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FOR THE PEOPLE

FOK EDVCATION

FOR SCIENCE

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LIBRARY

OF

THE AMERICAN MUSEUM

OF

NATURAL HISTORY

ßound at\

FALCO,

•unregelmässig im Änschluss an das Werk

„BERAJAH,

Zoographia infmita"

erscheinende Zeitschrift.

VII. Jahrgang, 1911, in 2 Heften.

Herausgeber:

0. Kleinschmidt,

Dederstedt, Bez. Halle a. S.

Kommissionsverlag Gehauer-Schwetschke, Druckerei und Verlag m. b. H., Halle a. S., Gr. Märkerstr. 10.

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FALCO.

Siebenter Jahrgang.

No. 1. Februar 1911.

Über das angebliche Vorkommen eines Würg- falken bei Berlin.

Ein am 6. November 1909 in der Nähe von Friedrichshagen, etwa 25 km östlich von Berlin, erlegter Edelfalke, der dort seit etwa zwei Jahren, besonders zur Winterszeit, beobachtet worden war und sich durch seine Taubenfängerei recht verhasst machte, wurde von dem verstorbenen H. Hocke als alter männlicher Würg- falke bestimmt. Vgl. die Berichte in der Zeitschrift für Oologie und Ornithologie 1910 p. 158, Deutsche Jägerzeitung (Neudamm), Bd. 55 (1910) Nr. 1, p. 12 und Nr. 18, p. 295.

An letzterwähnter Stelle bezweifelte ein erfahrener Hütten- jäger die Richtigkeit von Hockes Bestimmung, wogegen dieser sie in einer längeren Abhandlung aufrecht zu erhalten suchte.

Dazu ist folgendes zu bemerken:

Entweder ist die Messung der Mittelzehe nicht richtig, oder der Falke ist kein Würgfalke. Hocke gibt für die Mittelzehe mit Kralle 7,2 cm an. Diese Angabe würde für Falco Peregrinus leucogenys passen, der oft mit dem Würgfalken verwechselt wurde (cf. Orn. Monatsschr. 1909, p. 197). Hierauf passt auch die An- gabe, das Gefieder sei voll und fester als beim Wanderfalken, denn das Umgekehrte ist der Fall.

Ferner ist entweder der erlegte Vogel nicht mit dem zwei Jahre lang beobachteten identisch, oder er ist ein Wanderfalke. Ein Würgfalke müsste schon seinem unglücklichen Namen zuliebe seine Instinkte gänzlich verleugnen, um sich zwei Winter hindurch bei Berlin dem Taubenfang zu widmen.

Endlich ist es unmöglich (die Richtigkeit der Messung voraus- gesetzt), dass der Vogel männlich ist (denn die Mittelzehe des männlichen Würgfalken ist um einen ganzen Zentimeter kürzer), es müsste denn ein Jagdfalke sein. Die Bestimmung kann doch leicht nachgeprüft werden.

Falco. 1

2 Nachtrag zu dem Artikel: Die nordafrikanischen Schwalben.

Am meisten hat es mich verwundert, dass Hocke meine Würgfalkenarbeit aus der Aquila 1901 zitierte, aber behauptete, die , Darstellung beweise recht schlagend, wie ausserordentlich schwierig es sei, die Sonderung der verschiedenen Arten oder Formen zu treffen". Hocke scheint seine Kenntnis der Arbeit lediglich aus einer der unfreundlichen Rezensionen geschöpft zu haben, denen damals die Anfänge des Formenkreisstudiums begegneten. (Heute sieht man es anders an). Ich habe gerade dort die Unterschiede zwischen dem Formenkreis des Würgfalken und dem des Wander- falken so deutlich gemacht, dass „alle Bestimmungsnot ein Ende hat" und man sogar Albinos oder Skelete beider Vögel unter- scheiden kann. 0. Kl.

Nachtrag zu dem Artikel: Über die nordafrikanischen Schwalben.

Von E. Hartert und 0. Kleinschmidt.

Aus redaktionellen Gründen konnte folgende Bemerkung nicht mehr bei Korrektur der vorigen Nummer eingefügt werden.

Die zu Anfang unseres Artikels erwähnte Vermutung wurde von Dr. Ad. Seitz (Zool. Garten 1905, p. 15) ausgesprochen. Sie wurde auch schon von Reichenow (Journ. f. Orn. 1905, p. 425) und ausführlicher von W. Schuster (Zool. Garten 1905, p. 301) zurückgewiesen.

Druckfehlerberichtigung.

Jahrgang 1910, p. 24 lies Treul statt Treub. O. Kl.

Seleucides ignotus auripennis Schlüt.

Subsp. nov. aus Deutsch -Neuguinea.

Von Willy Schlüter. Der Zufall wollte es, dass ich vor einigen Wochen von zwei Missionshäusern, die für ihre Museen von Zeit zu Zeit Material zum Ausstopfen einsenden, je 2 Fadenhopf e erhielt, die mir wegen der stark goldgelben Färbung der Schmuckfedern sofort auffielen. Bei genauer Untersuchung fanden sich auch weitere Unterschiede, die mich veranlassen, die Vögel aus Deutsch-Neuguinea von S. igno- tus ignotus zu trennen.

Willy Schlüter: Seleucides ignotus auripennis Schlüt. 3

Die mir vorliegenden vier Exemplare gehören drei 0*0* im Prachtgefieder und einem jungen Vogel im Übergangskleid an.

Alle drei tf 'q* stimmen in der Färbung genau überein und unterscheiden sich von der bereits seit dem Jahre 1726 bekannten Form dieses Paradiesvogels durch folgende ausgezeichnete Merkmale: Geringere Grösse, der Schnabel kürzer und schlanker, die Flügel wesentlich kürzer, die Färbung der verlängerten Seiten- schmuckfedern viel mehr goldgelb, was bei frischen, nicht ver- blichenen Exemplaren sofort in die Augen fällt. Auch die grünen Endsäume der verlängerten Brustfedern sind etwas breiter. Dieser Unterschied ist zwar gering, im Durchschnitt aber ganz gut erkennbar. Das junge Männchen im Übergangskleide zeigt an Kopf und Hals bereits die Färbung des alten Vogels, während die übrigen Körperteile noch das Gefieder des <j> tragen, doch sind die Bauch- und unteren Schwanzdeckfedern (einschliess- lich der Schäfte) nicht bräunlich weiss, sondern goldgelb mit schmalen dunkelbraunen Querbinden. Also schon im Jugend- gefieder macht sich beim <j* die mehr goldgelbe Färbung der Seitenschmuckfedern geltend. Flügel des Typus 166, Culmen 62 mm.

Die Vögel wurden in der Umgebung von Dallmannshafen in Deutsch -Neuguinea erlegt, und es gelang mir, ein altes q* im Schmuck zu erwerben, das von Herrn Direktor Dr. Hartert für das Tring-Museum angekauft wurde und der Typus ist.

Herr Direktor Dr. Hartert schliesst sich meiner Ansicht be- züglich der subspezifischen Trennung der Vögel von Deutsch- Neuguinea an und teilt mir wörtlich mit: „Wir besitzen bereits ein tf ad. Ihrer neuen Form, das an der Nordküste auf dem 139. Längengrade, am Witriwai- Flusse von W. Doherty anfangs des Jahres 1897 von Eingeborenen in frischem Balge erworben war. Der Schnabel ist stark beschädigt, die Flügel in der Mauser, daher nicht genau messbar; wir konnten daher das Stück nicht beschreiben, aber der Vergleich mit Ihrem Stück lässt keinen Zweifel, dass es Ihrer neuen Form angehört. Auch ein von W. Doherty im November 1896 bei Takar an der Nordküste (zwischen der deutschen Grenze und dem Ambernoh-Flusse gelegen) erlegtes Weibchen gehört ohne Zweifel zu Ihrer neuen Form. Die Unterseite ist dunkler braun und besonders an der Brust schärfer quergebändert, die Flügel etwas kürzer, der Schnabel schwächer

1*

4 Man bring' es unter Glas und Rahmen.

als bei Weibchen aus der Arfakgegend und aus Britisch-Neuguinea. Flügel 154 mm.

Halle a. S., den 30. Dezember 1910.

„Man bring' es unter Glas und Rahmen und hänge es im Rathaus auf, damit's noch die Urenkel lesen, wenn manches sich verändert hat!"

i.

In dem Unterhaltungsblatt „Mitteilungen über die Vogelwelt" heisst es in einem mit zwei Buchstaben unterzeichneten Artikel, dass es noch immer schnurrige Käuze gibt, die Abschriften von Etiketten verstaubter Museumsbälge als die einzig wahre ornitho- logische Wissenschaft bezeichnen.

Ich hätte gern gesagt: „Meine Zeitschrift ist zu vornehm", um sich auf das Folgende einzulassen, aber kann man zu den fortgesetzten Flegeleien gegen die wissenschaftliche Ornithologie schweigen? Gewiss ein Körnchen Wahrheit ist daran. Das soll nicht bestritten werden. Und darum gelingt es so prächtig, die Laienwelt aufzuhetzen gegen gründliche sorgfältige Arbeit. Die Folgen dieser Aussaat siehe unter No. II. Die Antwort ad I. kann man kurz halten: Bewusst falsch abgeschriebene Etiketten! Einer von den schnurrigen Käuzen entdeckt es, sagt leider Schweigen zu, in der Annahme, dass es sich um einen einzelnen Fehltritt handle. Aber es handelt sich, wie sich bald herausstellt, nicht um einen Fehltritt und nicht um einen Einzelfall. Der Geist- liche schweigt vielleicht über das, was ihm der Gefangene ge- beichtet. Aber er hilft ihm nicht die Kette durchfeilen. Dann wäre er selbst ein Verbrecher. Es ist genug, dass er schweigt. Verstaubte Museumsbälge, Etiketten und Etikettenabschriften werden einst reden, beweisen und richten, wenn wir tot sind! Daher sind sie so verhasst. Subtile Wissenschaft ist doch wert- voll, sie entlarvt Betrüger. (Cfr. Prazäk.)

n.

Der Hass gegen Bälge und Etiketten macht Schule bei den Unwissenden. Es kommen ehrliche, aber nicht orientierte Leute,

Man bring' es unter Glas und Kahmen. 5

unter ihnen Hermann Löns. Er lässt sich aufhetzen, schreibt gegen Ringversuche, wird abgefertigt von der Wissenschaft, macht sich in Wutschreien Luft und greift „Falco" an, „Falco" in erster Linie. Er nennt mich und meine Zeitschrift nicht, aber ich bin der einzige Ornithologe, der zur Zeit mit den Subtilformen des Wanderfalken beschäftigt ist. Darum habe ich das erste Recht und die Pflicht, Löns zu antworten.

Über die Naturgeschichte des Wanderfalken wird meine Berajahmonographie Herrn Löns demnächst belehren können.

Man lese die Festschrift „Hannoverland, ein Buch der Heimatpflege, herausgegeben von G. F. Konrich, Verlag Ernst Geibel, Hannover, Oktober 1910", Preis 1 Mark, nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Zeitschrift im gleichen Verlag. Wie ver- ständnisvoll und schön schreibt da Hauthal über „Museen und Heimatschutz " etwa folgendes: Museen sind nötig, erstens weil sie Tierbälge (die doch auch Naturdenkmäler sind) und anderes be- schützen vor dem Zugrundegehen, zweitens weil sie geschlossene Reihen von Gegenständen, die sonst über die ganze Erde ver- streut nur aufzufinden sind, als einheitliches Ganze in einem Räume vereint vorführen.

