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Prof. .Mer^ii^cf
Ferdinand von Richthofen's Tagebücher aus China.
Ausgewählt und herausgegeben ^von
El Tiessen.
Band H.
Mit 7 Lichtdrucktafeln, davon ß nach Originalzoichnungen Kichthofcn's.
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Berlin 1907.
Dietrich Reimer (Ernst Vohsen).
Alle Rechte vorbehalten.
Druck von J. J. A u gu s ti n in Glückstadt.
Inhaltsübersicht des zweiten Bandes.
Seito Reisen in Tschekiang, Nganhnei und Kiangsu 1
Die letzte große Reise (Tschili — Schansi [Mongolei] — Schensi — Sz'tschwan — den
Yangtsze hinab).
Von Peking durch die Mongolei nach Singanfa 105
Von Singanfu über den Tsinlingschan nach Tschöng tu fn . . . . 223
Von Tschöngtufu ins Gebirge; den Yangtsze hinab 285
Schluß : Letzter Aufenthalt in Schanghai 341
Index 353
Verzeichnis der Illustrationen des zweiten Bandes.
za Seite Doppelseite aus einem Reisenotizbuch Richthofen's mit topographisch-geologischen
Aufnahmen usw 104
Aus dem ßeisetagebuch Richthofen's : geologisches Profil mit Erläuterung . . .119
WeUenlandschaft in der südlichen Mongolei, altes Gebirge unter Löß 128
Dicotyledonen-Blatt im Kohlenschiefer, das jugendliche Alter dieser Kohle be- weisend 141
Chinesen im Winter 169
Paul Splingaert als chinesischer Mandarin im Familienkreise 346
Reisen in Tschekiang, Nganhwei und Kiangsu.
Vom 12. Juni bis zum 8. August 1871.
Im Mai 1871 kelirte ich aus Japan zurück, wo ich neun Monate,, zum Teil auf schönen Reisen im Innern, zugebracht hatte. Dies© Jahreszeit ist wohl die ungünstigste um nach China zu kommen, da man nicht weiß, wie man am zweckmäßigsten seine Reise einteilen kann. Im ganzen Lande herrscht in den Monaton Juni bis August große Hitze, und sie wirkt so gefährlich auf die Konstitution, daß kaum je ein Europäer es wagt, während dos Sommers nach dem Innern zu gehen. Fälle von plötzlichem Tod durch Sonnenstich sind unter den Europäern in Schanghai und an den Küstenplätzen häufig. Einige Minuten mit unbedecktem Haupt auf der Straße zu sein, kann den sofortigen Tod herbeiführen, und nur indem man sich mit dem wohl- bekannten, aus Baummai-k verfertigten Tropenhut und außerdem mit einem Sonnenschirm vor den Einflüssen der Sonnenstralden schützt, kann man es wagen, kurze Zeit auf der Straße zu gehen. Aber selbst mit solchen Schutzmitteln wagt es der Fremde nur selten, sich während des Tages draußen zu bewegen.
Der Kenntnis der Leiden, welchen man ausgesetzt ist, stand in scharfem Widerspruch der Drang gegenüber, sobald wie möglich meine Kenntnis des mittleren China zu vervollkommnen. Natürlich riet mir jeder von solchem Unternehmen ab, und man sagte mir all- gemein, daß es vorteilhafter sei, nach dem Norden zu gehen und von Peking aus eine Exkursion zu machen, vielleicht bis in die südliche
RiclithofeD, Tagebücher, H. Band. 1
2 Reisen in Tscheldang, Nganhwiii und Kiangsu.
Mongolei. Allein ich wußte von meinen bereits im Juli und August 1869 ausgefülu'ten Reisen, daß dort nach der Hitze die Regengüsse ein sehr bedeutendes Hindernis des Fortkommens bilden können. Ich mußte vor allem versuchen, den Gefalu-en und Verzögerungen, welche aus solchen Hindernissen erwachsen könnten, auszuweichen, und es war ein glücklicher Umstand, daß ich den mir allseitig erteilten Rat- schlägen nicht nachgab; denn das Jahr 1871 war das erste, in M'elchem die furchtbaren verheerenden Fluten im nördlichen China stattfanden, welche sich während der Sommer der folgenden Jahre fortsetzten. Sie fingen bereits im Juni an, und das Reisen war während der vier darauf folgenden Monate in allen Teilen dos nordöstlichen China un- möglich. Jeglicher Verkehr stockte: die Niederungen waren über- schwemmt und die kleinen Flüsse zu reißenden Strömen geworden, welche den Übergang vollständig unmöglich machton. Im mittleren China jedoch, wo die Hitze so groß ist, gehören langandauernde Regen- güsse während derselben Zeit doch zu den seltneren Ereignissen, wenn auch kurze tmd heftige Gewitter nichts Seltenes sind.
Es kostet freilich einen einigermaßen heroischen Entsclüuß, in dieser Jahreszeit aufzubrechen, um so mehr, als ich auf das Reisen zu Wasser, das ich längst als die ungünstigste Art der Fortbewegung für den Geologen erkannt hatte, verzichten mußte. So bequem man auf dem Wasser fährt, so reichlich man sich mit allem, was zum Lebens- unterhalt gehört, versorgen kann, sieht man doch von den Flußufern aus nur wenig von der umgebenden Landschaft. Man lernt das Volk und das Land nicht kennen. Dazu kommt, daß mir die besondere Struktur der südöstlichen Gebirge in ihren Grundzügen bereits von meiner früheren Reise im Herbst 18G9 klar ist und ich mir vollkommen bewußt bin, daß nm- eine quer hindurch gerichtete Landreise von dem gewünschten Erfolg begleitet sein kann. Um sie auszuführen, muß ich also den Entschluß fassen, zu Fuß zu reisen, da ich nur durch eignes Vorangehen mit gutem Beispiel meine Begleitung und Diener- schaft bei gutem Mut erhalten kann, während, wenn ich mich im Stuhl tragen ließe, sie mit Recht des vollen Maßes der Beschwerden
Der neue Reiseplan. 3
sich bewußt werden würden. Ein Durchschnitt der Gebirge von Ningpo oder an einem Punkt südlich davon in nordwestlicher Richtung nach dem Yangtsze scheint die geeignetste Linie zu sein, auf welcher es mir gelingen könnte, einen Einblick in den inneren Bau der parallelen Gebirgsketten zu gewinnen. Einen genauen Reiseplan kann ich wegen meiner Unkenntnis des zu bereisenden Landes infolge des vollstän- digen Mangels an Berichten über dasselbe nicht feststellen. Der Aus- gangspunkt muß jedoch Ningpo sein.
Am 12. Juni begab ich mich auf den Dampfer, welcher Schang- hai täglich um 4 Uhr nachmittags verläßt, um nach zwölfstündigcr Fahrt bei Sonnenaufgang in Ningpo anzukommen. Der Verkehr zwischen beiden Orten ist so lebhaft, und insbesondere bewegen sich die Chinesen so viel zwischen beiden Plätzen, auch hat der Frachtverkehr so erheblich zugenommen, daß der Dampfer gewöhnlich mit Kargo und Passagieren gefüllt ist. Meine Begleitung bestand wieder aus meinem Dolmetscher Paul Splingacrt und einem Boy. Den letzteren hatte ich ein Jahr vorher in Peking in meinen Dienst genommen. Ein Mandschu von Geburt, in dem strengen Dienst eines Mitgliedes der bei der englischen Gesandtschaft stehenden Militär-Eskorte aufgewachsen, besaß er Eigenschaften, die ihn von dem Durchschnitts-Chinesen weit unterschieden. Er hatte einen hohen Grad von persönlichem Mut. eine sehr anerkennenswerte Initiative, war von der vollkommensten Ehrlich- keit und sprach, wenn auch nicht goläutig, so doch gut Englisch. Denn da in Peking das sogenannte Pidjin-Englisli, wie es in allen Küsten- plätzen im Verkelir mit den Chinesen gebräuchlich ist, nicht bekannt ist, so hatten sich seine früheren Lelirmeister nur in richtiger Sprach- weise mit ihm unterhalten. Allerdings war es auffallend, in welchem Maße er sich beim Umgang mit den nach dem Zuschnitt der Handels- städte erzogenen Boys von den Vorteilen und der Leichtigkeit des Ausdrucks jener besonderen Art der Umgangssprache überzeugte. Der Einfluß dauerte aber niemals sehr lange, und da ich während der Reise stets mit ihm ein richtiges Englisch sprach, behielt er einen im ganzen guten Dialekt bei. Er hatte eine dunkelbraune Hautfarbe und
4 Reisen in Tschekiang, Nganhwöi und Kiangsn.
machte oft den Eindruck eines Halbnegers, zeichnete sich auch keines- wegs durch Schönheit aus. Nach der zweijährigen Erfalirung, welche ich mit ihm vom Sommer 1870 bis zum Sommer 1872 hatte, kann ich ihm nur das höchste Lob wegen seiner Treue und Dienstwilligkeit spenden. — Außerdem hatte ich meinen Jagdhund Diana bei mir, der viel dazu beiti-ug, uns die Zeit zu verkürzen.
Bei angenehmer kühler Brise kamen wir in Ningpo an. Hier regnet es weit mehr als in Schanghai, und schöne Tage sind eine Seltenheit; doch war es jetzt heiter und klar, und wir sahen die Hügel ringsherum in deutlichen Umrissen. Es mußte hier nun ein definitiver Plan gemacht werden, dessen erstes Ziel die Stadt Kinhwa- fu war. Um einige Information zu bekommen und die nötigen Vor- bereitungen zu treffen, suchte ich Herrn Dr. M'carthy auf. Auch diesmal war er wieder überaus gefällig und leistete mir die wesent- lichsten Dienste für meine Vorbereitungen. Doch war auch ihm die Gegend, in die ich gehen wollte, vollkommen unbekannt.
Es ist merkwürdig, wie unbesucht das Hügelland im Westen und Südwesten von Niugpo ist. An sonnenhellen Tagen breitet es sich so verlockend aus, die Natur ist gerade hier so reizvoll und die Einwohner sind von so sanfter und entgegenkommender Art, daß man meinen sollte, ein Bewohner von Ningpo müsse dem Drang nach näherer Kenntnis der Gegend und nach größeren Ausflügen nicht widerstehen können. Aber noch immer ist unsere Kenntnis auf das beschränkt, was Fortune von seinem Aufenthalt in den 40er Jahren mitgeteilt hat. Zwei deutsche Herren hatten einen Monat vorher zum ersten Male versucht, etw^as weiter nach dem Innern zu gehen und eine Reise nach dem nahe gelegenen Tien tai schan auszuführen ; doch hatten sie auf halbem Wege umkehren müssen, da sie die widerspenstigen Kulis nicht dazu bewegen konnten, sie nach jenem Orte zu bringen. Dieser Mißerfolg gab der Idee, gleichfalls zu- nächst eine Reise nach jenem berühmten Berg zu versuchen, einen besonderen Reiz , und der Tien tai schan war infolgedessen mein erstes Ziel.
Keisevorbereitungen. 5
Die Herren voa Ningpo suchten nun zwar durch allerlei Vor- stellungen meinen Aufbruch zu verzögern. Jeder von ihnen war im Besitz geheimer Schätze in Gestalt von noch nicht gefundenen, aber aus Gründen, die man höchst plausibel fand, vermuteten Vorkommen von Kohle, Eisen, Kupfer usw. in unmittelbarer Nähe der Stadt. Ich erhielt so viele derartige Nachrichten, daß ich wohl einen halben Monat auf solche -Untersuchungen hätte verwenden können. Doch schien mir die Wahrscheinlichkeit dieser Reichtümer auf schwachen Füßen zu stehen, und ich traf daher kurzweg meine Anstalten zum Aufbruch. Herr M'carthy bestellte den Hauptmann der Kulis zu sich. Wie in solchen Städten alles in Zünfte geteilt ist und sogar das Bettler- wesen eine Zunft mit ihren Vorgesetzten bildet, so haben auch die Kuhs ähnliche Verbindungen.
Ein Kontrakt wird nicht mit einzelnen Leuten gemacht, da man sich auf sie nicht verlassen kann und sie bei einem Koutraktbruch nicht würde belangen können, sondern stets mit dem Vorgesetzten, den sie sich selbst gewählt haben und dessen Bekanntschaft mit renom- mierten Kaufmanushäusorn hinreichende Bürgschaft für Einhaltung der Verpflichtungen bietet. In diesem Falle war der vorgesetzte Hauptmann ein kleiner dunkelfarbiger und vollständig wie ein Pirat aussehender Mensch, bei dessen Begegnung in der Einsamkeit man zunächst die Hand an die Waffe legen würde. Doch erwies er sich als zu dem Geschäft sehr brauchbar. Er beschloß selbst mitzugehen und verschaffte mir außerdem noch neun Kuüs, welche zum Preis von 7 Dollars pro Mann und Monat engagiert wurden. Der Kontrakt wurde schriftlicli aufgenommen und die Bedingungen so gesetzt, daß die Leute gehen mußten, wohin ich sie kommandierte. Man muß sich durchaus in solcher Weise vorsehen, ist aber dann, wenn man nur die nötige Energie anwendet, auch sicher, daß die Bedingungen erfüllt werden. Das Gepäck hatte ich größtenteils schon in Schanghai 80 verteilt, daß es leicht getragen werden konnte. Man hat dafür Bambuskörbe, welche innen einen wasserdichten Überzug haben und mit einem Klappdeckel versehen sind. Sie sind außerordentlich leicht,
6 Reisen in Tschekiang, Nganhwei und Kiangsu.
sehr bequem zum Packen und werden paarweise von jedem Kuli an einer Stange über der Schulter getragen. Das Gewicht, welches man einem Manu aufbürdet, beträgt gewöhnlich 80 Pfiind, doch nahm ich wegen des heißen Wetters und auch, um schneller fortzukommen, die Rücksicht, jedem nur die Hälfte des vorgeschriebenen Gewichtes auf- zuladen.
Ich verbrachte nur einen Tag in Ningpo und hatte hier auch das Vergnügen, Herrn Swinhoe*) zu sehen, welcher eben durch aus- gesandte Leute eine bedeutende ornithologische Ausbeute gemacht hatte. Leider war er schon damals so leidend, daß er nicht mehr im Stande war, seinen Liebhngsbeschäftiguugen in freier Natur selbst nach- zugehen. — Auch jetzt war ein Gang durch die Stadt Ningpo wieder von großem Interesse : ich hatte seit meinem früheren Besuch so viel von China gesehen, daß ich jetzt die Einzelheiten mit ganz anderem Verständnis betrachtete. Auch diesmal machte mir Stadt und Volk, trotz Japan, einen angenehmen Eindruck. In Hinsicht auf Reinlich- keit, Eleganz und Wohlstand erinnert Ningpo an Canton. Dennoch soll es bedeutend verloren haben. Früher hatte es einen bedeutenden Handel mit Manila, der fast ganz aufgehört hat. Ferner vermittelte es als zentraler Schiffahrtsplatz den Handel zwischen Fokien und dem Norden (Schanghai, Schantung und Tientsin); auch diese Rolle hat es durch die Dampfschiffahrt verloren. Indessen ist auch jetzt der Handel in Ningpo nicht unbedeutend, und es blüht eine vielseitige Industrie: berühmt sind Möbel und Schnitzereien, auch Matten, ferner Bijouterien. Beträchtlich ist außerdem der Export von Fischen, zu deren Konser- vierung die zahlreichen Eishäuser am Fluß dienen. Eisschiffe gehen nach den Tschusan-Inseln und kommen mit Fischen beladen zm-ück. Man gewinnt das Eis auf überschwemmten Reisfeldern: die dünnste Eisdecke wird abgerecht und in das Haus gebracht, wo sie weiter ge- frieren soll. Jetzt versorgen hiesige Kauf leute auch Schanghai mit Eis.
*) Robert Swinhoe hat sich 1855 — 73 namentlich durch zoolo^sche Forschuu- gen in Süd-China verdient gemacht.
Die Xingpo-Lente. 7
Sehr merkwürdig ist der Einfluß, den sich Ningpo-Leute in Schanghai erobert haben. Die Sampan-Mannschaften und die Ma- trosen sind größtenteils aus Ningpo, ebenso ein großer Teil der Kulis; auch die „boys" von hier verdrängen mehr und mehr die von Canton. Aber noch größer ist ihr Anteil am Kleinhandel, be- sonders am Cheap- Jack-Handel, bei dem diese Leute vollstäudig zu Juden werden.' Der Canton-Kaufmann will Großhändler sein und fordert dieselben Preise wie der Europäer, der von Ningpo be- gnügt sich mit Kleinhandel und geringem Profit; viele sind Compra- dores und Shipchandlers und haben großen Zuspruch. Die ameri- kanische Flotte vor Korea*) soll ganz von einem Ningpo-Mann versorgt werden. Die Gesamtzahl der Ningpo-Leute in Schanghai wird auf 40000 geschätzt; fast alle leben in der europäischen Stadt. Es scheint, daß die Schanghai-Leute mit ihnen kaum nach irgend einer Richtung konkurrieren können.
Bemerkenswert ist noch, daß die hervoiTagendsten Geschäfts- leute unter denen in Schanghai angeblich nicht aus Ningpo selbst stammen, sondern aus dem kleinen Tsz'kihsien, einige Kilometer nördlich von Ningpo. Dieser Platz ist auch als Sitz einer Familie be- kannt, die durch lange Zeit den Drogenhandel in China zum größten Teil in ihrer Hand gehabt hat ; noch jetzt soll sie die größte Apotheke im ganzen Land besitzen. Die Bewohner von Schau hing dagegen scheinen eine ganz andere geistige Richtung zu haben als die von Ningpo : diese Stadt soll sehr viele niedere Beamte liefern. In einem Lande, wo alles so amalgamiert ist, bildet dieses örtliche Hervor- treten von Veranlagungen und Richtungen des Unternehmungsgeistes eine bemerkenswerte Tatsache.
Bei meinen Spaziergängen in Ningpo richtete ich meine Auf- mei'ksamkeit diesmal besonders auf die Kunst. Man hat hier eine Menge schöner Bronzen, die aber meist nicht älter sind als aus der Sung-Dynastie, während welcher dieser Zweig der Kunstindustrie im
*) Amerikanische Expeditionen gegen Korea 1871/72.
g Reisen in Tschekiang, Nganhw^i und Kiangsu.
nördlichen Teil der Provinz Tschekiang blülite. Besonders fielen mir die vielen an der Straße liegenden und nach ihr geöffneten Ateliers von Malern auf. Es werden dort jene Rollbilder verfertigt, welche die Chinesen so gern an die Wände ihrer Zimmer hängen und welche mau in jedem Kaufladen ausgestellt sieht. Ich besuchte wohl 30 oder 40 dieser kleinen Werkstätten. Überall wurde ausschließlich nach der Schablone gemalt: Knaben von 14 — 18 Jahren waren beschäftigt, auf dünnem chinesischen Papier in feinen Linien die Umrisse einer darunter gelegten Zeichnung nachzuziehen; dann malt ein Maler die Gewandung und ein anderer die Gesichter mit Farben an. Die Originale scheinen in vielen Fällen gute Kunstwerke der alten Zeit gewesen zu sein, aber durch das viele Durchzeichnen und durch die hundertfältige Benutzung der späteren Durchzeichnungen als Vorbild sind Zerrbilder der Origi- nale entstanden. Jetzt scheint ein wirldich erfinderischer und kom- ponierender Künstler in dieser Gegend von China nicht mehr vor- handen zu sein. Es gibt dann andere Läden, in welchen das Aufziehen der Bilder besorgt wird, worin die Chinesen große Geschicklichkeit haben. Man beschäftigt sich auch viel mit dem Malen von Fächern, aber die Zeichnungen bekunden geringen Geschmack. Herr Swinhoe zeigte mir ein schönes Exemplar eines altchinosischeu naturgeschicht- lichen Werkes mit zaldreichen Abbildungen, das jetzt selir selten ge- worden ist. Ich war erstaunt, insbesondere bei den Vögeln die Originale zu vielen jener Darstellungen zu finden, die ich in Japan für Erzeugnisse der dortigen Kunst angesehen hatte.
Spät abends ging ich an Bord : ich hatte zwei Boote gemietet, um die kurze Strecke durch die Ebene zu Wasser zurückzulegen. Am folgenden Morgen um 4 Uhr fuhr ich ab, und erst um 1 Uhr mittags erreichten wir Yin kiang kiau. Das Wetter war heiter und die Luft kühl. Der Wog, mir schon von früher her bekannt, zeigte sich jetzt durch die Sommerbekleidung der Landschaft zu größerem Vorteil. Es interessierte mich besonders, den Eindruck zu beobachten, welchen der Anblick des hier herrschenden Wohlstandes und der unverkenn- bar hohen Bildungsstufe des Volkes auf meinen nördlichen Boy
Chinesische Malerateliers. 9
machte : er konnte sich nicht satt sehen an den wohlgebauten Dörfern und dem Reichtum der Felder.
Das nächste Ziel war der wohlbekannte Tempel im Suowy Valley, ein Lieblingsziel der Ausflügler von Schanghai, da ein Gebirgs- ort von ähnlicher Romantik in der Zeit von zwei Tagen von dort aus nicht erreichbar ist. Man verläßt Schanghai des Abends und geht dann von Ningpo, wo schon ein Boot zur Weiterbeförderung bereit liegt, entweder den Weg, den ich einsclüug, oder etwas südlicher bei der Stadt Fönghwahsien vorüber, um sich dann die letzte Strecke nach dem Tempel auf Stühlen tragen zu lassen. — Es war ein heiterer Tag, aber heiß und schwül, und deshalb wurde die Tom*, da es wieder der erste längere Spaziergang war, ungemein anstrengend. Die Ent- fernung wird zu 60 — 80 li angenommen ; es scheint, daß 60 li un- gefähr richtig ist. Nachdom der große Zufluß, welcher bei Yinkiang- kiau herauskommt und dem Ningpo-Fluß zuströmt, überschritten ist, geht der Weg aufwärts. Das Tal verzweigt sich sternförmig in die Ge- birge und bildet ein gi'oßes Becken, das südlich von einem 350 — 600 m hohen Zug begrenzt wird, während in W und SW die Berge bis gegen 1000 m ansteigen. Das Snowy Valley liegt hinter der südwestlichen UmwaUung an einem der Quellbäche des Potsukiang oder des eigent- lichen Flusses von Ningpo. Man muß daher, um dorthin zu gelangen, aus dem Tal des Yin-Flussos über einen ungefähr 250 m hohen Paß hinübergehen nach dem sanftwelligon Lande, welches den Potsu-Fluß im Norden begleitet.
Der ganze Weg führt durch eine liebliche Gebirgslandschaft mit steilen, bis zur Höhe bewachsenen Gehängen. Die Talböden reichen unvermittelt, ohne Schotterterrassen, an diese heran ; nur zuweilen ist dazwischen eine Abdachung von Gebirgsschutt vorhanden. Der Feld- bau war in dieser Jahreszeit zumeist auf Reis besclu-änkt, doch baute man auch Indigo-Pflanzen und eine Boehmeria; die letztere war jetzt ungefähr 6 Fuß hoch mit grünen Stämmen und noch nicht in Blüte, doch scheint dies gerade die beste Zeit für ihre Verwertung zu sein, da sie eben geschnitten und der Bast abgeschält wurde. Indigo war bis zu
\Q Reisen in Tschekiang, Nganliwei und Kiangsu.
beträchtlicher Höhe angebaut: ich fand ihn noch' 300m über Suowy Valley. Zuletzt hat man noch einen steUea Anstieg zu überwinden, ehe man den Tempel erreiclit. Er führt nach einer sehr scharf aus- geprägten Stufe, von deren Höhe aus mau einen schönen Überblick der Ebene von Ningpo mit den hohen Gebirgszügen, die sich südlich davon erheben, genießt. Alles Gestein hier herum besteht aus rotem Sandstein uud porphyrischen Konglomeraten, die ich bereits bei Ge- legenheit meines ersten Besuches der Gegend von Ningpo beschrieb.*) Die Schichtenabbrüche bilden lange Steilwände mit Schluchten, in denen Wasserfälle unter dichter Vegetation vorsteckt sind. Die Fall richtung der Schichten ist vorwaltend nordöstlich, und darum sind die schrofi'sten Wände nach SW gekehrt.
Der Tempel liegt in einer Verebeuung auf der Stufe, welclie wir eben erreichten, ungefähr 350 m über dem Meere. Aus ihr erhebt sich im Halbkreis eine zweite ebenso steile Stufe, so daß man nach S und SO hin von dem Rand der Terrassen eine freie Aussicht genießt, nach den anderen Richtungen aber hoch auf steile Gebirgshöhen hinaufsieht. Durch einen Irrtum gingen wir an unsorm Ziel vorüber und stiegen trotz großer Ermüdung noch über 300 m höher hinan, bis ein alter Priester in einem kleinen, von ihm allein bewohnten Tempel uns auf den rechten Weg führte und nach dem großen Tempel zurückbrachte, wo wh' um 7 Uhr abends ankamen. Auch dieser Tempel ist elend und schmutzig, obgleich er eben ein wenig repariert wurde. Die erste Person, die wir dort trafen, war ein geldgieriger Priester, welcher für das Wohl der zahlreichen fremden Gäste nicht eine Hand bewegen würde. Einige höchst dürftige, un- saubere Zimmer, die niemals eine Reinigung erfahren, werden dem Besucher zum Aufenthalt angewiesen, und da manche von diesen nach der in Schanghai gebräuchlichen Art unsinnige Preise gezahlt haben, so wird jetzt für ein Nachtquartier in diesen Ställen ebensoviel ge- fordert, wie man in den ersten Gasthäusern einer europäischen Groß-
*)s.BandI, S.41,52f.
Snowy Valley. J \
Stadt zahlen würde. Dennoch fühlen sich selbst europäische Damen hier in einer Weise glücklich, welche mir oft unbegi-eiflich gewesen ist und sich nur durch den Wechsel des luxuriösen Lebens in Schanghai mit der allereinfachsten Lebensweise und der gesunden Luft dieses Tales erklären läßt.
Wenn ein solcher Punkt einmal eine Berühmtheit erlangt hat, so ist es schwer, die Touristen davon abzubringen. Um wieviel größer der Komfort anderswo auch sein mag, so würde man ihn hier nicht zu schätzen wissen. Das Snowy Valley dient den Fremden seit einer langen Reihe von Jahren als Ausflugsort. Der chinesische Name ist Hsüetöusz' und heißt eigentlich „Schueclochtempel" ; die Fremden haben diesen Namen in Schü do sa verwandelt. Der Tempel soll ein Alter von ungefähr 2700 Jahren haben, wurde aber während dieser Zeit mehrmals zerstört und wiederaufgebaut. Es ist noch eine Stein- tafel mit einer angeblicli schwer leserlichen Inschrift vorhanden, die von einem Kaiser aus dem 8. Jahrhundert vor Chr. herrülvreu soll.
Der nächste Tag wurde zum Rasttag bestimmt, da ich hier zum letzten Male Gelegenheit hatte, in angenehmer Gesellschaft Ausflüge zu machen und diese überdies durch die oftmals gehörten mündlichen Erzählungen von der landschaftlichen Schönheit des Ortes besonderen Reiz versprachen. Eine der Anziehungen des Tempels besteht in den Bädern, welche man in seiner unmittelbaren Nachbarschaft unter kleinen Wasserfällen nimmt, wobei man noch die Wahl zwischen ge- ringerem und höherem Fall hat. Doch verdankt er seine eigentliche Berühmtheit, bei den Chinesen sowohl wie bei den Fremden, seinen zahlreichen großen Wasserfällen. Der bedeutendste wird von dem Bach gebildet, welcher sich aus kleinen Zuflüssen in dem Kessel des Schneetals selbst sammelt und dann über eine 125 m hohe, vollkommen senkrechte Felswand aus festem Porphyrit hinabstürzt. Von dem oberen Rand der Höhe genießt man außerordentlich schöne Fernblicke. Der Fall ist in der Tat sehr malerisch, die Vegetation üppig und blütenreich.
Am 17. Juni machte ich meine erste Etappe gegen den Tientai- schan hin, nicht ohne große Schwierigkeit, denn die Gegend gilt den
12 Reisen in Tschekiang, Nganhwei und Kiangsu.
Leuten als ein weit entlegenes Hinterland mit Räubern und Dieben, nur durch einsame Gebirgswege erreichbar, ist aber berühmt wegen der, wie man meint, himmelansteigenden Höhe der Berge und eines wohl- bekannten, sehr in Elu-en gehaltenen Tempels. Die Entfernung wurde von den meisten Leuten auf 450 li angegeben, was mir nach den Karten allerdings absurd erschien. Es hielt sehr schwer, meine Kulis füi- das Projekt zu gewinnen. Es zeigte sich jetzt, daß sie offenbar gehofft hatten, eine leichte Zeit zu haben, wie sie den Packträgern im Dienste der fremden Reisenden gewöhnlich zuteU wird. Wahrscheinlich hatten sie auch auf eine mindestens achttägige Ruhe in dem Schneetempel bei fortlaufender Bezahlung gehofft. Überdies ist die Unkenntnis der Fremden mit den Verhältnissen stets eine gute Einnahmequelle für sie. Sie hatten auch bei mir schon am ersten Tage versucht, ihre Neben- geschäfte zu machen, indem sie sich zum Ankauf von verschiedenen Dingen erboten und dann das Vierfache der Preise berechneten, welche die Dinge in Wirklichkeit hatten. Sie hatten sich nun überzeugt, daß sowohl diese Berechnung wie auch die Hoffnung auf leichtes Leben hinfällig sein würde, und waren degoutiert von der Verpflichtung, die sie kontraktmäßig übernommen hatten. Wir mußten schon jetzt ener- • gisch auftreten, um sie zum Fortgehen zu bewegen. Auf der großen Verkehrsstraße über Sin tschang hsien und Kinhwafii zu gehen, wären sie bereit gewesen, da diese Straße nicht unbequem ist und überall Gast- und Teehäuser zu finden sind ; aber schrecklich war ihnen der Gedanke, in eine unwirtliche Gegend zu gehen, wo von Bequemlich- keit nichts zu finden sein würde.
Der Weg führte erst nach dem Fuß des großen Wasserfalls und dann an dem noch in weiteren Kaskaden herabstürzenden Wasser ent- lang nach dem ungefähr 300 m tiefer als SnoA^y Valley gelegenen Dorf Tingsia, wo man den Potsukiang eiTeicht. Schon von hier kann man in der Richtung auf Ningpo zu Wasser hinabfahron : die erste Strecke bis Kiangköu auf vorn aufgebogenen Bambusflößen, von dort dann auf gewölmlichen Booten weiter. Bald hinter Tingsia fiihrte mein Weg in ein Seitental des Potsu, in welchem wir noch 45 li aufwärts
Ins Unbekannte hinein 1 ]^3
stiegen. Schon beim Hinabsteigen an dem großen Wasserfall hatte sich ein junger angehender Priester, ein Bursche von etwa 20 Jahren, welcher den Gebrauch des Wassers zumW^aschen noch nicht zu kennen und die pflichtmäßige Vorschrift des Rasierens des Schädels nur jähr- lich einmal vornehmen zu lassen schien, uns beigesellt. Er war sehr gesprächig, und, wie Priester und Bettler überhaupt nach ihren Wander-Gewohnheiten am besten in jeder Gegend Bescheid wissen, konnte auch er allein über den Tientai-Tempel und den Weg dorthin Auskunft geben. Ich bemerkte zu meiner Verwunderung, daß er unsere Partei gegen die meiner Kidis ergriff und zu deren großer Unzufrieden- heit nur die Wahrheit berichtete. Er gab mir die Liste der Orte an, durch die ich zu gehen haben würde, und ich verdanke es zum großen Teil ihm, daß ich den Plan überhaupt habe ausführen können.
In dem Tal, in dem wir aufwärts gingen, liegen mehrere große Dörfer zerstreut. In dem ersten hatten die meisten Einwohner schon einmal einen Fremden gesehen; je weiter wir kamen, desto geringer wurde die Zahl derjenigen, die jemals einen Fremden gesprochen hatten. Sie drängten sich natürlich stets sofort hervor, um uns mit ihren wenigen Brocken von korrumpiertem Englisch anzureden. Für eine kurze Strecke wird auch der Nebenfluß auf Bambusflößen be- fahren, aber sobald man über die Schiflahrt hinaus ist, wird auch die Verbindung mit Ningpo sehr gering. Hier herrschte noch ein nicht un- bedeutender Frachtverkehr. Wir begegneten Zügen von Packträgom, von denen die meisten Papier- und Teeblätter in Säcken brachten. Den F\\iß hinauf wurde insbesondere Menschenhaar in großer Quan- tität getragen; es bildet einen wichtigen Gegenstand des Handels. Auch hier war alles bis hoch hinauf bewachsen: im Talboden war breites Reisfeld, an manchen Stellen der Gehänge ein Forstbetrieb von Nadelholz, dessen Bestände allerdings nur ein Alter von höchstens 25 Jahren erreichten. Die Strauchvegetation ist hier von der größten Üppigkeit. Unter den Kultui-pflanzen sah ich viele Tung-Bäume neben der allgemein verbreiteten StiUingia sebifera, außerdem viel Bambus, dessen getrocknete und dann eingesalzene Sprossen, die den Chi-
14 Reisen in Tschekiaug, Ngaiihwei und Kiangsu.
nesen als Delikatessen gelten, einen ziemlich wichtigen Handelsartikel bilden. Auch Boehmerla ist hier ziemlich viel vorhanden.
Der Weg durch das Tal ist gepflastert, und alle 5 li ist eine Station für die Kulis angebracht, wo sie gewohnheitsgemäß rasten. Eine solche Station ist eine kleine schmutzige Halle mit einem Götzen, einer Wid- mungstafel und einigen Bänken, auf denen man sich niederläßt, um kostenfrei Tee zu genießen. In einem großen Topf befindet sich ein trübes lauwarmes Getränk: man schöpft mit einer Tasse, in die jeder den Daumen bis zum Boden hineinsteckt, oder auch mit einem kleinen Bambusgefäß an einem längeren Stiel. Im gewöhnlichen Leben würde man sich ekeln, die Lippen an ein solches Trinkgofäß zu setzen; hier aber schlürft man die unreine Flüssigkeit mit Wohlbehagen: sie gewährt bei der Erschlaffang in der großen Hitze ein außerordentliches Labsal. Tee kann man sie nicht nennen, wiewohl an einigen Orten Teeblätter die Grundlage der wiederholten Aufgüsse gebildet haben mögen. Hier wendet man ein Kraut an, das einen nicht unangenehmen bitterlichen, medizinischen Geschmack hat und dessen Aufguß recht erquickend ist; es schien mir eine Artemisia zu sein. Diese Rasthäuser, welche auf den größeren Verkehrswegen im südlichen China häufig sind, gehören zu den mancherlei gemeinnützigen Instituten, durch die sich China auszeichnet. Sie sind meist die Stiftung eines Wohltäters, ähnlich den Kapellen in katholischen Ländern; aber man verbindet mit jenen einen praktischen Nutzen, welcher diesen fehlt. Von der Stiftung wird eine Familie versorgt, welche die Teetöpfe gefüllt halten und den Staub von den Götzen abfegen sollte, aber meist melir zur Reinlichkeit beitragen würde, wenn sie den Tempel und Götzen ganz ihrem eignen Schicksal überließe.
Ein prachtvoller Punkt war die Mittagsstation Kiuköngsz', ein großer Tempel, welcher 30 li von Snowy Valley gelegen ist. Wirgingen zu den Priestern hinein und wurden artig aufgenommen. Sie luden uns ein, dort zu bleiben, und sahen es nur ungern, daß wir es vor- zogen, eine Mahlzeit unter freiem Himmel im Schatten des dichten Laubgehölzes von unsern eignen Provisionen zu halten. Man erreicht
Nachtlager im Tempel. J5
dann weiterhin das Dorf Liutschöu, dann Wansiangling und Tsien- kiailing. Letzteres Dorf liegt etwa 200 m über dem Meere und ge- rade auf dem Paß, welcher die Gewässer des Potsu von denen des nächsten Flusses scheidet. Hier machte ich das erste Nachtquartier, welches ein Prototyp derjenigen war, die ich von da an jede Nacht hatte. Es gab mir einen Vorgeschmack von dem, was ich zu erwarten haben würde. Wir hatten erst versucht, im Dorf ein Unterkunftsliaus zu finden, aber es war von solcher Art, daß ich keineswegs Lust ver- spürte, dort zu bleiben. Ich war daher auf die Tempel angewiesen. War aber derjenige von Snowy VaUey schon ohne Komfort gewesen, so sind diese kleinen Tempel höchst erbärmliche Örter. Im besten Falle war ein Tor und eine Halle mit Riesentiguren als Wächtern vorhanden; gegenüber, durch einen Hof getrennt, liegt eine nach vorn offene Halle, in welcher der Buddha nebst einigen anderen Götzenbildern steht, an denen oft Kopf, Hände oder Füße fehlen. An den Seiten liegen dann zwei Häuser: die Rumpelkammern der hier stationierton Tempel- wärter, meist ganz unbewohnbare Lokalitäten. Ich wählte hier als Lager- stätte die Schaubühne, welche für theatralische Vorstellungen im Innern des Tempels angebracht war. Da das Wetter klar und windstill und die Nacht kühl war, auch gaffende Leute sich wenig einstellten, so ließ sich ein leidliches Nachtquartier herrichten. Es kam dann immer besonders darauf an, die Mosquitonetze in geeigneter Weise aufzu- hängen, die Betten gut aufzuschlagen und die Mahlzeit in geordneter Form zu bereiten.
Am nächsten Morgen erwachte die ganze Gesellschaft mit steifen Gliedern, wie dies gewöhnlich am zweiten Tage einer Fußreise ge- schieht; doch hatten wir uns tüchtig eingelaufen, und von da an ging es immer vorwärts, so gut es die Temperatur erlaubte. Der Tag war heiter, aber das Thermometer stieg schon zu bedenldicher Höhe, und mittags hatten wir auf einer kleinen Paßhöhe 34" C. im Schatten und 43 Va^ in der Sonne. Mit dem Dorfe Tsingkialing, welches so viel heißt als „der Paß an dem Dorfe der Tsing-Familie", erreichten wir das Flußsystem des nach Sin tschang hsien und Tschönghsien ab-
16 fieisen in Tschekiang, Nganhwei und Kiangsu.
fließenden Wassers. Schon nach einer geringen Strecke vom Dorfe zweigt sich die Straße nach diesen Städten ab. Dies ist die gi'ößere Verkehrsstraße. Nur mit Mühe brachte ich meine Kulis an dem Wende- punkt vorbei; sie fürchteten auf der Fortsetzung unseres Weges nicht nur die Beschwerden, sondern auch die Leute, welche als wilde Bar- baren verschrieen waren.
Die erstere Besorgnis stellte sich als gerechtfertigt heraus. Wir hatten auf dem heutigen Wege von 60 li nach einander über vier Pässe zu gehen, welche kleine, demselben Stromsystem angehörende Flüsse trennen. Diese kommen von Osten her, von einer Wasserscheide gegen die kurzen Küstenflüsse, welche in die tiefen Einbuchtungen des Nimrod-Sundes und der Sanmönn-Bai abfließen. Die Namen dieser Pässe sind Tsienkiailing, Sikangling, Kanliling und Tiensiling, welche bezw. 10, 18, 35 und 48 li von der Nachtstation entfernt waren. Die Szenerie in dieser Gebii'gswelt ist prachtvoll: besonders zeichnet sie sich durch malerische Felspartien von Granit aus und erreicht den Höhepunkt der Schönheit in der üppig bewachsenen felsigen Granit- schlucht, in welcher man vom Kan li ling südlich hinabsteigt nach einem Tal, wo eine aus großen Quadern errichtete Steinbrücko in einem Bogen über einen der Wildbäche führt. Die Gebirge sind von keiner bedeutenden Höhe : ich schätze sie im Durchschnitt auf 600 m. Zu- letzt bildet der Granit noch ein 15 li breites welliges Plateau, das vielfach angebaut ist und stellenweise außerordentlich liebliche An- blicke bietet. Am Abend kamen wir nach einem Dorfe Siautsiang, das an einem ebenfalls noch nach Westen abfließenden Gebirgsbach liegt und von einem welligen Ackerland mit granitischer Unterlage umgeben ist. Das Wirtshaus war auch hier ein schmutziger Stall: ich quartierte mich daher wieder in einen priestorlosen Tempel unter- halb des Ortes ein. Jetzt gewann ich schon mehr Routine in dem augenblicklichen Schaffen des nötigen Komforts, und besondere Hilfe leisteten mir dabei die herumstehenden Götzen, die sich als treff- lich geeignet erwiesen, mit ihren ausgestreckten Händen die Leinen des Mosquitonctzes zu halten. Die Ehrfurcht der Eingeborenen vor
über vier Pässe an einem Tage. J7
denselben ging auch keineswegs soweit, daß sie daran Anstoß ge- nommen hätten.
Am dritten Tage legten wir nur eine kurze Strecke von 20 li zurück, um aus dem Gebiet der nach Westen strömenden Flüsse über einen hohen Paß nach einem gegen Ost gerichteten Flußsjstem hin- überzusteigen. Nachmittags regnete es, und deshalb setzten wir die Tour nicht weiter fort. Der Höhenzug zeichnete sich durch seinen schönen Grasteppich aus: die ganzeNordseite und die Höhen selbst waren die schönsten Alpenweiden, die leider ganz unbenutzt daliegen, soweit nicht das abgehauene und gedörrte Gras als Feuerung Verwen- dung findet. Er führt den Namen Kiulikang, d. h. der Scheiderücken von !) li. Der Paß führt den Namen San wangling, d. h. Dreiköm'gspaß, und ist ungefälir 600 m hoch. Von ihm aus übersieht man nach Norden eine weite Gebirgslandschaft in deutlichen Formen. Man erkennt, daß zwei hervorragende Ketten — diejenige, in welcher Snowy Valley und die Gebh-ge südlich von Ningpo liegen, und der Kiulikang — ein Gebirgsland mit mehreren nach dem Talo von Sin tschang konver- gierenden Schluchten einschließen. Die Höhe der beiden angi'cnzen- den Züge ist ungefähr 1000 m, während die des eingeschlossenen. Ge- birgslandes 600 m nicht zu übersteigen scheint. Bei Sin tschang er- kennt man einen breiten Talboden. Nach Süden ist der Blick engbe- grenzt; man sieht dorthin in ein nahes schluchtenreiches Gebirge.
Beim Abstieg zeigte sich die Südseite des Gebirges ganz ver- schieden von der nördhchen. Sie war mit Strauchwerk, dessen Blätterschmuck ein außerordentlich mannigfaltiger war, bewachsen; doch stand gegenwärtig nicht viel in Blüte. Himbeersträucher mit wohlschmeckenden Früchten gewätoen ein Labsal bei der großen Hitze.
Der Tempel Tatung sz', in dem ich übernachtete, liegt isoliert zwischen zwei kleinen Dörfern. Ich fand, daß die Gerüchte von der geringen Kultur der Bevölkerung nicht unbegründet sind: man ist hier in der Tat bei Hinterwäldlern in einer fast unbewohnten Gegend. Die Leute sind aus ihren Tälern meist nicht herausgekommen, haben
RichthofcD, Tagebücher, U. Band. 2
-[ g Reisen in Tschekiang, Ngauhwöi und Kiangsu.
selbst die nächste hsien-Stadt nicht gesehen und wissen nichts von der übrigen Welt.
Es fand meine Anerkennung, hier etwas mehr Kampfbereitschaft als gewöhnlich zu finden. Ich hatte einen Mann, welcher zudring- lich geworden war, in etwas unsanfter Weise aus dem Tempel geworfen, so daß er beinahe hinstürzte. Ein 16 jähriger Junge zog mit trotziger Miene und drohender Haltung langsam eine große Sichel unter seinem Rock hervor und schwang sie drohend gegen mich. Der Mann gelbst hob, dadurch ermutigt, einen großen Stein auf. Schon begannen auch andere in der versammelten Menge die Sicheln, welche sie von dem Ge- schäft des Grasabschneidens noch bei sich trugen, hervorzuziehen, und in einem weiteren Moment wäre die ganze Bande bewaffnet gewesen. Ich erkannte die Gefahr, da ein solcher Angriff, wenn man ihn nicht in der ersten Entstehung abwehrt, schnell zu den ernstUchsten Folgen führen kann, weil man dann seiner nicht mehr Herr wird. Da ich wolirlos dastand, so konnte ich nichts tun, als den Angriffen ein kalt- blütiges Lächeln entgegensetzen. Dies wirkte. Der Junge mit der Sense, den ich zunächst ins Auge faßte, zog sich langsam und scheu zu- rück, da er wohl etwas Übernatürliches in meiner Euhe wähnte, und ein weiterer Puff ließ auch den Mann mit dem Stein das Weite suchen. Bald zerstreute sich die Gesellschaft, und für längere Zeit wagton die Leute nicht, sich wieder zu zeigen. Gutgesinnt waren sie uns aber nicht. Gerade wie man es in Tirol noch vor 20 Jahren in einigen Hochtälern fand, sprachen sie untereinander davon, daß wir kein Recht hätten, in ihr Land zu kommen, und sie uns zeigen müßten, daß wir nichts darin zu suchen hätten. Da ein Angi-ifF in der Nacht nicht unwahr- scheinlich war, so mußten wir versuchen, die Leute versöhnhch zu stimmen, was uns denn auch am Abend mit Unterhaltung und Vorzeigen von Bildern gelang. Sobald sie sahen, daß wir keine sclilechten Absich- ten hatten und einem geordneten Benehmen ihrerseits auch eine An- erkennung unsererseits entgegensetzton, war ihr Mißtrauen schnell in das Gegenteil verwandelt. — Es herrscht hier trotz des üppigen Klimas große Einfachheit und Armut: man bekommt buchstäblich
Charakter der Bevölkerung. \ 9
garnichts außer etwas Reis; selbst Eier waren nicht zu haben. Auf den Feldern bauen die Leute außer Reis Weizen, Tabak, Mais und süße Kartoffeln ; von Baumpflanzen haben sie StilUngia und den Tung-Baum, aber außer Kastanien nicht einmal Fruchtbäume. Holz gibt es im Überfluß ; in den Dörfern stehen prachtvolle gi-oße Bäume, aber größere Bestände fehlen gänzlich.
Erst der vierte Tag brachte mich nach meinem Ziel. Aus dem Kessel von Tatung führt der Weg in südlicher Richtung allmählich auf die Höhe der Umwallung und erreicht dieselbe in etwa 1000 m Meereshöhe an dem Paß Paischuling oder Cypressen-Paß, einer Ein- sattelung des Tien tai schan. Man steigt über grasiges Land an, und weithin sind die Nordabhänge ebenfaUs nur mit Gras bedeckt. Frische Gewässer rieseln aUenthalben aus dem Gestein; ich fand diese bei ruhiger Strömung immer voll von Salamandern. Der Weg ist sehr einsam ; wir begegneten nur einzelnen Leuten, die stets sehr erstaunt waren, so fremde Gestalten in dieser Gegend zu erblicken. Es ist merkwürdig, wie entlegen diese Gegend trotz der Nähe von Ningpo ist; selbst flir die Bewohner der nächsten Umgebung liegt sie halb im Monde. Von Snowy Valley sollte der Tien tai schan noch 450 li ent- fernt sein, und niemand war jemals dagewesen. Als wir 50 li gemacht hatten, war die Entfernung noch 180; als wir dann nochmals 60 11 zurückgelegt hatten, war sie nur noch 70, und nach wieder 20 li war sie auf 20 herabgesunken. Bis zum letzten Nachtquartier konnten wir nicht einen einzigen Menschen finden, der den berühmten Berg und Tempel selbst besucht hätte, wenn auch aUe seinen Namen sehr wohl kannten. Von der Höhe und Steillieit des Berges erzählte man Wunder- dinge : er gilt als der höchste und steilste der Provinzen Tschekiang, Kiangnan, Kiangsi und Fokien. Sähe man vom Fuß des Berges nach dem Tempel hinauf, so müßte man, wie uns erzälilt wurde, die Augen so steil nach oben richten, daß der Hut vom Kopfe fiele ; von dem Berge selbst könne man das Meer und aus demselben im Hintergrunde Europa aufragen sehen ! Unter anderen Wunderdingen wurde erzählt, es lebe hier ein Priester von 106 Jahren, dessen Augenbrauen bis auf
20 Eeisen in Tschekiang, Nganlinei und Kiangsu.
den Mund herabhingen ; er wohne in einer Höhle, esse nur Reis, sei aber noch von keinem Menschen gesehen worden. Ich aber sollte dieses Vorzugs teilhaftig werden.
Vom Cypressen-Paß führte der Weg in südwestlicher Richtung, am Südabhang entlang, abwärts nach dem berühmten Tempel Hwa- tingsz'. Es regnete stark, und wir eilten, unser Ziel zu en-eichen. Aus den Grasflächen kamen wir bald in üppigbewachsene Schluchten und bei melireren Tempeln vorbei, unter denen manche von be- deutender Größe waren. Wir rasteton in deren einem, um den starken Regen abzuwarten, und wurden von den Priestern freundlich empfan- gen. Noch immer in strömendem Regen langten wir dann an dem Haupttempel an. Es war eine große Annehmlichkeit, hier einen vor- trefflichen Empfang zu finden. Ein junger Priester, ein lebhafter Mensch mit intelligenten Augen, machte den Wirt, aber nm- zu gut: denn wir mußten uns trotz allen Sträubens eine Anzahl chinesischer Gerichte zum Frühstück aufdrängen lassen. Auch die weitere Bewirtiuig wollten die Priester übernehmen, doch merkte ich bald, daß diese Fütterung eine Spekulation auf meinen Geldbeutel gewesen war. Man gab uns übrigens ein recht gutes Quartier.
Die Priester, welche hier in einer Art von Kloster zusammen- leben, haben neben den weitläufigen Räumlichkeiten für ihre eigene Behausung stets eine Anzahl Zimmer für vornehme Besuche frei, denn eine ihrer Haupteinnahmen besteht in den Geschenken, welche ihnen Reisende geben. Ein Mandarin, der hier seine Andacht ver- richtet, zahlt einen guten Preis für das Nachtquartier. Es gehören zu diesem Tempel 400 Priester, die aber meist den Dienst in Tempoin der Umgegend versehen. Sie haben gar keinen Besitz, sondern leben nur von Almosen und dem Erträgnis eines zum Tempel gehörigen Grundstückes. Sie dürfen nicht essen, was fliegt oder läuft oder schwimmt: kein Fleisch, keinen Fisch, keine Eier; sie trinken keinen Wein, sondern sind die reinsten Vegetarianer und leben nur von Reis, Gemüse und Tee. Es war ihnen offenbar unangenehm, daß ich da- rauf bestand, meine eigene Küche zu haben und innei'halb der ge-
Die Priester des Tientai schau. 21
heiligten Räume auch die den Priestern verbotenen Speisen zu essen. Sie legen den Rosenkranz nie aus der Hand und beten sehr viel. Tag und Nacht. Oft wird man während des Schlafes durch die Glocke ge- weckt, welche sie zum Gebet ruft.
Überhaupt können, was Strenge der Ordensregeln und Ge- nauigkeit in deren Befolgung betrifft, die durch die entstellten Be- richte der Jesuiten so verrufenen Bonzen von China den Mönchen mancher Orden und Länder zum Muster dienen. Dabei sind sie sämt- lich Schriftgelehrte, ohne sich indessen iliren Studien über das gegen- wärtige Erfordernis hinaus zu widmen. Von dem Geld und den Naturalien, welche sie von den Durchreisenden und durch Sam- meln in den Dörfern erhalten, wird vorerst ein Teil für den Bischof oder obersten Priester des Bezirks, welcher in diesem Falle den Distrikt von Tientaihsien umfaßt, bei Seite gelegt; der Rest muß für den Lebensunterhalt der Leute ausreichen. Ein besonderes Inter- esse haben die Tempel dieses Teiles von China durch ihr hohes Alter ; derjenige von Tientai gilt als noch viel älter als der von Snowy Valley. Die Priester geben sein Alter auf 5000 Jahre an, und wenn ihre genaueren Angaben richtig sind, so würde die Gründung noch immerhin über diejenige von Rom hinausreichen. Das Monumentale besteht aber nur in der Forterhaltuug der Stehe, an der seit so langer Zeit ein dem rehgiöson Kultus geweihter Tempel gestanden hat. Die Bauart des Tempels selbst hat nichts Monumentales und zeigt nicht den Erhaltungszustand alter Baureste; das Gebäude ist offenbar sehr häufig erneuert worden. Auch die Rehgion hat sich geändert und gewiß den äußeren Stil beeinflußt, denn diese alten Tempel sind jetzt alle buddhistisch, was sie doch anfangs gewiß nicht gewesen sind.
Unser junger freundlicher Wirt hatte ein besonderes Vergnügen, uns in dem ganzen Tempel herumzuführen. Dieser bot indessen nichts Bemerkenswertes : das einzige, was die Aufmerksamkeit fesselt, ist eine Halle mit 500 vergoldeten Götzen, die recht gut ausgeführt sind und "200 Jahre alt sein sollen. Sie gelten als 500 Brüder, Söhne des-
22 Keise in Tschekiang, Nganhwei und Kiangsu.
selben Vaters und derselben Mutter. Jeder bat seinen Namen und seine Bedeutung, und in der Darstellung ist den einzelnen Figuren viel Leben und Individualität gegeben. Merkwürdig ist, daß unter allen 500 kaum ein einziges Gesicht mit ausgesprochen chinesischen Zügen zu finden ist. Der Tempel ist von üppigen Gebüschen und hohen Baumgruppen umgeben; besonders zeichnen sich einige alte Kryptomcrien vor dem Portal aus. Es würde hier eine unvergleich- liche Station für den Botaniker und Entomologen sein: der Ileichtum der Flora und der Insektenwelt ist außerordentlich groß, und man kann mit Leichtigkeit auf Pfaden, die am Rücken des Gebirges ent- lang führen, größere Ausflüge ausführen. Auch der Weg nach Tien- taihsien würde bei den nicht unbedeutenden Höhenabständeu und dem Wechsel tief eingerissener feuchter Schluchten mit felsigen Vor- sprüngen ein ergiebiges Feld bieten.
Es regnete die Nacht hindurch; auch am nächsten Vormittag war es noch nebhg und regnerisch, dann aber klärte es sich auf, so daß ich den Gipfel des Tien tai schan mit Erfolg besteigen konnte. Wie ich nachher hörte, hatte darüber großes Erstaunen bei den Priesteru ge- herrscht, da hier nicht mehr als zweimal monatlich heiterer Himmel sein soll und die Priester der Überzeugung waren, der Himmel werde sich bei der Entweihung des heiligen Bodens durch den Fui3 eines Fremden ungewöhnlich verfinstern. Der höchste Punkt liegt unweit des Tempels und dicht neben dem Cypressen-Paß ; seine Höhe beti'ägt ungefähr 1100 m, etwa 150 — 200 m mehr als die des Tempels. Durch ein tiefes Tal getrennt liegt 4 — 5 km südlich ein noch um 100 — 150 m höherer Gipfel, der Tschung schan ; doch hat dieser nicht vermocht, seinem Rivalen die geschichtHch überlieferte Krone zu rauben. Mit dieser Ausnalimo ist der Tien tai oder „Himmelsaltar" allerdings der höchste Gipfel ringsumher und bietet daher eine schöne Fernsicht. Nach allen Seiten sieht man nichts als diu"chfurchtos Gebirge, außer der Mauer im Osten bei Ninghai und dem scheinbar ebenen Talboden von Sin tschang hsien und dem ziemlich breiten, von Alluvien erfüllten Tal von Tien tai hsien.
Besteigung des „höchsten Berges" von China. 23
Alles dies ist grün bekleidetes Mittelgebirge, ohne schroffe und besonders charakteristische Formen, und doch mit gewissen Gesetzen der Anordnung, die aber nicht leicht zu entziffern sind. Hier befand ich mich in der Achsenkette der Gebirge des südöstlichen China. Verfolgt man die Linie nach Südwesten, so erkennt man dort in der Ferne die höchsten Gipfel der Gegend, obgleich sie durch ein tief eingeschnittenes Tal -von dem Tientai- Gebirge getrennt sind, und könnte man noch weiter sehen, so würde man in derselben Richtung in weiter Entfernung das Wui- Gebirge*) erblicken. Verlängert man aber dieselbe Eichtung nach NO, so fällt sie in das hohe Ge- birge, das sich zwischen dem Tal von Ningpo und dem Nimrod-Sund als ein langes Vorgebirge erhebt, um dann nach den Tschu san-Inseln fortzusetzen. Im Norden sieht man nur verhältnismäßig niedriges Hügelland, das sich weithin bis zum Tienmuschan erstreckt, der trotz der weiten Entfernung noch erkennbar wai', wälurend nach Süden schwere Wolken den Blick eng begrenzten.
Während ich mich der Betrachtung dieser Aussicht und der Messung einzelner Richtungslinien hingab, trat aus altem Gemäuer ein uralter Priester heraus. Ich sah erst jetzt, daß eine viereckige Umwallung ein mit Stroh bedecktes Sennhaus umscliloß, das dadurch gegen die heftigen Stürme, welche den Gipfel umtosen, geschützt wird. Hier lebte seit 23 Jahren der Priester, welcher jetzt 91 Jahre zählte, ohne jemals seine erhabene Lage inmitten der großartigen Natur ver- lassen zu haben. Mit Stolz zeigte er mir das Land ringsumher, als ob er der Herrscher nach allen Himmelsgegenden wäre ; dort lag dieses fu, dort jene Provinz; alles konnte er von hier überblicken und rülimto sich, auf dem höchsten Gipfel von China zu stehen. Er lud uns in das Haus ein und setzte uns Tee vor.
Der Tempel beim Gipfel ist klein, wie es deren eine ganze Anzahl an den Gehängen zersti-eut gibt. Sie sind als eine Art Sinecure zu Woh-
*) Von diesem Gebirge Wui, in englischer Schreibart Bohea, das, in Fokien ge- legen, durch die Teepflanzungen an seinen Gehängen berühmt wurde, erhielt der Tee seinen botanischen Namen Thea Bohea.
24: Reise in Tschekiang, Nganhwei und Kiangsu.
nungen alter geachteter Priester bestimmt. Letztere haben nur den Dienst des Götzen zu versehen und leben von dem Teil der Almosen, der auf sie entfällt. In jedem dieser Häuser ist ein Altar, Räucherwerk und alles, was zu den täghchen geistUchen Verrichtungen der Priester gehört. Man gibt ihnen einen jungen Kahlkopf als Gehilfen bei und versieht sie mit allem, was sie brauchen, da man annimmt, daß ein hohes Alter eine Belohnung für gottesfürchtigen Lebenswandel sei. Über dem Altar war hier eine Inschrift angebracht mit einem Motto für den Berggipfel, welches lautete: „Meer und Himmel sind eins", — wunderbar passend für diesen Ort! Das Haus des Alten war rein- licher gehalten, als man es gewöhnlich findet; er freute sich, so seltene Gäste bei sich bewirten zu können. Mit besonderem Vergnügen zeigte er uns seine Wasserquelle, die er so glücklich ist, nahe am Hause zu haben, trotz dessen Lage auf dem Gipfel.
Nach dem Kloster zurückgekelirt, forderte ich meinen Wirt auf, mir auch jenen alten Priester zu zeigen, dem die Augenbrauen bis auf den Mund herabhingen. Er führte uns durch verschiedene Irrgänge des Klosters nach der Zelle eines offenbar eine hohe Stellung be- kleidenden Priesters, bei dem er uns erst anmelden ließ. Es war ein häßlicher, ungefähr 60jähriger Bonze, welcher sich viele Mühe gab, recht alt zu erscheinen. Mein Führer sagte mir mit Ehrfurcht heucheln- der Miene, dieser Mann sei von den Göttern durch ein hundert Jalire übersteigendes Alter gesegnet worden. Der Alte mochte wohl merken, daß wir so leicht nicht düpiert werden konnten; die vorschnelle An- deutung, daß er ein Beti-üger sei, war ihm offenbar unangenehm, und er verwies es dem jungen Menschen.
Der kurze Aufenthalt in Hwa ting sz' war in hohem Grade genuß- reich: die Luft hier oben ist külJ, und stets weht eine frische Brise, so daß der Naturforscher hier auch im Sommer einen angenehmen Standort haben wiu'de. Bis zuletzt dauerte das freundliche Einver- nehmen mit den Priestern. Sie waren hier noch nicht von Fremden verdorben, hatten daher auch die Achtung vor ilinen noch nicht ver- loren ; aber von ihi-er Freigebigkeit im Bezahlen geleisteter Gefällig-
Abstieg vom „Himmelsaltar". 25
keiten hatten sie gehört, und da sie über den Betrag derselben keine be- stimmte Kunde hatten, so erwarteten sie, wie es schien, daß wir Berge von Silber zurücklassen wiü'den, waren dann aber mit der allerdings sehr reichlichen Bezalilung, welche ich ihnen wegen der freundlichen Aufnahme gab, sehr zufrieden, und wir schieden als die besten Freunde.
Am 22. Juni um 5 Uhr früh verließen wir Tempel und Kloster, um noch an demselben Tage nach der tropischen Hitze der Täler hinabzusteigen. Der Wog führte erst eine lange Strecke fast eben an den Gehängen des Ticntaischan hin und war ein ungemein genuß- reicher Fußpfad. Schon in geringer Entfernung vom Tempel tritt Granit an die Stelle des metamorphischen Gesteins, welches die Gipfel- masse des Berges bildet, und damit ändert sich die Szenerie. Der ganze westliche Teil des Tien tai-Gebirges besteht aus flachen Kuppen mit steilen terrassiorten Gehängen und vielem Felsgewürfel von Gra- nitblöcken und pittoresken Felsgruppen, welche durch die steile Stel- lung der Zerklüftungsebenen hervorgerufen werden. Einzelne Dörfer sind in diesen Höhen zerstreut. Zuletzt fällt das Gebirge in zwei Stufen in eine Talobeno ab, die eine alte Seeausfüllung ist. Die obere Stufe ist 450 m hoch und sehr steil, die untere 300 m hoch und fast senkrecht. An der unteren Terrasse ist ein hübsches kleines Tal mit Dörfern und einem großen, aber jetzt in Ruinen stehenden Tempel. Der Talbach, welcher sich aus Schluchten in der oberen Stufe sam- melt, stürzt als ein hoher Wasserfall über die zweite Stufe. Der Weg windet sich an beiden Abfällen in Treppen steil hinab.
Es gibt hier prächtige Fernblicke. Das Wetter war heiter, und nur auf fernen Gipfeln lag einiges Gewölk. Das Auffallendste ist der Blick in die tiefe und breite Einsenkung des Tientai-Tales, welches sich in zwei Armen von Nord nach Süd und dann von West nach Ost zieht und, wie schon erwähnt, die mächtige Hauptkette von ihrer Fortsetzung im Tien tai- Gebirge trennt. Wie man von oben in die fruchtbare und bevölkerte Ebene des Tales herabblickt, so bietet sich von unten ein großartiger Anblick des Felsgerüstes mit seinen zwei steilen Stufen, und in der Tat rechtfertigt sich von hier aus der
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Name „Himmelsaltar" in vollem Maße. Auf diesen Punkt mag sich wohl auch die vorerwähnte Sage beziehen, wonach der Hut vom Kopfe fallen soll, wenn man vom Fuß des Berges nach dem Tientai hinauf- blickt. Nach Süden ist der Abfall nicht ganz so sckt-off, und dort sind die Gehänge bis nach dem Tal herab mit Vegetation bedeckt, während die westlichen gerundeten Felsgehänge aus kahlem Granitfels be- stehen. Der Punkt, wo ich den Fuß des Gebirges erreichte, ist 30 li vom Tempel entfernt.
Von hier zieht sich nun eine Einsenkung parallel dem Nordfuß der Achsenkette nach WSW fort : ein stark bevölkertes und angebautes Tal, besonders ausgezeichnet durch die Kultur der Stillingia. Die Leute waren gut, wiewohl durch die Lage an einem großen Verkelirs- weg zwischen Tientaihsien und Sintschanghsien, dem ich für eine große Strecke zu folgen hatte, bereits durch die von der See herkommende Kunde von den schlechten Eigenschaften der Fremden übertüncht. Die Hitze in dem eingeschlossenen Talkessel wurde unerträglich. Bald ent- luden sich heftige Gewitter auf allen Seiten: wir mußten mit dem Ge- päck Zuflucht suchen und gingen bis zu einem kleinen Tempel, wo wir inmitten einiger kleiner Hütten von Landbauern übernachteten.
Es galt nun, auf einem möglichst direkten Wege nach Tung- yang hsien zu gehen, das auf der Karte zwar in geringer Entfernung gelegen schien, aber offenbar nur auf langwierigen und beschwerlichen Wegen zu erreichen war. Es war nicht ganz leicht, darüber Infor- mationen zu bekommen. Die wesentlichsten Dienste leistete mir auf dieser ganzen Reise einer meiner Kulis, welcher fi-üher studiert hatte und dann durch längere Zeit Lehrer gewesen war, um, wenn möglich, seinen Weg zur Beamten-Karriere zu finden. Da jedoch ein Lehrer schlecht bezahlt wird und auch sonst einiges Vermögen dazu gehört, um eine bessere Laufbahn einschlagen zu können, so hatte er es praktischer befunden, als Kuli Dienste zu tun. Ich habe während meines vier- jährigen Aufenthaltes in China selten einen Manu gefunden, der ein so intensives Interesse an der Geographie nahm wie dieser Pack- träger. Unter seiner ihm wegen seiner früheren sitzenden Beschäftigung
Der Kuli als Geograph. 27
besonders beschwerlichen Last in der großen Hitze keuchend, ver- säumte er nicht, jeden Vorübergehenden um Informationen zu fragen und sobald wie möglich das Gehörte zu Papier zu bringen. Er wußte genau dio Namen und Schreibweise aller Orte, durch die wir kamen, und trug im Geist ein vollständiges Bild der ganzen Gegend mit sich, da er sich stets nach den Übergängen zu benachbai-ten Tälern, nach den Entfernungen und anderen geographischen Elementen erkundigte. Er war mir daher von großem Nutzen in der Sammlung von Infor- mationen, erwies sich auch sonst als sehr anhänglich und zuverlässig in Mitteilungen, und ich hatte nur zu bedauern, daß er durch Rück- sichten auf seine Familie behindert war, mich noch auf späteren Reisen in China zu begleiten. Indem er wenigstens wußte, was für Län- dersti'ecken vor uns lagen, gelang es ihm häutig, meine übrigen KuHs zum Vorwärtsgehen zu bewegen, wo sie nicht mehr vom Fleck wollten. Der Weg fülirte uns in dem breiten Tientai-Tale aufwärts nach dem Dorfe Tsien schan, nach welchem eine ganze Landschaft, ein un- gefähr 20 li langer Teil des Tales, genannt ist. 5 U weiter, bei dem kleinen Marktflecken Fing tön, erreicht man den Talbach, dessen breites Bett sehr gewunden ist. Bald daraufschließt sich an diese Landschaft diejenige vonKadu (Kiai tuu) an, deren gleichnamigenHauptort wir nach einer Wanderung von 4:011 von unserem Nachtquartier aus erreichten. Es ist ein kleiner und sehr belebter Marktort. Die Breite des Tales, welche weiter unten 15 li beträgt, war hier nur noch 5 li; den Flächen- inhalt des gesamten Talbodens schätzte ich auf ungefähr 6 deutsche Quadratmeilen. Im Osten ist das Tal sehr fruchtbar, im Westen wird der Boden mehr und mehr steinig. Hier und da ragen Inselgruppen aus dem Talboden heraus; sie bestehen aus weichen Gesteinen der porphyrischen Sedimente und sind mit fruchtbarem Boden bedeckt. Das Tal ist durch seine Gebirgsumgebung sehr schön und hat den Vorteil eines von Tientaihsien abwärts schiffbaren Flusses. Die be- deutende Bevölkerung wohnt meist in kleinen Häusergruppen zer- streut, welche nicht mit einzelnen Namen bezeichnet, sondern in große Gruppen oder Landschaften zusammengefaßt werden. Außer den
28 Reisen in Tschekiang, Nganhwei und Kiangsu.
auf allen Feldern stehenden Stillingia-Bäumen gibt es auch selir viele Fruchtbäume, aber keine Maulbeerbäume, die doch noch in den Tälern oberhalb Ningpo angeti-ofFen werden. Außerdem wächst sehr viel Reis, Mais undDolichos, auch Weizen, Tabak, etwas Baumwolle, Boehmeria und Hanf (Loma); ich sah aber kein Opium, auch kein Zucker- rohr. Der Reis war vor 8 bis 14 Tagen gepflanzt worden und wurde eben gedüng-t; er erfähi-t in dieser frühen Periode seines Wachstums eine sehr sorgfältige Behandlung und beschäftigte jetzt einen großen Teil der Bevölkerimg. Auf den Bergen um das Tal wird überall Tee gebaut, und der Ort Kadu ist ein hervorragender Teemarkt; ferner findet sich der Tung-Baum und süße Kartoffeln an steilen Gehängen auf unfruchtbarem Boden.
