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ERGEBNISSE

NATURWISSENSCHAFTLICHER

FORSCHUNGEN

AUF

.:CEYLON

IN DEN JAHREN 1884-1886

VON

Dr. PAUL SARASIN uw Da. FRITZ SARASIN.

? din

ERSTER BAND.

ERSTES HEFT.

Die Augen und das Integument der Diadematiden.

Ueber zwei Parasitische Sehnecken.

MIT FÜNF TAFELN.

WIESBADEN. OEWy SREITDETS MERTAG. 1887.

BENGEBNISSE

NATURWISSENSCHAFTLICHER

EIRSCHUNGEN

AUF

CEYLON

DR. PAUL SARASIN on DR. FRITZ SARASIN.

WIESBADEN. GW. KRREIDEEL"S(VEREAG, 1887 —1893.

ERGEBNISSE

NATURWISSENSCHAFTLICHER

FEIROSCHUNG EN

AUF

CEYLON

DR. PAUL SARASIN uw DR. FRITZ SARASIN.

ERSTER BAND:

Die Augen und das Integument der Diadematiden.

Ueber zwei parasitische Schnecken.

Aus der Entwiceklungsgeschichte der Helix waltoni, Reeve.

Knospenbildung bei Linckia multifora, Lamarck.

Ueber die Anatomie der Echinothuriden und die Phylogenie der Echinodermen.

MIT XV TAFELN.

WIESBADEN. CO WIKRELDELS VERLAG

15857— 1888.

Alle Rechte vorbehalten.

Druck der königl. Universitätsdruckerei von H. Stürtz in Würzburg

Vorwort.

Während es sonst Sitte zu sein pflest, dass der Autor sein Werk mit dem Vor- wort beginnt und darin gleich zu Anfang den Plan der unternommenen Arbeit entwickelt, sind wir von diesem Brauche abgewichen und erst nach Vollendung des Ganzen an die Abfassung dieser einleitenden Worte getreten. Wir haben dies gethan, gewarnt durch die vielen Reisewerke, welche niemals ihren Abschluss gefunden und somit nicht erfüllt haben, was die Vorrede versprochen hatte; denn wer kann wissen, wenn er ein grosses Werk beginnt, ob nicht mancherlei Wechselfälle des Lebens die Vollendung der schwierigen Auf-

gabe verhindern werden?

Heute nun, wo wir am Ende unserer Arbeit stehen, können wir mit freudigem

Sinne einen Blick auf die Entstehungsgeschichte unseres Reisewerkes werfen.

Als wir im Herbste des Jahres 1883 nach Ceylon uns begaben, wagten wir nicht zu hoffen, dass es uns jemals vergönnt sein könnte, ein grösseres Werk über Forschungen in tropischem Gebiete zu veröffentlichen. Unser Ziel war blos, eine Anzahl von zoologischen

Fragen, deren Lösung in Europa unmöglich, weiter fördern zu helfen.

Die ersten acht Monate unseres Aufenthaltes auf Ceylon verbrachten wir in der Nähe von Peradeniya, jenes Ortes, der durch seinen herrlichen botanischen Garten Welt- ruf erlangt hat. Hier war es vor Allem die räthselhafte Entwicklung der Blindwühle, Ichthyophis glutinosus, deren Erforschung uns mächtig reizte und nach grossen Schwierig- keiten endlich gelang. Auch der Entwicklung verschiedener Mollusken, so namentlich der

schönen Helix waltoni, wandten wir dort unsere Aufmerksamkeit zu.

Das Ende des Jahres 1884 verbrachten wir oben auf den Bergen, im Hochthale von Nuwaraeliya, wegen der anhaltenden Regen fast vollkommen in's Haus gebannt und nach Leydig’s Lehrbuch histologische Studien treibend, welche nicht sowohl den Zweck

hatten, Neues zu finden, als uns selber in der feineren Histologie zu üben.

Im Jahre 1885 vertauschten wir den Wohnsitz auf den nebelfeuchten Bergen mit dem trockenen und heissen Trincomalı an der Ostküste der Insel, an der blauen wald- umrahmten Bucht eleichen Namens gelegen. Hier überwältigte uns förmlich der Reich- thum der tropischen See an wunderbarem Thierleben. Im Laufe weniger Monate erhielten wir die merkwürdigen Echinothuriden von unseren Tauchern zugetragen, entdeckten die blauen Augenreihen der Diadematiden und fanden die seltsam parasıtisch lebenden Schnecken Stilifer und Thyca.

Neben diesen zoologischen Arbeiten stellten wir uns zur Aufgabe, die Insel auch geographisch näher kennen zu lernen und einen Einblick ın die Vertheilung ihrer Thier- und Pflanzenwelt zu gewinnen. Eine grosse Reihe von Fussreisen, die oft Monate dauerten, wurden zu diesem Zwecke unternommen.

Auf diesen Reisen war es, dass wir ın häufige Berührung mit den Weddas, jenem merkwürdigen kleinen Reste der Urbevölkerung von Ceylon kamen. Wenn auch schon vorher durch das Studium der Literatur, namentlich des Virchow’schen Werkes, unser Interesse auf dieses Volk hingelenkt worden war, so wurde uns doch erst durch die directe Anschauung klar, dass hier ein Stamm von allerhöchster Bedeutung vorliege; seine hinschwindenden Trümmer für die Wissenschaft zu erhalten, musste uns daher als eine heilige Pflicht erscheinen. So begannen wir denn, systematisch die Sache anzu- greifen, die verschiedenen, oft weit auseinander liegenden Weddagruppen aufzusuchen, Photographieen aufzunehmen, Skelette zu sammeln und, soweit wir es vermochten, in die Sitten und Anschauungen einzudringen. Dass es sich dabei als nothwendig herausstellte, um einen festen Boden für die Vergleichung zu gewinnen, auch dıe Nachbarstämme der Weddas, die Singhalesen und Tamilen, näher in’s Auge zu fassen, ist selbstverständlich.

Im Frühling 1586 kehrten wir nach Europa zurück, und als wir nun unsere wissen- schaftlichen Materialien überblickten, schien es uns nicht wohlgethan zu sein, die vielen auf Ceylon bezüglichen Arbeiten in verschiedene Zeitschriften zu vertheilen und unternahmen es daher, von manchen Gelehrten freundlichst hiezu ermuntert, Alles in einem eigenen teisewerke zu vereinigen. Wir ordneten den Stoff so an, dass wir einen ersten Band für die an wirbellosen Thieren ausgeführten Untersuchungen bestimmten, die Anatomie und Entwickelungsgeschichte der ceylonesischen Blindwühle in einem zweiten folgen liessen und für den Menschen den dritten Band reservierten.

Als wir nach Fertigstellung der beiden ersten Bände im Frühling 1890 die Be- arbeitung der Weddas und ihrer Nachbarvölker beginnen wollten, stellten sich in unserem Materiale bald eine grosse Anzahl von Lücken heraus, und so wurde eine zweite Reise nach CGeylon zu den Weddas nothwendig, welche ganz speciell den Zweck hatte, das auf der ersten Reise Versäumte nachzuholen. Da die zu lösenden Aufgaben klar gestellt waren, so konnte ın wenigen Monaten unser Zweck erreicht werden.

Die drei Bände, welche heute fertig vorliegen, sind, wenn wir Alles zusammen-

nehmen, das Resultat nahezu zehnjähriger Doppelarbeit, sie stellen also die Frucht eines

starken Theils unseres Lebens dar. Vieler Mängel, die daran haften, sind wir uns wohl bewusst; aber dennoch leben wir der Hoffnung, dass die Arbeit, welche wir von Anfang bis Ende mit Begeisterung und nach bestem Können durchgeführt, für die Wissenschaft nicht ohne Nutzen bleiben möge. Der höchste Erfolg aber würde uns der sein, wenn durch unsere Ergebnisse angeregt, andere Forscher in die Welt hinauszögen und mit stärkeren Kräften, als die uns zur Verfügung standen, der Lösung zoologischer Probleme sich widmen und weitere dem Untergang geweihte Naturvölker der Wissenschaft er- halten sollten.

Die Aufgabe eines Vorwortes würde nur mangelhaft erfüllt sein, wollten wir nicht an dieser Stelle noch dankbar der Männer gedenken, welche in Geylon unsere Forschungen mit Rath und That unterstützt und uns den Aufenthalt unter den fremdartigen Verhält- nissen erleichtert haben. In erster Linie gebührt es sich, den damaligen Gouverneur der Insel, Se. Exc. Sir Arthur Hamilton Gordon zu nennen, welcher uns in freundlichster Art durch Empfehlungsbriefe die Wege durch die Insel geebnet hat. In gleicher Weise sind wir einer grossen Anzahl hoher Beamten des Ceylon Civil Service zu aufrichtigem Danke verpflichtet; wir erwähnen hier vor Allem Dr. W.R. Kynsey, den Chef des Medi- cinalwesens der Insel und Dr. J. D. Macdonald, den Director des Hospitals zu Colombo, welche Beide uns bei den anthropologischen Studien hilfreich an die Hand giengen, E. Elliott, den Gouvernementsagenten der Ostprovinz, Dr. H. Trimen, den so verdienst- vollen Director der botanischen Gärten von Ceylon, A. Haly, den Leiter des Colombo- Museums, H. Nevill, den eifrigen Erforscher der Natur- und Menschengeschichte der Insel und Mr. Holland, Ingenieur in Battikaloa.

Unter Denen, welche nicht zur englischen Verwaltung gehören, sind wir den wärmsten Dank dem kaiserlich deutschen Consul, Philipp Freudenberg und seinem Bruder Walter schuldig, welche Beide unablässig sich um unser Wohl bemühten und mit regem Interesse unsere Sammlungen vermehren halfen. Ferner sind wir F. Mackwood, dem trefflichen Kenner ceylonesischer Schmetterlinge, für viele erwiesene Freundlichkeit verpflichtet. Endlich mögen hier zwei unserer Peradeniya-Wohnung benachbarte Pflanzer, die Herren J. C. Huxley und Jeffries genannt sein, denen wir gar manches werthvolle Stück unserer zoologischen Schätze schulden.

Leider weilen nicht mehr Alle, denen wir gerne unseren Dank hier ausgesprochen hätten, noch unter den Lebenden. Die Wissenschaft beklagt mit uns den Tod von William Ferguson, eines Mannes, der eine seltene Liebenswürdigkeit des Charakters mit glühender Begeisterung für die schöne Natur seines Adoptivvaterlandes verband. Unser guter Freund, Mr. Gilliat, auf dessen Pflanzung unser Haus bei Peradeniya stand, und der uns bei der Beschaffung der Entwicklungsstadien von Ichthyophis überaus grosse Dienste geleistet hat, ist einem schrecklichen Schicksale zum Opfer gefallen. Capitän Wilding, welcher uns

in liberalster Weise auf seinem Boote den Besuch der einsamen Koralleninsel Minikoy

ermöglichte, ist auf der Heimreise nach Europa gestorben, und Herr Dändliker, der langjährige Chef des Hauses Volkart brothers, ist einer langsamen Krankheit erlegen.

Noch könnten wir Viele nennen, welche uns hilfreich die Hand boten, wie wir denn überall auf der Insel freundlichstes Entgegenkommen und herzliche Förderung ge- funden haben.

Endlich sei uns gestattet, der Royal Asıatic Society von Ceylon, deren wichtige Arbeiten so viel zur Kenntniss der Insel beigetragen haben, den ergebensten Dank für die seltene Auszeichnung, welche sie uns durch Ernennung zu Ehrenmitgliedern hat zu Theil werden lassen, auszusprechen. Mögen unsere Forschungen einen Theil dieser Dankes- schuld abtragen.

Noch dürfen wir nicht zu Ende eilen, ohne auch unserer Verleger dankbar und anerkennend zu gedenken. Leider hat der treffliche Christian Wilhelm Kreidel die Vollendung dieses Werkes, dem er so grosse Liebe und Sorgfalt zugewendet, nicht erlebt; doch hatten wir das Glück, in seinem Nachfolger, Herın J. F. Bergmann, einen Mann zu finden, der mit nicht minderer Freude der schwierigen Aufgabe sich annahm und den mancherlei besonderen Ansprüchen, die wir an die Ausstattung unseres Werkes stellten, mit Umsicht und Interesse entgegenkam.

So möge denn, um mit einem Herzenswunsch abzuschliessen, dieses Werk eine freundliche Aufnahme bei den Kennern finden, auf dass uns der Muth und die Lust zu

den neuen Unternehmungen, denen wir nunmehr entgegengehen, voll erhalten bleiben.

Berlin, ım Februar 1893.

Inhalt des ersten Bandes.

1. Die Augen und das Integument der Diadematiden, 1887, hiezu Tafel I—III

I. Die Augen II. Das Integument

Ill. Astropyga freudenbergi, n. sp.

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. Ueber zwei parasitische Schnecken, 1887, hiezu Tafel IV und V I. Zur Anatomie der Gattung Stilifer, Broderip

II. Thyca ectoconcha, n. sp.

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. Aus der Entwicklungsgeschichte der Helix waltoni, Reeve, 1888, hiezu Tafel VI-VIOI I. Das Ei und die äussere Form der Embryonen II. Die Urnieren Ill. Die Seitenorgane der Embryonen

IV. Die Cerebraltuben 4. Knospenbildung bei Linckıa multifora, Lamarck, 1888, hiezu Tafel IX

5. Ueber die Anatomie der Echinothuriden und die Phylogenie der Echino- dermen, 1888, hiezu Tafel X—XVI.

Einleitung I. Einige Bemerkungen über das Skelett . Il. Die Längsmuskeln Ill. Die Stewart'schen Organe IV. Die‘ Niere V. Die Giftköpfchen VI. Ueber die Verwandtschaft der Echinothuriden, sowie der Echinodermen über-

haupt .

AUGEN UND DAS INTEGUMENT

DER

DIADEMATIDEN.

HIERZU TAFEL I, II, Ill.

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SARASIN, Ceylon I. 1

Bekanntlich sind bis jetzt ächte Gesichtsorgane in der Classe der Echinodermen nur bei Asteriden beschrieben worden; die Crinoiden und Ophiuren entbehren nach dem jetzigen Stande der Wissenschaft jeglicher Sehfunction; den bei Synapten von Joh. Müller”) an der Basis der Tentakeln signalisierten Augenflecken hat schon Baur‘) ihre Bedeutung als solche abgesprochen, indem er sich nicht überzeugen konnte, dass die in dieser Gegend der Haut vorkommenden rothen Pigmenthaufen sich irgendwie unterscheiden von den über die ganze Körperoberfläche zerstreuten Ansammlungen von Farbstoff. Quatrefages”) hat zwar beobachtet, dass durch Linsen concentriertes Licht einen, wenn auch nur sehr schwachen Eindruck auf Holothurien auszuüben ım Stande ist. Auch diese kaum nennenswerthe Perception, welche doch wohl nur den in der Epidermis allgemein verbreiteten Sinnes- zellen und nicht besonderen Sehorganen zuzuschreiben wäre, ist neuerdings wieder von Semon”) bestritten worden.

Kaum besser stellen sich nach den bisherigen Erfahrungen die Echiniden. Zwar sind bei ıhnen schon vor langer Zeit durch Valentin Pigmentflecke auf den sogenannten Ocellarplatten in der Umgebung des Afters als Sehorgane beschrieben worden; allein deren Gesichtsfunction sowohl, als selbst ihre Existenz wurden wieder in Abrede gestellt. So berichtet Perrier”), dass seit Valentin Niemand dieses Auge wieder gesehen habe und schliesst sich ganz der Meinung Hoffmanns") und Anderer an, welche das Bestehen dieser Sehorgane bestreiten. Vergebens hat Fredericq’) mit Hilfe von Linsen irgend- welche Sensibilität nachzuweisen versucht; auch er erklärt den fraglichen Pigmentfleck für eine blosse Einbildung. Seiner Ansicht schliesst sich auch Köhler’) völlig an.

Es ist daher um so mehr zu verwundern, dass Romanes und Ewart”) bei ihren physiologischen Versuchen zu einem abweichenden Resultate gelangt sind, und es ist das- selbe, wie uns scheint, bis auf Weiteres etwas skeptisch aufzunehmen; sie erzählen, dass alle Seeigel und Seesterne bis auf wenige Procente dem Lichte zukriechen, dies aber nicht mehr thun nach Weeschneidung der Augenflecke. Dabei aber wird nicht klar auseinander gesetzt, was die betreffenden Autoren unter den Augenflecken der Seeigel verstehen, eine Sache, die zu wissen doch sehr nothwendig wäre, nachdem so viele Unter- sucher dieselben in das Reich der Fabel verwiesen haben und Fredericqs Sammellinsen, speciell auf die Stellen gerichtet, wo die Ocellen Valentins liegen sollten, nicht den

leisesten Eindruck auf die Thiere gemacht hatten. Es trennen überhaupt Romanes und 1*

+

Ewart nicht in wünschenswerther Weise ihre Ergebnisse an Asteriden und Echiniden, so dass die Schilderung nicht recht verständlich wird.

Wir halten es zwar wohl für möglich, dass alle Seeigel mehr oder minder Licht- empfindung besitzen können, aber wir glauben, auf die folgende Arbeit uns stützend, nicht, dass dieselbe an den Punkten hängt, welche Romanes und Ewart als lichtperci- pierende Elemente bei den Echiniden anzusehen scheinen.

Im Hafen von Trincomali an der Ostküste von Geylon, wo wir uns mehrere Monate zum Zwecke mariner Forschungen aufhielten, lebten in geringer Tiefe grosse Heerden von Diadema Setosum Gray., einer Seeigelspecies, die bekanntlich eine ungeheure Verbreitung hat, so zwar, dass sie von Rein”) als Kosmopolit warmer Meerestheile bezeichnet worden ist.

An Exemplaren, die wir in Aquarien hielten, bemerkten wir bald eine ausser- ordentliche Sensibilität dieser Thiere für Licht und Schatten. Sobald man sich mit der Hand den Gläsern, in denen die Thiere aufbewahrt wurden, näherte, richteten die See- igel sofort ihre langen spitzen Stacheln nach der Richtung, woher die Gefahr drohte. Von welcher Direction auch man gegen das Thier kommen mochte, von oben oder von den Seiten, immer kehrten sich drohend die langen Waffen gegen den herannahenden Gegenstand. Selbstverständlich wurden bei diesen Versuchen weder die Gläser, noch die Oberfläche des Wassers berührt. Anzufassen sind die Thiere ausserordentlich schwer, um so mehr, als die leicht in die Haut eindringenden und dort abbrechenden Stacheln wahr- scheinlich durch ein in ihnen enthaltenes giftiges Secret heftigen Schmerz hervorrufen.

Schon der alte Rumph”) beklagt sich in seiner Amboin’schen Raritätenkammer bitter über dieses „schnöde Ungeziefer‘“, welches überall die Küsten für den Sammler gefährlich mache. Auch Greeff‘) räth zur Vorsicht beim Fangen dieser Seeigel, und Döderlein’) erzählt, dass seine Taucher nie sich an die Orte wasten, wo die Diademen lebten. Die ganze Gefährlichkeit dieses Thieres aber beruht lediglich auf seiner hoch aus- gebildeten Gesichtsfunction.

Es entstand nun die Frage, welche Organe des Thieres die Lichtempfindung zu vermitteln im Stande seien. Der Körper von Diadema Setosum ist, wie längst bekannt, mit einer, wie Sammet glänzenden, schwarzen, etwas in’s Purpurne schimmernden Haut bedeckt; die hohlen Stacheln, deren Länge gegen zwei Decimeter betragen kann, sind ebenfalls schwarz gefärbt; auf den sog. Ocellarplatten war von Pigmentflecken nichts zu sehen, so dass also jedenfalls die Sehfunction nicht an solchen Gebilden hängen kann. Dafür aber ist die Oberfläche des Thieres mit zahllosen glänzend blauen Flecken geschmückt, die sich wunder- voll von dem dunkeln sammtnen Grunde abheben. Die Anordnung dieser Flecke ıst etwa foleende: Auf jeder Genitalplatte liegt ein grosser rundlicher blauer Fleck; dann folgt eine teihe solcher dem Verlauf des glatten, der Borsten entbehrenden Theiles des Interambu- lacrums; an der Stelle, wo dieses sich in zwei Aeste gabelt, theilt sich auch die Flecken- reihe in zweie, die je einem Aste des Interambulacrums folgen. Gegen den Umbiegungs-

rand der Schale hin werden allmählig die Flecke schwächer und weniger leuchtend, und

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auf der basalen Fläche der Thiere verlieren sie sich allmählig gegen den Mund hin. Ausser diesen die Interambulacra einnehmenden Fleckenreihen umgiebt noch ein Kränzchen ganz kleiner Fleckchen jede Stachelbasis der Interambulacra, und weitere Reihen kleiner Punkte folgen den Ambulacralrinnen.

Die auf den Genitalplatten liegenden Flecke messen etwa 1,5 mm im Durchschnitt und sind meist von rundlicher Form; die in den Interambulacren laufenden sind länglich, manchmal 2, oder selbst 3 mm lang und ca. 1 mm breit; die ambulacralen Flecke und diejenigen, welche die Stacheln umsäumen, erscheinen dem blossen Auge nur als kleine glänzende Punkte.

Die Figuren 14 und 15 (Taf. III) sollen die Anordnung der Flecke bei Diadema Setosum illustrieren: Figur 14 zeigt die fünf auf den Genitalplatten sitzenden blauen Flecke und ferner eine Anzahl kleinerer, auf den Platten, welche den After umgeben, liegender Punkte; weiterhin ist die Fleckenreihe zu erkennen, die dem glatten Theile des Inter- ambulacrums folgt und mit diesem sich in zwei Reihen spaltet (bei a), und endlich bemerkt man die feinen blauen Punkte, welche die Stachelbasen umgeben und in der Ambulacralfurche lagern. Auf Fig. 15, welche einen Theil der Seeigelschale in der Nähe der grössten Peripherie derselben darstellt, sieht man die beiden interambulacralen grossen Fleckenreihen, die Flecke um die Stacheln und die ambulacralen Punkte.

Bei der den Diademen nahe stehenden Familie der Astropygen sind diese blauen Flecke schon mehrmals erwähnt worden; Peters”) hat sie sogar abgemalt bei der ın Mozambique gefundenen Astropyga mossambica, Pet.. Ihre Anordnung ist bei den Astropygen zwar nicht identisch, aber doch sehr ähnlich wie bei Diadema Setosum, und so möge denn die Abbildung von Astropyga Freudenbergi nov. spec. Fig. 1 von Trincomali den Eindruck wiedergeben, den dieselben im Leben auf den Beschauer machen. Die Ver- gleichung von Fig. 1 mit den Fige. 14 und 15 erläutert präciser als eine Beschreibung die etwas verschiedene Vertheilung der Flecke bei den beiden Formen.

Bei einer andern, nicht näher bestimmten, dem Diadema Setosum nahe verwandten Species mit schwarzer Afterglocke, waren die Flecke in Reihen zusammengeschmolzen, so dass die Interambulacra an Stelle der blauen Fleckenreihen mit continuierlichen blauen Bändern geschmückt erschienen. Fig. 16 Taf. II giebt eine Skizze dieses Verhältnisses wieder.

Als wir einen blauen Fleck von Diadema Setosum unter das Mikroskop brachten, waren wir nicht wenig erstaunt über das Bild, das sich uns darbot; denn auf den ersten Blick sahen wir, dass wir ein Auge vor uns hatten, und zwar eines, das in seiner äusser- lichen Anordnung ähnlich gebaut sich zeigte wie die Sehorgane der Insecten. Von der Fläche gesehen war der ganze blaue Fleck aufgelöst in eine grosse Anzahl von Hexa-, viel seltener Pentaedern, und weitere Untersuchung lehrte, dass jedem Polyeder eine Pyramide aus lichtbrechender Substanz entsprach, deren abgerundetes Ende in einem

Becher von schwarzem Pigment sass. Fig. 3.

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Die blaue Farbe der Flecke erwies sich als eine Folge von Irisierung; sie machte ım durchfallenden Licht einem gelblichen Tone Platz, während sie bei auffallendem hell- glänzend leuchtete.

Die Zahl der lichtbrechenden Körper, aus denen die blauen Flecke zusammen- gesetzt sind, variiert in den einzelnen Flecken; in ganz kleinen stehen nur wenige, in grösseren viele Hunderte beisammen.

Die histologische Untersuchung erwies sich, wie jede im Gebiete der Echinodermen, als eine sehr schwierige: die Elemente sind äusserst klein, und namentlich war die Zu- sammensetzung des lichtbrechenden Mediums schwer zu erkennen, da die Conservierung dasselbe stets erheblich veränderte. Die Fig. 4, welche einen aus vielen einzelnen Bildern construierten Schnitt durch einen blauen Augenfleck wiedergiebt, lehrt, dass am Rande des Fleckes das allgemeine Körperepithel sich erheblich verdünnt und dann als zarte, durch- sichtige Zellenlage über die Einzelaugen hinzieht. Diese etwa als Cornea zu bezeichnende Schicht ist nach aussen von einer sehr feinen (auf dem Bilde nicht angegebenen) Cuticula bedeckt, welche ihrerseits wiederum ein Wimperkleid trägt. Unterhalb der Cornea liegen die lichtbrechenden Körper, deren Basis distalwärts gekehrt ist, während ihr proximaler Theil sich mehr oder weniger, in manchen Fällen kaum merklich, verschmälert.

Die lichtbrechenden Körper selbst zeigen sich zusammengesetzt aus ziemlich dick- wandigen, blasigen Zellen, deren Anordnung nicht leicht zu erkennen ist, da sie bei Behandlung mit Reagentien etwas schrumpfen. Immerhin lässt sich im Allgemeinen fest- stellen, dass dieselben in zwei Lagen angeordnet sind (Fig. 4, 9, 13), indem die einen Zellen ihre breiten Enden distal-, die andern proximalwärts kehren, während die ver- schmälerten Enden dieser Blasen in der Mitte der Pyramiden sich zwischeneinander schieben. Es giebt aber auch solche Blasen, welche die ganze Länge des lichtbrechenden Körpers durchsetzen, und wiederum andere, die relativ klein bleiben, so dass ein allgemeines Schema sich nur mit Vorbehalt aufstellen lässt.

Die Kerne dieser, wie wir annehmen, durch Vacuolenbildung blasıg gewordenen Zellen liegen ım Allgemeinen der Wand der Pyramide an und bilden namentlich am distalen Ende derselben eine regelmässige Kernkappe. (Fig. 4 und 11.)

In einem Vorbericht *), den wir noch von Ceylon aus über das Auge des Diadema dem Zoologischen Anzeiger eingesandt haben, sprachen wir diese regelmässige Kernlage als die Mutterschicht der Blasenzellen an; wir sind gegenwärtig aber mehr geneigt, diese Lage blos für die wandständigen Kerne der Blasenzellen selbst zu halten, obschon wir nicht ganz sicher sind, ob nicht noch ausserdem eine Zellenlage existieren möchte (vergl. z. B. Fig. 9 und 11).

In gleicher Weise trägt das proximale Pyramidenende eine, allerdings etwas un- regelmässigere Kernauskleidung (Fig. 4 und 12). Auch diese haben wir in dem eben genannten Vorberichte als eine besondere Lage aufgefasst und dabei die Vermuthung aus-

gesprochen, sie dürfte vielleicht eine Art Retinula der Pyramiden darstellen. Wir glauben

sie jedoch gegenwärtig blos für die Lage derjenigen Kerne halten zu können, welche den mit ihren breiten Enden proximalwärts gerichteten Blasenzellen angehören. Nach unseren jetzigen Erfahrungen besteht also der lichthrechende Körper aus Blasenzellen, deren Kerne an der proximalen sowohl, als der distalen Wand der abgestumpften Pyramiden eine mehr oder weniger regelmässige Lage bilden.

Jeder lichtbrechende Körper sitzt in einem Becher von schwarzem Pigment (Fig. 3, 4 und 11 bei p), welcher nicht immer gleich stark entwickelt ist, indem er bald fast die ganze proximale Hälfte der Pyramiden umschliesst, bald nur ein seichtes Näpfchen für das untere Ende derselben bildet. Diese Becher sind zusammengesetzt aus Pigment führenden Zellen, die stellenweise als sternförmige Körperchen erscheinen, wie Fig. 7 solche isoliert darstellt. Die lichtbrechenden Körper mit ihren Pigmentbechern ruhen unmittelbar dem nervösen Plexus auf (Fig. 4, 11, 12, n), welcher unterhalb des Epithels gelegen, die ganze Oberfläche des Echinidenkörpers überzieht, in wechselnder Mächtigkeit zwar, aber doch fast immer als wohl nachweisbare Schichte.

Die Lagerung der Augen direct auf dieser, aus Fasern und Zellen bestehenden Nervenschicht, die, wie wir weiter unten noch sehen werden, durch zahlreiche Aeste mit dem innerhalb der Schale laufenden Ambulacralnerven in Verbindung steht, macht es leicht erklärlich, dass specielle Nervi opticı fehlen. Der Plexus trägt einen, in der Gegend des Auges oft ziemlich regelmässigen Belag von Ganglienzellen (Fig. 4, gl), welche, unter- halb und zwischen den Pigmentzellen der Einzelaugen sitzend, wohl die für Licht empfind- lichen Elemente sind. |

Der Nervenplexus unter dem Auge zeigt stellenweis Unterbrechungen, indem aus tieferen Schichten theils kleine Gefässe (Fig. 11 Gef.), theils Büschel von Bindegewebs- faseın (Fig. +4 Bdg.) hindurchstrahlen, welch letztere wahrscheinlich sich in Verbindung setzen mit den Zellen der Pigmentbecher. An vielen, nicht allen Augenflecken findet sich noch unterhalb des Nervenplexus im Bindegewebe eine manchmal ziemlich reichliche An- häufung schwarzen Pigmentes, welche in ihrer Ausdehnung sich nach der Grösse des Augenfleckes richtet (Fig. 4 Pig.).

Ueber die Entstehung der lichtbrechenden Körper können wir einige Angaben machen, da beständig am Rande der blauen Flecke Neubildung von Einzelaugen statt- findet. Dieselben entstehen von der Epidermis her: durch Theilung von Epidermis-Zellen bildet sich ein kleiner Zellhaufen (Fig. 5, 6 und 10), der sich zu einem rundlichen Körper zusammenlagert. In Fig. 8 sieht man, was nicht häufig vorkommt, eine junge Augen- anlage zwischen zwei schon fertigen Pyramiden von der Epidermis her sich bilden. In diesem Stadium färben sich die Zellen mit Carmin sehr dunkel, so dass die ganze Zell- gruppe zwar leicht, die einzelnen Zellgrenzen aber schwer zu erkennen sind. In diesen Zellen treten dann, wie uns schien, Vacuolen auf, die sich vergrössern, bis die Zellen zu den mächtigen durchsichtigen Blasen des fertigen Auges herangewachsen sind. Der licht-

brechende Körper ist also dem Gesagten zufolge als eine reine Epidermisbildung anzusehen.

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Die Länge der Pyramiden bleibt sich nicht immer gleich; durchschnittlich mag sie etwa 0,125, der Durchmesser der Basis derselben 0,05 mm betragen.

Wenn wir das Geschilderte noch einmal zusammenfassen, so ergiebt sich, dass die blauen Flecke alle die Attribute besitzen, die für Sehorgane gefordert werden. Licht- brechende Körper und Pigmentbecher sind in guter Ausbildung vorhanden, und ebensowenig fehlt der empfindende nervöse Apparat. Aus zahlreichen, dicht aneinander liegenden Einzel- augen baut sich das Gebilde auf, welches dem Beschauer als blauer Fleck entgegen leuchtet, und von diesen Flecken besitzt jedes Thier, wie wir gesehen haben, Hunderte, ja Tausende.

Wie weit bei diesem unglaublichen Reichthum an Sehorganen die Gesichtsfunction wirklich ausgebildet ist, lässt sich nicht sagen; ein Sehen von Bildern wird wohl dem Thiere kaum möglich sein; dagegen ist, wie aus den oben angeführten Versuchen hervorgeht, die Empfindlichkeit für Licht und Schatten doch so stark entwickelt, dass die Augen dem Thiere von grossem Nutzen sein müssen. Einem Raubfisch wird es schwerlich gelingen, sich eines Diademen zu bemächtigen, denn jedem heranschwimmenden Feinde stellt sich alsbald ein gefährlicher Wall spitzer Lanzen entgegen.

Die Entstehung von Augen in der einzigen Gruppe der Diadematiden unter den Seeigeln liefert eine lehrreiche Illustration dafür, wie neue Organe plötzlich in irgend einer Thierfamilie auftreten können, und widerlegt aufs Neue die Ansicht derjenigen Forscher, welche solche reine Neubildungen bestreiten und sämmtliche Organe blos aus Umbildung Anderer hervorgehen lassen möchten. Wenn wir annehmen, dass plötzlich unter einer Brut von Diademen beı einzelnen Exemplaren durch Blasigwerden von Epidermiszellen und Ausbildung von Pigmentbechern um die nun lichtbrechend wirkenden Zellgruppen eine Empfindlichkeit für Licht und Schatten entstand, so ergiebt sich aus dem Darwin’schen Satze der Erhaltung des Zweckmässigeren ohne Weiteres, dass diese mit Sehfunction aus- gestatteten und daher vor Feinden geschützteren Mitglieder der Familie weit mehr Chancen haben mussten, am Leben zu bleiben und sich fortzupflanzen. Die fortgesetzte Auswahl während vieler Generationen lässt es dann leicht erklärlich erscheinen, dass schliesslich die augenlosen Vertreter der Familie durch die mit Sehfunction begabten völlig mussten verdrängt werden.

Es soll hier noch erwähnt werden, dass Döderlein’) berichtet, er habe frisch aus dem Meere genommene Exemplare von Diadema Setosum sehr schön leuchten sehen und zwar in fünf Radien; an den Diademen, die wir selbst in Aquarien hielten, haben wir zwar trotz mehrfacher Untersuchung nicht das mindeste Leuchten wahrnehmen können; sollte sich aber bei japanischen Diademen das Leuchten bestätigen und sollte sich zeigen lassen, dass dasselbe an den von uns beschriebenen blauen Flecken hängt, so würde den- selben in diesem Falle die doppelte Function von Seh- und Leuchtorganen zugleich zu-

kommen, eine Vereinigung zweier Leistungen, die nichts Unwahrscheinliches an sich

haben würde.

Wenn wir uns nach Bildungen in der Classe der Echinodermen umsehen, die sich mit dem Auge der Diadematiden vergleichen lassen, so sind es, wie schon erwähnt, nur die Asteriden, die hier beigezogen werden können. Bei ihnen hat Ehrenberg‘) schon ım Jahre 1835 an der Spitze der Arme rothe Punkte entdeckt, und die Beobachtung, dass die Seesterne diese Flecke meist dorsalwärts gekehrt tragen, liess ihm die Augennatur derselben unzweifelhaft erscheinen. 1860 beschrieb Haeckel’) den Bau dieser Organe genauer; er fand, dass sie aus einer grossen Menge (80—200) einzelner Kegel bestehen, welche einem gemeinsamen Polster eingelagert sind. Der Abstand der einzelnen Kegel von einander entspricht bald dem ganzen, bald dem halben Durchmesser der Einzelaugen- basıs. Die Axen der Kegel sind gegen eine gemeinsame Längsmittellinie gerichtet.

Haeckel nannte das Seesternauge ein zusammengesetztes, und schon hier ergiebt sich eine bemerkenswerthe Uebereinstimmung mit den Flecken der Diademen. Jeder Kegel besitzt nach Haeckel einen Becher von rothen Pigmentzellen und eine kugelige, homogene Linse. Ueber die Gesammtheit der Augenkegel zieht eine einfache, mit einer homogenen Cuticula versehene Cornea von kleinen Pflasterzellen hin, und die Kegel selbst ruhen in einer Rindenzone, welche eine ganglienartige Markschicht überlagert.

Die Aehnlichkeit der Seestern- und Seeigelaugen ist somit eine sehr grosse; bei beiden finden wir eine gemeinschaftliche Cornea und Cuticula, bei beiden eine grosse Anzahl von Pigmentbechern, welche eine lichtbrechende Masse einschliessen; nur wäre dieselbe nach Haeckel beim Seestern eine homogene runde Linse, während sie bei Diadema einen aus Blasenzellen aufgebauten Körper darstellt. Was unter der Linse, nämlich zwischen ihr und der Kegelspitze liegt, blieb Haeckel unbekannt. Die Länge der Kegel kann nach Haeckel bei Asteracanthion glacıalis bis O,1mm und die Breite der Basis bis 0,04 werden; bei Diadema haben wir 0,125 und 0,05 als Maasse gegeben, so dass also in diesem Punkte kein wesentlicher Unterschied existiert.

Fast zu gleicher Zeit wie Haeckel arbeitete Mettenheimer”) an demselben Thema; er fand, was für die Vergleichung der Seestern- und Seeigelaugen von grosser Wichtigkeit ist, dass der lichtbrechende Körper keine structurlose Linse sei, sondern aus runden, durchsichtigen, zarten Zellen mit einem ebenso zarten Kern sich zusammensetze. Mettenheimer’s weitere Angabe, dass das Pigment auch distal die lichtbrechende Masse überkleide, beruht jedenfalls auf einem Irrthum.

Wilson“) schliesst sich in seiner Schilderung der Linse wieder der Ansicht Haeckel’s an, während Jourdain”) sie blos eine gelatinöse, durchsichtige, nur leicht convex vorspringende Masse nennt.

Greeff‘) bestätigt die zusammengesetzte Natur des Seesternauges und bemerkt, dass die Zahl der Einzelkegel nach Alter und Grösse des Seesterns wechsle. Die Pigment- kegel sind nach ihm ausgefüllt mit entsprechenden Krystallkegeln aus einer glashellen Substanz von scheinbar weicher Consistenz. Diese wölben sich häufig nach aussen linsen-

artig hervor, während ächte kugelige Linsen nicht gesehen wurden. Auf Schnitten unter-

SARASIN, Ceylon I. 2

1

sucht erschien die Substanz nicht homogen, sondern aus vielen kleinen kernartigen Körperchen, die schichtenweise übereinander liegen, zusammengesetzt. Mitten durch den ganzen Kegel geht nach Greeff ausserdem eine Längsaxe (Kanal oder Faden).

Hoffmann”), der sich im Allgemeinen an Greeff anlehnt, führt noch aus, dass die innere weiche Masse des Auges aus Zellen bestehe, welche nach aussen hin allmählıg in immer pigmentreichere Zellen übergehen, bis zu äusserst endlich die sehr stark rothen Elemente des Bechers folgen. Es existiert also nach Hoffmann ein allmähliger Uebergang zwischen den Pigmentzellen des Bechers und den äusserst zarten pigmentlosen Elementen, welche nach ihm und Mettenheimer die innere Masse des Auges bilden.

Auch Teuscher”), der nur kurz das Auge von Astropecten berührt, sagt, dass die halbdurchsichtigen Körper des Auges in einer hyalinen Masse zahlreiche Zellen enthalten.

Sehr abweichend von den früheren Autoren und in vielen Punkten abweichend untereinander sind die Schilderungen von Lange”) und Hamann’). Beide lassen nur die Cuticula über die Augen hinziehen. Nach Lange besteht das Auge aus einem Trichter von Pigmentzellen, welche einen langgestreckten, mit einem Kern versehenen Körper besitzen, welcher nach innen (proximalwärts) in einen stäbchenförmigen Theil mit Gabel, nach aussen in einen rothes Pigment enthaltenden Kopf endigen. Diese Köpfe tragen ein bis zwei helle, stark lichtbrechende kleine Stäbe, welche gesen die Axe des Hohlkegels vorspringen. Das Auge besteht also aus langgestreckten Zellen, deren Köpfe so zusammentreten, dass sie einen Hohlkegel begrenzen; die Stäbchen werden als Guticularbildungen dieser Zellen- köpfe aufgefasst. Dieselben reichen nicht bis an die Axe des Kegels, sondern es bleibt dort eine Höhlung übrig, welche unterhalb der Cuticula durch ein öfters planconvex erscheinendes Gebilde abgeschlossen wird, das aus plattenartigen, durchsichtigen, von allen Seiten sich zwischen die Cuticula und die Basıs der Hohlkegel einschiebenden Fortsätzen langer Stabzellen zusammengesetzt wird. Lange hält es also für wahrscheinlich, dass die lichtbrechenden Medien als Cuticularabscheidungen aufzufassen seien und bringt sie dadurch in engsten Zusammenhang mit den Zellen, welche den Augentrichter zusammensetzen.

Hamann endlich leugnet einen bestimmt geformten lichthrechenden Körper ganz; er lässt blos den kleinen Hohlraum des Augentrichters mit einer wasserklaren Flüssigkeit gefüllt sein. Der Trichter selbst baut sich auf aus ganz mit einem rothen, durch Alcohol extrahierbaren Pigment erfüllten Epithelsinneszellen, zwischen welchen auch sogenannte Stützzellen und pigmentlose Sinneszellen zerstreut sich vorfinden.

Die Auffassungen von Lange und Hamann stehen mit denen der anderen Autoren, wie man sieht, stark in Widerspruch, und so ist auch eine endgiltige Vergleichung des Asteriden- und Echinidenauges einstweilen nicht möglich. Mit dem, was wir bei Diadema gefunden haben, würde, wie schon ausgeführt, am besten die Haeckel’sche Beschreibung der Asteridenaugen stimmen mit der Modification von Mettenheimer, Hoffmann und Teuscher, wonach der lichtbrechende Körper nicht eine homogene runde Linse, sondern

einen aus glashellen Zellen aufgebauten Körper darstellt. So viel ist gewiss, dass beide,

br

Asteriden und Echiniden, zusammengesetzte Augen besitzen, nur mit dem Unterschied, dass hei Ersteren die Kegel in einem gewissen Abstand von einander stehen, während bei Diadema die Einzelaugen unmittelbar aneinander grenzen. Bei beiden sind ferner die Augen rein epitheliale Bildungen; beim Seestern haben Lange und Hamann gefunden, dass jeder Trichter als eine Einstülpung des Epithels anzusehen sei, und bei Diadema haben wir

ebenfalls auf die Entstehung der Einzelaugen von der Epidermis her aufmerksam gemacht.

DAS INTEGUMENT.

Um den Bau der Augen zu begreifen, mussten wir selbstverständlich auch die Zusammensetzung der allgemeinen Körperdecke zu analysieren suchen; was wir dabei gewonnen zu haben glauben, soll in Folgendem kurz dargestellt werden.

Die Beschreibung wird sich wohl am besten geben lassen an der Hand einer schematisch gehaltenen Figur, welche einen Schnitt durch das Integument von Diadema Setosum wiedergiebt, Fig. 18. Die Epidermis wird dargestellt durch eine einfache Lage hoher Cylinderzellen, Fig. 18ep, deren Inhalt sich nur schwach färbt, so dass sie schwer zu erkennen sind, zumal auch die Kerne nicht immer in derselben Höhe liegen. Diese Zellen stossen, wie Flachschnitte ergeben, nicht unmittelbar aneinander, sondern lassen Intercellularlücken zwischen sich, Fig. 17. Nach aussen sind sie bedeckt von der schon oft bei Echinodermen erwähnten Cuticula, Fig. 18c. Diese ist, wie Ludwig”) nach- gewiesen hat, von feinen Poren durchsetzt und trägt bekanntlich eine Bekleidung von Wimpern. Die proximalen Enden der Epidermiszellen sind unregelmässig gestaltet, indem ihre Form sich nach den darunter liegenden Elementen richtet, zwischen welche sie sich hineinkeilen. Basale Fortsätze an diesen Zellen haben wir zwar nicht mit Bestimmtheit beobachtet; wir zweifeln jedoch nicht, dass solche vorhanden sein können. Die Epidermis- zellen stossen nicht mit ihrer ganzen Breite an die Cuticula an, sondern sie lassen dort kleine Zwischenräume zwischen sich, deren Bedeutung weiter unten wird besprochen werden. Die Fig. 23 zeigt eine solche Epidermiszelle in Verbindung mit zwei Benachbarten und darüber die Cuticula.

Unterhalb dieser einfachen Epidermislage, Fig. 18ep, folgt eine Schicht von anderen Elementen, welche zwar aus der Epidermis selbst ihren Ursprung genommen haben, ihrer

Lage nach jedoch schon als eine subepitheliale Schicht bezeichnet werden müssen, Fig.

IE

1S8dr. Diese enthält hauptsächlich Drüsen und zwar deren mehrerlei Formen. Sehr verbreitet und stellenweise eine dichte Schichte bildend sind schlauchförmige Zellen mit einem Kern in der bauchigen Erweiterung und einem Ausführgang, welcher zwischen den Epidermiszellen hindurch nach aussen mündet. Diese Drüsenart färbt sich mit Carmin etwa wie es ın Fig. 18 dargestellt ıst. Die Fieg. 23, 24 und 28 geben ebenfalls solche Drüsen wieder. Auf Fie. 24 erkennt man auch, dass vom unteren Bauche der Drüsenzellen öfters ein, auch von Teuscher”) und Hamann’) erwähnter Fortsatz abgeht, der wohl nervöser Natur sein mag.

In derselben Schicht mit diesen durch Garmin sich einförmig röthlich färbenden Drüsen kommen auch Andere vor, welche ein schwarzes, körniges Secret enthalten; auch bei diesen sind Ausführgänge nach aussen zu constatieren, Fige. 18 und 28. Endlich sind noch, wenngleich unendlich viel seltener, zusammengesetzte Drüsen anzutreffen, kleine birnförmige Säckchen mit einem deutlichen Epithel ausgekleidet und mit einem Ausführ- gange versehen. Der Inhalt dieser zusammengesetzten Drüsen besteht aus dunkeln Körnern. Die Fig. 25 giebt eine solche Drüse wieder.

Drüsen an einzelnen Stellen des Integumentes der Echinodermen sind erwähnt worden von Lange”), Teuscher”), Hamann””) u. A.

In derselben Schicht wie die Drüsen finden sich hin und wieder zerstreut die von vielen Autoren beschriebenen Sinneszellen, fadenförmige, mit einer Anschwellung um den Kern versehene Gebilde, welche einen Fortsatz nach aussen zwischen den Epidermiszellen hindurch zur Cuticula senden, während ein Anderer proximalwärts sich verliert. (Vergl. u. A. Hoffmann”), Hamann"), Koehler"), Semon®”). Diese Sinneszellen (angedeutet Fig. 18 zwischen den Drüsenzellen) sind ein Haupterund, dass das Inteeument so schwierig zu analysieren ist, da sie sich auf mannigfaltige Weise zwischen Ihresgleichen und zwischen andere Elemente einschieben.

Zwischen den Drüsen und den Sinneszellen kommen auch zerstreut Pigment- zellen vor, offenbare Elemente des Bindegewebes mit vielen Ausläufern versehen. (Auf Fig. 15 in dem nach links schauenden Ende der Drüsenschicht angegeben.)

Als dritte Schicht unter dem äusseren Epithel und der Drüsen -Sinneszellenlage folgt endlich der sog. subepitheliale Nervenplexus, Fig. 18n. Loven”) hat bei Echiniden gefunden, dass vom Ambulacralnerven Aeste abgehen, die sich unter dem äusseren Körperepithel in einen Plexus von Zellen und Fasern auflösen. Romanes und Ewart”) haben den Plexus ebenfalls beschrieben, und auch Köhler") und Andere erwähnen ähnliche Verhältnisse bei Echiniden. Von andern Echinodermengruppen seien noch die Holothurien erwähnt, bei denen Hamann") ebenfalls die Verbindung tiefer Nerven mit einem ober- Hächlichen Fibrillengewebe nachgewiesen hat. Bei einem Seeigel aus der Gruppe der Echinothuriden, dessen Anatomie die Aufgabe einer späteren Abhandlung werden soll, haben wir auf Schnitten sehr klar sehen können, wie Aeste vom tiefen Ambulacralnerven

abgehen, nach der Epidermis laufen und unterhalb derselben trichterartig auseinander-

strahlen in den Nervenplexus. Dieser Plexus umhüllt in verschiedener Mächtigkeit die ganze Schale; auf Flachschnitten erweist er sich als ein Geflecht von Fasern und von Zellen, welche Fortsätze ausschicken, Fig. 21. Er trägt nach aussen zu den oben schon erwähnten und auch von anderen Autoren beschriebenen Belag von Ganglienzellen,, Fig. 18 und. 27 gl.

Stellenweise bildet der Nervenplexus Anschwellungen, in denen die Ganglienzellen sich stark vermehren und in mehreren Schichten übereinander liegen. So umgieht ein ringförmiges Ganglion jede Basis der Stacheln. Die Fig. 19 giebt einen Durchschnitt durch das Ringganglion eines Stachels wieder. Man bemerkt leicht die stark vermehrte Ganglien- zellenlage (Fig. 19 gl) aussen am nervösen Plexus n und ebenso noch proximalwärts von Letzterem eine zweite Masse von Ganglienzellen, &1,. Unter der Epidermis fehlt an dieser Stelle die Drüsenlage.

Jeder Stachel besitzt also sein eigenes nervöses Öentrum, und wenn wir uns erinnern, dass jede Basis der grossen Stacheln auch von einem eigenen Kränzchen kleiner Augen umgeben ist, so erscheint jeder Stachel in hohem Maasse individualisiert.

Die Ansichten der verschiedenen Autoren, was bei den Echinodermen als Epidermis anzusehen sei, gehen weit auseinander: Bald wurde nur die Cuticula, bald eine dünne Pflasterzellenschicht als Epidermis hingestellt, bald wieder andererseits der Nervenplexus selbst noch mit zur Epidermis gerechnet. Unsere Ansicht geht, um es zu wiederholen, dahin, dass nur die oberste einschichtige Cylinderzellenlage, Fig. 1Sep, als Epidermis aufzufassen sei. Diese Schicht ıst allerdings stellenweise nicht leicht zu erkennen; über den Augenpyramiden aber, wo sie sich bedeutend verschmälert, ist sie stets recht gut zu sehen; sie ist einerseits die Matrix der Cuticula, und andererseits sind unserer Ansicht nach von ihr aus die unter ihr liegenden Gebilde: Drüsen-Sinneszellenlage, Nervenschicht und ebenso die Augenpyramiden entstanden. Alle diese letzteren Bildungen sind nun aber beim fertigen Thier als subepithelial anzusehen.

Der Nervenplexus der Echiniden und Holothurien und ebenso das subepitheliale Nervenband der Asteriden und Crinoiden sind ausser von den Nervenfortsätzen der Sinnes- zellen bekanntlich noch von stärkeren, sich optisch anders als die Nervenfilamente verhaltenden faserartigen Gebilden durchsetzt, welche senkrecht gegen die Epidermis laufen. Diese „Fasern“ haben eine sehr verschiedene Deutung erfahren; sie sind es, welche Lange”) zur Aufstellung des sog. Stäbchenepithels geführt haben, indem er sie als stabförmige Verlängerungen der Epidermiszellen ansah. Andere Autoren sind ihm darin gefolgt. Bei Crinoiden hat Ludwig”), sowie auch Carpenter?) diese Gebilde für bindegewebiger Natur gehalten. Auch Teuscher”) hat diese „Fasern“ für Bindegewebe angesehen; er beschreibt, dass ihre Wurzeln in einer Bindegewebsschicht festsitzen und an der Ansatzstelle zwiebelförmig angeschwollen seien. Die Zwiebeln sind nach ihm durchsichtig, stark licht- brechend, stielrund auf dem Querschnitt, und die „Fasern“ zeigen ein durchaus anderes

Verhalten als die Nervenfilamente, sind hart und steif und verändern sich kaum durch

Säuren und Alkalien; mit Ganglienzellen sind sie nirgends in Verbindung, sind Bindegewebe und geben dem Nervensystem Halt und eine gewisse Elasticität. Hamann’) lässt diese „Fasern“, die er von Nerven ebenfalls scharf unterscheidet, mit Epidermiszellen sich verbinden und nennt die mit solchen Fortsätzen versehenen Zellen Stützzellen im Gegensatz zu den nervösen Sinneszellen; er berichtet auch, dass er einmal Uebergang der Stützzellen- fortsätze in’s Bindegewebe beobachtet habe.

Unsere eigenen Untersuchungen haben uns zu einer wesentlich verschiedenen Auf- fassung dieser „Fasern“ geführt; nach unseren Erfahrungen sind sie nichts Anderes als kleine Gefässäste, welche von einem unterhalb des Nervenplexus gelegenen Gefässraum, Fig. 18 gef. r., trichterförmig entspringen, in die Nervenschicht eintreten, dort sich oft mehrfach verzweigen und endlich zwischen den Drüsen und den Epidermiszellen hindurch bis unter die Cuticula treten. Auf Schnitten erscheinen sie durchaus als feine Röhrchen; ihre untere trompetenförmige Oeffnung ist nichts Anderes, als die so oft beschriebene Gabelung der stäbchenartigen Zellfortsätze Lange’s”). Die Fig. 18 zeigt schematisch die Vertheilung der Gefässchen im Integument. An den nach Präparaten gezeichneten Bildern Fige. 20 und 22 sieht man die einzelnen kleinen Aestchen abgehen von dem unter dem Plexus gelegenen Gefässraum gef. r., und Fig. 26 giebt ein einzelnes Gefässchen wieder, zeigt dessen Abgang von dem Hauptgefäss, seine Verzweigung und endlich einen Ast, der bis zur Cuticula c aufsteigt. Dort angekommen, öffnen sich die Gefässchen in die kleinen Räume, welche zwischen den Epidermiszellen frei geblieben sind (vergl. Fig. 23). Diese Auffassung der sog. Stäbchen oder Stützfaseın als Gefässchen macht auch die Bilder verständlich, welche Lange gewiss mit grosser Genauigkeit von solchen Stäbchen giebt; er sagt nämlich und zeichnet es auch, dass das Stäbchen zuweilen seitlich dem Leibe der Epidermiszelle anliege und bis zur Cuticula laufe. Es leuchtet aber ein, dass ein solches Verhältniss nicht möglich ıst, wenn die Stäbchen wirklich Fortsätze der Epidermiszellen sein sollen, dagegen durch unsere Auffassung seine genügende Erklärung erhält. Schon besser stimmt mit unserer Ansicht die Meinung derjenigen Autoren, welche in diesen „Fasern“ Binde- gewehselemente gesehen haben, überein; es mögen auch in der That neben den Gefässchen manche Bindegewebsfasern in der gleichen Richtung laufen. So haben wir z. B. bei der Schilderung des Auges solcher Fasern Erwähnung gethan, welche den Nervenplexus durchsetzen.

Der Hohlraum, aus welchem die kleinen Gefässchen entspringen, scheint uns eine blosse Bindegewebslücke, nicht ein scharf umgrenzter Gefässraum zu sein; es ist das die- jenige Bildung, welche als Bindegewebslamelle, an die sich die Stäbchenfasern ansetzen sollten, beschrieben worden ist. Es ist nicht zu leugnen, dass der Eindruck einer Lamelle sehr oft hervorgerufen wird, wenn die zarten Wände des Gefässraums sich aneinander lesen. Auch ist zu bemerken, dass schon Teuscher”) in der Bindegewebsschicht zuweilen einen Raum erkannt hat, den er für ein Blutgefäss hielt.

Dieser Raum enthält Zellen (Blutkörperchen?) und stellenweise ist er durchsetzt

15

von mancherlei Elementen; so sieht man z. B. Bindegewebsfasern häufig ihn durchkreuzen. Bei der Beschreibung der gangliösen Anschwellungen an der Basis der Stacheln, Fig. 19, haben wir erwähnt, dass auch proximal vom Faserplexus eine Ganglienzellenmasse &1, liege, und zwar ist diese in den Gefässraum gef. r. selbst hineingelagert, so dass sie rings von Flüssigkeit umspült wird.

Nach unserer Auffassung haben wir also unterhalb des nervösen Hautplexus einen ausgedehnten Grefässraum, von welchem aus unzählige kleine und kleinste Seitenästchen abgehen und bald sich verzweigend, bald ungetheilt zwischen den Zellen der Epidermis durch zur Cuticula aufsteigen und dort sich öffnen, so dass die in ihnen enthaltene Flüssigkeit allenthalben unter der Cuticula sich ausbreitet. Die Guticula ist, wie oben schon angeführt wurde, von zahllosen feinen Poren durchsetzt; von diesen Poren treffen unzählige auf die Intercellularlücken, in denen die Flüssigkeit der Gefässchen sich ausbreitet; sie stellen also eine offene Verbindung her zwischen dem äusseren Medium und der Flüssigkeit des Seeigel- körpers. Welchem Gefässystem unser Bindegewebsraum und seine Seitenästchen angehören, können wir einstweilen nicht sicher angeben; doch lässt die Analogie mit weiter unten zu schildernden Verhältnissen bei anderen Thierklassen es mehr als wahrscheinlich erscheinen, dass wir in diesem Epidermis-Gefässystem die letzten Endigungen der Blutgefässe vor uns haben.

Die äusserst complicierte Einrichtung dient jedenfalls der Athmung; durch feinste Poren steht das Blut in Verbindung mit dem umgebenden Wasser, und so sind alle Bedingungen für eine lebhafte Hautathmung mittelst Diosmose gegeben. Zugleich werden durch das zugeführte Blut die Zellen der Epidermis ernährt.

Perrier”) hat nachgewiesen, dass bei kleinen Seeigeln, die er in gefärbtem Wasser leben liess, in sehr kurzer Zeit die Buccalmembran, die Tentakeln und die Ambulacral- gefässe gefärbt waren, und er schloss daraus auf eine rapide Endosmose. Diese geht unserer Ansicht nach vor sich durch die Poren der Cuticula und durch die feinen Gefässchen, welche überall zu derselben aufsteigen.

Dieses erwähnte Verhältniss einer offenen Communication der Flüssigkeit des Thier- körpers mit dem äusseren Medium steht durchaus nicht vereinzelt da. Jedermann kennt die so berühmt gewordene Beobachtung Leydig’s"”) an Cyclas cormnea, wo zwischen den Epithelzellen der Körperoberfläche feine Canäle laufen, welche das Blut mit dem umgebenden Wasser in directen Zusammenhang bringen. Es gelang uns, diese Beobachtung Leydig’s völlig zu bestätigen, wie wir in einer Notiz über directe Communication des Blutes mit dem umgebenden Medium ®) noch von Ceylon aus berichtet haben.

Ferner kennt man Gefässe in der Epidermis der Oligochaeten und Hirudineen (Leydig"), v. Mojsisovics”), Ray Lankester”), und wir selbst haben in der gleichen, eben erwähnten Notiz nachzuweisen versucht, dass auch bei diesen Thieren das Blut in offener Verbindung mit der Aussenwelt stehe. Ebenso haben wir bei den Larven von

Ichthyophis glutinosus Communication beider Medien angetroffen, und so schliessen sich

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unsere jetzigen Beobachtungen an Echinodermen willkommen an. Es scheint also die Vermuthung, welche Leydiıg schon in seinem Lehrbuch der Histologie 1857 ausgesprochen hat, es werde wahrscheinlich das Verhältniss der Epithelgänge von Cyclas cornea sich als

ein alleemeines Phänomen herausstellen, volle Bestätigung finden zu sollen.

Zum Schluss möge noch eine kurze Beschreibung der oben schon erwähnten Astropyga folgen, die wir als ein Zeichen unserer Dankbarkeit gegen den deutschen Consul in Colombo, Herrn Philipp Freudenberg, den regen Förderer jeder wissenschaftlichen

Bestrebung in CGeylon, Astropyga Freudenbergi genannt haben.

ASTROPYGA FREUDENBERGI.

(Fig. 1.)

