und wichtiger Probleme.

Zuletzt noch ein Wort zur Praxis der Dosierung. Das Kollumkarzinom um- faßt ein mehr oder minder eng umgrenztes Gebiet, das zum Teil sogar der direkten Beobachtung und Betastung zugängig ist. Beginnende Karzinome sind ganz auf die Portio oder das Collum uteri beschränkt; weiter fortgeschrittene Karzinome gehen nach oben auf das Corpus uteri, nach unten auf die Scheide, nach der Seite auf die Parametrien, nach vorn und hinten auf die Blasen- bzw. Rektumwand über. Außer- dem können Fernnictastasen in den Drüsen des kleinen Beckens den iliakalen und hypogastrischen Lymphknoten sowie in den Inguinaldrüsen bestehen. Oft schreitet das Karzinom kontinuierlich fort, oft geht es sprunghaft, unter Freilassung größerer Bindegewebsabschnitte, weiter. Manchmal bahnt es sich selbst den Weg in die Um- gebung, manchmal sorgt eine Entzündung für die Propagation ins Bindegewebe

Die Dosis außerhalb des Strahlenkegels 621

und täuscht dem Untersucher eine größere Ausbreitung vor, als in Wirklichkeit besteht. |

Die Döderleinsche Gruppeneinteilung hat diesem Charakter des Kollumkarzinoms gegenüber keine besondere Bedeutung, wenn wir auf alle Fälle zur Bestrahlung ent- schlossen sind. Es ist nicht einmal ganz sicher, ob sie als solche die Prognose der Fälle bessert oder trübt. Ausschlaggebend scheint dagegen die Infektion der Karzinom- massen zu sein, welche bei allen ulzerierenden Prozessen nie fehlt, aber natürlich ganz verschiedene Grade aufweisen kann.

Es versteht sich von selbst, daß die Therapie des Kollumkarzinoms stets das ge- samte Ausbreitungsgebiet vielleicht mit Ausnahme der Inguinaldrüsen, falls diese nicht nachweislich erkrankt sind berücksichtigen muß. Das ganze kleine Becken muß also mit Strahlen wenn auch vielleicht nicht unbedingt homogen (s. S. 626) durchsetzt werden.

Über die Maße des kleinen Beckens wissen wir aus geburtshilflichen Beobachtungen gut Bescheid; die Knochenvorsprünge des großen Beckens erlauben uns außerdem, die individuellen Schwankungen der räumlichen Ausdehnung rasch zu bestimmen.

Als erstes werdenalsoschematische Längs- und Querschnitte des Beckens mit Eintragung der natürlichen Maße angelcgt.

In diese Schnitte werden der Primärtumor bzw. die Scheide, die Portio und das Corpus uteri sowie die Blase und das Rektum eingezeichnet. Nunmehr legt man die Strahlenkegel in Form von durchsichtigen Schablonen oder nach freier Handskizze auf und macht sich eine Überschlagsrechnung über die Zahl der not- wendigen Einfallsfelder, die Höhe der Dosis im Tumor bzw. an der Beckenwand und die Belastung der Haut.

Als sehr wertvolle Hilfsmittel dienen uns hierzu die Voltzschen oder andere Tabellen und vor allem der sog. Felderwähler von Holfelder. Er besteht aus einer Zelluloidschablone, welche entsprechend der Röntgenintensität abgetönt ist und nun leicht gestattet, mehrere Strahlenkegel übereinander zu kreuzen, bis eine Färbung resul- tiert, welche der Oberflächentönung (Hautdosis) entspricht.

Der Holfeldersche Felderwähler ist neuerdings in einer Form im Handel, der seine Anwendbarkeit sehr erleichtert und wertvoll macht. Die Skizzen der Körper- schnitte (s. oben) werden auf eine Mattscheibe aufgetragen, welche von unten her durch eine Lampe erleuchtet ist. Legt man nun die Felderwähler auf die Mattscheibe, so hat man in wenigen Minuten bestimmt, wie die Felder anzuordnen sind, wieviel man braucht und welche Dosis erreicht wird. Es gelingt vor allem auch leicht, eine ganz individuali- sierende Bestrahlung durchzuführen, da man 2 oder 3 Felder mit Nahabstand und den Rest mit Fernabstand oder umgekehrt applizieren kann.

Besitzt man keinen Felderwähler, so muß man Schablonen mit eingetragenen Dosiswerten anlegen und an den Kreuzungspunkten die Addition der Energien vor- nehmen.

In vereinfachter Form genügt es bisweilen auch, wenn man zuvor die Strahlen- kegel am Phantom genau ausgemessen hat, nur die Werte im Zentralstrahle und an den Kreuzungspunkten zu addieren. Dabei ist besonders darauf zu achten, daß Blase und Mastdarm keine Dosis erhalten, welche höher als etwa 135% der H.E.D. ist. Beträgt die Dosis mehr, muß man die Strahlenkegel anders legen oder falls der Tumor eine genügende Dosis erhält die Höhe der Einstrahlungsenergie herabsetzen. Die Haut wird dadurch in wertvoller Weise geschont, was besonders für weitere Be- strahlungen und für die Funktion der Haut von Wichtigkeit: ist.

622 W. Lahm

C. Die Apparatur.

Die Röntgenbestrahlung des Kollumkarzinoms läßt sich mit jedem hochwertigen Röntgentherapieapparat durchführen, gleichgültig, ob es sich um einen Symmetrie-, einen Intensivreform-, Neointensivreform-, Multi-Stabilivolt- oder Radio-Silex-Radio- Transverterapparat handelt. Bei der etwas anderen Auffassung, welche wir heute von dem Zeitfaktor haben, als wie noch vor 2 Jahren, besteht sogar die Möglichkeit, daß auch mit minderwertigen Apparaten ganz Leidliches geleistet werden könnte. Aber für die Röntgentherapie des Kollumkarzinoms muß vorerst unbedingt daran festgehalten werden, daß sehr leistungsfähige Apparate zur An- wendung kommen, denn eine Heilung des Kollumkarzinoms ist bisher an keiner Stelle durch keine Methode mit wirklicher Schwachbestrahlung erreicht worden. Beim Radium haben wir s. Kapitel 3 gelegentlich wunder- bare Erfolge mit lächerlich geringen Dosen gesehen, bei der Röntgenbestrahlung ist etwas Derartiges bisher nie bekanntgeworden.

Zu einer guten Apparatur gehört auch eine gute Röhre. Wir müssen auch in dieser Beziehung unsere Forderungen hochschrauben und dürfen nicht mit wenig guter Ware zufrieden sein. Die Röhre muß sich der Apparatur anpassen und eine Röntgen- energie geben, daß man in mindestens 40—50 Minuten bei 23cm Abstand 0,5 mm Zink- oder Kupferfilterung die Erythemdosis erreicht. Die modernsten Röhren und Appara- turen vollbringen die gleiche Leistung schon mit 6—10 Minuten, doch fragt es sich, ob es im Interesse der Betriebssicherheit und auch der biologischen Dosierung not- wendig ist, zu derartig kleinen Werten zu kommen. Sehr große Vorteile entstehen natür- lich, wenn man aus großem Abstand bestrahlt, weil dann auch unter diesen Bedingungen die Erythemzeiten sich in erträglichen Grenzen halten. Aus der folgenden Tabelle geht hervor, wie gewaltig die Erythemzeiten bei Vergrößerung des Abstandes anschwellen. Als „Grundzahl‘“ gilt die Erythemzeit bei 23cm Fokushautabstand.

Tabelle 21. Erythemzeiten.

Crundzchl in Minuten Abstand

23 | ;

30) 10 | 35,5 59,5 | s5,0 50 28 | 71 | 166 238 ou 71 , 150 | 418 S]

Es ist selbstverständlich, daß man bei einer Erythemzeit von 50 Minuten kaum auf 80 cm Abstand gehen kann, da nunmehr eine Bestrahlungszeit von nahezu 10 Stun- den zur Erreichung des Erythems notwendig wäre.

Weiter auf diese rein technischen Fragen einzugehen erübrigt sich. Ich möchte dafür auf das Handbuch der gesamten medizinischen Anwendungen der Elektrizität von Boruthau-Mann-Levy-Dorn-Krause verweisen.

Was dagegen hier noch besprochen werden möchte, sind Zusatzapparate, welche man bei der Bestrahlung des Kollumkarzinoms verwendet oder verwendet hat. Es sind das

1. Bestrahlungs- und Einstellegeräte,

2. Einrichtungen, um die Leistung der Strahlen zu steigern (Strahlensammler),

3. Geräte, welche die Dosisverteilung, die Wahl der Felder usw. erleichtern: U m- baumethoden.

Bestrahlungs- und Einstellgeräte 623

ad 1. Einstell- und Bestrahlungsgeräte sind zunächst die bekannten Tubusformen (Abb. 38—46) von Seitz und Wintz und die Einstellröhre nach Wintz. Feldgröße und Fokushautabstand sowie Zentrierung des Feldes sind im Tubus selber festgelegt. Die Vereinigung der Strahlen mehrerer Felder in einem Punkte (der Portio) wurde mit der Einstellröhre geprüft. Sie bestand aus einem langen Rohr, an dessen einem Ende ein Bariumplatinzyanürschirm angebracht war, an dessen anderem Ende man die Mög- lichkeit des Hineinschauens hatte.

Unsicher wird die Methode durch stärkere Kompression und bei Bauchlage der Frauen, weil sich die Portio erheblich verschieben kann oder die Einführung der Ein- stellröhre unmöglich wird.

Es sind dann von Martius, Simon, Grashey, Gleichmann und Bertram Instrumente angegeben worden, welche den Abstand der Portio von der Haut

Abb. 30. Strahlenbild der Seitz-Wintz- Abb. 30a. Mögliche Strahlenverschiebung schen Methode. An die Stelle der Portio bei der Methode Seitz-Wintz durch Kom - ist eine Bleikugel eingelegt. pression.

bestimmen sollten, zugleich aber dazu dienten, die Winkelstellung der Röhre bzw. des Röhrenkastens gegen den zu bestrahlenden Tumor bei seitlicher Bestrahlung fest- zustellen.

Die Unsicherheiten, welche sich durch Verlagerung der Patienten und Kompression ergeben, wurden damit nicht aufgehoben. Langer empfiehlt daher die Einstellung direkt durch das Chaoulsche Radioskop zu kontrollieren. Er blendet ein schmales Strahlenbündel an der Röhre aus, legt vor die Portio eine Bleikugel (umhüllt mit Gaze und Gummi) und stellt so lange ein, bis der Schatten der Kugel in der Mitte des hellen Strahlenfeldes erscheint.

Das Verfahren ist zweifellos einwandfrei. Was mir bedenklich erscheint, ist die doch mögliche asymmetrische Verschiebung der Strahlenkegel durch die Kompression und die dadurch bedingte ungleichmäßige Durchstrahlung des Beckenraumes. Nor- malerweise soll das Bild der Strahlenkegel symmetrisch aussehen (Abb. 30). Durch die Kompression könnte es asymmetrisch werden, wie die Abb. 30a zeigt (Bleikugel wird zur Seite gedrängt).

lch selbst habe deshalb mit Schaarschmidt ein Gerät konstruiert, bei dem die ganze Einstellung zwangsläufig vor sich geht, bei dem der Röhrenkasten (Stativ wird

624

W. Lahm

nicht mehr gebraucht) in 3 Ebenen des Raumes beweglich ist und der Zentralstrahl doch immer durch den gleichen Punkt geht. Kompression wird nicht vorgenommen (Abb. 31).

Abb. 31. Einstellgerät nach Lahm-

Schaarschmidt.

Ähnliche Geräte, bei denen auch die Röhren in drei Ebenen des Raumes verschieb- lich sind, bei denen aber die Zentrierung auf einen Punkt nicht gewährleistet ist, haben Dessauer-Warnekros und Hirsch-Ham- burg angegeben (Abb. 32).

ad 2. Verstärkungsmethoden für die Röntgenstrahlen stammen von Chaoul, Puga, Grödel und Rahm. Chaoul und Puga bringen in die Nähe des Körpers große Massen einer stark streuenden Substanz (Paraffin oder Holz) und erwarten durch die Streustrahlen eine erhebliche Zusatzdosis. Ein Schema des Chaoulschen Apparates zeigt die Abb. 33, das Prinzip der Pugaschen Streuungsrinne gibt Abb. 34 wieder. Es gelingt in der Tat die Wirkung der Röntgenstrahlen physi- kalisch betrachtet auf diese Weise zu stei- gern und beim Chaoulschen Strahlen- Sammler die Bestrahlungszeiten um nahezu 40% abzukürzen. Aber dies betrifft nur dıe physikalische Dosis; biologisch kommt als sehr unangenehm hinzu, daß die Raumdosis enorm ansteigt. Die Zunahme der Tiefenintensität, die Ver- besserung des Dosenquotienten, beträgt nur

wenige Prozent. Ungünstig waren unsere eigenen Erfahrungen auch in bezug auf die Lebensdauer der Röhren. Offenbar ist die Anwesenheit der großen - Massen" in der nächsten Umgebung der Röhre nicht gleichgültig für diese. Mit der Pugaschen

Abb. 32. Bestrahlungsbrücke nach Warnekros- Dessauer. ;

Rinne liegen wohl weitere Er- fahrungen noch nicht vor.

Das Grödelsche Instru- ment beruht in der Vorschaltung von Paraffin vor die Haut. Es soll ebenfalls durch Streustrah- lenzusatz die Röntgenintensität, vor allem den Dosenquotienten erhöhen. .; Weitere Verbreitung hat das Gerät wohl nicht ge- funden.

Einen neuen und interessan- ten Weg hat Rahm offen- bar aber noch mit sehr primitiven Hilfsmitteln eingeschlagen. Er versucht die Röntgenstrahlen wie in einer „Sammellinse“ zu konzentrieren, also dem

Bestrahlungsbrücken, Strahlensammler 625

Dispersionsgesetz entgegenzuarbeiten. Dazu dient ihm eine Wabenblende, welche er mit Paraffin ausgießt und überdeckt (Abb. 35). Nach seinen Meßresultaten ist eine ‚„Samm- lung“ der Strahlen scheinbar vorhanden, ob seine Überlegungen der Kontrolle durch den Physiker standhalten werden, ist eine andere Frage.

ad 3. Schon lange Zeit gehen die Be-

0

Abh. 33. Der Chaoulsche Strahlensammler Abb. 34. Die Streuungsrinne. (Schema). Nach Puga (Schema). strebungen zurück. kompli- a

ziert gestaltete oder Organe | I mit zu kleiner Oberfläche GE Arme, Beine, Hals durch E Zufügung toter Massen so ein- e, zubauen‘‘, daß geometrisch ein- ER fache Körper mit relativ großer o! | K Oberfläche wo man leicht dE mehrere Strahlenfelder ansetzen ı kann -- entstehen. Chaoul ver- wendete Säckchen, welche mit Bolus alba gefüllt waren, ich selbst nahm pulverisiertes Pa- raffin; Jüngling empfahl Was- serkissen, Guthmann ange- feuchtete Zellstoffwatte, Fürst einfachen Bruchreis. Die Ver- fahren sind zweifellos alle gut,

doch sollen sie sich in gewissen Abb. 35. Konzentrationsbestrahlung nach Rahm. Grenzen halten. Mehr als wie A. Filter. B. Paraffin. C. Wabenblende.

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 40

626 W. Lahm

unebene Flächen zu planieren und bei kleinen Organen die Oberfläche zu vergrößern braucht man nicht. Von den sog. „Überschichten“ ist nach den Untersuchungen von Holfelder unbedingt abzuraten. Sehr wichtig ist es, die Rima ani et natium gut auszufüllen.

D. Bestrahlungsmethoden.

Aus dem, was in den Abschnitten A, B und C besprochen wurde, setzen sich die Bestrahlungsmethoden zusammen. Unendliche Variationen sind möglich und werden in der Tat angewendet. Vielleicht gibt es nicht zwei Institute, wo ganz genau die gleichen Methoden geübt werden. Ja noch mehr: fast jedes Institut wechselt in kürzeren oder längeren Zeitabschnitten ‚seine Methode“ je nach dem Stande der augenblicklichen Kenntnisse, der eigenen Erfahrungen oder gar dem medizinisch-biologischen Empfinden. Wenn wir im folgenden Methoden mit Autorangabe beschreiben, so kennzeichnet das gewisse Schulen, gewisse Grundprinzipien. De facto kann man sich das Vorgehen fast aller Schulen nach großen gemeinsamen Gesichtspunkten wieder in eine Methode vereinigt denken, und, wenn es auch lebhaften Widerspruch hervor- rief, so hatte Holzknecht doch ganz recht, als er einmal von der Wintz-Warnekros- Dessauer-Wieserschen Methode der Tiefentherapie sprach.

Wir wollen unsere Besprechung in zwei Abschnitte gliedern, einen allgemeinen und einen speziellen. Im allgemeinen Teile muß vom Prinzip der Homogen- bestrahlung, der Einzeit- und Mehrzeitbestrahlung und von der Dosismessung die Rede sein; im speziellen Teile sollen die Methoden von Seitz-Wintz (einschließ- lich der Verkupferung), Warnekros-Dessauer, Opitz-Friedrich, Martius und mir selbst dargestellt werden.

I. Allgemeiner Teil.

Wintz schreibt in seiner ‚„Röntgenbehandlur,g des Uteruskarzinoms‘, daß die eingehende, durch zahlreiche Abbildungen illustrierte Einstelltechnik ‚nichts anderes sein will als eine Grundlage, auf der sich die individuelle Einstelltechnik auf- bauen soll“. Wintz fordert also geradezu auf, obwohl gerade er mit am schärfsten die Prinzipien einer Schule vertritt, zu individualisieren. Nur an den großen Richtlinien soll festgehalten werden, weil diese erst die Möglichkeit der frei schaffenden Variationen geben. Eigentlich sollten wir deshalb die spezielle Technik zuerst dar- stellen und daraus erst unser Resümee in einem allgemeinen Teile zusammenfassen. Wenn wir das nicht tun, so geschieht es aus dem Grunde, dem Leser schon bei der Lek- türe des speziellen Teiles die Möglichkeit der Kritik und des tieferen Verständnisses für die einzelnen Technizismen an die Hand zu geben.

Als ganz grundlegende Prinzipien in der Therapie des Karzinoms gelten bisher noch

D

zwei:

1. das Gewebe ist homogen zu bestrahlen,

2. dieKarzinomdosis ist in relativ kurzer Zeit zu erreichen. Es darf als eine vielgewünschte Forderung angeschlossen werden:

3. die verabreichte Dosis ist objektiv zu bestimmen.

Nach diesen drei Gesichtspunkten wollen wir die folgenden Besprechungen gliedern.

a) Die Homogenbestrahlung.

Die Homogenbestrahlung zum Prinzip in der Behandlung der Karzinome erhoben zu haben, ist das Verdienst Dessauers. Von der biologischen Tatsache (Hertwig)

Bestrahlungsmethoden. Homogenbestrahlung 627

ausgehend, daß verschiedene Zellen auf den Strahlenreiz verschieden reagieren ver- schiedene Sensibilität zeigen forderte Dessauer die homogene Durchstrahlung des Gewebes, weil

1. nur dadurch die verschiedene Sensibilität der Zellen erkannt werden kann,

2. nur dadurch die verschiedene Sensibilität einen therapeutischen Nutzen ver- spricht, indem die empfindliche Zelle zugrunde geht, die weniger empfindliche erhalten bleibt.

Der Physiker stellte sich nunmehr die Aufgabe und suchte nach Methoden, ein größeres Gebiet homogen zu durchstrahlen. Es ergab sich dabei, daß man zwischen qualitativer und quantitativer Homogenität unterscheiden müsse, daß aber die Lösung der Aufgabe in physikalisch-technischer Hinsicht möglich sei. Die Methoden von Dessauer-Warnekros, Seitz-Wintz, Opitz-Friedrich, v. Jaschke-Siegel, Martius u.a. verfolgen alle mehr oder minder dieses Ziele Dessauer und Warne- kros bestrahlen dabei ein Gebiet, das fast eine Größenausdehnung von 15 x 15 x 12cm hat; das Seitz-Wintzsche Homogenfeld mißt dagegen vielleicht nur 8x 8x 6cm.

Diese Gegenüberstellung der ‚„Raumdosen‘ muß schon stutzig machen. Es liegt die Annahme nahe, daß im Falle Dessauer-Warnekros die Bestrahlung um eines physikalischen Problems willen Formen und Umfang angenommen hat, welche für den Organismus nicht gleichgültig ist. In der Tat ist an vielen Orten und von Warnekros selber die Beobachtung gemacht worden, daß die extreme Homogendurchstrah- lung des Beckens, welche nur durch die Vergrößerung der Einfallsfelder erreicht werden konnte, keine günstigen Resultate bezüglich der Heilung vom Krebsezeitigte. Die Höhe der Gesamtdosis und die Größe der Strahlenfelder werden angeschuldigt, an diesem Mißerfolg in erster Linie beteiligt zu sein.

Es ist interessant, in diesem Zusammenhange Holzknecht zu hören, der in einem Vortrage vom 19. November 1923 im internen Kreise sich über die Homogenbestrah- lung als Prinzip eingehend geäußert hat. Holzknecht bekennt sich dort zunächst einmal zu dem Standpunkte, daß er selbst kaum je die Homogenbestrahlung mit beson- derer Absicht angewandt, daß er aber mit großem Interesse ihre Entwicklung verfolgt habe. Er betont weiter, daß die Homogenbestrahlung als ganz allgemeine und prin- zipielle Forderung nicht anerkannt werden könne, insofern bei nicht gerade malignen Erkrankungen, wie der Leukämie, der Hyperglobulie, bis zum gewissen Grade auch der Tuberkulose, entweder «die Teilbestrahlung oder die ‚„Nur-Herd‘-Bestrah- lung entschieden gegenüber der Homogendurchstrahlung vorzuziehen sei. Teilweise ist dieselbe nicht möglich (Drüsenleukämie), teilweise würde sie die Umgebung (Leber, Magen) viel zu wenig schonen. Für wirklich maligne Tumoren hält Holzknecht die Homogenbestrahlung wohl für richtig (das Prinzip), doch betont er, daß praktisch bisher von einer Homogenbestrahlung noch gar nicht gesprochen wer- den könne. Die angegebenen Methoden er meint offenbar die von Seitz- Wintz und Warnekros-Dessauer seien zu ungenau (in bezug auf Zeit- und Intensitäts- messung), zu kompliziert und für die Mehrzahl der Therapeuten zu schwierig. Von einer absoluten Homogenität, welche das biologische Gesetz, von dem Dessauer ausgegangen sei, fordere, sei überhaupt keine Rede.

Die Ausführungen Holzknechts werden der Wirklichkeit nicht nur gerecht, sie regen auch zu neuen Gedanken an.

Es erhebt sich die Frage: Ist die Homogendurchstrahlung des kleinen Beckens beim Kollumkarzinom überhaupt ein erstrebenswertes Ziel? Haben wir nicht weit bessere Resultate bei der nicht homogenen Radium- bestrahlung? Überwiegen nicht deutlich die Erfolge der Seitz-Wintz

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schen Technik gegen die der Dessauer-Warnekrosschen? Leistet die Kombinationstherapie Radium-Röntgen nicht deshalb mehr, weil die Inhomogenität des Strahlenfeldes wieder geschaffen ist? Ist die Besse- rung der Heilresultate, über welche Wintz mit Hilfe der Verkupferung berichtet, nicht auf die bewußte Inhomogenität des Strahlenfeldes zu- rückzuführen?

Die Zahl der Fragen enthüllt die Zahl der Probleme. Doch sind wir weit entfernt, nunmehr nur der Homogenität das Urteil zu sprechen. Wir haben früher schon betont und wiederholen es hier, daß wir für die überraschenden Erfolge der Radiumbestrah- lung mit kleinen Dosen an den Einfluß der erhaltenen Ovarialfunktion denken und möchten damit dringend raten, ja nicht die vielfältigen biologischen Probleme, welche sich mit jeder Änderung der physikalischen Bedingungen auf- drängen, außer acht zu lassen.

Die hier angeschnittenen Fragen betreffen in erster Linie die räumliche Homogenität; auch die Fragen der qualitativen Homogenität könnten eine sinngemäße Analyse vertragen. Ob nicht die direkte Bestrahlung des Portiotumors und viel- leicht mit weicheren Strahlen Vorteile bieten würde, ist bisher noch nicht versucht; alle älteren Erfahrungen mit unzureichenden Meß- und Einstellmethoden können hier keine Berücksichtigung finden. Was dem Gedanken vielleicht Berechtigung gibt, ist die Besserung der Erfolge bei der Verkupferung; die Sekundärstrahlung ist bekanntlich weicher als die Primärstra hlung!).

Zusammenfassung: Die Homogenbestrahlung als wichtiges Prinzip der Bestrah- lungstherapie steht nicht mehr unerschüttert fest; das gilt in erster Linie von der räum- lichen Homogenität und von der Homogenität in größeren Bezirken. An der quali- tativen Homogenität wird vorerst noch festzuhalten sein, doch erscheinen auch in dieser Hinsicht Versuche erlaubt, mit weicheren Strahlen den Primärtumor direkt anzugehen (Braun).

b) Der Zeitfaktor.

Je nach der zeitlichen Verteilung der Bestrahlungssitzungen unterscheidet man einzeitige und mehrzeitige Bestrahlungen.

Wintz fordert für das Kollumkarzinom mit aller Entschiedenheit die einzeitige Bestrahlung, d.h. es soll in einem Zeitraume von etwa 5— 51/, Stunden die volle Karzinom- dosis erreicht sein. Eine Verzettelung der Dosis bis auf 2 oder 2!/, Tage hat ihm eine deutliche Verschlechterung im Material nicht ergeben, doch vermeidet er dies, wenn es nur irgend angängig ist. Die Verteilung der Karzinoındosis auf 10 Tage setze die Wir- kung um vielleicht 50% herab, so daß nunmehr statt 100% ca. 159% der H.E.D. gc- geben werder müßten, um die volle Karzinomdosis zu erhalten.

Die Herabsetzung der Wirkung bei einer derartigen Verteilung der Dosen hat schon Krönig beobachtet. Täglich 10% der Hautdosis auf die Haut eingestrahlt, ergab kein Erythem. Wintz fand, daß die ovarielle Kastration erst mit 50—55% (statt 34°%) erreicht wird, wenn die Dosen in Zehntelteilen gegeben werden. Anderseits muß ich an die Beobachtungen von Waeber, Hauschting und Zander beim Radium erinnern, denen es bekanntlich gelang, mit 10mal Ton der H.E.D. alle 24 Stunden bestrahlt ein richtiges Erythem zu erzeugen.

Als absolut feststehend darf also die Behauptung nicht angesehen werden, daß

1) Wie mir Braun-Chemnitz neuerdings mitteilte, hat er die hier angeführte Methode der „gemischten“ Bestrahlung seit längerer Zeit an der Frauenklinik Chemnitz angewendet und ist mit dem primären Erfolg sehr zufrieden gewesen.

Der Zeitfaktor, die objektive Dosismessung 629

nur die einzeitige Karzinombestrahlung zum vollen Erfolge führt. Es kommt hinzu, daß auch Seitz und Wintz de facto keine reinen einzeitigen Bestrahlungen aus- führen, sondern nach Behandlung des Primärtumors (des Portiokarzinoms) 6—7 und 13—14 Wochen später die Bestrahlung der Parametrien anschließen, welche bis dahin keine Volldosis erhalten haben. Theorie und Praxis stehen hier also in einem klaffenden Gegensatze.

Die mehrzeitige oder intermittierende Bestrahlung ist die alte Methode von Albers-Schönberg und von Holzknecht. Albers-Schönberg bestrahlte bekannt. lich die Metropathien alle paar Tage einige Minuten lang bis zum Erfolg der dauernden Blutungshemmung. Sein Prinzip ist von der Intensivbestrahlung nahezu ganz verdrängt worden nur verschleierte Beibehaltung durch Seitz-Wintz bis es durch Opitz eine etwas veränderte Wiedergeburt erlebt hat. Opitz-Friedrich halten an der In- tensivbestrahlung bis zur Höhe von 150e fest, kombinieren dazu mit Radium und wiederholen die gleiche Bestrahlung; in welcher Zeit die 150e mit Röntgenstrahlen ge- geben werden, ist unbekannt. |

Bei der Besprechung der intermittierenden Bestrahlung weist Martius auf Beob- achtungen von Glocker, Rothacker und Schönleber hin, wonach die einmalige Bestrahlung unter Umständen genügt, eine chemische Reaktion in Gang zu bringen, welche dann unabhängig von der Strahleneinwirkung weitergeht (Ausschei- dung von Jod aus Jodoformlösung). Martius regt den Gedanken an, ob eine ähnliche (katalytische) Wirkung der Röntgenstrahlen auch im Organismus zu erwarten bzw. an- zunehmen sei. Ich glaube, man kann den Glockerschen Versuch hier nicht zum Ver- gleich heranziehen, weil das Jod vor allem in Gegenwart von Wasser als Kata- lysator wirken kann. Trotzdem ist zuzugeben, daß die einmalige Einwirkung der Rönt- genstrahlen auf lebende Zellen die sein kann, daß sie im Verlauf ihrer Fortpflanzung relativ rasch rascher, als dem natürlichen Zelltod entspricht absterben. Mir wenig- stens ist es gelungen, bei Hefekulturen, welche ich bestrahlt hatte, ähnliche Beobachtungen zu erheben.

c) Die Messung der Dosis.

Die Bestimmung der verabreichten Dosis ist ein wichtiges Kapitel bei jeder Be- strahlung, gleichgültig, ob es die Haut oder ein tief gelegenes Organ betrifft. Wir sind gewohnt, nur nach der Zeit zu dosieren, d. h. darauf zu sehen. daß alle Betriebsbedingun- sen Spannung, Härte, Milliamperezahl, Abstand konstant erhalten werden und die Menge der Röntgenenergie mit der Uhr bestimmt wird. Eine solche Dosismessung bezeichnet man als indirekt.

Die indirekte Dosismessung hat den großen Nachteil, daß ihr eine ganze Reihe von Berechnungen zugrunde liegen, welche einzeln oder alle zusammen mehr oder minder falsch gemacht werden können, so daß eine absolute Gewähr für die Richtigkeit der Dosis damit aber vor allem für die Vermeidung von Schädigungen nicht gegeben ist. Es kommt hinzu, daß Netzschwankungen oder Betriebsbedingungen an der Röhre erhebliche Unterschiede in der Röntgenintensität bedingen können, welche auch durch häufige Kontrollen der physikalischen Bedingungen, durch Nacheichen der Röhren, durch Schwankungen an den Meßinstrumenten (Volt- und Amperemeter) nieht mit genügender Deutlichkeit und Sicherheit erkannt werden können.

Holzknecht hat deshalb die „doppelte Sicherung der Schädigungsgrenz- dosis“ durch Hinzunahme der direkten Messung zur indirekten gefordert.

Unter direkter Messung versteht man die Ablesung der Gesamtdosis vom Beginn bis zum Ende der Bestrahlung; sie setzt keinerlei Berechnungen voraus und bietet des- halb eine große Sicherheit.

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Als Methoden der direkten Messung der Röntgenenergie kommen heute im wesent- lichen zwei in Betracht: die Holzknechtsche Radiometermessung und der Siemens- sche Dosiszähler.

a) Das Holzknechtsche Radiometer verwendet bekanntlich die Sabouraud- tablette, deren Farbveränderungen an einer gefärbten Skala geprüft werden. Erfah- rungsgemäß muß die Bräunung der Tablette bei einer bestimmten Strahlung bekannt sein, weil sonst eine Abschätzung der verabreichten Dosis nicht möglich ist. Irgendein Vergleich der Dosen, welche mit Strahlen verschiedener Qualität gegeben wurden, ist absolut ausgeschlossen.

b) Der Siemenssche Dosiszähler ist durch Jaeger eingehend beschrieben wor- den. Es handelt sich dabei um die Entladung einer Kapazität über die bestrahlte Ioni- sationskammer hinweg und die selbständige und fortdauerude Neuaufladung und Ent- ladung der Kapazität. Jede Entladung und Neuaufladung wird durch die Dosisuhr registriert. Sie gibt also an, welche Intensität insgesamt verabreicht wurde. Es ist klar, daß die abgelesene Dosis unabhängig ist von allen Intensitätsschwankungen, welche während der Bestrahlung etwa eingetreten waren.

II. Spezieller Teil. 1. Die Bestrahlungsmethode von Seitz- Wintz.

Die Bestrahlungmethode des Uteruskarzinoms, wie sie in Erlangen ausgebildet worden ist, vollzieht sich in drei Etappen. Sie besteht aus der Vorbehandlung, der eigentlichen Bestrahlung und der Nachbehandlung. Wintz betont aus- drücklich, daß, wenn auch die Einstellung und Dosierung das ausschlaggebende Moment in der Karzinomtherapie darstellten, die Bestrahlung doch im Rahmen der All- gemeinbehandlung angewendet werden müsse.

a) Die Vorbehandlung.

Auch die Vorbehandlung zerfällt in mehrere Abschnitte, selbst wenn man die Dia- gnose und die evtl. Probeexzisionen, welche übrigens nur ungern von Wintz gemacht, am liebsten sogar ganz verworfen werden, durch den überweisenden Arzt nicht mit rechnet. Ein großer Wert ist auf die Beobachtung des Allgemeinzustandes und die Aufnahme der Anamnese zu legen. Erkrankungen des Herzens und der Kreislauf- organe bedürfen einer Behandlung, weil die Karzinombestrahlung eine erhebliche Be- einträchtigung des Allgemeinbefindens mit sich bringen kann. Das Blutbild ist genau zu erheben. Ein Hämoglobingehalt von unter 35%, Hämoglobin bei nur 2500 weißen Blutzellen (vielleicht sogar mit Lymphopenie) stellen eine absolute Kontraindika- tion gegen die sofortige Bestrahlung dar. Basedowkranke, Nierenentzündungen, Jodeinpinselungen und -einreibungen, Arsen- und Quecksilberkuren erhöhen erfahrungsgemäß die Empfindlichkeit der Haut und sind bei der Aufstellung des Be- strahlungsschemas zu berücksichtigen. Vorausgegangene Erkrankungen des Dar- mes, Peritonitiden, entzündliche Prozesse im Beekenbindegewebe (endo- phytische Karzinome!) und an den Adnexen müssn anamnestisch festgestellt und Residuen in Gestalt von Adhäsionen und Verklebungen des Darmes evtl. sogar durch Bariumeinlauf ausgeschlossen werden. Selbstverständlich muß vor der Bestrahlung der letzte Rest des Bariums entfernt werden, weil es als Sckundärstrahler wirkt. Zy- stitis, welche besonders bei fortgeschrittenen Karzinomen so häufig besteht, muß be- handelt werden. Klingt sie nicht vollständig ab, so ist eine völlige Heilung nicht abzu-

Methode Seitz-Wintz. Verkupferung . 631

warten, aber besonderer Wert auf das Verhalten der Blase in der Nachbehandlung zu legen.

Die unmittelbaren Vorbereitungen für die Bestrahlung bestehen in der Regel in der Entleerung von Blase und Mastdarm und in dem Verbot der Nahrungs- aufnahme. Es ist wichtig, daß der Darm gründlich gereinigt ist und daß vor allem Skybala nicht im unteren Abschnitte des Rektums zurückbleiben, weil sie mechanisch reizen und wohl auch als Sekundärstrahler wirken können. Über das Nüchternbleiben der Patientin bestehen Meinungsverschiedenheiten; Tee und Weißbrot oder Suppe lehnt Wintz ab wegen der dadurch angeregten Magensekretion; er empfiehlt aber gern 1—2 Eier, welche die Magensekrete binden.

Die direkt technischen Vorbereitungen bedürfen keiner weiteren Besprechung, sie sind in dem Abschnitt über Apparatur besprochen oder müssen als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Als einen besonderen Teil der technischen Vorbereitungen hat aber Wintz neuerdings

die Verkupferung eingeführt, auf welche hier mit ein paar Worten eingegangen werden muß.

Die Verkupferung bzw. die Einwirkung der Kupferionen ist als ein Adjuvans der Strahlenwirkung gedacht. Es soll einerseits in den Kupferatomen eine Sekundärstrah- lung entstehen, welche die Absorption der Strahlung im Gewebe und damit seine bio- logische Wirkung steigert. Es soll weiterhin durch das Kupfer eine Sterilisation des meist infizierten Bestrahlungsgebietes erreicht werden, und endlich soll auf dem Wege der oligodynamischen Wirkung ein schädigender Einfluß auf die Krebs- zellen selbst erzielt werden.

Als Kupfersalz hat sich Wintz das Kupferselen am besten bewährt. Es wird auf einem aus Gaze bestehenden Schwamm so in die Scheide eingebracht, daß pro Minute etwa 15—20 Tropfen zufließen. Durch Elektrolyse und Kataphorese, d. h. durch Ein- legung eines galvanischen Stromes, der vom Vaginalgewölbe nach den Bauchdecken oder dem Rücken fließt, wird das Kupfersalz durch das Strahlengebiet hindurchgezogen. Die Stromstärke dieses Stromes soll nicht mehr als 40—50 Milliampere betragen, die Gesamtdauer der Galvanisation beträgt etwa 6 Stunden.

Die technische Anordnung, über welche Wintz erst vor kurzem berichtet hat, ist so getroffen, daß die Zuführung des Kupfersalzes in die Scheide durch einen Irrigator- ansatz geschieht, welcher gleichzeitig als positiver Pol (Anode) des galvanischen Stromes verwendet wird. Der negative Pol (die Kathode) besitzt die Gestalt einer Plattenelek- trode von 300—490 gem Fläche. Sie wird zur Verbesserung des Kontaktes mit Koch- salz angefeuchtet und stark auf die Haut aufgedrückt. Auch die Anode in der Vagina muß in fester Berührung mit der Haut liegen, damit Schmerzempfindungen und Ver- brennungen vermieden werden.

Als Vorteil der Verkupferung rühmt Wintz

1. die gesteigerte Empfindlichkeit des Karzinomgewebes gegen die nachfolgende Röntgenbestrahlung, welche nach seinen Messungen etwa 20%, beträgt;

2. die raschere Rückbildung der karzinomatösen Geschwülste für Auge und Finger;

3. die raschere und vollständigere Vernarbung des vorher zerfallenden Gewebes;

4. die wesentliche Verbesserung der statistisch feststellbaren Erfolge, soweit das auf Grund vorläufiger Erhebungen möglich ist.

Gefährlich an der Methode scheint nur die Überdosierung und die mögliche Nekrose im Bereich der Anode zu sein. Nierenschädigungen, welche auch beobachtet worden sind, kommen nur vor, wenn der Zustand der Niere vorher nicht ganzeinwandfrei war.

Die Röntgenbestrahlung wird der Verkupferung innerhalb 24 Stunden angeschlossen.

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b) Die Röntgenbestrahlung.

Die Einstelltechnik, wie sie in der Erlanger Klinik durch Seitz und Wintz ausge- bildet worden ist, erlaubt und erfordert gewisse Individualisierung je nach der Dicke der Frauen. So ändert sich die Zahl der Felder und die Einstellung bei Frauen mit weitem Becken und starker Fettauflagerung in der Art, daß 2 Felder zugesetzt werden.

Abb. 36. Seitz-Wintzsche Methode. Abb. 37. Seitz-Wintzsche Methode. Die 3 Bauchfelder; das Vulvafeld wird bei L.e 3 Rückenfelder; das Kokcygealfeld wird nach leichter Spreizung der Beine angesetzt.‘ Entfaltung der Rima ani angesetzt (s. Abb. 39).

Außerdem wird Rücksicht genommen auf die hoch- oder tiefstehende Portio, und geändert wird auch die Bestrahlung der Parametrien, welche stets 7—8 Wochen nach der Bestrahlung des Primärtumors erfolgt. Sie kann einzeitig oder mehrzeitig, d. h. wiederum nach 7—8 Wochen vorgenommen werden.

Bei Frauen mit normalem Becken und mittlerer Fettauflage werden vom Bauch und Rücken ie 3 Felder gegeben (Abb. 36 u. 37). Die Röhre wird dabei so gerichtet,

Abb. 38. Röhrentubus .6 x 8cm bei der Abb. 39. Das Kokcygealfeld. Entfaltung Methode Seitz- Wintz. der Rima ani.

daß die Vereinigung der Zentralstrahlen in der Gegend der Portio gewährleistet erscheint. Stets wird das zu bestrahlende Feld durch den Tubus (Abb. 38), der am Röhrenkasten angesetzt ist, komprimiert, um einerseits die Entfernung zwischen Haut und Portio zu verringern und anderseits die Haut zu anämisieren, was ihre Empfindlichkeit nach den Angaben von Wintz um ca. 15% herabsetzt. Besondere Schwierigkeiten bereitet die Einstellung des sog. Vulva- und Kokcygealfeldes. Das Vulvafeld wird bei leicht gespreiz- ten Beinen angesetzt und die Röhre durch Unterlage eines Sandsackes besonders ge- stützt. Das Kokcygealfeld erfordert die Auseinanderziehung der Nates (Abb. 39) und

Methode Seitz-Wintz 633

die Erhaltung dieser Position durch die Hände des Assistenten bis zur Kompression durch den Tubus. Die Lagerung der Patientin muß besonders sorgfältig vorgenommen werden und der Steiß durch Unterpolsterung des Leibes entsprechend hochgelegt werden.

Abb. 40. Methode Seitz- Wintz. Abb. 41. Methode Seitz-Wintz. Die 4 Bauch- Die 4 Bauchfelder bei dicken Frauen. und 2 Seitenfelder für die Bestrahlung der Parametrien (gewöhnliche Anordnung).

Bei tiefstehender Portio wendet Wintz ein direktes Vulvafeld an, weist aber besonders auf die sorgfältige Abdeckung der Oberschenkel und der Beine durch Bleigummiauflagen hin.

Bei Frauen mit breitem Becken und starker Fettauflage werden 4 Felder von vorn und 4 Felder von hinten verabreicht. Zwischen die beiden seitlichen Bauch-

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Abb. 42. Methode Seitz-Wintz. Abb. 43. Methode Seitz-Wintz.

Die 4 Bauchfelder und das supra- symplıysäre Die 4 Rückenfelder und das sakrale Mittelfeld zur Feld zur Bestrahlung der Parametrien bei dicken Bestrahlung der Parametrien bei dicken Frauen. Frauen. Das suprasymph. Feld wird nach Das sakrale Mittelfeld wird nach der rechten

der linken Seite konzentriert. Seite konzentriert.

bzw. Rückenfelder, welche etwas zur Seite gedrängt werden, schiebt sich je ein Mittel- feld ein. Das Vulva- und Kokeygealfeld behalten ihre Lage (Abb. 40).

Die Bestrahlung der Parametrien erfolgt in der Regel 7—8 Wochen (früher 5—7 Wochen) nach der Bestrahlung des Primärtumors. Sie läßt sich beimageren und mittelstarken Patienten in einer einzigen Sitzung durchführen. Nur bei Pa- tienten mit starker Fettauflage muß eine Zweiteilung vorgenommen werden. Der Be.

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strahlungsplan sieht 4 Abdominalfelder, 4 Dorsalfelder und 2 seitliche auf der Darmbein- schaufel aufsitzende Felder vor. (Abb. 41). Falls die Bestrahlung einzeitig erfolgt, kommt in Einzelfällen (bei starken Frauen) zu diesen 10 Feldern noch ein 11. und 12. hinzu, welche vorn als suprasymphysäres, hinten als sakrales Mittelfeld zu bezeichnen wären. Das vordere dient zur Einwirkung der Strahlen auf das eine, das hintere zur Einwirkung auf das andere Paranıetrium (Abb. 42 u. 43).

Handelt es sich um starke Patienten mit großem Becken, so werden die Parametrien intermittierend, und zwar zuerst das rechte (um dem Mastdarm noch eine Schonzeit zu gewähren), dann das linke bestrahlt. Als Einfallsfelder werden dazu gewöhnlich 3 vordere und 3 hintere, wobei das vordere und hintere Mittelfeld selbstver- ständlich auf das gleiche Parametrium konzentriert wird, gewählt. Für die genannten beiden Felder besteht übrigens bei dieser Methodik eine erhebliche Gefahr weil sie in Abständen von 6—7 Wochen 3mal mit der vollen Hautdosis belegt werden. Wintz gibt an, daß die Haut eine derartige Schädigung eben noch aushält, aber regelmäßig mit einer Induration reagiere, die 1—2 Jahre anhält. Für die Bestrahlung vom Rücken aus empfiehlt Wintz deshalb bei der Bestrahlung des ersten Parametriums das eigent- liche Sakralfeld, bei der Bestrahlung des zweiten Parametriums das Kokcygealfeld zu verwenden.

Die Seitz-Wintz-Methode hat große Verbreitung gefunden, weil sie nicht nur die erste war, welche schon 1914 in systematischer Weise zur Anwendung kam, sondern weil auch die Primärerfolge wegen des zweifellos schonenden Verfahrens schr beachtlich sind. Manche Röntgentherapeuten, welche der Seitz-Wintzschen Methode ablehnend gegenübergestanden haben, weil sie den „Wettlauf mit dem Karzinom‘, wie er bei der intermittierenden Bestrahlung zweifellos versucht wird, fürchteten, sind zu ihr zurück- gekehrt (Mühlmann).

c) Nachbehandlung.

Die Nachbehandlug nach der Röntgenbestrahlung verdankt gerade Wintz eine systematische Ausgestaltung. Wintz fordert:

1. Ausgleich der gesetzten Schäden;

2. Eliminierung unerwünschter Zerfalls- und Stoffwechselprodukte;

3. Steigerung deı Körperresistenz gegen die neue Erkrankung an Karzinom;

4. die Unterstützung des lokalen Heilungsprozesses.

Die Schäden, welche bei der Röntgenbestrahlung gesetzt werden, sind lokal und all- gemein. Die lokalen Schäden sind eine direkte Folge der Einstrahlung. Die Allgemein- schäden kommen dadurch zustande, daß das Nervensystem, das Blut und der Stoff- wechsel in Mitleidenschaft gezogen werden, sie sind auch darauf zurückzuführen, daß die einschmelzenden Karzinommassen vom Körper resorbiert werden und pathologische Reaktionen auslösen.

Was die rein lokalen Schädigungen betrifft, kommt hier in erster Linie die Haut in Frage. Es wurde wiederholt betont, daß die Haut eine bestimmte Strahlenmenge verträgt, ohne kaum zu reagieren. Sie ist allgemein als Hauterythemdosis bekannt. Wintz weist aber darauf hin, daß eine Dosis unter der Hälfte der genannten genügt, um die Empfindlichkeit der Haut gegen mechanische und thermische Reize sehr zu er- höhen. Das Auflegen von heißen Kompressen, von Eisbeuteln, die Einreibung von Medikamenten, die Bestrahlung mit Höhensonne, mechanische Reibungen oder Druck können sehr erhebliche Hautschädigungen zur Folge haben. Es wird deshalb empfohlen, auf alle diese Dinge aufmerksam zu machen und bewußte Schädigungen prinzipiell zu verbieten. Nicht zu heiße Bäder sind wenige Wochen nach der Bestrahlung gestattet, doch soll nach jedem Bade eine milde Salbe Ungt. leniens eingerieben werden.

Nachbehandlung. Methode Krönig-Friedrich-Opitz 635

Die Schädigungen der Blase sind im allgemeinen nicht erheblich. Hat eine Zy- stitis bestanden, so ist ein besonderes Augenmerk auf ihre Behandlung zu richten, vor allem werden Trinkkuren empfohlen.

Sehr beachtlich ist, was Wintz über die Behandlung des Mastdarmes ausführt. Es wird betont, daß bisweilen der Mastdarm wegen der Ausbreitung des Karzinoms nicht so zu schonen ist, daß die Ulkusbildung vollkommen vermieden wird. In diesen Fällen muß für regelmäßige Stuhlentleerung, für tägliche Ölklistiere evtl. unter Zusatz kleiner Mengen von Perubalsam gesorgt werden. Auch kleine Ragaden sind genau zu beachten, weil sie unter Umständen zu rasch fortschreitenden Phlegmonen und Periproktitiden mit Übergang auf das Beckenbindegewebe führen können.

Der Röntgenkater, der zu einem Teil auf der Resorption von Stoffwechsel- produkten aus dem zerfallenden Gewebe, zum Teil auf einer Labilität des Nervensystems, zum Teil vielleicht auf Störungen des Kochsalzstoffwechsels beruht, kann beschränkt wer- den durch Beruhigung der Patienten vor der Bestrahlung durch Pantopongaben, während der Bestrahlung durch gründliche Entleerung des Darmes, durch Koch- salzeinläufe und vor allem durch die Erlaubnis, bald nach der Bestrahlung etwaszugenießen. Selbst wenn die Patientin die ersten Speisen nicht behält, so kommt sie über den Zustand des Katers schneller hinweg, als wenn sie nüchtern bleibt. Ernst- liche Beachtung bedürfen die Blutschädigungen, vor allem dann, wenn aus äußeren Gründen die Zahl der Felder (die Raumdosis) hat vermehrt werden müssen. Wintz empfiehlt prinzipiell nach der Bestrahlung die Verabreichung hoher Dosen von Arsen und Eisen, dann Aufenthalt in etwa 1000 m Höhe mit Liege- und Luftkur.

Wie erheblich die Resistenz des Körpers gegen die neue Erkrankung (das Rezidiv) gesteigert werden kann, geht daraus hervor, daß die Heilungsziffer für alle die Frauen, welche aus guten Verhältnissen stammen, etwa doppelt so hoch ist als für diejenigen, welche nach der Bestrahlung sich eine Schonung und Pflege nicht gönnen können.

Den lokalen Heilungsprozeß glaubt Wintz besonders dadurch unterstützen zu können, daß er nichts schadet. Probeexzisionen und jedes Vorgehen mit Instrumenten wird im Bereich der Portio möglichst vermieden. Was allein erlaubt ist, sind Spülungen evtl. in Verbindung mit Pulvereinblasungen, um den Ausfluß systematisch zu behandeln.

2. Die Bestrahlungsmethode von Krönig-Friedrich-Opitz.

Die Methode hat 2 oder, wenn man will, 3 Phasen durchgemacht. Krönig, dem wir, in gemeinsamer Arbeit mit Friedrich, wertvolle biologisch-physikalische Grund- lagen in der Strahlentherapie verdanken, hat auf Grund seiner Untersuchungen die sog. Großfeldermethode mit weitem Fokushautabstand und harter Filterung angewendet, weil es sich gezeigt hatte, daß auf diese Weise die Dosis in der Tiefe in der wirkungsvollsten Weise zu steigern war. Zu systematischen Bestrahlungen des Kollum- karzinoms ist Krönig allerdings nicht mehr gekommen. Den Ausbau der Methode hat Opitz mit Friedrich unternommen.

Die nunmehrige Freiburger Methode ist eine kombinierte Radium-Röntgenbestrah- lung und soll deshalb an dieser Stelle nicht eingehend besprochen werden. Prinzipiell aber fordert oder richtiger gesagt: forderte sie:

1. genaue Messung während der Bestrahlung unter Verabreichung einer notwendigen Dosis an der Portio von 150e;

2. einmalige Bestrahlung, welche aber selbst in Verbindung mit der voran- gehenden oder nachfolgenden Bestrahlung mit Radium an keiner wichtigen Stelle des Beckenbindegewebes 300 e überschreiten darf;

636 W. Lahm

.. 3. Abschluß der Bestrahlung bei den prinzipiell in die Klinik aufzunehmenden Kranken innerhalb 8—10 Tagen;

4. Unterstützungder Heilungswirkung der Bindegewebswucherungen in erster Linie durch hyperämisierende Verfahren, Blutinjektion und Proto- plasmaaktivierung.

Wielange Opitz das hier gekennzeichnete Verfahren angewendet hat, steht nicht fest. In systematischer Verfolgung der von ihm vertretenen Auffassung, daß der Erfolg der Strahlentherapie lediglich als ein Eingreifen in den Kampf zwischen den Karzinom - zellen und dem gesunden umgebenden Gewebe und den allgemeinen Schutzkräften des Organismus zugunsten der letzteren aufzufassen sei, bleibt Opitz in der Intensität der Bestrahlung weit zurückhaltender als Wintz und Seitz, d. h.

1. er erstrebt die Allgemeinbehandlung noch stärker als bisher;

2. er führt die Bestrahlungen intermittierend aus;

3. er hält nicht mehr an einer bestimmten Karzinomdosis fest, fürchtet vor allem auch nicht mehr die Reizdosierung, sondern bestrahlt, wartet den klinischen Erfolg ab und bestrahlt noch 2- oder 3mal nach,

Auf die Technik als solche wird kein sehr großer Wert mehr gelegt. Bauch- und Rückenfelder sind je 20 X 20 cm groß und liegen in 50 cm Abstand vom Fokus der Röhre. Härte der Strahlung ca. u 0,150, Intensität 2—4 Milliampere. Eine Hautreaktion wird möglichst ganz vermieden, selbst das Erythem ersten Grades.

"Kachektische Patientinnen müssen in ihrem Allgemeinbefinden zuerst erheblich gebessert werden, ehe die Bestrahlung Zweck hat und angewendet wird.

Die Methode von Opitz-Friedrich, von der man nicht gerade behaupten kann, daß sie in enge Fesseln geschlossen ist, welche aber den technischen und biologischen Bedürfnissen zweifellos weitgehend entgegenkommt, hat bisher wenig Verbreitung ge- funden, was wohl besonders damit zusammenhängt, daß die Messung der Strahlen nach „e€“ nicht Allgemeingut, sondern ein Privilegium für Freiburg ist!). Im übrigen hat die Methode bisher noch nicht die Feuerprobe bestanden, d. h. es wird zwar über ihre be- achtlichen Anfangserfolge berichtet, wie sich aber die Dauerheilungen verhalten und nur diese besitzen einen wirklich entscheidenden Wert —, kann neute noch nicht gesagt werden.

3. Die Bestrahlungsmethode Dessauer-Warnekros.

Die genannte Methode ist aus einer Vielfelderbestrahlung entstanden. Warnekros verwendete zur Bestrahlung des Uteruskarzinoms ursprünglich 4 Bauch- und 4 Rückenfelder, doch gelang es ihm damit nur dann Erfolge zu erzielen, wenn am Schnittpunkt der Strablenkegel etwa die volle Hautdosis erreicht wurde und wenn das Karzinom den primären Sitz noch nicht überschritten hatte. Das erstere war ein physikalisches Problem und hing mit der Durchdringungsfähigkeit der Strahlen und der Dicke der Patienten zusammen: das letztere gilt kaum je für das Kollumkarzinon, häufiger dagegen für das Korpuskarzinom. Der Mißerfolg beim nicht engbegrenzten Karzinom wurde von Warnekros auf die ungenügende Bestrahlung des l,ymphgebietes im Becken zurückgeführt.

Um nun das ganze Ausbreitungsgebiet des Uteruskarzinoms homogen zu durch- strahlen, wurde aus der Achtfelderbestrahlung in der Berliner Frauenklinik ein Ver- fahren ausgebildet, welches seitdem als die Dessauer-Warnekros-Homogen- bestrahlung bekannt ist.

D Nach Opitz ist 150e = leichtes Erythem (E.D. = Entzündungsdosis), 30 Ve = T.D. = töd- liche Dosis der Haut(epithelien ?).

Methode Dessauer-Warnekros 637

Von 4 Großfeldern vom Bauch, vom Rücken und von beiden Seiten werden die Strahlen in die Tiefe geschickt. Durch Überkreuzung und Strahlensummation entsteht dadurch eine homogene Durchstrahlung des Körpers mit Schwankungen von höchstens + 15%, (s. das Schema der Abb. 44).

Die Einstellung der Felder geschieht bei der Dessauer-Warnekrosschen Me- thode mit einem besonderen Gerät (Abb. 32), welches die Form einer Brücke hat und eine Verschiebung der Röhre nach drei Richtungen hin gestattet. Auf dem Bestrahlungs- tische kann das ganze Gerät in der Längsrichtung verschoben werden; Hebung und Sen- kung ermöglicht eine Einrichtung an den senkrechten Teilen der Brücke; die Röhre selbst kann auf der Brücke nach links und rechts bewegt werden. Nachdem die Röhre im Gerät genau zentriert ist, wird zwischen Fokus und Haut eine Blende eingelegt, welche je nach dem Abstande von der Haut ein verschieden großes Feld auf derselben

Abb. 44. Homogendurchstrahlung des Beckens nach Warnekros- Dessauer. Durch 4 Einfallsfelder Bauch, Rücken, 2 Seiten wird diese Homogenität erzielt,

umgrenzt. Die genaue Fixierung der Feldgröße gelingt leicht durch ein besonderes Ein- stellgerät.

Das Bauchfeld wird in Rückenlage, das Rückenfeld in Bauchlage der Patientinnen verabreicht. Die Seitenfelder sind nur zu geben, wenn die Frauen auf der Seite liegen. Eine Fixierung des Körpers erfolgt dabei durch die 4 Haltestützen, welche an dem Gerät angebracht sind. Es ist kein Zweifel, daß die Seitenlage immer etwas unbequem ist und auch nur schwer während der ziemlich langen Bestrahlung festgehalten werden kann. Kleine Verschiebungen des Körpers bedingen es aber, daß sich die Zentralstrahlen nicht mehr genau in der Mitte des Körpers vereinigen, was eine Verschlechterung der Homogen- durchstrahlung im Organismus bedeutet.

Die Bestrahlung geschieht prinzipiell nur einmal, die Belastung der Haut erfolgt auf allen Feldern bis zur vollen Erythemdosis. Die gesamte Bestrahlungszeit beträgt etwa 6 Stunden.

Als Betriebsbedingungen gibt Warnekros an: 200 K.V. am Intensivreform- apparat Filter 0,8 Cu + 1 Al., Stromstärke 2 Milliampere, Feldgröße am Bauch und Rücken 18 x 24, auf den beiden Seiten 9 X 12cm. (H.E.D. ca. 100 R.)

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Außer der Bestrahlung hat Warnekros eine große Reihe von Mitteln versucht, um den Körper im Kampf gegen das Karzinom zu unterstützen. Als typisch für die Warnekrossche Methode gilt die Einverleibung von Serum und die Bluttrans- fusion, welch letztere von außerordentlichem Vorteil gewesen ist. Man darf daraus vielleicht schließen, daß die Bestrahlung als solche sehr eingreifend ist, was aus dem riesigen Gebiet, welches mit Strahlen durchsetzt wird, ohne weiteres einleuchtet.

Außer der Bluttransfusion hat Warnekros Injektionen von Arsen, Neosal- varsan, Tumoremulsion und Thymusextrakt vorgenommen und vor allem bei der Arsenbehandlung über bisweilen auffallende Erfolge berichten können. Er weist darauf hin, daß nur insofern bei der Arsen- oder Neosalvarsanverabreichung Vorsicht geboten sei, als sowohl die Haut als auch der Darm eine gewisse Überempfindlichkeit nach der Injektion aufweisen können.