Von Kadu aus geht ein selir bequemer Weg nach Tung jang, der über den 30 li von jenem Marktflecken entfernten Paß Itsuling führt. Als wir eine kurze Strecke darauf gegangen waren, erfuhren wir, daß es einen weit kürzeren Weg über den Tschangkiling (-Paß) gäbe. Wir schlugen diesen sofort ein. Unsere Kulis mochten wolil besser über die Beschwerden dieses Pfades unterrichtet worden sein als wir selbst und besaßen auch nicht dasselbe Interesse wie ich, aus dem Tal nach dem Gebirge hinanzusteigen, um die Gesteine kennen zu lernen. Ich hatte daher viele Schwierigkeiten, sie vorwärts zu bringen, und wir konnten es einmal nur mit Gewalt durchsetzen. Die Hitze war noch größer als gestern; schon um 10 Uhr früh begannen Gewitter, welche bis Abend an verschiedenen Stellen fortsetzten, die Luft kühlte sich aber nicht ab. Wolkenbruchartig entluden sich dann die Regengüsse über einen kleinen Landstrich und schwellten die Bäche furchtbar an. Noch am Morgen hatten wir den Tschang ki ling- Bach als ein breites, steiniges, vollkommen wasserloses Flußbett in der Ebene überschritten ; als wir dann nachmittags demselben Tal in den Bergen folgten, fanden wir einen rauschenden breiten Bergstrom, der sich inzwischen durch die Regengüsse gebildet hatte und das ganze Bett ausfüllte. Der Weg an diesem Fluß hinauf war ungemein beschwerlich und das heutige Tagewerk das bedeutendste, welches
Unsägliche Strapazen. 29
wir auf der ganzen Reise ausführten. Gänzlich ermattet erreichten die Träger abends um 8 Uhr das Nachtquartier: einer nach dem andern kamen sie an, jeder voll Blasphemie über den Weg. den ich ihnen vorgeschrieben hatte, und nur eine besondere Zulage vermochte sie zu beruhigen. Abgesehen von der Temperatur war der Weg jedoch sehr genußreich. In der Tschang kiling-Schlucht zieht sich die Vege- tation wieder bis auf die Höhe hinauf Die Leute kamen mit großen Ladungen von Holz herab ; sie verbrennen dasselbe, um die Asche als DungstofF auf die Felder zu führen.
Der folgende Tag begann noch schUmmer, als der gesti-ige ge- endet hatte. Um die kurze Strecke von 15 li oder 1 deutsche Meile zurückzulegen, brauchten wir 5 Stunden Zeit. Der Ort, wo wir über- nachteten, hieß Tschang kilingsia oder „das Dorf unter dem Tschang- kihng". Von dort beträgt der Anstieg noch 350 m. Um diese zurück- zulegen, geht man Steintreppen von mindestens 2000 Stufen hinauf, welche zum Teil ziemlich steil sind. Oben eröffnet sich eine Aussicht östlich nach dem Tientai-Tal und nördlich auf ein flachhügeliges Land von roter Färbung. Nach diesem geht es erst steil hinab, dann windet sich der Weg durch ein D etile an kleinen Wasserscheiden entlang durch die lieblichste Szenerie.
Hier sind menschliche Wohnungen sehr sparsam zerstreut. In einer Entfernung von 9 li vom Paß fand ich einen kleinen Tempel in reizender Lage mit schöner Aussicht und frischem Luftzug bei dichtem Gebüsch von hohem Laubholz. Die nächsten Häuser waren 2 — 3 li ent- fernt und der Tempel unbewohnt. Dies gab einen prächtigen Ort, um einmal ganz einsam zu rasten. Allein die Einsamkeit erwies sich als eine niusion ! Ich mußte die Leute nach Provisionen und Einrichtungsstücken ausschicken ; dadurch verbreitete sich die Nachricht von unserer An- kunft weit in die Runde, und mein Tempel wurde zum Wallfahrtsort, was ihm lange nicht geschehen sein mochte. Die Leute waren überaus gut und harmlos, aber lästig blieben sie doch. In der Einrichtung dieser Lokale zu einem bequemen und wohnlichen Nachtquartier hatte ich schon am zweiten oder drittenTag nach Antritt meiner Reise Übung
30 Reisen in Tschekiang, Nganhwei und Kiangsu.
erlangt. Ich konnte mir in dieser Jahreszeit gar keine besseren Plätze zur Unterkunft ■wünschen.
Sobald wir ankommen, ist das erste die Reinigung, denn auf dem mit Steinquadern belegten Fußboden liegt der Staub und Schmutz vieler Jahre. Das erste Bedürfnis ist daher ein Besen. Ein Kuli wird ausgeschickt, um vor allem mehrere Exemplare dieses Artikels zu re- quirieren. Ein zweiter muß einen Tisch nebst zwei Stühlen besorgen, ein dritter Holz zur Feuerung, wieder ein anderer einen Wassereimer, und in dieser Weise werden noch verschiedene für die Einrichtung notwendigen Dinge beschafft. Die Bauern, zu denen sie gehen, sind natürlich zunächst sehr überrascht über die Forderung, aber da das Geldangebot auf dem Fuße folgt, so werden sie bald gefällig, und immer hatte ich in kurzer Zeit mein Ameublement zusammen. Erst mußten dann mehrere Hand anlegen, um den Platz zu fegen; dann wurde der Tisch mit den Stülilen aufgestellt, um einen Platz zum Ar- beiten und für die Mahlzeit zu haben.
Nun ging es an die Einrichtung der Schlafstellen. In jedem Tempel stehen hölzerne Säulen, welche das Dach tragen. Ich war stets mit kleinen Messinghäkchen zum Einschrauben versehen, einem Luxus- gegenstand, den ich jedem Reisenden sehr anempfehle. Diese wurden eingebohrt und eine Leine, die man auch stets bei sich führen muß, von Säule zu Säule gezogen, so daß sich die Moskitonetze leicht auf- hängen ließen. Dann wird eine große Kautschukdecke auf dem Boden ausgebreitet und darauf das Lager zurechtgemacht. Das meinige be- stand seit Anfang meiner Reise aus drei großen Decken aus mongo- lischen Ziegenfellen als Unterlage, im Winter mit der Haarseite, im Sommer mit der Lederseite nach oben. Ich gönnte mir auf allen meinen Reisen in China den Luxus weißer, reiner Bettwäsche, welche wohl kaum ein Reisender vor mir mit sich geführt hat. Sie macht noch einige Pfund mehr an Gepäck aus, aber man erfreut sich eines weit größeren Komforts, als wenn man sich nur in Decken hüllt. Eine schöne bunte wollene Decke lag oben auf und war der besondere Stolz. des Boys Jim, der sie stets gern vor seinen Landsleuten produzierte.
Herrichtung eines Nachtquartiers. 31
Nachdem dieser wichtige Teil der Einrichtung, der sofort dem Ganzen ein wohnliches Gepräge gab, erledigt war, folgte der Bau des Ofens. In dem Gepäck befand sich ein kleiner eiserner Handofen für Holzkohlen, der sehr praktisch eingerichtet und überall zu haben ist, auch nur wenige Pfund wiegt. Außerdem wurden Ziegelsteine zu einem Feuerplatz zusammengestellt und dort ein loderndes Feuer zum Kochen unterhalten. .Das Küchengerät befand sich in einem be- sonderen Korb, der der Sorgfalt von Jim anvertraut war und von iiim stets in der größten Ordnung und Reinlichkeit gehalten wurde. Ein anderer Korb war dem Tafelservice nebst Zubehör gewidmet. Oben- auf lag eine karmoisinrote Tischdecke, welche ich ebenfalls vom An- fang bis zum Ende meiner Eeise stets mit mir führte. Wo es noch einen zweiten Tisch gab, wurde er mit der deutschen Flagge bedeckt. Viele Reisende gehen von dem Grundsatz aus, daß sie, sobald sie sich von einer ziviHsierten Gegend entfernt haben, mit Zinngerät, Zinn- tellern, Zinntassen und zinnernen Trinkgefäßen vorlieb nehmen müssen ; indessen gewährt Porzellan und Glas einen so viel größeren Genuß und erlaubt eine so viel bessere Reinlichkeit, daß ich mir auch das niemals versagt habe. Auch hier handelt es sich um den Transport eines sehr geringen Mehrgewichts, imd es kommt nur darauf an, daß der Reisende Mittel erfindet, um das Gerät vor dem Zerbrechen zu schützen. Dies ist mir nach trüben Erfahrungen auf der ersten Landreise stets in aus- gezeichneter Weise gelungen. Ein Leuchter, mit einer Glasglocke zur Abhaltung des Windes versehen, vollendete die Einrichtimg. Es wurden dann noch einige andere Haken eingeschraubt, um Kleidungsstücke, Jagdgerät und derartige Sachen aufzuhängen. AU dies war gewöhn- lich das Werk einer halben Stunde, und dann füUten wir uns voll- kommen behaglich und konnten an einem schön gelegenen Ort tage- lang in dem selbsteingerichteten Quartier angenehm leben. Der Rest der Tageszeit wurde gewöhnlich zu einem Ausfluge benutzt, der Abend meinerseits zum Arbeiten, besonders zum Schreiben des Tagebuchs und zur Anfertigung der Karten, während Splingaert sich bei der Küche nützlich machte.
32 Reisen in Tschekiang, Nganhwi-i und Kiangsu.
Unter den mitgenommenen Provisionen nahmen drei Gegenstände den ersten Rang ein: Fleischextrakt von Liebig, gepreßte Gemüse, wie sie für die französische Marine bereitet werden, und Hafergrütze. Aus den ersten beiden Substanzen mit Zutat einiger Eier, welche man fast überall bekommt, wurde eine Suppe verfertigt, Avclche allein lu-aft genug besaß, um die größten Anstrengungen möglich zu machen. Dann folgte in der Regel ein Braten von geschossenem Wild: Fasanen, wilden Enten, auch ausnahmsweise ein Hii-sch, oder wilde Tauben mit Reis gekocht. Außerdem fehlte es am Abend niemals an Tee, den der Reisende besonders mitnehmen muß, denn der landesübliche Tee ist von unserem verschieden und würde unsere Bedüi-fnisse keines- wegs befriedigen. An jedem Morgen gab es Kaftee, den man immer gemahlen in Zinnbüchsen mitnimmt, mit kondensierter Milch; dazu stets einen deutschen Eierkuchen, zu dem die Ingredienzien, Eier und Mehl, gekauft wurden. Unter dem Getränk war das wichtigste ein amei-ikanischer Cocktail, der bei der Ankunft genossen wurde. Er besteht aus Kognak, Zucker, einer bitteren Substanz und der ungefähr doppelten Quantität Wasser ; das Ganze wird mit einem Bambusquirl ins Schäumen gebracht und so genossen. Dieses Getränk, dem ich bei ruhigem Leben nie den Geschmack abgewinnen konnte, welchen der Amerikaner an seinem Specificum findet, stärkt nach einem an- strengenden Tagewerk in wunderbarem Grade die Lebensgeister.
So hatte ich mich auch hier aufs bequemste eingerichtet. Wir unternahmen unsern gewöhnlichen Ausflug in den kühlen Abendstun- den und beschlossen das Tagewerk, wie in der Regel, mit einem Bad, zu welchem stets schon auf der letzten Strecke des Weges ein Platz in einem Bach ausersehen wurde. Auch am Morgen war der Weg nach dem Wasser stets unser erster Gang. Gewöhnlich traf ich prächtige frische Gebirgsbäche ; zuweilen aber war die Temjjeratur des Wassers bis 37 " C. Übrigens ist auch das Waschbecken ein Gegenstand, den der Roisende stets mit sich fuhren muß : mau ist sonst niemals sicher, ein reinliches Gefäß zu bekommen. Ich besaß eins von blankem Kupfer aus Ningpo, welches mir Jahre lang Dienste geleistet hat.
Die Reisekiiche. 33
Der nächste Tag brachte uns 55 li weiter gegen Tungyang. Es war ein gebirgiger Weg von Paß zu Paß bei schönem, klarem Wetter, aber großer Hitze und ohne kühlende Gewitter. Um 5 Uhr fiüh brachen wir auf. Der Weg zog sich in nördlichem Bogen um das Quell- gebiet des Tungyang-Flusses herum, wahrscheinHch weil die Schluch- ten seiner QueUflüsse zu tief und steil sind, um nacheinander über- setzt zu werden. Die ersten 20 li führten noch über das flachhügelige, plateauartige rotgefärbte Land, das ich gestern von dem Paß Tschang- kiling aus gesehen hatte. Die Gewässer desselben fließen nach NO ab, angeblich nach Tschönghsien. Dennoch gehört das Gebiet zur Jurisdiktion von Tungyang, weil die Kommunikation nach diesem Ort leichter ist. Es ist eine anmutige Landschaft: Ein dunkles basalt- artiges Gestein, welches Augitporphyr, eine hier selten vorkommende Gebirgsart, ist, bildet eine Menge kleiner waldbedeckter Hügel mit felsigen Schluchten. Dazwischen breitet sich teils gelbes Tufi^land aus, teils ein rotbräunlicher Boden mit zerstreuten schwarzen Gesteins- brocken. Der Boden ist nicht sehr fruchtbar, es wird hier aber Reis gebaut, und allenthalben finden sich kleine Teepflanzungen; jeder Bauer hat eine kleine Anpflanzung. Die Bevölkerung ist dünn und wohnt teüs in Dörfern zusammen, teils in zerstreuten Gehöften und Häusern. Die Kulturen sind von denen in den Tälern verschieden ; so fehlt z. B. StiUingia vollständig, dagegen bilden große Gruppen hoher Bäume eine eigentümliche Landschaft. 6 li von unserem Tempel kamen wir zu einer großen Steinbrücke mit mehreren Bogen, welche gleich manchen Überresten sorgfältiger Kultur auf früher bessere Zu- stände schließen läßt; die jetzigen Bewohner würden kaum die für einen solchen Bau notwendigen Ausgaben erschwingen können.
Bald darauf erreichton wir ein gi-oßes Dorf, Matang, und 10 li weiter ein andei-es, Lingk<^u. Hier standen wir am Fuß eines Höhen- zuges, welcher dies Plateau in NW begrenzt und eine beträchtliche Breite hat. Gleich dem südöstlichen, der durch den Zug des Tschang- kiling gebildet wird, besteht er aus Quarzporphyr in verschiedenen Varietäten. Wir hatten 700 m hoch nach dem Paß Tangpoling zu
Richtbofeu, Tagebücher, II. Band. »5
34 Reisen in Tschekiang, Nganhwei und Kiangsu.
Steigen, von wo man nach Norden und Westen nichts als fast unbe- wohntes Gebirge überblickt, das mit Gras bedeckt ist und bis 1000 m Meereshöhe ansteigt. Wieder ging es dann tief hinab in eine nach Tschönghsien abfließende Schlucht. Hier trafen wir hin und wieder ein Haus. Die Bewohner waren stets freundlich und gaben uns Tee. Zuweilen waren sie im Anfang scheu und wurden dann erst beim Gespräch familiär. Häufiger aber begegnete es, daß die Frau des Hauses uns bei der ersten Ankunft gastlich empfing und ahnungslos zum Niedersetzen nötigte, bis dann die Männer kamen, ihr das Be- denkliche und Gefährliche ihrer Zutraidichkeit vorhielten, so daß nun alle scheu wie vor einer Geisterorscheinung standen und uns sobald als möglich aus ihrem Haus, auf das wir üble Einflüsse herabbringen könnten, los zu werden suchten. Ich habe es sehr häufig erfahren, daß die Frauen harmloser und vorurteilsfreier sind als die Männer; hier zeigte sich dies täglich, und ich würde noch manche Beispiele ähnlicher Art aus dem nördlichen China anführen können.
Bei dem reizenden Dorf Kiauhöng, welches in der Tiefe der Schlucht gelegen ist, machten wir unter einer dicht belaubten Baum- gruppe Mittag. Wieder mußten wir dann auf einen Paß hinauf, den San- muling, d. b. „Paß zu den drei Bäumen". Er ist nach drei großen schattigen Bäumen benannt, die gerade auf der Höhe stehen, und scheidet dieWasser von Tschönghsien von denen von Tungyang. Auch von dieser Höhe übersieht man nur schönes Gebirgsland, dessen Charakter durchweg Quarzporphyr verrät. Hier ist ein bedeutender Teedistrikt : ich sah viele ganz neue Pflanzungen, und es war ofi'enbar, daß der Boden allgemein für den Anbau günstig und der letztere daher einer großen Ausdehnung fähig ist. Eine Familie, die auf dem Paß wohnte, war mit dem Auslesen der Blätter beschäftigt.
Es war gerade jetzt die Zeit, in der die Blätter gepflückt und zubereitet werden. Dies ist stets ein interessanter Anblick, da man mit Staunen sieht, wie jedes der Millionen Teeblätter verschiedene Male durch die Hände der Leute zu gehen hat. Einige waren damit beschäftigt, die Blätter von den Sträuchern abzunehmen und nach dem
Teeemte. 35
Hause zu bringen : sie werden dabei nur von den Stielen abgestreift, und es kommt manches Stück Stiel hinein, das entfernt werden muß. Es wird daher Blatt für Blatt vorgenommen und das Unbrauch- bare bei Seite geworfen. Dann folgt sofort der Prozeß des ersten Röstens, wozu die Pfannen bei den Häusern der Bauern bereit stehen. Es sind die hübschesten FamUienszenen, welche man sehen kann, wenn der Großvater mit seiner zahlreichen Nachkommenschaft das Pflücken, das Lesen und weitere Bereiten der Teeblätter überwacht, wobei jedem seine bestimmte RoUo zugewiesen ist. Die besten Tee- gärten hier herum sind in den Höhen von 500 — 800 m. Sie liegen nicht, wie Fortune annimmt, am Fuß, sondern meist am oberen Teil der Gehänge und auf den Höhen selbst, besonders wo diese plateau- artig ausgebreitet sind. Außer Tee bilden auf den Höhen noch Mais, die süße Kartoffel, Kauliang, Körnei-früchte und Bohnen Gegen- stände des Anbaues ; selbst Reis wird kultiviert, aber nur in den tiefer gelegenen Schluchten.
Wer die Gebirge von Tschekiang kennen lernen will, dem kann ich diesen von mir eingeschlagenen Weg ganz besonders em- pfehlen. Auf keinem andern habe ich einen solchen Einblick in deren Charakter erhalten, da man hier von jeder Höhe, die man erreicht, die schönsten Ausblicke in die Gegend genießt und weithin die Gebirge überschauen kann. Die Beschreibung des Weges kann nur ein sehr unvollkommenes Bild der Genüsse geben, welche der Fußwanderer hier auf jedem Schritte hat. Er wird sich gerade auf einzelnen Strecken am meisten der Natur erfreuen, deren besondere Schilderung wie eine stete Wiederholung desselben Themas aussehen würde. So bildet z. B. die Wegstrecke von dem Sanmuling nach einem nur in geringer Entfernung westlich gelegenen Paß ein inter- essantes Stück des Weges. Die Schlucht, in welcher die Gewässer nach Norden abfließen, ist außerordentlich tief eingegraben und bereits an ihrem obersten Ende von steüen Wänden umgeben. An diesen Wänden hin führt nun der in dem weichen, zersetzten Ge- stein ausgehauene Weg entlang, und noch größer wird die Natur-
3*
36 Reisen in Tschekiang, Nganhwdi und Kiangsu.
Schönheit in einer üppig bewachsenen Schlucht, in der man dann hin- absteigt. Es ist die erste, welche gegen Tungyang fließt und dem System des Tsien tang-Flusses angehört. Auch hier hält sich der Weg stets an den Seiten der Gehänge, ist in vortrefflicher Weise angelegt und stets von grünen Gebüschen umgeben. Aber die Schlucht wird zu wild, als daß die Sti'aße ihr weiter folgen könnte : abermals muß sie hinauf auf die Höhe, um dann erst, wo die Gewässer ein weit tieferes Niveau erreicht und sich zu einem Fluß gestaltet haben, wieder zu ihnen hinabzusteigen. Abends erreichte ich in der Nähe des Passes Sitschailing einen kleinen unbewohnten, neben einem frischen Quell gelegenen Tompol, welcher eine schöne freie Aussicht bot. Rings herum stand hohes Gehölz, und in der Nähe waren einige Bauernhäuser, aber so ärmliche, daß meine Leute kaum etwas zu essen bekommen konnten, da die Bewohner selbst nichts hatten. Vergeblich bot ich selbst eine Zulage der Bezahlung an: es konnte nichts erlangt werden außer ein wenig rohem Reis.
Am 26. Juni legten wh- die größte Strecke zu Fuß zurück, und zugleich war der Tag der heißeste. Um 2 Uhr zeigte das Thermo- meter im Schatten 410 Q^ Jq ^Je,. Sonne 58° C; allein ich mußte ver- suchen, den SchifFahrtsplatz am Fluß zu erreichen, da ich durch den Aufbruch am frühen Morgen des nächsten Tages einen ganzen Tag sparen konnte. Meinen Kidis durfte ich eine so starke Leistung nicht zutrauen, und ich mietete daher noch einige andere zur Hilfe. Die ganze Entfernung betrug 75 li. Zuerst hatten wir 20 li auf einem Scheiderücken, welcher zwei Nebenflüsse des Tungyang -Flusses trennt, allmählich abwärts zu steigen. Noch immer beherrschten die basaltischen Porphyre, die auch hier eine plateauartige Bildung ver- ursachen, die Landschaft, und gerade wie gestern bildeten rote Erde, Basaltbuckel, viel Baumvegotation, wenige zerstreute Wohnungen, Ackerbau auf Boden von geringer Fruchtbarkeit und etwas Teekultur die wesentlichsten Merkmale der Landschaft. Der Charakter ändert sich aber ganz plötzhch mit dem Gestein. Es folgen nämlich sehr weiche rote, tonig-sandige Schichten von geringer Neigung, und da-
L^ber neue Pässe. 37
mit beginnt ein sanft gerundetes Hügelland mit tief eingeschnittenen Schluchten, welche von langen steilen Mauern begrenzt werden.
Bei dem ansehnlichen Marktflecken Meischan tritt man vom Gebirge in das Tal des Tungyang-Flusses ein. Hier vereinigt sich mit unserer kleinen Bergstraße eine größere Verkehrsstraße, die von Tschönghsien über den Paß Paiföngling herüberführt. Dies war nach langer Zeit der erste Ort, wo man schon Europäer vor mir gesehen hatte, natürlich Bücher verkaufende Missionare, die immer die be- quemen Straßen wählen, auch um die volki'eichsten Plätze aufzusuchen. Die Paiföngling-Straße ist ein Teil der gebräuchlichen Verkehrs- straße zwischen Ningpo und Tungyang. Der Name Meischan be- deutet „Kohlenberg"; es mag wohl diesem Umstand zuzuschreiben sein, daß von dem Vorkommen von Kohle in dieser Gegend berichtet worden ist. Die Nachricht stammt wahrscheinlich von jenen reisen- den Missionaren, die überhaupt stets ihr Augenmerk ganz besonders auf das Vorkommen von Kohle richten, wenn auch ihre Berichte nicht immer als genaue Darstellungen des Sachverhalts angesehen werden dürfen. Ich erkundigte mich vergeblich nach dem Vorkommen : nie- mand hatte davon Kunde, und auch alte Bergbaue soUen nicht vor- handen sei. Indessen ist es bei der Art der herrschenden Formation keineswegs unmöglich, daß früher einmal ein kleines Kohlenvor- kommen hier gefunden worden ist.
Von Mei schau aus ändert sich die ganze Szenerie. Von hier bis Tungyang hsien, auf einer Entfernung von 45 h, ist alles Ebene. Sie ist fruchtbar und wohl angebaut, wiewolil in geringerem Maße als die von Tientai, welche besseren Boden und voUkommnere Be- wässerung hat; ebenso schien die Bevölkerungsdichtigkeit, wiewohl be- deutend, weit geringer zu sein als dort. Auch hier ist Stillingia ein vor- hen'schender Kulturbaum; daneben findet sich auch Seidenbau. Der Weg durch die schattenlose Ebene war überaus anstrengend, denn die Temperatur, in welcher wir uns bewegten, war nicht die, welche das Thermometer im Schatten angab, sondern -mr waren auf dem ganzen Wege der voUen Sonnenhitze ausgesetzt, die auch vom Boden zu-
38 Reisen in Tschekiang, Nganliwüi und Kiangsu.
rückstrahlte. Um 6 Uhr abends erreichten wir Matschapu, die Schift'- fahrtsstation der gegenüberliegenden Stadt Tungyang hsien. Der Fluß ist hier klein und seicht, schwillt aber in Zeiten andauernder Regen- güsse bedeutend an. Jetzt war es hier lange trocken gewesen : es lagen hier einige größere Boote, die aber wegen des ungewöhn- lich niedrigen Wassers keine Fahrten machen konnten; nur auf Bambusflößen konnte man jetzt den Fluß hinabfaliren. Ich mietete deren zwei zum Preis von 3 Dollars für die Sti-ecko von 70 li bis zu dem Ort Fu tang, von wo aus größere Schiffe gehen konnten.
Vergebens versuchten wir einen Platz zm* Herberge zu finden. Auch auf der Seite von Tung yang, wo eine Menge von Häusern steht, fand sich kein geeigneter Ort, und in einem Gasthaus würden wir der neugierigen Menschenmenge wegen eine unbehagliche Existenz gehabt haben. Wir biwakierten also lieber auf dem Sand am Flußufer bei Mondschein. Auch die Schifier, deren Fahrzeuge hier lagen, hatten die runden Mattendächer der Boote an Land genommen und hausten selbst darunter, das Steigen des Wassers erwartend. Dadurch be- kamen wir hinreichenden Schutz, um die gefährliche Lagerung unter freiem Himmel zu vermeiden. Im Gebirge waren Bäder erfrischend gewesen, allein hier in der Ebene, wo wir Wasser im Überfluß hatten, war die Temperatur des Flußwassers noch am Abend 33° C, also so hoch, daß man im Winter ein heißes Bad zu nehmen glauben würde.
Hier erst verließ ich eigentlich meine Gebirgstour durch das südliche Tschekiang. Sie umfaßte eine an Naturgenuß reiche Zeit, und trotz der großen Hitze und der bedeutenden Beschwerden blicke ich mit Zufriedenheit auf diesen zwölftägigen Spaziergang zurück. Ich verdankte den guten Erfolg wesentlich den zweckmäßigen Einrich- tungen, insbesondere dem System, die Kulis für die ganze Reise zu mieten. Ohne diese Maßregel wäre die Ausführung der Reise so gut wie unmöglich gewesen. Man erspart dadurch sehr viel Ärgernis und kann bleiben, wo man will. Manche meiner Rastorte hatten durch reizendste Lage zu längerem Aufenthalt eingeladen; ich hätte mich wohl auch dazu verleiten lassen, wenn ich nicht stets befürchtet hätte,
Ende der Gebirgsreise. 39
das von den Eingeborenen erflehte Regenwetter zu bekommen. Die Reise war eine echte Gebirgstour : außer einem Tag im Tien tai-Tal und einem halben Tag in der Ebene von Tungyang war alles Gebirgs- wanderung, immer bergauf und bergab über Pässe und quer über tiefe Schluchten. Dies kam daher, weil der Reiseweg in den Quellgebieten nach verschiedenen Seiten abströmender Gewässer gelegen war. Die Gebirge, durch welche ich gekommen war, sind weniger schön im Gesamtanblick als im Detail der Bergwände und Schluchten. Die Umrisse sind einförmig: es fehlen große, aufragende Felsmassen, schroffe und kühne Formen. Wie in den Profilen und Ansichten, so herrscht auch in den besonderen Verhältnissen Eintönigkeit. Es gibt keine hervortretenden Höhenzüge, und es läßt sich kaum eine be- stimmte Gliederung erkennen. Selbst die sonst so vielfach und deutlich sich auszeichnende SW — NO-Richtung ist hier meist verwischt. In dem Schmuck der Landschaft ist viel Schönheit. Die Vegetation ist prachtvoll üppig und blütenreich ; ihre besondere Zierde sind die mannigfaltigen immergrünen Blattpflanzen. Das Charakteristische ist die Strauchvegetation, von der auch das meiste stammt, was in unsere Gärten gekommen ist. Auch die hohen Baumgi'uppen in Schluchten und Tallandschaften und die Versuche zur Waldkultur erhöhen den anmutigen Eindruck in hohem Grade. Zu wirklich hochstämmigen Wäldern kommt es nirgend, aber es ist viel Land mit Coniferen ange- pflanzt, die man 20 — 30 Jahre alt werden läßt.
Vor allem interessierte es mich zu konstatieren, daß das Tien tai- Gebirge nicht nur einen Teil der gi-oßen Achsenkette des südöstlichen China bildet, sondern sich durch die Analogie des Innern Gebirgsbaues als die Fortsetzung der Gebirge im westlichen Japan erwies. Sehr auf- fallend war auch die landschaftliche Ähnlichkeit dieser chinesischen Gebirge mit denen von Japan. Selbst Splingaert, dem jede Vorkenntnis dafür fohlte, einen tiefern Zusammenhang zu ahnen, machte fort- dauernd diese Beobachtung. Wäre das Land um 300 m weniger er- hoben, und könnte dadurch das Meer in die Täler und Schluchten ein- dringen und manche Pässe bedecken, so hätte man das Ebenbild der
40 Reisen in Tschekiang, Nganhwei und Klangsu.
japanischen Binnenseelandschafteu. Wie in der äußeren Form, so wiederholt sich die Älinlichkeit in der Vegetation, und man kann sie auch noch in dem gutmütigen Charakter der Bevölkerung suchen. Allerdings fehlen diesen Landschaften von China die Hauptzierden von Japan, diejenigen, welche der Mensch dort hineingebracht hat: OS fehlen die Tempel von jener Anlage, welche sie in Japan so an- ziehend macht, die Torii*), die anmutigen Dörfer von Japan und der poetische Hauch des dortigen Lebens.
So befriedigend in diesen Beziehungen meine Reise war, machte es mich doch einigermaßen verzweifelt, zu sehen, wie kurz auf einer Karte die Strecken sind, die man bei angestrengter Tätigkeit zu Fuß zurücklegt. Ich stand täglich um 4 Uhr auf, wanderte den ganzen Tag von 726 oder 6 Uhr morgens bis 5 oder 7 Uhi- abends mit einer zwei- stündigen Unterbrechung zu Mittag. Die Hälfte dieser Zeit verging allerdings oft mit dem Warten auf die zurückgebliebenen Kulis, denen das Tragen von Gepäck über die steilen Gebirgspässe sehr schwer wurde. Es schien immer, als ob der zurückgelegte Weg in keinem Verhältnis zu den darauf verwandten Beschwerden stände.
Am nächsten Tag konnten wir auf dem Boot von unserer gestri- gen Anstrengung ausruhen. Ich okkupierte mit Splingaert, Jim und meinem Gepäck eines der Flöße, meine 10 KuUs das andere. Ich habe bisher ein Mitglied unserer Gesellschaft zu erwähnen vergessen. Derselbe Priesterjüughng, der sich mir bei dem Abstieg von Snowy Valley angeschlossen hatte, war bald darauf andere Wege nach einem Tempel gegangen, dem er angehörte. Er schien aber solche Zuneigung zu uns gefaßt zu haben, daß er auf dem Tientaischan plötzhch M'ieder erschien und sich als Begleiter anbot. Ich erklärte mich gern bereit, Uin mitzufüttern, wenn er sich nützhch machen woUte, und er war uns fortan ein Gegenstand steter Unterhaltung, da er seine Rolle als komische Person der Gesellschaft vortrefflich spielte. Er war ein harmloser, nicht allzu intelligenter Mensch und unsäglich gesprächig. Er hatte nie Geld besessen, war stets von den Priestern gespeist worden, ging von einem Tempel zum andern im Lande umher,
*) Einzeln stehendes Portal von Tempelanlagen in Japan.
Unmäßige Hitze.
41
stets als Gast, und hatte bei diesem Wanderleben das Waschen voll- kommenvergessen. Ehe er der Ehre, uns zu begleiten, würdig befunden wvu-de, mußte er sich einer gründhchen Reinigung unterwerfen. Meine Kuhs mußten ihn ins Wasser stecken und mit Sand abreiben. Dann wurde die Prozedur mit Seife täglich fortgesetzt, sein wild aufge- sproßter Haarwuchs wieder seinem Stande gemäß von dem ersten besten chinesischen Haarkünstler glatt rasiert und so sein äußerer Mensch einer vollständigen Umgestaltung unterworfen. Die Wirkung war auffallend, indem der junge Mensch bald Behagen daran fand und die Bäder freiwillig nahm, was er, wie er eingestand, früher nie- mals getan hatte. Auch für die Bekleidung, besonders füi- das Schuh- werk, das er seit Jahren nicht besessen hatte, wm-de gesorgt. Er erwies sich dafür so dankbar, daß ich befürchtete, ihn überhaupt nicht mehr los werden zu können.
Die Flöße auf diesem Fluß sind selu- lang und bestehen aus drei Gliedern, deren jedes ein besonderes Bambusfloß ist. Das vorderste ist vorn aufgebogen, die hinteren hängen lose daran, so daß sie Glie- der einer leicht beweglichen Kette bilden. Jedes trägt eine 1 Fuß hohe Plattform, auf der es ganz trocken ist. Der heutige Tag war sonnenhell und ging ohne Gewitter vorüber. Die Hitze war sehi- groß. In allen Dörfern wurde um Regen gebetet und gewallfahrtet, da die Reisernte schon selir zu leiden begann und die Bohnenpflanzen ver- trockneten. Ich machte während des Tages die folgenden Temperatur- beobachtungen:
Stunde |
Tempera trir der Luft |
Temperatur des FluBwaseere |
Temperatur Schwarze Kugel in der Souue |
Temperatur der feuchten Kugel. |
||
a. m. |
4.30 |
31.30 |
30.2 0 |
|
|
|
9.30 |
37.3° |
31.80 |
48.70 |
29.30 |
^ |
|
p. m. |
1.30 |
38.9" |
35.80 |
58.60 |
— |
B |
3.0 5.0 |
41.7« 37.1" |
37.50 37.30 |
59.10 58.50 |
|
tu |
|
7.15 |
34.8° |
37.2 0 |
— |
|
42 Reisen in Tscliekiaug, NganlnvL-i und Kiangsvi.
Die Zahlen beweisea die ungemein große Wärme wälireud der Nacht. Es war aber vor allem auch nicht angenehm gewesen, bei solcher Einwirkung der Sonne den ganzen Tag ihren Strahlen aus- gesetzt zu sein. An Arbeit und Beobachtung war nicht viel zu denken, da die Fahrt eigentlich ein fortdauerndes Leiden war.
Der Fluß hat einen gewundenen Lauf. Ich hatte eine Gebii-gs- gegend mit sehr felsigem Strombett erwartet, ähnlieli wie ich sie früher an dem nordwestlichen Nebenfluß des Tsien tang, dem Sinngankiaog, kennen gelernt hatte; statt dessen fand ich ein ebenes Tal mit immer weiter auseinander weichenden Seitengebirgen. Der Fluß hält sich in der Nähe der südlichen Talwand, die ganz aus PorphjT besteht, welcher in Zügen bis zu 500 m über dem Talboden ansteigt. 40 li .unterhalb Tungyang liegt die Stadt Iwuhsien; bald darauf kommt man zu einer Pagode, welche das Tal weithin beherrscht und dessen obere Sti-ecke von der unteren scheidet. Am rechten Ufer sind hier ganze Wälder von Stillingia zu sehen. Der Verkehr auf dem Fluß ist unbedeutend. Tungyang produziert hauptsächlich Schinken, welche dem Ort einen „westfälischen" Ruf durch ganz China verschafft haben. Die Tungyang- Schinken werden in Massen ausgefülu"t, und die Gourmands in den fernsten Teilen des Reiches, z. B. in Hami und Ili, erfreuen sich ihres Genusses. Die Güte des Artikels soll weniger dem Futter als der guten Rasse der Schweine zuzuschreiben sein. Außer ihnen kommen Tee, Wachs und verschiedene Mediziukräuter den Fluß hinab; hinaufgehen Salz, Tonwaren, Eisenwaren, Ziegelsteine, gebrannter Kalk undBaum- woUwaren. Bei Futang vereinigen sich zwei parallele Flüsse, welche zusammen den Sanghö bilden und beide schiffbar sind. Es ist hier ein Marktplatz von einiger Bedeutung entstanden ; jetzt lagen 25 Schiffe davor, von denen jedes 3000 catties laden konnte. Wir erreichten den Ort um sieben Uhr abends. Ich mietete sogleich ein großes Boot bis nach der Stadt Tungluhsien für den Preis von 13 Dollars mit sechs Mann Bedienung. Bis Lanki wurde für die Kulis noch ein be- sonderes Boot ausbedungen.
Am 28. Juni fuhren wir auf dem Sanghö, den man hier Sang-
Die Stadt der Schinken. 43
tschi nennt, 50 H hinab. Er ist bei niederem Wasserstand ein schlecht zu befahrender Strom: sein breites Kiesbett windet sich durch das ebene Tal mit Untiefen und Stromschnellen. ZuweUen hat man nur 4 — 5 Zoll Wasser; dann muß das Boot mit Hebeln und Stangen Zoll für Zoll auf dem Kies fortgeschoben werden. Die Ebenen am Ufer sind durch kleine Anhöhen von 3 — 10 m Höhe unterbrochen, die aus gTauem und rotem Sandstein bestehen und trotz ihrer geringen Erhe- bung, mit Laubholz oder hohem Graswuchs bedeckt, als kiüturlose Strecken aus dem Alluvialland aufragen; sie sind der Sitz von großen Fasanenherden. Bei einem Dorf Titien passierten wir eine Brücke mit 13 steinernen Pfeilern.
Der nächste Tag erst brachte uns 46 li weiter bis zur Haupt- stadt des Departements Kin hwa fu. So kurz die Fahrt war, erreichten wir unser Ziel doch erst in später Nacht, da einzelne Stellen außer- ordentlich beschwerlich waren. Das Tal wird hier 20 km breit, ist aber nur mäßig produktiv, da es viel Land gibt, das nicht bewässert werden kann und daher nach Art der schon cnvähnten kleinen Höhen aus dem Alluvialboden hervorragt. Wir legten bei Kin hwa fu an. Der Ort war durch eine hoho schlanke Pagode ausgezeichnet, für eine Departements -Hauptstadt aber nur von geringer Größe. Von dem Flusse aus gewährte es durch seine durch solide Bauart impo- nierenden Mauern einen guten Eindruck; sie sind von rotem Sand- stein aufgebaut und großenteils von Schlinggewächsen überwuchert; überhaupt würde der Botaniker an ihr eine reiche Ausbeute finden. Wir gingen liinein, — da war alles zerstört! Die Taiping-Rebellen haben in wenigen Gegenden wie in dieser gehaust: die Blüte des Landes ist dahin, die Ortschaften verwüstet, die Bevölkerung ver- nichtet. Einige Hauptstraßen waren wieder aufgebaut und zu beiden Seiten mit Kaufläden besetzt, in denen alles für die umgebende Be- völkerung Notwendige zu haben war; den Luxus aber, der in früherer Zeit hier geherrscht haben mochte, kannte man nicht mehr: es war aUos nur für die alltäglichsten Bedürfnisse des Lebens berechnet. Sobald man aus den Straßen heraustrat, waren nm- Ruinen zu sehen.
44 Reisen in Tschekiang, Nganhwei und Kiangsu.
Auch die großen Yamen's der Mandariaen waren vernichtet, und diese mußten sich mit armseligen Behausungen begnügen. Eine große Brücke, von Quadern aus rotem Sandstein fest und schön ausgefülirt, verbindet mit mächtigen, auf starken Pfeilern ruhenden Bogen die Stadt mit dem gogenübei-liogonden Ufer. Sie zeugt noch von dem früheren Reichtum und Verkehr; gegenwärtig würde man nicht daran. denken, sie zu bauen. Die Bevölkerung, von Natur schon von sanftem Charakter, ist dm-ch die erduldeten Leiden schüchtern geworden. So auffallend den Leuten unser Anblick sein mußte, waren sie doch vollkommen harmlos und folgton uns nur selten nach. Im Norden der Stadt erhebt sich der Kinhwaschan ungefähr 600 m über dem Tal als ein verzweigtes Gebirge. Wir fuhren noch eine kurze Strecke unterhalb der Stadt hinab und übernachteten erst dort.
Am nächsten Tage hatten wir zunächst die Strecke bis Lanki- hsien zurückzulegen. Dies ist ein großer SchifFahrtsplatz, der ehemals von bedeutender Wichtigkeit gewesen ist. Er verdankt diese Rolle seiner Lage am Zusammenfluß zweier großer Flüsse, welche sich hier zum Tsientangkiang vereinigen; der eine kommt von WSW und heißt Tsinghö, der andere ist der Sanghö, auf dem wir hinabgekom- men sind. Wie alle andern Orte in diesem Tale, so wurde auch Lan ki von den Rebellen zerstört; es steht aber durch seine Lage den anderen Städten so weit voran, daß es früher als sie wieder aufgelebt ist, und große Teile der ehemaligen Stadt sind bereits wieder aufgebaut worden. Es herrschte ein reges Treiben, doch werden die Zeiten der Vergangen- heit nie wiederkehren: denn die wichtige Verbindungsstraße von Canton nach Hangtschöu, welche einst hier ein so reges Leben schuf, hat ihre Bedeutung durch die Dampfschiflahrt längs der Küste ver- loren. Die Waren von Canton nach dem Norden nehmen iliren Lauf nicht mehr durch die an Untiefen reichen Binneuflüsse, sondern gehen in wenigen Tagen zu Schiff nach Schanghai. Es ist dies eine der vielen Veränderungen, welche die Einführung der Dampfschiffalirt in den inneren Verhältnissen des Reiches langsam, aber unwiderstehlich herbeigeführt hat. In früherer Zeit war der Fluß von Lanki von weit
Ein wichtiger Handelsplatz. 45
größerer Wichtigkeit als der bei Yentschoufu mündende Sinngan- kiang, jetzt aber ist der Tee-Transport auf dem letzteren viel bedeu- tender als der Gesamtverkehr auf dem ersteren.
Der Strom wendet sich von Lanki nach Norden. Zur Rechten steht die Siangta- Pagode, welche das Tal weithin beherrscht. In mehreren Windungen zieht der Strom dahin, bis er die Gebirge er- reicht, welche das Tal von Lanki nach Norden abschließen; dort ti-itt er in eine steile Felsschlucht. Das Gebirge präsentiert sich als eine lange Kette von vielen verschieden geformten Gipfeln, die bis etwas über 600 m anzusteigen scheinen. Die Gehänge sind vielfach und un- regelmäßig gefurcht, mit niedrigem Gebüsch bedeckt, voll von engen steilen Schluchten und hübschen Felspartien, und dort hinein stürzt sich nun der Fluß, um in ruhigem Lauf das Innerste der Gebirgskette aufzuschließen. Bald wird auch die Hauptschlucht eng und steilwandig : an beiden Seiten sieht man dicke Schichten oder Bänke gelagert, die in großen Wollen fortziehen. Wir haben hier wieder die aus Tschekiang wohlbekannten porphjTischen Schichten, die dann noch von festem Porphyr bedeckt werden. Die Engen reichen bis kurz vor Yentschou- fu. Sie gewähren den Eindruck einer Spalte, und der Flußlauf ist auf dieser Strecke auffällig gerade. Der Strom bekommt nur wenig Zufluß und meist nur aus kurzen Scliluchten. An einer einzigen Stelle, bei dem Dorfo Tayang, mündet von der linken Seite ein größerer Gebirgsbach, der vom hohen Gebirge her sich sammelt; daher ist dies auch der größte Ort in der Enge. Im übrigen sind hier die Ufer nur wenig be- wohnt und die Dörfer spärlich. Erst kurz vor Yentschöu betritt der Fluß die allerdings nur sehr kleine Weitung, in der dieser Ort liegt. Wir kamen nun bald in ein uns bereits bekanntes Gebiet: hier war es, wo wir auf der früheren Reise, den Sinngan klang herabkommend, dessen Zusammenfluß mit dem Tsientang erreichten. Beide Flüsse haben hier ungefähr gleiche Größe und gleiche Wassermenge und setzen nun vereinigt ihren Lauf nach dem Meere fort.
In Yentschoufu war eben große Aufregung. Schon oberhalb Lanki hatten wir gehört, diese Gegend sei von einer großen, weit-
4:6 Reisen in Tschekiang, Nganhwei und Kiangsu.
verzweigten Räuberbande infestiert, welche das Land verheere, die Reisenden töte und alle Waren fortnehme. Keiner könne wagen, jetzt dort hinabzufahren, und wir wurden dringend aufgefordert, von Lanki aus unsorn Reiseweg zu ändern. Wohlbekannt mit der Art, wie sich derartige Gerüchte in China verbreiten, zauderte ich dennoch keinen Augenblick, meine Reise durchzuführen. Je näher ich Yen- tsch('>u kam, desto schlimmer wirrden die Gerüchte, und hier standen große Volkshaufen. Alles war aufgelöst und in Unordnung, und doch war auf den ersten Blick garkein Grund dafür zu erkennen. Erst bei näherer Nachfrage gelang es mir zu erfahren, daß vor einigen Tagen einige Leute bei Nacht in den Haupt -Yamen eingebrochen wären und den höchsten Mandarin, den Vorsteher des Departements, mit zwei andern Mandarinen ermordet hätten. Ich fragte, ob noch andere Mordanfällo vorlägen, oder ob Fälle von Brandstiftung und derlei be- kannt wären; allein, am Ort selbst war derartiges nicht mehr vorge- fallen. Man meinte, die Verbrecher seien sofort geflohen ; um so schlimmer aber stehe es in der Umgegend, welche voll sei von solchen Untaten.
Ich erkannte sofort, daß hier nur eine isolierte Handlung vorlag und daß wahrscheinlich irgend ein Individuum, welches sich durch einen Richterspruch verletzt glaubte, oder aus andern persönlichen ^Motiven, an den Hauptpersonen sich gerächt habe, ohne irgend ein anderes Interesse dabei zu verfolgen. Anderweitige Nachfragen rechtfertigten diese Vermutung, da an keinem Ort, an dem ich wirkliche Auskunft erhielt, auch nur das Geringste vorgekommen war. Indessen war man fest überzeugt, daß eine Räuberbande, deren Zahl genau auf 2000 Mann angegeben wurde, in der Gegend zersti'eut sei. Sie sollte Leute aus Canton, die man hier haßt, zu Anführern haben und meistens aus solchen von Ningpo, die man mit Eifersucht betrachtet, zusammenge- setzt sein. Tausende von Menschen hatten infolge dieser Gerüchte Yentschöufu verlassen und sich nach andern Gegenden zu Freunden geflüchtet. Kanonenboote fuhren den Fluß hinauf und hinab, natür- lich nicht um irgendwie einzugreifen, sondern um inu- den Schein der
Wie eine Panik entsteht. 47
Wachsamkeit und Kriegsbei'eitschaft zu wahren: kurz, man ließ die Mörder entweichen und fügte sich selbst den größten Schaden zu, in- dem man sich Schreekbilder schuf und die Handlungen dos Lebens danach einrichtete. Aber so sind die Chinesen: eine Handvoll ent- schlossener Leute jagt eine ganze Stadt in die Flucht, besonders wenn sie sich unsichtbar halten. Meine Kulis, die kein Muster von Courage waren, verloren vollständig den Kopf. Schon vorher hatte ich nur mit Mühe durchsetzen können, sie bis hierher zu bringen, und nun glaubten sie, ich hätte sie direkt in die Gewalt von Räubern und Mör- dern geführt.
Einige Wochen später hatte ich Gelegenheit, mich zu über- zeugen, wie solche Berichte weiter wachsen. Während acht Tagen war die Zeitung in Schanghai voU von dem großen Aufruhr, welcher im Departement Yentschöu entstanden sei und sich durch einen gi-oßen Teil der Provinz Tschekiang fortgepflanzt habe. Die Anzahl der Auf- rührer, welche, wie es hieß, alles ermordet und verbrannt hätten, wurde auf 10000 Mann angegeben! Ich ließ es mir besonders ange- legen sein, den wahren Sachverhalt auch weiterhin zu verfolgen, und fand, daß außer dem Mord der Mandarinen auch nicht eine einzige beunruhigende Tatsache vorgefallen war.
Wir hatten bald ein Kanonenboot zur Seite. Man sprach von großen Gefahren, denen wir auch auf den unteren Strömen entgegen- gehen würden, und bat uns, unsere Reise so schnell wie möglich aus- zuführen und Bedeckung mitzunehmen. Mit Staunen sah man, wie kaltblütig ich alle diese Gerüchte und Warnungen aufnahm. Da ich aber keinen Grund hatte, mich aufzuhalten, so fuhr ich alsbald weiter und legte noch denselben Tag eine große Wegstrecke zurück.
Bei Yentschöu ergießt sich der vereinigte Sti-om bald in die Porph}Tschlucht, die ich bereits besucht hatte.*) Ein günstiger Wind brachte uns schnell vorwärts, und um 3 Uhr nachmittags waren wir in Tungluhsien, bis wohin ich mein Boot gemietet hatte, angekommen.
*) s. Band I S. 326 f.
48 Eeisen in Tschekiang, Nganhwci und Kiangsu.
Von hier aus sollte die Reise quer über Land nach dem Yangtszekiang beginnen. Es mündet hier ein Fluß zwischen zwei Felsen, so un- scheinbar, daß man ihn vom Tsien tang aus kaum bemerkt. Wir fuhren in ihn hinein und gingen an Land.
Tunglu ist von den Rebellen vollständig zerstört worden : es stehen nur einige Häuser am Ufer, in denen nur wenige Menschen wohnen. Ich hörte, daß der Fluß schiffbar sei, und beabsichtigte, ihn noch eine Strecke aufwärts zu befaliren, da die Verschiffung des Gepäckes auf diese Weise am leichtesten erschien ; außerdem ging die Fahrt doch langsam genug, sodaß man den ganzen Tag mit Muße auf Spaziergängen verbringen konnte. Die Boote, welche in dieser Jalu'cszeit angewendet werden, sind klein und flach gebaut. Von den Schwierigkeiten der Schiffahrt konnte ich mir keinen Begriff machen, und als man für eine Strecke von 70 li oder weniger als 5 deutschen Meilen den Preis von 15 Talern für ein kleines Boot verlangte und eine Dauer von zwei bis drei Tagereisen in Aussicht stellte, hielt ich das für ein Zeichen des schlechten Willens der Leute. Später überzeugte ich mich dui-ch den Augenschein, wie gerechtfertigt ihre Forderung gewesen war, denn die Schwierigkeiten, die ich bisher auf Strömen durchgemacht hatte, waren klein im Verhältnis zu denen, welche die Schiffer hier zu über- winden haben. Ich versuchte es noch, mit dem Boot, welches mich bisher geführt hatte, stromaufwärts zu gehen, kam aber bald an eine unpassierbare Stromschnelle, gab daher die Wassei-falu-t auf und be- schloß, die Reise zu Fuß zu machen. Die Nacht wurde noch an Bord verbracht.
Als wir bei der Stadt lagen, kam ein Mann, der das Aussehen eines Verbrechers hatte, selir ungestüm und aufdringlich an Bord, trat in die Kajüte ein, machte einige Redensarten, in denen er seine Ver- trautheit mit Europäern zeigen wollte, sagte, er sei auch ein Fremder, und verlangte schließlich 120 Cash. Ich fand dies natürlich höchst un- verschämt und war im Begriff, ihn hinauszuwerfen, als mir mein Lauda mit flehentlichen Geberden winkte, daß dem Ansuchen nachgegeben werden müßte, da wir sonst in eine sein* gefährliche Lage kommen
PriTÜegierte Erpressung. 49
würden. Ich gab eine Kleinigkeit und war erstaunt zu sehen, daß der Lauda sofort den Rest der geforderten Summe und sogar noch etwas mehr hinzufügte. Begierig, den Grund flir eine so privilegierte Zudring- lichkeit zu erfahren, fragte ich dann den Mann aus. Es zeigte sich, daß er ein ExiHerter aus der tributpflichtigen Provinz Heilungkiang oder dem Schwarzen Drachenstrom sei — so nennen die Chinesen den Amur und den nördlichen Teil der Mandschurei. Die Strafe für irgend ein schweres Verbrechen, das der Mann begangen hatte, be- stand in diesem Exil. Da er nun aber doch verpflegt werden mußte, so erhielt er das Privilegium, von jedem den Fünnschui hinaufgehenden Boot eine Steuer von 120 Casli für Hin- und Rückfahrt zu fordern, und stand betreffs der Gewährung dieser Forderung unter dem Schutz des Mandarin. Sonstige Beschäftigung hat er nicht. Die Leute furchten ihn, da er ein resoluter Charakter ist und, wie sie sagen, der hsicn-Mandarin sich wohl hüten würde, ihn in irgend einem vor- kommenden Fall zu bestrafen. Diese Sinecuro hat der Mann schon seit 5 Jahren, man sollte meinen: zur Belohnung für ihn und als Strafe für die Bewohner von Tunglu. Das nennt man hier Verbannung!
Am Morgen des 2. Juli brach ich von Tunglu auf, um die Reise quer durch das Streichen der Gebirgszüge nach der Provinz Ngan- hwei vorläufig in der Richtung nach Ningkwofu auszuführen. Der Fönnschui ist auf der Karte nur ein kleines Bächlcin, an dessen Ver- zweigungen jedoch drei Städte gelegen sind : nämlich Fönnschui hsien. Tschang hwahsien und Yütsien hsien, unter deren Gerichtsbarkeit das Gebiet des Flusses geteilt ist. Ich erwartete also, hier in ein reich bevölkertes Tal zu kommen. Am oberen Ende desselben erhebt sich der Tien mu schan, welcher ebenfalls ein verlockeudes Ziel bot. Der Eingang des Tals ist eigentümhch: der Tsientang ist gerade hier an seinem Nordufer von einer mauerartig fortlaufenden Hügelkette be- gleitet. Durch den kaum erkennbaren Durchbruch des Fönnschui gelangt man an den Nordfuß der Kette, wo sich der früheren Struktur dieser Gebirge gemäß eine Einsenkung parallel denBergzügen hinzieht. In dieser fließt nun der Fluß outlang ; man geht dann durch
RichthofCD, Tagebücher, II. Baud. **
50 Keisen in Tscliekiang, Nganhwei und Kiangsu.
eine Reihe ähnlicher quergerichteter Riegel lündurch, und jedem der- selben folgt wieder eine Einsenkung, in der stets ein längerer Bach dem Hauptfluß zueUt.
30 li ging es am rechten Ufer dos Flusses aufwärts. Die Hitze war seit dem frühen Morgen sehr gi'oß. Von allen Seiten zogen mehrere Stunden lang starke Gewitter herauf Wir rasteten in einem Tempel, um ihnen zu entgehen, aber es kam nicht zum Regnen. Erst gegen Abend wagten wir, nach einem am linken Ufer gelegenen Tempel weiter zu gehen, bekamen jedoch gerade hier noch kurz vor der An- kunft einen tüchtigen Guß. Die Tempel in diesem Tale sind an den schönsten Aussichtspunkten errichtet, also von Leuten, welche die Reize eines freien Blickes zu würdigen wußten, und bei jedem ist nach der Aussichtsseite ein höherer mit einer Mauer umgebener Platz angebaut, von wo aus man mit Rulie die Aussicht genießen kann.
Am ersten Tag hatten wir nur 35 li gemacht ; der nächste brachte uns 43 li weiter bis 8 li hinter Form schui hsien. Der Fluß hatte hier einen sehr gewundenen Lauf. Die Berge steigen bis 500 m über das Tal an und sind sehr steilwandig, bald breiten Talboden am Hauptfluß zwischen sich lassend, bald nur engen Schluchten Raum gewährend. Auf meinen bereits fast drei Jahre umfassenden Reisen diu-ch die östlichen Teile von China hatte ich noch keine lieblichere Gegend als diese gesehen. Die Vegetation ist äußerst üppig und von wahrhaft tropischem Reichtum, und jetzt war alles wild und urwüchsig ; denn die Taipings haben die Bewohner, welche früher die Natur in Schranken hielten, vernichtet. Die Dörfer sind Ruinen ; einst waren sie schön gebaut: die Häuser alle aus Backsteinen, zweistöckig, weiß angestrichen, weitläufig und geräumig und mit architektonischen Ver- zierungen versehen, was ganz besonders einen über das gewöhnliche Niveau hinausragenden Grad der Kultur und des Wohlstandes an- deutet. Das Fönnschui-Tal war oftenbar eine reiche Gegend; jetzt war kaum das zwanzigste Haus bewohnt, und dann war es eine ausgeflickte Ruine. In den alten Mauern setzt sich entweder die Famihe des früheren Eigentümers oder ein neuer Ankömmling fest und richtet
Die Verwüstungen durch die Tai ping- 5 1
sich nur für die Bedürfnisse des Augenblicks ein. Nui' einige wenige der jetzigen Bewohner stammen noch aus der früheren Zeit; fast alle sind eingewandert. Es schien, als ob kaum der fünfzigste Teil der Bevölkerung des ganzen Tals am Leben geblieben sei. Die altern unter diesen Überlebenden zeichneten sich dadurch aus, daß sie die Schriftcharaktere „Tai ping" auf der Stirn und den Backen eingebrannt hatten. Es waren solche Individuen, die wegen irgend einer Ver- günstigung von den Rebellen Pardon erhalten hatten. Damals war ihre Existenz unter ihren eigenen Landsleuten gefährdet, da diese niemals gern mit Individuen verkehrten, welche durch das einge- brannte Zeichen bewiesen, daß sie den Rebellen irgend einen Dienst getan hatten. Die meisten Bewohner starben nicht direkt durch die Hand der Rebellen, wenn auch Ströme von Blut in jeder Stadt und in jedem Dorf geflossen sind, sondern durch Hunger an den Zufluchts- stätten, wo sie sich für Jalire verborgen halten mußten. Die Felder wurden nicht angebaut, von außen her kam keine Zufuhr, teils wegen der Unsicherheit, teils wegen des Mangels an Geld, und so hatten Hunderttausende das traurige Schicksal des Yerhungerns.
Den wüstesten AnbHck gewähren die Städte. Fönn schui ist eine Stadt von Ruinen ; nur einige Dutzend Häuser sind in den ehemals zahlreichen und dichtbevölkerten Straßen notdürftig wiederhergestellt und werden jetzt von einer armen Bevölkerung bewohnt. Außer Reis und Schweinefleisch ist nur das Notwendigste zu kaufen: es war nicht einmal ein Ei oder ein Huhn zu bekommen. Vorher war diese Gegend lange Zeit mit Frieden und Ruhe gesegnet gewesen. Ein Zeichen dafür ist der Umstand, daß die hsien-Städte keine Mauern hatten: sie waren weit ausgedehnte wolilhabende Plätze, nur mit vier Toren versehen. Das ganze Tal war früher wohlangebaut; die ter- rassierten Felder erstreckten sich hoch in alle Schluchten und Runsen und an den untern Teilen der Gehänge hinauf. In den dreizehn Jahren, die über die furchtbare Katastrophe der Zerstörung hingegangen sind, waren die terrassierten Felder gleich dem Talboden zu einer Wildnis geworden, dicht mit hohen Gräsern und undurchdringlichen Sträuchern
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52 Eeisen in Tseliekiang, Nganliwei und Kiangsu.
bedeckt, und üppig sproßte das Dickicht in den Ruinen der Häuser. Die alten wolilgepflegten Straßen waren jetzt ein enger Fußpfod, oft mit 3 m hohen Gräsern oder von bUitenbedecktem Gesträuch ganz überwachsen, so daß es schwer war, liiudurchzudringen. Fasanen und Wildschweine haben eine ungehinderte Existenz gefunden uud sich außerordentlich vermehrt. Große Pflanzungen von Kastanien und Maulbeerbäumen ragen noch als redende Zeugen früherer Kidtur über die überwucherten Felder hinaus. Die Maulbeerbäume sind verwildert und großenteils eingegangen, während die andern Nutzbäume ihre Kraft und ihre Triebfähigkeit erhalten haben.
Überblickt man eine Talstrecke von einem hohen Punkt, so glaubt man oft das üppigste Kulturland zu sehen : aus dem reichen Grün schauen die weißen Giebel der Landliäuser hindurch, und dar- über erheben sich die mit Buschwerk und einzelneu hohen Bäumen bedeckten Gehänge. Erst wenn man hinkommt, erkennt man die Verwüstung und die Täuschung: es sind nur malerisch überrankte Ruinen. Hier und da ist noch ein Platz, der durch seine Lage einige Lebensfähigkeit bewalirt hat, z.B. der Ort Putou, 15 li von Fönn schui. Er steht am Eingang einer engen Klause, die von schroffen Kalkstein- felsen gebildet wird und den Fluß einzwängt. Äußerst malerisch streckt sich das Dorf in einiger Höhe über dem Fluß an einer schmalen Ter- rasse am Fuß der Kalksteiuwand hin. Hier waren wenigstens einige Kaufläden und Teehäuser aufgebaut. Bei Putöu sah ich eine Papier- fabrik, wo man ein grauliches, ziemlich starkes Papier aus der Rinde von Crataegus Biwa macht, wovon Anpflanzungen in der Nähe der Fabrik sind. Das Papier hat aber nm* wonig mehr Festigkeit als das von Bambus gemachte; die Bogen sind 18 Zoll im Quadrat und wer- den zu 3 — 4 Cash pro Blatt verkauft. Etwas außerhalb des Ortes imter dem Schatten hoher Bäume machton wii* nachmittags Rast und erfreuten uns des prachtvollen Anblicks. Die Felsklause bildet das Tor zwischen dem unteren und mittleren Tal; im spitzen Winkel windet sich der Fluß durch die Enge.
Es schien mir, daß die Vegetation, wenn sie auch im allgemeinen
Wechsel in der Flora ond Fauna. 53
an die der Axialkette dieser Gebirge eigentümlich erinnert, was die Art betrifft, wesentlich von derselben verschieden ist. Noch auf- fallender trat der Unterschied in der Insektenwelt hervor. Ich be- schäftigte mich bei den Fußwanderungen fortdauernd mit dem Sammeln von Käfern; ich hatte dazu viel freie Zeit, da meine Kulis stets zu- rückblieben. Die gemeinsten der Käfer, die ich weiter südlich in Massen in die Spiritusflasche getan hatte, waren hier garnicht zu finden. Die Fauna war ärmer, aber fast jede Art, die ich fand, war mir neu. Auch Libellen gab es hier, z. B. eine zinnoberrote, welche ich dort nicht gesehen hatte, in Scharen. Unter den Dipteren hatte eine große goldgrüno Wanze von Ningpo bis Tungyang sehr vorgeherrscht; hier konnte ich sie nicht mehr finden. Diese etwas rohen Winke möchten wohl den Botaniker und Entomologen darauf leiten, auf einer Reise in diesem Gebirge verschiedene Stationen zum Sammeln zu machen.
Nicht zu weit hinter der Klause kamen wir in eine mit hohem Gras bedeckte Talvveitung. Mitten darin liegt Fönnschuihsien. Die Luft war entsetzlich schwül und heiß, und wieder kamen starke Ge- witter herauf. Ich ging durch die Stadt : etwas Tee war das Einzige, was ich in den Ruinen bekommen konnte, und ich wartete dann unter einer hohen Baniane vor der Stadt auf meine Kulis, mit denen ich heute einen harten Strauß gekämpft hatte. Sie hatten gehofft, daß ich von den Strapazen meiner Reise genug haben würde, um in Tunglu den Austlug zu beenden und von dort zu Wasser nach Ningpo zu- rückzukehren. Als ich erklärte, daß ich noch in dieses Tal hinauf- steigen würde, begann beinah eine Meuterei. Wiederholt hatten sie versucht durchzubrennen, aber da ich stets einen Teil ihrer Zahlung vorenthielt, faßte ich sie damit an dem empfindlichsten Punkt. Um etwa mit einem Teil meines Gepäckes fortzugehen, dazu waren sie zu ehrlich; auch hätte dasselbe nichts enthalten, was ihnen von Nutzen gewesen wäre, und wo das Silber sich befand, das war ihnen nicht bekannt. In andern Teilen von China würde die Position allerdings sehr schwer zix halten gewesen sein, aber ich hatte es hier mit der
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besten Klasse von Leuten zu tun, und so sehr ich sie mit leichtem Gepäck und kurzen Tagemärschen geschont hatte, hatten sie doch Grund genug zu klagen. Denn da sie von Ningpo, also aus der Ebene waren, so war ihnen das Tragen des Gepäckes auf die Berge hinauf sehr schwer, und sie stöhnten unter einer Last, welche ein Bergbe- wohner mit Leichtigkeit getragen haben würde. Und doch ■ — hätte ich sie nicht gehabt, so wäre es meistenteils unmöglich gewesen, die nötigen Träger zu bekommen, und ich hätte zum mindesten einen wiederholten unnötigen Aufenthalt und sehr viele üble Auftritte ge- habt. Ich sah ganz deutlich, daß, wenn ich sie von Tunglu nicht weiter mitgehabt hätte, ich die weitere Reise hätte aufgeben müssen, denn hier herum würde die Schwierigkeit, von Ort zu Ort Träger zu nehmen, unsäglich sein.
Schon seit Tunglu hatten sie nun verschiedene Mittel versucht, um weggescliickt zu werden. Jetzt verfielen sie darauf, mich durch Langsamkeit zur Ungedidd zu reizen, damit ich sie wegen der sehr kurzen Tagemärsche wegscliicken sollte. Obwohl ich schon um 5 Uhr früh aufgebrochen war, erreichten sie die kaum 2 '/a Meilen von dem Nachtquartier entfernte Stadt doch erst um 3 Uhr nachmittags. Allerdings war meine Ungeduld gereizt, und auch der Magen kam dabei sehr ins Spiel ; denn ich hatte noch kein Frühstück gehabt und unterwegs nichts zu essen bekommen, und erst von der Ankunft des Gepäcks konnte ich Abhilfe erwarten. Als sie endlich einer nach dem andern heranzottelten, gewährte ich ihnen weder die gehoffte Nachtstation in Fönn schul, noch schickte ich sie weg, sondern be- orderte sie noch vor der Stadt, weiter talaufwärts zu gehen. Ich sah, daß alles darauf ankam, sie über diesen Ort hinauszuhaben, wenn ich auch deutlich merkte, daß ich einem schweren Gewitter gerade entgegen- lief. Es mußte Zwang angewendet werden, und bei dem Wider- spenstigsten war sogar eine gewisse Gewalt notwendig; von diesem Moment an war er der WiUigste von allen.