Leider ıst nur ein einziges Exemplar dieser herrlichen Seeigelspecies in unsere Hände gefallen; bei hochgehender See wurde das Thier wahrscheinlich von seinem Standorte . weggerissen und blieb in Fischernetzen hängen. Jede Bemühung, ein weiteres Exemplar zu erhalten, blieb fruchtlos; kein Fischer wollte je das Thier vorher gesehen haben.

Ein um die Kenntniss der Insel Ceylon sehr verdienter Mann, Herr H. Nevill hatte die Freundlichkeit, uns für einige Zeit seinen Maler zur Verfügung zu stellen. Dieser, ein eingeborener Singhalese mit dem portugiesischen Namen de Alwis skizzierte das Thier noch während es lebte und arbeitete dann mit grösster Naturtreue das Bild aus, wie wir es in Fig. 1 wiedergeben. Das lebende Thier machte völlig den Eindruck einer roth glühenden Kugel; namentlich stachen die Interambulacra durch ihre prachtvolle Färbung hervor, und auf dem brennend rothen Grunde glänzten die blauen Augen wie Saphire. Die Stacheln sind theils uniform rothbraun, theils mit helleren Ringeln geschmückt.

Wir haben diesen Seeigel zu den Astropygen gestellt, da er mit diesen sehr grosse Verwandtschaft zeigt; namentlich ist es Studer’s”) Astropyga elastica von Neu-Britannien, mit der eine weitgehende Uebereinstimmung herrscht, im ganzen Habitus sowohl als in der fast identischen Form der Genitalplatten. Die Länge der Stacheln verhält sich bei Astropyga elastica zum Durchmesser der Schale wie 1:6, bei A. Freudenbergi ungefähr wie 1:3. Der Durchmesser unseres Thieres beträgt 185 mm, die Höhe 70 mm, die grösste Länge der Stacheln etwa 60 mm. Die Kiemen sind sehr stark entwickelt.

Es hat indessen das Thier einige Eigenthümlichkeiten, welche vielleicht hinreichen würden, dasselbe zu einer besonderen Gattung zu erheben. Erstlich spaltet sich das nackte

Interambulacralfeld statt in zwei, in drei glatte Bänder, ein Verhältniss, das von Astro-

1X pygen, so viel wir wissen, nicht geschildert worden ist, und dann sind die Stacheln der dorsalen Fläche anders gebaut als die ventralen, wie der erste, Hüchtige Blick auf unsere Abbildung erkennen lässt, und auch diess ıst eine Eigenthümlichkeit, die von den Beschreibern der Astropygen unmöglich hätte übersehen werden können. Die Stacheln, welche auf der Rückenfläche dünn und ziemlich spitz sind, werden nämlich am Umbiegungsrand der Schale weit kräftiger und meist breit abgeschnitten. Der Durchschnitt der Stacheln, bei den dorsalen rundlich, Fig. 2 a, wird bei den ventralen eiförmig, 2b, und um den Mund endlich stehen kurze, kräftige, spatelförmige Stacheln, 2 c und d. Die Oberfläche der Stacheln zeigt dieselben feinen, zugespitzten Kiele, wie sie bei den Astropygen als allge-

meines Vorkommniss beschrieben werden.

SARASIN, Ceylon I. 3

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rk Der

Alar: Peektıs

Tafel 1.

Fig. 1. Astropyga Freudenbergi nov. Sp. (etwa drei Viertel natürl. Grösse).

Tat

SARASIN, Ceylon. Bd.l.

de Alwis del.

2)

U \ 2 | URAL 5 | er RS |

Tafel II.

2a. Rückenstachel (nat. Gr.) u. s. Querschnitt (vergr.) von Astropyga Freudenbergi.

2b. Stachel aus der Aequatorialgegend desselben Thieres (mat. Gr.) und Quer-

schnitt (vergr.).

Kleiner spatelförmiger Stachel von der Oralseite desselben Thieres (nat. Gr.).

2d. Etwas anders geformter spatelförmiger Stachel (nat. Gr.) und Querschnitt (vergr.)

oO

il:

12

von derselben Stelle. Zusammengesetztes Auge von Diadema setosum; man sieht die Einzelaugen und ihre Pigmentbecher p.

Durchschnitt durch ein solches Auge, aus vielen Schnitten schematisch construiert.

co cornea. ! lichtbrechender Körper. p Pigmentbecher. n Nervenplexus. gl Ganglienzellenbelag desselben. pög Pigmentanhäufune unterhalb des Nerven- plexus. bdy Bindegewebstasern.

und 6. Entstehende Einzelaugen an den Rändern der blauen Flecke. Isolierte Zellen des Pigmentbechers. Einzelauge zwischen zwei schon fertigen lichtbrechenden Körpern von der Epi- dermis her sich bildend. Ein lichtbrechender Körper mit seinen Blasenzellen. Entstehendes Einzelauge. Lichtbrechender Körper; durch den Nervenplexus » läuft ein Gefässchen gef.

und 13. Lichtbrechende Körper.

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14. 19. 16. 17. 18.

19.

Tafel IH.

Apicalpol von Diadema setosum mit den blauen Augenflecken.

Augenanordnung an der Schalenperipherie von Diadema setosum.

Diadema sp., bei welcher die Augenflecke zu Bändern verschmolzen sind.

Epidermiszellen ım Flachschnitt mit Intercellularräumen.

Aus vielen Schnitten construierter schematischer Schnitt durch das Integument

von Diadema setosum.

c cuticula. ep Epidermis. dr Drüsen- und Sinneszellenlage. » Nervenplexus mit seinem Ganglienzellenbelag gl. gef. r Gefässsaum unterhalb des Plexus mit

seinen in das Integument laufenden Kanälchen.

Schnitt durch das Ringganglıon der Stachelbasıs.

ep Epidermis. n Nervenplexus. gl äusserer, gl, innerer Ganglienzellenbelag.

gef.r Gefässraum.

Gefässraum gef. r unterhalb des Nervenplexus mit abgehenden Integumentkanälchen.

Flachschnitt durch den Nervenplexus.

Dasselbe wie 20.

Einzelne Epidermiszelle und schlauchförmige Drüse. Drüsenzellen; an zweien sind Fortsätze zu erkennen. Zusammengesetzte Hautdrüse.

Ein einzelnes vom Gefässraum abgehendes und zur Cuticula Integumentkanälchen.

Nervenplexus mit seinem Zellenbelag gl.

Drüsenzellen.

aufsteigendes

Taf.

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‚Wiesbaden.

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UEBER

ZWEI PARASITISCHE SCHNECKEN.

I. ZUR ANATOMIE DER GATTUNG STILIFER, BRODERIP,

Die auf Echinodermen parasitisch lebende Schneckengattung Stilifer ist schon öfters Gegenstand der Besprechung gewesen, und so ist es nothwendig, eine gedrängte geschicht- liche Uebersicht der Kenntnisse von der Anatomie des Thieres zu geben; auf das Syste- matische soll im Folgenden nicht eingegangen werden.

1825 fand Turton”) eine parasitische Schnecke auf Echinus esculentus, welche er als Phasianella stylifera dem Genus Phasianella zutheilte; er erkannte, dass derselben ein Deckel fehle.

1828 erhob Fleming’) das Thier zu einem besonderen Genus unter dem Namen Stylina. Mit diesem Namen war aber schon von Lamarck eine Coralle belegt worden, und so taufte 1832 Broderip°) die Schnecke Stylina um in Stilifer, welcher Name im Allgemeinen acceptiert wurde und auch weiterhin gebraucht werden mag. Broderip brachte zugleich die ersten und bis jetzt besten, der Feder Richard Owens entstammenden Mittheilungen über die Anatomie dieses Gasteropoden hei.

Owen beschreibt von Stilifer astericola folgendes Bemerkenswerthe: Die Schale ist überkleidet von einem dicken, fleischigen, tassenförmigen Mantel mit einer kleinen Oeffnung an seiner Basis und einem freien hinteren Rande; das ganze Gebilde ist sonach ungefähr vom Aussehen einer Eichel. An der Ventralseite des Mantels sitzt das Rudiment eines Fusses, und aus der kleinen Oeffnung an der Basis des Mantels kann eine retractile Proboscis bis zur Länge des ganzen Thieres herausgetrieben werden. Zwei Tentakeln finden sich an der Basıs des Rüssels und am Grunde derselben Augen oder Augenflecke. Die Kiemen haben einen einzigen Kiel; Muskelmagen, Darm und Leber sind ausgebildet.

Die Abbildungen zu vorstehender Beschreibung erschienen in Reeve’s") Concho- logia Systematica, tom II, 1842. Seltsamer Weise vermisst man auf den Abbildungen den Rüssel der Schnecke, ja es macht den Eindruck, als wäre er zuvor abgeschnitten worden; demnach ist die Angabe Owen’s, der Rüssel sei retractil, wohl auf eine Infor-

mation gegründet. Wir bemerken hier zum Voraus, dass wir bei unserm Stilifer nichts

nichts von Retractilität des Rüssels wahrgenommen haben; die Schnecke ist viel zu klein, um das verhältnissmässig riesige Organ in sich zu bergen.

Gray’) betrachtete den von Owen beschriebenen Mantel als vom Fusse gebildet, 1839.

1845 beschreiben Adams und Reeve’) den Stilifer asterıcola und geben eine Abbildung, die deutlich erkennen lässt, dass sie die Proboscis für den Fuss nahmen, von dem sie sagen, er sei „very much produced beyond the head in front and scarcely extended at all behind“. Es ist dies die von Keferstein") reproducierte Abbildung.

Gould’) fand eine Stilifer-Art auf der Haut einer Holothurie, 1852; er ıst unsicher, ob überhaupt ein Nleischiger Mantel, wie er beschrieben war, existiere oder nicht.

Gray") brinet in seinem Guide 1857 eine Notiz von Alder, wonach sıch Otolithen vorfinden und die Radula fehlt.

Nach Hupe") (1860) sind die Geschlechter getrennt.

Semper') giebt 1863 an, dass Stilifer einen Deckel besitze.

E. von Martens”) (1865) kam nicht darüber ın’s Klare, ob die musculöse Hülle der Schale vom Mantel oder vom Fuss herstamme. Er fand keine Tentakeln.

Endlich hält Watson”) wiederum den Rüssel für den Fuss (1883).

Einige weitere Bemerkungen über die Literatur sollen unten folgen, nachdem wir von der Anatomie unseres Stilifer Kenntniss genommen haben. |

Aus vorstehendem historischen Ueberblick ergiebt sich, dass wir es mit sehr wider- sprechenden Ansichten über die Anatomie dieser merkwürdigen Schnecke zu thun haben. Vor Allem macht den Autoren eine musculöse, die Schale becherförmig umgebende Hülle zu schaffen, die von Owen als Mantel, von Gray’) als Fuss angesprochen wurde; ferner war die Deutung des Fusses unsicher, welcher zuweilen sogar mit dem Rüssel verwechselt wurde. Endlich wurde die für sicher gehaltene Existenz der Tentakeln von E. v. Martens”) in Zweifel gezogen. Unbestritten blieb nur ein Fehlen der Radula, Anwesenheit der Augen und Otocysten, Vorhandensein eines Darmkanals und einer Leber und Getrenntsein der (Geschlechter.

Während der Zeit, da wir in Trincomali auf Ceylon zum Studium der Meeresfauna unser Laboratorıum aufgeschlagen hatten, wurden uns von den eingeborenen Fischerleuten viele Exemplare der durch ihre merkwürdigen Theilungs- und Knospungs-Verhältnisse wohl- bekannten Linckıa multiforis zugetragen, und da fiel uns bald an einem Strahl eines Exemplars eine pathologische, kugelige Anschwellung auf (Taf. IV, Fig. 1 und 2, st); aus einer kleinen Oeffnung derselben ragte die Spitze einer Schneckenschale hervor. Dies ist der in seinem Wohnthier festgewachsene Stilifer. Um ıhn zu befreien, brachen wir den Arm der Linckia an dieser Stelle sorgfältig auseinander und konnten nun mit Hilfe von Nadeln ein Thier herauspräparieren, das ungefähr die in Fig. 8, a und b (Taf. V) dar- gestellte (Gestalt hatte. Würde nicht an einer Stelle (Fig. $sp) die Schalenspitze vor- ragen, so könnte man auf den ersten Blick beinahe glauben, einen Eingeweidewurm vor

sich zu haben. Das aus seiner Wohnung losgelöste Thier zeigte kaum merkbare Bewegung:

die geisselartige Verlängerung desselben (Fig. S pr) hatte eher etwas drahtiges als elastisches in ıhrer Art, und so war es nicht ohne Spannung, dass wir an die Anatomie dieses seltsamen Geschöpfes traten. Mit Scheere und Pincette kamen wir bald so weit wie unsere Vorgänger. Im Innern eines glockenförmigen, musculösen Gebildes sitzt eine zartgebaute Schale (zweimal vergrössert in Fig. 9, Taf. V). Die Muskelglocke selbst aber geht ın glattem Verlaufe in den geisselförmigen Anhang über, wonach an eine Deutung des ersteren Organs als Mantel schon von vornherein kaum gedacht werden konnte. Der lange Anhang (Taf. V, Fig. Spr) mochte wohl als Rüssel angesehen werden; eine Art von Fuss war, dem Schälchen direkt anliegend, innerhalb der Muskelglocke nachweisbar. Um in’s Klare zu kommen, zerlesten wır daher das ganze Gebilde, so wie es war, in Längsschnitte und geben in Fig. 10 (Taf. V) die Abbildung eines solchen, wie er mittelst der Camera nach einem in unserer Sammlung befindlichen Präparate gezeichnet ist. Die inneren Organe sind, nach Schnittserien construiert, in das Bild eingetragen. Was uns beim ersten Blick auf die Zeichnung entgegentritt, ıst der höchst auf- fallende Umstand, dass eine ausgebildete Schnecke mit allen ihren Organen ın einer Höhlung sitzt, welche von einem, im Verhältnisse zum ganzen Thiere äusserst mächtigen, musculösen Becher dargestellt wird (Fig. 10 sm). Dieser Becher geht glockenförmig von dem Punkte aus, wo der Mund einer normal gebauten Schnecke zu suchen wäre. Da es dieser Muskel- becher ist, welcher Owen und Manchem seiner Nachfolger Anlass zur Auffassung gegeben hat, als sei derselbe ein die Schale überdeckender Mantel, nennen wir ihn hinfort den Scheinmantel des Stilifer. Bezeichnen wir die Oeffnung des Scheinmantels, aus welchem die Schalenspitze hervorragt, mit hinten, so geht derselbe, nach vorn zu allmälıg dünner werdend, ohne Grenze in den geisselförmigen Anhang über, welcher nichts anderes ist, als ein in’s Monströse gewachsener Rüssel (Figg. 8 und 10, pr). Derselbe wird durchweg von dem, wie der ganze Darmcanal in der Figur blau gehaltenen Vorderdarm durchzogen, welchen hier ein in der Figur weiss gehaltener Blutraum (Fig. 10 bl) umgiebt. Wir sehen also in dem ın Fig. 8 dargestellten wurmartigen Gebilde von aussen nichts als die Proboscis und den von ıhr entspringenden, die Schale umkleidenden Scheinmantel. (Vergl. Tafelerklärung Fig.10.) Fassen wir nun die im Innern des Scheinmantels befindliche Schnecke selbst in's Auge, so erkennen wir an ıhr einen zwar kleinen, aber wohl erkennbaren Fuss (Fig. 10 fs), dem ein Deckel fehlt; ferner einen, wie bei allen andern Prosobranchiern ım Innern eine Kieme (k) tragenden, wohl ausgebildeten Mantel (Fig. 1O ml), welcher zu dem Schein- mantel in durchaus keiner Beziehung steht. Wir sehen ferner einen vollständigen, eine Schleife bildenden Darmcanal (Fig. 10 d) und eine grosse Leber (Fig. 101, braun), in welcher versteckt (auf der Figur nicht angedeutet), das Geschlechtsorgan liegt. Die Geschlechter sind getrennt. Eine Radula fehlt, ebenso ein Schlundkopf. Das Nervensystem (in der Fig. 10 gelb) ıst ganz nach Prosobranchier-Art ausge- bildet. Wir haben Chiastoneurie der Visceralganglien, und nachweisbar war auch ein mit

dem Supraintestinalganglion (Fig. 10 Sup) durch einen Nerv verbundenes Ganglion olfactorium.

Auch die Buccalganglien (Fig. 1O be) sind vorhanden; von ihnen läuft je ein sehr starker Nerv (n) in den Rüssel. Auch Augen (oc) und Otocysten (ot) fehlen nicht; dagegen sind Tentakeln nicht nachweisbar. Denken wir uns sonach den Scheinmantel als fehlend und den Rüssel in normaler Weise ausgebildet, so würden wir einen Prosobranchier vor uns haben, der uns gar nicht, oder doch höchstens durch den Mangel der Tentakeln, des Deckels und der Radula als etwas besonderes auffallen würde. Wir können uns auch direct diesen normal gebildeten Prosobranchier vor Augen bringen, wenn wir an dem intacten Gebilde den Scheinmantel zurückstülpen, was ganz leicht gelingt.

Und nun drängt sich uns zunächst die Frage auf: Welchem Gebilde bei anderen Schnecken ist dieser so absonderlich gestaltete Scheinmantel morphologisch zu vergleichen ? Darnach sehen wir uns vergeblich um; er ist eine, der Gattung Stilifer ganz eigene Bildung. Fassen wir aber die Lage seines Ansatzes am Grunde des langen Rüssels in’s Auge, so ist vielleicht für das Verständniss dieses Organs durch die Vermuthung etwas gewonnen, dass dasselbe das am ausgebildeten Thier erhalten gebliebene und in’s Riesige ausgewachsene, sonst nur der Larve eigene Velum sei, eine Vermuthung, deren Richtigkeit oder Unrich- tigkeit wohl erst durch die Embryologie wird erwiesen werden können.

Von der Entwicklungsgeschichte des Stilifer aber können wir leider nichts bei- bringen; dagegen finden sich darüber einige Angaben in der Literatur. Hier kommen in erster Linie die Mittheilungen von Hupe") in Betracht über einen Stilifer, welchen er auf Cidaris in gallenartigen Höhlen von Stacheln fand. Er traf in derselben Galle zwei Individuen und ebenso eine gewisse Anzahl von Embryonalschalen (coquilles embryonnaires); er schliesst demnach auf Dioecie und Viviparität. Wir selbst fanden auch einmal neben einem ausgewachsenen Thier ein junges sitzen; doch trafen wir nie zwei ausgewachsene Thiere neben einander, wonach an eine gegenseitige Begattung gedacht werden könnte; die Möglichkeit der Viviparität aber können wir besonders in Anbetracht der Angaben Hupe&’s nicht ohne Weiteres von der Hand weisen. Vielleicht sind in Betreff der Geschlechts- und Entwicklungsverhältnisse des Stilifer noch ganz eigenartige biologische Verhältnisse zu entdecken.

Semper") fand, dass Stilifer sowohl als Eulima ihre Eierschläuche rund um sich herum auf das Wohnthier legten. Die Larve des Stilifer ıst seiner Angabe nach ohne Deckel.

Jeffreys') sah Eier von Stilifer auf Echinus, Verrill”) liess Eier sich entwickeln bis zum Velarstadium; er beschreibt dieselben als gross, gelb und einzeln oder in Gruppen der Epidermis des Seeigels angeheftet. Aus diesen Berichten aber lässt sich für unsere Frage nichts gewinnen, und wir sind im Hinblick auf die Erklärung des Scheinmantels eben noch auf Vermuthungen hingewiesen.

Das Verhältniss unseres Stilifer zu seinem Wohnthier verdient hervorgehoben zu werden. Die Schnecke liegt innerhalb der Kalkschicht des Integuments der Linckia; aber

nicht frei in der Leibeshöhle selbst, sondern von dieser getrennt durch das sogenannte

I) or

Peritoneum, welches durch den Leib der Schnecke in den Raum der Leibeshöhle des Seesternes ausgebaucht wird und so eine Art von Beutel bildet, welcher den vom Schein- mantel umschlossenen Theil der Schnecke ın sich fasst. Dieser Beutel steht mit der Aussenwelt durch die schon beschriebene Oeffnung, aus welcher die Spitze der Schnecken- schale ragt (Fig. 1 und 2, st), in Verbindung. Der Rüssel dringt aus der Kammer, in welcher der Leib der Schnecke ruht, in das blutreiche, dünne Gewebe, welches zwischen dem Peritoneum und der Innenseite der Kalkschicht des Integumentes liest, hinein und folgt, einige unregelmässige Windungen bildend, beständig der Innenseite der integumentalen Kalkschicht, bis er offen in dem genannten Gewebe endigt und vermöge entweder peristal- tischer oder saugender Bewegungen die Leibesflüssigkeit des Seesternes in sich einzieht. Der Verlauf des Rüssels ist meist von aussen am Seestern erkennbar; auch gegen die Leibeshöhle sieht man ıhn etwas vorspringen. Wahrscheinlich vernarbt das Gewebe der Linckia in der ganzen Umgebung des Schneckenleibes, wodurch eine offene Communication der Räume der Leibeswandung des Seesterns mit dem Meerwasser verhindert wird.

Die Verbindung des Stilifer mit dem Leibe seines Wohnthieres ist eine sehr innige. Schon der Rüssel hält so fest, dass es nicht möglich ist, die Schnecke aus ıhrer Kammer zu heben, ohne denselben durchzureissen. Ueberdies ist ein Sichentfernen des Stilifer aus seinem Wohnthier unmöglich gemacht durch die Kleinheit der Oefinung, vermöge welcher er mit der Aussenwelt in Verbindung steht. Daraus ergiebt sich denn, dass er ein von den Leibessäften seines Wirthes lebender ächter Parasit ist, der nur noch wenige Beziehungen zur Aussenwelt hat.

Hier muss uns die Frage beschäftigen: Ist Stilifer ein Ento- oder ein Ectoparasit? Insofern der Begriff des Entoparasitismus nicht verknüpft ıst mit der Lebensweise ım Darme des Wohnthiers, mag unser Stilifer wohl entoparasitisch sein; denn er liegt innerhalb der derben, kalkhaltigen Körperhülle der Linckia. So haben wir das Thierchen noch in unserem Vorbericht") aufgefasst und geglaubt, es werde dasselbe vielleicht als Larve in den Arm der Linckia einwandern bei Gelegenheit der wohlbekannten freiwilligen Lostrennung eines solchen. Möglich ist aber auch die Auffassung (und dieselbe scheint uns jetzt mehr Wahrscheinlichkeit für sich zu haben), dass der Stilifer als Larve sich auf dem Integumente des Seesternes festgesetzt und vermittelst irgend eines Secretes, dessen Annahme bei Gastero- poden bekanntlich nichts Abenteuerliches an sich hat, den Kalk des Integuments der Linckia aufgelöst hatte. So kam die Schnecke immer tiefer in das Innere des Wohnthieres zu liegen, verhinderte aber mittelst ihrer Schalenspitze ein völliges Abgeschlossenwerden von der Aussenwelt. Demnach wäre Stilifer ursprünglich ein Ectoparasit.

Weiter einiges Physiologische. Wozu dient der so auffallende musculöse Apparat. den wir den Scheinmantel nannten? Wir halten für das Wahrscheimlichste, dass er eine Athmung überhaupt möglich mache. Die Schnecke hat in ihrem Mantel eine wohl- gebildete Kieme; die Kammer aber, in der das Thier sich befindet, ist sehr eng, und noch enger ist die kleine Oeffnung, durch welche dasselbe mit der Aussenwelt communiciert.

SARASIN, Ceylon I. 4

Unserer Vermuthung nach wirkt der Scheinmantel als Pumpe, welche durch die gegebene Oefinung das Athemwasser beständig erneuert, mit dem verbrauchten Wasser aber auch Excremente und Geschlechtstoffe oder vielleicht Larven nach aussen wirft.

Schwer ıst auch die Frage zu lösen, wozu die Augen dienen, wozu die Octocysten, wozu das Ganglion olfactorıum? Ein Lichtschimmer wird empfunden werden können, wozu aber dient ein Gehörorgan? Wissen wir doch sogar von Wirbelthieren, dass beide Organe bei Nichtgebrauch sich zurückbilden. Was nützt ferner der Fuss? Dies sind alles ebenso interessante, als bis jetzt schwer lösbare Fragen. Wahrscheinlich aber haben wir in Stilifer einen erst beginnenden Parasitismus vor uns, welcher vielleicht im Laufe der Zeit noch zu der bei der Entoconcha uns überraschenden Verbildung sämmtlicher Theile führen wird. Noch ist Stilifer durch den Besitz aller seiner Organe an die Aussenwelt sefesselt, mit welcher eine offene Thür ıhn noch verbindet. Mit einem tieferen Eindringen in den Leib des Wohnthieres aber und dem damit Hand in Hand gehenden gänzlichen Abschluss der Schnecke von der Aussenwelt werden zweifellos auch ihre Organe, deren Thätigkeit doch wohl nur durch ihren Rapport mit den äusseren Bedingungen erhalten bleibt, sich rückwärts bilden, und es wird aus der früheren Schnecke ein Wesen werden, dessen Anatomie seine Abstammung ebenso wenig errathen lässt, wie dies der Fall ist bei der Entoconcha, oder bei irgend einem Rhizocephalen.

Es könnte nun auch daran gedacht werden, dass die Entoconcha in ihrer Ontogenie denselben Weg wie Stilifer einschlage, also auch ein Stiliferstadium durchlaufe, demzufolge ihr Darmstück der Proboscis und ıhre Körperhülle dem Scheinmantel gleichzustellen wäre. Dies zu entscheiden, wird dem künftigen Entdecker der postembryonalen Enwicklungs- geschichte der Entoconcha vorbehalten sein.

Wir kommen ferner zur Besprechung eines schwierigen Punktes in der Literatur. Wir finden von den Autoren drei verschiedene Gasteropoden häufig mit einander verwechselt, welche unter einander ganz erhebliche anatomische Unterschiede aufweisen; es sind dies der ächte, mit Scheinmantel versehene Stilifer, dann die der Schale nach sehr ähnliche, aber frei sich bewegende Eulima und endlich eine dritte Schnecke, von der ausgesagt wird, dass sie ıhren langen Rüssel ın der Haut verschiedener Echinodermen eingesenkt halte, dagegen keinen sog. „Mantel“ (gleich Scheinmantel) aufweise. Dieses, einen Uebergang zu Stilifer bildende Thier hatte wohl zuerst Gould‘) vor sich; v. Graff®) fand es auf Antedon und nannte es Stylina comatulicola; Semper”) bildet es in seinen Existenz- bedingungen ab, Bd. 2, Fig. 95b, und stellt es zu Eulima. Die von Watson”) abgebildete Schnecke gehört wohl auch hieher. Sehr wahrscheinlich bildet die gedachte Zwischenform eine besondere Gasteropodengattung, welche recht häufig auf Echinen, Holothurien und Crinoiden vorzukommen scheint. Ihre Hauptmerkmale wären: Schale ähnlich Stilifer und Eulima, Scheinmantel fehlend, langer, ın die Epidermis des Wohnthieres eingesenkter Rüssel, ächter Ectoparasitismus. Nach Semper fehlen dem Thiere noch die Augen, der Fuss und

dıe Kauorgane.

Eulima endlich bewegt sich halbparasitisch auf der Körperoberfläche von Seeigeln, Holothurien und Seesternen lebhaft umher und besucht auch gelegentlich den Darm der Holothurien, in welchem sie sehr rasch herumkriecht. Sie besitzt sämmtliche Organe der anderen Prosobranchier, von denen sie sich in ihrer Anatomie lediglich durch den Mangel der Radula unterscheidet.

Es leidet kaum einen Zweifel, dass die Schneckchen, welche Jeffreys') auf Echinus munter umherkriechend fand, und welche nach seiner Ansicht von den Excrementen des Seeigels sich nährten, ohne letzteren selbst im leisesten zu incommodieren, Eulimen waren und keine Stiliferiden, wie Jeffreys glaubt. So entstammen auch wahrscheinlich die von ihm so reichlich gefundenen Eier Eulimen und nicht Stiliferiden. *

Die drei besprochenen Gattungen: Eulima, die zweite, noch unbenannte und Stilifer sind ohne Zweifel mit einander verwandt, was aus manchen Merkmalen hervorgeht. Eine vergleichend-anatomische Untersuchung würde gewiss interessante Resultate zu Tage fördern in Bezug auf das Verhältniss der einzelnen Organe bei beginnendem und fort- schreitendem Parasitismus. Schon in Eulima sehen wir eine parasitische Tendenz, und schon hat diese Gattung ein für die Gasteropoden sonst so sehr characteristisches Organ eingebüsst, die Radula.

Hupe") hat die interessante Notiz, dass fossile Cidarisstacheln mit Verbildungen vorkommen; er hält für möglich, dass dies Gallen sind, welche einen Stilifer in sich schliessen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass bei einer genaueren Prüfung fossiler Echiniden und Asteriden auf dieses Verhältniss noch merkwürdige, palaeontologische Funde gemacht werden könnten.

Endlich noch eine Bemerkung über die Species unseres Stilifer. Die in Fig. 9 (Taf. V) abgebildete Schale zeigt, dass die Länge der Schalenmündung ein wenig mehr als die Hälfte der ganzen Schalenlänge beträgt. Es ist nun freilich eine Bestimmung der verschiedenen Stiliferiden nach ihren Schalen schwierig genug, da dieselbe in ihrer Form ganz allmählig in die von Eulima übergehen; am nächsten steht unsere Schale noch der von Stilifer astericola und St. Turtoni; da sich die Merkmale aber doch mit keinem der-

selben ganz decken, so wollen wir denn unseren Stilifer St. Linckiae nennen.

II. THYCA BCTOCONCHA, n. sp.

Derselbe Seestern, welcher den besprochenen Stilifer in seinem Inneren nährte, beherbergte auch noch einen anderen Prosobranchier, welcher seiner Aussenseite aufsass (Taf. IV, Fig. 1 th). Da das Thier so festhielt, dass wir es nicht ablösen konnten, ohne es gänzlich zu zerstören, wendeten wir auch dieser Schnecke unsere Aufmerksamkeit zu.

Die Schale (Taf. IV, Fig. 3) ist weiss, glänzend, wie es scheint ohne Cuticula, mit einer

Längsstreifung geziert, welche durch regelmässige leistenförmige Verdickungen ihrer Oberseite hervorgerufen wird. Jede einzelne Leiste schwillt überdies von hinten nach vorn in wellen- artig sich erhebende kleine Buckeln an. Die Form der Schale ist ungefähr die einer phrygischen Mütze; sie ist dexiotrop. Meist ist sie sehr klein, I—3 mm lang, selten von der Grösse, wie Fig. 1th zeigt.

Zum Verständnisse der Anatomie des Thieres, welches wir aus, am Schlusse der Arbeit zu entwickelnden Gründen Thyca eetoconcha nennen wollen, soll uns der ın Fig. 11 (Taf.. V) dargestellte Längsschnitt dienen, welcher wie der ähnliche von Stilifer (Fig. 10) mit der Camera nach einem Präparate gezeichnet wurde. In die Skizze wurden auch die hauptsächlichsten Organe eingetragen, wie sie aus Länges- und Querschnittserien construiert wurden. An beiden Bildern, Fig. 10 und 11, sind die gleichbedeutenden Organe mit derselben Farbe bemalt, um eine Vergleichung zu erleichtern.

In erster Linie ist nun merkwürdig, dass die Oeffinung der Schale verdeckt wird durch eine musculöse Scheibe (Fig. 11, sf), welche zwar ohne Weiteres als runder Fuss imponiert, seltsamer Weise aber gerade in ihrem Mittelpunkt vom Schlunde (s]) durchbohrt wird. Diese Scheibe schickt in die Haut des Seesternes viele Falten (fl), auf Fig. 11 schematisch gezeichnet, genauer auf Fig. 4 (Taf. IV.) dargestellt. Dieselben senken sich zwischen die einzelnen Kalkstücke des Linckia-Armes.

Mitten im Centrum der besprochenen Scheibe erhebt sich in Form eines stumpfen Kegels der kurze Rüssel (pr) der Schnecke, welcher in seinem Innern einen musculösen Schlundkopf biret (Fig. 11, s]).

Eine mit dem Rasirmesser von ihrem Nährboden abgetragene Thyca ist in Fig. (Taf. IV) dargestellt. Man erkennt hier die sehr grosse musculöse Scheibe sf, mitten durch- bohrt vom Schlund sl. Wir werden von nun an diese Scheibe, welche anfangs als zweifel- loser Fuss erscheint, dies aber wegen der Durchbohrung durch den Schlund ja doch nicht sein kann, den Scheinfuss nennen. Auf unserer Abbildung Fig. 5 erscheint derselbe wie marmoriert; die unregelmässigen, dunkeln Flecke (Fig. 5 hilk) sind, durch das Messer ab- getragene Hautstücke der Linckia, mit welchen der Scheinfuss verwachsen ist.

Nehmen wir von neuem Fig. 11 vor, so sehen wir den Darm (d) seinen gewohnten Verlauf nehmen und mit After ausmünden; wir finden auch eine starke Leber (l) und einen Mantel (ml) mit einer kammförmigen Kieme (k). Wir haben ferner ein ausgebil- detes Nervensystem (cer ped) mit Augen (oc) und Gehörorgan (ot); all dies hat bei der immerhin sehr exponierten Lebensweise der Schnecke nichts Auffallendes; räthselhafter aber ist die Lage des Schlundringes (cer, ped). Bei den anderen Gasteropoden weit vorne liegend, umgeben von Musculatur, ist er hier nach rückwärts gedrängt und liegt unmittelbar der Leber an, ja fast in dieselbe hineinverpackt (Fig. 4, cer). Es ist, wie wenn der Schnauzentheil eines gewöhnlichen Prosobranchiers angefasst und nach hinten gedrückt würde, wodurch der Schlundring an die Leber zu liegen käme und der Muskelschlauch des Halstheiles

der Schnecke eine kragenartige Verbreiterung bilden würde, dem Scheinfuss entsprechend.

Ein weiteres Räthselhafte liegt in zwei Hautfalten, welche zusammen den Scheinfuss wie ein ringförmiger Kragen umgeben, selbst aber nicht ineinander übergehen (Fig. 5 und 11, fs und vl). Die vordere derselben (vl) trägt die Augen (Fig. 11, oc). Ueber beide soll weiter unten noch Einiges gesagt werden.

Wenden wir uns nun zur Deutung der beschriebenen Theile dieser merkwürdigen Schnecke, so erkennen wir zunächst, dass der Scheinfuss, welcher in das Integument der Linckia viele Falten hineinsenkt, in der Hauptsache zur Befestigung des Thieres dient. Er hält so fest, dass ein Abheben der Schnecke unmöglich ist, ohne sie mitten durchzu- reissen. So ist denn, wie auch die Abbildung (Fig. 7, Taf. IV) zeigt, der in’s Gewebe der Linckia zwischen die Kalkstücke des Integuments sich senkende Rüssel ganz von der Aussenwelt abgeschlossen und somit eine Ernährung der Schnecke nur denkbar durch die Annahme, dass sie die Leibesflüssigkeit des Wohnthieres nach Art eines Blutegels aufsaugt. Wir haben also ächten Parasitismus. Eine Radula fehlt, offenbar, wie schon bei Stilifer, verschwunden durch Nichtgebrauch; ein musculöser Schlundkopf aber (Fig. 4, 7 u. 11, sl) ist vorhanden; unserer Vermuthung nach dient er als Saugpumpe zur Einziehung des See- sternblutes. Bei Stilifer fehlt dieser ächte Pharynx; dagegen gebricht es hier keineswegs, am wenigsten an der Basıs des gewaltigen Rüssels an Musculatur, um ein Einpumpen des Leibessaftes des Seesternes zu ermöglichen.

Die Speicheldrüsen der Thyca fallen durch besondere Grösse auf.

Stets deckt der rechte Schalenrand des Thieres, (die Stelle also, wo bei andern dexiotropen Prosobranchiern das Athmungswasser eingezogen wird), die Ambulacralfurche des Wirthes (siehe Fig. 1, th). Jedenfalls dient diese Einrichtung der Athmung. Da von den siebenzehn Individuen, die in unserm Besitze sind, sechszehn die beschriebene Lage hatten, ein sehr kleines Exemplar aber einer andern Stelle des Seesternes aufsass, werden wir die Deckung der Ambulacralfurche durch die Schale zwar für sehr wichtig, nicht aber für wesentlich für das Leben des Thieres halten müssen. Jedenfalls ist für die Thiere die über der Ambulacralfurche ausgewählte Stelle die günstigste, da die Ambulacralrinne nicht allein behufs Athmung, sondern auch behufs Ausstossung der Excremente und Geschlechts- stoffe dienlich sein muss.

Dabei ist noch des recht merkwürdigen Umstandes zu gedenken, dass alle Indi- viduen, welche der Ambulacralrinne aufsitzen, dies in der Weise thun, dass der Wirbel ihrer Schale dem distalen Armende, die Oeffnung aber dem Munde der Linckia zugekehrt ist, wie Fig. 1 zeigt.

Dies hängt vermuthlich mit der durch die Wimperung ın der Rinne erzeugten Stromesrichtung zusammen.

Und nun zur Deutung des fremdartigen Organes, welches wir den Scheinfuss nannten. Dass es der Fuss selbst nicht sein kann, wurde schon erörtert: denn es ist mitten vom Schlunde durchbohrt, und ein Umwachsen der vorderen Fussränder um den

ım Gewebe der Linckia fixierten Schlund und Zusammenwachsen der umwachsenden Theile

30

zur Bildung einer Scheibe erscheint eine zu willkürliche Annahme, als dass wir sie accep- tieren dürften, so lange noch eine andere Erklärung möglich ist. Unserer Ansicht nach entspricht der Scheinfuss der Thyca dem Scheinmantel des Stilifer, und beide Bildungen halten wir für hervorgegangen aus dem Velum der Larve. Denken wir uns den Schein- mantel von Stilifer in eine Fläche ausgebreitet und dabei etwas verkürzt und so der Haut der Linckia aufgelegt, so bekommen wir das Bild des Scheinfusses der Thyca; und umge- kehrt: Stellen wir uns vor, der Scheinfuss der Thyca wachse becherförmig rückwärts um Fuss, Mantel und Schale, so erhalten wir den Scheinmantel des Stilifer; und wie bei Stilifer im Scheinmantel der Scheinfuss der Thyca in’s Riesige vergrössert erscheint, so ist auch der bei der Thyca kleine Rüssel bei Stilifer ın’s Ungeheuere verlängert.

Den wirklichen Fuss jedoch der Thyca suchen wir in der in Figg. 5 und 11 mit fs bezeichneten hintern kragenartigen Hautfalte; ein Deckel fehlt.

Was ist nun aber die vordere, die Augen tragende Falte vl (Figg. 5 und 11)? Da wir das Velum schon zur Erklärung des Scheinfusses verbraucht haben, müssen wir diese Falte für eine secundäre Bildung halten, welche vom Velum, das ja oft so abenteuer- liche Formen aufweist, ausging.

Die Musculatur, welche ın den Fuss und den Scheinfuss ausstrahlt (Fig. #, ms), setzt sich halbmondförmig an die Schale an, wie Fig. 6 (ms) dies darstellt. Das Bild gleicht dem »von Capulus und Hipponyx Bekannten; dies beweist aber nichts gegen unsere Auffassung des Scheinfusses als Kopftheiles des Thieres; denn die bei Capulus an die Schale hufeisenförmig sich ansetzende Musculatur gehört nicht nur dem Fusse an, sondern die vordere Partie derselben besteht aus den Retractoren des Kopfes. Diese sind nun bei der Thyca ausserordentlich viel mächtiger, als die des Fusses, wie an sich schon selbstverständlich ist und wie auf Fig. 6 ıhr Ansatz an der Schale zeigt.

Vielleicht wird man auch die Vermuthung äussern dürfen, dass die Thyca das Bild eines Entwicklungsstadiums biete, welches Stilifer in seiner Onto- und Phylogenie einst durchlaufen hat, und dass diese beiden Prosohranchier, die zwar in Betracht ihrer äusseren Form verwandtschaftlich nicht direct auf einander zu beziehen sind, doch den gleichen Weg der künftigen Degeneration einschlagen werden, wie ihn schon eine andere Schnecke, die Entoconcha mirabilis, zurückgelegt hat.

Zum Schlusse noch ein paar kurze systematische Bemerkungen. Es stellte sich nach längerem Suchen in der Literatur heraus, dass eine, der unserigen ganz nah ver- wandte Schnecke zuerst von Adams und Reeve’) unter dem Namen Pileopsis astericola

1848 beschrieben worden war. Es heisst da (pag. 69):

„Pileopsis Lamarck.

Pileopsis astericola, Hab. Sooloo Sea, on the tubercle of a star-tish. This very interesting species, of which only a single example was collected, is very neatly sculp-

tured throughout with fine close-set grooves radiating from the apex.“

sl

Ein offenbar sehr ähnliches Thier hatte Gould‘) vor sich; er nennt es Pileopsis crystallina und widmet der Schale desselben eine genauere Beschreibung (7, pag. 382). Er fügt bei: „The beautiful erystalline, quartz-like lustre of this shell, its deep and regular Suleci and its crepiduloid base mark this species very distinctly.“

Der Hinweis auf die Crepidula-Form der Schalenmündung stimmt nicht ganz zu unserer Schnecke.

In ihrem Werke: The genera of recent mollusca etc. (1, pag. 370) stellen die Gebrüder Adams das Thier unter die Familie der Capuliden als Subgenus Thyca mit zwei Species: Th. astericola Adams und Reeve und Th. crystallina Gould und setzen hinzu: „Shell erystalline, acutely conical, sligehtly curved, longitudinally grooved, parasitic on Starfishes.“

Da wir nun nicht daran zweifeln, dass die von uns untersuchte Schnecke nach den gegebenen Beschreibungen der Gattung Thyca unterzuordnen ist, wollen wir dieselbe im Gegensatz zur entoparasitisch lebenden Entoconcha mirabilis: Thyca ectoconcha nennen.

Herrn Prof. E. von Martens, welcher uns in unseren systematischen Nachforsch- ungen auf’s Liebenswürdigste unterstützte und überhaupt unserer Arbeit sein ganzes Interesse

entgegenbrachte, sprechen wir an dieser Stelle öffentlich unsern ergebensten Dank aus.

Literaturverzeiehniss.

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nach Fischer.

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Tafel IV.

Eine mit Stilifer und Thyca behaftete Lanckia.

Linckia mit Stilifer.

Schale der Thyca ectoconcha.

Querschnitt durch den Körper der Thyca ectoconcha.

Thyca ectoconcha von unten gesehen, etwa fünfmal vergrössert.

Thyca ectoconcha von oben, ohne Schale.

Schnitt durch den Arm einer Linckia mit einer ihm aufsitzenden Thyca ecto-

concha. Man sieht den Rüssel der Schnecke ın die Muskelmasse zwischen

zwei Armwirbeln der Linckia sich einsenken.

SARASINE sion. Bdl. Tat WV.

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Fig. 1-2 Mützel, 3-7 Sarasın del

C.W.Kreidels Verlag, Wiesbad

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Tafel V.

Fig. 8 a und b. Stilifer Linckiae, natürl. Gr. Fie. 9. Schale von Stilifer, zweimal vergrössert. Fie. 10. Längsschnitt durch Stilifer Linckiae.

Fig. 11. Längsschnitt durch Thyca ectoconcha.

Zeichenerklärung.

be Buccalgang)ien. bl Blutraum. cer Cerebralganglien. d Darm. fl Falten. fs Fuss. Alk Mit dem Scheinfuss der Thyca verwachsene Hautstücke der Linckia.. % Kieme. 1 Leber. mi Mantel. ms Muskelansatz an der Schale von Thyca. n Rüsselnerv. oc Auge. ot Otocyste. ped Pedalganglien. pr Proboseis. sf Scheinfuss. s! Schlundkopf. sm Scheinmantel. sp Schalenspitze. st Stilifer.

sub Subintestinalganglion. sup Supraintestmalganglion. th Thyca. vo! Falte vom Velum gebildet.

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SARASIN, Ceylon.Bal. | Taf. V.

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Lith.Anst.v.Werner & Winter, Frankfurt *M

STONKULL "il

AUS DER ENTWICKLUNGSGESCHICHTE

DER

HDELIA WALTONI REEVE

HIERZU TAFEL VI— VI.

l. DAS EI UND DIE AEUSSERE FORM DER EMBRYONEN.

HIERZU TAFEL VI.

Im feuchten Theile Ceylons findet man häufig unter dem Mulm der Wurzeln grosser Bäume weisse hartschalige Eier von der Grösse derjenigen eines kleinen Vogels. Die Leute kennen sie wohl und haben ihre Freude daran, beim Oeffnen derselben eine junge Schnecke vorzufinden. Der Anblick ist in der That für den Europäer ungewohnt genug: die junge Schnecke verweilt wie ein Hühnchen im Eie, solange die Schale desselben ihr Raum lässt, und ihr Gehäuse zeigt besonders frische und bunte Farben.

Dies sind die Eier der überall im Südwesten der Insel gemeinen Helix haemastoma L. und der andern ihr nächst verwandten Arten wie H. Waltoni etc. Wir sammelten von denselben und conservierten einige Embryonen; nach einem mitgebrachten Exemplare hat Maler Mützel das Bildchen Figur 1 angefertigt; es giebt einen reifen Embryo der Helix Waltoni in seiner Eischale in natürlicher Grösse und Farbe wieder.

Die alleinige Constatierung dieser Thatsache würde einen Bericht in unserm Werke keineswegs gerechtfertigt haben; denn die Erfahrung, dass es Landschnecken giebt, welche Eier von so ungewohnter Grösse legen, ist schon recht alt. Da die hieher gehörigen Auf- zeichnungen aber in einer hauptsächlich systematischen und Reise-Literatur zerstreut sind, glauben wir keine unnütze Arbeit zu thun, wenn wir kurz zusammenstellen, was bisher über diese Verhältnisse bekannt ward, bevor wir des näheren uns mit dem Studium der Embryonen der Helix Waltoni beschäftigen.

Es waren zunächst die Eier der grossen Buliimus-Arten des tropischen Amerikas, welche durch ihre Mächtigkeit auffielen, und wohl der erste, welcher dieselben sah und damit zugleich das Vorkommen solch voluminöser Schneckeneier constatierte, war J. Mawe (18, pag. 199 und letzte Tafel). Auf seinen Reisen im Innern von Brasilien hatte er mehrfach den schönen rothlippigen Bulimus ovatus Müller erhalten; eine dieser Schnecken legte ihm zwei Eier, so gross wie die eines Sperlings. Auf der letzten Tafel seines Werkes bildet er ein solches ab. Der Autor drückt seine Ueberraschung über das Ereigniss mit

den Worten aus: „Ich dachte nicht, dass diese Schnecken ovipar wären.“

Von dieser Zeit an kamen diese Eier öfters in die Sammlungen nach Europa und wurden dann hin und wieder in den prächtigen französischen Bilderwerken der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts dargestellt. So geben de Ferussac und Deshayes (9, Taf. 145, B, 2a) eine Abbildung des Eies von Bulimus ovatus und zeichnen einen Situs viscerum der Achatina sinistrorsa Chemnitz, wobei der Uterus drei sehr grosse Eier aufweist.

W. J. Broderip (5, Taf. Suppl. 16bis Fig. 34) bildet 1834 zwei Eier des Bulimus oblongus Brug. ab.

A. d’Orbigny (23, pag. 121) zufolge waren 1842 die Eier der beiden Bulimus- Arten ovatus und oblongus in der wissenschaftlichen Welt allgemein bekannt. Er sagt wörtlich: „Je connaissais comme tout le monde les oeufs du Bulimus ovatus.“ Die grössten erreichten die Länge von 25 mm.

In seinem grossen Reisewerke liefert er die Abbildung eines Eies des Bulimus oblongus (22, Tafel 37, Fig. 3). Er fügt bei, dass diese Schnecke gegen Ende der Regen- zeit ihre weissen kreidigen Eier ablege. Während der ersten Regen der darauf folgenden nassen Jahreszeit schlüpfen die jungen Bulimi aus (22, tom. 5, Theil 3, pag. 299).

W. H. Benson (2, pag. 265) sah 1851 als der erste das grosse Ei der Helix haemastoma, welches eine solche in seinem Besitze fallen liess. „In seiner kalkigen Schale und Grösse (Länge Yo, Querdurchmesser ’/% Zoll) ähnelte es demjenigen eines kleinen Vogels. Es bildete einen merkwürdigen Contrast zu den vielen kleinen Eichen mit per- gamentener Hülle, welche ın Masse von der mauritianischen Achatina Fulica ausgestossen wurden, einer Schnecke mit viel grösserem Peristom.“

1867 beschreibt E. v. Martens (17, pag. 135) das 35 mm lange, 21 mm breite weisse Ei des Bulimus Valenciennesi.

Die Eier der Achatina sinistrorsa Chemn. bildet L. Pfeiffer (25, Taf. 76, Fig. 1a) 1869 ab; er findet sie in der Grösse unter sich verschieden und ihre Schale von stärkerer Textur als die gleich grosser Vogeleier.

Das grösste, ein in der That überraschend mächtiges Ei legt Bulimus Garcia- Moreni, welches wie auch die Schnecke selbst von K. Miller (20) 1878 beschrieben wurde. Die Länge eines solchen Eies beträgt c. BO mm bei c. 30 mm Breite. Das Gewicht c. 21 Gramm. Es verhält sich zu dem der Helix haemastoma wie ein Straussen- zu einem Hühnerei.

Weiter meldet Bavay (1), ohne von Bensons Mittheilung Kenntniss zu haben, dass Hr. Auber im Uterus einer H. haemastoma ein grosses Ei von 17 mm Länge und 12 mm Breite vorgefunden habe. Bavay wundert sich über diesen Fund, da er selbst auf Ceylon H. haemastoma in grosser Zahl gesammelt hatte, aber nicht auf die beschriebenen Eier gestossen war. Endlich sagt Binney (3) von den Eiern der Glandina, dass sie eine harte kalkige Schale hätten und 8 mm lang seien.

Ueberblicken wir die gegebene historische Skizze, so finden wir auffallend grosse

und hartschalige Eier von folgenden Arten beschrieben: Bulimus ovatus (zuerst gemeldet

37

vonMawe), Bulimus oblongus (von Broderip), Bulimus Valenciennesi (von v. Martens), Bulimus Garcia-Moreni (von Miller), Achatina sinistrorsa (von de Ferussac und Deshayes), Helix haemastoma (von Benson), Glandina (von Binney); ausserdem besitzt das Berliner Museum ein ziemlich grosses gelblich gefärbtes Ei von Achatina purpurea Lam., und end- lich haben wir selbst dem Verzeichniss die Helix Waltoni anzuschliessen.

Wir geben hier die Umrisse einiger dieser Eier zum Vergleich mit dem ebenfalls

beigefügten unserer Helix pomatıa.

FOR vi N 1 | ® | | R x IH. pomatia. B. oblongus. A. sinistrorsa. B. Garcia-Moreni.

Auf die Embıyonen wurde nie speciell geachtet, und so sind auch dieselben unseres Wissens niemals abgebildet worden. Wir glaubten uns deshalb umsomehr berechtigt, ein Bildchen wie Fig. 1 unsern Lesern vorzuführen.

Beim Durchgehen der grossen Literatur haben wir zwei biologische Notizen auf- eefunden, welche wir nicht stillschweigend übergehen möchten. Bekanntlich legen die Landpulmonaten ihre Eier in die Erde ab, indem sie zuvor eine kleine Grube im weichen Boden herrichten, diese mit ihren Eiern füllen und alsdann sorgfältig mit Erde überdecken (vergl. C. Pfeiffer, 24, pag. 69). So macht es auch z. B. die philippinische Rhysota ovum Val., von der Semper (34) berichtet: „Rh. ov. legt ihre grossen Eier in runde Löcher in der Erde ähnlich denen, wie sie bei uns H. pomatia zum Eierlegen macht.“ So wird es auch von H. haemastoma und Waltonı geschehen; wir haben dies nıe selbst beobachtet. Sehr interessant aber ist eine Angabe des Mr. Cuming, welche uns Reeve(28) überliefert. Er fand, dass die auf den Bäumen lebenden Bulimus-Arten der Philippinen ım Stande sınd, zweı Blätter des von ihnen bewohnten Baumes, eins ums andere zusammen- zurollen, worauf sıe ın die so gebildete schützende Röhre oder Düte ihre Eier ablegen. Diese sind weich wie die der Schlangen. Eine Ausnahme macht Bulimus Mindoroensis, dessen Eier eine kalkige Schale haben; und zwar legt diese Schnecke ıhre Eier ın parallelen Reihen auf ein Blatt dergestalt, dass dieselben auf ihre Spitze zu stehen kommen und so mittelst einer klebrigen Substanz festgeleimt werden. Eine ganz ähnliche Beobachtung machte Semper (34, pag. 171), indem er von Cochlostyla limansauensis Semp. aussagt: „Wie alle Species von Cochlostyla lebt sie auf Bäumen in der Nähe des Strandes, deren

Blätter sie dütenförmig zusammendreht, um ihre Eier darin abzulegen.“

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Diese merkwürdige Art der Sorge für die Nachkommenschaft erinnert stark an ähnliche von gewissen Baumfröschen der Tropen bekannt gewordene Dinge, wo auch das mütterliche Thier seine Eier an Blätter befestigt, zuweilen zwei derselben zusammen- klebend (vergl. dieses Werk Band Il, pag. 37). Es wäre interessant, zu beobachten, wie die Schnecke das Baumblatt zusammen- oder gar zwei solche übereinander rollt; ferner welche Drüsen, ob die Fuss- oder etwa die Schwanzdrüse oder welche sonst sie verwendet, um ihre verhältnissmässig schweren Eier auf dem schwankenden Blatte zu befestigen. Gewiss ist hier durch darauf gerichtete Aufmerksamkeit in den Tropen noch manches un- geahnte ans Licht zu ziehen.

Dass sehr viele Landschnecken und zwar aus fast allen Gattungen lebendig ge- bärend sind, daran möchten wir hiermit umsomehr erinnert haben, als eine unserer ersten Autoritäten im Gebiete der Gasteropoden-Entwicklung, C. Rabl (27, pag. 55) neuer- dings den Satz aussprach: „Paludina vivipara ist, soviel mir bekannt, die einzige Schnecke, welche lebende Junge gebiert.“ Fine gute, wenn auch noch nicht vollständige Zusammen- stellung der ovoviviparen Landpulmonaten gab A. T. de Rochebrune (29). Bei dieser Gelegenheit wollen wir nicht unterlassen, anzumerken, dass bei sehr vielen Schnecken die nächsten Verwandten ovi- und vivipar sein können: auch sind dann die Eier oft gänzlich verschiedenen Calibers. Achatina sinistrorsa legt sehr grosse kalkschalige, A. Fulica kleine pergamenthüllige Eier, und endlich A. Zebra Chemn. ist lebendig gebärend, wie Semper fand (34, pag. 144). Ueber die von diesem Autor beschriebenen Embryonen später noch ein paar Worte. Ferner Helix haemastoma und Waltoni sind ovipar, während von der sehr nahe verwandten, dem gleichen Subgenus Corilla zugetheilten H. erronea aus Ceylon Semper fand, dass sie ovovivipar sei (34, pag. 101). So konnte dieser Autor mit grossem Rechte sagen: „Die Mannigfaltiekeit in der Entwickelungsweise der Landpulmonaten ist viel grösser als man glaubt“ (34, pag. 132). Der Analogien für diese Erscheinung finden wir genug durch das ganze Thierreich; es ist nicht nothwendig, an einzelne Fälle zu erinnern.

Kehren wir nun zu unserer Helix Waltoni zurück, so trafen wir einmal ein Exemplar, welches im untersten Theil seines Oviducts ein schon fertiges Ei mit harter Kalkschale enthielt. Dasselbe nimmt einen grossen Raum in der verhältnissmässig kleinen Schnecke ein, welch letztere nur um ein weniges grösser ist als eine H. pomatia. Die weisse Eischale ist härter als die eines gleich grossen Vogeleies, wie auch L. Pfeiffer für Achatina hervorhob; ihre Oberfläche nicht glatt poliert, sondern leicht uneben.

Eine genauere Beschreibung der Eischale von Bulimus Garcia-Moreni giebt Miller. Er findet sie „weiss, glasig, hart, dünn, durchscheinend, glänzend.“ Er vergleicht sie nach ihrem äusseren Aussehen mit Crocodil-, Schildkröten- und Vogeleiern.

Das Gewicht eines frischen Eies der Helix Waltoni beträgt c. 3 gr., seine Länge beläuft sich auf c. 22mm, seine Breite auf c. 14mm.

Das eben gelegte Ei enthält in seinem Innern die kleine Eizelle in einer verhält-

nissinässig ungeheuren, durchsichtigen, viscösen Eiweissmasse schwebend. Wenn nun

einerseits in dem Eie eines Vogels das mächtige Volumen der Eizelle überrascht, welche wir unter dem landläufigen Namen des Dotters kennen, so zwar, dass bis ın die neuste Zeit Zweifel an dem Zellwerthe des Vogeldotters laut geworden sind, ein Volumen, welches genauen Schritt hält mit demjenigen des ganzen Eigebildes, so finden wir andrerseits bei der Schnecke keineswegs das gleiche Verhältniss. Das Ei der H. haemastoma ist enorm viel grösser als dasjenige einer H. pomatia oder eines Limax, der Dotter aber, die Eizelle selbst bleibt ın allen Fällen von gleich geringer Mächtigkeit; und gewiss finden wir im voluminösen Ei des Bulimus Garcia-Moreni die Eizelle von genau derselben Grösse wie im Ei der Helix haemastoma oder pomatia. Im Eıerstocke der Vögel ernährt sich die Eizelle selbst; sie entzieht dem mütterlichen Körper Nahrung und legt dieselbe als ein Drüsensecret unter der Form von Dotterkörnern in ihren Protoplasmamaschen nieder, so dass eine gewaltige Zelle heranwachsen kann, wie diejenige im Ei des Strausses ist, oder wie sie das Riesenei eines Moa muss enthalten haben. Der Inhalt eines Schneckeneies dagegen, welche Grösse es auch haben mag, besteht ausser der winzigen Eizelle lediglich aus einem Drüsenseeret des Eileiters, welches ohne weiteres dem Eiweiss der Vögel gleich- zustellen ist. So kommt es denn auch, dass unsere Freunde in Ceylon so sehr erstaunt waren, das eine Mal ein Ei zu öffnen, ın welchem sich, wie sie vermeinten, ausser etwas heller Flüssigkeit gar nichts vorfand, während das andere Mal der zerbrochenen Schale eine fertige und verhältnissmässig grosse Schnecke entfiel, wogegen das Vogelei, wenn es keinen Embryo, doch stets einen grossen Dotter aufweist. Im übrigen aber wüssten wir zwischen einem Schnecken- und einem Vogelei einen wesentlichen Unterschied nicht zu entdecken.