Der Dessauer-Warnekrosschen Methode ähnliche Verfahren haben Pan- kow und Borell, v. Jaschke und Siegel ausgebildet. Beachtenswert ist bei den letztgenannten Autoren besonders die Art der Dosierung. Von den Erfahrungen der Erlanger und Freiburger Klinik ausgehend, daß die Ovarialdosis etwa 34% der H.E.D. beträgt, haben sie experimentell die Zeit bestimmt, welche zur Erreichung der Ovarial- dosis von 2 Großfeldern aus Bauch und Rücken bei einem Abstand von 50 cm Fokushaut notwendig ist. Nachdem dieser Wert festgelegt war, verabreichten sie die Karzinomdosis mit der Voraussetzung, daß dieselbe etwa 3mal so groß ist wie die Ovarial- . dosis. Sie bestrahlten dementsprechend bei Betriebsbedingungen, welche hinter denjenigen von Berlin und Erlangen allerdings zurückstehen ca. 8—10 Stunden lang jedes Feld.

4. Die Bestrahlungsinethode von Martius.

Martius gibt von seiner Methode an, daß sie ein Mittelding zwischen Erlangen und Freiburg sei. Ich möchte fast glauben, daß sie mehr in der Mitte zwischen der Ber- liner und der Erlanger Methode steht. Martius will jedenfalls die außerordentlich wich- tigen Streustrahlen für die Vergrößerung der Tiefendosis ausnutzen, verlangt aber anderseits eine weitgehende Schonung des Gewebes im kleinen Becken. Als praktische Folgerung ergibt sich daraus, daß die Strahlenfelder mittelgroß sind. Außerdem ändert Martius seine Methode etwas, je nachdem, ob es sich um operable oder nicht- operable Karzinome handelt, d. h. er verwendet kleine Strahlenfelder, wenn der Krebs auf den primären Tumorsitz beschränkt ist, er vergrößert die Felder, wenn seine stärkere Ilymphatische Ausbreitung anzunehmen ist.

Die Einteilung der Felder bei Martius geschieht in folgender Weise:

1. ein Bauchfeld, 15 x 15cm groß, 30cm Fokushautabstand ohne Tubus; oder falls das Karzinom cin operables oder ein Greszfall ist mit dem sog. anato- mischen Bauchtubus (s. Abb. 45) mit 155 qem Feldgröße und 23cm Fokushautab- stand. Bei der Bestrahlung mit dem Tubus wird eine möglichst weitgehende Kompres- sion ausgeübt;

2. ein Rückenfeld, 15 X 15cm, welches über dem Kreuzbein liegt und sich beinwärts etwas verschmälert, um dort genügend Platz zu schaffen für die nächsten Felder, nämlich die

3. zwei Glutaealfelder, welche links und rechts dem Sakralfeld unter Verwendung des anatomischen Tubus von Seitz-Wintz (Abb. 46) angesetzt und in der Richtung nach der Portio zentriert werden;

4. ein Vulva-Dammfeld, welches ebenfalls mit dem anatomischen Tubus von Seitz verabreicht wird, und zwar so, daß die Spitze des Tubus an der Symiphyse liegt.

Die Einstellung der Felder geschieht zum Teil mit einen eigens konstruierten

Methoden von Martius und Lahm 639

Beckenzirkel, welcher vor allem die Tiefenbestimmung der Portio sehr genau festzustellen gestattet, und durch das Augenmaß.

Als Betriebsbedingungen gibt Martius eine Strahlung von u =: 0,149 an, welche beim Intensiv- oder Neointensivreformapparat mit 1,0 mm Zink- und 1,0 mm Al.-Filte- rung erreicht wird. - Intensität 2—4 Milliampere, H.E.D. bei 30 cm Abstand 76 bzw. 35 Minuten (= 435 R).

Die Methode von Martius ist in dieser Ausführlichkeit wohl zum ersten Male im Handbuch für die gesamte medizinische Anwendung der Elektrizität beschrieben; ob sie sonst noch verwendet wird, ist dem Verfasser nicht bekannt. Sie wird möglichst prinzipiell mit einer Radiumbestrahlung kombiniert. Nach Abschluß der 1. Bestrahlung erfolgt 10 Tage später eine 2., und zwar mit Radium allein, wobei ein langgestrecktes Radiumpräparat verwendet wird. Nach 6 Wochen erfolgt die 3. Bestrahlnng, welche wiederum mit Radium allein geschieht und so dosiert wird, daß alle Radiumbestrahlun- gen zusammen (1., 2. und 3.) etwa 6000 Milligrammstunden erreichen (s. S. 649).

Abb. 45. Methode Martius. Sog. „anato- Abb. 46. Tubus nach Seitz-Wintz. Sog. mischer Bauchtubus‘“ für ein einziges Bauch- „anatomischer Tubus‘ (halbes Bauchfeld). feld; Fläche 185 qcm. Fläche ca. 90 qem.

5. Die eigene Methode.

Die Röntgenbestrahlung, wie sie in der Frauenklinik Dresden durchgeführt wurde, ist stets eine kombinierte Radium-Röntgenbestrahlung gewesen. Sie soll daher an jener Stelle noch einmal eine Würdigung erfahren.

Auch unsere Bestrahlungsmethode hat gewechselt. Anfänglich ganz an die Dessauer- Warnekrossche Methode angelehnt, zeichnete sie sich dieser gegenüber nur dadurch aus, daß sie in der Höhe der Dosis weit hinter jener zurückblieb!). Während Warnekros in der Intensität bis zur Hautmaximaldosis ging Blasenbildung —, überschritten wir die einfache Hautdosis höchstens in Ausnahmefällen (dicke Frauen).

Trotzdem haben wir bei längerer Beobachtung unseres Materials an dieser Methode nicht festhalten können, weil die Schädigungen des Allgemeinbefindens doch erheblich waren. Es kam hinzu, daß wir uns nicht mit der einmaligen Bestrahlungs- serie begnügten, sondern nach etwa 3 Monaten eine 2. Serie und oftmals nach 5 bie 6 Monaten noch eine 3. Serie anschlossen. Diese 2- und 3malige Bestrahlung hat sich bezüglich des Dauererfolges gut bewährt (von vorläufig Geheilten wurden 5% durch einmalige Bestrahlung, 84%, durch 2- und 3malige Bestrahlung von ihrem Karzinom befreit), doch wuchs die Gefahr der Schädigungen um so mehr, je öfter die Haut mit der H.E.D. belastet wurde. Erschwerend fiel dabei ins Gewicht, daß wir aus äußeren Grün-

1) Nach den Messungen von Martius (l. c. S. 568) ist das vielleicht nur bedingt richtig, da für die Berliner Frauenklinik die H.E.D. (neuerdings!) mit 820 R angegeben wird und wir selbst gegen 1000 R gemessen haben Nach der Hautreaktion zu urteilen, hat aber Berlin früher wohl höher dosiert (s. S. 637).

640 W. Lahm

den kaum je einmal die 2. und 3. Bestrahlung mit Radium kombinieren konnten, so daß die Erreichung der notwendigen Dosis in der Mitte des Beckens mit er- heblichen Dosierungsschwierigkeiten und selbstverständlich auch mit Gefahren ver- bunden war.

Seit einigen Monaten sind wir deshalb zu einer kombinierten Mittel- und Groß- feldbestrahlung übergegangen, deren Anwendung und Einstellung durch mein mit Schaarschmidt zusammen konstruiertes Bestrahlungsgerät (s. S. 624) besonders erleichtert wird. Es werden gegeben 4 Felder vom Bauch mit je 10 X 10cm Flächeninhalt und 30 cm Fokushautabstand 1 Feld Rücken ,, 18 X 18 ,, ai vr. St. s Die vorderen Felder werden mit ca. 90%, der H.E.D. dosiert, auf das hintere Feld geben wir 50—60%,, je nach der Dicke der Patientin.

Die Durchstrahlung des ganzen Beckens ist zweifellos gut. Das Rückenfeld bekommt, um die Strahlenausbreitung noch etwas zu verbessern, evtl. eine kegelförmige Paraffin- auflagerung, wie ich sie anderen Ortes beschrieben habe!). Es wird damit erreicht, daß selbst in größerer Tiefe der seitliche Abfall der Intensität im Strahlenkegel vermieden wird, weil die Intensität des Zentralstrahles von Anfang an eine erhebliche Herabminde- rung erfährt (ca. 15%).

Über unsere Betriebsbedingungen ist folgendes zu sagen: am Intensivreformapparat verwenden wir 180 K.V., 2,5 M.A., 0,5—0,8 Cu + 1 Al., u = 0,160 —0,149, H.E.D. in 70—90 Minuten (= 1100 R); neuerdings 600 R.

Am Radio-Silexapparat 90 K.V. (effektiv), 8,0 M.A., 0,5—0,8 Cu + 1 Al, a = 0,166—0,156, H.E.D. in 32—48 Minuten (= 100 R); neuerdings 600 R.

Da Meßresultate vom Radio-Silex bisher nur sehr spärlich vorliegen, so möchte ich an dieser Stelle ganz kurz unsere Erfahrungen mitteilen.

Meßresultate am Radio-Silex.

Bei unseren Messungen gingen wir von dem Volumen der durchstralilten Masse (Gewebe, Wasser) aus und bezogen alle Werte (s. Tabelle 32) auf das Volumen, welches bei 25 cm Fokushautabstand und 2 x 3cm Feldgıröße durchstrahlt wird (= 240 cem = 14 Liter).

Tabelle 22. Durchstrahltes Volumen.

Feldgröße

10 x 15cm 20 x 20 cm

| 8,5 | 13,8 26,5 | d 8 13 25 67 6,8 11,0 21,0 57 6,0 9,6 19,0 50 5,5 8,9 | 17,0 | 46 5,1 8,3 16,0 43 47 7,7 14,8 | 40 4,5 7,4 14,2 | 38

Man erkennt hieraus. wie das bestrahlte Volumen mit zunehmendem Abstand abnimmt, was für die Streustrahlung und damit für den Dosenquotienten, aber auch für die Zahl der erlaubten Felder von Wichtigkeit ist; auf ein Volum von 50—60 (= 7a nach Wintz) kann man gehen ?).

1) Röntgenbehandlung der gutartigen Genitalerkrankungen. Keim u. Nemnich, Frankfurt 1924.

2) Man erkennt sofort, daß die Dessauer-Warnekrossche Methode, welche 2 Felder von 20 x 20cm Größe und 2 von ca. 10 x 10 cm Größe gibt, „räumlich“ stark überdosiert; sie erreicht ca. 140 Einheiten.

Meßergebnisse am Radio-Silex 641

Tabelle 23. Prozentuale Tiefendosen in 10 cm Wasser.

| | 17,5 | 19,0 | 19,8 21,3 23,2 24,2 26,7 | 283 | 30,4 | 326 | 345 | 371

80 313 | 329 | 352 | 382 | 401 | 429 | | 35,2 | 36,6 | 39,4 | 42,9 | 446 | 481

1 17,0 | 182 | 18,5 | 179 | 193 | 20,4 | 21,8 | 23,5 ETEETEE 24,9

8 25,8 | 27,7 | 29,0 | 27,5 | 294 32,0 | 336 | 35,9 | 39,0

90 25 30,3 | 321 34,0 | 32,3 | 343 | 751 39,4 as | 457 67 34,0 | 36,3 | 37,9 | 36,3 | 38,3 | 41,9 | 442 asg | 467 | Li 46,7 | 511

1 17,5 | 186 19,1 18,2 | 19,7 | 21.2 22,2 | 222 | 240 | 25,8 24,0 | 25,8

8 26,8 | 29,2 | 30,5 | 28,2 | 30,8 | 33,7 | 344 | 376 | 411

95 25 31,4 | 341 ' 36,0 | 33,3 ! 36,1 | 39,7 | 40,6 | 44,0 | 48,4 67 | 35,4 | 38,4 | 40,7 | 37,4 | 40,6 | 449 | 45,6 | 495 547

Unter wechselnden Bedingungen gemessen, ergab sich nun folgendes Bild für die prozentualen Tiefendosen (Tabelle 23). Dabei ist zu bemerken, daß das Phantom, an welchem die Messungen statt- fanden, den Körperformen angepaßt war (Holzgefäß mit Wasser gefüllt).

Die Anwendung der Tabellen ergibt sich leicht für die festgelegten Abstände und Volumina. Aber auch die Werte für beliebige Feldgrößen kann man leicht, wenigstens angenähert, ablesen.

Wenn z. B. die prozentuale Tiefendosis eines Feldes von 10 x 10cm bei 30 cm Fokushaut- distanz und 0,8 Cu gesucht wird, so liegt seine Volumgröße etwa zwischen 8 x 10 = 13,0 und 10 x 15 = 25; Mittelzahl ca. 17 oder 18 (genau 17,1) und seine Dosis (Tabelle 23) bei etwa 30,0.

Messungen an dem Bestrahlungsgerät haben ergeben, daß die Tiefendosis eines der schräg gestellten, nach der Portio hin gerichteten Felder nur ca. 20%, beträgt, weil erstens die Strahlen auf das planierte Feld schräg einfallen, zweitens weil der Abstand bis zur Portio nicht 10, sondern ca. 12—12,5 cm (und mehr) beträgt. Dafür konnte aber wieder durch iontoquantimetrische Messungen festgestellt werden, daß überall im Becken an der Beckenwand und an den iliakalen Drüsen bei Verabreichung aller 4 Felder mindestens 8% der H E D. erreicht werden. Durch das Rückenfeld von 15 X 15 oder 18 x 18cm Größe (Volumet 25—50) gelingt es mit 50%, der H.E.D. bei 30 cm Ab- stand leicht, 17%, in die Tiefe zu bringen. Zusammen mit dem Radium belastet diese Dosis zweifellos das Beckenbindegewebe genügend. Die Volumdosis beträgt ca. 60—75.

Die angegebenen Bestrahlungen werden wiederholt, und zwar nur mit Röntgen- strahlen. Die erste Nachbestrahlung erfolgt nach etwa 6 Wochen. Die Filterung wird bei dieser 2. Bestrahlung in der Regel höher festgesetzt als wie bei der ersten, oft mit 1,3 Cu + 1 Al. Sie ist bisher fast nur am Radio-Silexapparat möglich gewesen wegen der sehr viel kürzeren Erythemzeit, welche bei ihm erzielt werden kann. Eine 2. Wiederholung der Nachbestrahlung findet nicht prınzipiell statt, doch haben wir sie gelegentlich 3 Monate nach der 1. Wiederholung vorgenommen. Die genaue Aufnahme des klinischen Befundes und die Beachtung der Änderung an der Haut entscheiden über die 3. Bestrahlung.

6. Kritik und Ausschau.

Wenn man die Verfahren betrachtet, welche in vorstehendem besprochen worden sind, so kommt man zu dem Schluß, daß in der Technik wirklich noch nicht alles so ist, wie es sein sollte. Wenn es möglich ist, daß zur Behandlung des Kollumkarzinoms 5 Methoden ungerechnet die unzähligen Modifikationen, welche da und dort geübt

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd.I 41

642 W. Lahm

werden in Gebrauch sind, so geht mir Sicherheit daraus hervor, daß die Methode der Karzinombestrahlung noch nicht gefunden ist. Physikalisch, glaube ich, ist die Technik am Ende; biologisch aber hat sie noch viel zu lernen. Wenn wir auch hier nicht auf Einzelheiten eingehen können, so geht doch allein aus dem Wechsel der Methoden hervor, daß einige Forderungen prinzipiell aufzustellen sind, andere, deren Prinzip bisher mehr oder minder anerkannt waren, vernachlässigt werden können.

1. Jede Methode sei eingreifend, aber schonend. Schwache Dosierung erreicht bei der Röntgenbestrahlung zweifellos nichts, zu große Raumdosis schädigt aber unbedingt den Erfolg. Ich bin nicht davon überzeugt, daß die Opitzsche Methode trotz gewisser Vorzüge, die sie hat, auf die Dauer befriedigen wird (Volumdosis!). Ich kenne sehr wohl die Fälle mit glänzendem Primärerfolg nach relativ kleinen Dosen, vielleicht durch Arsen oder Salvarsan unterstützt, aber wie die Dauer- erfolge sein werden, danach darf man nicht fragen. Gewiß werden mir manche Autoren auch Opitz entgegenhalten, daß die Krebskrankheit bisweilen eine allgemeine Er- krankung sei, die auch dann wieder zum Ausbruch komme, wenn das lokale Leiden geheilt sei. Aber de facto fehlt einer solehen Behauptung noch der wissenschaftliche Beweis. Nach wie vor müssen wir daran festhalten, daß allgemein konstitu- tionelle Merkmale für die Karzinomkrankheit nicht bekannt sind, daß der Krebs vielmehr ein lokales Leiden aus lokaler Ursache ist (Lahm).

2. Der Begriff der Karzinomdosis mit 100 oder 110% ist zu streichen. Schon 1920 habe ich gelegentlich des Kehrerschen Referates auf dem Gynäkologen- kongreß in Berlin darauf hingewiesen, daß die Karzinomdosis für Radium in enormen Grenzen Seitz sagte damals zwischen 33 und 660% (!) der H.E.D. schwankt. Jetzt haben es Sippel und Jäckel in ganz nüchternen Worten ausgesprochen, daß man 4 Stufen der Empfindlichkeit unterscheiden muß:

a) Tumoren hoher Sensibilität, welche auf 1/,—?/, Erythemdosis reagieren;

b) solche mittlerer Sensibilität, welche schon auf eine Strahlenmenge an- sprechen, die der Erythemdosis entspricht;

c) Geschwülste von geringer Sensibilität, welche sich noch durch hohe von 11/, und mehr Erythemdosen beeinflussen lassen;

d) Tumoren mit völlig refraktärem Verhalten.

Angesichts solcher Beobachtungen kann an der einheitlichen Karzinomdosis nicht

mehr festgehalten werden. Ja, es ist sogar zweifelhaft, ob die Dosisstufe im Sinne von Holzknecht beim Karzinom eine Berechtigung behalten wird. Und trotzdem betone ich: Jede Karzinombestrahlung, welche unter der erlaubten Dosis, unter der Toleranzdosis des Gewebes bleibt, ist verfehlt. Zwar darf die Einzelbestrah- lung auf ca. 60—70% der H.E.D. sehr wohl herabgesetzt werden, aber nur wenn dabei ausdrücklich vermerkt ist, daß dies einen Anfang bedeutet, der ohne Fortsetzung ein Nichts bedeutet (H.E.D. mit ca. 800—1000 R angenommen!). 8. Die Karzinombestrahlung allein ist ein Versuch mit untauglichen Mitteln. Sie ist vielmehr als ein Teil vom Ganzen zu betrachten und muß mit einer wohlüberlegten Vor- und Nachbehandlung vereinigt werden. Ich habe seinerzeit darauf hingewiesen und habe auch in der Einleitung davon gesprochen, daß es sehr wert- voll für die Strahlenbehandlung des Karzinonıs ist, wenn wir oe Vorgänge der Spontan- heilung genau verfolgen. In diesem Sinne sind die Untersuchungen von Caspari, Opitz, Theilhaber, Hätten u. a. sehr zu begrüßen. Ebenso muß bis zur äußersten Konsequenz jeder Weg verfolgt werden, der sich uns durch therapeutische Erfahrungen oder durch Zufall eröffnet.

Grundprinzipien. Postoperative Bestrahlung 643

4. Die extrem-exakten (dabei ist es sehr fraglich, ob der Ausdruck „exakt“ überhaupt erlaubt ist) physikalischen Methoden und Überlegungen schalten aus der Therapie des Kollumkarzinoms aus. Mag auch immer noch da und dort die Behauptung aufgestellt werden (Rahm), daß erst die exakte homogene Durchstrah- lung des Gewebes uns das letzte Wort zur Strahlenempfindlichkeit in den Mund geben wird, so ist darauf hinzuweisen, daß wir durch genügende Erfahrungen auf dem Experi- mentiertisch und durch traurige Resultate unserer Karzinomstatistik über die Empfind- lichkeit des Karzinoms auf der einen Seite und den Wert der extremen Homogenbestrah- lung auf der anderen Seite völlig ausreichend orientiert sind. Hier kann die ärztliche Kunst nicht um der reinen Wissenschaft willen zu Tode gehetzt werden.

Anhang.

Die postoperative Nachbestrahlung und die kombinierte Radium-Röntgenbehandlung.

A.

Als postoperative Nachbestrahlung oder auch als prophylaktische Nach- bestrahlung bezeichnet man die Anwendung der Aktinotherapie als Adjuvans der operativen Karzinombehandlung. Die Operation wird also und soll auch so durch- geführt werden, als ob sie allein die Heilung des Karzinoms erzielen sollte. Sie braucht zwar nicht in so radikaler Weise vorgenommen zu werden, daß die Operations- mortalität ansteigt, aber es soll nicht der Wirkung der nachfolgenden Bestrahlung gar zuviel überlassen werden (H. Meyer).

Als Mittel für die prophylaktische Nachbestrahlung kommen in Frage das Radium (Mesothorium, Emanation) und die Röntgenstrahlen.

Die Anwendung des Radiums bringt erhebliche Gefahren mit sich, weil durch die Entfernung des Uterus Blase und Mastdarm dem eingelegten Radiumpräparat fast schutzlos preisgegeben sind. Das hat natürlich mit der Wirkung der Radiumstrahlen an sich nichts zu tun, welche zweifellos von ausgezeichneter Wirkung auch bei der postoperativen Bestrahlung sind. Besonders Adler verfügt in dieser Hinsicht über größere Erfahrungen. Er hat ursprünglich etwa 40—50 mg Radiumelement 12 Stunden lang in den vaginalen Blindsack eingelegt und dabei beobachtet, daß die Dauerheilungsziffer von 42 auf 54,5%, anstieg. Erkauft wurden diese Erfolge allerdings durch eine beträcht- liche Anzahl von Fisteln, an welchen einige der Frauen, ohne daß ein Karzinomrezidiv eingetreten war, zugrunde gingen. Adler hat deshalb, nachdem er die Dosıs vorübergehen vermindert hatte, das Radium nicht mehr in den vaginalen Blindsack, sondern, sofort an die Operation anschließend, in die Parametrien nahe der seitlichen Beckenwand eingelegt. Das einzige Organ, das bei dieser Methode einer besonderen Schonung bedurfte, war der Ureter, welcher leicht durch Gaze abgedrängt und geschützt werden kann. Auch Warnekros, Benthin und Döderlein haben vorübergehend das Radium zur postoperativen Bestrahlung verwendet, sie sind aber alle wegen der Gefahr der Fistelbildung davon abgekommen.

Bei der Anwendung der Röntgenstrahlen im Sinne der prophylaktischen Nachbestrahlung sind eine ganze Reihe von Fragen zu beantworten, welche für die Tech- nik und Dosierung von Wichtigkeit sind. Als 1. Frage tritt an uns heran, wann die Nachbestrahlung einsetzen soll. Darüber gibt es keine bestimmt festgelegten Richtlinien, und zahlreiche Autoren haben diese Frage in ihren Arbeiten entweder gar nicht erwähnt oder als mehr oder minder nebensächliche Angelegenheit behandelt. Adler legt, wie

41*

644 W. Lahm

wir bereits gehört haben, das Radium unmittelbar nach der Operation ein; Strauß und H. Meyer sind ebenso für möglichste sofortige Nachbestrahlung nach der Operation. Selbstverständlich vergehen in der Regel 12—15 Tage, ehe die Bestrahlung aus äußeren und technischen Gründen vorgenommen werden kann. Auch glaube ich nicht, daß ein Zuwarten bis etwa zur 3. oder gar 4. Woche bezüglich der Resultate einen Nachteil wird erkennen lassen. Winter führt seine Fälle 3 Wochen nach der Operation der Be- strahlung zu. Zacherl-Lundwall beginnen 6—8 Wochen nach der Operation mit der Bestrahlung, doch führen sie dieselbe etwa 5 Jahre lang (!) hindurch fort. Warnekros gibt keine bestimmten Angaben, er bestellt offenbar die Patienten nach der Entlassung wieder und bestrahlt, sobald sie erscheinen. Das Wiederkommen hängt sehr oft mit der völligen Erholung der Patienten zusammen, und nicht selten wird es sein, daß die Er- holung nach der Operation so gut ist, daß die Frauen das Wiederkommen vergessen, bis das Rezidiv sich bemerkbar macht. Es scheint also dringend empfehlenswert, die (erste) prophylaktische Nachbestrahlung noch während des Klinik- aufenthaltes vorzunehmen.

Die 2. Frage, welche bei der postoperativen Bestrahlung beantwortet werden muß, ist die der Röntgentechnik. Einen scharf abgegrenzten Tumor, auf den die Strahlen- bündel zu richten wären, besitzen wir nicht mehr, wir können nur theoretisch von der Vorstellung ausgehen, daß die gefährdetste Stelle für das Rezidiv die vaginale Narbe und vielleicht das vaginale Lymphgefäßsystem ist. Anderseits muß aber stets damit gerechnet werden, daß auch die Lymphdrüsen am Beckenrande bereits karzinomatös erkrankt sind. Es scheint unter dieser Voraussetzung die extrem homogene Durch- strahlung des Beckens, wie sie von Warnekros und Dessauer durchgeführt worden ist, die Methode der Wahl zu sein. Wenn wir aber anderseits berücksichtigen, daß die Schädigungen des Gesamtorganismus durch die ungeheure Menge der absorbierten Strahlung gerade bei der Dessauer-Warnekros-Methode schädliche Folgen haben kann, so werden wir doch einer anderen Methode den Vorzug geben. In erster Linie kommt hier wiederum die Seitz-Wintzsche Methode in Frage, welche mit ihrer Kon- zentrierung auf den Scheidenstumpf während der ersten Serie und mit ihrer Wiederholung der Beckendurchstrahlung in zwei weiteren Serien außerordentliche Vorzüge in Bezug auf schonende und doch eingreifende Behandlung besitzt. Selbstverständlich können auch Großfeldermethoden, wie sie v. Jaschke und Siegel oder Martius angegeben haben, Verwendung finden. Ich selbst habe in meiner Methode der post- operativen Nachbestrahlung gewechselt oder wechsele sogar während der einzelnen Serien. Das eine, glaube ich, muß scharf betont werden, daß die postoperative Nachbestrah- lung nicht eine einzeitige sein soll, sondern serienweise zu erfolgen hat. Dann kann man sehr wohl in der ersten Serie eine Zweifeldermethode anwenden, in der 2. und 3. Serie aber mit größeren Bauch- und Rückenfeldern bestrahlen. In neuerer Zeit, habe ich wiederholt die prophylaktische Nachbestrahlung im Interesse der homogenen Durchstrahlung des Beckens so vorgenommen, daß 2 Bauchfelder von je 10 x 20 cm Größe längs auf den Bauch angeordnet wurden (links und rechts von der Operationsnarbe), während 2 Rückenfelder quer eingelegt wurden (Abb. 47). Die Bauch- und Rückenfelder überkreuzen sich also gewissermaßen, was für die gleichmäßige Durchstrahlung des Beckens sicher ein Vorzug ist. Bezüglich der Dosis (auf welche wir gleich noch eingehen werden) genügen die 4 Felder stets, wenn die Patientin nicht über 20 cm dick ist; ist sie stärker, muß man ein Vulvafeld zur Hilfe nehmen.

Wie stark soll die Dosierung sein ? lautet die dritte und letzte Frage. Die ersten Erfolge der postoperativen Nachbestrahlung wurden erzielt zu einer Zeit, als die Röntgen- technik noch recht in ihren Anfängen stand. Es kann also keine Rede davon sein, daß

Technik und Dosis 645

zu dieser Zeit eine Intensivbestrahlung stattgefunden hat. Wenn somit Gauß und Warnekros über Erfolge der prophylaktischen Bestrahlung aus den Jahren 1911— 1914 berichten, so ist es außerordentlich schwer, sich eine Vorstellung von den verabreichten Dosen zu machen. Es kommt hinzu, daß die Beobachtungen beim Mammakarzinom durch die Chirurgen dafür sprechen, daß nicht die (extreme) Intensivbestrahlung, sondern die verzettelte Bestrahlung mit schwächeren Dosen für den Heilerfolg wertvoller ist. Mit theoretischen Gründen ist dieser Anschauung schwer beizukommen, wie denn über- haupt die Frage der Rezidivbehandlung durch die Bestrahlung alles weniger als geklärt ist. Wir wissen heute kaum etwas über die Rezidivgenese nach der Karzinomoperation. Teilweise glaubt man, daß es Karzinomzellen sind, welche sich in dem Granulations- gewebe der Narbe festsetzen (Blumental). Auch hat man die Anschauung vertreten, daß Bezirke in der Nachbarschaft des ursprünglichen Karzinomsitzes schon zur Zeit der Operation präkanzeröse Veränderungen aufgewiesen hätten, welche nun Ausgangs- punkt für das neu sich entwickelnde Karzinom würden. Und endlich ist behauptet wor- den, daß in vielen Fällen die lokale Krebserkrankung nur der Ausdruck einer allgemeinen Disposition sei, die auch dann noch zur Wirkung komme, wenn der Karzınomherd durch

\ Abb. 47. Postoperative Nachbestrahlung. Gekreuzte Bauch- und Rückenfelder (Lah m).

die Operation entfernt sei. Über den Wert einer Hypothese sind diese Anschauungen bisher nicht herausgekommen, und es lohnte sich sowohl hier experimentell als auch am überlebenden Gewebe der Rezidivbildung besonders nachzugehen. Solange wir über die Genese der Rezidive nichts Genaueres wissen, müssen wir aber für die postoperative Bestrahlung die volle Karzinomdosis zur Anwendung bringen, ein Standpunkt, den ich mit Wintz, Seitz, Giesecke, Warnekros und Martius teile. Noch einmal mag dabei betont werden, daß es nicht die einzeitige Bestrahlung ist, welche ich empfehlen möchte, sondern die serienweise Bestrahlung. Im übrigen gilt alles das, was wir früher über die Röntgenbestrahlung des Kollumkarzinoms ausgeführt haben. Die Dosis darf im Becken an keiner Stelle die Toleranzdosis des Gewebes überschreiten und soll auch so angelegt sein, daß die Raumdosis innerhalb erlaubter Grenzen bleibt. Den Standpunkt von Strauß und Zacherl, wonach nur etwa ?/, der sonst üblichen Dosis gegeben werden soll, kann ich nicht teilen. Zacherl bestrahlt ja 5 Jahre lang (!) anfänglich mit 2, später mit 3 und zuletzt mit Gmonatigen Pausen und verabreicht dabei Dosen, die weit über die hinausgehen, welche wir bisher angewendet haben; und Strauß stützt sich bei seiner Angabe der ?/, H KD offenbar auf Anschütz, der seine Dosen aber nur geschätzt hat, was vielleicht doch zu erheblichen Fehlern geführt haben könnte (H. Meyer).

Was nun die Erfolge der postoperativen Nachbestrahlung betrifft, so sind sie mit großer Kritik und Zurückhaltung zu beurteilen. Gauß hat seinerzeit berichtet, daß er

646 W. Lahm

64 Fälle proplhıylaktisch nach der Operation bestrahlt hahe, davon 43 Fälle mit ungefil- terter Strahlung! Von diesen 43 Frauen sind 24 an Karzinom gestorben, von den übrigen konnte eine Nachricht nicht erlangt werden. Von den 21 Fällen, welche mit gefilterter Strahlung behandelt worden waren, sind 20 nachweislich rezidivfrei geblieben. Die Beobachtungszeit beträgt in 7 Fällen weniger als 1 Jahr, in 13 Fällen 1!/,—5 Jahre.

Warnekroshat 64 Frauen prophylaktisch nachbestrahlt. Davon sind nach 5 Jahren noch 46 am Leben = 72%, Heilungen. Von 126 in der gleichen Weise operierten, aber nicht nachbestrahlten Frauen sind nur 45 noch am Leben und gesund. Heilungsziffer 36%. Von den durch prophylaktische Bestrahlung geheilten Frauen kann Warnekros mitteilen, daß 10mal die Parametrien ergriffen waren und 4mal eine karzinomatöse Metastasierung nach den Lymphdrüsen stattgefunden hatte.

Wie schon Winter betont hat, stammt das Warnekrossche Material vorwiegend aus den Jahren 1911—1913, wo von einer Tiefenwirkung der Strahlen im Sinne der mo- dernen Tiefenwirkung kaum die Rede sein kann; gar nicht zu reden von den Fällen, welche Gauß publiziert hat. Damit soll natürlich nicht der Wert der prophylaktischen Nachbestrahlung bestritten werden, doch kann man aus den Angaben der beiden Autoren keine Schlüsse ziehen, welche mit genügender Sicherheit auf unsere jetzigen Maßnahmen zu übertragen sind.

Adler konnte 1920 auf dem Gynäkologenkongreß über ein sehr beachtliches Ma- terial berichten. Er hat seine Nachbestrahlungen, wie bereits erwähnt, mit Radium durchgeführt, was uns zugleich die Sicherheit gibt, daß wirklich eine Tiefendosie- rung stattgefunden hat. Es ist nun besonders interessant zu beobachten, daß die Re- sultate in dem Augenblick anfingen schlechter zu werden, als er die Ra- diumdosis so verminderte, daß die Gefahr der Fistelbildung ausgeschaltet wurde, daß aber die gleichen guten Resultate wie anfangs zu erzielen waren, als die Bestrahlung von den Parametrien aus wieder mit höheren Dosen einsetzte. Betrachten wir nur die Fälle, welche Adler 4—6 Jahre lang beobachtet hat, so ergibt sich folgendes

Resultat: Heilungen mit prophylaktischer Nachbestrahlung 47%,

A O ge ohne i ss 43%.

Der Unterschied in beiden Reihen ist nicht sehr auffallend. Wenn wir aber bedenken, daß Adler eine Zeitlang schwächer dosiert hat und dabei seine Heilungsziffer von 54,5 auf 42,3%, absank, während die operativen Dauerheilungen stets auf 42—44% stehen- blieben, so gewinnen wir einen ganz anderen Eindruck. In der Tat beträgt die Dauer- heilung mit prophylaktischer Nachbestrahlung in den ersten Fällen (stark dosiert) nach 6 Jahren noch 54,5%, wobei der Statistik 33 Fälle zugrunde liegen. Auch Steiger, Benthin und Sippel-Jäckelhaben über ähnlich günstige Resultate der postoperativen Nachbestrahlung berichtet, welche beim Uteruskarzinom leider bisher noch nicht in der wünschenswerten Weise Allgemeingut der Röntgenologen bzw. der Gynäkologen geworden ist (Strauß). Die Chirurgie hat bekanntlich von der prophylaktischen Nach- bestrahlung beim Mammakarzinom sehr ausgiebigen Gebrauch gemacht, und wenn auch eine ganze Reihe gewichtiger Stimmen gegen die Zusatzbehandlung mit Röntgen- strahlen laut geworden sind (Perthes), so steht doch durch die Untersuchungen von Anschütz-Hellmann und H. Meyer fest, daß bei geeigneter Technik und Dosierung bei den gut operablen Fällen (Steinthal Gruppe I) die Bestrahlung nichts schadet und daß bei den prognostisch ungünstigeren Fällen (Steinthal Gruppe H und III) die Zahl der Heilungen von 35 bzw. 12,5%, auf 57 und 33% gesteigert werden kann (H. Meyer).

Erfolge. Kombinierte Radium-Röntgenbestrahlung 647

So müssen wir betreffs der postoperativen Nachbestrahlung zu dem Schlusse kom- men, daß sie ein sehr wertvoller Zusatz zu unserer operativen Tätigkeit ist, weil sie bei ihrer Anwendung die operativen Resultate sicher nicht ver- schlechtert, in vielen Fällen aber eine ganz wesentliche Steigerung der Heilungsziffern mit sich bringt. Welche Art von Operation der prophylak- tischen Nachbestrahlung vorangehen soll, ist eine Frage, die außerhalb des Rahmens unserer Betrachtungen liegt. Doch mag darauf hingewiesen sein, daß bezüglich der Rezidivbildung die einfache Totalexstirpation der Freund-Wertheimschen nicht wesentlich nachsteht (Halban). Es würde deshalb noch nicht als ein Vorzug der post- operativen Nachbestrahlung aufzufassen sein, wenn durch dieselbe die Heilungsziffer der vaginalen Totalexstirpation mit derjenigen der abdominalen nach Freund-Wert- heim gleichstünde (Benthin).

B.

Die kombinierte Radium-Röntgenbehandlung ist hervorgegangen aus der einfachen Radiumbehandlung und hat sich zum Ziele gesetzt, die ungenügende Tiefen- wirkung der radioaktiven Substanz besonders nach den seitlichen Abschnitten des Beckens zu ergänzen. Neuerdings wird die kombinierte Behandlung gelegentlich auch angewendet, um die unvollkommene Tiefenwirkung der Röntgenstrahlung zu komplet- tieren. Grundlegend bei dieser Art der Bestrahlung bleibt aber eigentlich stets die Ra- diumwirkung, selbst wenn aus äußeren Gründen (Infektion, Fieber, Blutungen usw.) die Radiumdosis nur sehr gering ausfiel und die Röntgendosis entsprechend groß gewählt werden mußte. Danach muß man jede Therapie als kombinierte bezeichnen, bei der Radium überhaupt zur Anwendung kommt, doch sollte man sich stets bewußt bleiben, daß die „echte“ kombinierte Radium-Röntgenbehandlung den Vorrang des Radiums zur Voraussetzung hat.

Die kombinierte Radium-Röntgentherapie hat mit den selbständigen Methoden die physikalischen und biologischen Grundlagen gemeinsam. Trotzdem muß ich betonen, daß noch enorme Lücken in beiderlei Hinsicht klaffen. Weder die Messung noch die biologische Eichung der Radiumpräparate ist einfach, ganz zu schweigen von der Be- deutung der gemischten Einwirkung beider Strahlen. Wir brauchen nur an das Erythem der Haut zu denken. Höchste Unsicherheit schon bei der alleinigen Anwendung des Radiums, Fehlen jeglicher Angaben über die gemeinsame Wirkung beider Strahlenarten. Opitz-Friedrich haben seinerzeit angegeben, daß die Erythem- dosis (T.D.) für Radium und Röntgenstrahlen gleichermaßen 300 e betrage und daß 1e = 7 Milligrammradiumelementstunden (mgeh) entspreche. Drot, man ihre Angaben nach, so stellt sich heraus, daß ein Radiumpräparat von 30 mg Radiumelement, bei einer Fil- terung mit 1,5 mm Messing und 1,0 mm Zelluloid in 1,5 cm Abstand von der Haut in 70 Stunden ein Erythem ergeben habe = 2100 Milligrammstunden. Die Zahl 7 mgeh = 1e ist durch einfache Division entstanden (2100:300). Selbstverständlich müssen aber der Abstand und die Größe des Radiumpräparates, die Filterung usw. auch mit in Rech- nung gestellt werden, und tut man das, so kommt man zu einem ganz anderen Werte. Nach der Berechnungsmethode, wie ich sie in der Regel durchführe, ergibt sich in dem gedachten Fall eine lokale Radiumelementkonzentration von

2100 ` 930 mgeh 1,50 cm Danach ist le =-3 megh/cm (nach unseren Dresdener Beobachtungen entspricht der H.E.D. ca. 750 mgeh/cm. Die Dosis, welche Opitz seiner Berechnung zugrunde legte, ist höher, bewirkt aber auch ein Erythem II? mit Blasenbildung. Es zeigt sich also

648 W. Lahm

eine weitgehende Übereinstimmung der Werte von Freiburg und Dresden. Nicht geprüft wurde bisher die Wirkung beider Strahlenarten in wechselnder Vermischung, so daß sich die Frage erhebt, ob

150 e Röntgen + 150e Radium = 1 H. E. D.

100 e „» + 200e a, =l 5 50e +250e J Sl Se usw. ergibt. Wir nehmen das vorerst allgemein an, sind aber nicht

IM in der Lage, es bestimmt behaupten zu können. Opitz führt nun die kombinierte Bestrahlung in der Weise durch, daß er Radium vorher oder nachher legt und die Bestrahlung mit Rönt- genstrahlen nachfolgen oder vorangehen läßt. Er legt dabei ein Schema der Radiumdosen in den Sagittalschnitt eines Beckens ein und ad- diert die Strahlenwirkung des Röntgenlichtes so lange dazu, bis in der Gegend des Mastdarms, der Blase und des Ureters, also ca. 2—2l/,cm vom 25. 46% Zervikalkanal entfernt 300 e erreicht sind. In der Regel verabreicht er mit Röntgen 150 e von 2 Groß- feldern aus (= 60% seiner H.E.D. II°) und 2000 bis 5000 Milligrammstundenradiumelement. Ver- gegenwärtigt man sich seine Werte nach unserer 280 = 38% 50% Methode, so findet man bei der Verabreichung von 5000 Milligrammstunden in 21/,cm Abstand vom

50 « 66% Zervikalkanal 800 en = 90% der H.E.D. II.

I >:

Zusammen mit der N würde dadurch eine Dosis von ca. 150%, der H.E.D. II®: erreicht werden. Dieses aber ist auch das äußerste Maxi- mum, welches Opitz zur Anwendung bringt. Bei geringerer Radiumdosis, wie sie wohl bei geringerer

CH wn <==

Lass

| > et an eh Ë > D

X IK Ausdehnung des Karzinoms gebraucht wird, be- A g trägt die Dosis in 2cm Abstand vom Zervikal- Ra. kanal nur = 500 DÉI et der H ED. Dé.

Abb. 48. Kombination Radium-Röntgen. was zusammen mit der Röntgenenergie also 300 Links Radiumdosen, rechts Röntgendosen bis 320 e ergibt (= 100%, der H.E.D.) (H.E.D. noch 1000 R). en 0 ne

Wir selbst bestrahlen in Dresden in ganz ähn-

licher Weise, nur daß wir das Radium prinzipiell

zuerst anwenden, weil die volle Dosierung des Radiums doch durch Zwischenfälle unter-

brochen werden kann, wobei es möglich ist, durch entsprechende Dosierung mit dem

Röntgenapparat einen Ausgleich in der Gesamtdosis zu schaffen. Wir berechnen die

Radiumdosen erstens nach mgeh/cm, zweitens in Prozent der H.E.D. Die Über-

schlagsrechnung vollzieht sich in folgender Weise. Nehmen wir einmal an, die Patientin

sei 2) cm dick (dorso-posteriorer Durchmesser) und habe bei cinem Karzinom der Gruppe

II--IIl 4500 Milligrammstunden Radium erhalten. Wir legen uns dann ein Schema an,

wie es der nebenstehenden Abbildung entspricht (Abb. 48). Die Mitte des Zervikalkanals

ist mit 0 bezeichnet und erhält eine Radiumdosis, die wir in Zahlenwerten nicht angeben.

sondern nur durch Kreuze (X X) bezeichnen.

Addition der Dosen. Höhe der Radiumdosis 649

i , .. 4500 mgeh r In 2 cm Abstand beträgt die Dosis a 1100 = 155% der H.E.D. (245 %,)!) 4500 pa , 3 E an nn d o -= 500 = 66% (110 el 4500 er sn IT 16 = 280 T => 38% ( 63 %) 4500 | Di sn zs d ER = 180 Seng 24% 9” ( 40%)

Dazu kommt dann die Röntgenbestrahlung, welche wir in der früher angegebenen Weise mit 4 Feldern vom Bauch und einem Großfeld vom Rücken ansetzen. Gelegent- lich verabreichen wir auch, wie es Opitz und Friedrich tun, 2 Großfelder vom Bauch und Rücken unter Vorschaltung eines Paraffinkegels bei einer Filterung von 0,5—1,3 Kupfer. Fokushautabstand 30 cm.

Die extrem harte Filterung von 1,3 mm Kupfer hat sich mir in einigen verzweifelten Fällen so gut bewährt, daß ich sie bei ähnlich gelagerten Krankheitsbildern teilweise noch beibehalten habe. Die Erythenzeit beträgt am Radio-Silex dabei 48 Minuten (23cm Fokushautabstand).

Die späteren Bestrahlungen wir bestrahlen stets in Serien werden nach 2 bzw. 3 Monaten ausgeführt, wobei nur Röntgenstrahlen zur Anwendung kommen. Die Dosis in der Tiefe des Beckens wird auf ca. 80—100% der H KD gebracht. Ober- flächendosis pro Feld ist in der Regel nicht mehr als 80—85°/, der H.E.D. Handelt es sich um ein erkennbares Rezidiv, so wird auf alle Fälle die Mehrfeldermethode an- gewendet. Steht das Rezidiv nicht fest, so bestrahlen wir meist in Großfeldern.

Die Radiumdosierung, welche der Röntgenbehandlung der 1. Serie vorangeht, geschieht nach unseren Erfahrungen mit der alleinigen Radiumbehandlung, doch soll sie niemals über 5000 Milligrammstunden gesteigert werden. Im allgemeinen dürfen wir folgendes Schema aufstellen:

‚Gruppe I erhält ca. 1500—2000 Milligrammstunden wie HE a 2500 3500 u Ill (E It 4000 5000

Die Röntgenbehandlung wird in der Regel unmittelbar an die Radiumbehandlung angeschlossen. Die Frauen werden vor der Röntgenbehandlung nicht aus dem Hause entlassen. Nur in einzelnen Fällen verschiebt sich die Nachbestrahlung mit Röntgen um 6—8 Wochen, in der Regel dann, wenn die Frauen das Radium sehr gut vertragen haben und in der Dosis mehr erhalten haben, als der Gruppeneinteilung des Karzinoms entspricht?). | |

Martius, der prinzipiell auch die kombinierte Radiun-Röntgenbehandlung ver- wendet, bestrahlt zum Teil in kombinierten Serien, was ich für einen besonderen Vorzug halte. Die Bestrahlung fängt mit Radium an, dann erfolgt der Röntgen- zusatz, die 2. und 3. Serie werden mit Radium beendet. Von seiner Behandlung kann man folgendes Schema aufstellen:

1) Die Zahlen in Klammern bedeuten die Erythemdosis bei Annahme der mittleren ,Ge- brauchsdosis“ von Martius (H.E.D. = 600 R).

2) Unter der Annahme der „Gebrauchserythemdosis‘ (Martius) werden sich die Dosen nicht viel ändern, nur sind die Prozente der Erythemdosen anders anzusetzen (s. oben); auch kann die Röntgendosierung entsprechend vermindert werden.

650 W. Lahm

1. Serie A: Radiumbestrahlung (kurzes Präparat) 40—50 mg 50 Stunden, B: Röntgenbehandlung (sofort anschließend), 10 Tage Pause.

2. Serie A: Radiumbestrahlung (langes Präparat) 40—45 mg 72 Stunden, B: Röntgenbestrahlung nach Wahl. Pause etwa 6 Wochen.

3. Serie A: Radiumbestrahlung von der Vagina aus, 40—50 mg 24— 48 Stunden.

Bei der ersten Serie verwendet Martius in der Regel das Radium in Form eines konzentrierten Päparat:s oder er legt mehrere kurze Tuben in einen Träger zusammen. Die Bestrahlung geschieht vom Karzinomtrichter oder von der Scheide aus. Im letzteren Falle muß für einen genügenden Abstand von Blase und Rektum durch Tanıponade gesorgt werden. Die Dosierung beträgt rund 2000 Milligrammstunden. Die Röntgen- bestrahlung wird bis zum vollen Werte der 100—110% der RED durchgeführt.

In der 2. Serie legt Martius das Radiumpräparat in das Cavum uteri und in den Zervikalkanal, indem er die Präparate in einem langen Träger hintereinanderschaltet. Die Dosis beträgt etwa 3000 Milligrammstunden. In vielen Fällen folgt dieser zweiten Serie eine dritte nicht mehr nach. Nur wenn das Karzinom weiter ausgebreitet war, schließt sich die 3. Serie mit etwa 1000 Milligrammstunden an.

Fünftes Kapitel.

Die Folgen und Erfolge der Strahlenbehandlung.

Als Folgen der Strahlenbehandlung treten meist sichtbare und tastbare klinische Besserungen ein, welche mit keinem anderen Mittel auch nur in ähnlicher Weise zu er- reichen sind. Prinzipielle Unterschiede bezüglich der Röntgen- und Radiumbehandlung bestehen nicht. Wo Unterschiede hervorgehoben worden sind, waren sie nur quantitativer Art (Seitz-Wintz). Wir betrachten daher die Folgen für Röntgen und Radium gemeinsam, während die Erfolge einer getrennten Betrachtung bedürfen, da sich doch mehr und mehr die Auffassung Bahn bricht, daß das Radium den Röntgen- strahlen in ihrer bisherigen Anwendung erheblich überlegen ist. Als Erfolge der Strahlen- behandlung sehen wir an: den Rückgang des karzinomatösen Gewebes (meist der Tumorbildung), den mikroskopisch nachzuweisenden Zerfall der Karzinonzellen und den Wiederaufbau des Gewebes, der manchmal in einer Weise erfolgt, die ge- radezu an eine Rekonstruktion erinnert.

1. Der klinische Heilungserfolg.

Nach einer Latenzzeit, die beim Radium meist nur einige Tage, bei der Röntgen- bestrahlung mehrere Wochen betragen kann, hören Blutungen und jauchiger Ausfluß in der Regel auf. Der Tumor, welcher an der Portio bestanden hat, schrumpft oder verschwindet ganz. Die Schwellungen im Parametrium gehen zurück und hinterlassen nur eine mehr oder minder derbe strangförmige Narbe. Das zerfallende Ulkus reinigt sich und beginnt sich von der Seite her zu überhäuten. Die Ränder erscheinen dement- sprechend glatt, der Ulkusgrund ist von zarten Granulationen bedeckt. Bei der Radium bestrahlung findet man in der nächsten Umgebung des Muttermundes und des Zervikal- kanals einen weißlichen derben Schorf, der sich nur schwer von der Unterlage ablösen läßt. Der klaffende Zervikalkanal schließt sich mehr und mehr, auch der Uterus schwin-

Folgen und Erfolge 651

det durch Schrumpfung oft so stark, daß er dem tastenden Finger fast entgeht. Be- schwerden von seiten der Blase lassen nach. Wie Sigwart gezeigt hat, verschwindet das bullöse Ödem. Die unerträglichen Schmerzen, die durch Mitbeteiligung der Becken- nerven am Entzündungsprozeß zustande kommen, verschwinden in einer Weise, daß man die Strahlung fast als Sedativum bezeichnen kann. Das Allgemeinbefinden bessert sich, nachdem die ersten Katererscheinungen überwunden sind, von der 4. oder 5. Woche an zusehends. Die psychische Einstellung wird vollkommen anders, der Erfolg der Bestrahlung wird von Tag zu Tag deutlicher.

Nicht immer ist das Bild so freundlich gefärbt, wie es nach dieser Beschreibung aussieht. Refraktäre Karzinomfälle, vor allem auch diejenigen der Gruppe IV zeigen einen ganz anderen Verlauf, bei dem nicht am Ende der positive Erfolg, sondern das allmähliche weitere Hinsiechen steht. Die Reinigung des Ulkus bleibt aus, der Tumor zeigt keine erhebliche Schrumpfung, die Parametrien findet man eher stärker entzündet als vorher, der Ausfluß bleibt jauchig. Es können auch Blutungen auftreten von sehr erheblichem Grade. Dementsprechend zeigt auch das Allgemeinbefinden nicht die ent- schiedene Wendung zum Besseren, welche oben beschrieben wurde.

Und wiederum in anderen Fällen beherrschen unglückliche Komplikationen das Feld und verschlechtern den an sich vielleicht nicht ungünstigen Heilungsverlauf. Die Infektion der Parametrien, des periproktalen Bindegewebes, der Tuben und des Peri- toneums steht hier an erster Stelle. Sie ist nicht immer auf unglückliche Zufälle bei der Technik zurückzuführen, obwohl gerade die Radiumbestrahlung Fälle dieser Art am häufigsten zeigt. Selbstverständlich kommen über der Suche nach dem Zervikalkanal, welcher bekanntlich mit dem tiefsten Karzinomkrater nur selten zusammenfällt, Per- forationen und Bildung falscher Wege vor. Aber häufiger liegt vielleicht die Ursache für den fieberhaften Verlauf in dem Hinaufpressen von bakterienhaltigem Sekret während der Hegardilatation in das Cavum uteri und in die Tuben. Es kommt hinzu, daß bei der 2. und 3. Einlage des Radiumröhrchens die Sekretion meist erheblich gesteigert ist, so daß ein Hinauftragen von Keimen in höhere Abschnitte des Genitalkanals fast un- vermeidbar erscheint. Welche Maßnahmen man geiroffen hat, um die Hegardilatation ungefährlicher zu machen (Durchbohrung der Stifte) und um den Ausfluß aus dem Cavum uteri sicherzustellen (Flatausche Hülse), wurde früher schon besprochen. Sehr stark konzentrierte Präparate können im Bereich des Zervikalkanals derartige Reize setzen, daß es zur Atresie kommt. Stauungen des eitrigen, blutigen und serösen Sekretes im Cavum uteri sind die Folge. Je höher man in der Radiumdosierung ging (und heute in einzelnen Fällen vielleicht noch geht), desto mehr trübt sich das Bild, welches die ersten Beobachter des Strahlenerfolges in so große Begeisterung gesetzt hatte..

Bei der Röntgenbestrahlung kommen die schweren eitrigen Prozesse im Uterus sehr viel seltener zur Beobachtung, ein Zeichen dafür, daß die mechanischen Manipu- lationen, welche bei der Radiumeinlage notwendig sind, mit in erster Linie für ihr Zu- standekommen angeschuldigt werden müssen. Trotzdem kann man auch bei der Rönt- genbestrahlung eitrige Entzündungen des Beckenbindegewebes (Exsudatbildung) und Pelveoperitonitiden beobachten, wie denn anderseits die mögliche Schädigung des Darmes durch Überdosierung stark in den Vordergrund tritt. Wir haben auf diese und andere Möglichkeiten bereits oben hingewiesen.

Es ist kein Zweifel: die Strahlenbehandlung des Kollumkarzinoms kann zu einem Heilungsverlauf führen, der ans Wunderbare grenzt. Aber jedes Zuviel kann den Erfolg ` in sein Gegenteil umkehren. Es erscheint deshalb durchaus empfehlenswert, wenn Opitz die Wiederholung der Bestrahlung seiner Fälle davon abhängig macht, ob der erste klinische Verlauf auf weitere Besserung hoffen läßt.

652 W. Lahm

2. Die histologischen Veränderungen des Karzinomzerfalles und des Gewebsaufbaues.

Über die Veränderungen des karzinomatösen Gewebes nach der Bestrahlung liegen zahlreiche Untersuchungen vor. Es kann um so weniger meine Aufgabe sein, auf alle Einzelheiten der Beobachtungen einzugehen, als Prym jüngst in einer großen Mono- graphie vom pathologisch-anatomischen Standpunkt aus über die Wirkung der Röntgen- strahlen berichtet hat. Nur eine kleine Reihe, wie es mir scheint, wichtiger Prozesse soll hier besprochen werden.

Zunächst ist es interessant festzustellen, daß es zweifellos Fälle gibt mit klinisch beachtlichem Erfolg ohne tiefgehende histologische Veränderungen. So hat Robert Meyer im Jahre 1912 über einen Fall aus der Bummschen Klinik berichtet, wo durch vaginale Röntgenbhestrahlung nahezu klinische Heilung jedenfalls so weit- gehende Schrumpfung des Karzinoms erzielt worden war, daß der vorher inoperable Fall zur Operation kommen konnte, ohne daß mikroskopisch an den Karzinomzellen selber Einschmelzungsvorgänge festgestellt werden konnten. Nur das Bindegewebe war derb sklerotisch geworden und die Muskulatur des hinteren Genital- abschnittes war zum Teil zerstört. Über ähnliche Befunde hat Geipel berichtet in einem Falle, wo es sich um Metastasen eines Mammakarzinoms in das Mediastinum gehandelt hat (Rostosky).

Die beiden Beobachtungen stehen in der Literatur wohl vereinzelt da, und es ist die Frage, ob nicht entweder das Karzinom im Falle Robert Meyers schon wieder neu gewachsen war oder, ob im Falle Geipels die Strahlendosierung eine ungenügende Intensität erreicht hatte. Jedenfalls überwiegen bei weitem die Beob- achtungen degenerativer Veränderungen: sie bewegen sich im allgemeinen in den Bahnen, welche, schon vom Jahre 1902 beginnend, vor allem bei bestrahlten Mammakarzinomen beobachtet worden waren. Ich weise besonders auf die Untersuchungen von Köhler und Herxheimer aus dem Jahre 1904 hin, welche an bestrahlten Mammakarzinomen in sehr genauen Untersuchungen etwa 7 Wochen nach der letzten Radiumbestrahlung Vakuolenbildung an den Zellen und Riesenzellbildung nachweisen konnten. Die Autoren waren der Auffassung, daß die Strahlen zunächst auf das Protoplasma und dann auf den Kern einwirkten. Trotzdem waren sie in der Deutung ihrer Beob- achtungen vorsichtig, weil ähnliche spontane Variationen vorkommen. Die Frage, ob die vorgefundenen Struktureigentümlichkeiten in bestrahlten Karzinomen auf den Einfluß der Behandlung zurückzuführen sind, ist bis heute noch nicht klar beantwortet. Jedenfalls können die Karzinomzellen unter der Einwirkung von Wärme und anderen Agenzien ähnliche degenerative Veränderungen erleiden, wie sie nach der Strahlenbehand- lung oft beobachtet worden sind.

v. Franque, dem wir neben Döderlein, Aschoff, Krönig, Gauss, Haendly und Seitz-Wintz, sehr genaue Untersuchungen über das Verhalten des Karzinoms nach der Bestrahlung verdanken, unterscheidet mehrere Stadien, und zwar eın hypertrophisches, ein Kernzerfallsstadium und die Verhornung. lm hyper- trophischen Stadium sind die Zellen in der Regel stark vergrößert, ihr Protoplasma ist eiweißarm und zeigt nach der Fixierung evtl. Vakuolenbildung. Ich habe seiner Zeit darauf hingewiesen, daß die Schaumbildung in dem Protoplasma der Zellen und ebenso die Vakuolen bis zu einem gewissen Grade als Kunstprodukte aufzufassen sind, welche durch die Fixierung erst entstehen. Der pathologische Prozeß als solcher ist eine hydro- pische Schwellung. Ob dies und die weiteren Veränderungen wirklich auf die Einwirkung der Strahlen auf das Protoplasma zurückzuführen sind, mag dahin gestellt bleiben. Ich

Histologische Veränderungen 653

selbst bin bisher der Auffassung gewesen, daß der Kern als erstes eine Schädigung er- fahre, weil die Funktion des Protoplasma in erster Linie vom Kern in Abhängigkeit steht. Auch die Beobachtungen, welche schon Martiny 1908 gemacht hatte und welche Prym und Aschoff an eigenem Material bestätigen konnten, sprechen dafür, daß der Kern besonders empfindlich ist, wenn er sich in der Mitose befindet. Ja vielleicht noch mehr. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Zelle sich dem Einfluß der Strahlung dadurch zu entziehen versucht, daß sie zu einer Teilung schreitet, woraus wiederum hervorginge, daß der Kern und nicht das Protoplasma zuerst den Einfluß der Strahlung zu spüren be- kommt. Anderseite ist es eine häufige Beobachtung, daß in den bestrahlten Karzinomen synzitiale Zellverbände und Riesenzellen auftreten. Sie waren schon von Bornait- Legueule beobachtet worden und sind dann von Aschoff, Krönig, Gauss, Robert Meyer und mir wiederholt gefunden worden. Symzitiale Bildungen entstehen dann, wenn zwar der Kern, aber nicht das Protoplasma die Fähigkeit behalten, sich zu teilen. Ich habe versucht, die Frage der Kern- oder Protoplasmawirkung am biologischen Objekt zu prüfen, und zwar durch Bestrahlung des überlebenden Meerschweinchen- uterus. Gelegentlich anderer Untersuchungen mit Hypophysenpräparaten und [Ionen der Kalzium- und Kaliumsalze war ich zur Überzeugung gekommen, daß man an den Kurven Protoplasma-Energetika und Karyo-Energetika unterscheiden könne. Ich bin bisher, obwohl Kontraktionen des überlebenden Präparates beobachtet werden konnten, noch nicht zu einem eindeutigen Resultat gekommen, ob der Kern oder das Protoplasma am stärksten auf den Einfluß der strahlenden Substanz reagieren. Daß das mitotische Stadium der Zelle besonders empfindlich zu sein scheint, geht wohl einwandfrei aus den neueren Untersuchungen von Holthusen hervor. Daß der Zell- kern schließlich unter dem Einfluß der Strahlen zerfällt, ist seit langem bekannt und sichergestellt. Man kann sogar eine ganze Reihe von Stadien unterscheiden, welche durch die Begriffe der Pyknose, Kariolyse, der Hyperchromatose, der atypischen Mitosen- bildung und des Kernkörperchenzerfalles (Lahm) gekennzeichnet sind. Weiterhin beobachtet man atrophische Zellen mit ausgesprochener Chomatophilie, welche Clunet (1908) als eine Ruheform der Karzinomzellen auffaßte. Er sprach geradezu von einer Lethargie der Zellen. Welche Bedeutung ihr zukommt, ob es sich hier um be- sonders resistente Zellen handelt, ist bis jetzt nicht bekannt. Prym lehnt den Begriff und Vorstellung der Zellethargie ab; ich selbst möchte glauben, daß sie für die Frage der Rezidivbildung eine wesentliche Hilfe bedeuten würde.