Kaum waren wir über die Stadt hinaus, so erreichte uns ein furchtbarer Platzregen, der in wenigen Minuten die Wege und die
Widerspenstigkeit der Kulis. 55
mit hohem Gras bedeckten Felder unter Wasser setzte. Zum Glück befanden wir uns in der Nähe des Flusses. Das erste Boot, das wir hier am Ufer sahen, stieß sofort ab, als es uns kommen sah, da der Mann sich vor uns fürchtete. Es blieb uns nichts übrig, als ein zweites, das in der Nähe lag, aus einem Versteck her zu überraschen und es in Beschlag zu nehmen. Wir brachten nun wenigstens unser Gepäck unter Dach und machten einen Kontrakt auf 800 Cash für die Fahrt 10 li stromaufwärts nach dem Marktflecken Yintschü. Der Regen strömte fort mit wachsender Heftigkeit: es war ein vollständiger Wolkenbruch, und wir kamen langsam vorwärts. Die zwei Bootsleute hatten ihre KJeider abgelegt und arbeiteten hart, da ich ihnen eine große Bezahlung angeboten hatte. Bald begann es dunkel zu werden, zugleich wurden die bisher klaren Fluten des Stromes gelb und trübe. Das Wasser stieg, mächtiger und mächtiger rauschte der Strom herab, Sträucher und Bäume in Menge mit sich führend. Wir sahen, welche Verwüstungen er an den Hügeln, zwischen welche wir jetzt eintraten, angerichtet hatte. An ein Weiterfahren war nicht zu denken : gegen einen solchen Strom war nicht anzukommen; auch war die Fahrt sehr gefährlich.
Wir mußten anlegen und fanden zum Glück dicht dabei ein Dorf, wo wir uns in einer der Häuserruinen ein nicht sehr komfoi'- tables, aber doch erträgliches Unterkommen bereiteten. Das Dach war schadhaft; wir suchten die wenigen rogensicheren Stellen des Fuß- bodens auf, und auch diese waren bald eine Lache. Wir mußten dann aus alten Speichen, Sparren und Brettern, die wir vorfanden, ein Gerüst bauen, auf das wir unser Lager über dem Wasser aufschlugen. Mahlzeitssorgen kenne ich auch in solchem Falle nicht mehr seit meiner Erfindung der Chollet-Liebig— Suppe mit oder ohne Eier, dem non plus ultra von Reisekost, das uns stets in kurzer Zeit eine voll- kommen zureichende Nahrung gewährte.
Am folgenden Morgen regnete es weiter, ich woUte aber das Quartier nach einem besseren Ort verlegen. Im nassen Gebüsch fort- gehend, fanden wir in kurzer Entfernung einen kleinen Rasttempel
56 Reisen in Tschekiang, Nganliwei und Kiangsu.
neben einigen bewohnten Häusern, doch waren die Leute so scheu und ungefällig, daß sie eine häusliche Einrichtung unmöglich machten. Wir mußten weiterziehen, und zum Glück hörte es auf zu regnen : es trat angenehmes, kühles Wetter ein. Wir kamen aber erst um 9 Uhr zum ordentlichen Aufbruch, zudem war es der dritte Wandertag, daher alles matt wie die Fliegen ; wir machten infolgedessen nur einen kurzen Marsch. Von dem rechten Ufer setzten wir auf einem Boot wieder auf das linke über. Der Strom hatte sich sehr beruhigt, und man sah nur noch die Spuren der Verwüstung, die gestern die angeschwollenen Wasser angerichtet hatten.
Wir kamen nun endlich nach Yintschütschönn, unserem gestrigen Ziele. Dort stand zwischen den zahlreichen Ruinen eines einst be- deutenden Ortes eine kleine Häusergruppe von einladendem Aus- sehen, wo der Talbewohner und der Schiffer bei Kaufleuten in Fan- putsze (Restaurants) und Tschakwan (Teehäusern), bei Barbieren und Schneidern seine Bedürfnisse befriedigen kann. Von hier führt der Weg au der linken Talseite an Berggehängen hin. Der Talboden ist schmal und wird zuweilen von Hügeln, die sich an den Fluß heran- ziehen, ganz verdrängt. Der enge Pfad war hoch übei'wachsen : wir gingen in einem fortdauernden Versteck und mußten uns durch die dicken, dichten, 4 m hohen Gräser und Sträucher, welche oft von dornigen Schlingpflanzen durchwachsen waren, Bahn brechen. Hier und da blickte man links hinab in das schmale Tal mit seinen ver- wilderten Reisfeldern. Am Wege fanden wir Rasttempcl auf den schön- sten Aussichtspunkten, die Überreste einer Zeit lebhafteren Verkehrs.
Nach 20 li stets gleich bleibender Wegstrecke stiegen wir in eine Talweitung hinab und erreichten das Dorf Matschapu am rechten Ufer des Flusses. Auch dies ist einer der größeren Orte früherer Zeit; jetzt war nur ein halbes Dutzend Häuser bewohnt. Es gab einen Kaufladen, und als Merkwürdigkeit sah ich einen gesattelten Esel, dessen Herkunft mir rätselhaft war, da in diesen Gegenden Ein- hufer sonst überhaupt nicht zu finden sind. Der Ort verdankt seine Existenz der Einmündung eines großen Baches, der von Tschang-
Neue Ansiedler in den Ruinen. 57
hwahsien hereinkommt. So sclileclit die Kommunikation von hier talabwärts erhalten ist, so gut ist sie talaufwärts. Ich war meinem Gepäck sehr weit allein vorausgegangen, da von jetzt an Splingaert stets zur Bewachung und zum Antreiben der Kulis zurückbleiben mußte, und suchte einen zur Mittagsrast geeigneten Ort aus. Ich kam auf einen äußerst romantischen Weg, der in felsigen Bergabhängen ausgehauen und mit einer Steingalerie von unten her aufgebaut war. An einem der schönsten Punkte inmitten hoher belaubter Bäume stand ein Steinbaldachin, von dem sich eine schöne Aussicht bot. Wir hatten hier einen der angenehmsten Rastorte, die wir bisher getroffen hatten. Zu meiner Verwunderung nahmen die Kulis mein Anerbieten, hier die Nacht zu bleiben, nicht an, sondern drängten, noch 5 h weiter zu gehen, nach dem Dorf Muting. Sie hatten in Erfahrung gebracht, daß dort Landsleute von ihnen in größerer Zahl seien.
Der Ort ist ein Marktflecken, und wir blieben in einem Gebäude mit großen Hofräumen, das früher als Yamen gedient hatte. Dieser Ort ist auf dem Wege, eine Kolonie von Ningpo zu werden : schon hatte sich eine Menge Einwanderer dorther niedergelassen, und meine Kulis fühlten sich hier daher ganz zu Hause. Sie wurden gastlich aufge- nommen und bewirtet und kamen zu dem Entschluß, sich nach der Rückkehr in ihre Heimat auch hier anzusiedeln. Zum ersten Male wieder waren sie voUständig guter Laune, die sich auch von jetzt an besser erhielt; denn während sie nm- immer Wildnis und von Tigern bewohnte Gegenden vor sich gesehen hatten, erkannten sie nun, daß die Kenntnis neuer Gegenden doch nicht ganz unwichtig für sie sei. Schon häufig hatten sie am Wege die neuen Ansiedler im Tal nach ihren Verhältnissen gefragt und gefunden, daß dieselben auf dem seit so vielen Jahren brach hegenden Boden ein günstiges Feld für Unter- nehmungen gefunden und sich bei einigem Fleiß eine angenehme Existenz gegründet hatten. Der Boden ist fruchtbar und erlaubt Reis- bau und Seidenzucht, an Brennholz ist kein Mangel, und die Tal- gehänge sind zu Anpflanzungen von Bäumen und Sträuchern wohl- geeignet.
58 Keisen in Tschekiang, Nganhw^i und Kiangsu.
Es ist eiue auffallende Erscheinung, ein von der Natur so be- günstigtes Tal wie dieses von so wenigen Menschen bewohnt und diese dennoch immer in großer Armut zu sehen. Die Felder koste- ten vor der Rebellion 40000 Cash pro möu, jetzt nur 1000 Cash. Man sollte erwarten, das Land von einigen reichen Leuten aufgekauft und den Tagelohn steigend, das Volk wohlhabend zu sehen. Aber der Tagelohn ist, wie überall, nur 50 — 100 Cash für den Tag, außer der Kost. Die Verhältnisse bessern sich nur ganz allmälilich, in dem- selben Maße, als neuer Zuzug kommt. Die alten Bewohner des Tals sind sehr gering au Zahl. Es kommen neue Ansiedler aus Ningpo und Schau hing in Tschekiang, sowie aus den Provinzen Nganhwei, Hupe und Sz'tschwan. Sie machen kleine Strecken der verwilderten Felder urbar und scheinen gute Ernten zu erzielen. Die Wohnung ist biUig, der Einwanderer nimmt ein altes Haus in Beschlag und baut es aus. Diese langsamen Aufbesserungen bestärken die Schlüsse, zu denen ich durch manche frühere Beobachtung gekommen war, daß nämlich das Maß der bebaubaren Ackerflächen in direktem Verhält- nis zur Quantität der Düngerproduktion, d. h. zur Bevölkerungszalü steht und nicht überschritten werden kann, ohne einen geringeren Bodenertrag mit sich zu führen. Selbst hier, wo die Felder 13 Jalire brach gelegen haben, sind sie durch tausendjährige Kultur so er- schöpft, daß dieser Satz anwendbar bleibt. Ein Abgang der Bevölke- rungszahl, wie ihn die Taiping-Rebellion mit sich gebracht hat, ist daher auch in China eine direkte Verminderung der Steuerkraft, ebenso wie anderswo. In diesem Tal ist letztere wahrscheinlich von einem sehr hohen Maß auf ein sehr beschränktes herabgesunken.
Einer beinahe kalten Nacht folgte ein klarer, aber külüer und angenehmer Tag, und wir konnten die lange Strecke von 60 li ohne große Anstrengung zurücklegen. Die Füße haben zu leiden, da alle Wege mit glatten Rollsteinen gepflastert sind, wie es schon von Tunglu an der Fall gewesen wai*. Der anmutige Charakter der Landschaft setzt in der Weitung von Muting fort; diese wird durch Querriegel von beiden Seiten im Norden abgeschlossen, und es folgt dann wieder
Wieder weiter zu Fuß ! 59
ein Talboden. Von hier aus hatte ich den ersten Anblick des Tieu- mu-Gebirges, das sich als ein langer Rücken zeigte. Der Weg windet sich nun am linken Talgehänge hin. Die Hügel waren sanfter im Cha- rakter, da die vorher häufigen Kalksteinzüge hier einer breiten Sand- steinzone Platz machen; sie steigen 250 — 300 m über das Tal an. Besonders romantisch ist der Bhck in der Nähe von zwei Pagoden, welche den südliehen Ausgang des noch höher hinauf folgenden Tal- kessels von Yütsienhsien bezeichnen. Auch hier haben diese Bau- werke ihre Funktion schlecht verrichtet.*) Die einst umfangreiche Stadt liegt in Ruinen und ist noch spärlicher bewohnt als Fönnschui. Ich sah nur zwei oder drei kleine Krambuden an Stelle der mit Kauf- läden besetzten Straßen, wie sie früher hier gewesen sind. Bis hierher ist der Fönnschuihö schiffbar; es gibt aber auf der ganzen Strecke sehr viele und starke Stromschnellen, und bei so niedrigem Wasser wie in der gegenwärtigen Jahreszeit ist er kaum als eine Verkehrs- ader zu betrachten. Mit unsäglichen Schwierigkeiten wurden die kleinen flachen Fahrzeuge über die Stromschnellen mit Hebeln und Stangen und Leinen hinaufgebracht. Oberhalb Yütsien ist das Ge- fälle nicht bedeutend und der Fluß überhaupt nicht mehr befahrbar. Sowie man den Talkessel von Yütsien verläßt, ist der eigen- tümliche landschaftliche Charakter des Fönn schui-Tales zu Ende. Es verdankt denselben großenteils dem häufigen Wechsel sehr schmaler paralleler Zonen, in welchen die Formationen mit der stets gleichblei- benden Richtung WSW — ONO angeordnet sind. Der Fluß bricht durch alle hindurch. Die harten Gesteine, insbesondere der Kalkstein, bilden Querriegel, und in dem weicheren Gestein sind dann breitere Becken ausgewaschen. Früher bildeten sie Seen, welche jetzt in Talebenen umgewandelt sind. Die häufige Änderung des Gesteins bringt gewisse Verschiedenheiten im Typus der Formen und im Vegetationscharakter mit sich. Von jetzt an beginnen lange Rücken, welche sich vom Tien-
*) Wie schon erwähnt, sollen die Pagoden den Segen des Himmels auf die An- siedelungen herabziehen, vgl. besonders Band I, S. 579.
60 Reisen in Tschekiang, Nganhvvüi und Kiangsu.
mu schan herabziehen; aber auch zwischen ihnen dauern die See- ablagerungen fort, und man hat auf dem Wege nach jenem Berg eine ganz große derartige Seeausfüllung zu überschreiten: sie ist die am höchsten gelegene an diesem Wege, und hier haben sich die meisten Ansiedler niedergelassen. Es scheint, als ob die Wiederansiedelung von dem Ober- nach dem Unterlauf des Flusses im Fortschreiten be- griffen wäre.
Auch hier ist die Landschaft schön und vollständig parkartig. Wilde Bergwässer stürzen sich herab; ihre breiten Betten sind mit großen GeröUeu erfüllt, welche sie, wenn der Regen sie anschwellt, vor sich herwälzen. Auch der Unterbau der Ebene besteht ganz und gar aus solchen großen Gerollen, und nur obenauf liegt die fruchtbare Humusdecke, welche zur Anlage ausgedehnter Reisfelder Veranlassung gibt. Einer großen Anzahl von Bächen entquillt der Hauptarm des Fönnschui-Flusses am Südabhang des Si-Tien mu schan und Tung- Tienmu schan, die beide durch große Tempel an ihren Südgehängen bekannt sind. Der bedeutendere von ihnen ist der an dem West-(Si-) Tienmu schan gelegene, und nach diesem waren meine Schritte ge- richtet. Das Tal, in dem ich aufwärts ging, entspringt in der Schlucht zwischen den beiden Gipfelmassen. Abends erreichten wir einen Tempel, namens Mingkungtsze, 10 li vor dem Haupttempel. Ein junger Priester bot uns Gastfreundschaft an und stellte uns ein hübsches, reinliches Zimmer zur Verfügung, das wir auch annahmen.
Am 6. Juli erreichten wir den Haupttempel. Er liegt am Fuß der Abhänge des Berges im Waldesdunkel: ein weiter Komplex von Gebäuden, die terrassenförmig ansteigen; sie sind meist von den Tai- ping zerstört worden, werden aber jetzt restauriert. Früher wohnten hier 400 Priester und Mönche, und es waren Räumlichkeiten für alle und außerdem nocli fiu- die Aufnahme von Fremden vorhanden. Ich war nun wieder an einem Ort, wo Fremde bereits gewesen waren. Schon im Jahre 1848 hatte der Missionar Medhurst von Schanghai aus den Tempel besucht. Vor einigen Jahren war Robert Francis aus Kiu- kiang hier gewesen und hatte den Gipfel des Berges zu über 1500 m
Der Tempel am Tien mu schan. gl
bestimmt, und ein dritter Besuch aus Schanghai hatte, wie wir von den Priestern erfuhren, vor einem Jahr stattgefunden. Man wies uns in dem Tempelkomplex ein Zimmer an, das bereits den früheren frem- den Besuchern zur Wohnung gedient hatte. Da wir jedoch dort mitten unter den Priestern gewohnt hätten und ich vorzog, in der Natur zu leben, so schlug ich dieses Anerbieten aus und suchte mir ein kleines luftiges Gebäude, eine Art offner Halle, aus, die ein wenig abseits vom Tempel unter uralten schattigen Bäumen neben dem über Felsen herab- stürzenden Bach gelegen war und jetzt als Reisspeicher diente. Die Priester waren erstaunt über meinen eigentümlichen Geschmack, da nach ihren Begriffen das mir zuerst angebotene Zimmer die Höhe des Komforts bot, während das von mir gewählte Quartier in ihren Augen einem Stall ähnlich war. Ich hatte jedoch alles, was zu einem ange- nehmen Aufenthalt nötig ist, und Luft und Licht zum Arbeiten. In meinen geologischen Notizen und Karten war viel nachzuholen, und ich beschloß, einige Tage zu verweilen. Schnell fand sich in Gestalt von Böcken und Brettern alles zusammen, was zu einer behaglichen Einrichtung gehörte; Teppiche, Decken und Flaggen brachten auch den nötigen Schmuck hinzu, so daß die Priester mit Verwunderung den SeJou betrachteten, den ich in dem bescheidenen Gebäude her- gerichtet hatte.
Am nächsten Tage wollte ich den Berg besteigen, aber das Wetter war ti-übo und neblig. Später begann es zu regnen, so daß ich meine Zeit mit häuslicher Arbeit verbringen mußte. So viel ich sehen konnte, besteht der Tienmu schan aus zwei, 1200 — 1500 m hohen langgezogenen und einander selir ähnlich gestalteten Bergen, die un- gefähr in einer WSW — ONO sich erstreckenden Linie angeordnet sind und sich durch ihr fiachwinkliges Profil von allen umgebenden Bergen auszeichnen, wie sie auch alle südhchcr gelegenen um minde- stens die doppelte Höhe übertreffen. Sie sind durch einen eben- falls sehr hoch gelegenen flachen Sattel verbunden, über den der Weg nach SiaufÖnghsien führt. Diesen Weg hatten Medhui-st und Francis eingeschlagen. Die Zeit der Stiftung des westhchen Tempels
62 Keisen in Tschekiang, Nganhwci und Kiangsu.
habe ich nicht erfahren können, doch scheint ein kaiserlicher Besuch vor ungefähr 700 Jahren, also zu jener Zeit, als die Kaiser der Sung- Dynastie zeitweise in Hangtschöu residierten, ein epochemachendes Ereignis gewesen zu sein. Als die Taiping- Rebellion sich hierher zog, flüchteten die 400 Mönche bei der Ankunft der Rebellen in die Berge. Viele soUen dann umgekommen sein, andere wurden ge- tötet, andere mitgeschleppt und gewaltsam verheiratet. Der Tempel besitzt 70 möu Reisland, welches für die Fütterung der noch vorhan- denen 30 Mönche und der 20 aui3ei'dem angestellten Dienstleute hin- reicht. Die 50 Mann verzehren täglich 70 Catties oder ungefähr 100 Pfund Reis; dazu essen sie Gemüse, welches sie selbst bauen. Die Almosen, die sie sammeln, reichen für die weiteren Bedürfnisse und zur Auszahlung eines Tagelohnes von 50 — 100 Cash au die Arbeiter hin. Bau- und Brennholz gibt ihnen der Wald im Überfluß; auch Ziegel und Kalk brennen sie selbst. Ich fand die Priester mit Aus- nahme von zweien sehr stupid und ilu-e unabweisbare Gesellschaft lästig. Zum Glück mußten sie ihre Besuche stets kurz einrichten, da die Glocke sie immer wieder bald an ihren Tempeldienst mahnte.
Der Tienmuschan ist gleich dem Tientaischan eine außer- ordentlich geeignete Stätte für den Naturforscher : der Botaniker, der Ornithologe und der Entomologe werden hier reiche Beute finden. In beiden Fällen haben sie es mit einem üppigen Pflanzenwuchs zutun, der sich auf bedeutende Höhenunterschiede vorteilt, hier in noch grö- ßerem Maße als bei dem südlicheren Berge. Ich kenne wenige Orte im östlichen China, wo noch eine so kräftige und ausgedehnte Wald- vegetation zu trefl'en ist wie am Tienmuschan. AUe Reize der Flora dieses blütenreichen TeUs von China finden sich hier vereint. Auch der Maler würde manchen Stoff für seinen Pinsel finden, insbe- sondere würden die brausenden Wildbäche mit der strotzenden Vege- tation ihm Gelegenheit zu Vordergrundstudien bieten. Aber aucli der Tourist hat in China nicht häufig Gelegenheit, einen für längeren Aufenthalt gleich geeigneten Ort zu finden. Der Weg nach der Berges- höhe ist kurz, und bei klarem Wetter wird er dort einen schöneren
Ein Pflanzenparadies. 63
Überblick über einen der besten Teile von China haben, als er von irgend einem andern Höhepunkt geboten wird. Dabei ist der Tempel mit großer Leichtigkeit zu erreichen. Man kann von Hang tschöu bis nach Linnganhsien zu Wasser fahren und hat von dort nui- einen Tagemarsch bis zum Tempel; daTragstühle stets zu haben sind, so ist der Besuch des Tempels auch für Damen zu empfehlen.
Auch an den beiden folgenden Tagen war der Berg verhüllt, und ich stieg daher nur an seinen Abhängen hinauf, ohne bis zum Gipfel zu gehen, da dessen Besteigung in Ermangelung einer Aussicht mir von keinem Nutzen gewesen wäre. Am 9. Juli brach ich dann auf, um mich nun wieder nach unbesuchten Gegenden zu wenden. Das Ziel war Ningkwohsien. Der Weg dorthin war niemandem bekannt; die Reise wurde als sehr schwierig, die Gegend, in die ich kommen würde, als wild und unbewohnt beschrieben. Bei meinen Kidis galt es als feststehend, daß es in Ningkwofu eine Gegend, 3000 li lang und 1000 li breit*), gäbe, wo sich nur Räuber und Tiger aufhielten und keine Lebensmittel zu haben wären. Sie schauderten bei dem Gedanken, dorthin geführt zu werden, und wieder begann das Murren, dem ich meine Autorität entgegensetzen mußte.
Am frühen Morgen brach ich aus dem Waldesdimkel dos Tien- mu schan auf. Die ganze Priesterschaft war versammelt, um meine Bezahlung, welche sie sehr befriedigt annahmen, und einige kleine Geschenke zu empfangen. Zunächst galt es, einen Weg zu erreichen, welcher von Yütsienhsien nach Ningkwohsien fuhrt und von dem ich durch den Besuch des Tempels abgegangen war. Um dies zu tun, mußte ich eine Anzahl der vom westlichen Teil des Tienmu schan nach Süden ausstrahlenden Schluchten und die sie trennenden Rücken überschreiten. Es waren 3 Pässe zu übersteigen mit Erhebungen von 150 m (Lungling), 200 m (Schöuling) und 300 m (Yangling), die Höhen von den Talsohlen aus gerechnet. Es ist eine anmutige und hebliche Gebirgsgegend. Die Talböden sind schmal, aber gerade in
*) Also etwa 1500X500 km, gleich 450000 qkm!
64 Keisen in Tschekiang, Nganhwt'i und Kiangsu.
diesem höchsten Teil der Wasserläufe hat sich der Feldbau zuerst wieder aufgeschwungen. Die terrassierten Reisfelder des ebenen Landes waren hier reich au Bewässerungen vom Berge her und sind kultiviert ; der Anbau an den Gehängen aber ist noch nicht wieder aufgenommen worden. In jedem kleinen Talkessel sind daher nur einige Häuser wieder bewohnt und zwar meist von Landeseingebore- nen. Es scheint, daß die frischen Bergwässer für die Reiskultur günsti- ger sind als diejenigen, welche bereits durch größere Talstrecken über Reisfelder geflossen sind, und daß dies der Grund des Anfangs der Kultur in den gi-ößeren Höhen ist.
Wenn man in die Gebirge hinaufsieht, so verzweigen sich die Schluchten in dasselbe zwischen einem Labyrinth kleiner grüner Rücken. Die Vegetation sproßt auf diesen selir üppig. Man über- sieht mit einem Blick eine solche Fiüle von frischem grünem Leben, daß man kaum glaubt, in demselben Lande zu sein, wo, wie in der Provinz Schansi, Hunderttausende in Erdhöhlen in fader, einförmiger, gelbgefärbter Landschaft wohnen. Es fehlt nur an Unterbrechung dieser fortdauernd lieblichen, anmutigen Natur durch schrofi'ere Formen.
In solchen Gegenden erkennt man recht, daß man China nicht beurteilen kann, wenn man nur einen Teil des Landes gesehen hat : man muß in verschiedenen Gegenden tief ins Innere, abseits von den großen Straßen, eindringen, um ein richtiges BUd zu ge- winnen. Erinnern auch diese oberen Teile des Fönnschui -Talbeckens nicht so beredt au irgend eine bestimmte Gegend in Japan wie die Landschaften in der Axialkette, so kommen sie doch an Liebhchkeit der Natur manchen der schönsten Teile jenes Landes, z, B. den nöi"d- licheu Abhängen des Oyama, gleich. Aber auch hier felüt der Reiz, den die Menschenhand schafl^t: alle Staffage und alles, was die Natur verschönert. Der Tempel am Tienmuschan z. B. ist weit gi'oßartiger als die meisten Tempel in Japan, und die Natur hat außerordentlich viel getan, um ihm Reize zu verleihen; aber es fehlen jene versteckten Aufgänge, die verschnittenen Hecken, die Torii, welche großen Baum-
über die Grenze Tschekiang — Nganhwei. 65
gruppen einen so geheimnisvollen Zauber geben, und es fehlt vor allem eine ansprechende Bevölkerung. In diesen abgeschlossenen Gebirgs- gegenden sind die Leute gutmütig und harmlos, aber sie erwecken nicht unsere Sympathien. Außer Feld und Haus kennen ihre Gedanken nur noch Geld und Gewicht, und man hört im gewöhnlichen Leben auch nicht eine ansprechende Bemerkung. Bildung fehlt gänzlich: die Leute können weder lesen noch schreiben und wissen nichts über die Grenze ihres Distriktes hinaus. Dazu kommt das stets lästige Aus- fragen, die Unreinlichkeit und die oft sehr widerwärtige Aufdringlich- keit. Der Anbau des Landes geht hier nicht viel über die Getreide- arten hinaus ; einige Kastanienbäume, StiUingien, Maulbeerbäume und etwas Teekultur finden sich wolü überall, aber sparsam zerstreut, und es gibt weder Frucht- noch Zierbäume.
Bei Yanglingköu, nach Überschreitung des Yang ling- Passes, 30 li vom Tempel, erreichte mein Weg die von Yütsien kommende Verkehrsstraße, die selbst nur ein Fußpfad ist. Von hier an geht es fortdauernd in demselben Talboden stromaufwärts. Noch 8 li weiter kamen wir zu einem Tempel bei einem größeren Dorf. Alles sehnte sich nach Ruhe: der Weg über den Yang ling war bei großer Hitze zurückgelegt worden und ungemein anstrengend gewesen.
Am 10. Juli hatten wir noch 15 li zu steigen, um den Paß Tsien- tsiu kwan zu erreichen, welcher die Gewässer des Tsien tang von denen des Yangtsze scheidet und die Grenze der Provinzen Tschekiang und Nganhwei bildet. Auf der Höhe, welche aus Granit zusammengesetzt ist, steht ein Stück alte Festungsmaucr und eine verrostete eiserne Kanone. Der Anstieg wie der Abstieg sind nur kurz, und beide betragen 150 — 200 m über dem Niveau der angrenzenden Täler. Man geht sehr allmählich über Gehänge, die ganz mit Gras bewachsen sind. Früher erstreckten sich Reisfelder bis oben hinauf, sie sind aber ver- wildert. Die Meereshöhe des Passes ist wahrscheinlich ungefähr 350 m, die Gipfel des Zuges, in dem er eingesenkt ist, dürften bis 1000 m aufragen, aber kaum darüber. Der ganze Zug besteht aus Granit und zeichnet sich scharf in der Landschaft ab. Nun ging es
Richthofen, Tagebücher, U. Band. 5
66 Reisen in Tschekiang, Nganhw^i und Kiangsu.
hinab in das Tal des TunghÖ, der zwar geringes Gefälle, aber doch einzelne Stromschnellen hat, welche die Schiffahrt oberhalb Ning- kwohsien unmöglich machen. Die Reisfelder im obersten Talboden waren auch hier der Kultur wieder gewonnen, aber schon 25 li ab- wärts lagen sie noch vollständig brach; die Dörfer waren wie an der Südseite einst groß und wohlhabend, sind aber jetzt nur spärlich von einigen Einwanderern bewohnt. Die Szenerie ist nicht so lieblich wie südhch von der Wasserscheide, aber auch recht hübsch. An den Tal- wänden zieht sich schöner Nadelholzbestand hinan, meist 20 — SOJahre alt; doch sah ich auch einzelne Scliläge von 50 — 60 Jahren. Der Wuchs der Bäume war aber schlecht. Es wurde jetzt stark gefällt, besonders das junge Holz, das in Flößen zusammengebunden söfomabwärts wandert. Man kennt dabei gar keine Ökonomie, und es wurden schöne, dicke Stämme, an denen doch sonst großer Mangel herrscht, zu Brenn- holz zerschnitten. Wir erreichten abends einen weitläufigen Tempel, in den wir uns einquartierten. Gleich vielen Tempeln dieser Gegend war er in Reparatur begriffen, was bei den Tempeln in Tschekiang noch nicht der FaU gewesen war. Zum ersten Male auf dieser beschwer- lichen Reise wurde ich ernstlich unwohl, doch hatten die Mittel, welche ich bei meinem Gefolge schon zu wiederholten Malen angewendet hatte, auch bei mir die Wirkung, das Übel im Keime zu vertreiben. Mit diesem alten Gemäuer am Paß Tsientsiukwan, welches in früherer Zeit zur Verteidigung von Tschekiang gegen die von Ngan- hwei her gerichteten Angriffe gebaut war, betraten ^vi^ eine andere Provinz und ein anderes Flußgebiet. In den letzten Tagen standen stets schwere Gewitter am Himmel. Ich hatte mich so daran gowöhnt, daß es unnötig war, vor ihnen Schutz zu suchen, da sie den Ort, wo ich Zuflucht nahm, nie erreichten, daß ich nunmehr auch bei dem drohend- sten Unwetter stets vorwärts ging. Gestern hatten wir ein besonders schweresWetter im Tale unter uns gesehn, und heute hatten wirGelegen- heit, den Schaden zu beobachten, den es angerichtet hatte, da wir in den Bereich der Überschwemmung kamen. Der Fluß hatte zum Teil 3 — 4 m über seinem Niveau gestanden, stellenweise das Tal in seiner
Weiter durch das verwilderte Land. 67
ganzen Breite bedeckt und die Saaten auf den Feldern vernichtet; auch die Straße war an vielen Orten zerstört. Dennoch fanden wir bereits alles Wasser abgelaufen, und es standen nur noch einzelne Lachen auf dem Boden.
Am 11. Juli gingen wir 5.5 li weiter talabwärts. Enge Talstrecken wechselten mit andern, wo der Talboden eine Breite von 1000 m er- reicht. Der Fluß ist hier mehr gewunden als höher hinauf, und große Strecken von ruhigem, tiefem Wasser wechseln mit seichten Strom- schnellen. Es gab einige Stellen, wo hohes Gesträuch und Bäume Überhang und Schatten gewährten; auch prächtige Badeplätze wurden im Laufe des Tages mehrfach benutzt. Einige Male verläßt der Weg den Fluß, um über niedere Pässe zu führen. Bei dem Dorf Sz'kiau ist der obere mehr bewohnte und angebaute Teil des Tales abge- schlossen; es folgt eine Enge. Die nächsten Weitungen, insbesondere diejenigen der Dörfer Schi köu und Meilin tschönn, haben viel schönes Land, aber es ist noch eine Wildnis: ganze Dörfer sind hier als Ruinen unter hohen Gräsern und Bambusgestrüpp vergraben. In andern Dörfern sind einige wenige neue Ansiedler. Die Berge zu den Seiten werden niedriger, die Landschaft freundlicher. Die meisten Hügel sindnur'200 — 250 mhoch, aber an den stets parallel hereinkommenden Zuflüssen erhält man Durchblicke auf Höhen, welche bis 500 m über die Talsohle aufragen. Wo ein Blick talabwärts gegeben ist, sieht das Land offen und frei aus. Schikou ist zwischen dem Fluß und der steilen Bergwand eingezwängt. Hier hielten wir eine Mittagsrast unter schattigen Bäumen; ihr folgte einer der heißesten und beschwerlichsten Teile meines ganzen Reiseweges, wiewolil er nur 10 h betrug.
Die erste Hälfte davon führte an einerBergwand hin, von der die Sonnenstrahlen reflektierten, die zweite Hälfte durch die baumlose Ebene auf einer harten, tennenartigen Straße auf Lehmgrund. Jenseits winkte ein vereinzelter Baum zu einem schattigen Platz. Alles eilte darauf zu, denn die Gewalt der vom Boden zurückgeworfenen Strahlen war geradezu tötend, und wir fühlten mächtig den Einfluß, welchen sie ausübte, so daß bei etwas längerer Exponierung die schlimmsten
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68 Reisen in Tschekiang, Nganhw^i und Kiangsu.
Folgen zu fürchten waren; dazu war es vollkommen windstill. Die fast ganz verwilderte Ebene wird von einer durch ihre Regelmäßigkeit auffallenden, geradlinig SW — NO streichenden, waldbedeckten Hügel- kette abgeschlossen, deren Kuppen sich wie eine Perlenschnur anein- andeiTcihen. Hier erholten wir uns im Waldcsschatten bald von der kurzen, aber schweren Strapaze. Wir betraten dann ein reizendes Defile, welches der Flußbogen umspült. Enge, üppig bewachsene Schluchten ziehen sich herab, und die Abhänge waren mit blüten- reichen Sträuchern bedeckt. Auch das Dorf Meilin tschönn, 20 li unterhalb Schiköu, wo wir übernachteten, ist in einer mit verwildei'ten Feldei-n bedeckten Talweitung gelegen. Wir kamen an einen Tempel, der voll von Särgen stand, da er zur Familiengruft diente. Wir gingen weiter nach dem Dorf und mußten zum ersten Mal auf dieser Reise ein Unterkommen in einem Wirtshause suchen. Da es im Innern heiß und schmutzig war, so bereiteten wir uns ein Lager unter einer Art Dach in Front des Hauses, wurden aber von Menschen, Büffeln, Hunden, Schweinen und Moskitos so inkommodiert, daß an Sclilaf nicht zu denken war.
Auch am nächsten Tage dauerte die Hitze fort. Um 5 Uhr früh waren gewöhnlich 25^ — -27 " C, und mittags wuchsen sie bis 37 und 39 ''j doch ist, wie schon erwähnt, der Temperaturgrad kein absoluter Maß- stab für die Hitze. Sie ist hier viel furchtbarer und schwerer zu er- tragen als in einer trocknen Luft. Täglich entluden sich dann die starken Gewitter, von denen wir nie etwas bekamen und welche die Luft nicht abkühlten. Die Weitungen des Tals nehmen zu und die Wildnis der aufgeschossenen Vegetation nicht ab. Die Engen ver- schwinden, das Alluvialland breitet sich fortdauernd zwischen den seitlichen Hügeln aus. Die Dörfer sind sparsam und liegen weit aus- einander. Nach einer Wegstrecke von 30 li kamen wir zu dem Markt Höliki tschönn am rechten Ufer des Flusses. 5 li davon am gegen- überliegenden Ufer Hegt die Stadt Ningkwohsien, wo ein großer Zu- fluß von SW hereinkommt. Auch diese Stadt ist venvüstet: nur we- nige Häuser sollen bewohnt sein, und die Größe des Verkelu's wird
Der weitere Reiseplan. 69
dadurch angedeutet, daß niu* zwei Kaufleute und zwei Speisehäuser (Fanpu) sich etabliert haben. Der Handel hat sich nach Höliki gezogen, welches am Fluß und an der Vereinigung verschiedener Sti-aßen gelegen ist. Hier war endlich wieder einmal Leben und Ver- kehr: aUes neu erwachsen und aus den verschiedensten Elementen zusammengewürfelt. Auf eine Länge von 500 Schi-itt reihte sich Bude an Bude, nur mit Speise- und Teehäusem abwechselnd. Die Gourmandise meiner Kulis wurde beim Anblick der vielen gastrono- mischen Luxusartikel, die sie nach langer Entbehrung einmal wieder zu sehen bekamen, aufs höchste erregt. Ich ließ ihnen Zeit, ihren Appetit zu befriedigen, und rastete selbst in einem Teehaus, von dem man eine schöne Aussicht über den Fluß und das Tal hatte. Ich hatte den Genuß, hier wieder einmal ein ziemhch gut gebackenes Brot zu bekommen.
Hier war der früher entworfene Teil meines Planes zu Ende. Meine Absicht war gewesen, mich von hier nach Kinghsien zu wenden und dann am Kiiihwaschan vorbei nach jenen schönen und anzie- henden Bergen bei Tatung am Yangtsze zu gehen, die ich früher schon besucht hatte. Allein ich hatte früher einmal von Pere Royer eine Einladung erhalten, nach seiner Missionsstation in der Nähe von Ningkwohsien zu kommen. Ich hatte ihn im März 1869 auf dem Dampfer zwischen Schanghai und Tschingkiang getroffen, und er hatte mir viel von seinem Lande erzählt. Von ihm durfte ich hofl:en, zum mindesten die Informationen zu bekommen, die ich zu einer zweck- mäßigen Entwickelung meiner Reisepläne notwendig brauchte. Auch war es mir von Interesse, wieder einmal eine Missionsstation im In- nern kennen zu lernen. Ich erfuhr, daß der Pater 48 li von meinem Rastort stromaufwärts wohnte, und danach mußte ich meinen Plan ver- ändern.
Anstatt über eine aus neun hohen Bogen bestehende Steinbrücke nach Ningkwohsien zu gehen, wanderte ich direkt am rechten Fluß- ufer abwärts. Der Charakter der Landschaft, der sich schon vorher so sehr geändert hatte, zeigte mehr und mehr Abweichungen von dem
70 Reisen in Tschekiang, Nganhwei und Kiangsu.
des Oberlandes, die insbesondere durch das Auftreten geologischer Formationen hervorgerufen werden, welche dort nicht vorkommen. Ein aus Kalksteinen bestehender Hügelzug schließt das Tal gänzlich ab, indem der Fluß sich nur einen engen Ausweg durch die Felsen gräbt. Die Talweitung war mit hohen Gräsern überwachsen. Kurz ehe wir den Hügelzug erreichten, fanden wir in dieser Wildnis zwei Strolihütten am Flußufer, welche sich ein neuer Ankömmling zu vor- läufigem Unterkommen fiir sich und seine Familie errichtet hatte, um den angrenzenden Acker nach und nach unter Kultur zu bringen. Hier blieben wir. Wir hatten Einsamkeit, frische Luft, Freiheit, einen Fluß zum Baden und alles, was zu einem guten Lagerort gehört. Wir hofften auf eine gute Wildschweinsjagd, da die Insassen uns erzäldton, daß die wenigen Felder, die sie bereits angelegt hatten, jede Nacht von Wildschweinen heimgesucht würden. Das Haupt der Familie hatte sich auf den Feldern selbst ein Nachtlager hergerichtet, von wo aus er täglich die schlimmen Gäste von der Vernichtung seiner Saaten abzuhalten bemüht war. Vergeblich wachten auch wir mit ihm : die Wild- schweine schienen das Pulver zu riechen und M-oliten gerade in dieser Nacht nicht erscheinen. Schon hoch oben im Tal hatte man uns von den Verwüstungen erzählt, welche diese Tiere anrichteten, und je weiter wir herabkamen, desto schlimmer wurden die Berichte, desto häufiger auch die Spuren von der massenhaften Anwesenheit dieser Tiere.
Am 13. Juli erwachten wir fi-isch und gestärkt, aber wir hatten einen heißen Tag vor uns. Zuerst mußten wir den kloinen Hügelzug überschreiten, der den Riegel der Talweitung bildet. Auf den Sand- stein, der mit Strauchwerk bewachsen ist, folgte ein kleines, aber starres Kalksteinland und dann ein sanftes Terrain, dessen Ober- fläche aus zerbröckeltem Schieferton bestand. Hier trafen wir ver- lassene Kohlonbaue. Ich hörte später, daß man hier an mehreren Orten früher Kolile gegi-aben hätte, um Kalk zu brennen, so lauge man Kohle fand und sie mit Vorteil extrahieren konnte. Dann ging, man zur Holzfeuerung der Kalköfen über. Der Verfall der Grube datiert noch vor die Taiping-Zeit zurück. Nachdem wir durcli das.
Wieder der erste Löß. 71
Defile gekommen waren, dehnte sich wieder breites Land vor uns aus, aber nicht eben wie vorhin, sondern ein rot und gelb gefärbtes Wellenland, das mit Löß bedeckt ist, dem ich hier zum ersten Male wieder begegnete. Wahrscheinlich hat man es hier mit einer alten Seeausfüllung zu tun. Mit dem Löß begann sich auch der Staub zum ersten Male, seitdem ich Schanghai verlassen hatte, wieder zu melden.
In dieser Verebenung liegt Schul tung, ein kleiner, aber sehr belebter Marktflecken am Fluß, der sehr unangenehm zu passieren war, da hier eine Menge Leute von dem Unterlande wohnten, welche die Abneigung gegen die Fremden in demselben Maße besaßen, wie man sie in den Marktflecken am Yangtsze findet. Das Volk drängte sich dicht heran, und wir hatten Not, Insulte abzuhalten. In einer Entfernung von 8 li in nordöstlicher Richtung, gerade vom Fluß hin- weg, liegt zwischen Hügeln das kleine Dorf Sütsun, welches mir als die Missionsstation angegeben wurde. Ich war meinem Zuge sehr weit vorausgeeilt, um bei dem Pater meine Aufnahme vorzubereiten. Mit den Wegen in der menschenarmen Gegend, in die ich nun wieder kam, unbekannt, freute ich mich, als ein Knabe sich mir beigesellte, der mir sagte, daß er ein Christ sei und mich zu dem Priester bringen woUe. Unterwegs machten wir bei einem Teehaus halt, und auch hier fand ich in dem Wirt einen alten Christen. Das Land gewährte keinen angenehmen Anblick: die Hügel sind schön bewaldet, aber alles niedere WeUenland war mit wenigen Ausnahmen nur mit Gras bedeckt, die frühere Kultur gänzlich verschwunden.
Um 1 1 Uhr erreichte ich die Missionsstation, ein ganz verfallenes Dorf. Die größte der Ruinen war das Haus des Priesters. Man führte mich in eine große, mit einem einfachen Dach bedeckte HaUe, sagte mir aber, daß der Priester eben abwesend sei. Dann wurde mir die Tür der Kapelle geöffnet, und mau hoffte, daß ich mich dann wieder entfernen würde. Es wurde den Hausleuten unheimlich zu Mut, als ich mich ruhig hinsetzte und erklärte, auf den Priester warten zu wollen, auch die Bitte hinzufugte, daß sie nach ihm schicken möchten. Bald versammelte sich die ganze Christenschar des Dorfes um mich,
72 Reisen in Tscliekiang, Nganbwei und Kiangsu.
und da ich wohl gewahrte, daß es hier besser sei, zudringliche Fragen abzuhalten, so stellte ich mich, als ob ich des Chinesischen garnicht mächtig sei. Staunend betrachteten die Leute den schweigenden frem- den Gast, und umgekehrt war auch ich überrascht, in der Christen- gemeinde ein so unreinliches Gesindel zu finden, wie es sich hier um mich versammelt hatte. Nach zweistündigem Warten kamen meine Kulis an. Das Erstaunen der Leute wuchs, als wir ohne weiteres das Gepäck hinsetzten, einen Tisch erbaten und unsere Malilzeit be- reiteten. Als wir eben mit derselben beschäftigt waren, wurde die Ankunft des Priesters gemeldet.
Ein Maultier kam langsam zum Tore herein, darauf ein magerer Herr mit einem Strohhut von der Größe eines Wagenrades, in dem ich aber nicht den mir bekannten Pater Royer erkannte. Der Priester erwies sich als ein Deutscher aus Luxemburg, namens Pater Bies, und es war mir doppelt angenehm, eine deutsche Konversation führen zu können. Pater Bies forderte uns auf, unsere Mahlzeit in seiner Woh- nung fortzusetzen. Ich war erstaunt zu sehen, daß der Jesuiten- missionar, der in Schanghai mit soviel Pomp auftritt, in den kleinen Stationen eine qualvolle Existenz führt. Das hiesige Haus, welches sich in seinem Äußern durch nichts von den andern Häusern des Ortes unterschied, auch nicht in Bezug auf Ordnung und Reinlichkeit, war in den untern und Haupträumen zur Kirche eingerichtet. Darin stand ein Altar, und an den Seiten hing eine große Menge von bunten Bildern aus der biblischen Geschichte. Zwischen diesem Raum und dem Dach waren drei kleine Zellen angebracht, in welchen ich kaum aufrecht stehen konnte. Die Sonne brannte auf das Dach, und die Hitze war größer als in der freien Luft, während im Winter dieselbe Wohnung sehr kalt sein soll. Das Mobiliar bestand aus einem Tisch, einer Bank, einer Bettstatt und dem allergeringsten Maß unentbehr- lichen Hausgerätes, einigen Medizinen und einem Brevier. Außerdem hat der Geistliche nichts, nicht einmal ein Buch oder eine Zeitung. An Anstalten, die zur Gesundheit besonders erforderlich sind, wie vor " allem einer Badoeinrichtung, fehlt es ganz : der Priester identifiziert
Eine jesuitische Missionsstation. 73
sich mit seiner Gemeinde und lebt wo möglich noch schlechter als die meisten Mitglieder derselben. Sein wertvollstes Eigentum war das Maultier, das Zeichen seiner Würde der ungeheure Strohliut.
Es gab hier schon früher eine kloine Christengemeinde : durch die Taiping aber wurde sie beinahe ausgerottet. Die Ankömmlinge zalüen für das Reisland 800 Cash bis 2 Dollars pro möu, und zwar an die alten Einwohner; mit der Regierung haben sie nichts zu tun. Die Benutzung des Berglandes ist füi" jeden frei. Von den alten Bewohnern sollen nach der Rebellion nur ungefähr 3 v. H. übriggeblieben sein, die meisten sind in ihren Schlupfwinkeln auf den Bergen verhungert. Einer der Überlebenden erzälüte, wie er 10 Monate dort zugebracht habe und in dieser Zeit dreimal in das Dorf zurückgekehrt sei. Die Häuser sind in dieser Gegend viel mehr zerstört als in Tschekiang, aus dem Grunde, weil ihre Bauart einfacher, daher die Zerstörung leichter war. Bei der Einwanderung aus andern Provinzen und der Wiederansiedelung der verwüsteten Strecken sind auch viele Christen in die Gegend gekommen. Sie scharten sich zusammen xmd ließen sich in dem schon früher christlichen Dorf nieder. Die meisten kamen aus der Provinz Hupe. Sie sind in drei Dörfern zerstreut und zähl- ten damals ungefähr 500 Köpfe, sollen sich aber bald vermehrt haben. Es fiel mir auf, daß sehr viel Missionsarbeit an ihnen zu tun wäre; denn wenn sie auch ihre religiösen Vorschriften beobachten, so sind sie doch gerade so neugierig, unreinlich und unwissend wie die andern Chinesen, und die Frauen machen sich durch die künst- liche Verkrüppelung ihrer Füße ebenso wie die andern zur Arbeit unbrauchbar. Der Fehler schien mir darin zu liegen, daß sich der Missionar denUnvollkommenheiten seiner Leute accommodiert, anstatt diese zu sich hinaufzuziehen. Selbst bezüglich der Religion wird den Leuten gar zu viel von ihrem alten Glauben gelassen. In der Kirche hing eine Menge Bilder, deren Darstellung von Teufeln und Höllenqualen die der buddhistischen Tempel an grober Sinnlichkeit übertraf und durchaus nicht geeignet war, sich über das Niveau budd- histischer Anschauung zu erheben.
74 Reisen in Tschekiang, Nganhw^i und Kiangsu.
Das Bekehrungswerk datiert keineswegs aus der Neuzeit. Mit wenigen Ausnahmen sind die Christenfamilien solche, die aus der alten guten Zeit vor 200 Jahren herstammen. Ihrer Religion sind sie durch- aus ergeben: sie besuchen die Messe um 5 Uhr früh, und des Abends hört man in den Häusern die langen eintönigen Familiengebete, wie in den Hochtälern von Tirol. Der Hirt dieser Herde war ein pflicht- getreuer Mann, dem die Seelsorge weit melir zu schaffen machte als sein eignes Wohlbefinden, aber keineswegs der Mann, um seine Leute auch nur einen Zoll über das Niveau des Aberglaubens zu erheben, das ihre Religion kennzeichnet. Statt den Leuten ihre Kirche mit solchen Bildern auszustatten, an deren Darstellung der Pater wohl selbst nicht im entferntesten glaubt, sollte er damit anfangen, den äußeren Menschen umzugestalten und die Leute aus ihrem Schmutz zu einem etwas besserenDasein zu erheben. Zumeinemideal einer industriellen Mission sehe ich nirgends auch nur den ersten Schritt getan. Die Mission ist jedenfalls äußerst erbärmlich dotiert und erhält sich wesentlich aus Beiti-ägen der armen Christen selbst. Hier scheint mir ein anderer großer Fehler der katholischen Missionen zu liegen. Von ihren reichen Mitteln verwenden sie große Summen, um an den Bischofssitzen — Canton, Schanghai, Nanking, Peking — prachtvolle Kirchen zu er- richten und mit einem gewissen imponierenden Pomp aufzuti-eten. Die kleinen Stationen müssen darunter leiden. Es ist schwer einzusehen, weshalb man das Dasein eines GeistHchen zu einer Qual herabdrückt.
Ich machte in Sütsun einen Rasttag. Eines der drei Zimmer war für Gäste bestimmt und wurde mir angewiesen, ein zweites war das Zimmer des Priesters, ein drittes das Refektorium. Ich versuchte, eine Treibjagd auf Wildschweine zu machen, da die Leute auch hier voll waren von Erzählungen über die Verwüstungen, welche die Tiere anrichten. Die Christen hatten sich erboten, das Treiben zu besorgen, da ihnen selbst daran lag, einige der Tiere getötet zu sehen. Sie gingen auf die umliegenden Hügel und machton einen Versuch, den Berg hinabzutreiben, benahmen sich dabei aber so ungeschickt, daß sämtliche Tiere zwischen ihnen durchrannten und wir nicht zum Schuß
Das Ideal der indastriellen Mission. 75
kommen konnten. Das kleine Tal ist recht hübsch. Im Talboden sind Reisfelder, deren Kultur wieder begonnen hat. Daran schließt sich eine breite, sanft ansteigende Böschung von Gebirgsschutt, und aus ihr heraus erheben sich erst die Gehänge der Gebirge. Die Terrasse hat ihre besondere Kultur: sie ist mit einem Wald von Kastanienbäumen besetzt, unter denen terrassierte. aber verwilderte und nicht wieder an- gebaute Reisfelder liegen. An den Gehängen ist viel guter Holzbe- stand mit Stämmen, welche bis 3 Fuß Dicke erreichen : teils Nadel- holz, teils Laubholz von verschiedenen Arten. Die Wälder gehen jetzt ihrer schnellen Ausrottung entgegen. Die gefällten Stänome werden zerschnitten und in Stücken von 3 m Länge auf Schiebkarren nach Schuitung hingebracht, von wo man sie nach Ningkwofu hinabflößt, um sie dann nach Nanking zu verschiffen. Der Rest der Stämme mit allen Zweigen bleibt zum Vermodern Hegen. In wenigen Jahren wird man sich nach dem Holz zurücksehnen, das jetzt so verschwendet wird. Die Benutzung des Berglandes ist, wie in andern Orten so auch hier, für jeden frei, und dies ist ein Grund der Schnelligkeit und über- mäßigen Hast, mit der man die Bäume niedersclilägt, um sie in Geld zu vem'andeln.
An der Landschaft ließ sich erkennen, daß ich das Tal des Yang- tsze im eigentlichen Sinne erreicht hatte. Das Alluvialland an den Flüssen besteht nur in Teilen der Einbuchtungen, welche sich von dem breiteren Talboden des Hauptstromes zwischen die Gebirge hin- ein erstrecken; aber außer Gebirge und Ebene tritt hier noch ein drittes Element formgebend auf. Ich erinnere an die Schichten bei dem Orte Tatung*), wo ein kleines Tempelchen eine Marke für den Schiffer auf dem Yangtszekiang bildet. Ich hatte bei meiner Yangtsze- Fahrt 1869 eigentümliche Schichten beobachtet, die auch hier im Tal eine große Verbreitung haben und eine höchst eigentümliche und rätsel- hafte Rolle spielen. Die Tatung-Schichten, wie ich sie schon damals nannte, bestehen aus groben Konglomeraten von gerundeten RoU-
•)s.BandI, S. 121.
76 Reisen in Tsehekiang, Nganhwei und Kiangsu.
stücken verschiedener Gesteine in einem sandigen, rot oder braun gefärbten Bindemittel. Sie legen sich immer an Gebirge älteren Ursprungs an, und ihre Ablagerung erfolgte erst, nachdem diese unge- fähr ihre jetzige Gestaltung erreicht hatten. Sie sind stets unter Winkeln von 12 — 20 Grad geneigt und fallen an jeder einzelnen Stelle von den Hügeln hinweg nach den angrenzenden Alluvialbecken hin. Wie bei Tatung selbst, so sind sie überall, wo ich sie bisher beobachtete, oben in einer horizontalen Ebene abgeschnitten und büden eine Terrasse, welche 25 — 30 m über die Alluvien aufragt und durch atmo- sphärische Einflüsse und durch die des Wassers eine wellige Ober- fläche erlangt hat. Die Täler sind steilwandig hineingeschnitten, nehmen von dem Ursprung des Baches nach dessen unterem Teil an Breite zu und werden von zwei steilen Abstürzen begrenzt.
Über solche Terrassen hin führte im wesenthchen mein heutiger Weg, nachdem ich die Alluvialebene am Ningkwo-Flusse verlassen hatte. Die Terrasse ist größtenteils mit Gebüsch bedeckt, und in den Scliluchten ziehen sich verwilderte Reisfelder hinab ; zum Teil finden sich auch auf der Höhe Spuren von ausgedehntem früherem Anbau. Hin und wieder kommt man dann zu einem in die Terrasse einge- senkten Tal, und hier wieder ist der Anbau auf dem sehr erti-agfähigen Boden in manchen Sti'ecken sehr ausgedehnt. So ist z. B. der 5 li breite Talboden eines von SW herkommenden Baches, wo der Ort Hwangtu liegt, von den neuen Ansiedlern wieder in eine prachtvolle und reiche Reisebene verwandelt worden. In diesem Reisfelder -Tal gingen wir fort. Auf dem ganzen Wege war die Aussicht nach Norden oflen und frei gewesen. Weithin breitet sich nui- die Tatung -TeiTasse mit ein- gesenkten Alluvialtälern aus ; gegen Süden aber erhebt sich eine 4 — 500 m hohe Bergkette, deren nördlichem Fuße mein Weg sich mehr und mehr näherte. Zuletzt traten wir in das Gebirge ein. Die Landschaft ist hier noch einmal sehr lieblich und schön. Die Haupt- kette ist bewaldet, und in den Tälern steht viel hohes Holz, das Ge- büsche unter der Feld- und Wiesenwildnis bildet. Dies ist eine von der Natur reich gesegnete Gegend, und der Mensch könnte sie mit
Wieder im Bereich der Yangtsze-Terrassen. 77
leichter Mühe in einen Garten verwandeln. Zwischen zwei scliifFbaren Flüssen gelegen und mit großen Strecken fruchtbaren Bodens ver- sehen, besitzt sie alles, was für den wirtschaftlichen Aufschwung er- forderlich ist; aber noch lange wird der Chinese nicht imstande sein, sie bedeutend über den Standpunkt zu erheben, auf dem sie sich vor der Zeit der Rebellion befand.
Am 16. Juli ging ich durch den Steinkohlendistrikt von Kiuli- tschwan, welcher das Ziel der Abweichung von der großen Straße gewesen war. Er liegt in Hügeln, welche der erwähnten Bergkette im Norden vorliegen und sie von dem Yangtsze-Tal trennen. Die geo- logischen Verhältnisse waren nicht leicht zu erforschen, und ich konnte sie nur in Umrissen festsetzen. Ich will hier nur anführen, daß Kiuli- tschwan zwischen dem 500 m hohen Sandsteingebirge im Süden und einem Mauerabfall von Kalksteingebirge im Norden gelegen ist. Der Weg führt an diesem Abhang hinauf. Man sieht die Kalkschichten deutlich nach NW einfallen, und sobald man die Höhen des ge- wöhnlich als Pukischan bezeichneten Gebirges erreicht hat, beginnt eine Auflagerung von Sandstein. In diesem sind die alten Halden der Kohlengruben in einer Reihe angeordnet. Da die Chinesen ein Flöz immer nur durch denselben Schacht bebauen, so deutet dies darauf hin, daß nur ein einziges Flöz hier vorhanden ist. Die Schachte sollen 15 — 30 m tief gewesen sein, sind jetzt voll Wasser und hatten auch in früherer Zeit schon viel mit Wasser zu kämpfen; daher war auch der Preis der Kohle stets ein ungewöhnlich hoher. Noch immer be- sitzen diese Kohlengruben einen großen Ruf in der Gegend, aber während der Taiping-Rebellion wurden sie verlassen. Die jetzigen Bewohner haben sie nicht wieder geöffnet, weil die Arbeitskraft gering und die bergbaukundige Bevölkerung vernichtet ist, doch fand ich einige Einwohner von Hunan bei der Arbeit, eine der Kohlen- gi-uben wieder zu erscliließen. Die Mächtigkeit des Kohlenflözes soll sehr unregelmäßig sein und an manchen Stellen mehr als 2 m er- reichen. Die Kohle wurde zum Teil in großen Stücken gefördert und soll fast ohne Flamme und Rauch gebrannt haben. In chinesischen
78 Reisen in Tschekiang, Nganhwei und Kiangsu.
Büchern ist sie mit demselben Namen bezeichnet, den man für An- thrazit anwendet. Daß sie eine diesem ähnliche Beschaffenheit haben muß, geht auch aus der Form der Tonöfen hervor, welche ich in diesem ganzen Distrikt in Anwendung fand und die speziell für einen starken Luftzug gebaut sind.
Seitdem dürfte die Wiedereröffnung der Gruben weiter vorge- schritten sein, und es wäre wohl der Mühe wert, die Untersuchung des Kohlendistriktes zu wiederholen. Die Lage an einem schiffbaren Nebenfluß des unteren Yangtsze ist jedenfalls sehr günstig und würde der Kohle leicht einen guten Markt vorschaffen. Es müßte allerdings, um größere Arbeit einzuleiten, erst festgesetzt werden, in welcher Aus- dehnung das Kohlenflöz erhalten ist. Die jetzigen Gruben erstrecken sich in der Länge von einer deutschen Meile, und da der Gebirgs- bau sclir einfach ist, so wird es sich leicht feststehen lassen, ob das Flöz noch weiter fortsetzt. Dies ist das einzige Kolilenrevier am unteren Yangtsze, welches mir nicht ganz aussichtslos erschienen ist ; auch auf den Ruf, den die Kohle besitzt, und auf die Ausdehnung der früheren Kohlengruben ist etwas zu geben. Wie aber so häufig in China, so ist auch hier der beste Teil der Kohlenformation nur noch in kleinen Fragmenten übrig. Eines derselben ist bei Kiulitschwan, ein anderes soll 15011 gegen SW gelegen sein, 60 li südwestlich von Kinghsien. Letzterer Ort ist sogar noch berühmter als Kiulitschwan und soll die beste Kolile der Provinz geliefert haben.
Von den Kohlengruben kam ich nach dem kleinen Dorf Tschöu- yangtsun. Noch immer war mein Plan, über Kinghsien nach Tatung zu gehen, aber anstatt des auf den Karten angegebenen Gebirgslandes sah ich nach dieser Richtung nur offenes Land mit einzelnen zerstreuten Höhenzügen und Hügelgruppen, und der Weg soll fast nur über Ebenen führen, so daß nur geringe Aussicht auf erfolgroiclie Studien vorhanden war. Dazu kam, daß meine Gesellschaft von den Strapazen sehr an- gestrengt war und der Gebrauch von Medizin immer häufiger wurde ^ besonders wru-de SpHngaert, an dessen Gesundheit vor allem viel ge- legen war, öfters unwohl. Ich gab daher die Reise auf imd erkundigte
Beachtenswerte Kohlenlager. 79
mich nach dem nächsten Schiffalirtsplatz, um nach Wuhu zu fahren. Man gab mk den Markt Matöutschönn an, welcher noch 45 li ent- fernt sein sollte.
Die Bewohner dieser abgelegenen Gegenden waren stets zuvor- kommend und der Umgang mit ihnen sehr angenehm; sie erwiesen sich als gefällig, mitteilsam und zuverlässig. Der Weg führte nun über einen AVechsel von Ta tung-Terrasse und nach Norden gerichteten, in diese eingesenkten Tälern. Am Abend kamen wir nach Tantsun, einem kleinen ärmlichen Dorfe. Die Bewohner waren so artig, mich selbst aufzufordern, bei ihnen zu bleiben, und versprachen, für alles, was nötig sei, zu sorgen. Das taten sie auch. Ein solcher Fall ver- dient besondere Erwähnung, da sich dies nur selten ereignet: es war ein Intermezzo, welches an den Empfang in japanischen Dörfern er- innerte. Zum letzten Male quartierten wir uns in einen verfallenen Tempel ein, den die Ortsbewohner selbst sofort reinigten und mit allerlei herzugeschleppten Sachen möblierten. Dazu kam ein prächt- tiges Bad in dem klaren Gebirgsbach unter hohen Bäumen. Nur das war schwer zu begreifen, daß trotz des Reichtums, den die Natui' ihnen bietet, diese Leute so arm waren.
Je mehr wir uns am folgenden Tage dem noch 30 li entfernten Marktflecken näherten, desto breiter wurden die Täler zwischen der Terrasse. Diese selbst behielt immer ihren Charakter bei: sie war nicht angebaut, nur mit Gesträuch und wildem Graswuchs bedeckt; kein Dorf stand auf ihr, höchstens einmal ein einzelnes Haus. Hier und da war eine größere Sti-ecko von Wald. Der Verkehr war ge- ring, und es kostete uns viele Mühe, die richtige Straße nicht zu ver- lieren. In den Tälern dagegen erblühte neues frisches Leben, und in den zerstörten Dörfern hatten sich Ansiedler von anderen Pro- vinzen festgesetzt.
Die Bevölkerung änderte sich, so bald wir den Ort Matöu- tschönn erreichten, denn Schiffe vom Yangtsze bringen Leute hierher, welche bereits Fremde gesehen und die Achtung vor ihnen verloren haben. Wieder begegneten wir der so unangenehmen Familiarität,
80 Reisen in Tschekiang, Nganhwä und Kiangeu.
der wir nur ein schroffes Benehmen oder Indifforentismus entgegen- setzen können. Es war hier jedoch kein Boot zu mieten, und wir mußton noch 30 li weiter hinabgehen nach dem Ort Tsingikiang- tschönn. Dies war ein sehr genußreicher Fußweg: teils am Fluß hin auf hohen, zum Schutz der anliegenden Felder errichteten Dämmen, teils auf den die Krümmungen des Flusses abschneidenden Wegeu. Hier hatte sich bereits wieder eine dichte Bevölkerung angesammelt: es gab große Dörfer, und in ihnen war viel Leben. Die Leute kamen in großen Gruppen zusammen, um uns zu sehen, hier und da fanden wir schlechte und dann auch wieder einmal eine recht gute Aufnahme. Die Felder standen in höchster Üppigkeit, nur ein geringer Teil diente dem Reisbau. Unter den vielen angebauten Pflanzen nahm besonders Hanf eine hervorragende Stellung ein : ganze Felder waren mit 3 — 4 m hohen Stengeln bedeckt. Die Spuren der Rebellion waren hier schon fast ganz verwischt, die Tempel wiederaufgebaut, die Häuser bewohnt; auf dem Flusse herrschte Verkehr, und ich habe selten in China ein so reiches, üppiges Land zu sehen Gelegenheit gehabt. Spät Abends kamen wir an einem Landzipfel an, welcher an der Vereinigung zweier bei Tsing i kiang tschönn zusammenfließender Flüsse liegt. Gegenüber dehnte sich der Marktflecken als eine lange Reihe von Lichtern aus, und auf dem Fluß lagen Boote in großer Zahl.
Wir hatten erwartet, noch am Abend ein Boot mieten zu können und auf demselben zu übernachten. Splingaert mußte hinübergehen, um mit Hilfe unserer Kulis ein Boot zu requirieren. Nicht ohne Ban- gigkeit sah ich ihn gehen, und als das Schiff auf der andern Seite landete, hörte ich die Leute rufen. Der dichte Volkshaufen wuchs immer mehr an, und ich begann sehr besorgt um ihn zu werden. Die Rufe „Fremder Teufel!" und „Schlagt ihn tot!" mehrten sich und gellten in schauerlicher Weise durch die dunkle Nacht herüber. Er hatte eine harte Zeit und kam mit einigem Entsetzen über die Auf- nahme zurück. Da die Insulte erst angefangen hatten, als er im Orte selbst und vom Fluß entfernt war, so war er nicht ohne Mühe und Gefalir zu seinem Boote zurückgelangt, natürlich ohne seinen Zweck
Wieder am Yangtsze. 8 1
erreicht zu haben. Wir machten uns ein Lager unter freiem Himmel zurecht. Die hohen Hanfstengel auf den Wiesen erwiesen sich als sehr günstig, um die besonders hier unentbehrlichen Mosquitonetze zu befestigen. Es wurde ein kleines Feuer angemacht, und so erwarteten wii' den nächsten Morgen. Nach alter Erfahrung wußten wir, daß die Aufregung einer Volksmenge in China morgens stets am geringsten ist und mit jeder Stunde des Tages bis zum Abend wächst, bis sie dann bei vollständiger Dunkelheit wieder zurücksinkt. Da wh- nun vor der Sonne aufwachten, so trafen wir, indem wir sogleich die Ex- pedition unternahmen, die Leute in ruhiger Stimmung, und es gelang uns bald, ein Boot zu mieten.
Wir hatten noch 15011 bis Wuhu zu fahren und legten diese Strecke in zwei Tagen, am 17. und 18. Juli, zurück. So angenehm die Ruhe war, so bot sich doch einerseits der Beobachtung nur wenig dar, andererseits wurde die Behaglichkeit durch den schlechten Charakter der Bevölkerung gestört. Immer fanden wir es an diesen kleinen Wasser -Verkehrsstraßen abseits vom Yangtszö am sclilimm- sten, nirgends \vird der Fremde mehr insultiert. Zum Glück gewährt das Boot eine Gelegenheit, sich den Leuten möglichst wenig zu zeigen.
Mit Wu hu betrat ich wieder ein schon bekanntes Terrain, da ich den Ort bei meiner Falirt auf dem Yangtsze besucht habe. Ich sagte bereits, daß die Dampfschiffe hier Halt machen, um Passagiere auf- zunehmen; es wird aber nur mitten auf dem Fluß der Dampf für eine Weile abgestellt, um die auf kleinen Booten vom Ufer mit ihrem Ge- päck herankommenden Reisenden aufzunehmen. Zur Unterkunft der Passagiere an der Station am Ufer ist fast gar nichts getan. Es steht dort ein kleines unreinHches chinesisches Haus mit einigen Tischen und Bänken, wo wir einen halben Tag verbringen maßten, bis endlich der ersehnte Dampfer den Fluß hinab in Sicht kam. Ich entließ hier meine Kulis, welche über die durch die Reservierung bedeutend an- gewachsene Zahlung sowie über die freiwillige Zulage, die ich ihnen wegen ihres guten Benehmens in der letzten Zeit gab, hoch ei-freut waren. Ich erbot mich auch, sie von Wuhu bis Schanghai frei zu be-
Richthofen, Tagebücher, II. Baud. 6
82 Eeisen in Tschekiang, Nganhw^i und Kiaugsu.
fördern, von wo aus sie dann für einen billigen Preis nach Ningpo hätten fahren können; es wäre dies eine Reise von zwei oder drei Tagen für sie gewesen. Allein, sie zogen vor, auf dem von mir zu- rückgelegten Wege bis nach Tunglu zurückzugehen und von dort den Weg nach Ningpo zurück zu machen. Dieselbe Gegend, welche ihnen früher so grausige Schrecken bot, war ihnen nun, nachdem sie sie kennen gelernt hatten, so anziehend geworden, daß sie dem Zuge nicht widerstehen konnten, sie noch einmal zu durchstreifen, und die meisten von ihnen sprachen die bestimmte Absicht aus, im Fönn schui- Tal sich niederzulassen. Nur den gelehrten Kidi und einen zweiten, der sich durch seine stete Ruhe und Willfährigkeit ausgezeichnet hatte, behielt ich in meinem Dienst.