C.Rabl (27, pag. 53) spricht den Satz aus: „Die Eiweissmenge, in der die Keime der Paludina vivipara schwimmen, ist weit grösser als bei irgend einem anderen Gastro- poden; die Menge des Nahrungsdotters dagegen dürfte bei wenigen Gastropoden eine so geringe sein“ und weiter: „Man kann sich der Vermuthung nicht verschliessen, dass die geringe Menge des Nahrungsdotters und die grosse Menge des Eiweisses in Wechselbeziehung zueinander stehen.“ Im Hinblick auf das oben mitgetheilte über die mächtigen Eier der Landpulmonaten fällt diese Vermuthung dahin. Ihre Keime haben ungefähr die gleiche Grösse wie diejenigen der H. pomatia. Die Menge des vom Eileiter gelieferten Secretes, des Eiweisses, steht in keinem Verhältniss zu dem Secret der Eizelle selbst, den Dotter- körnern, welche dieselbe, gewissermaassen parasitisch im Eierstock lebend, dem Mutter- körper in anderer Form entzog und dann als Nahrungsdotter in sich aufspeicherte. Die vom Oviduct und seinen Anhangsdrüsen gelieferte Eiweissmenge ist allen denkbarsten Schwankungen unterworfen und zwar, wie oben gezeigt, bei den nächst verwandten Arten und beeinflusst nicht die Körperform des Embryos, sondern nur das Zeitmaass, während dessen dem jungen Thier als Embryo innerhalb der Eihülle zu verweilen gestattet ist. Mit dem längeren Eileben hängen dann aber einige besondere Einrichtungen zusammen, welche wir weiter unten ins Auge fassen wollen. Sehr stark dagegen wird die äussere

Form, wenn auch nicht die innere Entwicklungsweise der Embryonen durch die Menge

40

‚. des ın den Reim gelegten Nahrungsdotters beeinflusst, wie dies selbstverständlich ist, und auch dieses Verhältniss kann bei nahverwandten Formen sehr wechselnd sein, weniger auffallend bei Gasteropoden als in anderen Thierclassen, z. B. bei den Amphibien. So dürfen wir auch gewiss nicht sagen, dass die Keime der Bithynia bedeutende Mengen von Nahrungsdotter enthalten, wie Rabl (27, page. 60) will; das frisch gelegte Ei ist sehr klein, e. /, mm; eher könnte in diesem Sinne Nassa mutabilis angezogen werden (vgl. Bobretzky). Immerhin dürfen wir von bedeutenden Dottereinlagerungen unter den Mollusken erst bei den Gephalopoden sprechen, soweit bis jetzt unsere Kenntnisse reichen.

Die wenigen Eier der Helix Waltoni, welche wir öffneten, und deren Keime und Embryonen wir conservierten, sind selbstverständlich nicht das Material für eine Entwick- lunesgeschichte modernen Stils; dazu ist dasselbe viel zu dürftig; wir sind aber bei der Bearbeitung des Gegenstandes auf wesentlich vier Punkte aufmerksam geworden, welche, wie wir denken, unser Interesse wohl verdienen. Wenden wir uns denn zunächst zu den auf Tafel VI gezeichneten Embryonen. Der jüngste derselben ist in Figur Zabc dargestellt. Er gewährt ein eigenthümliches Bild, wie wir es bis jetzt noch von keinem Gasteropoden- embryo kennen gelernt haben. Betrachten wir denselben zunächst von vorn (Fie. 2, a), so sehen wir in der Mitte die cirkelrunde Mundöffnung (m), welche auf der vor dem Fuss- fortsatz (fs) sich ausbreitenden Fläche gelesen ist. Dieser letztere ist in seiner mittleren Partie von derberem Gefüge; seine freien Ränder aber sind blattartig dünn und etwas nach hinten gebogen; aus ihnen wird die Schwanzblase oder, wie wir sie aus unten an- zugebenden Gründen mit Jourdain (12) hinfort nennen wollen, die Podocyste (pd). Vor dem Munde baucht sich die halbkugelige, im Leben jedenfalls pulsierende Kopfblase (kbl) aus. Zu beiden Seiten des Mundes zeigen sich zwei seltsame Gebilde: es sind pfannen- artige Vertiefungen, welche dem Embryo ein wunderliches Ansehen verleihen, die Sinnes- platten (spl). Sehr mit Reserve verweisen wir noch auf eimen Wulst, der um die Kopf- blase herum und vor dem Munde durchzuziehen schien, und welcher eine embryonale Form des Velums sein mag (v). Vorne am Munde verdickte er sich zu einem Knötchen (wer), welches als wimpernde Crista in denselben hinein bis tief in den Oesophagus führte. Für die Existenz dieses letzteren Gebildes können wir einstehen, nicht aber für die als Velum gedeutete ringförmige Erhabenheit:; denn Trugbilder sind hier leicht möglich und rudi- mentäre Vela schwer zu erkennen; die Frage aber zu entscheiden, erlaubte uns die Spär- lichkeit des Materials nicht.

Betrachten wir den Embryo von der linken Seite (Fig. 2, b), so sehen wir den Fuss mit der Podocyste (pd) als stumpfen Fortsatz; die linke Sinnesplatte (spl) ist beinahe tellerıund und verdeckt die Mundöffnung; den Anfang der Lungenhöhle nehmen wir am hintern Theile unterhalb des Mantelwulstes wahr (Ih). Ein ähnliches Bild bekommen wir von der rechten Seite (Fig. 26); statt der Lungenhöhle dagegen finden wir hier die junge Schale (s). Die Urniere (ur) betrachten wir im folgenden Abschnitte. Fassen wir

die Sinnesplatte etwas schärfer ins Auge, so erkennen wir, dass ihr vorderer Rand (fw)

a

stärker entwickelt ist, als der hintere; er ist halbmondförmig und wulstig aufgetrieben. Wir werden weiter unten noch einmal auf ihn zu sprechen kommen; hier nur soviel, dass in diesem Stadium das Cerebralganglion schon fertig gebildet im Mesoderm liegt, dass dagegen an dieser halbmondförmigen Stelle, dem vordern Rande der Sinnesplatten, immer- fort neues Zellenmaterial vom Ectoderm geliefert wird, während die Sinnesplatte selbst nach dem Mesoderm zu abgegrenzt liest. Nach vorne und oben im besprochenen Wulste zeigt sich das Auge (0). Der Embryo konnte mit der Camera skizziert werden; seine Länge betrug 1 mm. Er bietet uns ein ausgesprochenes Larvenbild, vom Aussehen des fertigen Thieres sehr verschieden, welches zu gewinnen er einer Metamorphose sich unterwerfen muss. „Die Metamorphosen der Mollusken sind nicht weniger gross als die der Batrachier und Insekten“ lesen wir in P. van Beneden’s Schrift über die Entwick- lung der Aplysien (37, pag. 7).

Ein viel weiter vorgeschrittenes Stadium zeist uns Figur 3. Zunächst sehen wir den hinteren verdünnten Rand des Fusses zu einem mächtigen Blatte ausgewachsen, dessen Seitenränder in diejenigen des Fusses ohne Unterbrechung sich fortsetzen; dies ist die bei Heliceen wohl bekannte Podocyste (pd). Vorne erkennen wir die relativ schon kleiner gewordene Kopfblase (kbl). Der Eingeweidenucleus mit seiner Schale beschreibt bereits eine Windung. Seitlich vom Munde sind drei Hervorragungen entstanden, welche einen gegen hinten offenen Kreisbogen beschreiben. Dies sind die Tentakeln. Sie sind an Grösse regelmässig abgestuft; zu oberst steht der das Auge (o) tragende Ommatophor (ot), weiter unten folgt der untere Tentakel (ut), ganz unten der Mundlappen (ml). Dieser ist etwas zu weit aussen gezeichnet; er liegt näher dem Mund zu, wie Schnitte erweisen. Es ist schwer, von diesen stumpfen Höckerchen eın klares Bild zu geben und doch nicht ungenau zu werden.

Die beschriebenen bogenförmig angeordneten Hervorragungen umkreisen ein Hach eingesenktes Gebilde, welches dasselbe ist wie die beim vorigen Embryo verhältnissmässig so mächtig hervortretende Sinnesplatte (spl). Schon mit der Lupe nimmt man zwei übereinander- stehende Punkte auf derselben wahr; ihre Bedeutung besprechen wir im vierten Abschnitte.

Es leuchtet aus dem Vergleich der Zeichnungen 3 und 2 sofort ein, dass die drei halbmondförmig angeordneten Tentakeln nichts anderes sind als der zu drei Knospen aus- ‚gewachsene vordere Randwulst der Sinnesplatte, der Fühlerwulst (Fig. 2 fw), wie wir ihn nennen wollen. Die Ektodermwucherung in diesem Bezirke liefert die Nervenknoten der drei Fühlerpaare, welche mithin ursprünglich ein einziges zusammenhängendes halbmond- förmiges Ganglion darstellten. Dieses segmentierte sich, wie es scheint, successive von vom und oben nach hinten und unten dem Munde zu, und seine Theilstücke wurden auf Haut- höckern, den zukünftigen Fühlern, emporgehoben, zu welch letzteren als Jüngstes und kleinstes Paar auch die Mundlappen zu rechnen sind. Der oberste Tentakel nahm in seinem Hervor- wachsen das Auge mit sich. Der ganze Vorgang legt den Gedanken an eine Art von Kopf-

segmentation nahe.

SARASIN, Ceylon T. 6

42

Die Länge des eben besprochenen Embryos ist + mm; das Bild ist ohne Anwendung des Prismas gezeichnet. Hat der Embryo einmal dieses Aussehen erlangt, so geht er im allgemeinen keine wesentlichen Veränderungen seiner äusseren Form mehr ein. Die Sinnes- platten und die Kopfblase verschwinden, die Tentakeln wachsen mehr und mehr vor und werden retractil, was sie zuvor nicht waren; höchstens besassen sie Contractilität; der Eingeweidesack rollt sich auf, das Thier ist eine junge Schnecke, an Aussehen der er- wachsenen gleich. So sehen wir es zuerst in Figur 4, welches Bild sowie sämmtliche folgenden die Embryonen der Helix Waltoni in natürlicher Grösse wiedergeben. Nur ein einziges von aussen sichtbares Organ zeigt uns, dass wir es in all diesen Schneckchen mit Embryonen zu thun haben, es ist die Podocyste (pd). Während unsere Helix pomatia etwa im Stadium der Figur 4 ihr Ei verlässt und während ihres Embryonallebens eine Podocyste treibt, welche an Grösse ungefähr der in der besprochenen Figur dargestellten entspricht, verharrt die Helix Waltoni so lange innerhalb der Eischale, als diese ihrem Wachs- thum Raum lässt, und Schritt für Schritt mit dem Heranwachsen der Schnecke vergrössert sich auch ihre Podocyste mehr und mehr, sodass sie nun als eine am Fussende des Thieres befestigte grosse weisse Haut erscheint. Schon auffallend genug ist der Anblick der in Fisur 5a von unten, b von der Seite gezeichneten Schnecke; den Culminationspunkt der Entwicklung aber erreicht die Podocyste in Figur 6. Uebrigens bildet sie keine aus- gebreitete Fläche, wie es nach Figur 5a erscheinen könnte, sondern sie ıst in natürlicher Lage wie eine weisse Mütze über die Schale gezogen (Fig6a, pd), was auch bei H. pomatia beobachtet wurde. Zwar fanden wir sie stets von der Schale heruntergeglitten; sie bildete aber meist ein mit seiner Höhlung dem Gehäuse zugewendetes Näpfchen, sodass sie ohne weiteres über dasselbe hinübergestülpt werden konnte, wodurch das Bild Fig. 6a gewonnen wurde. Von nun an beginnt die Podocyste einzugehen; die nun im Eie noch mächtig wachsende Schnecke zeigt sie nur noch als weissen fremdartigen Anhang, wie es die in natürlicher Grösse gehaltene Figur 7 darstellt.

Leider kam uns in Ceylon nicht zu Sinne, einige frische Eier in siedendes Wasser zu werfen und gerinnen zu lassen. Dann hätten wir den Embryo in natürlicher Lage vorgefunden und hätten auch das etwaige Verhalten des Eiweisses auf Schichtung und Structur bei jungen Eiern studieren können. Ob Chalazen existieren, wie sie Laurent (15) und van Beneden und Windischmann (38) bei Limax entdeckten und Warneck (41) zuerst als solche erkannte, haben wir nicht beobachtet. Von der Existenz der von Binney (3, pag. 10) erwähnten unterhalb der Schale liegenden Haut haben wir uns in Folge der Güte des Herın Geheimrath Leuckart überzeugen können, welcher so zuvorkommend war, ein in der Leipziger Sammlung aufbewahrtes wohl conserviertes grosses Schneckenei zur beliebigen Untersuchung uns zuzusenden. Auf der schon alten Etiquette stand: „Ei von Bulimus haematostomus, Senegal.“ Wie Professor von Martens uns mittheilte, kann diese Bestimmung jedoch nicht richtig sein, da am Senegal kein grosser Bulimus

vorkommt. Das Ei hat etwa die Grösse desjenigen der Achatina sinistrorsa.

Gewiss bietet die Podocyste des Embryos von Bulimus Garcia-Moreni im Culmi- nationspunkte ihrer Entwicklung ein besonders interessantes Bild.

Die Podocyste gehört mit der Kopfblase zur Gruppe der pulsierenden Larvenherzen, welche mit sehr wenigen unten zu erwähnenden Ausnahmen alle Gasteropodenembryonen zu charakterisieren scheinen. Ganz regelmässig ist das Vorkommen der Kopfbhlase, welche ursprünglich das pulsierende Velarfeld darstellt, ım Verlauf der Entwicklung aber wahr- scheinlich Veränderungen in der relativen Lage und in der Ausdehnung erleidet. Ebenso gewöhnlich tritt als Larvenherz der gesammte Fussfortsatz auf, welcher diese Function bei allen Gasteropodenclassen mit Ausnahme der Landpulmonaten übernimmt. Bei diesen entwickelt sich an der Spitze des Fusses ein ganz eigenes Organ, welches nur für das Leben des Embryos im Ei Bedeutung hat, zu mächtiger Entfaltung sich heranbildet, gegen das Ende des Embryonallebens aber durch Resorption wieder verschwindet, ohne die Form des Fusses auch nur im leisesten beeinflusst zu haben, die Podocyste.

In unserer Abhandlung über Ichthyophis glutinosus (dieses Werk, Band Il, pag. 35) steht der Satz: „Auch unter den Wirbellosen begegnen wir embryonalen Respirations- organen, ein Gebiet, auf welches wir bei einer späteren Gelegenheit näher einzutreten und aus welchem wir dann unsern Lesern ein nicht uninteressantes Beispiel vorzulegen gedenken.“ Mit diesen Worten meinten wir die Podocyste und dachten an dem in’s riesen- hafte gewachsenen Organ der Helix Waltoni darzulegen, dass dasselbe ein specifisches Respirationsorgan des Landschneckenembryos sei, ohne weiteres denjenigen zu analogisieren, welche in so mannigfaltiger Ausbildung an den Embryonen der innerhalb der Eihülle sich entwickelnden Amphibien zugegen sind. Ein Blick in die Literatur belehrte uns, dass schon Gegenbaur (10) die Podocyste als Athmungsorgan des Embryos in Anspruch nahm, indem er sie embryonale Kieme nannte, und er hat in seiner Deutung von keinem Forscher, welcher auf die Sache zu reden kam, Widerspruch gefunden. Die von Jourdain (12) geäusserte Ansicht, es sei die Podocyste physiologisch der Allantois der Amnioten zu ver- gleichen, ist gewiss richtig, soweit es die respiratorische Function des Gebildes angeht; dem- selben auch nutritive beizulegen, wie Jourdain will, halten wir nur für bedingt gerecht- fertigt. Der Embryo nährt sich nicht nur vermöge Diosmose dieses Organs, sondern er frisst auch das im Ei aufgespeicherte Eiweiss; denn wir fanden den Darm der älteren Embryonen ganz mit diesem Nährstoffe angefüllt, im Enddarm sonach eine Art von Meconium dar- stellend. - Dass die Embryonen, nachdem sie mit Mund und Darm versehen sind, das sie umgebende Eiweiss fressen, ist auch bei Anneliden, namentlich Hirudineen, schon längst bekannt.

Die Respiration wird dadurch unterstützt, dass die Podocyste selbst pumpende Bewegungen macht und zwar noch zur Zeit, da das definitive Herz längst schon in Thätig- keit ist. Es bestehen hier eine Zeit lang zwei Kreisläufe neben einander, der embryonale und der definitive. Zur Zeit der grössten Ausbildung der Podocyste durchbohren zwei

weite Röhren in Längsrichtung den Fuss; sie nehmen beide ihren Ausgang von der Podo- 6*

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cyste; die eine läuft der Fusssohle entlang nach dem Gehirn zu, welches von einem mächtigen Blutraume umgeben ist, auch lange noch, nachdem man von einer eigentlichen Kopfblase nicht mehr sprechen kann. Die andere Röhre läuft dem Fussrücken entlang und mündet in einen die Leber und Eingeweide umhüllenden Sinus. Dieser letztere wiederum steht durch weite Lacunen in ununterbrochenem Zusammenhange mit dem des Gehirns.

Was ıst die Ursache, dass schon vor dem Ausschlüpfen des Embryos die Podocyste schrumpft und gänzlich eingeht? Mit dem Schwinden des Eiweisses wird der äusseren Luft durch die poröse Schale reicherer Zutritt eröffnet; der Embryo vermag seine Lunge zur Athmung zu benutzen, und die embryonale Kieme tritt ausser Function; Zelle für Zelle tritt durch Absterben, sei es in Folge von Vertrocknung oder Mangel an Ernährung, aus dem Verband der übrigen aus; diese schliessen zusammen, das Organ schrumpft (Figur 7) und schwindet endlich gänzlich. Ganz analoge Erscheinungen zeigt das Hühnchen im Ei. Mit dem Verbrauch des Eiweisses vergrössert sich die Luftkammer, die Allantois geht ein, und der junge Vogel benutzt wie die junge Schnecke schon vor dem Erbrechen der Eischale die Lunge zur Athmung (vergl. W. Preyer, 26, pag. 122).

Eine physiologische Analogie zum Schicksal der Podocyste der Landschnecken finden wir auch im Ruderschwanz der Froschlarven. Derselbe verschwindet mit dem Ein- treten einer andern, dem Leben auf dem festen Boden angepassten Locomotion.

Auch die Embryonen der vıvıiparen Landpulmonaten besitzen die Podocyste. Allbekannt sind die betreffenden Beobachtungen von Gegenbaur (10) an Clausilia similis Charp.; dann sagt Semper (34, pag. 144) von Achatina zebra Chemn.: „Diese Art ist lebendig gebärend. Im Uterus lagen etwa 60 unentwickelte Eier mit dicker Kalkschale, die kleinsten 3 mm, die grössten 6 mm lang. Dann 25 Embryonen, die schon aus der Eischale ausgekrochen waren; am Fuss hatten sie eine grosse Fussblase, die an den jüngern Individuen die ganze 1% Windungen zählende Schale umgab, wie mit einem Mantel. Jüngere noch im Ei befindliche Entwicklungsstufen wurden nur zwei gefunden, hier die Fussblase verhältnissmässig noch grösser.“ Auf Tafel XII, Fig. 22 bildet Semper zwei Embryonen dieser Schnecke ab.

Weiter lesen wir von der Gattung Partula Fer. (34, pag. 158): „Sie sind alle lebendig gebärend; bei canalis und recluzıana fanden sich drei Eier mit Embryonen im Uterus, bei otaheitana und Iineata nur eines, bei vanıkorensis vier und bei hyalina fünf Eier. Alle Embryonen hatten schon mehrere Windungen der Schale und eine am Schwanzende befindliche grosse flache Fussblase, welche hei einigen Arten die Embryonalschale voll- ständig umgiebt, ganz ähnlich wie bei Achatina zebra.“

Viguier (39) untersuchte die Embryonen der Helix studeriana Fer. Er fand, dass der Embryo mitten am Fuss eine Art von spiralig gedrehtem Strang trage. Dieser ver- längere sich in innere Organe, die wesen des Erhaltungszustandes nicht zu bestimmen

waren. Das Thier liegt innerhalb einer dem Uterus lose anliegenden häutigen Tasche.

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Der Strang selbst sei durch Einrollung der die Tasche bildenden Membran entstanden und enthalte granulöse Materie: er könnte aber doch wohl, wie wir vermuthen, die Podocyste sein.

Soweit bis jetzt unsere Kenntnisse über embryonale Respirationsorgane bei Land- schneckenembryonen reichen, finden wir stets nur ein und dasselbe Organ als Träger dieser Function. Es scheint hier die Mannigfaltiekeit, welche bei den Amphibien uns überrascht, zu fehlen; gleichwohl dürfen wir uns hiebei nicht beruhigen. Zunächst ist der Fall denkbar, dass die Podocyste mit dem mütterlichen Oviduct eine Placentarbildung eingehen könnte, im Falle der Embryo sehr lange Zeit ım Körper des Mutterthiers ver- harrte. Unter den Wirbellosen kennen wir einen solchen Vorgang von den Salpen; ferner unterscheiden sich nach Kennel’s (14, pag. 109 und auch 181) schöner Entdeckung die westindischen Arten der Gattung Peripatus von ıhren nächsten Verwandten durch Placentar- bildung des Embryo’s, welch letzterer, wie Kennel sich ausdrückt, gewissermaassen parasi- tisch wird.

Dann ist bei Landschnecken die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass einmal ein anderes Organ die Function der Podocyste übernehmen könnte. Vergessen wir nicht, dass noch von keinem gedeckelten Landpulmonaten Embryonen untersucht worden sind; wir kennen nicht einmal die Entwicklung des so leicht beschaffbaren Cyclostoma elegans, und ausserdem existieren nur einige aphoristische, für unseren Zweck nicht zu brauchende Bemerkungen von Held(11) über das Ei von Pomatias maculatus, worauf Prof. E. v. Martens uns aufmerksam zu machen so freundlich war. Es sei immerhin erwähnt, dass die Eier von Pomatias unschwer zu bekommen sind; sie werden in die Erde gelegt, sind c. % Linie gross, isabellgelb bis lebhaft rostbraun, mit dicker Hülle, durch welche der intensiv dottergelbe Embryo hindurch schimmert. Den ausgeschlüpften Jungen dienen die Eihüllen zur ersten Nahrunse.

Dass die Embryonen aller Landpulmonaten eine Podocyste an sich entwickeln, ist übrigens schon nach unsern jetzigen Kenntnissen nicht absolute Regel; denn nach Semper entbehrt Bulimus citrinus Brug. derselben; dann kommen hier vor allem die Oncidien in Betracht. Wie Joyeux-Laffuie (13) fand, weisen die Embryonen derselben keine Podo- cyste, dagegen ein schön ausgebildetes Velum auf, ferner eine Larvenschale, und diese beiden Organe verschwinden zu gleicher Zeit, indem die Schale abgeworfen wird und das Velum eingeht. Wahrscheinlich haben die Oncidien, wie auch Joyeux-Laffuie hervor- hebt, mit den übrigen Pulmonaten nichts zu thun, sondern sie nahmen eine besondere directe phylogenetische Entwicklung aus den Opisthobranchiern. Dasselbe könnte man von Vaginula vermuthen, deren Embryonen nach Semper(33) eine Podocyste zwar fehlt, welchen aber doch vielleicht in frühesten Stadien der Entwicklung eine Larvenschale und ein Velum zukommen dürften. Semper freilich giebt an, dass Vaginula sich ohne jede Metamorphose entwickle.

Wir wollen bei dieser Gelegenheit auch nicht unterlassen, an die seltsame Em-

bryonalschale der Cryptella ambigua Fer. zu erinnern (vergl. 6, pag. 1255).

Die Süsswasserpulmonaten legen ihre Eier in das Wasser ab; die Eihülle ist wohl verändertes Eiweiss; das äussere Wasser diffundiert durch dieselbe und führt den Embryonen Sauerstoff zu. Diesen dienen als Athmungsorgane die äussere Haut und der von derselben gebildete, einen beständigen Flüssigkeitswechsel durch Wimperbüschel oder, wie Joh. Müller (21) bei Pteropoden sie nannte, Wimperfackeln in sich erzeugende Blind- sack, die Mantelhöhle. Gleiches finden wir bei vielen andern Gasteropoden; gleichwohl stossen wir noch auf besondere Verhältnisse, welche wir nicht übergehen dürfen. Wir sehen öfters das Velum die Function übernehmen, welche bei den Landpulmonaten die Podocyste ausübt. Dass dasselbe da, wo es auftritt, ausser seiner Function als Bewegungs- organ respiratorisch wirkt, ist vielleicht zuerst von M. Sars(30) ausgesprochen und seitdem nur 1546 von Vogt (40) beanstandet, dann aber von weiteren Forschern nicht mehr ange- zweifelt worden. Es wächst dasselbe in eine dünne flache Haut aus, welche von Blut durch- strömt wird; dieses kommt so bei freischwimmenden Larven in nächste Berührung mit dem äusseren Wasser. Dieselbe Function erfüllt das Velum bei den längere Zeit in der Eicapsel verharrenden und dort zu ansehnlicher Grösse heranwachsenden Embryonen, wie bei Neritina Huviatilis, worauf Claparede(8) hinwies. Ferner fand Semper (33) an den Embryonen der viviparen Melania „recht deutlich ausgeprägte Wimpersegel.“ Demnach sollten wir ähn- liches auch bei der im Oviduct des Mutterthieres zu sehr starker Grösse sich heranbilden- den Paludina vivipara vermuthen. Wie verhält es sich bei dieser? Das Velum ist vorhanden, aber lange nicht von der Ausbildung wie bei Neritina fluviatilis, oder wie es bei Melania sein wird. Den Schlüssel zur Lösung dieser Frage finden wir in der sehr interessanten Beobachtung Semper’s an Paludina costata, derzufolge die Embryonen derselben des Velums entbehren; ihre Tentakeln jedoch bilden sich sehr frühe aus, und überdies con- trahieren sich beide abwechselnd miteinander. Hier haben also die Fühler die Function embryonaler Kiemen und zugleich Herzen übernommen. Dasselbe vermuthen wir nun bei der Paludina vivipara, wo zwar Pulsation der Fühler nicht beobachtet ist; dagegen entwickeln sich dieselben frühe schon zu sehr langen Schläuchen, wie ein Blick auf Leydig’s (16) Abbildungen Figg. 13, 14 und 16 lehrt.

Merkwürdiger Weise pulsieren auch die Mundlappen der erwachsenen Najaden, wie von Simroth (35, pag. 295) entdeckt und von J. Thiele (36, pag. 268) bestätigt wurde.

Ob die von OÖ. Schmidt (31, pag. 283) an reifen Limaxembryonen gemachte Beob- achtung von häufigem Einziehen und Ausstossen der obern Fühler ebenfalls hieherzuziehen sel, muss eine weitere Untersuchung entscheiden.

Noch eines kommt hinzu: Die fiedrigen Kiemen in der Mantelhöhle können sich am Embryo regelmässig verlängern und verkürzen, ein Blättchen nach dem andern oder inehrere zugleich, wie Leydig(16, pag. 144) bei Paludina fand. Auch dies befördert eine Flüssig- keitsbewegung in der Mantelhöhle und zugleich lebhaften Blutwechsel in der Kieme selbst.

Um es in kurzem zu sagen, so haben wir bei Gasteropoden die embryonalen

Respirationsorgane unter verschiedenen Formen auftreten sehen: bei den Landpulmonaten

=

mit Ausnahme von Bulimus citrinus, Oncidium und Vagınula trafen wır die Podocyste, bei den hydrozoischen Schnecken incl. Oncidium in erster Linie das Velum, dann die Fühler, endlich die Mantelhöhle überhaupt, ın welcher, sei es durch Wimperfackeln oder durch die Bewegungen der embryonalen Kiemen, ein Flüssigkeitswechsel unterhalten wird.

Nun drängt sich uns doch noch eine Frage auf, welche alle die gegebenen Deut- ungen gefährden könnte.

Die einfachste Form der Respiration ıst die durch die äussere Haut. In dieser oxydiert sich das Blut mit dem umgebenden Wasser oder mit der Luft. So entbehren bei- spielsweise die Hirudineen und Lumbriciden jeder Form von Kieme, desgleichen ihre Em- bryonen. An einem Hirudineenembryo können wir nichts entdecken, was auf eine besondere Kiemenbildung hinwiese; durch die Hülle seines Gocons sickert Wasser ein, und dieses dient seiner Haut zur Athmung. Ist solches der Fall, wozu dann besondere Respirations- organe bei den mit Ausnahme der Landpulmonaten und ovoviviparen Prosobranchier unter ganz gleichen Verhältnissen lebenden Gasteropodenembryonen?

Die Antwort giebt uns eine beiläufige Bemerkung von Vogt (40), wonach die den Leib einhüllende Schale jede respiratorische Function hindere. Wir dürfen in der That nicht vergessen, dass die Schale einen grossen Theil des Körpers der Schnecke schon in ihrem Larven- resp. Embryonalleben überdeckt, in Folge dessen besondere Ausbreitungen ‚des noch freien Körpertheiles die Respiration vermitteln müssen. Aehnliches finden wir bei den Anneliden. Um eines Beispieles zu erwähnen, so sind reichliche Kiemen, besonders des Kopfes wohl in Folge von Röhrenbildung oder starker Chitinisierung der Haut aus- gebildet; so haben weiter die gepanzerten Krebse mächtig entwickelte Kiemenbüschel, und die Wirbelthiere, deren Hautathmung durch eine epidermidale Hornschicht oder ın seltenen Fällen eine Cuticula erschwert wird, führen Kiemen oder Lungen. Wo die Haut vermöge ihrer besonderen Structur und der Dichtigkeit des in ihr sich verzweigenden Blut- gefässnetzes zur Athmung genügt, resp. wo sie in ihrer Athmungsfunction nicht behindert wird, sei es nun bei Embryonen oder Larven oder ausgebildeten Thieren, unterbleibt be- sondere Kiemenbildung.

I. DIE URNIEREN.

HIERZU TAFEL VII FIGG. 9—15.

Wir haben ım vorigen Abschnitt gesehen, dass ein Organ, die Podocyste, eng an das Embryonalleben der Helix Waltoni geknüpft ist, so zwar, dass ihre Grösse zur Zeit ihrer stärksten Entwicklung in directem Verhältniss steht zum Umfang des gelegten Eies. Ganz dasselbe nun ist mit einem andern Embryonal-Organ der Fall, der Urniere. Gleich- wie die embryonale Kieme heranwächst, eine Culmination der Ausbildung erreicht, dann wieder kleiner wird und noch vor Ausschlüpfen des Embryos verschwindet, als Organ sonach ein Bild ıst des sich entwickelnden, ausgebildeten, alternden und sterbenden Thieres selbst, genau dasselbe beobachten wir an der Urmniere, sodass es fast aussieht, als stünden diese zwei Organe in Wechselwirkung, als gehörten die Urmieren als embryonale (resp. Larven-) Excretionsorgane zur Podocyste als embryonalem Herzen resp. embryonaler Kieme. Es hat sich von vornherein vielleicht denken lassen, dass wir im grossen Ei einer Helix Waltoni auch eine grosse Podocyste vorfinden würden, wenn es auch immerhin überraschte, sie so sehr mächtig ausgebildet zu treffen; dass aber Hand ın Hand mit ıhr die Urniere sich weiter bilden werde, war keineswegs vorauszusetzen. Gleichwohl ist dies der Fall.

Treten wir nun, um mit der Hauptsache zu beginnen, gleich an die Beschreibung des Organs im höchsten Stadium seiner Entfaltung. Den Culminationspunkt wird es im Embryo Figur 6 (Tafel VI) erreicht haben; da wir jedoch denselben als einziges Exemplar dieses Stadiums schonen wollten, geben wir jetzt eine Darstellung der Urniere eines wenig jüngern Embryos, wie ein solcher in Figur 5 gezeichnet ist. Hier finden wir folgendes: Auf jeder Seite des Nackens liegen zwei compliciert verbogene Organe, bestehend aus einem nahe der Mittellinie des Thieres liegenden drüsigen Theil und einem nach unten und rückwärts laufenden, am Mantelrand mündenden Ausführgang. Ihre ungefähre Form, Lage und ihre Grösse im Verhältniss zu der des Embryos ist in Figur 8, ur (Taf. VD) skizziert. (Der Mantel ist zurückgeschlagen, sodass die definitive Niere (n) zum Vorschein kommt.)

Der Ausführgang des Organs ist von niedrigem Cylinderepithel ausgekleidet; er erweitert sich gegen innen zu allmählig in ein plumperes schlauchartiges Gebilde, dessen inneres Epithel blasenförmiges Aussehen hat. Das sind die Nierenzellen des drüsigen Theils (Taf. VH, Figg. 9 und 10 dr). Gegen unten, dem Fuss der Schnecke zugerichtet sitzt diesem drüsigen Schlauche genau rechtwinklig zu seiner Längsrichtung ein Hügel

von kleineren Zellen auf, welcher ebenfalls durchbohrt ist, und dessen Lumen einerseits

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die Fortsetzung des drüsigen Schlauches bildet, andererseits durch eine sehr enge wahrscheinlich stark wimpernde runde Oefinung in den allgemeinen Haemolymphraum (Leibeshöhle) der jungen Schnecke mündet (Figg. 9 und 10, h und or). Diese Oeffnung entspricht dem Trichter, der darauf folgende, aus kleineren Zellen aufgebaute Theil dem Wimpercanal eines Anneliden- Segmentalorgans. So mächtig die Urniere in diesem Stadium auch ausgebildet ist (die natür- liche Grösse des in Figur 9 abgebildeten Schnittes beträgt /; mm, sodass es leicht ist, das Organ auf den Schnitten mit blossem Auge zu sehen), so hält es doch sehr schwer, die innere Ausmündung, den Trichter, wahrzunehmen ; denn zu der ausserordentlichen Kleinheit des letztern gesellt sich als erschwerender Umstand die blasige Beschaffenheit der Elemente des ganzen Gebildes, wodurch man in der Deutung von Canälen leicht irre geführt werden kann; dennoch glauben wir versichern zu dürfen, dass es mit den gezeichneten Oeffnungen seine Richtig- keit hat. Wir meinen auch, starke Cilien in ihnen wahrgenommen zu haben, wasten aber nicht, sie auf der Zeichnung einzutragen.

Neuerlich fand bei Limax die innere Trichteröffnung Jourdain (12), und bei Helıx sah sie de Meuron (19).

Schenken wir eine kurze Aufmerksamkeit den secernierenden Zellen des drüsıgen Theiles.. Im Stadium der Fig. 2 (Tafel VT) besteht die Urniere aus einem Schlauche mit sehr regelmässigem Epithel (Fig. 13). Einzelne Zellen derselben weisen bereits kleine Vacuolen auf (Fig. 13, ve), offenbar mit Harnstofflösung gefüllte Blasen. Jede Zelle ist von der andern getrennt. Die Lage des Organs ist in Fig. 2 b und c (ur) angedeutet.

Im Stadium der Figur 3 haben die Epithelzellen der Drüsenschläuche schon ein anderes Aussehen (siehe Fig. 14). Die Vacuolen sind ausserordentlich gross geworden und characterisieren das ganze Bild. In ihrer Flüssigkeit sind Concretionen als kleine Kügel- chen ausgefällt, welche zu complicierten Formen gegenseitig verwachsen können. Zell- grenzen sind nicht sichtbar. Die Kerne werden wandständig.

m

Mächtig angeschwollen finden wir die Vacuolen im Stadium der Figur 5 (siehe Figur 15), wo in vielen Fällen das Protoplasma nur noch spurweise vorhanden ist. Stark vergrössert ist eine Vacuole dieses Stadiums mit ihrer Concretion in Fig. 12. Die Figuren 13, 14 und 15 sind sämmtlich bei derselben Vergrösserung mit dem Prisma gezeichnet, so- dass die Grössenzunahme der Urniere gesehen werden kann. Der Maassstab für die abso- lute Grösse ıst über Figur 14 angebracht.

Auf den durch die junge Schnecke Fig. 7 gelegten Schnitten konnten wir von den Urnieren nur noch sehr unsichere Trümmer entdecken. Offenbar wird das Organ resorbiert, und seine nun neuerdings in’s Blut aufgenommenen Secrete werden durch die Niere ausgeschieden.

Wir zogen die letztere zum Vergleich mit den Urnieren heran und bekamen von ihr ganz dieselben Bilder (vergl. Fig. 11); doch eilt die Umiere in ihrer histologischen Entwicklung der definitiven stets etwas voraus, indem die Vacuolen der ersteren immer etwas grösser sind als die der letztern im selben Stadium. Es ist ja auch wohl ausser

Zweifel, dass die definitive Niere etwas später als die Umiere zur Entwicklung kommt.

SARASIN, Ceylon I.

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Die über das Urnierenepithel und seine Entwicklung ganz cursorisch von uns ge- machten Angaben decken sich genau mit den Befunden Gegenbaur’s (10), welche dieser Autor in seiner vortrefflichen Entwicklungsgeschichte der Landpulmonaten schon vor 35 Jahren niedergelegt hat. Unsere Bilder mögen als Illustration zu seinen Ausführungen dienen.

Die Urnieren sind gewissermaassen die Excretionsorgane des embryonalen Kreis- laufs; sie wachsen heran und vergehen mit Auftreten und Schwinden der Larvenherzen. Mit diesen bleiben sie so lange erhalten, als die äusseren Verhältnisse, in denen das Thier lebt, dieselben sind; mit dem allmähligen Verschwinden des ursprünglichen Mediums, des Eiweisses, übernehmen andere Organe ihre Rolle, das definitive Herz und die definitive Niere; letztere wird zum Excretionsorgan des definitiven Kreislaufs. Eine sehr merkwürdige Analogie tritt uns bei den Amphibien entgegen, wo, wie Selenka (32) hervorhebt, „Kieme und Vorniere in näherer Beziehung zu einander stehen“, wo „bei mangelnder Kiemenathmung auch die Vorniere schwindet.“

In verschiedenen Stadien der Entwicklung bieten die Urnieren ein verschiedenes Bild. Im ersten Auftreten einen heber- oder S-förmigen Schlauch bildend, wird später ıhr innerer Theil durch die Vacuolenbildung aufgeschwollen und erhält ungefähr in seiner Mitte eine Einschnürung. Endlich obliteriert der Ausführgang, und es bleiben eine Zeit lang zwei isolierte Zellenhaufen im Mesoderm des Embryos liegen. Halten wir diese That- sache uns vor Augen, so erweckt sich die Hoffnung, dass manche Widersprüche in der Literatur über den Bau der Urnieren bei den verschiedenen Gasteropodenclassen, nament- lich bei den Prosobranchiern sich noch werden ausgleichen lassen. Dies zu erreichen, wird einer vergleichend-entwicklungsgeschichtlichen Untersuchung, welche die Urnieren. der verschiedenen Gasteropodengruppen vom ersten Entstehen bis zum Verschwinden des Organs zu verfolgen sich zur Aufgabe setzt, vorbehalten sein.

Dass die Urnieren der Gasteropoden den Segsmentalorganen der Anneliden entsprechen, ist wohl die Meinung der Mehrzahl aller Forscher; sie aber Segmentalorgane zu nennen, wie Jourdain will, empfiehlt sich nicht recht; denn sehr wahrscheinlich repräsentieren sıe ein erstes Paar, während die definitive Niere den einen ausserordentlich mächtig entwickelten Schleifencanal eines zweiten Segmentalorganpaares darstellt. In der Anlage sind gewiss zwei definitive Nieren vorhanden; dass einige Gasteropoden beide dauernd besitzen, ist allbekannt.

Die Stellung der Niere in Längsrichtung zum Enddarm entspricht nicht der ur- sprünglichen; sie legt sich parallel den Urnieren an und fast in rechtem Winkel zum Enddarm, wie schon Bobretzky (4, pag. 138) hervorhob. Dies erleichtert die Zusammen- stellung der beiden Nierenpaare mit den ebenfalls rechtwinklig zum Darm gerichteten Seg- mentalorganen der Anneliden. Mit den sogenannten Wassergefässen der Plattwürmer (den Terminalorganen v Ihering’s), welche den Excretionsorganen der Räderthiere entsprechen und an Hirudineenembryonen vor dem Auftreten der Segmentalorgane zur Erscheinung

kommen, haben die beiden Nierenpaare der Gasteropoden sicherlich nichts zu thun.

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1K0%

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12.

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III. DIE SEITENORGANE DER EMBRYONEN,

HIERZU TAFEL VII, FIGG. 16—23, TAFEL VII, FIGG. 31.

Bei jungen Embryonen unserer Helix bemerkt man auf Schnitten von Strecke zu Strecke kleine knospenartige mehr oder weniger tief in’s Körperepithel eingesenkte Bild- ungen. Es sind Säckchen, deren Wandung von länglichen Zellen zusammengesetzt wird; ihr Inhalt erscheint auf den ersten Blick blos aus einer Anzahl grosser runder Kerne ge- bildet zu sein; in der kleinen Einbuchtung des Epithels, welche zu diesen Säckchen führt, ist öfters etwas Secret zu erkennen. Durch all dies könnte man leicht dazu gebracht werden, diese Säckchen für zusammengesetzte Hautdrüsen zu halten, wie ja solche in den verschiedensten Classen der Mollusken vorzukommen pflegen. Allein eine genauere Unter- suchung lehrt bald, dass wir hier Sinnesorgane vor uns haben, indem die runden Kerne, welche den Inhalt des Säckchens bilden, sich als die Kerne grosser Sinneszellen erweisen. Diese letzteren sind birnförmige Gebilde, deren breiter Theil nach der Basis des Organs zu gerichtet ist, während sie gegen die Aussenwelt hin sich allmählig verjüngen (Figg. 19, 20, 21, 31 sn) und, wie wir allerdings an unserem conservierten Material nur äusserst selten nachzuweisen vermochten, eine Sinnesborste tragen (Fig. 22). Die birmförmige helle Sinneszelle umschliesst, wie schon erwähnt, einen grossen runden und grob granulierten Kern, und auf diesem letzteren sehen wir zuweilen einen Kegel aus einer mit Carmin sich ziemlich stark röthlich färbenden Substanz ruhen. Dieser Kegel dürfte der eigentliche Träger der Sinnesborste sein; wahrscheinlich besteht er selbst schon aus einer von der Zelle ausgeschiedenen Substanz. Die Membran der Sinneszelle liess sich in einiger Ent- fernung um den dunkler gefärbten Kegel an manchen Orten erkennen.

Bei unseren früheren Untersuchungen (10) über die Seitenorgane der Ichthyophis- larve sind wir diesen von den Kernen der Sinneszellen ausgehenden und die Endborste tragenden Kegeln allenthalben begegnet; wir hielten dieselben damals für den eigent- lichen Leib der Zelle; vielleicht würde eine erneute Untersuchung auch dort um diese

Kegel herum noch etwas Zellsubstanz und eine Zellmembran nachweisen können. Unsere Bilder (Taf. VI und VII, Bd. 2) sprechen wenigstens nicht gerade dagegen.

Die Zahl der in einem Organ enthaltenen Sinneszellen ist keine constante; vielleicht dürfte acht bis zehn die ungefähre Grenze nach oben sein. In kleineren Or- ganen waren meist viel weniger, manchmal nur eine einzige Sinneszelle zu sehen (Fig. 19). Dieses letztere Verhältniss deutet darauf hin, dass wahrscheinlich sämmtliche Sinnes- zellen eines Organs durch Theilung aus einer einzigen hervorgehen. Zu demselben Resultate sind wir gekommen, als wir die Entwicklung der Seitenorgane von Ichthyophis verfolgten; auch dort schien das ganze Häufchen der in einem Organ eingeschlossenen Sinneszellen durch Theilung einer einzigen von uns Sinnesurzelle genannten Mutterzelle sich zu bilden.

Die Sinneszellen werden mantelartig von einer Anzahl anderer Elemente einge- schlossen, welche wir nun ohne weiteres als Stützzellen bezeichnen können. Es sind dies meist langgestreckte Gebilde, die einen grossen und gewöhnlich etwas länglichen Kern enthalten; sie bilden eine Hülle um das Häufchen von Sinneszellen (Figg. 18, 19, 20, 21, 23 st), indem sie dasselbe allseitig umschliessen. An Fig. 23, welche einen Tangential- schnitt durch ein Seitenorgan darstellt, sieht man, wie die Stützzellen auch in schiefer Richtung um die Sinneszellen sich herumlegen. Wir können uns nicht versagen, aufs neue die Aehnlichkeit der Stützzellen mit glatten Muskelelementen zu betonen.

Es liegen die Organe in kleinen, bald ganz seichten, bald etwas tieferen Einsenk- ungen des Epithels, und in dem dadurch entstehenden Ausführgange kann sich, wie schon erwähnt, etwas Secret ansammeln; wir halten dasselbe in Uebereinstimmung mit den bei Wirbelthieren bekannten Erscheinungen für ein Product der Stützzellen.

Ueber die Vertheilung dieser Organe beim Embryo ist folgendes zu bemerken: Es wurde in einem der letzten Capitel auf eine Verdickung des Epithels und eine leichte Einsenkung desselben an jeder Seite des embryonalen Kopfes aufmerksam gemacht; wir deuteten diese Stellen als Sinnesplatten. Dort finden sich stets eine Anzahl Seitenorgane. in schöner Ausbildung, und namentlich fallen in jeder der pfannenartigen Vertiefungen der Sinnesplatten zwei ganz nahe neben einander liegende auf. Figur 16 giebt einen Schnitt durch die Sinnesplatte eines jungen Embryos bei schwacher Vergrösserung wieder und zeigt darin zwei hier tief in’s Epithel eingesenkte Organe. In Figur 31 (Taf. VIII) ıst ein solches Organ aus einer anderen Sinnesplatte bei stärkerer Vergrösserung gezeichnet; auch hier bemerkt man, dass die zum Sinnesorgan führende Einsenkung des Epithels eine recht beträchtliche ist.

Weitere Seitenorgane sind in den Rändern der Sinnesplatten zerstreut, und nament- lich in ihrem vorderen stark verdickten, von uns als Fühlerwulst bezeichneten Rande sind schön ausgebildete Seitenorgane zu finden. Dahin gehört z. B. das Organ der Fig. 18.

Von den Plattenrändern aus verbreiten sich einzelne Organe gegen den Mundein-

sang hin, ja in diesem selbst scheinen noch einige, wenn gleich ziemlich schwer erkennbare

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vorzukommen. Andere sind am Fuss zerstreut und zwar meist auf der Sohle und nur

selten an den Seitenflächen.

Die beschriebenen Organe stammen alle von jungen Embryonen; bei älteren haben wir sie nicht mit gleicher Sicherheit nachweisen können; das erwachsene Thier ist darauf nicht untersucht worden; doch halten wir es für sehr unwahrscheinlich, dass sich dort diese Organe wiederfinden sollten. Einmal haben die Heliciden schon so manchem Histo- logen als Untersuchungsobject gedient, dass schwerlich so auffallende Gebilde hätten über- sehen werden können; zum anderen aber spricht ıhr so sehr frühes Auftreten ın der Ontogenie entschieden dafür, dass wir es hier mit Larvenorganen zu thun haben, die vor der Ausbildung des Thieres wieder verschwinden, in ähnlicher Weise wie die vielen Wimpern und Borsten tragenden Höcker, welche in der Entwicklung der Mollusken so

reichlich erscheinen und doch nach kurzer Frist den Schauplatz wieder verlassen.

Analoges fand Kleinenberg (8) bei den Larven des Annelids Lopadorhynchus, bei welchen ebenfalls eine ganze Anzahl von Sinnesorganen auftreten und bald wieder verschwinden. Einen ähnlichen Bau wie unsere Seitenorgane scheint z. B. das vergäng- liche Scheitelorgan dieser Annelidenlarven zu besitzen (pag. 59). Es besteht aus äusseren Stützzellen und inneren Sinneszellen; jene tragen Wimpern, diese eigenthümliche unbeweg-

liche Fortsätze, die allem Anschein nach Sinneshärchen sind.

Die Grösse der Organe unserer Helix ist eine ziemlich geringe: der unten auf Tafel VII angebrachte Maassstab gilt für die Bilder 15—23 und die Figur 31 der Tafel VI. Bei viel schwächerer Vergrösserung ist die Figur 16 gezeichnet; ihr entspricht im Maasse die Figur 17, welche zwei Seitenorgane eines Embryos von Ichthyophis wiedergiebt, und da zeigt sich denn, dass die Seitenorgane unserer Helix ungefähr halb so gross sind als die der Caecilienembryonen.

Wir haben bis jetzt die Organe von Helix kurzweg Seitenorgane genannt. Nun frägt sich aber doch, mit welchem Rechte thaten wir dies? Wir müssen hiezu unsere Organe vergleichen mit den bei Amphibien und Fischen bekannten Gebilden, welchen der Name Seitenorgane ursprünglichst zukommt. Dass wir bei solcher Vergleichung vorzüglich Ichthyophis beiziehen, möge man uns zu Gute halten, weıl wir eben gerade die Organe

dieses Amphibiums durch eigene Untersuchungen kennen.

Wir haben bei Ichthyophis zwei Formen von Seitenorganen beschrieben, hügel- und flaschenförmige; zum Vergleich mit den Organen von Helix Waltoni können wir nur die erstere Art gebrauchen und zwar specieller die etwas in die Epidermis eingesenkten Hügelorgane, wie wir z. B. auf Fig. 1 der sechsten Tafel des zweiten Bandes eines dar- gestellt haben. Da finden wir eine Gruppe borstentragender Sinneszellen in gleicher Weise rings von langen Stützelementen umschlossen, wie wir dies für unsere Helix oben ge- schildert haben. Ueber dem Organe sinkt die Epidermis zu einer leichten Grube ein,

und diese ist meist gefüllt mit dem Secret der Stützzellen, wenn dasselbe nicht etwa be-

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stimmte Formen angenommen hat. Das gleiche finden wir bei unserer Schnecke wieder; auch hier buchtet sich die Epidermis zu einer Grube ein, auch hier sehen wir dieselbe öfters mit secerniertem Schleime gefüllt, ja es ist die Uebereinstimmung so gross, dass der Ausdruck „Seitenorgan“ für diese Sinnesknospen der Helix Waltoni uns wohl gerecht- fertigt erscheint. |

Dass aus der Uebereinstimmung des Baues auch auf eine Uebereinstimmung der Function geschlossen werden darf, ist zwar wahrscheinlich; aber wenn bei Amphibien und Fischen, wie es jetzt wohl kaum mehr bestritten werden kann, diese Organe dazu dienen, Wellenschwingungen des umgebenden Mediums zu percipieren, so lässt sich in der That schwer einsehen, welchen Vortheil solche Organe einem in solidem Eie eingeschlossenen Embryo bieten können.

Sehen wir uns nun, bevor wir zu einem anderen Capitel übergehen, kurz nach verwandten Bildungen ım Kreise der Mollusken um, so finden wir ausser der isoliert im Epithel der verschiedensten Körperstellen zerstreuten, von Flemming (3, 4) sorgfältig beschriebenen Sinneszelle manches, das hier Erwähnung verdient. So fand Boll (1, pag. 50) beı vielen Mollusken an einigen Stellen wie Tentakeln, Mantelrand, Umgebung des Mundes und vorderem Rand des Fusses im indifferenten Epithel Lücken, aus welchen kurze glänzende Spitzen in Menge hervorragten; diese stehen, wie er sagt, sehr wahrscheinlich einzeln auf feinen schmalen Zellen, welche in Bündeln von sechs bis zwölf im Epithel liegen, in derselben Weise angeordnet wie die Becherorgane der Fische und wohl zur Vermittlung specifischer Sensationen wie Geruch und Geschmack dienen. Solches berichtet er von den Tentakeln der Haliotis tuberculata (pag. 52), vom Mantelrand einer Doris (pag. 53), von den vorderen Fühlern einer Aeolis (pag. 54) und einer Carinaria (pag. 59) und der Rüssel- spitze von Heteropoden (pag. 59).

Haller (6, 7) beschreibt bei Chitonen und später bei marinen Rhipidoglossen becher- förmige Organe oder Geschmacksknospen aus der Mundhöhle dieser Thiere; ausserhalb derselben fand er sie nicht mit Gewissheit. Die Becher bestehen nach ihm aus zweierlei Elementen (7, pag. 83): erstlich aus Sinneszellen, langen mehr oder weniger schmalen Gebilden, die eine Sinnesnadel tragen und zweitens aus Stützzellen (pag. 85), langen Cylinderzellen ohne Nadel, welche gleichmässig zwischen den Sinneszellen vertheilt sind. Diese den Geschmacksbechern der Wirbelthiere zu vergleichenden Organe wurden dann von Flemming (5) weiter untersucht. Er beschreibt sie von den Randtastern und Fühlern von Trochus cinerarius, von den Tastfäden am Mantelrand von Pecten, und ähnliches fand er bei Anomia; er vermisste sie an den Fühlern aller Süsswasserschnecken, ebenso an den Mantelpapililen der Najaden und bei vielen Seemuscheln.

In die gleiche Kategorie gehören auch die breiten und langen Haarbüschel, welche Meyer und Möbius (9) an den Mantel- oder Sipho-Papillen vieler Muscheln sahen und abbildeten. Ein solches Organ aus der Spitze der Siphocirren von Cardium edule wurde

dann von Drost (2) näher beschrieben. Die Cirren haben an der Spitze ein tiefes Grüb-

chen, ın dessen Grunde lange und schmale haartragende Sinneszellen mit Stützzellen regel- mässig abwechseln; Drost ist geneigt, dieses Organ weniger den Geschmacksbechern zu vergleichen als den von Haller (7) sogenannten Seitenorganen.

Haller fand nämlich ausser den Geschmacksknospen in der Mundhöhle noch Organe anderer Art bei Fissurella und Trochiden. An der Basıs der sogenannten Seitentaster der- selben sah er je ein Polster sehr hoher Zellen, die vom umgebenden Epithel sich ver- schieden zeigten. Die Untersuchung ergab, dass das Organ aus Sinnes- und Stützzellen sich aufbaute, so zwar, dass beide Elemente gleichmässig durch dasselbe vertheilt waren. Die Kerne im „Hügel“ liegen in zwei Zonen; die obere gehört den Sinneszellen, die untere den Stützzellen an. Erstere (pag. 48) sind, wie er sagt, kurze, stets helle, mit grossem ovalem und stark granuliertem Kerne endende Gebilde, denen distal ein heller dünner Sinnesfortsatz aufsitzt; basal trägt die Zelle einen hellen langen an den Kern stossenden Fortsatz. Die Schaltzellen oder Stützzellen (pag. 49) andererseits sind lange und schmale Elemente ohne Sinneshaar.

Haller verglich diese Polster mit den Seitenorganen der Wirbelthiere, hob aber: als Unterschiede von denselben hervor einmal den abweichenden Bau der Sinneszellen und dann die Vertheilung der Stützzellen zwischen den Sinneselementen. Letzteres Verhältniss scheint nun freilich auch bei gewissen Organen der Amphibien vorzukommen, so bei den Haschenförmigen Nebenohren von Ichthyophis und wäre somit kein prineipieller Unterschied. Hingegen halten wir die Haller’schen Nervenpolster für beträchtlich diffusere Gebilde als die von uns bei den Embryonen der Helix Waltoni gefundenen Organe, welche sich ganz enge an gewisse Nervenhügel der Amphibien anschliessen. Die Sinneszellen der Helix stimmen, wie wir oben gezeigt haben, mit denen der Amphibien in ihrem Baue überein, und hier wie dort haben wir einen Kern von Sinneszellen, welcher von langen Stützelementen mantelartig umschlossen wird.

So finden wir also ım Kreise der Mollusken zweı Hautsinnesorgane vertreten, welche, ohne wesentliche Veränderungen zu erleiden, noch im Wirbelthierreich weiteste Verbreitung

besitzen: Geschmacksknospen und Seitenorgane.

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SARASIN, Coylon I. 5

Literaturverzeiehniss,

Zu Abschnitt 3.

. Boll, Fr., Beiträge zur vergleichenden Histiologie des Molluskentypus, Arch. f. mikr. Anat., Suppl., 1869.

2. Drost, K., Ueber das Nervensystem und die Sinnesepithe-

lien der Herzmuschel (Cardium edule) ete., Morph. Jahrb., Bd. 12, 1887.

3. Flemming, W., Die haaretragenden Sinneszellen in der

Oberhaut der Mollusken, Arch. f. mikr. Anat., Bd. 5, 1869.

. Flemming, W., Untersuchungen über Sinnesepithelien der Mollusken, Arch. f. mikr. Anat., Bd. 6, 1870.

. Flemming, W., Ueber Organe vom Bau der Geschmacks- knospen an den Tastern verschiedener Mollusken, Arch. f. mikr. Anat., Bd. 23, 1884.

6. Haller, B., Die Organisation der Chitonen der Adria,

zweite Studie, Arbeiten aus dem zool. Inst. zu Wien, Bd. 5, 1883.

. Haller, B., Untersuchungen über marine Rhipidoglossen,

erste Studie, Morph. Jahrb., Bd. 9, 1884.

. Kleinenberg, N., Die Entstehung des Annelids aus der Larve

von Lopadorhynchus, Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 44, 1886.

9. Meyer, H. A. & Möbius, K., Fauna der Kieler Bucht,

Bd. 2, 1872.

. Sarasin, P.& F., Zur Entwicklungsgeschichte und Anatomie

der ceylonesischen Blindwühle Ichthyophis glutinosus, zweiter Theil, Ergebnisse naturw. Forschungen auf Cey- lon, Bd. 2, Heft 2, 1887.

IV. DIE GEREBRALTUBEN.

HIEZU TAFEL VII, FIGG. 24—30.

In dem Stadium, wo die Sinnesplatten mit ihren Seitenorganen in schöner Aus- bildung sich finden (Tafel VI, Fig. 2), ist auch das Nervensystem schon in seinen Grundzügen angelegt. Die Pedalganglien liegen bereits als rundliche Massen vom Ektoderm abgeschnürt im Bindegewebe des Fusses und haben sich durch eine Commissur unter einander verbunden. Die Cerebralganglien sind ebenfalls schon sichtbar. Die Figur 26 der achten Tafel zeigt die Anlage des einen Cerebralganglions (cgl). Dasselbe erscheint als eine rundliche Zellmasse, die noch mit einer starken Wucherung des Epithels in Ver- bindung steht. Diese verdickte Stelle des Ektoderms entspricht, wie die folgenden Schnitte lehren, dem vorderen Rande der Sinnesplatte, den wir als Fühlerwulst bezeichnet haben, weil an dieser Stelle die Fühler sich bilden werden. So können wir sagen, dass die Ge- hirnganglien oder richtiger ein Theil der Gehirnganglien denn wir werden bald sehen, dass sich noch ganz andere Elemente ihnen beigesellen aus einer Ektodermwucherung der Sinnesplatten hervorgehen. Am Fühlerwulste sind auch die Anlagen der Augen schon zu erkennen, und zwar ist es die hintere Wand der Augenblase, welche auf unserem Schnitte (Fig. 26, o) getroffen worden ist.

Verfolgen wir in späteren Stadien die Sinnesplatten weiter, so gewahren wir bald beträchtliche Veränderungen (Tafel VI, Fig. 3). Aus dem Fühlerwulst erheben sich jeder- seits drei Fühlerknospen; in der pfannenförmigen Einsenkung der Sinnesplatte (spl) aber treten zwei über einander liegende runde Oeffnungen auf. Diese führen, wie Querschnitte durch den Embryo zeigen, jederseits in zwei tiefe Blindsäcke (Taf. VIII, Fig. 24 ct), von denen der obere den unteren an Grösse bedeutend übertrifft; wir wollen sie Gerebraltuben nennen.

Der Hals dieser Säcke ist sehr enge; weiter nach innen aber folgt, wie unsere Figur 24 zeigt, ein beträchtlich erweiterter Fundus. Auf dem abgebildeten Schnitte ist der zum unteren Gange gehörige Blindsack nicht getroffen worden, er folgt erst auf den nächsten Schnitten und ist viel kleiner als der obere. Wir haben also eine doppelte Ein-

stülpung des Epithels der beiden Sinnesplatten vor uns. Die engen Ausführgänge der Blindsäcke

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sind von einem einfachen Gylinderepithel ausgekleidet: weiter nach innen aber wird die Wand der Blindsäcke dicker, da von ihrem Epithel aus eine mächtige Zellbildung stattgefunden hat. Im Lumen der Säcke ıst öfters etwas geronnenes Secret zu erkennen. Der Grund der Gerebraltuben ist mit dem nun schon weit vorgeschrittenen Gentralnervensystem verlöthet, und es findet hier eine lebhafte Wucherung von Zellen von der Wand der Blindsäcke ans zum Gentralnervensystem statt. Offenbar haben wir hier eine neue Quelle vor uns, von der aus dem Nervensystem Elemente zufliessen. Der Theil des letzteren, der auf diese Weise mit den Gerebraltuben in Verbindung tritt, gehört, wie wir später noch genauer sehen werden, zur Gehirnmasse.