Außer den rein zellulären Veränderungen unterscheidet man solche, die zu einem veränderten Aufbau des Karzinomgewebes führen. Ich meine damit die Beob- achtungen von Aschoff, Rob. Meyer, Döderlein-Krönig und mir, wo unter dem Einfluß der Röntgen- wie der Radiumbestrahlung (vor allem der letzteren) der Reife- grad der Karzinome eine Änderung erfahren kann. Nicht verhornende mittel- reife Karzinome können im Verlauf relativ kurzer Zeit eine ausgedehnte Hornperlen- bildung aufweisen. Schon Aschoff hat den Gedanken ausgesprochen, daß hier eine Umbildung der einen Karzinomform in die andere unter Verminderung der Malignität vorliege, und er selber hat den Gedanken so weit gesponnen, daß ich glaube, an den Reifungsformen geradezu den Heilprozeß zu erkennen. Zwar zeichnet nicht alle Kar- zinome, welche durch die Bestrahlung eine günstige Beeinflussung erfahren haben oder gar geheilt wurden, diese Umbildung aus, doch muß man bedenken, daß wir nur selten Gelegenheit haben, in vielen aufeinanderfolgenden Stadien den Prozeß zu verfolgen.

Mit der Änderung des Karzinomaufbaus geht bisweilen eine starke Eosino- philie in der Umgebung des Karzinoms einher. Aschoff, Krönig, Gauss haben darauf hingewiesen, und Weißhaupt konnte dartun, daß die Genitalkarzinome schon spontan

654 W. Lahm

zu 60% aller Fälle eine lokale Eosinophilie zeigen, während man sonst nur etwa 20% findet. Ich selbst vertrat die Auffassung, daß man aus der stärkeren lokalen Eosino- philie eine gewisse Prognose für den Heilungsverlauf stellen könne, insofern ich stati- stisch nachwies, daß nahezu die doppelte Anzahl der Fälle mit Kosinophilie dauernd ge- heilt wurden, als bei Fällen ohne Eosinophilie der Fall ist. Was sonst das Verhalten der Umgebung des Karzinoms betrifft, so besteht eine große Meinungsverschiedenheit darüber, wie sich das Bindegewebe auf eine verschieden dosierte Bestrahlung verhält und welche Rolle es dem Karzinom gegenüber spiele. Auf der einen Seite wird angenommen, daß die Strahlen das Bindegewebe zum Wachstum anregten (Exner), während andere Autoren jede Förderung des Bindegewebswachstums ablehnen und eher dafür eintreten, daß schon ganz geringe Dosen degenerative Veränderungen auch im Bindegewebe erzeugen (Haendly). Mit Recht weist Prym darauf hin, daß die

Tabelle 24. Beobachtung nach zwei Jahren. | geheilte Fälle, ungeheilte Fälle.

Sekundär p

solide

Radium Plattenepithelkarzinome

mgeh mittel unreif

17 000 =

„„. 20.000 =

24000 S = | darüber = -- Zusammen 30 80 16 14 4 Geheilt 14 30 4 4 0 Ungeheilt 16 50 12 10 4 Heilungsziffer | 46,7%, 37,50, D% 85y | 0%

Hauptfragestellung der genügenden Klarheit entbehre. Man müsse scharf auseinander- halten, ob die Röntgenstrahlen auf die Zellen im Sinne einer primären direkten Reizung zum Wachstum oder zur Funktion einwirkten, oder ob eine wachstums- anregende Wirkung nur darin beruhe, daßsie primär eine Schädigung setze. Die Frage ist um so wichtiger, als manche Autoren geneigt sind, dem Einfluß des Binde- gewebes an der Heilung des Karzinoms wieder einen sehr großen Einfluß einzuräumen (Opitz). Ich selbst habe mich von jeher der Auffassung von Seitz-Wintz angeschlossen, daß das Bindegewebe wächst und wuchert, als Antwort auf den Zerfall der Karzinomzellen, und daß ihm die Aufgabe zufällt, die leer gewordenen Räume im Gewebe auszufüllen. In der Frage der direkten Erregung des Bindegewebs- wachstums ist man auch dann nicht weiter gekommen, als man versucht hat, Aufschluß zu gewinnen über die evtl. veränderte Funktion des Gewebes. Bekanntlich haben

Histologie und Heilresultate 655

Schmidt, Halberstädeter und Wolfsberg mit der Vitalfärbung versucht, die ge- steigerte oder herabgeminderte Funktion des Bindegewebes zu beweisen. Doch weist schon Prym darauf hin, daß es heute noch verfrüht ist, aus einer derartigen Reaktion auf eine Funktionsstörung durch Röntgenbestrahlung zu schließen.

Zum Schluß noch ein Wort über den Reifegrad der Kollumkarzinome und ihre Strahlenempfindlichkeit. Es ist im klinischen Teile bereits die Rede davon gewesen, doch möchte ich hier noch nachtragen, daß man sicher nicht aus dem Reifegrad oder dem histologischen Bild allein mit Exaktheit die Strahlenempfindlichkeit des Karzi- noms abschätzen kann. Selbst unreife Karzinome können sehr wenig strahlenempfind- lich sein, obwohl das rasche Wachstum und der ebenso rasche Zerfall des Gewebes im mikroskopischen Bild deutlich erkennbar ist. Das Bergonnie-Tribondeausche Gesetz gilt nicht ohne Ausnahme. Die Reparationskraft des Körpers im allgemeinsten Sinne des Wortes spielt zweifellos auch eine Rolle. Trotzdem konnten wir bei zahlreichen und mikroskopisch genau kontrollierten Fällen nachweisen, daß die Dosisstufe für die un- reifen Karzinome eine weit größere Spannung aufweist, als wir bei mittelreifen und reifen Karzinomen beobachten konnten. Eine kleine Übersicht über unser Material mag die vorstehende Tabelle 24 geben.

Alles in allem dürfen wir im Sinne von Prym das Ergebnis der histologischen Untersuchungen der bestrahlten Karzinome dahin zusammenfassen, daß ihr praktischer Erfolg leider noch gering ist, daß aber aus den Untersuchungen soviel hervorgeht, daß das Ziel unserer Bestrebungen sein muß: Vernichtung der Karzinomzellen unter Schonung des Geschwulstbettes.

3. Der zahlenmäßig nachweisbare Erfolg.

In den folgenden Übersichten soll an Hand der seit 1920 veröffentlichten Statistiken, das Zahlenmaterial gegeben werden, welches unseren Betrachtungen sowohl in dem Kapitel ‚‚Operieren oder Bestrahlen‘‘ wie in den folgenden Abschnitten zugrunde lag!). Auf eine ins einzelne gehende Betrachtung brauchen wir dabei nicht mehr einzugehen. Die Zusammenstellung geschieht in mehr oder minder schematischer Weise und ist er- folgt teilweise in der Form, wie sie die Autoren uns gegeben haben, teilweise sind die Zahlen durch Zusammenziehung der publizierten Fälle gewonnen. Wir betrachten ge- trennt das Ergebnis der Radium-, der Röntgen- und der kombinierten Radium-Röntgen- bestrahlung; auch über die prophylaktische Nachbestrahlung sollen noch einige Zahlen- angaben gemacht werden.

A. Für die Radiumbestrahlung. 1920. Baisch. 42 Fälle, Beobachtung +4!/,--5 Jahre. Es leben und sind gesund 7 = 16%

Gruppe I : 3 geheilt 3 = 100%

a lla: 12 e 2 AE

Ge Ib: 5 ls 20% Se HI : 21 un 2= 2% Kehrer. 129 Fälle, Beobachtung 5 Jahre.

Es leben und sind gesund 36 = 27,9%, Gruppe I: 19 geheilt 11 = 58%

= II: 40. 13= 3%

e Il: 12=17%

1) Es handelt sich fast nur um Dauerresultate.

eg Een ler)

W. Lahm

v. Seuffert. 205 Fälle, Beobachtung 5 Jahre. Es leben und sind gesund 40 = 19,5% Gruppe I: 40 geheilt 17 = 42,5% 5 1:62 ,„ 14 = 22,6% e HI: 68 ,, 9 = 14,3% 2 IV: 40 ,, 0 Bei völlig gleichbleibender Technik nach den Regeln der Münchener Schule und voll- ständiger Durchführung der Bestrahlung der Fälle ergibt sich bei 3jähriger Beobachtung 93,5%, Heilungen bei 46 Fällen. Heymann. 66 Fälle, Beobachtung 5 Jahre. Es leben und sind gesund 19 = 28,8%, Gruppe I u. II: 4 geheilt 4 = 100%, $ II: 62 15= 25% Weinbrenner. 49 Fälle, Beobachtung 5 Jahre. Es leben und sind gesund 18 = 36,7%, Gruppe I: 20 geheilt 8 = 40% S II: 5 >. = AT, S III: 19 8=38% o IV: 5 0 Dietrich. 44 Fälle, Beobachtung 2—6 Jahre. Es leben und sind gesund 9 = 20% Gruppe I: 9 geheilt 5 = 55% II u. III: 36 ,, 4=11% 1921. Adler. 162 Fälle, Beobachtung 4—7 Jahre. Es leben und sind gesund 32 = 2)%, Gruppe I u. II: 19 geheilt 5 = 25% SZ MI: 143 28 = 20% 1923. Döderlein. 155 Fälle, Beobachtung 5 Jahre. Es leben und sind gesund 103 = 13,2% Gruppe I: 110 geheilt 48 = 43,6%

I: 136 31 =22% I: 340 23= 6,7% W:ı9 1

Unter den 755 Fällen Döderleins sind die 205 Fälle von v. Seuffert mitgezählt. Es handelt sich also um eine Fortsetzung der Münchener Statistik. Bei völlig durch- geführter Bestrahlung ergab sich übrigens ein noch wesentlich besseres Resultat.

Gruppe I: 62 geheilt 46 = 73,6%

I: %5 31=412% IM: 176 23= 131%

Bestrahlungsstatistik 657

B. Für die Röntgenbestrahlung. 1920. Gal.

Seine Beobachtungen betreffen meist Fälle, die nur 1 Jahr zurückliegen, nur 9 Fälle sind seit 3 oder 5 Jahren nachuntersucht.

Giesecke.

Er berichtet über das Behandlungsergebnis der Karzinome unter Zuhilfenahme aller Methoden, welche nach und nach bekannt geworden sind. . Es ergibt sich auf Grund seines Materials, daß die Heilung seit 1912—1918 von etwa 20 auf 40% gestiegen ist. ` Von 131 inoperablen Fällen, welche 5 Jahre beobachtet sind, leben 8 Frauen, doch hat es sich in 51 Fällen um prognostisch ganz ungünstige Krankheitsbilder gehandelt. Heilungsziffer ist dementsprechend ca. 10%.

Seitz-Wintz. 49 Fälle, Beobachtung 2—3 Jahre.

Teilweise ist bis 2000 mgeh Radium gegeben worden. Von 49 Fällen geheilt nach 2 Jahren 17 = 34,7%,

45 = 5 » 83 an 11= 245% Außerdem 90 Fälle vorwiegend mit Röntgen bestrahlt. Beobachtungszeit 3—5 Jahre.

Es leben und sind gesund 31 = 34% Gruppe I u. II: 30 geheilt 20 = 66% = 11:60 11= 18%

1922. Kupferberg. 98 Fälle, Beobachtung 4 Jahre.

Es leben und sind gesund 14 = 14,5% Gruppe I: 32 geheilt 9 = 27%

..H:00 „0

41:54 a S= 7,

1922. Spinelli. Es handelt sich nur um eine ganz geringe Zahl von Fällen mit kurzer Beobachtung. Es wird auch besonderer Wert auf die sog. präkanserösen Stadien gelegt.

Siegel. Auch hier wird der Einfluß aller Methoden auf die Heilungsziffern des Kollum- karzinoms geprüft, ähnlich wie es Giesecke getan hat. Die Fälle sind teils operiert, teils bestrahlt, teils kombiniert bestrahlt.

65 Fälle, Beobachtung 5 Jahre.

Es leben und sind gesund 15 = 23,5% Gruppe I: 29 geheilt 9 = 31% S 11:14 5 321% 1120 3=1% IV: 0 Für die nur bestrahlten Fälle rechnet Siegel mit folgenden Heilungsziffern: Gruppe I u. II: 6 geheilt 1 = 16% e III: 20 Se se LD Weiter wird über 126 Fälle berichtet, welche seit 2 Jahren beobachtet werden. Da den Zahlen nur ein sehr bedingter Wert zukommt, soll von ihrer Wiedergabe abgesehen. werden. Ä

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 42

658 W. Lahm

1923. Wintz. 230 Fälle, Beobachtung 41/.,—6!/, Jahre.

Es leben und sind gesund 40 = 17%. Eine Aufteilung in Gruppen findet sich nicht angegeben.

Winter (München). 87 Fälle, Beobachtung 4—5 Jahre. Es leben und sind gesund 9 = 10%. Sämtliche Fälle waren inoperabel.

Mühlmann. 53 Fälle, Beobachtung 31/,—5 Jahre.

Es leben und sind gesund 9 = 17% Gruppe I: 1 geheilt 1 = 100% Ha: D bh: 31 , 6 = 18% > 11:21 5 2 = 10% Mühlmanın teilt in Gruppe I—IV ein, bewertet aber die Gruppe IV nach Gruppe III der Krönig-Döderleinschen Einteilung.

Stark.

Es handelt sich nur um ganz wenige und meist aussichtslose Fälle.

C. Radium-Röntgen kombiniert. 1920. Schäffer (Bumm).

282 Fälle, Beobachtung 5 Jahre. Es leben und sind gesund 50 = 17,7% Gruppe I: 74 geheilt 25 = 33,8%, $ II: 81 19= 27,5% HI: 127 6= 47% Hüssy. Ä Die Zusammenstellung, welche Hüssy gibt, erschwert es außerordentlich, eine zahlenmäßige Statistik zu geben. Bei Hüssy sind die Fälle in Kurven eingetragen, was allerdings sehr anschaulich wirkt. 1. Operable und nur bestrahlte Fälle 8, geheilt nach 4 Jahren 2 = 25%. 2. Operable Fälle, operiert und bestrahlt 43, geheilt nach 4 Jahren a) mit starken Radiumdosen 20% b) 2 Röntgen ,, 8% 3. Inoperable Fälle 48, geheilt nach 4 Jahren a) mit starken Radiumdosen 25% b) „, e Röntgen ,, 25 Hüssy empfiehlt nach seinen Erfahrungen die Operation, wo sie irgend angängig ist, und die Nachbestrahlung mit starken Radiunidosen.

Warnekros (Bumm).

173 Fälle, Beobachtung 5 Jahre. Es leben und sind gesund 39 = 22,5%. Gruppe I: 69 geheilt 20 = 29%

e (EK 12=4%

ss HES ZC 5 T= 10%

~j) a

Bestrahlungsstatistik. Schlußergebnis 659

1921. Schmidt (v. Franque). 53 Fälle, Beobachtung 5—8 Jahre. Es leben und sind gesund 16 = 30%, Gruppe I u. Il: 36 geheilt 14 = 40% HI u. IV: 17 221027 1923. Opitz. 42 Fälle, Beobachtung 3—4 Jahre. Es leben und sind gesund 23 = 55%. Gruppe I: 2 geheilt 2 = 100% = II: 9 d= 55% HMI: 25 16= 55% IV: 1 œ» 0

D. Prophylaktische Nachbestrahlung.

1920. Warnekros. 64 Fälle, Beobachtung 5 Jahre. Es leben und sind gesund 46 = 71,8%.

Steiger. 25 Fälle, Beobachtung 2—4 Jahre. Es leben und sind gesund 10 = 40%. Lebensverlängerung durch Operation 16—20 Monate d Bestrahlung 30 D Benthin.

26 Fälle, Beobachtung 4—5 Jahre. Es leben und sind gesund 8 = 32%. Gruppe I: 14 geheilt 7 = 50% e Il: 4 am 1=2% HI: 8 0 1921.‘ Adler), | 88 Fälle, Beobachtung 4—6 Jahre. Es leben und sind gesund 42 = 47%. Nach 6 Jahren von 33 Fällen 18 = 54,5% » 5 e » 29 13= 448% » 4 e a 26 11= 23,3% Schmidt (v. Franque). 14 Fälle, Beobachtung 5 Jahre. Es leben und sind gesund 7 = 50%. 1922. Kupferberg. 17 Fälle, Beobachtung 4 Jahre. Es leben und sind gesund 4 = 23%. Zählt man die Fälle, über welche die genannten Autoren berichtet haben, ohne Rück- sicht auf die Art der Therapie zusammen und nimmt nur diejenigen, welche mindestens 4 Jahre nach abgeschlossener Behandlung beobachtet sind, so ergibt sich eine

Gesamtzahl von 2427 Fällen mit 528 Heilungen

was einem Prozentsatz von 21,7% entspricht. In dieser Zahl hätten wir also zwar grob, aber zweifellos ziemlich unverfälscht, die absolute Heilungsziffer des Kollumkarzinoms mit Hilfe der Aktinotherapie zu erblicken.

1) Nachbestrahlung mit Radium.

42*

660 W. Lahm

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Die Röntgen- und Radiumbehandlung des Ösophaguskarzinoms

Von

Privatdozent Dr. Hans Kurtzahn Chirurg. Klinik Königsberg

Mit 34 Abbildungen und 6 Tabellen im Text

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Einleitung: Anatomische und pathologisch-anatomische Vorbemerkungen Diagnose Be- handlungsmöglichkeiten 1. Röntgenbestrahlung:

a) Übersicht über Methoden und Erfolge `... 672 b) Grundlagen und Aussichten moderner Bestrahlungsweise . . . . 2 2 2 2 2 2 20. 675 2. Radiumbestrahlung: a) Übersicht über Methoden und Erfolge. Sonde Ösophagoskop Verschiedene Methoden Sondierung ohne Ende . = x # 2-2 2a 2. e 2ER o 67 b) Grundlagen und Aussichten moderner Bestrahlungsweise . . . » 2 2 2 2 220. 707 3. Kombination der lokalen Radiumwirkung mit andersartiger Anwendung radioaktiver Sub- stanzen oder mit Röntgenstrahlen . 2 . 2 22 no nr re 15

Literaturverzeichnis . 2 2m oo. {18

Anatomische und pathologisch-anatomische Vorbemerkungen.

Die Diagnose und die Therapie des Speiseröhrenkarzinoms werden durch die ver- steckte Lage des Ösophagus im hinteren Mediastinum erschwert. Das gilt auch von der Strahlentherapie. Die anatomischen Verhältnisse komplizieren Technik und Dosierung, die Zartheit des Speiseröhrenschlauches und sein infektiöser Inhalt bedingen be- sondere Gefahren, und die Nachbarschaft strahlenempfindlicher Organe kann zu deren Schädigung führen, Es erscheint daher angebracht, einige für die Strahlentherapie wichtige anatomische Daten kurz anzuführen.

Die Entfernung von der oberen Zahnreihe bis zur Kardia beträgt beim Erwachsenen im Mittel 40 cm, davon kommen aber nur 25 cm auf das in der Höhe des unteren Randes des Krikoidknorpels beginnende eigentliche Ösophagusrohr. Auf die Wirbelsäule be- zogen, entspricht der Beginn der Speiseröhre dem Tuberculum caroticum, dem Processus transversus des 6. Halswirbels. Höhersitzende Karzinome sind demgemäß nicht als Speiseröhrenkrebse, sondern als Tumoren der Pars laryngea pharyngis zu bezeichnen.

Das Lumen der Speiseröhre schwankt zwischen 7—22 mm, je nach dem Höhen- abschnitte. Die sog. physiologischen Engen der Speiseröhre, welche bekanntlich vom Karzinom bevorzugt werden, befinden sich erstens am Anfange der Pars cervicalis, zweitens in Höhe der Bifurkation der Trachea, etwa der Kreuzungsstelle der Aorta mit der Speiseröhre entsprechend, drittens am Hiatus oesophageus des Zwerchfelles. Die dritte Enge reicht bis zur Kardia des Magens. Tiefsitzende Ösophaguskarzinome greifen daher nicht selten auf die Kardia, Kardiakarzinome auf das untere Ende der Speiseröhre über, so daß Kardiakarzinome und tiefsitzende Ösophaguskarzinome klinisch nicht immer zu trennen sind.

Die Wand der Speiseröhre wird von 2 Muskelschläuchen, der äußeren Längsnıuskel- schicht und der inneren Ringmuskelschicht, gebildet. Die Schleimhaut ruht auf dem lockeren Gewebe der Submukosa.

Von Nachbarorganen, deren Mitbestrahlung unerwünscht ist, sind beim Halsteile der Speiseröhre besonders Kehlkopf und Schilddrüse zu nennen, im Brustteile außer den Lungen, der Aorta und dem Herzen, dessen linker Vorhof gegen die Speiseröhre gerichtet ist, die Trachea, im Kardiaabschnitt Milz, Leber und Magen.

Der Krebs der Speiseröhre tritt in 3 Formen auf, als zirrhöser, als medullärer und als papillärer Tumor. Die Verschiedenheit des makroskopischen und histologischen Baues spielt nicht nur bei dem Auftreten der Symptome und dem klinischen Verlaufe, sondern, wie wir sehen werden, auch bei der radiotherapeutischen Beeinflussung eine gewisse Rolle.

Der zirrhöse Ösophaguskrebs bildet harte, narbenähnliche Infiltrate, die sich weni- ger in der Längsrichtung als in der Zirkumferenz des Speiseröhrenschlauches ausbreiten. So komnit es nicht selten zu halbringförmigen oder auch zu vollkommen ringförmigen Stenosen von geringer Länge. In den Anfangsstadien ist diese Krebsform frei von ulze-

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rösen Prozessen, es kann also ein wichtiges Symptom bei der ösophagoskopischen Unter- suchung fehlen. Erst relativ spät bildet sich, gewöhnlich auf der Höhe des Tumors, ein von derben, wallartigen Rändern umsäumtes Ulkus.

Histologisch bestehen diese zirrhösen Ösophaguskarzinome aus ‚schmalen, vielfach netzförmig verzweigten Strängen schmaler, den Basalzellen ähnelnder Epithelien, welche, an den Rändern subepithelial vordringend, durch Infiltration der Submukosa die wall- artige Erhebung der Ränder bedingen“ (Aschoff).

Die zweite Form, der medulläre Ösophaguskrebs, wird durch größere Aus- dehnung, frühe Ulzeration und starke Tumorbildung gekennzeichnet. Die weichen Tumor- massen dieser Krebsform haben eine große Neigung zum Zerfall, daher finden sich bereits frühzeitig aus- gedehnte Geschwüre. Die Tumoren und auch die Geschwüre haben in der Regel längliche Gestalt, ihre Längsrichtung entspricht dem Verlaufe der Speise- röhre. Zumeist ist die dem Karzinom gegenüber- liegende Speiseröhrenwand gesund, nur selten um- faßt der Krebs die ganze Zirkumferenz.

Histologisch handelt es sich bei diesen medullären Krebsen um verhornende Plattenepithelkarzinome. Sie sind die häufigste Form der Speiseröhrenkrebse.

Als dritte Form ist das papilläre Karzinom zu nennen, lappige, knollige Tumoren, die der Speise- röhrenwand breitbasig aufsitzen und relativ großen Umfang erreichen können. Ähnlich den medullären Krebsen neigen auch sie zur Geschwürsbildung. Mikro- skopisch findet sich adenomatöses Wachstum, Zylin- derzellen-, aber auch Plattenepithelkarzinome.

Metastasen treten beim Ösophaguskarzinom gewöhnlich relativ spät auf, jedoch sind Aus- nahmen nicht selten. Mitunter findet man bei großen Speiseröhrenkrebsen keine, bei kleinen Kar- Abb 1. Stenosierende Metastasen Zinomen mächtige Drüsenpakete. Die klinischen Sym- eines kleinen Ösophaguskarzinoms. ptome des Ösophaguskrebses können daher lediglich

(Nach Ribbert.) durch die Metastasen, nicht durch den Primärtumor bedingt werden, indem große Drüsenmetastasen die intakte Speiseröhrenwand bis zur Verengerung des Lumens verwölben (Abb. 1).

Die Metastasierung geschieht gewöhnlich auf dem Lymphwege, seltener, z. B. bei Einbruch des Tumors in eine Vene, durch die Blutbahn. Neben den mediastinalen kommen vor allem die rechtseitigen, dann die linkseitigen supra- und infraklavikulären Drüsen in Betracht, aber auch die Lymphdrüsen hinter dem Magen können ergriffen und in umfangreiche Tumoren verwandelt werden. Seltener beobachtet man Metastasen in anderen Organen, z. B. in der Lunge und in der Leber.

Diagnose.

Der versteckte Sitz der Speiseröhrenkrebse macht es verständlich, wenn die Dia- gnosenstellung gewöhnlich erst in einem mehr oder weniger vorgerückten Stadium erfolgt. Das erste Symptom, welches überhaupt den Kranken auf sein Leiden aufmerk-

Diagnose des Speiseröhrenkrebses 669

sam macht, ist die Schluckbehinderung, diese treibt ihn früher oder später zum Arzt. Es ist anzustreben, daß diese Fälle sofort dem Chirurgen und Radiotherapeuten überwiesen werden. Leider war das bisher oft nicht der Fall; so vergingen z. B. bei unserem Material im Durchschnitt 3—4 Monate, bis die Kranken in unsere Behandlung kamen. Ein Teil der unbefriedigenden Erfolge der Strahlentherapie ist sicherlich auf das Konto des zuspäten Beginnes der Behandlung zu setzen. Ein allgemeiner Pessimismus der Ärzte im Hinblick auf die Ergebnisse der Strahlentherapie des Speiseröhrenkrebses spielt eine Rolle, die Annahme nämlich, daß den Kranken überhaupt nicht geholfen werden könne. Eine solche ablehnende Beurteilung der Ergebnisse der Radiotherapie entspricht, wie wir sehen werden, nicht den Tatsachen.

Die Klage darüber, daß die Kranken mit Ösophaguskrebsen zur Zeit des Bernie der Strahlenbehandlung in der großen Mehrzahl durch die Dauer ihres Leidens bereits zu elenden, kachektischen, wasserverarmten Individuen, Menschen ohne Lebenskraft und Energie geworden sind, ist allgemein. Werner z. B. schreibt, daß seine eigene Er- fahrung sich ‚nur auf weit vorgeschrittene Karzinome, welche die ganze Wand der Speiseröhre infiltriert hatten, und meist auch schon in die Umgebung tief hineingewandert waren“, erstreckte. Bei solchem Material sind naturgemäß keine langdauernden Besse- rungen zu erwarten. Anderseits ist es nach Werner ‚‚sehr wahrscheinlich, daß die innere Behandlung der Speiseröhrenkrebse mit Radium oder Mesothorium bei ganz beginnen- den oberflächlichen Fällen günstige Erfolge zeitigen wird“. Auch Barcat war der Mei- nung, daß ‚ein Krebs im Anfangsstadium, der noch nicht auf die periösophagealen Drüsen übergegangen ist, alle Aussicht auf Dauerheilung bieten dürfte“.

Es muß gefordert werden, daß beim Eintreten von Schluckbeschwerden eine genaue Untersuchung der Speiseröhre unter Anwendung des Röntgenverfahrens, der Ösophagoskopie und nötigenfalls auch der Probeexzision vorgenommen wird. Die Differentialdiagnose des Speiseröhrenkrebses gegenüber anderen, den Ösophagus verengenden Prozessen, z. B. Divertikeln, Spasmen, Verätzungsstrikturen wird meistens- teils gelingen. Das Alter und Geschlecht (das Ösophaguskarzinom kommt etwa fünfmal häufiger bei Männern vor) geben bereits einen gewissen Anhalt. Eine Vortäuschung eines Ösophaguskarzinoms durch extraösophageal gelegene Tumoren, Mediastinaltumoren, Geschwülsten und andere Erkrankungen der Lungen, der Pleura, der Wirbelsäule, der Aorta kann fast immer vermieden werden. Schwer ist es, eine Ösophagusstenose durch Karzinommetastasen eines Ösophaguskrebses als solche zu erkennen, so wichtig auch eine derartige Feststellung in bezug auf Prognose und Therapie wäre, und am schwierigsten ist die Diagnose beginnender Karzinome ohne Ulzeration, wie sie besonders bei der zirrhösen Form beobachtet werden.

Die Durchleuchtung darf nie unterlassen werden, das Schattenbild im ersten schrägen Durchmesser gibt einen genaueren Anhalt über die vorliegenden Verhältnisse, die Enge, die Form, manchmal auch die Länge der Stenose als das Röntgenbild. Die Kenntnis der Längenausdehnung des Karzinoms ist besonders vor der Vornahme einer Radiumbestrahlung erwünscht, denn der Ausdehnung des Karzinoms soll natur- gemäß die Länge des Radiumträgers entsprechen. Wir haben Durchleuchtungen und Aufnahmen häufig bei liegenden Kranken vorgenommen und genügende Füllung der ganzen Speiseröhre erhalten. Paluguay empfiehlt Beckenhochlagerung. Ledoux und Sluys versuchten die Festlegung des unteren Poles von Ösophaguskrebsen auf fol- gende Weise:

Auffüllung des Magens mit Kontrastmittel. Der Kranke wird auf einen um 30 Grad geneigten

Tisch mit dem Kopf nach unten und der rechten Körperseite gegen die Röhre gelegt. Schluckt der Kranke in dieser Lage Bismutbrei und macht eine Würgebewegung, so sieht man durch die sich öff-

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nende Kardia eine beträchtliche Menge Kontrastmittel in den Ösophagus aufsteigen. Eine Aufnahme in diesem Augenblick läßt die obere und untere Grenze des Tumors erkennen.

Man muß gestehen, daß diese Methode umständlich und unbequem für den Kranken ist, dessen Toleranz man für die spätere Behandlung dringend braucht.

So leicht in der Mehrzahl der Fälle die röntgenologische Diagnose gelingt, und so beweisend sie bei typischem Befunde auch ist, vielfach wird sie doch nicht ohne Er- gänzung durch die Ösophagoskopie bleiben dürfen, z. B. in den Fällen, bei denen die unregelmäßige Begrenzung des unteren Endes des Kontrastbreiinhaltes oberhalb der Stenose fehlt. Die Begrenzung kann nämlich, z. B. bei der strikturierenden Form des zirrhösen Krebses, glatt sein. Bei diesem Befunde kann die Differentialdiagnose, be- sonders gegenüber spastischen Zuständen, Schwierigkeiten bereiten. Wenn unser Wunsch der Behandlung von Frühfällen Wirklichkeit werden soll, so müssen alle un- klaren und beginnenden Fälle ösophagoskopiert werden. Wir untersuchen dabei den Patienten nicht mehr in sitzender Haltung oder in Mikuliczscher Seitenlage, sondern in Rückenlage bei erhöhtem Becken und rückwärts gebeugtem, von einem Assistenten gehaltenem Kopfe. Ach betont den Wert der ösophagoskopischen Untersuchung zur Stellung der Frühdiagnose mit folgenden Worten:

„Um die Frühdiagnose des Ösophaguskarzinoms zu ermöglichen, ist es unbedingt notwendig, daB Kranke, die mit irgendwelchen Schluckbeschwerden zum Arzt kommen, sofort der ösophago- skopischen Untersuchung zugeführt werden. Es ist meines Erachtens nach ebenso selbstverständ- lich wie die Digitalexploration oder die Rektoskopie bei einem Kranken, der an Darmblutungen leidet. Hier wird aber erst dann Wandel geschaffen werden, d. h. wir werden die Ösophaguskranken erst dann frühzeitig zur Operation in die Hand bekommen, wenn die Ösophagoskopie Gemeingut sämtlicher Chirurgen geworden ist. Ist dies der Fall, so wird der praktische Arzt tagtäglich von dieser Untersuchungsmethode hören und wird gerne geneigt sein, einen Patienten mit Schluckbeschwerden dem Chirurgen zu überweisen und nicht wie bisher vertrösten, meist mit der Angabe, daß es sich um

nervöse Erscheinungen handelt. Daß letzteres Moment bisher leider tatsächlich häufig der Fall war, darüber berichten uns unsere Karzinomkranken, die meist Monate vorher schon beim Arzt waren.“

In vielen durch das Röntgenverfahren nicht geklärten Fällen ist die sichere Dia- gnose durch einfache Besichtigung vermittels des Ösophagoskops möglich, in Zweifels- fällen muß die Probeexzision ausgeführt werden. Diese Probeexzision hat aber ihre Gefahren und auch, wie Stegemann zutreffend bemerkt, ihre Schwierigkeiten. Die Gefahren bestehen in Blutung, Perforation und Infektion. Werner z. B. hält einen schädigenden Einfluß der Probeexzision für möglich: ‚Die Entscheidung, ob die Probeexzision einen so ungünstigen Einfluß auf den Verlauf des Ösophaguskarzinoms hatte, oder ob die ausgeheilten Strikturen keine karzinomatösen waren, ist vorläufig nicht zu fällen.“ Daher sollte die Probeexzision nur bei unsicherer Diagnose vor- genommen werden, dann aber sorgfältig. Wir entnehmen 2—3 Gewebstückchen aus verschiedenen Stellen der verdächtigen Wandveränderungen und sind bisher 16mal bei unsicherer Röntgendiagnose zur sicheren Feststellung eines Karzinoms gelangt. Die Probeexzision muß so tief reichen, daß die karzinomatöse Schicht unterhalb der un- veränderten Schleimhaut mitgefaßt wird. Diese richtige Entnahme ist manchmal nicht leicht, daher kommen Fälle vor, welche trotz des durch die Besichtigung gewonnenen Verdachtes auf Malignität ein negatives Untersuchunigsergebnis aufweisen“ (Stege- mann). Besonders bei der zirrhösen Form, die erst relativ spät ulzeriert, ist die Probe- exzision nicht immer sicher, mitunter verhindert auch ein Spasmus des oberhalb des Tumors gelegenen Speiseröhrenabschnittes die genügend tiefe Einführung des Ösophago- skops.

Nicht erwähnt wurde bisher die Sonde, mit gutem Grunde, denn dieses Instrument ist als diagnostisches Hilfsmittel zur Untersuchung von allen Wandveränderungen und

Behandlungsmöglichkeiten des Speiseröhrenkrebses 671

Strikturen des Ösophagus abzulehnen, ganz besonders bei der leicht zerreißlichen Wand der karzinomatösen Speiseröhre. Hat schon die Einführung der Radium- sonde zu Bestrahlungszwecken, wie wir sehen werden, ihre Bedenken, so ist die Anwen- dung der altmodischen Sonde zu diagnostischen Zwecken heute, da wir bessere und un- gefährlichere Untersuchungsmethoden besitzen, als Kunstfehler zu bezeichnen.

Behandlungsmöglichkeiten.

Die Strahlenbehandlung des Speiseröhrenkrebses wäre von geringer Bedeutung, wenn es ein anderes und besseres Mittel zur Bekämpfung dieser Krankheit gäbe. In dem Augenblick, in dem es einer chirurgischen Methode glücken sollte, das Öso- phaguskarzinom mit Erfolg operativ angreifbar zu machen, hätte die Strahlentherapie, mit ihren vorübergehenden symptomatischen Erfolgen, ihren Wert verloren. Die bis- herigen operativen Versuche sind aber noch weit von diesem Ziele entfernt. Gewiß, einzelne Erfolge sind da, Czerny gelang bereits 1877 die erste Resektion des Halsteiles der Speiseröhre wegen Karzinom, Torek resezierte sogar ein Karzinom aus dem Brust- teil der Speiseröhre; auch Völker, Zaaijers, Küttner u. a. erzielten relative Erfolge. Diese glücklichen Resultate operativer Technik sind aber dieser ziemlich häufigen Krank- heit gegenüber so spärlich, daß sie praktisch nicht ins Gewicht fallen. Das Urteil von Postemsky: „Il y a des opérations, qu’on ne doit pas essayer, parce que l’insucces est certain‘ ist zur Zeit leider noch nicht widerlegt.

Zu den palliativen Maßnahmen gehört die von Symons empfohlene, in Deutsch- land von v. Leyden eingeführte Behandlung vermittels Intubation mit Hartgummi- röhren. Wenn nötig, sollte die Stenose zuvor durch Einführung von Quellstiften er- weitert werden. Albert teilte einen Fall mit, in dem eine derartige Kanüle 7 Monate lang getragen wurde. Es ist verständlich, daß diese Behandlungsmethode verlassen ist, wenn sie auch harmloser und zweckmäßiger als die noch heute in Arbeiten und selbst in Lehrbüchern erwähnte oder gar empfohlene Dilatation durch Sonden war. Kirschner kennzeichnete die Sondierung auf dem 45, Chirurgenkongreß treffend mit folgenden Worten:

„Das blinde Vorstoßen von Sonden zum Zwecke der Dilatation erscheint mir bei hochgradigen Stenosen äußerst gefährlich, und dieses Vorgehen hat wohl schon sehr viel Unheil angerichtet. Man sollte doch endlich eingestehen, daß auch der „geübte und vorsichtige‘“ Sondierer über den Weg, den die Sonde bei mehr oder minder gewaltsamem Vorstoßen im Bereiche enger Strikturen nimmt, nicht das geringste weiß. Er hat lediglich das Gefühl des Widerstandes, das aber ebensogut durch die Dila- tierung einer Stenose, wie durch die Perforierung der morschen Ösophaguswand bedingt sein kann. Der Schmerz, den der Kranke äußert, besagt in dieser Beziehung auch nicht viel. Mir ist es daher

unbegreiflich, wo manche Operateure den Mut hernehnien, in derartigen Fällen mit mehr oder minder sanfter Gewalt einem unglücklichen Kranken die Sonde in die Speiseröhre hineinzubohren.“

Die einzige wirkliche Hilfe, die dem Kranken mit strikturierendem Ösophagus- karzinom, von der Strahlentherapie abgesehen, geleistet werden kann, ist die Gastro- stomie. Fast sämtliche unserer in den letzten Jahren beobachteten Kranken mit Speise- röhrenkrebs kamen im Zustande höchster Schluckbehinderung zu uns, es galt zunächst, sie vor dem Hunger- und Dursttode zu bewahren. Nur in einer Minderzahl der Fälle beobachteten wir aber nach der Operation eine nennenswerte Erholung. Bei vielen Kranken spielt die Unmöglichkeit die Speisen zu schlucken eine Rolle; das Interesse an der Nahrung, die ihnen in ihrem Gastrostomieschlauch eingeführt wird, erlischt und, falls nicht in sorgfältiger häuslicher Pflege die Nahrungszufuhr überwacht wird, ist sie häufig unzureichend. Mitunter tritt allerdings im Anschluß an die Gastrostomie, durch Fortfall von spastischen Zuständen oberhalb der Karzinomenge bedingt, eine geringe Besse-

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rung des Schluckvermögens ein, die aber meist nur von kurzer Dauer ist, auch vorüber- gehende Gewichtszunahme wird beobachtet. .

Die Lebensdauer unserer nichtbestrahlten, gastrostomierten Kranken beträgt, nach unseren früheren Erfahrungen, vom Zeitpunkte der Anlegung der Magenfistel an gerechnet, im Durchschnitt 2—2!/, Monate. Hotz schätzt den Wert der Magenfistel für den Speiseröhrenkrebskranken ebenfalls nicht sehr hoch ein. Die Besserung des Allgemeinbefindens seiner Patienten (30 Fälle in den Jahren 1918/19) war von kurzer Dauer, 50% starben im Laufe weniger Wochen, und ‚die anderen Überlebenden haben herzlich wenig gewonnen‘.

Die Hoffnungen, die sich an andere Behandlungsmethoden knüpften, haben sich ebenfalls nicht erfüllt, „weder die Chemotherapie noch die Ferment- oder Immuno- therapie haben die innere Medizin in der Behandlung der malignen Tumoren wesentlich gefördert. : Bis auf ganz wenige Ausnahmen sind alle diese Behandlungsmethoden gänz- lich erfolglos geblieben‘ (Lewin). ‚Il n’existe pas de traitement curatif du cancer de l’oesophage“ (Loeper).

1. Röntgenbestrahlung. a) Übersicht über Methoden und Erfolge.

Vor der Strahlenära war das therapeutische Rüstzeug dem Speiseröhrenkrebs gegen- über so klein, die Erfolge waren so unbefriedigend, daß der müde Pessimismus und die Resignation vieler Ärzte damaliger Zeit verständlich erscheint. Die Röntgentherapie erweckte neue Hoffnungen. Heilungen maligner Tumoren durch Röntgenstrahlen er- regten begreifliches Aufsehen. Das Ausland ging uns mit der Erprobung der Strahlen- wirkung am Krebse voran. Während ‚besonders aus Amerika und England bereits Hunderte von Fällen berichtetet wurden, in denen es gelang, bösartige Neubildungen durch Röntgenbestrahlungen zu heilen, weist die deutsche Literatur nur wenige der- artige Mitteilungen auf“ (Hahn, 1903). Erst als Perthes auf dem Chirurgenkongreß des Jahres 1903 über den EinfluB der Röntgenstrahlen auf epitheliale Gewebe berichtete, mehrten sich die Versuche und die Erfolge.

Unter den 11 Fällen von Bestrahlungen bösartiger Neubildungen, über die Hahn 1903 im Hamburger ärztlichen Verein berichtete, befand sich auch ein Speiseröhren- krebs:

„Auch in einem weit vorgeschrittenen Fall von Ösophaguskarzinom gelang es stets durch die Bestrahlungen die aufgetretenen Schmerzen zu vertreiben; irgendeinen Einfluß auf das Karzinom selbst hatten die Bestrahlungen nicht. Dasselbe schritt weiter fort, und erlag der Patient demselben einige Monate nach Beginn der Bestrahlung.‘

Interessant ist die Mitteilung der schmerzlindernden Wirkung der Strahlen, eine Beobachtung, die sich vielfach bestätigt hat, und die auch in neuester Zeit ge- wissermaßen wieder neuentdeckt ist. Hahn war damals der Meinung, daß sich zwar cine Einwirkung der Röntgenstrahlen auf bösartige Neubildungen nicht abstreiten ließe, daß aber nur dann eine Wirkung einzutreten scheine, wenn die Erkrankung in der Haut selbst liegt. Für den Speiseröhrenkrebs waren die Verhältnisse zu damaliger Zeit in der Tat ungünstig. Erfolge wurden fast ausschließlich bei Tumoren der Körper- oberfläche erzielt, das tief im Innern des Thorax befindliche Ösophaguskarzinom war einer intensiven Wirkung der damals benutzten. mehr oder weniger weichen Strahlen entzogen. Die Erfolge der Behandlung der Speiseröhrenkrebse, übrigens auch der

Frühere Erfahrungen mit der Röntgenbestrahlung des Speiseröhrenkrebses 673

Pharynxkrebse, mit Röntgenstrahlen waren dementsprechend sehr spärlich. Es liegen nur wenige Mitteilungen vor, die Angaben von Hahn, Wendel, Eykmann, Wetterer, Werner, Cahn u. a. waren nicht dazu angetan, große Hoffnungen zu erwecken.

Eykmann beobachtete in einem Falle von Pharynxkrebs nach einer Röntgen- behandlung von 4 Monaten Dauer „Rückgang“ des Karzinoms. Wetterer sah 1906 bei einem inoperablen Pharynxkarzinom mit Drüsenbeteiligung von der von außen und von innen durchgeführten Bestrahlung keinen Erfolg. ‚Allerdings waren damals die Dosen viel zu klein, die angewandten Filter viel zu schwach, als daß man hätte auf eine wesentliche Beeinflussung des Krebses rechnen dürfen.“ Dieser Satz, der für das Pharynxkarzinon galt, paßte in noch höherem Maße für den intrathorakal gelegenen Speiseröhrenkrebs. Bachem gab eine referierende, tabellarische Übersicht über die Erfolge, besser gesagt die Mißerfolge, einer Reihe älterer Autoren.

Tabelle 1.

1. į 1902 | Eykmann Jena 1902 H. Fischer (Ref. F. II, | 1 Rückgang | S. 110) 2. | Fittig Beitr. z. klin. Chir. 42, H. 2 Ä 5 refraktär 3. | 1905 | Sauthier u. | Arch. provin. de chir. 1905 | |. aan Durous Ref. M. m. W. 1905 p. 2147 keine aa ee NE 4. | 1902 | Goubbe Ref. F. VL, 6 S. 266; Americ. 20 6 mal guter Erfolg Röntg. Soc. XII. 1902 5. | 1903 | Hahn F. VII. S. 102 1 subj. Besserung 6. | 1906 | Mader Arch. f. Laryng. 18, H. 1 S. 1; 1 Heilung annähernd M. m. W. 1906 S. 1586 7. | 1902 | Pfahler Philadelphia M. J. 1902 Kein Dauererfolg 8. 1 1896 | Vogt Ärztl. Vers. Hamburg 3. Nov. 1 | Schmerzen fast aufge- 1896 hoben 9. 1 1905 | Wendel M. m. W. 1905 S. 2490 (cf. D. Dauerresultat! ? m. W. 1905 Nr. 44—51) 10. | 1907 | Wichmann Arztl. Ver. Hamburg 26. Nov. 2 l mal AbstoBung der 1907 Tumormassen; 1 mal Mißerfolg, wahrsch. zuschwache Bestrah- lung

Einhorn, der Begründer der Radiumtherapie beim Speiseröhrenkrebs, bezeichnet seine früheren Versuche, das Ösophaguskarzinom mit Röntgenstrahlen zu bekämpfen, als vergeblich. Übrigens wurde die Mangelhaftigkeit der Tiefenwirkung der Röntgen- strahlen als ein Grund des Versagens dieser Therapie schon zu damaliger Zeit erkannt. Wendel schrieb 1905, daß die Hauptschwierigkeit der Röntgentherapie darin bestände, „eine für die Heilwirkung ausreichende Strahlenwirkung ohne Schädigung anderer Gewebe in die Tiefe zu senden“. Man bemühte sich, diesem Übelstande abzuhelfen, und Dessauer kam bereits 1904 zu dem Schluß, daß es möglich sein müßte, so zu be- strahlen, daß die oberflächlichen Gebiete Haut und Zwischenschichten ‚jedenfalls nicht merkbar mehr dem therapeutischen Agens ausgesetzt werden als der tieferliegende Krankheitsherd“.

Wendel versuchte 1905 die Strahlenwirkung dadurch an den Speiseröhrenkrebs gelangen zu lassen, daß er durch ein bis zu dem Tumor in die Speiseröhre einge- führtes Ösophagoskop bestrahlte. Diese Methode ist anscheinend von anderer Seite nicht benutzt worden, und das ist verständlich, sie hat nur historisches Interesse.

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I 43

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Bestrahlt wurde mit ziemlich weicher Röntgenröhre (Ehrhardtröhre). Die Schwierig- keit, die Längsachse des Ösophagoskopes genau in die Strahlenrichtung zu bringen, hebt Wendel selbst hervor, er meinte aber, dies gelänge ‚auch ohne besondere Vor- richtung bei einiger Aufmerksamkeit ganz gut‘.

Es handelte sich um einen 52 jährigen Patienten, der seit einigen Monaten an Schluckbeschwer- den litt, Gewicht 114 Pfund. Die Stenose fand sich 37 cm hinter der oberen Zahnreihe. Sondierung. Patient lehnte Eingriff ab und verließ die Klinik. Nach 5 Monaten Gewicht 98 Pfund. Bei Ösophago- skopie findet man einen höckerigen, knolligen Tumor, der das Lumen verlegt. Bestrahlungen vom 20. Juli bis 8. August in 8 Sitzungen, die ersten beiden von 5 Minuten Dauer, die anderen 10 Minuten. Novokainanästhesie. Der Speichel wurde durch eine Speichelpumpe entfernt.

Wendel glaubte auch einen Erfolg feststellen zu können:

Jedenfalls hat die (mit Chinin und Arsen kombinierte) Behandlung den Erfolg gehabt, daß der Patient wieder feste, gut gekaute Speisen schlucken konnte, daß er in wenigen Tagen 3 Pfund an Ge- wicht zunahm, sich erheblich besser fühlte. Das Ösophagoskop ließ sich um etwa 3 cm tiefer ein- führen als vor der Behandlung. Eine Ulzeration war am Schluß der Behandlung nicht mehr sichtbar. Am 8. August wurde der Patient auf 4 Wochen entlassen, fand sich aber nach Verlauf dieser Zeit nicht wieder ein.

Steiner (Rom) zog 1907 Parallelen zwischen dem häufig rezidivierenden Zungen- karzinom und dem operativ nicht angreifbaren Ösophaguskrebs und betonte die Schwie- rigkeit, den tiefsitzenden Tumor mit genügenden Strahlenmengen zu treffen.

Die ungünstigen Erfahrungen und zum größten Teile ablehnenden Urteile über die Wirksanıkeit der Röntgenstrahlen beim Ösophaguskarzinom zu damaliger Zeit konnten in der unvollkommenen Apparatur und in der mangelhaften Technik ihren Grund haben; in diesem Falle mußten sich die Erfolge bei Vervollkommnung der Apparate und der Bestrahlungstechnik bessern. 1910 berichteten Werner und Caan über 6 Fälle von Speiseröhrenkrebs, die sie mit Röntgenstrahlen behandelten. Nur bei einem Pa- tienten trat Besserung ein. Bestrahlt wurde vom Rücken sowie vom Brustbein aus. Der Kranke verlor darauf seine vorher sehr starken Schluckbeschwerden, so daß von einer Gastrostomie Abstand genommen werden konnte. „Man war schließlich auch imstande, durch Sondierung eine rasche Erweiterung zu erzwingen“. (D Werner und Caan beurteilten dieses Ergebnis vorsichtig und wiesen mit Recht darauf hin, daß bekannt- lich auch spontan, durch Zerfall des Tumors, die Permeabilität der Speise- röhre zunehmen kann.

Stewart empfahl 1913 die Einführung eines dünnen Silberrohres in die kar- zinomatöse Stenose des Ösophagus. Der Nutzen sollte erstens in der Wieder- herstellung der oralen Ernährung, zweitens aber darin bestehen, daß bei der Bestrahlung von außen Sekundärstrahlen im Bereiche des Silberrohres entstehen, welche in dem Tumor zur Wirkung gelangen. Zunächst sollte die Lage des Rohres bei einer Durchleuchtung festgestellt und dann bei verschiedenem Strahleneinfall bestrahlt werden. Als Filter diente Aluminium von 4mm Stärke. Diese Methode. welche an die alte Leydensche Intubation erinnert, ist anscheinend nur von Stewart allein versucht worden, was nicht Wunder nimmt, denn die Intubation ist gefährlich und wird nur in der Minderzahl der Fälle gelingen, und die Wirkung der durch das Silberrohr erzielten Sekundärstrahlen spielt keine wesentliche Rolle.

Von 19 Ösophaguskarzinomen, die außer mit Röntgenstrahlen auch mit En- zytolininjektionen behandelt waren, sah Werner 1914 in 10 Fällen eine monatelang anhaltende erhebliche Besserung und einmal einen seit ungefähr Jahresfrist bestehenden

Erfolg. Allgemein wurde bei dem ticfliegenden Ösophaguskarzinum die Vielfeldermethode

Moderne Röntgenbestrahlung des Speiseröhrenkrebses 675

benutzt. Im Heidelberger Samariterhause z. B. wurden die Speiseröhrenkrebse mit Röntgenstrahlen von 5—8 Feldern aus bestrahlt. Bald begann auch die Fernfelder- bestrahlung größere Verbreitung zu finden.

b) Grundlagen und Aussichten moderner Bestrahlungsweise.

Die Möglichkeit, das Ösophaguskarzinom mit 100% der H.E.D. unter Aus- schaltung grober Schädigungen anderer Organe zu bestrahlen, ist sowohl bei den Krebsen des Halsteiles wie des Brustteiles der Speiseröhre durch die Vielfelder- und Fern- feldermethoden wenigstens theoretisch gegeben. Es kann aber nicht geleugnet werden, daß die Schwierigkeiten homogener Bestrahlung des Ösophaguskarzinoms auch unter Anwendung moderner Technik sehr große sind. Großfernfelder sind nicht ratsam, denn sie bedingen eine bedeutende, unerwünschte Mitbe- strahlung der Nachbarorgane. Besonders bei Krebsen des Halsteiles der Speise- röhre wird man sich aus diesem Grunde nur des vergrößerten Fokushautabstandes, weniger des vergrößerten Feldes bedienen können. Die Krebse der oberen Enge der Speiseröhre oder gar die Karzinome des Pharynx liegen in gefährlicher Nähe des radiosensiblen Kehlkopfes, und die traurigen Erfahrungen, die mit der Röntgen- bestrahlung des Larynxkrebses gemacht worden sind (Jüngling), sollten ein Warnungs- zeichen sein, auch die benachbarten Tumoren nur mit Vorsicht und unter sorgfältiger Abdeckung zu bestrahlen. Bei Krebsen des Brustteiles der Speiseröhre sind es besonders Trachea, Lunge, Thymus und Herz, ferner Milz, Nebenniere, welche von den Strahlen geschädigt werden können. Bei Speiseröhrenkrebsen jeder Lokalisation muß also mit Schädigungen gerechnet werden. Es ist Aufgabe der Bestrahlungstechnik und Dosierung, diese Schädigungen möglichst klein zu gestalten und bei Aufstellung des Bestrahlungsplanes die genannten Organe möglichst den direkten Strahlenkegeln zu entziehen, „möglichst“, denn eine vollkommene Eliminierung ist natürlich nicht erreichbar.

Die Verschiedenheit der Medien, die von den Röntgenstrahlen passiert werden, ehe sie den Tumor treffen, wie die Weichteile der Brustwand und des Rückens, Rippen und Wirbelsäule, besonders aber der Luftgehalt der Lungen, erschwert die Do- sierung. Die Verhältnisse liegen hier viel komplizierter als z. B. beim Uteruskarzinom, bei dem das Ergebnis iontoquantimetrischer Messungen und Tiefendosisberechnungen mit für die Praxis genügender Genauigkeit auf den Patienten übertragen werden können. Die Streustrahlung wird bei Ösophagusbestrahlungen, der lufthaltigen Räume des Thorax wegen, derart kompliziert zusammengesetzt, daß eine genaue Dosierung kaum möglich ist. Das Ziel einer ‚‚homogenen‘, also gleichmäßigen Durchstrahlung des Tumors und seiner Umgebung ist ebenfalls durch diese „Inhomo- genität“ der durchstrahlten Medien nicht in wünschenswerter Weise erreichbar.

Die „Karzinomdosis‘ von 90—120% der H.E.D. ist ein Begriff, mit dem wir zunächst noch arbeiten müssen. Die Ansicht, daß es keine Karzinomdosis in dem Sinne gibt, daß sich alle oder auch nur die Mehrzahl der Karzinome unter der Einwir- kung dieser Strahlenmenge zurückbilden, ist allgemein. Holfelder spricht auch unsere Ansicht aus, wenn er betont, daß dasjenige, „was wir unter dem Namen Karzinom zusammenfassen, eine große Gruppe von Endstadien verschiedenartiger Krankheitsbilder darstellt, und daß die Möglichkeit der Krebsheilung außer in dem Vorhandensein be- trächtlicher eigener Immunitätskräfte des Individuums auch von allerhand anderen mehr oder weniger ungeklärten und unbekannten biologischen Faktoren abhängt‘‘. Die Widerstandsfähigkeit des Körpers gegen den Krebs oder vielleicht die Malignität

43*

676 H. Kurtzahn

des Karzinoms sind verschieden. Manchmal kommt die Krebskachexie schnell, manchmal spät, Metastasen entstehen frühzeitig, spät oder gar nicht. Wie kann man da erwarten, eine Karzinomdosis, eine Heildosis zu finden, die für alle Fälle gilt.

Die Erfahrung hat aber nicht für das Speiseröhrenkarzinom im besonderen, sondern für die Mehrzahl der Krebse überhaupt ergeben, daß bei Dosen, die sich von der sog. Karzinomdosis um 90—120 % der H KD entfernen, Erfolge kaum erwartet werden können. Es liegt daher nahe, die Erfahrung auch auf die.Speiseröhrenkrebse zu über- tragen. Die wenigen Autoren der neueren Zeit, die über die Röntgenbestrahlung des Speiseröhrenkrebses berichten, reden daher der Intensivbestrahlung das Wort. Holfelder meint, „die Ösophaguskarzinome erfordern sehr hohe Dosen“. Zweifel- los ist der Speiseröhrenkrebs den Röntgenstrahlen gegenüber wenig empfindlich.