Am 20. Juli erreichte ich Tschingkiang. Ich lernte hier den Verweser des Zollamts, Herrn Detring, kennen, in welchem ich einen ebenso liebenswürdigen wie feingebildeten Landsmann fand. Er for- derte mich sofort auf, bei ihm zu wohnen, und ich genoß neun Tage lang seine Gastfreundschaft. Ein großes Haus war ihm zur Vorfü- gung gestellt, das sich an Komfort und Eleganz mit jedem ähn- lichen Hause in Schanghai messen konnte. Erst bedurfte ich einige Tage der Ruhe, denn die Reise war sehr anstrengend gewesen ; dann ging ich ans Arbeiten, wozu dies ein vorzüglicher Platz war, da ge- sellschaftliche Rücksichten nicht hindernd in den Weg traten. Die Hitze war jedoch so groß, daß geistige Anstrengung nicht möglich war. Ich merkte jetzt erst, daß man die Hitze bei ruhigem Aufenthalt an einem Ort weit mehr fühlt, als wenn man sich herumbewegt, wie ich es in der vorausgegangenen Zeit getan hatte. Man sitzt in den Häu- sern in einer ruhigen feuchten und überhitzten Atmosphäre, während man in freier Luft jede Bewegung des Windes gewahr wird. Es gingen wälu-cnd der Zeit viele starke Gewitter nieder, und die letzten Tage des Juli waren andauernd regnerisch.
Ich hatte schon längst den Plan gehabt, die Hügel von Tsching- kiang und Nanking, deren innerer Bau durchaus schwierig zu sein schien, zum Gegenstand einer detailherten Untersuchung zu machen,
Weitere Streifzüge am Yangtsze. 83
und beschloß nun, diesen Plan auszuführen. Bezüglich der Eeise- methode hatte ich die Wald, ob ich zu Fuß, zu Pferde oder zu Boot gehen wollte. Die erste Methode erlaubt, tiberall hinzugelangen, aber man kommt mit den Kulis langsam vom Fleck ; auch waren meine beiden Begleiter von der vorhergehenden Reise noch stark mitge- nommen. Zu Pferde zu reisen ist für Aufnalimen im Detail ein schlech- tes Verfahren, denn man muß über Nacht an den großen Plätzen an der Straße bleiben, was in diesem TeUe von China noch besondere Unannehmlichkeiten hat. Ich wählte daher das Boot, um so mehr da ich von dem bereits eingetretenen hohen Wasserstande profitieren und alle während des niedrigen Wasserstandes nicht existierenden Kanäle benutzen konnte. Eine wandernde Nachtstation mit ausgepackten Koffern bot eine angenehme Abwechselung nach den Beschwerden einer Fußreise.
Ich mietete ein nur sehr kleines Boot, um auch in die kleinen Kanäle gehen zu können, für den geringen Preis von 1000 Cash den Tag. Meine Gesellschaft bestand aus Splingaert, meinem Boy Jim, meinen beiden Kulis und einer FamUie von sieben Köpfen, welche die Bemannung des Bootes bildete. Nach gehöriger Verproviantierung schickte ich das Boot voraus. Abends fuhr ich mit Herrn Detring hin, und wir besuchten noch unterwegs in strömendem Regen den Kin- schan oder Goldberg, ein kleines Felsriff, das westlich von Tsching- kiang am Flußufer aus Alluvien aufsteigt. Hier war im letzten Jahre auf Kosten des Mandarin, der das Salzmonopol an der Mündung des Großen Kanals und dadurch eine der einträghchsten Stellungen im Reich hat, ein großer und schöner Tempel an Stelle des früheren zer- störten gebaut worden, an welchem es sich deutUch erwies, wie wenig die Chinesen von ihrer Architektur verlernt haben, wenn sie nur Geld bekommen, um sie richtig zur Geltung bringen zu können. Hier hatte man nichts gespart: Architekten und Künstler von Ruf waren von verschiedenen Orten des Reiches berufen worden, um den Bau aus- zuführen. Der Gesamteindruck des jetzigen Tempels, dessen einzelne Baulichkeiten terrassenförmig am Kinschan ansteigen, ist malerisch:
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8^ Reisen in Tschekiang, Nganliwei und Kiangsu.
die großen Portale mit mächtigem Oberbau, das auf zwei Stützen aufgebaute, weit vorspringende Dach mit seinen hoch aufgebogenen Ecken — alles ist ganz so konstruiert wie bei den Tempeln aus alter Zeit. Man erkennt aber an der Konstruktion, wie äußerlich der massive Eincb'uck ist, denn das Holzwerk ist durchgängig nur leicht, und der schwer erscheinende Aufbau ist aus dünnen Balken konstruiert. Auch sieht das Werk nur im großen gut und vollendet aus, im Detail fehlt ganz die Genauigkeit der Zimmer- und Tischlerarbeit, welche man in Japan so allgemein findet.
Interessant war die Anfertigung der Götzen, deren wolü über Hundert von einem Künstler aus Tschekiang in allen Größen und zum Teil mit phantastischer Gruppierung hergestellt ^vurden. Das Haupt- material besteht aus Lehm, der mit Baumwolle und langen zähen Fasern versetzt ist. Ein Stück Holz oder mehrere zusammengesetzte Stäbe geben die Stellung der Figur an. Um dies Gestell wh-d Lehm ge- schmiert, und bald entsteht eine Figur, die in Umrissen schon den Tj|3us zeigt, den man so oft gesehen hat. Es folgt darüber eine Lage von Baumwollenton, in welcher die bestimmtere Nuancierung ange- bracht wird, und darüber endlich wird eine Schicht von Cement ge- strichen — dann ist die Figur zum Vergoldet- und Bemaltwerden fertig. Jede einzelne Figur nimmt lange Zeit in Anspruch, da die einzelnen Schichten der Masse ti-ocknen müssen, aber der Künstler ist mit allen gleichzeitig beschäftigt. Es sind althergebrachte Formen, dennoch gehört doch viel Geschick dazu, um die Figuren aus freier Hand und ohne Modell, besonders wo der Gesichtstypus eine andere Rasse be- kundet oder eine besondere Grazie in der Haltung des Körpers be- absichtigt wird, zu arbeiten. Besonders beachtenswert war eine Gruppe an der Rückwand des Hauptaltars mit der Mutter des Buddha in der Mitte und verschiedenen ehrfurchtbezeugenden Figuren rings herum, von denen manche auf freistehenden Lotosblumen knieten. Auf einer der höheren Stufen des Tempels hat sich der Salz-Mandarin eine ringsum von Glaswänden umgebene Gelegenheitswohnung gebaut, welche eine prachtvolle Aussicht auf die Ebene und die Gebirge
Götzenfabrikation. g5
gewährt und ein unvergleichlich schöner Ort für ein Künstler-Atelier wäre.
Wir fanden das Boot in einem Ideinen Kanal liegen, der beim Kinschan vom Yangtsze südlich abzweigt und sich dann in größerer Erstreckung von ihm liält. Dort bestieg ich mein Boot, das inzwischen hübsch hergerichtet war, und Herr Detring kehrte nach Tsching kiang zurück. Ich hielt mich bei dem folgenden Ausfluge, den ich am 30. Jidi begann und am S. August beschloß, stets an die kleinen Kanäle im Süden des Flusses und machte verschiedene Stationen, soweit es die Ausdehnung der Wasserstraße zuließ. Von da aus unternahm ich dann Ausflüge zu Fuß oder auf Eseln in die Gebirge, von denen ich eine genaue Detailkarte anfertigte. Die Landschaft ist von Interesse, teils wegen ihres verwickelten Gebirgsbaues, teils wegen der Nähe von Schanghai. Es ist das erste Gebirge, wenn man den Yangtsze- Strom aufwärts fährt, und bietet sich dem flüchtigeren Besucher als ein bequemes Ziel für kleinere Ausflüge dar. Ich will mich darauf beschränken, einen Gosamtüberbhck des Gebirges zu geben, und dann, ohne mich an die Zeitfolge zu halten, einzelne meiner Exkursionen näher beschreiben.
Wenn man von Schanghai den Yangtsze hinauffährt, so erheben sich aus der weiten einförmigen AUuvialebeno hier und da vereinzelte Hügel, welche früher Inseln im Meere gebildet haben und jetzt ebenso als Inseln in der Ebene erscheinen. Sie beschränken sich auf die Ge- gend südlich vom Fluß ; nördlich schweift das Auge über ununterbro- chene Ebene. Kurz ehe man Tschingkiang erreicht, scharen sich die Hügel etwas dichter, und von der Silber-Insel aus, dicht unterhalb der großen Handelsstadt, erkennt man im Süden des Flusses ein weiter ausgedehntes, zusammenhängendes Hügelland. Die Stadt Nanking liegt beinahe 10 Meilen in westlicher Richtung. Der Fluß macht dort eine kleine nördliche Biegung und strömt nach Tschingkiang in breitem, wenig gebogenem west-östlichem Lauf. Fälirt man auf dieser Sti-ecke, so sieht man im Süden kahle Hügel, bis zu deren Fuß sich das Allu- viaUand erstreckt; nur hier und da wird es durch eine Terrasse von
gg Reisen in Tscliekiang, Nganhwei und Kiangsu.
Löß von dem Fuß der Hügel getrennt. Steigen wir über das Gebirge hinüber, so sehen wir, daß es von nur geringer Breite ist. Dort, wo sie am beträchtlichsten ist, beträgt sie nur zwei deutsche Meilen, und nach Westen wie nach Osten nimmt sie ab. Besteigt man einen Gipfel, so läßt sich das Hügelland niu* mit großer Schwierigkeit gliedern, und nicht geringer ist diese für die Entwirrung des geologischen Baues des Gebirges.
Die kleine Silber-Insel, der Hügel, auf dem die Pagode steht, nebst dem Felsen, an welchen sich die englische Gesandtschaft in der europäischen Niederlassung anlehnt, und das kleine Eiff des Gold- Borges bezeichnen eine Kette, deren Gipfel meist unter der Ebene verborgen sind. Außer den erwähnten, nur wenig über den Fluß und die Ebene hervorragenden Kuppen ist sie noch weiter westlich durch einzelne Felsen angedeutet, welche unter der Bedeckung von Löß auftauchen. Diese fast unsichtbare Frontkette zeichnet sich vor dem ganzen übrigen Gebirge dadurch aus, daß sie aus sehr alten Gesteinen besteht. Südlich von ihr erhebt sich dicht bei Tschingkiang ein kleines Gebirge; westlich gehend sehen wir bald zwei bis drei Parallelketten, welche zuweilen durch Querriegel verbunden sind. Die meisten dieser kleinen Höhenzüge sind von West nach Ost gerichtet, doch folgen mehrere, insbesondere die bei Nanking, dem allgemeinen Streichen der Gebirge des südöstlichen China von WSW nach ONO. Die meisten Erhebungen betragen nur 200 — 250 m über der Ebene, nur wenige ragen bis zur Höhe von 300 — 400 m auf Zur größeren Bequemlich- keit nennen wir das Ganze das Nanking-Gebirge. Eine Terrasse von gelbem Löß, 25 — 60 m hoch, umhüllt sie von allen Seiten und füllt die Zwischenräume zwischen den einzelnen Ketten aus ; an dem nörd- lichen Abhänge erstreckt sie sich in der Gestalt mehrerer Zungen in die Alluvialebene — der Überrest einer einst allgemeinen Lößbe- deckung. Im Westen nimmt sie einen bedeutenden Teil des Stadt- grundes von Nanking ein und verbindet das Nanking-Gebirge mit den nächsten südwestlich gelegenen Hügeln. Im Süden dehnt sie sich weit gegen die AUuvialobcne um den Tai hu (-See) hin aus, und im Osten cnd-
Das Nanking-Gebirge. 87
lieh verbindet sie die Hügel von Tschingkiang mit einigen weiter hinaus- gelegenen Ausläufern. Dem Gebirge gegenüber, am nördlichen Ufer des Yangtsze, nimmt der Löß eine weit hervorragendere Stellung ein. Er bildet dort ein Plateau mit welliger Oberfläche, dessen Gestalt und Ausdehnung ganz unbekannt sind und dessen Höhe wahrscheinlich nicht mehr als 60 m beträgt. Das Alluvialland am Fluß hat dort nicht mehr als Y^ bis 1 '/a Meilen Breite. Über der Löß-Terrasse erheben sich jene 12.5 — 200 m hohen einzelnen Kegel, von denen wir einige als erloschene Vulkane kennen gelernt haben,*) während andere die Überreste eines vulkanischen Tafellandes zu sein scheinen. Der eigen- tümliche Charakter der Umrisse gibt der Landschaft dort ein von den südlichen Hügeln weit abweichendes Gepräge. Erst gegenüber von Nan- king erhebt sich wieder ein geschlossenes Gebirge, dessen Umrisse eine Ähnlichkeit der Zusammensetzung mit dem Nanking-Gebirge verraten. Das Nanking- Gebirge kann mit den Hügellandschaften von Tschekiaug und Nganhwei an Schönheit nicht verglichen werden, obgleich es nicht ganz ohne malerische Szenerie ist. Sein größter Reiz besteht in den Aussichten, welche man von den höheren Gipfeln genießt. Das Tal des Yangtsze mit seinem majestätischen Flusse, dem Labyrinth seiner Kanäle, seinen zahllosen Dörfern und Städten und dem Reichtum seiner Bodenprodukte breitet sich weithin aus, und jenseits bilden die Vulkane einen ebenso interessanten als schönen Rahmen des Panoramas ; einige von ihnen sind nur noch in schwachen Umrissen am Horizont erkennbar. Selten bietet der Blick von einem hohen Gipfel so vollkommen das Bild einer Land- karte, wie es hier durch die vielen geraden Linien entsteht, die sich in Kanälen, Feldergrenzon und Fußpfaden wiederholen und unter allen Winkeln aneinander stoßen. — Bei der weiteren Betrachtung haben wir stets drei Elemente der Bodengestaltung: die Alluvialebene mit ihren Verzweigungen in das Innere des Gebirgslandes, die Löß- Terrasse und die Hügel, getrennt zu halten.
*) s. Band I, S. 129.
88 Keisen in Tschekiang, Nganhwei und Kiangsu.
Ich wiederholte diesmal die Untersuchung der westlichsten Aus- läufer des Gebirges in der Stadt Nanking und zunächst östlich davon, da sie mir bereits von meiner früheren Exkursion bekannt waren. Der her- vorragendste Gegenstand in der Landschaft ist dort der langgezogene Rücken des Tschungschan, dessen Profil in charakteristischer Gestalt mit seinem steilen Nordabbruch und dem langgedehnten Südabhang, an welchem die Ming-Gräber gelegen sind, von vielen Orten sichtbar ist. Ihm parallel schließen sich im Norden einzelne Hügelreihen an, welche aus der Löß -Terrasse aufragen und deren letzte mit der steilen Felswand am Hufeisenkanal endigt. Im Osten grenzt daran ein Alluvialtal, jenseits dessen sich der Sisiaschan oder Single Tree-Hill mit 290 m Meereshöhe erhebt, dessen ich schon bei Gelegenheit meiner früheren Besuche dieserGegend erwähnte.*) Auch jetzt stattete ich dem sehr interessanten Berge einen Besuch ab.
Ich ankerte an der Westseite des Berges, die ich früher zu Wasser nicht hatte erreichen können, und besuchte wieder die male- rische Schlucht, in welcher der Tempel gelegen ist. Er ist ebenso wie das bedeutende Kloster von den Rebellen ganz zerstört worden, nur die fest gebauten Pagoden haben sie stehen lassen. Die Gebäude waren in Terrassen an den Abhängen hinauf angeordnet; sie stammen aus einer sehr alten Zeit, und es ist einst großer Fleiß auf ihren Bau verwendet worden. An der Marmor-Pagode, einer von jenen, welche noch stehen, ist mehr und bessere Skulptur vorhanden, als man sonst in diesen Teilen von China zu sehen gewöhnt ist. Üppiges Strauch- werk bedeckt die Ruinen und das ganze Tal, und nur wenige Priester fristen hier jetzt ein kümmerliches Dasein. Hirsche und Fasanen da- gegen finden eine Freiheit, welche ihnen früher kaum gewährt worden sein mag. In einigen Felsgrotten sind die Wände mit Skulpturen sehr einfacher Art, besonders Buddha-Bildern, bedeckt. In später Abend- . stunde bestieg ich den Gipfel und überblickte die reiche Ebene zu meinen Füßen. Man sieht im Westen den hohen Tschung schan und.
*) 3. Band I S. 73, 128.
Auf dem Gipfel des „Berges mit dem einzelnen Baum". §9
ZU seinen Füßen die Mauern von Nanking, und es gewährte mir hohes Interesse, in dem mir jetzt in seinen Details bekannten Hügelland im Süden und Osten die einzelnen Wege aufzusuchen, die ich genommen hatte, und die einzelnen Gebirgsgliederungen herauszufinden, wie sie sich mir ergeben hatten. Auf dem Gipfel stand noch immer der ein- zelne Baum, welcher dem Berg seinen englischen Namen gibt; seine Zweige sind alle landeinwärts gekehrt, und er sieht aus wie ein Besen und ist von Stüi'men mehr mitgenommen worden als von den Rebellen. Diese wollten ihn umschlagen, aber bei dem ersten Schlag mit der Axt kam Blut heraus, und dies hielt sie von weiterer Verletzung des Heiligtums ab; den danebenstehenden Tempel aber zerstörten sie ganz. Das Metall, welches in den Glocken gefunden wurde, wui-de zu Kanonen -Material verwendet. Ein wohlgepflegter, gepflasterter, breiter Weg verband einst den unteren mit dem oberen Tempel, und noch jetzt kann mau den Anstieg auf ihm mit Bequemlichkeit machen, wenn er auch zum Teil überwachsen und verwildert ist. Eine schmale Zone von Kalkklippeu , welche an dem unteren Tempel aus dem Boden auftragen, setzt, durch Verwerfung in mehrere Teile getrennt, nach dem Gipfel fort, und der Härte dieses Gesteins mag derselbe seine Erhaltung und hochaufragende Gestalt zum Teil verdanken.
Ich stieg diesmal an der Nordseite des Kalkzuges hinab. Hier ist das Gestein durch das Auftreten von Eisen- und Mangan-Erzen charakterisiert, welche zum Teil als manganhaltiges Eisenerz, zum Teil auch in Gestalt von reinem Limonit und Braunstein auftreten. An mehi-eren Stellen sind ausgedehnte Halden, welche die Grubenbaue einer früheren Zeit andeuten, deren sich die jetzigen Bewohner nicht mehr erinnern können. Es scheint, daß, wenn man Brennmaterial er- halten könnte, sich hier eine ganz lohnende Eisenindusti-ie eröffnen ließe. Das Hügelland, welches sich an den Berg anreiht, ist früher in gi'oßen Strecken unter Kultur gewesen; besonders bei dem Abstieg auf der nordösdichen Seite erkennt man noch die weit ausgedehnten teri'assierten Felder, die aber jetzt ganz überwuchert sind. Der Ver-
90 Reisen in Tschekiang, Nganhwui und Kiangsu.
kehr ist so gering, daß man nur selten einen Fußpfad findet, der das Fortkommen erlaubt.
Südöstlich vom Sisiaschan überblickt man ein großes kreis- förmiges Tal, in dessen Zentrum der Jlarkt Tungyang gelegen ist und das im Osten wie im Süden von den größten und geschlossensten Ge- birgen des ganzen Zuges begrenzt wird. Die Gewässer sammeln sich strahlenförmig und vereinigen sich zu einem Talbach, der von Tung- yang aus schiffbar ist und in den Kanal mündet, welcher am Nordfuß des Nanking-Gebirges den Lokalverkehr vermittelt. Ich legte bei Tungyang an und unternahm von hier aus zwei größere Ausflüge, deren einer nach dem Hwaschan oder Blumenberg, dem höchsten Zug des ganzen Gebirges gerichtet war, während das Ziel des zweiten die Untersuchung der Kohlengruben bei Pahweimiau war. Unter allen Bergen zwischen Tschingkiang und Tungyang zeichnet sich der Hwa schan am deutlichsten außer durch seine Höhe auch diu-ch seine Gestalt aus. Er erscheint als ein Doppelhorn, dem sich im Westen ein Zug mit einer breiten Kuppe anschließt. Auch von Tungyang aus fällt er durch seine dunklen waldigen Gehänge und schönen Formen auf. Es schien, daß die Vegetation die Besteigung bei der großen Hitze unmöglich machen würde, doch erfuhr ich, daß irgendwo in dea Schluchten des Gebirges ein großer, den Fremden in Schanghai und Tschingkiang noch nicht bekannter Tempel Pau hwa schan gelegen sei, welcher 18 li von Tungyang entfernt sein sollte.
Ich mietete Esel zum Eeiten und brach mit meiner ganzen Ge- sellschaft auf. Es war ein prächtiger Ritt. Das Lungtan-Gebirge zur Linken, den langen Westabfall des Hwaschan zur Rechten, ging es ostwärts hinan, erst durch Reisfelder und dann zwischen die mit dichten Gebüschen bedeckten Ausläufer, die sich von rechts und links herab- zogen, hinein. Näher und näher treten sie aneinander und reichen sich schließlich in einem niedrigen Paß die Hand. Schon etwas vor diesem geht ein freier mit Ziegelsteinen gepflasterter Weg rechts ab in eine Schlucht des Hwaschan und dann an dessen Gehängen hinauf. Auf das Höchste war ich erstaunt, unter diesen sonst so kahlen Ge-
Der „Blumenberg". 91
birgen hier ein wahres Juwel von ursprünglicher Vegetation zu finden. Alle ihre reichen Schätze übersieht man hier mit einem Blick : das Auge schwelgt in der Üppigkeit und Mannigfaltigkeit. Es ist eine wahrhaft ti'opische Blätterfülle ; hoch schießen die Sträucher auf, und rankende Pflanzen verweben das ganze in ein fast undurchdringliches Dickicht. Darüber ragen hohe Bäume auf, die zwar den Wald nicht ersetzen, aber doch zeigen, wie er hier sein könnte. In einem Land, wo, wie am unteren Yangtsze, die Hand des Menschen den Boden zu einem üppigen, aber einförmigen Kulturland ohne landschaftlichen Reiz um- gewandelt hat und die Natur auch jetzt an den verwilderten Stellen noch nicht völlig in ihre Rechte wieder eingetreten ist, war es unge- mein wohltuend, ein Stück reiner Natur zu finden, an dem sich die Sinne weiden konnten. Es war mir unbegreiflich, vne ein solcher Ort, so nahe bei Schanghai gelegen und in einem halben Tage von Tschingkiang aus erreichbar, den dort wohnhaften Fremden gänzlich entgangen sein konnte.
Ehe man die Höhe erreicht, kommt man zu einer offenen Halle, einer Art Belvedere, schön gebaut, mit einem von Säulen getragenen Dach, allein für den Genuß der Aussicht errichtet. Die jetzige Gene- ration weiß diesen ästhetischen Zweck nicht mehr zu schätzen: sie läßt einen Baum stehen, der inzwischen aufgewachsen ist und die Aussicht verdeckt. Dennoch war auch meine Begleitung betrofl^en, als die Leute von diesem Punkte auf die Fülle des üppigen Pflanzenwuchses hinab- blickten, der die ganze Schlucht bedeckte. In früherer Zeit mag die Schönheit nicht so groß gewesen sein: erst dadurch, daß in den elf Jahren, die seit der Zerstörung durch die Rebellen verstrichen waren, die Vegetation frei und ungehindert sich hat entwickeln können, ist der Reichtum gesehafi'en worden, wie ich ihn jetzt vor mir sah. Vom Belvedere gelangt man bald zu einigen zerstörten Gebäuden und dann in einer breiten baumreichen Einsenkung an der Nordseite der tiefsten Stelle in dem letzten Rücken des Hwaschan zu den weitläufigen Klostergebäuden von Hweitschütsze oder Pau hwa schan, die von den Taiping-Rebellen fast ganz zerstört worden sind. Es ist ein wahres
92 Eeisen in Tsciiekiang, Nganhwi'i und Kiangsu.
Labyrinth von Höfen, Gängen und Baulichkeiten. Früher waren hier über 1000 Mönche; zu einer Zeit beti'ug ihre Zalil sogar 1182. In der Zeit der Rebellion war sie auf 80 gesunken.
Der Prior des Klosters empfing uns sehr freundlich und fülirte uns zu einem hohen Priester, der ungefähr das Amt eines Bischofs be- kleidet, indem er die Weihe der Priester zu vollziehen hat. Wir wurden bewirtet und dann herumgeführt. Ich fand eine wahre Ver- schwendung von schönem weißem Marmor: große Höfe sind damit ge- pflastert, Balustraden, Sockel von Säulenterrassen usw. sind daraus gebaut und zum Teil mit schöner Ornamentik versehen. Ich er- kannte darin den Marmor dos Ortes Kau tsze. Der Tempel soll von großem Alter, früher aber nur klein gewesen sein, bis Kaiser Liangwu von der Sung-Dynastie seine Residenz in Nanking verließ, um sich als Mönch für den Rest seines Lebens in die Klostermauern zurükzuziehen. Er baute Kloster und Tempel und wurde Prior des letzteren. Früher sollen noch mächtige Säuleu, Opfergefäße, Glocken und andere große Gegenstände von Bronze vorhanden gewesen, aber von den Rebellen geraubt worden sein. Die Kaiser Kanghi und Kienlung der jetzigen Dynastie haben viel für das Kloster getan; von letzterem stammen z. B. eiserne und kupferne Kochkessel von kolossaler Größe in der Monstre-Küche. Sie ist jetzt zerstört und wii'd nicht mehr benutzt; die Kessel sind zwar noch erhalten, aber nicht vor Verfall geschützt worden, da zur Bereitung der Malüzeiten der jetzigen Bewohner weit kleinere Gefäße hinreichen. Bibliothek, Bildersammlung und derartige Akzes- sorien, die man sonst in den alten Klöstern von China findet, scheinen nicht mehr vorhanden zu sein. Icli sah einige interessante, sehi' alte kleine Figuren von Bronze, versuchte aber vergeblich, etwas davon zu erstehen. Wie am Tien tai schan, so ist auch hier außer dem Hanpt- tompol noch eine große Anzahl kleiner Tempelhallen in der Nach- barschaft zerstreut, welche meist als Sinecuren für alte Priester ver- wendet wurden und zum Teil noch jetzt verwendet werden. In einer derselben fand ich einen Tao-Priester, welcher nach uralter Sitte noch einen Haarknoten und einen langen, wiewohl dünnen Bart trug, so
Der Mannortempel des „Blumenbergs". 93
daß er ganz das Aussehen eines Koreaners hatte. Er empfing mich mit besonderer Freundlichkeit und schien mir durch seine Gespräche über das Niveau der anderen Priester, die ich hier sah, weit hervor- zuragen, eine Beobachtung, welche ich machte, so oft ich Priestern dieser uralten Sekte begegnete. Er lebte im vortrefflichsten Einver- nehmen mit den Buddhisten. Ich konnte nicht erfahren, ob die An- wesenheit eines solchen Priesters vielleicht eine Überlieferung aus der Vorzeit ist, da vor der Einführung des Buddhismus die Tempel wesendich jener Sekte angehört haben.
Während meine Gesellschaft von den Beschwerden des Rittes ausschlief, ging ich nach dem Doppelhorn des Hwaschan. Ich er- reichte zwar nicht den Gipfel, da das Gestrüpp zuletzt zu dicht wurde und meine Kleider schon in Fetzen herunterhingen, gewann aber doch gute Aussichtspunkte. Ein Arbeiter könnte in wenigen Tagen den alten Fußpfad, welcher nach dem Gipfel führt, klar machen. Ich weiß keinen Ort bei Schanghai, der sich so vorzüglich wie dieser Tempel bei Pau hwaschan zu einem stillen Sommeraufenthalt eignen wüi'de. In den abseits gelegenen kleinen Tempeln könnte man sich ohne große Schwierigkeit eine Wohnung, wenn auch nui- notdürftig, her- richten, und die Priester würden dazu gern hilfreiche Hand reichen. Man würde hier freie Luft atmen und viel spazieren gehen können. Für die Jagdfreunde gibt es Wildschweine in Menge, für den Sammler Pflanzen und Insekten ohne Zahl. Es fehlt nur das allerdings schwer entbehrhche fließende Wasser. Ein Felsbrunnen gibt kühles Trink- wasser, aber in zu geringer Quantität. Die Priesterschaft entnimmt ihren Bedarf einem großen künstlichen Wasserbehälter, der in das Gestein eingehauon und noch weiterhin mit Steinwällen aufgemauert ist; er soll Zufluß von einer Quelle erhalten. Es schwimmt darin eine Menge kleiner Schildkröten, welche den Priestern kein Hindernis für den Gebrauch des Wassers sind.
Der Abstieg auf der Südseite des Berges ist steil und unbequem^ Auch dort ist ein alter breiter Weg, welcher zum größten Teil aus- Stufen von Kalkstein angelegt ist; die einzelnen Blöcke sind aus ihrer
94: Reisen in Tscliekiang, Nganliwüi und Kiangsu.
Lage gekommen und durch den Gebrauch geglättet. Ich faud es äußerst beschwerlich hinabzugehen, und die Esel waren kaum imstande, sich auf den Füßen zu erhalten. Auch hier sind die Gehänge ganz mit Gesträuch bedeckt, aber nicht mit jener Vegetation von tropischer Fülle wie in der Schlucht des Nordabhanges. Am Fuß des Berges fanden wir hier und da ein kleines Dorf; die Bewohner waren stets sehr artig und legten uns keinerlei Hindernis in den Weg.
Der zweite Ausflug fülirte uns von Tungyang nach dem Gebirge im Süden des Talkessels. Das Hauptziel war der Tempel Pahweimiau. Erst ging es 10 li auf Alluvialboden an Löß-Ausläufern hin, die sich vom Hwaschan aus hinab erstreckten; dann folgten 5 li über ein niederes Hügelland an dem Dorfe Muntang. Dies war nun ein viel- gebrauchter, mit Steinplatten, die durch Schiebkarren ausgefalu'en sind, jämmerhch gepflasterter Weg. Ich begegnete wohl 200 Eseln, welche Branntwein von dem südlich vom Gebirge gelegenen Flach- land nach TuDgyang trugen. Auch viel Brennholz wird herabgefdhrt, um von Tungyang aus nach Nanking und Tschingkiang zu gehen. Alle Hügel sind mit Gebüsch bedeckt, so daß es mir im Anfang schwer wurde, geologische Beobachtungen zumachen. Muntang ist ein kleines ärmliches Dorf, eng zwischen grünen Hügeln eingeschlossen und am Ursprung eines nach Westen gegen Nanking abfließenden Baches ge- legen. 3 li weiter hinab liegt Pahweimiau. Ehe ich mich dahin wandte, machte ich noch einen Abstecher nach einigen 5 li südlicher liegenden warmen Quellen. Der Weg führte über einen niederen Paß. Hier stand ich am Südrande des Nanking-Gebirges; nur im SW, jen- seits Tangschui, erheben sich noch einige niedere Hügeheiheu. Vom Fuß des Gebirges aus erstreckt sich flachweUiges Land in die Ebene hinein, die sich weithin ausbreitet.
Über solche Wollen hinab erreichte ich Tangschui, ein Dorf, schmutzig und widerlich, obgleich die Lage gestatten würde, es zu einem recht hübschen Badeort zu machen. In einer Ummauerung stand ein elendes Haus mit Bassins, die mit klarem Wasser gefüllt sind: dies waren die Bäder der warmen Quellen. Es badeten darin
Warme Quellen. 95
Leute, die mit Hautkrankheiten und häßlichen Geschwüren behaftet waren. Die Temperatur konnte ich nicht bestimmen, denn der Zufluß ist so unbedeutend, daß sie sich in den Bassins viel zu gering ergeben würde. Der Ort war einer der unreinlichsten und widerwärtigsten, die ich in China gesehen zu haben mich erinnere, und ich konnte mich nicht enthalten, einen Vergleich mit den wunderbar schönen Plätzen anzustellen, welche die Japaner an den zahlreichen Orten, wo heiße Quellen zur Gründung von Badeorten Veranlassung gegeben haben, zu schaffen wußten. Was die Thermen hier veranlaßt, ließ sich nicht ergründen; vulkanische Gesteine habe ich in der Nähe nicht beobachtet. Die Hügel im Süden bestehen zunächst dem Dorfe aus Quarzit. Vergebens versuchte ich sie zu besteigen : die wilde Vegeta- tion, mit dornigen Ranken durchzogen, trieb mich zurück. Die süd- liche Ebene breitet sich groß und schön aus, und man erkennt in ihr die Lage einzelner Städte. Sie ist aber nicht imbegrenzt, denn außer einzelnen isolierten Höhen erscheinen in der Ferne Hügelreihen, die im Westen des Taihu(-Sees) gelegen sind.
Ich ging nach Mun tang zurück und folgte dem kleinen Bach abwärts. Bald kam ich zu dem ganz zerstörten kleinen Tempel Pa- hweimiau. Das Tal ist hier im Süden von einem mauerformigen Ab- hang begrenzt, und an der Nordseite erheben sich ganz flache, mit Kiefern bestandene Wellen von steil stehenden Schichten mürber Sandsteine. An dem Tempel selbst liegt im Gebüsch eine Reihe von Kohlenhalden mit noch offenen Schachten, die noch vor sechs bis sieben Jahren von den Rebellen bearbeitet wurden, seitdem aber ver- lassen sind. Sie sind jetzt verfallen und zum Teil verschüttet. Die Kohle, von der noch Reste vorhanden sind, hält zwischen magerer und fetter Kohle die Mitte und gibt beim Verbrennen einen bitiuuinösen Geruch; sie soll als Schmiedekohle verwendet worden sein. Über die Tiefe der Gruben und die Mächtigkeit der Flöze konnte ich nichts erfahren. Der Preis der Kohle scheint hoch gewesen zu sein, beson- ders wegen der Unkosten, welche das Wasser verursachte.
Es wird so oft von Fremden behauptet, daß die Mandarinen das
96 Reisen in Tscheldang, Nganhwei und Kiangsu.
öffnen der Kohlengruben verhinderten und daß die fremden Interessen dadurch in hohem Maße geschädigt würden. Ich hatte eine Bestäti- gung dieser selir allgemein verbreiteten und auch im Druck vielfach ausgesprochenen Meinung niemals in Wirklichkeit gefunden, im Gegen- teil überall erfahren, daß die Behörden das Öffnen der Kohlengruben außerordentlich begünstigten, da ihnen ja auch ein Vorteil aus dem Regal erwächst. Hier zum ersten Male begegnete ich der Versiche- rung der Leute, daß die Mandarinen das Bearbeiten der Gruben nicht erlaubten. Vielleicht ist die Angabe richtig, entweder weil die Re- gierung sich die Kohlengruben für ihre Dampfschiffe reservieren will, oder weil sie fürchtet, den Appetit der Fremden nach dem Besitz der Gruben zu selir zu reizen. Über die Aussichten, welche das Kohlenflöz dieses Ortes haben würde, bin ich nicht imstande zu ur- teilen. Aller Analogie nach ist es dasselbe Flöz, welches sich bei den Ming-Gräbern bei Nanking in allerdings sehr unbedeutender Weise zeigt. Erst spät abends langte ich in Tungyaug wieder an.
Zwei andere Ausflüge hatten die Untersuchung des Lungschan von dem Orte Lungtan aus, wo mein Boot lag, zum Zweck. Bei meiner ersten Ankunft in China hatte ich von den Kohlengruben bei diesem Ort gehört, und mein Ausflug galt ihrer Untersuchung. Der Lungschan ist hier in zwei Parallelrückeu gespalten; die Furche zwischen beiden ist durch die weichen, leicht verwitternden Kohlcn- schichten verursacht. Die Vorderreihe ist an einigen Stellen unter- brochen. Geht man an einer solchen Stelle hinein, so sieht mau, wenn man die Furche erreicht, rechts und links in ihr niedrige Wasser- scheiden. An diesen sind die Kohlengruben gelegen. Auch hier ist der Bergbau nicht wieder eröffnet worden, ich fand aber auf den Hal- den eine Menge Kohlonstücke, welche sich als Anthrazit erwiesen. Die Kohle verbrennt ohne Flamme und Rauch und läßt ein wenig weiße Asche zurück. Die Länge des zum Abbau verfügbaren Kohlen- flözes schätzte ich auf 3 km. Dies würde bei 1 Va Fuß Mächtigkeit ein Kohlencjuantum von ungefähr 350000 Tonnen ergeben. Die sehr günstige Lage und die, wie mir scheint, gute Beschaffenheit der Kohle,
Ein verlassener Kohlenbergbau. 97
verbunden mit dem Umstand, daß ein ei'heblicher Wasserandrang nicht zu fürchten ist, scheint einem allerdings nur sehr kleinen Kolilen- bergbau für einige Zeit etwas Aussicht zu eröffnen.
Von den Gruben aus bestieg ich den Haupti'ücken des Lung- schan. Hier war die Vegetation verwildert, aber auf dem Felsboden nur von geringer Üppigkeit und setzte dem Fortkommen weniger Schwierigkeit entgegen als die Steilheit der Felsen. Die Berge hier wimmeln von Wildschweinen, und man begegnet fortdauernd ihren Spuren; auf dem Lungschan insbesondere waren sie Schritt fiü- Schritt zu verfolgen. Am Fuß der Berge, hauptsächlich entlang dem ganzen Fuß des Hwa schan, sind meilenlange Mauern zum Schutz der Felder gegen die Schweine errichtet; dennoch sind außerdem überall noch kleine Wachthäuser gebaut, da die Tiere den Feldern viel Schaden be- reiten. Ich sah Maisfelder ganz von Wildschweinen abgefressen. Trotz ihrer großen Menge gelangte ich nicht zum Schuß, dafür eine Treibjagd meine Zeit nicht ausreichte und die Ungeschicklichkeit der Bevölke- rung wenig günstige Resultate erwarten ließ. Einen sicheren Schuß kann man bei einer mondhellen Nacht von den Wachtstationen aus erhalten, doch erforderte die Untersuchung des Gebirges für meine speziellen Absichten meine ganze Zeit in solchem Maße, daß ich nicht imstande war, eine Nacht einer unerheblichen Nebenbeschäftigung zu opfern.
Das Land ist, sobald man das Alluvium verläßt, fast entvölkert, aber ein bedeutender Zusammenfluß von Menschen hat begonnen: von der ehemals kultivierten Bodenflächo ist immerhin erst ein kleiner Bruchteil wieder angebaut. Doch hat die Rebellion auch ihr Gutes ge- habt, denn die Vegetation ist einmal für eine Reihe von Jahren sich selbst überlassen gewesen, und die Felder haben eine Zeit ruhiger Brache gehabt. An den Gehängen gibt es eine Masse 10 bis 12 Jahre alten guten Holzes , und von dem dichten Gestrüpp wird die Be- völkerung ihren ständigen Brennholzbedarf noch für lange Zeit be- friedigen können. Wenn die Regierung jetzt eine Überwachung und Kontrolle einführte, so wäre der Moment gegeben, um endlich einmal eine regehechte Forstkiütur zu begründen,
Bichlhofeu, Tagebücher, II. Band. 7
98 Reisen in Tscliekiang, Nganhwi'i und Kiangsu.
Außer den beschriebenen Ausflügen führte ich noch mehrere aus, welche jedoch ausschheßlich geologische Resultate lieferton und deren Beschreibung eine einförmige Wiederholung des schon Gesagten sein würde, wenn ich mich frei von geologischen Details halten will. Zu den Eigentümlichkeiten der Bäche, welche nach Norden und Süden abfließen, gehört der Umstand, daß sie meist in Einsenkungen zwischen den einzelnen losgelösten Gebirgsgruppen, häufig nur durch die Löß- terrasse in ihren Quellbächen voneinander getrennt, entspringen und dann die davor liegenden Gebirge durchbrechen. In Lüßgebieten ist diese Erscheinung häufig. Die Gebirge haben meist charakteristische Formen, und die Lagerung der Schichten läßt sich oft schon von weitem daran erkennen. Die Höhen sehen von der Ferne kahl aus, sind aber, wie man bei der Annäherung bemerkt, häufig mit einer undurchdring- lichen Strauchvegetation bedeckt. Am Nordabhang des Gebirges führt eine Straße entlang, welche Tschingkiang mit Nanking verbindet. Sie ist breit und mit Steinen gepflastert; es liegt an ihr eine Menge von Dörfern, welche früher groß und gut aufgebaut waren, und zwischen den Dörfern waren noch Stationen für Kulis und Reisende vorhanden. Die vorher genannten Orte am Kanal, von denen ich meine Ausflüge antrat, lagen an dieser Straße. Der Verkehr ist jetzt unbedeutend: er wird_ meist durch Schiebkarren besorgt, welche hier ihren südlichsten Ver- breitungsbozirk haben, ferner durch Esel und Packpforde. Von den Hauptorten an der Straße führen kloine Fußpfade in die Gebirge, zu- weilen auch ein größerer Wog über das Gebirge hinweg, nachKüyung- hsien und anderen Orten im Süden desselben. Der größte Teil der Ge- birge ist jetzt unbewohnt, und beträchtliche Gebiete des Löß sind auch in früherer Zeit der Kultur nicht erschlossen gewesen.
Einen kleineren Ausflug machte ich nach Siaschukai und den umliegenden Gebirgen. Siaschukai zeichnet sich dadurch aus, daß hier unter dem Löß, der sich in einer langen Zunge vorstreckt, die von der Straße übersetzt wird, eine Granitkuppo auftritt, die zu hübscher und wilder Szenerie Veranlassung gibt. Der letzte Ausflug wurde von KiautiJu unternommen; er war der gi-ößto und anstrengendste von
Neu erforschte Gebirge. 99
allen, da wir bei bi-ennender Sonnenhitze von 6 Uhr früh bis 7 Uhr abends fortdauernd auf den Beinen waren, und hatte auch die be- deutendsten geologischen Resultate zur Folge. Ich besuchte dabei den Linschan und Kaulischan, zwei Rücken, in denen die Richtung WSW — ONO wieder zur Geltung kommt und welche durch ihre Höhe sowohl wie durch ihre steilen Nordabstürzo sich auszeichnen. Beide haben einen scharfen Stirnrand, von dem aus sich der Südost- abhang langsam verflacht. Sie sind mit ihrer ganzen Umgebung der Aufmerksamkeit des Geologen besonders zu empfehlen. Die Schichten- systeme, besonders dasjenige des Linschan, sind sehr merkwürdig und bieten manches, was ich in dem ganzen übrigen Gebirge nicht beobachtet habe. Au den Gesteinsstücken, die zur Pflasterung des Weges verwendet waren, sah ich, daß dort Versteinerungen in Menge vorkommen. Ich schickte später Splingaert nach einem zwischen beiden Bergen gelegenen Dorfe, wo er sich mit Sammeln beschäftigte, aber auch nur unvollkommenes Material mitbrachte.
Ein weiterer Ausflug hatte die Untersuchung mehrerer praktisch wichtiger Mineral-Vorkommen zum Zweck. Er ging von dem Dorfe Kau tsze kang aus, wo der dem Yangtsze -Tal zunächst liegende Zug des Gebirges in einer kurzen Enge von einem Fluß , der von Süden herkommt, durchbrochen wird. Man kommt dann in größere Tal- weitungen und weiter hinauf nach einem zweiten ähnlichen, aber weit schrofferen Durchbruch zwischen dem Kaulischan im Westen und dem Tschuschau im Osten. Die Frontreihe zeichnet sich schon in der Ferne durch ihre Steinbrüche aus ; es wird hier Marmor gebrochen, aus welchem der Tempel auf dem Hwa schau gebaut ist. Man fährt auf dem Wasser bis dicht au die Brüche heran ; eine niedrige Stein- brücke verhindert die weitere Fahrt mit dem Boot. An jedem einzel- nen Marmorbruch sieht man eine Reiiienfolge von Schichten, in welche ein porphyrisches Gestein in ganz unregelmäßigen Gangmassen ein- greift. Man nennt den Marmor hier mi schi (d. h. Reisstein), weil er gemahlen und zum Verfälschen von Reis (mi) angewendet wird. Un- glaubliche Massen werden zu diesem Zweck verschickt; sie gehen
7*
100 Reisen in Tsehekiang, Nganhwei und Kiangsu.
besonders nach den Orten, von wo aus die Reiszufulir nach dem Norden beginnt. Der Tributreis wirdvon den südlichen Provinzen her gesammelt und ging seit alten Zeiten den Großen Kanal hinauf. Defrau- dationen aller Ai-t werden bei seiner Verschickung auf dem langen Wege nach Peking verübt. Man vermehrt das Volumen und Gewicht durch Wasser und wendet manche andere Mittel an, zu denen auch die Vermengung mit dem Mehl des gemahlenen Marmors gehört.
Mit diesem Gestein zusammen kommen Eisenerze in ganz regel- mäßigen Lagern vor. Spuren einer Eisenindustrie habe ich hier nicht ge- funden, doch würde sich mit geeignetem Brennmaterial das Erz gewiß gut verwerten lassen. In der Nähe, auf einem kleinen Paß, befindet sich das schon bei meinem ersten Besuch von Tsching kiang aus ei-wähnte Vorkommen von Graphit. Er ist regelmäßig in den zu Quarzit verwandelten Sandsteinen eingelagert, ganz in der Nähe von Granit, welcher eine Hügellandschaft zwischen dem Frontzug und dem davon abstehenden Parallelzug des Kaulischan bildet. Man darf ihn wohl als ein verändertes Kohlenflöz ansehen, um so mehr, als er sich auf die Nachbarschaft des Granit beschränkt.
Was mich aber bei Kautsze am meisten interessierte, waren die alten Kohlenhalden im Süden des Ortes, jenseits des Kaulischan. Es sind nur noch die alten Halden zu sehen, und es ist nicht möglich, einen Schluß auf die Art des Vorkommens und die Beschafl'enheit der Kohle zu ziehen. Das Interesse flu- mich lag in einem zweiten Halden- zug, welcher dem ersten parallel zieht und bei welchem offenbar nicht Kolile der Gegenstand des Abbaues gewesen ist. Die Kohle lagert im Sandstein, welcher zwischen zwei Kalkzonen eingeschlossen ist. Die nördliche Kalkzone, welche zugleich die ältere ist, zeichnet sich durch die große Menge von Feuerstoinknauern aus, die in dem Ge- stein zerstreut sind: in einzelnen Schichten finden sie sich besonders zusammengedrängt. Ich erfuhr, daß man hier den Feuerstein für den Handel gewonnen habe. Dieser Stein bildet nämUch überhaupt ein wichtiges Handelsprodukt in einem Lande, wo man sich desselben ausschließlich zum Feueranmachen bedient. In späterer Zeit wurde
Eine Aufklärung der chinesischen Kohlenlager. JQ!
der weit bessere Feuerstein aus England importiert: dies hat das Schließen der Gruben zur Folge gehabt.
Die Schiefer, -welche man auf die Halden geworfen hat, sind voll von Versteinerungen. Ich hatte dieselben bei meiner ersten Anwesen- heit an diesem Ort mit großem Fleiß und Eifer gesammelt, da ich hier zum ersten Mal ein sicheres Kennzeichen der Altersgleichheit chinesi- scher Kalke mit dem sogenannten Kohlenkalk oder Bergkalk erkannte, welcher in Europa die Grundlage der Haupt-Steinkohlenformation bil- det. Zum ersten Male war damit die Altersgleichheit wenigsten eines chinesischen Kohlenflözes mit der europäischen Kohlenformation nach- gewiesen. Bei meinem jetzigen Ausflug berührte ich den Ort noch einmal und studierte seine Schichtenfolge im Verband mit der allge- meinen Geologie des Landes, wie sie sich mir ersclilossen hatte, eilte aber schnell über die Stätten hinweg, wo ich fi'ülier den Tag über mit dem Sammeln der Versteinerungen beschäftigt gewesen war.
Am 8. August kehrte ich mit meinem Boot nach Tsching kiang zurück und brachte als Resiütat eine detaillierte geologische Karte des bereisten Gebirges mit. Noch wohnte ich einige Tage bei Herrn Detring, wo ich mich ruhigen Arbeiten hingab. Die mühsamen Reisen in der furchtbaren Hitze, welche eine stärkere Wirkung ausübte als diejenige der Tropen, hatten mich mehr angestrengt als je eine Reise zuvor: ich bedurfte einige Tage der Ruhe und konnte sie nh-gends besser und angenehmer haben. Einige Spaziergänge nach den nächsten Hügeln vollendeten meine Rekognoszierungsreise. Einige Tage später kam ich nach Schanghai, wo ich mich abermals nur kurze Zeit auf- hielt, um meine größte und letzte Reise in China über Peking nach der Mongolei und von dort nach den nordwestlichen und westlichen Provinzen auszuführen.
Ich verließ Schanghai am 12. Juni und ging per Dampfer nach Rückblick.
Ningpo. Von dort unternahm ich dann eine sechswöchentliche Fuß- Schanghai,
23. August 1871 reise durch landschaftlich ungemein schöne Gegenden in den Provin- Aus einem Briei
zen Tschekiang und Nganhwei und kam am Yangtsze wieder heraus. ^° ^'^ Eltern.
1 02 Reisen in Tschekiang, Nganhw^i und Kiangsu.
Dort machte ich dann eine zweite Tour, wohnte mehrere Tage bei einem Landsmann in Tschingkiang und kehrte schließlich nach einer Abwesenheit von mehr als zwei Monaten nach Schanghai zm-ück.
Ich glaube nicht, daß es unter den Fremden in China viele gibt, welche die Strapazen dieser Reise hätten aushalten können. Die Sommerhitze ist im mittleren China sclilimmer als in den Tropen, da die Sonne eine furchtbare Gewalt hat. Eine Temperatur von 36° bis 40*^ C. während des größten Teils des Tages war häufig; dann aber war die Temperatur in der Sonne 57° C, oft bis zum späten Abend! Da ich stets der Sonne ausgesetzt war, so war es diese höhere Tem- peratm-, die ich zu ertragen hatte. Wagen und Reitpferde gibt es in den Provinzen, in denen ich reiste, nicht: mau kann nur zu Fuß oder im Ti'agstuhl oder zu Boot fortkommen. Das Boot ist bequem und billig, aber ein faules Reisen, wobei man nichts sieht. Den Tragstuhl hätte ich sehr oft verlassen müssen, da ich meist auf steilen Gebh-gswegen ging; außerdem wäre alles aus der gehörigen mihtärischen Zucht ge- kommen, wenn ich mich hätte tragen lassen: denn dann hätte jeder einen Stuhl haben wollen. Da mein Zug aus 13 Mann bestand, so schien es mir das Beste, selbst mit gutem Beispiel voranzugehen und alle Boschwerden ebenso zu ertragen wie mein letzter Kuli. Dies ging auch ganz vorzüglich. Ich fand bald, daß man bei einer Temperatui-, bei der man im Hause oder im Boot oder im Tragstuhl umzukommen meint, ganz gut zu Fuß gehen kann. Natürlich geht man sehr leicht gekleidet, mit ti'opischem Sonnenhut und großem Sonneuschii-m. Man erhält so auch alles, was an Luftzug vorhanden ist; das ist allerdings außerordentlich wenig, wird aber dankbar genossen. Gewöhnlich wurde, mit zwei Stunden Unterbrechung um Mittag, den ganzen Tag über gelaufen. Da die Gepäck-Kidis oft ausruhen, so machte ich dabei nicht mehr als 3 — 5 deutsche Meilen pro Tag. An Arbeiten des Abends, selbst an Tagebuchschreiben, war natürlich nicht zu denken^ dies holte ich in den wenigen Rasttagen nach, die ich mir gestattete. Das Nachtquartier war immer in freier Luft, gewöhnlich in einer kleinen offenen Tempelhalle. Ich tue mir etwas darauf zu gute, daß ich meine
Die Verwüstungen durch die Taiping. 103
ganze Gesellschaft immer stramm und in gutem Zug erhalten habe: bei so niederdrückender Hitze tritt leicht Erschlaffung ein, und dann geht alles schief. Ich war auch darin glücklich, kleine Krankheitsfälle gleich wegzukurieron, da jeder iusti-uiert war, sich bei dem geringsten Unwolüsein sofort zu melden.
Die Beschwerden der Reise wurden durch hohen Natiu-genuß und wertvolle geographisch -geologische Resultate vollkommen be- lohnt. Ich habe schon früher einmal die Gegend, wo man den grünen Tee macht, als den Garten von China bezeichnet. Damals sah ich sie auf einer Bootfahrt im Spätherbst ; diesmal führte mich der ganze Weg über Berge und durch Schluchten und Täler in der Jahreszeit, in welcher die Vegetation am üppigsten entwickelt ist. Die Fülle des Pflanzenwuchses, wo er sich frei entwickeln konnte, wird kaum in den Tropen übertroffen, und der Blütenflor steht an Pracht wahrscheinlich nur hinter dem von Japan zurück. Die Gegend ist sonst eine AVildnis, da die Rebellen alles zerstört und die Bevölkerung ausgerottet haben. Von der Zerstörung an Menschenleben, die hier vor ungefälu- zehn Jahren stattgefunden hat, kann man sich keinen Begriff machen, wenn man nicht selbst an Ort und Stelle gewesen ist. Wenn man nur ein- zelne Täler nimmt, so berechnet sich in ihnen die Zahl der Getöteten nach Millionen. Ich mute Euch nicht zu, dies zu glauben, und bin darauf gefaßt, daß mau mir sagt, ich übertreibe. Ich habe es früher auch nicht geglaubt, und wenn man die Gesamtheit der dm-cli die Taiping-RebeUion Umgekommenen auf dreißig Millionen Menschen schätzte, so hielt ich dies für eine lächerliche Übertreibung. Jetzt glaube ich, daß diese Zahl viel zu gering ist. Ich habe selir viele Städte gesehen, die früher gi'oß und volkreich waren imd in denen nur ungefähr 3 v. H. die Schreckenszeit überlebt haben. Die Städte selbst sind überwachsene Trümmerhaufen ; in manchen fand ich niu* fünf oder sechs Häuser notdürftig hergerichtet und wieder bewohnt. Ebenso ist es in den Dörfern, von denen viele Tausende in Trümmern liegen, zum Teil Dörfer, die ganz aus massiven zweistöckigen Häusern bestanden.
104: Reisen in Tscliekiang, Nganhwei und Kiangsu.
Wenn man diese Verwüstungen sieht, kann man sich die Zeiten vergegenwärtigen, als zentralasiatische Horden in Europa einfielen, und die späteren, als sie Turkestan und Indien überzogen. Ihre Züge waren stets mit einer Vernichtung alles Bestehenden verbunden. Die Mongolen werden gegenwärtig durch die Institution des Lamaismus in Zügel gehalten ; aber in den Chinesen selbst ist trotz ihrer uralten Zivilisation das Element der entsetzhchsten Barbarei noch reichlich vorhanden, und neben dieser Barbarei besteht eine Schwäche und Widerstandslosigkeit, die den zerstörenden Elementen freies Spiel läßt.
Hätte ich vor einem Jahr nicht den „blunder" gemacht, meine große Eeise von Peking aus aufzugeben, so wäre ich jetzt ziemlich nahe bei Euch. Ich hätte dann zunächst die große Reise gemacht, die ich damals vorhatte, und wäre nach acht Monaten nach Schanghai zurückgekehrt, ungefähr im März, gerade zur rechten Zeit, um der dringenden Aufforderung einiger russischer Reisenden zu folgen, die von Peking aus durch Zentral-Asien nach Turkestan reisen wollten. Jetzt werden sie bald dort ankommen: das wäre ein Reiseschluß mit Brillantfeuerwerk gewesen! Ich werde nun den Abschluß ohne Eklat machen müssen, aber doch im ganzen zu meiner Zufriedenheit. Meine letzte Tour war eine Abschlußreise. Ich habe noch eine zweite von drei oder vier Monaten vor mir.
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li/. buch liiclitliotcu's II. itiiuMMiisflieu Bciiierkungoii. uiicl rrotilskizzeii.
Die letzte große Reise.
Tschili — Schansi (Mongolei) — Schensi — Sz' tschwan — den Yangtsze hinab.
Vom -25. Oktober 1871 bis 21. Mai 1872.
1. Abschnitt : Von Peking durch die Mongolei nach Singanfu.
Grade in Ruhepausen, wie gegenwärtig, tritt mir der GredankeDerEeiseplan.
besonders nahe, wie gerne ich diese Zeit bei Euch verbringen °'^°^°S''*''
. . . . 22. Sept. 1871.
möchte. Es ist dies ein Grund meines fortdauernden Vorwärtsdringens : • ^^^ einem
es schwebt mir immer vor, daß ich hier keine Zeit zum Ausruhen habe, Tiriet an die sondern nur zum wirklichen Arbeiten im Felde; und es schleicht sich auch immer ein leichter Vorwurf ein, wenn ich länger raste als absolut notwendig ist. Bin ich unterwegs, so bringt zwar das Gefühl der Ein- samkeit die heimatlichen Regungen ganz besonders zum Vorschein, aber es gesellt sich kein Vorwurf dazu.
Ich will nun wieder eine Reise anti'eten: nach meiner Absicht meine letzte, aber auch meine längste ; denn sie wird gewiß flinf Monate dauern. Dann werde ich mich wolü gründlich ausgereist haben und nach Ruhe sehnen. Die Reise, welche ich vorhabe, würde ich früher mit dem feurigsten Enthusiasmus unternommen haben, wenn mich jemand von der Möglichkeit ihrer Ausführung hätte überzeugen können. Jetzt ist mir der letztere Punkt ganz Nebensache, aber der Enthusiasmus ist merklich abgeschwächt; allerdings durch nichts als das fortdauernde
106 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Siuganfu.
Gefülil meiner langen Abwesenheit und der Sehnsucht nach Euch zurück. Gelingt es mir einmal ausnahmsweise für eine halbe Stunde, mich auf den Boden der Tatsachen und der zwingenden Notn-eudigkeit zustellen, so erwacht auch gleich wieder die Gier nach derErfoi-schung der Gegenden, in die ich mich begeben will; denn sie werden voraus- sichtlich das interressanteste Feld meiner Reisen in China sein und einen guten Abschluß derselben bilden. Es rundet sich dadurch mein ganzes Werk so schön ab, daß ich erwai-ten kann, bei der späteren Bearbeitung etwas Ganzes und Vollständiges zu liefern — voraus- gesetzt, daß die Reise gelingt. Ich wiU von Peking nach dem nörd- lichen Schansi gehen, dann nach Schensi, Kansu und im "Winter über ein Hochgebirge nach der Provinz Sz' tschwan vordringen. Dort habe ich einen umfassenden Plan für Reisen nach den westlichen Grenz- gebieten entworfen. Dann will ich auf dem Yangtsze nach Schanghai zurückfahren. Ich werde kaum vor Anfang März hier zurück sein, können. Die Reise ist ganz zu Pferde. Geht alles gut, wie bisher, so wird das Tagebuch wenige Ruhetage zu vermei'kcn haben. Aber wie werde ich wieder in allem zurückkommen: in Tagesge.schichte, in Kenntnissen überhaupt! Fünf Monate, so sclinell sie vergehen, sind doch eine lange Zeit, in der sich viel ereignet. Ich werde überhaupt noch einmal anfangen müssen zu lernen, wenn ich nach Hause komme. Ihr wißt, daß ich vor einem Jahr in Japan die mir von der Re- gierung angetragene Stellung als Chef dos Borgwesens und der geolo- gischen Landes-Aufnahme ausschlug, nur aus dem Grund, weil ich mich nicht auf zwei Jalire binden wollte. Ich habe Euch auch wolü nachher geschrieben, daß es mir später sehr leid tat, die Stelle seiner- zeit nicht augenonmien zu haben, da es mir vielleicht gelungen wäre, den Termin von zwei Jahren auf eins herabzusetzen. Abgesehen davon, daß die Stellung pekuniär eine sehr gute gewesen wäre, hätte sie mir eine höchst interessante und einflußreiche Beschäftigung gegeben, und ich hätte die Befriedigung gehabt, diesen in Japan sehr wichtigen Zweig der Verwaltung auf eine gute Grundlage stellen und ein passendes Personal, wahrscheinlich meist Deutsche, einführen zu können. Als
Der neue Plan. 107
ich dann das zweite Mal nach Yeddo zurückkehrte, war es zu spät; denn eine nach Europa abgegangene japanische Kommission hatte den Auftrag bekommen, einen sogenannten mining engineer zu be- sorgen, womöglich in England. Ich erwartete, daß sie einen Charlatan vom reinsten Wasser bekommen würden, und ich bedauerte schon im Geist die Regierung, bei der es sich um Einfülirung durchgreifender, für den Kredit und die Finanzen des Reiches wichtiger Einrichtungen handelte, während ich an einem wirklichen Fortschritt in der geolo- gischen Landeskenntnis zweifelte. Überdies war es mir unangenehm, daß ich durch meine Ablehnung schuld daran sein sollte, daß eine so wichtige Branche wieder in englische oder amerikanische statt in deutsche Hände übergehen würde. Aber die Japaner haben Glück gehabt! Denn nach Zeitungsberichten ist ihre Walil auf Dr. v. Hoch- stetter in Wien gefallen, der, wie Ihr wißt, einer meiner besten Freunde ist. Ich glaube, er ist der beste Mann für die Stellung: tüchtig, durcii und durch gewissenhaft, von gesundem praktischem Blick, eine wajire Perle von einem Mann. Er ist weit geeigneter als ich, auch schon deshalb, weil er eben von Europa kommt, daher auf der Höhe seiner Wissenschaft steht und seinem neuen Amt mehrere Jahre widmen kann. Seiner Familienpflicht hat er genügt: er hat eine Frau und fünf Kinder. Er ist um einige Jalire älter und erfahrener als ich, dabei der günstigste Repräsentant deutschen Wesens; er ist Württemberger. Ich bin nun nicht mehr so unzuMeden, damals die Stellung ausge- schlagen zu haben.
Für mich aber trifft es sich recht unglücklich, daß ich drei Jahre ganz isoliert hier sein mußte, in allem was Anregung betrifft, auf mich selbst augewiesen. Ich habe niemand gehabt, mit dem ich über mein Fach und meine Beschäftigung hätte sprechen können. Hätte Hoch- stetter diese ganze Zeit schon in Japan verbracht, welch reger Verkehr hätte zwischen uns stattgefunden! Ich hätte noch einmal soviel leisten können! Nun kommt er, da ich eben ins Innere gehe, um dann sofort nach Europa zurückzukehi-en. Ich werde ihn also nicht einmal mehr sehen können. Wäre er nur ein halbes Jahr früher gekommen, so
JOS Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
hätte ich auch uoch einen großen Vorteil gehabtl Denn ich hätte
dann meine Kohlenpläne durchfuhren können und würde Euch als
unabhängiger Mann wiedersehen. Jetzt ist es damit zu spät: denn es
ist kein Preis hoch genug, um mich länger hier zurückzuhalten, als es
die absolute Notwendigkeit erfordert.
Peking, Vor etw'as melir als einer Woche kam ich hier an, en route für
■ '■ Inner-Asien. Ich wohne diesmal bei meinom sehr lieben Freund Bis-
Aus einem
Brief an die marck. Ihr kennt ihn noch von der Expedition her, auch aus meinen Eltern. früheren Briefen aus Peking, wißt auch noch vom vorigen Jahr her, daß damals seine junge Braut aus Wiesbaden in China ankam, die er in Schanghai heiratete. Schon vorher hatte er sich hier ein eigenes Haus gebaut, das ich seiner Zeit mit einweihen half und jetzt mit ihm bewohne. Seitdem ist der FamiHenkreis um einen gesunden Jungen vermehrt worden, bei dem ich Taufpate bin, das erste Mal, daß mir die Ehre dieser Stellung zuteil geworden ist. Mein Patchen heißt „unser Fritz" und führt auch meinen Namen. Ich habe ihm einen Wagen aus Schanghai mitgebracht, der in diesem verlassenen Winkel der Welt eine erwünschte Akquisition war.
Von meinen früheren Bekannten sind viele weg; an ihrer Stolle sind andere, die ich wenig kenne. Aber doch bin ich in Peking stets gut zu Hause, so sehr, daß ich schon gar nicht mehr daran denke, die Merkwiü-digkeiten anzusehen, ebensowenig wie es einem Bcriiner ein- fällt, in das Neue Museum zu gehen. Daß die Straßen über alle Be- griffe staubig sind, daß alles im Verfall ist, und daß der ästhetische Sinn des gebildeten Europäers auf Schritt und Tritt beleidigt wird, kommt einem schließHch so selbstverständlich vor, daß man garnicht daran denkt, noch etwas daran auszusetzen.
Das Land ist weit und breit überschwemmt, und Millionen von Menschen sind in unsäghchem Elend. Vor mehr als ÖO Jahren fand eine ähnliche Überschwemmung statt; nach den damahgenErfalu-ungen glauben die Chinesen, daß das Land drei Jahre unter Wasser bleibea wird. Einige Chinesen halten die Überschwemmung für eine Strafe für die vorjährigen Verbrechen, andere sehen sie als eine Strafe dafiir
Aufbruch von Peking. 109
an, daß sie nicht gleich alle Europäer mit Stumpf und Stiel ausge- rottet haben.
In zwei Tagen trete ich meine lange Reise an. Ihr habt aus meinem vorigen Brief ersehen, daß mir der Entschluß dazu schwer geworden ist. Nun aber, da er gefaßt ist und die umfassendsten Vor- bereitungen getroffen sind, bin ich ganz wieder der Reisende und sehe mit Vergnügen neuen Arbeiten und Forschungen entgegen. Gegen die Kälte habe ich mir einen großen Wolfspelz und eine ganz kolossale Bärenmütze angeschafft. Mit Provisionen bin ich reichlich versehen. Ein großer Haufen kleiner Silberbarren, zur Bestreitimg der sehr be- deutenden Ausgaben, ist in meinem Gepäck verteilt. Mut und Er- fahrung sind in hinreichendem Maß vorhanden. So breche ich auf für meine letzte Reise, von der ich viel Erfolg erhoffe.
Der Gedanke, soviel unerforschtes Land zu sehen, wirkt ver- lockend. Aber was wäre es ohne den Gedanken, die Reise bald überstanden zu haben xind dann nach der Heimat zurückkehren zu können!
Nach langwierigen Vorbereitungen kam ich heute endlich um Tagebuch 10 Uhr zum Aufbruch. Der Versuch, Maultiere bis Sz'tschwän zu mieten, war an exorbitanten Forderungen gescheitert: ich mußte mich schließlich damit begnügen, sie bis Kaigan zu nehmen. Gestern war alles zum Aufbruch bereit, aber die Leute weigerten sich, den von mir gewünschten Weg einzuschlagen. Es gab einen heftigen „row", der nach mehrstündiger Dauer damit endete, daß meine Leute klein- beigeben mußten. Zum Aufbruch aber war es zu spät geworden. Ich verließ Peking — wahrscheinlich zum letzten Mal! Ich hatte 16 Tage in angenehmster Weise in Bismarcks gastlichem Haus verbracht. Bis- marcks gaben mir auch zu Pferde das Geleit bis zum Tschang yi- mönn, dann ging es auf der großen Steinstraße nach Westen fort. Mein Zug besteht aus acht Maultieren und zwei Eseln; dazu kommen fünf schwerbepackte Maultiere ä 200 Catties, ein halbbepacktes, das den Boy trägt, und zwei Reitmaultiere für Sphngaert und für mich. Die Esel sind Eigentum der Leute. Wir haben als Begleiter zwei
2.5. Oktober.
110 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
Hündinnen: meine vielgereiste Diana und einen Windhund von Splingaert.