Und neben diesem und andern schönen Aufsätzen pag. 33 ein Artikel von Löns „Schutz der Tierwelt", ein Schmutzfleck in dem Buch, ein Schildbürgerstreich, geschehen zu Hannover anno 1910. Hier kurz der Inhalt der Schmähschrift:

„Ornithologe" muss ein „Ekelwort und ein Übername" werden. „Uns ist ein lebendiger Storch lieber als sieben Ornithologen." *) Die Leute die für die Beringung der Zug- vögel eintreten, wollen lediglich „Vogelwarten schaffen", um „Versorgung für Ornithologen" zu gewinnen. (Sahen denn die Ornithologen, die 1910 in Berlin zu einem Welt- kongress versammelt waren, so verhungert, so versorgungs- bedürftig aus?) Fort mit der Vogelwarte Rossitten, einem Staatsinstitut, das dem Naturschutz entgegenarbeitet." 2)

Die Oologen und der kürzlich verstorbene Hocke kriegens

*) Es ist zahlenmässig festgestellt, dass in einem Jahr zirka 70000 Störche aus Ostpreussen nach Süden zogen und 35 Ringstörche sind erbeutet !

2) Ich referiere den Inhalt möglichst mit Löns' eigenen Worten, die hier in Anführungszeichen stehen. O. Kl.

6 Man bring' es unter Glas und Rahmen.

am schlimmsten ab. Die Zeitschrift für Oologie wird mit den mir unbekannten Schmutzzeitschriften Caviar und Amethyst" in Parallele gestellt. Es wirbelt von Aus- drücken wie „After Wissenschaft, Beringungssport, Nekro- logie, Sammelwut." un kommt erst die grösste Niederträchtigkeit: Ritter von Tschusi zu Schmidhoffen hat, ganz Edelmann, Löns mit ein paar ruhigen, sachlichen Worten in vornehmstem Tone in der Zeitschrift Hannoverland 1910, S. 281 geantwortet. Löns erhält das Schluss- wort. Zwar tritt an Stelle der früheren Worte: „Die Wissenschaft trägt mit dazu bei, die Natur zu berauben", „An den Pranger mit solcher Wissenschaft" jetzt der Satz: „Wohl ist die Ornithologie eine wichtige Wissenschaft".

Aber dafür wird die „Subtilformenforschung als

„gemeingefährlich" hingestellt (pag. 282 der Zeitschrift

Hannoverland), nachdem sie schon vorher als geistlose Art

der Tatsachensammelei", „völlig nutzlose Feststellungen",

„arme, öde, langweilige Wissenschaft, die tote Tatsachen

bezettelt", gekennzeichnet war.

Man höre was derselbe Hermann Löns -Hannover auf Seite 112

der Zeitschrift Hannoverland 1910 in einer Skizze „das stumme

Dorf" schreibt:

„Was das Volk vergass, die Erlkönigsmeise im Saal- weidenbaume behielt es; in ihrem klagenden Rufe liegt die Trauer über die gestorbenen Tage, da hier im Bruche das Elch durch die Erlen brach, den Wurfspeer hinter dem Blatte und hinter ihm her das herzhafte An Jüchen des blondbärtigen Mannes erscholl usw." Ich frage: Wie reimt sich das, Herr Löns? Die intensive Subtilformenforschung dreier Ornithologen, nämlich des alten Christian Ludwig Brehm, des Herrn Victor Ritter von Tschusi zu Schmidhoffen und meiner Wenigkeit hat „auf geistlose Art" „völlig nutzlos" die „arme, öde, langweilige" „Tatsache" festgestellt, dass es diesen Vogel überhaupt gibt. In der Tat erwies sich diese Entdeckung als gemeingefährlich, nämlich für das Körnchen Wahr- heit in Löns Ausführungen, den alten Schlendrian, der da meinte: „Wir brauchen in Deutschland keine Ornithologen mehr, denn die Erforschung der deutschen Vogel weit ist abgeschlossen."

Die Subtilformenforschung ist ferner gemeingefährlich für den

Man bring' es unter Glas und Rahmen. 7

allgemeinen Darwinkultus. Wenn Löns den seligen Darwin über unsere Wissenschaft lachen lässt, dann sage ich: Die „geistlosen Tatsachen" der aneinandergereihten toten Vogelbälge werden reden, lauter als das geistreichste Geschwätz der Darwinnachbeter.1) Sie werden auch hier einen grossen Betrug aufdecken, und Darwin würde darüber ein ebenso langes Gesicht machen wie über seine Nachbeter und Verhimmler.

„Ob wir wissen, dass der Wanderfalke von Korsika (wollten Sie nicht sagen: „Sardinien", Herr Löns?) sich durch irgend eine Winzigkeit von dem des Regierungs- bezirkes Marienwerder unterscheidet, das ist nicht so wichtig, als dass deswegen die Existenz dieses adligen Räubers in Frage gestellt werden sollte." (Löns in einem Artikel „Ornithologie und Fauna" in der Deutschen Jägerzeitung 1910, Bd. 55, No. 23, S. 375, von der Redaktion übrigens in einer Anmerkung treffend berichtigt.) Wer die von Löns hier genannten Unterschiede nicht kennt, wird auch die vom Wanderfalken von Marienwerder und Ostruss- land für unwesentlich halten, denn sie sind tatsächlich nicht grösser. Und wenn man nun gar den Wanderfalken für einen Würg- falken hält, man kann ja dann ebenso, vielleicht noch begeisterter in romantischen Erinnerungen schwelgen solange kein gemein- gefährlicher Subtilforscher kommt und sagt: Es ist ja gar kein Würgfalke, sondern eine Subtilform des Wanderfalken. Tausend Laien, hundert Dichtern wird die Spezies gleichgiltig sein und der schwebende Bussard wird ihnen mehr imponieren als das ver- schwindende Momentbild des Falken, aber der Falkner lächelt über den unkundigen Dichter.

Wie wenig Löns sich orientiert hat, geht aus seiner lächer- lichen Meinung hervor, die Störche würden von der Vogelwarte Rossitten tausend weise gefangen, beringt und freigelassen. Nein, sie werden einzeln im Auftrag der Vogelwarte auf dem Horst als flugunfähige Jungvögel beringt.

Ferner meint Löns, die Subtilforschung suche sich seltene und farbenprächtige Vögel aus. Nein, wir zeigen im Gegen- teil, dass Krähen, Haubenlerchen und Graumeisen dieselben

*) Die übrigens anscheinend derselbe Löns als „Ulenspeichel" ge- legentlich eines Abdrucks oder Urdrucks seiner Schmähschrift in der Tagespresse verulkt.

8 Man bring' es unter Glas und Rahmen.

geologischen Reminiszensen im Gefieder tragen wie Paradiesvögel und Stare.

Löns weiss nicht, was ein Naturdenkmal ist. Die Subtil- forschung belehrt uns, dass der östliche Wanderfalke ein post- glaziales, der rheinische ein interglaziales, der sardinische ein präglaziales Naturdenkmal ist, und nun sehen wir den Vogel nicht mehr in der romantischen Narrenkappe vergangener Jahr- hunderte, sondern un verhüllt blitzt aus seinen dunkeln Augen ferner Jahrtausende überbliebener Glanz.

Wir sollen ihn ausgerottet haben? Wie reimt sich die Häufig- keit des Vogels in unsern kultiviertesten Gebieten mit seiner Selten- heit in Gegenden, die kaum eines Menschen Fuss betrat. Wir Subtilforscher sehen ihn, wo Hunderte von Touristen an seinem Horst vorübergehen, ohne etwas von ihm zu merken. Uns ver- hasste Ornithologen scheint er zu lieben. Vor unserm Auge taucht er auf für Augenblicke, über den Boden eilend, wo der Laie ihn nie sucht, dem Kenner begegnet er im Grossstadtgetriebe wie auf fernem Ocean, der gemeine Wanderfalk. Falco Hierofalco ist für uns eine Seltenheit in Deutschland.

Wir wollen die Natur nicht für uns allein haben, darum schreiben und malen wir für andere, aber schliesslich verhüllt sich die Natur selbst für alle, die sie nicht kennen lernen wollen, sondern ihre Kenner verhöhnen. Das Gesetz gibt einzelnen den Jagdschein, gibt einzelnen Dispens vom Vogelschutzparagraphen. Konsequente Durchführung des Löns sehen Gedankens, dass die Natur Gemein- gut ist, das dem Volke gehört, und keinem ein Vorrecht bietet, würde ebenso ein Aufhören des Weidwerks wie der Ornithologie zur Folge haben.

Damit kommen wir noch zu einer andern Sache. Löns wirft mit Ausdrücken der Jägersprache1) um sich. Soll das fach- männischer klingen als Fachwissenschaft, wenn vom „Weidruf" des Vogels, von Griffen" des Falken die Rede ist?

Meine Freunde unter den Ornithologen und Sammlern sind alle weidgerechte Jäger. Unsere Jägerehre, den blanken „Weid-

') Es ist aber ein schwerer sprachlicher, ästhetischer und ethischer Fehler vom „Blattschuss" auf einen im „Feuer roullierenden" Menschen zu reden. Nicht der beliebige Gebrauch von Ausdrücken, sondern die richtige Anwendung auf die einzelne Kreatur und am rechten Ort verrät den „Weidmann". (Siehe das Gedicht Hannoverland 1910, p. 25.)

Man bring' es unter Glas und Rahmen. 9

manns- Ehrenschild " anständiger Staatsbürger von Lebenden und Toten, sucht Löns mit Schmutz zu bewerfen, als ob wir eine Gesellschaft von Strolchen und Wilddieben wären. Wir werden diesen Ehrenschild des guten Gewissens auch über unsere Freunde halten, über die Anfänger, die vielleicht einmal- im Sammeleifer zu weit gehen, auch über die ehrlichen Verkäufer und ernsten Eiersammler. Unwürdige gibt es in jedem Stande und Auswüchse an jeder Sache. Aber es gibt auch mehr als einen hirschgerechten Jäger, der Eiersammler ist. Wo Jäger sind, da werden die Wild- diebe alle. Kommt kein Jäger mehr ins Revier, so habens die Wilddiebe leicht. Sie werden lächeln unsere Freunde, dass ich mich ereifere, unsere Freunde im Norden und unter der Tropen- sonne, jenseits der Grenzpfähle und jenseits der Oceane. Solche Vorwürfe sind ja nichts Neues. Wir hören sie täglich. Von Kind- heit auf haben wir ihn auf dem Butterbrot gegessen, und hinab- geschluckt, den Spott über unsere dem Fernstehenden so lächer- liche Wissenschaft, das verständnislose Urteilen selbst von Leuten, die uns nahe stehen.

Löns sagt, es sei der scheussliche Wahlspruch der Ornitho- logie: „Lieber ein Loch in der Natur, denn eins in der Wissen- schaft." — Das kleine Loch in der Eischale schwächt sie nicht. Die Natur heilt tausend Wunden, auch die nadelstichgrossen, die ihr die Wissenschaft zufügt, denn sie ist nicht wie die tote Kalk- schale. Die gelernt haben, das zarte Vogelei mit zarter Hand anzufassen, die zerbrechen am wenigsten mit rauhem Griff die Naturwunder, an denen sie sich freuen. Sie zirkeln scharf die Grenze ab, wo sie halt machen müssen.

Hier habe ich als Mitglied des Bundes für Heimatschutz noch ein Wort zu sagen. Es ist ein Grundsatz dieses Bundes, nicht alles in den grossen Museen zu konzentrieren, nicht alles Schöne aus den Dörfern und Kirchen zu holen und in die Grossstadt zu tragen, sondern es möglichst an Ort und Stelle zu lassen. In gewissen Grenzen gilt das auch von Privatbesitz. Daher spricht jener Grundsatz für und nicht gegen die Daseinsberechtigung von Privat- und Schulsammlungen. Freilich belehrt hier die Wissenschaft, dass das einzelne Seltene wertlos, dass das Nicht- Seltene Normale interessanter ist als das Abnorme. Gerade die Wissenschaft ist es, die hier jedem Vandalismus und Missbrauch entgegentritt.