Das Ösophaguskarzinom soll also sehr intensiv bestrahlt werden und läßt sich wiederum Krebsen anderen Sitzes gegenüber ganz besonders schwer intensiv bestrahlen. Dazu kommt, daß die Bestrahlungstechnik auf einer Reihe mehr oder weni- ger strahlenempfindlicher Organe Rücksicht zu nehmen hat, deren Schädigung vermieden werden muß. Es ergibt sich eine Aufgabe, die restlos zu lösen auch bei größter Sorgfalt unmöglich scheint.

Ein brauchbares Mittel, die richtige Zahl der Felder und ihre zweckmäßige Lage zu ermitteln, ist in dem Holfelderschen Felderwähler gegeben. Die Lage des Krebses wird bei der Durchleuchtung festgestellt und die Höhe seines Sitzes an der Haut des Kranken markiert. Holfelder arbeitet mit kleinen länglichen Feldern, die „jedoch sehr gut gewählt sein müssen“. Im Durchschnitt werden 5—7 Felder ge- braucht. Wir haben mitunter kleine Felder mit vergrößertem Fokushautabstand (50 cm) verwandt. Ein unökonomisches Verfahren, durch welches aber die Tiefendosis vermehrt wird, ohne die hier unerwünschte größere Mitbestrahlung der Umgebung, wie sie bei Großfernfeldern eintreten müßte. Nur bei den seitlich der Wirbelsäule ge- gebenen Felder haben wir uns auch einer Vergrößerung des Feldes bedient.

Aber trotz der modernen Technik sind die Erfolge unbefriedigend geblieben, die Tiefenbestrahlungen haben die auf sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt. Holfelder berichtet 1923 über seine Erfolge der Röntgenbehandlung bei 12 Fällen. mal trat eine langanhaltende Besserung von mehr als Jahresfrist ein, aber keine Hei- lung. 2 Patienten starben an plötzlichem Blutsturze bei sonst völliger Beschwerdefrei- heit. Leider war in diesen Fällen eine Sektion nicht möglich. Nach dem klinischen Ver- laufe zweifelt Holfelder aber nicht daran, daß eine Gefällarrosion infolge Röntgen- schädigung die Ursache der tödlichen Blutung war. ‚Das Ösophaguskarzinom stellt uns eben vor derartig schwere technische Aufgaben, und die abweichenden Absorptions- verhältnisse der Lungen bringen eine solche Unsicherheit in die Tiefendosierung‘‘, daß es uns schwer gelingt, „zwischen der Skylla der Überdosierung und der Charybdis der Unterdosierung hindurchzusteuern. Es genügt ja, wenn an einer einzigen kleinen Stelle jener empfindlichen Gegend ein Zuviel von Röntgenstrahlen hingelangt, um den ganzen Erfolg in Frage zu stellen.“ Jedenfalls ist beim Ösophaguskarzinom bisher noch kein Daucrerfolg nachzuweisen.

Wir haben nach intensiver Röntgenbestrahlung des Speiseröhrenkrebses niemals nennenswerte objektive Erfolge beobachtet. Von einen, wenn auch nur zeitlich begrenzten, Wiederaufblühen der Kranken war nicht die Rede. Die Schluckbehinderung besserte sich nicht, oder nur so unbedeutend und für so kurze Zeit, wie man dies auch bei unbestrahlten Fällen nicht selten beobachtet. Eine Verlängerung der Lebensdauer trat

Frühere Versuche der Radiumbestrahlung des Speiseröhrenkrebses 677

nicht ein. Dagegen sahen wir nicht selten, daß kachektische Kranke die intensive Bestrahlung schlecht vertrugen.

Wenn wir das Erreichte kritisch würdigen, so müssen wir gestehen, wir sehen ein Fiasko, dem problematischem Nutzen der Bestrahlungen steht mitunter eine objektiv nachweisbare Schädigung gegenüber. Die Röntgentherapie als alleinige Behandlungs- methode des Ösophaguskarzinoms wäre demnach als nutzlos zu bezeichnen, wenn nicht in manchen Fällen ein Erfolg eintreten würde, der zu weiteren Versuchen anregt: das zeitweilige Aufhören der Schmerzen. Diese Beobachtung, die bereits Hahn zur Zeit des Beginnes der Röntgentherapie machte, ist der einzige Nutzen der Röntgenbestrahlung beim Speiseröhrenkrebs geblieben.

Es steht nicht fest, welche Dosen zur Schmerzbekänpfung ausreichen. Eine Intensivbestrahlung scheint dazu nicht erforderlich zu sein. Wir bestrahlen zur Zeit von zwei einander gegenüberliegenden Fernfeldern aus, das vordere Feld an der rechten vorderen Brustseite, das hintere an der linken Rückenseite befindlich. Die Lokalisation des Tumors erfolgt bei der Durchleuchtung. Fokushautabstand 50 cm, Feldgröße 15 x 15, 2/, B.E.D. Die Linderung der Schmerzen pflegt gewöhnlich bereits in einigen Tagen einzutreten, leider nicht in allen Fällen, oft genug bleibt die Bestrahlung auch in dieser Hinsicht wirkungslos.

Zu untersuchen wäre noch, ob durch die Röntgenbestrahlung der Metastasen des Ösophaguskarzinoms Besserung erzielt werden kann. Über nennenswerte Erfolge dieser Art wird nicht berichtet. In vielen Fällen, wohl der Mehrzahl, werden die Meta- stasen in vivo nicht nachgewiesen, auch nicht unter Anwendung der im Anfang der Arbeit erwähnten diagnostischen Methoden. Gelingt ihre Feststellung, so bleibt ein Versuch mit intensiver Röntgenbestrahlung das einzige, was therapeutisch überhaupt noch in Frage kommt, da das Radium gegenüber den Metastasen versagt. Viel ist leider nicht zu erhoffen.

Die großartige Entwicklung der Röntgenapparate, der Bestrahlungstechnik, der Dosierung und die Möglichkeit der Homogenstrahlung haben uns in der Bekämpfung des Speiseröhrenkrebses nur wenig gefördert. Die Frage, ob die Röntgenstrahlen geeignet sind, die Therapie mit Radium wirksam zu unterstützen, wird uns noch beschäftigen.

2. Radiumbestrahlung. a) Übersicht über Methoden und Erfolge.

Sonden.

Die ersten Versuche, das Radium überhaupt therapeutisch zu verwenden, stammen von Strebel (1900), er verwandte es zur Lupusbehandlung. Tatsächliche Heilerfolge wurden im Jahre 1903 erzielt. Goldberg und London (Petersburg) und Exner (Wien) stellten gleichzeitig und unabhängig voneinander Versuche über die Wirkung des Radiums auf bösartige Tumoren an. Seit Exners und Holzknechts Mitteilungen begann das Interesse an dem Radium als neuem Heilfaktor in der Kar- zinomtherapie zu wachsen.

Am 29. Oktober 1903 berichtete Exner über eine ganze Reihe von Fällen, die mit Radiumstrahlen deutlich im günstigen Sinne beeinflußt wurden. In dieser Sitzung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften wurde erstmalig das Ösophagus- karzinom als geeignetes Objekt der Radiumtherapie bezeichnet. Exner führte folgendes aus:

678 H Kurtzahn

Der Gedanke, andere inoperable Geschwülste, wie das Karzinom des Ösophagus, mit Radium zu behandeln, lag sehr nahe. Ich hatte bereits Gelegenheit, derartige Fälle zu behandeln, kann aber über die Fälle noch nichts Sicheres mitteilen. Ich verfahre in der Weise, daß ich ein geeignetes Radium- präparat an der Spitze eines Ösophagusbougies befestige und nun die einzelnen Partien des Tumors bestrahle.

Nachdem einmal die heilende Wirkung des Radiums auf Karzinome, zunächst aller- dings auf Hautkrebse, beobachtet worden war, lag der Gedanke nahe, auch bei dem Ösophaguskarzinom das Radium anstatt der Röntgenstrahlen zu benutzen. Der Vorteil, das Präparat vermittels einer Sonde in die Nähe der Geschwulst zu bringen, lag auf der Hand. Statt große Körperpartien nutzlos mit Röntgenstrahlen zu durch- strahlen, von denen nur ein Teil die Neubildung traf, war bei dem Radium die Möglich- keit gegeben, alle Strahlen elektiv auf den Tumor und seine Umgebung wirken zu lassen.

Exners Technik bestand darin, daß ein Ösophagusbougie derartig ‚„adjustiert“ wurde, daß an das untere Ende eine das Radiunı enthaltende, zylindrisch geformte Hartgummikapsel fest angeschraubt wurde. Da Exner nur über eine geringe Menge Radium verfügte (60 mg), konnte nur eine Radiumkapsel angefertigt werden. Die Kapsel bestand aus 2 Hartgummihohlzylindern, die ineinanderpaßten und zwischen sich das Radium bargen; dieses war, nach dem Vorschlag von Holzknecht, in Damar- lack eingeschlossen. Der Dickendurchmesser der Radiumkapsel entsprach der Bougie- nummer 16.

Exner führte bereits in seiner Veröffentlichung 1904 aus, daß seine Hoffnung, das Ösophaguskarzinom mit Radium zu bessern, nicht allein auf der Rückbildung der Geschwulst auf Grund der Strahlenwirkung beruhe, sondern auch auf der Nekro- tisierung des Tumors. Diese Überlegung spielt, wie wir sehen werden, auch bei der modernen Technik eine Rolle. Exner hatte nämlich an anderen Tumoren die Bechachtung gemacht, daß unter der Einwirkung des Radiums tiefe Höhlen indem Tumor entstehen können und zog daraus folgenden zutreffenden Schluß: ‚Wenn es, wie voraus- zusehen war, gelang, auch das Karzinom des Ösophagus bis zu einer gewissen Tiefe zur Nekrose zu bringen, so konnte auf diesem Wege die Stenose gebessert werden.“

Über die 6 angeführten Fälle wird folgendes berichtet:

Fall 1 wurde 7 mal, je 20 Minuten bestrahlt; der zweite Fall 4 mal je 1, Stunde; Fall 3 zunächst 6 mal je 4, Stunde, nach 9 Tagen 2 neue Bestrahlungen von gleicher Dauer. In diesen 3 Fällen wurde Besserung der Schluckfähigkeit erzielt. Die Sondierung mit stärkeren Sonden bis zu 23 bzw. 26 wurde möglich. Über die anderen Fälle fehlen genauere Angaben. Ein Patient starb 31, Monate nach Beginn der Behandlung.

Exner schließt mit den Worten: „Ich hoffe in der geschilderten Weise einen Weg eingeschlagen zu haben, auf welchem es möglich sein wird, in Fällen, die bei noch per- meabler Stenose zur Behandlung kommen, die Gastrostomie umgehen zu können. Hierzu wird vor allem eine Verbesserung der Technik nötig sein, so zwar, daß für die verschieden weiten Stenosen auch verschieden starke Radiumkapseln zur Verfügung stehen.“

Damit hat Exner bereits im Anfang dieser therapeutischen Versuche den Kernpunkt der Radiunmsondenbehandlung des Ösophaguskarzin oms richtig erkannt. Bei permeablen Stenosen, und zwar nur bei diesen ist, wie wir sehen werden, die Radiumbehandlung mit Sonden erfolgreich.

Im selben Jahre (1904) gab Einhorn (Neuyork) unabhängig von Exner ebenfalls einen Radiumbehälter zur Bestrahlung des Ösophaguskarzinoms an. Am 22. Januar demonstrierte er diese Behandlungsmethode in der Sitzung deutscher Ärzte in Neuyork an einem Kranken. Einhorns Radiumsonde bestand aus einem Schlauch, der

Frühere Erfahrungen mit der Radiumsonde beim Speiseröhrenkrebs 679

mit einem Mandrin versehen war, und einer Kapsel, deren unterer Teil aus Hartgummi und deren oberer Teil aus Metall gefertigt war. Beide Hälften ließen sich zusammen- schrauben. Der obere Teil der Kapsel endete in einem Fortsatz mit Schraubengewinde und paßte in den Schlauchteil hinein (Abb. 2). Die Kapseln kamen in 3 verschiedenen Größen in Anwendung, damit eine Anpassung an die Enge der Striktur möglich war.

Das „Radiumfläschchen‘ wurde in die Kapsel des Ösophagusbehälters hineingetan und fest zugeschraubt; der Apparat wurde dann mit Mandrin in warmes Wasser getaucht und den Patienten im Sitzen in den Ösophagus hineingeführt und bis zur Striktur vorgeschoben. Beim Einführen sollte das Instrument schreibfederartig in der rechten Hand gehalten und dabei ein Druck auf den Schlauch und Mandrin ausgeübt werden, um ein Verschieben der beiden Teile gegeneinander zu verhindern. Wenn die Striktur erreicht war, was man durch den sich bietenden Widerstand erkannte, wurde der Mandrin entfernt. Das Schlauchende wurde nun mittels Fadens am Ohre des Patienten befestigt. Die Sonde blieb eine halbe oder eine ganze Stunde liegen. Bei dieser Radiumapplikation sollte „weder bei Einführung dieses Instrumentes noch bei den Prüfungen mit den Bougies je Gewalt angewandt“ werden.

Abb. 2. Einhorns Radiumsonde zur Bestrahlung des Ösophaguskarzinoms.

1904 konnte Einhorn die ersten Erfolge dieser lokalen Radiumbehandlung mit- teilen. 9 Patienten wurden behandelt, bei 6 konnte deutlich ein Weiterwerden der kar- zinomatösen Striktur nachgewiesen werden, 1905 berichtete er über 7 weitere Fälle (siehe Tabelle 2, Seite 680).

Die Besserung der Strikturbeschwerden trat gewöhnlich bereits eine Woche nach eingeleiteter Behandlung, zuweilen noch früher ein. Subjektiv fühlten sich die Kranken besser als vor der Behandlung: 5 konnten wieder schlucken; 3, bei denen die Permeabilität der Striktur erreicht wurde, vermochten sogar halbflüssige und selbst feste Speisen zu sich zu nehmen. Eine Schmerzlinderung konnte bei 5 von den 6 be- handelten Patienten konstatiert werden.

Zu den ersten, die den Speiseröhrenkrebs mit Radium bekämpften, gehörte ferner Sommer. Er erzielte (1904) einen vorübergehenden Erfolg bei einem inoperablen Carcinoma oesophagi mit Übergreifen auf den Kehlkopfeingang.

In Frankreich wurde die Sondenbestrahlung vielfach versucht. Guisez und Barcat (1909) ließen sich bei ihren Versuchen besonders von dem Gedanken leiten, daß das Ösophaguskarzinom einen dem Hautkrebs ähnlichen histologischen Aufbau zeigt. Ihre Technik war folgende:

Es wurde zunächst 0,01 g Radiumbromid, das in einem Doppelröhrchen aus Silberblech von je 0,4mm Dicke eingeschlossen und mit einem Silberdraht am Ende einer Ösophagussonde fixiert

680 H. Kurtzahn

Tabelle 2. Einhorn, Tabelle der im Deutschen Hospital mit Radium behandelten Fälle von Ösophaguskrebs (1905).

Nr. Name Alter Wie lange behandelt ? | Bemerkungen 1905 und halbflüssige Nahrung genießen 2. | Anna S. 52 Jahre Vom 22. Febr. bis 9.März | Pat. fühlt sich etwas besser

1905, 16 Tage Vom 9. März bis 6. April 1905, 27 Tage

3. | Abraham (.| 55 Jahre Pat. hat sich bedeutend gebessert ;

er konnte besser schlucken und

| 1. | A. S. 75 Jahre | Vom 10. Nov. bis 20. Jan. | Frei von Schmerzen, kann flüssige | | | | | hatte keine Schmerzen

4. | Anna K. | 35 Jahre | Vom 22. März bis 20. Apr. | Pat. hat zugenommen, konnte jetzt 1905, 30 Tage halbflüssige u. selbst feste Speisen genießen 5. | Celia M. 39 Jahre Vom 6. bis 28. April 1905, | Pat. fühlt sich besser, kann jetzt 23 Tage halbflüssige und auch etwas feste Speisen genießen 6. | Lina Z. 50 Jahre | Vom 13. bis 28. April Pat. kann jetzt selbst feste Nahrung | 1905, 16 Tage zu sich nehmen; hat 8 Pfund zu- | _ genommen 7. | Bessie B. | Etwa 53J. | Vom 10. bis 28. April ; Schluckfähigkeit hat sich nicht be- | 1905, 19 Tage sonders gebessert. Hat einige Male

etwas blutig gefärbten Schleim hauptsächlich nach der Radium-

| behandlung herausgewürgt; leichte | | Temperatursteigerung ab und zu

wurde, während 2—3 Stunden, später 0,05g Radiumbromid während 3—6 Stunden appliziert. Die Sitzungen wurden möglichst hintereinander abgehalten, um eine kontinuierliche Einwirkung zu er- zielen.

In den 5 zur Behandlung gelangten Fällen zeigte sich immerhin eine nennenswerte Besserung. Nach 2—3 Sitzungen wurde ein bis dahin undurchgängiger Ösophagus für weiche Sonden durchgängig. Einmal wurde ein rasches Verschwinden des gangränösen Geruches der Zerfallsprodukte des Karzinoms bewirkt.

Das Interesse an den Erfolgen dieser Therapie wuchs, die Erfahrungen vergrößerten sich und 1913 konnte Guisez (Paris) auf dem internationalen Kongreß in London bereits über 35 derartig behandelte eigene Fälle berichten. Er hatte bereits die für die Sondenbestrahlung wichtige Beobachtung gemacht, daß nicht bei allen Formen des Speiseröhrenkrebses mit dieser Technik Erfolge zu erwarten sind und trug der Tatsache, daß nur die Teile des Tumors, diein unmittelbarer Nähe des Radiumpräparates lagen, von den Strahlen wirksam beeinflußt werden, in der Auswahl seiner Patienten Rechnung. ‚Wir wählten dafür allerdings nur die günstig gelegenen und applizierten das Radium nur in den Fällen, in denen es noch mög- lich war, die mit dem Radiumträger versehene Sonde mitten in die karzinomatöse Stenose einzuführen.“ Es nimmt nicht wunder, wenn bei dieser Indikationsstellung die Erfolge besonders gut waren. Guisez teilt u. a. folgendes mit:

‚Die palliative Wirkung machte sich in allen Fällen in evidenter Weise bemerkbar; bei einer gewissen Zahl von Fällen, etwa !/, aller, erzielten wir eine so große Besserung, daß die Ernährung wieder in normaler Weise möglich wurde, und zwar Monate hindurch.“

3 Fälle wiesen „alle Zeichen der Heilung‘ auf:

Fall 1: 52 Jahre. Seit Monaten Schluckbeschwerden. Abmagerung: 25 Pfund. Ösophagosko- pische Untersuchung und Probeexzision ergibt Februar 1911: ein Tumor im mittleren Drittel der Speiseröhre: Drüsenepithehom. Tägliche Applikation des Radiumträgers. 8 Sitzungen von je 4 bis o Stunden Dauer.

Frühere Erfahrungen mit der Radiumsonde beim Speiseröhrenkrebs 681

Bessere Schluckfähigkeit, Verkleinerung des Tumors. Mai 1911 erneute Radiumbestrahlung (7,5 cgr), während 5 Stunden an 5 aufeinanderfolgenden Tagen.

Später lokale Dilatation, Besserung des Befindens. Nach 6 Monaten hat Patient sein normales Gewicht wieder erreicht.

April 1913 Patient in gutem Zustande (2 Jahre).

Fall 2: November 1911. Patient seit 6 Monaten Schluckbeschwerden. Ösophagoskopische Un- tersuchung: leicht blutender Tumor 1 cm über der Kardia. Histologische Untersuchung: Zylinder- zellen, Epitheliom.

April 1912: Verschwinden aller Granulationen. Auf der Höhe der Ulzeration besteht grau- narbige Oberfläche. Patient ernährt sich normal. Allerdings muß alle 4-5 Wochen eine Dilatation vorgenommen werden.

Fall 3: 53 Jahre. Mai 1912. Seit einiger Zeit Schluckbeschwerden. Ösophagoskopische Unter- suchung: Tumor 8cm vom Beginn der Speiseröhre entfernt. Histologisch kleinlappiges Platten- epitheliom.

Nach 2 Bestrahlungsserien Schluckakt normal. Patient nimmt Beruf als Klempner wieder auf. Probeexzision 1912: es scheint, als ob in diesem besonderen Falle der Tumor seine histologische Natur verändert habe. Die epitheliomatöse Neubildung scheint eine Transformation in eine entzünd- liche Geschwulst. durchgemacht zu haben.

Februar 1913. Ösophagoskopischer Befund: keine Geschwulst mehr nachweisbar „an Stelle des Tumors rote infiltrierte verhärtete Mukosa“. In diesen Fällen kann man so weit gehen, fast von Heilung zu sprechen.

Eines der besten überhaupt erzielten Ergebnisse stellt der Fall von Guisez und Labouré dar, den diese Autoren am 6. Mai 1913 auf dem Congrès français d’Oto- Rhino-Laryngologie demonstrierten. Es handelt sich um einen Kranken, der seit 2l/, Jahren klinisch die Zeichen der Heilung aufwies. Die Diagnose war vermittels Ösophagoskops gestellt, es handelte sich um einen Tumor im oberen Drittel der Speiseröhre. Nach 3 Bestrahlungsserien wurde die Schluckfähigkeit gebessert, und seit länger als 2 Jahren waren Ernährungsweise und Lebensführung des Kranken völlig normal.

Die Unmöglichkeit, bei engen Stenosen den unteren Teil des Tumors wirksam be- strahlen zu können, veranlaßte Sticker (1913), das Radiumpräparat retrograd durch eine Magenfistel zum Ösophagus einzuführen. Die schwierige Technik fand keine Nach- ahmer.

Schindler (1913) benutzte statt Radium Mesothorium und bestrahlte mittels Bougie, in welches das Präparat eingefügt war. Die Wirkung des Präparates auf lebendes Gewebe war erprobt, sein Radiumträger also, nach dem Ausdruck von Krönig und Friedrich, „biologisch geeicht‘“.

Wickham und Degrais (Paris, 1913 und 1914) lokalisierten das Karzinom durch Ösophagoskop und bestrahlten die Kranken 2—3 Stunden mit Radiumsonde. Die Erfolge waren oft befriedigend. „Sehr rasch wurde der Durchgang der Speisen leichter, Schmerzen verringerten sich, der Patient fühlte sich wesentlich erleichtert. Wir konnten Fälle beobachten, die sich seit mehr als 3 Jahren in gutem Zustande hielten.“

Unter 53 mit Radium behandelten Tumoren hatten Schüller und Sparmann 1913 3 Ösophaguskarzinome und einen Kardiakrebs und berichteten darüber u. a. fol- gendes:

F. W., 61 Jahre. Stenosis Ösophagi (Cardiae). Probeexzision: Adenokarzinom. Seit 3 Monaten Schluckbeschwerden. Gewichtsabnahme um 11 kg. Kann nur breiige und flüssige Nahrung zu sich nehmen. Ösophagoskopie: Knapp oberhalb der Kardia ein höckriger stenosierender Tumor.

Behandlung mit Radiumbougie. Dauer der Behandlung 10 Wochen. Anzahl der Sitzungen 22. Einzeldosiszeit: 45 Minuten bis 2 Stunden; Einzeldosismilligranm 8,30,50; Intervalle 1—11 Tage; G:esamtmilligrammstunden 937. 2-mm-Silberfilter.

Ergebnis: Während im Anfang der Behandlung die Stenose sich etwas zu erweitern schien,

682 H. Kurtzahn

verengte sie sich bald wieder. Gewicht in den ersten 5 Wochen 3kg Zunahme, dann Abnalıme. In dem einige Monate später erscheinenden Bericht über die Spätresultate teilt Sparmann den Tod dieser Patientin mit.

Frau Z. A. Schluckbeschwerden, seit 5 Monaten kann nur flüssige Nahrung geschluckt werden. Ösophagoskopie: In 25cm Entfernung von der Zahnreihe ein zerklüfteter, zirkulärer, stenosierender, leicht blutender Tumor. Probeexzision: Plattenepithelkarzinom.

Radiumbehandlung mit Radiumbougie. Dauer der Behandlung 5 Wochen: Anzahl der Sitzungen

11, Einzeldosiszeit: meist 1 Stunde. Ein- em zeldosismilligramm 30,50. Intervalle: meist Pr Ss jeden 2. Tag. Gesamtmilligrammstunden: | 490. Filter 2 mm Silber.

` N Ergebnis: Schluckbeschwerden zeit- weise gebessert. Nach der 5. Bestrahlung >. \ starke Schmerzen. vermehrte Schluckbe- ~ à \ schwerden, dann wieder Besserung. In 4 Wochen 1,4 kg Gewichtszunahme. Sub- jektiv fühlt sich Patientin während der

Radiumbehandlung ‚sehr wohl“.

Sparmann teilt in dem einige Mo- nate später erscheinenden Bericht mit, daß der subjektive und objektive Befund seit- dem der gleiche geblieben sei.

66 Jahre alter Mann: Seit 3 Mona- ten Schluckbeschwerden. Ösophagoskopie: 34 cm hinter der Zahnreihe, vorwiegend an rechter Wand sitzender, leicht ulzerierter Tumor, Probeexzision: verhornendes Plat- tenepithelkarzinom.

Gastrostomie, darauf Radiumbehand- lung mit Bougie. Dauer der Behandlung 10 Wochen Anzahl der Sitzungen 22. Ein- zeldosiszeit: 45 Minuten bis 2 Stunden. Einzeldosismilligramm: 8,30,50. Intervalle: 1—3—14 Tage. Gesamtmilligrammstun- den: 807. Filter: 2 mm Silber oder 2 mm Ebonit.

Ergebnis: langsame, aber stete Bes-

\ á serung des Allgemeinzustandes. Gewichts- | zunahme um 2 kg. Nach 6 Wochen auch röntgenologisch wesentliche Besserung zu

ae konstatieren. Wieweit die Ausschaltung

durch Gastrostomie, wieweit die Bestralı- lung die Besserung bewirkten, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen. Wird als der beste Erfolg bei den Ösophaguskarzinomfällen bezeichnet. Über das weitere Schicksal die- ses Patienten konnte Sparmann nichts berichten.

Abb. 3. Czerny-Caansche Radiumsonde. (b Radium-

kapsel mit Kugel, die ein Durchgleiten der Kapsel

durch die Stenose verhindern soll, der Königsberger chir. Klinik.)

44 Jahre alter Mann: Seit 5—6 Monaten Schluckbeschwerden. Ösophagoskopie: 27 cm hinter der Zahnreihe an der Hinterwand des Ösophagus ein stenosierender, fast zirkulärer Tumor. Probe- exzision: verhörnendes Plattenepithelkarzinom. Radiumbehandlung mit Radiumbougie. Dauer der Behandlung: 8 Wochen; 15 Sitzungen; Zeit: 45 Minuten bis 113 Stunden. Einzeldosismilligramm: 30, meist 50; Intervalle: meist 2 Tage; Gesamtmilligrammstunden: 755 Filter. 2 mm Silber.

Ergebnis: Andauernde Besserung der Stenose. Nach 4 Wochen geht Bougie 15 glatt durch die Stenose durch. Allgemeinbefinden wesentlich gebessert.

Wie Sparmann einige Monate später mitteilte, kam es wiederum zu einer wesentlichen Ver- engerung der Stenose.

Die Erfolge waren nicht groß, entsprachen jedenfalls nicht den Ergebnissen

Czerny-Caansche Radiumsonde 683

der Franzosen. Dabei muß aber betont werden, daß letztere die besten Fälle aus einem größeren Material mitteilen. Erfolge, die denen von Guisez und Laboure und Wickham und Degrais gleichkommen, sind überhaupt zu damaliger Zeit von anderen Autoren nicht erzielt worden.

Abbé (Neuyork) behandelte während 10 Jahren 750 Fälle mit Radium, darunter eine Anzahl Ösophaguskarzinome. Ihm standen ziemlich große Mengen Radium zur Verfügung, nämlich 150 mg Radiumbariumchlorid und 250 mg reines Radiumbromid. Seine Ausführungen auf dem internationalen Kongreß in London 1913, soweit sie sich auf die Radiumbehandlung des Speiseröhrenkrebses beziehen, gipfeln in dem Satze: „Beim Ösophaguskarzinom erzielt man häufig zeitweilige Besserung, wenn von einer Heilung auch keine Rede sein kann.“

Abb. 4. Einführung der Czerny-Caanschen Abb. 5. Czerny-Caansche Sonde in situ Radiumsonde. nach Entfernung des Schlauches.

Aus der Schmid entnommenen Statistik Janeways ergibt sich, daß ein Fall von Ösophaguskarzinom seit Jahresfrist ‚geheilt‘, 6 Fälle gebessert, 15 Fälle nicht gebessert waren.

In Deutschland gaben 1913 Czerny und Caan ein Instrument zur lokalen Bestrah- lung des Ösophaguskarzinoms mit Radium an. Es besteht aus einer mit einer Skala versehenen Magensonde, durch welche ein ebenfalls graduierter, 2 mm Durchmesser besitzender Mandrin hindurchgezogen werden kann. Der Mandrin hat die doppelte Länge der Hohlsonde, an seiner Spitze befindet sich eine abnehmbare, 4 cm lange und 6—9 cm breite, nach unten sich verjüngende Zelluloidkapsel. Für die Einführung des Instrumentes wurden folgende Vorschriften gegeben: „Nachdem das Hindernis erreicht ist, wird die Tube vorsichtig (!) durch Tast- und Drehbewegungen möglichst tief in die Stenose eingeführt“. Die Hohlsonde wird über dem Mandrin zurückgezogen, der zum Fixieren und später zum Zurückziehen des Radiumapparates dient (Abb. 4 und 5). Das Instrument kann bis zu 2 Stunden liegen bleiben, ohne daß es stärkere Reizerscheinungen macht. Die Einführung soll zur Verhütung einer Mediastinitis in Intervallen von 3—5 Tagen vorgenommen werden.

Wendel bestrahlte 2 Patienten mit 137 mg Mesothorium direkt von der Speise- röhre aus. Die einzelnen Sitzungen dauerten 2—3 Stunden. Zwischen 2 Sitzungen lag mindestens eine Woche Pause. Bei der Sektion des einen Patienten, welcher aus anderer

681 H. Kurtzahn

Ursache später ad exitum kanı, zeigte sich, daß die Speiseröhre zwar durchgängig, aber das Karzinom nicht geheilt war.

Barcat (Paris) nahm auf Guisez’ Veranlassung die Radiumbehandlung des Speise- röhrenkrebses wieder auf und berichtete 1915 über seine Erfolge:

Bei 10 Fällen Radiumsonde,. 5 ctg Radium in 5—6 Sitzungen, insgesamt 24—28 Stunden.

Nur vorübergehender palliativer Erfolg. Zu geringe Radiummenge. In 4 Fällen, die mit 5—10 ctg Radium behandelt wurden, durchaus ermutigende Erfolge. In einem von diesen Fällen erfolgte nach den 4 ersten Sitzungen ein derartiger Rückgang der Neubildung, die 13 cm oberhalb der Kardia ihren Sitz hatte und die Ernährung fast unmöglich machte.

daß bei der Ösophagoskopie an der Stelle des Tumors

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nur noch ein weißes, narbiges Gewebe wahrzuneh-

S men war, und der Kranke wieder Ochsenfleisch und Gemüse essen konnte. Leider unterzog sich der

Kranke nicht mehr einer weiteren Behandlung, die

natürlich notwendig gewesen wäre, so daß das Resul-

tat schließlich nur darin bestand, daß das Leben des

Kranken um 6 Monate verlängert wurde. Das ist

zwar ein relativer, aber immerhin insofern bemerkens-

werter Fall, als bei Beginn der Behandlung der Tod

des Kranken durch Inanition sehr nahe bevorstand.

Bei den 3 anderen noch in Behandlung befind-

lichen Fällen ist das Schlucken viel leichter gewor- den, und in einem von diesen Fällen ging der Tumor soweit zurück, daß mit Hilfe der Ösophagoskopie der ursprüngliche Sitz nicht mehr zu erkennen war; der Kranke nahm an Gewicht zu, sein Aussehen besserte sich, und man darf wohl in diesem Falle an einen Dauererfolg denken.

Gewisse symptomatische Erfolge erzielten Harmer und Pinsch (London) 1914. Be- strahlt wurde mit durch 1 mm Silber gefilter- tes Radium. Die Schluckfähigkeit der Kranken wurde für eine Zeitlang gebessert und die Ulzeration nahm ab, so daß auch der Auswurf übelriechender Massen nachließ. ‚‚Car- Abb. 6. Erweiterungen von Krebsstenosen cinoma of the oesophagus had been tempera- durch Radiumbestrahlungen (nach Lewin). rily benefited, but he had not seen a case of

arrest of the growth.“ Pinsch klagt besonders über das vorgeschrittene Stadium der Erkrankung, in dem die Patienten in seine Be- handlung kamen (Radiuminstitut London). Wie Guisez machte er die Erfahrung, daß nicht alle Fälle für die Radiumbehandlung mit Sonden gleich gut geeignet sind. „in den Fällen, wo ein vollständiger Verschluß noch nicht eingetreten war, und die Möglichkeit bestand, das Radium ordentlich in das Lumen der Neubildung einzuführen, war eine deutliche, wenn auch vorübergehende Besserung zu konstatieren;; daß diese nicht durch die rein mechanische Dilatation der Striktur durch den Apparat bedingt war, geht daraus hervor, daß die Besserung der Schluckbeschwerden bis zu 6 oder sogar 9 Monaten nach der Beendigung der Behandlung anhielt. Von 9 Fällen wurden 4 gebessert, 4 nicht gebessert, einer entzog sich weiterer Behandlung.“

Ein relativ großes Material stand Lewinzur Verfügung. Auf dem Kongreß für innere Medizin 1914 konnte er über etwa 35 mit Radium behandelte Ösophagus- und Kardia- karzinome berichten. Besserung wurde erzielt, namentlich Beseitigung der Stenosen- beschwerden über Monate hindurch. Die Verkleinerung der Tumoren und die Erweiterung der Stenose waren auch röntgenologisch zu verfolgen (Abb. 6).

Neuere Erfahrungen mit der Radiumsonde beim Speiseröhrenkrebs 685

Die Ergebnisse der Bestrahlungen waren beim Ösophaguskarzinom besser als beim Kardiakrebs.

„Aus meinem großen Material gerade von Ösophaguskarzinomen habe ich mehrere Fälle von vollständiger Beseitigung der Stenosenbeschwerden gesehen, die mehrere Monate andauerten und den Patienten wieder eine genügende Nahrungsaufnahme ermöglichten. Es sind dies Fälle, in denen feste Nahrung überhaupt nicht mehr genommen werden konnte, und die jetzt ohne Schwierigkeiten die so sehr entbehrten festen Speisen wieder zu sich nehmen können. Was ich aber besonders hervor- heben möchte, ist ein Fall, der jetzt seit 6 Monaten nach AbschInß der Behandlung vollkommen be- schwerdefrei ist und klinisch als geheilt bezeichnet werden kann. Ein Erfolg, der meines Wissens durch keine Therapie in einem solchen Fall erzielt wurde.‘

K nox (1914) sah am Krebshospital in London gewisse, wenn auch bescheidene Erfolge der Radiumbehandlung. ‚Eine Anzahl Patienten haben an Gewicht zugenom- men und den Gebrauch der Speiseröhre wieder erhalten, bis sie dann schließlich infolge eines Sekundärgewächses im Mediastinum gestorben sind.“

Werner hatte 1914 von 8 mit intraösophagealen Mesothoriumbestrahlungen einen, längere Zeit anhaltenden, Erfolg gesehen. In dieser Veröffentlichung, wie auch in seinen späteren (1923) werden die Schwierigkeiten zweckmäßiger Bestrahlung und die Gefahren der intraösophagealen Bestrahlungen mit radioaktiven Substanzen besonders betont.

Wetterer empfahl 1919 die Sondenbestrahlung, ohne deren Nachteile zu verkennen. Immerhin hält er das Ösophaguskarzinom in manchen Fällen für ein dankbares Ob- jekt der Radiumbehandlung

Loeper (1921) beobachtete 2 Kranke, bei denen nach den Bestrahlungen (40 mg radioaktive Substanz, 10—12 Stunden Bestrahlungsdauer) die Schluckbehinderung sich besserte und der Allgemeinzustand sich hob. Bei einem dieser Patienten, einem Missionar, ging die Besserung soweit, daß der Kranke trotz seines sicheren Karzinoms mehrere Monate seiner Tätigkeit in Afrika oblag, ehe er sich einer neuen Behandlung unterzog. Trotzdem hält Loeper die erzielten Erfolge in bezug auf die große Zahl der mit Radium behandelten Kranken für spärlich, immerhin sei die Radiumtherapie diejenige Behand- lungsweise, auf welche ‚on a fondé et on fonde, à juste titre, de grandes esperances“.

Bewertung der Sondenbestrahlung.

Bei den Versuchen, die zahlreiche Autoren mit der Radiumbestrahlung des Ösophagus- karzinoms mit Sonden machten, traten die Nachteile dieses Verfahrens in Erscheinung. Besonders unangenehm ist der Reiz, der durch die Sonde verursacht wird, und der so quälend ist, daß die Patienten gewöhnlich nicht imstande sind, die Sonde genügend lange zu behalten. Rupp z. B. schreibt seine Mißerfolge bei der Bestrahlung diesem Umstande zum großen Teile zu: ‚Die auftretende starke Sekretion stört außerordentlich, und oft- mals wird das Präparat herausgewürgt, dessen erneute Einführung immer recht qual- voll für den Patienten ist.“ Auch Schlesinger meint in Übereinstimmung mit vielen anderen Autoren, ‚daß die Erfolge beim Krebs der Speiseröhre nicht die nämlichen sind, liegt an der Unmöglichkeit, die mit dem Radium armierte Sonde mehrere Stunden hintereinander in der Geschwulst liegen zu lassen‘. Der Reiz der Sonde bedingt aber nicht nur eine Unannehmlichkeit für den Kranken, sondern kann sogar zu einer Ge- fahr werden. Stamer hatte den Eindruck, ‚daß das längere Liegenlassen der Sonde, ohne welche eine einigermaßen genügende Bestrahlung nicht möglich ist, leicht zur Rei- zung des Tumors, insbesondere zur Infektion desselben führen kann, worauf eine fieber- hafte Mediastinitis entsteht, die zwar nach einiger Zeit in der Regel zurückgeht, aber die Behandlung aufhält.“

686 H. Kurtzahn

Man hat sich bemüht, den störenden Reiz der Sonde nach Möglichkeit auszuschal- ten. Bis zu einem gewissen Grade trug bereits Einhorn diesem Umstande Rechnung. Die Einführung des Radiumpräparates nahm er, wie wir gesehen haben, mit einem durch Mandrin gesteiften Gummischlauch vor. Nachdem das Radium in die Enge eingeführt war, wurde der Mandrin entfernt, und nur der weiche Gummischlauch blieb liegen. In besserer Weise wird das Ziel, dem Kranken die Qual der Sonde zu erleichtern, von dem Czerny-Caanschen Instrument (Abb. 3) erreicht, bei dem nach der Applikation des Radiums in die Tumorenge die eigentliche Sonde entfernt wird, und nur ein dünner, biegsamer Mandrin das Herausnehmen des Radiums ermöglicht. Trotzdem aber ist das stundenlange Liegen auch dieser Sonde eine Unannehmlichkeit, die nicht von allen Kranken ertragen wird.

Dieser Nachteil der Sondenbestrahlung für die Patienten könnte in Kauf ge- nommen werden, vorausgesetzt, daß es mit dieser Methode in allen Fällen oder wenigstens in der Mehrzahl gelingt, den Tumor wirksam zu beeinflussen und die Beschwerden der Kranken zu lindern. Die wesentlichste Frage ist also die, ob es mit der Sonde möglich ist, das Radium in die Karzi- nomenge, also in unmittelbare Berüh- rung mit der Gesamtoberfläche des Tumors zu bringen. Nur in denjenigen Fällen nämlich, in denen die Einführung des Radiumpräparates in die Krebsstenose ge- lingt, kann eine intensive Einwirkung der Radiumstrahlen auf den Tumor erwartet wer- den. Liegt das Radiumpräparat oberhalb der karzinomatösen Enge, so wirken die Strahlen fast ausschließlich auf die unverän- derte Schleimhaut. Daß auch bei intensiver Bestrahlung mit solch fehlerhafter Technik nur selten Perforationen des Ösophagus auftreten, wird aus dem Umstand verständlich, daß das Abb. 7. Falsche Lokalisation des Radiums Radium in dem ektatischen Speiseröhrenab-

bei enger Stenose. schnitt oberhalb der Stenose, der meist reich-

lich Schleim und verschluckten Speichel ent-

hält, von der normalen Wand mehr oder weniger entfernt liegt. Wird dadurch auch die

Gefahr derartiger, fehlerhafter Bestrahlungen geringer, so kann natürlich eine gün-

stige Beeinflussung des Karzinoms nicht erwartet werden. Loeper hat diese Tatsache

mit folgenden Worten gekennzeichnet: ‚Le canal oesophag. n’admet malheureusement

pas toujours le tube dans le trajet neoplasique lui-même. La masse de la tumeur reste en dehors de l’action du radium.‘“

Guisez trug diesem Umstande Rechnung und sichtete sein Material dahin, daß nur diejenigen Fälle bestrahlt wurden, bei denen die Einführung des Radiums in die Enge gelang. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß seine guten Erfolge nicht zum kleinsten Teil auf dieser planvollen Indikationsstellung beruhen.

Um uns davon zu überzeugen, wie oft die Sondenbestrahlung angebracht ist, haben wir vor einigen Jahren systematisch bei allen zur Behandlung kommenden Pa- tienten die Einführung der Üzerny-Caanschen Sonde vor dem Röntgenschirm ver- sucht. Die Kranken erhielten einen Teelöffel ziemlich dicken Kontrastbreies zu

Kritik der Radiumsonde 687

schlucken, so daß der Beginn der Stenose erkennbar wurde. Dann wurde während der Durchleuchtung die Sondierung vorgenommen. Deutlich erkennbar war die Sonde, deren Spitze durch den kleinen Kontrastbreischatten tauchte und sich ihren Weg durch die Stenose zu bahnen versuchte. Ohne Röntgenkontrolle kann man sich täuschen. Man hat das Gefühl, als ob die Sondenspitze in die Stenose eindringt, und kann dabei vor dem Röntgenschirm beobachten, wie der kleine Kontrastschatten, der den Beginn der Tumorstenose markiert, bei etwas kräftigeren Sondierungsversuchen ein wenig nach unten rückt, ohne daß die Sondenspitze in die Enge gelangt. Diese Täuschung tritt anscheinend in den Fällen ein, bei denen der karzinomatöse Speiseröhrenabschnitt noch nicht mit seiner Umgebung verbacken ist.

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Abb. 8. Hochgradig stenosierendes Abb. 9. Derselbe Fall nach Radiumsonden- Ösophaguskarzinom. bestrahlung bei richtiger Lokalisation des (Fall 10 der Tabelle 3.) Radiums. (Fall 10 der Tabelle 3.)

Die Zahl der Fälle, in denen es gelang, mit der erforderlichen Vorsicht die Sonde durch die Stenose zu führen, war klein; nur in 15% gelang die Passage; nur in 15%, war also die Möglichkeit gegeben, das Radium mit Sicherheit richtig zu lokalisieren. Meisten- teils gelang es nicht, die Sondenspitze nennenswert in die karzinomatöse Stenose einzuführen. Abb. 7 zeigt Verhältnisse, die wir bei einer großen Anzahl dieser Versuche beobachtet haben.

Vor forceierten Sondierungsversuchen wird man sich zu hüten haben. Vor dem Röntgenschirm kommt die Unmöglichkeit, die Spitze des Instrumentes in einer ge- wünschten Richtung zu leiten, deutlich zum Bewußtsein. Der Eingang der Stenose sitzt auch häufig nicht trichterförmig in der Mitte der Speiseröhre, sondern, z. B. wenn das Karzinom nur eine Wandseite einnimmt, exzentrisch. Dazu kommt der Umstand, daß durch die divertikelartige Erweiterung der Speiseröhre oberhalb der Stenose Buchten und Taschen entstehen, in denen sich die Sonde fängt. Rücksichtsloses Sondieren bringt daher die Gefahr der Perforation mit sich.

683 H. Kurtzahn

Es kann demnach als Tatsache gelten, daß ein Teil der früheren unbefriedi- genden Erfolge der Radiumbestrahlung beim Speiseröhrenkrebs an unserer Klinik wie auch an anderen durch Schwierigkeiten der Technik bedingt ıst. Die Czerny-Caansche Radiumsonde wird bei engen Strikturen, wie sie bei unserem Material die Regel war, versagen.

Unsere Ergebnisse mit der Sondenbestrahlung waren dementsprechend nicht befriedigend, Erfolge (s. Tabelle 3 Fall 2, 10 und 13) wurden nur bei den Patienten er- zielt, bei denen die Einführung des Radiums in die Stenose gelang. Nur in diesen | Fällen war der symptomatische Erfolg der Bestrahlung wesentlich, das Schluck- vermögen wurde gebessert. Die Erweiterung der Karzinomenge trat auch auf denı Röntgenbilde in Erscheinung (Abb. 8 und 9).

Wir benutzten die Czerny-Caansche Sonde und 50—60 mg Radiumelement, als Filter diente entweder 1 mm Zelluloid (dieCzerny-Caan’sche Originalkapsel) oder

| TL mm Messing. Bei Messingfilter wurde innerhalb weniger Tage bis zu 5 Stunden. bei Verwendung der Zelluloidkapsel 11/,—2 Stunden bestrahlt. Nach 2—4 Wochen wieder- holten wir die Behandlung. Tabelle 3. Ösophaguskarzinome mit Radiumsonde behandelt. Chirurg. Klinik, Königsberg. 1 | Carl D Seit 8 Mon. En Januar |2 mal je 11, Std. Zel-, Keine Besserung der | Nach ! 69 Jahre beschwerden. Ge- 1921 luloidfilter. Sonde | Schluckfähigkeit. | 8 Woch. wicht 88 Pfund. Gastrosto- | gelangt nicht in Ste- | Weitere Gewichtsab- | Exitus mie nose nahme 2 | Franz M. Seit 3 Mon. Schluck- | März 1921 | 2 mal je 13⁄4 Std. Son- | Erhebliche Besserung Nach 56 Jahre beschwerden. Ge- | Gastrosto- | de dringt mühelos in | der Schluckfähigkeit. | 3 Mon. wicht 122 Pfund mie ab- Stenose ein Auch feste Speisen | Exitus gelehnt können zeitweilig ge- schluckt werden 3 | Stachus K. | Seit 3 Mon. Schluck- | Mai 1921 | 5 mal, 1 mal 55 mg Ra- | Keine Besserung des| Nach 66 Jahre beschwerden. Karzi- | Gastrosto- | dium, 1 mm Zellu- | Schluckvermögens. 10 Woch. nom sitzt etwas ober- | mie, kann loidfilter, 4 mal 55mg | Anfangs Gewichtszu- | Exitus halb der Kardia. Ge- Faden Radium, 1, mm Mes- | nahme 3 Pfund, dann | wicht 104 Pfund nicht singfilter je 113 Std. | zunehmende Kachexie schlucken | Sonde dringt nicht in Stenose ein 4 | Franz R. Seit 4 Mon. Schluck- | Mai 1921 |2 mal je 11% Std., | Schlucken kaum SS Nach 56 Jahre beschwerden. Ge- | Gastrosto- | 1mm Zelluloidfilter. | bessert. Zunehmende , 2 Mon. wicht 102 Pfd. Karzi- mie Die Sonde dringt Kachexie Exitus nom sitzt dicht ober- nicht in die Stenose halb der Kardia ein 5 I Ernst T. Seit 5 Mon. Abmage- | Mai 1921 |3 mal je 1—1 1% Std. | Keine erkennbare Bes-' Nach 29 Jahre rung, seit 6 Wochen | Gastrosto- | 1 mm Zelluloidfilter. | serung | 10 Woch. Schluckbeschwerden. mie Sonde dringt nur Exitus Kardiakarzinom. Ge- | ` 1 mal bis in Magen | wicht 94 Pfund ein. Fixation des | starken Würgens hal- ber nicht sicher mög- lich 6 | Auguste Z. | Seit 6 Woch. Schluck- | Juni 1921 |2 mal je 50 mg Ra- | Keine Besserung der | Nach beschwerden. Kar-! Gastrosto- | dium, 0,5 mm Mes- | Schluckfähigkeit. Zu- | 3 Mon. zinom in Larynx- mie. singfilter, 4 u. 5 Std. | nehmende Kachexie | Exitus höhe. Gewicht 108

Pfund |

10

11

12 | Friedr. Gr.

13

Erfahrungen d. chir. Klinik Königsberg m. d. Radiumsondenbehandlung d, Ösophaguskarzinoms 689

7 [Wilhelm K. | Seit 4 Mon. Schluck- August 1921 1 mal 4 Std. %, mm | Keine Besserung der) Nach

beschwerden. In der | Gastrosto- letzten Woche kann | mie, kann

56 Jahre

Leib L. 58 Jahre

Franz B. 69 Jahre

Georg R. 63 Jahre

Bertha H..

59 Jahre

62 Jalıre

Hans v. H.

63 Jahre

auch Wasser nicht mehr geschluckt wer-

den. Gewicht 106 Pfund Schluckbeschwerden

seit 6 Monaten. Ge- wicht 96 Pfund

Seit 4 Mon. Schluck-

beschwerden. Seit

3 Mon. Ösophag. Trachealfistel. Ge-

wicht 84 Pfund

Seit 8 Woch. Schluck-

beschwerden. Ge- wicht 120 Pfund. Großer Mann, 1,82 m

Seit 4 Mon. Schluck-

beschwerden. In letz- ten Wochen gelangen nur noch Flüssig- keiten in Magen. Ab- magerung. Gewicht 90 Pfund. Tumor in Zungenbeinhöhe. Sitz an Hinterwand des Larynx fest

| Seit 4 Mon. Schluck-

beschwerden. Karzi- nom in Höhe des Zun- genbeins. Gewicht 118 Pfund

Seit 4 Woch. Schluck-

behinderung. Karzi- nom in Höhe des Zun- genbeins. Etwas Ab- magerung. Gewicht 124 Pfund

Faden nicht schlucken

August 1921 Gastrosto- mie, kann Faden nicht schlucken

Januar 1922 Gastrosto- mie ver- weigert

Februar 1922 Gastrosto- mie

Juli 1922 Gastrosto- mie abgelehnt

Dezember 1922

Dezember 1922

Gastrosto-

mje abgelehnt

Messingfilter, 2 mal 11, Std. 1 mm Zel- luloidfilter. Sonde kann nicht in Stenose gebracht werden

Auswärts mit Röntgen

u. Radium 1 Monat vorbehandelt. 2 mal je 41, Std. mm Messingfilter. Sonde gelangt nicht in Ste- nose

1 mal 11, Std. Zellu-

loidfilter. Sonde ge- langt nicht in Stenose

3 mal Sonde Zelluloid

2 Std., 1 mal Faden- methode 1, mm Mes- sing 5 Std. Sonde kann die beiden erst. Male in Stenose ein- geführt werden

2 mal je 11, Std. 110

mg Radium, 1 mm Messing. Lokalisa- tion in Stenose ge- lingt das 1. Mal. Fi- xation des Würgens halber trotz Kokaini- sierung nicht sicher möglich

| 1 mal 110 mg Radium,

1 mm Messing 11, Std. Radium gelangt zwar in Stenose, aber Reizwirkung trotz Kokainisierung so stark, daß Fixation nicht sicher möglich

110 mg Radium. Lo- kalisation in Stenose gelingt, auch Fixation leidlich nach Kokai- nisierung. August 1922 in Heidelberg (Prof, Werner) Rönt- genbestrahlung und Radiumbestrahlung,

10000 mg Element- std. 5 em Distanz 20 qem strahlender Fläche

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I

Schluckfähigkeit. Zu- nehmende Kachexie

Keine Besserung der

Schluckfähigkeit. Dauernde Gewichts- abnahme

Ohne jeden Effekt

Wesentliche Besserung

der Schluckfähigkeit. 3 Pfund Gewichtszu- nahme

Schluck vermögen

kurze Zeit gebessert

Keine Besserung der

Schluckfähigkeit. Nach 4 Woch. Fistel- bildung nach der Luft- röhre. Weitere Ge- wichtsabnahme

5mal je 11, —1! Std. | Schluckvermögen wird

für Monate auch für feste Speisen wieder- hergestellt. 2 Pfund Gewichtszunahme, dann Metastasenbil- dung

44

10 Woch. Exitus

Nach 5 Woch. Exitus

Nach 6 Woch. Exitus

Nach 6 Mon.

Exitus

Nach 10 Woch. Exitus

Nach 8 Woch. Exitus

Nach 9 Mon. Exitus

690 H Kurtzalhn

Gelingt die Einführung der Sonde in die Krebsstenose, so besteht die Schwierigkeit einer genügenden Fixation. Im allgemeinen wird nach der Röntgenkontrolle ein Band oder Seidenfaden an der Stelle, wo sie den Mund verläßt, geknüpft. Die Enden dieses Bandes werden um den Hals geschlungen und geknotet. Die zum Munde herausführende Sonde, wenn sie auch noch so dünnn ist, übt einen fortwährenden Reiz aus, den der Patient mit Schluck- und Würgbewegungen beantwortet, daher reicht diese Fixation in vielen Fällen nicht aus, besonders dann nicht, wenn bei starker Filterung lange Bestrahlungszeiten nötig sind.

Bei Röntgenkontrollen am Schlusse der Bestrahlung haben wir uns wieder- holt davon überzeugt, daß trotz der Fixation das Radiumpräparat sich nach oben oder nach unten verschoben hatte, und sich also nicht mehr auf dem Karzinom befand. Das Herabgleiten des Radiums versuchten wir dadurch zu verhindern, daß das obere Ende des Radiumfilters einen Knopf erhielt (s. Abb. 3b).

Der Indikationsbereich für die Anwendung der Sonde zur Radiumapplikation beim Speiseröhrenkrebs ist also relativ klein. Nur in den Fällen, in denen es mühelos gelingt, mit der Sonde die Karzinomenge zu passieren, ist eine zweckmäßige und er- folgreiche Bestrahlung möglich. Immerhin kann man bei kritischer Auswahl der geeigneten Patienten nennenswerte symptomatische Erfolge erzielen und den Zeit- punkt der Anlegung einer Gastrostomie hinausschieben.

Einführung des Radiums vermittels Ösophagoskops.

Die Schwierigkeiten, das Radium mit der Sonde an das Karzinom zu bringen und dort zu fixieren, und die Unannehmlichkeit, die die Sonde dem Patienten bereitet, machten den Wunsch nach einer anderen sichereren und schonenderen Einführungsmethode verständlich. Mit Verbesserung des Ösophagoskops, dessen Nutzen wir bei der Diagnostik des Speiseröhrenkrebses schon gedachten, war die Mög- lichkeit gegeben, den Radiumbehälter unter Leitung des Auges in die krebsige Enge einzuführen. Von dieser Möglichkeit ist des öfteren Gebrauch gemacht worden.

Wendel demonstrierte 1913 2 Kranke, die vermittels Ösophagoskops mit Meso- thorium (137 mg) bestrahlt waren.

Beide kamen erst bei völligem Verschluß der Speiseröhre in Behandlung. Als Filtermaterial diente Gold ohne Gummiüberzug zur Ausnutzung der Sekundärstrahlen. Bestrahlt wurde 2—3 Stun- den, zwischen 2 Sitzungen wurde eine Pause von mindestens einer Woche eingelegt. Der Bzstrahlungs- apparat wurde an einer elastischen Stahlsonde von Bandform befestigt, „welche ohne jede Beschwerde vertragen wird und bei exakter Fixierung am Mundwinkel eine Verschiebung des Präparates durch den Schluckakt verhindert“. Beide Kranke erlangten bald ihre Schluckfähigkeit, selbst für feste Speisen in gut gekautem Zustande, zurück. Eine Gastrostomie konnte entbehrt werden.

Ähnlich ging Pinsch vor: die Tube wurde an einem Silberdraht montiert und mit Hilfe des Ösophagoskops an den Tumorherd gebracht. Es wurden zwar keine Dauer- heilungen, aber Besserungen bis zu 2 Jahren beobachtet.

Auch Habs führte die Radiumkapsel (1 mm Bleifilter mit Gummiumhüllung) mit der Brüningschen Zange im Ösophagoskop ein, preßte die Kapsel möglichst tief in die Stenose und ließ sie dann dort, durch einige zum Munde herausgeleitete Seidenfäden gesichert, liegen.

Erwähnt sei Stickers Vorschlag, das Radium vermittels des retrograd durch eine Magenfistel eingeführten Ösophagoskops an die Geschwulst zu bringen. Sticker hält diese Methode besonders für das Kardiakarzinom geeignet, empfichlt sie aber auch für den Speiseröhrenkrebs: „Hier gelingt es, hinter dem pulsierenden Herzen her die Sonde, das Ösophagoskop, das Blei, einzuführen.“ Ohne Beschwerden „liegt das Ra-

Einführung des Radiums vermittels Ösophagoskops 691

diumpräparat die gewünschte Stundenzahl, und zwar im Geschwulstkanal selbst, nicht wie gewöhnlich beim Einführen von oben in der sackartigen Erweiterung oberhalb der Geschwulst“. Die Methode hat sich keine Freunde erworben.

Finzi behandelte 1913 ebenfalls einen Ösophaguskarzinomkranken mit Radium- einlage durch das Ösophagoskop:

Die Schluckbeschwerden hatten bereits 6 Monate gedauert, und daß am 28. August 1913 ge- fertigte Röntgenbild (s. Abb. 10) zeigt die Stenose. Am 4. September 1913 wurde eine Ösophago-

skopie vorgenommen, und eine Radiumtube in die Striktur eingeführt. Die Tube enthielt 100 mg Radiumbromid, war mit 2mm dicken Platten gefiltert und wurde 16 Stunden an Ort und Stelle

Abb. 10. Fall vor Bestrahlung. Abb. 11. 6 Wochen nach Bestrahlung. Radiumbestrahlung mittels Ösophagoskop (nach Finzi).

belassen. Die 2. Aufnahme zeigt die Striktur am 15. Oktober, also fast 6 Wochen nach der Radium- applikation (s. Abb. 11). Das Wismut reicht etwas weiter hinunter an das Diaphragma als bei der früheren Untersuchung und passiert die enge Stelle auch in einem weiteren Strome. Die Dilatation der oberen Ösophaguspartie hat wesentlich abgenommen.

Sehr groß ist der Erfolg, nach den Bildern zu urteilen, nicht gewesen.