Nach 14 Tagen heiteren Wetters war es heute feucht und -warm; doch klärte es sich nachmittags etwas auf. Die Straße bis Lukou- kiau mit der großen Zelmpfeiler-Brücko — der Name bedeutet Hirschgraben-Brücke — über den Hunhö, über die schon Marco Polo ritt, ist ungemein belebt. Ich zählte und schätzte insgesamt an 3000 Packtiere, denen ich begegnete ; meist waren es Kamele, aber auch viele Maultiere und Esel, ferner Karren, Schiebkarren und Kulis. Bei der Brücke verließ ich die große Südstraße nach Pautingfu, Hönan usw., die ich im vergangnen Jahr hinabgezogen war, und bog nach Südwesten ab, auf die Berge zu. Dem Fuß der letzteren lagert sich hier ein breites 50 — 75 m hohes, flachweUiges Hügelland vor, in das das Hun hö-Tal eingeschnitten ist. Der Boden ist nicht sehr fruchtbar, die Gegend wenig bevölkert und ärmlich, mit weit auseinander liegen- den Dörfern. Wirtshäuser existieren kaum. Im Westen erhebt sich ein hohes Gebirge, dessen Abfall NO — SW streicht. Die nächstHegenden Berge heißen Manganschan „Pferdesattel-Berg"; in ihnen sind viele Kalköfen. Der höchste Berg der Gruppe, der Miauföngschan, ist nachFritsche etwa 1200 m hoch; die vielen Gipfel des Manganschan steigen sonst unmittelbar zu 500 m auf.
Mein Plan war, nach Fangsclianhsien zu gehen, die dortigen Kolüengruben zu besuchen und mir von dort aus einen Weg nach Tschai tang zu suchen. Doch hörte ich unterwegs von berühmten Kohlengruben bei Tai ngan schan, 95 li wesdich von Tai fii tschwang. Da Pumpelly sie nicht gesehen zu haben scheint, brach ich zunächst dorthin auf. Ich begegnete unterwegs langen Zügen von Kamelen mit Kohle, die nach Peking bestimmt waren.
Die Straße ging zuerst durch Hohlwege in einer Art von regene- riertem Löß mit 10 m tiefen Einschnitten; der Lehm war in seinen tiefsten Lagen noch voll frischer Wurzeln. Bald darauf beginnt an- stehendes Gestein. Ich kreuzte mehrere trockene, mit GeröU bedeckte Bachbetten. Von einem derselben führt eine sehr schlechte Straße
Wilde Gebirgswelt. 1 1 1
stell hinauf nach dem Meiling oder Kohlen-Paß und jenseits — nach Westen — hinab nach einem breiten Flußbett in tief eingeschnittenem Tal. Der Fluß hat hier keinen Namen, doch muß es der obere Lauf des Liuhhö sein. Im Norden sieht man ein hohes Kalkgebirge, das mit sclu'oflen Unterbrechungen nordöstlich nach dem Manganschan fortsetzt, hier aber in einer W — O gerichteten steilen Mauer abbricht. Am Meiling-Paß sind den Kalksteinen, wie es scheint, kohlenführende Schichten regelmäßig aufgelagert, in denen lebhafter Bergbau auf mehreren Anthrazitflözen betrieben wird. Wir gingen am Liulihö aufwärts. Der Fluß ist zwischen Kalksteinen eingezwängt und macht bedeutende Windungen. Auf jeder konvexen Seite derselben steht ein Dorf. Nach SO sieht man durch ein Tor nach der Ebene hin. Hier beginnt ein hohes nach W fortsetzendes Mauergebirge, das aus flach südlich fallendem Kalkstein zu bestehen scheint.
Bei dem kleinen Ort Heilungkwan macht der Fluß scharfe Windungen und fließt in düstern Engen zwischen Wänden von Schiefer bis zu der kleinen Häusergruppe Hungmei tschang („Anthrazit-Markt"), die aus zwei oder drei großen Kolilen-Hongs und einem Wii-tshaus be- steht. Bis hierher gehen Kamele den Fluß hinauf. Die Kolüe wird mit Eseln und Maultieren vom Tai ngan-Distiükt herabgebracht. Hier tritt der FIilB an die Straße heran ; ein jetzt wasserloses Steinbett, ofi'enbar zu Zeiten mit tosenden Fluten erfüllt, mündet hier von NNW, und in diesem geht der Weg aufwärts weiter. Die Landschaft hat den Charakter des Großartigen, Wilden und Öden : schrofi'e Wände zurSeite, dazwischen das breite steinige Flußbett; jeder Durchblick zeigt Kalk- schroffen, die an Süd-Th-ol erinnern, wenn sie auch den Langkofl nie erreichen. Wo Raum vorhanden ist, wird der Boden angebaut und teiTassiert. Es gibt viele Fruchtbäume, besonders Kaki: die hohen blattlosen Bäume hängen jetzt ganz voU von den gi-oßen rot- gelben Früchten, und doch sind diese noch nicht ganz reif Lange Züge von Kamelen gehen mit Kaki beladen nach Peking.
Ich machte heute eine großartige und äußerst instruktive Ge- 27. Oktober. birgstour, die ich aber teuer bezaldeu mußte. Ein Gebirge mit über
112 Die letzte große Eeise. 1 . Von Peldng nach Si ngan fu.
1500 m hohen Gipfeln und fast ebenso hohen Pässen begrenzt südlich des Tschaitang-TaJ. Dieses Gebirge mußte überstiegen werden, und wir waren genötigt, einem wahren Labyrinth von Windungen der Schluchten zu folgen, um nach der Paßhöhe zu gelangen. Die all- gemeine Richtung des Weges schien mir NWzN zu sein, aber es felilte an jedem Anhaltspunkt für kartographische Einzeiclmungen. Gleich nach dem Aufbruch betraten wir ein enges Canon von 50 — 1 50 m Breite mit steilen, oft senkrechten Seitenwänden, die in Abstufungen 150 — 600 m hoch ansteigen. Der Boden ist meist nur mit dem stei- nigen Flußbett erfüllt. So geht es 30 li fort, bis ein plötzlicher steiler Anstieg nach dem Dorf Tai ngan schan hinaufführt, das 350 m über dem Aufbruchsort Hegt. Hier über der Region des Cafion beginnt aber erst der Anstieg. Durch Bergkessel und Engpässe geht es steiler und steiler hinauf, bis man etwa 750 m über Taingan an einem Berg- kessel die Höutsau- („dickes Flöz") -Grube erreicht. Dann geht es noch ungefähr 200 m höher hinauf nach dem Taihailing, einem Paß gegen ein anderes nach Süden gerichtetes Tal, das wahrscheinlich dem bei Hung mei tschang verlassenen HauptBuß desLiulihö angehört. Von diesem Paß zieht sich der Weg auf der Höhe am Abhang quer über die höchsten Runsen fort nach einem zweiten Paß, Miau ngan ling, der nach dem Tschai tang-Tal hinübei-fühi-t. Die beiden Pässe haben eine Höhe von etwa 1400 m; der Miau ngan hng ist der höhere von beiden. Die nächsten Gipfel ragen noch 150 m höher auf, aber im W, etwa 8 km entfernt, steigt eine Gipfelmasse noch etwa 500 m höher an.
Die Aussicht ist großartig. Das Meer der wilden Kalkschrofi'en, das man übersieht, liegt teils im Niveau der Pässe, teils niedriger. Dar- über hinaus in SO sieht man die Ebene. Im Süden sind zackige Gebirge mit den bizarrsten Formen vielfach hintereinander gereiht. Die Höhe der Pässe war ganz unvorhergesehen, ebenso die Steillieit und steinige Beschaffenheit des Weges. Es war keine Kleinigkeit, die normalen Maultierlasten so hoch hinauf zu befördern; doch giug alles gut bis zur Hutsau-Grube. Hier waren einige reinUch gehaltene Häuser mit sehr guten Leuten. Die Sonne war untergegangen, und
Unglücklicher N.ichtmarsch. 113
ich wollte hier übernachten; doch gab es kein Futter, und die Leute weigerten sich, uns von dem Tempel am Miaungan-Paß, 8 li oberhalb, etwas zu holen, sondern wollten lieber mit Sack und Pack noch bis dorthin gehen. Ich warnte vergebens, und wir brachen auf. Ein enger Weg, zudem von den Regengüssen dieses Jahres stark aus- gewaschen, führte an den steilen Gehängen hin, oft in das Gestein aus- gehauen. Rechts hatten wir die ausgehauene Wand, links steile, oft 150 — 300 m hohe Abhänge. An einer Stelle sprang von rechts ein Felsen vor. Sieben Maultiere hatten ihn glücklich passiert, das achte verlor den Boden mit den Hinterbeinen, wurde aber noch gehalten vind hing nun mit dem Hinterteil über dem Abhang und lag mit dem Vorderteil auf der Straße. Mit großer Mühe wurde das schwere Ge- päck abgenommen und in Sicherheit gebracht, das Tier aber stürzte unrettbar hinab. Der Abhang war eine senkrecht aufgebaute Mauer von 5 m, darunter folgte eine Böschung mit losem Geröll. Das Tier krümmte den Rücken, zog die Boino fest ein, fiel so auf den krummen Rücken und rollte auf dem losen Geröll hinab. Allgemeines Entsetzen — ■ aber dem Maultier war nichts geschehen.
Dann kam eine zweite schwierige Stelle in einer Runse: rechts eine 3 m hohe Mauer, der Unterbau eines zerstörten Hauses, an ihr entlang ein mauerförmig aufgebauter schmaler Pfad mit einem 2 V2 m hohen senkrechten Abfall links. An einer Stelle war der Pfad bis auf 2 Fuß Breite weggewaschen, und hier konnten die Tiere überhaupt nicht passieren. Wir mußten sämtliches Gepäck abnehmen, hinüber- tragen und die Tiere fuhren. An einer steilen unbequemen Stelle wurde wieder aufgepackt. Die Operation war gefährlich für Menschen, Tiere und Gepäck. Aber, wie es an Stellen, an denen man die Größe der Gefahr kennt, gewöhnlich ist, ging alles gut ab, wenn auch nur nach einer Stunde sehr schwerer Arbeit, bei der jeder zugreifen mußte. Nun ging es auch wieder recht gut weiter, und wir erreichten den höchsten Rücken, der sich nach dem Paß hinanzieht; er fällt nach beiden Seiten steil und lang ab. Hier schien aber keine Gefahr zu sein. Plötzlich geht ein Maultier unversehens vom Wege ab, rempelt
Riclithofen, Tagebücher, II. Band. 8
114 D'8 letzte große Reise. 1 . Von Peking nach Si ngan fu.
beim Umkehren ein anderes an, das Gepäck fällt hinab und rollt und rollt über die Steine in Sätzen und Sprüngen in die Tiefe. Es war gerade das Packtier, das alles zum täglichen Leben Notwendige trug. Dabei war ein von mir sinnreich erdachter großer Kasten , in dem Teller, Tassen, Gläser usw. vor dem Verderben geschützt sein und eine Unzahl von Kleinigkeiten des Reisehaushalts einen sicheren Platz gefunden haben sollten. Jetzt war an ein Weiterkommen nicht mehr zu denken! Alle Tiere wurden abgepackt, und es ging ans Suchen. Zum Glück war es eine Vollmondnacht und der Himmel ganz heiter, aber es blies ein eisig kalter Wind ( — 2° C), und wir mußten uns in unsere Pelze hüllen. Der Kasten war ganz zerschellt; die anderen Gepäckstücke, aus Bambus geflochten, waren erhalten, der Inhalt aber über den ganzen Abhang bis 150 m hinab zerstreut. Manches, was ich mit Sorgfalt für den Comfort der ganzen Reise vorbereitet hatte, war unwiderbringlich dahin; anderes, z. B. die PorzeUanteller, Tintenflasche (Glas) und Flaschen mit Arnica und Glyzerin waren ■v^amderbaroi-weise gerettet. Auch sämtliche Töpfe mit Liebig waren erhalten geblieben, außer einem einzigen. Eine Zigarre vertrieb bald die Sorgen, und wir legten uns auf den harten Grund und schliefen gut, wiewohl in ständiger Gefahr, bei der geringsten Bewegung gleich dem Gepäck hinabzurollen. 28. Oktober. Am heutigen Morgen wurde der Abhang noch einmal abgesucht,
dann alles wieder aufgepackt. Um neun Uhr kamen wir zum Auf- bruch. Das Thermometer hatte früh um sechs Uhr — 2° gezeigt, dann war derTag sonnenhell angebrochen. Der Miau ngan ling ist eine flache Einsattlung. Man sieht hinab in den von wilden Gebirgen umstarrten Kessel des Tschai tang-Beckens. Der Fluß entsteht aus vielen tief und schrofi" eingeschnittenen Armen, die aus allen Gebirgen heraus- kommen. In Tschai tang selbst merkte man nichts von der großarti- gen Gebirgswelt ringsum. Im Norden erhobt sich ein mauorförmiges Kalkgebirge. Das höchste Gebirge ist in WNW 30—50 km ent- fernt: ein langer, sanft geformter Rücken, der jetzt mit Schnee bedeckt — kein anderer Gipfel hat Schnee — und wahrscheinlich
Der Kessel von Tschai tang. 115
zwischen 2000 und 2500 ni hoch ist; es ist wahrscheinlich der Siau- Wutaischan.
Der Abstieg nach dem nur etwa 1200 m hoch gelegenen Nord- gehänge ist mit Strauchwerk dicht bedeckt, darunter vielen Spiraeen, während am Gehänge gar keine Sträucher sind. Das Volk hier herum ist sehr harmlos und gut. Der Obstbau ist ein blühender Erwerbs- zweig; an den Südgehängen reicht er bis über 1200 m Höhe, am Nord- gehänge bis ungefähr 1000 m. Birnen und Nüsse sind lächerlich billig, Kartoifeln — 1 Dollar pro pikul — von vorzüghchster Art. Hirse, Hafer, Bohnen, Kauliang scheinen die sonstigen Stapelartikel des Feldbaues zu sein.
Der Voi'mittag verging mit dem Tagebuch und anderen Arbeiten. 29. Oktober. Splingaert beschäftigte sich mit dem Wiederaufbau der zertrümmerten Kiste, die ein zu wichtiges Möbel ist, um ganz aufgegeben zu werden. Wir hatten alle Splitter zusammengesucht, und sie wurden so zu- sammenklabastex-t, daß der Kasten wahrscheinlich besser halten wird als vorher, gerade wie die geflickten TeUer der Chinesen. Nachmittags machte ich einen Ausflug nach den Kolüengruben. Seit Pimapelly haben die Minen von Tschai tang soviel Aufmerksamkeit auf sieh ge- zogen, besonders von Seiten düettierender und minenbedürftiger pro- testantischer Missionare, und Henderson steUt sie so weit über das von mir entdeckte Anthrazitfeld von Süd-Schansi, daß ich recht begierig war, die Gruben kennen zu lernen. Zu hoch gespannte Erwartungen werden leicht enttäuscht. So auch hier! — Ich besuchte zuerst die Futau-Gruben; sie liegen 4 — 5 li in SSW von Tschaitang an der linken Seite des von Maling kommenden Baches. Da eine Eisenbahn wegen dieser Gruben projektiert ist, so war ich erstaunt, nur ganz geringe Aufschlüsse und kleinen Bergbau zu finden. Die Gruben, alte und neue, sind auf eine Strecke von nicht mehr als 500 m am unter- sten Gehänge verteilt; die höchsten liegen etwa 60 m über dem Bach- bett. Die Kohle hat die von PumpeUy angegebenen guten Eigen- schaften, ist aber nicht so fest wie die von Poschan in Schantung, auch voll von Rutschflächen; daher gibt es viel Kiein- und Staub-
2J6 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
kohle, die zu Koks gebrannt wird. Mau arbeitet jetzt nur auf zwei Gruben mit ungefähr 20 Mann, die nicht molu- als 250 kin pro Mann zu fördern scheinen. Dies sind alle vorhandenen Aufschlüsse. Es ist wahrscheinlich, daß die Flöze weiter fortsetzen, auch möglich, daß noch einige Flöze in der Tiefe liegen; aber ehe die Aufschlüsse nicht weiter gegangen sind, wird sich wohl der Gedanke an eine Eisenbahn als etwas verfrüht herausstellen. 30. Oktober. Ich hatte beabsichtigt, von Tschai tang direkt nach Nank6u. von
da nach Tuschik6u, Siwan und Kaigan zu gehen; da jedoch der Hunhö auf dem Weg nach Nanköu noch kaum zu passieren ist. die Reise wenigstens 11 Tage in Anspruch nehmeu würde und von Tschai- tang ein direkter Weg von 280 li nach Kaigan existieren soll, auf dem ich die wichtigsten Gebirge verqueren kann, so schlug ich diesen Weg ein. Die Lokation von Tschai tang ist mir noch nicht ganz klar*. Pumpelly gibt es 150 li von Peking an; da aber der Weg dorthin 160 li beträgt, so -»vird die direkte Entfernung höchstens 120 li be- tragen. Auf der großen chinesischen Karte ist das Wassernetz dieser ganzen Gegend sehr unvollkommen dargestellt.
Mein Weg fülu-t zunächst nach Paungantschöu (160 li) über ein hohes Gebirge. Bald kommt man durch ein enges Felsentor im PorphjT nach einer Schlucht, und in dieser geht es 17 li aufwärts nach KW bis zum Fuß der hohen Kalkschroffen bei dem Dorf Paiyü, 500 m über Tschai tang oder in ungefähr 1000 m Meereshöhe. Sehr enge, kurze, verzweigte Scliluchten mit senkrechten Wänden ziehen durch die Mauer hinab. Der Weg windet sich steil hinan, bis er das sanft- wellige Grasland der Höhe, ungefähr 1800 m über dem Meere, er- reicht. Auf dieser Höhe, die weithin ungefähr gleich bleibt, führt der Weg weiter. Das ganze Mauergebirge läuft, wie Blattrippen in einen Stiel, in einen schmalen, von SO nach NW gerichteten Grat zusammen, über den der Nanköu-Zweig der Großen Mauer hinwegzieht. Die Mauer besteht hier nur aus einigen Tüi-men (wie die sogenannten Drum-Towers) und etwas verbindender Mauer, das Ganze etwa 1000 ui lang; darüber hinaus fehlt zu beiden Seiten jede Fortsetzung. Der
Großartiges Gebirgspanorama. 117
Grat verbindet das breite Mauergebirge mit dem Hauptscheiderücken des Tschai tang-Tales. Der Paß über diesen ist ungefähr 1800 m hoch ; es war zu dunkel, um das Barometer genau abzulesen. Die Gipfel des Scheiderückeus steigen im W bis ungefähr 2500 m an.
Das Gebirgspanorama, von den verschiedenen Stellen des Weges auf der Höhe aus gesehen, ist großartig, besonders der Überblick des weiten bergigen Beckens von Tschai tang. Im W werden sehr hohe Gebirge sichtbar, die wohl an 3000 m hoch sein mögen. Die Kälte auf der Höhe ist schon bedeutend, und am Nordabhang schmilzt das Eis nicht mehr. Der Südabhang ist bis zur Höhe mit Sträuchern be- deckt, danmter Eichen und Spiraeen. Der Feldbau geht bis zu 1500 m hinauf. In Mahungyü werden Hafer, Hirse, Buchweizen, Bohnen und Kai-toffeln gebaut. Letztere sind ein Segen für das Land: an andern Orten wollen die Chinesen sie nicht essen, hier sind sie schon ein un- entbehrliches Nahrungsmittel geworden.
Der sehr anstrengenden gestrigen Tour, die wir erst spät abends 31. Oktober, vollendeten, ließ ich heute eine kurze folgen. Der Weg führte in WNW- Richtung, zuerst über einen Paß, westlich vom Dorf und 125 m darüber, nach einer Schlucht, die bei dem Dorf Tauköu das Gebirge verläßt. Die Schlucht verbreitert sich, und mehi- als 1200 m über dem Meere beginnt der erste Löß. Man ti-itt nun hinaus in ein Lößland, das sich gegen Norden allmählich nach einem Fluß hin senkt und jenseits ebenso allmählich wieder ansteigt. DicHolilwege,Runsenusw. sind ganz wie sonst im Löß. Wir kamen in ein Tal, das tief aus dem Gebirge kommt.
Sieht man auf das südliche Scheidegebirge zurück, so bietet sich ein ganz anderer Anblick dar als von Süden her : es erscheint als eine Reihe dunkler sanftgeformter Hügel, die aus dem Löß aufsteigen, und denselben Charakter hat die ganze Landschaft, die mau gegen Norden überblickt. — Fan schau pu ist eine Station auf der Straße von Peking nach Yütschöu. Es wird hier sehr viel Wein gebaut: ein großer Teil der Traubenversorgung von Peking soll von hier kommen, und aUes Gute geht dorthin. Wir kauften Trauben, die aber keine besondere
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Empfehlung für den Ort bildeten. Die Höhe von Fanschanpu ist etwa 750 m. 1. November. Schon gestern Abend hatte sich der Himmel bezogen; in der
Nacht fiel ein wenig Regen, auf allen Bergen ringsum Schnee. Morgens wehte ein heftiger, sehr kalter NW- Wind, der zu einem unei-träglichen Staubsturm ausartete, so daß mir die Fernsicht völlig genommen wurde. Die Straße führt erst 20 li auf Löß aufwärts nach einem etwa 200 m über Fanschan gelegenen Paß, von da an erst 10 H in einer Gebirgsschlucht abwärts, dann 30 li am Abhang hin über Löß, und schließlich folgt ein endloser Weg über die vielen reißenden Arme des Sangkanhö. Das Scheidegebirge zwischen den beiden Tälern besteht aus vielen Gipfeln, die etwa 1200 m im Osten bis beinahe 1800 m im Westen ansteigen; auch scheint es in letzterer Richtung an Breite zuzunehmen. Der Sangkanhö ist breit, vielarmig, führt aber trotz reißender Strömung wenig Wasser. Paungan ist ein unbedeutendes tschöu. Der Haupterwerbszwoig ist Getreidehandel; der Löß ist über- all mit Feidorn bedeckt und bietet einen ertragreichen Boden.
Ein nordchinesischer Staubsturm im Winter ist das Gegenstück zu einem Samum. Die Lvift ist mit Staub und Sand erfüllt, die Sonne kaum erkennbar. Dicke Wolken werden von unten her, vom Löß- grund und Flußsand, aufgepeitscht. Der kalte Wind ist äußerst em- pfindlich: er bläst durch alle Kleider hindurch, deponiert darin alle festen Bestandteile und entzieht dem Körper die Wärme so energisch, daß man bald meint, es sei nichts mehr im Leibe zurückgeblieben. Schlägt man das Auge auf, so fegt sofort eine Wolke von Staub und Sand mit Heftigkeit hinein. Auch vor sich nieder zu sehen, ist bald nicht mehr möghch. Es ist wunderbar, wie ruhig die Maultiere gegen den Sturm angehen. Wir kamen ganz ausgemergelt im Wirtshaus an : man fühlt sich nur noch wie ein Gerippe. Im Zimmer gibt es dann die Alternative, entweder im Kalten zu sitzen oder mit dem Zimmer auch den Kang*) zu heizen.
*) s. Band I, S. 214.
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Staubsturm im Winter. l\d
Der Tag brach kalt an, aber windstill und sonnenhell. Um 2. November. 10 Uhr erhob sich eine kalte Nordbrise, die sich zu einer Wieder- holung des gestrigen Sturmes in geringerem Maßstab steigerte. Der Sangkanhö hat hier ein breites Alluvialtal, das sich an der linken Seite bis zum Fuß des Gebirges in 12 li Breite ausdehnt; weiter liinab wird es noch breiter. Es ist ein sandiger Lehmboden mit gutem Ertrag an Weizen, Kauliang, Mais und vielen anderen Feldfrüchten. Das Volk lebt meist von Hirse, den es dem Mais vorzieht. Das Tal ist berühmt wegen seines Weißkohls (paitsai), mit dem die Umgegend weithin versorgt wird. Die Bevölkerung ist dünn ; die Dörfer bestehen aus zerstreuten Häusern, die aus lufttrockenen Lehmziegeln gebaut sind.
Das nördliche Gebirge heißt Hwangyangschan; es steigt etwa 1100 m über dem Tal oder zu etwa 1600 m Meereshöhe an. Auch dies Gebirge nimmt nach Westen an Breite zu imd scheint mit dem südhchen zusammen das Paungan-Tal abzuschließen ; der Sangkanhö kommt dort aus einer Schlucht zwischen beiden heraus. Die Borge sind hoch, oben breit, darüber pyramidal zugespitzt und fallen nach N und S steil ab. Die Straße führt in Nord-Richtung grade auf das Gebirge zu und eiTeicht dessen Fuß bei dem Tempel Takweisz'.
Die Straße wendet sich nun nach dem östlichen Vorsprung des Hwangj^angschan gegen den Yanghö (weiter unten Hunhö genannt) zu, und da der Vorsprung steil gegen den Fluß abstürzt, übersetzt sie ihn auf einem Paß, 200 m über Paungan. Der Weg schließt einen merkwürdig interessanten Gebu-gsbau auf. Der Yanghö ist ein kleiner Sti'om von braunem schnellfließendem Lößwasser, jetzt ungefähr 80 m breit bei 2 Fuß mittlerer Tiefe. Das Bett ist bis 400 m breit und zur Flutzeit ganz ausgefüllt; dann ist ein Verkehr zwischen den Ufern überhaupt unmöglich. — Nachdem wir ihn passiert hatten, kamen wir auf die große Straße von Peking nach Kaigan, die eben sehr belebt war. Es ging nun durch die Enge am Fuß des Kalkfelsens hindurch und zuletzt noch 15 li über ziemlich ebenes Land nach der großen Stadt Süenhwafu, der Capitale dieses eigentümlichen Systems von breiten Alluvialtälern, ausgedehnten Lößterrassen und wilden Geblrgs-
120 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
Schluchten, das sich nördlich vom Nanköu-Paß ausdehnt, ganz fih- sich abgeschlossen ist und das Übergangsglied von dem Flachland nach der Mongolei bildet. 3. November. Süen hwafu ist, wie die meisten großen Städte, in einem Quadrat
gebaut, das nach den Himmelsrichtungen orientiert ist. Die Umfassungs- mauern sind sehr weitläufig, aber wahrscheinlich ist kaum mehr als Vg des Raumes von bewohnten Plätzen eingenommen, der Rest von Gärten und Feldern. Auch der bewohnte Teil ist armselig und besteht aus Lehmbäuseru, bis auf einige Straßen, in denen Kaufläden und Yamen's liegen. Die Straßen sind breit, aber selbst jetzt, 6 Wochen nach dem letzten starken Regen, sind große Strecken von ihnen un- passierbare Pfützen. Ich besuchte die katholische Mission, die zentral gelegen ist und ein hübsches Grundstück hat. Es wird hier jetzt eine Kirche in gotischem StU erbaut, und ein Christ namens Simon hat mit großem Erfolg aus Holz einen Hochaltar in demselben Stil geschnitzt. Außerdem wird eine weite Empfangshalle mit großen Tapetenbildern aus dem 18. Jahrhundert hergerichtet, welche Jagdszenen und der- gleichen vorstellen. Diese Wandverzierungen sehen keineswegs reli- giös aus. Die Zahl der Christen soll 5000 betragen, die meisten stammen aus alter Zeit. Es scheinen intelligente Leute darunter zu sein. Ich verließ die Stadt durch das Westtor, vor dem, auf sandigem Grund zerstreut, alte hohe Weiden stehen. Es kamen eben Kamele, Maultiere, Esel und Karren in Menge aus Kaigan an. Die langen Züge unter den hohen Bäumen gaben ein malerisches und eigen- artiges Bild. Bei den Kamelzügen waren viele Mongolen. Ich habe nie der vielbesprochnen Ähnlichkeit des Tj'pus der Ciiincsen und Japaner mit dem der Indianer zustimmen können: sie besteht nur darin, daß alle diese Typen von dem der weißen Rasse verschieden sind und ihr gegenüber einiges Gemeinsame bieten. Aber in diesen Chalcha-Mongolon erblickte ich fast genau den Typus der Indianer. AVie sie auf ihren Kamelen hocken : mit ihren dunkeln kupferbrauneu Gesichtern, ihrem strafien Haar, ihrer einfallenden, wenn auch oft ge- krümmten und herabhängenden Nase, den breiten niedi-igen Augen,
Die ersten Mongolen. 121
den meist bartlosen, faltigen Gesichtern, die bei alten Leuten efrsvas Weibisches haben, mit ihrer schmutzigen bunten Tracht; wenn man dann die Frauen sieht mit ganz runden Gesichtern und allerlei gro- teskem Schmuck, so glaubt man sich in das Great Basin*) versetzt, und ich meinte, lauter altbekannte Physiognomien wieder zu erkennen. Trotz dem häufig weibischen Ausdruck, liegt in ihrem Gesicht doch etwas Wildes und oft eine Entschlossenheit, die an die scheußlichen Taten erinnert, diu-ch die sich dieses Volk in seiner Geschichte aus- gezeichnet hat.
Aber auch durch die Landschaft fiildt man sich an das ,, Great Basin" erinnert. Sieht man von der Staffage : von Dörfern, Straßen. Feldern, Kamelen usw. ab, so hat man eine eintönige und doch gerade in der Monotonie großartige Landschaft vor sich: breite, jetzt öde Becken, von wasserarmen Flüssen durchsti'ömt, baumlos, fahl und erdfarben; darüber hinaus ragen die scharfgezeichneten nackten Ge- birge, jede Schlucht und jede Runse in ihren Gehängen, jeder vor- springende Fels deutUch erkennbar; ferner ab ziehen Reihen hinter Reihen in blauem und rötlichem Duft, die höheren Gipfel mit einem Anflug von Schnee. Die Ähnlichkeit wird vermehrt, durch das vulka- nische Gestein, das hier lange Hügelzüge ganz allein bildet und aus ihnen in schwarzen Felsreihen hervortritt. Der abwechselnd weiche und staubige, dann wieder steinige und doch noch staubige Grund weckt ebenfalls Erinnerungen an die einsamen Ritte im Great Basin. Begegnet man dann Gruppen der Chalcha-Indianei-figuren, so träumt man sich unwillkürlich in jene Gegenden zwischen Sierra Nevada und Felsengebirge zurück. Sagte ich doch einst zu Whitney**): ich er- wartete in Zentral-Asien ein zweites Great Basin zu finden, nur mit west-östlichen statt nord-südlichen Ketten. Diese Vorahnung bat sich in diesem kleinen Beispiel vollständig erfüllt.
Süenhwafu liegt in einem breiten Alluvialtal. Die umgebenden Gebirge erheben sich niu- stellenweise direkt aus ihm heraus. Fast bei
*) s. Bd. I, S. 167. **) s. Bd. I, S. 1.
122 Die letzte große Keise. 1 . Von Peking nach Si ngan fu.
allen erstreckt sich eine lange Löß-Abdachung hoch an den Abhängen hinan, so daß nur die oberen Teile der Gebirge daraus horvorragcn. Im Westen legt sich dem Nordabhang desHwangyangschan ein breites flachkuppiges Gebirge vor, das sehr gegen dessen schroffe Gipfel ab- sticht. Die Straße führt bis dahin durch Ebene, dann über den kleinen Paß, weiter wieder durch Ebene und über Löß, bis sie in das N^S- Tal von Kaigan einmündet. Dieser Ort liegt in einem Talkessel, der im Westen, Norden und Osten ganz gesclilossen, im Süden aber offen ist. Die Berge sind alle kahl und scheinen sämthch aus demselben vulkanischen Gestein zu. bestehen.
Kaigan oder Tschang kiaköu liegt im nordwestlichen Winkel des Hauptkessels. Die Stadt gewährt von weitem einen höchst eigen- tümlichen Anblick. In der erdfahlen Färbung erkennt man die flachen Dächer und die Stadtmauern lieraus, etwa so, wie ich mir Kaschgar und Yarkand vorzustellen pflege. Auf dem Rücken der Gehänge über der Stadt zieht die Große Mauer hin. Das Leben und Treiben von Menschen, Tieren und Wagen ist ungemein groß und hat etwas Impo- santes. Splingaert traf hier einen chinesischen Freund aus Si wan, der uns ein Gasthaus anwies, in dem wir vortrefflich untergebracht sind. Die Wände sind frisch gestrichen, Stühle und Tische blank poUort. Dies gute Quartier ist sehr erwünscht, da hier der Kontrakt für meine Maultiere endet und ich mich nach neuen Beförderungsmitteln gegen Südwesten umsehen muß. 4.-6. Nov. Drei Tage sind in Tschang kia köu im Fluge hingegangen. Sonn-
abend morgen kam ComteRochechouart mit Suite von Siwan en route für Peking durch. Er wurde bis hierher von Mynheer Verlinden von der belgischen Mission eskortiert. Dieser hat ein väterHches Interesse für Splingaert und wurde mein Gast. Mein Plan war gewesen, von hier Maultiere für eine mögUchst weite Strecke zu mieten. Man kann sie leicht bis Taiyuenfu bekommen, aber nicht weiter.
Die voraussichtliche Einförmigkeit des Weges von hier bis Ta- tung fu, der Wunsch, das Plateau der Mongolei zu sehen und Splin- gaert die Freude eines Besuches in Si wan zu verschaffen, ließen mich
Kaigan. 123
einen längerenPlan mit Verlinden verabreden, wonach wir über Si wan und von dort im nördlichen Bogen durch ein Stück der Mongolei nach Siyingtsze und Tatung fu gehen wollten. Wagen der Mission, bisher im Dienst von Rochechouart, übernehmen das Gepäck ; wir selbst reiten Pferde, die ich hier gekauft habe. Morgen soll aufgebrochen werden. Die Instandsetzung von Sätteln und Gepäck, Steinepacken, Karten, Profil usw. haben die Zeit hier in Anspruch genommen, so daß ich bei den sehr kurzen Tagen keinen Ausflug machen konnte und nicht einmal die hier residierenden amerikanischen Missionare auf- suchte, die mir vielleicht manche Information hätten geben können. Ich besuchte ein russisches Haus, Jonneff, wurde auch gut aufgenom- men und freundlich eingeladen, dort zu wohnen, und von der jungen Frau des Hauses in graziöser Weise bewirtet; aber man spricht in allen hiesigen russischen Häusern nur russisch. Bei Jonneff ist ein chinesischer Compradore, der russisch spricht, offenbar ein altes Inven- tarstück des Hauses, der die Rollo des Großvaters in der Familie spielt. Er sitzt mit am Teetisch, und nichts scheint ohne seinen Rat zu geschehen.
Von hier führen verschiedene Straßen in die Mongolei. Die nördliche und östliche sind auch jetzt große Handelsstraßen, aber die westliche und nordwestliche sind geschlossen. Güter gehen direkt nach Kweihwatschöng, aber Ninghiafu kann jetzt nur über Singan und Lantschöu erreicht werden; der Weg nach Kobdo und Uliassutai ist ganz aufgegeben. Als einziger Durchgangsplatz für ein so unge- heures Gebiet, wozu noch Sibirien und Rußland kommen, hat Kaigan natürlich eine äußerst wichtige Stellung; die Bewegung ist dem ent- sprechend. Auch die Bevölkerung ist beträchtlich; ein sehr großer Teil aber sind Passanten, und von den Bewohnern habea nur sehr wenige ihre Familien hier. Es herrscht Wohlstand und Wohllebigkeit. Man kauft alle Lebensbedürfnisse billig und erhält Luxusartikel, zum Beispiel raffinierten europäischen Zucker, beef und mutton in every quantity und sehr billig. Antilopen (hwangyang) kosten 600 Cash pro Stück; Kartoffeln fiir 400 Cash pro pikul sind hier besser als in Europa.
124 Die letzte große Reise. 1. Vou Peking nach Singaufu.
Dazu kommen grüne Gemüse, große Erdrüben, Mohrrüben und andere mannigfaltige Erzeugnisse der Gegend. Pferde, Esel, Maultiere und Kamele sind in großer Menge vorhanden. Ich kaufte ein gutes Pferd für 12 Taels; beste Kamole kosten 25 Taels. Man kann hier für einen billigen Preis besser leben als in irgend einem mir bekannten Ort in China außer in Peking. Trauben kommen meist aus Fanschan, Pau- ngan oder Hwailai und sind den ganzen Winter über zu haben. Äpfel sind sehr gut, Birnen schlecht. Fische werden im Winter gefroren vom Gelben Fluß über Kweihwatschöng gebracht. Aus der Mongolei kommen Felle vom Fuchs, wilder Katze, Ziege, Schaf, Eichhörnchen; Häute vom Rind, Schaf, Ziege und Kamel; ferner Kamelhaar, Filz, eine Art Butter und sogenannter Käse. Letzterer ist Haut von gekochter Milch: die frische Milch -iWrd gekocht, und die Häute werden übereinander gelegt. Das Produkt hat die Gestalt halbkreis- förmiger Scheiben, ist sehr fett und kann nur in kleiner Menge ge- nossen werden; es wird ohne Salz bereitet. Die Butter kommt in Blasen, ist weiß, sieht aus wie Schmalz und ist gleichfalls ohne Salz gemacht. Ich kaufte noch zu 400 Cash pro kin einen sehr praktischen Artikel für Wüstenreisen, der in Siningfu (Provinz Kansu) gemacht wird und hier ganz gangbar ist. Es ist ein Papier aus gepreßten Früchten; man hat darin komprimierten und konson'ierten Fruchtsaft in so reicher Beschaffenheit, wie man ihn in keinem europäischen Produkt findet. Der Geschmack ist angenehm säuerlich, und wenn man eine halbe Unze gegessen hat, meint man eine ganze Frucht- mahlzeit genommen zu haben.
Kaigan ist von Gebirgen aus Trachyt und Rhyolit*) umgeben, die in steilen Wänden abfallen. Nördlich ist der Kessel beinahe ab- geschlossen; der von NNW kommende Fluß findet nur einen schmalen Durchgang. In dieser Enge zieht sich am Fuß des westlichen Blufi" die belebte Handelsstraße hinauf bis zu dem Tor der China um- schließenden Mauer. Auch dieses Tor ist ganz einfach. Auf den
*) Vulkanische Ergxißgesteiiie.
Durch die Große Mauer in die Mongolei. 125
Bergen sitzen kleine Türmchen auf, die durch etwas Mauer mitein- ander verbunden sind. Unmittelbar hinter dem Tor kommt von links (NW) eine kleine enge Felsschlucht herein : in dieser zieht sich die Ki- achta-Straße hinauf, immer noch zwischen Trachyt-Wändon, die von Löß bedeckt zu sein scheinen. An den Wänden der Schlucht sind die Wohnungen und Handelshäuser der Russen, im Sommer glühender Hitze ausgesetzt und mit einem reißenden Strom vor der Tür. Es war ein verlockendes Gefühl, der Schlucht aufwärts folgen zu können, um durch sie allmäldich die Heimat zu erreichen. Es wäre jetzt die schönste Jahreszeit für die Reise!
Wir kamen heute erst um 12 Uhr zum Aufbruch. Das Gepäck 7. November. ging auf einem großen Karren nach Schibartai ab, das 100 li im Norden von hier liegt; ich machte mich zu Pferde nach Siwan auf. Der Weg folgt dem im Zickzack gewundenen Hauptstrom des Tales, im wesentlichen in ONO-Richtung. Der Talboden ist durchschnittlich von 300 — 1000 m Breite und beiderseits mit steilen Gehängen ein- gefaßt. Hier und da sind Dörfer zerstreut. Die Berge erheben sich noch 500 — 600 m über den Talboden. Der Fluß ist reißend und muß oft überschritten werden ; sein dm'chschnittliches Gefälle ist 1 :100. Der Talboden ist zum Teil steinig, zum Teil fruchtbares Feld. Merk- würdig ist eine vor dem Nordwind durch eine steile Mauer im Bogen geschützte Stelle, wo noch Reis gebaut wird. Nach "20 li erreicht man Ko touyingtsze, wo Clmsten wohnen. Hier mußten wir uns 1 '/a Stun- den aufhalten, um bei einer Christenfamilie ein für uns vorbereitetes reiches und sehr annehmbares Mahl einzunehmen. Es gab erst Früchte, dann Kuchen, nachher Fleisch in verschiedener Zubereitung und mit vielen Gemüsen garniert. Das Haus war äußerst reinlich und zierlich eingerichtet: poliert, lackiert, geputzt und mit christlichen Bildern be- hängt. Der Genius desselben war ein Mädchen mit glühenden aus- druckvollen Augen und mit scheinbar viel Verstand. Zum erstenmal gewann ich eine bessere Meinung von chinesischen Christen ! Nach 45 li erreicht man Siyingtsze, nach 601i die Mündung eines großen Nebentales vonNO ; die letzten 20 li nach 8i wan tsze machten wir in der Dunkelheit.
126 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Siuganfu.
Wir eiTeichten Si wan tsze um 8 Uhr abends und wui'den in einem gemütlichen Zimmer mit einer vortrefflichen Malilzeit von den Herreu empfangen, aus denen jetzt die hiesige Mission besteht. Der Empfang war herzlich; besonders wurde Splingaert mit warmer Freundschaft von den Missionaren und den Chinesen begrüßt. S.November. Si wan tsze liegt über 1200 m hoch in einem NNO — SSW-Tal
am westlichen Gehänge, das bis etwa 250 m über dem Dorf aus Löß besteht. Im Süden, 20 li entfernt, erhebt sich der stumpfe Gipfel des Tawangschan, des höchsten Berges der Gegend, etwa 750 m über dem Dorf Dazwischen liegt ein anmutiges Tal, rings von 500 — 750 m hohen Bergen umgeben; der Talboden ist mit Feldern bedeckt und an den Abhängen ziehen sich terrassierte Felder bis 300 m über dem TaJ hinauf. Man baut Kauliang (wenig), Kartoffeln, Hafer usw., keine Obstbäume. Weiden, Eschen, Pappeln bilden die Baum- und Strauch- vegetation. Die Gehänge sind mit niederen Gräsern und Ki'äutern bedeckt; ich sah auch einen Aprikosenbaum, Spargel gedeihen im Missionsgarten vortrefflich. Ein bis zur Wasserfläche 14 m tiefer Brunnen hat 7 ° C. Temperatur. Der Ort ist vor NW- Winden geschützt. Hier nun lebt eine Christengemeinde von 1500 Seelen, meist in Lößhöhlen. Die Mission, fi-üher französisch, ist seit 1865 belgisch. Die Missionare sind vortreffliche, vernünftige Leute; sie tragen keinen Zopf, leben europäisch und gut, suchen sich auch etwas Komfort zu verschaffen — sie brauen Bier, bereiten Wein usw. — und verwalten die Mission musterhaft: es herrscht Ordnung und Reinlichkeit. Es gibt eine Sainte-Enfance mit gegen 100 Kindern; einige Klosterjung- frauen erziehen teils die Kinder, teils tun sie die weibliche Arbeit für die Priester. Das Dorf ist am Lößgehänge zerstreut und ganz unan- sehnlich, da fast alle Bewohner in Lößhöhlen leben. Dies sind rein- liche, wenn auch ärmliche Wohnungen.
Ich besuchte zuerst die FamiHe von Francis: die Wände waren wie poliert, die Zimmer zierlich eingerichtet. Ich ging dann zu einem andern Bauer, der mir sagte, daß seine Familie seit vier Generationen dieselben kleinen drei Räume bewohnte, in denen erlebte. DerCement
Bei den belgischen Missionaren. 127
hält die Feuchtigkeit ab, und die Wohaungen sind so gewählt, daß keine Risse im Löß von oben hinein in sie münden. Der Löß ist sandiger als sonst, weniger kalkig und enthält sehr wenig Konkre- tionen; er ist aber ungeschichtet, außer wenn Geröllagen darin sind. Es sind kleine Pupa-Gehäuse darin ; ich bekam auch einige Knochen- stücke aus dem Löß, aber seit Pere Armand David*) hat Niemand mehr Derartiges gesammelt. Die Mission erhält ihre Unterstützung von der Societe pour lapropagation delafoi, wohl in ungefähr gleichem Verhält- nis wie die andern Missionen in China, findet aber ein bilhges Feld zur Anwendung ihrer Mittel und hat das Bestreben, sie in geeigneter Weise zu verwerten. Die Jungirauen des Klosters erhalten gar keine Unter- stützung, sondern müssen bei ihrem Eintritt von ihren Angehörigen genug erhalten, um sich selbst zu kleiden und zu beköstigen. Sie sollen zum Teil wohlhabenden Familien augehören, die es sich zur Ehre anrechnen, eine Kloster-Jungfii-au unter ihre Mitglieder zu zählen. Alle christlichen Chinesenfrauen müssen ihre Füße auswachsen lassen; neue Konvertiten haben diese Änderung sofort zu beobachten. Es leben noch Christen in andern Dörfern weit herum zerstreut, sämtlich Chinesen. Für ihre religiösen Bedürfnisse werden besonders die chine- sischen Priester verwendet, die zum Teil einen festen Wohnsitz haben, zum Teil auf den Dörfern herumreisen, östlich von hier ist eine Station in Joho (Jehol) mit einem belgischen Priester und noch einige in Kwantung**). WestHch sind noch eine ganze Anzald. Herr Backs, der erst vor einigen Tagen angekommen ist und wahrscheinlich Bischof werden wird, ist jetzt Chef der Mission und vorzüglich dazu geeignet.
Bei dem letzten chinesischen Dorf San hanpa ist das Plateau S.November. der Mongolei erreicht. Bei dem vielen Auf- und Absteigen, wozu noch einmal ein recht gründliches L-regehen von 15 li oder 1 V2 Stunden kam, war es Abend geworden. Wir verloren auch jetzt bald den Wog, aber auf der Grasfläche bei heiterem Himmel war es leicht, eine bestimmte
*) Lazaristenpater, der um die Erforschung von China meistverdiente Missionar des 19. Jahrhunderts.
**) Chinesische Bezeichnung für die Mandschurei.
128 I^iö letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singaufu.
Richtung innezuhalten, die uns auf die Kiachta-Straße bringen mußte. Wir gingen nach WNW, bis wir einige Mongolenzelte erreichten. Von da hatten wir noch 10 li, meist auf der großen Straße, zu reiten und erreichten Schibartai um 8 Uhr.
Der Weg ist ungemein interessant. Erst kam das Defile tief eingeschnittener Täler mit SSW-Richtung, die wir quer übersetzten. Die trennenden Rücken bieten im Profil sanfte Wellenlinien dar, die gegen NW leicht ansteigen. Von dem Plateaurand überblickt man alle diese Wellenlinien hinter einander angeordnet und zum Teil sich deckend — wie die welligen Linien eines Plateaus. Mau würde hier nicht die tiefen Einschnitte vermuten, denn man sieht keinen der- selben. Im Süden hingegen erscheinen schroffere Formen: die Tiefen sind zwar verdeckt, aber man ahnt sie aus der Form der Gehänge, und zwischen durch sieht man in der Ferne das hohe Gebirge nördlich von Paungan, den Hwangyangschan.
Die „Barrier-Range" von Pumpelly ist hier vollständig imaginär. Es existiert kein einzelner Gebirgszug, nur ein weites oben welliges, aber vielfach von Wasserläufen durchschnittenes Gebirgsland, und wo die Einschnitte aufhören, da beginnt das Plateau der Mongolei. Der Übergang ist schroff, denn noch das letzte Schluchtensystom ist tief und viel verzweigt eingeschnitten; ohne jede Vermittlung tritt man dann auf die Hochebene. Diese ist hier flachweUig, „rolling", in einer Erhebung von etwa 50 m über den Vertiefungen. Letztere bilden äußerst flache, teils runde, teils langgezogene Kessel ohne Wasser- ansammlung. — Schibartai ist ein kleines chinesisches Dorf von Wirts- häusern, eine Station an der Kiachta-Straße ; die Häuser sind klein und ärmlich, die Höfe sehr groß, für Kamele, Maultiere, Pferde, Schafe und Ziegen eingerichtet. lO.November. -Di^ Richtung unseres Weges liegt weiterhin ganz auf mongo-
lischem Gebiete. Alles ist Grassteppe, flachweUiges Land mit S — N- Richtung der Wellenberge und Wellentäler und nördlichem Abfluß der Gewässer nach abflußlosen Becken. Die Höhonunterscliiedo betragen bis zu 300 m, erscheinen aber geringer wegen der durchgehends
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Die Lößbildung. 129
äußerst flachen Neigungen. Alle Höhenzüge sind vulkanisch und be- stehen aus einem graublauen, doleritischen, zum Teil mit Blasen er- füllten porösen Gestein, das stets in dünnen, anscheinend horizontalen, in Wirklichkeit aber etwas nach Norden geneigten Lagen angeordnet ist. Die Höhenlinien sind oft vollkommen gerade und teilen diese Neigung. Spuren von eigentlichen Vulkanen habe ich nicht gesehen, ebensowenig von Solfataren oder kleinen Lavaströmen oder breccien- artigen Schlacken — überall ist die vulkanische Gesteinsmasse breit und flach ausgebreitet. Die Täler sind in der Mitte mit schwarzem Humus- boden angefüllt, der leicht morastig wird.
Es scheint, daß das Lößgebiet über die Mongolei hinweg fort- setzt und im wesentlichen deren Charakter bedingt. Der Plateau- charakter wird dadurch hervorgebracht, daß die Wasser keinen Ab- fluß nach dem Meere linden, sondern nur einen solchen nach Binnen- becken. Wenn meine frühere Theorie richtig ist, so ist die Lößbildung hier in der Tat noch im Fortschreiten begriffen durch das Residuum der Vegetation und des durch den Wind zugeführten Sandes und Staubes, die von ihr festgehalten werden. Die Zersetzungsprodukte aller vulkanischen Höhen werden durch Wind und Regen den Mulden zugeführt und in Löß verwandelt. Wäre der Plateaurand an einer Stelle von einem tiefen Riß durchsetzt, so würde einem gewissen Teil der Mulden ein tiefer Abfluß eröffnet werden, und dieser Teil würde von nun an dem Plateau entzogen sein und in ein Lößgebirgsland ver- wandelt werden. Dies ist ganz besonders auffallend an dem Aufstieg von Siwan aus. In allen Tälern reicht der Löß hoch hinauf, zum Teil bis auf die trennenden Rücken, und viele der von diesen ausgehenden Rippen sind damit überzogen. Beim letzten Anstieg reicht der Löß noch beinahe bis auf die Plateauhöhe ; diese selbst besteht aus grauem Gneiß. Dann folgt Plateau-Grasboden. Was darunter ist, kann man ebensowenig ahnen, wie wenn man auf ebenem Lößgrund geht. Auch dieser hat eine braune Farbe, die oft durch Humus ge- schwärzt ist, und erst in den Runsen kann man erkennen, daß der Boden Löß ist. Auf dem Plateau oben sind keine Runsen vorhanden,
Richthofen, Togelfioher, II. Band. 9
130 Die letzte große Eeise. 1. Von Peking nach Singanfu.
uad man kann daher nur durch circumstantial evidence den Wahr- scheinlichkeitsbeweis führen, daß auch hier, wie in der ganzen Um- gebung, die Vertiefungen zwischen den Gebirgsmassen mit Löß aus- gefüllt sind.
Der heutige Weg fülirte 15 li nach SW nach einem mongo- lischen öll (Dorf), wo ein mongolischer Mandarin wohnt und ein Lamaserai ist. Der alte Mandarin war gestorben, sein Sohn zur Präsen- tation in Peking: die Würde scheint demnach erblich zu sein. Wir besahen die Wohnung, ein allerliebst im chinesischen Stil gebautes, ganz rein und zierhch gehaltenes Haus und Gehöft. In jedem Zimmer war ein breiter Kang mit Kissen und Decken; der Rest des Zimmers war mit eleganten Möbeln eingerichtet, auch eine Stutzuhr fand sich vor. Wir wurden verständig und freundlich bewirtet. Der Tempel ist ein zierliches Bauwerk, das man auf einen Nipptisch stellen möchte ; im Innern herrschte eine Reinlichkeit und Ordnung, wie man sie in chinesischen Tempeln nie sieht. Er ist im Quadrat gebaut, oben und unten ein kleiner Aufbau mit einer Galerie herum ; dann ein buntes, turmartiges Dach in kompliziertem chinesischem Stil, mit Windglöck- chen behängt. Im unteren Raum stehen zwei Reihen von bunten Säulen, ferner goldene Buddhas und viele Bilder ringsherum, manche voU von buddhistischer Mythologie. Ich wollte einige kaufen, aber es gelang mir nicht. Das hübscheste ist eine Kapelle neben dem Tempel, wo in Hunderten von ganz blanken, messingenen und silbernen Schalen geopfert wird: Butter, öl, Siautin*), Reis, Mehl usw. befindet sich in diesen Schälchen. Fortdauernd wird eine Menge Flämmchon in den mit mongohscher Butter gefüllten Schälchen unterhalten: es brannten wohl 100 kleine Lichter. Und in allem die skrupidöseste Reinlichkeit! Hier sieht man viele interessante Metallbildcr aus der Mythologie, zum Teil sehr alt, manche vergoldet, andere von Silber. Meine Patres sahen zu ihrer Verwunderung und keineswegs zu ihrem Ergötzen ein Weihrauchgefäß mit drei sUbemen Kettchen, ganz genau in der Form,
*) So im Tagebuch; wahrscheinlich Siaumi = Hirse.
In einem mongolischen 011. 131
wie man es in der katholischen Kirche anwendet. Dieser Ort heißt im Mongolischen: Tsagan tologhai ; außerdem gab man mir noch den Mandschu-Namen Tutai an, aber keinen chinesischen Namen.
Die mongolischen Dörfer sind äußerst sparsam zerstreut, und dazwischen sieht man stundenlang nicht einen einzigen Menschen, aber ungeheure Herden von Vieh: hier einige Hundert Kamele, dort einige Tausend Schafe, dann eine Herde langhaariger Ziegen, dann wieder eine Herde von 500 Pferden. In der Nähe eines solchen Weideplatzes ist gewöhnlich ein Dorf, und dessen Anwesenheit scheint sich zum Teil nach der Weide, zum Teil nach der Nähe einer Quelle zu richten. Ein Öll besteht aus einer Gruppe von Zelten: ich sah immer nur 6 bis 20 zusammen. Das Zelt ist kreisrund mit einem flachkegelfürmi- gen Dach. Der vertikale Kreis ist aus senkrechten Sparren ge- macht, etwa 4 — 5 Fuß hoch und 12^30 Fuß im Durchmesser, das Dach besteht aus eng aneinandergereihten radialen Sparren. Das ganze ist mit weißem Filz beldeidet, und obenauf sitzt eine Filzkappe, die zugezogen und abgezogen werden kann. In der Mitte steht ein senkrechter Pfahl. Der Eingang ist eine hölzerne Tür, so hoch wie die Umkreiswand. Neben dem Pfahl ist der Feuerplatz : ein eisernes Gerüst aus vier Ringen und vier Stäben, in einem Stück gegossen ; darin wird getrockneter Dünger von Rindern und Pferden gebrannt, wovon der Ofen eine unglaubliche Menge konsumiert. Oben darauf wird ein flachrunder eiserner Kessel gesetzt, in dem alles gekocht wird. An den Wänden herum stehen reinliche, poherte Kasten in Reihen übereinander; die Menge derselben soll wahrscheinlich den Wohl- stand des Hauses andeuten, denn sie geht jedenfalls weit über das Be- dürfnis der Bewohner hinaus. Gegenüber der Tür ist eine Art Divan, der als Bett dient. In Tutai gab es sehr gut eingerichtete, große Zelte, in denen es ganz wohnhch aussah, wenigstens bei gutem Wetter; bei Regen muß solch ein allseitig geschlossener Kasten ohne Fenster allerdings ein entsetzlicher Aufenthalt sein. Wir ritten heute mehr- mals auf Irrwegen, kamen um 5 Uhr dicht bei Khanörtai vorbei, ritten dann weiter in der finsteren Öde herum und kehrten endlich nach
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132 Die letzte große Eeise. 1. Von Peldng nach Singanfu.
einem kleinen mongolischen Dorf zurück, das 5 li östlich voa Khanörtai liegt ; von dort brachte uns ein Lama nach dem richtigen Platz, den mr um 9 Uhr abends eri-eichten. Es ist hier ungemein schwie- rig, seinen Weg genau zu finden. Es sieht alles so gleichförmig aus, und überall kreuzen und teUen sich Straßen. Verlindcu hatte den Weg schon einige Male gemacht und führte uns doch gänzlich fohl.
Khanörtai ist ein kleines ÖU, das an einer reichen WasserqueUe liegt. Wir übernachteten hier in einem kleinen „Jiu-t" (Zelt). Den ganzen Tag über hatten wir nichts gegesse;i und bereiteten uns nun selbst eine Reisemahlzeit, die nach zwölf ununterbrochen im Sattel verbrachten Stunden und nach so vielen Irrwegen ungemein wohltat. 11. November. Ein herrlicher Tag wie die vier vorhergegangenen! Die Tem-
peratur ist jeden Morgen —7° bis • — -lO" C, und selbst schnell flios- sendes Wasser ist mit dickem Eis bedeckt. Aber es war stets wind- still und sonnenhell und die Temperatur am Tage ganz erti'äglich. Wir blieben in ziemlich gleichmäßiger Höhe, wahrscheinlich etwa 1700 m hoch. Nach 45 li erreicht man auf der Höhe des Plateaus das erste chinesische Haus, und gleich darauf überblickt man eine breite, flache, 80 m tiefer gelegene Talmulde voll chinesischer Dörfer. Das Tal ist von Nord nach Süd gestreckt, ohne Bach, und heißt Tuug- niu küantsze. Mit dem Talboden erreicht man Granit. In einem Dorf auf der Westseite machten wir bei einer christlichen Familie Mittag. Von hier ist es noch 20 li bis zu dem weiten Tal von Siyingtsze, im Süden, das von einem langen Granitberg überragt wird, dessen flache Gehänge sich bis in das Tal hinabziehen. Der Bach schlängelt sich wie ein Silberband durch das Tal. Man ist hier immer noch in beinahe 1500 m Meereshöhe.
Hier liegt das Missionsdorf Siyingtsze, wo Myuhoer de Vos eben ein zweistöckiges Haus in europäischem StU für die belgische Mission erbaut, das wie ein Palast unter all den Lehmhütten aussieht. Ich ^viurde herzlich empfangen und hatte den seltnen Luxus eines europäischen Zimmers mit Ofen. Auch Siyingtsze ist noch sehr hoch gelegen, wahrscheinlich 1500 m. Von der Mission aus übersieht man
Vordringen der Chinesen in die Mongolei. 133
die breite hügelige Talmulde. Es ist hier etwas mehr Formenwechsel als auf dem südlichen Plateau, aber auch hier ist der Anblick des Hoch- landes wegen des vollständigen Mangels an Bäumen durchaus öde. Die Landschaft erhält nur Leben durch die vielen chinesischen Dörfer: jedes ein Häufchen Lehmhütten, dazwischen große Schober von ungedrosche- nemGeti-eide und einige Tennen; Scheunen braucht man hier nicht. Vor vier Jahren war hier noch alles mongolisch und keine Spur von Anbau; aber die Chinesen dringen von Jahi- zu Jahr weiter vor. Der Boden gilt als kaiserlich und wird von Mandarinen gegen Bezahlung verliehen, von der allerdings wenig in den Staatssäckel kommen soU.
Es sind meist Schansi-Loute, die ilure bevölkerten Distrikte ver- lassen und sich hier ansiedeln. Sie bedecken sofort die Steppe mit Feldern, siedeln sich in den Dörfern an und sind fleißig. Der Boden braucht wenig Düngung; man entnimmt sie von den Viehherden der benachbarten Distrikte. Die Hauptfrüchte sind Hafer, Flachs und Senf. Die letzteren beiden werden gemengt und gedroschen und das Samengemenge zu öl benutzt. Die hiesige Flachsfaser ist zu Ge- spinsten nicht brauchbar. Hafer ist der vorwaltende Nalirungsstoff für die Menschen, auch Buchweizen wird gebaut; Gerste und Kau- liang gedeihen nicht. Die meisten Jalire bringen Mißernten, aber eine einzige gute Ernte macht die Eigentümer reich ; denn hier herrscht nicht das Gesetz des südlichen Clüna, daß nur eine bestimmte Anzahl von mou pro Kopf der Bevölkerung angebaut werden kann.*) Jeder bebaut große Strecken. Zugvieh ist billig, und Arbeitskraft wandert ein. Jetzt z. B. ziehen die Drescher von Ort zu Ort, von Dorf zu Dorf, von Süd nach Nord fortschreitend; sie bekommen pro Tag 50 cash und Kost, auch bis 100 und 120 cash: dies ist das höchste, wenn die Arbeit am meisten gesucht ist. Das Land ist sehr billig; man rechnet gar nicht pro möu, sondern pro tschiug von 100 möu. Man kann 500 möu für 50 Taels kaufen.
Der Kontrast zwischen dem Nomadenvolk der Mongolen und dem Ackerbauvolk der Chinesen zeichnet sich hier ungemein scharf.
*) s. Band I, S. 332; über müu Band I, S. 218.
134 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
Der Bereich des Mongolen ist das freie weite Grasland. Dort lobt er in seinem Zelt: ansässig, wiewohl jeder Zeit fähig, seinen Aufenthalt schnell zu wechseln und sein Haus mitzunehmen. Den Spaten kennt er nicht, und nie dreht er ein Stück Erde um. Er lebt mit seinen Viehherden und seinem Pferd, mit dem er frei über die Steppe schweift. Des Chinesen Eigentum sind Haus und Feld und Handel. Die mon- golische Steppe ist öde bis auf die Lagerplätze mit ihren Viehhei'den ; der Chinese bringt sofort Leben und Bewegung in die Landschaft. Die Einfachheit und Treuherzigkeit des Mongolen hat etwas Gewin- nendes, und wir sind geneigt, ihm den Vorzug zu geben; aber mau sieht sofort, daß der Chinese höher steht und seine Beschäftigung eine produktivere ist. Der Chinese behandelt den Mongolen wie ein Kind und spielt nach Gefallen mit dessen Neigungen. Jener ist stets schlau und verschlagen, dieser offen heraus. Will ich mir ein Pferd kaufen, so sagt der Mongole: „20 Taels, yau pu yau?", und gebe ich nicht gleich eine Antwort, so zieht er ab. Einige haben allerdings schon etwas Handelsgeist von den Chinesen eingesogen, verstehen aber das Hand- werk doch schlecht.
Der geologische Bau dieser Gegend ist komplizierter, als Pum- peUy angenommen hat. Vom Tsching schan erhalte ich Granit, nörd- lich davon ist Gneiß; diese beiden Gesteine werden hier zu Kirchen- bauten verwendet. Der Boden, welcher sich an den Abhängen hinauf- zieht, ist durchaus als Löß zu bezeichnen, wenn auch die tiefge- schnittenen Runsen wegen des Mangels tiefer Abzugskanäle fehlen. Es ist überall ein gelber lockerer, etwas sandiger Boden, der im kleinsten Wasserriß die Neigung zu vertikalen Absonderungen zeigt, welche dem Löß so eigentümlich ist. Am Tsching schan sollen tiefe Kunsen existieren, und man findet dort 6 — 10 m unter der Oberfläche Knochen, alte Geräte, Pfeilspitzen. Leider konnte ich nichts davon sehen. Ich riet den Missionaren, eine Sammlung davon anzulegen. 12./14. Nov. Der Sonntag war als Ruhetag bestimmt. Es wehte hart von W-,
und der Wind trieb dickes Gewölk zusammen; die Aussicht war trübe, sodaß es wohl tat, sich nach der Reise auf dem Plateau im
Christengemeinden. 135
warmen Zimmer und in guter Gesellschaft zu finden. Montag war es sehr kalt, und ich beschloß des angenehmen Quartiers wegen noch einen Tag hier zu verbringen, um meine Arbeiten zu fördern. Ich brachte hier das erste Blatt meiner provisorischen Karte zum Abschluß.
Die Christengemeinde zählt 300 Seelen, es gibt aber noch viele in anderen Dörfern zerstreut. Die ganze Nordseite des Tsching schan mit den breiten Grehängen bis Siyingtsze ist fast ausschließlich von Clu-isten bewohnt und angebaut. Es schwebt ein Prozeß, in dem die Mission die ganze Gegend für sich zu gewinnen hofft. Alle diese Dörfer sind ganz neu: vor 4 — 6 Jahren soll zwischen hier und örr- schisanhau fast gar kein Anbau gewesen sein — jetzt dringen die Chinesen jährlich weiter vor, und die Christen kongregieren in Ge- meinden. Sind diese zalilreich genug, so wird ihnen ein Priester ge- schickt, wie es in Siyingtsze erst seit kurzem geschehen ist. Es ist auch der Bau einer stattlichen Kh-che in Angriff genommen worden. Weitere Dependenzen von liier sind: Kweihwatschöng, wo man auch größere Bauten ausführen will ; ferner die Landschaft Hu pa, östlich von dort, 400 li von hier; und Poto, 700 li, etwa westhch von Kwei- hwatschöng. Die Missionen haben bedeutenden Landbesitz und da- dm'ch gute Einkünfte : sie nehmen ein bis zwei Zehntel vom Ertrage der Felder. Dieser Grundbesitz ist ein starker Hebel für die Missionare.
Ich schreibe diese Zeilen in einem kleinen, in 1500 m Meeres- Rückblick.
höhe gelegenen Dorf in der Mongolei, wo sich ein Zweig der bei-
gischen Mission etabliert hat. Die Herren haben aber ein hüb- tsze in der
sches Haus, in dem ich ein bequemes und gut geheiztes Zimmer ^^o"?«'«"-
' , . . l-l- Nov. 1871.
bewohne. Die belgische Kongregation erhielt vor sechs Jahren ^„^ einem
vom Papst die Mongolei zugewiesen; sie fanden hier ein schönes, Brief an die
schon vor ihnen von französischen Missionaren bearbeitetes Feld.
Splingaert kam früher mit dem Chef der Mission, Pater Verbiest,
heraus. Auch hier zeigte er die Treue und Redlichkeit, die er in
meinem Dienst bewährt hat, und mit seinem praktischen Geschick
hat er eine Menge häuslicher Bequemlichkeiten eingeführt, die
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den Herren noch jetzt das Leben an diesem entfernten Posten an- genehm machen. Sie bereiten Wein, brauen Bier, backen Haiisbrot. hahcn Milchkühe, machen Butter usw. usw. — alles nach Sphugacrts Vorschriften und Beispiel. Ich habe von dieser alten Freundschaft die angenehmsten Folgen gehabt. Als wir in der gi-oßen, wichtigen Grenz- station Tschang kia köu oder Kaigan ankamen, von wo all der be- deutende Handel Chinas mit Rußland ausgeht, und ich mich nach einem neuen Kontrakt für Beförderungsmittel umsehen mußte, reiste eben Pater Verlinden durch, eine biedere ehrliche Seele. Er warf sofort seinen eigenen Plan um und gab mir die Missionswagen für mein Gepäck. Ich kaufte dann einige Reitpferde, und wir führten gemein- same Pläne aus, an die ich sonst wegen Unkenntnis der Ortsverhält- nisse nicht hätte denken können. Erst ging es nach Siwantsze, sechs Meilen östlich von Kaigan, 4400 Fuß hoch gelegen ; hier verbrachte ich einen sehr angenehmen Tag. Dann ritten wir bei herrlichem, klarem, kaltem Wetter drei Tagereisen westlich über das Hochland der Mongolei nach dieser Station, wo ich seit drei Tagen bei schauer- lich kaltem, stüi-mischem Wetter bin; morgen geht es weiter nach einer dritten Missionsstation Örrschisanhau, „23 Hufen" (etwa wie bei uns in Schlesien „Sieben Hüben").