10 Man bring' es unter Glas und Rahmen.

Parallel der grossen Heimatbewegung hat sich die ornitho- logische Wissenschaft, nachdem sie alle Fernen der Erde durch- streift, der Heimat mit neuem Interesse zugewandt.

Fanatische Übertreibung des Heimatschutzes würde einen Rück- schlag hervorrufen, erstens gegen das neue Interesse der Wissen- schaft für die Heimat und zweitens gegen den Heimatschutz selbst. Darum im Interesse der Heimatbewegung in unserer Wissen- schaft und im Interesse des Heimatschutzes selbst, rufen wir Ornithologen allen fanatischen Übertreibungen des Naturschutzes ein energisches „Halt" zu. Die heilsame Woge soll sich nicht überstürzen und dann im Sande verrinnen.

„Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil", sagt Löns. Wir denken vornehmer, aber auch kühler. „Sie nennen Räuber ihn und Dieb", den Falken, aber der lacht in seinen Felsenburgen und in seiner luftigen Höhe über die, so nach ihm schiessen und klettern, am Ende auch über die, so ihn schützen wollen. So lacht die Wissenschaft über ihre Angreifer. Wir werden immer Vogel- mörder gescholten werden, wir Ornithologen, wie die Wander- falken. Am Ende sind wir doch nicht so schlimm, wie die Laien meinen, und am Ende haben wir keine weitere Verteidigung1) nötig, auch keine finanzielle Unterstützung, Herr Löns, wir tun alles aus Liebe zur Sache. Der Staat unterstützt einige ornitho- logische Anstalten neuerdings freiwillig, weil er merkt, dass zum Naturschutz ornithologische Wissenschaft unentbehrlich ist. Und wenn er's nicht tut, schadet's auch nichts. Unsere Wissenschaft ist frei. Sie wird vom Hauch der Begeisterung getragen, wie der Vogel von Luft und eigner Kraft.

HI.

„Sogar Geistliche stimmen uns bei: (folgt Zitat)". Diese Formel kann man heutzutage oft lesen, in einer gewissen elenden Presse. Herr Pastor Christoleit hat immer noch Bedenken gegen die Ringversuche. Einen Artikel von ihm in „Unsere Welt" habe ich dort beantwortet auf Bitte der Redaktion hin. Er druckt seinen Artikel nun an anderer Stelle ab und sucht sich selbst die Bundesgenossen, zu denen ich ihn hier stelle. Nachdem

*) Wie ich von Herrn von Tschusi erfahre, hat die Zeitschrift „Hannoverland" einen weiteren berichtigenden Artikel aus seiner Feder abgelehnt.

Man bring' es unter Glas und Rahmen. 11

ich gegen meinen Kollegen geschrieben, kommt mir das erste Bei- spiel in die Hände, das für eine Beschädigung eines Vogels durch den Ring zu sprechen scheint aber nur scheint". Ein in Syrien gefangener Ringstorch der Ungarischen ornithologischen Zentrale erschien Herrn Musza Ben Jussuf Darabi in Ma'lula, der ihn fing, sehr alt und übel zugerichtet (nach dem Bericht in der Zeitschrift „AI Masrik" cfr. Aquila 1910, p. 241). Aber man kann hier sehen, wie die Ornithologen, die sich und uns auf blosse Be- obachtung beschränken" wollen, irren. Der „sehr alte" Storch hatte nämlich seinen ersten Geburtstag noch nicht hinter sich, wie die Ringnummer

1676,

die man im Syrerland allen Ernstes für die Jahreszahl der Be- ringung hielt, auswies. Übel zugerichtete Störche, welche von den Leuten ergriffen werden können, kommen aber ohne Ring öfter vor, als mit Ring. Einen solchen ohne Ring verunglückten Storch versuchte ich einst vergeblich einer Zigeunerbande abzuhandeln, die ihn ergriffen hatte und mir ganz analog ihren Gesinnungsgenossen im fernen Afrika versicherte: „Er sein gut for die Magen". Einen andern unberingten haben wir im Garten gesund gepflegt.

Leider wirft auch in der ornithologischen Monatsschrift einer meiner Standesgenossen, der „Sammelwut der Serien sammelnden Balgforscher" den Fehdehandschuh hin. Mein Versuch einer pri- vaten brieflichen Verständigung erwies sich in diesem Falle wie im Falle Christoleit als vergeblich.1) Das „ich schlage dich ins Gesicht, aber ich meine dich nicht damit" ist denn doch keine Entschuldigung.

Ich erkläre zunächst: Ich bin Balgforscher und Seriensammler. Aber in meiner grossen Seriensammlung befindet sich kein deut- scher Steinsperling, nur ein deutscher Kolkrabe, den ich vor dem Verstauben auf dem Schrank einer Försterstube rettete, kein Edelreiher, kein Steinsperlings -Ei, kein Lämmergeier -Ei, kein deutsches Kolkraben -Ei.2) Balgseriensammler sind wissenschaft- liche Sammler. In der Balgserie verliert der Vogelbalg allen Schön-

*) Zu Christoleits Ehre muss ich bemerken, dass dieser Versuch von ihm begonnen wurde.

2) Obschon ich mir leicht, billig oder fast kostenlos diese Selten- heiten verschaffen könnte, wenn ich wollte. Ich schonte diese und andere Arten absichtlich.

12 Man bring' es unter Glas und Rahmen.

heitsreiz, und gerade das „Seriensammeln" macht dem „Selten- heitensammeln" ein Ende. Meine Sammlung ist kein mittelalter- liches Raritätenkabinett.

Ich schrieb meinem Kollegen, dass es in Deutschland meines Wissens nur vier Leute gibt, die grössere Serien deutscher Vögel sammeln. Er begegnete dieser Mitteilung mit einem Hinweis, der sich auch bei Christoleit findet: „Die Naturalienhandlungen!" Ich schrieb umgehend an Herrn Willy Schlüter, ob ich recht habe oder nicht. Hier ist sein heute erhaltener Brief.1)

Halle a. S., 19. Januar 1911.

„Mich interessieren natürlich ungemein die betreffenden Artikel, und es wäre mir lieb zu erfahren, wo ich solche zu lesen finde. Die Betreffenden haben, wie ich schon aus Ihrer kurzen Schilderung ersehen kann, keine Ahnung vom ganzen Naturalienhandel, besonders demjenigen in Vogelbälgen.

Ihre Ansicht ist ganz die meinige! Die Wissenschaft verbraucht nur einen ganz verschwindenden Teil der jähr- lichen Übererzeugung aller Vogelarten und die wenigen Seriensammler von Vogelbälgen tuen der Vogelwelt nicht den geringsten Schaden, umsomehr, als das entsprechende Material heute fast ausschliesslich aus dem Aus- lande kommt.

Einen wirklichen Lieferanten an deutschen Vogelbälgen, habe ich z. B. seit mindestens fünf Jahren nicht mehr, höchstens erwerbe ich hier und da im Tausch einige wenige Vogelbälge. Ich behaupte und kann dies durch meine Bücher nachweisen, im Jahr für keine 100 Mark.

Ihre Fragen beantworte ich Ihnen gern.

ad I. An deutschen Seriensammlern in Vogelbälgen kommen für mich überhaupt nur drei Herren in Betracht und zwar: Sie, X., und Y. Z. kauft überhaupt nichts, sondern tauscht nur und zwar in der Hauptsache Exoten. Dabei habe ich seit Jahren geschäftlich mit Z. überhaupt nichts mehr zu tun! .... kaufte nach meinen Geschäfts-

') Ich ersetze die Namen durch X. usw. und lasse lediglich den andere Dinge behandelnden Anfang und ein paar Kraftausdrücke weg, deren Veröffentlichung mir Herr Schlüter verdenken würde. 0. Kl.

Man bring' es unter Glas und Rahmen. 13

büchern in den letzten sechs Jahren etwa für 90 Mark.

in zirka zehn Jahren für nur 50 Mark. Diese

zwei letzteren kommen also für mich und den Handel in Vogelbälgen kaum in Betracht. Y. kauft auch nur sehr wenig, besonders seit den letzten Jahren. Es kommen für mich als Kunden nur Sie und X. in Betracht und da handelt es sich bei Ihnen und X. selten um deutsche Vögel, sondern fast nur um ausserdeutsches Material.

ad II. Der Verkauf an deutschen Vogelbälgen ist gleich Null! Alles Material beziehe ich heute aus dem Auslande und habe in der letzten Zeit sogar Aufträge von Museen nicht ausführen können, weil das erwünschte Balgmaterial nur aus deutschen Exemplaren bestehen sollte, ich aber nur ausserdeutsche Stücke liefern konnte.

ad III. Steinsperlinge aus Deutschland habe ich noch nie zu Gesicht bekommen, weder als Stopfexemplare noch als Bälge, geschweige denn Eier dieses Vogels! Meinem Vater, den ich sofort danach fragte, geht es genau so, obgleich er sich seit 1853 mit dem Vertrieb von Vogel- bälgen befasst hat. Also auch hier nur Riesengeschrei!

Ich meine es könnte nicht schaden, wenn solche Ver- leumdungen einmal gehörig abgeführt würden, denn es handelt sich ja hier um eine eventuelle Knechtung der Wissenschaft, wie solche grösser nicht gedacht werden kann und dabei in einer Zeit, wo von allen Seiten Frei- heit der Forschung mit Recht angestrebt wird!

Endlich möchte ich erwähnen, dass ausser mir ein zweiter Händler in Vogelbälgen aus Deutschland nicht in Betracht kommt, da es eben keinen gibt. Also, wie soll da durch die Naturalienhandlungen der deutschen Vogel- welt solcher enormer Schaden zugefügt werden ? Ich gebe ja zu, dass es eine Menge kleinerer Präparatoren gibt, die Handel mit ausgestopften Vögeln treiben, welche meist in Deutschland erlegt resp. gefangen sind. Diesen könnte event. das Handwerk gelegt werden, weil der Bedarf für die Schulmuseen leicht aus dem Auslande gedeckt werden kann. Immerhin dürfte auch dieser nur geringe Abgang an Vögeln nicht so schädigend auf den Gesamtbestand

14 Man bring' es unter Glas und Rahmen.

einwirken, als dieses Geschrei den Anschein zu erwecken versucht!

Alles was ich Ihnen geschrieben habe, ist meine vollste Überzeugung und entspricht vollkommen der Wahrheit. Wollen Sie also bitte, soweit es Ihnen erwünscht, davon Gebrauch machen. (Vor Drucklegung möchte ich natürlich das Manuskript einsehen.)

In amerikanischen resp. exotischen Krähen ist verschie- denes am Lager und ich sende Ihnen das Material, falls erwünscht, gern zu.

Ihren weiteren Nachrichten gern entgegensehend, mit bestem Grusse

Ihr Willy Schlüter.

Auf der Weltausstellung in Brüssel 1910 und zwar auf der im Auftrage des Preussischen Kultusministeriums beschickten deut- schen Unterrichtsausstellung verlieh das internationale Preisgericht der deutschen Weltfirma das „Diplome d'Honneur", welches noch über der goldenen Medaille steht. Daheim tut man, als ob die Naturalienhändler lauter Hehler für Schiesser und Diebe wären. Die Firma verkauft hauptsächlich biologische und anatomische Präparate von Maikäfern, Fröschen, Katzen u. dergl. Ich habe Herrn Schlüter noch genauer nach dem Verkauf an Schulen ge- fragt, der ja auch neuerdings verdächtigt wird. Hier seine soeben eingetroffene Antwort:

Halle a. S., 24. Januar 1911.