Ein glänzendes Ergebnis der Radiumbehandlung des Speiseröhrenkrebses mit Ösophagoskop erzielte Wittmaack in einem Falle, auch was die Dauer des Erfolges anbelangt. Wittmaack glaubt seinen Erfolg vorwiegend auf seine Bestrahlungstechnik zurückführen zu müssen; folgende Punkte erscheinen ihm besonders wesentlich:

Das als Radium dienende Röhrchen darf keinesfalls zu kurz sein. Es sollte vielmehr bei gleich- mäßiger Verteilung des Radiums auf die ganze Länge des Röhrchens so lang sein, daß es das Kar- zinom in seiner ganzen Längenausdehnung bedeckt. Das Röhrchen, mit dem ich bei dem beschriebenen Falle arbeiten konnte, hatte bei gleichmäßiger Verteilung des Radiums eine Länge von 3,25 cm. Ich würde in Zukunft sogar ein Röhrchen von 4cm Länge verwenden, wenn ich es erhalten könnte.

44*

692 H. Kurtzahn

Die Einführung sollte stets unter Kontrolle des Auges, am besten mit einer Fremdkörperzange oder dergleichen im ösophagoskopischen Rohre erfolgen. Es läßt sich das unter Hinzuziehung des Morphiumskopolaminrausches, der für diese Zwecke geradezu unentbehrlich ist, gut durchführen.

Das eingeführte Röhrchen muß durch Gazeumwicklung oder dergleichen soweit verdickt wer- den, falls die gewählten Filter hierzu noch nicht ausreichen, daß es sich gerade noch mit leichtem Druck in die Karzinomenge einzwängen läßt. Man erhält hierdurch einerseits die größte Gewähr dafür, daB es auch während der ganzen Einwirkungsdauer an Ort und Stelle liegen bleibt, anderer- seits können sich auch durch die Streckung der Falten in der Karzinomenge die Bedingungen für die Radiumeinwirkung noch günstiger gestalten.

Im vorliegenden Falle wurden 9 Behandlungen, jede bei 8—9stündiger Einwirkungsdauer, mit 50 g Radiumbromid in 2 mm Messingfilter vorgenommen. Zwischen jeder Behandlung ist eine zwei- wöchentliche Pause einzulegen.

Die gekürzte Krankengeschichte des interessanten Falles lautet:

54 jähriger Bauereibesitzer. Seit Anfang Juni 1917 Schluckbeschwerden. Anfang Juli 1917 wurde erstmalig ein Arzt konsultiert, der den Beschwerden keine besondere Bedeutung beimaß. Da keine Besserung eintrat, erfolgte Zuweisung des Patienten am 24. August 1917 zur spezialärztlichen Untersuchung. Verengerung befand sich ca. 32cm von der Zahnreihe entfernt. Die Probeexzision mit Brüningscher Fenstersonde ergab typisches Karzinomgewebe. Radiumbehandlung vom 27. September bis 20. Dezember 1917.

Von Anfang Januar bis Anfang April 1918 bestand ein Zustand stärkster Radiumreaktion mit intensiven gürtelförmigen Schmerzen, die den Patienten in seinem Allgemeinbefinden schwer beein- trächtigten. Beklemmung und Angstgefühl bei objektiv negativem Befund. Der Puls ging dauernd langsam, voll und kräftig. Die Temperatur war niemals erhöht. Die Nahrungsaufnahme war aus- reichend. Wegen der heftigen Schmerzanfälle mußten anfangs Morphiumeinspritzungen vorge- nommen werden.

Die lokale Behandlung wurde während des Reaktionsstadiums ausgesetzt. Von Anfang April Beginn mit regelmäßiger Sondierung. Die Speiseröhre zeigte sich hierbei noch leidlich durchgängig, bei ausgesprochener Neigung zur Verengerung. Die Sonde selbst verbreitete nach der Herausnahme einen brandig-jauchigen Geruch. Von einer Ösophagoskopie wurde absichtlich Abstand genommen, um nicht durch die Einführung des starren Rohres eine Perforation auszulösen.

Der Zustand des Patienten war reichlich ein volles Jahr nach Aussetzung der Radiumbehand- lung durchaus günstig. Die subjektiven Beschwerden waren geringfügig. Die Nahrungsaufnahme ging gut vor sich, die Speiseröhre war für Sonden von 11 mm Durchmesser durchgängig. Der all- gemeine Kräftezustand war ausgezeichnet, das Aussehen vollkommen frisch und gesund. Der Patient konnte stundenlange Märsche vornehmen, ohne zu ermüden, und ging nach wie vor seiner gewohnten Beschäftigung nach.

Über den Ausgang dieses Falles teilte mir Wittmaack folgendes mit:

Am 27. November 1919 ist der Kranke gestorben. Er hat sich bis kurze Zeit vor seinem Tode noch durchaus wohl gefühlt. Reisen unternommen, eine Tochter verheiratet usw., bis er plötzlich und unerwartet unter den Erscheinungen einer Septikopyämie erkrankte. Schüttelfröste, hohe Temperaturen und Metastasen in Lunge und Gelenken. Die Beobachtung ergab indessen, daß es sich wohl nicht um eine rein septische Infektion, sondern offenbar um eine pyämische Aussaat von Krebsmetastasen handelte. Der Exitus trat unter diesen Umständen ziemlich plötzlich ein. Die Sektion zeigte einen kleinen gegen die Schleimhaut und das Lumen des Ösophagus durch feste Schwielen abgegrenzten Karzinomrest (bzw. ein Karzinomrezidiv), der in die anliegende große Vene eingetreten war, so daß offenbar von hier aus die metastatische Aussaat erfolgt war.

So schön einzelne Erfolge auch dank der guten Technik des Arztes und der Geduld und Willenskraft des Kranken gewesen sind, eine allgemein anwendbare Methode wird die Radiumapplikation vermittels des Ösophagoskops nicht werden. Ihr haften zu viel Schwierigkeiten an. Es wird nicht viele Kranke geben, die sich einer mehrfachen Radiumbehandlung unterziehen werden, wenn in jeder Sitzung eine Ösophago- skopie notwendig ist. Diese Auffassung gibt auch Hotz Ausdruck: ‚Die beste Lagerung der Radiumkapsel würde zweifellos unter Leitung des Auges mit dem Ösophagoskop vorgenommen, aber diesem Vorgehen stellt sich vielfach der Widerstand unserer Patientenentgegen, und wir brauchen ihre Toleranz später noch notwendig.“

Kritik der ösophagoskopischen Einführung des Radiums in die Speiseröhre und anderer Verfahren 693

Ob die Lagerung der Radiumkapsel am besten mit dem Ösophagoskop vor- genommen wird, erscheint zweifelhaft, denn diese Einführung ist keine leichte Aufgabe. Selbst bei Pharynxkarzinomen, bei hoch sitzenden Speiseröhrenkrebsen, bei denen der Beginn des Tumors unter Benutzung eines einfachen Spiegels sichtbar wurde, ist es selbst geschulter Hand oft nicht möglich, das Radium in die Geschwulst- enge zu bringen. Die Schwierigkeiten der Ösophagoskopie beim Karzinom können un- überwindlich groß sein, sei es, daß ein Spasmus oberhalb des Tumors das genügend tiefe Hinabschieben des Rohres verhindert, sei es, daß der Eingang der Stenose hoch- gradig exzentrisch liegt; ja selbst in den Fällen, in denen der Beginn der Verengerung sichtbar wird, kann die Einführung der Kapsel unmöglich sein.

Andere Methoden der Einführung des Radiums.

Die Radiumbehandlung des Ösophaguskarzinoms ist außer der Sondenbestrahlung und der Einführung durch das Ösophagoskop auf andere Arten versucht worden. Rockey gab 1918 folgende Technik an: Der Kranke schluckt allmählich einen etwa 6 m langen Seidenfaden, der langsam abgerollt wird, damit er sich vor dem Hindernis nicht auf- knäuelt. Wenn das Ende des Fadens am Anus erscheint, wird er hier festgehalten. Zieht man nun den Anfangsteil des Fadens am Munde straff an, so hat man einen Leitfaden, der durch die Stenose führt. Der Faden wird nun in die Schleife einer biegsamen Sonde aus Pianosaitendraht eingefädelt. Mit einer zweiten Sonde wird nun entlang der ersten das Radium unter Röntgenkontrolle mitten in die Tumormasse gebracht.

Die umständliche Methode ist von anderer Seite nicht nachgeprüft worden. Immerhin ist der dieser Technik zugrunde liegende Gedanke, der Einschaltung eines Leitbandes, an dem entlang die Radiumkapsel ohne Gefahr des falschen Weges, der Perforation der Ösophaguswand, in die Stenose eingeführt werden kann, durchaus sinnvoll und richtig. Belbet, Chacquot, Herrenschmidt und Mock teilten 1914 eine ähnliche Methode mit, die sie selbst als ‚ziemlich eigenartig‘‘ bezeichnen, und die sie nur an einem Patienten versuchten. Man ließ den Kranken einen Seidenfaden schlucken, an dessen Ende, wie an einer Angel, eine Bleikugel befestigt war. Darauf wurde die Gastrostomie gemacht, während der man versuchte, den verschluckten Faden vom Magen aus herauszuziehen. 4 Tage nach der Operation befestigte man an dem Ende des Fadens das Radiumröhrchen und ließ es durch den Magen in den Ösophagus wandern, indem man an dem aus dem Munde ragenden Fadenende zog; man brachte es so 22 cm hinter der oberen Zahnreihe in die Höhe des Tumors. Der Erfolg mit dieser Technik war in dem einen Falle schlecht, der Tumor zeigte keine Rückbildung, und der Kranke starb 2 Monate nach der Behandlung.

Hotz verwandte zunächst biegsame Sonden als Radiumträger, kam aber davon ab, weil die Sonde während der langen Bestrahlungsdauer zu stark reizte. Er ging dann in der Weise vor, daß er die Radiumkapsel (40 mg Ra. El., 2 mm Silberkapsel, biologisch ausdosiert) an einem Seidenfaden schlucken ließ. Das Seidenband wurde am Mund- winkel und Hals befestigt. Am Seidenfaden befand sich eine Kontrollmarke, aus deren Lage man entnehmen konnte, wieweit das Röhrchen geschluckt wurde. Erwähnt sei, daß Einhorn 1904 bei der Bestrahlung des Magenkarzinoms mit Radium in gleicher Weise vorging.

Hotz’ Bestrahlungszeiten betrugen 10—12 Stunden. Zunächst wurden die Bestrahlungen alle 8—10 Tage, dann allmonatlich wiederholt.

Der wesentlichste Erfolg der Behandlung stellte sich bei Hotz’ Fällen bald ein. „Oft schon nach

der ersten Sitzung, welche nicht unter 8 Stunden zu bemessen ist, wurde der Ösophagus für Flüssig- keiten und dünnen Brei wieder durchgängig. Es dürfte sich nicht sowohl um spezifische Radium-

694

H. Kurtzahn

wirkung als vielmehr um eine gelinde mechanische Dehnung handeln. So ist es uns auch schon passiert, daß die Kapsel in den Magen rutschte.“ Hotz kombinierte übrigens die Radiumapplikation mit

Röntgenbestrahlung.

In der Arbeit von Suter finden sich bei der Beschreibung der Hotzschen Technik einige Bilder, die die Methode veranschaulichen. Auch Erfolge werden mitgeteilt. In einem Falle wurde 5 kg Gewichtszunahme beobachtet. Von 6 Kranken wurden 3 zeit- weilig wieder arbeitsfähig. Dauerresultate sind nicht angegeben.

Ein Vorteil der Hotzschen Methode liegt auf der Hand, das ist der Fortfall

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Abb. 12. Schema der Radiumapplikation durch „Sondierung ohne Ende“.

der Sonde und ihr Ersatz durch einen Fa- den,dernahezuohneBelästigungertragen wird. Was aber die Frage der Lokalisierung des Radiums in der Stenose anbelangt, so scheinen der allgemeinen Anwendung der Hotzschen Methode sowohl einige theoretische Bedenken wie auch praktische Erfahrungen gegenüberzustehen.

Es ist schwer verständlich, wie eine immer- hin ziemlich voluminöse Radiumkapsel in eine Stenose eindringen soll, welche kaum noch Flüs- sigkeiten passieren läßt. Bei geringeren Stenosen, wie sie allerdings selten sind, wird gewiß der Radiumträger, wie Hotz das angibt, in die Ste- nose gelangen; aber wie ihn mit Sicherheit an richtiger Stelle fixieren? Hotz teilt selbst mit, daß es passiert sei, daß die Kapsel in den Magen rutschte. Es liegt nahe, so vorzugehen, daß man der geschluckten Radiumkapsel, die auf der Ste- nose liegt, gerade soviel Spielraum an ihrem Fa- den läßt, daß noch das Eindringen in die Stenose möglich ist. Unsere Versuche haben ergeben, daß diese theoretischen Überlegungen sich nicht prak- tisch verwirklichen lassen. Entweder, und das war in der weitaus größten Mehrzahl der Fälle so, lag das Radium oberhalb der Stenose, wie die Röntgenschirmkontrolle nach 1—2 Stunden ergab, oder aber, in seltenen Fällen, hatte es die Stenose gänzlich passiert. Die Aufgabe rich-

tiger Lokalisation und sicherer Fixierung des Radiums in der Tumorenge ist demnach in der großen Mehrzahl der Fälle nach der Hotzschen Methode nicht lösbar.

Methode der Sondierung ohne Ende.

Aus dem bisherigen Überblick ergibt sich, daß den Methoden der Radiumbestrah- lungen des Ösophaguskarzinoms viele Mängel anhaften. Die vielfach unbefriedigenden Resultate haben, zum großen Teil wenigstens, ihren Grund in Fehlern der Technik. Die engen Stenosen waren bisher für die Radiumapplikation ungeeignet.

Die Möglichkeit, alle Speiseröhrenkrebse mit Radium zu behandeln, liefert das Ver. fahren der „Sondierung ohne Ende‘ (Abb. 12). Ander Königsberger Klinik wird diese Technik seit 1920 angewandt. 1921 wurde sie in der Strahlentherapie, Bd. 13, unter Mitteilung der ersten günstigen Ergebnisse beschrieben (Kurtzahn). Im selben Jahre

Die Methode der Einführung durch ‚„Sondierung ohne Ende“ 695

erwähnte auch Perthes, daß durch eine Gastrostomie das Einlegen des Radiumröhr- chens nach dem Prinzip der Sondierung ohne Ende sehr erleichtert wird.

In allen Fällen, in denen eine Bestrahlung mit der Radiumsonde der Enge der Stenose wegen unzweckmäßig war, in allen Fällen, in denen eine Gastrostomie angelegt werden mußte, ist dieses Vorgehen an der Kirschnerschen Klinik die Methode ae Wahl. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkte haben wir 31 Patienten in dieser Weise behandelt und etwa 150 Einzelbestrahlungen vorge- nommen. Unsere Erfolge haben sich gegen früher derart verbessert, daß es angezeigt erscheint, unser Vorgehen genauer zu beschreiben.

Bei Anlegung der Gastrostomie tut man gut, den Schrägkanal der Witzelfistelnicht unnötig lang zu wählen. 4—6 Lembertnähte genügen, um einen ausreichenden Schluß der Fistel zu gewährleisten. Durch sehr lange Schrägkanäle wird das Auffischen des Fadens beträchtlich er- schwert. Nach Anlegung der Magenfistel werden 14 Tage abgewartet, um feste Verklebungen im Witzelkanal zu erhalten, dann bekommt der Kranke den mit einer kleinen Bleikugel versehenen, dünnen Seidenfaden zu schlucken. Beieiner Durchleuchtung überzeugt man sich davon, daß das Kügelchen sich nicht mehr oberhalb der Stenose befindet. Liegt es im Magen, so ist es vor dem Röntgenschirm meist nicht mehr auffind- bar. Hat die Schrotkugel die Verengerung nicht passiert, befindet sie sich noch in der Speiseröhre, so ist die deutlich zu erkennen.

Die Hauptfrage ist, ob überhaupt in vielen Fällen von engen Steno- sen noch das Schlucken des mit der Schrotkugel armierten Seidenfadens möglich ist. Unsere Erfahrungen waren günstig. Häufig gelingt das Schlucken schnell, mitunter dauert es Stunden, in manchen Fällen aller- dings Tage. Durch den Fortfall der mechanischen Reizung des Karzi- noms nach der Anlegung der Magenfistel tritt oft eine vorübergehende Besserung der Schluckfähigkeit ein, so daß wenigstens Wasser herunter- gebracht werden kann; diese Zeit der Besserung wird zum Schlucken des a b Fadens benutzt. Gehen Flüssigkeiten durch die Stenose hindurch, so Abb. 13. Radium- findet auch die Schrotkugel am Seidenfaden in der großen Mehrzahl träger der chir. der Fälle ihren Weg in den Magen. Wenn das Herunterbringen des a, Fadens Schwierigkeiten macht, so ist das Schlucken von Adrenalin- ‚ermittelst rege? lösung mit ihrer anämisierenden Wirkung von gewissem Nutzen; auch ohne Ende (nach die subkutane Darreichung von Atropin ist zweckmäßig. Kurtzahn),

SchwierigkeitendesFadenschluckenssindalsomitunterda,abernicht * zu überschätzen. In 80% der Fälle, beidenen die Sondierung mit der Ee Czerny-Caanschen Sonde wie Röntgenschirmkontrollen ergaben, nicht möglich war, gelang das Schlucken. Die große Mehrzahl der Fälle, die bisher für eine zweckentsprechende Ra- diumbestrahlungnicht mehr in Frage kam, kann also nach dieser Methode behandelt werden.

Vor dem Versuch des Fadenfischens trinkt der Kranke ein Glas Wasser, oder es wird ihm durch den Magenschlauch eingefüllt. Durch das Einströmen der Flüssigkeit in den Magen wird der Faden von der Wand gelöst und ist leichter auffindbar. Das Fischen des Fadens nahmen wir mit einem häkelhakenartig gekrümmten Instrument vor; komplizierte Vorrichtungen zum Auffinden des Fadens, Magneten usw. erwiesen sich uns als entbehrlich. Wir förderten den Faden bisher in jedem Falle zutage, mitunter allerdings in einer zweiten Sitzung.

Der Radiumträger (Abb. 13) besteht aus 2 Messingröhrchen (1,0 bzw. 0,5 mm Messing), die gelenkig miteinander verbunden sind. Bei geringen Stenosen, z. B. nach

696 H. Kurtzahn

mehreren vorangegangenen Bestrahlungen, haben wir das Radium bisweilen distanziert, und zwar durch einen für diesen Zweck genähten Leinwandüberzug, der über den Ra- diumträger gestreift wurde. Bei engen Stenosen ist ein Distanzieren, selbst in diesem bescheidenen Maße, nicht möglich. Es ist nicht zweckmäßig, den Radiumträger volu- minös zu gestalten, er soll sich ohne Gewalt mit leichtem Zug in die Stenose ziehen lassen.

In jede der beiden Filterkapseln wird ein Radiumröhrchen eingelegt (je ca. 60 mg Radiumbromid). Sorgsam werden die Verschlußschrauben an dem Ende jedes Röhrchens angezogen. Die eine dieser Schrauben, diejenige, die später in situ kranialwärts zu liegen kommt, trägt einen runden Metallknopf, der bei geringeren Stenosen das Durch-

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Abb. 14. Richtige Lage des Radiumträgers in der Abb. 15. Richtige Lage des Radium- Krebsstenose (Sondierung ohne Ende). Beobachtung trägers (schematisch). der chir. Klinik Königsberg.

gleiten des Trägers durch die Enge verhindern soll. Die beiden Verschlußstücke sind durchbohrt, um den Faden aufzunehmen, der Radiumträger wird also in das zum Munde herausführende Fadenende eingeschaltet.

Vor der Einführung des Radiums erhält der Kranke zur Markierung des Beginnes der Stenose einen knappen Teelöffel Bariumaufschwemmung zu schlucken und wird im schrägen Durchmesser vor den Röntgenschirm gestellt. Durch Zug an dem aus der Magenfistel herausführenden Seidenfaden wird der in den Faden eingeschaltete Radium- träger in die Stenose gezogen. Deutlich erkennt man vor dem Schirm, wie der Radium- träger in den Bariumschatten taucht, der den Beginn der Stenose markiert. Nach einem weiteren leichten Zuge dringt der Radiumträger in die Stenose ein. Abb. 14 zeigt den Befund, den man vor dem Röntgenschirm bei richtigem Sitze des Radiums erhält, und Abb. 15 gibt im Schema diese Verhältnisse wieder.

Sitzt das Radium an seinem Platze, so werden die angezogenen Seidenfäden am Munde und an der Gastrostomiestelle mit Heftpflaster festgeklebt, und das Präparat sitzt damit fest. Von einer Belästigung des Patienten ist nicht dieRede. Bei engen

Technik der Methode ‚der Sondierung ohne Ende“ 697

Stenosen, bei denen das Röhrchen erst nach einem gewissen Zug in die Stenose eindringt, sitzt das Radium so sicher, daß die Patienten umhergehen können, ohne daß eine Ver- schiebung eintritt, in der Mehrzahl der Fälle haben wir aber die Vorsicht gebraucht, die Kranken während der Bestrahlung zu Bett liegen zu lassen.

Die Herausnahme des Radiumträgers geschieht durch Zug an dem zum Munde herausführenden Faden. Wenn das Auffischen des Fadens das erstemal zeitraubend war, haben wir nach Entfernung des Röhrchens den Faden bis zur zweiten Bestrahlung, die in etwa 14 Tagen bis 3 Wochen vor sich ging, liegen lassen.

Auf dem Chirurgenkongreß 1922 berichtete ich über 7 Fälle, die nach dieser Methode behandelt waren. Die Krankengeschichten sind dem Kongreßbericht beigegeben. Unsere Resultate mit der beschriebenen Methode waren wesentlich besser als diejenigen, die wir mit Sondenbestrahlung erzielten. Dieser Unterschied trat deutlich bei der tabellarischen Zusammenstellung der damals behandelten Fälle hervor.

Tabelle 4. Bestrahlungsresultate bei 7 Fällen mit Applikation des Radiums vermittels Sonde.

Unzureichende Lokalisation des Radiums.

Gewicht

Behandlungsdauer Schluckvermögen

Fall 1. Magenfistel 3 Mon. Danach Exitus Ungebessert Dauernde Abnahme Fall 2. Keine Fistel | 3 Mon. Danach Exitus Vorüberg. gebessert Dauernde Abnahme Fall 3. Magenfistel 21⁄2 Mon. Danach Exitus Ungebessert Vorübergehende Zu- nahme um 3 Pfd. Fall 4. Magenfistel 2 Mon. Danach Exitus Ungebessert Dauernde Abnahme Fall 5. Magenfistel 2 Mon. Danach Exitus Ungebessert Dauernde Abnahme Fall o Magenfistel | 214Mon. Danach Exitus Ungebessert Dauernde Abnahme

Fall 7. Magenfistel 2 Mon. Danach Exitus Vorüberg. gebessert Dauernde Abnahme

Zweckentsprechende Lokalisation des Radiums.

Fall 8. Magenfistel Bisher 4 Monate Vorüberg. erhebl. Bess. | Gew.-Zun. bis zu 3 Pfd. Fall 9. Keine Fistel Bisher 5 Monate Erhebliche Besserung | Gew.-Zun. bis zu 4 Pfd. Tabelle 5.

Bestrahlungsresultat bei 7 Fällen, bei denen die Lokalisation mit der Sonde nicht gelang und die nach dem Verfahren der Sondierung ohne Ende bestrahlt werden.

Schluckvermögen

Behandlungsdauer Gewicht

Fall 10. 7 Monate. Fast ungehindert. Dat," Zunahme bis | Nimmt Arbeit als Kut- Danach Exitus entfernt Schlauch zu 13 Pfd. scher auf Fall 11. 10 Monate. Fast ganz ungehind. Pat. Zunahme bis Nimmt Arbeit als Bohrer Danach Exitus entfernt Schlauch zu 11 Pfd. in Eisenfabrik auf Fall 12. 8 Monate. Meist ganz ungehindert Zunahme bis | Als Landfrau tätig Wird weiter behan- zu 14 Did. delt Fall 13. 3 Monate. Besserung. Fast nur Er- Keine Gew.- Keine Arbeitsfähigkeit Danach Exitus nährung vom Munde Zunahme her Fall 14. 4 Monate. Wesentliche Besserung. Zunahme bis Keine Arbeitsfähigkeit Wird weiter behan- Nur Ernährung vom zu 5 Pfd. delt Munde her Fall 15. 5 Monate. Fast ganz ungehindert Zunahme bis Nimmt Arbeit a. Nacht- Wird weiter behan- zu 3 Pfd. wächter auf delt Fall 16. 3 Monate. Wesentliche Besserung Bisher 2 Pfd. | Bisher keine Arbeitsfähig-

Wird weiter behan- keit delt |

698 H. Kurtzahn

Tabelle 6.

Ösophaguskarzinom vermittels der Methode der Sondierung ohne Ende mit Radium bestrahlt. Chirurg. Klinik, Königsberg.

Lt BR Kardiaka. Seit 5 Mo- April 1921 | 5mal | je 2—5 | Schlucken nahezu unbe- Nach

42 J. naten Schluckbe- Gastro- Std., die hindert. Pat. entfernt 7 Monaten schwerden. Nur Flüs- stomie beiden eigenmächtig Magen- Exitus sigkeiten gelangen in | letzt. Be- schlauch, um bei der den Magen | strahl. Arbeit nicht behindert

| m. Czer- zu sein. Arbeitet als ıny-Caan- Kutscher. 13 Pfd. Ge- scher | wichtszunahme | Sonde 2 | A. B. | Seit 6 Monaten Schluck- | Juni 1921 |10mal je Schlucken z. T. völlig Nach

58 J. beschwerden. Nur Gastro- | 4—51 unbehindert, auch für 10 Monaten Flüssigkeiten können, stomie | Std. feste Speisen, Ernäh- | Exitus geschluckt werden | | rung nur per os. Bis-

| | her 4 Pfd. Gewichts- | zunahme 3| M. S. | Seit 7 Monaten Schluck- | Juli 1921 | 7mal | 4—5 Std.| Schlucken meist unbe- Nach

39 J. beschwerden. Karzi- Gastro- | hindert. 6 Monatelang | 9%, Monaten nom in Höhe des Kehl- | stomie | als Landfrau tätig. Ge- Exitus kopfes wichtszunahme bis zu

14 Pfd. | 4 J. S. Seit 3 Monaten Schluck- | Okt. 1921 | 3mal | je 6 Std. | Schlucken gebessert. Nach

48 J. | behinderung. In den | Gastro- Keine Gewichtszu- 3 Monaten letzten 8 Wochen 20 stomie nahme | Exitus Pfd. Gewichtsabnahme

Di A Seit 8 Monaten Schluck- | Dez. 1921 | 5mal je Schlucken z. T. unbehin- Nach

64 J. beschwerden. Nur | Gastro- 5—6 Std. | dert. Nur Ernährung | 7 Monaten Flüssigkeiten können stomie per os. Nimmt seinen | Exitus an geschluckt werden. Ge- Dienst a.Nachtwächter | interkurrenter wicht 119 Pfd. wieder auf. 3 Pfd. Ge- | Krankheit

wichtszunahme | 6] A.T. Seit 4 Monaten Schluck- | Dez. 1921 | 4mal 4—5 Std. | Schluckvermögen sehr Nach

51 J. beschwerden. 48 Pfd. | Gastro- gebessert. Auch feste | 8 Monaten

Gewichtsabnahme. stomie | Speisen können ge- Exitus | Wiegt jetzt 106 Pfd. | schluckt werden. Er- nährung nur per os. 5 Pfd. Gewichtszu- | nahme T| G. W. | Seit 5 Monaten Schluck- | März 1922 | 5mal | 5—6 Std. ` Schlucken gebessert. Er- Nach

53 J. beschwerden. Starke | Gastro- (meist 6) | nährung nur per os. | 10 Monaten Abmagerung. Gewicht stomie | Arbeitet nicht, weil er Exitus 90 Did. durch Schlauch behin-

dert wird (Kutscher). | | 10 Pfd. Gewichtszu- nahme | SI RS Seit 4 Monaten Schluck- | Mai 1922 | 4mal je Schluckvermögen gebes- Nach

55 J beschwerden. Starke Gastro- 51,—6 sert, z. T. fast unbehin- | 10 Monaten Abmagerung | stomie | Std. dert. Gewichtszunah- Exitus

| | me 12 Pfd. Zeitweise | | arbeitsfähig 9f B. M. | Seit 3 Monaten Schluck- Sept, 1922 | 7mal | je 5 Std. | Schluckvermögen gebes- Nach

64 J. beschwerden. Starke Gastro- 1 mal sert, zeitweise auch für | 14 Monaten Gewichtsabnahme. Ge- stomie Röntgen- | feste Speisen ungehin- Exitus wicht 82 Pfd. | | strahlen | dert. 12 Pfd. Gewichts-

zunahme

10

11

12

13

14

16

17

18

19

L. S. 43 J.

W. W. 63 J.

m = a u I a in a u Se na men FE Aa Fa SB G

KI

Ergebnisse der Radiumbestrahlung mittels „Sondierung ohne Ende“

wicht 118 Pfd.

|

Seit 6 Monaten Schluck- | Okt. 1922 | 3mal | 6—7 Std.

behinderung Gastro- stomie

Krankheitsbeginn vor ca. | Okt. 1922 |11mal| 5—6 Std. 4 Monaten. Gewicht Gastro- 107 Pfd. stomie

Seit 4 Wochen Schluck- | Okt. 1922 | ¿mal | 5—!/, beschwerden. Patient Gastro- Std. kann nur Flüssigkeiten stomie schlucken. Etwas Ge- wichtsabnahme. I

|

Seit 6 Wochen können | Dez. 1922 | 3mal je keine festen oder brei- | Gastro- | 5 —6Std igen Speisen mehr ge- stomie schluckt werden |

Seit 4 Monaten Schlack- | März 1923 | 3mal je beschwerden Gastro- 5—6 Std

stomie

Seit 3 Monaten Schluck- ` März 1923 | 3mal | 4—5 Std beschwerden. Kar- | Gastro- | diaka stomie

Seit 3 Monaten Schluck- | Mai 1923 | imal | 6Std. beschwerd.en. Nur Gastro- Flüssigkeiten passieren | stomie die Enge

Seit 1 Jahr Schluckbe- Aug. 1923 2mal | je 6 Std. schwerden. Auch Flüs- Gastro- | sigkeiten werden jetzt , stomie erbrochen. Hochgra- | | dige Kachexie. Ge- wicht 85 Pfd. | |

Seit 5 Monaten Schluck- ' Aug. 1923 | 1mal | 6 Std. beschwerden. Sehr | Gastro- starke Kachexie. Ge- | stomie | wicht 86 Pfd.

Seit 4 Monaten Schluck- | Okt. 1923 | 1mal | 51; Std. behinderung. 48 Did. Gastro- Gewichtsabnahme. Ge- | stomie

|

! ken.

Nach 2 Bestrahlungen Schluckbehinderung fast behoben. Ge- wichtszunalime 17 Pfd. Nach der 3. Bestrah- lung Verschlechterung, schnelle Abmagerung

| Schluckvermögen mit kurzen Unterbrechun- | gen ausgezeichnet. Ar- beitete fast 1 Jahr als | Brauereiarbeiter. Ge- ' | wichtszunahme 19 Pfd. |

Schlucken sehr erleich- | tert. Geht Beruf als | Gastwirt nach. Ge- wichtszunahme 8 Pfd. |

i

i Pat. kann alles schluk-

Ernährung nur

9 Pfd. Ge- wichtszunahme |

|

Schluckt alles von oben. Arbeitet nicht, weil ihn Schlauch hindert ` (Landwirt).

per os.

Schluckvermögen zeit- ,

weilig gebessert. Er-

nährung fast nur per

os. Keine Gewichtszu-

nahme

Mitteilung desselben: : Schluckvermögen ge- bessert. Pat. nicht wei- ter zur Behandlung er- schienen.

Schluckvermögen zeit- weilig etwas gebessert. Ernährung teils durch

| Schlauch, teils per

| os. Keine Gewichtszu- nalıme

| Pat. nicht weiter zur Be-

| handlung erschienen. Keine Gewichtszu-

| nahme

| Schluckvermögen zeit-

weilig etwas gebessert.

Zunehmende Kachexie

699

Nach 7 Monaten Exitus

Xach 1 Jahr

8 Monaten Exitus

Nach 6 Monaten Exitus

Nach 7 Monaten Exitus

Nach 6 Monaten Exitus

Nach D Monaten Exitus

Nach 5 Monaten Exitus

Nach 5 Monaten Exitus

Nach 3 Monaten Exitus

Nach 3 Monaten Exitus

H. Kurtzahn

| 20 | F. W. | Seit 4 Monaten Schluck- | Dez. 1923 | 4mal | 41,—6 | Pat. kann „mit Vorsicht | Wird weiter 64 J. beschwerden Gastro- Std. alles essen und trin- | behandelt, stomie ken‘. 7 Pfd. Gewichts- bisher zunahme. Leidet in 9 Monate letzter Zeit sehr unter Rückenschmerzen 21] G.F Seit 8 Wochen Schluck- | Jan. 1924 | 3mal | je 6 Std. Schluckvermögen gebes- | Wird weiter 46 J behinderung. Starke | Gastro- sert. Nahrungsaufnah- | behandelt, Abmagerung. Nur | stomie | me nur per os. Gewicht bisher Flüssigkeiten können bisher unverändert. 8 Monate geschluckt werden | Zeitweise als Maler tät. 22 | A. W. | Seit 5 Wochen Schluck- | Febr. 1924 | 2mal | 5—6 Std. | Schlucken gebessert. Wird weiter 65 J. behinderung. 20 Pfd. | Gastro- Bisher Gewicht unver-| behandelt, Gewichtsabnahme. Ge- stomie ändert bisher wicht 102 Pfd. 7 Monate 233| A.B Seit 8 Wochen Schluck- | März 1924 | 1mal | 6Std. | Schlucken wesentlich ge- | Wird weiter 67 J behinderung. Konnte Gastro- |bisher bessert. Ernährung | behandelt, vor Behandlung selbst | stomie nur per os. Bisher bisher Flüssigkeiten nur zeit- 4 Pfd. Gewichtszu- | 7 Monate weilig schlucken nahme 24| WP Seit 6 Monaten Schluck- | Juni 1924 | 1mal | 5Std. | Besserung der Schluck- | Wird weiter 73 J beschwerden. Starke Gastro- fähigkeit. Bisher keine | behandelt, Abmagerung. Gewicht stomie Gewichtszunahme bisher | 110 Pfd. | 2 Monate

Besonders erfreulich war es, daß mit dem Verfahren der ‚„Sondierung ohne Ende“ in fast allen Fällen günstige Resultate erzielt wurden.

Die weiteren Erfahrungen in den folgenden Jahren haben der damals aus- gesprochenen Ansicht, daß diese Methode der Sondenbestrahlung überlegen sei, Recht gegeben. Die symptomatischen Erfolge waren auch weiterhin befriedi- gend, die Schluckbehinderung konnte in fast allen Fällen behoben wer- den, das Körpergewicht nahm zu (bis zu 19 Pfund), die Lebensdauer wurde, unbestrahlten Fällen gegenüber, im Durchschnitt um ein halbes Jahr verlängert (längste Beobachtung von Beginn der Bestrahlung ab l Jahr 8 Monate), häufig trat dazu zeitweise Arbeitsfähigkeit ein (bis zu l Jahr). Die voraufgegangene Tabelle 6 zeigt im einzelnen unsere Resultate in den letzten Jahren.

Radiumbestrahlung beim Ösophaguskarzinom.

Fall 2. Albert B., 58 Jahre alt. Seit 6 Wochen Schluckbeschwerden. In den letzten 14 Tagen können feste Speisen nicht mehr hinuntergebracht werden.

Die Röntgenuntersuchung ergibt, daß es sich um ein Karzinom im unteren Speiseröhrenabschnitt handelt. Nur dünner Bariumbrei passiert die Stenose (Abb. 16). Die Sondierung mit der Czerny- Caanschen Sonde vor dem Röntgenschirm erfolglos.

25. April 1921. Anlegung einer Gastrostomie in der Chirurg. Klinik.

5. Juli 1921. Bestrahlung nach dem Verfahren der Sondierung ohne Ende. Das Schlucken des Seidenfadens gelingt nach mehrstündigen Versuchen. Das Auffischen des Fadens macht keine Schwie- rigkeiten (13 mm Messingfilter, 50 mg Ra.El., Bestrahlungszeit 5 Stunden).

15. Juli 1921. Pat. gibt an, daß in den letzten Tagen die Schluckfähigkeit sich auffallend ge- bessert habe. Er könne wieder Brot, feingekautes Fleisch und ähnliches schlucken. Bestrahlung in gleicher Technik. Bestrahlungszeit 6 Stunden.

29. Juli 1921. Pat. schluckt sämtliche Speisen von oben. Gewichtszunahme um 4 Pfund. Be- strahlung in gleicher Technik 6 Stunden.

Ergebnisse der chir. Klinik Königsberg (,„Sondierung ohne Ende") 01

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K:

Abb. 16. Fall Albert B. vor Bestrahlung. Abb. 17. 5 Wochen nach Beginn der („Sondierung ohne Ende“.) Beobachtung der Bestrahlungen. chir. Klinik Königsberg.

Abb. 18. 5 Monate nach Beginn der Abb. 19. 7 Monate nach Beginn der Bestrahlungen. Bestrahlungen.

‘02 H. Kurtzahn

13. Aug. 1921. Wohlbefinden. Pat. hat im ganzen 8 Pfund zugenommen. Schluckt alles von oben. Bestrahlung in gleicher Technik, 5 Stunden. Die Röntgenkontrollaufnahme (Abb. 17) zeigt eine geradezu frappante Besserung gegenüber dem Ausgangsbefund (Abb. 6). Eine eigentliche Tumor- ausspannung ist kaum noch zu erkennen.

19. Aug. 1921. Schluckvermögen weiter ausgezeichnet. Pat. hat trotz Warnung den Magen- schlauch entfernt. Die Magenfistel ist zugeheilt und Pat. hat seinen Beruf wieder aufgenommen. Bestrahlung mit der Czerny-Caanschen Sonde (50 mg Ra.El., 1 mm Messingfilter, 4 Stunden). Lokali- sation der Radiumkapsel an der Stelle des Sitzes des Tumors macht naturgemäß keine Schwierig- keiten.

25. Juli 1921. Pat. gibt an, daß er einige Tage nach der Bestrahlung geringe Mengen Blut und Bröckel herausgewürgt habe. Beim Schlucken fester Gegenstände habe er mitunter ein etwas wundes Gefühl in der Speiseröhre. Gute Schluckfähigkeit.

2. Sept. 1921. Befinden unverändert. Gewichtszunahme insgesamt 11 Pfund. Radiumsonder- bestrahlung (50 mg Ra.El., 1 mm Messingfilter, 41, Stunden).

16. Sept. 1921. Wohlbefinden. Hat inzwischen seinen Beruf als Eisenbohrer wieder aufge- nommen. Schluckt alles ohne Beschwerden. Gewicht: 124 Pfund. Wiederholung der Bestrahlung in gleicher Technik. Bestrahlungszeit 5 Stunden.

29. Sept. 1921. Pat. gräbt Kartoffeln, fühlt sich wohl und kräftig. Beim Schlucken wiederum mitunter Gefühl des Wundseins.

20. Okt. 1921. Keine Schluckbeschwerden, arbeitsfähig. Wiederholung der Bestrahlung in gleicher Technik, 5 Stunden.

9. Dez. 1921. Pat. hat Erkältung über- standen. 4 Pfund Gewichtsabnahme. Schluck- vermögen unverändert gut. Radiumbestrahlung in gleicher Technik, 41, Stunden. Das um- stehende Bild zeigt, wie auch jetzt noch die Durchgängigkeit der Speiseröhre eine ausgezeich- nete ist (Abb. 18).

28. Dez. 1921. Nach Bestrahlung leichtes Brennen in der Speiseröhre. Pat. arbeitet weiter. Gewicht wieder 124 Pfund. Wieder- holung der Bestrahlung in gleicher Technik,

Abb. 20. Gewichtskurve zu Fall Albert B. 572 Stunden. 23. Febr. 1922. Plötzlich rasche Gewichts- abnahme. Gewicht jetzt 108 Pfund. Pat. macht einen ausgesprochenen kachektischen Eindruck. Hat die Arbeit seit einigen Tagen eingestellt. Schluk- ken fast ganz unbehindert. Bestrahlung in gleicher Technik, 51, Stunden.

4. März 1922. Schlucken weiterhin möglich. Weitere Gewichtsabnahme um 3 Pfund. Pat.

fühlt sich wesentlich schlechter.

12. Mai 1922. Exitus mitgeteilt.

Fall 8. Franz K.

20. Mai 1922. 55 Jahre alt, Schluckbeschwerden seit 4 Monaten. Im letzten Monat konnte Pat. nur noch Flüssigkeiten schlucken. Karzinomatöse Stenose in Höhe der Bifurkation deutlich vor dem Röntgenschirm erkennbar.

27. Mai 1922. Gastrostomie. Fadenschlucken und Fadenauffinden von der Magenfistelstelle aus (12. Juni) gelingt ohne Schwierigkeit.

12. Juni 1922. 1. Bestrahlung (55 mg Ra.El., 1; mm Messingfilter, 51, Stunden). Gewicht 110 Pfund.

22. Juli 1922. Schluckbehinderung ließ 8 Tage nach der 1, Bestrahlung wesentlich nach. Pat. ernährte sich danach nur per os, allerdings vorwiegend mit flüssigen und breiigen Speisen. Gewicht 115 Pfund. 2. Bestrahlung in gleicher Technik, 6 Stunden.

19. Sept. 1922. Pat. teilt mit, daß die Bestrahlung sehr gut gewirkt habe, er könne alle Speisen von oben schlucken und befände sich sehr wohl. Nur die Gastrostomiestelle hindere ihn etwas, sonst würde er seine Arbeit als Maurer wieder aufnehmen. Gewicht 122 Pfund.

Ergebnisse der chir. Klinik Königsberg („Sondierung ohne Ende“) 703

27. Sept. 1922. Befinden unverändert. Die Stenose ist bei der Röntgenuntersuchung gerade noch erkennbar. 3. Bestrahlung in gleicher Technik, 51, Stunden.

19. Okt. 1922. Das Schlucken geht in letzter Zeit schlechter, feste Speisen bleiben stecken.

Abb. 21. Fall Franz K. vor Bestrahlung. Abb. 22. 4 Monate nach Beginn der („‚Sondierung ohne Ende“.) Beobachtung der Bestrahlungen. chir. Klinik Königsberg.

Der Kranke ernährt sich per os nur mit breiigen Speisen. Gewicht 11514, Pfund. 4. Bestrahlung, 5%, Stunden.

16. Jan. 1923. Schlucken nach der Bestrahlung wieder gebessert, Auftreten von starken Rücken- schmerzen. Patient fühlt sich matter. Gewicht 112 Pfund.

3. März 1923, Exitus.

ZZ, Ze Öewichrsiunahrne

Fall 11. August S.

3. Okt. 1922. 68 Jahre alt. Seit 4 Monaten Schluckbeschwerden. Pat. lebt seit 6 Wochen nur noch von flüssigen und breiigen Nahrungsmitteln. In den letzten Tagen gelangen auch Flüssigkeiten nur unter Schwierigkeiten in den Magen. Abgemagerter Mann. Gewicht 108 Pfund. Im Röntgenbild karzino- matöse Stenose in Gegend der Herzbasis. Anlegung einer Gastrostomie.

19. Okt. 1922. 1. Bestrahlung nach dem Ver- fahren der „Sondierung ohne Ende“. Es hat 3 Tage Abb. 23. Gewichtskurve zu Fall Franz R. gedauert, bis der Seidenfaden in den Magen gelangte.

(LG mm Messingfilter, 50 mg Ra.El., Bestrahlungszeit 51, Stunden.) Gewicht 107 Pfund.

18. Dez. 1922. Der Kranke erscheint 4 Wochen später als er bestellt war. Er hat sich schr er- holt. Kann breiige Kost ohne Schwierigkeit per os zu sich nehmen. Gewicht 120 Pfund. 2. Be- strahlung in gleicher Technik, 6 Stunden.

8. Febr. 1923. Der Kranke erscheint wiederum 1 Monat später als er bestellt war. Er gibt an, daß er jetzt alles ohne Mühe von oben her schlucken kann, er hat auch seinen Beruf als Brauerei- arbeiter wieder aufgenommen. Gewicht 125 Pfund. 3. Bestrahlung in gleicher Technik, 5 Stunden.

Ani Ad Ag e O Moa Des bah Ab Pare

704 H. Kurtzahn

14. 3. 1923. Befinden unverändert gut, arbeitsfähig, Schluckfähigkeit ausgezeichnet. Gewicht 126 Pfund (19 Pfund Gewichtszunahme seit Beginn der Radiumbehandlung). 4. Bestrahlung in gleicher Technik, 5 Stunden.

1. Mai 1923. Schluckfähigkeit jetzt normal. Der Pat. arbeitet, wiegt 125 Pfund. 5. Bestrah- lung in gleicher Technik, 5 Stunden.

21. Juni 1923. Der Kranke hat weiter gearbeitet. Vor dem Röntgenschirm ist zwar die Stenose noch bemerkbar, der betreffende Speiseröhrenabschnitt erscheint etwas starr, der Bariumbrei gleitet aber fast ohne Aufenthalt in den Magen. Gewicht 124 Pfund, 6. Bestrahlung in gleicher Technik, 5 Stunden.

22. Aug. 1923. Befinden unverändert. Etwas Gewichtsabnahme (118 Pfund). 7. Bestrahlung, 5 Stunden.

25. Okt. 1923. Pat. ernährt sich weiter nur per os. Hat den dringenden Wunsch, den Schlauch nicht mehr tragen zu brauchen. Gewicht 117 Pfund. 8. Bestrahlung, 5 Stunden.

20. Dez. 1923. Das Schluckvermögen ist ausgezeichnet. Pat. hat eine Grippe überstanden und fühlt sich noch recht elend. Er arbeitet jetzt nicht mehr. Gewicht 108 Pfund. 9. Bestrahlung, 6 Stunden.

1. März 1924. Der Kranke hat sich von seiner Grippe gut erholt, er sieht frisch aus, kann alles von oben essen. Gewicht 116 Pfund. 10. Bestrahlung, 515, Stunden.

16. April 1924. Schluckfähigkeit gut. Patient klagt über Schmerzen im Rücken. Die frühere Stenose ist an der Starrwandigkeit des betreffenden Speiseröhrenabschnittes zu erkennen. Gewicht 113 Pfund. 11. Bestrahlung, 6 Stunden.

12.Mai 1924. Die Schmerzen im Rücken sind sehr stark. Metastasen sind nicht nachzuweisen, der Kranke sieht aber verfallen aus. Gewichtsabnahme: 106 Pfund. Da keine wesentliche Schluck- behinderung, wird von weiteren Bestrahlungen abgesehen.

Anfang Juni Exitus.

186: 190 Geseit iren

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Abb. 24. Gewichtskurve zu Fall August S.

Fall 3. Frau M. S., 39 Jahre alt.

Seit 7 Monaten Schluckbeschwerden. In den letzten 3 Monaten können nur ganz klein zer- kleinerte Speisen geschluckt werden. In der Universitätsklinik für Ohren-, Hals- und Nasenkrank- heiten (Geh. Rat Prof. Dr. Stenger) wird ein Tumor am Beginn der Speiseröhre festgestellt; die Probeexzision ergibt ein Karzinom. Da das Schluckvermögen der Pat. von Tag zu Tag abnimmt, wird sie in die Chirurgische Universitätsklinik verlegt und dort am 18. August die Gastrostomie vorgenommen. Am 5. September wird mit den Schluckversuchen begonnen. Das Herunter- bringen des Fadens macht keinerlei Schwierigkeiten, wohl aber gelingt das Auffischen des Seiden- fadens von der Magenfistel des langen Witzelkanals wegen zunächst nicht. In Lokalanästhesie wird eine Inzision an der Stelle der äußeren Mündung der Gastrostomie vorgenommen. Dadurch wird der Knick im Verlauf der Witzelfistel ausgeglichen, und das Auffinden des Seidenfadens mit dem Haken gelingt ohne Schwierigkeiten.

7. Sept. 1921. 1. Radiumbestrahlung. Das nebenstehende Röntgenbild nach Kontrastfüllung (Abb. 25) zeigt. deutlich die Tumoraussparung. Gewicht: 102 Pfund. 1. Radiumbestrahlung in der be- schriebenen Technik (50 mg Ra.El., mm Messingfilter, 5 Stunden). Abb. 26 gibt den Radium- träger in situ wieder, der Zungenbeinschatten gestattet auf einfachste Weise die richtige Lokalisation. 5 Tage später stellt sich bereits bessere Schluckfähigkeit ein. Eine Birne kann gegessen werden.

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Ergebnisse der chir. Klinik Königsberg („Sondierung ohne Ende“) 70

14. Sept. 1921. 2. Radiumbestrahlung in gleicher Technik 51, Stunden. 22. Sept. 1921. 3. Radiumbestrehlung 5 Stunden. Pat. kann bereits wesentlich besser schlucken, ernährt sich fast ausschließlich vom Munde her. Wird nach Hause entlassen.

Abb. 25. Fall Frau M. S. vor Bestrahlung. Abb. 26. Radiumträger in situ. Beobachtung der chir. Klinik Königsberg. (Faden ohne Ende.)

22. Okt. 1921. Trifft folgender Brief ein: „Ich habe zu Hause alle Hausarbeit verrichten können, nur Kartoffelausnehmen konnte ich nicht, weil mich beim Bücken der Magenschlauch hinderte. Schlucken konnte ich sämtliche Speisen, beinahe wie früher. Nahrung durch den Schlauch habe ich überhaupt nicht zu mir genommen. Brot, feste Speisen, alles habe ich schlucken können. In diesen

115.168 Gemschlszumahrne

Abb. 27. Mix Monate nach Beginn der Bestrahlung. Abb. 28. Gewichtskurve zu Fall Frau M. S.

4 Wochen habe ich 11 Pfund zugenommen und wiege 116 Pfund. Wenn ich nicht den Magenschlauch hätte, fühlte ich mich ganz gesund.“ (Abb. 11).

14. Nov. 1921. 4. Radiumbestrahlung, 4 Stunden. Pat. gibt an, mitunter leichtes Brennen in dem oberen Teile der Speiseröhre zu verspüren. Gewicht unverändert. Schluckfähigkeit nahezu unbehindert.

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bad. I 45

706 H. Kurtzahn

9. Dez. 1921. 5. Radiumbestrahlung, 41, Stunden. Pat. hat nur von oben gegessen. Feste Speisen hätten aber mitunter „gehakt‘“.

17. Jan. 1922. Trifft folgender Brief ein: „Mir ist es während dieser Zeit ganz gut gegangen, hauptsächlich die Feiertage habe ich gut verlebt, auch alles dazu bereiten können, es geht immer gut. Die letzte Radiumbestrahlung hat vorzüglich gewirkt, ich habe bis jetzt alles von oben essen können, unser Landbrot und alles andere.“ 116 Pfund.

15. Febr. 1922. 6. Radiumbestrahlung, 5 Stunden. Schluckfähigkeit gut. (Röntgenbefund s. Abh. 27.)

17. April 1922. 7. Radiumbestrahlung. Schluckfähigkeit hat etwas nachgelassen. Pat. ist aber imstande, sich ganz von oben her zu ernähren. In der letzten Zeit ist eine wesentliche Gewichtsab- nahme eingetreten. Pat. wiegt jetzt 104 Pfund. Ende Juni gestorben.

Fall 9. Berta M., 64 Jahre.

1. Sept. 1922. Seit 3 Monaten Schluckbehinderung. In letzter Zeit können auch Flüssigkeiten nur mit Mühe geschluckt werden. Sehr starke Abmagerung. Gewicht 82 Pfund. Die Stenose sitzt in der Höhe der Bifurkation. Anlegen einer Gastrostomie.

20. Sept. 1922. Keine nennenswerte Besserung der Schluckfähigkeit seit Anlegen der Magen- fistel. Gewicht unverändert. Das Schlucken des Fadens macht einige Schwierigkeit (Darreichung von Papaverin). Das Fischen des Fadens von der Magenfistel aus ge- lingt ohne weiteres. 1. Bestrahlung (1, mm Messingfilter, 60 mg Ha EL. 5 Stunden).

10. Nov. 1922. Pat. kann jetzt flüssige und breiige Speisen gut schlucken, Gewicht 84 Pfund. 2. Be- strahlung in gleicher Technik, 5 Stunden.

25. Nov. 1922. Schluckfähig- keit unverändert. Gewicht 90 Pfund. 3. Bestrahlung, 5 Stunden.

30. Nov. 1122. Nach der 3. Be- strahlung gibt die Kranke an „sei

Abb. 29. Gewichtskurve zu Fall Bertha M. die Schluckfähigkeit ausgezeichnet“, sie könne jetzt auch feste Speisen fast ohne Behinderung schlucken. Gewicht 90 Pfund. 4. Bestrahlung, 5 Stunden.

2. März 1923. Die Kranke ist bisher nicht zur Behandlung erschier.en, weil es ihr gut geht. Sie konnte ihrer Hausfrauentätigkeit durchaus nachgehen, wurde dabei nur durch den Gastrostomie- schlauch etwas behindert. In letzter Zeit wieder etwas Schluckbehinderung. Gewicht 84 Pfund. 5. Bestrahlung, 5 Stunden.

14. Juli 1923. Die Schluckfähigkeit ist nach der Bestrahlung wieder hergestellt gewesen, die Kranke kann alles essen. Röntgenologisch ist keine Stenose mehr nachweisbar, das Radium daher schwierig zu lokalisieren. Gewicht 79 Pfund. 6. Bestrahlung, 5 Stunden.

8. Aug. 1923. Die Schluckfähigkeit ist weiter gut, die Pat. fühlt sich aber zunehmend etwas schwächer. Metastasen sind nicht nachweisbar. Gewichtsabnahme: 74 Pfund. 7. Bestrahlung. 5 Stunden.

15. Sept. 1923. Pat. ist ziemlich schwach. Da keine nennenswerte Schluckbehinderung be- steht, wird von weiteren Bestrahlungen Abstand genomnien.

Anfang November Exitus.

Unsere Meinung von der Zweckmäßigkeit der Einführung des Radiums mit Faden „ohne Ende“ fand ihre Bestätigung durch einen von Beck mitgeteilten Fall, über dessen Verlauf wir das Wesentlichste wiedergeben:

Es handelte sich um einen 49 Jahre alten Arbeiter. Bei der ösophagoskopischen Untersuchung fand sich 38 cm hinter der Zahnreihe ein Ulkus. Die Probeexzision ergab, daß es sich um ein sicheres Plattenepithelkarzinom handelte. Anlegung der Magenfistel. Die Radiumkapsel wurde mit Hilfe eines „Fadens ohne Ende‘ durch den Mund in die Stenose hineingezogen und blieb dort 72 Stunden liegen (20 mg Radiumbromid in einer (:lasröhre und 1! mm dicken Messingkapsel eingeschlossen, darüber eine 1 mm dicke Bleikapsel, darüber ein dünner Gummischlauch).

Über die Radiosensibilität des Speiseröhrenkrebses 107

Nach einigen Wochen Besserung des Schluckvermögens. Die Gastrostomie ward ein Vierteljahr aufrechtgehalten und schloß sich nach Entfernung des Schlauches spontan.

Der Kranke klagte in der ersten Zeit ab und zu noch über einen Druck über dem Brustbein, doch gingen alle Speisen durch den Ösophagus ohne Schwierigkeiten durch. Vor dem Röntgenschirm war zu erkennen, daß auch dicker Brei die Speiseröhre bis zum Magen passierte. Der Pat. arbeitete 2 Jahre als vollwertiger Arbeiter und sah bei der letzten Nachuntersuchung (21, Jahre nach Beginn der Behandlung) kräftig und wohlgenährt aus.

b) Grundlagen und Aussichten moderner Bestrahlungsweise.

Wie wir gesehen haben, steht und fällt der Nutzen der Radiumbestrah- lung beim Speiseröhrenkrebs mit der richtigen Lokalisation und Fixie- rung des Radiums. Nur dann kann ein Erfolg erwartet werden, wenn das gefilterte Radium sich in unmittelbarer Nähe der Geschwulst befindet, daher ist die richtige Applikation des Radiums unsere wichtigste Aufgabe. Wird diese gelöst, wie es durch die Methode der ‚Sondierung ohne Ende“ fast immer gelingt, so sind bei genügender Radiosensibilität des Tumors und bei richtiger Filterung und Dosierung des Radiums Erfolge zu erwarten.

Eingangs wurde darauf hingewiesen, daß es sich bei der Mehrzahl der Speiseröhren- krebse um Plattenepithelkarzinome handelt. Guisez schrieb bereits, daß das Ösophaguskarzinom ‚mit den Hautkrebsen die allergrößten Analogien zeigt, sowohl was seine Struktur als auch was seine Entwicklung anbelangt“. Lewin betonte, daß diese Tumoren ‚ange Zeit hindurch lokalisiert bleiben und daher für die Bestrahlung mit radioaktiven Substanzen bei Anwendung geeigneter Technik und genügender Vorsichts- maßregeln besonders günstig sind“. Dazu kommt die in der Regel späte Metasta- sierung des Speiseröhrenkrebses, wenn auch Ausnahmen vorkommen und stenosie- rende Metastasen sogar den Primärtumor vortäuschen können (s. Einl. Abb. 1).

Die Hautkrebse reagieren bekanntlich auf Radiumstrahlen oft günstig, sogar in solchen Fällen, in denen Röntgenbestrahlungen wirkungslos bleiben. Solche Erfahrungen sind wiederholt gemacht worden (Werner, Bayet, Keetmann). Man wäre also berechtigt, auf Grund der histologischen Analogie Erfolge zu erwarten. Auch Gauß teilte mit, daß schlecht auf hohe Röntgendosen reagierende Karzinome mitunter gut durch Radium und Mesothorium beeinflußbar sind. Newcomet sah ebenfalls in ein- zelnen Fällen gute Erfolge mit der Radiumbehandlung, nachdem Röntgenstrahlen wir- kungslos geblieben waren. Das Versagen der Röntgenstrahlen gegenüber dem Ösophaguskarzinom, läßt also keinen Rückschluß auf die Beceinflußbar- keit dieser Geschwulstform mit Radium zu.

Das für das Radium Gesagte gilt in gleicher Weise für das Mesothorium. Nach den Untersuchungen von Krönig und Friedrich haben Radium und Mesothorium bei gleicher Dosis und gleicher Intensität bei einer Filterung durch 1,5 mm Messing und 5mm Zelluloid die gleiche biologische Wirkung.