Im letzten Abschnitte ist erwähnt worden, dass in den Sinnesplatten früher Stadien stets zwei schön entwickelte Seitenorgane nahe bei einander liegend angetroffen werden; dass diese in ihrer Lage den späteren ÜCerebraltuben entsprechen, ist zwar nicht unwahr- scheinlich, muss aber noch fraglich bleiben. |

Gehen wir nun zu einem Embryo über, der etwa das Stadium der Fig. 5 (Taf. VI) erreicht hat, und untersuchen dessen Centralnervensystem auf Querschnitten, so finden wir am Gehirn eine rundliche Partie, die durch ihre dicht gedrängt stehenden kleinen und stark sich färbenden Kerne als ein besonderer Hirntheil sich charakterisiert (Figg. 28, 29, 30 la). Wir wollen ihn gleich als Lobus accessorius bezeichnen. Derselbe liegt vorne und seitlich am Gehirn; im ganzen genommen hat er ungefähr die Forn einer Birne, deren schmaleres Ende nach hinten schaut. Schnitte durch diesen Lappen zeigen, dass dessen hinterster Theil, also das spitze Ende der Birne, über das Gehirn hinaus in Form eines kleinen Buckels vorspringt (Fig. 30). Weiter nach vorne zu, wo der Lobus mächtiger wird, verschmilzt er mit der übrigen Cerebralmasse, und eine scharfe Grenzlinie zwischen beiden Partien ist nicht zu erkennen (Fig. 29): noch weiter nach vorne tritt in seiner äusseren Region parallel seiner Oberfläche ein halbmondförmiger Hohlraum auf (Fig. 28 ct). Bald folgt darunter eine zweite kleinere und ebenfalls halbmondförmige Spalte, und endlich ganz vorne geht dieser Hirmtheil über in einen Ausführgang, durch welchen er mit der Aussen- welt in Verbindung tritt. Dieser Ausführgang zieht jederseits in langem, manchmal etwas gewundenem Laufe nach vor- und auswärts und mündet mit deutlicher Oeffnung weit vorne und seitlich aus und zwar an der Stelle, welche in ihrer Lage der früheren Sinnes- platte entspricht.

Den Theil des Lobus accessorius, wo die beiden unter einander gelegenen Spalt- räume zugleich sichtbar sind, giebt Figur 25 bei stärkerer Vergrösserung wieder, und zwar ist es der entsprechende Lappen der anderen als der in Figg. 28—30 abgebildeten Hirnhälfte, der hier zur Darstellung kam. Man erkennt, dass um die beiden Spalten die Kerne dichter gedrängt und regelmässiger als in der übrigen Masse angeordnet stehen, so dass dadurch die zwei Hohlräume von dicken Wandungen umschlossen erscheinen: von der

centralwärts gelegenen Wandung aus findet dann ein allmähliger Uebergang statt zu den

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nicht so dicht stehenden und etwas grösseren Kernen des übrigen Theils dieser Hirnpartie. Die beiden Spalträume enthalten etwas geronnenes Secret.

So kann kein Zweifel bestehen, dass die beiden Höhlungen im Lobus accessorius nichts anderes sind als die Blindsäcke der zwei Üerebraltuben, welche sich halbmond- förmig um eine, wie wir denken, von ihren Wandungen aus durch Wucherung gelieferte Ganglienmasse gelegt haben. Schon im letzten Stadium (Fig. 24) haben wir ja gesehen, dass von den dicken Wänden der Blindsäcke aus eine lebhafte Bildung von Zellen gegen das Gehirn zu stattfand. Die Grenze zwischen diesem Lobus accessorius und dem übrigen Gehirn lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen.

Sehr merkwürdig ist, dass sich noch in diesem späten Alter des Embryos die Communication der Hirnhöhlen mit der Aussenwelt erhalten hat; hingegen hätte man erwarten sollen, zwei Ausführgänge entsprechend den beiden Hälsen der zwei Gerebraltuben zu finden. Dies ist uns nun nicht gelungen; wir konnten jederseits nur einen Gang finden, so dass, wie es schien, in diesem Stadium nur eine der beiden Hirnhöhlen jederseits mit aussen communicierte. Eine Verbindung der beiden Spalträume unter sich liess sich nicht feststellen. Welche Veränderungen da stattgefunden haben, erlaubt uns das spärliche Material nicht zu entscheiden; ebenso wenig wissen wir, in welchem Lebensalter der Aus- führgang der Hirnhöhlen obliterieren wird; denn dass er nicht persistiert, ist wohl sicher anzunehmen.

Das Lumen des Ausführganges ist in dem eben besprochenen Stadium zwar sehr enge, besonders in dem mehr peripheren Verlauf, aber stets scharf markiert (Fig. 27). Ein hohes Epithel kleidet ihn aus, und eine Hülle von Bindegewebszellen umgiebt ıhn; ob er wimpert, wissen wir nicht.

Die beiden Hirnhöhlen werden später zweifellos ebenfalls sich schliessen; denn man kennt in dem so sorgfältig durchforschten Gehirn der ausgewachsenen Heliciden keine solchen Spalträume mehr. Auf die Bedeutung der ganzen Erscheinung kommen wir weiter unten zurück.

Die Literatur über die Entwicklungsgeschichte der Mollusken ist, was die Ent- stehung des Nervensystems und specieller der Gehirnganelien betrifft, voll recht beträcht- licher Widersprüche. Die oben auseinandergesetzten Ergebnisse werden, so hoffen wir, zur Abklärung derselben einiges beitragen. Wir sind ferne davon, hier die ausgedehnte Literatur über das Nervensystem der Mollusken einer Besprechung unterziehen zu wollen, wir werden blos kurz auf die darin enthaltenen Gegensätze zu reden kommen.

Um mit Fol zu beginnen, so giebt dieser Autor für die Pteropoden an (2, pag. 151 ff.), dass die Cerebralganglien hervorgehen aus zwei Einstülpungen des Ekto- derms. Diese Einstülpungen vertiefen sich, einige Zellen lösen sich vom Grunde der sich einsenkenden Blindsäcke los, dann verdieken sich die Wände, die Höhlungen werden kleiner und die äusseren Oeffnungen schliessen sich nach und nach. Die beiden Gang-

lienmassen nähern sich einander und verschmelzen an ihrem Berührungspunkt.

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Bei den Heteropoden andererseits (3, pag. 136) erscheint die supraoesophageale Nervenmasse nicht als Einstülpung, sondern als eine Verdickung, die sich vom Ektoderm einfach abtrennt.

Den gleichen Gegensatz finden wir zwischen den Wasser- und Landpulmonaten. Von den ersteren erfahren wir (4, page. 168 und 169), dass zuerst die Region des Ekto- derms, welche die Seiten und den oberen Rand des Mundes einnimmt, verdickt erscheint: dann markieren sich die Contouren dieser Verdickung stärker, und man sieht bald eine gut individualisierte Masse in der Form einer doppelten Keule dem Ektoderm zwar noch nahe anliegend, aber doch schon von ihm abgeschnürt. So entstehen hier die Gerebral- sanglien vom Ektoderm aus durch Proliferation seiner Zellen.

Anders ist es bei den Landlungenschnecken. Hier bilden sich die Hirnganglien nach Fol (4, pag. 194) durch Einstülpung des Ektoderms an der Basis des Augententakels, jedes auf seiner Seite, um sich später einander zu nähern und durch eine Commissur zu verbinden. Die Einsenkungen, aus welchen die Ganglien hervorgehen, sind nach Fol zuerst sehr gross; dann werden sie zu tiefen Grübchen und endlich zu kleinen sehr dick- wandıgen Bläschen, welche nach aussen mittelst eines feinen Canals sich öffnen. Der Canal und die innere Höhlung der Einstülpungen obliterieren schliesslich, und das Ganglion löst sich vom Ektoderm gänzlich ab.

Es entstehen also nach Fol bei den Pteropoden und Landpulmonaten die Cerebral- ganglien auf andere Weise als bei den Wasserpulmonaten und Heteropoden; bei jenen verdanken sie einer Invagination, bei diesen einer einfachen Proliferation der Ektoderms ihr Dasein.

Wenn wir wie billige von der älteren Ansicht der Entstehung der CGerebralmasse im Schoosse des Mesoderms absehen, so finden wir den oben bezeichneten Gegensatz in der Bildungsweise der Himmganglien sich durch die ganze Literatur ziehen. Die Einen lassen das ganze Gehirn vom FEktoderm aus hineinwuchern, die Andern das ganze aus Einstülpungen hervorgehen.

Die letztere Ansicht ist in neuerer Zeit namentlich von Kowalevsky vertreten worden. Bei den Larven von Dentalium sah er (7, page. 23 ff.) das Ektoderm an zwei ventral und seitlich gelegenen Stellen sich verdieken und dann sich einsenken. Diese KEinstülpungen werden zu Ganälen, welche tief in den Körper eindringen und mit ihren hinteren erweiterten Enden den Oesophagus umgreifen. Die Kerne der die Wände bil- denden Zellen sind im vorderen Theile der Tuben so regelmässig angeordnet wie in einem Epithel; anders im hinteren blindsackförmigen Ende: hier bilden die sehr zahlreichen Kerne unregelmässige Haufen. Das Lumen dieser Canäle wird vorne enge, ist aber gut sichtbar. Aus diesen Tuben entstehen die Gehirnganglien.

In späteren Stadien findet man jederseits auf dem Oesophagus liegend einen runden Körper, der aus centraler Punktmasse und peripherischen Zellen besteht: Es sind die Ge- hirnganglien. Lateralwärts enthält jeder Körper eine Höhle, die sich in einen longitudi-

nalen Tubus fortsetzt, welcher nach dem Vorderende der Larve hinstreicht. In noch

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späterem Alter communicieren die Canäle nicht mehr nach aussen und verschwinden endlich ganz.

Hatten schon die Fol’schen Schilderungen der Epidermiseinstülpungen gar sehr an unsere Üerebraltuben erinnert, so geht aus dieser Darstellung nun ohne weiteres her- vor, dass Kowalevsky dieselben Bildungen vor sich gehabt hat, die wir oben beschrieben haben. In manchen Einzelheiten stimmen Kowalevsky’s Angaben aufs genaueste mit den unsrigen überein. Dass wir jederseits zwei Einstülpungen haben, ist eine Gomplication, der, wie wir weiter unten sehen werden, so viel Werth nicht beizulegen ist.

Kowalevsky hat die beiden Einstülpungen, aus denen er die Gehirnganglien her- vorgehen lässt, „Tubes sincipitaux“ oder „Tubes cephaliques“ benannt. Wir haben statt dessen den Namen „CGerebraltuben“ gewählt, um dadurch anzudeuten, dass diese Einstülpungen in Beziehungen zum Gehirn treten.

Im Jahre 1885 thut Salensky (10) in einer kurzen Notiz über die Entwicklung von Vermetus dieser Cerebraltuben wieder Erwähnung: er berichtet, dass die Kopfeanglien zuerst in Form von zwei ektodermalen Platten erscheinen, welche sich dann als kleine flache Grübchen einstülpen. Diese werden zu ziemlich grossen blinden Röhren mit engem Lumen, welche mittelst einer schalenförmig erweiterten Oeffnung nach aussen münden. Die blinden Enden der Röhren treffen sich gegenseitig, verwachsen mit einander, und daraus entstehen die Cerebralganglien. Bevor die Verwachsung stattfindet, schwinden die Höhlen der Gehirnröhren, und ın ihrem Inneren bildet sich Punktsubstanz. Die Ab- trennung der Ganglien erfolgt erst in den spätesten Entwicklungsstadien.

Wie reimen sich nun alle diese Angaben mit unseren Ergebnissen? Wir haben gefunden, dass in ganz frühen Stadien die Gehirnganglien sich bilden durch Wucherung des Ektoderms von den Sinnesplatten her, dass dann später auf den Sinnesplatten zwei Einsenkungen entstehen, die zu tiefen Röhren mit blindsackförmig erweiterten Enden aus- wachsen, an die zu dieser Zeit schon weit entwickelte Cerebralmasse sich anlegen und einem besonderen Lobus des Gehirns seine Entstehung geben. Das fertige Gehirn ist so theilweise durch Wucherung und theilweise durch Einstülpung des Ektoderms entstanden.

Dies scheint uns den Schlüssel zur Lösung der Widersprüche in der Literatur zu liefern: diejenigen Autoren, welche das Gehirn durch Proliferation des Ektoderms entstehen sahen, untersuchten frühe Stadien, wo von den Sinnesplatten her Zellmaterial geliefert wurde; sie übersahen aber, dass noch später durch Einstülpungen der Sinnesplatten weitere Partien dem Gehirne zugeführt werden. Die anderen Autoren hinwiederum, welche das ganze Gehirn aus zwei Einstülpungen hervorgehen lassen, dürften zu späte Stadien vor sich gehabt haben, wo bereits die eigentlichen Cerebralganglien angelegt waren und die beiden Cerebraltuben nach innen wucherten, um ihrerseits einen Theil des Gehirms zu liefern. Dass z. B. Fol bei den Landpulmonaten die Entstehung des Gehims in einem zu späten Stadium suchte, geht daraus hervor, dass er das Nervensystem etwas nach den

Tentakeln sich bilden lässt (4, pag. 193): bei unserer Helix wuchern die Kopfganglien

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schon bevor die Tentakeln knospen, und die Gerebraltuben stülpen sich etwa zur Zeit ein,

welche Fol angiebt.

Man betrachte diese unsere Ansicht nur als einen Versuch, die Widersprüche in den Angaben der Literatur zu vereinigen; in einer so sehr difficılen Sache, wie die Ent- wicklung der Mollusken eine ist, sind wir weit davon entfernt, den Berichten anderer

Forscher Gewalt anthun zu wollen.

Nun drängt sich die Frage auf, wie verhält sich der aus den Cerebraltuben her- vorgegangene Theil des Gehirns beim ausgewachsenen Thiere? Selber haben wir das Ge- hirn der ausgebildeten Helix Waltoniı nicht untersucht, aber wir finden in der Literatur über das Gentralnervensystem der Mollusken hin und wieder einen Gehirntheil erwähnt, der durch seine besondere Structur den Beobachtern auffiel und zweifellos unserem accesso-

rischen Lobus entspricht.

In Jahre 1863 erkannte Walter (12) am Gehirn von Limnaeus stagnalis eine Anschwellung, die aus kernähnlichen stark sich färbenden Körperchen aufgebaut war, wie sie sonst im ganzen übrigen Gehirne fehlten. Weiterhin berichtet de Lacaze-Duthiers (8, pag. 125 und 126), dass bei allen Pulmonaten eine oft an der vorderen und seitlichen Extremität des Gehirnes vorspringende Partie sich finde, welche nur sehr kleine Körperchen enthalte. Bei den Limnaeen bilde dieser Haufen kleiner Nervenkörperchen eine Prominenz oben und sehr nahe vom Ursprung der Transversalcommissur. Frisch untersucht erkenne man diese Partie an ihrem opaken Wesen und ihrer mattweissen Farbe: gefärbt erscheine sie als dunkle Masse, da sie fast nur aus Kernen sich zusammensetze, die Carmin sehr lebhaft absorbieren. In einer anderen Arbeit (9, pag. 444) wird noch hinzugefügt, dass ınan niemals in diesem Hirntheil grosse Ganglienelemente finde, ferner dass es den An- schein habe, als sei dieser Lappen von Nemrilemm umgeben und isoliert. Lacaze-Duthiers zieht aus diesen Ergebnissen den Schluss, dass im Gehirn der Mollusken verschiedene

Regionen zu unterscheiden seien.

Eine noch ausführlichere Darstellung gab im Jahre 1883 Böhmig (1). Oeffnet man, so sagt er (pae. 31 ff.), eine Limnaea und betrachtet die supraoesophagealen Gang- lien, so bemerkt man zwei verschieden colorierte Partien an denselben, eine orange und eine grünlichweiss gefärbte. Diese letztere bedeckt oft den grössten Theil der ersteren, jedoch ist dies individuell sehr verschieden; bei manchen Exemplaren umhüllt sie hauben- förmig fast das ganze Ganglion, bei anderen ist sie auf geringe Partien beschränkt. Das Gebilde besteht nach Böhmige nicht aus Ganglienkugeln, sondern aus vielkernigen Zellen. Die Zahl der Kerne in einer Zelle schwanke zwischen drei und einigen zwanzig, spärliches Protoplasma umschliesse sie. Farbstoffe werden sehr begierig aufgenommen, und so färben sich diese Elemente schneller und intensiver als die Ganglienzellen. Irgend welche Verbindung mit dem Gehirm wurde nicht wahrgenommen; es schien das Gebilde

immer scharf abgesetzt und durch einen feinen Bindegewebszug vom Gehirm getrennt.

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Böhmig hält diesen Theil für ein accessorisches, nicht nervöses Gebilde, welches der eigentlichen Nervenmasse aufgelagert seı.

Zweifellos entspricht die von Walter, de Lacaze-Duthiers und Böhmig be- schriebene Partie unserem Lobus accessorius, dessen besondere Entstehung wir oben ver- folgt haben. Es bedarf aber die Böhmig’sche Darstellung noch einiger Worte. Dieser Autor spricht von vielkernigen Zellen, welche durch feine Streifen Intercellularsubstanz von wahrscheinlich bindegewebiger Natur von einander getrennt seien. Diese Auffassung scheint uns nicht die richtige zu sein; was Böhmig für einzelne Zellen ansieht, sind vielmehr ganze Complexe von solchen, die durch feine Fasern von einander getrennt sein können. Dann lässt Böhmig den accessorischen Hirntheil ganz strenge geschieden sein von der übrigen Cerebralmasse; wir sahen vielmehr auf den meisten Schnitten einen all- mähligen Uebergang, so dass wir dann nicht zu sagen vermochten, wo der accessorische Theil aufhörte und der andere anfing. Ebenso sind wir gegen Böhmig’s Ansicht, die accessorische Partie sei nicht nervöser Natur; wir glauben im Gegentheil mit Lacaze- Duthiers, dass sie ein aus kleinen Nervenzellen aufgebautes und wohl besonderen Func- tionen dienendes Ganglion darstellt. Von ihm ausgehende Nerven konnten wir allerdings keine finden; wo etwa solche auszutreten schienen, liessen sie sich stets bis in die cen- trale Fasersubstanz der eigentlichen Cerebralmasse verfolgen.

Im Gehirn der ausgewachsenen Pulmonaten existiert also eine durch Structur und Farbe sich unterscheidende Partie, welche, wie uns die Entwicklungsgeschichte lehrt, un- ‚abhängig vom übrigen Gehirn auf ganz besondere Weise ihre Entstehung nimmt; sie ist hervorgegangen aus tiefen Einstülpungen des Ektoderms, welche an die schon vorhandene Hirn- masse sich anlegten und kräftig wuchernd einen eigenen accessorischen Hirnlappen bildeten.

Welchen Sinn, welche phylogenetische Bedeutung hat nun aber diese Einstülpung, die mit dem Gehirn sich verbindet und in ihm aufgeht? Zur Beantwortung dieser Frage wollen wir die neue Arbeit Kleinenberg’s (6) über die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus beiziehen. In dieser höchst sorgfältigen Untersuchung wies Kleinenberg nach, dass das Kopfganglion der Anneliden nicht etwa als ganzes plötzlich entsteht, sondern von sehr verschiedenen Seiten her Elemente bezieht. Der larvale Central- apparat hat nur geringen Antheil an seiner Herstellung (page. 58 und 59); die Sinnesplatten liefern den allerwesentlichsten Beitrag. Dabei steht die Ausbildung der Gewebe des Kopf- ganglions in natürlichem innigstem Verhältniss zur Entwicklung der peripherischen Ab- schnitte des Nervensystems, besonders zu vergänglichen oder bleibenden Sinnesorganen.

So bilden sich die oberen oder vorderen Lappen des Kopfganglions (pag. 64) jeden- falls zum grössten Theil aus den Anlagen der Scheitelantennen, die sich selber niemals zu peripherischen Sinnesorganen constituieren. Bei den vorderen und hinteren Antennen bildet sich zunächst vorwiegend der Theil aus, welcher in Form einer ovalen Knospe die Grundlage des Sinnesorgans darstellt; in der Tiefe aber ist die Zellvermehrung am leb-

haftesten, und das entstehende Material wird nicht in das Sinnesorgan eingezogen, sonderm

SARASIN, Coylon I. g

66 tritt auf jeder Seite an den vorderen Hırnlappen, verschmilzt in der Mitte mit ihm, bleibt aber seitlich durch einen tiefen Einschnitt von ıhm. getrennt und bildet so den gleichfalls keulenförmigen hinteren Lappen des Kopfganglions. Bei gewissen Formen verlöthen sich auch die Augenanlagen mit den Kopfganglien und liefern zahlreiche Zellen in’s Gehirn.

Eine weitere Quelle, welche Elemente zum Gehirn liefert, sind die Geruchsorgane, und diese interessieren uns hier ganz speciell. Sie entstehen (pag. 31) als Einstülpungen der oberen Zellschicht der Sinnesplatten unterhalb der Antennen und werden (pag. 71) zu immer tieferen eiförmigen Säckchen mit enger Höhle; später erhalten sie Musculatur und werden ein- und ausstülpbar. Eingezogen (pag. 34) stellen sie tiefe Säcke mit spalt- förmigem Lumen dar, vorgedrängt bilden sie becherförmige Anhänge, deren verbreiterte freie Enden durch eine Furche in zwei Hälften geschieden sind. Die innere Wand des Säckchens (pag. 71) ist anfangs mit den Resten der Sinnesplatte verschmolzen, und hier ist die Vermehrung der Zellen sehr rege. Es entsteht ein rundlicher Körper, der den Riechsäcken an der oberen Wand ansıtzt und schon einen dünnen Faserstrang enthält, ein besonderes Ganglion für das Geruchsorgan. Dann theilt sich diese Ganglienmasse in zwei Abschnitte; der innere grössere legt sich dem hinteren Lappen des Kopfganglions an, verschmilzt mit ıhm und bildet jederseits einen dritten, lange Zeit deutlich abgegrenzten Hirnlobus; der äussere Abschnitt bewahrt seine innigere Beziehung zum Geruchsorgan bei und wird zu dessen bleibendem, beim ausgewachsenen Thiere recht beträchtlichen besonderen Ganglion.

Es drängt sich unwillkürlich der Gedanke auf, dass die Cerebraltuben der Mollusken wohl nichts anderes sind als die Geruchsorgane der Anneliden, und wenn wir die Kleinen- berge’schen Bilder mit unseren Befunden vergleichen, werden wir in dieser Ansicht noch sehr verstärkt. Die Lage der Organe stimmt genau überein; beides sind Einstülpungen der lateral gelegenen Sinnesplatten; beide liefern durch Wucherung einen Theil des Kopf- sanglions. Während nun aber bei den Anneliden diese Organe sich weiter entwickeln, Musculatur erhalten, ein- und ausstülpbar werden und einer eigenen Sinnesfunction dienen, bilden sie sich bei den Mollusken nicht zu functionierenden Organen aus, sondern werden in toto in’s Gehirn einbezogen, die Oeffnung nach aussen schliesst sich, und der Verbindungs- gang geht zu Grunde. Der Lobus accessorius des Molluskengehirns entspricht der gesammten vom Anneliden Geruchsorgan aus gelieferten Ganglienmasse, schliesst aber dieses Organ selbst noch mit ein, denn wir haben ja lateral im Lobus accessorius jederseits die Höhl- ungen der Cerebraltuben wieder aufgefunden.

Nun könnte man vielleicht einwenden, dass bei Lopadorhynchus die Geruchsorgane einfach seien, während wir bei unserem Helixembryo jederseits zwei Einstülpungen der Sinnes- platte constatieren konnten; doch scheint uns darauf nicht sehr viel Werth gelegt werden zu sollen, denn erstlich erfahren wir aus Kleinenberg’s Beschreibung selber, dass die Geruchsorgane des Lopadorhynchus, wenn sie ausgestülpt sind, Anhänge darstellen, deren

freie Enden durch eine Furche in zwei Hälften geschieden sind, und dies könnte vielleicht

2.

bereits als eine beginnende Verdoppelung des Organs angesehen werden. Ferner aber scheinen wirklich bei gewissen Mollusken diese Einstülpungen einfach aufzutreten; so sprechen z. B. die Bilder, welche Kowalevsky von seinen „Tubes sincipitaux“ bei Den- talıum giebt, sehr dafür, dass hier nur eine einzige Einsenkung jederseits stattfindet. Gerade die Zeichnungen Kowalevsky’s stimmen so wohl mit Kleinenberg’s Figuren überein, dass uns die Deutung der Cerebraltuben als Geruchsorgane der Anneliden sehr gut begründet erscheint.

Es würde uns viel zu weit von unserem Wege abführen, wollten wir uns im Kreise der Würmer nach den verschiedenen als Kopfgruben, Nackenorgane etc. beschriebenen Bildungen umsehen, die mit den Geruchsorganen von Lopadorhynchus übereinstimmen mögen. Bei gewissen Anneliden legen sich nach Kleinenberg auch die Tentakeln als tiefe an ihren blinden Enden mit dem Gehirn verlöthete Röhren an, so dass auch solche Organe hier beigezogen werden könnten. Die Kopfgruben der Nemertinen dürften eben- falls dahin gehören. Für jetzt war es uns lediglich darum zu thun, nachzuweisen, dass bei Mollusken am Aufbau des Gehirns ein Organ sich betheiligt, welches bei gewissen Würmern noch in voller Function sich befindet.

Ob die beiden seitlich am Kopf gelegenen Geruchsorgane der Gephalopoden eben- falls hieher gehören, wird die Entwicklungsgeschichte lehren; uns scheint von vornherein manches dafür zu sprechen. Ferner besitzt Umbrella zwei compliciert gebaute Gruben an der Basis der hinteren Tentakeln, die möglicherweise auch in diesen Organkreis zu ziehen sind. Es hätte sich dann bei einer Anzahl Mollusken ein Organ in Function er- halten, das bei anderen im Gehirn aufgegangen ist. Das von Lacaze-Duthiers entdeckte und von Spengel (11) durch die verschiedensten Molluskenclassen verfolgte und als Ge- ruchsorgan gedeutete Wimperorgan am Eingang der Mantelhöhle dagegen ist selbstverständ- lich eine ganz andere Bildung; vielleicht haben dıe Mollusken dieses Organ neu erworben, als das alte Würmergeruchsorgan ausser Function trat.

Ein beim fertig ausgebildeten Annelid functionierendes Sinnesorgan tritt in der Ontogenie der Mollusken wieder auf, behält aber mit Ausnahme vielleicht der Cephalopoden und einiger anderer Familien nicht die alte Sinnesfunction bei, sondern schliesst sich von der Aussenwelt ab und giebt einer accessorischen Partie des Gehirns den Ursprung. Sollte dies nicht einen Wink abgeben für die Entstehung der Centralorgane überhaupt? Das primäre sind vielleicht überall die Sinnesorgane; der Augenpunkt der Infusorien ist schon lange vorhanden, bevor ein Nervensystem sich differenziert hat. Von den Turbel- larien ferner sagt Götte (5, pag. 95), es liege der Gedanke nahe, dass die beiden gang- liösen Ektodermverdickungen, aus welchen das Hirn hervorgehe, durch die beiden Augen veranlasste Bildungen seien. Bei den Mollusken entstehen die Otocysten und vielleicht auch die Augen vor den Cerebralganglien, und die Kleinenberg’sche Arbeit liefert Bei- spiele genug dafür, dass zuerst Sinnesorgane auftreten und erst in ihrem Gefolge nervöse

Theile. Von den Scheitelantennen z. B. berichtet Kleinenberg, wie wir schon oben

g8

erwähnten, dass ihre Anlagen blos Zellbildungsheerde werden für das Kopfganglion, so lass wir hier einen fast ähnlichen Fall wie das Aufgehen unserer Cerebraltuben ın’s Centralnervensystem vor uns haben. Eine analoge Erscheinung bietet auch das allbekannte Parietalauge bei den höheren Wirbelthieren dar.

Ja es lässt sich wohl die Ansicht vertreten, dass das Centralnervensystem über- haupt oder wenigstens eın grosser Theil davon nur durch Vermittlung peripherischer Sinnes- organe entstanden ist, sei es, dass ım Gefolge peripherer sensibler Stellen nervöse Gentren sich bilden, sei es, dass ganze Sinnesorgane wie die Cerebraltuben z. B. ihre Lage an der Aussenfläche des Körpers aufgeben und in toto zu Theilen des Nervensystems werden.

Diese Anschauung ist wohl auch diejenige Kleinenberg’s, denn er schreibt (pag. 211): „Man könnte fast sagen, dass eine einheitliche Anlage des Kopfganglions nicht existiert; so sehr beruht seine Entstehung auf der Entwicklung besonderer Sinnes- organe. Alle Zellen des Kopfganglions sind wahrscheinlich umgebildete, vorher bereits specifisch differenzierte Sinneszellen. Seine ersten Elemente rühren wohl von unterdrückten Sinnesorganen her, der bei weitem grössere Theil derselben besteht aber aus Elementen, die von den bleibenden Sinnesorganen ausgelöst sind, um centrale Functionen anzunehmen.“

Auf diesem Wege wird die Entwicklungsgeschichte weiter zu schreiten haben. Zu den vorhandenen Fragen gesellt sich nun noch als weiteres Moment, nicht allein zu erweisen, aus welchem Keimblatt das Nervensystem als Ganzes sich hervorbilde, sondern welchen besonderen Weg der Entwicklung jeder einzelne Theil eines jeden Ganglions ein- schlage. Die Entwicklungsgeschichte wird jeden einzelnen Lappen, jeden auch noch so kleinen Ganelienzellencomplex in seiner Entstehung zu verfolgen haben. Mit dieser Methode wird sie den Nachweis führen können, dass von den verschiedensten Seiten her Elemente zusammenströmen, um das Nervensystem in seiner Gesammtheit zu bilden; eine Fülle phylo- genetisch interessanter Sinnesorgane werden in ihrer Anlage erkannt werden und bedeut- same Fingerzeige zur Aufklärung der oft so schwer erkennbaren Verwandtschaftsbeziehungen

der Thierformen abgeben.

en

Literaturverzeichniss.

Zu Abschnitt 4.

. Böhmig, L., Beiträge zur Kenntniss des Centralnerven- systems einiger pulmonaten Gasteropoden, Dissertation, Leipzig, 1883.

. Fol, H., Sur le developpement des Pt&ropodes, Arch. de Zool. exp., (1), Bd. 4, 1875.

. Fol, H., Sur le d&veloppement embryonnaire et larvaire des Höteropodes, Arch. de Zool. exp., (1), Bd. 5, 1876. . Fol, H., Sur le developpement des Gasteropodes pulmonös, Arch. de Zool. exp., (1), Bd. 8, 1879—80.

. Götte, A., Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte der Würmer, 1884.

. Kleinenberg, N., Die Entstehung des Annelids aus der

vergl. Theil, Hamburg und Leipzig,

Larve von Lopadorhynchus, Zeitschrift f. wiss. Zool., Bd. 44, 1886.

. Kowalevsky, A., Etude sur l’embryog@nie du Dentale,

Annales du musee d’hist. nat. de Marseille, Zoologie, Bd. 1, möm. Nr. 7, 1883.

. Lacaze-Duthiers, H. de, Otocystes ou capsules auditives

des Mollusques (gasteropodes), Arch. de Zool. exp., (1), Bd. 1, 1872.

. Lacaze-Duthiers, H. de, Du systeme nerveux des Mollus-

ques gasteropodes pulmsnös aquatiques et d’un nouvel

organe d’innervation, Arch. de Zool. exp., (1), Bd. 1, 1872.

. Salensky, W., Zur Entwicklungsgeschichte von Vermetus,

Biologisches Oentralbl., Bd. 5, 1885.

. Spengel, J. W., Die Geruchsorgane und das Nerven-

system der Mollusken, Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 35, 1881.

. Walter, G., Mikroskopische Studien über das Central-

Nervensystem wirbelloser Thiere, Bonn, 1863.

Tafel VI.

Fig. 1. Eine als reifer Embryo in ihrer Eischale liegende junge Helix Waltoni in natür- licher Grösse (pag. 35). Fie. 2a, b, ec. Drei verschiedene Ansichten eines etwa 1 mm grossen Embryos (pag. 40).

Fig. 3. Embryo von 4 mm natürlicher Grösse. Diese Figur und die Figg. 2b und c

sind in derselben Lage gezeichnet, um die Vergleichung zu erleichtern (pag. 41).

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Fieg. 4—7. Embryonen in natürlicher Grösse (pag. 42).

Fig. 8. Schematisch gezeichneter Embryo mit eingetragenen Urnieren und Niere, um deren Lage und Grösse zu veranschaulichen. Der Mantel ist zurückgeschlagen. Dem Bildchen liegt eine Zeichnung C. Pfeiffers von einer jungen Helix pomatia zu Grunde, soweit es den Kopf betrifft (pag. 48).

Zeichenerklärung.

fs Fuss, fw Fühlerwulst, %bl Kopfblase, Ih Lungenhöhle, m Mund, m! Mundlappen, » Niere, o Auge, ot oberer Tentakel, pd Podoeyste, s Schale, spl Sinnesplatte, ur Urniere, «at unterer Tentakel, v Velum (?).

wer Wimpercrista (pag. 40).

SARASIN, Ceylon.Bar.

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Varlar Wischanar 37 1echa velistd, WICHSLAULIL

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Tafel VII.

Figg. 9 und 10. Längsschnitte durch die inneren Enden der Urnieren des in Fig. 5 (Tafel VI) abgebildeten Embryos (pag. 48 ff.). Fig. 11. Epithel der definitiven Niere. Fig. 12. Vacuole mit Concretionen aus der Urniere des Stadiums Figur 5 (Tafel VI) sehr stark vergrössert. Fig. 13. Schnitt durch die Urniere des Embryos Figur 2. Fig. 14. Dito vom Embryo Figur 3. Fig. 15. Dito vom Embryo Figur 5. Der Maassstab über Figur 14 gilt für die Figg. 11, 13, 14 und 15. Fig. 16. Durchschnitt durch eine Sinnesplatte mit zwei darauf befindlichen Seitenorganen (pag. 53 #.). 17. Zwei Seitenorgane eines Embryos von Ichthyophis glutinosus bei gleicher Ver- grösserung wie Fig. 16 gezeichnet. | Figg. 15, 19, 21 und 23. Seitenorgane des Embryos von Helix Waltoni. Fig. 20. Eine Sinnes- und eine Stützzelle aus einem Seitenorgan. Fig. 22. Sinnesborsten zweier Sinneszellen. Der Maassstab unter Figur 21 gilt für die Figg. 15—23. Die Bilder 16 und 17 sind bei viel schwächerer Vergrösserung

gezeichnet.

Zeichenerklärung.

dr Drüsenzellen der Urniere, % Hügel kleinerer Zellen, or innere Oeffnung der Urniere, sc Secret,

sn Sinneszellen, st Stützzellen, ve Vacuolen (Secretbläschen).

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Tafel VII.

Fig. 24. Die Cerebraltuben der einen Kopfhälfte eines Embryos von Helix Waltoni (pag. 59ff.). Fig. 25. Ein Lobus accessorius des Gehirns mit den Höhlungen der zwei Cerebraltuben.

Anlage des Gehirneanelions durch Wucherung des Epithels der Sinnesplatte. fen) fe) to) oO

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Querschnitt des Ausführgangs der Gerebraltuben.

18. 28— 80. urchschnitte durch eine Gehirnhälfte mit dem Lobus accessorius.

Fig. 28—30. Durchschnitte durecl Gehirnhälftt t dem Lob C

Fig. 31. Seitenorgan (siehe Tafel VI). Der Maassstab unter Fig. 24 gilt für die Bilder 24—-27; der andere für 28-50.

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IV

ZJeichenerklärung.

cgl Cerebralganglion, et Cerebraltuben, fw Fühlerwulst der Sinnesplatte, la Lobus accessorius, no Nerv

zum Ommatophor, o Auge, oe Oesophagus, sk Schlundkopf, spg Speicheldrüsengang.

Taf. VI.

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KNOSPENBILDUNG

BEI

LINCKIA MULTIFORA LamarcK

HIERZU TAFEL IX.

KNOSPENBILDUNG BEI LINCKIA MULTIFORA LAMARCK,

HIERZU TAFEL IX.

Theilungs- und Regenerationserscheinungen kommen bekanntlich bei Seesternen in weitester Verbreitung vor. Die verschiedenen in der Literatur zerstreuten Angaben hierüber zusammenzustellen, können wir füglich unterlassen, da dies in neuerer Zeit schon mehrmals geschehen ist und namentlich Prof. von Martens (11) die einschlägigen Werke auf’s sorgfältigste gesammelt hat.

Unzweifelhaft am interessantesten sind diejenigen Fälle, wo einfache abgeschnürte Arme ohne Vermittlung der Centralscheibe einen ganzen neuen Seestern zu bilden im Stande sind. Das bekannteste Beispiel für diese Art der Regeneration ist die im indischen Ocean und rothen Meere überall häufige Linckia multifora Lamarck. Von dieser Species und ihren nächsten Verwandten weiss man lange schon, dass sich häufig die Arme von der Scheibe abschnüren, dass dann aus der vernarbenden Wundfläche des abgelösten Strahles neue Arme hervorknospen und schliesslich sich ein ganzer neuer Stern mit einer neuen Scheibe und neuen Madreporenplatten bildet. Die jungen aus dem Mutterarm her- vorknospenden Strahlen erscheinen anfangs blos als kleine Knötchen, dann werden sie grösser, und es entstehen diejenigen Formen, welche man als Kometen bezeichnet hat. Haeckel (5) hat ihnen eine eigene Arbeit gewidmet.

Bei Trincomalı lebt in grosser Menge eine Linckia, deren Diagnose aufs genaueste mit multifora übereinstimmt. Nur in der Farbe zeigt sich eine leichte Abweichung; statt nämlich blass ziegelroth zu sein, wie es gewöhnlich für diese Species angegeben wird, besitzen die Exemplare von Trincomali, wenn wir uns recht erinnern, im Leben meist eine schmutzig grau-blaue Färbung, und röthliche Thiere sind selten.

Nachdem wir die auf unserer Linckia parasitisch lebenden Schnecken Stilifer Linckiae und Thyca ectoconcha gefunden hatten, liessen wir uns, um eine genügende Zahl dieser seltenen Mollusken zu bekommen, während mehrerer Wochen von unseren Tauchern täglıch eine grössere Menge Linckien heraufholen.

Leider erlaubte uns die Zeit nicht, die an der Linckia so ausserordentlich viel versprechenden Versuche über ihre Reeenerationskraft anzustellen, oder gar, was noch

SARASIN, Ceylon I. w

da.

unendlich viel spannender wäre, die Neubildung der Organe und Gewebe zu verfolgen. Es sind uns aber unter der grossen Zahl der auf Parasiten untersuchten Linckien einige merkwürdige Abnormitäten in die Hände gefallen, welche wohl eine kurze Besprechung verdienen. Kometenformen befanden sich unter den uns zugetragenen Linckien in überaus srosser Zahl und auf jeder Stufe der Ausbildung, so dass zweifellos die ungeschlechtliche Fortpllanzung bei diesen Thieren eine ganz bedeutende Rolle spielen muss. In dem Ge- fässe, worin uns die Linckien gebracht wurden, waren stets einige isolierte Arme zu finden, die noch keine Spur von Regeneration zeigten; sehr wahrscheinlich waren das solche, die kurz nach dem Einfangen sich abgelöst hatten.

Die Zahl der Arme ist bei Linckia multifora eine schwankende. Fünf Arme bilden zwar die Regel; daneben sind aber schon lange vier-, sechs- und sieben-armige Sterne bekannt geworden, von letzterer Art besitzen wir selbst fünf Beispiele. Nur ein einziges Mal sind wir einem achtarmigen Thiere begegnet; de Lorıol (8) erhielt zwei solche von Mauritius. Die schwankende Armzahl zeiet sich bereits bei den Kometenformen. In weitaus den meisten Fällen treibt allerdings ein abgetrennter Arm vier neue Strahlen; manchmal werden aber auch nur drei neue Arme geknospt in unserer Sammlung vier Beispiele —, und dann bekommt man vierstrahlige Sterne. Sehr selten treibt ein Strahl sechs junge; wir besitzen nur ein einziges Exemplar dieser Art.

Haeckel bildet von Ophidiaster (Linckia) diplax und ormithopus Fälle ab, wo ein Strahl eine Scheibe mit fünf neuen Armen regeneriert hat. Dasselbe erwähnt Lütken (9) auch von Ophidiaster crıbrarius, de Loriol von Linckia Ehrenbergii; wir haben dies bei Linckia multifora nie gesehen.

Sir John Graham Dalyell (1) verfolgte bei Asterias rubens die Neubildung eines Sterns aus einem abgelösten Arme. Das neu entstandene Thier begann bald zu fressen; aber nach einiger Zeit fiel der alte Strahl, welcher die neuen getrieben hatte, in Stücke. Es blieb nun blos noch die Scheibe übrig mit ihren vier jungen Armen. Das vierstrahlige Individuum nahm bald eine symmetrische Gestalt an, fing wieder an, Nahrung zu sich zu nehmen und wuchs kräftig weiter; nach einiger Zeit aber starb es. Von einer Regeneration des abgefallenen Armes zeigte sich keine Spur. Ein nicht ganz exacter Bericht über diesen Fall findet sich in Schleiden: das Meer (14, pag. 264).

Haeckel vermuthet nun, dass der regenerierende Hauptarm gewöhnlich später ab- gestossen werde, und dass dann an seiner Stelle entweder ein junger Arın hervorsprosse oder die Ablösungsstelle sich schliessen werde, letzteres besonders in den Fällen, wo der Hauptarm eine Scheibe mit fünf neuen Armen erzeugt hat.

Trotz des sehr grossen Materials, das wir besitzen, haben wir keinen Grund, diese Vermuthung für Linckia multifora zu theilen; wir sahen keinen einzigen kleinarmigen Seestern, der die Spur einer Ablösung von einem Hauptarme gezeigt hätte. Ferner ist bekannt, dass bei regenerierten Sternen die neuen Madreporenplatten zu beiden Seiten des

alten Strahles auftreten, und auch dies spricht doch wohl gegen eine später erfolgende

»

Abtrennung desselben. Die Beobachtung Dalyell’s endlich, nach welcher der Mutterarm eines jungen Sternes nach einiger Zeit in Stücke zerfiel, ist an einem gefangenen Thiere gemacht worden und daher noch nicht unbedingt maassgebend.

Die Abschnürung der Arme zum Zwecke der Kometenbildung findet fast ausnahms- los in einiger Entfernung vom Scheibenrande statt, und der zurückgehliebene Stummel treibt wieder eine neue Spitze; er verhält sich also bei der Regeneration anders als das abgeschnürte Armstück, welches aus seiner Wundfläche einen ganzen neuen Seestern zu erzeugen im Stande ist. Dieses verschiedene Verhalten der beiden Armtheile ıst eine sehr auffallende Erscheinung. Eine Anzahl Abweichungen von der gewöhnlichen Regel sollen in Folgendem kurz besprochen werden.

Figur 2 (Tafel IX) zeigt eine Linckia, welche einen Arm abgeschnürt hat; der an der Scheibe zurückgebliebene Stummel hat aber nicht eine einfache Spitze getrieben, sondern aus der Wunde sind fast rechtwinklig zwei kleine Arme hervorgeknospt, und die Ambulacralfurche des Mutterarms theilt sich in zwei Aeste. Es sei hier gleich bemerkt, dass alle Sterne der Tafel IX in natürlicher Grösse gezeichnet sind.

Einen ähnlichen Fall von Dichotomie eines Armes bietet die in Figur 1 dar- gestellte Linckia; nur ist hier der gegabelte Arm viel kräftiger gewachsen. Man kann sich übrigens hier nicht des Eindrucks erwehren, als sei der eine Arm seitlich aus dem andern hervorgeknospt, also das Product seitlicher Verletzung eines Strahles und nicht in Folge von Regeneration eines normal abgeschnürten Armes entstanden. Dasselbe gilt für den Fall der Figur 5, wo drei kleine Arme seitlich aus einem Strahle hervorwuchsen.

Statt zwei Aesten können auch drei aus dem Stummel eines abgeworfenen Armes hervorknospen (Fig. 6), und die Ambulacralfurche spaltet sich dann in drei Radien. Hier haben wir bereits das Bild zweier mit einander verbundener Seesterne vor uns. Würde sich der Mutterarm der drei jüngeren Radien in der Nähe der Scheibe ablösen, so wäre ein neuer vierarmiger Seestern geschaffen. Wenn man die drei jungen Strahlen etwas auseinanderbiegt, erkennt man am Punkte, wo die drei Aeste aus dem Mutterarm ent- springen, in der Tiefe eine kleine runde Oeffnung inmitten eines von Saugfüsschen freien Feldes; wir möchten sie für eine beginnende Mundöffnung halten. Madreporenplatten fehlen,

Fin noch schöneres Beispiel für die Bildung eines Seesternstockes liefert unserer Ansicht nach der Fall der Figur 3. Hier hat ein Arm vier kleine neue getrieben; wir haben hier eine regelrechte Kometenform vor uns, aber festsitzend am Mutterstern. Eine Mundöffnung war von aussen nicht zu sehen; um ihre Anwesenheit zu erkennen, hätten wir den kleinen Stern verletzen müssen, und begreiflicherweise wollten wir dieses Unieum nicht anatomieren. Wer will aber bezweifeln, dass hier ein neuer Seestern mit allen seinen Organen sich bilden wird? Die Madreporenplatten fehlen zwar noch: man weiss aber lange schon, dass sie auch bei den gewöhnlichen Kometenformen erst auftreten, wenn die neue Scheibe mit ihren Armen eine gewisse Ausbildung erreicht hat (vergl.

Lütken (9) und Haeckel ())- Uns scheint. dass wir in diesem Falle eine wirkliche

10*

(6b

Stockbildung vor uns haben, zwei mit einander verbundene Seesterne, gleichviel ob man den einzelnen Seestern selbst wieder für ein zusammengesetztes Wesen hält oder ihn für ein einheitliches Individuum ansieht.

Etwas complicierter ist der in Fig. 4a von der Bauchfläche und Fig. 4b von der Dorsalseite dargestellte Fall. Hier hat sich ein Arm unmittelbar an der Scheibe ab- gelöst, vielleicht ist er auch durch irgend einen Unfall abgetrennt worden, und aus der WundfNläche sind drei neue Arme (4a. 1, 2, 3) geknospt, welche den alten Stern zu einem siebenarmigen ergänzen. Zwei davon sind noch unter sich etwas enger verbunden, als dies sonst der Fall zu sein pflegt. Ausserdem aber sprosste noch aus der Rückenfläche des Muttersterns eine selbstständige kleine vierarmige Knospe hervor (4b, kn), so dass wir hier wieder ein Beispiel und, wie uns scheint, ein ganz besonders prägnantes, eines aus zwei mit einander verbundenen Sternen bestehenden Stockes vor uns haben.

Nun wird man uns wohl einwenden, es sei diese Knospenbildung eine rein patho- logische Erscheinung und bei der enormen Seltenheit solcher Fälle die abgebildeten sind die einzigen, die wir nach Durchforschung von zweitausend oder mehr Linckien erbeutet haben ohne jegliche Bedeutung. Das erste geben wir gerne zu. Gewiss ist die Erscheinung eine abnorme; aber, da eine scharfe Grenze zwischen Pathologie und Variabilität nicht gezogen werden kann (Darwin, Virchow), scheint uns die Bedeutung doch keine ganz unwesentliche zu sein. Setzen wir den Fall, es vererbe sich die Tendenz zur Stockbildung, so könnten sich aus solitären Asteriden schliesslich mehr oder minder complicierte Thierstöcke entwickeln. Es lässt sich sogar denken, dass man bei noch sorg- fältigerer Nachforschung Exemplare von Linckia wird finden können, die an jedem Arm einen neuen Stern getrieben haben und somit weit verzweigte Thiernetze darstellen.

Wir konnten in der Literatur keinen sicheren Fall von Seestern-Doppelbildungen finden; eine Notiz über einen solchen in Schleiden: Das Meer (pag. 264) scheint ein Missverständniss zu sein. Es wird dort die Beobachtung Dalyell’s erzählt, nach welcher ein junger Seestern den alten Strahl abgeworfen hat, und beigefügt, an dessen Stelle sei ein ganzer neuer Seestern geknospt. In Klammern steht dabei Rymer Jones. Wir haben aber weder in Dalyell’s noch in Jones’s Werken das geringste hierauf bezügliche ent- decken können. Schon v. Martens hat diesen Satz auf einen Irrthum zurückgeführt.

Wohl aber fehlt es nicht an Notizen über Bifurcation einzelner Arme. Diese An- gaben sind aber dermaassen zerstreut, sehr oft blos den Diagnosen neuer Arten beigefügt, dass uns wahrscheinlich manche entgangen sind. Die älteste Abbildung eines Seesterns mit einem gegabelten Arn findet sich, so weit uns bekannt, in Linck’s (7) Werke de stellis marınıs 1733 (Taf. 40, Nr. 70). Es ist eine fünfarmige Asterias, deren einer Strahl schon in der Nähe der Scheibe sich in zweie gabelt, wobei sich die Ambulacralfurche ebenfalls in zwei Aeste theilt. Als rarissima anomalia schildert Albertus Seba (15). 1761.10 seinem Thesaurus (tom. 3, Taf. 8, Nr. 9) wieder einen Stern mit einem gegabelten Arme ab. Walch (17) eitiert 1774 in seimer Abhandlung von der Reproduction der Seesterne

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eine Beobachtung des Pastors Hemmen zu Hittfeld über einen in dessen Sammlung be- findlichen Seestern, welcher einen der Länge herab getheilten Strahl hatte, so dass der

Arm in zwei Aeste auseinanderging.

Giebel (3) legt 1862 einen Asteracanthion rubens mit einem Gabelarm dem naturwissenschaftlichen Verein in Halle vor; Gray (4) erwähnt 1866 von Nardoa Agassizii „a monstrosity with one ray bifid“ und verweist dabei auf Linck; Lütken (9) ferner berichtet. ınan finde manchmal bei verschiedenen Asteriden (z. B. Oreaster gigas, Astropecten auran- tiacus) in Form eines Y gegabelte Arme; sie seien, sagt er, Brüchen zuzuschreiben wie die doppelten Schwänze der Eidechsen. „Lorsque la bifurcation a lieu pres de orieine du bras, on croirait presque avoir affaire & un animal & deux bouches. Je connais des exemplaires de ce genre d’un petit Asterina de l’ile Maurice et du Linckia multifora.* Dieser letztere Fall Lütken’s entspricht offenbar dem in unserer Figur 2 dargestellten.

1875 bildet G. O. Sars (13) einen Gabelarm von Brisinga ab und bemerkt, die Ambulacralfurche theile sich in ganz gleicher Weise wie bei einem Pentacrinus oder Ante- don, auch das Ambulacralskelet scheine ähnlich verändert zu sein. Perrier (12) erwähnt 1876 einen solchen Fall von Luidia maculata, Giard (2) 1877 dasselbe wieder von Astera- canthion rubens, und 1884 zeigte Viguier (16) die Photographie einer Asterias Species mit bifurkiertem Arm der Akademie zu Paris vor.

Eine ganze Reihe von Beispielen publicierte 1885 de Loriol(8). Erstlich finden wir bei ihm wieder eine abnorme Linckia multifora und zwar eine solche, bei der zwei von ihren fünf Armen gegabelt erscheinen; dann erwähnt er Armbifurcation von Sceytaster vario- latus (2 Fälle), Astropecten Hemprichii (1) und Archaster angulatus (3 Fälle, worunter wieder ein Stern mit zwei Gabelarmen).

Im Berliner Museum befinden sich Exemplare mit getheilten Strahlen von Astro-

pecten aurantiacus und Echinaster sepositus.

Eine merkwürdige Missbildung beschrieb neuerdings W. A. Herdman (6). Er fand ein Exemplar von Porania pulvillus Gray, bei welchem einer der kurzen Arme etwa 1 cm von seinem Ende deutlich bifurkiert war. Die Ambulacralfurche theilte sich eben- falls in zwei Aeste, von denen einer dem einen Gabelarm ohne weitere Complication ent- lang lief; der andere Ast der Furche hingegen spaltete sich auf’s neue 2 mm von der ersten Gabelung entfernt. Die beiden neuen Aeste vereinigten sich 3 mm weiter wiederum, auf diese Weise ein kleines Stück gewöhnlichen Integumentes zwischen sich einschliessend. Endlich theilte sich diese Ambulacralfurche zum dritten Male ganz am Ende des Strahles. So erfolgten drei Gabelungen der Ambulacralrinne in einem Raume von nicht mehr als l cm in Länge. Herdman bemerkt dazu sehr richtig: „As there are no signs of injury or disease on the specimen, the abnormal condition seems to have been caused by a tendency to dichotomous division like that seen in the rays of Crinoids and of the Astro-

phytidae.*

18

Einen weiteren sehr sonderbaren Fall von gegabelten Strahlen theilte uns Herr Prof. von Martens freundlichst mit. Derselbe besitzt ein Exemplar von Linck’s See- sternbuch, welches früher Hofrath Tilesius in Leipzig gehört hatte. Dieser pflegte die weissen Blätter und Ränder mit mancherlei Notizen und Zeichnungen zu füllen. Unter anderem findet sich darın ein Seestern abgemalt, wahrscheinlich eine Asterias-Art, dessen sämmtliche fünf Arme gegabelt sind und zwar alle auf vollkommen regelmässige Weise. Dabei steht: „Asterias polydactyla spuria, in Brasilien und Chiloe zu Hause, s. Poeppig’s Sammlung, naturf. Gesell- schaft.“ Der nebenstehende Holzschnitt giebt das seltsame Bild in halber Grösse wieder: die Ambula- cralfüsschen haben wir nur an einem Arme ange- deutet. Wir hatten gehofft, das Exemplar möchte sich noch in Leipzig befinden; aber Herr Geheimrath Leuckart theilte uns auf unsere Anfrage freundlichst

mit, dass ın seiner Sammlung nichts dergleichen ent-

halten sei. Es bleibt daher die Frage offen, ob vielleicht Der Seestern des Tilesius. Tılesiuns nach einem einzelnen gegabelten Arm das

ganze Thier sich in dieser Weise reconstruiert habe.

Mag es sich nun damit verhalten, wie es will, so zeigen doch die anderen ange-

führten Fälle auf’s deutlichste, dass Dichotomie der Arme bei Seesternen eine durchaus nicht ungewöhnliche Erscheinung ist. In vielen Fällen wird die Gabelung auf eine seit- liche Verletzung eines Strahles zurückzuführen sein, in anderen aber, so z. B. bei dem von Herdman beschriebenen Sterne und den Exemplaren, welche mehrere gegabelte Arme besitzen, scheint eine eewisse inhärente dichotomische Tendenz zum Ausdruck zu kommen. Wenn wir uns erinnern, dass wir unter den Ophiuren solche mit ganzen und solche mit getheilten Armen kennen, so legt dies den Gedanken nahe, dass vielleicht auch bei den Seesternen einmal die dichotomische Tendenz sich vererben und zur Bildung von Asteriden mit Gabelarmen führen könnte. Es wären dann alle diese uns jetzt als pathologisch er- scheinenden Bildungen gewissermaassen als Versuche der Natur anzusehen, neue Formen

zu gestalten.

6.

Literaturverzeichniss.

. Dalyell, Sir J. Graham, The Powers of the Creator,

Bd. 1, London, 1851.

. Giard, Alfr., Sur certaines monstruositös de l’Asteracan-

thion rubens, Comptes rendus, Bd. 85, 1877.

. Giebel, C., Monströse Seesterne, Correspondenzblatt des

naturwissenschaftl. Vereines für die Provinz Sachsen und Thüringen in Halle, Nov. Dec. 1862. Nr. XI, XII.

. Gray, John Ed., Synopsis of the species of Starfish in

the British Museum, 1866.

. Haeckel, E., Die Kometenform der Seesterne und der

Generationswechsel der Echinodermen, Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 30, Suppl., 1878.

Herdman, W.A., An abnormal starfish, Nature, Bd. 34. 1886.

. Linck, J. H., De stellis marinis, Lipsiae, 1733.

8. Loriol, P. de, Catalogue raisonn& des Echinodermes rec.

par M. V. de Robillard & Vile Maurice, II Stellerides, Mömoires de la Sociöt€ de Physique et d’histoire nat. de Geneve, Bd. 29, Nr. 4, 1885.

9. Lütken, Chr., Description de quelques Ophiurides nouveaux

10.

13:

. Viguier, C.,

ou peu connus avec quelques remarques sur la division spontane chez les Rayonnes, Oversigt over det kongelige Danske Videnskabernes Selskabs Forhandlinger, 1872,

Martens, E. von, Ueber ostasiatische Echinodermen, Arch. f. Naturg., 32. Jahrg. 1 Bd., 1866.

Martens, E. von, Ueber das Wiedererzeugungsvermögen bei Seesternen, Sitzungs-Ber. d. Ges. naturf. Freunde zu Berlin, 1884.

. Perrier, Ed., Rövision des Stellerides du Museum, Arch.

Zool. exp. et gen., (1), Bd. 5, 1876.

. Sars, @. 0., Researches on the structure and affınity of

the genus Brisinga, Uhristiania, 1875. Schleiden, M. J., Das Meer, Berlin, 1867.

. Seba, A., Thesaurus, Bd. 3, Amsterdam, 1761.

’«s Constitution de Echinodermes, Comptes rend.

Bd. 98, 1884.

. Walch, J. E. J., Abhandlung von der Reproduktion der

Seesterne, der Naturforscher, viertes’ Stück, Halle, 1774.

Tafel IX.

LINCKIA MULTIFORA Lam.

Exemplare mit Gabelarmen und knospenbildende Sterne (page. 73 ff.).

In, kleine aus dem Rücken des Muttersterns hervorgesprosste vierarmige Seesternknospe.

SARASIN Ceylon,Bd ı . Taf...

Mützel del. Te

VON VORLIEGENDEM WERKE IST BEREITS ERSCHIENEN:

ERSTER BAND.

ERSTES HEFT. DIE AUGEN UND DAS INTEGUMENT DER DIADEMATIDEN. UEBER ZWEI PARASITISCHE SCHNECKEN.

——— 4IT FÜNF TAFELN. PREIS 14 MARK, ————

ZWEITER BAND.

ERSTES HEFT.

ZUR ENTWICKLUNGSGESCHICHTE UND ANATOMIE DER CEYLONESISCHEN BLINDWÜHLE ICHTHYOPHIS &LUTINOSUS.

ERSTER THEIL: EINLEITUNG, DAS EI, BEFRUCHTUNG UND BRUTPFLEGE, ENTWICKLUNG DER KÖRPERFORM, HISTORISCHES, SYSTEMATISCHES UND VERGLEICHENDES.

—— m MIT FÜNF TAFELN. PREIS 14 MARK. ———

ZWEITES HEFT.

ZUR ENTWICKLUNGSGESCHICHTE UND ANATOMIE DER CEYLONESISCHEN BLINDWÜHLE ICHTHYOPHIS GLUTINOSUS.