Aus meinem Hauptkatalog No. 250, wovon Sie ein Exem- plar unterm 29. September erhalten haben und wovon ich Ihnen der Sicherheit halber heute noch ein Exemplar per Drucksache zugehen lasse, werden Sie ersehen, wie sehr in demselben die Vögel im Verhältnis zu den von mir überhaupt geführten Lehrmitteln zurücktreten. Ich habe mir einen ungefähren Überschlag gemacht und glaube nicht, dass der Verkauf ausgestopfter Vögel als natur- wissenschaftliche Lehrmittel für Schulen 1/20 des Gesamt- umsatzes ausmacht! Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass doch alle schädlichen Vögel, sowie das Hausgeflügel (Pfauen, Puten, Hühner, Gänse, Enten, Tauben usw.), darin

Man bring' es unter Glas und Rahmen. 15

einbegriffen ist und nur die allerwenigsten Vögel aus Deutschland stammen! Wie ich hier noch einmal betonen möchte, beziehe ich schon seit Jahren fast alles Material aus dem Auslande, weil ich selbst ein Schützer und Heger unserer Vogelwelt bin und auch der Naturdenkmalpflege höchst sympathisch gegenüberstehe. Solch aufrichtiges Interesse am Schutze der Vogelwelt kann nach Ansicht gewisser Leute, die durch solche Schönschreibereien nur für sich Propaganda machen, aber kein Naturalienhändler haben, weil der ja nur daran denkt, sich durch Vernich- tung der Vögel zu bereichern! Willy Schlüter. Dass in diesen Briefen klare Tatsachen reden und nicht Ge- schäftsrücksichten, wird jedem anständigen Menschen deutlich sein. Ich kann aber Herrn Schlüters Ansichten aus eigenster Erfahrung bestätigen. Ich handle nicht mit Vogelbälgen und tausche sogar ungern, aber die Dubletten des Herrn Flückiger, die dieser mir anvertraute, liegen seit Jahren, ebenso die der Coli. Engler, ohne dass irgend ein deutscher Sammler darnach fragt. Herr Schlüter kaufte einen kleinen Teil der ersteren. Wo sind da die sammelwütigen Serienbalgforscher?

Die Ornithologen, die keine Bälge anfertigen, tun das aus Be- quemlichkeit. Es ist wirklich kein Vergnügen, Vögel anatomisch zu untersuchen und Bälge zu präparieren, sondern eine nicht nur schwierige, sondern auch ziemlich schmierige und, wenn das Gift unter die Nägel dringt, schmerzvolle Arbeit. Aber man lernt den Vogel dabei gründlicher kennen, als wenn man ihn nur von weitem beobachtet. Auch muss man's schon deshalb selbst machen, weil die meisten Präparatoren ordentliche Bälge nicht machen können. Die „Kunst, Vögel als Bälge zu bereiten", ist in Deutschland nahezu unbekannt und in allen andern Erdteilen bekannter als auf dem europäischen Kontinent. Wir schiessen so wenig Vögel als mög- lich, weil wir sie nachher präparieren. Meine Sammlung dürfte gegenwärtig die grösste Privatsammlung deutscher Vogelbälge in Deutschland sein und meine eigene Jahresstrecke pro 1910 beträgt 3 Kreaturen: 1 Carduelis, 1 Turdus Borealis und eine Katze, zu deren Tötung ich gesetzlich berechtigt war.1) Die beiden Vögel

*) Also zwei gemeine Vögel geschossen, das 15 fache tot gefunden, meist unter Sterbebäumen, einige unter der elektrischen Starkstrom- leitung. Mehr als zwei bis drei Dutzend Vögel im Jahre zu präparieren

16 Man bring' es unter Glas und Rahmen.

sind die Modelle zu Abbildungen in einem demnächst erscheinenden Werkchen. Die Vogeltafel II des deutschen Vereins zum Schutze der Vogelwelt wird demnächst, nach Vogelbälgen meiner Sammlung verbessert, neu erscheinen. So dienen auch Bälge manchmal dem Vogelschutz.

Die alberne Redensart von der „Balgornithologie" ist der- artig in Mode gekommen, dass man glaubt, sie heutzutage in jedem Buch und jedem Vorwort anbringen zu müssen.

Man findet sie schon in Brehms Tierleben. Man findet sie, wo man sie nicht erwartet, z. B. in Voigts Excursionsbuch, zum Studium der Vogelstimmen, 5. Auflage, p. V. Dort heisst es: Die innern Schätze, die Aufzeichnungen im ornithologischen Tagebuch haben bleibenden Wert und befriedigen idealere Naturen weit mehr als verstaubte und verblichene Bälge. Als ob Bälge Selbstzweck wären, als ob der Besitz von Bälgen auf eine wenig ideale Ver- anlagung schliessen Hesse, als ob Bälge verstaubt und verblichen sein müssten.

Den Oologen interessiert das Ei, den Stimmenforscher inter- essieren die Stimmlaute, den Beobachter das Flugbild usw., aber den Balgforscher nur der Balg? nein, der ganze Vogel vom fernvernommenen Stimmlaut der Weidenmeise und der Certhia brachydactyla, vom versteckten Nest uud vom Embryo an bis in die Geheimnisse des Mageninhaltes und bis auf die Knochen. Die echten „Balgforscher und Nekrologen" nehmens auf mit jedem Spezialisten ihres Fachs auf seinem Gebiet und mit jedem Zo- ologen auf ihrem Gebiet.

Verbleichen kommt bei Bälgen fast gar nicht vor, eher werden sie manchmal dunkler (brauner) vom ranzigen Fett. Ein Star, von Vater Brehm vor zirka hundert Jahren gebalgt, sieht genau so frisch, sauber und prächtig aus, wie ein soeben geschossener noch lebenswarmer, und subtilste Untersuchung findet keinen Unter- schied im Farbenton. Ein paar Tropfen Benzin machen ja den staubigsten Balg reiner als der lebende Vogel ist.

lässt mir meine übrige wissenschaftliche Arbeit, die meine Musestunden ausfüllt, nicht Zeit. Wieviel Vögel verbraucht dagegen ein einziger Sperber in einem Jahre? Die Sperber meiner Sammlung, hätten, wenn sie nur ein Vierteljahr länger gelebt hätten, wie eine einfache Rechnung ergibt, dreimal soviel Singvögel gefressen als in meiner Samm- lung sind und den Hühnerhabichten hätte die Gesamtheit der übrigen Vögel nur für kurze Zeit den Magen gefüllt.

Man bring' es unter Glas und Rahmen. 17

Staub freilich, vieler Jahrzehnte Staub legte sich schützend über die unbeschützten Schätze Meister Brehms. Das ewige Ge- schimpfe über die verpönte staubige Balgforschung trug dazu bei, dass es kam, wie es gekommen ist. Nun ist es ein Glück, die Sammlung in einem Lande zu wissen, wo man keinen Staub auf Vogelbälgen duldet und der Balgforschung keinen Staub andichtet. Kommt es uns denn auf die Bälge an, oder auf das, wozu diese deutschen Bälge einem guten Freunde in England mit beitragen und was er uns in deutscher Sprache zurückgibt? Wenn nun wenigstens ein Teil der Zoologen ohne Vivisektion und ohne Blei auskommen, unsere Vögel möglichst am Leben lassen und nur mit dem Aluminiumstreifen bewaffnet den Tatsachen nach- gehen will, auf die es uns allein ankommt, dann geht der Spek- takel erst recht los. Man will keine Vögel geschossen und keine beringt haben. Man gebraucht aber Werke, wie Brehms Tierleben und den neuen Naumann. Ich kann beweisen, dass Bälge bei diesen Werken benutzt wurden. Ich sprach einmal von Schmarotzer- milanen, die da nehmen, was vogelmordende Falken fingen, und dann leicht sagen können: Seht, wir können auch ohne Vogel- mord Vögel kennen lernen. Ich kann ferner beweisen, dass Leute, die heute gegen Vogelmassenmord predigen, vor Jahren Vögel massenhaft geschossen und verkauft haben. Die wenigstens mögen stille sein.

Man kann Löns eigentlich gar nicht so sehr böse sein, er hat ja am deutlichsten von allen freilich unfreiwillig be- wiesen, wie wenig Ahnung manche Leute, die sich für Vogel- kundige ausgeben, von Vogelkunde und Naturschutz haben. Darin stimme ich ihm aus vollem Herzen bei. Der Schaden für die Orni- thologie ist nur der, dass vornehme oder zaghafte Naturen, die auf ornithologischem Gebiet gesammelt haben und etwas Gründ- liches wissen, dies der Allgemeinheit vorenthalten, ihr Belegmaterial nicht angeben, um nicht angeflegelt zu werden und dass weiner- licher Pessimismus überall entweder Tränen vergiesst oder Luft- schlösser baut, ohne Positives für die ganz wenigen wirklich im Bestände zurückgehenden Tierarten zu tun.

Januar 1911. 0. Kleinschmidt.

18 Nicht ein Würgfalke, sondern ein Jagdfalke bei Mirau erlegt.

Mcht ein Würgfalke, sondern ein Jagdfalke bei Mirau erlegt.

In der Deutschen Jägerzeitung (Neudamm) wird in Band 56, No. 22 (1910), p. 353 über einen am 17. November vergangenen Jahres in der Oberförsterei Mirau (Regbez. Bromberg) erlegten „Würgfalken" berichtet. Der Falke stiess auf dem Hofe einer Försterei erfolglos auf Haushühner und geriet dabei in eine Wasser- pfütze. Hierauf strich er auf einen am Förstergehöft stehenden Strohschober, von wo er den Förster, der den Vorgang vom Zimmer aus beobachtet hatte, ruhig herankommen liess, so dass er erlegt werden konnte. Meine Absicht, gelegentlich Erkundigungen über den Vogel einzuziehen, hatte ich schon fast vergessen, als mir kürz- lich auf Veranlassung der vielgeschmähten Vogelwarte Rossitten das ausgestopfte Exemplar zur Begutachtung übersandt wurde. Dass es sich nicht um einen Würgfalken, sondern um einen nordischen Jagdfalken handelt, zeigte der erste Blick beim Offnen der Kiste.1) Schwieriger ist die Frage, ob es sich um die kleinere oder die grössere Form handelt. Der Vogel befindet sich im Jugendkleide und ähnelt gyrfalco, ist aber auf dem Rücken etwas heller und grauer als meine Stücke und gleicht dadurch wie auch durch die deutlichere helle Säumung der Rückenfedern und den stark mit Weiss gemischten Scheitel mehr der dunkeln Phase grönländischer Vögel. Die Tarsen sind normal befiedert. Der Flügel ist 41,2 cm lang, nur 1 mm länger als mein grösstes skandinavisches und 1 mm kleiner als mein kleinstes grönländisches weibliches Exemplar von gleicher Färbung. Die Mittelzehe misst ohne Nagel reichlich 5,5 mm, die Stosslänge von aussen zwischen den Mittelfedern gemessen 23,8 cm. Der Vogel bestärkt mich noch mehr in der bereits früher ausgesprochenen Ansicht, dass die in Deutschland erlegten Jagdfalken meist weder gyrfalco noch islandus sind, sondern die noch wenig geklärte Form uralensis. Das Benehmen des Vogels erklärt sich daraus, dass er in der Um- gebung völlig fremd war. Die Realgattung Falco Hierofalco be-

*) Die Grösse, der graue Ton des Gefieders, die nicht halb, sondern zu 9/3 befiederten Tarsen zeigen kein Anklingen an die südlicher wohnende Steppenform (den Würgfalken). In Sibirien sollen Übergänge vom Jagdfalken zum Würgfalken vorkommen.