Ob Unterschiede der Radiosensibilität der einzelnen Ösophaguskarzinome bestehen, ist nicht sicher. Wetterer ist der Ansicht. daß besonders die glatten infiltrie- rend wachsenden Formen des Speiseröhrenkrebses ein dankbares Objekt der Radium- bestrahlung sind. ‚Stark ulzerierte oder verhornende Krebse geben weniger dauerhafte Resultate.“ Guisez schien es ebenfalls, „als ob bei den wenig granulierenden Formen, also bei den mehr infiltrierenden, beim Skirrhus, die Radiumwirkung eine ausgiebigere und dauerhaftere war“. Präzise Regeln können aber nicht aufgestellt werden. Wir sahen auch bei der zellreichen, tumorbildenden Form des Ösophagus- karzinoms mitunter gute und über Jahresfrist andauernde Erfolge. Dieselbe Erfah- rung machte Hotz.

45*

708 H. Kurtzahn

Die Ulzeration des Tumors kann als unerheblich angesehen werden, da nach den Bestrahlungen in allen Fällen eine Zerstörung der Oberfläche eintritt. ‚Wir sind über- zeugt, daß eine elektive Ausrottung des Karzinoms kaum möglich ist, es wird sicher auch von normaler Schleimhaut etwas zerstört, und der Vernarbungsprozeß ähnelt dann demjenigen nach Verätzungen‘ (Suter). Bereits Exner wies nach, daß der Einfluß der Radiumstrahlen auf das Karzinomgewebe in einer Nekrobiose der Tumorzellen mit Va- kuolisation und schließlichen Schwund und endlich im Auftreten einer sklerosierenden Bindegewebsneubildung besteht. Drei Typen von Veränderungen sind besonders er- kennbar. 1. Entzündung und Nekrose an der bestrahlten Oberfläche. 2. Degene- ration der Neoplasmazellen bis zur vollständigen Resorption. 3. Zunahme des Bindegewebes und Gefäßveränderungen. Die Veränderung an den Krebszellen des Ösophaguskarzinoms geht immer, mehr oder weniger, mit einer Zerstörung nor- malen Gewebes Hand in Hand. Inwieweit die Schädigung, welche die Karzinomzellen durch die Radiumstrahlen erleiden, stärker ist, mit welcher Berechtigung man also von einer elektiven Radiumwirkung reden kann, ist umstritten.

Latzko und Schüller (1913) waren der Ansicht, daß es gelingt, die Zellen bös- artiger Neubildungen ‚nicht nur nach Art eines chemischen oder thermischen Kausti- kums mitsamt dem umgebenden Gewebe zu zerstören, sondern geradezu elektiv zum Schwinden zu bringen“. Derselben Meinung waren Wickham und Degrais (1913). Die Rückbildungen ‚‚werden nicht etwa durch nekrotische und entzündliche Zerstörung, durch Verbrennung, wie sie etwa ein Ätzmittel hervorrufen würde, sondern durch eine elektive Einwirkung der Strahlen auf die Zellen des Tumors herbeigeführt“. Auch Rupp (1914) wandte sich gegen die Skeptiker, welche behaupteten, daß das Radium nichts anderes sei als ein Ätzmittel wie das Chlorzink und der Thermokauter.

Ranzi und Sparmann konnten sich dagegen klinisch in keinem ihrer Fälle von der elektiven Wirkung des Radiums auf Tumorzellen überzeugen, so daß das Ra- dium keinerlei Unterschied in seiner nekrotisierenden Wirkung zwischen gesundem und krankem Gewebe, zwischen Tumor und Umgebung macht“. Etwas weniger entschieden war das Urteil von Arzt und Schrameck (1915): „Weit entfernt das Radium als All- heilmittel des Karzinoms ansehen zu wollen und ihm eine unbedingt elektive Wirkung auf Geschwülste zuzusprechen, glauben wir doch, daß bei sachgemäßer vorsichtiger Be- strahlung der Karzinomtherapie ein weiterer Weg eröffnet werde, der aussichtsreiche Hoffnungen für die Zukunft bietet.“

Wetterer (1920) hält eine elektive Wirkung nur in den Fällen für vorliegend, bei denen eine genügende Radiosensibilität besteht. Auch Loeper (1920) hält es für un- bestreitbar, daß das Radium auf das karzinomatöse Gewebe des Speiseröhrenkrebses einwirkt, nur ist die Wirkung seiner Meinung nach nicht so stark wie beim Uterus- karzinom, aber immerhin größer als beim Mastdarmkrebs.

Für den Speiseröhrenkrebs erscheint jedenfalls die Frage der elek- tiven Wirkung der Radiumstrahlen noch nicht sicher geklärt. Wir glau- ben, daß Perthes’ Worte über die Röntgenstrahlenwirkung sich auch auf das Radium übertragen lassen, ‚die Schädigung, die die Folge aller stärkeren Bestrahlungen ist, trifft zweifellos die Tumorzelle schwerer als die normale Zelle der Nachbarschaft‘, und es handelt sich um eine relativ elektive Wirkung“. Immerhin wird die wahllos Karzinom- und normales Gewebe vernichtende Komponente bei dem Speiseröhrenkrebs ein Faktor bleiben, mit dem man bei der Bestrahlung rechnen muß. Man muß sich dieser zerstörenden Wirkung bis zu einem gewissen Grade bedienen und wird eine elektive Wirkung zwar erhoffen, aber nicht mit Sicherheit erwarten dürfen.

Dosierung bei Radiumbestrahlungen des Speiseröhrenkrebses 709

Sowohl für die Karzinome im allgemeinen als für den Speiseröhrenkrebs im beson- deren ist es sehr fraglich, ob es eine Reizdosis in dem Sinne gibt, daß unzureichend mit Radium bestrahlte Karzinome vermehrt wachsen, eine Ansicht, welche Wickham und Degrais 1914 vertraten.

„Sicherlich ist es erforderlich, daß die radioaktive Kraft alle kranken Zellen angreift, aber ebenso und vor allem ist es erforderlich, daß sie sie in ausreichender Menge angreift, daß sie anatomisch zerstört werden. Im Falle einer ungenügenden Einwirkung würden sie im Gegenteil eine Radio- reizung erleiden. Wenn wir diesen Punkt betonen, so geschieht es deshalb, weil wir zu häufig MiB- erfolge sahen, die durch ungenügende Radiummengen verursacht waren. Vorerst ist zu forderr, daß das Radium alle schädigenden Elemente angreift. Dieser Angriff muß möglichst gleichmäßig zur selben Zeit erfolgen und besonders auf die und auf seine Peripherie einwirken.“

Die Furcht vor der ‚„Reizdosis‘“ erscheint heute ziemlich unbe- gründet.

Werner (1923) ist ebenfalls der Meinung, daß es „eine fixe Reizdosis im Sinne eines bestimmten Prozentsatzes der H.E.D. nicht gibt‘. „Von den zahlreichen Schwachbestrahlungen in den ersten Jahren der Radiumbehandlung sind sicher nicht mehr Reizungen verschuldet worden, als später in der Ära der großen massiven Dosen.“ „Ich kann mich aber nicht entschließen, die Abhängigkeit der Wachstumssteigerung von einer bestimmten Dosis anzuerkennen.“

Wir glauben nicht, daß die Anschauung Wickhams und Degrais’ über die Gefahr der Radiumreizung in bezug auf das Ösophaguskarzinum zu Recht besteht. Ihre For- derung einer gleichmäßigen Bestrahlung, die besonders die Basis und Peri- pherie betreffen soll, ist übrigens für das Ösophaguskarzinom leider unerfüllbar, weil die Tiefenwirkung des Radiums trotz der Filterung ziemlich gering bleibt. Weder Kreuzfeuerbestrahlung noch stärkere Distanzierung, durch welche eine Erhöhung der Tiefenwirkung erzielt werden könnte, sind beim Speiseröhrenkrebs an- wendbar; es bleibt also eine ‚quantitative Inhomogenität‘‘ der Bestrahlung bestehen.

Wickham und Degrais schätzten die Tiefe, bis zu der vermittels der Methode des ‚„Kreuzfeuers‘‘ die Tumorzellen noch wirksam beeinflußt werden, auf etwa 9 cm. Beim Ösophaguskarzinom wird man mit viel kleineren Zahlen, mit Millimetern, rechnen müssen. Nach Jünglings Messungen sind 14 H.E.D. an der Berührungs- stelle mit dem Röhrchen nötig, um in Lem Tiefe noch eine H.E.D. zu haben. Der Speiseröhrenkrebs ist daher stets an der Oberfläche der weitaus stärk- sten Bestrahlung ausgesetzt, und die Strahlenmenge nimmt nach der Tiefe hin so stark ab, daß eine erhebliche Überdosierung an der Oberfläche nötig ist, um überhaupt eine nennenswerte Strahlenwirkung in den tiefer gelegenen Schichten des Tumors zu erhalten.

Das Distanzieren des Radiums, also die Vermehrung des Abstandes der strahlen- den Substanz, von der Tumoroberfläche ist beim Speiseröhrenkrebs oft gar nicht, ge- wöhnlich nur in ganz bescheidenem Maße möglich, da voluminöse Radiumträger sich nicht in die Tumorenge ziehen lassen. Man wird also auch bei der Benutzung der hier anwendbaren Distanzierung mit dem Vorwiegen der Oberflächenwirkung rechnen müssen.

Daher sind die Aussichten der Radikalheilung des Ösophaguskarzinoms, auch wenn theoretisch durch das Radium bei geeigneter Einwirkung die Heilung erzielt wer- den könnte, schlecht, weil eine solche ‚geeignete Einwirkung‘ eben nicht möglich ist. Je größer der Tumor ist, besonders in seiner Tiefenausdehnung, je mehr wird es sich nur um eine Zerstörung seiner Oberfläche handeln, während die tiefgelegenen Tumorschichten weiter wachsen. Je kleiner und flacher der Krebs, um so eher ist die zureichende Bestrahlung möglich, nur bei beginnenden Fällen können also Dauererfolge erwartet werden. In der überwiegenden Mehrzahl der

710 H. Kurtzahn

Fälle wird man sich mit einer Verkleinerung des Tumors begnügen müssen.

Wir haben Gelegenheit gehabt, an einem Kranken mit Ösophaguskrebs, der 10 Tage nach der 5. Radiumbestrahlung an einer Pneumonie starb, die Radiumwirkung auf den Tumor und seine Umgebung bei der Autopsie untersuchen zu können.

Pat. A. C., 64 Jahre alt. S Monate vor Beginn der Behandlung bestanden Schluckbeschwerden. Die Untersuchung ergab ein ulzeriertes, strikturierendes Karzinom der tumorbildenden Form in der

Höhe der Bifurkation (s. Abb. 30). Anlegung einer Magenfistel und Bestrahlungen vermittels der „Sondierung ohne Ende“ (1, mm Messingfilter je 5 Stunden, 2 mal wurde mit 1⁄4 mm Leinwand distan-

Abb. 30. Fall A. C. der Bestrahlung. Abb. 31. Fall A C. 3 Monate nach Beginn der Bestrahlungen. (Faden ohne Ende). Beobach- tung der chir. Klinik Königsberg.

ziert). Die Stenose wurde weiter (Abb. 31). Die Schluckbeschwerden wurden behoben, der Kranke nahm etwas an Gewicht zu und tat seinen Dienst als Nachtwächter. Im Anschluß an die 5. Bestrah- lung Bronchopneumonie, welcher der Kranke nach einer Gesamtbehandlungsdauer von 7 Monaten erlag.

Die Autopsie ergab eine tiefe, teilweise vernarbte Verätzung an der Stelle des Sitzes des einstigen Tumors (Abb. 32). Die Wand der Speiseröhre war narbig verdickt. reich an Bindegewebsfasern, das Lumen nicht nennenswert verengt. Am unteren Rande des Ulkus befand sich ein Karzinomrest, im übrigen ließ sich in der Wand des Ulkus Karzinomgewebe histologisch nicht mehr nachweisen.

Die Kunst der Bestrahlung besteht darin, von der zerstörenden Komponente in genügender Weise Gebrauch zu machen, ohne grobe Schädigungen der gesunden Nachbarschaft zu setzen. Es liegt auf der Hand, daß durch die Wirkungsweise der Radiumstrahlen auf das Ösophaguskarzinom beim Vorliegen besonderer anato- mischer Verhältnisse und bei ungeeigneter Dosierung, Gefahren bedingt sind. Diese Gefahren bestehen besonders in Blutungen aus arrodierten größeren Gefäßen

Wirkungsweise und Gefahren der Radiumbestrahlung beim Ösophaguskarzinom

“11

und in Perforationen der morschen Ösophaguswand mit nachfolgender Infektion der Umgebung. Die Pleurahöhle kann eröffnet werden, ein Pyopneumothorax kann

entstehen, der Einbruch in die Luftwege, in die Trachea,

zu Pneumonien. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß auch ohne Bestrahlungen alle diese Vorkommnisse nichts Seltenes sind, so kann es nicht wundernehmen, wenn sie auch nach Radiumbestrahlungen gelegentlich auftreten. Indessen kann nicht geleugnet werden, daß der Eintritt dieser Ereignisse auch durch eine kunst- gerechte Radiumwirkung befördert werden kann. Auf diese Gefahren ist wiederholt hingewiesen worden, so z4B. von Exner, Rupp, Hotz, Lewin, Werner, Wittmaak u.a.

Schindler z. B. hat 1913 nach einer Bestrah- lung, die er gemeinschaftlich mit H. Marschik vor- nahm, eine Perforation gesehen:

„Doch war in diesem Falle aus dem ganzen klinischen Verlauf und den geringen aufgewendeten Strahlendosen beim Auftreten der Perforation (30 mg Mesothorium, Filter 1 mm Sil- ber mit Kautschukeinlage) mit Wahrscheinlichkeit zu schließen, daß die Perforation, die schon nach der zweiten einstündigen Sitzung vorhanden war, nicht auf die Bestrahlung zurückge- führt werden muß, sondern jedenfalls auch ohne dieselbe zu- stande gekommen wäre.“

In einem Falle von Stubenrauch erlag der Kranke einer in das Perikard erfolgten Perforation nach vorangegangenen Be- strahlungen mit Mesothorium. Das Karzinom war noch lokal nachweisbar.

Blutungen im Anschluß an Bestrahlungen sind nicht selten, gewöhnlich sind sie aber nicht sehr stark. Sie pflegen meist 5—10 Tage nach der Sitzung zu beginnen, wenn die Tumornekro- sen sich abstoßen. Hotz hat mehrfach Blutungen gesehen ‚in nur unbedeutendem Maße, zweimal war die Blutung stark“. Er behandelte mit Koagulen und ließ Bleibolzen (s. Abb. 33) an einem Faden schlucken, welche in der Art eines Tampons in der blutenden Kar- zinommenge wirken sollten.

Wir haben bei unseren zahlreichen Radiumbe- strahlungen bedrohliche Blutungen bisher nicht erlebt; geringe Blutungen sahen wir mitunter.

Das Auftreten von Blutungen nach Radiumbestrah- lungen des Speiseröhrenkrebses wird sich nicht ganz verhindern lassen, immerhin wird man durch nicht zu intensive, lieber öfters wiederholte Bestrahlungen ihr Auftreten einschränken können.

Manchmal treten Schmerzen nach denBestrah- lungen auf. Bei einem unserer Patienten, dessen All- gemeinbefinden sich gebessert hatte, waren Schmerzen im Rücken, welche im Sinne einer Interkostalneuralgie

die Bronchien, die Lunge, führt

xarzinom-

rest Abb. 32. Schirmpräparat des Falles A.C. (Exitus 7 Monate

nach Beginn der Bestrahlungen.

10 Tage nach letzter Bestrahlung.)

Beobachtung der chir. Klinik Königsberg.

112 H. Kurtzahn

nach vorne zu ausstrahlten, das einzige quälende Symptom. Durch paravertebrale Injektionen einer größeren Menge !/,%, iger Novokainlösung gelang es uns, die Schmerzen auf Monate hinaus vollständig zum Schwinden zu bringen. Gewöhnlich wird es sich aller- dings bei diesen Schmerzen nicht nur um Reizerscheinungen handeln, die durch die Bestrahlung ausgelöst werden, sondern um ein Symptom, welches durch den Druck des in seiner Peripherie weiterwachsenden Tumors oder seiner Metastasen bedingt wird.

Dem Nutzen, den wir durch die Radiumbestrahlung vielen Kranken bringen kön- nen, steht also eine Gefährdung in einzelnen Fällen gegenüber. Mit Wittmaack bin ich der Meinung, daß diese gelegentlichen Komplikationen nicht geeignet sind, den Wert des Radiums, unseres einzigen Heilmittels dem Speiseröhrenkrebs gegenüber, wesentlich herabzusetzen.

Die Wahl des Filtermaterials tritt an Bedeutung zurück. Benutzt werden be- sonders Blei, Silber, Gold, Messing, mitunter auch Zelluloid. Über die Vorzüge und Nachteile der einzelnen Filtermetalle herrscht keine Klarheit.

Bracht z. B. meint, daß die beliebte Filterung durch Blei „nicht im geringsten imstande sei, die quantitative, biologische Wirkung der Radiumemission in einer Tiefe von 2—3 mm unter dem Filter zu steigern“. Er hält im Gegenteil eine deutliche Abnahme der Intensität gegenüber unge- filterten Radiumstrahlen für vorliegend. Bracht selbst weist darauf hin, daß die große Differenz seiner Untersuchungsergebnisse gegenüber denen von Heimann und Eymer schwer zu erklären.sei.

Habs bestrahlte mit 1 mm Bleifilter und Gummiumhüllung. Werner verwandte früher 3 mm Bleifilter und ist dann zu 115,—2 mm Messing übergegangen.

In letzter Zeit ist man mehr und mehr von den sehr starken Filterungen ab- gekommen, weil dadurch die Bestrahlungszeit stark verlängert wird, und es aus den dargelegten Gründen doch nicht gelingt, eine wesentliche Verbesserung der Homogenität der Bestrahlung zu erreichen,

Die Nekrose, die Anätzung des Tumors durch Verwendung eines Teiles der ß-Strahlen wird von verschiedenen Autoren geradezu angestrebt. Knox vom Krebshospital London (1914) benutzte fast ausschließlich B-Strahlen, um Nekrosen der Tumoren zu erzielen. Wendel (1913) benutzte das Radium mit Goldfilterung ohne Gummiüberzug, damit eine direkte Wirkung, auch der Sekundärstrahlen, auf den Tumor erreicht wurde. Auch Hotz (1921) bezeichnet die weiche Strahlung als nützlich. Er bestrahlt mit Silberfiltern, bei denen ‚neben den harten y-Strahlen auch die weicheren ß-Gruppen stark zur Wirkung kommen“. Stärkere Filterung und Gummi- überzüge hält er mit Recht für unangebracht, weil solch voluminöse Radiumkapseln nicht in die Stenose eindringen.

Für unsere Zwecke erscheinen die in der gynäkologischen Bestrahlungspraxis be- nutzten starken Bleifilter nicht sehr geeignet, da sie, ebenso wie Platin und Gold, „die y-Strahlen wesentlich schwächen und dabei weiche, schädliche Sekundärstrahlen liefern“ (Keetmann). Bekanntlich senden alle von y-Strahlen getroffenen Körper sekundäre ß-Strahlen aus, die bei Elementen mit hohem Atomgewicht nur zum kleinen Teil die Reichweite der primaren 8-Strahlen besitzen, zum größten Teil aber viel weicher sind, so daß sie kaum mehr als 1 mm in die Tiefe dringen (Keetmann). Dazu kommt, daß in dem Augenblick, in dem Strahlen einer bestimmten Wellenlänge auf Körper treffen, ein resonanzartiges Phänomen erzeugt wird, vermöge dessen der getroffene Körper, z. B. das Filtermetall, eine wesentlich stärkere Sekundärstrahlung aussendet. Diese Strahlung wird als Eigenstrahlung, Resonanzstrahlung oder auch Lumineszenz- strahlung bezeichnet (Dessauer). Zur Vermeidung dieser unerwünschten Strahlung benutzt man mit Vorteil Legierungen, wie z. B. das Messing, als Filter, bei dem die Atome des einen Metalles die Eigenstrahlung des anderen unterdrücken. Wir

Über die Wahl des Filtermaterials bei Radiumbestrahlungen des Ösophaguskarzinoms 713

halten für Bestrahlungen des Ösophaguskarzinoms das Messing für ein geeignetes Filtermaterial.

l mm Messing genügt, um fast die ganze ß-Strahlung abzufiltern. Nach Fernau ist bei 1,2 mm Messing die härteste ß-Strahlung bis auf 1% absorbiert. Wir benutzten IL oder I mm Messingfilter und 2 Radiumröhrchen zu je ca. 30 mg Radiumelement. Bei sehr hochgradigen Stenosen bedienten wir uns des schwächeren Filters, um eine stärker zerstörende Wirkung zu erzielen. Wurde im Ver- laufe der Behandlung die Stenose geringer, so nahmen wir 1 mm Messing und distan- zierten. Letzteres geschah durch einen Leinwandüberzug, durch den ein fester Sitz des Radiumträgers an der Stelle des Karzinomsitzes erzielt wurde.

So erwünscht es auch wäre, klare Regeln für Filterung und Dosierung zu be- sitzen, deren Befolgung die zweckmäßige Bestrahlung erleichtern und die Gefahren der Methode vermindern würde, wir müssen gestehen, solche Regeln gibt es zur Zeit noch nicht, und es erscheint zweifelhaft, ob sie überhaupt geschaffen werden können. Bisher suchte man vergeblich nach einem Dosimeter, das uns die appli- zierte Strahlenmenge angibt. Rupp hält ‚‚ein solches für überflüssig und den Streit um die Filter, ob Blei oder Messing, unnötig‘.

Der Satz von Sticker: ‚Wir dürfen uns nicht auf physikalische Vorstellungen allein verlassen, nur biologische Versuche können uns vor schweren Enttäuschungen bewahren‘, hat seine Berechtigung. Die Form des Radiumträgers, die Art und Weise, wie die Radiumröhrchen in dem Träger verteilt sind, sind für den Bestrahlungseffekt von besonderem Einfluß und schwierig rechnerisch festzulegen. Eine einfache Angabe von Milligrammstunden ist ziemlich wertlos.

v SSES A

Lahm verlangt die Kenntnis folgender 3 Faktoren: 1. Radiumelementgehalt nach Milligramnı. 2. Erythemdosis nach Milligrammstundenzentimeter. 3. Die Verteilung und Form der .„‚Niveauflächen oder Isodynamen‘“. Martius schlägt vor, durch verschieden langes Auflegen des gefilterten Radiums die Erythemzeit zu bestimmen und für tiefere Bestrahlungen die Zeit nach dem Quadratgesetz zu berechnen.

Die Bestrahlungszeit wird meist empirisch auf Grund von Bestrahlungs- versuchen und klinischen Beobachtungen gefunden. Hotz berechnet seine The- rapie zwar nach mg-Stunden, machte aber dazu weitere wesentliche Angaben:

Seine Radiumkapsel, ein Silberröhrchen, erzeugte auf der Haut nach 6stündiger Bestrahlung eine bullöse Dermatitis, am 4. Tage beginnend, welche nach 3 Wochen ausheilte. Im Karzinom-

gewebe (Lebermetastase nach Magenkarzinom) entstand ein nekrotischer Zylinder von 1 mm Durch- messer.

Lewin hielt Bestrahlungen von 3—4 Stunden Dauer mit 100 mg Radium, unter Gold- oder Platinfilterung, für ausreichend. Nach Strebel beurteilt man die Wirkung des Radiums am besten dadurch, daß man an der eigenen gesunden Haut Bestrahlungen vornimmt, und aus dem Erfolge der Bestrahlung, der Latenzzeit und der Stärke der Reaktion gewisse Schlüsse zieht. Arzt und Schramek sind der Meinung, daß bei dem Fehlen einer exakten Meßmethode und der Verschiedenheit jedes einzelnen Falles das ausschlaggebende Moment in Erfahrung und klinischer Beobachtung besteht.

Wir überzeugten uns von der Wirksamkeit unseres gefilterten Radiums durch Be- strahlungsversuche am Hund und Menschen, dabei befand sich das Ra- dium in dem später zu den Bestrahlungen benutzten Radiumträger. Die so gefundenen Bestrahlungszeiten wurden durch die späteren klinischen Beobach- tungen korrigiert. Bei !/, mm Messingfilter und ca. 60 mg Radiumelement (je 30 mg in jedem der beiden Röhrchen) bestrahlten wir 5—6 (—7) Stunden. Darüber hinaus- zugehen erschien uns nicht ratsam, denn die Zerstörung und Anätzung der Oberfläche

714 H. Kurtzahn

muß in gewissen Schranken gehalten werden, um die bereits besproche- nen Gefahren der Bestrahlungen nach Möglichkeit zu vermeiden.

Das Gesagte bezieht sich auch auf das Mesothorium, zu bedenken ist dabei nur, daß die Mesothoriumstrahlung zeitlich nicht konstant ist, wie dieses, wenigstens prak- tisch, für die Radiumstrahlung zutrifft. Durch Bildung von Radiothor nimmt die Aktivität des Präparates anfangs zu, um nach einigen Jahren abzufallen. Die Halb- wertzeit des Mesothoriums beträgt ca. 5!/, Jahre.

Eine einzige Bestrahlung genügt nicht, um eine genügende Wirkung herbeizu- führen, wenn man sich in den Grenzen zulässiger Intensität hält. Wir wiederholten ge- wöhnlich die erste Bestrahlung nach 14 Tagen und ließen die weiteren Bestrahlungen in Abständen von 4—5 Wochen folgen. Die Sitzungen sehr schnell aufeinander folgen zu lassen, erscheint uns nicht ratsam, denn nach jeder Bestrahlung kommt es zur Nekrotisierung und Abstoßung der Oberfläche.

Nach dem Untersuchungsergebnis des 10 Tage nach der letzten Bestrahlung ob- duzierten Falles (s. S. 710, Abb. 30—32), hat es den Anschein, als wenn in dem bestrahlten Bezirk der Speiseröhre eine Bindegewebsver- mehrung der Wand einsetzt; diese Wandver- dickung ist als ein Schutz gegen eine Perfora- tion anzusehen. Da eine gewisse Zeit vergehen muß, bis eine solche Bindegewebsneubildung entsteht, erscheint es sicherer, zwischen den Bestrahlungen genügende Pausen einzulegen. In den Fällen, in denen der Erfolg nach einer Anzahl von Bestrahlungen eklatant war, in denen die Schluckbehinderung fast ganz besei- tigt wurde, haben wir sogar monatelang mit Abb. 33 Bolzen zur Dilatation von Strik- den Bestrahlungen ausgesetzt.

turen nach Hotz. Versuche, feste Speisen per os zu

genießen, läßt man die Kranken am besten

erstnach Abklingen der Bestrahlungsfolgen vornehmen, Flüssigkeiten (Wasser,

Tee usw.) hingegen werden zweckmäßig bald nach der Bestrahlung, so bald sie

ohne Schwierigkeit die Stenose passieren, getrunken, denn sie reinigen die Stenose von den durch die Radiumwirkung entstehenden Nekrosen.

Manche Autoren nehmen eine Nachbehandlung der bestrahlten Fälle mit Sonden vor. Wir lehnen die ‚blinden‘ Sondierungen strikt ab. Es sei dabei auf das Seite 671 Gesagte hingewiesen. Erinnert sei hier nur daran, daß Hotz bei Bougierungen, von „kundiger Hand“ ausgeführt, 2 Kranke an Mediastinitis, bzw. Peritonitis ver- loren hat.

Hotz versuchte eine |Dilatation der Stenose nach den Bestrahlungen dadurch, daß er vernickelte Bleibolzen (Abb. 33) schlucken ließ, die sich an einem Seidenbande be- fanden. Man ‚wartet, bis ein Bolzen durch ist, dann wird ein dickerer nachgegeben‘. Hotz verwendet mehrere Sätze solcher Bolzen, die 4—10 mm Durchmesser haben. „Das Liegenlassen und der Schluckakt treiben die Bolzen langsam und schonend durch die Stenose durch.“

Zur Sondierung erscheint ferner die Borcher’sche Peitschensonde gut ge- eignet. Voraussetzung ist auch hier ‚daß es gelingt, einen Seidenfaden durch die Speiseröhre in den Magen und durch die Gastrostomiewunde wieder aus ihm heraus- zubringen. Die Sonde ist aus Seide „Goldblond‘‘ geflochten und mit Lack über- zogen, wie die üblichen Bougies. Sie ist Ui m lang, mißt an der Basis 1 cm, an

Nachbehandlung nach Radiumbestrahlungen wegen Speiseröhrenkrebses 715

der Spitze Ui mm im Durchmesser und läuft hier in einen Faden aus, an dem das Durchziehen erfolgt.“ Die Vorzüge dieser Sonde bestehen in ihrer Glätte und in ihrer allmählichen Dickenzunahme, die ein schonendes ` Bougieren ermöglichen.

Wir haben nur selten Sondierungen beim Ösophaguskarzinom angewandt, und zwar nur Sondierungen ‚ohne Ende‘. Sicherlich läßt sich bei lange Zeit bestrahlten Fällen, bei denen also eine gewisse Bindegewebsvermeh- rung der Wand besteht, die erzielte Schluckfähigkeit durch Sondierungen z. B. mit unserer Perlenkette (Abb. 34) noch steigern, die Kranken setzen aber allzu zahlrei- chen therapeutischen Handlungen häufig Widerstand entgegen, und es muß daran festgehalten werden, daß die in periodischen Zwischenräumen wiederholten Bestrah- lungen wertvoller als Sondierungen sind.

Wird nach dem Verfahren, ‚der Sondierung ohne Ende‘ bestrahlt, wie dieses an der Kirschnerschen Klinik die Regel ist, so ergibt sich die Frage, ob überhaupt und zu welchem Zeitpunkte man berechtigt ist, den Magenschlauch zu entfernen, und die Gastrostomie- stelle heilen zu lassen. Von der großen Mehrzahl unserer Kranken wird dieser Wunsch geäußert, besonders von den- jenigen, die wieder arbeiten wollen und auf den Ertrag ihrer Arbeit angewiesen sind. Einige Kranken entfernten sogar eigenmächtig, gegen unseren Rat den Schlauch, um wieder in vollem Umfange erwerbsfähig zu werden.

Wir stehen auf dem Standpunkte, daß man auch nach der Herstellung völliger Schluckfähigkeit die Ver- antwortung nicht übernehmen kann, die Gastro- stomiestelle sich schließen zu lassen. Verengt a

i er . i latation von Strikturen. (Son- sich die Stenose durch Weiterwachsen des Karzinoms dierun g ohne Ende.) (Aus der wiederum, so hat man sich der Möglichkeit, erneut nach chir. Klinik Königsberg). der Methode der ‚Sondierung ohne Ende‘ zu bestrahlen, begeben; ohnedies ist die volle Erwerbstätigkeit der Kranken nach Schluß ihrer Magenfistel auch im besten Falle leider zeitlich begrenzt. Der Kranke aber, der an seine Wiedergenesung glaubt, hält allerdings häufig die Weigerung, ihn von seinem störenden Magenschlauch zu befreien, für eine ihm unverständliche Härte.

Abb. 34. Perlenkette zur Di-

3. Kombination der lokalen Radiumwirkung mit anders- artiger Anwendung radioaktiver Substanzen oder mit Röntgenstrahlen.

Neben der lokalen Anwendung hat man durch Darreichung radioaktiver Substanzen per os, durch Einspritzungen in die Umgebung des Tumors und schließlich durch intravenöse Injektion eine Radiumwirkung zu erzielen ver- sucht.

Nahmmacher ließ seine Kranken mit Ösophaguskrebsen bereits 1903 radivaktives Wismut schlucken, allerdings diente ihm diese Behandlungsweise nur als Unterstützung der Radiumsonden bestrahlung.

16 H. Kurtzahn

Er war der Meinung, daß dieses Präparat auf der Oberfläche des Tumors haften bliebe, und „all- mählich seine Wirkung entfalte, so daß ein Zerfall der Neubildung eintritt“. Zunächst wurde 3 mal mit 10 mg Radiumbromid vermittels Magenschlauches bestrahlt, dazu bekamen die Kranken mehrere Wochen lang 3 mal täglich %, Kaffeelöffel radioaktives Wismut. 3 Fülle wurden „mit gutem Erfolg“ in dieser Weise behandelt. Nach etwa 14 Tagen bis 3 Wochen wurde eine Abnahme der unerträg- lichen Schmerzen und eine ganz wesentlich bessere Aufnahmefähigkeit von Speisen konstatiert. Ein Patient konnte sogar nach 4 Monaten wieder Brot essen.

Denselben Weg beschritt Werner, der seinen Kranken Pillen aus Kieselsäure, die mit Thor-X-Lösung getränkt waren, verabfolgte. Auch im Ausland sind vereinzelte derartige Versuche gemacht worden.

Lokale Strahlenwirkung können diese schwach radioaktiven Substanzen, schon aus dem Grunde nicht entfalten, weil nur ein Bruchteil des verschluckten Mittels in der Karzinomenge, auf der Oberfläche des Tumors hängen bleibt. Ob durch Re- sorption im Magendarmkanal eine Wirkung auf den Tumor eintritt, ist zum min- desten nicht erwiesen. Der Wert dieser Behandlungsweise scheint illusorisch. Das- selbe gilt von den Trinkkuren mit radioaktiven Wässern; Czerny und Caan haben recht, wenn sie meinen, daß mit diesen schwach radioaktiven Wässern eine Be- einflussung von Tumoren nicht erwartet werden kann.

Eine lokale Injektionsbehandlung kommt bei dem Ösophaguskarzinom aus ana- tomischen Gründen nicht in Frage, möglich bleibt nur die intravenöse Injektion. Bei Anwendung dieser Methode, die als eine ‚„Allgemeinbehandlung‘‘ mit Radium be- zeichnet werden kann, hoffte man, daß es zu einer Speicherung der radioaktiven Sub- stanz in den Krebszellen und auf diese Weise auch zu einer lokalen Heilwirkung kom- men könnte. Werner (1914) z. B. war der Meinung, daß sich die radioaktiven Substanzen nach der intravenösen Injektion in der Geschwulst mehr aufstapeln als in den meisten Körperorganen, und daher eine Heilwirkung möglich sei. Loeper hat die Injektions- behandlung mit radioaktivem Mesothorium und Thorium-X ebenfalls versucht. Er hat intravenös jusqu’à quatre et cinq microgrammes‘' Thorium-X bei 2 Fällen injiziert, und zwar 2mal wöchentlich. Die Behandlung war ‚nicht ohne Erfolg“. Loeper meint aber selbst, daß es größerer Versuchsreihen bedürfe, um sich eine feste Ansicht über den Nutzen dieser Behandlungsweise zu bilden. Vor schwachen Dosen sei zu war- nen, „il est certain, ou une dose faible est capable de l’exciter, j'en ai eu la preuve souvent“. . e Ea `

Mehr und mehr hat man indessen eingesehen, daß die Erwartungen, die man an die Injektionstherapie geknüpft hatte, nicht erfüllt wurden. Die vorsichtige Beurteilung, die diese Therapie auf dem 10. Röntgenkongreß fand, hat sich als richtig herausgestellt. Auf diesem Kongreß nämlich ging die Meinung der Mehrzahl dahin, daß die Ergebnisse der intravenösen Injektion von Radium- oder Thorium-X-Lösungen schlecht seien. Falta warnte vor diesen Injektionen, da ‚kleine Dosen unwirksam sind, große die Kachexie beschleunigen“. Er war auch der Ansicht, daß im Karzinom ein elektives Speicherungsvermögen für radioaktive Substanzen nicht zukommt. Auch Werner kam 1923 zu einem ziemlich ablehnenden Urteil: ‚Die intravenöse Einspritzung (lös- liche Radium-, Mesothoriumverbindungen) hat den Fehler zu starker Allgemeinwirkung.' Am meisten Aussicht auf Erfolg böte die intraarterielle Einspritzung, die aber ‚in den meisten Fällen undurehführbar ist, wegen der Unmöglichkeit, alle zuführenden Gefäße des Tumors freizulegen“. Für das Ösophaguskarzinom kommen derartige Injektionen natürlich nicht in Frage.

Übersehen wir die Ergebnisse dieser Versuche, so müssen wir gestehen, daß greif- bare Resultate nicht vorliegen. Man wird gut tun, dieser Art der Radiumtherapie beim Ösophaguskrebs mit Kritik und Skepsis gegenüberzutreten.

Kombination der Radiumbestrahlungen OK

Zum Schluß müssen Werners Versuche mit Cholin erwähnt werden, weil es sich hierbei um eine den Strahlen ähnliche Wirkung handeln soll. Bei Zersetzung des Ge- webes durch Röntgenstrahlen oder radioaktive Substanzen ‚‚werden teils direkt, teils indirekt durch fermentative Einflüsse die Lipoide zerstört, wobei bekanntlich ein ba- sischer Körper, das Cholin, frei wird“.

Werner konnte 1904 zeigen, „daß durch die Einspritzung dieser Substanz in den menschlichen und tierischen Körper so ziemlich an allen Organen, an denen die Strahlen charakteristische, sozusagen spezifische, Veränderungen hervorrufen, genau dieselben Effekte erzielt werden können, wie durch die Röntgenbestrahlung‘‘. Wenn man geeignete Cholinverbindungen intramuskulär oder intravenös ein- spritzt, so erhält man nach Werners Untersuchungen im Prinzip dieselba Wirkung, wie mit Hilfe der direkten Bestrahlung. Werner zieht die Cholintherapie der Behandlung durch Injektionen radioaktiver Lösungen vor. „Diese Unterstützung durch eine chemische Substanz wäre nicht so wertvoll, wenn nicht die radioaktiven Lösungen, die wir in den Körper einspritzen, starke Neben- wirkungen hätten, welche die Dosierung beträchtlich einschränken.‘

Unbestreitbare Erfolge beim Ösophaguskarzinom sind bisher nur durch lokale Ein- wirkung der Radiumstrahblen erzielt worden, diese Ergebnisse sind unvergleichlich besser alsdiejenigen der Röntgenbestrahlung. Die Frage, ob durch die Röntgen- strahlen eine Verbesserung der Erfolge der Radiumwirkung erzielt werden kann, ist noch offen. Viele Autoren sprechen sich für eine solche Kombination aus.

Wetterer empfahl 1919 die Radiumwirkung (Sondenbehandlung) durch hoch- gefilterte Röntgenstrahlen zu verstärken. Auch Perthes sprach sich für diese Kom- binationsbehandlung aus: ‚Der Speiseröhrenkrebs wird am besten kombiniert mit Röntgen und Radium angegriffen.‘

An der Tübinger Klinik wurden mit dieser Methode wiederholt weitgehende und langanhaltende Besserungen erzielt. Schluckbeschwerden schwanden und in einem Fall konnte ösophagoskopisch ein halbes Jahr nach der Röntgen-Radiumbestrahlung nichts mehr von der Karzinomwucherung gefunden werden.

Im Heidelberger Samariterhause (Werner 1914) wurden 67 Ösophaguskarzinome teils nur mit konzentrischer Röntgenbehandlung von vorne und hinten, teils unter Kombination mit innerlicher Darreichung radioaktiver Substanzen (Radiumsalze, resp. von Kieselsäure adsorbierte Thorium-X-Lösung) behandelt und dabei ebenfalls bei der Mehrzahl der Fälle vorübergehende Erleichterungen der Beschwerden, insbesondere des Schluckens beobachtet.

Von 19 Ösophaguskarzinomen, die außer mit Röntgenstrahlen auch noch mit Enzytolininjek- tionen behandelt wurden, beobachtete Werner 10 mal eine monatelang anhaltende, sehr erheb- liche Besserung und 1 mal einen seit Jahresfrist scheinbar vollkommenen Erfolg.

1923 sprach sich Werner ebenfalls für eine Kombination von Radium und Röntgen- behandlung des Speiseröhrenkrebses aus, besonders im Hinblick auf die Schädigungen, die bei intensiver Radiumbestrahlung auftreten können.

Bei der Dosierung des Radiums beim Ösophaguskarzinom sei zu beachten, „das nur eine geringe Distanzierung möglich ist und größere Dosen daher zu lästigen, nicht ungefährlichen Verbrennungen führen können“, Infolgedessen ist man dazu übergegangen, die reine Radiumbestrahlung von innen, durch Röntgenbestrahlung von außen, d. h. vom Thorax und vom Rücken her zu ergänzen, um eine etwas günstigere Strahlenverteilung zu erzielen.

Auch Hotz kombinierte die Radiumwirkung mit Röntgenbestrahlung. 20 x 20 cm großes Einfallsfeld von der linken Rückenseite her, entsprechend der Höhe des Tumors gegen die rechte Mamillarlinie gerichtet, Coolidge- bzw. S.H.S.-Röhre, 1 mm Zinkfilter, Distanz 25 cm, 2 Sabouraud.

Wittmaack hielt ebenfalls die Kombination Radium-Röntgen für zweckmäßig: „in Zukunft dürfte es sich vielleicht empfehlen, gleichzeitig Röntgenbestrahlungen vor-

VIS H. Kurtzahn

zunehmen. Die größeren Fortschritte der Tiefenröntgenbestrahlungstechnik berech- tigen zu der Hoffnung, daß selbst das versteckte Karzinom der Speiseröhre den Strahlen zugänglich gemacht werden kann.“

Ob diese Hoffnung sich erfüllen wird, steht dahin; heute ist es noch fraglich, ob durch die Röntgenstrahlen, deren Nutzen, wie wir gesehen haben, beim Speiseröhren- krebs problematisch ist, deren Schädigungen aber bei intensiven Bestrahlungen nicht zu leugnen sind, eine Verbesserung der Radiumwirkung erzielt wird. Immerhin ist in dieser Frage dan letzte Wort noch nicht gesprochen.

Zieht man das Fazit aus den Ergebnissen der Strahlentherapie des Ösophagus- karzinoms, so muß festgestellt werden, daß die Röntgentherapie versagt hat, und die schmerzlindernde Wirkung der Bestrahlungen als einziger, einigermaßen sicherer Nutzen übriggeblieben ist. Hingegen hat die Radiumtherapie symptomatische Erfolge in großer Zahl aufzuweisen, an ihrem Nutzen kann nicht mehr gezweifelt werden. Der Besserung sind aber zeitliche Grenzen gezogen, und bleibt das Ösophagus- karzinom, trotz der Entwicklung der Bestrahlungstechnik, ein unheilbares Leiden.

Als Fortschritt darf gebucht werden, daß durch die moderne Radiumbestrahlung der traurige Nihilismus früherer Zeiten seine Berechtigung verloren hat. Wir sollten die Ergebnisse nicht unterschätzen. Lewin schrieb 1914: ‚Wer lange Zeit den Jammer der gänzlich erfolglosen Therapie durchgemacht hat, wird über jeden einzelnen Erfolg, selbst wenn es sich nur um vorübergehende Wochen oder Monate andauernde Besserung handelt, doch außerordentlich befriedigt sein.“ In den letzten Jahren haben sich die Erfolge, dank der Entwicklung der Technik, derart verbessert und vermehrt, daß sie Zeit und Geduld. die der Arzt an die häufig mühevolle Technik wenden muß, durchaus belohnen.

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Abbe 87.

Abbé 545, 550, 683.

Abderhalden 532, 660.

Ach 670.

Achelis 134, 138, 144.

Adler 534, 543, 544, 556, 557, 567, 571, 579, 580, 582, 588, 643, 646, 656, 659, 660.

Albers 87, 375, 382, 390, 439, 445, 521, 595, 629,

Albert 671.

Alberti 509, 509, 529.

Albrecht 87.

Allen 399, 403, 404, 414, 421, 439.

Allison 113, 128.

Altmann 139.

Altschul 58, 59, 87.

Amelung 77.

Amreich 562, 572, 580, 584, 587, 588, 660.

Ancel 497, 521, 522.

da Andrade 155, 156.

Angerer 259, 285, 359.

Anschütz 21, 35, 87, 113, 128, 645, 646.

Anten 439.

Arendt 547, 660.

Arndt 469, 549.

Amin 521.

Arnold 445, 509.

Arnsperger 87.

Arrhenius 363.

Arzt 708, 713.

Aschoff 596, 652, 653, 660, 668.

ABmann 52, 70, 87, 134, 136, 138, 140, 141, 144.

Aubourg 92.

Aulhorn 664.

Avogadro 199.

Axhausen 103, 110, 111, 128.

392, 660.

Baastrup 112, 128.

Bachem 603, 615, 660, 673, 718. Bacher 87.

Bachlechner 87.

Bachmann 87.

Back 304, 305.

Backer 363.

Namenverzeichnis.

Baer 87.

Baensch 382.

Baetjer 87.

Bagg 593, 660.

Bagger 87.

Baisch 539, 540, 541, 544, 587, 655, 660.

Baldwin 389, 439.

Barcat 669, 679, 684, 718.

Barkla 163, 165, 168, 189, 193, 194, 197, 198, 199, 327, 359, 360, 363, 389, 404, 406, 409, 410, 421, 437, 439.

Barrat 445, 509, 521.

Baumman 617.

Bayet 707, 718.

Beatty 190, 360.

Beck 391, 439, 706, 718.

Becker 231, 232, 233, 236, 244, 256, 267, 360, 362, 660.

Beclere 521.

Behnken 238, 241, 242, 244, 248, 249, 250, 251, 259, 267, 275, 280, 281, 285, 304, 320, 333, 357, 358, 360, 613, 660,

Behring 660.

Belot 521.

Bellot 549, 664.

Beltz 144.

Belugin 543, 551, 590.

Bender 395, 425, 439.

Benoist 195, 196, 360.

Benoit 496, 521.

Bensaude 87.

Benthin 643, 646, 647, 659, 660.

Berblinger 507, 522.

Berg 40, 61, 187, 231, 238, 239, 240, 241, 242, 244, 246, 247, 248, 249, 250, 262, 267, 360, 363, 364, 419, 427, 433, 437, 439.

Berger 87, 539, 660.

v. Bergmann 87.

Bergonie 448, 481, 482, 486, 487, 494, 495, 511, 522, 549.

Bering 611.

190, 211, 390, 435,

237, 592,

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd.I

Bernabeo 387, 388.

Berthold 261, 356, 360, 368, 369, 371, 372, 373, 382.

Bertram 623, 660.

Bessunger 394, 439.

Betz 9.

Biedl 522.

Bier 107, 115, 128, 506, 522, 551, 660.

Billroth 100, 101, 107, 110, 128.

Bird 26.

Birt 87.

Bottorf 139, 144.

Blake 215.

Blanc 446, 481, 507, 511, 522.

Blum 139, 144.

Blumenthal 645.

Bock 87, 617, 660.

Boese 87.

Bohr 164, 199, 200, 212, 214, 219, 220, 360, 407.

Bonet 113, 128.

Borcel 638.

Boos 259, 260, 261, 360.

Borchard 26, 87.

Borchers 717. 718.

Borelius 87.

Bornait 596, 653, 660.

Bornhauser 290, 332, 333, 335, 342, 343, 345, 346, 347, 348, 360, 362, 364.

Boruttau 622.

Bothe 201, 206, 207, 360, 408, 439.

Bouin 449, 481, 487, 512, 514, 522.

Bouwers 261, 277, 354, 355, 360.

Boyle 185.

Bracht 712.

Bragg, W. H., 151, 152, 154, 172.

Bragg, W. L., 151, 152, 154, 172.

Bragg, 404, 405, 411, 412, 423, 439.

Brandes 104, 112, 113, 128.

Brasche 139, 144.

Braun 67, 71, 87.

Braun, H. 27, 87.

46

213,

219, 245,

497, 511,

122

Brenzinger 299, 304, 360.

van den Broek 211.

de Broglie 154, 172, 216, 217, 360, 407, 439.

Brooker 113.

Brown 522.

Brünings 690, 692.

Brugsch 92.

Brunet 535, 660.

Brunner 25, 26, 87.

Bucky 88.

Burkhardt 9, 88.

Büttner 595, 660.

Bumm 539, 540, 542, 544, 548, 564, 567, 568, 570, 573, 574, 577, 579, 580, 582, 585, 588, 597, 658, 660.

Busch 116, 128.

Buschke 522.

Busé 355.

Busi 88.

Busse 539.

Caan 674, 682, 683, 686, 688, 695, 700, 716, 718.

Cabrera 215.

Caesar 620, 660.

Cahen 577.

Cahn 673.

Caldwell 395, 441.

Cannon 4.

Carman 71, 72, 84, 85, 88.

Carr 111.

Carnoy 483, 495.

Carter 277. 360.

Case 38, 88.

Caspari 395, 441, 642, 660.

Cassirer 103, 106, 128.

Cersole 439.

Cermak 173, 393, 394, 423, 424, 439, 442.

Chacquot 693.

Chaoul 623, 624, 625, 660.

Chéron 546, 547, 550, 573, 590. 660.

Chilaiditis 88.

Christen 266, 267, 268, 331, 353, 391, 439, 597.

Clairmont 88, 449.

Clark 225, 274, 282, 360, 364, 593, 594, 660.

Clarke 360.

Cloves 596, 597, 661.

Clunet 653, 660.

Clung 185, 245, 251, 260.

Cluzet 431, 439.

Cohn 88, 392.

Colin, AL 142, 144.

Cole 8, 9, 88.

ege

Namenverzeichnis

Compton 201, 202, 203, 204, 207, | Duncan 538, 593, 594, 661.

260, 360, 404, 409, 439.

Coolidge 341.

Cornet 144.

Corning 60, 69.

Coster 166, 216.

Crowther 186, 199, 360.

Curie 592.

Curschmann 88.

Czepa 58, 59, 88.

Czerny 25, 547, 660, 671, 682, 683, 686, 688, 695, 700, 716, 718.

Czyhlarz, v. 88.

Daels 597, 660.

Dallas 406.

Dalton 208.

Danlos 545.

Dann 88.

Dauvillier 263, 278, 279, 360.

Debye 199, 200, 201, 202, 203, 206, 207, 360, 439.

Dechend, v. 382.

Degrais 546, 664, 681, 683, 708, 709.

Dehn, v. 137, 144.

Delbet 718.

Delporte 577.

Demokrit 208.

Dessauer 204, 205, 231, 334, 342, 343, 361, 382, 423, 424, 439, 596, 597, 602, 611, 617, 619, 620, 624, 626, 627, 628, 636, 637, 638, 639, 644, 660, 673. 712.

Deutsch 59.

Deyke-Pascha 102, 128.

Durous 673. Duval 516, 547, 550, 590.

Eder 386, 428, 439.

Edgar 25.

Ehrhardt 674.

Ehringhaus 107, 128.

Ehrmann 522.

Einhorn 8, 9, 88, 673, 678, 679, 680, 686, 693, 718.

Einstein 159, 166, 168, 210, 214, 275.

Eiselsberg, v. 25.

Eisenberg 30, 88.

Eisenstein 719.

Ellinger 187, 232, 242, 360, 361. 395, 396, 419, 427, 432, 433, 437, 439, 621, 661.

Eltze 595, 597, 661.

Enfield 84, 88.

Engelhorn 548, 661.

Esmarch 25.

Eutin 144.

Ewald 361.

Exner 100, 102, 103, 106, 107, 108, 110, 124, 128, 546, 549, 550, 654, 661, 677, 678, 708, 711, 719.

Eykmann 673.

Eymer 550, 573, 574, 578, 584, 585, 661, 712.

Faber 445, 522. Failla 593, 661.

Falta 716, 719. Farady 209, 295, 296. Faulhaber 33, 88.

Dietlen 38, 88, 134, 144, 263, 264, | Felix 449.

361.

Dietrich 532, 540, 656, 660.

Doberauer 88.

Dodwell 25.

Döderlein 532, 536, 539, 540, 541, 550, 554, 575, 582, 587, 621, 643, 652, 653, 656, 658, 660.

Döderlein Gust. 549, 660.

Dolejsek 165.

Dominici 546, 550, 573, 660.

Donati 431, 432, 441.

Doppler 88.

Dorn 91, 187, 361, 406, 439.

Drueck 88.

Duane 159, 194, 215, 216, 263. 275, 276, 281, 282, 354, 361. 399, 439.

Dubrenil 486.

Dubs 103, 128.

Dumas 92.

Fenwick 25.

Fernau 571, 661, 713.

Finkelnburg 105, 128.

Finkenrath 262, 361.

Finzi 691, 719.

Fischer 1—93, 9, 14, 17, 26, 36, 37, 50, 52, 76, 87, 88, 601, 661.

Fittig 673.

Flateau 538, 578, 661.

Fleischhauer 103, 128.

Flemming 33, 88.

Fletscher, 544, 661.

Forestier 507, 523.

Forssell 88.

| Forster 88.

Foveau de Courvelles 545, 595, 661.

`raenkel, M. 439, 522, 554.

Fraenkel 387, 393.

| Franck 388, 440.

Franke 30, 88, 89, 371, 382, 534.

Frankel 661.

Frankl 661.

Franque, v. 89, 540, 568, 601, 652, 659, 661.

Franz 539, 544, 661.

Freer 593, 594, 661.

Freund-Kamminer 532, 600, 661.

Freund-Werthein 538, 647.

Fricke 207, 215, 243, 261, 316, 354, 361, 408, 437.

Frieben 522.

Friedenwald 87.

Friedl 97—130.

Friedrich 149, 151, 162, 231, 232, 252, 262, 263, 265, 266, 267, 284, 288, 291, 292, 293, 294, 301, 303, 304, 324, 333, 335, 337, 338, 341, 342, 343, 345, 349, 353, 354, 357, 361, 395, 425, 439, 442, 550, 553, 555, 559, 562, 564, 565, 566, 568, 572, 598, 603, 604, 612, 613, 617, 626, 627, 629, 635, 647, 649, 661, 681, 707.

Fritz 155, 156, 157, 361.

Fritzsche 89.

Fromme 68.

Fürst 625.

Fürstenau 262, 353, 354, 612.

Füth 89, 552, 585, 661.

Fuld 88.

162, 279,

Gall 657, 661.

Gangitano 89.

Gans 395, 432, 439.

Garré 90.

Gauß 391, 429, 440, 537, 548, 595, 597, 645, 646, 652, 653, 660, 661, 707.

Gauthier 387, 388, 440.

Gavanazzi 522.

Gayet 113, 128.

Gay-Lussac 185.

Gaylord 596, 597, 661.

Geinitz 105, 128.

Geipel 652, 661.

Geller 531, 661.

George 89.

Gerhartz 522.

Gerber 89.

Gerlach 361.

Ghilarducci 396, 397, 398, 431, 437, 440.

Giesecke 539, 645, 657, 661.

Giffin 89, 91.

Gilbert 525.

Namenverzeichnis

Glaser 559, 562, 563.

Glasser 207, 232, 243, 252, 261, 262, 316, 324, 354, 358, 361, 408, 437, 439, 661.

Gleichmann 623.

Glocker 168, 193, 194, 195, 200, 241, 261, 278, 279, 292, 329, 330, 342, 349, 354, 355, 356, 361, 365—382, 380, 404, 406, 411, 412, 413, 415, 629, 661.

Gocht 89.

Goette 469, 522.

Goetze 11, 55, 89.

Götzl 522.

Goldammer 56, 72, 73, 89.

Goldberg 677.

Goldscheider 113, 128.

Goldschmidt 27, 89.

Goldstücker 430, 440.

Goto 27, 89.

Gottlieb 335, 347, 348, 361.

Goubbe 673.

Graefe 439.

Graeff 133, 134, 144.

Graham 89.

Grant 399.

Graser 28, 89.

Grashey 91, 623, 661.

Grath 89.

Grebe 147—173, 231, 259, 260, 261, 262, 292, 300, 301, 361, 565, 612, 661.

Grey 113, 128.

Griffith 89.

Groedel 11, 37, 38, 58, 59, 89, 624, 661.

Groß 26, 497.

Großmann 336, 337, 338, 339, 340, 342, 344, 361, 411, 412, 413, 414, 415, 416, 421, 440.

Grünfeld 382.

Gudzent 395, 430, 436, 440.

Guiset 679, 680, 681, 683, 684, 686, 707.

Guthmann 625.

196, 290, 344, 359, 405, 440,

Habeknecht 89.

Haberer, v. 89.

Habs 690, 712, 719.

Hada 522.

Haendly 607, 652, 654, 661. Haenisch 4, 5, 7, 80.

Haga 149.

Hagemann 107, 128. Haffner 385, 389, 438, 441. Hagenbach 89.

Hagler 89.

nn mem

7123

Hahn 102, 129, 387, 440, 672, 673, 677, 719.

Hain 89.

Halban 647, 661.

Halberstaedter 243, 244, 262, 324, 325, 343, 344, 362, 382, 385, 389, 430, 431, 432, 435, 440, 442, 610, 655, 661.

Hallwachs 210.

Hammer 308, 361.

Hanhart 126, 129.

Hansemann 511.

Harmer 684, 729.

Harms 507, 522.

Harris 391, 440.

Haßlin, v. 89.

Hatten 642.

Haudeck 89, 90, 134, 136, 144.

Hauenstein 601, 661.

Hauschting 559, 561, 570, 574, 638, 661.

Haußmann 90.

Hausser 262, 361, 363, 364, 615, 661.

Hedinger 114, 129.

Hegler 144.

Heidenhain 547.

Heile 392.

Heiner 592, 593, 594.

Heimann 712.

Heinecke 142, 445, 492, 493, 522.

Heinicke 549, 661.

Heinrichs 595, 661.

Hellmann 646, 660.

Helmholtz 209.

Henczelmann 9.

Henius 87.

Henkel 535, 544, 661.

Herfarth 102, 103, 104, 105, 110, 112, 113, 129.

Hermann 495, 522.

Hernaman-Johnson 440.

Herrenschmidt 693, 718.

Hertwig 626.

Hertz 90.

Hertz, H. 209, 216.

Herxheimer 445, 466, 482, 522, 652, 662.

Hertz 204, 205, 361.

Heß 506, 522.

Hesse 90.

Hevesy 166.

Hewlett 194, 196, 203, 260, 363, 399, 440.

Heymann 542, 656, 661.

Hida 523.

Hildebrand 5, 90.

Hilgenreiner 103, 105, 113, 129.

Hinglais 90.

Hipp 315.

46*

124

Hirsch-Hamburg 624.

Hirsch 605.

Hirschsprung 73.

Hitschmann 102, 105, 129.

Hock 523.

Hönlinger 137, 144.

Hofbauer 549, 554, 600, 661.

Hoffmann 90, 103, 129, 389, 438, 440, 445, 466, 482, 486, 522, 523.

Hofmeister 26, 90.

Holfelder 200, 290, 332, 333, 335, 342, 343, 345, 346, 347, 348,

350, 360, 362, 591, 617, 618, 620, 621, 626, 661, 675. 676, 719.

Holland 25, 90.

Holthusen 144, 231, 232, 233, 235, 236, 237, 244, 256, 257, 259, 260, 261, 262, 266, 267, 277, 324, 327, 354, 356, 360, 362, 383—442, 406, 419, 426, 432, 433, 435, 437, 440, 605. 609, 610, 612, 613, 653, 661.

Holzbach 392, 394, 440, 536, 661.

Holzknecht 90, 359, 382, 440, 549, 555, 602, 604, 605, 606, 607, 609, 610, 617, 626, 627, 629, 642, 661, 677, 678.

Hotz 672, 692, 693, 694, 707,

711, 712, 713, 714, 717, 719. | Kitahara 507, 523.