ZWEITER THEIL: DIE SEITENORGANE DER LARVE, DIE LETZTEN ENDIGUNGEN DER BLUTCAPILLAREN IN DEN INTER- CELLULARRÄUMEN DER EPIDERMIS, BECHERZELLEN UND CUTICULARBORSTEN, KÖRPERRINGEL UND SCHUPPEN, BAU UND ENTWICKLUNG DER CUTISDRÜSEN.

——— MIT SECHS TAFELN. PREIS 14 MARK. Z——

C. W. KREIDEL’S VERLAG IN WIESBADEN.

Königl. Universitätsdruckerei von H. Stürtz (vorm. Thein), Würzburg.

ERGEBNISSE

NATURWISSENSCHAFTLICHER

FORSCHUNGEN

AUF

CEYLON

IN DEN JAHREN 1884-1886

VON

Dr. PAUL SARASIN vw Dr. FRITZ SARASIN.

ERSTER BAND.

DRITTES HEFT.

Ueber die Anatomie der Echinothuriden und die Phylogenie der Eehinodermen.

MIT ACHT TAFELN.

WIESBADEN. KREIDEL’S VERLAG. 1888.

er WW:

UEBER DIE

ANATOMIE DER ECHINOTHURIDEN

UND DIE

PHYLOGENIE DER ECHINODERMEN.

EINLEITUNG.

Die kurze Zeit von vier Monaten, welche wir an der Nordostküste Ceylons am Hafen von Trincomali verbrachten, um uns dem Studium der Meeresfauna zu widmen, hatte sich fruchtbarer ausgewiesen, als wir von vornherein hatten erwarten dürfen. Höchst unsicher über etwaige Erfolge und nur mit dem vagen Vorhaben, uns an der Entwickelungs- geschichte der Lingula anatina zu versuchen, hatten wir uns entschlossen, unser Labora- torıum von den Bergen im Innern Ceylons nach der Meeresküste zu versetzen. Wir waren so glücklich, gleich eine geräumige, nicht weit von der See gelegene Wohnung zu finden, in der wir unsere Instrumente und die kleine Bibliothek, welche wir mit uns führten, bequem ausbreiten konnten. Um das Unternehmen gleich in Fluss zu bringen, nahmen wir drei Leute in täglichen Dienst, von denen zwei gewöhnliche Fischer und der dritte ein Taucher war; es war ein langer, schwarzer Kerl, der während der Perlensaison an den Austerbänken westlich von Ceylon Beschäftigung fand und nun eben ohne Arbeit war.

Auf diese Weise Hoss uns bald ein reiches Material zu. Von der kaum in Angriff genommenen Entwickelungsgeschichte der Lingula zog uns die Entdeckung des lebhaften Sehvermögens und der über den ganzen Körper ausgesäten blauen Augenflecke von Diadema setosum ab; dann fielen uns die parasitischen Schnecken in die Hände, und während wir noch mit denselben beschäftigt waren, trugen uns unsere Leute, schön isoliert in einem Glase, das merkwürdige Geschöpf zu, dessen naturgetreue Abbildung wir auf Tafel X unsern Lesern vorführen. Das Bild ist von demselben Sinehalesen de Alwis angefertigt worden, welcher auch die auf Tafel I dieses Bandes dargestellte Astropyga Freudenbergi gemalt hat. Das Thier machte anfangs auf uns einen wunderlichen Eindruck; wir erstaunten über seine Schönheit; aber da es ziemlich Nach war und eine weiche Haut besass, wussten wir im ersten Momente nicht recht, was wir vor uns hatten, bis wir denn bald merkten, dass uns von den Fischerleuten ein Echinothuride in tadelloser Erhaltung und von be- sonderer Farbenpracht zugetragen worden war. Das Thier war über und über von kleinen Stacheln bedeckt, welche durch den Besitz einer weichen, mantelartigen Hülle von roth-

brauner Farbe kolbenförmig erschienen und sich in wunausgesetzter Bewegung befanden, 11F

84

so dass die Oberfläche des Seeigels sich etwa wie ein vom Winde bewegtes Aehrenfeld ausnahm. Der rothbraune Ton der Stachelhüllen war der vorherrschende, und aus diesem leuchteten fünf Meridiane durch himmelblaue Farbe hervor, welche dadurch erzeugt ward, dass dieselben mit kleinen, wie blauer Atlas glänzenden, auf feinen Stielen sitzenden Köpf- chen besät waren. Ausserdem waren die am äusseren Umfang (Ambitus) des Thieres be- findlichen rothbraunen Stacheln mit violetten Spitzen geschmückt (vergl. Abbildung Taf. X unten). Die Ambulacralfüsschen waren durchscheinend und bräunlich, die Haut der Körper- oberfläche zwischen den Stacheln dunkelbraun, mit schwarzen Pünktchen besät.

Bei der Beurtheilung des von unserem Singhalesen gemalten Bildes bitten wir nicht zu sehr ins einzelne gehen zu wollen; die Maasse der Ambulacral- und Interam- bulacralfelder sind nicht ganz correct, die zwei zu einem Ambulacralfeld gehörigen Füss- chenreihen sind zu weit von einander entfernt und so noch manches andere; auch ver- stand unser Maler nicht recht, seinen Gegenstand körperlich darzustellen, ein Mangel, der auch der Astropyga auf Tafel I anhaftet. Immerhin ist für den Gesammteindruck Natur- wahrheit erreicht worden, und es ist das Bild vielleicht um so wıllkommener, als noch kein Echinothuride in seinem Farbenschmucke zur Darstellung kam.

Als wir das Thier angreifen wollten, warnten uns die Leute eindringlich; sie sagten, es schmerze heftig und mache Fieber; der Taucher, der es gefunden, habe es nicht an- gefasst, sondern mit einer Cocosnussschale aus der Tiefe geholt. So berührten wir es vorsichtig mit der Fingerspitze, fühlten aber sofort sehr heftig brennenden Schmerz, wie von mehreren Immenstichen, der sich aber nach einigen Minuten ohne weitere Folgen wieder verlor. Was es damit für eine Bewandtniss hat, werden wir weiter unten im fünften Abschnitte zeigen.

Wir erfuhren nun von unsern Leuten, dass das Thier im Hafen keineswegs selten

sei und nicht sehr tief lebe, also jedenfalls noch innerhalb der sechs Faden Linie. Die

Furcht, welche die eingeborenen Fischer davor haben, erklärt es, warum diese Geschöpfe so selten den Sammlern in die Hände fielen; und deshalb steht auch nichts entgegen, zu vermuthen, dass jeder tropische Hafen seinen Echinothuriden berge. Wir trugen auf, uns täglich welche zu bringen, damit unserm Maler der Vorrath an lebenden Thieren nicht ausgehe, und wir wurden beständig ım Ueberflusse versorgt. Als wir eines Tages mit sehr primitivem Schleppnetz ım Hafen dredgten, zogen wir ein Exemplar herauf, das freilich durch den mitgekommenen Sand arg geschädigt war; um so schöner leuchtete dasjenige, welches der Taucher vor unsern Augen ın einer Cocosnussschale vom Boden des Meeres heraufbrachte.

Selbstverständlich erweckte das Thier unser grösstes Interesse, und wir traten an eine genauere anatomische Untersuchung, deren Resultate wir im Folgenden vorlegen wollen. Leider besteht dieselbe jedoch nur aus einzelnen Stücken, da wir bei dem Reich- thum an auftauchenden Fragen und Gesichtspunkten bald einsahen, dass wir uns be-

schränken mussten.

Hier sei eine physiologisch merkwürdige Beobachtung eingeschaltet. Wenn wir dem lebenden Thiere ein Stück des Perisoms entnahmen und dasselbe in reinem Seewasser isolierten, so lebte es mehrere Tage lang, wie ähnliches auch von anderen Echinoideen bekannt wurde; die Stacheln bewegten sich beständig nach allen Seiten, und sobald man sie berührte, richteten sich alle nach dem Gegenstande; andrerseits starb das Thier selbst, dessen Haut wir geschädigt hatten, viel früher, als das ıhm geraubte Stück gänzlich ab, indem die blaue Farbe sich verlor, die Stacheln lahm herunterhiengen und auch auf Reize nicht mehr antworteten. Der frühe Tod derselben wurde wahrscheinlich durch die Zersetzung der eher als die Haut absterbenden Eingeweide herbeigeführt. Dreht man ein lebendes Astheno- soma um, so dass es auf dem Rücken liegt, dann ordnen sich die langen, weissen Stacheln seiner Kriechlläche in eigenthümlicher Weise. Alle legen sich in eine Richtung, sagen wir nach hinten, wodurch es geschieht, dass die vor der Mundöffnung befindlichen Stacheln längs einer geraden Linie sich scheiteln. So macht dann das Thier einen ähnlichen Ein- druck wie ein Spatangide.

Der Gegenstand ist es wohl werth, dass wir uns mit der diesbezüglichen Literatur eingehender beschäftigen; doch soll hier zunächst nur das allgemeinste herangezogen werden; bei den verschiedenen Capiteln wird dann das einzelne zur Sprache kommen.

Wir sehen nicht ohne Verwunderung, wie nahe S. P. Woodward (13) im Jahre 15863 dem Verständniss eines thierischen Wesens kam, von welchem ihm nur einige dürftige, wenig zusammenhängende Schalenplatten aus der Kreide vorlagen, und von dem dazumal lebende Repräsentanten unbekannt waren. Er kam zu dem Resultate, dass das Thier ein in verticaler Richtung zusammengedrückter Seeigel war, dessen aus dachziegelartig sich deckenden Schuppen bestehender Panzer einen geringen Grad von Biegsamkeit besass. Das Thier war mit Stacheln von dreierlei Art bedeckt, von denen zwei Sorten sehr klein und eine derber war. Die Biegsamkeit der Schale erinnerte ıhn an die Holothurien, und ‚deshalb nannte er das Fossil Echinothuria floris; er merkte jedoch vorsichtig an, dass diese Aehnlichkeit wohl nur eine äussere sei. Er fügte bei, dass er die frühere Existenz eines Geschöpfes erwiesen habe, dessen vollständige Kunde für immer unbekannt bleiben müsse.

Glücklicherweise erfüllte sich diese Prophezeiung nicht; denn schon fünf Jahre darauf beschrieb Grube (5) einen Seeigel mit biegsamer Schale, welcher ıhm in Spiritus conserviert zugekommen war. Im ersten Augenblicke war unser Autor von der Weichheit des Geschöpfes überrascht; doch beeilte er sich zu sagen, dass die Organısation des Thieres mit derjenigen der andern Echiniden nicht im Widerspruche stehe, da offenbar nur die bindegewebigen Furchen zwischen den Platten hier verbreitert seien. Zwar fiel ihm noch auf, dass die kleinen Stacheln nicht wie bei andern Echinoideen nackt waren, sondern in Hautscheiden steckten; doch war er weit davon entfernt, das Thier zu einer besonderen Gruppe erheben zu wollen; er stellte es in die Nähe von Astropyga, also mit andern Worten zu den Diadematiden und nannte es Asthenosoma varıum. Die Beziehungen

seines Asthenosoma zu der von Woodward beschriebenen Echinothuria blieben ihm un-

bekannt. Die dem Thiere gewidmete Beschreibung fiel äusserst kurz aus; eine Abbildung sab Grube nicht.

Dies wurde jedoch anders, als C. Wyville Thomson die Resultate der in den Jahren 1868, 69 und 70 unternommenen Tiefsee-Untersuchungen des Porcupine und Lightning bekannt machte. Die Schilderung, welche er vom Fange des ersten ihm in das Schlepp- netz gerathenen Echinothuriden giebt, ist anziehend zu lesen. Wir finden sie in seinem Werke: The depths of the sea (11) 1873, nachdem er schon in einem Vorberichte (10) über die in Rede stehenden Thiere gehandelt hatte. Der zuerst gefischte Echinothuride war scharlachroth, und er bewegte seine lederartige Schale in merkwürdigen Wellen. Thomson nannte ihn Calveria hystrix. Eine nah verwandte Form erhob er als Phor- mosoma zu besonderer Gattung, da bei derselben nicht wie bei Calveria Hautzwischen- räume zwischen den Platten zu sehen waren, obschon die Schale biegsam war. Er widmete diesen Echinoideen eine eingehende anatomische Bearbeitung, welche er 1874 (12) ver- öffentlichte, und welche zusammen mit seinen früheren Bemerkungen das Fundament unserer Kenntnisse von der merkwürdigen Gruppe der Echinothuriden bilden.

Schon 1872 constatierte A. Agassız in seiner Revision (1), dass Thomson’s Gattung Calveria mit dem von Grube beschriebenen Asthenosoma zu vereinigen sei, so dass von nun an unter den lebenden Echinothuriden die beiden Gattungen Asthenosoma und Phormosoma unterschieden wurden. Fossil wurde ausser Echinothuria aus der Kreide ein neuer Echinothuride aus dem Coralrag unter dem Namen Pelanechinus durch W. Keeping (6) 1875 bekannt, dessen Angaben Groom (4) 1887 bestätigte und weiter ausführte.

Eine erheblich grosse Zahl von neuen Echinothuridenarten beschrieb A. Agassız (2) im Jahre 1881 aus der Sammlung des Challenger; die Gattungen zu vermehren ergab sich jedoch keine Veranlassung.

Im selben Jahre veröffentlichte Ludwig (5) eine Abhandlung über das Perisom von Asthenosoma varıum, welche, obgleich unter schwierigsten Umständen unternommen, doch durch seltene Genauigkeit der Beobachtung sich auszeichnet.

1883 bearbeitete Agassız die Echinothuriden des Blake (3), 1886 erschien ein Vorbericht von uns selbst (9) über das von uns aufgefundene Asthenosoma.

Bevor wir an das einzelne herantreten, wollen wir ein paar kurze Bemerkungen über die von uns aufgestellte Species Asthenosoma urens einfügen. In unserem Vor- berichte sagten wir, „dass, wenn in den uns hier (in Ceylon) nicht zugänglichen Agassız- schen Werken unser Echinothurid nicht beschrieben sein sollte, wir für dasselbe den Namen Uyanosoma urens vorschlagen würden.“ Wir erfuhren aber, dass dieser Name nıcht haltbar sei. Unser Thier ist ein Asthenosoma, dem von Agassız als Asthenosoma Grubei be- schriebenen sehr nahe verwandt.

Wir wissen nicht, warum es A. Agassız seinen Lesern so sehr sauer gemacht

hat, sich in seinen Challenger Echiniden zurechtzufinden. Um einen Echinothuriden daraus

57

zu bestimmen, ist es nöthig, die bei den einzelnen Arten gemachten Angaben sorgfältig zu analysieren, unter Rubriken zu ordnen und dann die Bestimmung zu versuchen. Dies war in dem fundamentalen Werke, der Revision of the Echini, anders. Dazu kommt noch in den Echiniden des Challenger der weitere Uebelstand, dass die auf einzelne Species bezüglichen Abbildungen aus vielen Tafeln zusammengesucht werden müssen. Beispiels- weise wird der Leser allein für Phormosoma tenue auf vierzehn Tafeln hinverwiesen. Weiter scheint uns die gewählte Nomenclatur unpraktisch, da ın derselben der erste Buchstabe des Alphabets eine so erdrückende Rolle spielt, und da in verschiedenen Bezeichnungen immer dieselben Worte wiederkehren; zum Beispiel: Apicalsystem, Analsystem, Abactinal- pol, Abactinallläche, Actinalfläche, Actinalmembran, Actinostom, Actinalöffnung, Actinalcuts, Abactinalsystem, Actinalsystem, Ambitus, Ambulacralarea, Interambulacralarea

Es wäre aber vollkommen irrthümlich, aus diesen paar Ausstellungen zu schliessen, dass wir die ausserordentliche Bedeutung der Agassız’schen Werke unterschätzten: ent- halten sie doch eine unendliche Fülle von neuen Thatsachen, und zeugen sie doch von unermüdlicher Beobachtungskraft.

Der Durchmesser von Asthenosoma Grubei A. Ag. beträgt gegen 180 mm, Asthenosoma urens übertraf kaum 125 mm, obschon wir viele Exemplare hatten. Dann sind die grössten weissen Stacheln bei A. urens von zweierlei Art; diejenigen der Unterseite haben ein trichterförmig erweitertes Ende, während jene am Ambitus scharf zugespitzt und länger sind (vergl. Tab. X und Tab. XI Fig. 9a). Diese tragen von der dunkelgebänderten Stelle weg bis nach der Spitze hin Dornen, welche nach der letzteren, also gegen aussen ge- richtet sind (Fig. 9b). Diese Stachelsorte fehlt A. Grubei, wie die Abbildungen von Agassiz erweisen, und an ihrer Existenz wird man sofort A. urens erkennen. Ob bei A. Grubei die blauen Giftköpfchen in derselben Ausbildung und derselben strassenartigen Vertheilung auf fünf Meridiane sich vorfinden, muss noch fraglich bleiben; aus der Be- schreibung und den Abbildungen bei Agassız geht dies nicht hervor (vergl. Challenger, tab. 15, Fig. 2). Der Madreporit ist bei A. Grubei äusserst prominent, bei A. urens fällt er keineswegs besonders auf. Die Zahl der Plattenreihen des Mundfeldes steigt bei A. Grubei auf zwölf, wie aus der Tafel 17 bei Agassız hervorgeht; an ausgewachsenen Exemplaren von A. urens fanden wir stets neun. Beiden Species gemeinsam ist, dass

sje in wenig tiefem Wasser leben; es sind litorale Arten.

I. EINIGE BEMERKUNGEN ÜBER DAS SKELET.

HIERZU TAFEL XI & TAFEL XI, FIGG. 13—18.

1. Corona. Das Perisom von Asthenosoma urens zeichnet sich im Verein mit dem von A. Grubei vor den andern Echinothuriden durch besonders starke Entwicklung der nackten, zwischen den Platten befindlichen Bindegewebsinterstitien aus, wodurch der Schale ein grosser Grad von Biegsamkeit zukommt. Die für die Echinothuriden charak- teristische dachziegelartige Deckung der einzelnen Platten, die hinfort so zu nennende Imbrication verläuft wie bekannt in den Ambulacralfeldern in umgekehrter Richtung als in den Interambulacralreihen.

Die ambulacralen Primärplatten unseres Asthenosoma verschmelzen nicht mit ein- ander zu Grossplatten; jedes Ambulacralporenpaar hat vielmehr seine eigene Platte, und diese bleibt von den andern isoliert; stellenweise mag Verschmelzung eintreten, Regel aber ist das nicht. Das Verhältniss der Porenplatten des Ambulacralsystems sehen wir in Fig. 2 (Tafel XI) von der äussern, Figur 3 von der innern Seite. Die nackte Haut zwischen den Platten ist dunkel gehalten. Wir nehmen schon an diesen Figuren wahr, dass von je drei Porenplatten (a,, a, und a,) eine sich nach der Mitte des Ambulacralfeldes verlängerte und dort sich ausbreitete, um einem grösseren oder mehreren. kleineren Stacheln zum Träger zu dienen (Figg. 2 und 3, a,). Von der Innenseite (Fig. 3) sieht man, dass sich die Platten an dieser Stelle gegenseitig übereinanderschieben.

Die Vermehrung der Ambulacralplatten während des Wachsthums geschieht, wie man schon längst weiss, am Apicalpol; wir können also erwarten, an jener Stelle ein embryonales Verhältniss zu finden; denn es ist ja bei andern Thierclassen bekannt geworden, dass ım Falle von Wachsthum oder Knospung oder Regeneration die Gewebe in gleicher Folge und gleicher gegenseitiger Lage sich bilden, wie im Embryo. In Figur 18 (Tab. XI) haben wir eine Ocellarplatte o und auf diese folgend die beiden ersten Interambulacral- platten JA, welche gegenseitig über das Ambulacralfeld hinüber sich Aeste zugesandt haben, die zu einer Brücke (br) verschmolzen sind. Halbmondförmig von ihnen eingefasst sehen wir den Knospungspol des Ambulacralfeldes. Die verschiedenen Porenplättchen ent-

stehen successive eines nach dem andern, sind ganz zu Anfang alle gleich gross, und die

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beiden Reihen des Ambulacralfeldes liegen dicht an eimander; sie lassen erst secundär einen Raum zwischen sich; dieser wird ausgefüllt, indem stets die dritte Porenplatte einen Fortsatz nach der Medianlinie schickt, der dann mit dem der Platte der andern Reihe alterniert (Fig. 18, a,; die Bezeichnung ist hier dieselbe wie auf Figg. 2 und 3). Diese Fortsätze verbreitern sich zu Stachelträgern. Würde von den zuerst gleich gross gebildeten Plättchen keines einen Fortsatz nach der Medianlinie des Ambulacralfeldes ausschicken, und würden sie sich dann durch irgend eine Ursache tangential gegen einander verschieben, so bekämen wir ein Verhältniss, welches dem von Melonites unter den Perischoechiniden nahe käme; und umgekehrt, würde ein jedes dieser Plättchen und nicht stets je das dritte sich nach der Medianlinie verbreitern, so erhielten wir ein Bild, wie es dauernd Archaeoci- darıs, Palaechinus u. a. besassen; oder würden, was ın unserm Fall ganz oben am Ursprung des Ambulacralfeldes zu Tage tritt und welches das embryonale Verhältniss von Asthenosoma zu sein scheint, die Plättchen sich in gleichmässiger Reihe ordnen, und in- dem sie sich tangential nur wenig verbreitern, ihren Ambulacralporus im Centrum behalten, so erhielten wir ein Verhältniss, wie es dauernd Lepidocentrus besass. Die gegenseitige Verschiebung der Porenplättchen ın tangentialer Richtung ist, wie wir aus der Figur 18 ersehen, eine secundäre Anordnung. Das Verhältniss von Lepidocentrus dürfte dem ur- sprünglichen der Echinothuriden sehr nahe gestanden haben.

Existiert am Wachsthumspol des Ambulacralfeldes ein embryonales Verhältniss, so müssen wir bei irgend einem Echinus mit fester Schale dasselbe erwarten. Zu diesem Behufe copieren wir das Bild, welches Loven in seinen Studien (7) auf Seite 69 vom Ambulacralpol des Echinus esculentus giebt.

Wir sehen hier, was sehr merkwürdig ist, dass die jüngsten Plätt- & , chen imbricieren, und zwar geschieht dies von oben nach unten, also m & le der gleichen Richtung, wie wir es an den Ambulacralplatten der erwachsenen a Echinothuriden beobachten, wenn wir dieselben von aussen betrachten. Ueber 110

diesen letzteren Punkt weiter unten ein mehreres. Ambulacralpol von

Echinus esculentus L. nach 8. Loven.

Dem Peristomrand der Corona sitzen die Aurikeln auf (Fig. 3 zeigt bei aurb die verbreiterte Fläche, auf welcher sie sich erheben). Sie bestehen aus zwei leicht sich trennenden Hälften (Figur 10a aur, getrennt gezeichnet, Trennungsfläche beit), deren jede zum Theil einer Ambulacralplatte (amb), zum Theil der wulstig verdickten an- liegenden Interambulacralplatte aufsitzt. Diese ist in Figur 8a von innen mit der nächst auf sie folgenden und mit ihr verschmolzenen Interambulacralplatte gezeichnet. (Figur Sb ‚dasselbe Stück von aussen; vergl. ferner Fig. 2, aur JA.) In Figur 10b sind die Am- bulacralplatten, welchen die Aurikelstücke zum Theile aufruhen, von unten, resp. von ihrer Aussenseite gezeichnet. Die Aurikelstücke (Fig. 10a) stehen der Grenzlinie des Inter- ambulacral- und Ambulacralfeldes auf, und jeder Ast derselben zeigt eine interambulacrale und eine ambulacrale Verlöthungsfläche (Fig. 10a, vi und va). Die Verlöthungsstelle der

Interambulacralplatte mit dem Aurikelast ist in Fig. Sa, vi gezeichnet.

SARASIN, Ceylon I. 12

9

2. Mundfeld. Das Mundfeld der Echinothuriden ist ganz gleich wie dasjenige der Cidariden von fünf Doppelreihen winkelförmig gebogener, imbricierender Platten bedeckt, deren jede von einem Ambulacralfüsschen durchbohrt ist (Fig. 2). Die einzelnen Platten nehmen sich von aussen einfacher aus, als von innen, wo sie sich stark verbreitern, so dass die Innenseite zur Aussenseite sich ähnlich wie bei den Platten der Corona verhält (Fig. 3). In Fig. 6a sind die Plättchen isoliert und von aussen gezeichnet, ın Fig. 6b die zwei der Mundöffnung zunächst liegenden von innen, um die Art des Durchtritts der Ambulacralfüsschen zu zeigen. Im Gegensatz zu der Corona sind die Poren nicht doppelt, sondern einfach. An der äussersten Mundplatte und an der nächst liegenden Porenplatte der Corona ist der zweite Porus des Füsschens nur spurweise wahrnehmbar (Fig. 5). Jede einzelne Platte sowohl der Mundhaut als der Corona ıst zusammengesetzt aus einzelnen Kalk- sittern, welche wie die Blätter eines Buches aufeinander gelegt und secundär verlöthet sind, wie ın Figur 4 angedeutet ist. In Figur 11 sieht man zwei solche Platten von der Fläche; die senkrecht sie verlöthenden Kalkpfeiler (kpf) sind dunkel gehalten. Je mehr die Kalk- gitter mit dem Wachsthum in Folge von Anlagerung neuer Gitter in’s Innere der sich bildenden Platte zu liegen kommen, um so feiner werden ihre Maschen, was einerseits durch Verdickung der Kalkstücke, andrerseits dadurch geschieht, dass Fortsätze entstehen, welche die Maschen halbieren (Fig. 12).

Das Perisom unseres Seeigels besteht, soweit es die Kalkplatten in sıch einschliesst, aus Bindegewebe, in welchem die Harttheile in schräger Richtung von aussen nach innen entstanden sind. Diese Richtung ist merkwürdiger Weise ın den Ambulacralfeldern eine umgekehrte, als ın den Interambulacralfeldern. Das primäre dieser Anordnung ist natür- lich im Bindegewebe zu suchen.

In der Haut, welche die einzelnen Platten verbindet, sind stets zarte Gitter ein- gelagert, die, je näher sie dem Centrum je einer Platte liegen, um so dichtmaschiger werden; deshalb ist eine Echinothuridenplatte, welche man isoliert hat, nie von reinen Umrissen.

Die winkelförmig gebogenen Platten auf der Mundhaut der Echinothuriden sind blos ambulacraler Natur: die Interambulacralia der Mundhaut der Cidariden fehlen den Echinothuriden, wie Ludwig (8) constatierte. Die von uns im Zoologischen Anzeiger 1886 ausgedrückte Vermuthung, dass die Mundhautplatten der Echinothuriden aus je einem Interambulacral- und einem Ambnlacralstück zusammengesetzt sein könnten, ist nicht zu halten; die eigenthümliche Form der Platten beruht auf secundärer seitlicher Verbreiterung.

Die Zahl der Platten in einer Reihe ist bei ausgewachsenen Exemplaren keine beliebige; wir fanden stets neun, und auch Ludwig zeichnet ebensoviele von Asthenosoma varıuım. Von A. Grubei jedoch hat, wie schon oben hervorgehoben wurde, Agassiz zwölf abgebildet.

Das Interambulacralfeld der Mundhaut, an dessen äusserem Rande die Kiemen

stehen (Fig. 2 und 3, k), wird von den seitlichen Fortsätzen der Ambulacralplatten nicht

ai

ganz und gar überdeckt; es bleibt ein enger, gegen den Mund führender Streifen und ein grösseres Dreieck von ihnen frei; wir wollen letzteres das Kiemenfeld nennen (kf). Dieses ist von zarten Kalkplättchen bedeckt, welche sich gegenseitig überschuppen und sich secundär gebildet haben (Fig. 7). Bei den Cidariden ist es von Täfelchen bekleidet,

welche die gleiche Dicke haben wie diejenigen der ambulacralen Reihen.

3. Apicalpol. Die rudimentäre Bepanzerung, wie sie bei Asthenosoma urens uns entgegentritt, ist besonders auffallend am Apicalpol, worauf wir nunmehr hinweisen möchten. In den Figuren 16 und 17 (Tafel XH) sind zwei solche Pole nach durchsichtig gemachten Objecten genau nach der Natur dargestellt; Fig. 17 gehört einem etwas jüngern Exemplar von 90 mm, Fig. 16 einem vollgewachsenen von 125 mm Durchmesser an. Mit gelb ist die nackte Haut bezeichnet, blau sind die Kalkplatten gehalten. Auf Fig. 16 sind durch dunkelblaue Punkte die Miliaertuberkeln angemerkt; diese fehlen in der Regel den Genital- und Ocellarplatten. Schwarz gehalten ist das den Kalkplatten eingelagerte Pigment, womit Figur 13 zu vergleichen ist. In Fig. 17 sind Tuberkeln und Pigment

weggelassen.

Die Afteröffnung ist central, was natürlich nicht mathematisch zu nehmen ist, und um dieselbe liegen in concentrischen Kreisen Kalkplättchen, welche, je weiter sie nach aussen liegen, um so grösser sind. Der äusserste Ring ist von zehn Stücken gebildet, von denen fünf die Genital- und fünf die Ocellarplatten sind. Jede ist von der andern durch nackte Haut getrennt; sie ordnen sich in einen einzigen Kreis wie etwa bei

Palaechinus oder Melonites.

Weiter ıst zu bemerken, dass die Genitalplatten nicht vom Genitalporus durch- bohrt sind, ein Verhältniss, welches uns aus später zu erörternden Gründen besonders wichtig erscheint. Wir haben in Figur 14 eine Genitalplatte mit dem aussen von ihr liegenden Genitalporus (gp) gezeichnet; in Figur 13 dieselbe mit dem an den Platten selbst haftenden Pigmente; die nackte Haut ist gelb gehalten. In Figur 15 ist der Madre- porit mit dem zugehörigen Porus genitalis gezeichnet; alle Bilder sind dem in Fig. 16 dargestellten Pol entnommen. Wir sehen, dass die Genitalplatte ein selbständiges Gebilde vorstellt, während der Genitalporus sich im Centrum einer Haut öffnet, auf welcher in concentrischen Kreisen um die Oeffnung Platten entstanden sind, ganz so, wie es oben

vom Afterfelde beschrieben wurde; die äussersten Platten sind die grössten.

Analog verhalten sich die Ocellarplatten. Zunächst ist hervorzuheben, dass sie von nahezu derselben Grösse sind wie die Genitalplatten (cf. Figg. 16 und 17); dann wird der sogenannte Ocellartentakel, dessen regelmässige Träger sie bei andern Echinoideen sind, nicht stets von ihnen umschlossen, sondern derselbe erhebt sich zuweilen ausserhalb von ihnen, wie Fig. 18 bei ot zeigt. Die Platte schickt Fortsätze aus, den Tentakel zu umschliessen (vergl. z. B. Fig. 16, o), was sie auch an ausgewachsenen Exemplaren an

den meisten Stellen erreicht (z. B. Figur 16, o,). 12*

92

Das Getrenntsein des Genitalporus von der Genitalplatte kommt jedenfalls auch andern Echinothuriden zu, obschon es nie beschrieben wurde. So vermuthen wir es bei A. Grubei, wie aus den Agassız’schen Figuren 2 und 3 auf Tafel 17 ım Challenger unzweideutig hervorgeht, und so ıst es wohl noch bei andern. Ebenso sicher aber ist, dass wiederum bei manchen Arten der Plattengürtel um den Genitalporus sich geschlossen hat und mit der anliegenden Genitalplatte zu einer Grossplatte verschmolzen ist; so bei allen Phormosomen, bei denen die Plattenausbildung viel weiter geführt ward, als bei Asthenosoma; dann aber auch bei dem von Ludwig so sorgfältig beschriebenen Asthenosoma varıum.

Dr. Döderlein hatte die grosse Freundlichkeit, ein solches uns zur Ansicht zu

schicken, und wir können Ludwig’s Angaben durchaus bestätigen.

Literaturverzeichniss.

Zu Abschnitt 1.

1. Agassiz, A., Revision of the Echini, 1872. 8. Ludwig, H., Ueber Asthenosoma varium Grube und über

2. Agassiz, A., Report on the Echinoidea, Challenger, 3, ein neues Organ bei den Cidariden, Zeitschrift f. wiss. 1881. Zool. 34, 1880.

3. Agassiz, A., Report on the Echini, Results of dredging 9. Sarasin, F.& P., Ueber einen Lederigel aus dem Hafen by the U. S. coast survey steamer „Blake“, Memoirs von Trineomali und seinen Giftapparat, Zool. Anz., 1886. of the Museum of comparative zoology at Harvard 10. Thomson, ©. W., Notice of a new family of the Echino- college, 10, 1883. dermata (Echinothuridae), Proc. Roy. Soc. Edinb., 7,

4. Groom, T. T., On some new features in Pelanechinus 1872. corallinus, Quart. Journ. Geol. Soc. Lond., 43, 1887. 11. Thomson, ©. W., The depths of the sea, London, 1873.

5. Grube, Ueber Asthenosoma varıum, 45. Jahresbericht d. 12. Thomson, C.W., On the Echinoidea of the „Porceupine“ Schles. Ges. f. vaterl. Cultur, Breslau, 1868. deep-sea dredging-expeditions, Philos. Trans. R. S. Lond.,

6. Keeping, W., On Pelanechinus, a new genus of Seaurchin, 164, 1874. from the Coral Rag, Ann. & Mag. nat. hist., (5), 2, 15. Woodward, 8. P., On Echinothvria floris, a new & ano- 1878. | malous Echinoderm from the chalk of Kent, The Geo-

7. Loven, 8., Etudes sur les Echinoidöes, 1874. logist, Lond., 1863.

——— re

II. DIE LÄNGSMUSKELN,

HIERZU TAFEL XII, FIGG. 19—24 & TAFEL XI.

Als Wyville Thomson (16) während der Tiefseedurchforschung, die er auf dem „Porcupine“ ausführte, ein unversehrtes Exemplar von Asthenosoma hystrix heraufzog, sah er merkwürdige wurmartige Bewegungen über die Schale dieses weichen Seeigels hin- laufen, und dieselbe Beobachtung wurde später von Agassız (1) bestätigt; doch blieb der Grund dieser Beweglichkeit den beiden Forschern verborgen.

Beim Oeffnen eines unserer Asthenosomen waren wir höchst überrascht, fünf Paare mächtig entwickelter Längsmuskeln zu finden, die an den Grenzen der Ambulacren und Interambulacren verliefen. Nach Wegpräparieren der Eingeweide erhält man ein Bild, wie es unsere Figur 25 auf Tafel XII in natürlicher Grösse wiedergiebt.

Die Muskeln erscheinen als breite halbmondförmige Blätter, welche aus zahlreichen einzelnen Bündeln bestehen. Die Bündel entspringen von den äussersten Enden der Am- bulacralplatten und zwar so, dass von einer einzelnen Platte bald eines, bald auch mehrere ihren Ursprung nehmen. Die einzelnen Stränge (mb) verlaufen in radıärer Richtung und vereinigen sich sämmtlich in einem halbmondförmigen Centrum tendineum (ct), welches die Mitte des inneren Randes jedes Muskelblattes einnimmt. Trotz dieser Vertheilung der Bündel bezeichnen wir die Muskelblätter als Längsmuskeln, weil ihre Wirkung sicherlich diejenige einer Längsmusculatur ist, d. h. eine Depression des Körpers bewirkt und wir glauben, dass die radiäre Anordnung der einzelnen Stränge nur durch die Form des See- igelkörpers mechanisch bedingt ist.

Die Farbe der Muskelbündel ist dieselbe bräunlich durchscheinende, wie sie auch die Muskeln der Laterne besitzen, während die centrale Sehne ein weissliches und elän- zendes Aussehen hat. Die obersten Muskelstränge inserieren sich an den Ocellarplatten, die untersten, welche zugleich die längsten sind, an der aboralen Fläche der Aurikeln (au). Die einzelnen Bündel tauschen öfters Faserstränge unter sich aus, so dass stellenweise complicierte Muskelnetze entstehen können (Taf. XII, 19, 22, 23 und XIII, 26).

Solche verästelte Muskeln kennt man bereits von anderen Körperstellen der Echino-

dermen, so aus den Ampullen der Ambulacralfüsschen der Seeigel (Valentin, 17, Leydig, 8,

94

Hamann, 5, u. A.), den Eingeweiden der Synapta (Leydig, 7) etc.; doch scheint in den angeführten Fällen meistens die einzelne Muskelfaser selbst sich zu verzweigen, während das Trabeculargewebe der Echinothuridenmuskeln dadurch entsteht, dass die Muskelbündel sich gegenseitig Faserstränge zusenden. Die verschiedenen Muskelbündel eines Blattes werden überdies durch eine feine, oft gefensterte Bindegewebsmembran zu einem Ganzen verbunden.

Während, wie oben gesagt, die untersten Bündel jedes Muskelblattes an die aboralen Aurikellächen sich inserieren, entspringen vom adoralen Aurikelrande als Fortsetzung des Hauptmuskels noch weitere feine Muskelstränge, welche in die Mundhaut hineinziehen und sich dort in der Mittellinie der winklig gebogenen Skeletstücke anheften (Fig. 25, mmb). Wir wollen diese Muskeln als motores membranae buccalıs von den musculi motores coronae unterscheiden.

Die Fasern, welche die beschriebenen Muskeln zusammensetzen, sind glatter Natur; wenigstens konnten wir an unserem conservierten Material keine Querstreifung wahrnehmen. Fertiet man durch ein einzelnes Muskelbündel einen Querschnitt an, so erhält man das Bild der Figur 20. Man sieht, dass das Bündel von einer bindegewebigen Haut (bdem) umschlossen ist und dass von dieser aus zahlreiche Septen ausgehen, durch welche eine grosse Zahl von kleineren Räumen begrenzt wird. In diesen Kästchen stehen, wie die bei stärkerer Vergrösserung gezeichnete Figur 21 zeigt, die einzelnen Fasern (mf) mehr oder weniger regelmässig den Wänden anliegend geordnet, so dass in ihrer Mitte stets ein kleiner Canal freibleibt, welcher vielleicht der die Muskeln ernährenden Flüssigkeit zur Circulation dient. Dieselbe Anordnung der Fasern beschreiben Jourdan (6) und Hamann (4) von den Längsmuskeln der Holothurien, und ähnliches erwähnte früher Teuscher (15) von den Muskeln der Asteriden.

Wo die Muskelfasern in die centrale Sehne (ct) übergehen (Fig. 19), ändert sich plötzlich ihr Charakter; sie verlieren die bräunliche, der Musculatur eigenthümliche Farbe und nehmen mehr das Aussehen von Bindesubstanzelementen an: die Fasern der einzelnen Bündel strahlen fächerförmig auseinander und verfilzen sich vielfach gegenseitig, so dass dadurch eine sicherlich ausserordentlich resistente Membran entsteht. Es ist wohl mög- lich, dass die einzelnen Muskelelemente dabei selber noch weiter zerfasern, da sie sich leicht in Längshibrillen zerlegen lassen. Sowohl in den Muskelbündeln, als in der Sehnen- haut trifft man Häufchen braungelber Pigmentkörner zerstreut an.

In der Nähe ihres Ansatzes an den Ambulacralplatten schwellen die Muskelbündel zuweilen zu kleinen Muskelbäuchen an, wie dies Fig. 23 (mbb) zeigt, und zwar scheint diese Anschwellung auf einer Verdickung der einzelnen Fasern zu beruhen. Die Muskel- bäuche heften sich nicht direct, sondern durch Vermittlung von Bindegewebszügen (bdg) an die Schalenplatten an.

Durch die fünf ambulacralen Muskelpaare wird der peripherische Theil der Leibes-

höhle in zehn Kästchen geschieden, fünf engere ambulacrale (Fig. 25 amk) und fünf breitere

95

interambulacrale (iamk); in letzteren entwickeln sich mächtig die Geschlechtsdrüsen, in die ersteren kommt ausser dem ambulacralen Nerven und den ihn begleitenden Gefässen (ag) noch ein besonderes Organ zu liegen, das wir im nächsten Abschnitte zu behandeln haben werden.

Die Muskelblätter dienen neben ihrer Function als Motoren der beweglichen Schale auch als Suspensorien des Darmcanals. Wenn man das Thier von der Mundseite betrachtet, nachdem es ın der Loven’schen Orientierung mit der Madreporenplatte im linken vorderen Interradius hingelegt worden ist, so läuft die erste, dem Beschauer zunächst liegende Darmwindung in der Richtung des Uhrzeigers, also von links nach rechts (conf. Ludwig, 10) und die zweite umgekehrt wie der Uhrzeiger von rechts nach links. Die erste dieser beiden Windungen ist es, welche sich der Muskelblätter als Mesenterien bedient, und zwar zieht sie an je einem Muskel eines ambulacralen Muskelpaares gegen den Analpol hin, um am anderen Muskelband desselben Paares wieder oralwärts zu wandern, auf diese Weise fünf elegante Festons bildend. Wo sie in der Nähe der Aurikeln das Interambu- lacrum durchzieht, um von einem Ambulacrum zum nächsten zu gelangen, wird sie durch ein aus Bindegewebsfasern bestehendes Mesenterium gehalten. Die zweite umgekehrt wie der Uhrzeiger verlaufende Darmwindung geht keine Verbindung mit den Längsmuskeln ein,

sondern besitzt durchweg eigene bindegewebige Aufhängebänder.

Unsere Figur 26 zeigt ein quer durchschnittenes Asthenosoma; links ım Bilde sieht man an einem Muskelblatte (Im) befestigt einen Theil der ersten Darmwindung (d,) vom Analpol oralwärts ziehen, dann von einem bindegewebigen Mesenterium (im,) gehalten das Interambulacrum quer passieren, um an den nächsten Ambulacralmuskeln wieder die oben beschriebene Wellentour auszuführen, worauf sie aufs neue ein Interambulacrum durchquert und rechts im Bilde wieder einem Muskelblatte (Im) folgend analwärts steigt. Ferner sieht man oben ın der Mitte des Bildes die zweite dunkler gefärbte Darmwindung (d,) an Bindegewebsbündeln (am,) aufgehängt das Ambulacrum passieren, die erste (untere) Darmwindung hier theilweise bedeckend, um dann in jedem Interambulacralraum eine mit ihrem Fundus oralwärts gerichtete Schlinge zu bilden, welche auf unserer Figur dem Be-

schauer durch die untere Darmwindung (d,) entzogen wird.

Die Seltenheit der Echinothuriden lässt es begreiflich erscheinen, dass bisher von der Anatomie nur weniges bekannt geworden ist. Ein durch die Dredge stark ver- letztes und aufgerissenes Exemplar von Calveria fenestrata wurde von Wyville Thom- son (16) benützt, um einen Einblick in den Bau dieser Thiere zu gewinnen. Dabei sah er die Längsmuskeln, er hielt sie jedoch für fibröse Fascien und konnte ihnen somit keinen besonderen Werth beimessen. Ihre Anordnung erinnerte ihn an die Vertheilung der Kalk- platten und Trabekeln bei den Clypeastern. Aus den schönen Abbildungen, die Wyville Thomson giebt, geht aber zur Genüge hervor, dass seine Fascien unseren Muskelblättern

entsprechen. Agassiz (1) gab in den Echiniden des Challenger einige anatomische Bilder

96

von Echinothuriden, und aus seiner Beschreibung der Mesenterien lässt sich schliessen, dass auch den Phormosomen die Muskeln zukommen dürften.

Da wir somit annehmen können, dass alle lebenden Echinothuriden mit Längs- muskeln ausgestattet sind, dürfen wir den weiteren Schluss ziehen, dass dieselben auch den Palaeechiniden, welche schuppenartig sich deckende Platten besassen, nicht gefehlt haben werden. Die hartschaligen regulären Seeigel dagegen haben diese Musculatur voll- ständig verloren; ihr starrer Körper gestattet keine Beweglichkeit mehr. Dennoch lassen sich auch bei ihnen noch Spuren der alten Muskelanordnung der Echinothuriden erkennen und zwar in der Vertheilung der Mesenterien des Darmcanals.

Wir haben oben gesehen, dass bei Asthenosoma die sogenannte erste Darmwindung in jedem Ambulacrum an den Muskeln auf- und absteigend eine Wellentour ausführt; bei den übrigen regulären Seeigeln bildet der Darm genau dieselben Schlingen. So zeigt z.B. unsere Figur 24 ein ambulacrales Feston der ersten Darmwindung von Diadema setosum Gray. Ganz gleich wie bei Asthenosoma an den Grenzen der ambulacralen und inter- ambulacralen Gebiete je eine Reihe radiär gestellter Muskelbündel verläuft, sieht man hier an derselben Stelle radiäre Bindegewebsbündel reihenweise von der Schale ausgehen und die Darmschlinge tragen, so dass man sich nicht des Eindrucks erwehren kann, als seien diese Bindegewebsstränge als die Reste der früheren Musculatur anzusehen, deren Lage sıe jetzt einnehmen. Es wäre daher auch nicht unmöglich, dass man bei sehr jungen Thieren, bevor die Schale zu einem harten Panzer erstarrt ist, noch Muskelfasern in diesen Zügen finden könnte. Jedenfalls lässt sich bei dieser Betrachtungsweise die so sehr räthsel- hafte Anordnung der Darmmesenterien der hartschaligen regulären Seeigel besser verstehen, als dies sonst der Fall sein würde. Bei manchen Formen, die den Echinothuriden nicht mehr so nahe wie die Diadematiden verwandt sind, können die sonst streng ambulacralen Reihen von Bindegewebsbündeln etwas in die Interambulacren hinübergreifen.

Von Längsmuskeln ist bisher bei den Seeigeln nichts bekannt gewesen. Ver- geblich hatte Ludwig (9) an zwei Stellen darnach gesucht, wo schuppenartige Ueber- einanderlagerung der Platten das Vorhandensein von Musculatur hätten erwarten lassen, nämlich einmal ım Peristom der Cidariden und zweitens an einer bestimmten Anzahl von Platten in den paarigen Interambulacren der Spatangiden. In beiden Fällen fand sich keine Spur von Muskeln zwischen den Platten vor, und Ludwig (9) zog daraus den damals berechtigten Schluss, dass wohl auch bei Asthenosoma und überhaupt allen jenen lebenden und fossilen Seeigeln, bei welchen man, sei es im ganzen Perisom oder auch nur an einem Theile desselben schuppenförmige Uebereinanderlagerung der Platten beobachtet habe, eine Körpermusculatur fehlen werde und man daher bei all diesen Formen blos von Biegsamkeit und nicht von Beweglichkeit des Körpers werde zu sprechen haben. Diese Folgerung hat sich, wie wir jetzt wissen, nicht bewahrheitet.

Dagegen gelang es Ludwig bei den Spatangen Spuren einer Ringmusculatur zu

entdecken, von der wir bei Asthenosoma nichts haben erkennen können. Ludwig fand,

97

dass im hinteren unpaaren Interradius diejenigen Platten, welche unmittelbar über dem Periproct gelegen sind, da, wo sie in der Medianlinie des Interradius von rechts und links zusammenstossen, einen Muskelapparat besitzen; es ist dies ein aus quer zur Verbindungs- linie der beiden interradialen Plattenreihen gerichteten Fasern bestehender Streifen von

etwa 1 mm Breite.

Ludwig verglich und gewiss mit grossem Recht diesen Streifen querer Fasern mit der Ringmusculatur der Holothurien, und so lassen sich auch ohne weiteres unsere oben beschriebenen Längsmuskeln der Echimothuriden auf diejenigen der Holothurien be- ziehen. ' Die Holothurien besitzen bekanntlich innen von der Ringmusculatur fünf radıal gelegene Längsmuskeln, welche bei den meisten Synaptiden einfache Bänder darstellen, an denen blos zuweilen durch Bindegewebe eine Trennung in zwei Hälften angedeutet er- scheint, die aber bei der Mehrzahl der dendrochiroten und allen aspidochiroten Holothurien je aus zwei völlig von einander getrennten Muskeln bestehen, so dass man dann von fünf

Längsmuskelpaaren zu sprechen hat.

Zwischen den beiden Muskeln eines Paares verlaufen der ambulacrale Nerv und die ihn begleitenden Gefässe. Ganz dasselbe haben wır bei Asthenosoma; nur sind hier die beiden Muskeln eines Paares durch die starke Entwicklung der ambulacralen Skelet- platten weit auseinander gedrängt worden. Die Beziehungen zu den oben angeführten

Organen sind aber dieselben geblieben.

Der Schlundtheil des Holothuriendarmes wird bekanntlich von einem meist aus zehn Stücken bestehenden Kalkrıng umgeben, an dessen radial gelegenen Theilen sich bei vielen Formen die vorderen Enden der Längsmuskeln inserieren. Complicierter wird das Verhältniss bei den dendrochiroten Holothurien und einigen Molpadien (Semper, 14), indem sich bei diesen schon in einiger Entfernung vom Kalkring besondere Bündel von den Längsmuskeln abspalten, welche die Leibeshöhle durchsetzen und sich an die Radıialstücke anheften. Es sind dies die sogenannten Retractoren des Schlundkopfes. Nach Abgabe der Retractoren verlaufen die Längsmuskeln noch bis an’s Vorderende des Körpers, aber ohne sich am Kalkring zu inserieren; sie sind dann meistens viel schwächer als die Rückziehmuskeln, die sich von

ihnen abgespaltet haben.

Ein ganz ähnliches Verhältniss haben wir auch bei Asthenosoma; hier sahen wir die Längsmuskeln an die aborale Seite der Aurikeln sich inserieren und von den adoralen Aurikellächen die Muskeln der Buccalmembran entspringen. Ausser diesen letzteren gehen aber von derselben Fläche fünf Paare starker, schief abwärts an die Laterne laufender Retractoren aus (auf Figur 25, mr, sind sie in die Höhe geschlagen, damit die darunter liegenden Muskeln der Mundhaut nicht verdeckt werden). Wir glauben, dass man diese zehn Retractoren als Abspaltungen von den Längsmuskeln betrachten und somit den von den Längsmuskeln gewisser Holothurien sich abzweigenden Rückziehmuskeln des Schlund-

kopfes gleichsetzen darf.

SARASIN, Ceylon I. 13

Damit würde auch die alte, namentlich von Joh. Müller (11) vertretene Ansicht wieder zu Recht bestehen, nach welcher der Kalkring der Holothurien gewissen Theilen der Seeigellaterne gleichzusetzen wäre, wogegen Baur (2) und später Semper (14) den Kalkring nur dem den Mund umgebenden Theil der Seeigelschale, woran die Aurikeln sitzen, homologisierten. (Siehe über diese Punkte auch die Angaben von Semon, 13). Wenn unsere Vergleichung der Körperlängsmuskeln von Asthenosoma mit denen der Holothurien und diejenige der von den Aurikeln entspringenden Laternenretractoren der Seeigel mit den Schlundkopfrückziehmuskeln der letzteren richtig ist, so kann der Kalkring der Holo- thurien nicht den Aurikeln, sondern nur gewissen Stücken der Laterne gleichgesetzt werden, während wir die Stelle der Aurikeln bei den Holothurien dort zu suchen hätten, wo die Retractoren von den Hauptmuskeln sich abspalten.

Die bei den Seeigeln zwischen den Aurikeln entspringenden Vorstossmuskeln der Laterne werden wohl als neuer Erwerb dieser Gruppe aufzufassen sein.

Die Rückziehmuskeln der Laterne bleiben auch bei den hartschaligen Seeigeln erhalten, bei welchen, wie wir oben sahen, die Längsmuskeln selbst, durch Erstarrung des Panzers unmöglich gemacht verschwanden und nur noch durch Reihen von Bindegewebs- bündeln angedeutet erscheinen.

Ganz dasselbe Verhältniss finden wir im Kreise der dendrochiroten Holothurien wieder. Bei vielen Vertretern dieser Gruppe, namentlich aus den Familien Ocnus, Colo- chirus, Echinocucumis und Thyone, ist die Haut durch mächtige Entwicklung von Kalk- platten starr geworden (Semper), so dass der Gestaltveränderung nur äusserst wenig Spiel- raum übrig blieb, und Hand in Hand damit verkümmerte die Musculatur. Die bei den weichen Formen so kräftigen Längsmuskeln werden rudimentär, ja verschwinden schliess- lich fast ganz, während die Retractoren des Schlundkopfes erhalten bleiben. Die Ueber- einstimmung mit den Seeigeln ist also in diesem Punkte eine vollkommene.

Die Cloake der Holothurien wird an der Körperwand durch radiäre Faserbündel befestigt, welche nach Semper aus Bindegewebe bestehen, welchem Muskelfasern beige- mischt sind. Diese Stränge finden sich, so glauben wir, auch bei den Seeigeln noch an- gedeutet. Man weiss, dass der Enddarm der Seeigel vor seinem Durchtritt durch den Analpol von radıär gestellten Faserbündeln an der Schale befestigt wird. Diese Bündel scheinen nach der Angabe der meisten Autoren und auch nach unseren eigenen Unter- suchungen an Asthenosoma blos bindegewebiger Natur zu sein. Indessen sind auch bei See- igeln schon Muskelfasern aus der Nähe des Afters beschrieben worden, so von Duncan (3) bei Temnopleurus und früher sogar quergestreifte von Valentin (17), der sie motores ani nannte.

So weist die Anordnung der Musculatur mächtig auf eine nahe Blutsverwandtschaft der Seeigel mit den Holothurien hin. Spuren der Ringmuscularis hat Ludwig bei den Spatangen nachgewiesen, wir selbst die Längsmuskeln in gewaltiger Entfaltung bei den weichen Echinothuriden, und selbst die Kloakenbündel der Holothurien scheinen beim See-

igel noch angedeutet zu sein.

[o\ 1

. Hamann, 0O., Beiträge zur Histologie der Echinodermen

Literaturverzeiehniss.

Zu Abschnitt 2.

. Agassiz, A., Report on the Echinoidea dredged by H.M.S.

Challenger during the years 1873—76, Zoology, Bd. 3, 188i.

. Baur, A., Beiträge zur Naturgeschichte der Synapta digi-

tata. Erste Abhandlung: Zur Anatomie der Synapta

digitata, Dresden, 1864.

. Duncan, P. M., On some points in the anatomy of the

Temnopleuridae, Ann. and Mag. of Nat. History, (6), Bd. 1, 1888. I die Holothurien (Pedata) und das Nervensystem der

Asteriden, Zeitschr. f. wissensch. Zool., Bd. 39, 1883.

. Hamann, 0., Beiträge zur Histologie der Echinodermen,

Jenaische Zeitschr. f. Naturw., Bd. 21, 1887.

. Jourdan, Et., Recherches sur l’histologie des Holothuries,

Ann. du musee d’Hist. Nat. de Marseille, Zoologie, Bd. 1, 1883.

. Leydig, F., Anatomische Notizen über Synapta digitata,

Müller’s Archiv, 1852.

. Leydig, F., Kleinere Mittheilungen zur thierischen Ge-

weblehre, Müller’s Archiv, 1854.

| |

9.

10.

16.

17.

Ludwig, H., Ueber bewegliche Schalenplatten bei Echi- noideen, Zeitschr. f. wissensch. Zool., Bd. 29, 1877.

Ludwig, H., Ueber den primären Steincanal der Crinoideen, nebst vergleichend-anatom. Bemerkungen über die Echino-

dermen überhaupt, Zeitschr. f. wissensch. Zool., Bd.34, 1880.

. Müller, Joh., Ueber den Bauder Echinodermen, Berlin, 1854. . Sarasin, P. & F., Die Längsmuskeln und die Stewart’-

schen Organe der Echinothuriden, Zool. Anz., 1888.

. Semon, R., Beiträge zur Naturgeschichte der Synaptiden

des Mittelmeeres, II, Mittheil. aus d. zool. Station zu Neapel, Bd. 7, 1887.

. Semper, €., Reisen im Archipel der Philippinen, 2. Theil,

Bd. 1, Holothurien, Wiesbaden, 1868.

. Teuscher, R., Beiträge zur Anatomie der Echinodermen,

Jenaische Zeitschr. t. Naturw., Bd. 10, 1876. Thomson, ©. Wyville, On the Echinoidea of the „Poreu- pine“ Deep-sea Dredging-Expeditions, Philos. Transact. of the Roy. Soc. of London, Bd. 164, 1874. Valentin, @&., Anatomie du genre Echinus, 1841, in Louis Agassiz, Monographies d’Echinodermes vivans et fossiles,

Neuchätel.

13*

II DIE STEWART'SCHEN ORGANE,

HIERZU TAFEL XIV.

Wenn man ein frisch gefangenes Asthenosoma öffnet, so fallen ausser den oben beschriebenen zehn Muskelblättern fünf Organe ganz besonders auf, welche als mächtige, mit Flüssigkeit prall gefüllte Blasen von der Laterne ausgehen. Bei der Aufbewahrung ın Alcohol fallen sie zusammen; wenn man indessen ein conserviertes Exemplar, nachdem es geöffnet, ın Wasser überführt, so schwellen die Blasen wieder zu ihrer ursprünglichen Grösse an, und ein solches rasch aufgeschnittenes und aus dem Spiritus in Wasser ge-

brachtes Thier hat uns Maler Mützel mit gewohnter Kunst in natürlicher Grösse gezeichnet

(Taf. XIV).

Die fünf Organe (sto) entspringen unterhalb der radial gelegenen Compassstücke (ec)

der Laterne, sie sind Aussackungen der das Kaugerüst umkleidenden Membran und erreichen

eine Länge von 5—6 cm bei nahezu 1 cm Durchmesser. Die Blasen laufen in einen dünneren, etwas mehr als Il cm langen schwanzartigen Zipfel (z) aus; eine derselben zeigt

auf unserem Bilde nahe ihrem Ende (bei e) eine Einschnürung.

Die Wandung der Blasen besteht aus einer feinen Bindegewebshaut, in welcher leicht wellig verlaufende Längsfasern vorherrschen, während Querfasern viel spärlicher sind. Kalkspicula fehlen darin vollkommen, dagegen finden sich Häufchen braungelber Pigment- körner allenthalben zerstreut vor; dass Epithelien die Membran beiderseits bekleiden, ist selbstverständlich. Seitliche Divertikel besitzen unsere Organe keine, sie bleiben in ihrem ganzen Verlaufe einfache glattwandige Blasen. An den mit Spiritus conservierten Exem- plaren trifft man häufig in den fünf Organen ein gelblich weisses Coagulum an, in welchem man noch dieselben mit glänzenden Körnern beladenen Zellen unterscheiden kann, wie

sie auch in der Leibeshöhlenflüssiekeit und anderwärts vorkommen.

Die Membran, welche den Kauapparat umkleidet und unterhalb der Compassstücke

die eben beschriebenen fünf Divertikel treibt, umschliesst, wie es scheint, einen, sowohl

101

von der Leibeshöhle, als von der Aussenwelt völlig isolierten Raum. Wenigstens konnten wir keine Oefinung erkennen, und unsere Injectionen, die wir allerdings nur an conser- vierten Thieren ausführten, drangen ebensowenig in die Leibeshöhle, als nach aussen; es füllten sich vielmehr, wenn man eines der Organe injicierte, blos die übrigen vier Blasen, die Zahnsäcke und sonstigen Räume der Kiefer wnd die längs des Pharynx zwischen dessen Aufhängeblättern befindlichen Canäle.