Muss denn gelogen werden? Wie „Biologie" fabriziert wird. 19

schädigt sich nicht beim Raub auf der Erde, da sie viel öfter noch als Falco Peregrinus ihre Beute auf dem Boden schlägt.

Der Eigentümer des Vogels Herr Forstmeister Heym in Mirau schreibt mir soeben: „Ihre Mitteilung war mir hochinteressant, zumal ich den Falken als nordischen Falken bestimmt hatte, mich der Präparator aber umstimmte." Der Irrtum entschuldigt sich durch die Tatsache, dass Jagdfalk und Würgfalk nicht eigentlich artverschieden sind, sondern sich ähnlich wie Bussard und Steppen- bussard zueinander verhalten. Grösser der Irrtum, der nicht sieht, dass beide Falken denselben Habitus besitzen und nur verschiedene Urrassen desselben Vogels sind!

31. Januar 1911. 0. Kl.

Muss denn gelogen werden?

1. In einer sehr verbreiteten Tierschutzschrift las ich unlängst die Behauptung, im Sommer würden die Leichen zahlreicher ver- dursteter Vögel gefunden. Wenn diese Behauptung auf Beob- achtungen beruht, so könnten an wasserarmen Orten Vögel von vergifteten Abwässern getrunken haben. Wo hat man festgestellt, dass tote Vögel an Durst gestorben waren? Wie weit brüten die einzelnen Vogelarten von der nächsten Tränke?

2. In der Ornithologi sehen Monatsschrift 1911, pag. 126 wird ein Artikel der Frankfurter Zeitung aus Wiesbaden ohne irgend- welche kritische Bemerkung abgedruckt. Danach sind in einer Regierungsverfügung als nützliche Vögel, die für den Weinbau, resp. für die Vertilgung des Heu- und Sauerwurms besonders wichtig sind, u. a. Sprosser und Hänfling erwähnt. Dass der Sprosser „in Weinbaugegenden häufig vorkommt" und dass der Hänfling Insekten vertilgt, sind Tatsachen, die der Wissen- schaft seither verborgen blieben. 0. Kl.

Wie „Biologie44 fabriziert wird.

Ein bekannter populärer Schriftsteller behauptet, die Farben des Eisvogels seien Warnfarben, denn Alcedo würde nicht von Raubvögeln gefressen. In meiner Sammlung befindet sich der Balg eines Eisvogels, der einem Raubwürger abgejagt wurde, mit noch sichtbarer Kopfwunde und ein Eisvogeloberschnabel aus einem Wanderfalkenhorst. 0. Kl.

20 Carl Parrot f

Carl Parrot f.

Auf dem Waldfriedhof in München senkte man am 31. Januar Dr. med. Carl Parrots irdische Reste in die kalte Wintererde. In unserem Ohr klingt noch seine Stimme, sein Vortrag über seine letzte Reise. Die letzte Reise hat er nun so früh vollendet. Am 28. Januar starb er unerwartet nach einer schweren Unterleibs- operation. Die von ihm gegründete ornithologische Gesellschaft in Bayern betrauert den Verlust ihres tatkräftigen und verdienst- vollen Führers, die Wissenschaft einen eifrigen und fleissigen Ar- beiter, die kleine Zahl der Balgforscher wieder ein aus bestem Werden herausgerissenes Glied. Parrot gehörte zu den wenigen, die der Fremde wie der Heimat ein gleich lebhaftes Interesse zu- wenden und die die Ausdauer haben, sich von der Liebhaberei zu eingehenderen Kenntnissen emporzuarbeiten.

Geboren am 1. Februar 1867 zu Castell in Unterfranken als Sohn des Arztes, späteren Hofrats Parrot, interessierte sich der Entschlafene schon als Kind für die Vogelwelt. Bei seinem Studium in München, Berlin und Wien besuchte er eifrig die dortigen Museen und legte sich selbst eine Sammlung von Vogelbälgen an, dabei stets das Interesse des Systematikers mit dem des Beobachters und des Anatomen verbindend. Es gelang ihm, vorzügliche Arbeits- kräfte seines Heimatstaates zu gemeinsamem Schaffen und festem Zusammenschluss zu gewinnen. Die Bände der Verhandlungen der jungen ornithologischen Gesellschaft in Bayern sind ein bleibendes Denkmal von Parrots Fleiss und Organisationsgeschick. Letzteres zeigte sich besonders in der planmässigen Erforschung des Vogel- zuges. — Reisen führten ihn nach Frankreich, England, Ägypten, Griechenland, Bosnien, Herzegowina, an die Riviera und nach Korsika, wo er noch zuletzt Linderung seines Asthmas zu finden hoffte.

Da sein Gesundheitszustand ihm in den letzten Jahren ge- steigerte Beschwerden verursachte, entschloss er sich, den ärztlichen Beruf aufzugeben und sich ganz der Zoologie zu widmen. Vor dem Ziel seines Lebens entriss ihn uns der Tod.

Sein grundehrliches Wesen, sein unermüdliches Arbeiten, sein redliches Interesse an der Sache sichern ihm nicht nur in Bayern neben der Anerkennung seiner grossen Leistungen ein warmes Angedenken derer, die ihn kannten.

Kleinschmidt und Thielemann.

Abzugeben: Vierzehn Storcheier und ein Balg von Ciconia ciconia, beides gesammelt von Dr. Flöricke in Marokko. Anfragen an den Herausgeber.

FALCO.

Siebenter Jahrgang.

No. 2. Dezember 1911.

Mitteilungen über Berajah.

Da nur ein kleiner Teil der Abonnenten seinen Verpflich- tungen nachkam, musste die Ausgabe von Berajah 1911, Schluss von Corvus Nucifraga, ferner in kürzerer Fassung Corvus Periso- reus, Corvus Cyanopica und Parus Superciliosus, auf das Ende des Jahres verschoben werden.

Nachträgliche Lieferung einer Sammelmappe für das Genus Corvus kann gegen Einsendung von M. 1,30 binnen etwa 14 Tagen erfolgen. Diejenigen Subskribenten, welche pränumerando zahlten, erhielten sie gratis. Im nächsten Jahr soll eine Mappe für das Genus Erithacus geliefert werden. Als ausführlichere Monographien sind in Vorbereitung Falco Peregrinus, Parus Salicarius, als kleinere Taubenbastarde, Goldhähnchen u. a. 0. Kl.

Zum Tannenhäherzug 1911.

Neben einem starken Raub Vogelzug (viel Turmfalken, Bussarde, Wanderfalken) in hiesiger Gegend, frühem und zahlreichem Er- scheinen von Bergfinken und Leinzeisigen, brachte uns der auf- fallend vogelreiche Herbst dieses Jahres wieder sibirische Tannen- häher. Ich sah am 19. Oktober, während ein Flug Stare schwalben- artig Insekten in der Luft haschte und acht verschiedenfarbige Bussarde zugleich kreisend einen prachtvollen Flugreigen auf- führten, einen einzelnen Tannenhäher ziemlich hoch ostwärts fliegen. Das Flugbild und die helle Streif ung am Vorderkörper waren trotz ziemlicher Höhe deutlich zu erkennen. Am 29. Oktober und 2. November beobachtete mein Schwager, Apotheker Dr. Feige in Eisleben, ein Stück in seinem mitten in der Stadt gelegenen Garten. Es wurde ständig von den Amseln verfolgt. Ich bitte alle Beob- achtungen in beliebigen Zeitschriften zu veröffentlichen und dabei anzugeben, ob Vögel nur gesehen, erlegt, oder ob sie sicher als Schlankschnäbler bestimmt wurden. Ich möchte von einem

Falco. 3

22 W. Rüdiger.

guten Zugjahr eine kartographische Übersicht geben. Ob sich das Jahr 1911 dazu eignet, lässt sich noch nicht übersehen. 0. Kl.

Tamienliäher im Harz.

Von W. Rüdiger.

Im Heft 8 Jahrgang 1910 des Kosmos veröffentlicht Herr Pro- fessor Smalian, Hannover, auf Seite 305 einen Artikel „Aus der Tier- welt des Harzes" ; für den Ornithologen insofern von Interesse, da auch u. a. des Tannenhähers gedacht wird. Die Aufzeichnungen stützen sich auf die Mithilfe des Herrn Forstreferendar W. Hintz, dieser gab hierbei folgende Daten an, und heisst es: „Ein Revierjäger hätte am 24. März 1898 im Revier Pansfelde ein Gelege von 3 Eiern des Tannenhähers gefunden, und dieses Gelege wäre in den Besitz des Herrn Professor Dr. Eckstein, Ebers walde übergegangen."

Zur Berichtigung obiger Angaben bemerke ich hierzu folgendes: Herr H. erfuhr in Eberswalde 1907, dass ich im Besitze eines Harzer Tannenhähergeleges sei und da er als Harzer Interesse daran hätte, bat er mich ich möchte ihm Ort und Datum angeben wo dieses seltene Gelege gesammelt sei; ich kann mich noch heute sehr gut erinnern, dass ich die näheren Angaben auf einem Zettel verzeichnete und diese ihm aushändigte. Das Gelege wurde von meinem Vater persönlich präpariert, befindet sich auch heute noch in meiner Sammlung und nicht, wie Herr H. angegeben hat, in Händen des Herrn Professor E. Was Herrn H. zu solchen unrichtigen Angaben bewogen hat, ist mir unverständlich. Auch hat dieses Nest meinem Vater vorgelegen und gebe ich seine damaligen über Eier und Nest gemachten Aufzeichnungen bekanntgegeben in Nr. 4 vom 15. Juli der Zeitschrift für Oologie und Ornithologie, H. Hocke, Berlin hier wörtlich wieder:

„Das Nest ist gross und erinnert eher an ein Elster- als Häher- nest, wozu noch der Umstand tritt, dass die unteren Schichten, wie beim Elsternest, mit Lehm durchknetet sind; nur der Kuppel- bau des Elsternestes fehlt. Das Nest ist ungemein dicht und fest gebaut, mindestens doppelt so dicht, wie bei Garrulus glandarius, auch ist der Nestnapf tiefer, wie bei diesem. Als Unterlage dienen dünne Reiser der Rottanne, Weissbuche, Weissdorn, sparsamer Birke. Dann folgen grobe Grasstengel, trockene Wolfsmilchstengel, unter- mischt mit Lehm, hierauf folgt Rinde der Rottanne und Zitter-

Tannenhäher im Harz. 23

pappel und zuletzt in grosser Menge feinere Gräser, etwas Rot- wildhaare und wenig feines Wurzelwerk.

Die Form der Eier ist durchaus abweichend von denen von Garrulus glandarius und Garrulus infaustus; sie messen 25 29 mm, sind am oberen Ende dick und bauchig und laufen nach unten spitzer zu. Ihre Farbe hat Ähnlichkeit mit den Eiern von Corvus monedula, doch ist die Grundfarbe mehr weisslichgrün. Die Schale ist überall mit feinen olivenbraunen Punkten bespritzt und zwar derartig, dass das zweite Ei schwächer wie das erste, und das dritte noch schwächer wie das zweite bespritzt ist.",

Die nun folgenden Aufzeichnungen habe ich dem Forstaufseher Fritze zu Hütten bei Neuhaldensleben zu verdanken.