Hu 215.

Hugel 25.

Hull 201, 263.

Hunt 159, 275, 276, 281, 282. Hüssy 658, 661.

Hüttner 661.

Immelmann 59. Innes 419, 426, 440.

Jäckel 642, 646, 663.

Jüger 243, 244, 262, 309, 324, | König, F. 719. 325, 339, 340, 342, 343, 344, | Königsberger 558, 559.

349, 361, 364, 630, 661. Jaffe 90. Jakobi 394. Janeway 592, 593, 683, 719. Janisch 137, 144. Janus 304, 305, 362.

Jaschke, v. 627, 638, 644, 661. Kok 549, 599, 662.

dell 440.

Jodlbauer 385, 387, 388, 389, | Kossel 193, 194, 255, 256,

438, 440, 441. Johan 143, 144.

Johnson 390, 423, 424, 427, 425, | Kottmann 532, 662.

429, 435. Jolasse 90. Jores 107. Jorres 129.

i

Namenverzeichnis

Jüngling 349, 473, 606, 607, 609, | Krause, P. 523. 613, 625, 661, 675, 709, 718. | Kremer 50, 51. Kreuter 90. Kriegesmann 259, 260, 261, 361. Krömer 535, 662.

Kaestle 5, 90, 597, 662. Kästner 611.

Kahn-Potthoff 532, 662. Krönig 263, 265, 266, 267, 291, Kaisser 606, 607, 662. 292, 293, 294, 301, 333, 345, Kamminer 661. 353, 354, 357, 358, 362, 441, Kaplan 90. 532, 536, 537, 538, 539, 541, Kapsammer 111, 129. 542, 549, 555, 558, 559, 566, Karewski 58, 59, 74, 90. 575, 582, 583, 597, 596, 600, Karolus 281, 362. 603, 612, 614, 635, 652, 653, Katsch 87. 658, 662, 681, 707.

Kaupp 329, 330, 362, 380, 382. | Kroetz 389, 438.

Kausch 21, 90, 719. Kronberg 90.

Kaye 163, 190, 362. Krüger, R. 523.

Kayser 547, 549, 555.

Keetmann 550, 662, 707, 712.

Kehrer 539, 540, 541, 548, 549, 550, 551, 555, 556, 559, 561, 567, 568, 573, 575, 582, 583, 588, 590, 605, 642, 655, 660, 662.

Kermauner 532, 534,

Kern, v. 143, 144.

Kettmann 273, 362.

Kienböck 16, 50, 90, 97, 99, 100, 113, 118, 120, 122, 124, 129, 263, 357, 719.

Kirschner 671, 695, 715.

Krüger 615, 663.

Krukenberg 597, 662.

Kümmell 26, 90.

Küpferle 133, 134, 144.

Küstner 160, 162, 173, 175—364, 197, 262, 270, 281, 321, 329, 330, 362, 363, 611, 612, 613, 642.

Küttner 25, 90, 102, 671.

Kuga 523.

Kulenkampff 159, 274, 277, 250, 362, 364.

Kupferberg 657, 659, 662.

Kurnitzki 139, 144.

Kurtzahn 571, 662, 665—720, 694, 695, 719.

535, 663.

Klein 441, 532, 559, 595, 662.

Klieneberger 134, 136, 144. Kyrle 445, 446, 449, 480, 481, Kloiber 18, 19, 58, 59, 90. 506, 511. 516, 523

Klotz 392, 441. i g S `

Knipping 149, 151.

Knox 685, 712, 719. Labouré 681, 683.

Koch 302. Lacassague 468, 473, 474, 488,

523. Laewen 27, 28, 90. Lahm 527—664, 548, 551, 552, 556, 559, 583, 587, 600, 604,

Köhler 90, 652, 662. Köhler, A. 15, 122, 129. Kölliker 105, 129. König 25, 26, 90, 107.

549, 550, 572, 575, 653, 662,

713. Körner 284, 288, 335, 336, 337, | Lang 90. 338, 341, 342, 343, 344, 349, | Lange 90. 302. Langer 106, 114, 117, 127, 129, Körte 21, 27, 90. 623, 662. Kofmann 431, 439. Lapinsky 111, 120, 129. Kohlrausch 195, 267. Laquariere 523. Latarjet 113, 129. Kalischer 535, 662. Latzko 708, 719. 258, | Laue, v. 149, 150, 151, 152, 193, 362, 405, 406, 412, 417, 441. 199, 209.

Laurell 9, 17, 90. Lazarus 538, 547, 662. Leaming 91.

Lebram 139, 144. Ledoux 669, 719. Legueule 596, 653, 660.

Kothe 356, 441.

Kraul 539, 542, 662. Krauß 8, 9.

Krauß 92.

Krause 17, 90, 98, 382.

Lehmann 58, 59, 91, 103, 105, 112, 113, 129.

Lejars 91.

Lemcke 391, 429, 440.

Namenverzeichnis

Martenstein 387, 441. Martin 395, 441. Martini 662.

Martiny 653,

Lenard 164, 183, 210, 211, 224, | Martius 231, 262, 300, 301, 342,

227, 228, 229, 230, 234, 246, 247, 249, 256, 257, 258, 363, 406, 409, 419.

Lenk 84, 103, 105, 113, 129, 394, 395, 441.

Lenz 87, 611, 663.

Leukippos 208.

Levy 91.

Levy, E. 523.

Levy, F. 496.

Lewaschew 111, 120, 129.

Lewin 672, 684, 707, 711, 713, 718, 719.

Lewy 719.

Leyden 595, 597, 662, 671, 674.

Lexer 90.

Liechti 427, 432, 433, 441.

Liek 91.

Lilienfeld 280, 281, 363.

Lindemann 441.

Lindsay 216.

Linthicum 90.

Lipschütz 494, 496, 497, 523.

Littauer 548, 562.

Lockhart-Mummery 84, 91.

Loeb, O. 393.

Loehe 395.

Loke 461.

Loeper 91, 672, 685, 686, 716, 719.

Löhfeldt 91.

Loewenthal 392, 428, 436, 719.

London 677, 719.

Looser 107, 108, 110, 118, 129.

Lorenz 91.

Lorey 130—144, 131, 134, 144, 382.

Lossen 91.

Lourier 547, 555, 662.

Luedwall 644, 664.

Luger 91.

Lutz 271, 300, 363.

708,

441,

142,

Madelung 91.

Mader 673.

Mahnert 532, 662.

Majerus 91.

Maliva 105, 107, 129.

Mandel 27, 91.

March 155, 156, 157, 162, 163, 173.

Markiewitz 91.

Markovits 473, 474, 491, 523.

Marschik 711.

361, 363, 559, 565, 566, 569, 602, 603, 608, 612, 623, 626, 627, 629, 638, 645, 649, 650, 662, 713.

Marx 320, 363.

Mathes 91, 140, 144.

Matzdorf 440, 548, 559, 572, 662.

Maxwell 198, 201, 209.

Mayer, A. 599, 662.

Mayer, R. 210.

Mayo 91.

Mazumder 194, 354, 363, 439.

Meidner 547, 597, 662.

Meinertz 90.

Meitner 207, 363.

Mendelejeff 208, 209, 211.

Menge 541, 548, 550, 573, 582, 587, 662.

Mentzel 581, 662.

Merdler 601, 662.

Meyer 9, 111, 129, 211, 431, 432, 435, 544.

Meyer, H. 594, 611, 643, 644, 645, 646, 660, 662.

Meyer, L. 208.

Meyer, R. 596, 652, 653, 662.

Meyer, St. 209.

Michaud 393.

Mickulicz 532, 663, 670.

Miescher 614, 615, 616, 663.

Milani 431, 432, 441.

Miller 71, 72, 84, 88.

Millicurie 592,

Mills 91, 719.

Minot 491, 523.

Mock 693, 718.

Mockowski 30.

Mocquot 718.

Möller 33, 81.

Mohr 445, 448, 487, 508, 523.

Mohr-Staehelin 93.

Mokrowski 91.

Monakow, v. 507, 523.

Moose 426, 441.

Morgenstern 600, 663.

Morton 441, 595.

Moseley 163, 211, 222, 223, 272, 363.

Mühlmann 634, 658, 663.

Müller 91.

Müller 103, 111, 113, 341, 391. 445, 542, 595, 596, 600, 611.

Müller 430, 441.

Müller, C. H. F. 300, 301.

568, 617, 644,

399,

574

725

Müller, E. 129.

Müller, L. R. 129.

Müller, M. 601, 663.

Müller, W. 91, 129, 441, 523. Muff 58, 59, 91. Mummery-Lockhart 84, 91. Mutscheller 367, 381, 382.

Nabias, de 506, 523. Nahmacher 547, 663, 715, 719. Nasse 112, 129.

Natter 663.

Neisser 385, 388.

Netousek 144.

Neuberg 392, 394, 395, 429, 441. Neukirchen 197, 363.

Neumann 144.

Neusser 441.

Newcomet 707, 719.

Nichols 201, 362, 363. Nickham 719.

Nicolescu 392.

Nogier 448, 494, 523.

Nonne 103, 106, 129.

Noorden, v. 92.

Norascinsky 92.

Nothnagel 18, 19, 91. Nürnberger 601, 663.

Odescalchi 91.

Ohlmann, Loo 103, 105, 106, 110, 113, 129.

Opitz 539, 540, 547, 549, 550, 555, 582, 588, 598, 599, 600, 604, 608, 613, 615, 626, 627, 629, 635, 636, 642, 647, 648, 649, 654, 659, 663.

Otten 134, 144.

Owen 190.

Päßler 140.

Pagenstecher 391, 392, 441.

Paget 113.

Paluguay 394, 441, 669.

Pankow 638.

Pape 382.

Patterson 216.

Payr 3, 69, 70, 91.

Pers 91.

Perthes 617, 646, 663, 672, 695, 708, 717, 719.

Peters 523.

Petry 429, 441, 478, 523.

Pfahler 673.

Pförringer 91.

Phillip 523.

Philpot 190, 359, 363.

Picard 396, 436, 442.

Piccaluga 397, 441, 606, 663.

726

Pinch 533, 663.

Pinkuß 548, 663.

Pinsch 684, 690, 719.

Pioro 385.

Pivard 611, 663.

Planck 201, 202, 210, 275, 400.

Plesch 389, 441.

Pohl 149, 363.

Politzer 507, 508.

Polland 387, 441.

Pommer 110, 111, 114, 117, 118, 129, 130.

Ponfick 110, 111, 113, 116, 130.

Pordes 549, 663.

Porter 404, 405, 411, 412, 423, 439.

Postemsky 671.

Potthoff 662.

Presuhn 134, 144.

Prime 594, 664.

Prochownik 543, 663.

Prym 652, 653, 654, 655, 663.

Prost 615, 663.

Puga 624, 625, 663.

Quervain, de 30, 52, 84, 91.

Raab 385.

Rabl 130.

Racasens 571.

Radecki 532, 663.

Rahm 624, 625, 643, 663.

Ranzi 708, 719.

Rapp 396, 611, 661.

Recasens 663.

Recazens 541.

Regaud 446, 448, 457, 466, 470, 476, 480, 481, 486, 487, 488, 491, 492, 494, 505, 507, 508, 511, 523, 524.

Regnier 26, 58, 92.

Regoud 602, 605, 609, 663.

Reichl 92.

Reichen 663.

Reicher 611.

Rendich 6.

Revecz 33, 92.

Reznicek 103, 105, 130.

Ribadeau 92.

Ribbert 103, 114, 130, 512, 523, 668, 719.

Richtmyer 194, 196, 260, 354, 363, 399, 441.

Riedl 391.

Rieder 4, 5, 8, 25, 37, 92, 442.

Riese 26.

Ritter 615, 663.

Rochaix 431, 430.

Rockey 693, 720.

Namenverzeichnis

Roentgen 149, 181, 182, 323, 327, 331, 363, 59.

Rohrer 394, 395, 441.

Romeis 449, 507, 512, 513, 516, 523.

Rosenthal 442.

Roß 203, 363.

Rosseland 406.

Rossi 92.

Rostosky 652, 661.

Roth 166.

Rothacker 290, 342, 343, 344, 349, 359, 361, 363, 629.

Rotter 26.

Roulier 523.

Roux 98, 107, 114, 115, 116, 117, 130.

Rubino 601.

Rübsamen 575.

Rump 287, 339, 340, 349, 358, 362, 363,

Rumpel 9.

Runge 545, 663.

Rupp 685, 708, 711,

Rutherford 155, 156, 210, 211, 226, 317, 363.

Ruyter, de 9.

Rydberg 220.

342, 344, 364.

713, 720. 164, 199, 319, 320,

Sabouraud 359.

Sachs 531, 532, 663.

Sadler 189, 190, 193, 198, 360, 363, 404, 419, 423, 426, 441.

Sale 197, 327, 360, 363.

Salzmann 392, 393, 423, 424, 435, 441.

Samssonow 442.

Samuel 594.

Sauerbruch 555, 663.

Saupe 341, 363.

Sauthier 675.

Schaarschmidt 623, 640.

Schäfer 540.

Schäffer 554, 608, 663.

Schaffer 114, 130.

Schall 380.

Schauta 567, 590, 663.

Scheel 166.

Scheele 9, 10, 92.

Schenk 89, 92.

Schieferdekker 76.

Schiemann 663.

Schiff 111, 130.

Schiller 92.

Schilling 90.

Schindler 681, 711, 719.

194, 197, 405, 406,

: Schinz 97—130, 130, 443—526,

446, 447, 445, 449, 450, 454,

EEE nl nn ln aa mm m ee

472, 488, 511, 602,

478, 489, 512, 605,

480, 492, 513, 607, 663.

Schittenhelm 9, 62, 63, 65, 86, 92.

Schlayer 144.

Schlechter 252, 253, 356, 363.

Schlesinger 5, 36, 92, 685, 720.

Schleußner 348, 428, 442.

Schmid 683.

Schmidt 92, 138, 144, 522, 593, 655, 659, 663, 720.

Schmidt, H. E. 382, 525.

Schmidt, I. E. 92.

Schmieden 3, 92, 544, 663.

Schmorl 547.

Schneider-Scheele 19.

Schneider 663.

Schnitzler 27.

Schönberg 87, 375, 382, 390, 392, 439, 445, 521, 595, 629.

Schönleber 290, 342, 343, 344, 319, 359, 361, 363, 629.

Scholtz 445, 525.

Schottländer 532, 533, 534, 535, 663.

Schrader 382.

Schrameck 708, 713.

Schreuß 395.

Schroeder 92.

Schücking 546, 550, 663.

Schüle 5, 6.

Schüller 580, 663, 681, 708, 719.

Schütz 30, 92.

Schule 92.

Schulte 661.

Schultz-Arndt 549.

Schultze 113, 130.

Schut 144.

Schwalbe 91.

Schwarz 5, 6, 7, 9, 17, 31, 37, 62, 63, 64, 65, 85, 86, 89, 92, 428, 429, 442, 509, 525, 534, 611, 663.

Schweizer 663.

Schwertfeger 238, 239, 240, 241, 244, 246, 247, 248, 249, 250, 262, 267, 360, 363, 364.

Seemann 154, 155, 162, 272, 282, 363.

Seitz 219, 262, 332, 349, 363, 364, 397, 543, 555, 559, 564, 567, DDR, 569, 582, 583, 588, 598, 601, 603, 604, 605, 606, 607, 613, 614, 615, 617, 623, 626, 627, 629, 632, 633, 634, 636, 638, 639, 642, 644, 645, 650, 652, 654, 657. 663.

Seldin 445, 525.

Seligmann 547.

Selka 88.

Sellheim 392, 442.

Senat 505, 525.

Seuffert 386, 442, 539, 548, 550, 558, 564, 565, 567, 575, 581, 656, 664.

Shaw 544.

Shimizu 215.

Shiota 92.

Show 661.

Sidamgrotzky 396, 442, 611, 663.

Siegbahn 154, 165, 172, 173, 193, 194, 215, 216, 221, 222, 225, 363, 402, 421.

Siegel 542, 627, 638, 644, 657, 663.

Sielmann 424, 433, 601, 663.

Siemens 290, 305, 306, 307, 308, 309, 324, 339, 348.

Sigwart 539, 6ö1, 660.

Sillem 439.

Simmonds 92, 445, 448, 491, 493, 511, 525.

Simon 623, 663.

Simons 389, 610, 661.

Singer 92.

Sippel 642, 646, 663.

Siredey 521.

Sjöval 87.

Slotopolsky 112, 130, 443—526, 446, 449, 450, 454, 456, 457, 469, 480, 481, 487, 488, 489, 491, 492, 496, 505, 510, 511, 512, 513, 514, 525.

Sluys 396, 442, 669.

Solomon 262, 263, 363, 525.

Sommer 679, 720.

Somnierfeld 164, 226, 363.

Soper 91, 92.

Souligoux 92.

Spangaro 469, 506, 525.

Sparmann 681, 682, 708, 719.

Specht 525.

Spencer 595, 664.

Spieß 395, 442.

Spinelli 657, 664.

Spude 391.

Stamer 685.

Stark 580, 658, 664.

Statz 197, 195, 327, 363.

Staunig 155, 156, 157, 162.

Stegemann 670, 720.

Steiger 646, 659, 664.

Steinach 488, 493, 514, 525.

Steindl 447, 458, 493, 525.

Steiner 674, 720.

Steinthal 646.

Stenger 704.

Seege

EECHER

Namenverzeichnis

Stenström 215.

Stepp 393, 394, 442.

Stern 92.

Sterzel 302.

Steuart 391, 442.

Stevenson 592, 593.

Stewart 93, 674, 720.

Sticker 548, 549, 664, 681, 690, 713, 720.

Stierlin 7, 8, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 44, 45, 46, 50, 52, 58, 64, 65, 66, 68, 69, 70, 89, 93.

Stieve 445, 448, 449, 494, 495, 496, 497, 505, 512, 513, 514, 515, 517, 518, 525.

Stoeber 26, 93.

Stöckel 540.

Stokes 168, 171, 226.

Stone 720.

Strasburger 93.

Strauß 93, 607, 644, 645, 646, 664.

Strebel 677, 713.

Ström 56, 57, 93.

Stubenrauch 711, 720.

Sudeck 27, 93, 97, 98, 99, 100, 103, 104, 105, 106, 108, 113, 114, 116, 120, 127, 130.

Suter 694, 708, 720.

Symons 671.

Szillard 263, 266, 363.

Tandler 497, 525.

Tappeiner 385, 387, 389, 429, 438, 442, 525.

Taylor 85, 93, 594.

Thaler 445, 480, 526, 538, 664.

Thaller 238, 239, 240, 241, 244, 246, 247, 248, 249, 250, 262, 267, 360, 363, 364.

Theilhaber 599, 642, 664.

Thibaut 87. |

Thies 445, 526, 555, 600, 664.

Thomson, J. J. 188, 189, 198, 199, 211, 364, 390.

Tietze 26, 27, 30, 93.

Tomenek 592, 594, 664.

Torek 671, 720.

Tribondeau 448, 481, 482, 486, 487, 494, 495, 511, 522, 526.

Tromp 93.

Tugendreich 382.

Ulrey 274, 275, 276, 277, 364.

Ulrichs 442.

Unger 720.

Unzeitig 526.

Vahle 262, 361, 362, 364, 615, 661.

Varela 601.

(ER

Vautrin 26.

Velden, v. d. 393, 394, 442.

Vey 579, 664.

Vierheller 334, 342, 361, 364, 617, 619, 660.

Villemin 448, 510, 522, 526.

Virchow 27.

Voeckler 24, 93.

Völker 671.

Vogel 385.

Vogt 673.

Volkmann 97, 98, 100, 102, 114.

Voltz 395, 442, 549, 554, 616, 617, 664.

Voorhoeve 93.

Vulpian 113.

Wachtel 102, 105.

Waeber 570, 590, 615, 628, 664.

Wagner 154, 159, 162, 171, 172, 173, 274, 276, 280, 362, 364.

Waldeyer 110, 130.

Walter 149, 371, 382.

Walthard 543.

Warbuton 399, 441.

Warnekros 537, 599, 602, 603, 615, 626, 627, 628, 636, 637, 638, 639, 643, 644, 645, 646, 658, 659, 664.

Wassermann 430, 442, 597, 664.

Weber 437.

Webster 225, 274, 276, 282, 360, 364.

Wegelin 526.

Weil 144.

Weinbrenner 539, 656, 664.

Weinschenk 137, 144.

Weißhaupt 653.

Welter 93.

Wendel 673, 674, 683, 690, 712, 720.

Werner, R. 526.

Werner 386, 387, 389, 393, 445, 548, 554, 570, 608, 664, 669, 670, 673, 674, 685, 707, 709, 711, 712, 716, 717, 720.

Wertheim 539, 540, 548, 664.

Wertheimer 543, 664.

Wetterer 442, 593, 664, 673, 685, 707, 708, 717, 720.

Whiddington 217, 218, 364, 404, 407, 442.

Wichmann 442, 673.

Wickham 546, 549, 664, 681, 683, 708, 709, 720.

Wiechert 226.

Wiederoe 93.

Wien 212, 226.

Wieser 0620.

Wiesner 93.

728

Wiggers 594.

Wilson 91, 93, 182, 183, 201,

206, 207, 218, 219, 223, 227, 228, 229, 363, 408,

Wind 149.

Windgarth 442.

Wingardh 399.

Winter 535, 537, 538, 540, 646, 658, 664.

Winternitz 105, 130.

Wintz 262, 287, 332, 349, 363, 364, 397, 442, 531, 552, 555, 557, 559, 564, 569, 571, 582, 583, 588, 598, 599, 601, 602, 603, 605, 607, 610, 613, 614,

205, 226, 442,

644,

358, 542, 567, 597, 604, 615,

Namenverzeichnis

617, 623, 626, 627, 628, 631, 632, 633, 634, 635, 638, 639, 644, 645, 650, 654, 657, 658, 664.

Wissing 93.

Wittmaack 691, 692, 717, 720.

Witzel 695.

Woltf 26, 83, 84, 93, 98, 99, 130, 141, 144.

Wolfsberg 655, 663.

Wolze 391, 442.

Wood 594, 664.

Wortmann 67, 71, 87.

Wulf 300, 301, 302, 336, 364.

Wulff 271.

630, 636, 652,

711,

Yaloussis 290, 332, 333, 335, 342, 343, 345, 346, 347, 348, 360, 362, 364.

712, | Zaaijers 671.

Zacherl 532, 644, 645, 664.

Zander 550, 559, 561, 570, 574, 628, 664.

Zangemeister 535, 536, 664.

Ziegler 38, 93, 428, 442.

Ziegler, K. 523.

Zindel 526.

Zumpe 600, 664.

Zwank 574, 576, 584.

Zweifel 3, 540, 664.

Absolute Temperatur und lonisa- tion durch Röntgenstrahlen 185.

Absorptionsbandkante 193, 215, 402. |

Wellenlänge 215.

Definition 215.

Absorption der Röntgenstrah-

lung 169, 191ff., 213, 394,

398 ff.

Berechnung für Luft 195.

Einfluß der Atomzahl 398.

Einfluß der Strahlenqualität

398.

Größe 398.

Größe der Umsetzung

Sekundärstrahlung 405.

im Gewebe 409.

in Abhängigkeit von der

Wellenlänge 409.

in Elementen 399.

in Verbindungen 399.

quantenhafte 213.

und Streuung im Gewebe 409.

und Streuung in Abhängig-

keit von der Wellenlänge 409.

Verhältnis der gestreuten zur

absorbierten Energie 197.

Verhältnis zur Streuung 239.

-— Vermehrung 394 ff.

Absorption der Streustrahlung 238.

Absorption kinetischer Energie von Elektronen 224.

Absorptionsgesetz für Röntgen- strahlen 193, 323.

Absorptionsgrenze 402.

Absorptionskante 402, s. Absorp- tionsbandkante.

Absorptionskoeffizient 103, 169,

402.

Bestimmung 170.

Streuung 203.

und charakteristische Strahl-

lung 171.

und Wellenlänge 170.

wahrer 170.

Absorptionssprünge 399.

in

Sachverzeichnis.

Absorptionssprünge, Größe 172ff., 399, 404.

und photographische Rönt- genspektroskopie 172.

Absorption und Ionisation 189.

Absorption von Energie beim Bohrschen Atommodell 212 ff.

Absorption von Röntgenenergie

quantenhafte 254.

Umformung 223.

Wesen 254.

Absorption, wahre 207, 213ff.

Abtrennungsarbeit 400, 407.

beim lichtelektrischen Effekt 210.

und Atomzahl 407.

und Ordnungszahlen der Ele- mente 234, 258, 407.

Acidophilie des Protoplasmas 451.

Aequivalente Bleidicke 371. Nä- heres s. Bleidicke,

Aggregatzustand und Ionisation 187.

Aktinomykose d. Dickdarmes 26.

Akute Knochenatrophie 97, 8. Knochenatrophie.

Allgemeinbefinden und Dosis in der Strahlentherapie 586.

Alter und Dosis bei der Strahlen- therapie 586.

Ambulante Strahlenbehandlung des Kollumkarzinoms 602.

Anämie und Kollumkarzinom 600.

Analysator nach Glocker 168.

Anatomie, pathologische der Knochenatrophie 107, 111, 127, s. Pathologische Anato- mie.

Anatomische Veränderungen bei der Miliartuberkulose 133.

und Röntgenbild 134.

Anlage von Röntgenabteilungen 374ff.

Anregungsspannung 166.

teristisches Spektrum der An- tikathode.

Antikathode, charakteristische Strahlung 163, 272.

Antikathodenmaterial und Inten- sitätsverteilung im Röntgen- spektrum 161.

Appendicitis, fibroplastische 27.

Applikationsformen der Sekun- därstrahler 390 ff. Arteria nutritia, - Unterbindung und Knochenatrophie 113. Atom, Einwirkung der Röntgen- strahlen auf das 182.

Elektronenzahl 211.

Energieabgabe 212.

Energieaufnalime 212.

-- Verteilung der elektrischen Ladung 211.

Atombau 164, 181, 182, 399ff.

-— nach Lenard 211.

nach Rutherford 211.

-— nach Thomson 211.

Atomgewicht der Elemente und Elektronenzahl 199.

Atomistischer Aufbau der Elek- trizität 209.

der Materie 208.

Atommodell 210ff.

Atomphysik 208.

Atomtheorie 209.

Atomvolumina 209.

Atomzahl 164, 368.

Atomzahl und Röntgenspektrum 211, s. periodisches System der Elemente.

Atrophie, aktive 97.

Knochenatrophie 97ff., s. Knochenatrophie.

Sudecksche s. Knochenatro- phie 97.

Atrophie des Hodens, dauernde 471.

Röntgenatrophie 44öff., s. Röntgenatrophie

Antikathode, charakteristisches | Verhältnis zur Röntgenatro-

Spektrum 163, 272, s. Charak- |

phie 481. 46 (2)

730

Barytstein, Schutzwirkung 372 ff.

Verwendung zu Schutzwän- den 376.

Basedow und Kollumkarzinom 599.

Bauchformen bei Darmstenosen 19.

Befruchtungsunfähigkeit nach Röntgenbestrahlung 473.

Zeitpunkt 473.

Behnkens photographisches Do- simeter 357.

Bergonié-Tribondeausches setz 486, 549.

Berliner Gerät 574.

Bestrahlung des Ösophaguskar- zinoms 665ff., siehe dieses.

Bestrahlungsstatistik desKollum- karzinoms 538ff.

Bestrahlungsraum, Anordnung 376.

Ventilationseinrichtung 377.

Zweckmäßige Gruppierung 377, 378.

Beton und Schutzwirkung 373.

Beugung 150.

beim Licht 149.

Beugungsbilder von Röntgen- strahlen 149.

Beugungsgitter 150.

Kristalle 150ff.

Wellenlänge 150.

Beugung von Röntgenstrahlen

150.

an Kristallen 150ff.

Berechnung der Wellen- länge aus dem (Glanz, winkel 153.

Glanzwinkel 152,

Theorie 151ff.

Wellenlänge

richtung 152.

Wellenlänge und Beugungs- winkel 150.

Biologische Intensitätsmessung der Röntgenstrahlen 613. Blase und Kollumkarzinom 535,

536.

Bleibolzendilatation des Ösopha- guskarzinoms 714. `

Bleidicke, Äquivalente 371.

definitive 372.

Bleiglashauben 379.

Bleiglasscheiben, notwendige Dicke 379.

Schutzwirkung 379.

Bleischutz bei der lonisations- messung 292.

Blende bei der lonisationsmes- sung 242ff.

und Einfalls-

Ge-

Sachverzeichnis

Blendenöffnung, Konstanz 315. Blendenstrahlung 242. Blendenweite 245.

Bohrsches Atommodell 212 ff. und Absorption 212ff.

und Emission 212ff.

Bremsstrahlung 226.

Energieverhältnis zur thodenstrahlung 226.

Theorie 226.

Brennfleckabstand 313.

bei verschiedenen Kammern 314.

Messung 313.

-- und Dosenquotient 336.

und Ionisationsmessung 313.

und Tiefendosis 313.

—- von der Röhrenwand 314.

Bronchiolitis obliterans und Mi- liartuberkulose 140.

Bronchopneumonische Herde und Miliartuberkulose im Rönt- genbild 140.

Buckyeffekt der Knochenstruk- tur 120.

Ka-

Carcinom siehe Karzinom.

Chaoulscher Strahlensammler 625.

Charakteristische Eigenstrahlung

219ff., 224ff., 369, 370, 399 ff.

Abhängigkeit der Intensitäts-

verteilung von der Spannung

273.

Bedeutung 168.

Berechnung der Wellenlänge

221.

des Radium 712.

Grenzwert der Intensität 273.

Intensitätsverteilung 222.

und Adsorption 401.

und Absorptionskoveffizient

171.

und Atomzahl 165.

und kontinuierliches Spek-

trum 273.

und Röhrenspannung 165,

225.

und Wellenlänge der Primär-

strahlung 370.

Wellenlänge 221.

Zusammenstellung der Be-

einflussungsmöglichkeiten

282.

Charakteristische Fluoreszenz- strahlung s. charakteristisch« Eigenstrahlung 399.

Charakteristisches Spektrun - der Antikathode 163.

Charakteristisch s Spektrum, Abhängigkeit vom Antika- thodenmaterial 163.

K-Spektrum 165.

L-Spektrum 165.

M-Spektrum 165.

N-Spektrum 165.

Charakteristische Strahlung der Antikathode 272, s. cha- rakteristische Eigenstrahlung und charakteristisches Spek- trum.

Chemische Analyse bei der aku- ten Knochenatrophie 110. Chemische Sensibilisierung 388.

—- Wesen 388. `

Chemische Umsetzungen zur Dosimetrie der Röntgen- strahlen 359.

Christenscher Dosisbegriff 266. Christenscher Heterogenitäts- faktor 331.

Coagulationsnekrose des dens 454.

Coecum und Colon ascendens,

Tumoren 37ff.

Abnorme Lage der Coecal-

klappe 38.

Beobachtung des Ileums 37.

Diagnose 37 ff.

Differentialdiagnose zur Ileo-

coecaltuberkulose 50.

Ileocoecaltuberkulose 50.

Invagination 39, 58.

Krankheitsbilder 58.

Röntgenbefunde 39, 58.

Karzinom 38.

Diagnose 38.

Formen 42.

Krankheitsbilder 39ff.

Röntgenbefunde 40ff.

Kontrastmahlzeit bei der

Röntgendiagnose 37.

Pseudotumoren 53.

Diagnose 53.

Differentialdiagnose 56.

Krankheitsbilder 53.

Röntgenbefunde 53.

Röntgendiagnostik 37.

Sarkom 45.

Tuberkulose 45.

Diagnose 4dff.

Differentialdiagnose 46 ff.

Formen 50.

Krankheitsbilder 45ff.

Röntgenbefunde 46 ff.

Colloidmetalle als Sekundär- strahler 391, 430ff.

und Tumorwachstum 438.

Ho-

Collumcarcinom s. unter Kollum- karzinom.

Colon ascendens s. Coecum und Colon ascendens 37.

Colon descendens 71.

Spasmen 73.

Topographie 71.

Tumoren 71.

Differentialdiagnose 76.

-— Krankheitsbilder 72ff.

-— Röntgenbefunde 72ff.

röntgendiagnostische Technik 71.

Übergangsstelle an der Sig- maschlinge 74. Colon transversum,

62 ff. diagnostische Laparotomie 69. Differentialdiagnose 67. entzündliche 69. Krankheitsbilder 63ff. Röntgenbefunde 63. röntgendiagnostische Technik 62

——

Tumoren

Compton-Elektronen 408, 409.

Darmblähung bei Tumoren 35.

Darmstenose, Bauchformen 9.

Stenose bei Dickdarmtumc- ren s. Dickdarmtumoren.

Dauerheilung des Kollumkarzi- noms 538.

Dauersterilisation 472.

Dosis beim Menschen 472.

Depopulation,

Spermiogonien 459ff.

Endeffekt 463.

Kennzeichen 461.

Nekrobiotische Erscheinun-

gen 462.

Stadien 457.

und Latenzzeit, klinische 491.

und Restitution 464.

Veränderungen des Wandbe-

lags 460.

Verlauf 457ff.

Diagnose des Kollumkarzinom: s. Kollumkarzinom 531.

hämolytische Reaktion 532.

serologische Methode 531, 532.

Dickdarm, Kontur 13.

Kontur bei verschiedenen

Durchleuchtungsmethoden 3. Röntgendiagnose 3ff.

Röntgenologische Darstel- lung der Haustren 14, 15. Dickdarmtumoren, bei Aktino-

mykose 25, 86.

Sachverzeichnis

Dickdarmtumoren bei Lues 25, 86.

bei Tuberkulose 24.

der Flexura coli dextra 60, s. Flexura coli dextra.

der Flexura lienalis 69, e. Flexura lienalis.

der Sigmaschlinge 77.

der Übergangsstelle des Coe- cum und Colon ascendens 37.

des Colon descendens 71. s. Tumoren des Colon descen- dens.

des Colon transversum 62 e. Colon transversum.

Colon descendens in die Sig- maschlinge 74.

diagnostische Laparotomie 3.

Divertikulitis 28, 84.

Enterolithen 13.

fibroplastische 27.

Formen 22.

gestielte 16.

gutartige Tumoren 24.

Invagination 30.

Karzinome 22, 23.

Kottumoren 30.

Pathologische Anatomie 22.

Röntgendiagnostik s. Rönt-

gendiagnostik.

Sarkome 23.

Sigmoiditis 85.

Spezifische Entzündungeı des Dickdarmes 24.

Appendiciti:

——

Bedeutung der | Statistik 21.

Unspezifische Entzündungen 26.

Dielektrikumsfehler bei der Ioni- sationsmessung 294.

Diffusion, Ausschaltung 185.

Diffusion von Ionen 184.

Dilatation des Ösophaguskarzi- noms mit Bleibolzen 714.

mit Sonde ohne Ende 715.

Divertikulitis 28, 84.

Dominici, Methode 546.

Röhrchen 546.

Doppelflintenstenose, Payersche 69.

Dosenquotient 332.

Bestimmung durch die Ioni-

sation 333.

Einfluß des

standes 336.

Einfluß der Dichte 341.

Einfluß der Härte 338.

Brennfleckab-

kammerstiftes 344. Einfluß des Mediums 341.

731

Dosenquotient, Einfluß der Meß- kammergestalt 344.

Einfluß der Meßkammergröße 344.

EinfluB des Meßkammer- materials 344.

Einfluß des Meßkammer- stifts 344.

Einfluß der Röntgenmaschine

342.

Fehler bei der Bestimmung

342.

praktische Messung 349.

und Größe des Einfallsfeldes 335.

Dosierung bei der Röntgenbe- handlung des Kollumkarzi- noms s. Röntgenbehandlung des Kollumkarzinoms.

Dosierung bei der Röntgenbe- handlung des Ösophaguskar- zinoms s. Röntgenbehand- lungdesÖsophaguskarzinoms,

Dosimeter nach Friedrich 302.

Dosimetergeräte für Röntgen- strahlen 261.

Dosimeterverfahren für Röntgen- strahlen 353ff., s. Röntgen- dosimetrie.

Dosimetrie der Röntgenstrahlen 261ff.

Bestimmung durch chemische Umsetzung 359.

nach Wintz und Runge 358.

Ungenauigkeit der Dosime-

tergeräte 262.

Vereinheitlichung 263.

verschiedene Dosimetergeräte 262.

Dosis in der Strahlentherapie, Definition 553.

zweckmäßige Erzielung höhe- rer Dosis 368.

Dosiseinheit 265.

nach Krönig-Friedrich 267. Dosismessung der Röntgenstrah- len s. Röntgendosimetrie.

Dosiszähler von Hammer 308.

nach Jäger 309.

Drehkristallmethode zur Spek- trographie nach Wagner 154.

Dresdener Gerät 575.

Druckluftkammer 238, 246.

Ausführung von Messungen 249.

Form 247ff.

Einfluß der Länge des Meß- |— Material 248.

nach Berg, Schwerdtfeger und Thaller 247 ff.

732

Druckluftkammer ohne röhren- förmige Ansätze 249. praktische Kammerlänge 249. röhrenförmiger Ansatz 248. Sättigungsspannung 249. und weiche Strahlung 250. Duane-Huntsches Gesetz 159, 225, 275. Dunkeleffekt 294.

Effekt, lichtelektrischer 210.

Eichstandgerät zur Konstanz- prüfung bei der Ionisations- messung 320.

Konstruktion 321.

Gebrauch 321.

Vorzüge 322.

Eigenstrahlung, charakteristi- sche und lonisation 186 s. charakteristische Eigenstrah- lung.

Einfadenelektrometer Grebe 301.

Einfadenelektrometergeräte nach Lutz 300.

Einfallsfeld und Dosenquotient 335.

Einsteinsche Gleichung 214.

Einsteinsche Quantenbeziehung 159, 166, 168.

Eisen als Sekundärstrahler 392, 430 ff.

Elektrizität, atomistischer Auf- bau 209.

Elektromagnetische strahlung 153.

Elektromagnetische Strahlung 209.

Elektrometer 287.

Ablesung 287.

Eichung mit bekannten Span-

nungen 311.

Einfluß des Glasfensters 295.

Erdung 295.

Ionisationsmessung s. diese.

Konstanz der Empfindlich-

keit 313ff.

Spannungseichung 311.

Trägheit 287.

Veränderung der Spannungs-

empfindlichkeit 316.

wahre Ablaufszeit 295.

nach

Röntgen-

Elektrometergeräte, ablaufende | -

300.

charakteristische Konstante 313ff.

direkt zeigende 304. Formen 296 ff.

Kapazität 315.

Elektron, Masse 209.

———

Sachverzeichnis

Elektronen, Abhängigkeit der Zahl vom Druck 245. Absorptionsbandkante und Emission 420. Emissionsfähigkeit der Ele- mente für Primärelektronen 187. experimentelle Prüfung der Geschwindigkeit von Rück- stoßelektronen 205. Gruppenanordnung 400. Maximum der Emission 420. Minimum der Emission 420. photographische Darstellung 182. Rückstoßelektronen 205. Austrittsrichtung 205ff. Bahnlänge 206. experimentelle Prüfung der Austrittsrichtung 205. Geschwindigkeit 205ff. Häufigkeit 205ff. Sekundärelektronen 226. Streuung an freien 201. Streuung an gebundenen 198. Tertiärelektronen 229.

Verschiebung durch sicht- bares Licht 400.

Wirkungsweite 409.

Elektronenbahnen, Schalenan-

ordnung 212ff. Elektronenemission 213, 214. Elektronenemission und Wellen- länge der Primärstrahlung 214. Elektronenemissionsvermögen u. periodisches System der Ele- mente 188. Elektronenenergie und Qualität der Primärstrahlung 217ff. Elektronengeschwindigkeit 214. Messung 217ff. Sichtbarmachung 219. -- und Lage zum Atomkern 217 ff.

Elektronenrichtung und Qualität der Primärstrahlung 219. Elektronenstrahlung, sekundäre

390, 407, 426. Absorbierbarkeit 390, 408. Ausnutzbarkeit 435. Ausschaltung 424. Bedeutung 408.

Effekt 435.

Nachweis, Methoden 426. Reichweite 391.

und Absorption 419. und Abtrennungsarbeit 420.

und Atomzahl 426.

Elektronenstrahlung, sekundäre und physikalische Sensi-

bilisierung 390.

und Qualität der Primär- strahlen 419, 427.

und Sekundärstrahlungim Verhältnis zur Ionisation 423.

Ursprung 407.

Elektronenzahl eines Atoms 211. und Ordnungszahl 211. Elektronenzahl und Atomge- wicht der Elemente 199. und Streustrahlung 198ff.

Elektroskop nach Back 304. Emanation, Gewinnung 592. -— Halbwertzeit 592.

-— Messung 592.

Technik der Anwendung 593. Emanationsbehandlung 591, s. auch Emanation. Applikation 592.

Dosierung 594.

Indikation 594. Janewaysches Verfahren 592. Messung 591. Stevensonsches 592.

Technik 593. Vorteile 591, 594.

Emergenzstrahlung 414ff. s. Se- kundärstrahlung der Emer- genzseite.

Emission beim Bohrschen Atom-

modell 212ff.

charakteristische 219ff.

von Elektronen 213.

von Röntgenstrahlen 213,

224 ff.

von Sekundärelektronen 226.

Verfahren

Strahlung

Emissionsfähigkeit der Elemente für Primärelektronen 187.

Messung 187.

Emissionskoeffizient 404.

Endophytische Ausbreitung des Kollumkarzinums 532.

Energie, Definition 210.

kinetische 210.

Energieabgabe des Atoms 212.

Energieaufnahme des Atoms 212.

Energieaustausch, quantenhafter 210.

Energiebilanz der absorbierten Primärstrahlung 406.

Energiemessung der Röntgen- strahlen 253ff.

durch charakteristische Se- kundärstrahlung 255.

Energiemessung, Messung durch Ionisationswirkung der Pri- märelektronen 256 ff.

Messung durch Wärmewir- kung bei der Absorption 258.

Messung durch Zahl der Primärelektronen 256.

Unsicherheit 261.

Energieverlust der Röntgen- strahlen bei der Ionisation 191.

Entdeckung der Ionisation durch Röntgenstrahlen 181.

Entdifferenzierung der Sertoli- zellen 512. |

histologisches Bild 514.

Enterolithen 30.

Entzündungen, spezifische des Dickdarmes 24.

Aktinomykose 26.

Lues 25.

Tuberkulose 24.

unspezifische 26.

Eosin 386.

u. Röntgenbestrahlung 386 ff.

Eosinophilie und Prognose des Kollumkarzinoms 589. Epiphysenfuge, Verhalten bei Knochenatrophie 105. Erdung bei der Ionisationsmes- sung 295. Erythemdosis 615 s. Röntgen- erythem. mittlere Gebrauchs- 569. Unterschiede 568. Erythemzeiten 622. und Abstand des Radium- präparats 560, 566. und Präparatlänge 561. Excochleation beim Kollumkar- zinom 551. Gefahren 552. Exophytische Ausbreitung des Kollumkarzinoms 533. Exponentialfunktion 368. Extremitätenenden als Prädilek- tionsstellen der Knochen- atrophie 105.

Farbstoffe, fluoreszierende 385 ff.

pharmakologische Wirkung 389.

Felderwähler von Holfelder 350, 621.

Feuchtigkeit, Einfluß auf die Ionen 189.

Fiebersteigerung bei der Aktino- therapiedesKollumkarzinoms 551.

Sachverzeichnis

Fiebersteigerungen und Kollum- karzinom 600.

Filterung bei der Radiumbestrah- lung 573.

diskontinuierliche 576.

von Röntgenstrahlen, Brauch- barkeit der verschiedenen Fil- ter zur Härtemessung 329.

und Härte der Röntgenstrah- len 281, 323.

und kontinuierliches Rönt- genspektrum 281, 323.

Verhältnis von Absorption zur Streuung bei der Auswahl 327.

Fingerhutkammer 230ff.

Druckkorrektur 252.

Einfluß der Bestrahlungsrich- tung 290.

Eintauchtiefe bei der Messung der Oberflächendosis 342.

Maße 243.

Material 243ff.

Stiftlänge 243.

Wandwirkungsbeitrag 242.

Wirkungsausfall 242.

Flexura coli dextra, Diagnose 70.

Differentialdiagnose 70.

Krankheitsbilder 70ff.

Röntgenbefunde 70ff.

Topographie 69.

Tumoren 2.

Flexura coli lienalis, Diagnose 60.

Differentialdiagnose 61.

Krankheitsbilder 60.

röntgendiagnostische Technik 60.

Topographie 60.

Tumoren 60.

Fluoreszenz 385 ff.

Zusammenhang mit der phot- dynamischen Wirkung 388.

Fluoreszenzhelligkeit zur Dosi- metrie der Röntgenstrahlen 351.

Fluoreszenzstrahlung, charakte- ristische 168, 388 s. charak- teristischa Eigenstrahlung 399.

Bedeutung 169.

Härte und Atomzahl 401.

und Wellenlänge der Primär- strahlung 168.

Fluoreszierende Farbstoffe 385 ff.

pharmakologische Wirkung 389.

Fluoreszierende Substanzen, Er- folge bei der Sensibilisierung 387 ff.

733

Fluoreszierende Substanzen, Sen- sibilisierung 386 ff.

Veränderungen im Gewebe 387.

Vorgehen bei der Sensibili- sierung 387.

Folienfaktor 356. Fraktionierte Bestrahlung beim Hoden 483.

Frühdiagnose des Kollumkarzi- noms 531.

und mikroskopische Unter- suchung 531.

Füllungsdefekt bei Dickdarm- tumor 31.

Fürstenau-Intensimeter 262, 353.

Gasdichte und Ionisation durch Röntgenstrahlen 185.

Gase, Abhängigkeit von der Wel- lenlänge 190.

Berechnung 188.

relative Ionisation 188.

Gastrostomie beim Ösophagus- karzinom 671.

Gefäßversorgung und Knochen- atrophie 110.

Geschwindigkeit der Sekundär- elektronen 226.

Glanzwinkel bei der Beugung von Röntgenstrahlen 152 s. ` Beugung an Kristallen.

Gleichmäßigkeit der Schutzwir- kung 379.

Glockerscher Analysator 168. Konstruktion 168.

Glockersche Formel des Schwä- chungskoeffizienten 193, 195.

Glühkathodenröhre 282. Gold als Sekundärstrahler 396, 430 ff.

Grenzwellenlänge des kontinuier-

lichen Röntgenspektrums 160,

275.

und Antikathode 276.

und Röhrenart 276.

und Röhrenspannung 160,

275ff.

und Strahlenrichtung 276.

Gruppeneinteilung des Kollum- karzinoms 532.

und Operabilität 536. Weiteres s. Kollumkarzinom,

Hämolytische Reaktionen zur Diagnose des Kollumkarzi- noms 532.

734

HärtederRöntgenstrahlen 323ff.,

611.

Bestimmung durch die Halb-

wertschicht s. Halbwert-

schicht.

Bestimmung durch den

Schwächungskoeffizienten

325ff.

Einfluß auf den Dosenquo-

tienten 338.

Messung 268 s. Härtemes-

sung.

und Filterung 323.

und lonisation 324.

Härtemessung der Röntgenstrah-

len 323,

Brauchbarkeit der verschie-

denen Filter zur Härtemes-

sung 329.

durch den Heterogenitäts-

faktor 331.

durch den Massenabsorptions-

koeffizienten 329.

durch die prozentuale Tiefen-

dosis in Wasser 331.

durch Messung der Absorp-

tion 204.

für praktische Zwecke 332.

Versagen der Filtermethode

328.

H.E.D. 263.

-— Differenzen 263.

Haftpflichtfrage gegenüber dem Röntgenpersonal 375.

Halbwertschicht 325, 611.

Beeinflussung durch die Mes- sung 325.

Bestimmung 325.

Definition 325.

Eindeutigkeit 331.

Hallwachseffekt 210.

Hartfilterung bei der Radium- therapie 546.

Haustren röntgenologische Dar- stellung 14, 15.

Hautrötungsmessung 262.

Heidelberger Gerät 573.

Heilfaktor nach Wintz 599.

Heilungsziffer nach zehn Jahren des Kollumkarzinoms 537 ff.

Heredozelluläre Schädigung 466.

Heredozelluläre Wirkung 508.

Heterogenitätsfaktor nach Chri- sten 331.

Hilfselektroden 248.

Histologie bei der Knochenatro- phie 107ff., 111.

beim Kollumkarzinom 534.

Histologische Veränderungen beim Karzinomzerfall 652. |

—.

—-

Sachverzeichnis

Histologische Veränderungen bei der Miliartuberkulose 133.

Hodenanatomie 449.

Röntgenatrophie 445 s. Rönt- genatrophie.

Hodeninkretion 505.

Holfelderscher Felderwähler 350.

Holthusens Theorie 257.

Holzknecht-Radiometer 630.

Homogenbestrahlung 626.

extreme 627.

praktische 627.

Vorteile 627.

Homogenität, praktische, eines Röntgenstrahlengemisches 326, 611.

Homogenitätspunkt eines Rönt- genstrahlengemisches 326.

Ileocoecaltuberkulose, Diagnose 50.

Differentialdiagnose 50.

Formen 50.

Ileus 18, Dickdarmileus s. Dick-

darmtumoren.

Immunisierungszustand und Formen der Miliartuber- kulose 134.

Inaktivitätsatrophie des Kno-

chens 114 s. Knochenatro-

phie.

Bedeutung der Zirkulations-

störung 115.

einfache 107.

hypertrophierende 107.

Kritik 115.

reine 114, 116.

Röntgenbild 98.

und akute Knochenatrophie

98, 127.

Innere Sekretion der Sertoli- zellen 518.

und Kollumkarzinoms 600.

Intensität der Röntgenstrahlen,

Bestimmung durch Ionisa- tionsmessung 612. biologische Bestimmung

613, s. auch Röntgenstrahlen. Intensitätsabnahme bei der Tie- fendosis 349. Intensitätsverteilung bei der Röntgentherapie des Kollum- karzinoms 617. nach Dessauer 619. nach Holfelder 618. Intensitätsverteilung der charak- teristischen Strahlung 222. Intensivbestrahlung bei der Rönt- genbehandlung des Ösopha- guskarzinom 676.

Intubation beim Ösophaguskar- zinom 671.

bei Röntgenbehandlung des Ösophaguskarzinoms 674.

Invagination 30, 39, 58. Krankheitsbilder 58. Röntgenbild 59.

Ionenrekombination 184.

Ionisation (durch Röntgenstrah- len) 181ff.

Abhängigkeit vom Druck 244. in der Fingerhutkammer 252.

in der großen Kammer 251.

Abhängigkeit von der abso- luten Temperatur 185. Abhängigkeit von der Gas- dichte 185.

Abhängigkeit von der Ord- nungszahl 232. Abhängigkeit von der Tem- peratur 185.

Abhängigkeit von der Wellen- länge der Röntgenstrahlung 189, 190.

an den Kammerwänden 232. Anteil der Rückstoßelektro- nen 207.

Ausschaltung der Diffusion 185.

Ausschaltung der Rekom- bination 185.

bei wahrer Absorption 207, 213ff.

Berechnung 188.

der Luft, reine 188.

durch Rückstoßelektronen 207.

durch Streustrahlung 207. Einfluß der charakteristi- schen Eigenstrahlung 186. Einfluß der Diffusion 184. Einfluß der Feuchtigkeit 189. Einfluß der Rekombination 184.

Energieverlust der Röntgen- strahlen durch die Ionisation 191.

Entdeckung 181. Korrekturformel für Tempe- ratur und Druck 186. kritischer Druck 245. Messung reiner Luftionisa- tion 242 s. Ionisationsmes- sung.

relative, von Gasen 188. Sättigungskurve 185. Sättigungszustand 155.

Ionisation, Spannung zur Erzie- lung von Sättigung 185.

und Absorption von Rönt- genstrahlen 189.

und Aggregatzustand 187.

und Länge der Ionisations-

kammer 233.

Verhältnis von Elektronen

und Sekundärstrahlung 423.

von festen Körpern 187.

von Gasen 181ff., 187.

Wandwirkungsbeitrag 231ff.

Wirkungsausfall 231 ff.

Ionisationsarbeit und Quanten- bahn 214.

Ionisationskammer 230 ff. Behnkensche Kammer 250. Blendenanordnung 291. Blendenbohrung 291. Blendenweite 245. Druckluftkammer238s. diese. Durchmesser der Kammer- blende 242.

EinfluB des Kammerdrucks 251, 252.

Einfluß der Kammergröße 231.

Fingerhutkammer 230ff. Formen 230. Gestaltsveränderung 316. große Kammer 230ff. Hilfsblenden 291. Kammergröße 231. Kanmmerlänge 233. Korrektur auf Normaldruck 251.

Maße 244.

Material 244.

Mindestmaße 247.

Prinzip 230. Schutzelektrode s. diese. theoretische Kammerlänge 247.

Vergleich der verschiedenen Kammern 232. vorgeschobenes Fenster 240, 245.

Wahl des Wandmaterials 237.

Ionisationsmessung 285.

ablaufende Elektrometer- geräte 300. Abstand vom Brennfleck 285.

Ablaufszeit, wahre, des Elek- trometers 295.

Abstoppmethode 287. Angabe der Dosis in „R“ 352. Aufladevorrichtungen 298. AusschaltungsubjektiverEin- flüsse 287.

Sachverzeichnis

Ionisationsmessung, beim konti-

nuierlichen Röntgenspektrum 159.

Bestimmung der Tiefendosis 352.

Bleischutz der Meßanordnung 292.

Dielektrikumsfehler 293. direkt zeigende Geräte 304. Dosimeter von Friedrich 302. Dosiszähler nach Hammer 308.

Dosiszähler nach Jäger 309. Dunkeleffekt 294.

Einfadenelektrometer nach Grebe 301. Einfadenelektrometer naclı Lutz 300.

Einflüsse des Geräts 287. elektrometrischa Messung 286.

Elektroskop nach Back 304. elektrostatischer Schutz 295. Empfindlichkeit 351.

Entfernung des Filters 292.

Erdung 29%. Filteranordnung 291. Gebrauch des Eichstand- geräts 321.

Grenzen der Ionisationsme- thode 612.

Härtemessung 351.

Hergang 350. Intensitätsmessung 351. Intensität und Sättigungs- spannung 309. Isolationsfehler 293. Ionimeter nach Martius 301. Ionimeter nach Wulf 302. Iontoquantimeter nach Rei- niger, Gebbert und Schall 302.

Iontogalvanometer von Ja- nus 304.

Justierung der Fingerhut- kammer 290.

der großen Kammer 290. und Fehlerquellen 290. Konstanz der Trägerzahl 315. Konstanzprüfung durch das Eichstandgerät 320.

durch Radium 317ff. s. Radium.

Konstruktion des Eichstand- geräts 321.

Korrekturformel für Normal- druck 252 ff.

Meßgeräte 296. Meßmethoden 287. Mittelwertbildung 289.

135

Ionisationsmessung, physikali-

sche Grundlagen 285.

Prüfung konstanter Empfind-

lichkeit 351.

psychologische Einflüsse 287.

Reihenfolge der Beobachtung

288.

Sättigung 296.

Sättigungsprüfung 309, 311,

350.

Schutzringprinzip 297.

Siemens Röntgendosismesser

305.

Spannungseichung 309, 351.

spektrale 323,

Stellung zu anderen Dosi-

meterverfahren 353.

und Brennfleckabstand 313.

Veränderung der Spannungs-

empfindlichkeit des Elektro-

meters 316.

Vorbereitung 350.

zur Bestimmung der Inten-

sität der Röntgenstrahlen 612.

zur Bestimmung der Tiefen-

dosis 332 ff.

Zweielektrometermethode

289.

Zweifadenelektrometer nach Wulf 301.

Ionisationsmeßgerät 315.

Kapazität 315.

und Härte der Röntgen- strahlen 324.

-— Veränderung der Empfind- lichkeit 316.

Ionisationsspektrum, kontinuier- liches 274.

Ionisationsverfahren, Vorzüge 180.

Ionisationsvorgang 181, 182.

Ionisierungseffekt verschiedener Wellenlängen 257.

Ionimeter nach Martius 301.

nach Wulf 302.

Iontogalvanometer von Janus 304.

Iontophoress zur Applikation von Sekundärstrahlern 397.

Iontoquantimeter nach Reiniger, Gebbert und Schall 302.

Isodosenkurven 346.

Isolationsfehler bei der Ionisa- tionsmessung 293.

Inzidenzstrahlung 411 s. Sekun- därstrahlung der Inzidenz- seite.

Jod als Sekundärstrahler 392, 430ft.

136

Kalorimetrische Messung der Röntgenenergie 259.

Vergleich mit der lonisation 259.

Karzinom des Dickdarms s. Dickdarmtumoren.

Karzinomdosis 555, 602, 603, 642. beim Kollumkarzinom 642. beim Ösophaguskarzinom 675. Definition 604

Einwände 604ff.

Existenz 604.

Größe 603.

Schwankungen 603.

Karzinomzerfall 652 ff.

histologische Veränderungen 653.

Kernveränderungen 653.

22

——

Karzinose miliare und Miliar- tuberkulose 138.

Kathodenstrahlung, sekundäre 369. |

und Brunsstrahlung 226.

Kehlkopfröntgenschädigung bei Bestrahlung vom Ösophagus- karzinom 675.

Kernablenkung 226.

Kernveränderungen 653.

Kinetische Energie von Elek- tronenabsorption 224.

Kittlinien bei akuter Knochen- atrophie 108.

Knochenatrophie 97ff.

akute 97ff.

Ätiologie 116.

alsselbständige Krankheit 104.

Bedeutung entzündlicher Prozesse 116. .

Begleiterscheinungen 106.

bei entzündlichen Pro- zessen 102.

bei Erfrierungen 102.

bei Hautkrankheiten 104.

bei Systemerkrankungen 102.

bei Traumen 103.

bei vasomotorischen Störun-

gen 103.

bei Verbrennungen 102.

chemische Analyse 110.

Differentialdiagnose 126.

Entwicklung des Begriffs

97ff.

Erklärung des Röntgenbildes

124ff.

experimentelle Versuche 127.

Histologie 108.

makroskopische

rungen 107.

Verände-

Knochenatrophie,

Sachverzeichnis

neurotrophi- sche Störungen 116, 118. Osteoklastenformen 110. pathologische Anatomie 107. primäre Noxe 102. Prognose 107.

Röntgenbild 120ff. Strukturbild 124ff. Sudecksche Knochenatrophie 102ff., 116ff.

und Inaktivitätsatrophie 98. und Muskulatur 106.

und Osteoklastentätigkeit 118.

und sensible Nerven 103. und Stauung 117.

und Zirkulationsstörungen im Knochenmark 117. vasomotorische Störungen 116, 118.

ältere Anschauungen 99.

Ätiologie 113, 127. Ätiologie er Inaktivitäts-

atrophie 114.

Ätiologie der senilen Atro- phie 114.