Wir haben im letzten Capitel geschildert, wie die radialen Muskelblätter, welche die Darmschlingen tragen, kleine ambulacrale Kästchen begrenzen. Auf Figur 26 der Tafel XIII sieht man in der Mitte des Bildes gerade in einen solchen ambulacralen Inter- muscularraum (amk) hinein. Diese Kästchen dienen zur Aufnahme der eben beschriebenen fünf Blasen, welche auf diese Weise zwischen die Darmschlingen und die Körperwand zu liegen kommen. Bei dem Exemplar, welches der Figur 27 zur Vorlage diente, wurde, um die Uebersicht zu erleichtern, der Darmcanal zum grössten Theil entfernt, wodurch drei von den fünf Blasen aus ihren Kästchen befreit wurden und frei im Wasser Nottieren konnten. Wo die Darmschlingen (d, und d,) in der Zeichnung ausgeführt worden sind, sieht man sie, weil beim Oeffnen des Thieres ihre sämmtlichen Aufhängebänder mussten durchschnitten werden, aus ihrer natürlichen Lage herabgefallen, so dass die Blasen weit unter ihnen vortreten.

Die beschriebenen Organe, welche bei Asthenosoma urens und vermuthlich bei allen Echinothuriden zu so gewaltiger Grösse sich entwickelt haben, sind, wenngleich in weit bescheideneren Dimensionen schon bei einer anderen Seeigelgruppe entdeckt worden, nämlich bei den Cidariden. Stewart (7) beschrieb im Jahre 1879 fünf unmittelbar unter den äusseren gegabelten Enden der Compasse hervortretende Divertikel der die Kiefer um- schliessenden Kammer. Bei erwachsenen Dorocidaris papillata A. Ag. sind diese „Kiemen“, wie Stewart die fraglichen Organe nennt, etwa einen halben Zoll lang und graciös auf- wärts gebogen; sie tragen auf ihrer Unterseite eine Doppelreihe secundärer Divertikel, die gegen die Spitze zu an Grösse abnehmen, und ihre sehr zarte Wandung enthält reichliche - Kalkspicula. Auf jeder Seite von der Basis dieser Organe findet sich noch eine weitere

kleine Gruppe von ähnlichen Ausbuchtungen der Laternenhaut vor.

Ludwig (3), der die Gebilde als „radiäre Blindsäcke des Kauapparates“ und die rechts und links von der Basis gelegenen kleineren Säckchen als „Nebenblindsäcke“ be- zeichnete, wies dieselben ausser bei Dorocidaris papillata noch bei Cidaris tribuloides Bl. nach, wo sie bei einem Querdurchmesser des Thieres von 4,5 cm etwa 8 mm Länge er- reichen. Von derselben Species hatte sie früher Agassız (1) in seiner Revision of the Echini in ihrer natürlichen Lage abgebildet, aber dazumal als Darmschlingen bezeichnet (Tafel 28, Fig. 4, i'). Ferner fand sie Ludwig bei Cidaris metularia Bl. und bei Gonio- cidaris canaliculata A. Ag., bei welch letzterer Form Kalkkörper ebenso gänzlich fehlen, wie dies bei Asthenosoma der Fall ist.

102 Prouho (5) schlug für diese Anhänge den Namen „Organes de Stewart“ vor, und wir haben diese Bezeichnung acceptiert, weil wir der Ansicht sind, dass es sich als practisch empfehlen dürfte, ein Organ so lange nach seinem Entdecker zu nennen, bis die Function

völlig klar geworden, und soweit sind wir mit diesen Blasen noch nicht.

Stewart war der Meinung, dass seine Organe die äusseren Kiemen vertreten

sollten, welche bei den Cidariden bekanntlich fehlen; dabei nahm er an, dass wahrschein- lich die Kieferkammer ın der Nähe der Zahnspitzen mit dem umgebenden Medium in Verbindung stehe, dass somit frisches Seewasser eintreten und das Innere der Laternen-

divertikel bespülen könne. Als Stewart seine Arbeit schrieb, waren die äusseren Kiemen

der Echinothuriden noch nicht bekannt Wyville Thomson (8) hatte diese Gruppe für kiemenlos gehalten —, so dass Stewart aus seinen bei den Cidariden gewonnenen

Ergebnissen den Schluss ziehen konnte, es werde Asthenosoma wohl ebenfalls innere Kiemen besitzen. Wie wir jetzt wissen, sind die Stewart’schen Organe in der That bei Astheno- soma vorhanden, aber nicht als Ersatz der äusseren Kiemen, wie Stewart gedacht hatte, sondern zugleich mit diesen; denn äussere Kiemen fehlen, wie Ludwig (3) zuerst erkannte, den Echinothuriden durchaus nicht; sie sind bei unserem Asthenosoma urens sehr leicht zu

sehen. An einen Ersatz der einen Organe durch die anderen kann also nicht gedacht werden.

In der Meinung, dass die Stewart’schen Organe blos den Cidariden eigenthüm- lich seien, hat Bell (2) und später auch Ludwig (4) in seiner Synopsis der Thierkunde die regulären Seeigel in Entobranchiata und Ectobranchiata eingetheilt, wobei die Cidariden mit ihren sogenannten „inneren Kiemen“ allen anderen Regulären gegenübergestellt wurden. Dies kann nun nicht mehr aufrecht erhalten werden, da Asthenosoma urens und somit sehr wahrscheinlich sämmtliche Echinothuriden sowohl die äusseren Kiemen als die Stewart’schen Organe besitzen. Wenn man überhaupt auf das Fehlen der äusseren Kiemen so sehr viel Gewicht legen will, so muss man, wie Ludwig (3) dies früher vor- geschlagen, die Cidariden als Abranchiata von den Kıementrägern trennen, worüber später

noch einige Worte.

Prouho (5) constatierte durch Injectionen und auf anatomischem Wege bei Doro- cidaris papillata eine völlige Trennung des durch die Laternenhaut umschlossenen Peri- pharyngealraumes von der übrigen Leibeshöhle und von der Aussenwelt; ferner giebt er an, dass bei den mit äusseren Kiemen versehenen Seeigeln die Hohlräume derselben nicht, wie man allgemein geglaubt, mit der Leibeshöhle, sondern eben mit diesem Laternenraum in Ver- bindung ständen, dass daher die äusseren Kiemen zur Athmung der in diesem Raume einge- schlossenen Flüssigkeit dienen müssten. Aus diesen beiden Daten zieht er dann den Schluss, dass bei den kiemenlosen Cidariden die in der Laterne enthaltene Flüssigkeit nicht mehr an der Aussenwelt athmen könne, sondern aus der Leibeshöhle auf osmotischem Wege die nöthigen „Athmungsprincipien“ beziehen müsse, und um diesen Zweck zu erreichen, habe

die Laternenmembran die fünf Stewart’schen Organe getrieben.

103

Da nun aber bei Asthenosoma äussere Kiemen und Stewart’sche Organe zugleich vorkommen und letztere überdies trotz der Anwesenheit der ersteren in noch weit gewaltigerem Maasse entwickelt sind, als dies bei den Cidarıden der Fall ist, ein Vertreten der einen durch die anderen also ausgeschlossen erscheint, so fällt diese Hypothese Prouho’s dahin. Wir glauben, dass, bis eine Communication der Stewart’schen Organe mit der Aussenwelt

nachgewiesen ist, der Gedanke an eine Athmungsfunction derselben aufgegeben werden muss.

Die enorme Ausbildung der Stewart’schen Organe bei den weichschalisen und beweglichen Echinothuriden, ferner ihre Lagerung in den durch die Muskeln begrenzten ambulacralen Kästchen legen den Gedanken nahe, dass sie vielleicht einer rein mechani- schen Function dienen könnten. Wır wissen, dass bei der Geschlechtsreife die ın den Interambulacren liegenden Genitalorgane eine ganz kolossale Entfaltung erreichen und nach allen Seiten sich auszudehnen streben, jeden freien Raum für sich in Anspruch nehmend. Nun liesse sich denken, dass durch diesen seitlichen Druck die ambulacralen Muskelblätter in einer Weise aus ihrer senkrechten Längsrichtung verschoben werden könnten, dass ihre Function dadurch wesentlich beeinträchtigt würde, wenn nicht zwischen je einem Paare ein Polster eingeschoben wäre, welches dem seitlichen Druck von den Geschlechtsdrüsen her einen Widerstand entgegenzusetzen vermöchte, und als solche Polster könnten die mit Flüssigkeit prall gefüllten Stewart’schen Blasen wirken. Sie würden in diesem Falle in engstem Zusammenhang mit der Beweglichkeit des Körpers stehen und wären als die Erhalter derselben zur Zeit der Geschlechtsreife zu betrachten. Ueber- dies wäre auch möglich, dass die Stewart’schen Organe ein allzu starkes Einsinken der weichen hückenhaut zu verhindern im Stande sind.

Da wir allen Grund haben, die beweglichen Echinothuriden am tiefsten in der Stufenfolge der lebenden Seeigel zu stellen, so muss man das Auftreten der Stewart/- schen Organe bei den harten muskellosen Cidariden als eine vererbte Eigenthümlichkeit betrachten. Eine Schwierigkeit für diese Ansicht liegt blos darin, dass die bei den Cida- riden in weit kleineren Verhältnissen als bei Asthenosoma auftretenden Stewart’schen Organe doch einen etwas complicierteren Bau besitzen, indem ihre Oberfläche sich durch eine Anzahl secundärer Divertikel vergrössert hat, die bei Asthenosoma urens fehlen. Doch ist es ja ausserordentlich leicht möglich, dass andere Vertreter der Echinothuriden dieselbe Eigenthümlichkeit aufweisen werden.

Ausser bei den Cidariden hat Ludwig (3) noch bei einer Species der den Echino- ‘thuriden nahe stehenden Familie der Diadematiden, nämlich bei Diadema setosum Gray, Spuren dieser Organe wiedergefunden in Form von fünf dünnhäutigen, an derselben Stelle des Kauapparates gelegenen Säckchen. Für die eigentlichen Echiniden gilt die völlige Abwesenheit dieser Organe als charakteristisch (conf. Bell, 2); indessen giebt es doch Formen, die noch Rudimente derselben aufweisen. So fanden wir deutliche Reste dieser Organe bei Toxopneustes pileolus Agass.; sie erscheinen bei diesem prachtvollen Seeigel

‚u

als kleine, ce. 5mm lange Säckchen, an deren Basis zwei noch zartere Nebenblindsäckchen sich angedeutet finden. Merkwürdig ist, dass an den winzigen Stewart’schen Organen von Toxopneustes sich sogar noch ein Rudiment des schwanzförmigen Zipfels zeigt, den wir bei Asthenosoma in so mächtiger Ausbildung angetroffen hatten, ein interessantes Beispiel für die Zähigkeit, mit welcher sich muthmaasslich ganz unwesentliche Eigenthüm-

lichkeiten zuweilen vererben können.

Literaturverzeiehniss.

Zu Abschnitt 3.

1. Agassiz, A., Revision of the Echini, Cambridge, 1872. | 5. Prouho, H., Recherches sur le Dorocidaris papillata etec., 2. Bell, F. Jeffrey, Observations on the characters of the Archives de Zool. exp. et gen., (2), Bd. 5, 1887 —88. Echinoidea, Part IV, the Echinometridae, Proceed. of 6. Sarasin, P. & F., Die Längsmuskeln und die Stewart'- the Zool. Soc. of London, 1881. | schen Organe der Echinothuriden, Zool. Anz., 1888. 3. Ludwig, H., Ueber Asthenosoma varium Grube und über | 7. Stewart, Ch., On certain organs of the Cidaridae, Trans. ein neues Organ bei den Cidariden, Zeitschr. f. wiss. Linn. Soc. London, (2), Zool., Bd. 1, 1879. Zool., Bd. 34, 1880. ' 8. Thomson, Wyville, On the Echinoidea of the „Poreupine“ 4. Ludwig, H., Dr. Joh. Leunis Synopsis der Thierkunde, Deap-sea Dredging-Expeditions, Philos. Transact. of the dritte Auflage, 1886. Roy. Soc. of London, Bd. 164, 1874. |

IV. DIE NIERE.

HIERZU TAFEL XV, XVI & XVII, FIG. 42.

Es ist eine höchst auffallende Erscheinung, dass bei den Seeigeln und überhaupt bei den Echinodermen die Frage so selten aufgeworfen worden ist, ob diese Thiere eine Niere besitzen und, wenn ja, in weichem Organe dieselbe zu suchen sei. Wenn man bedenkt, wie gewaltig bei einem Seeigel zur Zeit der Geschlechtsreife die Genitaldrüsen anschwellen und welch grossen Stoffumsatz dies nothwendig voraussetzt, so wird es ohne weiteres klar, dass ein Organ da sein muss, welches die Endproducte des Stoffwechsels aus dem Blute ausscheidet und nach aussen entleert, dass also eine Niere nicht fehlen kann.

Leydig (23) vermuthete 1857, dass bei Echinus die Ambulacralbläschen die Harn- secretion besorgen möchten, da sie nach dem Typus der contractilen Niere von Mollusken gebaut seien und die in ihren Maschenräumen enthaltenen zelligen Elemente scharfcon- tourierte, an Harnconcremente erinnernde Inhaltskörperchen umschliessen; endlich stimme die Thatsache, dass Wasser-Blut ihr Inneres fülle, mit dem, was von den Mollusken be- kannt sei, überein. Durch den vermutheten Zusammenhang der Wassergefässe mit den Blutcanälen wurde Hoffmann (15) bewogen, dem Wassergefässsystem der Seeigel auch excretorische Functionen zuzuschreiben; dadurch schliesse sich dasselbe höchst wahrschein- lich dem Excretionsorgane der Mollusken und nicht weniger dem der Würmer an. Schon früher hatte Haeckel (11, Bd. 2, LXII) das ambulacrale System der Echinodermen dem excretorischen Apparate der Würmer homologisiert, und von gleichen Gesichtspunkten ge- leitet, sagt Gegenbaur (7) in seinem Grundriss der vergleichenden Anatomie: „Inwiefern ein Excretionsapparat dem Wassergefässsystem zu Grunde liegt, ist bis jetzt nur zu ver- muthen. Jedenfalls bietet die Anordnung desselben im Körper keinen Grund, Forschungen in dieser Richtung für resultatlos zu halten ete.“ Ungefähr um dieselbe Zeit vertrat andererseits Giard (8) die Ansicht, dass die Geschlechtsdrüsen zur Zeit, wenn sie nicht als solche fungieren, die Rolle von Nieren zu spielen haben.

In neuester Zeit endlich hat mit grosser Energie Hartog (14) die excretorische Natur des Wassergefässsystems betont und durch Versuche nachgewiesen, dass die durch

Wimpern bewirkte Stromrichtung in den Canälchen der Madreporenplatte eine aus dem SARASIN, Ceylon I. 14

Be

Körper nach aussen führende sei, wodurch der Ueberschuss des auf osmotischem Wege in den Körper aufgenommenen Wassers mitsammt den Stoffwechselproducten entfernt würde.

Unsere eigenen Untersuchungen haben uns nun in der That dazu geführt, die Niere in einem Organ zu schen, welches mit dem Wassergefässsystem in Verbindung steht und als ein Theil desselben aufgefasst werden kann. Dieses Organ ist das bekannte bräun- liche Gebilde, welches den Steincanal auf seinem Wege vom circumösophagealen Wasser- ring zum Madreporiten begleitet, ein Organ, das seines complicierten Baues halber schon die verschiedensten Deutungen erfahren und mit einer grossen Zahl verschiedener Namen belegt worden ist. Wir versparen die Besprechung der Literatur auf später und gehen gleich zu unseren Ergebnissen über.

Die Niere und der ihr anliegende Steincanal verlaufen bei den mit hochgewölbter starrer Schale versehenen Seeigeln in nahezu senkrechter Richtung von der Laterne zur Madreporenplatte; bei unserem flachen Asthenosoma, wo die weiche Rückenhaut der Laterne beinahe aufliest, beschreiben beide eine Spirale. Bei den meisten Formen beginnt die Niere erst in emiger Entfernung von den periösophagealen Ringcanälen, bei Asthenosoma liegt ıhr unteres Ende denselben eng an (Fig. 32, n), und dasselbe Verhältniss hat Prouho (32) von Dorocidaris beschrieben.

Die Niere wird ın ihrer ganzen Länge von einem centralen Hohlraum durchzogen, welcher in den mittleren Partien des Organs am mächtigsten ist, gegen die beiden Enden zu aber enger und enger wird. In unmittelbarer Nähe der Periösophagealringe endet dieser centrale Hohlraum blind, gegen den Madreporiten hin verengert er sich zu einem immer feiner werdenden Canale, den wir als Ureter bezeichnen wollen. Der Ureter vereinigt sich mit dem Steincanale in einer gemeinschaftlichen, unterhalb der Madreporenplatte ge- legenen Sammelblase, welche wiederum durch einen engeren Gang sich mit dem Raum in Verbindung setzt, in welchen sämmtliche Canälchen der Madreporenplatte zusammen- strömen. Auf diese Weise haben wir also nicht nur eine Communication des Steincanals, sondern auch des Ureters mit der Aussenwelt gegeben.

Perrier (29) ist der erste gewesen, welcher durch Injectionen die Anwesenheit eines Ausführganges seiner „ovoiden Drüse“, unserer Niere, erkannt hat; seine Befunde wurden später durch Köhler (19) bestätigt, aber erst Prouho (32) gelang es, auf ana- tomischem Wege die Verbindung des Steincanals mit einem zweiten Gange nachzuweisen. In einer Arbeit, deren zweiter, unser Organ behandelnder Theil zu einer Zeit erschien, als unser Vorbericht über die Niere der Seeigel (33) bereits im Drucke war, giebt Prouho auf Tafel 20, Figg. 1—8 eine Serie von Schnitten wieder, durch welche die Vereinigung von Steincanal und Drüsenausführgang aufs klarste dargelegt wird.

Wenn wir trotzdem durch die beigefügte Reihe von Abbildungen das Factum der Verbindung unserer Niere mit der Aussenwelt zu erhärten suchen, so haben wır dafür mehrere Gründe. Einmal ist die Art und Weise der Ausmündung bei Asthenosoma nicht ganz dieselbe,

wie sie Prouho für Dorocidaris beschreibt, indem bei letzterem Stein- und Drüsencanal direct

107

S in

a (3,05

109

in eine einzige Oeffnung der Madreporenplatte, gegen welche sämmtliche Wasserporen der- selben convergieren, einmünden, während bei Asthenosoma die beiden Canäle sich vorher in einer Sammelblase vereinigen. Ferner scheint uns der sichere Nachweis eines Aus- führganges für die Auffassung des fraglichen Organs als einer Niere von principiellster Bedeutung zu sein, und endlich ist das Vorhandensein eben dieses Ganges von manchen Forschern stark bezweifelt worden, so von Carpenter (9 und 6) und von Hamann (13), welch letzterer die Existenz eines solchen auf’s bestimmteste in Abrede stellt.

Die zehn nebenstehenden Bilder geben zehn ausgewählte Schnitte einer lücken- losen Serie wieder, welche durch die Madreporenplatte und quer durch das ıhr anliegende obere Nierenende gelegt worden ist. Mit blauer Farbe wurden bezeichnet die Canälchen (mc) der Madreporenplatte, die Sammelblase (sb) und der Steincanal (st), mit brauner der Ureter (ur) und mit rother ein Organ (nn), das wir später besprechen werden und der dasselbe umschliessende Raum (nnr). Auf Fig.2 sehen wir den Steincanal (st) und neben ihm einen weniger regelmässig gestalteten Canal (ur); dies ist der Ureter, welcher, wenn man die Serie weiter gegen die Laterne zu verfolgt, immer grösser und unregelmässiger wird (Fig. 1, ur) und unmerklich in den Hohlraum der Niere selber übergeht. In Fig: 3 erscheint oberhalb der zwei Gänge ein grosser Hohlraum (sb), die Sammelblase, welche auf Fig. 4 noch mächtiger geworden ist und auf Fig. 5 den Steincanal aufnimmt. Im Bilde 6 sieht man auch den Ureter sich der Sammelblase nähern und auf Fig. 7 sich ın dieselbe öffnen. Die Einmündung des Ureters lässt sich eine ganze Reihe von Schnitten hindurch auf’s deutlichste verfolgen. Dann nimmt die Blase an Volum ab und setzt sich in einen engeren Gang (Fig. 8, vbg) fort, welcher sich in derselben Weise durch etwa vierzig Schnitte (siehe z. B. Fig. 9) verfolgen lässt, was einer Länge von c. 1 mm ent- spricht, und endlich in den Raum (Fig. 10, srme) übergeht, in welchen sämmtliche Canäl- chen der Madreporenplatte einmünden; er verbindet also die Sammelblase mit dem Madre- poriten und soll daher Verbindungsgang (vbg) heissen. Hiemit glauben wir deutlich genug gezeigt zu haben, wie sowohl Steincanal, als Ureter mit der Aussenwelt in Ver- bindung stehen und kehren zur Schilderung der Niere zurück.

Wenn man durch die mittlere Partie einer Niere einen Querschnitt legt, so erhält man ein Bild, wie das in Fig. 28 (Taf. XV) gezeichnete ist. Man sieht eine mächtige centrale, höchst unregelmässig gestaltete Höhlung (nh), und um diesen Raum erkennt man grosse, nach der Peripherie hin sich verzweigende Lappen (drl) angeordnet, welche ein drüsiges Aussehen zeigen und sämmtlich einen, oft allerdings nur schwer erkennbaren Hohlraum (drh) besitzen. Alle diese seitlichen Gänge münden, wie die Untersuchung auf einander folgender Schnitte sofort lehrt, in den centralen Hohlraum ein, indem auch die scheinbar isolierten Drüsenlappen, wie unsere Fig. 28 einige zeigt (dıli), doch auf den nächsten Schnitten mit dem Hauptraume sich in Verbindung setzen. Alle diese Drüsen- schläuche sind in einer bindegewebigen Grundsubstanz (bdg) eingebettet, heben sich aber

von derselben ziemlich scharf ab, indem in ihrer Umgebung die Bindegewebsfasern in

110 dichteren Zügen als sonstwo angeordnet sind, so dass die Contouren der Lappen schon bei schwächster Vergrösserung in die Augen springen.

Untersucht man die Drüsenlappen mit stärkeren Linsen (Figg. 35 und 36), so er- kennt man, dass sie grosse blasige Elemente enthalten, welche nur selten einschichtig angeordnet stehen (z.B. in Fig. 29, nz und stellenweise in Fig. 35), sondern in der Regel mehrfache Lagen bilden. Die Blasen enthalten einen bald mehr central gelegenen, bald an die Wand gerückten Kern, welcher von etwas feinem, meist zarte Fortsätze nach ver- schiedenen Seiten aussendendem Protoplasma umgeben ist. Diese Elemente erinnern, be- sonders wenn der Kern und das Protoplasma eine wandständige Lage angenommen haben, auffallend an die Nierenzellen der Heliceen, wo wir ebenfalls grosse helle Blasen mit meist wandständigem Kerne finden. Zum Vergleich verweisen wir auf die in unserer Arbeit über die Entwicklungsgeschichte von Helix Waltoni gegebenen Bilder von Nierenzellen (dieses Werk, Bd. 1, Taf. VID. Zuweilen trifft man Häufchen dieser Blasen frei in den Hohl- räumen der Niere an.

Sehr oft sind die CGontouren der blasıgen Zellen kaum zu erkennen, man erhält dann den Eindruck, als seien mehrere mit einander zu grösseren Kugeln verschmolzen, in welchen Kerne unregelmässig zerstreut liegen, so dass dann der Inhalt der Drüsen- lappen stellenweise dem umgebenden Bindegewebe nicht unähnlich sieht; eine deutliche Begrenzung der Drüsenschläuche fehlt indessen an guten Präparaten niemals. Es ist näm- lich nicht zu vergessen, dass die Veränderungen, welche durch verschiedene Chemikalien in diesem Organ hervorgerufen werden, sehr grosse sind. Alle unsere Nierenbilder sind nach Chromsäurepräparaten angefertigt worden; nur der in Fig. 39 (Taf. XVI) dargestellte Quer- schnitt einer Niere ist nach einem blos mit Spiritus conservierten Objecte gezeichnet. Wir geben das Bild nur, um zu zeigen, wie sehr Reagentien verändernd wirken; nach einfacher Spiritus-Behandlung sind die Drüsenlappen kaum mehr vom umgebenden Bindegewebsstroma zu unterscheiden, die blasigen Zellen sind fast gänzlich verschwunden, offenbar durch Schrumpfung zerstört, und die Hohlräume der Drüsenlappen, welche bei den Chromsäurepräparaten meist ziemlich enge sind, erscheinen als weit klaffende Lücken.

In manchen, namentlich mehr peripher gelegenen Partien der Drüsenlappen ver- lieren die Zellen ihren blasigen Charakter und zeigen sich völlig erfüllt mit einer fein- körnigen Masse, in welcher lichtbrechende Körner erscheinen (Figg. 28 und 36, drs). Die Grenzen der so veränderten Zellen sınd dann meist nicht mehr zu erkennen, und auf dicken Längsschnitten scheinen diese Theile der Drüsenlappen gewöhnlich solide zu sein (Fig. 36, drs); indessen lässt sich ausnahmslos auf feinen, senkrecht auf die Längsrichtung der Schläuche gelegten Schnitten in diesen doch noch ein, wenngleich enges Lumen nach- weisen (Fig. 34).

Auffallend ist, dass öfters innen an den Drüsenzellen, d. h. gegen das Lumen der Schläuche hin eine mehr oder weniger regelmässige Lage von platten Kernen vorkommt,

die sich wie ein inneres Epithel ausnimmt (Figg. 29, 34, 36 iep). Ob dies noch lebende

14]

Kerne bereits zu Grunde gegangener Drüsenzellen sind, oder ob wirklich eine Art inneren Epithels existiert, ist schwer zu entscheiden. Aehnliche Kerne kommen übrigens, wenn gleich weniger regelmässig angeordnet, auch in der Heliceenniere vor.

Hatte schon die Aehnlichkeit der Zellen unseres Organs mit den Nierenelementen anderer wirbelloser Thiere ein gewisses Licht auf seine Function geworfen, so kommt nun noch, um unsere Ansicht von der Nierennatur desselben zu stützen, ein weiteres und, wie uns scheint, höchst schwerwiegendes Moment hinzu, nämlich die Verbindung der Drüsen- lappen mit Trichtern, welche frei in die Leibeshöhle münden. Von den Drüsenlappen gehen feine Canäle ab (Fig. 28, tre), welche stets von einem regelmässigen Epithel ausgekleidet sind und sich nach der Peripherie wenden. Oefters vereinigen sich mehrere solcher Canäle zu grösseren, ebenfalls mit Epithelzellen austapezierten Gängen, welche endlich frei an der Oberfläche des Organs in die Leibeshöhle münden (Fig. 28, tr). | Die Figur 36 zeigt zwei periphere Drüsenlappen und die von ihnen abgehenden Canäle (trg); der eine derselben (rechts im Bilde) erscheint als solider Strang; Querschnitte lehren indessen, dass ein feines Lumen niemals fehlt (Fig. 33).

Es ist nicht leicht, diese an ihrem Ursprung aus den Drüsenlappen meist sehr feinen Canälchen bis zu ihrer trichterförmigen Oeffnung an der Oberfläche der Niere zu verfolgen, da sie öfters einen mehr oder weniger gewundenen Verlauf nehmen. Doch ist uns dies trotzdem mehrfach gelungen, und auf der in Fig. 41, a—n dargestellten Serie kann man den ganzen Verlauf zweier solcher Gängchen verfolgen. In Fig. 41, a sieht man zwei Drüsenlappen (drl), von denen in b und c je ein Canälchen (trg) entspringt; die beiden Gänge vereinigen sich in e und f zu einem einfachen Canale, der sich in mehrfachen Schlängelungen peripheriewärts wendet (g, h, i, k) und endlich an der Oberfläche sich öffnet (l, m); die Oeffnung (tr) geht durch zwei Schnitte und verstreicht dann wieder.

An der Trichtermündung geht das die Oberfläche der Niere bedeckende Epithel (aep) in dasjenige der feinen Canäle über. Dies erkennt man an den Figuren 30 und 40, auf welchen drei Trichter (tr) dargestellt sind. In Fig. 40 ist das Lumen der Trichter und der von ihnen ausgehenden Canäle (trg) so eng, dass es kaum wahrzunehmen ist; weiter und klarer dagegen ist der Trichter der Fig. 30. | An unserem conservierten Material konnten wir keine Wimpern mehr ın den Trichtern erkennen; da aber im Leben die ganze Oberfläche der Niere, wie man schon lange weiss, wimpert, so darf man als sicher annehmen, dass auch den Trichtern und den von ihnen ausgehenden Gängen die Wimpern nicht werden gefehlt haben. Die hin und wieder bemerkte Anhäufung runder Ballen Schleimes in den Trichtermündungen deutet sogar auf besonders lebhafte Wimperbewegung an diesen Stellen hin.

Es steht also die Leibeshöhlenflüssigkeit durch die Trichter und die von diesen ausgehenden Gänge mit dem centralen Hohlraume der Niere und somit indirect mit der Aussenwelt in Verbindung. Es scheint uns dies ein für die Physiologie der Echinoideen- Leibeshöhle, die bis jetzt im Allgemeinen für völlig in sich abgeschlossen galt, nicht

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unwichtiger Punkt zu sein. Es ist damit die Möglichkeit gegeben, dass unbrauchbar gewordene Stoffe derselben eliminiert werden können. Dass dieser Communicationsweg wirklich benutzt wird, geht schon daraus hervor, dass man in den Trichtergängen öfters Ballen von Leibeshöhlenkörperchen findet. Besonders zahlreich trifft man die bekannten, mit glänzenden Körnern vollgepfropften Wanderelemente (Figur 31) an; in dem feinen, aus einem Drüsenlappen entspringenden Canälchen, welches lınks auf Fig. 36 dargestellt ist, kann man mehrere solcher Körperchen (wz) auf’s deutlichste wahr- nehmen. Die gleichen Wanderzellen trifft man auch zuweilen zwischen den hlasigen Nieren- elementen, wo sie offenbar amöhoıd herumkriechen. Ferner sieht man öfters die Trichter- eänge mit Pigmentkörnchen vollgepfropft, wie sie in Häufchen beisammenliegend auch frei im Bindegewebe der Niere zerstreut sich finden.

Wie schon erwähnt, liegen die Drüsenlappen und Trichtergänge in einem Stroma von Bindegewebe eingebettet; dieses bildet eine Unzahl kleinerer und grösserer Maschen- räume, und in diesen epithellosen Lücken circuliert die Blutflüssigkeit. Eine directe Com- munication des Blutes mit den stets von Epithelien ausgekleideten Nierengängen konnten wir niemals beobachten; wir werden auf diesen Punkt bei der Besprechung der Literatur zurückzukommen haben.

Die Bluträume, welche die Nierenschläuche umspinnen, gehen direct in die Lacunen des Blutringes über, da, wie wir wissen, das untere Ende der Niere die circumösophagealen Ringcanäle berührt.

Der Steincanal läuft nach seinem Austritt aus der Sammelblase der Niere entlang in eine Rinne eingelagert (Fig. 28, st); sein Lumen bleibt während des ganzen Verlaufs nahezu dasselbe, erst in der Nähe des Wasserringcanales erweitert es sich und nımmt eine unregelmässige Gestalt an. Figur 37 (Taf. XVD) stellt einen Schnitt durch diese Partie dar: der centrale Hohlraum der Niere ist bereits verschwunden, man erkennt nur noch die Lumina (drh) einzelner Drüsenlappen (drl), welche auf den nächsten Schnitten eben- falls verschwinden werden. Rechts sieht man den Steincanal (st) als grossen unregel- mässigen Gang, welcher nach verschiedenen Seiten Divertikel getrieben hat. Die Fig. 38 zeigt seine Einmündung in den Ringcanal. Man erkennt, was auch Querschnitte bestätigen, dass der Wasserringcanal nicht ein einfacher elattwandiger Gang, sondern ein höchst compliciertes Gebilde ist, welches eine grosse Zahl von Divertikeln (diw) ausschickt, die sämmtlich von demselben niedrigen Epithel ausgekleidet sind. Die Divertikel liegen ın einem Bindegewebsstroma eingebettet, in dessen Maschen die Blutflüssigkeit circuliert, so dass der Blutring blos durch dieses Lacunennetz dargestellt wird. Im Bindegewebe findet man Häufchen von Pıgmentkörnern zerstreut, ähnlich wie dies ın der Niere, welche mit den Ringcanälen in Gewebsverbindung steht, der Fall ist. Wir haben auch einige Andeutungen von Trichtern in dieser Gegend bemerkt, sind aber nicht darüber zur Klarheit gekommen.

Die sogenannten Poli’schen Blasen der Echiniden fehlen bei Asthenosoma; die

Ringcanäle selber besitzen eben in ihrem ganzen Verlauf den Bau, der sonst den Poli’schen

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Blasen eigen ist und zeigen nur an den Stellen, wo diese Organe liegen sollten, je eine

leichte Ausbuchtung.

Denselben Mangel an Poli’schen Blasen fand Prouho (32) bei Dorocidaris, und in eanz gleicher Weise beschreibt er an den Ringcanälen dieses Thieres den Bau, der sonst die Poli’schen Blasen auszeichnet. Es benannte daher Prouho früher den Doppelring als „Anneau de Poli“, gab aber den Namen später wieder auf, weil die sogenannten Poli’schen Blasen der Seeigel nicht den gleichnamigen Organen der übrigen Echinodermen zu entsprechen scheinen. Ganz gleich wie bei Asthenosoma berührt auch, wie wir schon erwähnten, bei Dorocidaris das untere Ende der Niere die Ringcanäle, so dass nach Prouho auch hier ihr Blutnetz direct mit dem Lacunenring zusammenhänst und ebenso ıhr Stroma sich ohne Unterbrechung ın’s Bindegewebe des Doppelrings fortsetzt.

Während so einerseits die Cidariden und Asthenosomen gewisse Verwandtschafts- beziehungen zu einander erkennen lassen, zeigt der Bau des Doppelrings bei diesen Formen eine bemerkenswerthe Uebereinstimmung mit der von Semper (35) beschriebenen „Schlund- krause“ der Holothurien, wo ebenfalls bei gewissen Gruppen der Wasserring kurze Aus- sackungen treibt, welche von einem äusserst dichten Netz feinster Gefässe umsponnen werden, die in ihrer Gesammtheit den Blutringcanal darstellen. Semper sagt ferner, es seien die zehn braunen drüsigen Tiedemann’schen Körperchen der Seesterne blos als eine in einzelne Theile zerfallene Schlundkrause aufzufassen, denn ıhre Verbindung mit dem

Blut- und Wassergefässsystem seı genau die gleiche wie bei den Holothurien.

Ganz ebenso ist man sicher berechtigt, zu sagen, dass die fünf sogenannten Poli’schen Blasen der Echiniden aus dem diffusen Doppelring der Echinothuriden hervorgegangen seien, indem eın Verhältniss, das früher auf den ganzen Ring gleichmässig vertheilt ge-

wesen, sich an einzelnen Stellen localisiert und dort weiter ausgebildet hat.

Fassen wir, bevor wır die gegebenen Resultate zusammenstellen und mit denen anderer Forscher vergleichen, noch ganz cursorisch einige Dependenzen der Niere in die Augen, so haben wir erstens zu erwähnen, dass wir auf manchen Schnitten gesehen haben, wie von der Niere aus eine Anzahl von Schläuchen sich in das Mesenterium fortsetzte, welches an der dem Steincanal gegenüberliegenden Seite an die Niere sich anheftet. (Fig. 28, me,). Den Verlauf dieser Gänge haben wir nicht weiter verfolgt und vermuthen nur, dass sie vielleicht mit den von Perrier (29) zuerst erwähnten, von anderen Forschern daun wieder bestrittenen Drüsenschläuchen zusammenhängen möchten, die dieser Autor im Mesenterium von der Madreporenplatte bis zum Magen wahrzunehmen geglaubt hat.

Bei der Verfolgung des Ausführganges der Niere haben wir nicht erwähnt, dass, wo der Ureter aus der Niere entspringt, das Organ sein Ende noch nicht erreicht hat, sondern noch weiter gegen den Madreporiten hin einen Fortsatz sendet, welcher von einem eigenen Hohlraum umschlossen wird. Dieses ist der „Processus glandulaire“ Prouho’s.

Auf den Bildern 1—10 (pag. 107 und 108) ist dieser Processus (nn) und der ihn umgebende

114

Raum (nnr) mit rother Farbe angedeutet. Der letztere hat, wie wir meinen wahrgenommen zu haben und wie auch Prouho angıebt, keine Verbindung mit der Aussenwelt, und wir elauben, dass die Verfolgung dieses Fortsatzes und des ıhn umhüllenden Raumes manche Autoren verführt hat, die Niere für ein geschlossenes Organ zu erklären, indem der seitlich abgehende Ureter übersehen worden ist. Wir wollen dieses Organ einstweilen „Nebenniere“ nennen. Ihr Bau ist nicht ganz derselbe wıe der der eigentlichen Niere; sie besteht aus einem Convolut feiner Schläuche (Fig. 42, Taf. XVII, sl), welche an der Oberfläche des Organs frei in den umgebenden Hohlraum münden (sIm); eingelagert sind dieselben in Binde- gewebe, in welchem dicke, oft spiralig gewundene Fasern (f) zerstreut sind. Aehnlich lautet Prouho’s Beschreibung; dieser Autor erwähnt in dem fraglichen Organ auch noch longi- tudinaler Fasern, von denen er es zweifelhaft lässt, ob sie musculöse seien.

Endlich ist noch zu bemerken, dass gegen den Madreporiten zu die Wandung des Hohlraumes, der die Nebenniere umschliesst, von einem schwammigen Gewebe umgeben wird. Ueber die Function dieses Schwammgewebes sowohl, als der Nebenniere können wir nichts angeben; ob die beiden Organe Heerde sind, in welchen gewisse Körperchen der Leibeshöhle produciert werden, wie schon vermuthet worden ist, müssen wir einst- weilen dahingestellt sein lassen. |

Stellen wir das über die Niere gesagte kurz zusammen, so haben wir gefunden, dass das Organ in seiner ganzen Länge von einem Hohlraum durchsetzt wird, welcher gegen den periösophagealen Doppelring hin blind endet, durch den Madreporiten aber mit der Aussenwelt in Verbindung steht, dass um diesen Raum herum Drüsenschläuche an- geordnet sind, welche blasige Elemente enthalten, dass diese Drüsenlappen sich fortsetzen in engere Canäle, welche nach der Peripherie des Organs laufen, zu mehreren sich ver- einigen und mit Wimpertrichtern in die Leibeshöhle sich ‘öffnen, dass endlich Drüsen- lappen und Trichtergänge ın einem bindegewebigen Stroma eingebettet liegen, in dessen Maschenräumen Blut cıirculiert, so dass alle Bedingungen für ein Organ gegeben sind, welches aus dem Blute die Endproducte des Stoffwechsels zu entfernen die Aufgabe hat. Chemische Untersuchungen werden über die Natur des Secretes das letzte Wort zu reden haben.

Es ıst nun noch unsere Pflicht, ganz in Kürze die Angaben, welche unsere Vor- gänger über dieses Organ gemacht haben, zu besprechen, weil manche Punkte in der oben gegebenen Darstellung sich schon in den Arbeiten früherer Autoren angedeutet finden. Ueberdies ist es nicht ohne Interesse, die Geschichte eines Organs zu verfolgen, dessen Auffassımg so vielen Wandlungen unterworfen gewesen. Wir werden uns hiebei zunächst lediglich auf die Glasse der Seeigel beschränken.

In seinem berühmten anatomischen Werke über die Echinodermen bezeichnete Tiedemann (37) als der erste unser Organ als „herzförmigen Canal“, da er langsame Contractionen desselben am lebenden Thiere beobachtete und glaubte, dass der ganze

Schlauch aus bräunlichen Muskelfasern bestehe. Ihm schloss sich neben vielen Anderen

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auch Valentin (38) an, welcher schon erkannte, dass dieses „Herz“ kein einfacher Ven- trıkel sei, sondern im Inneren eine Anzahl kleinerer Räume enthalte; auch sah er bereits

die Aussenfläche wimpern.

Eine mächtige Stütze aber erhielt die Ansicht von der Herznatur dieses Organs, als Leydig (22) im Jahre 1854 berichtete, das stark braun pigmentierte Herz von Echinus weise eine ähnliche Musculatur auf wie das Herz der Mollusken, und dann weiterhin aus diesem Organ Muskelfasern beschrieb, welche zwischen Massen brauner Körnerklumpen eingebettet seien. Ferner erwähnte Leydig eine Art von Herzbeutel, welcher einen Raum

umschliesse, in dem ein klares Fluidum mit hellen Körperchen circuliere.

Es ist nicht ganz leicht zu erkennen, was Leydig vor sich gehabt hat, vielleicht die Nebenniere, wo, wie wir oben sahen, Prouho auch musculöse Elemente vermuthet, und ebenso lässt sich Leydig’s Herzbeutel vielleicht am besten auf den die Nebenniere einschliessenden Sinus beziehen. Möglich auch, dass bei Echinus esculentus dies ist die Species, welche Leydig untersuchte die eigentliche Niere wirklich Muskelfasern besitzt; es könnte dies ihrer Function nur dienlich sein und würde die von den älteren

Anatomen beobachteten Contractionen erklären.

Die Ansicht von der Herznatur dieses Organs theilten auch Joh. Müller (28) und später Agassiz (1) in der Revision of the Echini.

Hoffmann (15) beschrieb in seiner ersten Arbeit, die 1871 erschien, das Herz der Echiniden als einen- Schlauch von cavernöser Structur, in dessen Mitte eine ziemlich grosse Höhle durch die ganze Länge des Organs laufe und an der unteren Spitze in ein Gefäss überzugehen scheine. Den Spatangen andererseits fehle ein solches Herz; hier bilde dafür der Steincanal eine Anschwellung, die als ein „Wassergefässherz“ oder besser als eine „Wassergefässdrüse“ aufzufassen sei, da sie blos aus einem zarten Stroma bestehe, in dessen Maschen Zellen abgelagert erscheinen, welche vollkommen mit denen der Blut- und Wassergefässe übereinstimmen. Später (16) übertrug Hoffmann die Verhältnisse der Spatangen auch auf die Echiniden und schrieb auch diesen ein aus Verdickung des Stein-

canals hervorgegangenes Wassergefässherz zu.

Ein grosser Schritt vorwärts in der Erkenntniss des Organs geschah durch Perrier (29) 1875, indem es ihm zuerst gelang, durch Injection einen Ausführgang nachzuweisen; so oft Perrier in das „Herz“ injicierte, sah er am oberen Ende des Organs .einen Canal und dann einen grösseren, unterhalb der Madreporenplatte gelegenen trichterförmigen Raum sich füllen, von welchem aus die Farbmasse theilweise nach aussen abHloss und theilweise in den Steincanal zurückströmte. Dieser „espace infundibuliforme“ Perrier’s entspricht offenbar unserer Sammelblase, nur scheint derselbe bei dem von Perrier untersuchten Echinus sphaera ohne Verbindungsgang direct mit den Madreporencanälchen zu communi- cieren. Ebenfalls durch Injection erkannte Perrier, dass der Hohlraum des sogenannten Herzens nach unten zu geschlossen sei, und endlich sah er auf seinen Schnitten, dass um den

SARASIN, Ceylon I. 15

116

centralen Hohlraum des Organs drüsige, vom Centrum nach der Peripherie hin sich weiter theilende Acini angeordnet stehen, in denen die Drüsenzellen in Säulen aufgereiht seien wie z. B. in der Leber der Säugethiere; ja manchmal glaubte Perrier sogar in den Colonnen Hohlräume zu erkennen. Muskelfaserr endlich fand Perrier keine, und eben- sowenig konnte er Uontractionserscheinungen nachweisen.

So war denn Perrier wohl berechtigt, zu sagen, dass das Organ kein Herz, son- dern eine Drüse sei, die ihre Producte durch den Madreporiten, welcher hauptsächlich eine excretorische Function erfülle, nach aussen entleere; er benannte sie nach ihrer Form als „ovoide Drüse*.

Damit war dem Circulationssystem ein treibendes Centralorgan abgesprochen, und es frägt sich nun, wie sich das Blut bewegt. Wahrscheinlich haben wir den Ersatz für das Herz in der Contractionsfähigkeit der Gefässe selbst zu suchen. Perrier bemerkte schon, dass die grossen Darmgefässe sehr contractil seien; andere Forscher haben dies mehrfach bestätigt, und dasselbe haben Joh. Müller (28), Semper (35) u. A. von den Synapten und Holothurien berichtet. Wir werden im nächsten Abschnitte auf Pulsationen an gewissen Stellen des äusseren Körperepithels aufmerksam zu machen haben, durch welche ebenfalls eine Bewegung der Säfte bewirkt werden muss.

Teuscher (36), der Perrier’s Arbeit noch nicht kannte, giebt an, dass eine grössere centrale Höhle nur dem „Herzen“ von Spatangus, nicht aber dem von Echinus zukomme: er sagt ferner, dass das Organ auf die Beförderung des Blutkreislaufs keinen wesentlichen Einfluss ausüben könne und kommt daher zum Schluss, dass es für die Func- tionen des erwachsenen Echinoderms ohne Bedeutung nur ein Ueberbleibsel aus der Jugend- entwicklung des Thieres oder aus der Entwicklung seiner Vorfahren darstelle.

Unterdessen wirkte die Perrier’sche Ansicht weiter, und so erklärte auch Gegen- baur (7) 1878, dass dem sogenannten Herzen diese Bedeutung nicht mehr könne ge- lassen werden.

Die nächste Arbeit, die sich mit diesem Thema wieder eingehend beschäftigte, war erst die 1883 erschienene Koehler’s (19). Zunächst bestätigte Koehler durch In- jection die Anwesenheit eines Ausführganges des drüsigen Organs, welch letzterem er den Namen „Madreporendrüse“ beilegt, weil Perrier’s Bezeichnung „ovoide Drüse* sich auf die Form bezieht und diese bei den verschiedenen Species beträchtlichen Schwankungen unterliegt. Dann gelang es Koehler durch Einstechen seiner Canüle in’s untere Ende der Drüse einen Gang (Canal glandulaire, Koehler) zu füllen, welcher aus dem unteren Ende der Drüse austritt, mit dem Steincanal parallel zur Laterne zieht und dort sich in einen vom Wassergefässringe verschiedenen periösophagealen Canal öffnet. Ganz richtig deutete Koehler diesen Ringcanal als den Blutgefässring und den „Canal glandulaire“* als den Gang, durch welchen der „Madreporendrüse“ Blut zugeführt wird. Da bei Asthenosoma und Dorocidaris das untere Ende der Niere die Ringcanäle direct berührt, so fällt bei diesen

Formen ein zuleitender Blutcanal weg.

In der „Madreporendrüse“ beschreibt Koehler einen Hohlraum und von diesem aus- gehend eine beträchtliche Zahl von Canälen, die ım Parenchym der Drüse sich verlieren. Nun aber schliesst Koehler weiter, und darın weicht er von unserer Anschauung sehr erheblich ab, dass das in die Drüse gelangte Blut durch diese Canäle direct mit dem Hohl- raum der Drüse und also weiterhin mit der Aussenwelt communiciere. Es steht daher nach Koehler nicht nur das Wassergefässsystem durch seinen Steincanal mit dem umgebenden Medium in Verbindung, sondern es mündet auch das Blutsystem durch den „Canal glandu- laire“* und seine mittelbare Fortsetzung, den Ausführgang der „Madreporendrüse“ nach aussen.

Dann wendet sich Koehler gegen Perrier’s Ansicht von der Zellnatur der von ıhm in der „ovoiden Drüse“ beschriebenen Drüsenzellen, indem das, was Perrier als Zell- grenzen aufgefasst hatte, hlos als ein Netz von Bindegewebstrabekeln bezeichnet wird, welches Zellengrenzen vortäusche. In den durch das Bindegewebsnetz gebildeten Maschen liegen nach Koehler Zellen eingelagert, welche hier mit dem Endresultat der Bildung zahlreicher Pigmentmassen degenerieren. Die Anschauung Koehler’s von der Binde- gewebsnatur der Perrier’schen Drüsenzellen findet sich in nahezu gleicher Weise bei allen

noch zu besprechenden Autoren wieder.

Die „Madreporendrüse“* hat nach Koehler eine excretorische Function, sie soll das Blut von unnützen Producten befreien; etwas bestimmtes lässt sich aber nicht sagen, da die Excretstoffe eben doch wieder dem Blute sich beimischen.

In einer späteren Arbeit ist Koehler (20) geneigt, dieses Organ viel weniger als ein Excretionsorgan, sondern als einen Apparat anzusehen, der die Elemente der Leibeshöhle

zu producieren bestimmt sei.

Eine Besprechung des eigenthümlichen Verhältnisses, in welchem der Steincanal zur Niere der irregulären Seeigel steht, würde uns allzuweit von unserem Wege abführen;

nur das sei bemerkt, dass hier noch manche Widersprüche abzuklären sind.

Von der Koehler’schen irrthümlichen Meinung ausgehend, dass die „Madreporen- drüse* einen Theil des Blutgefässsystems darstelle, bezweifelt P.H. Carpenter (5 und 6) zu zweien Malen die Existenz eines Ausführganges und vertheidiet die namentlich von Ludwig (25) für die Asteriden vertretene Ansicht des Abgeschlossenseins dieses Organs von der Aussenwelt. Als wahrscheinliche Function des fraglichen Gebildes, dem auch Carpenter die Bedeutung eines Herzens abspricht, wird die Production der braunen Pig-

mentkörner angegeben, als Name „plexiform gland* vorgeschlagen.

Nach mehrfachen Untersuchungen in verschiedenen Echinodermenclassen wird Perrier (30) 1887 bewogen, seine früheren Ansichten über die „ovoide Drüse“, die in vielen Punkten mit den unsrigen gut harmoniert hatten, wesentlich zu modificieren; er bringt die Drüse in Zusammenhang mit der Bildung der Geschlechtsorgane und giebt als ihre Function die Production der in der Leibeshöhlenflüssigkeit zerstreuten Elemente an, daher

der Name „ovoide Drüse“ mit „organe plastidogene“ vertauscht wird. Endlich beginnt 15*

118

er sogar, an der Existenz des früher von ihm entdeckten Ausführganges zu zweifeln, zum mindesten hält er Koehler’s Interpretation, welcher aus dem Canal eine Depen- denz des Blutsystems gemacht hatte, für wahrscheinlicher als die früher von ihm selber vertretene.

Hamann (13) ferner bestreitet das Vorhandensein eines Ausführgangs gänzlich; es verschmälere sich vielmehr die Drüse gegen den Madreporiten zu mehr und mehr und ende endlich blind in einem Schizocoelraum. Aus dieser Beschreibung scheint somit her- vorzugehen, dass Hamann die blind endende Nebenniere verfolet hat. Ueber den Bau des drüsigen Organs der Echiniden erfahren wir, dass es von Blutlacunen umsponnen werde, welche einerseits mit der dorsalen Darmlacune und andererseits mit einem analen Blutring in Verbindung ständen; dass ferner das Organ von Hohlräumen verschiedenster Dimension durchzogen sei, von denen die grösseren ein Endothel besässen und in der Mitte der Drüse zu mächtigeren Lücken verschmölzen. Das Gewebe des Organs werde von netzförmiger Bindesubstanz gebildet, deren bald engere, bald weitere Maschen mit sternförmigen Zellen oder mit Wanderzellen erfüllt seien, welche lichtbrechende Concre- mente umschlössen. Pigmentkörner finde man überall zerstreut, und wo sie deponiert werden, treffe man die Zellen in Zerfall oder gar nicht mehr an. Die Ausscheidung dieser Concrementhaufen werde wahrscheinlich von den ın das Organ eingewanderten Zellen besorgt, und damit würde, sagt er, auch ein Recht bestehen, das Organ als ein drüsiges zu bezeichnen. Die Function der Drüse sei, dıe für den Körper nicht mehr brauchbaren Stoffe aus dem Blute auszuscheiden, und als Träger derselben werden die amöboıiden Zellen angesehen. Wohin aber alle die Stoffe schliesslich gelangen, da das Organ nach Hamann

eines Ausführganges entbehrt, lässt sich bei dieser Betrachtungsweise nicht begreifen.

Vogt und Yung (39) in ihrem Lehrbuch der practischen vergleichenden Anatomie belegen die Drüse mit dem Namen „Dorsalorgan“; sie wird als ein Theil des Blutlacunen- systems aufgefasst, welcher einerseits mit der unterhalb des Madreporiten gelegenen Ampulle

und andererseits mit dem inneren Gefässring der Speiseröhre zusammenhänge.

Endlich bleibt uns noch die schon mehrfach eitierte Arbeit Prouho’s (32) über Dorocidaris zu besprechen übrig, deren zweiter Theil, nachdem manche der darin ent- haltenen Punkte schon in Vorberichten erwähnt waren, erst in neuester Zeit erschienen ist. Wichtig in Prouho’s Arbeit scheint uns vor Allem der auf anatomischem Wege geleistete Nachweis des Vorhandenseins eines Ausführganges, dann die gegen Koehler und Perrier gerichtete Behauptung des völligen Getrenntseins der Blutlacunen von den mit Epithel ausgestatteten Gängen des Organs und endlich die Entdeckung kleiner, an der Oberfläche der Drüse ausmündender Canäle.

In der Deutung dieser Bildungen aber, sowie überhaupt in der ganzen Auffassung des Organs weichen wir von Prouho sehr beträchtlich ab. Nach ihm besteht das Organ

aus einem bindegewebigen, Alveolen bildenden Substratum, in dessen peripherischen Partien

119

man auf Schnitten Blutlacunen und Lumina kleiner mit Epithel ausgekleideter Ganäle finde, welche an der Oberfläche ausmünden. Weiter nach innen sehe man ebenfalls mit Epithel austapezierte Höhlungen, in deren Umgebung die Bindegewebsalveolen schärfer abgegrenzt und regelmässiger angeordnet stehen. Diese letzteren Theile entsprechen offen-

bar unseren Drüsenlappen.

In den Bindegewebsmaschen liegen nun nach Prouho ämöboide Zellen mit ver- ästeltem Protoplasma, welche den Amöben der Leibeshöhlenflüssigkeit entsprechen, und es sei, sagt er, die Drüse als der Ort anzusehen, wo diese Körperchen gebildet werden. Dann sollen dieselben durch das Gewebe des Organs wandern und die feinen Canäle mit ihren Oeffnungen unsere Wimpertrichter als schwache Punkte zum Austritt in die Leibes- höhle benützen. Histologisch könne die Drüse als eine blosse Hypertrophie des Mesenterial- bindegewebes betrachtet werden, welch letzterem nur der Contact mit dem äusseren Wasser fehle, um ebenfalls plastidogenetisch zu werden. Es bringe nämlich das durch den Aus- führgang oder vielmehr Einführgang in die Drüse einströmende Wasser ein für die Ver- mehrung der Amöben unentbehrliches Prineip mit sich, so dass nur die in der Nähe der

Zuleitungscanäle gelegenen Bindegewebstheile die Fähigkeit erhalten, Amöben zu producieren.

Im Uebrigen sei es nicht möglich, zu behaupten, dass nicht auch Excretions- phänomene in der Drüse vor sich gehen, vielleicht als directe Folge der plastidogenen Function selbst. Da dies jedoch nicht bewiesen, so nennt Prouho den Verbindungsgang des Organs nach der Aussenwelt nicht mehr „Canal exereteur“, wie dies Perrier gethan, sondern „Canal aquifere annexe“. In dieser Bezeichnung liegt wenigstens das richtige, dass das Organ nicht mehr als eine Dependenz des Blutsystems angesehen, sondern mit dem

Wassergefässsystem in Verbindung gebracht wird.

Dies ist in kurzem die Geschichte des Organs, welches wir nach unseren Unter- suchungen als die Niere der Seeigel anzusehen uns berechtigt glauben. Auffallend ist hauptsächlich der Gegensatz, welcher in der Auffassung der Elemente des Organs besteht, indem das, was wir als hlasige oder vacuolige oder mit Excretstoffen erfüllte Nierenzelle ansehen, von fast allen Autoren als bindegewebige Alveole mit eingeschlossener Zelle an- gesprochen wird. Wir glauben, dass die Anordnung dieser Elemente in wohl begrenzten, Hohlräume umschliessenden und vom Bindegewebsstroma des Organs deutlich sich ab- hebenden Lappen, welche mit dem Centralraum einerseits, mit Trichtergängen andererseits

in Verbindung stehen, diese Frage endgiltig zu lösen im Stande ist.

Es würde uns nun noch übrig bleiben, das der Niere der Echinoideen entsprechende Organ auch bei den anderen Echinodermenclassen zu verfolgen, aber es ist zu fürchten, dass eine solche Besprechung diese Arbeit über Gebühr ausdehnen würde. Wir begnügen uns damit, zu bemerken, dass dieselben Gegensätze, wie sie oben bei der Darlegung der Seeigelliteratur zu Tage traten, in ganz gleicher Weise auch bei den übrigen Echino-

dermenclassen sich wiederfinden. Auch hier ein Schwanken in der Auffassung des Organs

120

zwischen Herz und Drüse, auch hier ein abwechselndes Bestreiten und Behaupten eines Ausführganges, so dass wir uns nicht versagen können, unsere feste Ueberzeugung aus- zusprechen, dass in allen Echinodermengruppen das der Seeigelniere entsprechende Organ sich ebenfalls als Niere herausstellen werde. Wir wollen blos erwähnen, dass schon 1867 Jourdain (18) erklärte, das „Herz“ der Seesterne sei von drüsiger Structur (ebenso Hoff- mann, 17, 1873), dass ferner Perrier und Poirier (31) 1882 das „Herz“ sämmtlicher Echinodermen einen Drüsenkörper nannten, dass später Apostolides (2) bei Öphiuren sogar einen Ausführgang des Organs constatierte und eine Anordnung der Zellen in radıiären Säulen um eine centrale Höhle zu erkennen glaubte und dass endlich auch Vogt und Yung (39) von einer offenen Communication der Höhlungen im „Dorsalorgan“ der See-

sterne mit dem Steincanal sprechen.

Endlich haben wir noch Organe gewisser Holothurien zu erwähnen, die zu den bei Asthenosoma gefundenen Verhältnissen Beziehungen erkennen lassen, nämlich die Wimpertrichter. Die ersten Angaben über solche stammen von Brandt, Mertens und Grube (10), welch letzterer sie von Chirodota discolor beschrieb. Dann entdeckte Joh. Müller (26) diese Organe bei Synapta, wo sıe pantoffel- oder füllhornförmig erscheinen; sie stehen auf Stielen sporadisch am Gekröse und ausserdem in dichtgedrängten Zügen am Peritoneum in zwei oder drei Intermuscularräumen der Körperwände. Leydig (21) untersuchte diese Wimperorgane weiter und berichtete, dass die Stiele dieser Gebilde nichts anderes als Gefässe seien, die er einige Male bis zu grösseren Stämmen glaubte verfolgen zu können, eine Beobachtung, über die Joh. Müller (27) im Zweifel blieb und die Baur (3) und Semper (35) bestritten. Auch Semon (34), welcher die Organe zuerst mit der Schnittmethode untersuchte, verneint die Existenz eines eigentlichen Lumens in den Stielen und vertritt die Ansicht, dass durch die Trichter die Iymphoiden Zellen der Leibeshöhlen- Nüssigkeit in Spalträume des Stieles und von da in die übrigen Gewebe zu wandern ver-

möchten.

Die Niere, die wir bei Asthenosoma beschrieben, ist, wie wir sahen, ein Annex des Wassergefässsystems, da ja Steincanal und Ureter sich in einer gemeinschaftlichen Blase vereinigen, so dass, wenn Leydig, welcher in seinem Lehrbuch (23) die Wimperorgane der Synapta mit Wassergefässen in Verbindung bringt, doch Recht haben sollte, die Mög-

lichkeit gegeben wäre, die Trichter der Synapten und Echinoideen direct auf einander

zu beziehen. Was bei den Seeigeln zu einem compacten Organ sich vereinigt hat, wäre bei den Synapten und Chirodoten noch eine durch den ganzen Körper diffus vertheilte

Einrichtung geblieben.