Der Tannenhäher ist in dem Gräflich v. d. Asseburg'schen-Meis- dorfer Revier Unterharz garnicht so selten, es wurden manchmal an einem Tage bis zu 10 Stück gesehen und zeigten sämtliche Vögel wenig Furcht, jedoch wird im Februar während der Paarungszeit das Wesen und Benehmen dieses Vogels dem Menschen gegenüber ein merklich anderes, man begegnet Misstrauen und Scheu, manch- mal wurde ein schnarrender Ton gehört; beginnt der Häher mit dem Nestbau, was normalerweise im Harz Anfang März geschieht, so ist der Vogel sehr heimlich (ich erinnere an unseren glandarius, auch dieser streift, sobald er den Neststand gegründet hat, heimlich und ohne einen Laut von sich zu geben in seinem Brutrevier um- her) und man bekommt zu dieser Zeit nur selten einen dieser Vögel zu Gesicht. Damals bei dem Auffinden des Nestes im Forst- ort Pansfelde wurde ein bis dahin noch nie vom Tannenhäher gehörter Pfiff (ähnlich wie ihn der Mensch hervorbringt, wenn er jemand pfeifen will) vernommen1), aufmerksam dadurch geworden wurde ein Häher auf den unteren Zweigen einer Rottanne sitzend gesehen und dieser Vogel stiess dabei im selben Augenblick einen zweiten ebensolchen Pfiff aus, nun wurde nach dem Nest gesucht, welches auch kaum 5 m von einem Wege 4 m hoch auf einer zirka 20 jährigen Rottanne stand; dieses Nest enthielt 2 Eier, nach 4 Tagen, am 24. März, wurde das Nest abermals revidiert; der brütende Vogel flog erst beim Erklettern der schwachen, sehr stark schwankenden Fichte ab, blieb auch in unmittelbarer Nähe seines

*) Im Neuen Naumann sowie im Friderich wird von solchem Pfiff nichts erwähnt. D. V.

3*

24 Nomenklatorische Notizen.

Nestes furchtlos sitzen und hätte ohne grosse Mühe erschlagen werden können, das Nest barg jetzt 3 unbebrütete Eier; Nest und Eier wurden genommen und wie ich schon einmal sagte meinem Vater zugesandt. Erwähnen muss ich, dass der Tannenhäher gar nicht so selten in den dort angrenzenden Anhalt -Ballenstedter Forsten ist, hier trat er fast in derselben Zahl auf, und ist es wohl anzunehmen, dass es nach so wenigen Jahren noch ebenso ist. Ferner wurde eine interessante Beobachtung an einem Sep- tembermorgen gemacht. Ein Tannenhäher machte sich beim an- brechenden Tage (noch im Morgengrauen) an einem Hügel in einer Wiese gelegen zu schaffen, strich dann in dem nebenliegenden Be- stände ab und kam nach kurzer Zeit zurück, nach 5 6 maliger Wiederkehr wurde dieser kleine Erdhügel untersucht. Unter dem Rasen befanden sich jetzt noch zirka 60 Stück gute Haselnüsse, man hatte es hier mit einem Winterspeicher zu tun1). Das Offnen der Nüsse fällt dem Häher nicht schwer, mit der Nuss fliegt der Häher zu einem Baumstubben und mit höchstens 3 Schnabelhieben ist diese in ihrer Naht gespalten. Mit dem Trommeln, wie es Spechte erzeugen und wie es Bau gehört hat, soll das Offnen der Nüsse niemals Ähnlichkeit gehabt haben, nur 2 3 scharfe Hiebe fielen.

Ähnliche mit Haselnüssen gefüllte Speicher wurden häufiger gefunden, die Haselnuss tritt dort als Unterholz sehr bedeutend auf.

Zum Schluss will ich nicht unerwähnt lassen, dass Gelege des Tannenhähers aus dem Harz mit zu den Seltenheiten gehören. Wie mir Herr Kricheldorff-Berlin soeben mitteilt, bekommt er seine Gelege sämtlich aus Bosnien, früher vereinzelt von einem Forst- beamten aus Bayern. Als selten ist es schon deshalb zu bezeichnen, da das einzelne Ei noch immer einen Katalogwert von 7,50 Mk. besitzt.

Nomenklatorische Notizen.

1. Falco rusticolus L. Der Name rusticolus passt vorzüg- lich auf das Winterleben des Wanderfalken, wie ich es jetzt wieder als fast alltägliche Erscheinung vor Augen habe. Dazu stimmen besonders „palpebris luteis", „collari albo", das Wort „ferme" und die „kleinen Herzflecke " in der Fauna suecica. Letztere sind charak- teristisch für schwedische Wanderfalken. War man seither blind?

l) Es ist auch beobachtet worden, dass der Tannenhäher Hasel- nüsse zu einem Haufen zusammentrug.

Dr. Fr. Lindner: Persönliche Erwiderung. 25

2. Falco lanarius L. „tibiae (= Tarsen, cf. Seeadler) ultra medium vestitae" passt einzig auf den Gerfalken.

3. Falco gyr falco L. In meinem Exemplar der Fauna suecica 1761 hat ein früherer Besitzer den Namen auf Astur palum- barius gedeutet. Ich erwähne dies nur der Mehrdeutigkeit des Namens wegen. Ich sah einen nordischen Habicht mit weissen Schwanzseiten. Der Name selbst geht deutlich auf den Gerfalken zurück, auf den aber das ursprüngliche „columbis infestus" gar nicht passt.

4. Hirundo domestica und agrestis Blumenbach. Hand- buch der Naturgeschichte. 1830 als Namen für Rauch- und Mehl- schwalbe zwar bedeutungslos, aber als okkupierte Namen in deren Synonymik zu stellen.

5. Bubo interpositus Rothschild und Hartert. Nov. Zool. 1910, p. 111. Ich besitze ein Wolga -Stück und sah viele vom Kaukasus. Ich bestimmte seither diese Form als Bubo pallidus Brm. Vollst. Vogelfang, Nachträge p. 412 „Wolga", partim (neben „Sibirien und Ural"). Die Trennung von Wandergästen und Brut- vögeln der Wolga ist auch hier wie bei den Buntspechten ein missliches Ding. Wandert der Uhu überhaupt, wie es Ohreule, Sumpfohreule und Waldkauz tun, oder wie Schnee- und Sperber- eule nur gelegentlich? 0. Kl.

Persönliche Erwiderung

auf Herrn Pastor Kleinschniidts polemischen Artikel: „Man bring' es unter Glas und Rahmen . . .".

Von P. Dr. Fr. Lindner, Quedlinburg.

Es geht doch manchmal wunderlich zu in der Welt! Da kann man sich einbilden, etwas ganz Vernünftiges und Gutes gesagt oder geschrieben zu haben, was sicher auf die Billigung der Vernünftigen und Gutgesinnten zu rechnen hätte und muss sich von einem der Besten und Angesehensten, mit dem man sich gleichgesinnt glaubte und den man nicht nur als persönlichen Freund, sondern auch als ernsten Mann der Wissenschaft hochschätzt, es sich schwarz auf weiss geben lassen, dass man eine unverantwortliche Dummheit gemacht habe! Das muss einen doch verblüffen! Da muss man sich doch fragen: liegt nicht ein wunderliches Miss- verstehen vor?

26 Dr. Fr. Lindner:

So ging mir es, als ich nach Erscheinen meines Steinsperlings- artikels in Nr. 1 der Ornithologischen Monatsschrift wegen der darin enthaltenen scharfen Bemerkungen über die brutale Rück- sichts- und Schonungslosigkeit mancher Sammler eine geharnischte Strafepistel von Freund Kleinschmidt erhielt, der mich suaviter in verbis, sed acerrime in re freundlichst zu sich einlud, damit ich ihm in Sack und Asche de- und wehmütig Abbitte leiste für meine nach seiner Meinung törichten und unverantwortlichen, angeblich die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung aus bor- nierter Sentimentalität bedrohenden Angriffe auf die Seriensammler unter den Balgforschern; scherzhaft paradox hiess es in dem Briefe: 1. solche Leute gebe es gar nicht und 2. ich selber sei ja auch so einer, und ernsthaft hiess es dann, solcher Seriensammler gebe es in Deutschland nur vier, von denen zwei fast ausschliesslich Exoten sammelten, während die anderen beiden darunter er, Kleinschmidt, selber dem Thüringer Steinsperling, der für den wissenschaftlichen Balgforscher deshalb kein besonderes Interesse habe, weil er sich von den südeuropäischen Formen dieser Art nicht wesentlich unterscheide, gewiss nichts zuleide täten.

Meine Polemik sei daher ein Kampf gegen Windmühlen und enthalte unberechtigte Vorwürfe, die er, Kleinschmidt, öffentlich zurückweisen werde. Loyalerweise war dem Briefe das Manuskript des gegen mich geplanten Artikels zu meiner vorherigen Kenntnis- nahme beigefügt. Unsere nun einsetzende Korrespondenz, in der ich darauf hinwies, dass ich doch wohl solchen Vorwurf des Ob- . skurantismus nicht verdiente und dass meine Bemerkungen in jenem Artikel in der Monatsschrift gewiss nicht auf die wenigen wirk- lich ernstwissenschaftlichen Sammler, sondern auf skrupellose, der Wissenschaft nichts nützende Balgjäger zielten, die eben nur „auch" das haben wollen, was als interessant und selten gilt, und dass ich in jenem Artikel doch deutlich zwischen diesen beiden Spezies von Sammlern, zu deren einer ich mich ja selber rechne, unterschieden habe, führte nicht zur vollen Verständigung. Während ich von verschiedenen wissenschaftlichen Ornithologen auch von einem wissenschaftlichen Seriensammler! freundliche, ja begeisterte Zustimmungserklärungen erhielt, hat Freund Klein- schmidt es sich nicht versagen können, mich in seinem „Falco" anzugreifen; zwar so schonend, dass er nicht einmal meinen Namen nennt, aber in einer Zusammenstellung mit anderen Gegnern von

Persönliche Erwiderung. 27

ihm, die mir teils aus sachlichen Gründen denn ich stehe zu Ornithologie einerseits und Vogelschutz anderseits anders als die Herren Löns und Christoleit teils aus persönlichen Gründen denn ich denke über wissenschaftliche Gewissenhaftigkeit anders als der dort ungenannte und doch wohlbekannte dritte Gegner nicht gleichgiltig sein kann. Deshalb möchte ich meinen Stand- punkt hier genauer präzisieren, als ich es, wie es doch nach Klein- schmidts Deutung scheint, in den kurzen, von Kl. mir so übel an- gerechneten Bemerkungen in der Ornith. Monatsschrift getan habe. Sachlich muss ich meinen Standpunkt, wie ich ihn in der Ornith. Monatsschrift" angedeutet habe, völlig aufrecht er- halten; aber seine Deutung, die ihm Kleinschmidt gegeben hat, weise ich am besten dadurch als eine irrige zurück, dass ich ihn schärfer fixiere und ihm eine deutlichere Begründung durch Mitteilung von Tatsachenmaterial gebe. Zunächst zitiert Klein- schmidt mich nicht richtig. Ich habe nicht „der Sammelwut der Serien sammelnden Balgforscher" den Fehdehandschuh hingeworfen. Darin läge ja ein mir wahrlich ganz fremder blinder Fanatismus gegen die wissenschaftliche Forschung, die in mir vielmehr einen entschlossenen Verteidiger ihrer Freiheit und einen begeisterten Verehrer findet. Die in Frage kommenden Stellen meines Artikels lauten vielmehr: . . . „auch die zügellose, brutal egoistische Sammelwut gewisser Balgornithologen hat ihm, soviel ich weiss, bisher wenig Abbruch getan." (Als ich das schrieb, wusste ich freilich noch nicht, wie viel doch auch das der Fall gewesen ist; ich teile weiter unten das inzwischen zu meiner Kenntnis gelangte Material wenigstens teilweise mit). An eine Identifizierung der wenigen ernstwissenschaftlichen Serien sammelnden Balg- forscher wie Kleinschmidt, Kollibay, f Parrot mit der von mir bekämpften Gesellschaft gewisser von brutaler Sammelwut be- sessenen, ohne jede Rücksicht und Schonung gierig ihre Beute zusammenraffenden Individuen, die sich auch „Sammler" und „Orni- thologen" bezw. „Oologen" nennen, habe ich selber gar nicht ge- dacht. Das geht doch sehr klar aus dem Schlüsse meines Artikels hervor, wo ich deutlich genug unterschieden habe zwischen der von mir allerdings mit aller Schärfe bekämpften „rücksichtslosen, im Betretungsfalle auch keine Strafe scheuenden Sammelwut ge- wisser Balg jäger, die eine Schonung, wie ich, der ich selbst Sammler bin, sie übte, für eine grosse Dummheit halten und für