Bedeutung der Zirkulations- störung bei der Inaktivitäts- atrophie 115.

bei Nervendurchschneidung 111.

Berechtigung der Einteilung 104.

Dauer 105. Differentialdiagnose 128. Einteilung 101, 114. Erklärung der Unterschiede im Röntgenbild 122. Experimentelle Erzeugung 111.

Formen 101, 104. Inaktivitätsatrophie 114. Klinik 106. | Kritik der reinen Inaktivitäts- | atrophie 115. | Latenzzeit 104. | Latenzzeit im Röntgenbild 104, 128.

Latenzzeit, minimale 105. Lokalisation 105. Lokalisation und Gefäßver- | sorgung 106. | mittlere Latenzzeit 165. | pathologische Anatomie 101, 127.

Prädilektionsstellen 105. | Prognose 128. | reine Inaktivitätsatrophie 114, 116. Röntgenbild 97, 100, 120, 127. |

Knochenatrophie, Röntgenbild und histologische Struktur 121 ff.

senile Atrophie 114.

Struktur 98.

Strukturbild 124. sympathische Erkrankungen des Knochenmarks 116.

und Gefäßversorgung 110. und hysterische Lähmungen 115.

und neurotrophischeEinflüsse 111.

und Ruhigstellung 112.

und Sympathektomie 113. und Ußfterbindung der Arte- ria nutritia 113.

und vasomotorische Störun- gen 110, 111, 112, 113.

und Zirkulationsstörungen 117.

Unterschiede im Röntgenbild 120.

Verhalten der Epiphysenfuge 105.

Knochenmark, sympathische Er- krankungen 116.

Zirkulationsstörungen 117.

Knochenrarefikation 98.

Kolliquationsnekrose des Hodens 455.

Kollumkarzinom 527ff.

absolute Heilungsziffer 659. Ätiologie 534.

Äußere Form 533.

Anämie 600.

Ausbreitungsrichtung 535.

Ausbreitung und Lymph- strom 535.

Bedeutung der äußeren Form für die Radiumtherapie 533. Bestrahlungsstatistik 538 ff. Dauerheilung 538.

Diagnose 531.

Diagnose des Rezidivs 542. Einfluß des Gesamtorganis- mus 534.

Einteilungsprinzip 534. Emanationsbehandlung 591 s. Emanationsbehandlung. endophytische Ausbreitung 533,

Excochleation 552. exaphytische Ausbreitung 533.

Fiebersteigerung 601. formale Diagnose 532. Frühdiagnose 531. funktionelle Diagnose 532.

|

|

|

Kollumkarzinom, Gefahren der

Probeexzision 531. Gesamtstatistik 538ff. Gesichtspunkte bei der Thera- pie 538ff. Gruppeneinteilung 532. Gruppeneinteilung und Ope- rabilität 536

hämolytische Reaktionen zur Diagnose 532. Heilungsverlauf 541. Heilungsziffer nach 10 Jahren 537 ff.

histologische Struktur 534. histologische Struktur und Radiosensibilität 556. innere Form 534. Lebensdauer 541. Lebermetastasen 543. mikroskopische Untersuchung und Frühdiagnose 531. Metastasenbildung 543. Mitbeteiligung der Blase 535. Mitbeteiligung des Ligamen- tum sacro-uterinum 535. Mitbeteiligung der Lymph- drüsen 536.

Mitbeteiligung der Parame- trien 535.

Mitbeteiligung des Rektums 536.

Mitbeteiligung des Ureters 536.

Mitbeteiligung derVagina 535. Operabilitätsziffer 537. Operationsstatistik 538ff. Operieren oder Bestrahlen ? 53788.

Probeexzision 531, 551. Prognose und Eosinophilie 589.

Reifegrad und Radiosensibi- lität.

Rezidivbehandlung 544. Rezidivbildung 542. Schmerzlinderung 544. Schwierigkeiten der Diagnose 531, 535.

serologische Diagnostik 532. Spontanheilung 555. Statistik der einzelnen Grup- pen 539.

Strahlenschädigung 543. Strahlentherapie 538ff. s. Strahlentherapie des Kollum- karzinoms.

TherapieinoperablerFälle540.

u:

Therapieschädigungen 543. und Basedow 599. und Haut 600.

Saclı verzeichnis

Kollumkarzinom, und innere Sekretion 600.

und Schwangerschaft 599.

Kombinierte Röntgen: Radium- bestrahlung beim Kollum- karzinom 587, 647.

Dosierung 648.

Methodik 648.

Schwerpunkt 647.

Unsicherheit 647.

Vorteile 588.

Wiederholung 649.

Kombinierte Röntgen: Radium- bestrahlung beim Ösopha- guskarzinom 717.

Erfolge 717.

Konservierungsmethoden zur histologischen Untersuchung des Hodens 495.

Konstanz der Empfindlichkeit des Elektrometers 313. Konstanzprüfuug 313.

Kontinuierliches Röntgenspek- trum 151 s. a. Röntgenspek- trum, kontinuierliches. Abhängigkeit der Härte von der Röhrenspannung 277. Abhängigkeit der Intensität | von der Röhrenspannung 276. Abhängigkeit vom Azimut 280.

Abhängigkeit von der Antı- kathode 280.

Abhängigkeit von der Röhren- art 279.

Abhängigkeit von der Span- nungsform 278,

als Methode zur Bestim- mung der Röhrenspannung 274.

Energieverteilung 274. Grenzwellenlänge 275. Grenzwellenlänge und Anti- kathode 276. Grenzwellenlänge und Röh- renart 276. Grenzwellenlänge und Strah- lenrichtung 276.

lung 273.

und Röhrenspannung 274. Zusammenstellung der Beein- flussungsmöglichkeiten 282. Kontrasteinlauf 5, 17.

137

Kontrasteinlauf, kombiniert mit Kontrasteinlauf 8.

und Stauung 34.

Kontrastmischungen 5.

Kottumoren 30.

Kreuzfeuerbestrahlung 574.

Kristallaufbau 150ff.

Kristalle als Beugungsgitter 150ff.

Theorie der Beugungserschei- nungen 1lölff. s. Beugung an Kristallen.

Kritischer Druck bei der Ionisa-

tion 245.

Krönig-Friedrichsche

heit 267.

Kupfer als Sekundärstrahler 397,

430ff.

Dosisein-

Laparotomie, diagnostische 3.

Latenzzeit bei der Knochen- atrophie 104 s. Knochen- atrophie.

bei der Röntgenatrophie des

Hodens 491.

Definition 492.

Dosis 451 ff., 492.

klinische Latenz 491.

klinische und Depopula-

tion 491.

mikroskopische

491.

und Elemente des Samen- epithels 492.

und Spermiogonien 493,

520.

Verdeckung 491.

Laue’s Versuche 149.

Diagramm 152.

Lebensdauer beim Kollumkar- zinom 541.

beim nicht bestrahlten Öso- phaguskarzinom 672.

Lebermetastasen beim Kollum- karzinom 543.

Lichtelektrischer Effekt 210.

Latenz

und Abtrennungsarbeit 210.

Lichtstrahlen, ihr Verhältnis zu den Röntgenstrahlen 209.

und charakteristische Strah- | Ligamentum sacro-uterinum und

Kollumkarzinom 535. Lochkameramethode nach See-

mann zur Spektroskopie der

Röntgenstrahlen 155.

| Lues des Dickdarms 25.

kombiniert mit Kontrast- |— des Sigmoids 86. mahlzeit 8. Luftaufblähung des Dickdarms, kombiniert mit Luftaufblä- Klappenmechanismus 3b. hung 10. Kombination mit Kontrast-

kombiniert mit Stauung 34.

Ergebnisse der medizinischen Strahlenforschung. Bd. I

einlauf 10. 47

138

Luftblähung, Lage des Patien- ten 10.

Technik 10.

Verhältnis von Flüssigkeit und Luft 11.

Luftionisation, reine 188.

und Wandstrahlung 236.

Luftmoleküle,mittlere Geschwin- digkeit 184.

Lungen, Beteiligung bei der Miliartuberkulose 133. Lymphdrüsen, Mitbeteiligung

beim Kollumkarzinom 536. Lymphstrom und Ausbreitung des Kollumkarzinoms 535.

Massenabsorptionskoeffizient zur Bestimmung der Strahlen- härte 329.

Materie, atomistischer Aufbau 208.

Mediastinitis beim Ösophagus- karzinom 683.

bei Sondenbehandlung 685.

Mesenterialsteine 60.

Meßgeräte zur lonisationsmes- sung 296 s. Ionisationsmes- sung.

Meßkammer zur Ionisationsmes- sung, Einfluß der Gestalt auf die Tiefendosis 344.

EinfluB der Kammergröße 344 s. auch Ionisationsmes- sung.

Länge des Kammerstifts 344.

Lage des Meßkammerträgers 343.

Material zur Ionisationsmes- sung 244.

Material und Tiefendosis 344.

Messung der lIonisation s. Ioni- sationsmessung.

Messung der Röntgenenergie s. Energiemessung.

Messung sehr schwacherRöntgen- strahlen 188.

Metallsalze als Sekundärstrahler 389 ff.

Metamorphose, regressive der Sertolizellen 515.

Metastasen beim Kollumkarzi- nom 543.

Metastasenbildung beim Öso- phaguskarzinom 668.

Miliartuberkulose 133ff.

anatomische Veränderungen 133.

Anatomie und Röntgenbild 134.

ausgeheilte 141.

Sachverzeichnis

Miliartuberkulose, Charakteristi- ka 133. charakteristisches bild 134ff. Differentialdiagnose im Rönt- genbild 138. Formen 133. Formen im Röntgenbild 136. Formen und Virulenz der Tuberkelbazillen 134. Größe der Herde im Röntgen- bild 135 s. Röntgenbild der Miliartuberkulose, histologische Veränderungen 133. Immunisierungszustand und Formen 134. Lungenbeteiligung 133. Röntgenbefund bei sehr aku- ter 137. Röntgenbild s. auch Rönt- genbild der Miliartuberkulose. Röntgenbild der ausgeheilten 141. Röntgenbild und Diagnose 134. Schattenverteilung im Rönt- genbild 139. Täuschungen beim Röntgen- befund 138. Theorie des Röntgenbefundes 137. und Bronchiolitis obliterans

Röntgen-

emm

140. und bronchopneumonische Herde 140.

und miliare Karzinose 138.

und Pneumokoniose 141.

Ursache 133.

Wesen 133.

Zeitpunkt des positiven Rönt-

genbefundes 138.

Mitosen, Röntgenempfindlichkeit 448, 507.

Ruhestadium 448.

und Einwirkung von Rönt- genstrahlen 653.

Mitosenfreie Zwischenzeit. 509.

Molekülionen, Wertigkeit 183.

Münchner Gerät 575.

Musculus sphincter coli trans-

versi 66.

Nachbestrahlung, postoperative, beim Kollumkarzinom 643. Dosierung 644.

Erfolge 645.

Gefahren des Radium 643. Methode der Wahl 644.

Statistik 646.

Een

Nachbestrahlung, Technik 644.

Zeitpunkt 643.

Nagelkappen 376.

Neoplatte 428.

Nervendurchschneidung und Knochenatrophie 111.

Netzspannung, Einfluß auf die Röntgenstrahlen 284.

Notwendigkeit der Regula- tion 284.

Regulation 284.

Oberflächendosis 332 ff.

und quadratisches Abstands- gesetz 342.

Ösophagoskopie 670.

Ösophagoskopische Methode der Radiumbehandlung, Art der Einführung 692.

Dauer des Erfolges 691.

Erfolge 690.

Methodik 690.

Radiumpräparat 691.

Schwierigkeiten 692.

Ösophagus, Anatomie 667.

physiologische Engen 667.

Topographie 667.

Ösophaguskarzinom 667ff.

Beginn der Behandlung 669.

Chirurgische Therapie 671.

Cirrhus 667.

Diagnose 668.

Dilatation mit Bleibolzen 714.

mit Sonde ohne Ende 715.

Formen 667.

Gastrostomie 671.

Indikation der Sonden-

bestrahlung 680 s. Sonden-

bestrahlung.

Intravenöse Radiumtherapie

716.

Intubation 671.

Kombinierte Radium-Rönt-

gen-Therapie 717.

Erfolge 717.

Krankengeschichten 84, 90,

91, 92, 700ff.

Lebensdauer

strahlten 672.

Mediastinitis 683,

medulläre Form 668.

Metastasen 668.

Ösophagoskopie 670.

papilläre Form 668.

pathologische Anatomie 667.

Perforationsgefahr 671.

Probeexzision 670.

Radiosensibilität 707.

Radiumbehandlung 677

Radiumbehandlung.

der Nichtbe-

S.

Ösophaguskarzinom, Röntgen- bestrahlung 672 s. Röntgen- bestrahlung des Ösophagus- karzinoms.

Röntgendiagnose 669 s. Rönt- gendiagnose. Röntgen-Radium-Behand- lung 667. Sondenbestrahlung 677. Sondierung 670.

Stadium und Erfolg der The- rapie 669.

und Hautkrebs 707.

Operabilität des Kollumkarzi- noms 536 s. Kollumkarzinom, Operabilitätsziffer des Kollum- karzinoms 537. Operationsstatistik des Kollum- karzinoms 538 ff. Optische Sensibilisierung 385 ff. s. Sensibilisierung. Ordnungszahlen der Elemente und Röntgenspektrum 211. Osteoklastenformen bei akuter Knochenatrophie 110. Östeoklastentätigkeit und akute Knochenatrophie 118.

Paraffin als Wandmaterial von Ionisationskammern 237. Parametrien und Kollumkarzi-

nom 535. Parametritis atrophicans radio- therapeutica 591.

Pathologischa Anatomie der Dickdarmtumoren 22 s. Dick- darmtumoren.

der Knochenatrophie 107, 111, 127.

Payrsche Doppelflintenstenose 69.

Payrsche Krankheit 70.

Perforation des Ösophaguskarzi- noms bei der Radiumbehand- lung 711.

bei der Sondenbestrahlung 687.

bei der Sondierung 671.

Periodisches System der Ele- mente 164ff., 208.

und Elektronenemissionsver- mögen 188.

Physikalische Dosis bei der Rönt- gentherapie 616.

Grundlagen des Strahlen- schutzes 367.

Photodynamische Erscheinung 385 ff.

Wesen 388,

geg

Suchverzeichnis

Photographisches Dosimeternach Behnken 357.

PhotographischePlatte zur Rönt- gendosimetrie 354.

Zuverlässigkeit 357.

Planck-Einsteinsche Gleichung

275.

Plancksche Wirkungskonstante 400.

Plancksches Wirkungsquantum 210.

Platin als Sekundärstrahler 396, 430 ff.

Röntgenspektrum 272.

Pneumokoniose und Miliartuber- kulose im Röntgenbild 141.

Pneumoperitoneum 11.

Polarisation der Streustrahlung 199.

Postoperative Nachbestrahlung des Kollumkarzinom s. Nach- bestrahlung, postoperative.

Primärelektronen, Anzahl 419 s.

auch Elektronen.

Bahnlänge 229, 246.

Emissionsfähigkeit der Ele-

mente 187.

relative Anzahl der schnell-

sten 247.

-- Umsetzung der kinetischen

Energie 228.

und Qualität der absorbierten

Strahlen 406.

Primärstrahlenkegel 334.

Abnahme der Intensität mit

der Entfernung vom Zentral-

strahl 334.

Begrenzung 334.

Darstellung des Intensitäts-

abfalls an der Grenze 346.

Einfluß der Bilendengröße

348.

der Blendennähe 348.

der Kammergröße 345.

Verwischung der Grenzen

durch die Kammergröße 347.

Primärstrahlung, Elektronen-

emission und Wellenlänge

214.

und Elektronenenergie 217 ff.

und Elektronenqualität 219.

und Elektronenrichtung 219.

Wellenlänge und Elektro-

nengeschwindigkeit 234.

Probatorische Bestrahlung 552.

Dosis 553.

Probeexzision beim Kollumkar- zinom 531, 551.

-- Gefahren 531.

Größe 552.

139

Probeexzision beim Ösuphagus- karzinom 670.

Protoplasmaaktivierung und Reizdosis in der Strahlen- behandlung 608.

Pugasche Streuungsrinne 624.

Qualität der Röntgenstrahlung 268.

praktische Bestimmung 268 ff.

Quantenbahnen 212.

Quantenbahn und lonisations- arbeit 214.

Quantgröße und Wellenlänge der Röntgenstrahlen 213.

Quantenhafte Absorption der Röntgenstrahlen 213.

Quantentheorie und Sekundär- strahlung 405 ff.

Quantenzahl 212.

Radiosensibilisierung 554ff.

Radiosensibilität des Kollum-

karzinoms 554 ff.

Bedeutung 584.

Beeinflussung durch Sensibi-

litätsatoren 554.

Schätzung 582.

und histologisches Bild 556.

und notwendige Dosis 582.

und Reifegrad 556.

Radiosensibilität des Ösophagus- karzinoms 707.

Radium, Ausschaltung der

B-Strahlung bei der lonisa-

tionsmessung 317.

biologische Erforschung der

Wirkung 549.

Dosierung 553.

Einfluß der Emanation auf die

Ionisationsmessung 317.

elektive Wirkung 708.

Flächenverteilung bei

Therapie 547.

y-Strahlenpräparate zur Kon-

stanzprüfung des Ionisations-

meßgeräts 317.

Reichweite der

712.

Reizdosis 709.

Tiefendosis 709.

Tiefenwirkung 548ff.

Verteilung auf langer Linie

D50

-- Wirkungsmechanismus 548.

Radiumkontrolle des Ionisations- meßgeräts.

4-Strahlenpräparate 319.

- - Filterung 318.

- ß-Strahlenpräparate 317.

47*

der

y-Strahlen

740

Radiumkontrolle, Nachteile 319, 320.

Präparatgröße 320.

Sättigungsspannung bei der æ- Strahlung 319.

Vorsichtsmaßregeln 318.

Radiumnadeln 577.

Radiumpräparate 679, 695.

Anwendung intravenös 716.

Anwendung per os 715.

bei der ösophagoskopischen Methode 691 ff.

bei der Sondenbestrahlung

679 ff.

Radiumschwielen 590. Radiumsonde nach Einhorn 679. Radiumsonde nach Czerny-Caan

682.

Radiumtechnik 550 s. auch Radiumtherapie. absolute Radiumdosis 567.

Dosierung 553.

Dosierungstabellen 559.

Einheiten 559.

Formen der Radiumträger

571.

Maßeinheiten 557.

Milligrammstunde 558.

physikalische Messung der Radioaktivität 557.

räumliche Anordnung der Präparate 561, 562.

Vereinheitlichung der Dosie- rung 564.

Vergleich der vorliegenden Einheiten 559.

vorbereitende Maßnahmen 551.

Radiumtherapie 545ff.

Absolute Radiumdosis 567.

Anfänge 545, 546.

Applikationsformen 550.

biologische Erforschung der

Wirkung 549.

Rominici Methode 546.

Dosierung 549, 553.

Erythemdosis und Abstand

566.

Erythemzeiten und Abstand

560.

Erythemzeiten und Präparat-

länge 561.

Filterung 573.

Flächenverteilung des

diums 547.

Hartfilterung 546.

mittlere Gebrauchserythem-

dosis 569.

Radiumträger 571 s. Radium-

träger.

Ra-

En ms er a a herr E

Sachverzeichnis

Radiumtherapie, Reizsummation 570.

Streustrahlung und Dosis 563. Technik 550s.Radiumtechnik. Tiefenwirkung des Radiums 548 ff.

Unterschiede der Erythem- dosen 568.

Vergleich der Dosierungsein- heiten 564.

Verwendete Mengen 546. Vollwirkungszeit 570. Wirkung mehrerer Präparate 560.

beim Kollumkarzinom 545 ff. abdominale 581.

Abstand der einzelnen Dosen 570.

Anfänge 546. Anzuwendende Mengen 587. Art der Applikation 578. Berliner Gerät 574. Bestrahlungsgeräte 573. Desinfektion 551. Dominieiröhrchen 546. Dosierung 553.

Dresdener Gerät 575. einstellige Bestrahlung 581. Excochleation 551. Fiebersteigerung 551. Filterung 576.

Fistelbildung 590.

Gefahren 589ff. Hartfilterung 546. Heidelberger Gerät 573. historische Entwicklung 545ff. Indikation 587.

Indikation für die einzelnen Methoden 588.

Indikation und Gruppenein- teilung 588.

Karzinomdosis 555. kombiniert mit Röntgenbe- strahlung 587 s. kombinierte Röntgenradiumtherapie. Kontraindikation 587. Kreuzfeuerbestrahlung 574, 581.

Maßeinheiten der Radioakti- vität 557.

Münchner Gerät 575. Nachwirkungszeit 570. Notwendige Dosis 582.

Ort der Applikation 578. parametrane Applikation 580. periphere Applikation 579. Praxis und Durchführung 582. primäre Mortalität 589.

-- Probebestrahlung 552. Probeexzision 551.

Radiumtherapie, Radiosensibili-

sierung 554ff.

Radiosensibilität 554 ff.

Radiumnadeln 577.

Radiumschmielen 590.

Radiumzellen 578.

rektale Applikation 580.

Rektumdistanz und Dosis 583.

Schädigungen 589ff.

Schätzung der Radiosensibi-

lität 582.

Spätschädigungen 591.

Spickmethode 577.

Technik 550 s. Radiumtech-

nik.

und Allgemeinzustand 586.

und Gruppeneinteilung 582.

unterbrochene Dickfilterung

576.

urethrale Applikation 579.

vaginale Applikation 580.

verzettelte Dosis 570.

vesikale Applikation 52.

vorbereitende Maßnahmen

Zeitproblem 570. (551.

zentrale Applikation 579.

Radiumtherapie bei Ösophagus- karzinom 677ff.

Bestrahlungszeit 713.

Blutungen 711.

charakteristische Eigenstrah-

lung 712.

Dosierung 713.

Entwicklung 677.

Filtermaterial 712.

Fixierung 707.

Gefahren 710.

histologische Veränderungen

708.

Methoden 690 ff.

Methode der Wahl 695.

Methode des Leitfadens 694.

mittels Ösophagoskops 690.

moderne Bestrahlungsweise

707.

Nachbehandlung 714.

Perforation 711.

Reizdosis 709.

richtige Lokalisation 707.

seitherige Erfolge 677ff.

seitherige Methoden 677£f.

Sondenbestrahlung 678 s.

Sondenbestrahlung.

Vermeidung von ß-Strahlen

712.

Wiederholte Bestrahlung 714

Radiumträger 571, 679, 682, 695.

Filter 573.

Formen 571.

Konstruktion 573.

——

Radiumzellen 578.

Raumdosis bei der Röntgen- therapie 616.

Rektoskop 76.

Reichweite 76.

Rektum und Kollumkarzinom 536.

Regeneration des Hodens 448ff., 511.

Definition 511.

Verlauf 518.

Reifegrad des Kollumkarzinoms 556 ff.

und Radiosensibilität 556.

Reine Luftionisation 188, 244.

Vorbedingungen für die Mes- sung 244. i

Reizdosis in der Strahlentherapie 607.

Reizdosis und Protoplasmaakti- vierung 608.

Reizsummation bei der Radium- therapie 570.

bei der Röntgentherapie 606.

Rekombination von Ionen 184.

Ausschaltung 185.

Repopulation des Samenepithels 448ff., 511.

Definition 511.

Verlauf 518.

Restitution des Samenepithels

464.

Beginn 465.

Geschwindigkeit 470.

Grenzdosis 479.

und Depopulation 464.

und Repopulation 511.

Zeitpunkt 470.

Rezidivbildung beim Kollum- karzinom 542.

Diagnose 542.

Zeitpunkt 542.

Rezidivgenese beim Kollum- karzinom 645. Röhrenspannung, Bestimmung

durch die Grenzwellenlänge 160.

und charakteristische Eigen- strahlung 165, 225.

Röntgenabteilungen, SET

Wahl der Räume 379.

zweckmäßige Anordnung 377, 378.

Röntgenatrophie 445ff.

Ablauf 446.

dauernde Atrophie 471.

Dauersterilisation 472.

Dosis und Latenz 450ff.

Anlage

des Hodens

Sach verzeichnis Röntgenatrophie, Einfluß der Dosis 47dft. einmalige Bestrahlung 483ff. Entwicklung des Begriffs 445. fraktionierte Bestrahlung 483. Früheffekt 449ff.

Früheffekt bei großer Dosis 450.

Früheffekt bei kleiner Dosis 453.

heredozelluläre Schädigung 466.

Histogenese, ältere Anschau- ung 445.

Hodennekrose 454.

Koagulationsnekrose 454. Kolliquationsnekrose 455. Lähmungsdosis der Spermio- gonien 467.

—- Latenzzeit 491, 520 s. La- tenzzeit.

menschlicher Hoden 458. Mitosen 448, 507 s. Mitosen. Primäreffekt 518, 520.

Regeneration 448ff. s. Re- generation.

Repopulation 448ff. s. Re- population.

Restitution 464ff. s. Resti- tution.

Röntgenempfindlichkeit 447. Schema 490.

Sekundäreffekt 520. Sertolizellen 511. Spermiogonien, Veränderun- gen 450.

Stadien der Depopulation 457 s. Depopulation. Stadieneinteilung 469.

und Steinach-Operation 488. und Verjüngung 488.

und Zellsensibilität 519. und Zwischenzellen 447 s. Zwischenzellen.

Verhältnis zur gewöhnlichen Atrophie 481.

Verhalten des Samenepithels 486 8. Samenepithel. Verhalten der Spermiden 481. Verhalten der Spermiogo- nien 479.

Verlauf 449ff., 519f£.

ältere Anschauung 446. --- bei großer Dosis 450. bei kleiner Dosis 453. bei sehr großer Dosis 454. verzettelte Dosis 486.

Röntgenhoden 443 ff. s. Röntgen- atrophie der Hoden.

741

Röntgenhoden, als isolierte Pu- bertätsdrüse 443, 447.

Entwicklung des Begriffs 445.

Histogenese 445ff.

Röntgenbefund bei der Miliar- tuberkulose 134, 135ff. s. Röntgenbild.

Röntgenbild bei der Miliartuber- kulose 134, 135ff.

Abbildung plattenferner

Herde 136.

Aufnahmetechnik 135.

bei akutester Miliartuberku-

lose 137.

Charakteristika 134.

Differentialdiagnose 138.

Größe der Herde 135.

Schattenverteilung 139.

Täuschungen 138.

Theorie des Röntgenbefundes

137.

und ausgeheilte Miliartuber-

kulose 141.

und Diagnose 134.

und verschiedene Formen

136.

Zeitpunkt des positiven Rönt-

genbefundes 138.

Röntgenbild der Knochenatro- phie120ff.s.Knochenatrophie.

Gitterwirkung der Spongio- samaschen 124.

Röntgendiagnose des Ösophagus- karzinoms 669.

Bestimmung der unteren Tumorgrenze 669.

Durchleuchtung 669.

Röntgendiagnostik der Dick-

darmtumoren 1ff. Allgemeine Symptome 30. anatomische Grundlagen 11. Darmblähung 35. Darmkontur 13. Dehnungsfähigkeit des Dar- mes 16. Dichte des feldes 16. Durchleuchtung 5. Durchleuchtung oder nahme 6, 12. Entwicklung 4. Füllungsdefekt 31. Gefahren 20. Geschwülste des Coecum und Colon ascendens s. Coecum und Colon ascendens usw. gestielte Tumoren 31. Größe des Tumorstiels 31. Indikation 18.

kombinierte Methode 8, 9.

Darmkontrast-

Auf-

742

Röntgendiagnostik, Kontrast- einlauf 5, 17. Kontrastmahlzeit 4, 17. Kontrastmischungen 5. Kontur bei verschiedenen Untersuchungsmethoden 14. Kritik der Methoden 21. Methoden 4, 8ff.

Methode der Luftaufblähung 2. Nachteile 17.

spezielle Diagnostik 37ff. Stauung des Kontrastinhaltes 34. Ä Stierlinsches Symptom 32 8. Stierlin.

Täuschungsmöglichkeiten 13. Technik 4.

Ulkussymptome 36.

Vorbereitung 6.

wiederholte Füllung 7.

Röntgendosimeter nach Siemens 305.

Röntgendosimetrie 353ff. s. Ioni- sationsmessung.

Bestimmung durch Fluores- zenzhelligkeit 358.

Folienfaktor 356.

Fürstenau-Intensimeter 353.

Leitfähigkeit der Selenzelle 353. |

photographisches Dosimeter nach Behnken 357.

photographische Messung 354.

Sabouraud-Noir6-Tablette 358.

Röntgendurchleuchtung beim Dickdarm 12 s. röntgeno- logische Diagnostik des Dick- darms.

Röntgenempfindlichkeit, allge- mein und Reizempfindlichkeit des Gewebes 447.

der Spermiozyten 487 s. Samenepithel.

der Spermiogonien 487 s.

Samenepithel.

des Hodens und maligne

Tumoren 448, 488.

der Mitosen.

Ergebnisse 509.

Sekundäreffekt 508.

Zeitpunkt der Unter-

suchung 508.

des Samenepithels 479.

Röntgenenergie 268.

Einheit 268.

-— Umformung bei Absorption 223.

Sachverzeichnis

Röntgenenergie und lonisatior. bei gleicher Wellenlänge. und lonisation bei verschie-

dener Wellenlänge 260.

Unsicherheit 261, 268.

Verschiedenheit bei gleiche:

Ionisation 267.

Vorteile der Energiemessung 268.

Röntgenerythem 615.

Schwankungen 615.

wellenförmiger Ablauf 615.

Röntgenfluoreszenz 388.

Röntgenschädigung, latente der Spermiogonien 457.

Röntgenschutzanlagen, moderne 376.

Röntgensches Absorptionsgeset7 323.

Röntgensensibilisierung 609.

Röntgensensibilität 609.

Röntgenspektralapparate 154.

Lochkameramethode nach Seemann 155.

Methode des Drehkristalls nach Wagner 154.

—- Röntgenspektrometer 156.

Spektrograph nach Seemann 154.

-— Transmissionsmethode 156.

Röntgenspektrometer vonMarch, Staunig und Fritz 156.

Röntgenspektroskopie, Bedeu- tung 173.

Bestimmung der kürzesten Wellenlänge 157.

Ergebnisse 158ff.

Methoden 154ff.

und Absorptionssprung 172.

Röntgenspektrum, Erzeugung durch Kristalle 153.

Röntgenspektrum, kKontinuier-

liches s. kontinuierliches

Röntgenspektrum 158.

Begrenzung 159.

Grenzwellenlänge und Röh-

renspannung 160.

Intensitätsverteilung 159,161.

und Antikathodenmate-

rial 161.

lonisationsmessung 159.

Richtungsabhängigkeit 162.

Röntgenspektrum, Theorie 153.

und Ordnungszahlen der Ele- mente 211.

verschiedener Metalle 272ff.

Röntgensterilisation 472, 474.

Röntgenstrahlen, Absorption 169. 191ff., 213ff., s. Absorption von Röntgenstrahlen.

Röntgenstrahlen,

~

Absorption, Berechnung für Luft 195. Absorptionsgesetz 193. Absorption, quantenhafte 213.

Vermehrung 394 s. Ab- sorption der Röntgenstrahlen. Aspezifität 478.

Berechnung der Schwächung für chemische Verbindungen 195.

für Elemente 191.

für Luft 195, 196. Berechnung der Streuung für Luft 195.

Dosisbegriff 603. Dosismessung 629.

direkte 629.

indirekte 629.

Dosisstufe 610. Einfluß des 285.

der Netzspannung 284. Emission 213ff., 224ff. Erzeugung von Beugungs- bildern 149.

Homogenität, praktische 326. Homogenitätspunkt. Intensität und Sättigungs- spannung 309.

Ionisation und Absorption 189.

Latenz und Dosis 479. Messung sehr schwacher 188. Notwendigkeit der Regu- lation der Netzspannung 284. Primärstrahlenbündel 334 s. Primärstrahlen. Primärstrahlenkegel 345ff. _. Primärstrahlenkegel. Regulation der Netzspannung 284. |

Relativität der medizinischen Strahlendosis 605. Reproduzierbarkeit 283. Schwächung 191ff.

Dauerbetriebs

Abhängigkeit von der Wellenlänge 192. Schwächungskoeffizient

191 ff.

Bestimmung 191.

Tabelle für diesen 192. Strahlungsdruck 201. Streuung 191ff. Streuungskoeffizient 193,194. Berechnung 194. Toleranzdosis 367. Verhältnis der gestreuten zur absorbierten Energie für Luft und Wasser 197.

Röntgenstrahlen, Verhältnis zur

Lichtstrahlung 199.

weiche, Einfluß der Luftab-

sorption 285.

Wellenlänge und lIonisation

189.

und relative

von Gasen 190.

Wesen 149, 209.

Röntgenstrahlengemisch, Homo- genität, praktische 326.

Homogenitätspunkt 326.

Röntgentechnik 598ff.

beim Ösophaguskarzinom 676.

Dosierung der Röntgen-

strahlen 602.

Felderwähler nach Holfelder

621.

Härte der Strahlung 611.

Homogenität der Röntgen-

strahlung 611.

Intensitätsmessung 612.

Maßeinheiten 611.

Standarddosimetrie 613.

Röntgentheorie und Röntgen- praxis 605.

Röntgentherapie 595.

Röntgentherapie des Kollum-

karzinoms 595 s. auch Rönt-

gentherapie.

absolute Heilungsziffe:

659.

allgemeine

599.

allgemeine Dosierung 642.

allgemeine Prognose 599.

als biologisches Problem

597, 606.

als physikalisches

blem 597.

ambulante Behandlung

602.

Apparatur 622.

Bestrahlung der

metrien 633.

Bestrahlungsmethoden

626.

Dosierung 602.

Dosierung, : ungenügendc

608.

Dosismessung 629.

Einstellgeräte 623.

Erfolge 650.

Erytliemdosis 615.

Homogenbestrahlung 626 s.

Homogenbestrahlung.

Intensitätsverteilung 617.

Karzinomdosis 602, 603, 642.

Kritik 641, 647.

Komplikationen 651.

Ionisation

Beurteilung

Pro-

Para-

Sachverzeichnis

Röntgentherapie, Chaoul 624.

Methode Dessauer-Warnekror , Gefahr

636.

Nachbehandlung 638. Methode Krönig - Friedrich-

Opitz 635. ' Methode Lahm 639. Feldgröße 639. | Feldverteilung 639. Methode Martius 638. Methode Rahm 625. Methode Seitz-Wintz 630. Felderwähler 632. | Gefahren 631. | Nachbehandlung 634. Technik 632. Verkupferung 631. Vorbehandlung 630. Physikalische Dosis 616. Postoperative Nachbestrah- lung 643 s. Nachbestrahlung, postoperative. Pugasche Streuungsrinne 624. Raumdosis 616.

623,

Reizsummation 606. Röntgenröhre 622. Röntgensensibilisierung 609. und Allgemeinzustand 614. und Bindegewebe 654. Schädigungen 651.

Statistik 655ff. Strahlensammler nach Chaou! 624.

Streustrahlenzusatz 618. Technik 598 s. Röntgen- technik.

Teilbestrahlungen 609, 629. Umbauverfahren 625.

Veränderungen des Reife- grads 653.

Verkupferung 631.

verzettelte Dosis 606.

vorbereitende Maßnahmen 598.

Vor- und Nachbehandlung

642.

Wiederholungen der Bestrah- lungen 641.

Zeitfaktor 614, 628. Röntgentherapie des Ösophagus- karzinoms 672. Aussichten moderner strahlungsweise 675. Dosierung 675. Entwicklung 672. Erfolge 676, 677, 718.

Be-

Methode `

Refraktäre Fälle 651. | Reizdosis 607. |

143

Röntgentherapie, Erfolge, seit- herige 672, 674.

der Kehlkopfnähe 675.

Intensivbestrahlung 676.

Karzinomdosis 675.

Methoden, moderne 675.

seitherige 672.

Schädigungen 675, 677.

Schmerzlinderung 677.

Schwierigkeiten 675.

Statistik 673.

Streustrahlung 675.

Technik 676.

und Intubation 674.

Entwicklung 595, 672.

Erfolge 595.

Technik 598ff. s. Röntgen-

technik.

| und Sensibilisierung 597.

Röntgen- und Radiumbestrah- lung, kombiniert beim Kol- lumkarzinom 587 s. kom- binierte Röntgen-Radiumbe- strahlung.

Rückstoßelektronen 409.

Anteil an der Gesamtionisa-

tion 205.

Austrittsrichtung 205ff.

Bahnlänge 206.

Effekt 435.

Elektronenstrahlung 435.

experimentelle Prüfung der

Austrittsrichtung 205.

der Geschwindigkeit 205.

der Häufigkeit 205.

Geschwindigkeit 205ff.

Häufigkeit 205ff.

Ionisationswirkung 207.

und Sekundärstrahlenthera-

pie 435.

und Wirkungssteigerung 410.

Rückstoßgeschwindigkeit und Härte der Strahlung 202.

Rückstoßrichtung bei der Streu- ung 202.

Rutherfords Atommodell 210ff.

Rydbergsche Konstante 220.

Sabouraud-Noir6-Tablette 358. Verwendung in der Ober- . flächendosis 359. Sättigung bei der lonisations- messung 2%. Sättigung, notwendige nung 185. Sättigungskurve 185, 310. Sättigungsprüfung bei der Ioni- sationsmessung 309.

Span-

744

Sättigungsprüfung bei vorge- schriebener Kammerspan- nung 310.

durch lonisationskurve 311.

Sättigungsspannung, Intensität 309.

Prüfung bei beliebiger Kam- merspannung 309.

Intensitätsmessung 309.

und lonisation 310.

Sättigungszustand bei der Ioni- sation 185.

Samenepithel.

Anatomie 449.

Entstehung aus Sertolizellen

516.

Lähmung der Spermiogonien

519.

Röntgenempfindlichkeit der

einzelnen Elemente 479, 486.

Röntgenempfindlichkeit der

Spermiogonien 487.

und Zwischenzellen 493.

Verhalten bei der Röntgen-

atrophie 486.

zahlenmäßiges Verhältnis zu

den Zwischenzellen 503.

Samenkanälchen im Hoden 449.

Sarkom des Dickdarms 23.

Schädigungen bei der Röntgen- therapie des Ösophaguskarzi- noms 675, 677.

Schalenanordnung der Elektro- nenbahnen 212ff.

Schultz-Arndtsches Gesetz 549.

Schutzelektroden 238, 214.

Schutzhaus 375.

Anordnung 376ff.

Schutzringprinzip bei der Ioni- sationsmessung 297.

Schutzstoffprüfung 371ff.

Ergebnisse 372.

Materialdicke 371.

relative Schutzwirkung gegen- |

über Blei 372ff. Versuchsanordnung 372.

Schutzwirkung, Berechnung der Schwächung der Primärstrah- lung 373.

Bleiglasscheiben 379.

Gleichmäßigkeit 374.

relative gegen Blei 372ff.

und bestrahlte Fläche 371, 373.

Schwächung der Röntgenstrah- lung 170, 191ff., 367.

Abhängigkeit von der Wellen- länge 192.

Sachverzeichnis

Schwächung bei nicht homoge- ner Strahlung 368.

Berechnung für chemische Verbindungen 195.

Berechnung für Elemente191.

Berechnung für Luft 195, 196.

Schwächungskoeffizient 170,

191 ff., 367.

Bestimmung 191.

Glockersche Formel 193, 195.

Tabelle 192.

und Atomzahl 368.

und Wellenlänge 368.

zur Bestimmung der mitt- leren Härte 325ff.

Schwangerschaft und Kollum- karzinom 599.

Sekundärelektronen, Absorbier-

barkeit 390.

Anzahl 227.

beim Bremsvorgang 229.

Emission 226.

Geschwindigkeit 226.

Reichweite 391.

Sensibilisierung 396.

Sekundärstrahlen, Qualität und biologische Wirkung 437.

Sekundärstrahleneffekt 435.

Sekundärstrahlenemission 404.

Sekundärstrahlenemissions- koeffizient 411ff.

Sekundärstrahlensensibilisierung

3s9I ff., 409ff., 429.

als Elektronenwirkung 433ff.

biologische Untersuchung429.

Entwicklung 389.

Entwicklung der Theorie 389.

Erfolge 391 ff.

Ergebnisse 429ff.

Größe 433.

klinische Beobachtung 394.

Theorie 409ff.

Versuchsanordnungen 429.

Wirkungsweise 3Y0 ff.

Zusammenfassung der Ver- suche 397.

Sekundärstrahlentherapie, Ent- wicklung 389ff.

Erfolge 391 ff.

Ergebnisse 435.

Grenzen 436.

klinische Beobachtung 389 ff.

praktische Erfolge 435, 437.

und Rückstoßelektronen 435.

Zusammenfassung der Ver-

suche 397.

Sekundärstrahlenwirkung, nische Untersuchung 386.

Sekundärstrahler 389ff.

——

een

bei homogener Strahlung 368. | Anordnung 436.

kli-, -

Sekundärstrahler, Applikations- formen 390ff., 436. Atomgewicht 390ff.

Auswahl 391.

diffus verteilte 421ff.

Eisen 392, 430.

Gold 396, 430ff.

Jod 392, 430.

Iontophorese zur Applikation 397.

Konzentration 437. Kolloidmetalle 391, 430. Kupfer 397, 430ff.

massive 411ff.

Metallsalze und reine Metalle 396. pharmakologische 438.

Platin 396, 430ff. Silber 390, 430. Thoriumnitrat 395. Untersuchung im Wasser- phantom 425.

Urannitrat 429. Verteilungsform 410. Wolfram 426, 429.

Zink 391. 431. Sekundärstrahlung 369, 389 ff. Arten 369. Ausnutzung platten 428. Bedeutung für den Strahlen- schutz 375.

bei diffuser Verteilung des Sekundärstrahlers 422.

der Emergenzseite 414ff.

der Emergenzseite in Ab- hängigkeit von der Wellen- länge 415.

der Emergenzseite Intensität 415.

der Inzidenzseite 411 ff.

der Inzidenzanteil an der Ge- samtdosis 414.

der Inzidenzseite in Abhängig- keit von der Wellenlänge 414. der Inzidenzseite Intensität 41d ff.

der Inzidenzseite relative Größe 414.

Gefährlichkeit 375.

Größe 423.

MeBmethoden 423. Nachweis 423. quantentheoretische Berech- nung 417.

Tiefenwirkung 422.

und Absorption der Primär- strahlung 418.

und Atomzahl 424.

Wirkung

für Röntgen-

.—

Sekundärstrahlung und Elektro- nenstrahlung im Verhältnis zur lonisation 423.

und Quantentheorie 405ff.

und Streustrahlung 426.

Zustandekommen 398.

Selenzelle 353.

Senile Atrophie des Knochens 114 s. Knochenatrophie. Sensibilisierung, chemische 388. und Röntgenfluorezsenz

388.

Wesen 388.

mit fluoreszierenden Sub-

stanzen 386 ff.

Erfolg 386 ff.

Vorgehen 386 ff.

mitSekundärstrahlens.Sekun-

därstrahlensensibilisierung.

optische 385.

physikalische als Elektronen-

wirkung 432 ff.

Größe 433ff.

und Atomzahl des Sekun- därstrahlers 430ff.

und Fluoreszenz 388.

--- Verhältnis physikalischer zu

chemischer 386.

Zeitpunkt vor der Bestrah-

lung 386.

Sensibilitätskoeffizient 268.

Sertolizellen 450.

Bedeutung 521.

Bedeutung bei der Regenera-

tion 511.

Bedeutung bei der Repopu-

lation 511.

Bedeutung bei der Restitution

511.

Charakteristika 513.

innere Sekretion 518.

regressive Metamorphose 515.

Umwandlung zu Spermio-

gonien 516.

Siemens-Dosiszähler 630.

Siemens- Röntgen-Dosismesser 305.

Konstanzprüfung 307.

Sigmaschlinge, entzündliche Tu-

moren der, Diagnose 83.

Differentialdiagnose 84, 86.

Divertikulitis 84.

Krankheitsbilder 77ff.

Röntgenbefund 77ff.

röntgendiagnostische

nik 77.

Schwierigkeiten der Diagnose

76.

Sigmoiditis 85.

Topographie 76.

Tech-

Sachverzeichnis

Sigmoiditis 85.

Silber als Sekundärstrahler 390, 430ff.

Sinapis 450, 452.

Sonde ohne Ende, Dilatation des Ösophaguskarzinoms 715. Sondenbestrahlung beim Öso-

phaguskarzinom 678.

Anwendbarkeit 678.

Auswahl der Fälle 680.

Czerny-Caansche Radium-

sonde 682.

Einhorns Radiumsonde 679.

-— Erfolge 680f., 683, 687.

Erfolge der Franzosen 680 ff.

fehlerhafte Applikation 686.

Fixation der Sonde 690.

Indikationsbereich 690.

Indikationsstellung 680ff.,

686 ff.

—- Kritik 685.

Mediastinitis 685.

Methoden 678.

Nachteile 685.

Perforationsgefahr 687.

Präparate 678.

Sondenreiz 686.

Statistik 680, 688.

Vorteile 678.

Sondierung beim Ösophagus- karzinom 670.

Sondierung ohne Ende, Appli-

kation des Radiumträgers 696.

Auffischen des Fadens 695.

Einzelheiten 695.

Erfolge 697, 700.

Heilungsverlauf 700.

Hilfsmittel 695.

Krankengeschichten 700.

Radiumpräparat 695.

Statistik der Resultate 697 ff.

Spätschädigungen bei der Ra- diumtherapie 591.

Spannungseichung des Elektro- meters 311.

bei der Ionisationsmessung 309.

Spannungssteigerungund Schutz- wand 368.

Spektralanalyse im Röntgen- strahlengebiet 166 s. Röntgen- spektroskopie.

Spektralapparate für Röntgen- strahlen 154 s. Röntgen- spektralapparate.

Spektrograph für Röntgenstrah- len nach Seemann.

Beurteilung 162.

| Methoden 154ft.

145

Spermiden 450.

Röntgenempfindlichkeit 481.

Verhalten bei der Röntgen- atrophie 481. Näheres s. Samenepithel.

Spermiogenese, normale Dauer 476.

und Röntgenstrahlung 449 ff.

Spermiogonien.

Bedeutung bei der Depopula-

tion 459ff.

Entstehung aus Sertolizellen

516.

erste Veränderungen bei Rönt-

genbestrahlung 450

Lähmung 467, 519.

Lähmungsdosis 467.

latente Röntgenschädigung

457.

Röntgenempfindlichkeit 479. Zellteilungsgeschwindigkeit 468.

Spickmethode bei der Radium- behandlung 577.

Spongiosamaschen, Gitterwir- kung bei Bucky-Effekt 124.

Knochenaufnahme 124.

Spontanheilung des Kollumkar- zinoms 555.

Standarddosimetrie 261 ff., 613.

Einheit 265, 267.

Empfindlichkeit 265.

Gerät 264.

Konstruktion des Geräts 269.

und Energiemessung 268.

Vorteile 264.

Standardgerät 264ff.

Gesichtspunkte bei der Kon- struktion 270.

Konstanz der Empfindlich- keit 271.

Konstruktion 269.

Maße 269.

Statistik des Kollumkarzinoms 538 ff.

der einzelnen Gruppen 539.

der operablen Fälle 540.

Statistik des Ösophaguskarzi- noms 680.

bei Sondenbestrahlung 688.

-— bei Sondierung ohne Ende 697 ff.

Statistik der Strahlenbehand- lung des Kollumkarzinoms 655.

prophylaktischeNachbestrah- lung 659.

Radiumbestrahlung 655.

Radium-Röntgen-Kombina- tion 658.

47 (2)

746

Statistik, 657.

Statistisches Material für die Be- handlung des Kollumkarzi- noms 538ff.

Stauung und akute Knochen- atrophie 117.

Steinoperation und Röntgen- atrophie des Hodens 488.

Stierlin-Symptome 32.

Bedeutung 33.

Erklärung 32.

und Resektionspräparat 33.

Röntgenbestrahlung

Stierlins Ascendens-Obstipation 66.

Stoppuhr 314.

Ablaufzeit 314.

Prüfung 314.

Strahlensammler nach Chaoul 624.

Sachverzeichnis

Strahlentherapie, Radiumthera- pie s. Radiumtherapie des Kollumkarzinoms 54hff.

Rezidivbehandlung 544.

Röntgentherapie des Kollum-

karzinoms s. d. 595.

Schädigungen 543.

Schmerzlinderung 544.

und Lebensverlängerung 541.

und Metastasenbildung 543.

und Rezidivbildung 542.

Strahlentherapie des Ösophagus- karzinoms 665ff.

Radiumtherapie 677 s. d.

Röntgentherapie 672 s. d.

Strahlenwirkung, biologische.

Steigerung durch Sekundär- strahlenwirkung 422.

Strahlung, charakteristische 219ff., 224ff. s. charakteri- stische Strahlung.

Strahlenschädigung beim Kol- | Berechnung 221.

lumkarzinom 543.

Strahlenschutz 367. -- Bedeutung der strahlung 375.

-- durch strahlensichere Röh-

renanordnung 379. gegen direkte Bestrahlung 369. -- gegen indirekte Bestrahlung 369. -- Gesichtspunkte 375. Notwendigkeit 367. physikalischeGrundlagen 367. - Schutzstoffprüfung 371, Nä- heres s. Schutzstoffprüfung. Schutzwirkung undbestrahlte Fläche 371. Strahlenschutzeinrichtungen 374- Anforderungen an diese 375. —- Schutzhaus 375.

Sekundär-

Strahlenschutzwand, Effekt der! _

Wanddicke 369.

Schwächung der Wanddicke 368.

und Spannungssteigerung 368.

Strahlensichere Bestrahlungsge- räte 379.

Konstruktion 380.

Strahlentherapie, physikalische Grundlagen 398.

Strahlentherapie des Kollum- karzinoms. -—- Angriffspunkt der Strahlen-

wirkung 545.

-- Besserung der Operabilitäts- |

ziffer 544. -- Einwände 544.

und Röhrenspannung 225.

Wellenlänge 221.

Strahlung, elektromagnetische 209.

Strahlungsdruck 201.

Streustrahlenzusatz bei der Tie- fentherapie 618.

Streustrahlung 238, 369, 408, 409.

Absorption 238.

am Körper des Patienten 380.

Anteil an der Ionisation 408.

Ausschaltung 239, 240.

bei der Behandlung des Öso-

phaguskarzinoms 675 s. Rönt-

genbehandlung des Ösopha-

guskarzinoms.

Bestimmung der Größe 339, |

Größe 338.

Härte 398.

Härte im Verhältnis zur Pri-

märstrahlung 370.

Häufigkeit der Streuungsvor-

gänge 409.

Intensität und Wellenlänge der Primärstrahlung 370.

Polarisation 199.

prozentualer Verlauf 340.

relative Intensität 200.

Richtung 200.

und Elektronenzahl 198ff.

und lonisation 207.

und Schwächung 340.

und Sekundärstrahlung 426.

Verhältnis der Wellenlänge

zur Primärstrahlung 201ff.

Verhältnis zur absorbierten

Strahlung 239.

Wellenlänge 409. |

Streustrahlung, Zusatzstrahlung 334. Streuung von Röntgenstrahlen ‚191ff,. 403. Abnahme der Härte Primärstrahlung 201 ff. an der Luft 238. an der Kammerwand 238. an freien Elektronen 201. an gebundenen Elektronen 198. Berechnung für Luft 195. echter Absorptionskoeffizien- ten 203. experimentelle Prüfung der Wellenlängenänderung 203. Richtung des Rückstoßes 202. Richtung der Streustrah- lung und Wellenlängenände- rung 202. und Absorption im Gewebe 409. und Absorption in Abhängig- keit von der Wellenlänge 409. Verhältnis der gestreuten zur absorbierten Energie 197. Vernachlässigung der Luft- ionisation 239. Zusammensetzung aus ein- zelnen Faktoren 203.

Streuungskoeffizient von Rönt- genstrahlen 170, 193, 239, 370, 403.

Abhängigkeit von der Wellen- länge 197.

Berechnung 194.

der

echter 203. und Wellenlänge 170, 202. Streuungsvermögen, Abhängig-

keit von der Dichte 199.

relatives von Elementen 199.

von Verbindungen 199.

Streuungsvorgänge, Häufigkeit. 409.

Struktur, histologische des Kol- lumkarzinoms 534.

Sudecksche Knochenatrophie 102ff., 116ff. s. Knochen- atrophie, akute.

Sympathektomie und Knochen- atrophie 113.

Sympathische Erkrankungen des Knochenmarkes 116.

Tamponschlauch bei Insuffizienz des Musculus sphincter ani 7.

Tantalröntgenspektrum 272.

Tenotomie und Knochenatro- phie 112.

Sachverzeichnis

Teilbestrahlungen bei Behand- | Trägerzahl, sekundäre 229. lung des Kollumkarzinoms ! tertiäre 229.

629.

Temperatureinfluß auf die Ioni- sation durch Röntgenstrahlen 185.

Therapie des Kollumkarzinoms 545ff.

Besserung der Operabilitäts-

ziffer 544.

Gesichtspunkte 538.

inoperable Fälle 540.

Therapieschädigungen 543.

und Lebensverlängerung 542.

und Rezidivbildung 542.

Therapie des Ösophaguskarzi- noms 665 s. Strahlentherapie.

ThoriumnitratalsSekundärstrah- ler 395, 611.

Tiefendosis 332ff.

bei der Bestrahlung des Ho-

dens 476ff.

Berechnung 333.

Dosenquotient 332.

Einfluß der Dichte 341.

der Filterung 338.

der LängedesMeßkammer-

stifts 344.

-— der Meßkammergestalt 344.

der Meßkammergröße 344.

des Brennfleckabstandes 337.

des Meßkammermaterials

344.

des Mediums 341.

Fehlerquellen bei der Messung

333ff., 342ff.

Felderwähler von Holfelder

350.

Messung 332 ff.

im Wasserphantom 336.

praktische Messung 349.

prozentuale 331 ff.

zur Bestimmung der mitt-

leren Härte 331.

Brauchbarkeit 332.

räumliche Verteilung 345.

und Röntgenmaschine 341.

Verlauf der Intensitätsab-

nahme 349,

Tiefenwirkung des D48 ff.

beim Ösophaguskarzinom709.

Toleranzdosis für Röntgenstrah- len 367.

Träger 183.

Wertigkeit 183.

Trägerzahl der Ionisationskam-

mer 315.

Radiums

Veränderungsmöglichkeiten 315.

Transmissionsmethode zur Spek- troskopie der Röntgenstrah- len 156.

Trophische Einflüsse und Kno- chenatrophie 111.

Tuberkelbazillen, Virulenz und Formen bei der Miliartuber- kulose 134.

Tuberkulose des Dickdarms 24.

Ulkussymptome bei Dickdarm- tumoren 36. Ureter und Kollumkarzinom 536.

Vagina und Kollumkarzinom 535.

Valvula ileocoecalis, abnorme Lage 38.

Vasomotorische Störungen und Knochenatrophie 110, 111, 112, 113.

Verjüngung durch Röntgenatro- phie des Hodens 488.

Verzettelte Dosis bei der Radium- therapie 570.

bei der Röntgentherapie 606.

beim Hoden 486.

Voltgeschwindigkeit 224.

Wandstrahlung 234.

Größe 234.

relative Größe für verschiede- nes Material 235.

und Luftionisation 236.

Zunahme mit der Härte der Primärstrahlung 236.

Wandwirkungsbeitrag 231, 235.

Anteil der Vorder- und Hin-

terwand 235.

Ausschaltung durch Schutz-

elektroden 238.

bei der Fingerhutkammer

242ff.

bei der großen lonisations-

kammer 231 ff.

mechanische

237 ff.

Messung 232.

Wasserphantom 336 ff.

Verteilung der Dosis mit der Abnahme vom Zentralstrahl 345 s. Zentralstrahl.

zur Messung der Tiefendosis 336.

Wellenlänge der Röntgenstrahlen 153, 191ff.

Ausschaltung

747

WellenlängederRöntgenstrahlen,

Abnahme der Härte bei der

Streuung 201ff.

Bedeutung für die Dosismes-

sung 271. |

Berechnung aus dem Glanz-

winkel 153.

Bestimmung der kürzesten

Wellenlänge 157.

Bestimmung durch die Flu-

oreszenzstrahlung 168.

der charakteristischen Strah-

lung 219.

und Absorptionskoeffizient

170.

und lonisation 189.

und Quantgröße 213.

und relative lonisation von

Gasen 190.

und Schwächung 191ff.

und Streuung 197.

und Streuungskoeffizient 170,

202.

Verhältnis von Streuung zu:

Absorption 194.

Wellenlängenänderung, Bestim- mung durch Absorptionsmes- sung 203.

durch Spektralmessung 203.

und Richtung der Streustrah- lung 202.

Wellenstrahlung, sekundäre 411 s. Sekundärstrahlung. elektromagnetische 153.

Wintz- und Rump-Dosimeter 358.

Wirbelsäule als Prädilektions- stelle der Knochenatrophie 105.

Wirkungsausfall 231 ff.

-- bei der Fingerhutkammer 242,

-- bei der großen lIonisations- kammer 231ff.

- - mechanische 237 ff.

Messung 232.

Wirkungskonstante von Planck 400.

Wirkungsquantum 210.

Wirkungssteigerung durch Rück- stoßelektronen 410.

Ausschaltung

Zellsensibilität gegen Röntgen- strahlen 519.

Zellteilungsgeschwindigkeit 468.

und Röntgenstrahlen 468.

Zellzerfall beim Karzinomzerfall 652.

748

Sachverzeichnis

Zentralstrahl, Verteilung der Do- | Zusatzstreustrahlung und Schwä- | Zwischenzellen als Pubertäts-

sis in der Umgebung 345. Darstellung 345.

Zerstreute Strahlung 369 s.Streu- strahlung.

Ziegelmauer, Schutzwirkung 374.

Zink als Sekundärstrahler 391, 431.

Zirkulationsstörungen im Kno- chenmark 117.

Zusatzstreustrahlung, Abschir- mung durch den Meßkammer- träger 343.

-— Bestimmung 339.

-- Größe 338.

-- prozentualer Verlauf 340.

chung 340.

Zweckmäßige Gruppierung der

Bestralllungsräume 377, 378.

Zweielektrometermethode 289. Anwendungsgebiet 289. konstruktive

Voraussetzun- gen 290.

Vorteile 289. Zweifadenelektrometer nachWulf

301. -

Zwischengewebe und Zwischen-

zellen 496.

Zwischenzellen des Hodens 449,

493.

absolute Vermehrung 500,

904.

drüse 493.

Bestimmung der Vermehrung

494.

Resultate 498.

Stieves Methode 497. Entstehung und Vermehrung 505.

Funktion 506.

Hypertrophie 505.

relative Vermehrung 494. und Samenepithel 493.

und Zwischengewebe 496.

zaąhlenmäßigesVerhältnis zum Samenepithel 503.

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