An den Wasserlungen der Holothurien hat Semper in den Endästen ebenfalls Trichter, die in die Leibeshöhle führen sollen, gefunden, welche Oeffnungen Hamann (12) bestätigte, Teuscher (36), Vogt und Yung (39) aber bestritten. Da ferner Semper’s

Injectionen der Lungenbäume nie durch diese Wege in die Leibeshöhle drangen, so kann

immer noch vermuthet werden, dass, wie Greeff (9) dies an den Analschläuchen der Echiuren fand, diese Trichter ein besonderes, in der Wand der Schläuche sich verzweigendes und vom Lumen derselben abgeschlossenes System bilden könnten. Wenn dem so wäre, so vermöchte man dann diese Holothurientrichter gleichfalls denen von Synapta zu homo- logisieren.

Endlich sind Wimpertrichter noch bei Crinoideen durch Ludwig (24) entdeckt und von Carpenter (4) bestätigt worden. Ludwig fand im Dorsalcanal der Arme, welcher eine Fortsetzung der Leibeshöhle darstellt, kleine Blindsäckchen, Ausstülpungen der dor- salen Wand in den Pinnulae gruppenweise zusammenliegend. Eine Fortsetzung der Säck- chen in Gefässe konnte nie wahrgenommen werden, sie schienen stets blind zu enden. Sie sind umgeben von einem gewulsteten Rande und tragen innen ein hohes Wimper- epithel, welches nur am Boden der Säckchen durch einige wenige blasige wimperlose Zellen, deren Kerne der Zellwand angedrängt liegen, ersetzt wird.

Diese grossen hlasigen, mit wandständigem Kern versehenen Zellen in den Crinoiden- Trichtern erinnern nicht wenig an Nierenelemente, und es liesse sich vielleicht denken, dass diese Wimpertrichter in der Jugend mit Canälen des Dorsalorgans möchten zusammen- gehangen haben und später erst isoliert worden sein. Auch bei den Synapten hat Leydig eihen aus der Tiefe des Wimperfüllhorns hervorragenden, nicht Himmernden Zellenhaufen beschrieben, dessen rundliche Elemente an Grösse die Wimperzellen übertreffen und zu- weilen Pigmentkörner enthalten. Wäre es nicht möglich, dass auch dies Nierenzellen wären, wie sie in den Drüsenlappen der Seeigel vorkommen, deren Excretstoffe vielleicht, : wenn Ausführgänge definitiv fehlen sollten, direct in die Leibeshöhle und von da auf irgend einem Weg nach aussen gelangen könnten?

Schliesslich muss uns noch die Frage beschäftigen, in wie fern dem Wassergefäss- system der Echinodermen überhaupt excretorische Natur zuzuschreiben sei. Leydig (23) hat das Wassersystem der Synapta, das er mit den Wimpertrichtern in Verbindung glaubt, dem gleichnamigen System der Trematoden, Turbellarien, Annulaten und Rotatorien paralleli- siert, und, wie wir meinen, wohl mit Recht; nur werden wir bei einer solchen Vergleichung die segmentierten Formen wegzulassen haben, da der Anschluss der Synapten sicherlich an ungegliederte Würmer wird gesucht werden müssen. So denken wir auch, dass das Wassergefässsystem der Seeigel in seiner Anlage auf Würmerexcretionsorgane sich wird beziehen lassen, denn es ist stets im Auge zu behalten, dass die Ausbildung der zu locomotorischen Zwecken vornehmlich dienenden Ambulacralstämme eine secundäre Er- scheinung ist.

Nun sind zwei Fälle möglich: Hartog (14) nahm an, das ganze Madreporensystem repräsentiere morphologisch und ontogenetisch eine linke Niere, während die rechte sich nicht ausgebildet habe, und es ist dies in der That die wahrscheinlichste und durch die Entwicklungsgeschichte am meisten gestützte Ansicht. Es könnte aber auch sein, dass der Steincanal der Ausführgang der einen Niere, der Ureter der der anderen wäre; die

eine hätte sich mehr zu locomotorischen Functionen umgebildet, die andere dagegen die alte excretorische Natur beibehalten; beide würden sich in einer gemeinschaftlichen Blase vereinigen, wie dies die Excretionsorgane mancher ungegliederter Würmer thun.

Sei dem nun, wie ihm wolle, so viel scheint uns sicher zu sein, dass die Niere der Seeigel als ein Theil des Wassergefässsystems angesehen werden muss und daher aufs lebhafteste für die Entwicklung dieses ganzen Organsystems aus älteren excretorischen Organen spricht. Ausser der eigentlichen Niere hängt übrigens mit dem Ambulacralsystem noch eine Anzahl anderer vielleicht ebenfalls excretorische Functionen besorgender Organe zusammen; wir erinnern an die sogenannten Poli’schen Blasen der Echiniden und die Tiede-

mann’schen Körperchen der Seesterne.

Literaturverzeiehniss.

Zu Abschnitt 4.

1. Agassiz, A., Revision of the Echini, 1872. ' 12. Hamann, 0., Beiträge zur Histologie der Echinodermen,

2. Apostolides, Nie. Christo —, Anatomie et developpement | Heft 1, die Holothurien, Jena, 1884. des Ophiures, Arch. de Zool, exp. et gen., (1}, Bd. 10, 13. Hamann, 0., Beiträge zur Histologie der Echinodermen, 1882. | Jenaische Zeitschr. f. Naturw., Bd. 21, 1887.

3. Baur, A., Beiträge zur Naturgeschichte der Synapta digi- | 14. Hartog, M.M., The true nature of the „madreporie system“ tata, 1. Abhdlg.: Zur Anatomie der Synapta dig., Dres- of Echinodermata, with remarks on nephridia, Ann. and den, 1864. Mag. of nat. hist., (5), Bd. 20, 1887.

4. Carpenter, P. H., Remarks on the anatomy of thearms | 15. Hoffmann, C. K., Zur Anatomie der Eehinen und Spa- of the Crinoids, The Journal of Anatomy and Physiology, | tangen, Niederländ. Archiv f. Zoologie, Bd. 1, 1871. Bd. 10, 1876. 16. Hoffmann. C. K., Ueber das Blutgefässsystem der Echi-

5. Carpenter, P. H.. Notes on Echinoderm morphology, | niden, ibid., Bd. 1, 1872.

No. VI, on the anatomical relations of the vascular ' 17. Hoffmann, C. K., Zur Anatomie der Asteriden, ibid., system, Quarterly Journ. of mier. science, Bd. 23, 1883. | Bd. 2, 1873.

6. Carpenter, P. H., Notes on Echinoderm morphology, 18. Jourdain, S., Recherches sur l’appareil circulatoire de No. IX, on the vascular system of the urchins, ibid., | l’ötoile de mer commune (Asteracanthion rubens), Compt. Bd. 25, 1885. | rend. Ac. se, Paris, Bd. 65, 1867.

7. Gegenbaur, C., Grundriss der vergleichenden Anatomie, 19. Koehler R., Recherches sur les Echinides des cötes de 2. Auflage, Leipzig, 1878. Provence, Annal. du Musöe de Marseille, Zool., Bd.1, 1883.

8. Giard, A., Sur une fonction nouvelle des glandes genitales | 20. Koehler, R., Recherches sur Vappareil eireulatoire des des oursins, Compt. rend. Ac. Se. Paris, Bd. 85, 1877. Ophiures, Annal. des scienc. nat., (7), Zool., Bd. 2, 1887.

9. Greeff, R., die Echiuren (Gephyrea armata), Nova Acta ' 21. Leydig, F., Anatomische Notizen über Synapta digitata, d. ksl. Leop. Carol. deutschen Akad. d. Naturforsch., | Müller’s Archiv, 1852.

Bd. 41, pars II, 1879. ' 22. Leydig, F., Kleinere Mittheilungen zur thierischen Ge-

10. Grube, E., Echinodermen in: Middendorf, A. Th. von, | weblehre, Müller’s Archiv, 1854.

Reise in den äussersten Norden und Osten Sibiriens, | 23. Leydig, F., Lehrbuch der Histologie des Menschen und

Bd. 2, Zoologie, Theil 1, St. Petersburg, 1851. der Thiere, Hamm, 1857. !1. Haeckel, E.,. Generelle Morphologie der Organismen, 24. Ludwig, H., Beiträge zur Anatomie der Crinoideen, Zeitschr.

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Ludwig, H., Beiträge zur Anatomie der Asteriden, Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 30, 1878.

Müller, Joh., Ueber die Erzeugung von Schnecken in Holothurien, Müller’s Archiv, 1852.

Müller, Joh., Ueber Synapta digitata und über die Er-

zeugung von Schnecken in Holothurien, Berlin, 1852.

. Müller, Joh., Ueber den Bau der Echinodermen, Berlin, 1854.

. Perrier, Ed., Recherches sur l’appareil eirculatoire des

oursins, Arch. de Zool. exp. et gen., (1), Bd. 4, 1875.

. Perrier, Ed., Sur le corps plastidogene ou prötendu

coeur des Echinodermes, Compt. rend. Ac. sc., Paris, Bd. 104, 1887. Perrier, Ed. & Poirier, J., Sur l’appareil eireulatoire des Etoiles de mer, Compt. rend. Ac. sc., Paris, Bd. 94, 1882. Prouho, H., Recherches sur le Dorocidaris papillata et quelques autres Echinides de la Mediterrane, Arch. Zool. exp. et gen. (2), Bd. 5, 1887 —88.

—s0.—

SARASIN, Ceyion I.

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Anz., 1888.

. Semon, R., Beiträge zur Naturgeschichte der Synaptiden

des Mittelmeers, II, Mittheil. aus d. Zool. Station zu Neapel, Bd. 7, 1887.

. Semper, C., Reisen im Archipel der Philippinen, 2. Theil,

Bd. 1, Holothurien, Wiesbaden, 1868.

Teuscher, R., Beiträge zur Anatomie der Echinodermen, Jenaische Zeitschr. f. Naturw., Bd. 10, 1876.

Tiedemann, F., Anatomie der Röhrenholothurie, des pomeranzfarbigen Seesterns und Stein-Seeigels, Lands- hut, 1816.

Valentin, 6., Agassiz, Monographies d’Echinodermes vivans et fossiles, Neuchätel, 1841.

Vogt, C. & Yung, Em., Lehrbuch der practischen ver-

Anatomie du genre Echinus, in Louis

gleichenden Anatomie, Braunschweig, 1887.

V. DIE GIFTKÖPFCHEN.

HIERZU TAFEL XVII, FIGG. 43 56.

Schon in der Einleitung haben wir bemerkt, dass das Berühren eines Asthenosoma mit einem äusserst schmerzhaften Gefühl verbunden ist, so zwar, dass die Thiere von den Fischern und Tauchern in hohem Grade gefürchtet werden. Dieselbe Beobachtung machte auch Agassiz (1). „Nothing can be more disagreeable, sagt er, than the sharp pain which shoots up one’s arm on rashly taking hold of these prizes“.

Als Giftapparate wirken die in Hautscheiden eingeschlossenen Stacheln, vor Allem jene kleinen glänzend blauen gestielten Köpfchen, die, wie unser Farbenbild zeigt, in regel- mässigen Alleen auf den Interambulacren verlaufen und auch, was auf unserer Figur nicht angegeben ist, an anderen Stellen hin und wieder zerstreut sind; wir wollen sie Gift- köpfehen nennen. Ihre leuchtende Farbe hängt zum grossen Theil von Irisierung ab, ähn- lich wie der blaue Glanz der früher von uns beschriebenen Augen der Diademen, und in nur untergeordnetem Maasse von eigentlichen Pigmentzellen.

Der Beschreibung legen wir das ın Fig. 43 gegebene schematische Bild eines Giftköpfehens zu Grunde: dasselbe ist in seiner ganzen Länge von einem feinen Stachel durchsetzt, dessen Spitze nur wenig oder gar nicht aus der weichen Hülle hervorschaut; fast in seinem ganzen Verlauf ist er von regelmässig angeordneten Porenlängsreihen (por) durchbrochen; nur die fein ausgezogene Spitze des Stachels (Fig. 46) zeigt diese Reihen grosser Poren nicht, sondern blos einzelne wenige, namentlich in der Nähe des, wie stärkere Vergrösserung lehrt, ausserordentlich scharf messerförmig zugeschliffenen Stachelendes (Fig. 53) zerstreute Oesen (oe).

Der ganze Endtheil des Stachels wird, wie Figur 43 zeigt, sammt dem die ober- sten fünf bis sechs grossen Poren der Längsreihen des Schaftes tragenden Stücke von einem ziemlich weiten Beutel (gb) umschlossen, welcher aus circulär verlaufenden Fasern besteht, die wir ihres welligen Verlaufs halber für bindegewebiger Natur halten möchten. Ein Quer- schnitt durch den Beutel ist in Fig. 47 gegeben.

Am unteren Ende des Beutels setzen sich seine Fasern durch die Poren des Stachel-

schaftes in dessen Inneres fort und bilden von allen Seiten durcheinanderstrahlend eine

dichte Membran, die den im Beutel eingeschlossenen Stacheltheil von dem übrigen Schafte völlig abschliesst (Fig. 43, am). Die Fig. 51 zeigt im Längsschnitt, wie der Beutel (gb) sich als solide Lamelle (am) durch den Stachel hindurch fortsetzt und Fig. 49 die Ab- schlussfascie im Querschnitt: die weissen Kreise entsprechen den durch die entkalkenden Reagentien entfernten Theilen des Stachels, und durch die zwischen denselben befindlichen Poren sieht man die Fasern des Beutels in’s Innere strahlen und sich zu einer festen Membran verfilzen.

An der Spitze hat der Beutel eine Oeffnung, durch welche der Stachel nach aussen treten kann; ausgekleidet ist er von einer niedrigen Epithellage (Figg. 47 und 51, gep), in welcher Zellengrenzen meistens nicht unterschieden werden können. Das Epithel des Beutels ist als eine Einstülpung des äusseren Epithels des Giftköpfchens anzusehen. Im frischen Zustande lässt sich leicht erkennen, dass sowohl der Beutel, als der ıhn durch- setzende Stacheltheil von durchsichtigen, in einer hellen Flüssigkeit schwimmenden Bläs- chen erfüllt sind; diese Bläschen scheinen Zellen und Reste von Zellen zu sein, und es ist wohl zweifellos, dass sie vom Innenepithel des Beutels geliefert werden, der also ın seiner Gesammtheit eine mächtige Giftdrüse darstellt; wir wollen ıhn als Giftbeutel be- zeichnen.

Anders verhält sich der nicht vom Giftbeutel umschlossene Stachelschaft; wiıe Schnitte durch entkalkte Theile desselben lehren (Fig. 44), ist er erfüllt von Zellen und Bindegewebsfasern, welche durch die Poren des Stachels mit dem umgebenden Gewebe zusammenhängen.

Das den Giftbeutel umschliessende Köpfchen besteht aus Bindesubstanz, in welcher Pigmentzellen zerstreut sind (Fig. 45, piz) und aus Musculatur. Die Muskelfasern (Fig. 43, mm) scheinen in der Mehrzahl so angeordnet zu sein, dass ihr eines Ende an die Aussenfläche des Giftbeutels sich anheftet, ıhr anderes an den Kalkstachel unterhalb der Stelle, wo der Giftbeutel denselben durchsetzt, sich inseriert. Wenn sich diese Muskeln contrahieren, so wird der Giftbeutel nach unten gezogen, und die scharfe Spitze des Stachels entblöst sich. Zugleich wird das im Beutel enthaltene Secret durch die grossen, an der Basis des ım Giftsacke eingeschlossenen Stacheltheils liegenden Poren in diesen hineingepresst und spritzt durch die an der frei gewordenen Spitze befindlichen Oesen nach aussen. Diese Spitze besitzt, wie wir wissen, eine ausserordentlich scharfe Schneide (Fig. 53, msch), einem unendlich feinen Messer vergleichbar, sie dringt also mit Leichtigkeit in den sie berührenden Finger ein, und zu gleicher Zeit fliesst durch die Oesen das Gift ın die Wunde und verursacht den heftigen brennenden Schmerz.

Der zierliche Apparat erinnert auf’s lebhafteste an den Giftzahn der Schlangen und an manche im Kreise der Arthropoden vorkommende Einrichtungen. Einen ver- wandten Bau zeigen auch manche Seeigelpedicellarien, an denen bekanntlich ebenfalls Giftdrüsen vorkommen, deren Secret entweder durch die ausgehöhlte Spitze der Kalkklappe selber oder durch eine besondere Oeffnung ausfliessen kann. Die Giftstacheln bilden einen

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Schutzapparat von bedeutender Wirksamkeit, der für unser Asthenosoma gewiss von um so grösserem Nutzen ist, als seine weiche Schale den zahlreichen Raubfischen und anderen Verfolgern nur wenig Widerstand entgegenzusetzen vermag.

Ausser den kleinen blauen Giftköpfehen besitzt unser Asthenosoma auch noch

grössere, ebenfalls in Hautscheiden steckende Stacheln (vergl. Fig. 1), deren Hüllen eine

Anzahl auf einander folgender Einschnürungen und Erweiterungen zeigen (Fig. 50). Die in der Nähe des Ambitus gelegenen Stacheln dieser Art sind durch eine prachtvoll violette Spitze ausgezeichnet. Auch diesen Stacheln fehlt der Giftbeutel keineswegs, aber die Musculatur ist entweder nur schwach oder gar nicht entwickelt, so dass der Apparat lange nicht die Vollkommenheit erreicht, die er in den kleinen Giftköpfchen besitzt. Mit dem Fehlen der MuskeHasern hängt auch die Abwesenheit des blau irisierenden Lichtes zusammen, welches die kleinen Giftköpfehen auszeichnet, indem, wie wir uns glauben überzeugt zu haben, dieses Licht von den Muskelelementen ausgeht. |

Die Giftköpfehen sind überzogen von einem niedrigen einschichtigen Epithel, in welchem man schon bei Lupenbetrachtung (Fig. 45) eine Anzahl von Längslinien (Ist) in regelmässigen Abständen von einander angeordnet verlaufen sieht. Diese lassen sich in nahezu gleicher Weise bis zur Basis des Stachels verfolgen, ihre Zahl schwankt zwischen neun und dreizehn. Dasselbe Verhältniss wiederholt sich auch an den grösseren Stacheln (Fig. 50).

Auf Schnitten bemerkt man, dass ım Verlauf dieser Streifen das Epithel eine Ver- änderung erlitten hat, es erscheint verdickt, manchmal rinnenartig eingesenkt und ent- hält stellenweise grosse blasige Zellen (Fig. 54). Unterhalb der also veränderten Epithel- streifen verläuft jedesmal ein feiner Nervenzug (Fig. 48), welcher wahrscheinlich aus dem bekannten, an der Basis sämmtlicher Seeigelstacheln (Hamann, Prouho) vorkommenden Ringsganglion seinen Ursprung nımmt.

Dieselben Längsstreifen mit ihren Nerven hat Hamann (2) von anderen Seeigel- stacheln beschrieben; er berichtet, dass diese dickeren Partien des Epithels von den in mehreren Schichten liegenden Wimperzellen eingenommen werden, während dem abge- platteten Epithel der übrigen Stellen die Wimperung fehle. Jedenfalls wird man diesen Nervenleisten einen hohen Grad von Sensibilität noch unbekannter specifischer Energie zuzuschreiben haben.

An gewissen Stellen des Stieles der Giftköpfehen vermochten wir am lebenden Thiere zu bemerken, wie die Epidermis sich langsam hob und wieder senkte; es entstanden dadurch uhrglasförmige helle Ausbuchtungen (Fig. 56), die stets nach einiger Zeit wieder verschwanden. An den durchsichtigen Objecten liess sich erkennen, dass die kleinen platten Zellen, welche die Epidermis bilden (Figg. 55 und 56 ep) an ihrer Basis mit an- deren, theils einfachen, theils verästelten Elementen (Fig. 55, bdg) zusammenhingen, welche in einer Anschwellung einen Kern zeigten. Zwischen diesen schmalen Zellen

blieben grosse Lücken frei, in denen Pigmentzellen (piz) hin und wieder sichtbar waren.

Wir halten diese mit den Epidermiszellen zusammenhängenden Elemente für contractile Bindegewebszellen und glauben, dass sie das Pulsieren dieser Hautstellen hervorzurufen im Stande sind. Dadurch wird die Flüssigkeit, welche in den grossen Lücken sich ansammelt, ın Bewegung gesetzt, und wir denken daher, dass diesen Stellen die Bedeutung von Lymphherzen zukomme. Wahrscheinlich wird man bei aufmerksamer Beobachtung lebender Seeigel an vielen Stellen der Körperhaut dieselbe Erscheinung wahrnehmen.

Prouho (8) beschrieb an der Basis der secundären Stacheln von Dorocidaris eine Art von Ampulle, welche eine mit Flüssigkeit gefüllte Auftreibung der Haut sei und so- fort zusammenfalle, wenn man sie mit einer Nadel ansteche. Prouho hat offenbar eine ähnliche Bildung wie die von uns als Lymphherzen gedeutete vor sich gehabt, nur erwähnt er keine Pulsationen, und in der histologischen Beschreibung weicht er insofern von uns ab, als er die platten eigentlichen Epidermiszellen offenbar übersehen hat und das ganze Gebilde blos aus langen, an die Cuticula direct anstossenden Stützzellen bestehen lässt, welche grosse Lücken zwischen sich lassen sollen.

In unserer Arbeit über die Augen und das Integument der Diadematiden (dieses Werk, Bd. 1, Hft.1) haben wir neben anderen den subepithelialen Nervenplexus der Haut durchsetzenden Elementen kleiner Canälchen Erwähnung gethan, welche von einem unterhalb des Plexus befindlichen Raume ausgehen, das Nervenlager durchziehen und in die Intercellular- räume der Epidermiszellen übergehen. Basierend auf der Beobachtung Ludwig’s (6), dass die Cuticula der Seesterne von Poren durchsetzt sei, schlossen wir, dass durch diese Canälchen und weiterhin durch die Poren der Cuticula die Flüssigkeit des Seeigelkörpers mit der Aussenwelt in osmotischer Verbindung stehe, dass somit in der Epidermis die Bedingungen für eine lebhafte Hautathmung gegeben seien und dass überdies durch diese feinen Canäl- chen den Epidermiszellen die nöthige Nahrung zugeführt werden müsse.

Wir haben auch bei Asthenosoma sowohl die Intercellularräume der Epidermis- zellen, als die kleinen Gänge, welche den dichten Nervenplexus durchsetzen, wieder gesehen. Bei Diadema waren diese Verhältnisse allerdings noch deutlicher -zu erkennen, weil bei dieser Form der Nervenplexus wohl in Folge der überall in der Haut zerstreuten Sehorgane eine viel mächtigere Entwicklung erreicht, als dies bei Asthenosoma der Fall ist. Doch sind auch hier die Canälchen deutlich, und namentlich zeigen sie sehr oft an ihrem Ur- sprung aus dem unterhalb des Plexus gelegenen Raume eine leichte ampullenartige An- schwellung. Wir verweisen für diesen Punkt auf Teuscher’s (10) Figur 17 (Taf. XIX), wo er eine Reihe von sogenannten Querfasern des Ambulacralnerven eines Seesterns zeich- net, welche sämmtlich an ihrer Ansatzstelle zu zwiebelförmigen Knollen anschwellen. Diese „Fasern“ Teuscher’s halten wir für kleine Canälchen, die Zwiebeln für ampullenartige Erweiterungen derselben, indem, wie uns scheint, gerade diese sonderbare Art der An- schwellung entscheidend gegen die Fasernatur dieser Elemente spricht.

Prouho (8) erklärt, dass er diese Canälchen nicht habe finden können und glaubt,

dass wir uns durch Fortsätze der Epidermiszellen hätten täuschen lassen. Indessen finden

128 sich auf seiner Figur 4 (Taf. XVI) Andeutungen, dass er die Canälchen nicht übersehen hat; er zeichnet hier, besonders an einer Stelle deutlich, im Nervenplexus Lücken, welche sich bis zwischen die Epidermiszellen verfolgen lassen, und diese sind es, die wir als die Wege für die Nährflüssigkeit in Anspruch nehmen möchten.

Ferner hält Prouho die Cuticula für eine solide porenlose Schichte. Dagegen spricht nun erstlich der schon einmal in diesem Sinne verwerthete Versuch Perrier's (7), nach welchem bei Seeigeln, die man in gefärbtem Wasser leben lässt, die membranösen Theile sich ganz rapide durch Endosmose färben, dann Hoffmann’s (3) Beobachtung, dass, wenn man einen lebenden Seestern in süsses Wasser werfe, derselbe durch Osmose zu einer ganz gewaltigen Dicke anschwelle.

Weiterhin können wir für die Porosität der Guticularbildungen unsere grösste Autorität in solchen Dingen in’s Feld führen, Leydig. Leydig (4) sagt 1864: „Es ist ein sehr allgemeiner Character der Cuticularbildungen, dass sie von senkrechten Canälen durchsetzt werden, welche nach Grösse und Form sehr verschieden sind. Die einen stellen die sogenannten Porencanäle vor; sie sind in zahlloser Menge vorhanden und so fein, dass sie auch bei starker Vergrösserung nur als zarte Striche gesehen werden, bei der Flächen- ansicht nehmen sie sich wie dunkle Punkte aus.“ Dann schreibt er (5) 1885: „In den vom Zellkörper abgeschiedenen Cuticularbildungen fehlt ferner wohl niemals die Durch- brechung der Membran durch Löchelchen oder, wenn sie dicker ist, durch Ganälchen.“ Leydig fügt hinzu, dass sich die feinen Poren leicht dem Blicke entziehen können, und so glauben wir, dass wır wohl berechtigt waren und noch sind, die so sehr zarte Cuticula der Seeigel nicht für eine den Körper glasartig nach aussen abschliessende Lage,

sondern für eine osmotischen Verkehr auf’s leichteste erlaubende Hülle anzusehen.

Literaturverzeiehniss.

Zu Abschnitt 5.

1. Agassiz, A., Report on the Echini in: Reports on the 6. Ludwig, H., Beiträge zur Anatomie der Asteriden, Zeitschr. results of dredging by the U. S. Coast survey steamer | f. wiss. Zool., Bd. 30, 1878. „Blake“, Memoirs of the Museum of comparative Zoo- 7. Perrier, Ed., Recherches sur l’appareil eirculatoire des logy at Harvard college, Bd. 10, No. 1, 1883. | oursins, Arch. de Zool. exp. et gen., (1), Bd. 4, 1875. 2. Hamann, 0., Beiträge zur Histologie der Echinodermen, | 8. Prouho, H., Recherches sur le Dorocidaris papillata ete., Jenaische Zeitschr. f. Naturw., Bd. 21, 1887. ibid., (2), Bd. 5, 1887. 3. Hoffmann, C. K., Zur Anatomie der Asteriden, Nieder- 9. Sarasin, P. & F., Ueber einen Lederigel aus dem Hafen länd. Archiv f. Zoologie, Bd. 2, 1873. von Trincomali und seinen Giftapparat, Zool. Anz., 4. Leydig, F., Vom Bau des thierischen Körpers, Tübingen, 1886. 1864. ' 10. Teuscher, R., Beiträge zur Anatomie der Echinodermen, 5. Leydig, F., Zelle und Gewebe, Bonn, 1885. Jenaische Zeitschr. f. Naturw., Bd. 10, 1876.

VI. ÜBER DIE VERWANDTSCHAFT DER ECHINOTHURIDEN, SOWIE DER ECHINODERMEN ÜBERHAUPT.

Die Echinothuriden erweisen sich als eine selbständige Untergruppe der Echi- noideen in der Hauptsache durch folgende Merkmale: Biegsamkeit der Schale, verbunden mit ausgeprägter Imbrication der Platten; Längsmuskeln behufs Bewegung ihres Panzers; kleine von Hautscheiden umgebene Stacheln; gewaltige Entfaltung der Stewart’schen Organe.

Nahe Verwandtschaft zeigen sie einerseits zu den Cidariden durch den gemein- samen Besitz der imbricierenden Mundplattenreihen, andererseits zu den Diadematiden durch grosse Aehnlichkeit der Coronalplatten und des Apicalsystems und den Besitz von Kiemen, welch’ letztere den Cidariden fehlen. Astropyga unter den Diadematiden zeigt schwache Imbrication und sehr dünne Schale. Sowohl die Cidariden, als die Diadematiden besitzen die Stewart’schen Organe, welche bei den Echinothuriden reich entwickelt sind, in rudimentärer Ausbildung.

Welche von diesen drei mit einander verwandten Gruppen ist nun als die älteste, als die embryonalste anzusehen? Nach unserer Ansicht sind es die Echinothuriden. Die Punkte, auf die wir uns stützen, sind bald aufgezählt und sind theilweise auch schon von Anderen hervorgehoben worden. Es wäre auch nicht nothwendig, diese Frage neuer- dings zu beleuchten, wenn die niedere Stellung der Echinothuriden allgemein angenommen wäre; aber kein Geringerer als A. Agassiz zeigt Neigung, sie als Descendenten der Diadematiden anzusehen, und ziemlich allgemein, so auch von Ludwig (29), finden wir an die unterste Stufe der Euechinoideen die Cidariden hingesetzt. Es ist also nöthig, unsere Gründe auseinanderzusetzen.

Die Echinothuriden theilen die Imbrication sämmtlicher Platten des Körpers mit den Palaeechiniden, wogegen unter den Euechinoideen, abgesehen von den hier nicht berücksichtigten Irregulares, nur Astropyga eine nennenswerthe Spur von Imbrication auf- weist, ein offenbar rudimentäres, allmälig verschwindendes Verhältniss; denn die Platten sind hier bereits fest untereinander verlöthet, und bei dem nahe verwandten Diadema kann man eigentlich schon nicht mehr von Imbrication sprechen. Noch viel weiter entfernen

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sich in diesem Punkte die modernen Cidariden, deren Panzer noch überdies meistens durch besondere Härte sich auszeichnet; doch hat freilich die Dicke der Platten nicht sehr viel zu sagen: es giebt auch dünnschalige Cidariden, z. B. Eucidaris (cf. Döder- lein, 15, pag. 30) und unter den Perischoechiniden sehr dickschalige, z. B. Melonites (cf. Römer, 38).

Was die Palaeechiniden und Echinothuriden dauernd besitzen, nämlich die Im- brication, das kommt einer der ältesten Gruppen der Euechinoideen, den Cidariden, in der Jugend vorübergehend zu. Döderlein zeigte in seiner schönen Untersuchung über die japanischen Cidariden (15), dass in jüngsten Stadien die Platten imbricieren; ferner fand er, dass bei triasischen Cidariden Imbrication dauernd vorkomme und ebenso bei Eocidaris Keyserlingi aus der Dyas. Er setzt hinzu: „Der Satz, dass die Ontogenie eine der Haupt- sache nach getreue Wiederholung der Phylogenie ist, dürfte in hohem Maasse auf die vor- liegende Thiergruppe anwendbar sein.“

Die Richtung der Imbrication ist bei den Palaeechiniden und Echinothuriden die- selbe, in den Interambulacralfeldern umgekehrt als in den Ambulacralreihen. Dem wider- spricht, was Keeping (22) berichtet, dass bei den Echinothuriden die Interambulacralplatten von oben nach unten, die Ambulacralplatten von unten nach oben imbricierten, während bei den Perischoechiniden gerade das Gegentheil der Fall sei. So z.B. bei Perischodomus imbricierten die Interambulacralplatten von unten nach oben und die Ambulacralplatten von oben nach unten. Hier muss eine Verwechslung vorliegen, insofern dies die Echino- thuriden betrifft. Es ist nämlich durchaus nicht gleichgiltig, ob wir die Imbrications- rıchtung von der Innen- oder von der Aussenseite der Schale betrachten. Von innen angesehen, decken sich die Interambulacralplatten der Echinothuriden genau so wie die Ziegel eines Daches, nämlich von oben nach unten, von aussen betrachtet aber geschieht die Imbrication da, wo die Plattenhreite zur gegenseitigen Deckung überhaupt ausreicht, nämlich in der Mittellinie, von unten nach oben, und dies ist selbstverständlich auch seitlich der Fall, falls die Platten sich berühren. Der Panzer der Palaeechiniden wird aber stets von der Aussenseite beurtheilt, und auf diese sind Keeping’s Angaben zu beziehen. Wenn also die Interambulacralia der Echinothuriden von aussen betrachtet von unten nach oben, die Ambulacralia umgekehrt von oben nach unten imbricieren, so deckt sich dies mit Keeping’s Angaben über Perischodomus, die Uebereinstimmung der Imbrication bei Palaeechiniden und Echinothuriden ist also eine vollkommene, bei den letzteren nur eigenartig weiter ausgebildet.

Aehnlich liest der Fall bei dem fossilen Echinothuriden aus dem Coral rag, bei Pelanechinus corallinus. Groom (18) sagt, dass die obersten Interambulacralplatten von unten nach oben imbricierten, was von den Echinothuriden differiere; offenbar dachte er dabei an die Imbrication der lebenden Echinothuriden, wie sie sich von innen zeigt; seine Beobachtung an Pelanechinus stimmt jedoch vollkommen zu Asthenosoma, so gut

wie Keeping’s Angaben über Perischodomus. Ebensowohl decken sich auch Woodward’s

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Bemerkungen (50) über die Imbrication von Echinothuria Horis mit dem Verhältniss von Asthe- nosoma; er sagt, dass die Interambulacralplatten mit dem convexen Rand nach aufwärts überlappten (also von unten nach oben!), während die Ambulacralplatten abwärts imbri- cierten (also von oben nach unten!). Dass er die Aussenseite mit den Tuberkeln bei der Beurtheilung vor sich hatte, beweisen seine Abbildungen.

Wie bei der grossen Mehrzahl der Perischoechiniden ist bei den Echinothuriden die Schale biegsam, beweglich. Da die letzteren als mit starken Längsmuskeln versehen sich auswiesen, ist es wahrscheinlich, dass auch die Palaeechiniden dieselben besessen haben. Es ist aber schwer zu glauben, dass aus den beweglichen Perischoechiniden zuerst Hartschaler, beispielsweise Diadematiden, ohne Schalenmuskeln und mit fast erloschener Imbrication und aus diesen neuerdings die mit Muskeln und ganz gleicher Imbrication wıe die Perischoechiniden begabten Echinothuriden sich entwickelt hätten.

Das freie Nebeneinanderliegen der primären Ambulacralplatten ist ein embryonales Verhältniss, welches die Echinothuriden mit den Cidariden unter den Reeularia theilen. Die Ambulacralplatten der phylogenetisch jüngern regulären Echiniden sind Grossplatten, entstanden durch Verschmelzung ursprünglich freier Primärplatten. Das embryonalste Ver- hältniss fanden wir am Pol des Ambulacralfeldes, wo jede Primärplatte an Grösse der andern gleich war. Secundär entwickelten sich an einzelnen Fortsätze, welche dann durch bedeutende Ausbildung den Anblick des Ambulacralfeldes gänzlich veränderten. (Siehe darüber die Bemerkungen im ersten Abschnitt, Seite 88 und 89.)

Was dieIlnterambulacralplatten angeht, so macht Agassız (4, pag. 72) darauf aufmerksam, dass den kleinen interambulacralen Platten der Perıschoechiniden diejenigen Stücke der Interambulacralplatten der Echinothuriden entsprechen, welche die primären Tuberkeln tragen. So lässt sich vielleicht ontogenetisch erweisen, dass die Interambulacral- platten der Echinothuriden als Grossplatten aus mehreren kleineren nebeneinanderliegenden Täfelchen verschmolzen sind, deren jedes Träger eines Stachels gewesen war. An das Echinothuridenverhältniss schliesst sich ohne weiteres das der Diadematiden an, wo dann die Verschmelzung weiter gediehen ist.

Die Genitalöffnungen sind bei einigen Asthenosomen noch nicht mit der zu- gehörigen Genitalplatte verbunden wie bei anderen Echiniden. Diese Beobachtung stimmt mit Loven’s Bemerkung zusammen, der zufolge ursprünglich die Genitalplatten vom Genitalapparat gänzlich unabhängig sind (25, pag. 69). Auch Agassız ıst dieser Ansicht (4, pag. 74). Ferner fand Studer (44), dass beim Weibchen von Goniocidaris canali- culata der Genitalporus die Genitalplatte nicht durchbohrt, sondern in einer Lücke zwischen der Genitalplatte und den beiden ersten Interambulacralplatten sich öffnet, welche von einer Membran ausgefüllt wird. Dies ist aber das gleiche Verhältniss wie bei unserem Asthenosoma urens. Eine Schwierigkeit finden wir darin, dass bei der grossen Mehrzahl der Echinoideen ontogenetisch der Genitalgang die schon vorgebildete Platte, soweit wir wenigstens wissen, ohne weiteres durchbohrt. Dies ist freilich unvermeidlich, wenn das

SARASIN, Ceylon 1. 17

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Skelet sich ontogenetisch zu einer Zeit ausbildet, wo das Geschlechtsorgan noch nicht soweit entwickelt ist, um seinen Ausführgang nach der Körperhülle senden zu können; und je weiter sich ein Seeigel von seinem Ursprung entfernt, um so früher in der Jugend wird sein Skelet zur Ausbildung kommen. Die Frage aber, ob das Verhältniss von Asthenosoma varıum, wo der Genitalgang die Platte durchbohrt, oder das von A. urens und Grubei, wo das nicht der Fall ist, das ältere sei, ist noch nicht zu entscheiden, wenn auch die Wahrscheinlichkeit auf der letzteren Seite liest. Es ist hier auch eine Beobachtung von Ludwig beizu- ziehen (27, pag. 80): Er fand bei einem Exemplar von Asthenosoma varıum, dass der Genitalporus des Madreporiten nicht ın der Mittellinie innerhalb desselben, sondern an seinem seitlichen Rande sich befand. Dies ist, wie uns scheint, ein neuer Beweis für die Unabhängigkeit des Porus von der Platte. Weiter fiel Ludwig am selben Exemplar auf, dass auf einer Genitalplatte zwei Poren waren. Diese Vermehrung der Genitalporen er- innerte ıhn an die Palaeechiniden, „zu denen ja“, wie er sich ausdrückt, „die Gattung Asthenosoma ohnehin schon Beziehungen besitzt.“

Ganz ebenso wie für die Genitalplatten gestaltet sich die Frage für die Ocellar- platten und ihren Porus. Siehe darüber Abschnitt 1, Seite 91.

Die Angabe von Agassiz (4, p. 74), dass der Ocellarporus stets an die Ocellar- platte gebunden sei, ist nach unsern Beobachtungen an Asthenosoma urens nicht mehr zutreffend.

Das merkwürdige Bild, welches der Apicalpol von A. urens bietet, indem die Ocellar- und Genitalplatten zusammen einen Ring aus zehn Stücken bilden und alle mit Ausnahme des Madreporiten fast gleicher Grösse sind, erinnert stark an einen palaeozoi- schen Echiniden wie Palaeechinus, dessen ganzes Apicalfeld dem von Asthenosoma urens schr ähnlich sieht.

ge

Apicalpol von Asthenosoma urens nach . Apicalpol von Palaeechinus elegans nach Tafel XII Fig. 16. Zittel’s Lehrbuch. ge Genitalplatten, oc Ocellarplatten.

In dieser Hinsicht schliessen sich die Diadematiden ohne weiteres an die Echino- thuriden an, indem bei ihnen die kleinen Ocellar- mit den grossen Genitalplatten zusammen einen Ring bilden. Anders ist das bei den Cidariden, wo als Regel die beiden Ringe, Ocellar- und Genitalring, alternieren, so zwar, dass der erstere ausserhalb vom letztern liegt, ein um so schwerer wiegendes und um so schwerer verständliches Verhältniss, als Döderlein (15) zeigte, dass dies ontogenetisch einen sehr frühen Zustand darstellt. Da-

gegen macht Neumayr (34) aufmerksam, dass bei den Cidariden nie eine starke seitliche

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Ausbreitung der Ocellarplatten und ein Bestreben, sich mit einander zu vereinigen, her- vortrete. Wo sie sich ausdehnten, geschehe dies in radialer Richtung. Er hält es nicht für unwahrscheinlich, dass auch bei den Cidariden Genital- und Ocellarplatten ursprünglich nicht zwei alternierende fünfzählige, sondern einen einzigen zehnzähligen Kranz darstellten.

Wir selbst möchten auch die Apicalplatten-Anordnung der Echinothuriden für älter halten als die der Cidariden, da sie mit derjenigen der Perischoechiniden so wohl über- einstimmt. Wir sind geneigt, den Genital-Ocellarring für ursprünglich nichts anderes als den äussersten Plattenkreis des Apicalpols zu halten, welchem nach dem Mittelpunkte zu, concentrisch angeordnet, engere und aus stets kleineren Plättchen zusammengesetzte Kreise folgen. Vielleicht ist ein aus zehn Stücken bestehender Genital-Ocellarring bei den Cida- riden in noch jüngern Stadien zu erkennen, als Döderlein sie untersucht hat. Das Jüngste von ihm auf den Apicalpol geprüfte Exemplar hatte 3mm Durchmesser (15, pag. 28).

Die Platten der Mundhaut bei den Echinothuriden und Cidariden sind umge- wandelte Coronalplatten, wie man längst weiss; der Coronalrand ist also ontogenetisch noch in beständiger Umbildung begriffen, und es ist so der Uebergang zu einem Zustande leicht denkbar, wo überhaupt zwischen Mundfeld und Corona kein Unterschied bestand. Bei den palaeontologisch jüngern Euechinoideen fixiert sich der Coronalrand ontogenetisch früher, und indem er, an Umfang durch Breitenwachsthum seiner Platten gewinnend, sich von der Mundöffnung entfernt, wird der so sich bildende Raum durch eine Haut ausgefüllt, welche secundär mit Kalkschuppen sich bekleidet. Nur zehn ambulacrale Platten bleiben in der Nähe des Mundes liegen; sie entsprechen nach unserer Ansicht dem innersten Schuppenring der Mundhaut der Echinothuriden und Cidariden. Denkt man sich, dass gleich nach ihrer Bildung der Coronalrand sich zu einem soliden Grenzring zwischen Mundfeld und Corona constituierte, dessen Bestandtheile in Folge fester gegenseitiger Ver- schmelzung nicht mehr auf das Mundfeld übertreten konnten, so bekommen wir das Ver- hältniss, wie es alle regulären Euechinoideen mit Ausnahme der Echinothuriden und Cida- riden aufweisen.

Die Interambulacralplatten des Mundfeldes der Cidariden fehlen den Echino- thuriden, welche zwar die von jenen Platten eingenommene und von uns Kiemenfeld genannte Stelle gleich ausgebildet besitzen (vergl. Tafel XI, Fig. 2 und 3, Kf); aber die anliegenden interambulacralen Coronalplatten waren durch die Kiemen gehemmt, auf das- selbe überzutreten, resp. dasselbe durch Abspaltung mit Platten zu versehen. Die Kiemen fehlen den Cidariden. Die Palaeontologie hat zu erweisen, welcher Zustand der ursprüng- liche ist, ob der Besitz oder der Mangel von Kiemen. Es lässt sich vielleicht denken, dass Cidaris in der Jugend Kiemen besass und zwar, dass sie so lange bestanden, als der Raum zwischen den ambulacralen Plattenreihen, die sogenannten Mundeinschnitte, noch nicht von interambulacralen Plättchen bedeckt war. Sobald dies geschah, wurden die Kiemen resorbiert; denn wir sehen sie beständig an den Coronalrand gebunden, mit dem-

selben während des Wachsthums nach aussen wandernd.

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Um zu zeigen, was wir mit den Mundeinschnitten von Cidaris meinen, welche wir hypothetisch für Kiemeneinschnitte in Anspruch nehmen, geben wir einen Theil des Loven’schen Bildes vom Mundfeld von Cidaris hystrix hier wieder.

Döderlein (15) zeigte, dass in frühester Jugend Cidaris keine Interambulacralplatten auf dem Mundfelde entwickelt; es waren nur Am- bulacralplatten vorhanden, welche als directe Fortsetzung der Ambulacralplattenreihen der Co- rona erschienen; dies ist aber ein Verhältniss,

welches Asthenosoma zeitlebens beibehält. Bei

Cidaris ist esim definitiven Mundfeld so weit dauernd

Mundfeld von Cidaris hystiix nach-Loven, Etudes, pag. 9. pewahrt, als die drei innersten Plattenkreise rei- ki hypothetische Kiemeneinschnitte. chen (siehe nebenstehenden Holzschnitt bei ki).

Sollten also die Cidariden wirklich Kiemen in der Jugend aufweisen, so würde zu fordern sein, dass ihre unmittelbaren Vorfahren Kiemen besessen hätten, dass das Ver- hältniss der Echinothuriden somit das ältere sei; dann wäre auch der grosse Gegen- satz, welchen Ludwig (27) zwischen den Cidariden einerseits und sämmtlichen übrigen Euechinoideen andrerseits aufstellt, verwischt. Sollte jedoch diese Hoffnung als eitel sich herausstellen, so wäre Cidarıs hinsichtlich ihres Mundfeldverhältnisses älter als Astheno- soma, was aber keineswegs erwiese, dass sie dasselbe nun auch in allen andern Beziehungen wäre. Der gemeinsame, im allgemeinen den Echinothuriden sehr nahestehende Vorfahr der Echinothuriden und Cidarıden hätte noch keine Kiemen besessen; dieselben wären in verhältnissmässig kurzer Zeit von den Echinothuriden selbständig erworben worden.

Die grosse Mehrzahl der Stacheln von Asthenosoma steckt ın Hautscheiden zeit- lebens, ein eminent embryonales Verhältniss; denn bekanntlich ist dies bei den Stacheln aller Euechinoideen ontogenetisch der Fall. Die zarten Stacheln der Perischoechiniden waren denen von Asthenosoma wahrscheinlich gleich gebaut. Der Bau der Stacheln der Diadematiden schliesst sich an den der Echinothuriden, also an embryonale Verhältnisse, enger an als derjenige der Cidariden.

Die Stewart’schen Organe der Cidariden sind ebenso wie diejenigen der Diadematiden rudimentär entwickelt; sie deuten auf eine gemeinsame Quelle, da eine directe Ableitung der genannten Gruppen von einander schwer möglich scheint. Da fanden wir denn diese Organe mächtig entfaltet bei den Echinothuriden, welche in diesem Punkte somit zwischen jenen beiden Gruppen die Brücke bilden.

Wenn wir aus den dargestellten Verhältnissen die Ueberzeugung erwecken wollten, dass von den drei hier in Betracht kommenden Echinoideengruppen die Echinothuriden die phylogenetisch älteste bilden, welche einerseits direct an die Perischoechiniden, andrer- seits gleichzeitig an die Cidariden und Diadematiden sich anschliesst und Merkmale an

sich trägt, welche ontogenetisch von den letzteın durchlaufen werden, so meinen wir nicht,

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dass gerade Thiere von der speciellen Ausbildung, wie es die Echinothuriden sind, den Ausgangspunkt für alle Euechinoideen bildeten; wir glauben, dass auch sie sich in man- chen Punkten von dieser hypothetischen Wurzel selbständig entfernt haben, so besonders in der eigenthümlichen Ausbildung der Coronalplatten zu pistolenförmigen Gebilden, indem sich ihre in den Medianlinien der Interambulacralfelder und Ambulacralfelder hegenden Enden an der Innenseite des Perisoms durch secundäres Auswachsen weit übereinander geschoben haben. Ferner halten wir für wahrscheinlich, dass die so sehr starke Ausbildung nackter Zwischenräume zwischen den Coronal- und Apicalplatten bei mehreren Asthenosomen, wie besonders bei unserm A. urens, nicht ganz dem ursprünglichen Verhalten entspreche, dass vielmehr manche Phormosomen und solche Asthenosomen mit weniger grossen Plattenzwischen- räumen demselben näher stehen; doch ist dies, wie uns scheint, ein sehr specieller, wenig wichtiger Umstand; wir fassen einerseits Asthenosoma urens und Grubei, andrerseits Phormo- soma als Oscillationen um einen ursprünglichen Mittelzustand auf. Diesem schreiben wir hinsichtlich der Ausbildung des Skeletes zu: selbstständige Ausmündung der Genitalgänge, Nichtverschmelzung der Ambulacralporenplatten zu Grossplatten, dagegen auch gegenseitige Berührung und Imbrication der Coronal- und Apicalplatten.

Es ist nicht wahrscheinlich, auch sind wir zunächst durch keine Beobachtung genöthigt, anzunehmen, dass die Euechinoideen aus mehr als einer Wurzel ihre Entstehung von den Perischoechinoideen genommen haben. Die für sie characteristische Anordnung der Coronalplatten in zehn Doppelreihen deutet auf eine gemeinsame Stammform. Dieselbe hat viele Charactere mit den Perischoechiniden gemein, und es stehen ihr nach unsern Er- gebnissen die Echinothuriden am nächsten. Aus ıhr entwickelten sich dann einer- seits die Cidariden, andrerseits die Diadematiden. Wir möchten beinahe glauben, dass die Cidariden sehr stabil geblieben sind und stützen uns dabei auf Cotteau (13), welcher sagt, dass Cidaris von der Trias an durch Jura, Kreide, Tertiär bis heute intact alle seine Charactere behalte, während um dieselbe alle Genera, alle Formen so gänzlich sich änderten, dass oft in höheren Schichten gar nichts mehr an sie erinnere. Merkwürdig ist dabei, dass es dennoch immer sehr schwer war, die Speciescharactere von Cidaris zu präcisieren; so sagt Agassız im „Blake“ von Dorocidaris Blakei (6, pag. 11): „Enough has been shown from the examination of this species to show how little we are as yet "able to determine among the Cidaridae the value of either generic or specific characters“, und von Dorocidaris papillata lesen wir in der Revision (2, pag. 254), dass diese Species eine ganz erstaunliche Variabilität aufweise und zwar sowohl in den Proportionen der Coronal- platten, als in der Länge und Dicke der Stacheln, der Lage und Grösse der Genitalöffnungen, der Grösse des Analsystems, der Ocellarplatten.

Obwohl einige der aufgezählten Differenzen auf Geschlechtsdimorphismus werden zu beziehen sein (siehe Studer, 45), so ist doch jedenfalls bei Cidaris die individuelle Variabilität eine ausserordentliche; die Gruppe aber blieb dieselbe; vielleicht spielte die Variation stets innerhalb bestimmter Grenzen und folgte nicht dauernd einer gewissen

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Richtung, wie dies, um eines Beispiels zu erwähnen, für die Wanderung des Afters aus dem Apicalpol heraus nach dem Munde zu für die Irregularia nachgewiesen ist. Die Variationen für Cidaris würden sich also bildlich wie die Schwingungen eines Pendels verhalten; sie kehrten von der erreichten Abweichung stets wieder zur Urform zurück. Als ein sehr aberranter Cidarit ist die merkwürdige Tetracidaris zu erwähnen, welche ganz unerwarteter Weise in einem Interambulacralfeld vier Reihen von Platten entwickelt.

Anders als die Cidariden verhalten sich die Diadematiden. Vielleicht gelingt es, von ihnen die Saleniden und alle andern regulären Euechinoideen abzuleiten. Darüber später noch mehr.

Aus all dem Gesagten geht nun auch hervor, dass wir den Echinothuriden ein hohes Alter vindicieren, da wir ıhren Anschluss sehr nahe bei den Perischoechiniden suchen. Es wurde zuweilen betont, dass sie erst in der Kreide mit Echinothuria Noris sich zeigten; unterdessen aber ist schon ein ächter Echinothuride, Pelanechinus corallinus, aus dem Coral rag bekannt geworden (Keeping, Groom), so dass sie gewiss noch in älteren Schichten werden gefunden werden. Der lose Zusammenhang ihrer Platten erschwert die fossile Erhaltung; auch ist es möglich, dass sie wie heutzutage immer zu den selteneren Thieren gehört haben.

Für die hier erörterten Fragen sind selbstverständlich Entwicklungsstadien von grösster Wichtigkeit. Zu spät bereuten wir es, dass wir in Ceylon nicht eifriger nach solchen gefahndet hatten; es sind uns keine in die Hände gefallen. Ein jüngeres Thier von 90 mm Durchmesser zeiste am Apicalpol dasselbe Verhältniss wie ein älteres von 125 mm (vergl. Tafel XUH, Fig. 17 und 16); doch ist ‚dies für unsere Zwecke nicht zu brauchen. Dagegen war es Agassız, welcher mehrere Jugendstadien beschrieb und zu Resultaten kam, welche wir nothwendig besprechen müssen; denn sollte sich zeigen, dass Asthenosoma in der Jugend ein Diademastadium durchläuft, wie Agassız vermuthen möchte, so fällt unsere Behauptung, die Echinothuriden stünden unter den lebenden Echinoideen den Palaeechiniden am nächsten, in sich zusammen.

In seiner Revision of the Echini beschreibt Agassiz schon im Jahre 1872 ein Junges Asthenosoma von 3 mm Durchmesser und berichtet davon folgendes: Das junge Thier war flach, tief eingeschnitten an den Ambulacra, die Interambulacra als Lappen vor- stehend. Die ganze Schale bestand aus kleinen Kalkzellen und war offenbar ganz beweglich.‘ Die Stacheln waren sehr kurz. Eine Abbildung ist hbeigegeben auf Taf. IIc, Fig. 1 und 2.

In den Echiniden des Challenger beschreibt Agassız verschiedene Jugendstadien von Asthenosoma und Phormosoma und macht dabei einige Angaben, die, falls sie sich als unumstösslich richtig erweisen sollten, gar nicht zu begreifen wären. Wir wissen, dass bei Cidaris die ambulacralen Mundplatten dadurch zu Stande kommen, dass mit dem Wachsthum des Thieres die Ambulacralplatten der Corona sich in dieselben umbilden. Jede Platte wird von einem Ambulacralfüsschen durchbohrt. Hinsichtlich der Echinothuriden jedoch lesen wir bei Agassiz (4, pag. 74), dass beim kleinsten Exemplar von Phormosoma

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uranus der Sammlung, S mm im Durchmesser, die Mundhaut zwar schon von Platten bedeckt sich zeige; aber dieselben seien anders angeordnet als beim erwachsenen, ja in einer Weise, welche das junge Thier viel mehr den Diadematiden als den Echinothuriden nähere. Die Mundhaut trage wie bei Echinothrix und Centrostephanus zehn grosse Buccalplatten, einen fast geschlossenen Ring um den Mund bildend, und ausserdem einen äusseren Kreis von zwanzig Platten, von denen zehn ambulacral und von Tentakeln durchbohrt und zehn interambulacral seien. Ganz dasselbe Verhältniss sah Agassız bei einem jungen Exem- plar von Phormosoma tenue, das freilich schon 49 mm Durchmesser besass.

Andererseits fand er, dass ein Asthenosoma gracile von 24 mm die imbricie- renden Platten der Mundhaut schon wohl entwickelt zeigte, und ebenso verhielt es sich bei einem Phormosoma luculentum von 36 mm Durchmesser.

Diese Angaben lassen sich so wenig miteinander vereinigen, dass wir ein Versehen vermuthen müssen. Während die letzteren Bemerkungen, nämlich diejenigen über das junge Asthenosoma gracıle und Phormosoma luculentum nach unserer Ansicht das richtige treffen, da sie mit analogen Beobachtungen bei den Cidariden übereinstimmen, so kann dies mit denjenigen über die jungen Phormosoma uranus und Ph. tenue nicht der Fall sein. Wir glauben, dass die als solche beschriebenen jungen Seeigel gar keine Phormo- somen, sondern junge Astro- resp. Micropygen sind, eine Vermuthung, in welcher wir durch Agassiz’s- eigene Worte bestärkt werden. Er sagt selbst (4, pag. 91): „Astro- pyga war vom Challenger nicht gefangen; aber einige junge Exemplare, welche provisorisch zu den Echinothuriden gestellt wurden (some of the young specimens of Echinothuridae which have been provisionally named) mögen sich zuletzt als zu diesem Typus gehörig herausstellen.“ Und dies wird fast zur Evidenz erhoben, wenn wir drei Jahre später im Bericht über die Resultate des Blake von Phormosoma placenta erfahren (6, pag. 31), dass das jüngste Exemplar einer Serie von Jugendstadien, welches nur 8 mm ım Durch- messer hatte, schon die für das erwachsene Thier characteristische Plattenanordnung des Mundfeldes aufwies. Agassız bemerkt ausdrücklich, dass bereits bei diesen jungen Phor- mosomen die für die Echinothuriden characteristischen Verhältnisse gerade so entwickelt waren, wie dies andererseits bei den jungen Cidariden der Fall sei. Endlich musste aber Agassız selbst die Vermuthung, die Diadematiden könnten die Vorfahren der Echino- thuriden sein, nicht sehr fest gestützt erscheinen; denn er schrieb in Folge der von ihm an Phormosomen gemachten Wahrnehmungen: „Die Echinothuriden sind die embryonalsten Echiniden“ (6, pag. 31).

Wir können also behaupten, dass der Mundhautbildung der erwachsenen Echino- thuriden und Cidariden kein qualitativ verschiedener, an ganz andere Euechinoideenformen erinnernder Zustand vorausgeht, sondern dass das Verhältniss des erwachsenen Thieres ontogenetisch Schritt für Schritt sich heranbildet. Damit scheint uns aber erwiesen, dass bei den ältesten Euechinoideen, den Echinothuriden und Cidariden, die Mundhaut

auch in der Jugend von imbricierenden und zwar allein ambulacralen Platten bedeckt

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ist, deren jede von einem Ambulacralfüsschen durchbohrt wird. Bei den mit den Echi- nothuriden verwandten Diadematiden und des weitern bei allen übrigen regulären Euechinoideen kommt nur der innerste Mundplattenring zur Entwicklung; es treten von der Corona keine Platten und damit auch keine Ambulacralfüsschen mehr auf das während des Wachsthums an Umfang gewinnende Mundfeld über; dieses stellt eine nackte Haut dar, welche dann secundär sich mit Kalkschuppen (z. B. Salenia) bedecken kann. Je weiter wir in der Scala nach abwärts steigen, um so schwächer finden wir den Üoronal- rand ausgebildet; noch etwas stärker bei Cidaris, am schwächsten bei Asthenosoma, und von hier wird zu den Perischoechiniden der directe Uebergang zu suchen sein.

Das biogenetische Grundgesetz oder, wie wir es hinfort nennen wollen, um ein nicht eben nöthiges Wort zu sparen, das biogenetische Gesetz kommt bei den Echinoideen in auffallend reiner Weise zur Geltung, wie besonders durch Agassız mehr- fach hervorgehoben wurde. Aus der Ontogenie eines hartschaligen Seeigels erfahren wir (vergl. Döderlein, Cidaris), dass, je frühere Stadien wir untersuchen, umsomehr die Skeletplatten schuppig werden; das Perisom gewinnt in Folge dessen Beweglichkeit, und Platten, welche beim erwachsenen Thier aus kleineren verschmolzen sind, zeigen sich in der Jugend in ıhre Bestandtheile aufgelöst. Dasselbe lehrt uns die Palaeontologie; wir haben vom Echinus durch Diadema, Asthenosoma hinab zu den Perischoechiniden eine ununterbrochene Reihe vor uns; das bei den modernen Formen hart gewordene Skelet wird, je weiter wir ın die Vorzeit hinaufgehen, beweglich; die Plattenzahl vermehrt sich und gewinnt einen unregelmässigen Character, und nachdem wir nun erfahren hatten, dass die Echinothuriden ihren Panzer mit Hilfe von Längsmuskeln zu bewegen im Stande seien und es so auch keinen Widerspruch finden wird, wenn wir eben solche und ausserdem noch Quermuskeln zuversichtlich auch den Perischoechiniden mit beweglicher Schale zu- schreiben, musste sich uns überaus stark die Vermuthung aufdrängen, dass die letzteren, die Palaeechiniden, ohne weiteres auf die Holothurien zu beziehen, ja von ihnen direct abzuleiten seien.