Man hat mich an all diesen Orten, was Natural -Verpflegung betrifft, vollkommen verwöhnt. Es ist liier alles zu bekommen: Fleisch, Wild, Gemüse, Früchte in großer Menge und Mannigfaltigkeit und sehr bilhg. Es wachsen hier bessere Kartoffeln als bei uns, und die Trauben, die von etwas weiter unten im Lande kommen, können sich mit denen jeder anderen Gegend messen. Die kalte Bergluft ver- ursacht einen großen Appetit, und ich könnte an gar keinem besseren Ort sein, um Kräfte für die weitere Reise zu sammeln. Was Geo- graphie und Geologie anbetrifft, so habe ich auf der kurzen Reise außerordentlich befriedigende Resultate gehabt und eine allerliebste geologische Karte meines Reiseweges gezeichnet. Anstatt von Peking aus den gewöhnlichen großen Weg nach Kaigan oinzusclüagen, ging ich westlich in hohes Gebirge und quer über die höchsten Rücken
Das Randgebiet der Mongolei. 137
hinweg mit Pässen von 1500 — 2000 m. Meine Packtiere, jedes mit 300 Pftind beladen, hatten keine leichte Arbeit auf den steilen Berg- pfaden! Es passierten auch allerlei Geschichten: ein Maultier stürzte in den Abgrund, ein anderes warf in der Xacht sein Gepäck ab, und so gab es noch einige kleine amüsante Vorfälle, die im Augenblick ärgerlich sind, im ganzen aber doch die Reise würzen. Auch war das alles gar nichts im Verhältnis zu den Resultaten, die ich gewann. Die tiefen, steilen Gebirgsschluchten gaben mir einen geologischen Durchschnitt, so schön und so großartig, wie ihn nur wenige Geologen einmal in ihrem Leben zu sehen bekommen. Diese Gebirge sind starr und wild, bis 2500 m hoch, tief zerrissen und voll grandioser Pano- ramen und Einblicke. Sie bilden den Übergang zu einer zunächst nörd- lich gelegenen Landschaft mit breiten muldenförmigen Tälern, die durch starre Kalkberge getrennt werden. Die Hauptstadt dieser ganz für sich abgesonderten Landschaft ist Süenhwafu. Hier waltet in Ge- birgen und Tälern ein eigentümliches Gebilde, der Löß : er ist das Lebenselement des nördhchen China. Wo diese gelbe Erde nicht ist, da ist alles kahl und unfruchtbar. Millionen von Menschen wohnen in Behausungen, die darin ausgehöhlt sind. Siwantsze ist ein Dorf von 1500 Christen, die fast alle im Löß wohnen. Diese Bodenart löst sich immer in senkrechten Kluftflächen ab. Am Fuß einer solchen Wand werden einige Kammern mit spitzem Gewölbe und Fenstern ausgegraben, die Wände mit Zement bekleidet und vielleicht noch eine Fassade angebaut; davor ist ein kleiner Hof mit Lehmmauer. Bei den Christen sind diese Wohnungen zuweilen ganz reinUch und nett. Ich besuchte einen Bauer, der mir sagte, daß seine Familie seit Generationen in der kleinen Löß -Wohnung vegetiere. Ich verwende jetzt viel Studium auf dieses interessante Gebilde, da meine Ansicht über seine Entstehung manchen Widerspruch zu linden scheint.
Wieder ein ganz anderes Bild gibt die Mongolei. — Bei den meisten Ländern muß man die Karte konsultieren, um zu wissen, daß man die Grenze überschritten hat; aber wenn man die Mongolei betritt, so weiß man auch ohnedies ganz sicher, daß man darin ist. Denn mit
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einem Mal, ganz ohne Übergang, gelangt man aus steilen Schluchten aufsteigend auf ein Plateau mit sanftweUiger Oberfläche, das mit vulkanischen Gesteinen flach übergössen ist ; diese bilden den steilen Abbruch am Rand. Hier gibt es weder Häuser noch Felder: alles ist mit kurzem Gras und Kräutern bewachsen, nicht ein Baum ist zu sehen. An den flachen und bewässerten Stelleu sieht man große Herden von Pferden, Rindern, Schafen, Ziegen und Kamelen weiden. Nicht weit davon ist der Lagerplatz der Mongolen, der aus einigen kreisrunden Zelten besteht : eine 4 — 5 Fuß hohe senkrechte Wand, darüber ein Kegeldach — das Ganze aus Stäben aufgebaut und mit weißem Filz überzogen. Dai'in steht eine Menge schünpolierter Kasten über- einandergeschichtet im Kreise herum. Der Tür gegenüber ist eine Art Sofa, das auch als Bett zu benutzen ist. In der Mitte befindet sich der Feuerplatz mit trockenem Kuhdünger als Feuerung. Der Boden ist mit weißem Filz belegt. Obenauf ist eine kleine Kappe, die abgezogen werden kann und dann als Fenster dient. Die Wohnung ist reinlich und ordentlich, und was den Komfort erhöht : man be- kommt die allerbeste Milch. Es ist gut für unsere Kühe, daß dieses Land so weit entfernt ist ; denn sie könnten mit ihren mongolischen Cousinen nicht konkurrieren. Die Leute sind ehrlich und offen und ganz kindlich, haben aber kriegerische Eigenschaften. Mit den Chi- nesen können sie sich gar nicht messen, und sie würden A'on ihnen ordentlich übers Olu" gehauen werden, wenn sie nicht durch ihre ganz verschiedene Beschäftigung und ihr abgesondertes Gebiet so unab- hängig wären. Sie schweifen auf ihren Pferden so frei über die weite Grassteppe hin, daß man sich wohl denken kann, daß sie sich nie engen Banden anbequemen würden. Daher wohnen auch Chinesen und Mongolen streng geschieden nebeneinander.
Die meisten Gewässer fließen in kleine Seen zusammen, die keinen Abfluß haben. Soweit das abflußlose Gebiet reicht, wohnen nur Mongolen. Es gibt aber auch eine Menge Gewässer, die über das Plateau fließen und dann chinawärts in irgend einen Fluß münden. Hier ziehen die Chinesen mit ihren Ackerbau-Ansiedlungen weiter
Charakterisierung der Mongolei. 139
und weiter hinauf und di'ängen die Mongolen zui-ück. Siyingtsze ist in einem breiten flachen Tal gelegen, das einen solchen Abfluß nach Süden hat. Noch vor einigen Jahren gab es hier Mongolen; jetzt er- strecken sich die chinesischen Dörfer schon hoch hinauf. Die Christen siedeln sich gern in diesen entlegenen Gegenden an, wo sie bei Ver- folgungen Sicherheit in den Bergen finden. Sie kommen gewöhnlich in einzelnen Dörfern zusammen. Ein solches Dorf ist Si jängtsze, und es gibt noch mehrere ähnliche in der Nähe. Sind viele Christen an einem Ort zusammen, so wird ein Zweig der Mission dahin verlegt, und ein Priester siedelt sich dort an. Der Kontrast ist ungemein scharf, wenn man von der Mongolei kommt, wo nicht ein Fußbreit Land kultiviert, ja nicht einmal ein Huhn zu sehen ist. Immer noch auf Grassteppen fortgehend, steht man plötzlich am Rande eines breiten, sehr wenig eingesenkten Middentales, das aber seinen Abfluß nach China hat. Es ist gespickt mit kleinen chinesischen Dörfern: jedes Dorf eine Gruppe elender Lehmhütten, die aber ganz verschwinden unter der Menge hoher Getreideschober. Dazwischen die Tennen unter freiem Himmel. Da wird gedroschen und gearbeitet. Vor jedem Haus sammelt sich eine Schar riesig großer Hühner, die in der Größe der Eier das Außerordentlichste leisten. Man baut in dieser großen Höhe Hafer, Kartoffeln, Buchweizen, Flachs und Senf; letztere zwei Gewächse dienen zui* ölbereitung. Es Hegt doch etwas in diesem Hange zu produktiver Arbeit, was den Chinesen trotz seiner weni- ger sympathischen Charaktereigenschaften weit über die Mongolen stellt.
Meine guten Missionare in Siyingtsze sind Missionare comme il faut; sie steigen nicht auf das Niveau der Chinesen herab, indem sie sich den Zopf anhängen, sondern behalten ihren ganz eigenen Stand- punkt, geistig wie in äußerlichen Dingen. Sie leben auch nicht von chinesischer Kost, sondern recht gut europäisch, was sie bei guten Kräften erhält; auch haben sie sich ein gutes europäisches Haus erbaut. Das gibt ihnen viel bessere Gesundheit zur Verrichtung ihrer oft sehr schweren Missionsarbeit, als wenn sie bei der großen Kälte in einem
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engen und zugigen chinesischen Hause hocken würden. Hoffentlich wird es ihnen noch von Rom aus erlaubt, die chinesische Tracht mit der europäischen Priesterkleidung zu vertauschen, denn jene ist ein barer Unsinn. Es ist ein Hinabsteigen zu den Gewohnheiten einer niederen Rasse, wälu'end der Missionspriester in jeder Beziehung einen höheren Standpunkt einnehmen soll als die Eingeborenen. Ich finde aber hier wenigstens zum Teil die Prinzipien vertreten, die ich mir in Hinsicht der Missionare in China gebildet habe. Jetzt wird auch eine gi'oße schöne Kirche gebaut. Die Priester erfüllen ihre Pflicht sehr gewissenhaft und, wenn man nach dem Kirchenbesuch urteilen darf, mit gutem Erfolg. Es gibt auch eine Art Kloster-Jungfrauen, deren Moral gut sein soll. Einige leiten die Erziehung in den Mädchen -Waisen- häusern, die geringeren besorgen Schneiderei, Wäscherei, Kocherei und dergl. Dann hat die Mission Knabenseminare, aus denen einzelne Zöglinge als Priester hervorgehen. Die Christen sind meist altchrist- liche Familien, doch gibt es auch eine Menge neuer Konvertiten.
Nun geht es weiter nach Tatuugfu und Taiyuenfu in Schansi. Von da wollte ich direkt westlich durch Sehens! nach Kansu gehen; es ist aber uninöglich, da dort überall RebeUenhorden herumziehen und rauben. Ich kann keine Leute und keine Tiere dorthin bekommen und muß daher auf der großen Straße nach Si ngan fu und nach Sz'- tschwan weiterziehen.
Ihi- glaubt nicht, was es auf so einer Reise zu tun gibt: ich habe nur Ruhe, wenn ich zu Pferde bin. Was nicht in Tagebuch und Karten niedergelegt ist, das ist verloren, und es ist die skrupulöseste Gewissenhaftigkeit nötig. Auch mit Gepäck und anderen Kleinig- keiten ist immerfort etwas zu tun ; denn ich muß bis ins kleinste Detail alles leiten und beaufsichtigen. Habe ich, um etwas ganz Prosaisches anzuführen, mein Auge nicht scharf auf die Seife gerichtet, so ist sie in 14 Tagen hin, und für den Rest der Reise ist nichts da. Und wie mit dieser Bagatelle, so geht es mit allem übrigen. Ich habe einige Bücher zum Lesen mit, aber ich komme nicht einen Augenblick dazu. Eine leichte Zeit ist eine solche Reise nicht, aber wenn sie so fortgeht
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Die belgische Mission. 14.\
wie bisher, werde ich mit großer Befriedigung auf meine Arbeiten in China zurückblicken können.
Wir ritten heute erst nach den Kohlengruben am Nordfuß des 15. November. Tsching schan, 8 li von Siyingtsze. Sie bilden den westlichsten Teil eines kontinuierlichen Zuges von Gruben; diese selbst sind hier ver- lassen. Wider alles Ei-warten fand ich in dem sandigen Kohlenschiefer auf den Halden Dikotyledonen-Blätter, leider nur einige unvoll- kommene Stücke. Das größte, das ich der Zerklüftung wegen nicht mitnehmen konnte, habe ich abgezeichnet*). PumpeUy hat also wahr- scheinlich wieder einmal eine richtige Vermutung gehabt, indem er die Kohle, die unter dem Plateaurand von Kaigan vorkommt, für Braunkohle hielt.
Ich mußte dem guten Pater Verlinden einen Tag in seiner Mission 16. November. schenken. Sie existiert seit 10 Jahren und ist trotz der unvollkommenen Baulichkeiten in ihrer Ordnung eine walire Muster-Mission. Die beiden Jungfrauen und ihre 50 Mädchen von 3 — 15 Jahren sind Bilder blühendster Gesundheit: alle mit dicken roten Backen; alles hatte schöne reine Kleider an. Die Oberin ist zwar Chinesin, aber eine distinguierte Person von hoher Statm* mit europäischer Nase und von intelligentem und gutem Benehmen. Die ganze Gesellschaft sieht glück- lich und zufrieden aus. Zwei der Mädchen sind verlobt; sie soUen aus diesen Waisenhäusern oft in reiche Familien heiraten. Die Mission hat guten Grundbesitz. Hanf ist das Hauptgewächs, dann folgen Hafer und Senf; Hirse, Buchweizen, Kartoffeln und Bohnen bilden den Rest der Feldfrüchte. Es gibt hier auch viele Bäume: eine Art Esche.
Nördlich von dem Dorfe liegt die breite morastige Ebene; südlich und östlich sind niedere Hügel, westlich erhebt sich der Yuen-
*) Dieser Fund war von großer Wichtigkeit, da dikotyledone Pflanzen zur Zeit der eigentlichen Steinkohlenformation noch nicht vorhanden waren. Die sofortige Einsicht in die Bedeutung des Fundes spiegelt sich in der liebevoll minutiösen Zeich- nung des Blattes wieder, die an Ort und Stelle im Tagebuch ausgeführt wurde und hier reproduziert worden ist.
]4"2 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
schan ungefähr 300 m über das Dorf. Wir ritten dorthin 12 li und be- stiegen den Berg bei schneidend kaltem Winde. Es war mein Zweck, Material zur Konstruktion der Karte zu bekommen, da die Aussicht klar war. Aber es war vergebens: das Gipfelgestein war so ma- gnetisch, daß die kleinen Blöcke, aus denen oben eine Hütte gebaut ist, die Nadel ganz umkehrten, jeder in anderer Art. Der Berg hat eine nach Osten geöffnete Hufeisenform und besteht aus Gneis mitPeg- matitgängen; nur die Gipfel sind vulkanisches Gebirge. Löß füllt das Innere des Hufeisens bis hoch hinauf. Die Aussicht ist interessant. Südlich beginnen in 10 km Entfernung die Abhänge eines offenbar krystallinischen Gebirges mit hohen zackigen Gipfeln, das sich von W nach 0 zu erstrecken scheint. In W und N bis zu dem steilen Süd- abfall des Tsching schan sieht man ebene und sanftgeneigte Umrisse, hier und da höhere, mit Steinpyramiden (zum Zeichengeben?) gekrönte Gipfel, von denen einer ganz vulkanische Form hat und einen Krater zu besitzen scheint. Alle diese Gipfel bilden nur ganz schwache An- schweüungen. Eben so lang wie die Umi-ißlinien zieht sich unterhalb derselben ein Steilrand hin, von dem aus die Böschungen sich all- mälilich gegen die Täler hin verflachen. Obgleich für den ersten BUck kontinuierhch erscheinend, sind doch alle diese Höhenformen durch viele breite Lößtäler unterbrochen. Im NW erhebt sich die steile Granit- wand des Tsching schan und dessen östliche Verlängerung gegen die Einsenkung desTsitsikhana-Tales. Östlich von diesem ist der Ilelang- kan schan sichtbar: er ist von S und SW ein stoilwandiger Berg, aber oben flach wellig, ähnlich dem Tsching schan, und fällt niu* leicht nach dem Plateau hin ab. Er bildet den eigentlichen Plateaurand, und zwar an den markiertesten Stellen desselben; ich hatte ihn schon vorher von NW gesehen, wo dies deudich erkennbar war. Im Osten scliließt die Aussicht mit ungefähr 30 km entfernten Ketten südlich des Tung- yang hö mit stumpfwinkligen, aber schroffen Gipfeln, wahrscheinlich krystallinischem Gebirge, ab.
Es scheint, daß diese ganze Landschaft ein Gneisplateau ist mit einzelnen Anschwellungen, besonders dort, wo der Granit durchgo-
Das Landschaftsbild. 143
brechen ist; dann ist es von vulkanischem Gestein oben überflössen, so daß dieses eine Decke über allem, mit Ausnahme der Anschwellungen, bildet. Dann erst entstanden dieTäler durch Erosion, wobei die vulkani- sche Decke in großen Strecken, einzelnen ausgedehnten Lappen und kleinen Inseln erhalten blieb. Eine Gruppe der letzteren sind die Kuppen des Yuenschan. Auch nach der Erosion aber scheint noch vulkanische Tätigkeit stattgefunden zu haben. Der Löß überzieht, wo er nicht weggewaschen ist, alles mit Ausnahme der Bergkuppen, und in den niederen Teilen beißen darunter allenthalben die Gesteine aus.
Ich brach nach Tatungfu auf, von Hen-n Verlinden begleitet. Es 17. November, war heute der erste völlig klare Tag nach der Ankunft in Sijängtsze; die Aussicht war auch in große Femen sehr scharf. Die Gebirge sind alle schneebedeckt; in der Ebene ist der Schnee stellenweise zu- sammengeweht. Alle Gewässer sind seit mehreren Tagen mit 5 bis 8 ZoU dickem Eis bedeckt, so daß beladene Frachtwagen darüber fahren. Es gab heute auch auf der Sti-aße sehr viel Eis, und es war so glatt, daß die Wagen langsam vorwärts kamen und wir nur einen kurzen Tagemarsch machen konnten.
Tschang ku'r ist ein Marktflecken von einiger Bedeutung für diese Gegend: Siautin, Lein- und Senf-Öl, Hafer und Maultiere sind Export- Artikel. Es wird hier auch viel Pferdehandel getrieben. Ich kaufte eine Stute von Kweihwatschöng für 20 Taels ; die Pferde von diesem Ort sind noch besser gebaut als die hiesigen. Hier ist die Hauptgegend für die Züchtung der Maultiere. Das Land ringsherum ist angebaut. Der Nachtplatz liegt auf einem Rücken, dessen Ab- hänge mit Löß bedeckt sind; darunter liegt vulkanisches Gestein.
Der Weg führt nun erst südwestlich nach dem Paß über ein flach- 18. November, gipfliges Gebirge, das die Gewässer des Tungyanghö von denen des Sangkanhö scheidet. Das Nachtquartier ist wahrscheinlich beinahe 1800 m hoch, der Paß um 125 m höher. Die äußerst flachen Höhen des Zuges in W und 0 überragen den Paß nur um ungefähr 150 m; dennoch reichen Löß und Ackerbau bis zu ihnen hinauf, und in der Paßhöhe liegen Dörfer. Die Höhe, bis zu der hier Ackerbau getrieben
144 Die letzte große Keise. 1. Von Peking nach Singanfu.
wird, ja bis zu der die Abhänge ganz mit Feldern bedeckt sind, ist zwischen 2000 und 2100 m, eine merkwürdige Tatsache, wenn man be- denkt, wie im südlichen China die Höhen vom Ackerbau fast ganz ausgeschlossen sind. Das macht einzig und allein der Löß. Eine an- nähernd genaue Karte dieser Gegend anzufertigen, ist sein* schwer, teils da es an markierten Höhen fehlt, teils weil man die Einschnitte im Plateau zu wenig überblicken kann. Übei'all erkennt mau : vul- kanische Decke, von Löß bedeckt; Steüabbruch derselben; darunter langgedehnte Lößgehänge bis hinab zum Tal-AUuvium, in das sie allmählich verlaufen. Erst eine örtliche Untersuchung zeigt, daß ki-ystalllne Schiefer unter dem viükanischen Gestein anstehen, teils von Löß bedeckt, teils in Rücken vorspringend.
Das Tal von Föngtschönn ist etwa 1500 m hoch und ganz an- gebaut, auch voll von Dörfern. Hier wird viel Weizen gebaut. Der Boden ist dunkelbraun, locker, lehmig-sandig und war früher sehr produktiv; aber jetzt müßte er gedüngt werden, und es ist nicht genug Dünger vorhanden. Selbst wo der Boden beinahe eben ist, wird Löß in Wasserrissen entblößt. Wir sahen abends einen reichen Mongolen, der eben den Erlös des Verkaufes von 800 Schafen, 150 Pferden usw. nach dem Tempel am Wu tai schan trug. Solche Beispiele frommer Devotion sollen bei den Mongolen häufig und ilire Tempel daher sehr reich sein. 19. November. Ich genoß am Morgen noch einmal den schönen und großartigen
Rundblick. Der Kontrast zwischen den ruhigen Plateaulinien und den Umrissen der krystaUinischen Zackengebirgo ist auffallend ; dazu tritt die allmähliche Einsenkung des breiten, mit schwarzer Erde be- deckten Lößbeckens. Ringsherum stehen kleine Steinpj-ramidcn auf den höchsten Gipfeln; sie dienten einst zur Beobachtung und zu Sig- nalen.
Im südlichsten von mehreren amphitheatralisch nach AVesteu geöffneten Halbkessoln zieht, tief am Nordabhang einer Kette und nahe am Talbach, die Große Mauer herab. Die Straße durchkreuzt sie bei dem Tor Tschönntschwanköu. Es ist ein etwa 3 m hohes
Wieder durch die Große Mauer. 1 45
Tor, aus drei krummen Stäben konstruiert, etwa wie das schlechte Tor eines Vieh-Corrals und weniger wert als die Steuer von 600 cash, die für jedes lose Pferd, das von Norden kommt, erhoben wird. Die Mauer hat als solche bestanden, ist aber jetzt so verfallen, daß man sie fast überall leicht übersteigen kann. Sie ist ebenso wie die sehr zahlreichen Wachttürme aus lufttrocknen Lößziegeln gebaut. Es spricht für ein kontinuierlich trocknes Klima, daß nicht die ganze Mauer längst vom Regen abgespült worden ist. Trotz dieses jammervollen Zustandes macht selbst jetzt das Bauwerk noch einen großartigen Ein- druck, wie es mit seinen vielen Türmen in langen Linien durch die Täler zieht und sich dann an den Abhängen hinanwindet.
Am Tor ist ein Zollhaus und eine Herberge. Wir warteten un- sere Wagen ab, um sie ohne Schwierigkeit durchzubringen. 10 li südlich liegt ein kleines Fort Tschönntschwanpau; ihm gegenüber am westlichen Gehänge, das hier immer noch der Steilabfall des vulkani- schen Plateaus ist, befinden sich ein paar große Dörfer gerade unter dem Plateaurand. Der Weg ist nun wieder typische Lößstraße, tief- eingeschnitten und mit vielen Seitenschluchten. Auch die Wolken von feinem Lößstaub erinnern wieder an die bekannten Lößgogenden. Bei Schanti („am Fuß des Berges") tritt unter dem Löß noch einmal ein etwa 100 m hoher Hügel des doleritischen Gesteins auf. Daran schmiegen sich mehrere Tempel und am Südfuß das Dorf. Soweit die staubige Luft die Aussicht gestattet, öffnet sich die Landschaft nach Süden sehr weit. Von West kommen lange Zungen von hohen Gebirgen herab, und im Osten sind einige nicht sehr ferne Berge undeutlich erkennbar.
Die Leute im ganzen Köuwai*) und auch hier noch sind von der größten Gutmütigkeit und Harmlosigkeit: offen und frei beant- worten sie jede Frage direkt, ohne sie zehnmal wiederholt zu ver- langen. Sie belästigen uns nie, außer durch verzeihliche Neugier, die hier auch leicht zurückzuweisen ist. Ich hörte nie einen schimpflichen Zuruf. In den Wirtshäusern war die Rechnung stets schnell und ehrlich
*) „jenseits der Grenzen", in diesen Gegenden für die Mongolei gebraucht.
Richthofen, Tagebücher, n. Band. 10
146 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
gemacht. Wären die Leute überall .so, dann wäre das Reisen in China ein Vergnügen. Die Herbergen lassen allerdings manches zu wünschen übrig, denn sie entsprechen den geringen Bedürfnissen der Bewohner. Die Häuser sind aus luftti-ocknen Lehmziegeln gebaut und mit flachrundem Cementdach gedeckt. An der Front sieht man viel Gitterwerk mit Papier, das als Fenster dient. Massiv sind nur die Tempel und einzelne bessere Häuser in den größeren Orten gebaut. Trotz den ärmlichen Wohnuugen hen-scht Wohlstand, denn die Leute haben wenige Bedürfnisse und fuhren viel Produkte zu Markte. Jetzt ist alles in Schafpelze gekleidet: lange Röcke wie die der Ungarn) kurze Röcke, Jacken, Hosen — alles von Schafpelz, mit der Haut nach außen. Sie sehen darin reinlicher aus als in ihren zerfetzten Kleidern. Auf dem Kopfe tragen sie die mongolische graue Filzkappe mit Pelzklappen über den Ohren. Der Menschenschlag ist von dem südchinesischen ganz verschieden, viel weniger „chinesisch". Die Frauen haben kleine Füße, lassen sich aber sehen. Ihre Tracht ist schauerlich, wie in Peking: Hosen und kurzer Rock, eine Art Bloomer- Costume. 20. November. Ein heiterer, windstiller Tag, in der Sonne warm, aber Schatten-
Temperatur mittags noch — 2° C! Wir ritten auf bi'eiter, entsetzUch staubiger Straße in l'/j Stunden bis zur Stadt Tatiuig. Westlich er- scheinen in geringer Entfernung Gebirge, deuthch sichtbar geschichtet; auch östlich sieht man in etwa 15 km Umrisse von Bergen durch die Staubatmosphäre, südlich nur Ebene.
Tatung fu hat mächtige Mauern; man geht durch fünf oder sechs Tore, ehe man in die Stadt kommt. Diese ist gut gebaut: die Häuser mit hübschen Portalen und Schnörkel-Dächern, die Straßen recht- winklig sich kreuzend, mäßig breit und sehr belebt, viel mehr als in Süenhwafu. Herr Verlinden war gestern vorangeritten, und meine Ankunft war daher bekannt. Der Sohn des fu-Mandarin ritt mir ent- gegen und forderte mich auf, im Yamen zu wohnen. Als Grund zeigte sich nachher, als er mich im Wirtshaus aufsuchte, der Wunsch, ich sollte einen Toten auferwecken. Der zweite, 16 jährige Sohn dos Man-
Tatungfu.
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darin hatte sich gestern mit Opium absichtlich vergiftet. Es stellte sich aber heraus, daß der arme Junge schon gestern abend gestorben wai\ Mein Wirtshaus entspricht allen Anforderungen, da ich ein Haus mit abgesondertem Hof bewohne. Mehrere Christen kamen und boten mir ihre Hülfe an.
Schon lange, ehe man Tatung erreicht, hört man viel von der 22. November, vorzüglichen Kolde, die dort in der Nähe in großer Masse und in großen Blöcken gewonnen wird; bis weithin wird sie verführt und ist sehr gesucht. Das Kohlenfeld liegt in den Gebirgen, die das Tal von Tatung in langer Reihe westlich begrenzen. Dom Anschein nach ist dies der Abfall eines lößbedeckten Plateaus, das 500 — 600 m über das Tal aufzusteigen scheint. Es war nicht möglich, in der Stadt irgend welche vernünftige Auskunft über die Kolüenfelder zu erhalten, und wir mußten aufs Geratewohl dorthin reiten. Hier bot sich ein geolo- gisches Problem, das zu lösen ich bis jetzt unfähig bin. Es ist, als seien hier in einer vertikalen Schichtenmächtigkeit von einigen Tausend Fuß alle möglichen Repräsentanten sonst mächtiger Schichtmassen zusam- mengedrängt; lauter alte Bekannte, aber sie gehören nicht zusammen.
Die Grube, die ich besuchte, gehört zwei Familien an, die ein- schließhch der dazu gehörigen Jungen selbst arbeiten und außerdem einige Leute mieten. Ich fuhr in eine ungefähr 1000 m lange ge- wundene Strecke ein, die sich mit dem Flöz nach den Bergen hinein- senkt. Sie ist bis 1 V2 m hoch, daher bequem zum Einfahren. Die Temperatur aber war sehr hoch, und der arme Pater Vei'linden, der vom Hals bis zur Ferse in Pelze gokleidet war, zahlte seine erste Grubenfahrt mit vielen Schweißtropfen.
Von Siyingtsze ritten wir am 15. nach örr schi san hau, wo ich Rückblick.
natürlich einen Tag bleiben mußte. Pater Verlinden, dessen Station * "°^ "
(Schansi)
dies ist, lebt hier in einem chinesischen Haus, hat aber sonst alles 2I./22. Nov.
musterhaft eingerichtet, besonders die Sainte Enfance, wo fünfzig teils -^^"^ einem
ausgesetzte, teils von ihren Eltern geschenkte Mädchen erzogen werden. j,, '
Damit war der angenehme Aufenthalt in den belgischen Missionen
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148 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
beendet: es folgten wieder Reisetage. Wähi-end der fünf Ruhetage in den letzten zwei Stationen hatte es gestürmt; nun ti-at wieder Sonnen- schein und Windstille ein, die bis Tatung anhielten. Am dritten Tag passierten wir die Große Mauer, und gestern langten wir hier an. Der Abstieg von den mongoHschen Hochebenen nach denen von China ist in hohem Grade interessant: auf einer Seite die ruhigen Linien des vulkanischen Plateaurandes, auf der andern hohe Zackengebirge, Kette an Kette gereiht und aus dem ältesten Gestein bestehend; da- zwischen diebreiten Täler, die sich allmählich nach der Mitte senken und angebaut und bevölkert sind. Wie bedauere icli, nicht den Pinsel eines bedeutenden Malers zu haben, um die wunderbaren Beleuchtungen wiederzugeben, die ich hier manchmal am Abend und Morgen sah. Bloße Umrißlinien würden nie den Charakter dieses Landes wiedergeben.
Die Große Mauer ist an dieser Stelle zerfallen. Sie ist besonders an den Ruinen der langen Reihe von Wachttürmen zu verfolgen. Trotz ihres jetzt fast überall sehr elenden Zustandes verfehlt sie docii an keiner Stelle, wo ich sie gesehen habe, einen interessanten Eindruck zu machen. In langen graden Linien durchzieht sie die Talebenen und windet sich dann wieder im Zickzack an steilen Gehängen hinauf. Einst bildete sie ein BoUwerk für das friedliebende, ackerbauende Volk der Chinesen gegen die stets feindlichen, wilden Horden der Nomadeu- völker auf den hohen Steppenländern. Alle hohen Punkte zu den Seiten der Mauer sind mit kleinen Wachttürmcheu gespickt. Man gab von ihnen aus eine Art telegraphischer Alarmsignale, die schnell bis zur Hauptstadt fortgepflanzt wurden. Jetzt zieht man ruhig an diesen stillen Zeugen einstiger mächtiger Völkorkämpfe vorüber.
Ich habe jetzt drei Pferde: eins füi- mich, eins für Spllngaert, und das dritte hat Feiertage. Es sind kleine mongohsche Ponys, schnell und ausdauernd, dabei die gutmütigsten Tiere, wenn sie trai- niert sind. Sie sind hier sehr billig, die meinigen koston von "24 bis 33 Taler das Stück. Das Maultierreiten ist entsetzhch langweilig, und ich ging fast immer zu Fuß, so oft ich mit Maultieren gereist bin. Mit den Pferden geht es schnell: ich kann leicht kloine Umwege machen
Eeisestimmuug. 149
und bin doch lange vor dem Gepäck im Gasthaus, so daß meine Schreibereien mir weniger Nachtzeit wegnehmen als früher. Wahr- scheinlich werde ich die ganze bevorstehende Reise in diesem Stil ausführen. Ihr seht, daß ich wieder ganz im Reisen aufgehe. Es ist auch so das beste. All der vorangegangene Kampf ist vorüber!
Nim ich einmal darin bin, nimmt meine Beschäftigung meine Gedanken ganz in Anspruch, oder wenigstens zum großen Teil, denn es bleibt noch immer sehr viel Raum für Euch, für Vergangenheit und Zukunft. Wissenschaftliche Reisen halten den Geist fortdauernd beschäftigt, besonders wenn man, wie ich im jetzigen Falle, weiß, daß es die Abschlußreise ist. Was mir jetzt nicht klar wird, wird mir immer unklar bleiben, und ich strebe daher nach der größten Gründ- lichkeit. Wie bei jeder Arbeit wächst das Interesse am Gegenstand im Verhältnis zur Dauer der Beschäftigung mit demselben. Allerdings ist während der Reise die Sphäre der geistigen Arbeit beschränkt, aber nach meiner bisherigen Erfahrung ist der Geist nachher um so frischer für altgewohnte Eindrücke anderer Art, von denen er so lange Zeit Ferien geliabt hat. Ich brauche daher nicht im geringsten zu befürch- ten, daß die Intensität, in der ich mich jetzt mit China beschäftige, die Folge haben wird, daß ich auch später in diesem Land und Volk auf- gehen werde.
Die Leute hier im Norden sind so gut, daß es mir eine Freude ist, unter ihnen zu reisen. Weiter südlich werden sie unangenehmer. Dazu kommt dort die dichte Bevölkerung und die Neugier, welche die größte Qual des Reisenden ist.
Wie schade, daß A. das graue Haar nicht eingelegt hat, das sie zu der Untersclirift: „Deine graumelierte Cousine" veranlaßte! Jünger sind wir alle in diesen zehn Jahren nicht geworden. Vor allem aber sind die Strapazen des Reisens kein Präservativmittel. Wenn man im Sommer unter glühender Sonne zu Fuß herumstrolcht und dann im Winter in diesen Hochebenen spazieren reitet, wo in der jetzigen Jahreszeit der Nullpunkt des Thermometers eine unbekannte Größe ist, und selbst die Zimmertemperatm- kaum über -|- 1 ° zu bringen ist.
150 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
wie z. B. jetzt, wobei ich aber doch nicht friere, so müssen wohl einige Spuren davon zurückbleiben, zu deren Verminderung ich sehr stark auf den verjüngenden Einfluß der Gesellschaft meiner armen grau- melierten Cousine rechne.
Ich möchte gern noch viel schreiben, aber selbst hier kommen allerlei Unterbrechungen. So hatte ich z. B. eben einen mehrstündigen Besuch des hiesigen Missionars, eines jungen italienischen Franzis- kaners. Er ist ein hübscher Mann mit großem schwarzem Bart und lebhaften Augen, aber wie es scheint nicht besonders befäliigt. Die Konversation wurde in einem Gemisch von Lateinisch, Italienisch und Chinesisch geführt.
Morgen geht es wieder weiter, zunächst nach Taiyuenfu. Unser alter würdiger Freund, der ehemalige Bischof von Schantung, von dem ich im April 1869 schrieb und der unterdes in Rom war, ist jetzt Bischof in Taiyuenfu, wo es 20000 Christen geben soll. Leider muß ich dann der großen staubigen Heersti-aße nach Singanfu in Schensi folgen.
23. November. Es gab heute noch vielerlei zu tun, und wir brachen erst um 5 Uhr
nachmittags von Tatungfu auf. Ich nahm hier von Verlinden Abschied, der über Taihai zurückkehrte. Ich habe nur fünf Maultiere bis Tai- yuenfu (720 li) gemietet. Wir hatten noch einen prächtigen Mond- scheinritt.
24. November. Heute ritten wir im Heikutsze-Tal aufwärts nach den dort ge-
legenen großen Kohlengruben. Dieses Tal erinnert ganz an die im oberen Plateau von Süd-Schansi eingesenkten Schluchten: es ist eng, mit nur wenig Raum außerhalb des breiten steinigen Flußbettes; zur Seite teils steile Wände, die dio Schichtung deutlich entblößen, teils kleine Sclüuchtcn, teils Löß bis hoch hinauf, in dessen senki-echtcn Wänden allenthalben Höhlen, die Reste einstiger Wohnungen, und am Fuß die Aushöhlungen der jetzigen Bewohner sichtbar sind. Der Kohlentransport verursacht einen außerordentlichen Verkehr, dennoch wird keine Straße gebaut!
Durch ödes Land. 151
Auch heute war ein schöner warmer Tag, abernochviel Staubinder 25.November^ Luft, die Aussicht darum sehr mangelhaft. Die Richtung des Weges ging parallel dem Rande des Gebirges, das das Sangkan-Tal im NW begi-enzt. Der Talboden ist eben; erst die nach den Gebirgen an- steigenden Hohlwege entblößen teils wirkHchen Löß, teils in der Nähe von Flußbetten horizontale Ablagerungen, in denen Lehm, Sand und Schotter wechseln. Der Boden ist schlecht: große Strecken sind sandig oder alkalihaltig und unangebaut. Weite Flächen sind sogar ganz weiß von ausblühenden Salzen, aus denen dann Soda gesotten wird. Eine gi-oße Menge Erde wird mit demselben Wasser ausgelaugt und die Lösung in eisernen Kesseln eingedampft oder in kleineren an der freien Luft krystaUisiert. Das Produkt wird zu 18 Cash pro Cattie verkauft.
Die Bevölkerung des Tales ist dünn, aber sobald das Erdi-eich etwas fruchtbai-er wird, mehren sich die Dörfer. Die Straße ist selir belebt: man fiihrt Senf und Leinöl aus den Kou wai-Distrikten nach Süden. Wir begegnen vielen Chinesen, die mich russisch ansprechen und sich sehr wundern, wenn ich sie nicht verstehe. Sie sagen, daß sie über Tschang kiaköu nach Kiachta gehen und Tee aus Hupe und Hunan führen. Die unmittelbaren Endpunkte alles Verkehrs siiid ge- wöhnhch Tai}Tjenfu und Tschang kiaköu. Einen bedeutenden Trans- portverursacht die Versendung der Leichen von Schansi-Leuten nach ihrer Heimat. Auch Mongolen sind noch auf der Sti-aße sichtbar. Das nordwestHche Gebirge, das ich gestern an seinem NW-Ende überquert hatte, bildet eine großartige Einfassimg des Tales. Wir blieben heute vorzeitig liegen, da Splingaert einen starken Fieberanfall hatte.
Weiter auf einförmigem Weg und durch ödes Land ! Das Wetter 26. November, war windstill und warm, aber die Luft voll Staub und „hazy", fast gar keine Aussicht. Die Richtung ging fast genau südlich ; der Weg blieb in dem ebenen Talboden, der sich ein wenig gegen den Fluß senkt. Noch ist der Boden salzerfüllt und auf weite Strecken weiß von aus- geblühten Salzen ; gegen die Südberge hin ist er von einer dünnen Schicht beweghchen Sandes bedeckt. Dieser Boden ist fiir Wasser undm-chlässig. In jedem Dorf ist die Straße tief ausgefahren und be-
152 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Siugan fu.
steht nur in einer Reihe eisbodeckter Pfützen, obgleich zwei Monate seit dem letzten großen Regen verflossen sind. Das nasse Wetter hat hier großen Schaden verursacht: Kartoffeln gibt es garnicht, und alle Feldfrüchte haben gelitten. Kauliang, Hafer, Buchweizen, Erbsen ; schwarze Bohnen sind sonst die Hauptfriichte.
Die Dörfer an den Straßen sind fast nur Reihen von Wirts- häusern. Abseits sieht man nur wenige Dörfer. Die Häuser sind elend ; das ganze Land ist in der Tat fast eine Wüste, nur durch die Straße be- lebt, auf der ein außerordentliches Treiben herrscht. Wir begegneten heute Zügen von 100 — 500 Kamelen, Mongolen gehörig, die vom Wutaischan zurückkommen. Männer, Frauen, Kinder waren bei der Begleitung. Sie fi-euen sich, uns zu begegnen, halten uns für „Orrrrossu" (Russen) und lassen sich gern in Gespräche ein. Sie reisen mit Zelten und Kochgerät. Für die Reise haben sie nur gewöhn- liche meist blaue Spitzzelte. Taiyo, ein Marktflecken, ist der Haupt- exportplatz der in der Nähe gewonnenen Pottasche.
Der Sangkan hat im Sommer zuweilen ein etwa 150 m breites Bett, jetzt aber wird er auf einer 80 m langen Winterbrücke über- schritten. Das Wasser selbst ist nur etwa 25 m breit und fließt mit 3 — 4 Knoten Geschwindigkeit. Das Gebirge, welches das Sangkan- Tal im NW begrenzt, heißt Wu kia yan schan, das südöstliche Man tou- schan. Tschang kia tschönn liegt am Fuß des letzteren; es ist ein Markt von angeblich etwa 2000 Häusei-n. Das Wasser schmeckt wie an den meisten Orten des Tales wegen seines Salzgehalts schauerlich. 27. November. Die Reise durch das öde Sangkan -Tal war gestern Abend be-
endet; heute machten wir den Übergang nach dem Tal des Hutohö. Das Scheidegebirge, das hier wie dort den Namen Man töu schan führt, ist hoch und vielgliedrig. Große Schuttmassen von Gneis be- zeichneten von Norden her die Annäherung an die Gebirgsschlucht. Von Salzgewinnung weiß hier niemand etwas; das Kochsalz wird aus Talyücnfu bezogen. Die Pottasche wird in großen parallolopipe^ dischen Blöcken versandt. Am Eingang steht das Dorf Kwanwukou, wo ein Zweig der Großen Mauer vorüber zieht. Sie ist hier gut ge-
Handelsverkehr mit der Mongolei. 153
baut und gut erbalten, besonders aucb die Türme und kleineren Festungen in der Xäbe. Der Bacli M^ar früber mit einem Bogen von außerordentlicber Spannweite überspannt, auf dem die Mauer aufsaß, aber nur ein kleiner Rest dieses Bogens ist erhalten.
Von hier fübrt der Weg in einer scbmaleu, im Zickzack gewun- denen Scblucbt nach SO aufwärts nach dem Paß am Yenmönukwan, der etwa 600 m über dem Sangkan-Tal liegt; dann ging es erst un- gemein steil, darauf aUmäblich nach Süden hinab. Kweikia liegt 750 m unter dem Paß, aber das Tiefste des Huto-Tales ist noch nicht ganz er- reicht. Die Straße fübrt fast ganz im steinigen Flußbett, das in beiden Schluchten von Wand zu Wand reicht. Die beiden Bäche sind wasser- reich und halb zugefroren, die Straße zur Hälfte mit Eis bedeckt. Das Fortkommen war daher ungemein schwierig; dennoch ist eine ungeheure Bewegung auf dieser Straße : heute zogen mindestens 2000 Lasttiere von S nach N ana Yenmönnkwan vorüber. Ein Zug von ungefähr 300 Kamelen war mit chinesischem Baumwollenzeug beladen, das von Hwoluhsien nach Kweihwatschöng bestimmt war. Himderte von Kamelen kamen mit mongohschen Wallfahrern vom Wu tai schan zurück. Dann ging brick-tea*) und anderer Tee auf Ka- melen nach Tschang kiaköu; Holz in Sparren und Balken, Wagenräder, Achsen usw. kommen von Sintschöu und gehen nach verschiedeneu Orten im Norden. Lange Züge von Eseln bringen Früchte von Tai- yuenfu, femer Zucker, Eisenwaren usw., aber nichts von fremden Gütern. Von Norden kommt besonders Lein- und Senf-01 aus Köu- wai; Senf und Pottasche von Taiyo; Salz von Tungtschin und Kwei- hwatschöng in großen Massen. Eine Herde junger Ochsen kam von Lama miau nach Taiyuenfu. Jimge Maultiere aus Köuwai begleiteten fast jeden Lastzug. Auch Schafe und Schweine gehen südlich. Kwei- hwatschöng und Tschang kiakou bilden hier die Endpunkte des Ver- kehrs nach Norden hin, zugleich auch Lama miau; die südhchen sind Taiyuenfu und Hwolu.
*) brick-tea oder Ziegeltee wird eine minderwertige Sorte von Tee genannt, der in Form von Ziegeln gepreßt wird.
154 Die letzte ^oße Keise. 1. Von Peking nach Singanfu.
Der Löß reicht bis auf die höchsten Gehänge hinauf, füllt alle Vertiefungen aus und ist in tiefen Schluchten entblößt, die in diesen niedersetzen; doch ist er von dem eigentlichen Gebirge meist hinweg- geführt. Der Abstieg nach Süden aber entblößt Löß schon von hoch oben an, und noch ehe man das Gebh-ge verläßt, führt der Weg durch tiefe Lößeinschnitte. Der Wu tai schan gewährt von hier aus einen erhabenen Anblick. Es sind nur flachgewölbte Gipfel, von denen aus das Gebirge sich nach SW lang hinabzieht; aber ihre Höhe ist impo- sant und dürfte wohl 1800 m über dem Tal betragen. 28. November. Ich verließ heute die große Taiyuen-Straße, um mich dem Wu-
tai schan zuzuwenden, und folgte daher dem Tal aufwärts statt abwärts. Bis 30 li von Taitschöu liegt das Alluvialiand, 1 '/j km breit, auf der rechten Seite des Flusses, Knks bespült er Löß; dann kehrt sich das Verhältnis um. An dieser Stelle ist eine Winterbrücke über das breite Flußbett gescUagen.
Tai tschüu mit seiner großen Icrenellicrten Mauer und den viel- zinnigen mächtigen Wachttürmen ist äußerst imposant und hat eine malerische Lage mit den vielen umgebenden Baumgruppen und dem hohen Wutaischan im Rücken. Das Innere ist sehr miserabel. Die Leute waren gut, eskortierten uns aber durch die Stadt. Weder Handel noch Gewerbe scheint hier zu blühen: es wird nichts für den Export gemacht; man produziert im Tal nur viel Opium, das zum Teil an Ort und Stelle konsumiert wird. Das Tal oberhalb des Ortes ist ziemlich dicht bevölkert, eine Menge ansehnlicher Dörfer liegt darin zerstreut. Einige davon sind mit 10 m hohen, aus Ziegeln errichteten Festungsmauern umgeben; auch im Sangkan-Tal waren diese Dorf- festungen eine gewöhnliche Erscheinung, aber dort waren sie neben den größten Dörfern aus lufttrocknen Lößziegeln 10 — 12 m hoch auf- gebaut, so daß sie aus der Feme imposant genug aussahen.
Der Löß dieses Tales ist sehr sandig, ebenso der Alluvialboden im Tal; dennoch ist dieser durchweg angebaut. Auch hier wittern weiße al- kalische Salze aus dem Boden aus. Die Jahreszeit ist leider zu ungünstig, um die Unterschiede der Kultiu-cn auf beiden Bodenarten zu beobachten.
Chinesisclier Geschäftssinn. 155
Die Leute dieser Gegend sind harmlos, weil sie feige sind. All ihr Sinnen ist auf Geld gerichtet: das Rechenbrett ist ihr Symbol, das Klappern der kleinen Rechenperlen Musik in ihren Obren. Der kleinste Dienst muß bezahlt werden, und nur das Aufzälüeu eines Haufens loser Cash findet bereitsvillige und unentgeltliche Hülfe. In Maß, Münze und Gewicht wächst der kleine Schansi-Chinese auf, darin lebt er. Kleine Übervorteilungen sind sein Ziel, und ihnen widmet er alle seine Gedanken. Bis Tatung ging die Wirtschaftsrechnung immer glatt ab ; von da an gab es immer Schwierigkeiten, und der arme Splingaert als Kassenführer hat harte Zeit. In jedem Wirtshaus wh-d weniger als die Hälfte des verlangten imd angegebenen Gewichtes an Pferdefutter gegeben. Dann wird auf einer kleinen Spiralwage nachgewogen und der Felder bewiesen, und darauf folgt immer viel Streiterei. In der Nacht wird Futter aus den Kluppen gestohlen oder Lehm in dieselben geworfen, damit die Pferde Körner übrig lassen. Wird dann Rechnung gemacht, so bieten sich aUorlei Schlupfwinkel : die Verschiedenheit der Pfunde — von 16 und 12 Unzen — gibt Stoff dazu; ferner die sonderbare Cash-Rechnung : in Tatung gehen 73 cash als 100 cash, hier 80 auf 100; danach ist dort die Schnur von 73, hier die von 80 die Einheit. Dazu kommen die Differenzen der Silber- gewichte an einzelnen Orten und die täglichen Kursschwankungen. Der Chinese erhält dadurch hundert kleine gelegene Mittel zur Be- trügerei. Die Bewohner von Schansi sind die besten Geschäftsleute in China, und das wiU viel sagen: die Spekulation steht bei ihnen dauernd im Vordergrund. Mein letztes Wirtshaus wurde von vier jungen Leuten in partnership gehalten; sie waren 19 — 20 Jahre alt und in alle erlaubten und unerlaubten Tricks ihres Geschäftes eingeweiht.
Der Weg nach dem Wutaischan bot viel Interesse. Eine tief 29.NoTember- und weit in das Hochgebirge sich verzweigende Schlucht bildet eine enge Felspforte. Die Schlucht ist schmal, zackig gewunden und meist zwischen sehr steile, schroflfe und kalile Felswände eingeschlossen, welche unmittelbar zu ungefähr 600 m ansteigen. Der Fluß ist wasser- reich und reißend, das Wasser klar und von grüner Farbe, das Bett
1 56 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
steinig, voll großer Blöcke und bei der Mündung jeder Seitenschlucht durch einen mächtigen Schuttkegel eingeengt. In den ersten 30 li sind dem Talboden noch Felder abgerungen, über die der Weg führt; im übrigen ist er steinig und jetzt durch das viele Eis sehr schmerig. Der Anstieg in diesen 60 li beträgt beinahe 600 m. Hier und da ist ein kleines Dorf, besonders auf der ersten Sti-ocke, wo noch Löß hoch hinaufreicht. Das beste Wirtshaus ist in Yento; die übi'igon sind sehr elend, so auch das, in dem wir übernachteten. Der Ackerbau leistet hier das Möglichste im Erklimmen steiler Gehänge. Die Felder sind durch horizontale Mauerlinien bezeichnet; vom Huto-Tal aus sehen diese täuschend wie Schichtungslinien aus. Man baut Hafer und Buchweizen, auch Kartoffeln. Im Hu to-Tal sind außer Opium und Tabak noch roter Pfeffer als Allotria der Agrikultur zu erwähnen.
In Ngoköu, am Ausgang jener Schlucht, steht ein hübscher Tempel; talaufwärts sind Tempel allenthalben in Schluchten und Kesseln zerstreut. Unsere Ankunft war bekannt geworden, und von molireren Tempeln kamen Priester herab und luden uns ein, bei ihnen zu wohnen. Sie leben von dem, was ihnen die Gäste geben, und er- warten auch von uns eine gute Beisteuer. Auf der Straße ist stets starker Verkehr, besonders von Pilgern. 30. November. Heute nur vierzig li, aber eine harte Tagesarbeit! Der Paß, der
im weiteren Aufstieg zu überwinden war, ist zwischen 2500 und 2700 m hoch ! Aufstieg und Abstieg waren ziemlich steil und der Weg mit Eis bedeckt, so daß Pferde und Maiütiere oft stürzten, letztere mit ihren Lasten, die dann immer wieder aufgepackt werden mußten. Dazu kam des Morgens eine Temperatur von — 24 " C und den ganzen Tag ein sehr heftiger Nordwind. Eines meiner Maultiere hat trotz Pebs- klappen ein Ohr ganz erfroren. Zum Lohn haben wir ein Quartier gefunden, in dem ich durch ein kleines Kohlenfeuer die Temperatur bis auf — 7° C zu bringen vermochte! Die Tinte, am Feuer aufgetaut, friert immer wieder an der Feder und ist ganz unbrauchbar.
Von Tulinsz' bis zu dem Dorf Tschapu (10 li) ist der Anstieg noch immer allmähhch. Tschapu ist ein Dorf von wenigstens 100
Aufstieg zum Wn tai scban. 157
Häusern uud liegt gleich hoch mit dem Ort Wutaischan. Von dort geht es etwas Steuer talaufwärts zum letzten Dorf, dessen schwer ver- ständlicher Name ungefähr Tswoyischa ist. Nun erst beginnt der eigentliche Anstieg zum Paß in einer vonFelsblöcken erfüllten Schlucht. Man hat noch ungefähr 500 m zu steigen. Der Paß ist eine flache Einsenkung in einem flaehwelligen Rücken; daneben steht eine 13- stöckige Pagode nebst einem Tempel, recht hübsch mit grün und gelb glasierten Ziegeln bekleidet; sie heißt Sz'tsz'wo. Ein steiler Ab- stieg von etwa 350 m fuhrt dann im Zickzack nach dem Tempel Tsulingsz' mit einer kleinen Pagode. 30 m tiefer liegt das höchste Dorf des Gebirges, Siausiaköu (Schlucht der kleinen Schlangen). Es folgen dann noch zwei Dörfer in der nach SO gerichteten Sclilucht, bis sie in einer Weitung von Sternenform ausläuft. In diese münden vier Bäche in vier tiefe Schluchten, um in einer fünften als kleiner Strom abzufließen ; dadurch werden fünf regelmäßig angeordnete Bergmassive getrennt. Ich konnte nicht erfahren, ob der Name Wu- taischan*) daher stammt; aber um diesen Kessel herum sind die Tempel angeordnet. Der Kessel selbst von etwa 1000 m Durch- messer hat ebenen Boden und ist reich an sehr starken Quellen. Am Ausgang der von NO kommenden Schlucht liegen das Dorf Wutai- schan und die größten Tempel.
AuffäUig ist die ungemein hohe Lage der Dörfer in diesen Ge- birgen — Siausiaköu ist ungefähr 2100 m hoch — , noch auffälliger, daß ihre Bewohner vom Ackerbau leben. Es wird allerdings nur Hafer gebaut, wovon große Schober bei den Dörfern stehen. Der Anbau geschieht zum Teil im Talboden, ganz besonders aber an den Lößgehängen, die hier bis etwa 150m über Siausiaköu hinausreichen ; es sind nur noch einzelne Reste einer früher aUgemeineren Löß- ausfüUung, Hafer bildet, wie es scheint, überhaupt in allen hoch- gelegenen Teilen des nördlichen Schansi die Hauptnahrung. Man macht aus dem Teig kleine ovale Scheiben, jede wird um den Finger
*) Der Name bedeutet „Die fünf Opferaltar-Berge".
158 -Die letzte große Reise. I. Von Peking nach Singanfu.
ZU einem Zylinder zusammengelegt. Diese kleineu Röliren werden dann in einem kreisrunden Geflecht senkrecht nebeneinander gestellt und in einen flachrunden eisernen Kessel gesetzt, darauf erst mit einer Matte, daun mit einem hölzernen Deckel zugedeckt. Im Kessel kocht Wasser. Dieses im Dampf gekochte Hafergericht heißt Yu- mienwowo (Hafermehl) und wird in fabelhaften Quantitäten verzehrt. Der Haferbau dieser Hochtäler geht für den Unterhalt der Dorf- bewohner und der zahlreichen Priester, Mönche und Gäste drauf. Für die letzteren Klassen wird auch viel importiert und von den Er- sparnissen der Opfergaben bezahlt, die die Mongolen den Tempeln darbringen. Das Weiden von Schafen und Ziegen an den Berg- gehängen bildet auch einen Teil des Unterhalts der Bewohner.
Den Mongolen ist dies eine heilige Stätte, und sie wallfalirten in Menge hierher, besonders in dieser Jahreszeit. Die Höhe des zu übersteigenden Gebirges, die tiefen Felsschluchten, die Schwierig- keiten der Reise — alles dies scheint einen Zauber auf sie auszuüben, denn es steht alles im Gegensatz zu dem Charakter ihres eigenen Landes. Schon auf dem Wege erzählten sie mir mit wollüstigem Grausen von der schwindelnden Höhe, die man ersteigen müsse: wenn man hinaufsehe, so erschienen die Kamele wie Mücken. Das ist noch eine Wallfahrt, die wirklich mit Opfern verbunden ist: an Beschwerden, an Geld und an Tieren!
Ich begegnete heute wieder langen Zügen von Kamelen auf der Paßhöhe, die teils nach den Tempeln gingen, teils zurückkehrten. Es war ein Jammer, die Plagen zu sehen, denen Menschen und Tiere unterworfen sind. Man konnte kaum ein Kamel ohne wunde Knie finden, denn jedes war wiederholt gestürzt. Wenn sie auf dem ab- schüssigen Eis ausgleiten, so reißen sie sich außerdem beim Sturz die Nase auf. Viele hatten von den spitzen Steinen wunde Füße bekom- men. Den zm-ückkelu-enden Mongolen blies der eisige Nordwind in das pelzumrahmte Gesicht, und man konnte kaum et^^'as Erfroreneres sehen als diese breiten braunblauen Gesichter über der kolossalen Pelz- masse; der Schnurrbart, wenn vorhanden, war mit Eiszapfen behängt.
Der Wallfahrtsort der Mongolen. 159
Auch Frauen und Kinder waren dabei. Diese Züge gaben der Land- schaft ein eigentümliches Gepräge.
Früher sollen im ganzen Wutaischan 360 Tempel vorhanden gewesen sein, jetzt gibt es noch beinahe 100. Davon sind 23 Lama- Tempel. Unter den Lamas sind viele Chinesen, denen es die reichen Geschenke der Mongolen der Mühe wert machen, das mongolische Mönchsgewand anzunehmen.
Wir fanden bei unserer Ankunft eine kalte Auftiahme. In den Wirtshäusern wollte man uns nicht haben, und mein Versuch, in dem- selben Tempel, wo Comte Rochechouart vor zwei Jaliren gewohnt hat, Unterkunft zu finden, schlug fehl. Da die hiesigen Priester sonst die Gelegenheit, ein Geldgeschenk zu erhalten, nicht gern vorübergehen lassen, konnte ich mich des Schlusses nicht enthalten, daß dieselben Gründe, welche die Franzosen in den Tempeln bei Peking so unbe- liebt gemacht haben, auch hier zur Geltung gekommen sind. Endlich drängte ich mich in ein Wirtshaus ein. Da die besten Zimmer von Mongolen besetzt waren, so mußte ich mit einem unheizbaren Raum vorlieb nehmen.
Das Wu tai-Gebirge hat etwas Imposantes durch seine breite hohe Masse, und charakteristisch sind die tief niedersetzenden, schroffen, labyiünthisch sich verzweigenden Schluchten. Die hohen Gipfel sind im allgemeinen breit und flach und, wie es scheint, regellos über die Masse des Gebirges verteilt, ohne einen zentralen Kamm zu bilden. Leider waren die höchsten Gipfel heute in leichte Nebel gohüJlt. Ich konnte sie nur bis auf j — 6 km Entfernung erkennen und schätzte ihre Höhe auf 300 m über dem Paß; aber andere ragen, nach ilirem Unterbau zu urteilen, noch höher auf, und ich glaube, daß 500 m über dem Paß oder eine Meereshöhe von etwa 3000 m für sie ange- nommen werden muß. Wahrscheinlich ist dies das höchste Gebirge in weitem Umkreise.
Der Süeschan („Schuoeberg") bei Ningwu, den Klaproth auf einer chinesischen Karte ausfindig gemacht hat, ist hier nicht bekannt, überhaupt kein besonders hoher Berg dort herum, und ich konnte
1(50 Die letzte große Keise. 1. Von Peking nach Singanfu.
keinen Berg erfahren, auf dem der Schnee liegen bleibt. Was den Petscha-Berg des Jesuiten-Missionars Gerbillon betrifft, so waren alle meine Erkundigungen nach demselben vergeblich. Allerdings soU es in der Richtung nach der angeblichen Lage Orte geben, wo im Sommer Eis existiert; aber solche Stellen werden auch an den Nordabhängen einiger Bergrücken bei Siwantszö angefülirt. Der Name „Schnee- berg", der ja auch in Deutscldand gebräuchlich ist, hat wahrscheinlich ebensowenig zu bedeuten wie das lokale Vorkommen von Eis im Sommer. Auch in dem Orte Wutaischan fällt, sagt man, in allen Mo- naten des Jahres Schnee, nur im 6. Regen ; dennoch hat es in diesem Jahr vom 27. des 7. Monats bis zum 10. des 8. Monats ohne Unterlaß bei Tag und Nacht geregnet, nachdem schon in den vorangegangenen Monaten viel Regen gefallen war. 1. Dezember. Trotz der ungemütlichen Situation machte ich heute einen Rast-
tag, da meine Leute sich gestern mit dem oftmaligen Aufpacken sehr angestrengt hatten. Es wehte wieder ein heftiger Nordwind bei klarem Himmel. Ich wollte arbeiten, konnte aber wenig tun, teils wegen der Kälte des Zimmers, teils weil den ganzen Tag Lamas bei mir saßen. Die Bettelei ist entsetzlich, fast wie in Ägypten. Die Lamas leben von Almosen, und hier oben sind sie an so große Beträge gewöhnt, daß man sie nicht befriedigen kann, wenn man nicht große Viehherden in der Mongolei besitzt. Sie bitten dreist um ein paar Taels (liangko- yingtsze) pro Mann; dabei sitzt das ganze Zimmer voll, und die Ab- gehenden werden fortdauernd durch neue Ankömmlinge ersetzt. Die ungastliche Aufnahme von gestern, als ich lange vor meinem Gepäck, nur mit meinem Pferd, ankam, bot glückUcherweise einen Vorwand, um sie alle recht gründlich abzuweisen. Das war aber doch nicht so leicht; sie suchten mir nun vielmehr ihrerseits Geschenke aufzudrängen : kleine weißseidene Lappen, die man nachher opfert, und Zuckerwerk. Ich erklärte ihnen fest, daß ich für eine gastliche Aufnahme gern gut gezahlt hätte, ihren Tempeln aber nichts schenken wolle, da meine Religion eine andere sei und ich daher auch keine Geschenke annehmen könne. Es bedurfte der größten Beharrlichkeit, um so ganz ohne
Die Lamatempel des Wutaisehan. 161
Kontribution wegzukommen, aber Nachgiebigkeit gegen einen wäre das Signal zu einem allgemeinen Kaubanfall gewesen. — Welch leich- tes Spiel mögen diese Leute mit den gutherzigen, großmütigen Mon- golen haben, die ein Ehrengeleit von Lamas bekommen, wenn sie gut zahlen! Die Summe von 30 — 40 Taels wird als gering betrachtet, und manche geben über 1000 Taels.*) Dafür sind die Priester vorzüglich gekleidet und besitzen viele Wertsachen. Die gastliche Begrüßung geschieht durch das Anbieten des Schnupftabakfläschchens. Ich re- agierte wenig darauf und ließ sie stehen, was ihnen nicht behagte. Die meisten der mongolischen Lamas sind aus Kwan tung**), besonders aus der Gegend von Lama miau; es sind gi-oße kräftige Gestalten, mit breiten Gesichtern, zurücktretender Stirn und meist mit herabhängender Nase. Wenn sie einen kleinen Schnurrbart haben, sehen sie zuweilen ganz aus wie ungarische Bauern.
Es wurde leider zu spät, um noch eine Rundreise bei den Tem- peln vorzunehmen. Die alten fünf Tai's: der Petai, Tung tai, Nan- tai, Sitai undTschungtaif), scheinen Tempel aufBergkuppen gewesen zu sein, sollen aber meist verfallen sein. Die Gruppe der Lamatempel bei der Stadt ist sehr malerisch und würde ein prächtiges Objekt für die Photographie geben. An Bäumen fehlt es natürlich ganz und gar, mit Ausnahme vereinzelter Besenstiele. Es ist jetzt gerade die Wall- fahrtszeit der Mongolen, die vom 10. bis zum 2. Monat dauert.
Der Weg führte nun aus dem sternförmigen Tal von Wutaischan 2. Dezember, nach Süden hinaus durch eine enge Felsschlucht nach einem Dorf, das 150 m unterhalb Wu tai schan liegt. Zwischen den Felsen erscheinen in Seitenschluchten einige hübschgelegene Tempel. Von diesem Ort geht es dann in eine rechts hereinkommende breite steinige Seiten- schlucht hinein und weiter etwa 500 m aufwärts nach dem Paß Tsing-
*) 1000 Taels sind nach heutigem Kurs rund 3000 Mk. **) „Östlich der Mauer", hier auf das nördlichste Tschili jenseits der Chinesi- schen Mauer bezüglich (nicht zu verwechseln mit der Provinz Kwangtnng in Siidchina). f) tai = Opferaltar (s. o. S. 157 Anm.); pe = Nord, tung = Ost, nan =: Süd, si = West, tschung = Mitte.
Richthofeu, Tagebücher, II. BaoJ. 11
162 Die letzte große Reise. 1 . Von Peking nach Si ngan fu.
koling (2500 m). Die Gehänge an diesem sind sanft, der Anstieg all- mählich. Am Paß liegt ein Dorf mit Wirtshaus. Vom Paß hat man eine Aussicht nach SW: nichts als Gehirgsrücken und Gipfel. Dann folgt wieder ein sehr steiler Abstieg nach dem Dorf Watschuli. Nun gehts in einem breiten Talboden weiter abwärts zu meiner heutigen Nachtstation, dem Dorf Liuyuentswun, welches über 800 m unter dem Paß und über 300 m tiefer als Wu tai schan liegt.
Auch heute war die auffälligste Erscheinung die Höhe, bis zu welcher die Ortschaften und der Feldbau hinaufreichen. Das Dorf Tsing koling ist keine isolierte Erscheinung: man sieht vom Paß aus noch zwei Dörfer, die wenigstens eben so hoch und auch an Pässen gelegen sind. Der Feldbau reicht bis ziu: Höhe des Tsing koling, also wahrscheinlich bis beinahe 2500 m hinauf. Es wird dort oben zwar nichts als Hafer gebaut, aber die Zahl der kleinen, an flachen und ziemlich steilen Gehängen angebrachten Felder ist groß, und der Er- trag soll gut sein. Auf dieser Höhe waltet ein steiniger Lehmboden vor; aber im Liuyuen-Tal reichen Gehänge von M'h'klichem, unver- kennbarem Löß mit senkrechter Absonderung und tiefer Durch- furchung melirfach bis zur Höhe des Tsing koling hinauf. Sie sind angebaut, soweit es möglich ist; außerdem ist dem Talboden mög- lichst viel Feld abgerungen. Dieser Grund wird schon in der Höhe von Liuyuen zum Teil zum Anbau von Opium verwendet. Das Fluß- bett ist breit und steinig, und das diesjährige große Wasser hat furchtbar viel fortgerissen. 3. Dezember. Der heutige Weg führte weiter in südwestlicher Richtung, den
Abfällen des Wu tai-Gebirges entlang, über melirere Täler und tren- nende Pässe quer hinweg. Erst ging es südlich 25 li im Liuyuen-Tal hinab. Das Gefälle ist stark, das steinige Flußbett breit, die ange- bauten Lößgehänge umfangreich. Eine Menge großer Dörfer ist im Tal zerstreut. Dieses wendet sich dann gegen SO wieder in eine enge felsige Schlucht, die von scliroffon Bergen eingeschlossen wird. Man sieht so schön hinein in diese großartigen Konussen und vermutet dort so vorzügliche geologische Aufschlüsse, daß es Überwindung
Ackerbau im Hochgebirge. 103
kostet, dem richtigen Weg zu folgen, der zunächst auf den Sihan- ling führt, einen Kalksteinpaß mit steilem Anstieg über tief durch- schluchtetenLöß. Die Straße ist sehr belebt, besonders durch Kolüen- transport. Vom Paß hatte ich einen schönen Überblick über das Liuyuen-Tal und auf die Kette der hohen Gipfel an seinem Ursprung. Nach Westen hin bot sich ein unbedeutender Abstieg; denn hier scldießt sich eine weite Lößausfüllung an. Aus dieser ragen nm* ein- zelne kleine Rücken auf, und über einem derselben steigt man süd- westlich hinab nach dem Nantai-Tal, einer großen ovalen Seeaus- füllung von etwa 25 li Länge von NW nach SO und 10 li Breite. Es ist ein prachtvolles Tal, über 1500 m hoch gelegen, mit fruchtbarem Boden, ganz angebaut und am Rand ringsum mit großen Dörfei'n be- setzt. Der Bach, der jetzt trocken war, ist eingedämmt; da sein Bett etwa 2 Yi ^ über dem Talboden liegt, fließt er wie in einem Kasten. Ringsum sind Gebirge: in NW die Hauptkette des Wutaischan, die hier nicht so hoch ist wie weiter nordöstlich, in SO prachtvolle, aben- teuerlich gestaltete, hoch ansteigende Kalksteinberge. Der Blick tal- abwärts nach diesen hin ist ungemein malerisch. Zwischen dem.Ge- birgskranz und der Talebene liegt die Lößabdachung, und der See muß ganz in den Löß eingesenkt gewesen sein.