28 Dr. Fr. Lindner:

die ein Vogel, namentlich ein seltsamer und im Aussterben be- griffener, erst dann seinen Zweck erfüllt und einen Wert hat, wenn sie ihn ihrer Balgsammlung als soundso vielte Nummer einer Serie einverleibt haben" und zwischen ernstwissenschaft- lichen Sammlern und von diesen in ganz anderem Tone schreibe: „Auch ernstwissenschaftliche Sammler sollen es für ihre heilige Pflicht ansehen, sich selbst in Rücksicht auf kommende Gene- rationen und aus Liebe zur Natur Beschränkungen ihres Sammel- eifers aufzuerlegen und selten gewordene oder gar vom Aussterben bedrohte Vogelarten zu schonen, bis sich ihr Bestand wieder wesent- lich gehoben hat". Damit werden, denke ich, alle ernsten Sammler und Forscher gewiss auch einverstanden sein, denn das ist der Standpunkt, der auch auf dem letzten internationalen Ornithologen- korjgresse von den anerkanntesten ornithologischen Autoritäten und grössten Sammlern (wie Baron von Rothschild, Dr. Hartert u. a.) vertreten wurde. Nach dieser Norm habe ich selbst gehandelt. Aber ich habe Leute kennen gelernt, die, ohne der Wissen- schaft einen Dienst zu leisten, von jener von mir ge- geisselten Sammelwut und Raubgier besessen sind und namentlich auf seltene, zeitweise besonders wertge- schätzte und interessante Sachen geradezu versessen sind und sie mit grossem Raffinement, aller Rücksichts- losigkeit und einem einer besseren Sache würdigen zähen Eifer in ihren Besitz zu bringen wissen. Das ist die patho- logische, keinen wissenschaftlichen Nutzen und Wert auf- weisende, und darum auch nicht im Namen der Freiheit der wissenschaftlichen Forschung zu verteidigende Sammel- wut von Menschen, denen ihr Räuberhandwerk doch wenig- stens möglichst erschwert werden sollte. Warum ich gegen diese Sorte von „Sammlern" und „Balgjägern" eifere, die doch nur die schöne Wissenschaft der Ornithologie in Misskredit bringen und es der Propaganda eines törichten, sentimentali- tätsduseligen Radikalismus gewisser Naturschützler sehr leicht machen, mit dem Bade auch das Kind auszuschütten, d. h. in diesem Falle auch der ernsten wissenschaftlichen Forschung ihr sittlich unbestreitbares Recht, Vögel (bezw. Eier) zu sammeln, abzusprechen, dafür will ich beispiels- halber nur folgende Tatsachen sprechen lassen, die meinen Stand- punkt rechtfertigen:

Persönliche Erwiderung. 29

1. Vor drei Jahren ist ein Herr aus der Provinz Brandenburg, dessen Name ich in keinem ornithologischen Adressenver- zeichnis gefunden habe, auf der Wachsenburg erschienen und hat dort Steinsperlinge geschossen. Jetzt sind sie dort (seit 1909) „wie weggeblasen".1)

2. Ein Erfurter Ornithologe, dem ich selbst durch ein Gut- achten dazu behilflich gewesen bin, dass ihm durch Re- gierungserlaubnis zu wissenschaftlichen Forschungen das Fangen, Beringen (zwecks Feststellung mehrmaligen Brütens des Steinsperlings in einem Jahre) und Gefangen- halten des Steinsperlings gestattet werde, teilte mir mit, dass an einer Niststelle des Steinsperlings ein Schiesser von an- gesehener sozialer Stellung wegen Abschiessens von Vögeln bestraft sei. Wie viele Steinsperlinge seiner Schiesswut zum Opfer gefallen sein mögen, weiss ich nicht.

3. Ein Restaurateur hat jahrelang Steinsperlinge geschossen und als Raritäten an Gäste verkauft! Was haben diese Opfer der Geldgier der Wissenschaft genützt? Nichts!

4. Herr Dr. Gengier -Erlangen, der ausdrücklich obwohl selber auch, wie Kleinschmidt und ich selbst, ernster Sammler meinen Schlussbemerkungen in der Monatsschrift beipflichtete, teilte mir mit, dass an der einzigen Stelle, an der in Bayern der Steinsperling noch bis 1901 genistet hat, ein „kleiner" Präparator, der sehr gut über die Steinsperlinge Bescheid wusste, ihm schliesslich gestanden hat, dass er diese für „Liebhaber" geschossen und ausgestopft habe. Seit 1910 sind auch dort die Steinsperlinge ver- schwunden, und es ist Herrn Dr. Gengier nur noch ge- lungen einen einzigen Balg den des letzten bayrischen Steinsperlings für seine wissenschaftliche Sammlung zu erwerben!

Diese wenigen Proben2) es sind leider längst nicht alle! mögen genügen. Ich denke, sie rechtfertigen mein Vorgehen!

') Zu diesen Daten habe ich pflichtmässig als Herausgeber einige sachliche Anmerkungen zu machen, doch halte ich es andrerseits für die Höflichkeits- und Gerechtigkeitspflicht des Herausgebers einer Zeit- schrift, zunächst dem andern Teil in der Diskussion uneingeschränkt in einer Nummer das Wort zu lassen. Der Herausgeber.

•) S. Nachschrift!

30 Dr. Fr. Lindner:

Und nun noch eine Bemerkung. Ich bedaure es lebhaft, dass Kleinschmidts Darstellung meiner Polemik gegen die oben cha- rakterisierte brutale Sammelwut en masse gewisser Balgjäger (noch schlimmer sind manche Eierräuber!) mir den nach dieser Darstellung allerdings begreiflichen und bis zu ihrer nun erfolgen- den Richtigstellung berechtigten Groll des Herrn W. Schlüter zu- gezogen hat. Ich hatte Kl. mitgeteilt, dass mir ein Herr ge- schrieben hatte, dass man wohl manchen Steinsperling als Balg in Naturaliensammlungen wiederfinden würde, den man an den wenigen Stellen, an denen in Mitteldeutschland diese Art noch bis vor wenigen Jahren genistet hätte, nun nicht mehr anträfe. Herr Dr. Gengier hat diese Vermutung bestätigt gefunden. Aber Herrn Schlüter trifft weder nach meiner eigenen Überzeugung noch nach meiner Darstellung der geringste Vorwurf, sich (mittelbar) der Dezimierung des deutschen Steinsperlings schuldig gemacht zu haben. Ich will es vielmehr an dieser Stelle ohne von ihm dazu aufgefordert zu sein ausdrücklich erklären, dass er mir bereits vor Jahren, als ich 1906 ein Balgexemplar des Thüringer Steinsperlings von ihm bestellte damals war der traurige Rückgang im Bestände der Art ja noch gar nicht voraus- zusehen — nur ein spanisches bezw. marokkanisches Exemplar liefern konnte. Ich kann also seine von Kleinschmidt im Druck doppelt hervorgehobene Äusserung im „Falco" nur bestätigen und freue mich dessen. Seine Entrüstung gegen mit Riesengeschrei " und „Verleumdungen" (?!) versuchte „Knechtung der Wissen- schaft ... in einer Zeit, wo von allen Seiten Freiheit der Forschung mit Recht angestrebt wird", trifft mich also gar nicht. Das wird der von mir hochgeschätzte Herr Schlüter nun wohl auch aner- kennen. In der Hauptsache, glaube ich, sind wir, Kleinschmidt und ich, auch einer Ansicht. Seinen Ausführungen stimme ich grundsätzlich durchaus zu. Das Missverständnis, durch welches ich in Kleinschmidts Darstellung in eine Reihe mit von ihm bekämpfter Gegner gerückt wurde, deren Anschauungen ich in der Tat nicht teile, ist wohl daher gekommen, dass Kleinschmidt bei dem Aus- drucke „Serien sammelnde Balgornithologen" nur an wissen- schaftliche Forscher gedacht hat, ich aber auch an andere, die sich zwar auch gern „Ornithologen" und ihre sinn- und zwecklosen Mengen von Bälgen „Serien" nennen, aber für die Wissenschaft nichts leisten, ja ihr schaden und sie dis-

Persönliche Erwiderung. 31

kreditieren. In ihrer Bekämpfung wird Kleinschmidt mit mir einig sein.

Nachschrift. Eben wollte ich vorstehendes an Freund Klein- schmidt absenden, als mir noch aus der klassischen Steinsperlings- gegend ein wertvoller Brief zuflog, gerade noch rechtzeitig, um noch zur Rechtfertigung meines Standpunktes angeführt werden zu können. Herr Revierförster Freitag in Reinstädt, in dessen Garten einst mein Bruder das erste (und einzige) Steinsperlings- gelege aus einem Baume herausmeisseln durfte, schreibt mir unter anderem: „Sie mögen ja vielleicht recht haben, dass der rapide Rückgang dieses interessanten Vogels unmöglich davon herrühren kann, dass ab und zu zu wissenschaftlichen Zwecken einige ab- geschossen sind und doch hätte ich am liebsten geantwortet: „Die Ornithologen sind daran schuld!" Sie glauben nicht mit welcher Unmenge von Zuschriften, worin um ein Ei oder um „nur ein Exemplar" gebeten wurde, man mich überhäufte. Auch Geld hätte ich damit verdienen können. Viele sind zu mir gekommen; die haben ja die Nistplätze nicht gefunden. Leider sind jedoch nicht alle zu mir gekommen. Hut ab vor Ihrer Ent- haltsamkeit. Was diese für einen Mann bedeutet, der so scharf beobachtet und so viel Interesse daran hat, kann wohl jeder Natur- mensch nachfühlen. Es wäre wohl besser gewesen, Ihr Herr Bruder hätte damals in seinem Aufsehen erregenden Werkchen vielleicht nur vom Altenburger Westkreis gesprochen und keinen Ort genannt doch das lässt sich nun nicht mehr ändern. Ich habe lange Zeit keinen Steinsperling mehr gesehen."

Ich freue mich dieser Anerkennung meines Vorgehens ganz besonders. An meines Bruders Stelle hätte ich damals allerdings auch noch die einzelnen Fundorte namhaft gemacht; heute würde er, wie ich, sich davor hüten, durch Nennung der Fundstätten den wie wir nun wissen zahlreichen „Liebhabern", die sich „Ornithologen" oder „Oologen" nennen, ihr räuberisches, die Art ausrottendes Handwerk zu erleichtern. Schlimm genug, dass diese, auch aus wohlverstandenem wissenschaftlichen Interesse gebotene Rücksicht auf Schonung und Erhaltung dieses von Vernichtung bedrohten Naturdenkmals zu solchen Massregeln der Einschränkung wissenschaftlicher Vollständigkeit geradezu zwingt. Erfreulicher- weise plant übrigens das Altenburger Ministerium jetzt besondere Schutzmassregeln für den Steinsperling. Möchten andere dafür in

32 Dr. A. Voigt,

Frage kommende Landesregierungen doch schleunigst diesem schönen Vorbilde folgen und möchten die Schutzmassregeln von dem er- wünschten Erfolg begleitet sein, damit auch unsere ornithologisch interessierten Nachkommen sich noch an lebenden Steinsperlingen erfreuen können und nicht bloss mehr oder weniger schöne Bälge zu bewundern brauchen. L.