Versuchen wir, uns dieser Anschauung einigermaassen zu nähern. Zunächst die äussere Form. Die Echinothuriden, welche wir unseren Betrachtungen als den Palae- echiniden am nächsten stehend zu Grunde legen, sind zwar in verticaler Richtung abge- Nacht, so dass man, um Holothurienform aus ihnen zu gewinnen, sie bedeutend auseinander- ziehen müsste. Die ıhnen verwandten Perischoechiniden aber haben bereits Ei- oder Melonenform, worauf auch der Name Melonites hinweist. Von dieser Gestalt aus finden wir jeden nur wünschbaren Anschluss an die Holothurien.

Was die Platten betrifft, so treffen wir selbst unter den Holothurien noch stärkere Bepanzerung, als bei den meisten Perischoechiniden an, z. B. bei manchen Psoliden, wie besonders Psolus cataphractus, bei Echinocucumis, Ocnus u. a. m. Ja es geht unter den Holothurien in Folge der gegenseitigen Verschmelzung der Platten die Musculatur zu-

weilen ein, wie wir im Abschnitt 2 (pag. 98) schon hervorgehoben haben. Die eventuelle Be-

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panzerung der Holothurien trägt übrigens einen viel unregelmässigeren Character als die der Palaeechiniden.

Die Imbrication findet bei den Holothurien ihre eigentliche Heimath; es wird eine Ausnahme sein, wenn sich bei Holothurien Platten finden, welche, falls sie sich be- rühren, nicht imbricieren. So trägt auch z. B. die mit Stacheln bewehrte, stark bepanzerte

Echinocucumis imbricierende Platten (Sars, 39).

Die Stacheln sind bei den Palaeechiniden noch beweglich durch ein Ligament mit der Basalplatte verbunden; wo sie bei den Holothurien vorkommen, sind sie mit der- selben verlöthet. Dies sind sie aber auch beim jungen Seeigel, wo sie sich erst secundär lostrennen, so dass hierin das Holothurienverhältniss als das primäre erscheint (Agassiz, 2, pag. 667; Ludwig, 28, pag. 178; Semon, 41, pag. 288).

So wüssten wir denn nicht, was einer Ableitung des Echinidenskeletes, nament- lich des aus vielen kleinen imbricierenden Platten bestehenden Perischoechinidenskeletes

aus dem Perisom der Holothurien entgegenstünde.

Die Laterne der Echiniden lässt sich um so leichter auf den Schlundkopf der Holothurien zurückführen, als dieser zuweilen schon stark mit Kalkplatten sich bekleidet, wie u. a. Moseley (30) einen hieher gehörigen Fall beschrieb. Andrerseits verschwindet auch das so compliciert aussehende Gebilde leicht wieder, wie die Irregularıa atelostomata beweisen.

Die Retractoren des Pharynx der Holothurien finden sich als Retractoren der Laterne wieder, wie schon im zweiten Abschnitt gezeigt wurde. Daselbst findet sich auch eingehend gehandelt über die bei Echinoideen conservierte Längs- und Quermusculatur der Holothurien.

Die Tentakeln der Holothurien fehlen den Echiniden; dagegen zeigt der ganz junge Echinus noch vor der Entwicklung der Ambulacralfüsschen fünf einzelne Füsschen um den Mund, worüber sich schon ihr Entdecker, J. Müller (31, pag. 14) sehr verwunderte, da sie in der Fünfzahl, also nicht wie die Ambulacralfüsschen paarig auftreten. Sie ver- schwinden später. Diese halten wir für die ontogenetisch auftretenden Tentakeln der Holothurien. Agassiz hat sie häufig gezeichnet. Das Thier kriecht zwar damit, aber die Holothurien, speciell Synapta, brauchen ihre Tentakeln auch in dieser Weise (Semper, 42, pag. 11). Man wird wahrscheinlich die Vergleichung der besprochenen Tentakeln mit denen der Holothurien bis ins einzelne durchführen können. In diesem Stadium sind junge See- igel nach J. Müller kugelförmig.

Die nahe Verwandtschaft der Holothurien mit den Echiniden ist schon mehr als einmal herausgefühlt worden; aber sie wurde dahin gedeutet, dass umgekehrt von unserer Ansicht die Holothurien von den Seeigeln abzuleiten seien, dass sie von den Seeigeln ab- stammten. Am unzweideutigsten drückt dies Häckel aus, indem er sagt: „Als Jüngere Descendenten der Echiniden betrachten wir die Holothurien* (20, pag. 443).

SARASIN, Ceylon I. 18

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Wenn wir die Holothurien von den Echiniden ableiten wollen, so kann dies nur dadurch geschehen, dass wir die ausgebildeten Formen, die pedaten Holothurien, in’s Auge fassen und diese von jenen Echiniden direct abzuleiten suchen, welche eine weiche Schale mit möglichst aufgelöster Plattenanordnung aufweisen. Dies sind die Perischoechiniden. Thun wir dies, so setzt das voraus, dass die Holothurien schon sehr alte Formen sind; denn die Perischoechiniden „sind schon im Lias definitiv verschwunden“ (Zittel, 51, pag. 554), und dass sie zunächst als jüngere Descendenten der Echiniden, wie Häckel will, nicht mehr aufgefasst werden können. Auch die Holothurien mit unbeweglichem Panzer sind in Folge ihrer Plattenanordnung weit davon entfernt, sich direct von den Euechinoideen ableiten zu lassen. Die Frage lässt sich also dahin präcisieren: stammen die Holothurien von den Palaeechinoideen oder umgekehrt diese von den Holothurien ab? Die Palaeontologie giebt uns bis jetzt noch keine Antwort; weiter kommen wir jedoch mit der Ontogenie. (Die fernere Frage, ob beide Gruppen aus gemeinsamer Wurzel entsprossen sein könnten, wird gleichzeitig mit den Resultaten der nun folgenden Untersuchung ihre Beantwortung finden).

Wenn wir eine junge Holothurie betrachten, wie sie etwa Selenka (40, Taf. XII) in so klarer Weise darstellt, und ein Stadium vornehmen, da eben die ersten Füsschen hervortreten, so nehmen wir nicht die entfernteste Aechnlichkeit mit irgend einem Echi- niden wahr. Die zukünftigen, den erwachsenen Echiniden fehlenden Tentakeln sind mächtig entwickelt, und die beiden ersten Füsschen treten als plumpe Höcker hervor. Eine andere Aehnlichkeit aber drängt sich uns auf, nämlich die, dass wir hier nicht sowohl einen Echiniden, sondern einen Elasipoden vor uns haben, und dies hat schon der eigent- liche Schöpfer dieser Gruppe, Theel, vor uns hervorgehoben. Somit stammen die pedaten Holothurien dem biogenetischen Gesetze nach nicht von den Seeigeln, sondern von den Elasipoden ab. Diese besitzen ausser den Tentakeln fünf Ambulacralgefässe; von diesen aber wissen wir, dass sie secundär als Knospen aus dem die Tentakeln tragenden Wasser- ring entstanden sind. Die Holothurien, speciell hier die Elasipoden, setzen also onto- genetisch ein Stadium voraus, wo sie erst einen Wasserring, noch nicht aber die Am- bulacralgefässe aufwiesen. Dieses Entwicklungsstadium finden wir dauernd in den Apoden repräsentiert, ın Synapta, Chirodota u. s. w. Wir halten es also für höchst wahrscheinlich, dass die sogenannten pedaten Holothurien nicht aus den Echiniden, sondern aus den Elasipoden und diese aus den Apoden sich entwickelt haben.

Da wir schon gezeigt haben, dass der Anschluss von den Palaeechiniden zu den pedaten Holothurien ohne Zwang gegeben ist, so denken wir denn, auf das eben aus- einandergesetzte fussend, glaubwürdig machen zu können, dass, als allgemeinster Satz, die Echiniden aus den Holothurien entstanden sind.

Häckel sagt in der Generellen Morphologie (19, pag. LXXID): „Sobald das Haut- skelet der Echiniden weich wird, sobald die Kalkahlagerung blos zur Bildung isolierter

Stückchen zurückgeführt wird, kann man sich ohne Schwierigkeit den Uebergang eines

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Echiniden in eine Holothurie vorstellen.“ Wir sind gleicher Ansicht; wir argumentieren aber einfach umgekehrt.

Das Stadium des jungen Seeigels, wo er kuglig, weichhäutig und mit fünf Ten- takeln begabt ıst, bis dahin, wo dieselben verschwinden, könnte man das Holothurien- stadium der Echiniden nennen. Agassiz sagt in seiner Revision (pag. 758): „Die Holothurien in solchen Formen wie Synapta, wo die Ambulacralfüsschen auf diejenigen unmittelbar um das Mundfeld beschränkt sind, erinnern uns an die embryonalsten Ver- hältnisse, welche wir bei den Echiniden, Asteriden und Ophiuren finden“, und kurz darauf schreibt er (pag. 759): „Wenn die so skizzierten allgemeinen Homologien der Echino- dermen correct sind, so sollten wır die den Holothurien allgemein zugeschriebene Stellung umkehren und sie zu unterst stellen ın der Scala der Echinodermen, trotz ıhrer offen- baren Aehnlichkeit mit Würmern, welche zweifellos der Hauptgrund war, sie an die Spitze der Echinodermen zu stellen, welche Position wir den Echiniden zutheilen würden. Die Holothurien sind zweifellos den Echiniden höchst nahe verwandt.“

In der von uns „Holothurienstadium“ genannten Entwicklungsphase der Echiniden ist es auch, wo sich die Stacheln bilden, und zwar geschieht dies in der Weise, dass zuerst Kalkkörperchen entstehen, welche an die Rädchen der Chirodota erinnern, was phylogenetisch wohl auch ım allgemeinen verwerthet werden darf (vergl. Ludwig, 28 und Semon, 41).

Je weiter eine Art von ihrem Ursprung phylogenetisch entfernt ist, um so früher, um so rascher vorübergehend und um so undeutlicher für unser Auge erscheinen ihre ältesten Ahnenformen in der Entwicklungsgeschichte wieder, und man wird deshalb, um diese klar zu erkennen, auf möglichst niederstehende Glieder der ın’s Auge gefassten Gruppe zurückgreifen müssen. Specielle Anpassungen der Larven an ıhre Lebensweise treten ein; diejenigen der Euechinoideen sind zum abenteuerlich gestalteten, die Grundzüge des Bildes vielfach trübenden Pluteus geworden. In etwas weniger complicierter Ausbildung tritt der Pluteus bei der alten Gruppe der Cidariden auf, welcher sich der Auricularia etwas mehr zu nähern scheint. (Siehe die von Prouho gegebene Abbildung, 37, tab. XXV, Fig. 2.) Je tiefer wir aber nach den Holothurien hinunter steigen, um so einfacher finden wir die Larven gebaut; und weiter könnte man sagen, dass die Auricularien in früheren Entwick- lungsstadien der Tornarıia von Balanoglossus ähnlich sehen.

Ludwig schreibt (28, pag. 192): „In der Entwicklungsgeschichte der Holothurien beschränkt sich die Bildung des Larvenskeletes auf einige kuglige oder rädchenförmige Kalkgebilde, in denen man Rudimente eines Larvenskeletes um so eher erblicken kann, als auch sie durchaus nicht bei allen Holothurien vorkommen und bei der Metamorphose resorbiert werden.“ Nach unserer Ansicht zeigen sich in diesen Kalkgebilden die Anfänge des complicierten Kalkstabwerkes der Pluteuslarven. Wir sind der Meinung, dass auch beim Vergleich dieser Dinge allmälige, auf Verwandtschaft zu deutende Uebergänge vom

einfacheren zum complicierteren sich werden finden lassen; allein es dürfen zu diesem 18%

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Behuf nur solche Larven miteinander verglichen werden, welche freie Lebensweise führen. Jene Formen, welche ihre ganze Entwicklung innerhalb der Eihülle oder des mütterlichen Leibes oder innerhalb besonderer vom mütterlichen Thier gelieferter Schutzvorrichtungen durchlaufen, dürfen hier nicht beigezogen werden, da ihre Larvenformen diesen einzelnen

Verhältnissen angepasst sind.

In seinem herrlichen Werke über die Echinoideen entwickelte Sven Loven im Jahre 1874 eine Theorie, an welcher unsere ganze Holothurienanschauung zu Grunde gehen muss, falls es uns nicht gelingt, nachzuweisen, dass sie auf einer irrthümlichen Voraus-

setzung beruht. Es ist nothwendig, uns eingehend mit ihr zu beschäftigen.

Im Jahre 1864 meldete A. Agassiz (1), dass bei jungen Echiniden das ganze Analfeld von einer einzigen Platte, der Subanalplatte, eingenommen sei. Um dieselbe bilden die fünf Genitalplatten einen innern und die fünf Ocellarplatten einen äussern Ring. Loven constatierte, dass die Platte gebildet sei, bevor die Analöffnung durchbreche. Diese bildet sich an ihrem hintern Rande. In dem ganzen so vor Durchbruch des Afters von elf Platten bedeckten Apicalpol sah nun Loven die Hauptzüge einer Bauart, welche man bis dahin als dem Echinidentypus nicht zugehörig, sondern als characteristisch für den Crinoidentypus betrachtete, und er benutzte dies zu einem Versuche, die Echiniden von den Crinoiden abzuleiten. Diesen sogenannten Crinoidentypus des Apicalpols zeigt ein noch jetzt lebender Echinide, Salenıa, zeitlebens.

Niemand wird den Apicalpol eines jungen Echinus erblicken, ohne von dem ebenso zierlichen als unerwarteten Bilde betroffen zu werden, ohne die Ueberzeugung zu gewinnen, dass bei jedem Nachdenken über die Herleitung der Echiniden diese Erscheinung in erster Linie berücksichtigt werden müsse.

Als wir uns die Loven’schen Versuche, einen Anknüpfungspunkt bei den Crinoiden zu finden, unserm Urtheile näher bringen wollten und mit der Literatur dieser Gruppe uns befassten, fiel uns eine Arbeit in die Hände, deren Resultate so sehr mit unsern An- sichten übereinstimmten, wie wir sie uns beim Lesen von Zittel’s Palaeontologie gebildet hatten, dass wir nichts besseres zu thun wissen, als uns in erster Linie auf diese Schrift

zu stützen. Wir meinen Neumayr’s morphologische Studien über fossile Echinodermen.

Zunächst ein paar Worte zur Orientierung. Die eigentlich regulären Crinoiden sind im ganzen neumodische Formen; wir finden sie erst von der Trias an aufwärts; in älteren Schichten werden sie durch die Palaeocrinoideen vertreten, welche im Gegensatz zu den Jüngeren Formen ihre Tafelzahl vermehren; sie sind es, welche J. Müller Tesselaten nannte. Zwischen der einen Gruppe und der andern besteht keine bestimmte Grenze, sie gehen allmälig in einander über. Carpenter und Etheridge (10) heben hervor, dass bei fast allen metazoischen und recenten Crinoideen der Calyx perfect regelmässig und rundum symmetrisch sei, während bei den Palaeocrinoideen die Symmetrie des Calyx ge-

stört werde durch die Gegenwart einer Anal- oder unpaaren Seite. Es unterscheiden sich

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den genannten Autoren zufolge die Palaeocrinoideen von den jüngern Formen durch mehr oder weniger unregelmässigen Kelch und könnten Irregularia genannt werden im Gegensatz zu den Neocrinoideen oder Regularıa. Die Autoren fügen bei, dass die Palaeocrinoideen von höchstem Interesse darum seien, weil sie so viele embryonale Charactere aufwiesen. Dieses Urtheil ist deshalb von besonderem Gewicht, als Carpenter mit Loven im Bestreben sich begegnete, für die Plattenanordnung des Apicalpols junger Echiniden oder, um es kurz zu sagen von Salenıa, einen Anknüpfungspunkt bei den Crinoiden zu finden, wenn er auch in der Deutung des einzelnen sehr von Lov&n abwich. Es ist aber klar, dass von vornherein dieser Versuch ein verzweifelter sein muss, wenn wir wissen, dass einerseits die Perischoechiniden als die Vorfahren der Euechinoideen schon im Silur sich zeigen, während die regulären Crinoiden, an deren Calyx allein beim Vergleich des Saleniapols zu denken wäre, verhältnissmässig junge Formen sind. So sagt denn auch Neumayr, dass man bei der ausserordentlichen Mannigfaltiekeit der Crinoiden sofort ın Verlegenheit gerathe, welcher Typus derselben zum Vergleich herbeigezogen werden solle. Neumayr weist nach, dass wir nicht einmal die typische Zusammensetzung des Crinoiden- kelches kennen, und somit fehle es an sicherer Grundlage, um einen detaillierten Ver-

gleich mit dem Apex der Seeigel durchzuführen.

Indem Neumayr sich die Thatsache vor Augen hielt, dass die Palaeocrinoideen gewissermaassen die embryonalen Formen der Neocrinoideen sind, dass wir, je tiefer wir in den palaeontologischen Schichten nach unten gehen, um so mehr eine Auflösung der Regel- mässigkeit des Crinoidenskelets in Folge von regelloser Vermehrung der Platten und all- mäliger immer weiter gehender Entfernung des Afters von der Mundöffnung beobachten, wurde er darauf geführt, nach noch einfacheren Formen als Stammformen der Palaeocri- noideen zu suchen, und hier präsentierten sich in um so ungezwungener Weise die Gysti- deen, als schon vorher von Beyrich (8) die Brücke zwischen den Palaeocrinoideen und

den Cystideen durch Porocrinus geschlagen worden war.

Zu dieser Ableitung: Cystideen, Palaeocrinoideen, Neocrinoideen bemerken wir noch folgendes: Während die Neocrinoideen ein äusserst hartes Skelet besitzen, wird es bei den Palaeocrinoideen zarter, bei einigen vielleicht auch schon etwas beweglich, unter den Cystideen, wo die Plattenanordnung eine vollkommen unregelmässige wird, treffen wir bereits hin und wieder Imbrication. Wir brauchen nur an das oben über die Ableitung der Echinoideen gesagte zu erinnern, um den Gedanken nahe zu legen, dass es sich bei den Crinoiden um eine den Echinoiden gleichlaufende, gänzlich analoge Er- scheinung handelt. So sagt denn auch C. Wachsmuth (49): „Alle diese Thatsachen laufen darauf hinaus, zu beweisen, dass die palaeozoischen Crinoideen . . . . das Jugendstadium der lebenden Typen repräsentieren. Sie stehen offenbar in derselben Beziehung zu den Pentacriniden und Comatuliden, in welcher die Perischoechiniden zu den Echiniden, die

Cystideen und Blastoideen zu den palaeozoischen Crinoiden stehen.“

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Weiter werden die Arme der Crinoideen um so unscheinbarer, je mehr wir uns den Cystideen nähern; einige von diesen Formen besitzen nur kleine Knospen, wieder andere haben gar keine Arme.

Endlich findet sich der für die Neocrinoideen (wir sehen dabei von den Comatu- liden ab), so characteristische Stiel bei den Cystideen, wo er hier überhaupt vorkommt, offenbar in seinen Anfängen. Wie wir wissen, ist der Crinoidenstiel von einem Canal durch- bohrt, welcher eine Fortsetzung der Leibeshöhle darstellt. Dieser Canal ist bei modernen Formen sehr dünn, bei einigen Cystideen aber wie z.B. Glyptosphaerites erreicht die Höhlung dieses Organes eine bedeutende Weite, so dass die Vermuthung nahe gelegt wird, der Stiel sei ursprünglich nichts anderes als der conisch ausgezogene Basalpol. Bei man- chen Cystideen zeigt er in der That eine kegelförmige Gestalt. Zittel sast, der Stiel der Cystideen zeige eine schwache Entwicklung, fehle öfters ganz; wenn vorhanden, seien die Glieder rund, stets ohne Seitenranken, ringförmig, mit sehr weitem Nahrungscanal versehen und häufig wie die Züge eines Fernrohres ineinander geschoben; in der Regel verjünge sich der Stiel nach unten.

Eine ganz besonders interessante Cystideenform, welche wir hier herbeiziehen möchten, und welche bis jetzt weniger Besprechung gefunden hat, als sie uns zu verdienen scheint, ist der von Leopold von Buch (9) schön abgebildete Caryocystites testu- dinarius. Wir geben hier L. von Buchs Zeichnung in den Umrissen soweit wieder, als dieselben für unsere Ausführungen wichtig sind.

< Wir halten es für möglich, dass aus dem hier sich verjüngenden Hinterende durch Verlängerung und Verschmälerung sich ein conischer Stiel vom Glyptosphaeriten-Character hervorbilden könnte. Aehnlich dachte wohl L. von Buch selbst, als er von Caryocystites testudinarius schrieb: „Eine sonderbare Gestalt..... Von beiden Seiten ist der runde Kelch so ın die Länge gezogen, dass der Hauptkörper zwischen den Anhängen zu verschwinden scheint. Es ist ein Sphaeronit, dessen Stiel und Mundschlauch zu ungeheurer Dicke anschwellen.“

Soweit Neumayr die Cystideen als die Grundformen der Crinoideen betrachtete, finden wir uns mit ihm in vollster Uebereinstimmung; das

ist aber nicht der Fall, wenn er sie als die Urgruppe aller Echinodermen

| hinstellen wıll.e Hierüber sind wir anderer Ansicht: wır glauben, dass es W / fo) er

Caryoeystites testudin. Möglich sein wird, die Cystideen direct an die Holothurien anzu- rius nach L.von Buch. . i R e we schliessen und zwar durch solche Formen, wie Caryocystites, Echino- o Mundöffnung.

e mare encrinus, Glyptosphaerites, Agelacrinus und Verwandte. Da uns in diesem Gebiete specielle Kenntnisse mangeln, müssen wir uns leider

mit diesem allgemeinen Hinweise bescheiden. Hervorheben möchten wir aber, dass bei diesen Formen Biegsamkeit des Panzers möglich, ja wahrscheinlich war, ein Umstand, der,

wie auch die höchst unregelmässige, oft imbricierende Bepanzerung, deutlich auf Holothurien-

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verwandtschaft hinweist. Bei Caryocystites z. B. ist der Körper von allen möglichen Formen, kaum ein Exemplar ist gleich dem andern; dieselben sind oft von irgend welchen Seiten Hach- oder leicht eingedrückt.

Ferner: Sollte sich als richtig erweisen, dass die vonL.v. Buch neben dem Mund von Caryocystites entdeckte und jetzt allgemein als Genitalporus gedeutete Oeffnung (siehe obigen Holzschnitt bei ge) wirklich ein solcher ist, so stehen die denselben be- sitzenden ÜÖystideen ın der Bildung der Geschlechtsorgane den Holothurien entschieden näher als den Crinoideen.

Der After, welcher bei den Crinoideen sehr nahe dem Munde steht, entfernt sıch bei unsern Cystideen ziemlich weit von demselben, speciell bei Caryocystites, aber auch bei anderen, so besonders bei dem von L. v. Buch unter dem Namen Sycocystites be- schriebenen Echinoencrinus H. v. Meyer. Wenn wir hier einen Anschluss an die Holo- thurien suchen, dürfen wir nicht vergessen, dass bei diesen der After keineswegs durch- gehends endständig ist; er wandert in dieser Gruppe oft, wie es scheint, ganz beliebig. So ist er bei vielen Elasipoden bauchständig auf der Fläche des Triviums, während er beimanchen Psoliden rückenständig wird und ziemlich deutlich sich dem Munde nähert. Von einem solchen Verhältniss aber ist ein Uebergang zu dem der Cystideen ungezwungen denkbar. Eine rein terminale Ausmündung des Afters ist wohl auch bei den Holothurien ein secundärer Character; denn nicht nur, dass in den Holothurienpuppen der Enddarm heberartig umgebogen ist, das Afterende nach vorn gerichtet (Baur, 7, tab. IV; Selenka, 40, tab. X), sondern J. Müller (32, pag. 10) giebt auch an, dass er sich nicht in der Mitte des hintersten Wimperreifens nach aussen öffne.

Daraus erhellt, dass eine eventuell vorkommende genau terminale Ausmündung des Afters auch für die Holothurien als eigener Erwerb aufzufassen ist; doch ist die Lage des Afters ın dieser Gruppe eben noch nicht fixiert; er scheint sogar ganz fehlen zu können (Sluiter, 44). Den wurmartigen Vorfahren der Holo- thurien müssen wir nach dem biogenetischen Gesetze einen nicht

endständigen After vindicieren.

Wir legten uns schon die Frage vor: Als was würde wohl ein fossiler Psolus, dessen Bauchseite mit der Unterlage wie bei ap

Larve von Holothuria tubulosa

Agelacrinus in Verbindung geblieben und dessen Rücken gepanzert „ach Selenka, Z.£.w.Z., 27, Tab.X,

wäre, angesehen werden? Die Rückenplatten von Psolus sind von Big. 18. ap Hinterende der Larve = Apicalpol den Ambulacralfüsschen nicht durchbohrt. der Echiniden = Dorsalpol der Aste-

riden = Calyx resp. Stiel der Crinoiden,

Die Arme der Cystideen sind vielleicht dadurch entstanden, dass die Ambulacralgefässe einer Holothurie von ihrer Spitze an begannen, sich auf Knospen zu erheben, ein Verhältniss, wie es ähnlich wohl noch Glyptosphaerites bewahrte. Die Ambulacralgefässe der Holothurien würden sich gewissermaassen vom Körper ablösen; je

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früher ontogenetisch sie sich auf Knospen erhöben, um so näher würden sie dem Munde liegen, um so selbständiger würden sie sich entfalten. Wenn wir uns erinnern, in welcher plumpen Form die ersten Füsschen bei einer Holothurie zum Vorschein kommen, ein Ver- hältniss, wie es die Elasıpoden dauernd besitzen, so wird unsere Ansicht vielleicht etwas weniger als eine vollständig ın der Luft schwebende Vermuthung erscheinen. Ferner ist ein Herauswachsen der Ambulacralgefässe aus dem Körper der Vorstellung dadurch näher zu bringen, dass wir denken, ein holothurienartiges Geschöpf, bei dem die Ambulacral- gefässe nur bis zur Mitte der Körperlänge reichten, habe sich ın verticaler Richtung abgeflacht. Man könnte sich die Form der von Sladen (43) beschriebenen merkwür- digen Astrophiura auf diese Weise eingeleitet denken. Schon Leuckart (23, pag. 34) spricht im Jahre 1848 aus: „Die manchfachen Verschiedenheiten, in denen die äussere Form der Echinodermen auftritt, lassen auf dieselbe Weise, wie bei den Coelenteraten aus einer centralen Verlängerung oder Depression der ursprünglichen (bei den Cystideen und Echinen persistierenden) Kugelgestalt sich erklären.“

Was die Ontogenie betrifft, so sind wir bei den Crinoiden leider auf die jüngste Descendenz, die Comatuliden, angewiesen, welche selber erst gestielte Neocrinoideen voraus- setzen, so dass wir also nicht hoffen dürfen, aus ihrer Entwicklungsgeschichte viel für unsern Zweck brauchbares zu erfahren. Dennoch gehen wir hier nicht vollständig leer aus. In Leopold von Buch’s ausgezeichneter Abhandlung über die Cystideen finden wir die merkwürdige Stelle: „Pentacrinus caput medusae bleibt ın unsern Meeren nur ein trauriger Ueberrest der Pracht der herrlichen Seelilien in den Meeren der Vorzeit. Die Natur hat diesen Weg der Ausbildung gänzlich wieder verlassen. Aber in dem 1827 ent- deckten Pentacrinus europaeus (Comatula rosacea) scheint sie uns den völligen Gang dieser Ausbildung ın den Veränderungen einer einzigen Art wieder vorführen zu wollen.“ L. v. Buch scheint hier das biogenetische Gesetz vorauszufühlen. Er citiert nun eine Stelle aus J. Müller (Pentacrinus pag. 7), welche nicht minder bedeutsam als die v. Buch’s ıst und streng hieher gehört; sie betrifft die Entwicklung der Comatula und lautet: „Im An- fange gleicht das Thier einer Keule’ (eine Cystidee); es ist durch eine ausgebreitete Basis befestigt und lässt aus seiner Spitze einige wenig durchsichtige Pinnulae hervortreten. Kein Stück der festen Theile ıst sichtbar, als ein unbestimmtes Aussehen des Kelches etc.“

Götte (17) sagt 1876: „Die Holothurien bleiben gewissermaassen auf jener vor- übergehenden Entwicklungsstufe der Comatula stehen, wann deren Strahlgliederung noch durch die Basalia und Oralia bezeichnet wird und die Tentakel einen mehr oder weniger continuierlichen Kranz um den Mund bilden.“

Wir führen diesen Satz nur an, um zu zeigen, dass Götte bei einem gewissen Entwicklungsstadium der Comatula an die Holothurien erinnert wurde.

In seinem grossen Werke über die Entwicklung der Comatula spricht sich Perrier (86, pag. 118) folgendermaassen aus: „Man kann in der Entwicklung der Comatula vier

Formen unterscheiden:

147 1. diejenige der wurmförmigen Larve, 2. die der Cystideenlarve, 8. die der Pentacrinuslarve, 4. endlich die erwachsene Form.

An einer andern Stelle (pag. 8) lesen wir, dass die Larve, so lange sie keine Arme habe, einer Cystidee ganz und gar vergleichbar sei. In den auf Perrier’s Tafel I ge- gebenen schönen Bildern (Figg. I—11) sieht man, wie das Hinterende des Thieres sich ganz allmälıg zum Stiel auszieht in derselben Weise, wie wir die Entstehung des Stieles von Glypto- sphaerites aus einer Caryocystitesähnlichen Form plausibel zu machen gesucht haben. Einige der von Perrier gegebenen Bilder erinnern wirklich an solche Cystideen wie Caryocystites.

Die Frage nach der Holothurienverwandtschaft der Crinoiden erweist sich also als praktisch angreifbar; sie kann mit Hilfe der Ontogenie und Palaeontologie sicherlich ihrer Lösung näher geführt werden. Perrier that in ontogenetischer Beziehung für Comatula einen bedeutenden Schritt in dieser Richtung vorwärts.

Wir schliessen hier noch einige Bemerkungen an, welche für unsere weiteren Aus- einandersetzungen erforderlich sınd.

Das Hinterende der Holothurien gestaltet sich bei den Crinoiden zum Basalpol mit dem Stiel, bei den Asteriden und Ophiuren zum Dorsal- und bei den Echiniden zum Apicalpol (siehe Holzschnitt auf Seite 145). Die Platten dieser Pole ordnen sich gerne ın der Fünfzahl, da schon das Perisom der Holothurien in der Regel nach diesem Plane gebaut ist. Die ursprünglich bestimmenden Elemente dieser radiären Bauart sind die Längsnerven und Längsmuskeln; die Ambulacralgefässe passten sich secundär dieser An- ordnung an. Das Auftreten von Kreisen aus je fünf oder zehn Platten bei Echiniden und Crinoiden beruht auf secundärer Vereinigung ursprünglich ungeordneter, kleinerer Plättchen, analog dem Verschmelzen von primären Ambulacralplatten zu Grossplatten. Neumayr (3#)

stellte überzeugend dar, dass die Aehnlichkeit im Apicalpol von Salenıa und einem Neocrinoiden auf Analogie und nicht auf Verwandtschaft beruhe. Wir fügen bei, dass solche Aehnlichkeiten sehr leicht entstehen. Die Uebereinstimmung zwischen dem Oral- system von Psolus antarcticus (47, tab. XV, Fig. 3) und Hyocrinus bethellianus (48, t. 2, pag. 98) ist geradezu eine vollkommene, viel weiter gehend als diejenige zwischen dem Apicalsystem von Salenia und irgend einem der herbeigezogenen Crinoiden, und doch ist an eine directe Verwandtschaft zwischen beiden Formen gar nicht zu denken. (Siehe die Holzschnitte auf Seite 148.)

Die Aehnlichkeit dehnt sich sogar auf die Lage des Afters und die Anordnung der Analplatten aus. Andere Psoliden zeigen die fünf Mundplatten durch kleinere ersetzt, ein neuer Beweis, wie leicht entweder mehrere Platten zu einer grossen verschmelzen oder ontogenetisch durch eine einzige grosse ersetzt werden können.

Wenn es nun also gelingen sollte, zu zeigen, dass sowohl die Crinoideen, als die

Echinoideen eine selbstständige Entwicklung genommen haben und zwar, wie wir glauben,

SARASIN, Ceylon I. 19

aus den Holothurien, so haben wir damit doch noch nicht eine grosse Schwierigkeit aus der Welt geschafft, nämlich die, dass bei Echinoideen ontogenetisch ım Analfeld statt vieler kleiner eine einzige grosse Platte auftritt, und dass somit der Bau des Analfeldes, wie ıhn z. B. Echinus besitzt, als ein secundär erworbener zu betrachten ist. Haben wir bis jetzt vom biogenetischen Gesetze stets ausgiebigen Gebrauch gemacht, so können wir uns der Consequenz, dies auch in diesem Falle zu thun, nicht entziehen. Ist bei den jetzigen Echiniden das Analfeld in der Jugend von einer einzigen Platte bedeckt, so müssen sie dem biogenetischen Gesetze zufolge von Formen abstammen, welche diese sogenannte Subanal- platte dauernd besessen haben. Hier knüpfte ja auch Loven an, als er diese Formen unter

den Grinoiden suchte.

Hyocrinus bethellianus W. Th. Psolus antarcticus Phil. nach W. Thomsou, The Atlantic, tom. 2, pag. 98. nach H. Theel, Holothurioidea, Challenger, tom. 14, tab. XV, Fig.3.

Neumayr (35) fühlte diese Schwierigkeit sehr wohl. In einer Besprechung des Aufsatzes von Agassız (5) über palaeontologische und embryologische Entwicklung lesen wir: „Wir sehen also in älteren Schichten immer grössere Abweichungen von demjenigen Typus des abactinalen Systems, der nach den embryologischen Untersuchungen als der normale zu betrachten wäre, ja der Scheitel von Bothriocidaris lässt sich auf denselben überhaupt nicht direct zurückführen. Ich wollte an diesem Beispiel zeigen, wie grosse Vorsicht bei Verwerthung der ontogenetischen Daten für die Stammesgeschichte nöthig ist.“

In seinen „morphologischen Studien“ schreibt er (34, pag. 26): „Man sollte offen- bar annehmen, dass dieses System von elf dorsalen Platten, welches in der individuellen Entwicklung so verschiedener Echinodermen immer wiederkehrt, auch in der palaeontologi- schen Geschichte des Stammes eine wichtige Rolle spiele; allein dies ist durchaus nicht der Fall.“ „Wir sehen demnach, dass nach unsern jetzigen Kenntnissen in diesem Punkte palaeontologische und ontogenetische Entwicklung nicht mit einander übereinzustimmen scheinen; ın welcher Weise dieser Widerspruch sich lösen wird, kann heute noch nicht entschieden werden.“

Treten wir denn diesem „Crinoidenfantom“ der Echiniden, wie wir die Erscheinung

nennen wollen, etwas näher.

149

Es wird im allgemeinen behauptet, dass die Subanalplatte ın den Jugendstadien junger Echinoideen sich zeige. Schon Neumayr aber wies darauf hin, dass dies für die Cidariden nicht zutreffe, und dies steht um so sicherer, als Döderlein (15) neuerdings bei jungen Cidariden nach dieser Platte eifrig, aber vergeblich suchte. Er glaubt, dass die kleinen, das Analfeld junger Exemplare bedeckenden Plättchen durch Zersplitterung der Subanalplatte entstanden seien; aber dafür liegt zunächst kein Anhaltspunkt vor. Diese Thatsache des Mangels der Subanalplatte bei jungen Cidariden ist aber natürlich um so befremdender, als Cidarıs nachweislich eine der ältesten Euechinoideenformen darstellt und

man demnach erwarten müsste, die Subanalplatte sehr schön entwickelt zu finden.

Nicht anders steht die Sache bei den Echinothuriden. Agassız meldet nichts von einer Subanalplatte bei jungen Formen. Sowohl bei jungen Asthenosomen, als Phormo- somen fand er das Analfeld von einer grossen Zahl von Platten bedeckt, anstatt, wie man

voraussetzen sollte, von einer einzigen. (Vergl. seine Echinoideen des „Challenger“ und

„Blake“.)

Endlich finden wir es ebenso bei den Diadematiden. Von Micropyga sagt Agassiz (4, pag. 75), dass in der Jugend das Apicalsystem die für das Genus characte- ristische Structur zeige, während das Analfeld verhältnissmässig von Platten frei sei. Von Echinothrix lesen wir in der Revision (2, pag. +14), dass das junge Thier die Anal-

membran dicht mit Platten bedeckt trage

Wir finden also, dass die drei ältesten der noch lebenden regulären Seeigelgruppen, die Echinothuriden, Cidariden und Diadematiden in ihrer Jugend die Subanalplatte

nicht besitzen.

Wie steht es nun mit Salenia, welche im erwachsenen Zustand die Platte so schön aufweist? Auch hier wenden wir uns an unsere gewöhnliche, fast unerschöpf- liche Quelle, an A. Agassiz. Wir erfahren, dass in jüngsten Stadien das Analsystem von Salenia nicht von einer, sondern von acht Platten bedeckt ist (Blake, 6, pag. 19). Die Subanalplatte ist zuerst ganz klein und vergrössert sich mit dem Wachsthum des Thieres. Dies lehrt uns, dass das Genus Salenia die Subanalplatte selbstständig erworben hat, dass sie eine nur für Salenia characteristische Erscheinung bildet. Dies wird be- stätiet, wenn wir die palaeontologisch älteren Acrosalenien zum Vergleiche herbei- ziehen. Bei diesen sehen wir eine Platte des Analsystems grösser werden als die andern, wobei aber noch in derselben Species grosse Unregelmässigkeit herrscht; man vergleiche z. B. das Analsystem von Acrosalenia angularis, wie es einerseits Loven im der, Pourtalesia“ (26, pag. 66) und andererseits P. de Loriol (24, tab. I, Fig. 4) zeichnen. (Siehe den Holzschnitt auf Seite 150.)

Wir nehmen natürlich an, dass die Bestimmung der Art in beiden Fällen richtig sei. Loven setzt freilich: Acrosalenia angularis Cotta, de Loriol: Acrosalenıa angu-

larıs Desor. 19%

150

Man kann sagen, dass Salenia in der Jugend ein Acrosalenienstadium durchlaufe. Die Analplatten der Saleniden haben also die Tendenz, zu verschmelzen; das Salenia- verhältniss entstand Schritt für Schritt in der Reihe der Acrosalenien. Damit aber ist nun genügend vorbereitet, was wir noch zu bringen haben. Der Apex der jungen Echi- niden ist, insofern er die Subanalplatte aufweist, nicht ein „Crinoidenfantom“*, sondern ein Salenidenbild, d. h. diejenigen Echiniden, welche in der Jugend ıhr Analfeld von einer einzigen oder von einer ganz geringen Zahl relativ grosser Platten bedeckt zeigen, durchlaufen ein Salenidenstadium, sie stammen also von den Saleniden ab; es war ein Irrthum, hinter der Subanalplatte eine Crinoidenverwandtschaft zu suchen, und wie wir früher gesehen haben, gelang es auch nicht, die Anknüpfungspunkte zu finden; sie be-

deutet vielmehr eine Salenidenverwandtschaft, und damit hat sich auch das biogenetische

Acrosaleniaangularis Acrosalenia angularis aus: Loven, Pourtalesia. aus: P. de Loriol, Echinologie.

Gesetz glänzend bewährt. Wir gehen daher so weit, die Echinothuriden, Cidariden, Diade- matiden und alle diejenigen Formen, welche in ıhrer Jugend die Subanalplatte nicht auf- weisen, als Praesalenıaden zu bezeichnen. Dann folgt das Geschlecht der Saleniden, in dessen Stammesgeschichte sich die so verführerische Subanalplatte langsam heranbildete, und endlich bezeichnen wir alle jene jüngsten Descendenten, welche ın ihrer Jugend den Saleniden-Stempel tragen, als Salenigonen, indem wir sie für Descendenten der Salenıden

halten. Die palaeontologischen Erfahrungen decken sich mit dieser Auffassung sehr wohl.

Wir haben Grund, zu vermuthen, dass die Salenıden aus den Diadematiden sich entwickelt haben; denn obschon das Genus Salenia ım Aussehen an Cidaris erinnert, so lässt es sich doch ungezwungen auf Acrosalenia zurückbeziehen, und diese letztere nähert sich im Habitus sehr den Diadematiden. Vom Genus Acrosalenia sagt Cotteau (12), dass es das älteste und zahlreichste der Saleniden sei und den Diadematiden sicherlich sehr nahe stehe. Andererseits sprechen sich für eine scharfe Trennung der Saleniden von den Cidariden sowohl Duncan und Sladen (16), als ganz neuerdings Döder- lein (15) aus.

Wir nehmen an, dass Öystocidaris schon in frühester Zeit aus den regulären Palae- echinoideen sich selbständig entwickelt habe, wie dies später ihrerseits die Clypeastriden

und Spatangen aus den regulären Euechinoideen thaten. In beiden Fällen läuft es auf

eine Verschiebung des Afters hinaus. Dieser Umstand ist ein sehr interessanter Punkt

im ganzen Kreis der Echinodermen.

Wir halten ferner das Auftreten einer einzigen Interambulacralplattenreihe bei Bothriocidaris für einen selbständigen Erwerb. Eine eigene phylogenetische Entwick- lung, vielleicht aus Cidaris-ähnlichen Vorfahren, glauben wir auch Tiarechinus vindicieren zu sollen.

Haben wir nun einerseits dıe Crinoiden, andererseits die Echiniden auf die Holo- thurien zurückgeführt, so bleiben uns noch die Asteriden und Ophiuriden übrig. Wir haben uns jedoch diesem Gegenstand nicht so eingehend gewidmet, dass wir berechtigt wären, uns des weiteren darüber auszulassen. Soviel aber ist gewiss, dass sowohl nach den Crinoiden, als nach den Echiniden hin die Asteriden und Ophiuriden viele Verwandt- schaften zeigen, dass auch die Stellung dieser Gruppen gesichert ıst, falls die von uns gegebene Ableitung der Crinoiden und Echiniden das richtige trifft. Neumayr (34) ver- suchte, die Asteriden und Ophiuriden von den Üystideen abzuleiten. Es könnte, wie wir meinen, auch an einen directen Anschluss an die Holothurien gedacht werden, da die Asteriden ontogenetisch wahrscheinlich wie die Echiniden und Grinoiden ein „Holothurien- stadium“ durchlaufen (vergl. z. B. Agassiz, 3, pag. 49).

Nach dem „Crinoidenfantom“ wurde unter den Asteriden und Ophiuriden eifrig gesucht. Die Resultate sind aber nicht befriedigend ausgefallen; man fand concentrisch um den Dorsalpol in der Fünfzahl angeordnete Platten; das ist aber ım Grunde alles. So lesen wir bei P.H. Carpenter (11), einem der emsigsten Verfolger des Crinoidenfantoms, den Satz: „Die Art und Weise, in welcher diese Platten (die Apicalplatten der Ophiuriden) sowohl in Lage, als in Entwicklung innerhalb der Grenzen eines einzigen Genus varlieren, ist sehr bemerkenswerth.“ Zum Beweise dieses Satzes wird eine Tabelle beigegeben, aus welcher sicherlich nur hervorgeht, dass, wenn wir unter diesen Plattenanordnungen nach einer bestimmten phylogenetisch verwerthbaren Regel suchen wollten, wir jenem Knaben

gleichen würden, der dem Regenbogen nachlief, um seine Farben zu holen.

Während bei den Holothurien, Crinoiden, Echiniden und in jüngster Zeit (Cuenot, 14) auch bei den Ophiuren ausser subepithelialen Nervenausbreitungen noch tief liegende Nervenstämme gefunden worden sind, ist dies bei den Asteriden bis jetzt nicht der Fall gewesen. Wir dürfen aber darauf nicht das grosse Gewicht legen, wie Hamann (21) will, welcher daraus den Schluss zieht, dass die Asteriden die ältesten Echinodermen darstellten. Es könnte bei denselben denn doch noch ein tiefer Nerv ge- funden werden; oder ein solcher könnte in der Jugend sich bilden und dann entweder mit dem subepithelialen Nervenband der Armrinne secundär verschmelzen oder wieder resorbiert werden, worauf dann jenes Band seine Functionen übernähme und in Folge dessen sich um so stärker ausbildete. Es ist über diese feinen anatomischen Verhältnisse sicherlich noch nicht das letzte Wort gesprochen.

152

Wenn wir alle Echinodermenstämme direct oder indirect von den Holothurien ableiten, so ist es nun wichtig, zu fragen, welche von diesen letzteren als die niedrigsten anzusehen sind. Wir haben bis jetzt die Apoden als solche aufgefasst. Theel (47) dagegen möchte die Elasipoden als solche ansehen. Er hält das Fehlen der Radiärgefässe und Füsschen bei den Apoden für eine secundäre Reduction. Ist dem so, so müssen die letzteren in ihrer Jugend diese Organe zeigen; Synapta müsste ein ebenso klares Elasıpoden- stadium uns vor Augen führen, als dies die pedaten Holothurien in ihrer Jugend thun; dies ist aber, so viel wir wissen, nicht der Fall, und wir können nicht einsehen, warum wir nicht in den heutigen Apoden die Ueberbleibsel oder die nächsten Verwandten jener Gruppe sehen sollten, aus welcher die Elasipoden und des weitern alle Echinodermen sich entwickelt haben. Ganz derselben Ansicht ist R. Semon (41). Er sagt von den Synap- tiden (pag. 403): „Für mich ist so viel sicher, dass sie jedenfalls aus einer der Stamm- gruppe (der Holothurien) sehr nahe stehenden Familie, sei es durch Degeneration oder auch ohne dieselbe, entstanden sind und in vielen Punkten ursprünglicher sind, als die jetzt lebenden pedaten Holothurien, ja selbst die Elasipoden, die in mancher Hinsicht so alte Structureigenthümlichkeiten bewahrt haben.“

Ist unsere Anschauung, dass Apoden-ähnliche Geschöpfe die unscheinbare Urwurzel bilden, welcher der zweige- und blüthenreiche Baum der Echinodermen entspross, die richtige, so ist nun auch der Anknüpfungspunkt an unsegmentierte Würmer gegeben. Was wir nach dieser Richtung aus den Nierenverhältnissen der Echinodermen glaubten gewinnen zu können, ist bereits im zweiten Abschnitte niedergelest worden.

Ganz nahe an die Apoden schliesst sıch Balanoglossus an, und damit ist überhaupt keine scharfe Grenze mehr nach den Würmern gezogen; ja es ıst von diesem Gesichts- punkte aus die Frage keineswegs ungereimt, welcher von beiden Characteren an einer apoden Holothurie sich ausgeprägter zeige, ob,derjenige der Würmer oder derjenige der Echinodermen.

An diesem Punkte sehen wir uns veranlasst, Halt zu machen.

Der Versuch, die Echinodermen von den Holothurien abzuleiten, ıst als solcher nicht neu. So sprach schon Semper (42) sich in diesem Sinne aus, indem er sagte (l. c. pag. 261): „Aus den Holothurien haben sich die Echiniden und Asteriden entwickelt.“ Für die Crinoiden nahm er eine gesonderte Entwicklung an. Als die niedersten Holo- thurien betrachtete er die Apoden; er hielt sie für den Gephyreen nahe verwandt.

Nachtrieb (33) schliesst aus der Entwicklungsart des Wassergefässsystems, dass ie Holothurien die tiefste Stufe einnehmen, dann folgen die Asteriden, am höchsten stehen die Crinoiden.

Die allbekannte Hypothese Häckel’s, dass die Asteriden aus fünf oder mehr den Anneliden vergleichbaren, mittelst ihrer Kopfenden miteinander verbundenen Einzelthieren zusammengesetzt seien, hat sich in Folge der ontogenetischen Erfahrungen als unhaltbar herausgestellt (Ludwig, 28, pag. 195).

Zr

Uns scheint nun aber, dass es ein freundliches Bild wäre, wenn sich zeigen sollte,

dass aus dem so ausserordentlich unscheinbaren, wurmähnlichen Geschöpf, wie es eine Holo-

thurie ist, sich eine solche Fülle zierlichst gegliederter und in tausend Farben prangender

Wesen entwickelt hätte, wie es so viele der höhern Echinodermen,

besonders aber die

Crinoiden sind, und bildlich verhielte sich die apode Holothurie zu einer jener blendend

schönen Actinometren, welche die tropischen Meere schmücken, wie die Knospe zur Rose,

wie die Raupe zum Schmetterling.

I

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Tafel X.

Fig. 1. Asthenosoma urens, nOV. Sp. (Seite 86 und 87).

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De Alwis del. Lith.Anstv.Werner & Winter, Frankfurt ®M

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Tafel X.

Alle Figuren beziehen sich auf das Skelet von Asthenosoma urens n. sp.

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Stück des Mundfeldes mit den anliegenden Platten der Corona von der Aussen- seite, 2’; mal vergrössert (Seite 88, 89, 90).

Fig. 3. Dasselbe von der Innenseite, 2',mal vergrössert (Seite 88, 89, 90).

Fig. 4. Eine einzelne Platte des Mundfeldes, um ihre Zusammensetzung aus einzelnen

Blättern zu zeigen (Seite 90).

Fig. 5. Aeusserste Mundfeld- und nächstliegende Coronalplatte. Der eine Ambulacral- porus ist rudimentär (Seite 90).

Fie. 6a. Die neun Mundhautplatten einer Reihe isoliert (Seite 90).

Fies. 6b. Die zwei innersten Mundhautplatten einer Reihe, von der Innenseite, um die Art des Durchtrittes der Ambulacralfüsschen zu zeigen (Seite 90).

Fig. 7. Imbricierende Kalkplättchen des Kiemenfeldes (Seite 91).

Figg. Sa und Sb, 10a und 10 b siehe den Text, Seite 89.

Fig. 9a. Spitzer Stachel vom Ambitus des Thieres (Seite 87).

Fig. 9b. Dornen an demselben (Seite 87).

Fig. 11. Zwei aufeinanderliegende Kalkgitter, einer Mundplatte entnommen (Seite 90).

Fig. 12. Theilung einer Gittermasche (Seite 90).

Jeichenerklärung.

4, 4, 4; Primäre Ambulacralplatten, aur Aurikeläste, aurb Aurikelbasis, aur-IA Aurikel tragende Interambulacralplatte, amb Ambulacralplatten, X Kiemen, Kf Kiemenfeld, va ambulacrale Verlöthungs-

fläche des Aurikelastes, interambulacrale Verlöthungsstelle des Aurikelastes.

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Tafel XII.

Figg. 13—18 über das Skelet von Asthenosoma urens n. sp.

Genitalplatte und Genitalporus. Die Haut ist gelb, die Kalkplatten blau, das ın den letzteren liegende Pigment schwarz gehalten (Seite 91).

Dasselbe ungefärbt. gp Genitalporus (Seite 91).

Der Madreporit und der zugehörige Genitalporus (Seite 91).

Apicalfeld eines Exemplars von 125 mm Durchmesser. Gelb die Haut, blau die Platten, dunkelblaue Punkte bedeuten Miliärtuberkeln, schwarz Pigment. Nat. Gr. (Seite 91).

Apicalfeld eines Exemplars von 90 mm Durchmesser. Pigment und Tuberkeln sind weggelassen. Nat. Gr. (Seite 91).

Apicalpol eines Ambulacralfeldes und zugehörige Ocellarplatte. a,, a,, a, primäre Ambulacralplatten, /A Interambulacralplatten, dr Verbindungsbrücke zwischen

zweien derselben, o Ocellarplatte, o2 sogenannter Öcellartentakel (Seite 91).

Figg. 19—24 über die Längsmuskeln. (Seite 93 ff.)

Der mittlere Theil eines Länegsmuskels, Ansatz der Muskelbündel an die centrale Sehne et (Seite 93 u. 94). Querschnitt durch ein Muskelbündel, ddgm die bindegewebige Hülle desselben, von der Septen ausgehen, welche kleinere Kästchen begrenzen (Seite 94). Einzelne Kästchen mit den darin enthaltenen Muskelfasern mf bei stärkerer Vergrösserung.

Muskelnetz (Seite 93).

Ansatz der Muskelbündel md an die Skeletplatten, mbb Muskelbäuche, ddg binde- gewebige Stränge, den Muskel und die Platten verbindend (Seite 94).

Eine ambulacrale Darmschlinge von Diadema setosum mit ihren Mesenterien (Seite 96).

SARASIN, Geylon.Bd.ı. Taf.xt.

Sarasin del : Lith.Anst.v.Werner & Winter, Frankfurt M

C.W.Kreidels Verlag, Wiesbaden.

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Tafel XII.

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Fig. 25. Die Längsmuskeln von Asthenosoma (Seite 93 fl.).

mb Muskelbündel, ct Centrum tendineum der Längsmuskeln, «au Aurikeln, mmb Muskeln der Buccalmembran, mr Retractoren der Laterne, /amk interambulacrales, amk ambulacrale, .

von den Muskelblättern begrenzte Kästchen, ag Ambulacralgefäss.

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Fig. 26. Der Verlauf des Darmcanals an den Längsmuskeln /m (Seite 95). d, erste oder untere Darmwindung, d, zweite oder obere Darmwindung, im, interambula- crales bindegewebiges Mesenterium der ersten Darmwindung, am; ambulacrales binde- gewebiges Mesenterium der zweiten Darmwindung, amk ambulacrales Kästehen zur Auf-

nahme der Stewart’schen Organe.

SARASIN, Ceylon.Bd 1. Taf.xM.

Mützel del.

Lith.Anstv. Werner & Winter, Frankfurt %M.

G.W.Kreidels Verlag, Wiesbaden.

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Tafel XIV.

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Fig. 27. Die Stewart’schen Organe von Asthenosoma (Seite 100 ff.) ag Ambulacralgefäss, ce Compassstücke der Laterne, d, erste untere, d, zweite obere Darm- windung, e Einschnürung einer Stewart’schen Blase, g Geschlechtsorgane, m Längsmuskeln,

n Niere, sto Stewart’sche Organe, z zipfelförmiger Anhang derselben, zs Zahnsäcke der Laterne.

SARASIN, Geyvlon.Bdi. Tat.XV.

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Mützel del Lith.Anstv.Werner & Winter, Frankfurt %M

C.W.Kreidels Verlag, Wiesbaden.

Tafel XV. DIE NIERE VON ASTHENOSOMA (Seite 105 fi...

Fig. 285. Querschnitt durch die Mitte der Niere (Chromsäurepräparat) (Seite 109).

Fig. 29. Einzelne Nierenzellen aus einem Drüsenlappen (Seite 110).

Fig. 30. Trichter (Seite 111).

Fig. 31. Wanderzellen (Seite 112).

Fig. 32. Die Niere und der perioesophageale Doppelring (Seite 106).

Fig. 35. Zwei Drüsenlappen der Niere (Seite 109 u. 110).

Fig. 36. Zwei Drüsenlappen mit abgehenden Trichtergängen. Einen Querschnitt durch die scheinbar solide Partie drs des Drüsenlappens giebt Fig. 34, durch das Gängchen {rg die Figur 33 (Seite 109—111).

Zeichenerklärung.

aep Aeusseres Epithel der Niere, bdg Bindegewebsparenchym der Niere, dr! Drüsenlappen, drli schein- bar vom Oentralraum abgetrennte Drüsenlappen, drk Hohlraum in den Drüsenlappen, drs mit körnigem Secret erfüllte Partien der Drisenlappen, sep innere Kernlage der Drüsengänge, »; Niere, nk Hohl- raum der Niere, nz Nierenzellen, me, und mes Mesenterien der Niere, mbdg grössere epithellose Maschen des Nierenparenchyms (Blutlacunen), p& Pigmentkörner, pr der perioesophageale Doppelring, st Steincanal,

tr Trichter, trg Trichtergänge, wz Wanderzellen. g fe)

Der Maassstab unter Fig. 28 gilt für die Figg. 28 und Taf. XVL 37, 38, 39, 41. Der Maassstab unter Fig. 35 gilt für die Figg. 30, 33, 34, 35, 36 und Taf. XVI, 40. Der Maassstab unter Fig. 29 gilt für die Figg. 29 und 31.

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C.W.Kreidels Verlag, Wiesbaden.

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Tafel XVI.

DIE NIERE VON ASTHENOSOMA.

37. Querschnitt durch das untere Ende der Niere (Seite 112).

35. Einmündung des Steincanals ın den Wasserringcanal, dw Divertikel des letzteren (Seite 112).

39. Querschnitt durch die Niere (Spirituspräparat) (Seite 110).

40. Zwei Trichter (Seite 111).

41 a—n. Serie, um den Ursprung zweier Trichtergänge aus zwei Drüsenlappen, ihre Vereinigung, ihren Verlauf und ihre trichterförmige Ausmündung an der Ober- fläche der Niere zu zeigen (Seite 111). |

42 (Taf. XVII) Schnitt durch die Nebenniere, s/ Schläuche der Nebenniere, sim deren

Ausmündungen an der Oberfläche des Organs, f spiralige Fasern (Seite 114).

Die übrigen Bezeichnungen wie auf Tafel XV.

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42.

54.

Figg. 55

Tafel XVII. DIE GIFTKÖPFCHEN (Seite 124 ff.).

Siehe Tafelerklärung XVI.

Schematisches Bild eines Giftköpfchens, por Porenlängsreihen des Stachelschaftes, oe einzelne Oesen der Stachelspitze, 9b Giftbeutel, am dessen untere, den Stachel durchsetzende Abschlussfascie, mm die Muskeln des Giftköpfchens,

ep sein äusseres plattes Epithel (Seite 124 u. 125).

Längsschnitt durch den entkalkten Stachelschaft, die weissen Kreise entsprechen den entfernten Kalktheilen (Seite 125).

Ein Giftköpfchen bei Lupenbetrachtung, man sieht zerstreute Pigmentzellen piz und im Epithel eine Anzahl von Längsstreifen Zst (Seite 125 u. 126).

Die Spitze des Stachels, por und oe wie oben (Seite 124).

Querschnitt durch den Giftbeutel, gep sein inneres Epithel (Seite 124).

Ein unterhalb der Längsstreifen des Epithels verlaufender Nervenzug (Seite 126).

Die untere Abschlussmembran (am) des Giftbeutels (Flachschnitt), die weissen Kreise entsprechen den entfernten Kalktheilen des Stachels (Seite 125).

Ein Stachel der grösseren Art mit Einschnürungen der weichen Hülle und Längs- streifen Zst (Seite 126).

Längsschnitt durch das untere Ende des Giftbeutels, Bezeichnungen wie oben (Seite 125).

Die Oeffnung der weichen Hülle eines Giftköpfehens für den Durchtritt des Stachels.

Die Spitze des Stachels stärker vergrössert als ın Fig. 46, msch seine messer- förmige Schneide, oe wıe oben (Seite 124).

Blasige Zelle aus einem Epithellängsstreifen (Seite 126).

und 56. Pulsierende Stellen des Guiftköpfchenepithels (Lymphherzen), ep das

flache Epithel, ddy contractile, mit den Epithelzellen in Verbindung stehende

Elemente, ptz Pigmentzellen (Seite 126 u. 127).

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