Auf dem Paß steht ein Tor. Es war ein schöner Anblick, als durch das Tor die jenseitigen Berge, von der iintergehenden Sonne beleuchtet, sichtbar wurden. Wutaihsien ist ein kleines Örtchen von 60 — 70 Häusern ; ■war hatten große Mühe Quartier zu finden und blieben schließlich im Dorf Nanköu, 3 li im SW der Stadt.
Ich habe diesmal Unglück mit den Packtieren. Zwei derselben 4. Dezember, waren schwach und haben mich auf der ganzen Reise öfters au^f- gehalten. Das eine, ein junges hübsches Tier, konnte gestern Abend nur unter der größten Mühe bis zum Wirtshaus gebracht werden, wo es am späten Abend ankam. Ich hatte seinetwegen schon die gestrige Tour abgekürzt. Es wurde für unfähig erklärt weiterzugehen, und mein kleinmütiger Treiber verkaufte das Tier leichtsinnig für 2000 Cash, während es wohl den 50 fachen Wort hatte; dies geschah ohne mein
11*
264 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
Wissen. Heute wurden zwei Esel für den Tag gemietet. Wieder konnte ein anderes Maultier nur mit Mühe bis hierher gebracht werden und brach dann zusammen, ganz unfähig, auf den Hinterfüßen zu stehen. Ein Tierarzt wurde gerufen, der die Heilung für 2000 Cash. etwas öl und Baumwolle übernahm. Er produzierte ein Acupunkturbesteck, nahm daraus 7 Nadeln, jede 5 Zoll laug und oben von der Dicke eines Strohhalmes. Mit wichtiger Miene umwickelte er das spitze Ende jeder Nadel mit Baumwolle und legte es in öl. Dann wurde das Kreuz des Maultiers befühlt, sieben sorgsam ausgemessene Punkte mit Kreide bezeichnet und darauf die 7 Nadeln angezündet. Eine wurde 3 Zoll tief neben die Wirbelsäule gesteckt und darin gelassen ; die sechs anderen wurden je 1 Zoll tief ins Fleisch gesteckt und wieder heraus- gezogen, die Wunden mit einer Salbe auf rotem Papier beschmiert. Die Wirkung der Operation ist abzuwarten. Ich aber bin verurteilt, mich heute mit 30 statt 90 li zu begnügen.
Tungyetschönn, meine heutige Station, ist ein lebhafter, un- gemein volkreicher Markt, nur 20 li von Han picn entfernt, dem Ort, wo Comte Rochechouart vor 2 Jahren ein böses Abenteuer hatte. Wir waren erst langsam unter großem Volkszulauf durch den Ort ge- ritten und dann noch 10 li weiter, darauf aber aus Sorge um unser Ge- päck umgekehrt und hatten die Stadt noch zweimal durchritten, um das Gepäck zu suchen. Dennoch mußten wir uns dauei'nd viel Neu- gierde gefallen lassen. Die Leute sind aber, nachdem sie unser Wesen sondiert haben, ganz ruhig und gut, und die Befürchtimg, sie möchten uns als nächsten Besuchern das geschehene Unrecht zu vergelten suchen, scheint sich als grundlos zu erweisen.
Die Karten sind in dieser Gegend ganz falsch. Ich muß die Position von Wutaihsien bedeutend verändern, und die Geographie ist ganz anders, als man sie sich nach den Karten vorstellen würde. Man steigt in südwestlicher Eichtung von einem Lößbecken nach dem andern tiefer hinab. Diese Becken sind groß, meist von Kalkbergen umgeben und durch niedere Pässe verbunden. Das große Lößbecken von Wutai und das noch größere von Tungyö sind durch ein Kalk-
Ein chinesischer Tierarzt. 165
gebirge voneinander getrennt; die gut angelegte Straße führt durch einen tiefen Einschnitt hindurch, so daß man fortdauernd hinab steigt. Es besteht ganz aus Löß, der sich nach SW senkt. Der Hutohö kommt durch eine breite Einsenkung herein und verläßt das Tal durch einen schroffen Einschnitt im südöstlichen Gebirge. Von einem Tempel, 5 li östlich von Tungye, hat man eine prächtige Übersicht dieses volk- reichen Talbeckens.
Die heutige Straße war sehr belebt, teils durch Kohlentransport, teils durch Lasttiere mit allerlei Waren, dai"unter viel enghsche cotton- goods; diese kamen alle von Hwoluhsien und gehen nach ver- schiedenen Orten, darunter nach Taiyuenfu. Sie schlagen in Hwolu eine Bergstraße über Ping schan hsien ein, die dann südöstlich von Wutaihsien vorüberführt. Der Grund, weshalb sie diesen Umweg durch die Berge machen, ist, daß sie dadurch eine Likin-Taxe ver- meiden, die sie auf der großen Straße über Pingtingtschöu zu zahlen haben würden. Auf dieser Straße ist gar keine Abgabe zu entrichten.
Hier gilt Lößland 20 tiau (18000 Cash) pro mou, berieseltes Land 150 tiau. Auf diesem baut man Opium, Gemüse usw., auf jenem Weizen, Kauliang, Buchweizen, Bohnen, Kartoffeln; Weizen soll 50- fach, Kartoffeln 10 fach ti-agen.
Das kranke Maultier muß nach Anordnung des chinesischen Tier- 5. Dezember, arztes drei Tage in Stricken aufgehängt bleiben; ich konnte daher die Wirkung der Acupunktur nicht beobachten. Auch muß noch einer meiner Leute zur Pflege zurückbleiben. Es wiu:den ein neues Maul- tier und zwei Esel gemietet und nach vielerlei Verhandlungen die Reise wieder angetreten. Erst war der Hu to hö zu überschreiten. Gestern hatten wir ihn bereits zweimal durchritten ; in der Nacht hatte sich aber so viel neues Eis gebildet, daß wir eine Fähre benutzen mußten. Das Gebirge, welches das Tungye-Tal in SW begrenzt, ist an zwei Stellen durchbrochen: erstens durch den Fluß, dann durch einen von Löß erfüllten Einschnitt, durch den die Straße nach SSW führt. Hier betritt man einen anderen großen Kessel, der sich leider nur unvoU-
166 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singan fu.
kommen übersehen ließ, da die Atmosphäre sehr dunstig war. östUch ist er von hohem geschlossenem Gebirge begrenzt.
Wir passierten 20 li von Tungye das Dorf Han pien, den Ort jenes Abenteuers des Comte Rochechouart. Es war damals ein Fest mit Theater gewesen, und viele aufgeregte und angetrunkene Leute hatten sich zusammengerottet. Die Kugel traf einen bramarbasierenden Fleischermeister, der als ein schlechtes Subjekt bekannt war, und führte zu seiner Erblindung ; es sollen außerdem noch kleine Vei'wundungen vorgekommen sein. Die Leute waren gegen uns ganz höflicli: kein Nachrufen und kein Nacldaufon. Sonderbarer Weise scheinen sie den Glauben zu haben, die Fremden hätten sich vor den Drohungen des Mannes gefürchtet und deshalb geschossen, und auch in Tungye waren sie fast ängstlich besorgt gewesen, daß wir uns nicht vor ihnen fürchten sollten. In Han pien werden Tusch-Steine aus roten seidenglänzenden tonigen Schiefern verfertigt.
Hinter Fanglan tschönn wird am Fuß des Gebirges auf ebenem Grunde Salz gewonnen, nur durch Auslaugen des Bodens an der Ober- fläche. Salzbrunnen gibt es nicht, und die Leute sagen, daß auch unter dem Salzgrund die Brunnen nur süßes Wasser geben. Noch 5 11 weiter ist ein Dorf, in dem viel Papier gemacht wird. Es liegt am Ausgang des Sandsteingebirgszuges und hat wasserreiche Brunnen. Das Wasser soU sich ganz besonders für die PapierfabrLkation eignen; daher ist jedes Haus eine Fabrik. Das Papior wird aus Hanf (paima) gemacht.
Ting siang ist ein sehr volkreiches hsicn mit viel Kleinhandel. Ich konnte nur eben hindurclureiten, da eine große Volksmasso uns folgte; die Leute benahmen sich aber gut. Der Ort ist wie Tungye der Marktplatz fiii- das Tal, wo die Bauern ilu* Getreide vorkaufen und sich mit alloui Nötigen versehen. Das Tal von Ting siang hat ganz ebenen und sehr fi-uchtbaren Boden. Soweit ich geritten bin, konnte, mit Ausnahme kleiner Strecken, alles Land aus Brunnen bewässert werden. Das Wasser hat im vorigen Jahr viel Schaden getan, und jetzt ist alles damit beschäftigt, zu nivellieren: aufgespültes Erdreich wird abgo-
Von Nord- nach Süd-Schansi. J67
nommen und in Haufen aufgeworfen, und diese werden dorthin verführt, wo das Wasser den Boden fortgerissen hat. Die vielen geschäftigen Hände und die große Menge zwelrädiger Karren gaben der Land- schaft ein ganz lebhaftes Aussehen. In Pie hu, einem kleinen Dorf im gleichen Niveau mit Ting siang, bekamen wir ein miserables Quartier, und die Neugier der Leute war höchst unangenehm. Ich bin jetzt schon garnicht mehr daran gewöhnt.
Wir ließen Sintschöu einige li rechts liegen und kamen erst bei 6. Dezember. Mahweitschönn auf die gi-oße Tatung — Taiyuen-Straße. Sintschöu liegt in derselben AUuvialebene wie Ting siang, in der noch sehr viele Dörfer zerstreut liegen, jedes mit großem Baumbestand, meist von Weiden und Zizyphus. Die Größe der Gehöfte, die Portale und Gie- bel der Häuser lassen auf Wohlstand schließen; auch sehen die Dörfer von weitem recht hübsch aus. Nach den Wirtshäusern zu urteüen waltet aber die größte Uusaubcrkcit: unser letztes Nachtquartier über- traf in dieser Beziehung alle früheren Erfahrungen. 40 li von Pie hu beginnt das Terrain anzusteigen, und bald entwickelt sich ein geglie- dertes Lößschluchten-System. So geht es hinauf nach dem Paß Schi- ling, der etwa 350 m über Sin tschöu liegt.
Dieser Paß vermittelt allen Verkehr zwischen Süd- und Nord- Schansi. Abgesehen von den Holüwegen ist er sehr bequem, der An- stieg von beiden Seiten ganz allmählich. Auf der Paßhöhe selbst passiert man auf einer Strecke von 1000 Schritt fünf oder sechs feste Tore. Es sind auch alte Wachttürme vorhanden, aber keine eigent- liche Befestigung. Nach Süden erbhckt das Auge nichts als Löß, der sich regelmäßig abdacht. Mau ahnt gar nicht die vielen scharfen Risse, die den Verkehr erschweren und doch auch vermitteln. In einem derselben fiihrt die Straße, ein 15 — 20 m tiefer Hohlweg, den Wind und Wasser diu-ch Wegführung des Straßenstaubes gebildet haben. Man sieht noch 6 m über der Straße die horizontalen Streifen, die früher von den Wagenrädern in die Wände eingerissen worden sind, lind am Paß läßt sich die allmähliche Vertiefung der Straße ganz deutlich erkennen.
168 Die letzte große Keise. 1. Von Peking nach Singanfu.
Ich erfulir auch heute wieder, als wu- den vielen Wagen aus- weichen wollten, vde schwierig das Fortkommen auf dem Lößplateau ohne Straßen ist. Man ist ganz verloren, so bald man sich von diesen entfernt. Terrassen und tiefe Risse machen das Fortkommen ganz un- möglich, und man kann schließlich nichts anders tun, als auf seiner eignen Spur nach der Straße zurückzukehren. Die Oberfläche sieht ganz glatt und eben aus und ist doch voll von Hindernissen. Strategisch wäre nichts leichter zu verteidigen als dieses Lößterrain. Ich begeg- nete heute auch großen Kohlentransporten : alles bituminöse Kohle aus dem Sischan bei Taiyuen. In der Versorgungsgegend der AVu- taihsien- Kohle gibt es überall hübsche tragbare Öfen für Koks, die recht praktisch sind. Hier heizt man nur den Kang, und tragbare Öfen sind nicht bekannt.
Auf der großen Straße zeigt die Bevölkerung weniger Neugierde und ist respektvoller. Man findet viele, die als Kommis in Peking waren und einige Weltkenntnis zu haben glauben. Diese besteht be- sonders im Cash-Zählon. Lesen und Schreiben sind die Errungen- schaften einer nur sehr geringen Zahl. Hier treflfe ich wieder auf das Schansi-Brot, einen trocknen Teig, der am Feuer gedörrt wird und sehr schwer und unverdaulich ist; ich fand dies Brot immer besonders dort, wo die Kohle billig ist. Die Geldwährung variiert noch immer. In jedem hsien ist mit 100 Cash eine andere Zahl von Kupfer-Cash ge- meint: 70, 73, 80, 90; an meiner heutigen Station z. B. 83. Bei Zah- lungen unter 100 Cash gibt man die richtige Anzahl. Der Tael vari- ierte bisher von 1800 bis 2040 bare Cash; dagegen muß ich am Gewicht stets 5 bis 10 v. H. verlieren. Ein Pferd kostet täglich etwa 350 Cash, Fleisch ist von 70 Cash in der Mongolei auf 200 gestiegen. Eier sind eine Seltenheit und kosten etwa 10 Cash. Kartoffeln sind immer noch in Menge und vorzügUcher Qualität zu haben; sonstige Gemüse (paitsai*) sind schlecht, nur Zwiebeln leidlich. Der Tagelohn ist noch immer 100 Cash und Kost, pro Monat 1000 — 2000 Cash. .
*)3. 0. S. 119.
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Chinesen im Winter.
Bevölkerung und Besiedelung. Tcn
Das Opiiimrauchen ist hier ganz allgemein: fast alles über 20 Jahre hinaus raucht. Der Küchenjunge in diesem Haus z. B., ein Jüngling von 26 Jahren und von elendestem Aussehen, erklärt, für den Monat 1000 Cash Lohn zu erhalten und 600 davon zu verrauchen.
Heute kam der erste Schneefall, mit Ausnahme einiger Flocken T.Dezember, zuvor. Es fielen in drei Nächten etwa C cm. Die Luft war warm, und nachmittags trat Tauwetter ein. Die Chinesen aber froren wie immer beim Anbhck von Schnee. Mein Boy brachte mir mitleidig aUe meine Pelzsachen, und die Leute waren kaum zum Aufbruch zu bewegen. Die Landschaft war weiß, der Himmel umflort, die dunstige Atmo- sphäre benahm die Aussicht. Die Straße war schlecht: des Morgens glatt, nachmittags kotig. Viele Wagen blieben stecken, und es war be- jammerswert, die Anstrengung der armen Tiere zu sehen, wie sie schwere Frachten die steilen SteUen der Lößstraße aufwärts zogen.
Die Straße liegt mit Ausnahme einiger kleinerVerebenungen noch ganz im Löß. In einem breiten Bachbett ist ein Block von Löß, all- seitig umspült, übrig geblieben: er bildet ein uneinnehmbares Kastell, da er ringsum überhängend abfällt. Die Dörfer an der Straße sind stellenweise in erweiterten Stellen von Lößklüften erbaut. Wo die Kluft sich verengt, sind am Eingang und Ausgang über die ganze Breite der Kluft starke, massive Tore gebaut. Von Tor zu Tor führt die Straße, mit hübschen massiven Hausfronten und Hofmauern zu beiden Seiten. Sieht man durch ein Tor hinein, so erblickt man am andern Ende des Hofes die Lößmauer, die zu Wohnungen ausgehöhlt ist und eine gut gebaute Front aufweist, zuweilen in Etagen, aber noch nicht so palastartig wie weiter südhch. Viele Wirtshäuser bestehen in Löß- aushölilungen. Lößlandschaft mit Schneebedeckung, das gab einen ganz besonderen AnbHck: nichts als gelbe Wände und weiße Decken! Die Straße folgt zum Teil einem breiten Flußbette, das nur KalkgeröU herab- bringt. Auch aller architektonisch verwandte Stein ist derselbe Kalkstein.
Der Weg führt nun in den letzten LößabfäUen hinab und erreicht 8. Dezember. dicht vor Taiyuenfu ebenes Land. Die Stadt hat nicht das Impo- Taiyi.eufu. sante, das man von der Hauptstadt des geldreichen Schansi erwarten
170 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
sollte. Man hatte uns Kukitihia als den Stadtteil genannt, vro die vor- nehmstenWirtshäuser seien. Wir gingen in eins, das den anspruchsvollen Namen Takwantien*) führt; es war aber grauenhaft schlecht: die Zimmer kalt, die Ofen nicht heizbar, nur Rauch gebend, Fenster und Wände zerrissen und durchlöchert, der Fußboden feucht und durch Kohle geschwärzt, die Matten alt und zerrissen. Es war ein trauriger Gedanke, hier einige Tage zubringen zu sollen. Ich schickte Spüngaert und den Boy aus, uns ein besseres Haus zu suchen, aber es war in der ganzen Stadt nichts zu finden und mein Haus in der Tat noch das vor- nehmste. Unter diesen Umständen nahm ich mit Dank die Einladung des apostolischen Vikars der hiesigen Mission an, bei ihm zu wohnen. Diese besteht aus weitläufigen Baulichkeiten, und ich erhielt zwei hübsche, anständige und niedliche Zimmer. Nachmittags hatte ich einen heftigen Fieberanfall und mußte mich zu Bett legen. 9/10 Dez. Diese zwei Tage verbrachte ich im Zimmer: es gab eine recht
gründliche Erkältung auszutreiben. Solche Anfälle sollen in hiesiger Ge- gend im Winter und Frühjahr sehr gefährlich sein, da sie leicht in Typhus ausarten. Die belgische Mission hat einige ihrer tüchtigsten Mitglieder (Verbiest, v. Seegfeld u. a.) daran verloren; auch Verlinden lag daran auf dem Tod, und die hiesige Mission hat in einem Jahr drei Priester an demselben übel verloren, den letzten erst vor einem Monat. Die Gefahr ist dann am größten, wenn man sich dmchschwitzt der rauhen, kalten Gebirgsluft aussetzt. Einige tüchtige Dosen Chinin und Schwitzmittel haben das zweitägige Fieber bei mir ausgetrieben'; auch die verbesserte Wohnung hat das ihrige getan, mich herzustellen. Die Stadt Hegt auf einem Terrain, das nach Süden abfällt. Der nördliche Teil ist trocken, der südliche und westliche so feucht, daß aller Verkehr zum Nordtor hinaus geschehen muß. Die Mission liegt innerhalb der Mauer nahe am Nordtor und zeichnet sich durch ihre typisch-italienische Kirche mit italienischem Campanile aus : ein Werk des soeben verstorbenen Pastor Isaiah, das ihm viel Elire macht. Die
*) etwa wie „Grand Hotel".
Die Missionare von Taiyuenfu. 171
Titel zu dem frü^heren Missionsbesitz sind verloren gegangen. Als daher vor 5 Jahren die Missionare von ihren Dörfern im Gebirge hierher zurückkehrten, mußten sie sich neuen Grundbesitz kaufen. Sie erhielten diesen nicht unbedeutenden Häuserkomples für 840 tiau (a 830 Cash), und mit 2000 tiau an Reparaturen haben sie einen ge- räumigen und sehr anständigen Platz geschaffen.
Eine Wohnung ist für den von Tsinanfu hierher versetzten Bischof bereit, der täglich erwartet wird. Jetzt lebt hier nur der Vikai", der in einigen Tagen zum Bischof geweiht werden wird; außerdem ein chine- sischer Priester (Mong), der 7 Jahre in Rom studiert hat, Lateinisch, Italienisch und etwas Engliscli spricht ; ein weniger gelelirter ein- heimischer Priester; dann ein recht anständig aussehendes Personal an Sienschang, Dienern usw., ferner neue Alumnen, die gut und reinlich wohnen. Endlich ist eine Knabenschule im Haus. Die Zahl der Christen in der Stadt beträgt 400; es hegen aber viele Missionen in den Dörfern der Umgegend.
In einer derselben, Süköuhsien, besitzt die Mission bedeutende Weingärten, wo eine berühmte schwarze Rebe wächst, aus der ein recht guter Wein in Masse gemacht wird. Der Preis der Trauben ist in der Lesezeit nur 10 Cash für das Pfund. Das Verhältnis der Cliristea zu den Heiden soll nicht gut sein, zu den Mohamedanern weit besser ; auch mit den Mandarinen scheint die Mission nicht gut zu stehen. Abgesehen vom Wein ist das materielle Leben schlecht. Die Kost ist chinesisch und ganz ungenießbar, ich habe daher die Küche für meinen eigenen Koch übernommen. Äußere Zeremonien werden streng beobachtet, und es wird viel gebetet. Der briefliche Verkehr ist gering; Zeitungen sind unbekannt, nur zuweilen verirrt sich eine „Unitä cattolica" hierher.
Ich habe mich wieder gesund gemeldet und etwas gearbeitet. 11. Dezember. Gestern kam Pater Gregorio von einer Älission 10 U von hier zum Besuch. Er spricht Französisch, der Vikar dagegen nur Lateinisch, womit es bei mir doch etwas schwach steht. Ich finde es sehr schwer, mehr Material über die Provinz zu sammeln; selbst der gelehrte Sien-
172 Die letzte große Reise. 1. Vou Peking nach Singanfu.
schang der Mission weiß nichts über sein Heimatland. Besonders über den Hwanghö im Westen ist gamichts bekannt. Die Karte zeigt eine Anzahl Übergangsstollen, alle als „kwan" in zwei verschiedenen chine- sischen Schriftzeichen benannt. Die Zugänge dahin sollen ungemein schwierig und mit Lasttieren gar nicht zu erreichen sein. Dies bezieht sich auf alle Übergänge zwischen Pautötschöu und Kitschöu. Nach Pautö führt keine Fahrstraße, aber ein vielbenutzter Saumweg. Der letzte Teil des Weges ist sehr gebirgig. Von Yuentschöufu*) kann man sogar zu Wagen über das Gebirge kommen, weiterhin nur mit Packtieren, und es scheint, daß man auf diesen den Hwanghö gut er- reichen kann. Die Missionare haben Reisen bis Tsinglo hsien, Lin hsien und Yungningtschöu gemacht und sprechen nur von dem hohen und schwierigen Gebirge, den Schrecknissen und Entbehrungen der Reise, engen Tälern usw. Aber das will bei Missionaren nicht viel sagen: sie lieben Wagen und Tragstühle. Die Gegend soll trotz der geringen Fläche der Talböden stark bevölkert sein, was für das Vorkommen von viel Löß spricht. Es ist merkwürdig, welche hermetische Scheide hier der Hwanghö nach Westen zu bilden scheint. Wenn ich einen Chinesen nach dem nächsten Weg nach Yennganfu und YüUnfu frage, so gibt er die Tungkwan-Straße mit Aufzählung aller Orte an, und es überläuft ihn ein Schauder, wenn ich ihn nach einem direkten Weg frage. Da ist alles voll von Wölfen und Räubern, gerade wie in Tschekiang, wenn man dort die Wasserscheide zwischen den Tälern übersteigen will. In Tatung fu kannte man die Passage von Pautö- tschöu, aber jenseits des Flusses sollten viele Räuberbanden imd Yü- linfu deshalb unzugänglich sein. Ich fragte, wie ein nach Ninghia berufener Mandarin reisen mirde, und man sagte darauf, es gebe nur zwei Wege: entweder über Tungkwan — Singanfu — Lantschuufu oder nördlich um die Biegung des Hwanghö herum, wo man auf Kamelen reise und oft fünf bis sechs Tage lang keine Ansiedlung finde, — ein näherer Weg sei nicht möglich!**)
*) So im Tagebuch; welcher Ort gemeint ist, bleibt unsicher. *♦) Ein Blick auf eine Karte zeigt die Größe dieser Umwege.
Der Hwanghö im Westen. 173
Die Kohlenproduktiou nimmt hier eine hervorragende Stelle ein. Daß es hier in der Nähe Eisenwerke gibt, hatte ich Mühe, bestätigt zu erhalten. Stahlarbeiten, Waffen, Schwerter, WaiFen sollen aber in Tai yuenfu selbst weder gemacht werden noch jemals gemacht worden sein, sondern von Lu ngan fii kommen.
Dem Schnoewetter vom 7. ist eine Reihe kalter Tage mit Nord- 12. Dezember wind gefolgt. Ich kann die Temperatur nicht mehr beobachten, da nach dem Bruch des letzten tiefgehenden Thermometers nur solche übrig sind, die nicht weiter als bis OoFahrenheit ( — IS^C) herabgehen. Das Quecksilber sinkt jeden Morgen ganz in die Kugel hinab. Die Zimmerheizung läßt viel zu wünschen übrig, da man nur die Heizung des Kang kennt und ich das geheizte Bett nicht vertragen kann. Das Eü.ima soU in verschiedenen TeUen des Tales variieren und in Tai yuen- fu besonders kalt und rauh sein, da die Stadt den über die flachen Lößgehänge streichenden Nordwinden ausgesetzt ist. Einige Orte in Taiyuenhsien (z. B. Tsingyueu) sollen geschützt und bedeutend wärmer sein; an solchen Orten blühen Obstzucht und Weinbau. Der Niederschlag scheint hier noch geringer zu sein als in Peking: die Monate Juh und August 1870, als in Peking selir bedeutende Regen- güsse fielen, sollen hier nicht regnerisch gewesen sein.
In diesem Jahr traten auch hier heftige und andauernde Regen ein, und das Tal war Monate hindurch unwegsam; aber während der letzte große Guß iu Peking, Si wautsze und Tatung fu acht Tage lang iinausgesetzt dauerte, in Wutaischan sogar vierzehn Tage, erinnert man sich hier keines langen Regens. Leider wird kein meteorologisches Journal auf der Missionsstation gefülu-t.
In diesem Teil des Tales sind bewässerungsfähige Felder selten; die besten liegen südwestlich von hier bei sehr starken Quellen, welche 98 Mühlen treiben; dort wird auch etwas Reis gebaut. Der Grund kostet dort 100 — 200 tiau, 40 — 80 Taels pro möu. Er trägt zwei Ernten: erst Weizen, der im Herbstäquinoctium gesät und um das Sommersolstitium geerntet wird; dann noch Hirse, die 2 '/a Monate zur Entwicklung braucht. Kauliang wird stets im Frülijahr gesät.
174 Die letzte große Eeise. 1. Vou Peking nacli Singanfii.
Kartoffeln werden im Gebirge gebaut und gedeihen gut, geben aber nur Nahi-ung für die Armen; Reiche halten es für eine Schande, sie zu essen. Ölfrüchte werden nicht gebaut. Das Tal produziert gar nichts für den Export aus der Provinz. Auch das Opium, dessen An- bau besonders in den Gebirgstälern ins Massenhafte gestiegen ist, wird ausschließlich hier verbraucht. Christen dürfen kein Opium bauen, doch soU es nicht ganz verhindert werden können; sie rauchen es auch nicht, sollen aber im geheimen Opium essen. Das Land gilt für über- völkert; jedenfalls ist die Auswanderung nach dem Norden, besonders aus Sintschöu, stark. Wahrscheinlich ist die Volksdichte fühlbarer ge- worden, seitdem durch das Opium große Strecken des besten Landes dem Anbau von Lebensmitteln entzogen werden. Die Verarmung ganzer Dörfer soU sehr bemerkbar, die einzelner Famihen haar- sträubend sein.
Die Handelsbilanzfrage ist mir noch so unklar wie früher. Schansi importiert noch immer Korn und Baumwolle neben vielem anderen und exportiert nichts als Eisen. Nun ist zwar das Land nicht reich, aber es herrscht doch Wohlstand, und es gibt sehr viele reiche Fa- mihen. Ein sehr bedeutender Faktor, der das Defizit aufbringen mag, ist die Verwendung von Schansi-Leuten außerhalb der Provinz. Die Famüien bleiben hier, die abwesenden Mitglieder kehren alle 5 oder 10 Jahre zurück und bringen ihre Ersparnisse mit.
Schansi gibt allen andern Provinzen geistige Arbeitslu-aft und verzehrt deren Geld, abgesehen von den großen Unternehmern. Diese gruppieren sich nach Ortschaften: so soll Taikuhsien die Bankiers für das ganze Land liefern und daher von sehr reichen Leuten be- wohnt sein. Sintschöu liefert das Kontingent der Kaufleute fiir den fernen Westen bis Ili. Selbst jetzt wird trotz der mohammedanischen Unruhen Handel dorthin getrieben. Die Winterstümie im Schamo, 3 Tagereisen lang, sollen das schrecklichste sein, was der Mensch erleben kann, und zuweilen Mensch und Tier fortblasen. Es mag übrigens der Rückgang des westlichen Geschäfts sein, was jetzt die Hi-Leute nach derMongolei treibt. Auch den Kwei hwa tschöng-Handcl
Allgemeines über Schansi. 175
haben Schansi-Leute in der Hand. — Ich kaufte heute Hwanghö-Fische in Eis (etwa 240 Cash pro kin) ; sie kommen ausschließlich von Pau- tötschöu. Auch diese Tatsache spricht dafür, daß die näheren Teile des Fhisses nur schwer zugänglich sind.
Die Unterhaltung geht noch immer schwach. Statt Pater Gre- gorio ist jetzt ein anderer junger Pater hier, ein civis Romauus, der nicht Französisch spricht. Der Vikar ist ein prächtiger Herr, aber leichtgläubig sind sie alle. Heute wurde der Aberglaube der Chinesen verdammt und unmittelbar darauf erzählt, daß in einem hiesigen Tempel ein Blatt Papier, das man auflege, sich von selbst mit den Gedanken beschreibt, die man hat. Die Erklärung war einfach: der Teufel schreibt die Charaktere. An den Teufel, besonders an Besessen- sein, glauben auch die belgischen Missionare.
Es wurde heute mit den chinesischen Missionaren die Frage ver- handelt, wo Confucius sei, und ganz klar demonstriert, daß er, da er außerhalb der Kirchengemeinschaft gewesen sei, sicher in der Hölle wohne. Die chinesischen Priester können etwas Achtung vor ihrem Heiligen nicht verhehlen, so sehr sie sich in acht nehmen; aber der Beweis war ebenso kurz als sonnenhell, daß seine Schriften nichts taugen könnten, da er nicht an Gott geglaubt habe. Man sieht, die Franziskaner von heute sind nicht um ein Jota weiter als die vor 200 Jahren. Zur Ehre des Vikars muß ich sagen, daß er sich an solchen Diskussionen nicht beteihgt. Priester Mong, der durch und durch witzig ist, auch von Philosophie, Geschichte usw. etwas weiß, eine Spur von Urteil über allgemeine Angelegenheiten hat, auch etwas Violine, Flöte, Klarinette und Harmonium spielt, hat offenbar einen geheimen chinesischen und einen öffentlichen europäischen Stand- punkt und denkt sich, daß noch nicht alles über die Chinesen gesagt ist, wenn man das Urteil dahin zusammenfaßt: sie sind Heiden.
Ich vollendete in diesen Tagen die Vorbereitung für die Reise 13./14. De nach Singanfu. Die Entfernung beträgt 1300 h, und für Packmaultiere wurden 18 — 20 Taels gefordert; ich konnte nicht unter 14 Taels her- unter handeln. Dieser Preis steht ganz außer Verhältnis zu dem.
176 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
den ich auf der Strecke von Tatung nach Taiyuen gezahlt habe, aber es besteht eine Übereinkunft zwischen den Trägem, nicht unter diesen Preis herabzugehen, um das schlechte Geschäft während des nassen Sommers auszugleichen. Der ganze Handel hatte gestockt, und die Waren hatten sich angesammelt, so daß die Leute auch für diese hohen Preise reichliche Beschäftigung finden. Ich habe sclüießlich durch einen Christen einen Wagen mit drei Maultieren für das Gepäck (1000 catties) zu 52 Taels für die ganze Entfernung und zu liberalen Bedingungen für Rasttage usw. gemietet.
Ferner machte ich einen Gang durch die Stadt in Begleitung des chinesischen Pater Mong, eines prächtigen, den Europäern ergebenen Mannes. Die Stadt ist ausgedehnt und erstreckt sich ungefähr 8 11 von N nach S und 5 li von W nach O. Die Straßen sind breit und eben, aber ohne imposante Häuser, mit Ausnahme eines großen Tempels am Nord-Tor der Stadt und des Yamen für den Futai*). Der Eindruck ist der einer Stadt mit mäßigem Geschäftsverkehr. Das Volk beträgt sich ruhiger und anständiger, als ich es sonst in irgend einer andern chinesischen Stadt angetroffen habe ; obgleich die Leute hier keines- wegs daran gewöhnt sind, Fremde zu sehen — die letzten ausländischen Besucher waren vor zwei Jahren zwei mit Büchern handelnde Missio- nare und Graf Rochechouart mit seinem Gefolge zur selben Zeit — , benahm sich die Bevölkerung sehr gut. Niemals wurde ich beschimpft, sogar nicht verfolgt, w'enn ich mich in den Läden aufhielt, wie dies selbst in Schanghai und Peking noch andauernd geschieht. Es gibt hier eine Sti-aße mit großen Bankhäusern und einer ganzen Anzahl hübsch aussehender Läden, die sich um kleine Tempel gruppieren und in denen allerlei Kleinigkeiten zu kaufen waren.
Ich ging in einige Kuriositäten- Geschäfte hinein und machte mehrere Einkäufe; die Sachen waren wenig billiger als in Peking. Schansi ist die Gegend der Altertümer, besonders für Bronzen. Die größten Geschäfte dafür sind in Taikuhsien, Tschang lantschöiin und
*) s. Band I, S. 389.
Chinesische Altertümer. 177
Kiai siu hsien, aus denen die Pekinger Handlungen ihre Ware beziehen. Die Läden in Taiyuen werden als unbedeutend neben denen dieser Städte bezeichnet. Alte Bronzen werden fortwährend in den Provin- zen ausgegraben und auf diese Märkte gebracht. Ebenso würden die Kenner von altem Porzellan hier voraussichtlich eine gute Ernte in allerhand Kleinigkeiten halten. Ich kaufte auch drei Bilderbücher: zwei davon mit Illustrationen des Lebens verschiedener Stämme der Miautsze*), mit schön geschriebenem Text; der dritte Band enthielt Landschaften in altem, nichtchinesischem Stil, in kühnem Strich und in musterhafter Ausführung. Auch dies gibt einen weiteren Beweis, daß die Japaner auch diese Art der Landschaftsmalerei, die ich ge- wöhnt war, als ihre Erfindung zu betrachten, von den Chinesen gelernt haben.
Die katholische Mission in Schansi hat L'jOOO Christen, die durch 26 italienische Priester versorgt werden, welche von ihrer Societä per la propagazione della fede nm- 10000 Franken pro Jahr erhalten, also weniger als der unterste „clerk" in Schanghai! Und doch haben sie eine Kirche gebaut, — sogar eine große Kirche — , und die Mission macht in ihren „exterieurs" einen sehr würdigen Eindruck.
Leider ist noch ein Mißton in das angenehme, gastfi'eundschaft- 15. Dezember, liehe Verhältnis getreten. Ich hatte freie Wohnung in der Mission und zeigte mich dadurch, daß ich den Priestern materielles Wohlleben zu verschaffen suchte, nach Kräften erkenntlich, so gut es die Fasten- regeln erlaubten, wobei ich die besten meiner Reiseprovisionen in nur allzu liberaler Weise angriff. Heute kam ein Geschenk des Vikars in Gestalt eines Kuchens. Ich vermutete sofort eine „chinesische" Be- deutung dieser Gabe, und so war es auch. Als ich nämlich dem Vikar als Gegengeschenk eine schöne und kostbare Glocke schenkte — das Beste, was ich hatte, und eigentlich nur für Mandarinen bestimmt — , zeigte mir der Dank, daß er etwas anderes erwartet hatte, und in etwas plumper Weise wm'de es vorgebracht, daß ein „Almosen" gewünscht
*) s. Band I S. 399.
Richthofen, TagetScher, n. Baod. 12
278 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singaufu.
werde, nicht ein bescheidenes, sondern eines, das der servilen Haltung entsprochen hätte, die die ganze Hausgesellschaft in den letzten Tagen angenommen hatte. Dieser Schlußakt mit dem Pferdefuß unter der Franziskanerkutto verdirbt Eindruck imd Erinnerung. Wie anders war dieser Abschied als der von den mongolischen Missionen! Oft und wiederholt wurde versichert, was gegeben werde, sei zwar „non mul- tum'', aber es komme „ex corde" ; aber die Gabe eines Franziskaners ist wie die eines Chinesen! IG. Dezember. Der Aufbruch war langwierig, wie gewöhnlich nach einem länge-
ren Aufenthalt. Erst hatte ich Schwierigkeit, meine Fuhrleute zubewe- gen, für eine Zugabe von 2000 cash statt der großen Straße über Ki- hsien, Süköuhsien, Kiaisinhsien und Singschihsien, die mir zum Teil schon bekannt war, die gleichlange, aber schlechtere Sti-aße über Fönn- tschöufu zu nehmen. Dann wurde das Gepäck genau nachgewogen — ich habe 995 catties — , und nachmittags zwei Uhr war endlich alles aufgepackt. Der Vikar erhielt sein Trinkgeld, das er „ex corde" annahm. Ich erwarte aber von ihm noch einen tüchtigen „squeeze" durch eine Kiste mit Steinen, die ich nach Tientsin adressiert habe. Er schickt übermorgen eine Ladung Wein nach Tschöngtingfu und versprach, die Kiste „ex corde" mitzuschicken.
Der Vikar und Pater Mong begleiteten mich in eleganten Man- darin-Tragsesseln bis vor das Südwest-Tor; von da war es noch 20 li bis zu dem Dorf Nanyangtsun, meiner heutigen Nachtstation. Der Fönn- hö wird auf Winterbrücken überschritten. Der Weg führt dann durch eine Anzahl von Dörfern. Die westliche Kette (Sischan) bildet den Abfall eines Plateaus; ihre Gipfel steigen in beinahe ununterbrochener gerader Linie ungefähr 600 m über das Tal auf Aus der Entfernung gleicht der Abfall einer geraden Mauer, die sanft und allmählich in das Tal übergeht; aber je näher man heran kommt, desto mehr löst sich die Kette in einzelne Grate und Vorsprüngo auf, die dui'ch tiefe Einschnitte getrennt sind, in denen die Zuflüsse des Fönnhö herab- kommen. Im Sommer muß dies eine anmutige Landschaft sein; jetzt ist aOes mit Schnee bedockt. Der Löß ist ein bedeutendes Element
Verschiedene Industrien. 179
im Bau der Hügel, aber die tiefen Schluchten sind wahrscheinlich bis in den darunter anstehenden Fels eingeschnitten, da aus allen Schluchten Kohle herabgebracht wird. Kleine Minen sollen überall längs des Ab- hangs auf der Vorderseite der Berge zerstreut liegen, aber es scheinen keine großen Minen vorhanden zu sein.
Wangföng schan, wo früher Eisen und Kupfer bearbeitet wurde, liefert jetzt nur noch Schwefel. Eisen ist in Fülle vorhanden, aber es ■vvurde hier nie gutes Eisen gemacht, vielleicht wegen des Heizma- terials. Der Platz liegt 60 li westUch von Taiyuenfu in einer tiefen Schlucht. Alles Eisen, das hier herum gebraucht wird, kommt als Guß- eisen aus Yü hsien und als Schmiedeeisen von Lu ngan fu. Nachträglich habe ich erfahren, daß Schwerter, Kanonen, Speere und andere Waffen doch noch immer in Menge in der Stadt Taiyuenfu gemacht werden, die auch noch als eine Art von Regierungs-Arsenal gilt. Es gibt hier auch Pulvermülilen innerhalb der Stadt, von denen eine vor kiu-zem aufflog.
Heute ging es auf der Straße nach Fönntschöufu am rechten 17. Dezember. Ufer des Fönn hö weiter fort. 10 li hinter Tai yuen hsien liegt der an- sehnhche, durch bedeutenden Handel ausgezeichnete Ort Tsingsz'- tschönn am Fuß des Gebirges ; er ist durch seine außerordentlich starken Quellen bekannt, welche sofort Mühlen treiben. Hier gibt es daher auch Reisland, -das einzige in der Gegend. Aus dem Reisstroh wird mit dem guten Wasser Papier gemacht: ganze Gehänge sind in cemen- tierte, nach Süd exponierte Wände verwandelt, die in Terrassen an- steigen und zum Trocknen des Papiers dienen. Schon nördlich davon ist viel Obstbau; nach Süden tritt man dann in ein ungemein fruchtbares und wohlangebautes Land ein, dessen Mittelpunkt der ummauerte große Markt TsingjTien ist. Jedes Feld hat hier Brunnen, und alles Land kann bewässert werden ; daher werden auch zwei Ernten erzielt. Der vorherrschende Fruchtbaum ist Zizyphus: seine Früchte bilden einen erheblichen Handelsartikel; femer werden Wein, Pfirsiche, Bir- nen, gute Äpfel und Nüsse gewonnen. Ich habe noch kaum eine Gegend in China gesehen, wo alle Dörfern ein so wohlhäbiges Ansehen haben :
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180 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
die Häuser sind massiv, in gutem, solidem Stil gebaut, meist ganz ohne Fenster nach der Straße zu. Auch Kau pai ist ein großer Ort dieser Art; ich wollte dort bleiben, aber die Wirtshäuser waren doch so or- bärmlich, die Bevölkerung so dick und unangenehm, daß wir weiter- gingen. In Yi wo fanden wir endhcli mit großer Mühe und nm- durch offene Gewalt ein Unterkommen. Dies ist oben keine Verkehrssti-aße ; nur Kohlen und Getreide fahren in Masse darauf, und mit diesen Wagen sind die Wirtshöfe überfüllt und alle Kangs von den Fuhi-leuten ein- genommen. Nur derbe Behandlung machte den Wirt gefügig.
Es gilt als ein Zeichen des Wohlstandes, wenn die Dörfer in die Breite wachsen. Hier ist diese Entwickelung weit vorherrschend, wenn man die Breite als quer zur Straße gerichtet annimmt. Jedes Dorf wird von einem rechtwinkligen Netz fahrbarer Straßen durch- schnitten. Kaufläden und^Wirtschaften gibt es wenig, fast nur Wohn- häuser.
Der Tag war schön und heiter wie die vorhergehenden. Noch 18. Dezember, immer ist die Gegend voll von Dörfern mit guten, massiven Häusern. Die größten sind wie ein 10 m hoher fensterloser Kasten mit verziertem starkemPortal an der Vorderseite. Daran schließt sich ein Hof mit drei Hausfronten. Auf dem rückwärtigen Gebäude erhebt sich oft ein turm- artiger Auf bau, der von weitem den Dörfern ein stattliches Ansehen gibt. Auf den Kastenwänden zieht sich eine creneUierte oder durchbrochene, verzierte Rampe hin. MancheMieser Häuser haben etwas Kastellartiges. In jedemDorf stehen mehrere große starke Torgebäude, die aber immer dem ganzen Dorf gehören, nie zu einzelnen großen Häusern. Das demokratische Prinzip ist stets gewahrt: jedes Dorf ist eine Gemeinde von prinzipiell gleichberechtigten Bürgern. Eine distinguierte Stellung unter den Gebäuden nehmen nur die Tempel ein, deren bei jedem Dorf mindestens einer steht, oft mehrere; eine ganze Anzalil sind außerdem an den Berggehängen und in Schluchten zerstreut. Man sieht auch viele Witwen-Monumente und schöne Grabmäler. Alles macht einen stattlichen Eindruck und hat das Gepräge individueller WohUiäbigkoit. Aber um wieviel anmutiger, gemütlicher und sciiöncr
Wohlhäbige Dörfer. 181
sind die japanischen Dörfer, wo jedes Haus seinen wohlgepflegten Garten hat, ja das ganze Dorf zuweilen eine Parkanlage ist, trotz des aristokratischen Geistes, dessen man sich dort stets bewußt ist.
Kiautschönghsien liegt 2 km vom Fuß des Gebirges ab: ein stattliches hsien mit 12 m hohen, in gutem Stand gehaltenen Mauern. Die Straße führt nicht hindurch, sondern nur unter den Mauern hin ; es herrscht aber auch in den Vorstädten viel Leben. 25 li weiter setzten wir über den Schahö, einen wassen-eichen, breiten Strom, der das Gebirge in einer engen Schlucht verläßt. Dort hinauf ging viel Ver- kehr; auch bringen Packesel und Kamele Kohlen herab von Gruben, die sich 20 — 70 li von der Brücke aus erstrecken. Die Kohle ist nicht so gut wie die weiter nördlich gewonnene : weniger fest, auch von ge- ringerem Glanz. Man bringt auch viel Koks von geringer unreiner Beschaffenheit herab.
Der Weg fuhrt nun vom Gebirge ab, mitten hinein in die große li). Dezember. Bucht von Fönntschöufu. Halbwegs von dieser Stadt war eine über- schwemmte, jetzt mit Eis bedeckte Ebene, die ganz von Salzlauge- werken umgeben war; man gewinnt hier in der schon früher beschriebe- nen Art*) ein lehmbraunes Steinsalz. Fönntschöufu ist ein großer Ort. Die mit großen guterhaltenen Mauern umgebene Beamten- und Militär- stadt bleibt rechts vom Wege liegen; daran schließt sich die Kaufmanns- stadt mit alten, halbverfallenen Mauern. Es herrscht hier viel Handel ; yangpu**) nimmt in diesem Tal überall eine hervorragende Stellung ein. Die Stadt Siaui hsien ist jetzt ganz von eisbedeckten Ebenen umschlossen und nur- auf Umwegen zu erreichen. In dieser Gegend fallen reiche, gutausgeführte Dachverzierungen von grün und gelb glasiertem Ton auf. An den Häusern beginnt vielfach der Kryptenstil mit Kreuzgewölbe und Bogenfront. Wir trafen auch viele Exemplare der gestern beschriebenen Kastenbauart mit Türmen in imposantem Stil. Der Baustil erscheint auf Verteidigung berechnet und gut dafiir
*) s. Band I, S. 519. **) Europäische Textilwaren.
182 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
geeignet : die Einschnitte in den oberen Mauerrändern sind Schieß- scharten. Tempeln begegneten wir auch heute in Menge, darunter waren manche recht hübsch, mit vielen Zieraten und wohlerhalten.
20. Dezember. Bei der Brücke Yi tangkiau erreichte ich meinen alten Weg vom
Mai 1870 und damit wieder Kohlenformation und Löß und darin die wunderlichsten Lößdörfer. Überall ist Kohlenbergbau, imd die Brücke und Straße sind schwarz von Kohlenstaub ; es findet auch ein leb- hafter Kohlenti-ansport statt.
21. Dezember. Die Kohlenformation im Liegenden, die mächtige Entwicklung
des Löß, dessen wunderbares landschaftliches Gepräge, die eigen- tümlichen Lößdörfer, die hier die höchste Vollendung erreichen, die belebte Straße, der Anblick des prachtvollen Hö schan-Gebirges — alles dies machte die heutige Tour ungemein anziehend, und ich be- daure nur, zu einem eingehenden Studium dieser Gegend keine Zeit zu haben. Besonders wünschte ich, eine Anzahl gut ausgeführter Aquarelle von Lößlandschaften mitnehmen zu können. Auch für Photographie bietet sich in der originellen Architektur und der An- lage der Dörfer ein reiches Material, aber keine Lößlandschaft wäre vollkommen wiederzugeben ohne das rotgelbe Kolorit. Mit diesen wechseln hier die grün, grau, rot und ^^olett gebänderten Durcli-
p..^ schnitte der Überkohlenschichten.*)
; Bei Lingschi ist das merkwüi-digsto aller Lößdörfer**), das alle
Eigentümlichkeiten derselben am eindrücklichsten aufweist. Beson- ders muß jedem Vorübergehenden ein terrassenförmig aufsteigendes Bauwerk auffallen, das aus mehreren Bogenreihen besteht. Da.s Ganze ist nur eine Front an einer Lößwand, sämtliche Räume sind im Löß ausgehöhlt, und über jede Bogenreiho spannt sich ein breiter durch- brochener Fries. Von den vielen Bauwerken dieser Art ist dies das auf- fälligste. Außerdem sind viele Krypten mitKreuzgewölbe und die eigen- tümlichen plumpen niederen Bogenreihen an den Lößwändou, welche
*) So hat Richthofen den Komplex der über den kohleführenden Schichten lagernden Gesteinen (namentlich Sandsteinen) gegeben. **) s. Band I S. 534.
Das merkwürdigste Lößdorf. 183
ihnen als Fronten dienen, bemerkenswert. Eine andere Eigentümlich- keit liegt in der Niveauverschiedenheit der Gebäude : einige befinden sich unten an der Sti-aße, andere hoch oben über den Lößwänden, andere kleben an diesen selbst in allen Höhen, in den unzugänglichsten Lagen, an unregelmäßigen Vorsprüngen, an Terrassen — kurz, so unregelmäßig zerstreut, wie dies nur in Lößschluchten überhaupt möglich ist.
Auf der Paßhöhe fülirt die Straße lange in vielen Windungen ziemlich eben dahin. Es ist dies ungefähr die Höhe des Lößplateaus, die in einer labyrinthischen Verzweigung von Graten ziemlich gewahrt ist. Diese Grate trennen Lößschluchten, die oben mit tiefen senkrechten Rissen beginnen und sich mit terrassierten Gehängen verbreitern. Zu- weilen ist nur Raum für die Straße ; dann wieder erweitert sich der Grat, und andere Schluchten dringen in ihm hinauf. Es wäre eine der schwierigsten Examensaufgaben für einen Ingenieur, einen kleinen Teil dieses Lößgebietes graphisch darzustellen. — -*
Mit dem Hansinling beginnt sichtlich ein wärmeres Klima: der 22. Dezember. Schnee ist fast ganz verschwunden. Besonders aber zeigt es sich in der Allgemeinheit der Winterfrucht. Nördlich davon war sie selbst im Talboden nur stellenweise zu finden; aber schon am Paß sind die Lößfelder bis hoch hinauf mit Weizen besät, und er ist von dort bis hierher auf Löß und Alluvium vorwaltend. Da Weizen aber nur als Winterfrucht gebaut wird, so wird eine große Menge nach dem Norden exportiert. Wir begegneten gestern in 1 '/j Stunden 520 Eseln mit Weizenmehl und Weizenkörnern; jeder trägt 100 — löO kin, im Durch- schnitt 120. Dies ergibt zu 15 Arbeitsstunden etwa 200 Tonnen auf den Tag. Heute war der Transport noch bedeutender. Der Ausgangs- punkt des Handels ist Hungtunghsien, wo das Mehl auf zahlreichen Wassermühlen gemahlen wird.
Nächst diesem Artikel nimmt Tabak den ersten Platz ein, ich konnte aber noch nicht erfahren, woher er kommt. Ich traf heute einen Zug von 95 Kamelen, die mit je etwa 400 catties Tabak beladen waren, und das ist vielleicht nur ein Fünftel von allem Tabak, der
184 Die letzte große Reise. 1. Von Pekiug nacli Singanfu.
heute mit Wagen, Maultieren und Kamelen auf meiner Straße transpor- tiert wurde. Ein großer Teil geht direkt durch nach Kwei hwa tschöng. Ferner ist Baumwolle bemerkenswert, aber sehr wenig gewebtes Gut. Noch vieles andere kommt von Süden herauf, aber fast alle Lasttiere kehren leer von Norden zurück. Nur die Wagen sind beladen, meist mit Assortimenten von Gütern aus Hwo lu, die für die kleinen Kauf leute an zahllosen Orten bestimmt sind. Yangpu nimmt dabei natürlich eine Stelle ein, aber keineswegs eine sehr bemerkenswerte. — Es wird auf der Straße sehr viel gereist : der gegenwärtige Verkehr würde wahr- scheinlich für eine Eisenbahn hinreichen. Soldaten sieht man jetzt wenige; sie sind gefürchtete Gäste, da sie nehmen und nicht be- zahlen. 23. Dezember. Wir eilten heute im Fönn hö-Tal hinab. Leider war die Aussicht
so trübe, daß ich die sehr oberflächliche Aufnahme vom vorigen Jahr nicht verv^ollständigen konnte. Hungtung ist eine mittelgroße, durch Transithandel ziemlich lebhafte Stadt. Ihr eigener Handel bezieht sich besonders auf Weizen und Weizenmehl. Alle die großen Trans- porte nach dem Norden nehmen hier, wie schon erwähnt, ihren Ausgang.
Pingyangfu hat große schöne Mauern, aber sie umschHeßen eine zerstörte Stadt; auch ist sie nicht so groß, wie ich geglaubt hatte. Wir wollten hier bleiben, fanden aber die Wirtshäuser so schlecht und die neugierige Volksmenge, obgleich ganz gutmütig, doch so zahlreich und lästig, daß wir gezwungen waren, weiter zu gehen. Ich konnte nicht einmal in die Läden gehen, um Antiken zu kaufen. Eine Menge Soldaten von Hunan und Kwangsi kamen nach dem Wirtshaus und suchten mit uns auf guten Fuß zu kommen. Die Offiziere saßen die ganze Zeit bei uns, hatten übrigens nicht die geringste Gewalt über die erregte Volksmenge. Jedes ilirer Kommandos zum Rück- zug erregte nur Heiterkeit. Eine andere Militär-Episode war weniger angenehm gewesen. Ich begegnete einem militärischen Wagonzug, der von etwa einem Dutzend Soldaten eskortiert wurde. Als der Führer uns sah, ritt er sofort zurück und benachrichtigte die andern; dann zogen
Bodenkultur und Handel. 185
sie au uns vorbei : der erste die gespannte Pistole auf uns gerichtet die übrigen mit ihren Waffen bereit. Dies kam ganz unerwartet. Die Soldaten in Pingyangfu erklärten es damit, daß jene Furcht vor einem Angriff von unserer Seite gehabt hätten.
Bei Hungtung wird etwas Reis gebaut; die sonstigen Feldfi'üchte sind: Weizen, Kauhang, zwei Arten von Hirse, Baumwolle, mehrere Arten von Bohnen, Erbsen, Tabak und etwas Hanf, keine Gerste. Das Verbot gegen die Opiumkultur*) wird alljährlich wiederholt. Die Erlaubnis, es zu umgehen, kostet 400 Cash pro möu außer den regel- mäßigen Abgaben. Die Leute ziehen es vor, diese Abgabe nicht zu zahlen. Salz kommt von Lutsun (Kiaitschöu) und kostet hier 30 Cash pro kin, dort niu- 13 Cash; es ist Eegierungsmonopol, und die Lizenz zum Verkauf kostet 3000 — 4000 Taels im Jalii-. Das bei Pingyangfu gewonnene Salz heißt „Salpetersalz".
Unter den Handelsartikeln nach dem Norden spielt Tabak eine sehr bedeutende Rolle ; auch heute kamen große Massen desselben auf der Straße vorüber. Außerdem begegnete ich sehr großen Mengen von rotem (spanischem) Pfeffer, vielen Wagenladungen mit Tischler- leim, ferner Pottasche (von Wönnsihsien), Tee (bricktea **) , Baum- wolle und Papier aus dieser Gegend. AUes geht nach dem Norden. Ich fragte, was denn von dort bezogen ■vvürde, und bekam zur Antwort : „nichts" ; alles wird in Silber gezahlt. Es soU übrigens in Schansi 16 Familien geben, die über 1 Million Taels besitzen, noch reichere bei Singanfu.
Ich machte heute nur eine kurze Reise, da ich nach 40 li einen 24. Dezember, guten Platz fand, um den Weihnachtsabend stiU und ohne neugierige Menschenmenge zu feiern. Die Wirtshäuser meiner Station bilden eine isolierte Gruppe, und ich fand darunter ein recht gutes. Aller- dings ist es auch hier schwer, nur auf einen Augenblick zu vergessen, daß man in China ist, und sich ganz in die Heimat zu versetzen : denn es fehlt jeglicher Anklang an diese. Ich suchte das Raffinierteste aus
*) s. Band I, S. 566. **) s. 0. S. 153.
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meinen VoiTäten heraus, um wenigstens in kulinarischer Hinsicht eine Erinnerung an die zivilisierte Welt zu haben. Welch glorreiche Freude, welch tiefe Trauer werden heute um die Weihnachtsbäume in der schönen Heimat herrschen! Mir ist dies nur noch ein Traum! Hier gibt es weder Freude noch Trauer: solche Gefühle kennt man in diesem Lande nicht. Nichts um mich als das Weben und Treiben um Geld, nichts für mich als die täglichen Sorgen und Genüsse einer wissenschaftlich sein woUeudon Reise! —
26. Dezember. Wönn si hsien hat sehr elegante Tore, Tempelchen und andere
Bauwerke, auch eine große Steinbrücke über den hier vorüberfließen- den So schui. Auch die Straße ist reich an monumentalen Bauwerken, besonders Witwen-Denkmälern, die hieraus Kalkstein besonders schön, zierlich und geschmackvoll aufgebaut sind. Das Land ist fruchtbar : flacher, regenerierter Lößbodeu, der größtenteils bewässert werden kann. Hier gibt es das beste Brot, das ich in China gefunden habe, aber nur in dieser Stadt, ein wenig außerhalb ist es sofort wieder ungenießbar. Der Löß ist in dieser Gegend außerordentlich reich an Landschnecken.
27. Dezember. Ich verließ bei Sui töu tschönn die Hauptstraße, um nach dem
berühmten Salzort Lutsun zu gehen. Alles ist Löß, teils in Rücken, teils in breiten Terrassen augeordnet. Man glaubt zuweilen, sich auf ebenem Boden zu befinden, steigt aber dann durch den Einschnitt tiefer hinab und sieht deutlich, daß es nur eine Lößverebenung ist. Zuerst geht es über eine kleine Anschwellung, welche das Tal des So schui hö südlich begleitet und begrenzt. Weiter nordösüich wird sie steiler und steiler, hier jedoch ist es eino breite flache, aber doch terrassicrte und durchfurchte Welle von kaum 15 ra Erhebung über dem Fluß. Dann geht es unmerklich abwärts, bis man in Nganyi hsien — 00 m unter Sui töu — angekommen ist. Die gradgestreckte Mulde des So schui liegt in etwas höherem Niveau als dicht daneben das Becken des Sees von Nganyi. Dies ist ein ganz charakteristisches Beispiel für die Wasserverteilung im Löß. Der Boden auf den breiten Lößvercbenun gen ist fruclitbar und ertragreich: es wii'd viel Baumwolle, Weizen,
Weibnacht 1871. 187
Tabak usw. gebaut. Dennoch haben diese Dörfer sämtHch ein ärm- liches Aussehen und sind nicht zahh-eich, in auffallendem Gegensatz zu dem viel weniger produktiven Taiyuen-Tal. Der Grund mag in der geringen Bewässerungsfähigkeit der hiesigen Felder liegen.
Das weite Lößland dehnt sich bis zu dem Fuß des Föngtiau schan aus : so heißt hier eine hohe, nach NW steil und ungefälu- gradlinig abfallende Gebirgskette, im 0, SO und S von hier gelegen, mit hohen und breiten Gipfeln, die etwa 1500 m über Nganyi anzusteigen schei- nen, während die Kammhöhe ungefähr die Hälfte beträgt. Sic scheint SW — NO zu streichen und führt in ihrer ganzen Länge denselben Namen ; sie setzt dann weiter gegen Westen fort, und die Sonne ging hinter fernen Bergen unter. Ein anderer Bergzug begrenzt das Tal im Norden, dessen Gipfel jedoch nur etwa 800 m anzusteigen scheinen.
Nganyi hsien ist eine groi3e Stadt und innerhalb ihrer Mauern ganz mit Häusern vollgestopft. Sie ist ungemein lebhaft : die Straßen waren, wie bei einem Wochenmarkt in einer schlesischon Kieinstadt, ganz voller Waren und Menschen. Dennoch passierten wir in lang- samem Schritt so ungestört wie kaum je zuvor in einer anderen volk- reichen Stadt. Nicht ein Mensch kam uns nach, ja nicht einmal die Geschäfte wm-den gestört ; es war, als ob niemand Zeit hätte, sich um uns zu kümmern, denn jodermann war mit Kaufen oder Verkaufen beschäftigt. Der Handel ist von allerlei Art: ich bemerkte besonders Holzwaren, Korbwaren, Stahlwaron (Messer usw.) und Hanf. Der See ist von hier aus nicht sichtbar ; er ist zwar nm* 2 — 3 li entfernt, aber es ist alles coupiertes Lößterrain: breite ebene Einschnitte, von senkrechten 5 m hohen Mauern begrenzt, über denen sich die obere Lößstufe ausdehnt. Die Einschnitte sind ganz unregelmäßig verzweigt, ihr Boden mit Feldern bedeckt, grade wie in der oberen Stufe.
Yüntschöng, besser bekannt unter dem Namen von Lutsun, einer kleinen Vorstadt am Nordtor, wo der Salzverkauf stattfindet, ist, obgleich weder ein hsien noch ein fu, doch eine große, mit Mauern umgebene Stadt und steht unter den Chinesen weithin im Ruf eines großen, lebhaften Handelsplatzes. Wir kamen bei Sonnenuntergang
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an und suchten uns ein Wirtshaus am Osttor, da der Packwagen noch unterwegs war und das Tor nicht hätte passieren können. Es war nur eins vorhanden, ein jämmerliches Lokal: ein großer Hof mit Lehm- gebäuden herum. Die Aufnahme wurde positiv verwelirt und nach einigem Weigern als Grund angegeben, daß kein Gastwirt ohne be- sondere Erlaubnis des Mandarin unbekannte Fremde aufnehmen dürfe. Zum Glück war das Tor noch offen. Es wurde dem Mandarin Anzeige gemacht, und sofort erschien ein Abgesandter desselben, der für uns sorgte. Ein Dutzend Leute wurden aus einem Zimmer aus- quartiert, und wir zogen ein. Seitdom werden wir anständig behandelt, soweit es die Umstände erlauben; denn „anständig" kann man in diesen Fuhrmannsherbergen wohl eigentlich nichts nennen. Das Volk ist offenbar scheu und wird unter strenger Zucht gehalten ; es hat gar keine Mühe gemacht, die Leute aus dem Wirtshaus auszutreiben. In polizeilicher Hinsicht scheint es hier ähnlich zuzugchen wie in King- tö tschönn *j, mit dem dieser Ort sich überhaupt vergleichen läßt. Die Salzkontrolle ist außerordentlich streng. Der Käufer zahlt das Geld auf dem Yamen, erhält eine Ordre und erhebt darauf in den Magazinen die gewünschte Quantität Salz. Dafür wird ihm ein Paß gegeben, den er als Ausweis für sein Salz bei sich tragen muß. Quantitäten von 1 — 2 Pfund kann jeder bei sich haben; jede größere Quantität ohne Paß wird als Defraudation betrachtet und streng bestraft. Der höchste Salzbeamte ist ein Tautai; unter ihm stehen viele Unterbeamte. Die Eegiei-ung verkauft hier das Salz für 20 Cash pro Kin = 1500 Cash oder 1,25 Dollars pro 100 Pfund.
In diesem Teil von Schansi trägt fast jedermann eine Waffe, ge- wöhnlich ein kurzes Schwert, „um Frieden zu halten" ! In China herrscht betreffs der Erlaubnis, Waffen zu tragen, überhaupt die größte Liberalität; vielleicht wird gerade doshalb so wenig Gebrauch davon gemacht.
Der hiesige Salzsee heißt hier Yen tschi, so auch auf den chine- sischen Karten. Er soll 60 li lang und 10 li breit sein.
*) s. Band I, S. 303 ff.
Salzgewinnung im Großen. 1 §9
Zunächst ging ich durch die Stadt Yüntschöng; obgleich es noch 28. Dezember, früher Morgen war, war der Ort doch schon belebt. Die Mauern haben etwa 5 li im Geviert, und die ganze Fläche wird von Gebäuden ein- genommen. Die Stadt liegt noch 3 li vom Yentschi entfernt, den ich nun aufsuchte. Bei der Stadt ist alles Ebene. Man vermutet natürlich die Wasserfläche in einer kleinen Einsenkung der Ebene zu finden; ich war daher nicht wenig verwundert, noch 100 m nach dem be- rühmten Salzsee hinabsteigen zu müssen. Hier hat man einen merk- würdigen Anblick : ein langgestrecktes abflußloses Becken wird durch den Föngtiau schau, der in langer steiler Böschung nach dem Becken abfäUt, im Süden, nach den anderen Seiten von sanft, im Norden ter- rassenförmig aufsteigendes Gelände begrenzt. Das Becken ist un- gefähr 1 0 11 breit und 60 li lang und erstreckt sich am Fuß des Gebirges entlang. Zunächst dem letzteren ist eine schmale Wasserfläche, der eigentliche See; der Rest ist eine nach dem Nord-, West- und Osti-and etwas ansteigende Fläche, die ganz von Salzwerken eingenommen wird. Aus dem Seewasser wird kein Salz gemacht, da dasselbe nur ganz wenig davon enthält. Um Salzwasser zu bekommen, gräbt man ein trichter- förmiges Loch von ungefähr 2 — 3 m Tiefe mit einer oberen Weite von 15 — 20 m aus. Eine konzentrierte Lauge sammelt sich im Boden, den sie 1 '/a — 2 '/a m hoch bedeckt. An einer Steüe ist eine Treppe von kleinen Reservoirs gemacht. Das Wasser wird nun mit Schwingeimern von einem zum andern gehoben und fließt vom obersten durch Gräben nach Teichen, wo die Sonne das Weitere tut. Auf jedem Grundstück wird jedes Jahr ein neues Wasserloch gegraben. Jetzt war man ge- rade mit dieser Arbeit beschäftigt. Die ganze Fläche ist mit Haufen und Häufchen, Wasserlöchern und Teichen bedeckt und muß in ge- schäftigerer Jahreszeit ein lebhaftes Bild bieten. Sie ist unter unge- fälir 150 Grundbesitzer bezw. Gewerkschaften geteilt; auf jedem Grundstück werden jährlich 20 — ^80 ming k 30000 catties produziert. Ein Durchschnitt von 50 würde als jährlichen Ertrag 7500 ming oder 3000000 Zentner ergeben. Dies ist alles, was ich bezüglich der Quantität ermitteln konnte; genauere Zahlen kann man nm- auf dem
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Salzamt selbst erfahren. Der Vci-kaufspreis ist 350 Taels pro ming. Man kauft direkt von den Gewerken; diese zahlen 180 Taels pro ming Abgaben an das Sakamt, außerdem noch einige kleinere Beträge für gewisse Zwecke.
Mit diesem Salz wird der größte Teil des Bedarfs der Provinzen Schansi, Schensi, Kansu und Höuan gedeckt. Das Vorkommen ist in vieler Hinsicht merkwürdig: erst auf der Oberfläche die tiefe Ein- senkung entlang dem Gebirgsabfall, dann die Lößumgebung, ferner der Boden selbst. Bei dem Ausgraben der Löcher erweist sich der Boden als ein schwarzblauer, nach Schwefelwasserstoff riechender, mit kleinen Gipskrystallen erfüllter zäher Salzton. Leider fehlt es ganz an Bohrungen; davon hat man hier keine Idee. Die tiefsten Löcher sollen 10 — 12 m tief sein. Man gibt zu, daß ein Brunnen von größerer Tiefe zu vorteilhafteren Resultaten führen könnte, meint aber, ihn nicht graben zu können, da zu viel Wasser einkommen und die Wände zusammenstürzen würden. Hier wäre ein geeigneter Ort für eine Tief- bohrung, da die Annahme des Vorhandenseins eines Salzkörpers viel Wahrscheinlichkeit hat. Der Löß ist zweifellos eine jüngere Bildung als der Salzsee. Auch er ist in der nächsten Umgebung mit Salz er- füllt, und zwar in dünnen horizontalen Lagen. Die Defraudation soll ungeheuer sein: man unterscheidet ganz allgemein „Kwan-Sälz"*) und „Schmuggelsalz". Letzteres ist natürlich weit billiger, aber es steht Prügelstrafe auf die Entdeckung. Der Tagelohn ist 90 Cash und Kost (1 Tael etwa 1800 Cash).