Vogelschutz und Wissenschaft.

Von Dr. A. Voigt.

Das Zitat aus dem Vorwort zur 5. Auflage meines Exkur- sionsbuches zum Studium der Vogelstimmen auf Seite 16 des Falco drängt mich zur Darlegung meiner Auffassung der Vogelschutz- bewegung, soweit sie mit der wissenschaftlichen Ornithologie zu kollidieren scheint. Kleinschmidts Rechtfertigung der Wissenschaft stimme ich allenthalben bei; nur dürfte noch hervorzuheben sein, dass „die alberne Redensart von der Balgornithologie " und die An- griffe der Beringungsversuche zum Teil auf persönliche Reibereien zurückzuführen sind, zum Teil gar nicht der wissenschaftlichen Forschung gelten, sondern dem Dilettantismus.

Als ich den Satz von den verstaubten und verblichenen Bälgen schrieb, dachte ich an so manchen zeitweiligen Jünger der Vogel- kunde, der mir seine schlecht aufbewahrten, schlecht etikettierten, struppigen Bälge zeigte, die ihm jetzt ein unnützer Ballast geworden sind. Ich dachte ferner an einen Brief, den ich nach Erscheinen der 1. Auflage meines Buches erhielt, in dem es heisst: „Ich hatte mir vorgenommen, die Vögel meiner Heimat kennen zu lernen und hatte mich einem befreundeten Jäger angeschlossen, der mir die Vögel herabschoss, die ich von weitem nicht bestimmen konnte. Seit aber Ihr Buch in meinem Händen ist, bin ich herzlich froh, dass ich nun ohne Vogelmord weiter komme." Ich dachte ferner an wenig bemittelte Naturfreunde, die durch das Balgen zu Sammlern wurden, und um die Kosten für Schränke und käuflich erworbene Bälge bestreiten zu können, im Nebenerwerb Präparatoren ge- worden sind, die nun alle freie Zeit am Präpariertisch sitzen und dadurch dem Verkehr mit der lebendigen Natur entfremdet wurden.

Mein Exkursionsbuch ist in erster Linie für Anfänger ge- schrieben und will Feldornithologen heranziehen, will Verständnis erwecken für die Freude am Naturgenuss und will Leute mit vor-

Vogelschutz und Wissenschaft. 33

übergehender Neigung zum Studium der Vogelwelt abhalten, eine Sammlung anzulegen, so lange sie noch nicht jahrelang biologische Beobachtungen gesammelt haben. Es liegt mir fern, das unbe- rufene Nachahmen der Arbeiten ornithologischer Forscher in Be- ziehung zu bringen mit Sammlungen, wie die Kleinschmidts, in die ich Mitte Mai 1909 Einblick tun durfte. In Volkmaritz habe ich zuerst Bälge von Parus subpalustris von denen der Weiden- meise unterscheiden lernen, und den Anregungen Kleinschmidts verdanke ich, im September desselben Jahres auch die so auf- fälligen stimmlichen Verschiedenheiten beider Vögel kennen gelernt zu haben, so dass ich nun weiss, dass subpalustris und salicarius verschiedene Arten sind.

Löns, den wir alle als Naturfreund von ungewöhnlicher Tiefe der Empfindung und Gabe, das Empfundene zu schildern, gleicher- weise verehren, liegt die ästhetische Naturbetrachtung näher als die Subtilforschung. Die vernichtende Kritik der Ornithologie, die er im Hannoverland einmal geübt hat, dürfte nur eine vorüber- gehende1) Ausschreitung gewesen sein, zu der ihn die Begeisterung für die Naturschutzbewegung verleitet hat.

Löns möchte die Tierwelt möglichst in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung erhalten wissen und wendet sich daher ebenso sehr, wie ich das tue, gegen völlige Vernichtung der Raubvögel. Dabei wird er der Berechnung der Ornithologen nicht widersprechen können, dass viel mehr Kleinvögel den Klauen gefiederter Räuber zum Opfer fallen, als in die Sammlungen der Ornithologen gelangen. Verhängnisvoller wirkt der Massenabschuss einheimischer Vögel am Meeresstrande, deren Bälge in Schmuckfederhandlungen wandern, ferner das Wegfangen auffälliger Vögel (Kampf hähne!), die kleine Präparatoren kaufen, um sie für wenige Mark als Zimmerschmuck loszuschlagen oder in Grosstadtschulen zu verkaufen als Objekte für den Zeichenunterricht. Wie viele ausgestopfte Raubvögel ver- stauben in Schanklokalen, in Speisezimmern für Sommerfrischgäste, im Herrenzimmer von Jagdliebhabern; das sind sicher viel mehr, als unsere deutschen Fachornithologen in ihren Schränken aufbe- wahren.

Was die Menschen vernichten durch Abschuss und Fang, durch Stören und Zerstören von Nistgelegenheiten ist gewiss ein Haupt-

J) Hier gilt dasselbe was ich zum Lindnerschen Artikel Seite 29 be- merkt habe. Der Herausgeber.

34 Abnorm gefärbtes Wanderfalken-Ei.

faktor der Verminderung einheimischen Vogellebens, aber man darf einen zweiten nicht zu gering anschlagen, der vielleicht ganz ausser dem Bereich menschlichen Eingreifens liegt, das sind die noch wenig erforschten Ursachen des so ungleich häufigen Auftretens mancher Vogelarten in verschiedenen Jahrgängen. Davon nur wenige Beispiele: Im Herbst und Winter 1909/10 waren Zeisig- schwärme in unseren Auenwaldungen so etwas Alltägliches, dass man fast auf jedem Spaziergange davon sah und hörte; letzten Herbst und Winter jedoch habe ich noch keine gespürt und auch die Mitglieder des hiesigen Ornithologischen Vereins nicht. Voriges Jahr hörte und sah man vom Februar an viele Kernbeisser, dies Jahr noch keinen. Gimpel hingegen verhielten sich umgekehrt. Manche Jahre klappert Sylvia curruca in allen Gärten, sogar im Gesträuch der städtischen Schulgärten, andere Jahre musste ich weite Wege machen, um nur 1 oder 2 Pärchen nachzuweisen. Ahnlich verhält sichs hier mit der Häufigkeit der Singdrossel. Bei solchen Beobachtungen ist die Frage von grösstem Interesse, ob dieser Wechsel im Vorkommen verschiedener Arten eine lokal beschränkte oder für ganz Deutschland giltige Erscheinung ist. Zur Beantwortung derartiger Fragen brauchen wir eine grössere Zahl Mitarbeiter, die sich fleissig umtun in der Umgebung ihres Heimatortes und die Vogelstimmenkenner sein müssen. Solche heranzuziehen ist die Aufgabe meines Exkursionsbuches; an die Männer der Wissenschaft war der beanstandete Satz aus dem Vor- worte der letzten Auflage nicht gerichtet.

Albnorm gefärbtes Wanderfalken-Ei.

Ebenso wie Wanderfalken in Grösse und Farbe grossen Ver- schiedenheiten unterliegen, genau so verhält es sich mit den Eiern dieses Vogels. Mir sind im Laufe der Jahre wohl einige Hundert Wanderfalken-Eier durch die Hände gegangen, recht verschieden in Farbe und Form, doch sollte ich in diesem Jahre ein besonders schön gezeichnetes Ei für meine Sammlung erhalten. Dieses Ei befand sich in einem Vierer-Gelege, erbeutet am 19. April 1911 in einer Königlichen Oberförsterei des Regierungs-Bezirkes Marien- werda, alle vier Eier waren gross und stark angebrütet. Der Horst stand auf einer Kiefer, und geniesst der Falke dort Schonung. Zwei Eier haben die normale, gewöhnliche Färbung ziegelrot

Deutscher Nachtreiher. 35

mit Flecken und Wischen, das dritte Ei zeigt schon undeutlich die abweichende Farbe des recht ungewöhnlich gefärbten Eies. Dieses Ei hat die gewöhnliche Form bei 57,5 mm Länge und 41 mm Durchmesser (Rey gibt in seinem Werke als Maximum 56 X 39 mm an), ist in seinem dicken Ende von blass schoko- ladenbrauner Farbe, vom Mittendurchmesser erscheint die Grund- farbe als blass rosa, welche wiederum bläuliche Schalenflecke zeigt, wie wir sie manchmal bei Eiern von Pandion haliaetus bemerken können; an der Spitze befinden sich noch reichlich hellrote Tupfen.

Ein ähnlich gefärbtes Wanderfalken-Ei habe ich selbst beim Besehen von anderen grösseren Sammlungen noch niemals wahr- genommen.

In diesem Jahre traf ich in der Mark am 26. März den ersten brütenden Wanderfalken an, der Horst war in einem Kiefern- Donnerbesen hergerichtet.

Eberswalde. W. Rüdiger.

Deutscher Nachtreiher.

Am 25. August wurde gelegentlich der Hühnerjagd in der Nähe von Neuhaus bei Delitzsch ein Nachtreiher, „Nycticorax griseus", im ersten Jugendgefieder von einer Schwarzpappel, auf welcher der Reiher aufgebäumt hatte, herabgeschossen. Der Vogel zeigt nicht die geringste Spur eines Gefangenschaftsexemplares, das eventuell entflogen sein könnte. Der Reiher ist ausgestopft worden und befindet sich in der Sammlung des Pächters der Jagd, Herrn Kaufmann Gr. Kreyenberg in Halle a. S.

Halle a. S., den 4. September 1911.

Willy Schlüter.

Inhalt des siebenten Jahrgangs (1911).

Seite

Über das angebliche Vorkommen eines Würgfalken bei Berlin ... 1 Nachtrag über nordafrikanische Schwalben von E. Hartert und

0. Kleinschmidt 2

Druckfehlerberichtigung 2

Seleucides :gnotus auripennis. Subspec nov. Von Willy Schlüter . 3

36 Inhalt des siebenten Jahrgangs.

Man bring' es unter Glas und Rahmen usw 4

Nicht ein Würgfalke, sondern ein Jagdfalke bei Mirau erlegt ... 18

Muss denn gelogen werden? 19

Wie „Biologie" fabriziert wird 19

Carl Parrot f 20

Angebot durch Floericke gesammelter Storcheier und eines von dem- selben gesammelten Storchbalges 20

Mitteilungen über Berajah 21

Zum Tannenhäherzug 1911 21

Tannenhäher im Harz von W. Rüdiger 22

Nomenklatorische Notizen 24

Persönliche Erwiderung von Dr. Fr. Lindner 25

Vogelschutz und Wissenschaft von Dr. A. Voigt 32

Abnorm gefärbtes Wanderfalken-Ei von W. Rüdiger 34

Deutscher Nachtreiher von Willy Schlüter 35

Abbildungen.

Keine.

Neu beschriebene Formen.

Seleucides ignotus auripennis Seite 2

Ausgegeben wurde:

Falco in zwei Nummern, Februar und Dezember. Berajah, Corvus Nucifraga, Seite 31 40 (Schluss) Dezember.

Tafel 27—31 Corvus Perisoreus, Seite 1 und 4 Text

Seite 2 und 3 Tafel Corvus Cyanopica, desgl.

Parus Superciliosus, desgl.

Titelblatt wird 1912 nachgeliefert.

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