Kiaitschöu (allgemein Hai tschau gesprochen) liegt kaum 3 km vom Fuß des Föng tiau schan, wo der Grund sich aus dem westlichen Ende des Salzbeckcns ein wenig erhebt. Es ist eine noch größere Stadt als Yüntschöng, mit langen Vorstädten. Heute ging es hier un- gemein lebhaft zu, und wir mußten hindurcheilon, um nicht in der Menschenmenge stecken zu bleiben. Hier fielen mir zum ersten Male einige größere Läden mit importierten Baumwollzeugen auf; außer-
*) Regierungs-Salz.
Ein Obstparadies. 191
dem standen viele Eisenwaren zum Verkauf, und es herrschte ein leb- hafter Kleinhandel.
Die nächsten 40 li fuhrt die Straße am Fuß des Föngtiauschan hin durch einen kontinuierlichen Obstgarten. Unter den Obstbäumen ist Weizen gesät. Die Früchte sind: Birnen, Äpfel, Pflaumen, Kaki und Zizyphus ; die Bäume sind von mittlerer Größe. Außerdem gibt es viele Eschen und Weiden und zum ersten Mal hier im Norden Stillingia. Dieser Gürtel von Obstbäumen ist 5 — 6 li breit und nimmt das Schuttland am Fuß des Gebirges ein. Yüsianghsien, wo wir über- nachteten, ist eine kleine tote Stadt. Die Unterkunft war so scidecht, wie sie jetzt überall ist. Der Wirt ist ein Junge von 11 Jahren, dessen Vater gestorben ist! Frühe Geschäftsreife, die ihn in wunderbarem Grade auszeichnet, ist eine Eigenschaft der Chinesen.
Die nördliche Vorlage des Föngtiauschan besteht zunächst aus 29. Dezember, einem Gürtel ebenen Landes, der bei Kiaitschöu und Yüsiang wahr- scheinlich etwa 30 — 40 li breit ist, aber gegen W schmaler wird, bis er östlich von Sz'paki nur noch 8 li breit ist und in der Gegend von Hanyangtschönn ganz verschwindet; jenseits ist er von Lößbe- grenzt. In diesem ganzen Gürtel habe ich keinen größeren Bach ge- sehen. Die Wasser vom Gebirge scheinen Steine herabzubringen, sich auszubreiten und sich zu verlieren. Ein Teil des Grundes kann durch Brunnen bewässert werden, ein anderer ist niedrig und stets mit Wasser bedeckt. Die chinesische Karte gibt einen gi'ößeren See nordwestlich von Kiaitschöu an; ich habe ihn nicht sehen können, wohl aber jene Wasserlöcher, um die sich unfruchtbarer und unange- bauter, salziger Boden ausdehnt. Die ganze Strecke am Fuß des Gebirges von Kiaitschöu bis Hanyang, über 100 li, muß als ein unter- brochener Obstgarten bezeichnet werden; die Breite scheint stellen- weise sogar 10 li zu betragen. Die Dörfer sind darin sehr zalüreich.
Bei Sz'pa steht eine ISstöckige Pagode auf der Lößhöhe. Von hier hat man einen Blick weit hinein nach Schensi. Der Hwanghö zieht ohne Krümmungen von Norden herab. Sein rechtes Ufer ist eine steile Lößmauer, die, westlich von Pu tschöu verschwindend, ström-
192 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Siuganfu.
aufwärts allmählich an Höhe zunimmt. Das linke Ufer ist eine Alluvial- ebene, in der Putschöu fu liegt, umgeben von reichen, durch Brunnen bewässerten Feldern und dicht gesäten Dörfern. Zunächst dem Fluß ist ein breiter Strich wenig fruchtbaren Landes, das salzhaltig sein soll, und darüber hinaus nach Westen ist der Blick unbegrenzt: nur Ebene, die allmählich nach Norden ansteigt. Früher war dort eine dichte Bevölkerung, noch dichter als um Putschöu fu, aber die Re- bellen haben sie dünn gemacht, da die Leute keine Berge hatten, in denen sie Schutz suchen konnten. — Im Süden erhebt sich der Hwa- schan mit den bizarrsten Protillinien, die man sehen kann, südöstlich der Föngtiau schan, der sich allmählich nach dem Tung kwan hinab- senkt. 30. Dezember. Heute wurde bei kaltem klarem Wetter der Hwanghö übersetzt.
Das Tungkwan ist nicht die Felsenge, die ich vermutet hatte, sondern eine Lößenge. Zu beiden Seiten fallen die Lößwände in das Flußtal ab, so daß nicht einmal für eine Straße Raum ist, im Norden fast senkrecht 60 m, im Süden in Terrassen schnell bis etwa 250 m an- steigend. Au der Südseite des Föngtiauschau dacht sich der Löß breit nach dem Fluß ab und gibt hier Raum für die verschiedeneu hsien's, die am Fluß liegen. Die Sti-aße führt über den Löß. um den Fluß zu eiToichen, an dem einige Häuser mit einer Zollstation stehen. Der Fluß ist hier nicht mehr als 800 m breit. Es war eben schwerer Grundeisgang; vor einigen Tagen konnte mau überhaupt nicht hin- über. — Wagen und Tiere wurden nun auf ein flaches Boot gesetzt, dieses fuhr weit stromab an das jenseitige Ufer und mußte dort -wieder stromaufwärts nach der Festung gezogen werden. Trotz der geringen Breite ist der Fluß voll Untiefen und Bänke. Die Stromgeschwindig- keit schwankt an verschiedenen Stellen zwischen 1 '/z und 5 km in der Stunde. Alles ging gut ab: die Fahrzeit war zwei Stunden, und ich zahlte 500 Cash für die Überfahrt.
Tungkwanting ist eine Festung, die jetzt mit vier Regimentern z-u je 500 Mann belegt ist. Sie zieht sieh an der Lößterrasse hinauf: die erste Stufe ist 15m hoch, und auf dieser steht an der Wasserü-out eine
Die Festung Tungkwan am Hwanghö. 193
vortrefflich gebaute mächtige Mauer von 3 li Länge; die anderen Mauern sind nur zum Teil sichtbar. In 0 und W sind zwei große Tore, die schönsten Exemplare, die ich in China gesehen habe : wirk- Hch imposante Bauwerke. Wir wurden wiederholt angehalten, auch wurde meine Karte abverlangt ; wir kamen aber ganz gut durch. Im 7. chinesischen Monat war hier Meuterei gewesen, da die Soldaten ihre Zahlung nicht bekommen hatten : sie stürmten Banken und Läden und brachten viele Menschen um. Zur Strafe wurden 18 Soldaten geköpft — sämtlich Hönan-Leute. Jetzt ist alles ruhig. Die Stadt ist nicht leb- haft, ^viewohl sie eine der mehligsten Passageplätze in China und so- wohl militärisch wie merkantilisch der Schlüssel zum Nordwesten des Reiches ist. Von Tungkwan fuhrt eine breite, belebte Straße auf einer 15 m hohen breiten Terrasse am Rande der südlich darüber ansteigen- den Lößhügel nach Westen. Diese Terrasse ist eine alte See-Aus- fuUung; auf ihr liegt eine Menge kleiner Dörfer, jetzt jedes mit hohen Mauern umgeben. Diese Gegend soU vor drei Jahren von den Rebellen veiTvüstet worden sein, doch merkt man davon jetzt nichts mehr.
Wir erreichten Hwayinmiau noch bei heilem Tage. Eine dichte Menschenmenge folgte uns, so daß wir noch einen langen Spazierritt machten und erst in der Dunkelheit zurückkamen. Mit Mühe fanden wir Aufnahme in einem Wirtshaus. Es ist klar, daß hier dieselbe un- ausstehliche Neugier herrscht wie inHönan, und wii" anticipieren schon Leiden von allerlei Art. Heute waren wir vielen Soldaten begegnet, auch einigen höheren Offizieren; diese waren von der größten Höf- lichkeit. Sie sind von Singanfu abgesandt worden, um General Tsau- tajin*) am Tungkwan zu empfangen. Hwayinmiau ist ein befestigter Tempel, neben dem sich ein Markt etabHert hat. Südlich davon erhebt sich das Hwa schan, ein wahrhaft imposantes Gebirge. Die Umrisse wetteifern an Kühnheit mit den Dolomiten von Südtirol; sie werden durch senkrechte Wände und Risse bestimmt, die sich abwärts zu den steilsten, wildesten Felsschluchten mit scharfen, eckigen Graten da-
*) Über Tajin s. Band I, S. 248. Kicbthofen, Tagebücher, II. Band. 13
194 Die letzte große Eeise. 1. Von Peking nach Singanfu.
zwischen entwickeln. Den höchsten Felsgipfel schätze ich auf 1000 m über dem Tal. Hoch oben sieht man einen bewaldeten Kessel, dort steht ein Tempel; andere Tempel sind in den Schluchten versteckt. Der Hwa schan ist einer der fünf heUigon Berge von China. 31. Dezember. Wir besuchten den Tempel Hwayin heute morgen. Er ist mit
Festungsmauern umgeben, auf der zierliche Türmchen stehen; vorn er- heben sich mächtige Tore und vor diesen rechtwinklig zur Frontmauer zwei kolossale buntbemalte Holzportale mit großem Dachgerüst. Innen sind mehrere Höfe ; in dem ersten stehen Denktafoln auf Schildkröten unter grauen Dächern, wahrscheinlich Denksteine von Kaisern. Es ist nur ein Haupttempel vorhanden. Außen zieht sich eine rote Säulen- reihe herum, die das komplizierte, gespreizte, buntbemalte Dachgerüst trägt; dann folgt auf drei Seiten eine Ziegelmauer ohne Fenster. Die Front besteht aus hohen Gittertürmen. Das Innere hat eine einfache weiße Decke, die in Kraniclifelder geteilt ist und von roten Säulen getragen wh-d. Vor dem schweren Hauptaltar steht ein prächtiger großer, aus braunem Holz geschnitzter Tisch. Auf diesem und an- deren Tischen davor sind einige wenige große Opfergefäße und mäch- tige rote Kerzen aufgestellt. Am Hauptaltar ist nichts als eine weiße Tafel mit Insclu^ift. In dem ganzen Tempel steht nicht ein einziges Götzenbild, auch kein Buddha. Drachen und Schlangen sind vielfach zu Zieraten, Schildki'öten zu Sockeln benutzt. Walirscheinlich ist dieser Tempel eben so alt wie die Heiligsprechung des Hwa schan und stammt aus einer vorbuddhistischen Zeit. Die Rebellen hatten ihn ganz zerstört, aber er ist durch kaiserhche Mimifizenz wieder auf- gebaut worden und macht der modernen Baukunst der Chinesen alle Elire.
Die Straße führt auf der Terrasse weiter fort ; diese reicht nun vöUig bis zum Fuß des Hwa schan, aus dessen Schluchten Bäche ganz klaren Wassers herabkommen und über sandige Betten dem Weihö zufließen. Stellenweise sind große Stoinmassen vom Gebirge herab- geführt ; der Damm dazwischen ist wieder mit Sand ausgefüllt, die Oberfläche mit Gras und Strauchgruppon bewachsen. Hier wimmelt
Eintritt in die Provinz Schensi. 195
es von Fasanen. Das Land ist noch stark bevölkert: Dörfer und Städte sind zwar verwüstet, aber die Leute waren nur in die Berge geflüchtet und haben später ihre Häuser meist wieder aufgebaut; bei dem billigen Material (Lehm) ist das schnell geschehen. Die Leute haben hier eine höchst unangenehme, zum Ärger reizende Neugier und erschweren recht unnütz das Reisen. Besonders bei einem Tempel, wo eine Art Kirmeß war und das Landvolk zu einer Gruppe bunter Kramläden zusammenströmte, waren die Leute unangenehm. Wir begegneten vielen Soldaten und Wagenzügen mit Artillerie-Material : Geschützen, Lafetten, Munition, auch mehreren Wagen mit Silber. Die Soldaten behandelten uns anständig.
Die Felder sind von mäßiger Fruchtbarkeit. Es ist etwas Eigenes um diese See-Ausfüllungen: die von Tatung fu, von Sintschöu, von Taiyuenfu, von Pingyangfu, von Kiai tschöu sind sämdich salzhaltig — so auch diese: auf allen Feldern wittern Salze aus. Das Material, aus dem die Terrasse besteht, ist vorzugsweise Lehm mit dichtgedräng- tenLagen vonMergelknoUen. Allenthalben sieht man stehendes Wasser, das zum Teil zu Rohrpflanzungen benutzt wird. Am Gebirgsabhang ziehen sich Bambuspflanzungen hin, walirscheinhch zur Verwertung des Sandes und des klaren Wassers. Die Obstzucht ist bedeutend, besonders in Kaki, die man jetzt 3 Stück für 1 Cash kauft, im Sep- tember, der Erntezeit, sogar 5 für 1 Cash. Auf den Feldern steht jetzt Weizen ; es wird auch viel Tabak und Baimiwolle gebaut, an den Gebirgsbächen auch Reis. Heute sah ich zum erstenmal weiße Reiher in Menge, auch den ersten Wiedehopf. Aufi'allend sind die Massen von schwarzen Raben, deren Zahl sich vielleicht durch die vielen menschlichen Leichen so vermehrt hat; eine zweite Art hat einen weißen Ring um den Hals.
Hwatschöu ist eine Stadt ohne Häuser. In der weitläufigen Lehmmauer sieht man nur Ruinen und Felder. Bei der Wieder- ansiedelung haben die Leute es vorgezogen, die Gefängnismauer zu vermeiden; am West-Tor ist daher ein lebhafter Marktort entstanden. Hier wimmelte es von Soldaten und von Menschen überhaupt. Wir
13*
196 I^ie letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
gingen hindurch, um noch 30 li weiter zu reiten. Unterwegs trafen wir wieder Soldaten, die uns erzähken, daß sie unter einem fremden Offizier, Pitajin, stünden, der morgen früh en route für Tientsin nach Hwatschöu kommen würde. Ich kehrte daher sofort um und bekam mit Hilfe der Soldaten Kaum in einem Wirtshaus. Sie hielten mir den Platz von neugierigem Volk rein, und ich schrieb eifrigst Briefe, um sie dem Pitajin morgen mitzugeben. Der Sylvesterabond wurde mit Punsch gefeiert. Die Umgebung war nicht glänzend : ein Zimmer in einem Wirtshaus ist hier ein Raum von 7 Fuß Rauminhalt: 4X7 Fuß gehen nämlich auf den Kang, SX^ Fuß sind Raum zum Stehen. Diese Sorte von Räumen, nur zuweilen mit zwei Kang's statt einem, scheint jetzt die Regel zu werden. An Heizen ist nicht zu denken, und es ist schwer, die Temperatur über 0° zu erhalten. So beschloß ich das Jahr 1871. —
Hwatschöu Ich ritt eben aus diesem Ort westwärts heraus, um meinen Tages-
( rov. c ensij^jjj. ^^^ ^^j^ deutschen Meilen zu voUendon, da begegneten mir
Sylvester- abend 1871. mehrere Soldaten, die mir erzälilten, daß ein Fremder, der sechs
Aus einem Jahre in chinesischen Kriegsdiensten in der Provinz Kansu gewesen ist und es bis zum General gebracht hat, morgen früli auf dem Woge nach Tientsin hier durchkommen wird. Da ich ihn bei Nacht ver- fehlen würde, kehrte ich sofort um und benutze nun den Abend, um mehrere Briefe zu schreiben.
Die Reise nimmt bis jetzt den allerbesten Verlauf. Anfangs war es noch sehr kalt, besonders auf einer Tour über den Wutaischan, ein 3000 m hohes Gebirge, in dem ich im Dezember einen 2700 m hohen Paß überstieg. Er ist einer der Heiligen Berge Chinas, und in seinen Schluchten sind 3G0 Tempel zerstreut. Mehrere davon sind Lama-Tempel mit Klöstern, die zu den heiligsten Wallfahrtsorten der Mongolen gehören. Es war gerade Wallfalirtszoit, und eine Menge reisender Mongolen war eben dort. Sie geben den Klöstern große Geschenke, oft mehrere 1000 Taler; mir wurde ein ähnliches „Al- mosen" zugemutet. An den Mongolen könnten sich die Wallfahrer in
Eltern.
Rückblick. 197
anderen Gegenden ein Muster nehmen : ein reicher Mongole kommt mit Hunderten von Kamelen. Die Reise hin und zurück dauert Monate und kostet ihn viel Geld und Entbehrungen : die Wallfahrt ist im Winter, dann sind die Bergpfade durch Eis fast ungangbar. Es ist jammervoll zu sehen, unter welchen unsäglichen Beschwerden die von der Natur für ebene Wege bestimmten Kamele über die steilen Bergpfade geführt werden; viele verunglücken dabei. Bei solchen Wallfahrten mag man wohl in den Beschwerden und Opfern ein Ver- dienst iinden! —
Durch Gegenden von großem Interesse ging es fort, nach Tai- yuenfu. Dort kam ich in ein so schlechtes Wirtshaus, daß ich die angebotene Gastfreundschaft der Franziskaner annahm. Sie sind Italiener; wir sprachen ein Gemisch von Lateinisch und Chinesisch. Ich blieb dort eine Woche in gutem Quartier und fühlte mich selir zufrieden. Aber obgleich ich während der Zeit für Kost und Küche der Mission sorgte, die Herren also unentgeltlich meine Gäste waren, und ob- gleich ich auch mein Quartier mit großen Trinkgeldern melirmals über- bezahlte, verdarben die Herren doch scldießlich jede gute Erinnerung. Franziskaner können einmal das Betteln nicht lassen, und so be- nutzten sie auch diese ganz unpassende Gelegenheit, um von mir, der noch so große Reisen voi'hatte und natürlich nur das Notwendigste bei sich trägt, ein „Almosen" zu erflehen. Es wurden dabei mindestens 50 Taler erwartet. Vorstellungen nutzten nichts. Ein „Almosen" zahlte ich zwar nicht, aber doch ein Trinkgeld, um bei den Franzis- kanern nicht mehr zu wohnen. Dieser Vorfall stellt natürlich die liebenswürdige Gastfreundschaft der belgischen Missionare doppelt hoch.
Von Taiyuen fu wollte ich eigentlich westwärts über den Hwang- hö nach der Provinz Schensi gehen; aber diese Provinz und Kansu haben harte Schicksale gehabt. Seit ungefähr 10 Jahren ist hier eine mohammedanische Rebellion. Die Rebellen haben die Dörfer zer- stört und sehr viele Menschen umgebracht. In Kansu ist noch immer Krieg gegen sie, und häufig ziehen noch wilde Banden von ihnen nach
198 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
Schensi hinein. Jeder Verkehr von Schansi herüber hat daher auf- gehört, ausgenommen auf der großen Hauptstraße, die von Tai}'uenfu südlich über die große Biegung des Gelben Flusses nach Si ngan fu führt. Nach irgend einer andern Richtung zu gehen, war unmögUch, da ich keine Packtiei-e hätte mieten können.
Die große Straße bietet nicht viel Interesse, da sie zum Teil diu-ch ein Gebiet fülirt, das ich vom vorigen Jahr her kannte. Sie über- setzt den Gelben Fluß am Paß Tungkwan. Dies ist eine Enge, durch die aller Verkehr nach dem nordwestlichen China gehen muß ; man hat daher hier eine Festung gebaut. Die Passage war mir etwas be- denklich erschienen. Die chinesischen Soldaten sind eine unter Um- ständen gutmütige, unter andern Umständen sehr rohe Bande. Mis- sionare klagen stets über die Behandlung; ich selbst hatte bisher auch keine überangenehmen Erfalirungen mit ihnen gemacht. Nun aber betrat ich ein Gebiet, wo es von Soldaten wimmelte und große Vor- sicht geboten war. Zu meiner angenehmen Enttäuschung finde ich von ihrer Seite respektvollste Behandlung. Ich verdanke dies teils den vielen fremden Waffen, die sie in Kansu gegen die Rebellen ver- wenden, teUs den wenigen Europäern, die als Offiziere gegen dieselben dienen. Daß ich diesen Brief schreiben kann, verdanke ich gleich- falls den Soldaten, da sie mir das Haus von neugierigen Leuten frei- halten; diese Plage hat seit gestern abgenommen. In Schansi sind die Leute vernünftig, und der Reisende hat dort Ruhe ; hier in Schensi aber ist es gerade wieder so schlecht damit bestellt wie im vorigen Jahr in Hönan.
Das Wetter war bis jetzt gut. Es fiel einige Male Schnee, aber nur 1 — 2 Zoll; nach einigen Tagen ist er stets verschwunden, wenig- stens wo die Sonne scheint. Die Kälte ist zuweilen groß und selir empfindlich, da ich seit einigen Tagen die Gegend heizbarer Lokale verlassen habe. Man muß hier in elenden Räumen wohnen. Der Raum, in dem ich schreibe, ist ein kleines Zimmer zwischen rohen Lehmwänden ; auch der Fußboden ist Lehm, das Dach luftig. Decke und Fenster sind nicht vorhanden, die Tür schließt nicht. So ist os
Unruhige Neujahrsnacht. 199
täglich. Da meist die Temperatur nicht über 0° Grad steigt, oft aber recht erheblich darunter fäUt, so könnt Ihr Euch denken, daß man sieh nicht immer behaglich fiililt.
Die Neujahrsnacht verging nicht ruhig. Eine Menge Soldaten l.Jau. 1872. kamen an. Schon um 3 Uhr früh und noch mehrere Male nachher kamen welche an meine Tür und polterten daran mit dem kurzen Befehl : kai ! *), der in Ärger und Zorn mehrmals wiederholt wurde. Wenn sie erfahren hatten, wer darin war, zogen sie freilich ab, aber angenehm war dies periodische Poltern nicht. Ich bekam nun einen Begriff von der Art, wie hier der Soldat den ruhigen Bürger behandelt, der natür- lich öffnen muß und hinausgetrieben wird. Morgens machte sich ein aufdringlicher Offizier niederen Grades sehr bemerkbar, der sich damit bei uns einschmeicheln woUte, daß er den Wirt, uns besuchende Kaufleute und das Volk öfters mit einer dicken Lederknute traktierte.
Ich war kaum angezogen, als Pitajiu ankam: in seidenem chi- nesischem Costüm mit roter Pelzkappe und rotem Flügelkragen, kaum von einem Chinesen zu unterscheiden. Er entpuppte sich als ein Franzose namens Pinel, ehemals französischer Unteroffizier, jetzt General mit dem Titto**) (Nr. 1) -Knopf Wir sprachen einige Worte, und er versprach, zum Cafe wieder zu kommen, zog sich aber in sein Quartier zurück, das inmitten des ZelÜagers seiner Soldaten liegt, und bÜeb dort, da er den Mandarin des tschöu erwartete. Er machte aber auch für mich einen Raum zurecht, da er glaubte, ich würde einen Tag bei ihm bleiben.
Wir schickten um 11 UIu" den Wagen voraus und ritten zu Pinel. Kaum waren -ndr zum Hause heraus, so fanden wir, daß soeben ein 10 läufiger Lefaucheux-Revolver aus meinem Holfter gestohlen worden war. Unser Verdacht fiel auf die Soldaten, die den Revolver gesehen hatten, und besonders auf den niederen Offizier, der sich so bemerk- bar gemacht hatte. Ich erzählte Pinel den Vorfall, ohne den Verdacht
*) „Mach auf!" **) So im Tagebuch geschrieben: titu ist in China der Kommandeur der Pro- vinzialtnippen.
200 Die letzte große Keise. 1. Von Peking nach Singanfu.
ZU erwähnen; auch er vermutete sofort, daß die Soldaten den Dieb- stahl begangen hätten. Einige von diesen wohnton in meinem Wirts- haus. Splingaert ging zu dem Offizier, der sie kommandierte und eben- falls den Titto-Knopf trug. Dieser hatte so wenig Zweifel, daß die Soldaten die Übeltäter wären, daß er sofort seinen eigenen Revolver (auch Lefaucheux) als Ersatz gab und strengste Untersuchung versprach. Der Dieb sollte uns den Revolver selbst unter Bewachung nachtragen, nachher sollte er den Kopf verlieren ; nichts vormochte die Sentenz zu mildern. Der aufdringliche niedere Offizier begann mich zu dauern : er hatte die Miene eines entdeckten Verbrechers.
Pinel, ein Mann voll Feuer und Energie, spricht vorzüghch chi- nesisch, trägt einen Zopf, ißt chinesische Kost, hat chinesische Familie und hat schon unter Gordon gefochten; er folgte dann Li hung tschang, der ihm eine Batterie fremder Geschütze gab. Er war mit Li auch in Wu tschang fu und ging dann mit ihm nach Schensi, als Li zum Kom- mandeur der Truppen in Schensi und Kansu bestimmt wurde. Dann, nach der Affäre vonTientsin, wurde Li nach Tientsin berufen. Er über- ließ nun den Oberbefehl an Liukungpau, den Pinel für einen fähigen Offizier hält, und „borgte" ihm 22 Regimenter Infanterie, Kavallerie und Artillerie. Pinel blieb zurück als Kommandeur von 800 mit alten englischen Musketen bewaffneten Soldaten nebst acht Geschützen. Seine Station war Paukihsien, wo er die Grenze von Schensi zu be- wachen hatte. Es scheint überhaupt, daß Li's Truppen nur ziu- Be- wachung der Grenze von Schensi benutzt wurden, denn Li komman- dierte nur hier, und in Kansu kommandiert noch immer Tsokungpau. Dieser soll viele „Schlachten" und große Munitions- und Waffenvor- räte an die Rebellen verloren haben und hat seine eigenen Truppen. Sobald Li's Truppen kamen, zogen sich die Robollen zurück und sollen nie gewagt haben, ihnen den Kampf anzubieten. Die jetzigen Hauptplätze der Rebellen sind Hötschöu und Ninghiafu. Küi-zlich sollen sie einen sehr wichtigen Platz an die Kaiserlichen verloren haben: Tsintsipu an der Großen Mauer am rechten Ufer des Ilwanghö, etwas östlich von Ninghia (Angaben von Pinel). Die Straße nach
Lihungtschan und andere Generäle. 201
Lan tschöu fu ist frei, aber voll von Tso kung pau's Soldaten, die angeb- lich ein Eäuberleben führen. Das Land ist entblößt von Bewohnern, ohne Ackerbau, die Dörfer zerstört, so daß es schwer ist zu reisen; auch sollen in den Sclilupfwinkeln des Löß vielfach Reste von Rebellen zerstreut sein: eine Art Desperados, die auf Plünderung ausgehen und mit dem Mord leichte Sache machen. Nur hinter Lautschöufu sind die Rebellen noch unumschränkte Meister der Lage. Es scheint da- nach, daß sie mit dem Verlust von Tsintsipu immerhin über den Hwanghö zurückgedrängt sind. Den letzten Vorstoß nach Schensi, in die Gegend von Paukihsien, machten sie in diesem Jalu-e (1871), zogen sich aber zurück, als die Soldaten sich näherten.
Jetzt tritt ein Wechsel ein: der Oberbefehl ist von Lihung- tschang genommen worden, und ein andrer General, Tsau*), über- nimmt den Oberbefehl in Schensi und Kansu; Liu zieht damit alle seine „geborgten" Truppen zurück. Pinel erfuhr hier, daß Tsau ihn mit seiner Batterie zu behalten wünschte und über sechs Regimenter setzen wollte; da Li jedoch die Zustimmung versagte, habe Tsau sich an den Kaiser gewandt. Noch während wir sprachen, wurde Tsauta- jin, von Osten kommend, angemeldet, und als wir Hwatschöu ver- ließen, kam von Westen her ganz unerwartet auch Liutajin, der noch längere Zeit in Singanfu bleiben sollte, uns entgegen : in großem Staat, von Ulanen eskortiert, im stolzen Gefühl seiner Würde. Ich hätte gern das Rencontre mit angesehen, da ich beide Generäle hätte kennen lernen können, aber mein Wagen war weit voraus, und ich konnte ihn nicht im Stich lassen. Man fürchtet, daß mit dem Wechsel der Truppen die Rebellen wieder Mut bekommen und von neuem in Schensi einfallen werden. Pinel sagt, Liu habe die Ordre vom Kaiser bekommen, gegen die Russen bei Ili zu kämpfen, er habe sich aber geweigert. Daher vielleicht entstand das Gerücht unter den Soldaten, daß er in Peking den Kopf verlieren werde.
Die Dienstverhältnisse sind eigentümlich. DerKnopf gibt einen imaginären Rang, berechtigt aber für sich nicht zu einer gewissen
*) Der oben erwähnte „Tsautajin".
202 Die letzte große Keise. 1. Von Peking nach Singanfu.
Stellung. Manche mit dem ersten Knopf sind ohne Kommando, andere kommandieren nur ein Regiment, wieder andere sechs bis zwölf imd mehr. Jeder Offizier hat eine absolute Macht über seine Truppen und kann auch die Todesstrafe vorhängen, zu deren Vollstreckung nur Köpfen angewendet wird. Wer von Li's Truppen Opium raucht, ver- liert das erstemal ein Ohr, das zweitemal den Kopf. Desertion wird gleichfalls mit Köpfen besti-aft. Diese Strafe wird durch einen Kame- raden vollzogen, der dafür 500 Cash erhält. Dies ist die Klimax chinesischer Einrichtungen! Gericht wird gar nicht gehalten : der Kom- mandierende straft aus eigener Machtvollkommenheit. Bambusliiebe, bis G00(!), sind eine gewöhnliche Strafe. Tsokungpau hat einen Europäer in kaiserlichen Diensten köpfen lassen, weU er die Frau eines anderen Offiziers geküßt hatte.
Um 2 Uhr verließ ich Hwatschöu. Ich besuchte noch den Offizier, der mir den Revolver zum Ersatz gegeben hatte. Obgleich auch bereits Tajin, war er noch ein ganz junger Mensch: groß, hübsch und ganz militärisch. Inzwischen waren noch mehr Regimenter angekommen, und die Stadt war voll von Soldaten.
Die Straße führt auf der Terrasse fort. DerHwaschan zieht sich nun gegen SW und verliert sich in die Ferne ; seine Gipfel nehmen auch an Höhe zu und erheben sich mindestens 2.500 m über die Terrasse. Wo er nach SW abbiegt, schließt sich ihm eine etwa 300 m hohe Lößterrasse an, die sich der Straße immer mehr nähert und dann gegen den Wei hö *) vorspringt. Man übersieht das Land jenseits, das sehr allmähhch vom Fluß aus ansteigt und ganz mit Dörfern oder deren Ruinen bedeckt ist. Im Norden ist die Ebene unbegrenzt. Weinanhsien ist zerstört, aber an der Westseite sind lange lebhafte Vorstädte, die wieder von Militär wimmelten: meist Kavallerie in hübscher kornblumenblauer Tracht, aber eine schlechte Sorte von Menschen. Wir entzogen uns allen Unannehmlichkeiten durch schnelles
*) Der Wei hö ist der größte Nebenfluß des Hwanghö, der an der Grenze der tibetischen Gebirge in Kansu entspringt, ganz Sehens! durchfließt und nach 600 bis 650 km langem Lauf bei Tungkwan mündet.
Soldatenzüge. 203
Reiten, da wir die Leute überraschten ; ein ungeheurer Schwärm wogte uns nach, aber vor uns konnte sich kein Mob bilden. Wir ritten dann durch den Ort und erreichten das kleine zerstörte Dorf Liangtienpu, wo wir notdürftige Unterkunft fanden.
Der heutige Tag war heiter wie die vorigen, aber es ist nie recht 2. Januar. klar: die Atmosphäre ist stets „hazy". Morgens ist die Temperatur — 2° bis — 8» C, am Tage steigt sie auf — 1° bis +3°. Der verhält- nismäßig kälteste Teil des niederen Landes war das Hwanghö-Tal zwischen Putschoufu und Tungkwan : alles war dort noch mit Schnee bedeckt, auch die Niederung am Fluß, während bei Kiaitschöu der Schnee in der Ebene verschwunden war und westlich von Tungkwan nur noch selten welcher zu sehen ist.
Wir brachen spät auf. Schon vorher zog Tsautajin vorbei. Er hatte schon früher ein hohes Kommando in dieser Provinz gehabt und war nur von seinen damaligen Offizieren begleitet. Der Zug war nicht gerade imposant. Voran gingen 12 Lanzenträger zu Fuß; die Lanzen sind 5 Meter lang, von Bambus und daher leicht, und haben ein Fähnchen. Dann kamen Offiziere, dann der Tragstuhl mit Tsau darin, von 4 Männern getragen, nebst 8 schnurtragenden Soldaten; dann wieder Ofiiziere zu Pferde und das Pferd von Tsau; darauf ein Dutzend rumpehger Wagen mit Offizieren und Gepäck. Abgesehen von den Waffen war der ganze Aul^ug unmilitärisch. Die Offiziere trugen hohe Knöpfe. Einige haben ganz gute Manieren, aber ein militärisches Äußere hat keiner von ihnen. In dieser Beziehung sind sie sehr verschieden von den Japanern.
Die Straße bietet nichts Bemerkenswertes, außer daß nun das Terrain allmählich ansteigt. Am Wei hö sind hier und da steile Ufor- ränder. Mit der Herrschaft des Löß hört die Salzauswitterung auf, ebenso die stehenden Gewässer. Lößwohnungen sind häutig. Je weiter westlich, desto größer ist die Verwüstung durch die Rebellen': die Dörfer sind völlig zerstört, das Land selir dünn bewohnt; dennoch ist fast alles Feld bebaut, meist mit Weizen und Luzerne. Große Flächen zeigen die vorjährige Bestellung mit Baumwolle. Im Süden
204 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
zeigt sich wieder Gebirge von etwa 800 m Höhe mit gerundeten Formen ; hohes Lößland ist ihm vorgelagert.
Die Eebellion begann vor 10 Jahren. Damals wurde Schensi von Mohammedanern überschwemmt. Die Einfälle dauerten bis vor 2 Jahren fort. Viele Schlachten wurden von den Kaiserhchen ver- loren, eine bei dem Ort, wo ich heute übernachte, mehrere bei Hö- tschöu. Die Mohammedaner haben gute Pferde, sind tapfer, reiten und schießen gut, haben auch fremde Waffen, die teils von ihnen er- obert, teils von Tientsin aus ihnen geliefert worden sind. Sie sind auch gut beköstigt und flößen den Chinesen überhaupt Respekt ein. Zur Erntezeit machen sie die Hauptausfälle und sammeln Proviant. Die Gefangenen werden von ihnen gebunden und ins Feuer geworfen, während die Chinesen die ihren erschießen. Bei ihren Raubzügen machen die Mohammedaner alles nieder, auch Frauen und kleine Kinder. — Dies teilte mir einer von Tsau's Offizieren mit, der seit 10 Jahren in Schensi ist und sich mir anscliloß; er war bei Taku von den Engländern gefangen genommen und zu seinem Erstaunen frei- gegeben worden. Tsau blieb heute in Lintunghsien. Ich ging noch 10 li weiter nach diesem kleinen Wirtshausort Schill pu, wo ich aller- dings auch viel Soldatengesellschaft habe. 3. Januar Heute machte ich die letzte halbe Etappe nach dieser Stadt. Die
Singanfu. Entfernung von Tai\'uenfu ist 1445 U. Wir machten sie in 19 Tagen, darunter vier halben Tagereisen, im Sommer kann die Reise in 14 bis 15 Tagen gemacht werden; Marco Polo brauchte 21 Tage. Jetzt gibt es in der großen Biegung des Hwanghö drei Übergänge: Tung- kwan, Taikingkwan und Tschau ihsien, doch weiß ich nicht, ob nicht die zwei letzteren nur einen Übergang bilden.*) Über Tai king geht man von Putschoufu nach Tuugtschoufu; nach Singanfu sind es auf dieser Straße 60 li Umweg. Der Hwanghö ist dort breit und gut zu passieren; die Passage ist sehr wichtig. In der Festung Tai king und ihrer Umge- bung liegen 201iangtsze (ä 500 Mann) Soldaten zum Schutz von Schansi.
♦) was in der Tat der Fall ist.
Ankunft in Si ngan fu. 205
Die Luft war dick und nebelig, und man konnte kaum 1 li weit sehen. Erst geht es auf Löß fort, dann abwärts nach dem Paschui. Über diesen führt eine ganz aus Granitblöcken gebaute Brücke; sie ist durchweg oben und ruht auf ungefähr 70 Querreihen von Granit- säulen, die etwa je 3 '/2 m voneinander entfernt sind. Es ist ein Bau- werk aus alter Zeit und jetzt halb im Sand vergraben.
AUe Dörfer bis Singanfu sind ganz zerstört, ebenso die weit- läufigen Vorstädte am Ost-Tor, deren Umwallung nicht stark genug war. Die Hauptstraße ist wieder aufgebaut und lebhaft, besonders heute, daTsautajin einzog. Er hatte Schilipu in der Frühe passiert; wir folgten später, holten ihn aber bei der Stadt ein und sahen, wie er eskortiert wurde. Einige hundert Lanciers zu Fuß hatten ein Lager bezogen, ihn erwartet und begleiteten ihn nun in die Stadt; auch einige hohe Mandarinen kamen ihm entgegen.
Singanfu ist nach Peking die imposanteste Stadt, die ich in China gesehen habe. Der Stadtumfang ist 40 li. Die Mauern sind ebenso hoch wie die von Peking und prächtig erhalten ; das Ost-Tor ist so schön wie das von Tungkwan und mächtiger als irgend eins in Peking. Die Straßen sind gerade und ungemein belebt, die Kaufläden dicht gedrängt und nach flüchtigem Eindruck reich ausgestattet. Massen von Fasanen, auch Goldfasanen, von wilden Enten und Hasen, von den besten Gemüsen und Früchten (Orangen von Han tschung fu), von Zuckerwerk und phantastischen Gebacken bilden anziehende Gegenstände nach der Reise in einer ausgesogenen Gegend. Wir passierten eine ganze Straße von Trödelbuden, in denen manches Schöne von Bronzen zu sein schien — leider unerreichbar wegen der Menschenmenge. Obgleich es erst 9 Ulir morgens war, waren die Straßen doch voll von Menschen. Wir suchten ein Wirtshaus auf der Straße Mafangmönn, wo mehrere zusammenstehen. Sie waren sehr angefüllt, und wo Raum war, hatte man wenig Neigung, uns aufzu- nehmen. Ich mußte etwas gebieterisch auftreten, wozu das Mysteriöse meiner gleichzeitigen Ankunft mit Tsautajin mir viel half. Ich quar- tierte einige Leute aus und nahm Besitz von einem großen Man-
206 I^'6 letzte große Keise. 1. Von Peking nach Singan fu.
darinhaus mit hohem Empfangszimmer, großem Nebenzimmer und zwei Sclilafzimmern; die Wände waren geschnitzt und getäfelt, die Türen ebenso und sehr hoch. Dafür wurden 1000 Cash pro Tag ausgemacht. 4./5. Januar. Ich schickte gestern Splingaert auf die Mission. Es sind hier:
Bischof Chiais, der seit 40 Jahren in dieser Provinz lebt; ein zweiter Bischof, derkürzhch ausRom gekommen ist ; ein Pater Aloysius undzwei chinesische Priester. Die Zahl der Christen in der Stadt beträgt 400. Die größte Mission ist in Kaulinghsien, 70 li von hier, wo eine große Kirche und viele Christen sind. Die Mohammedaner haben die Kirche und die Häuser der Christen unberührt gelassen, auch diese nicht getötet. Auch in Vorder-Kansu sind einige Tausend Christen; ein Mis- sionar hat sie in diesem Jahr besucht : er brauchte 40 Tage bis Lan- tschöufu und ist noch nicht zurück, da die Straße noch zu gefälirlich ist. Vor der Rebellion fand ein bedeutender Handel mit Rußland durch die Pelu und mit Tui-kestan durch die Nanlu statt.*) Haupt- artikel waren Seide von Sutschöu, Tee von Hupe, Hunan usw., und Zucker. Singanfu ist der Stapelplatz dieser Waren. Fragt man hier nach Handelsverbindungen, so wird in erster Linie Sutschöu und Hang tschöu angegeben, dann erst Hau kou. Die Verbindung dorthin ist billig, da nm- 5 Tage Landroise, bis Lungkütschai, von dort ab Wasserstraße ist. Hier in Si ngan fu konzentriert sich in normaler Zeit der Handel von allen südösthchen Provinzen (einscliließlich Canton), von dem sehr produktiven Hantschungfu und von Sz'tschwan. Von hier verbreiten sich dann die Waren über Schensi und über den ganzen Westen : daher ist diese Stadt zu solcher Blüte gelangt. Sie soll über 1000000 Einwohner haben, darunter 50 000 Mohammedaner. Die Rob ollen, welche hier herum hausten, sind alle Schensi-Mohammedaner. Sie lagen von ungefähr 1865 bis 1867 um die Stadt herum und haben sich seitdem zurückgezogen; sie hatten keine Kanonen, sonst hätten sie die Stadt zerstört. Währeud dieser zwei Jahre stockte Handel und Verkehr. Es wurden Ausfälle in großen Scharen gemacht, um Prö-
*) Pelu und Nanlu sind die Nord- und Südstraße durch Inner-Asien.
Die EebeUion. 207
vision zu holen ; dennoch waren Nahrungsmittel in zu geringer Menge vorhanden, und viele Menschen starben vor Hunger. Auch Landleute hatten sich in die Stadt gedrängt, haben sie aber alle wieder verlassen. Die hiesigen Mohammedaner wurden immer in Schach gehalten, und noch jetzt dürfen sie die Stadt nicht verlassen. Hier sind sie sicher, draußen vogeLfrei.
Es scheint, daß die hiesige EebeUion vernachlässigt wurde, so- lange man mit den Taiping- und Nienfei-Rebellen zu tun hatte. Erst seitdem dort Ruhe ist, hat man hier mit Ernst losgelegt. Schensi ist nun frei ; der letzte feste Platz der Mohammedaner in dieser Provinz war Kin ki pu, 5 Tagereisen nordwestlich von hier — die genaue Lage kann ich nicht erfahren — ; er wurde vor kurzem genommen und damit sind die RebeUen nach Kansu zurückgedrängt. Die Kansu- Mohammedaner sollen mit denen von Schensi durchaus nicht ganz einig sein; dennoch haben sie sie auf der Flucht aufgenommen. Ich höre, daß auch Hö tschöu von den Kaiserhchen vor einiger Zeit ge- nommen worden ist : sie schössen die Mauern nieder und zogen in die Stadt ein, die Rebellen flohen in die Berge. Auch Ninghiafti ist jetzt in den Händen der Kaiserhchen, aber die Rebellen haben die Gebirge im Besitz.
Schensi ist nach allgemeiner Aussage eine außerordentlich frucht- bare Provinz. Die „Ebene" erstreckt sich von Tungkwan bis Föng- tsiangfu, 800 li, und obwohl sie nach Norden bald begrenzt ist, setzt doch das produktive Land auch dort noch Hunderte von H weit fort: denn das Nordgebirge ist „tuschan" (Erdgebirge), das Südgebirge „schischan" (Steingebirge). Das Erdgebirge aber ist Löß, der wahr- scheinHch auch im Norden erst alhnähHch ansteigt, um dann in Löß- hügelland überzugehen. Das ganze Land des Pe schau wü-d in nor- maler Zeit angebaut; in trockenen und sehr nassen Jahren ist die Ernte gering, aber, wenn mäßiger Regen fällt, sehr bedeutend. Im vorigen Jahr (1870) kostete 1 tou*) Mehl 1500 cash, dies Jahr 350 cash,
*) etwa 10 Liter; der chinesische Liter heißt scheng.
208 Die letzte proße Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
weil im vorigen Jahr Dürre herrschte, dieses Jahr aber sehr fruchtbar war. Die Regen waren nicht heftig oder lang andauernd wie in Tschili oder Nord-Schansi : schon in Süd-Schansi und am Tungkwan war die längste Dauer zwei bis drei Tage, und hier spricht man gar nicht melir von einem außergewöhnlich nassen, sondern nur von einem sehr frucht- baren Jahr. Trotz dieser Fruchtbarkeit hat aber Schensi fast gar keinen Export : nur Korn und Baumwolle gehn nach Schansi im Aus- tausch für Eisen und Kohle, anderer Exporthandel scheint kaum zu existieren. Aui3erdem ist nur noch Rhabarber von Bedeutung, der in den Bergen von Schensi gewonnen wird und bis nach Canton geht, auch einige andere Medizinen. Der Profit am Handel mit und durch Zentral- Asien muß also wohl zum großen Teil die Bilanzen ausgleichen. Die Provinz ist wesentlich ein Ackerbauland. Der Landmann hat genug, um gut zu leben, und die Städter kaufen dessen Produkte für das Geld, das sie im Transithandel und am Transport der Güter gewinnen.
Es ist mir auf dem ganzen Weg von Tungkwan her aiifgefallen, daß trotz der ganz dünn gewordenen Bevölkerung fast alles Land be- baut ist, und ich vermutete, daß Selbstdüngung eine Eigenschaft des Löß ist. So scheint es in der Tat zu sein. Obwohl viel Dünger besser sein soll als wenig, erhält man durch das ganze Jahr gute Ernten mit wenig Dünger, und selbst ohne Dünger sollen die Resultate ganz be- friedigend sein, sobald es nur regnet. Es ist das schon früher von mir vermutete kapülareAufsteigen mineralischer Bestandteile in Flüssig- keiten, die den Löß erfüllen, und wahrscheinlich auch seine Fähig- keit, in seiner porösen Masse gewisse Bestandteile aus der Atmosphäre zu absorbieren, was ihm diese Fruchtbarkeit nach vieltausendjähriger Ausnutzung erhalten mag. Schensi bis hinauf zum Ordos-Land ist wahi-schoiulich das ausgezeichnetste Lößland der Welt. Suchte man nach einer Provinzialfarbo, so könnte es nur Gelb sein, und hier scheint in der Tat „hwang" *) seine Bedeutung als Symbol der Erde und der Kaiser seinen hohen Titel „hwang ti" bekommen zu haben.
*) hwang = gelb.
Die große Flut in China. 209
Wenn man die hydrographischen Verhältnisse von Schensi über- blickt, so erhält man wohl einiges Licht über die große Flut zur Zeit des Kaisers Yau (2300 v. Chr.), der in Pingyangfa residierte; denn noch mehr als politisch und merkantilisch bUdet das Tungkwan hydro- graphisch die enge und einzige Ausgangspforte für ein weites Gebiet, und unmittelbar daran im Westen grenzt eine imgeheure Ebene. Wenn ein Damm 10 m über dem jetzigen Wasserspiegel quer gegen den Fluß gebaut würde, so würde eine große Strecke Landes mit zahl- reichen Städten und Dörfern überflutet werden; wahrscheinlich wüi-de der Fönn hö im Unterlauf stagnieren und auch an ihm die Über- schwemmung sich ausdehnen. Es würde also ein Teil von dem ge- schehen, was die Annalen beschreiben. Vieles spricht dafüi', daß eine solche BaiTiere damals wirklich gebildet worden ist.
Es ist zunächst klar, daß hier einst ein großer See war, in den die Gewässer von W und NW mündeten und in dem sie sich klärton, ehe sie ösdich abflössen. Dieser See existierte wahrscheinlich zur Lößbildungszeit, denn in den Absätzen ist regenerierter Löß ; aber er fing an, sich zui-ückzuziehen, lange ehe die Lößzeit zu Ende war, denn die Sedimente sind von Löß bedeckt. Ob dieser See zu jener Zeit existierte, als noch das Meer den Fuß der Gebirge von Hönan und Schansi bespülte und die Gebilde der Großen Ebene sich absetzten, und ob er vieUeicht durch die Höho des Meerwassers gebildet, ja selbst von Seewasser angefüllt war, oder ob er durch irgend einen Gebirgsverschluß gebildet wurde, vermag ich nicht zu entscheiden, da mir die Strecke von Tungkwan 500 li stromabwärts unbekannt ist. Genug: der See existierte und hat seine Spuren zurückgelassen. Daß dies weit in vorhistorischer Zeit zurückliegt, beweisen die hohen Löß- hügel, die sich über den Sedimenten erheben. Nachher bildete sich im Osten ein tiefer Ausweg für die Gewässer: der See wurde drainiert, wahrscheinlich durch ganz allmähliche Vertiefung des Flußbettes. In einer späteren Zeit — und dies mag in der Zeit des Kaisers Yau ge- wesen sein — wurden die Gewässer noch einmal zu einem See aufge- staut. WahrscheinKch war damals der ganze Seeboden und das Fluß-
ßichthofen, Tagebücher. H. Band. 14
210 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
bett am Tungkwan und unterhalb weit höher als jetzt, vielleicht iu einem Niveau mit der Torrasse, auf der die Straße führt und die bei Tungkwan durchsclinitten ist. Die Aufstauung konnte durch die Fort- setzung derselben Hebung bewu'kt werden, durch welche die große Ostebene allmählich gebildet und später die Wasser im Tungting- und Po yang-See aufgestaut wurden. Bezeichnet das Niveau der Sedimente wirklich das Niveau des damaligen Tales, so konnte ein geringer Mehi'- betrag der Hebung am Tungkwan die Überflutung einer sehr großen Landstrecke bewirken. Daß aber diese beiden Niveaus damals, und bis in weit spätere Zeit, zusammenfielen, wird durch die vergrabe- nen Monumente erwiesen. Daß eine Barriere sich durch lokale Hebung bilden konnte, wird wahrscheinlich, wenn es richtig ist, daß zu Zeiten große Erdbeben in Schensi vorkommen. Seitdem ein See auf den Sedimenten stand und die Monumente vergraben wurden, hat sich der Hwanghö allmählich seinen schmalen und tiefen Ausweg eingegraben, und mit der wachsenden Tiefe desselben vertiefte sich die Mulde von Tung tschöu fu innerhalb der alten See-Ablagerungen. Es bleibt also noch zu untersuchen, inwieweit Yü*) durch mensch- liche Arbeit die Drainierung befördern konnte. Der Schu king nennt die Sprengung des Lungmönn, und man hat ohne weiteres angenommen, daß dies das Lungmönn oberhalb der Mündung des Fönnhö ist. Es ist aber gar nicht einzusehen, wie irgend welche Arbeiten dort die Drainierung des Fönn hö-Tales und des Tales von Schensi veranlassen konnten. Es gibt so viele Lung mönn**), daß wohl ein anderer Platz damals diesen Namen geführt haben mag, vielleicht das Tung kwau selbst. Hier ganz besonders konnte vielfach durch Kunst die Drainie- rung des überschwemmton Gebietes bowii-kt worden. — Daß nach der Erzählung damals die Wasser des Hwanghö und des Yangtsze- kiang sich vermengten, hat mit diesem Teil der Arbeiten Yü's nichts zu tun. Wahrscheinlich geschah durch jene Hebung eine der Verrückun- gen im Laufe des Hwanghö von der Mündung bei Tientsin nach der in Kiangsu. Da konnte allerdings auch dort die furchtbarste Flut ver-
*) S.Band I, S. 432, 531. *♦) z. B. Band I, S. 45G. Lungmönn heißt „Drachentor".
Ursprung der Eebellion. 211
aulaßt werden ; aber der Schuking erwähnt nichts davon, wie dort eine Ableitung der Gewässer bewirkt wurde.
Nachmittags besuchte ich die Mission. Mgr. Chiais, ein lebhafter Greis, erzählte viel von der Rebellion. Nach seinen Angaben hatte die ganze nördliche mohammedanische Eebellion ihren Ursprung in kleinen Aufständen in Schensi, und zwar zuerst bei Hwatschöu im Jahre 1862. Die Mohammedaner waren stets sehr übermütig gewesen, besonders in Singanfu. Sie standen auf, ohne bestimmtes Ziel und ohne einheitliche Führung, nur mit dem Bestreben, sämtliche Heiden in der Provinz zu vertilgen und diese allein zu besitzen. Andere Orte folgten, die Aufständischen rotteten sich zusammen, aber immer ohne Oberhaupt. Später erst folgte die Provinz Kansu und dann der Westen. Er leugnet mit großer Bestimmtheit, daß die Initiative von Hötschöu und dem Westen ausgegangen sei. Die Christen waren stets sicher : damals wai- ■ — gerade an einem Sonntag — die Kirche in Kauling voll, und alles machte das Kreuzeszeichen. Manche Heiden retteten sich dadurch, aber nicht aUe, denn die Mohammedaner examinierten ihren christlichen Glauben, und wer ihn nicht konnte, wurde geköpft.
Im Jahre 1863 und 1864 kamen auch Tschang mau tsze*) von Lauhököu herüber. Sie wurden durch die Mission in Kauling gut empfangen und blieben einige Tage; sie töteten zwei Christen, machten aber sonst keinen Schaden. Sie soUen viel milder gewesen sein als die Mohammedaner, vielleicht nur, weil sie hier gering an Zahl waren, denn in Hantschungfu haben sie furchtbar verwüstet. Die Zahl der Christen in der Provinz betrug früher 30000 und wird jetzt auf 20000 geschätzt; allein in Hantschungfu starben 6000, teils durch die Taiping, teils durch die Hungersnot, die der Invasion folgte.
Monumente aus alter Zeit sollen in Singanfu nicht vorhanden sein. Schihwangti's**) (hier Tsinschihwang genannt) Grab ist noch
*) Eigentlich „die Langhaarigen", Bezeichnung für die Taiping, die sich den Kopf nicht rasieren ließen.
**) Der Begründer der Tsin-Dynastie (221 — 209 v. Chr.), einer der mächtigsten Kaiser von China, gewöhnlich als Erbauer der Großen Mauer bezeichnet. Vgl. S. 219.
14*
212 I^is letzte große Keise. 1. Von Peking nach Singanfu.
bei Lin tung hsien zu sehen. Die alten Paläste standen meist außerhalb der jetzigen Stadt und sind ganz verschwunden. Auch der Tempel mit der Nestorianischen Tafel ist vernichtet; er soll früher sehr hübsch gewesen sein, 60 Priester und eine hübsche Umgebung von Land- häusern gehabt haben. Es sind Abzüge von der Tafel zu kaufen, aber ohne das Kreuz und die syrischen Charaktere; ich bestellte 10 voll- ständige Abzüge. Die Missionare wollten nicht glauben, daß das Quen- zan fu von Marco Polo Singanfu sein könne und suchten nach allerlei ausweichenden Erklärungen. Zum Glück war ein Gelehrter gegen- wärtig. Ich fragte ihn nach dem alten Namen von Singanfu, und der erste Name, den er nannte, war Kwansungfu, das er noch dazu ganz wie Quenzanfu aussprach, zur großen Überraschung der Missionare. 6. Januar. Ich besuchte heute das Arsenal des Generals Tsokungpau im
Yamen seines Untergenerals Yuen. Es sind daselbst 43 Leute von Ningpo, die in den Arsenalen von Futschöu, Schanghai und beson- ders in Nanking gelernt haben, Munition und Waffen zu machen, haupt- sächHch aber Geschosse aller Art, von Revolverkugeln bis zu den kompliziertesten Hohlgeschossen. Eine Pulverfabrik ist in einem andern Teil der Stadt innerhalb der Mauer; es werden auch Gewehre und Geschütze repariert. Fabriziert wird nur eine Art von Gewehren: ein Rohr von ^|^ m Länge mit 3 cm Bohrung, aus Eisen gegossen und abgedreht, von vorn zu laden, mit Stellvisier und Geschützabfeuerung. Hinten ist eine hölzerne Handhabe wie bei den dicken chinesischen Büchsen, von denen dies Instrument überhaupt eine Nachbildung ist. Es ruht auf einem eisernen Dreifuß, der sich zusammenklappen läßt, und das Rohr ist in einem Scharnier verstellbar. Das Ganze ist äußerst unvollkommen, aber die Leute waren offenbar stolz auf ihr Fabrikat. Statt der Dampfmaschine zum Abdrehen usw. dient eine Kurbel, die von sechs Mann gedreht wfrd. Die Drehbänke sind gute engUsche, auch alles Blei ist englisch. Man kann sagen, daß alles brauchbare Kriegsmaterial der Chinesen aus Europa kommt oder nach em-opäi- schem Muster gemacht wird. Sie haben Kanonen, Snyder, Revolver, Munition usw. von Europäern und haben von ihnen auch Instruktion
Eurnpäerfeindschaft. 213
in der Verfertigung und im Gebrauch der Waffen bekommen. Man trifft noch viele, die unter Gordon und zu seiner Zeit gedient haben. Die Leute in Schensi haben gesehen, daß fremde Hiüfe ihnen die Re- bellen vertrieben hat, und doch ist die Abneigung gegen die Europäer allgemein und offen. In Schansi haben die Leute wenigstens den Aus- druck derselben sowie ihrer Neugierde vermieden, und in Nord-Schansi und im Köu wai hat man Europäer sogar gern ; erst mit dem Eintritt in Schensi fühlt sich der Fremde unangenehm berührt.
Der Grund dieser Abneigung ist mir unklar. Halbgebildete Leute bUcken auf uns mit einem Gemisch von Herablassung — - sie glauben allgemein, ganz Europa sei nicht so groß wie eine Provinz von China- — ^ von Scheu, da sie wissen, daß wir einem Volk angehören, das nur das Allerbeste hat und verfertigt, und von Abneigung. Die letz- tere stammt zum Teil daher, daß aUgomein die Überzeugung herrscht, die Fremden hätten das Opium eingeführt, um die Chinesen zu ver- derben. Man glaubt fest, daß alle Fremden rauchen, aber ein Mittel kennen, um das Opium unschädlich zu machen, dieses jedoch den Chi- nesen nicht mitteilen woUen. Diejenigen, welche viele Fremde ge- sehen haben, stoßen sich an ihren von denen der Chinesen abweichen- den Manieren, ihrem Mangel an Etikette und den vielen Beispielen von roher Trunkenheit, die sie natürlich zu sehen bekommen haben. Es mag die Chinesen auch ganz allgemein ein Gefühl von Ohn- macht befallen, wenn sie sehen, daß wir frei in eigener Kleidung in ihrem Lande herumreisen und nicht ausgetrieben werden können — wir, die Bewohner eines so kleinen Ländchens!
Ich verkehre jetzt täglich mit Offizieren und mit sehr vielen Soldaten. Täghch vermindert sich damit die Zahl an europäischen Soldaten, die ich für notwendig halten würde, die Chinesen zu schlagen. Gut Schießen ist ihr Motto ; von Exerzieren und Disziplin, ausge- nommen gegen die gröbsten Vergehen, halten sie nichts. Eine feste Stellung einzunehmen, würde vielleicht viele Menschen kosten, aber im Feld läuft die ganze chinesische Armee vor einem Regiment preußischer Infanterie. Das wissen die Offiziere auch ziemlich gut,
214
Die letzte große Keise. 1. Von Peking nach Singanfu.
und ich glaube dalier, daß Gedanken der Aggressive den Chinesen fem liegen.
7. Januar. Der Verkehr nach Ili findet — in ruhigen Zeiten, wenn er über-
haupt möglich ist — von hier aus hauptsächlich zu Wagen statt, wenig mit Kamelen. Man konnte in Singanfu einen zweispännigen Wagen bis Ili mieten. Fm* 500 kin Ladung und 2 — 3 Mann Passagiere oder etwa ca. 800 kin Gesamtladung zalilte man 64 Taels fiir die 7500 li. Rechnet man 1 Tael = 1600 cash, so ergibt dies eine ungemein mäßige Fracht, nämlich 2'/4 cash pro 100 kin-U. Diese geringe Forderung ist möghch, weil die Preise von Lebensmitteln, Futter usw. sehr biUig sein sollen, besonders sobald das Tor von China, das Kiayükwan, passiert ist. Es war immer leicht, Wagen für den ganzen Weg zu bekommen, da die Fuhrleute stets auf Rück- fracht rechnen konnten: sie brachten dann von Westen her Medizinen, russische Waren und getrocknete Früchte von Chami, die einen großen Ruf haben, besonders getrocknete Melonen. Das Volk auf der ganzen Naulu und Pelu und bis dorthin beschreibt mein Gewährs- mann, der vielgereiste chinesische Pater Pius, als sehr gutmütig und angenehm. Welch herrliche Gelegenheit wäre es jetzt, von hier aus Wagen zu nehmen und durch dies große unbekannte Gebiet nach Europa zui-ückzukehren ! Hätten die Rebellen ein Jahrzehnt ge- wartet, so würde ich wolil die Wagen schon gemietet haben!
8. Januar. Es wimmelt hier von beschäftigten und unbeschäftigten Beamten
aus allen Provinzen: gegen 500 auf Stellen wartende Mandarinen sollen in der Stadt sein. Sie bekommen kein Gehalt und haben Kredit bei wohlhabenden Freunden, die ihnen wohl auch Geld vorstrecken, um eine Stelle zu kaufen. Ningpo-Lcuto tun außer der Arsenal- Arbeit auch Schreiberdienste ; es gibt auch mehrere Ningpo-Kaufleute, hier und in mehi'eren hsien's. Zu Nachbarn habe ich zwei Mandarinen, einen von Ningpo und einen von Hunan; letzterer erzählte, daß von 18 Futai's im Amt 14 aus Hunan sind, und das Verhältnis soll in anderen einflußreichen Stellungen ähnlich sein, zum Teil wie 18 zu 16. Sehr viele kommen von Siang siang hsien, wo es 1 700 Beamte mit roten
Organisation des chinesischen Militärs. 215
(Militär-) Knöpfen gebe. In ganz Hunan soU es nur 7 hsien's geben, wo die Leute als gut gelten ; unter den schlimmsten Orten wird Yotschöu genannt*). Auch mein Gewährsmann erklärt den Yo lu schan**) für die Stelle in China, von wo der Fremdenhaß ausgeht imd genährt ^drd, sagt aber, daß die Berührung mit Europäern anfängt, grade die Hunan-Leute wegen ihres offenen, nicht chinesisch-kaufmännischen Charakters zu Freunden zu machen. Tsokungpau ist aus Hunan und meist von Hunan-Leuten umgeben, daher ist ihre Zahl hier sehr bedeutend. Der Vorgänger von Tso war Totajin, ein energischer, aber grausamer Mann, der den Krieg von Anfang an leitete, bis ihn eine feindliche Kugel ins Auge traf und tötete. Er hatte die Rebellen unwiderstehlich, aber sehr langsam von Tungkwan bis über Singanfu vor sich her- getrieben und alles, was mohammedanisch war, niedermetzeln lassen, insbesondere alle zurückgelassenen Frauen und Kinder. Die Flüsse waren damals rot von Blut.
Militärisches: Ein Bataillon hat 500 Mann Soldaten : einen Kommandeur (Yuenkwan), 5 Leutnants (tsaukwan) für je 100 Mann, 50 Unteroffiziere (schitsang) für je 10 Mann, 445 Gemeine (ping), außerdem 100 Mann Train (tsangfii).
Gage pro Monat :
5 tsaukwan ä Taels 16 Taels 80
50 sclii tsang ä Taels 6 , 300
445 ping ä Taels 4,4 „ 1958
100 tsangfu k Taels 3 . . . . . . . . „ 300
Summa Taels 2638
Der Yuenkwan erhält pro Monat 3000 Taels, so daß ihm ungefähr 362 Taels als persönliche Gage bleiben. Er hat aber noch manche andere Ausgaben, die seine nominelle Gage auf 150 Taels reduzieren; die wirkliche aber wird im Mittel auf 400 Taels angegeben. Der Soldat kauft sich Kleidung und Essen selbst, nur die Überjacke mit
*) s. Band I, S. 410. **) s. Band I, S. 392 ff.
216 Die letzte große Keise. 1. Von Peking nach Siuganfu.
demBataillous-Abzeichen bezahlt zur Hälfte der Staat. In einigen Ba- taillonen hält der Kommandeur eine Art allgemeiner Küche, in der die Soldaten ä la carte essen. In einem kleinen Rechnungsbuch schreibt der schi tsang die täglichen Rechnungen eines jeden auf, und der Gesamtbetrag wird dann von der Monatsgage abgezogen; diese bleibt oft längere Zeit stehen, und der Soldat zieht auf seinen Kredit, wenn er etwas Besonderes braucht. In den meisten Bataillonen wird 1,20 Tael monatlich ftir Kost gerechnet, für den schi tsang, ping und tsang fu gleich. Alle Beute jeglicher Art wird verkauft: vom Erlös soll der Kommandeur 3 v. H. erhalten und der Rest von 97 in gewissem Verhältnis verteilt werden; der Kommandeur aber disponiert in Wirk- lichkeit nach Belieben über den ganzen Ertrag. Ist die Rangliste nicht voll, so steckt der Kommandeur die betreffenden Beträge ein, und in jedem Bataillon fließt ihm diese Quelle mehr oder minder reichlich. Eine andere Einnahmequelle sind die Extrarechnungen für Fuhren, Transport auf Kamelen, Ausbesserung an Geschützen, und die Ein- nahmen wachsen bedeutend mit der Zahl der Bataillone, die ein Offi- zier kommandiert.
Jedes Bataillon soll eine gewisse Anzahl von Geschützen haben, nämlich acht, jedes Geschütz eine gewisse Anzalü von Mann zur Be- dienung, außerdem vier Lanciers zu Fuß, vier Mann mit großen Messern, zehn Mann mit englischen Musketen, vier Mann, die zwei Jingals*) be- dienen usw. Jedes Bataillon wird dadurch eine Truppe für sich ; hat man aber mehrere davon zusammen, so bilden sie einen unbehilf- lichen, schwerbeweglichen, zum Angriff ganz unbrauchbaren Truppon- körper. In einem Krieg mit China ist zu berücksichtigen, daß alles nur auf Verteidigung eingerichtet ist: man hat nur die zu verteidigende Stellung zu umgehen, um vor jedem ernsthchen Angriff sicher zu sein, und kann den eigenen Angriff für die Stellen aufsparen, auf die es be- sonders ankommt. Dem ganz entsprechend äußern die Ofilziere ihre Meinung dahin, daß Exerzitien und Evolutionen, wie sie sie btsi
*) Indische Bezeichnung für kleine, tragbare Kanonen.
Altertümer. 217
fremden Truppen gesehen, ganz unnötig seien: es komme nur darauf an, daß der Soldat gut schießen könne.
Diese sechs Tage verbrachte ich mit Briefschreiben und Arbeiten, 9./14. Januar, so gut es die zahheichen Unterbrechungen durch teils willkommenen, teils unwillkommenen Besuch erlaubten. Bei der Mission war ich einmal zu Tisch geladen, und dabei wurde, gegen die tägliche Ge- wohnheit daselbst, europäisch serviert. Der Verkehr war aber durch den letzten Eindruck von Taiyuenfu gestört. Priester Pius besorgte mh- die Packtiere nach Sz'tschwan, auch 15 Abdrücke der Nestorianer- Tafel und war überhaupt sehr gefällig, wiewohl nicht sehr praktisch. Er ist das Factotum der Mission. Clu-isten gibt es 20000 in der Provinz, vor der Taiping- Rebellion aber waren es 30000.
Si ngan fu ist ein vorzüglicher Platz, um alte Bronzen und Münzen zu kaufen : beides wird fortdauernd in der Umgebung ausgegraben. Die Händler kaufen die Bronzen dick mit Grünspan und darauf fest- sitzendem Lehm bedeckt; zum Teil werden sie schon so weiter ver- kauft. Auch alte Inschriften in jetzt unverständlichen Charakteren sind häufig: dies soll aUemal die Herstammung aus der Tschöu- Dynastie*) andeuten, in der die meisten Bronzen gemacht wurden. Auch wenn die Inschrift fehlt, wird, wenn hohes Alter ersichthch ist, die Tschöu - Dynastie als Herstammungszeit mit Sicherheit ange- nommen, da in den darauffolgenden Dynastien (Hau- usw., auch Tang- und Sung-Dynastie) diese Industrie nicht blühte. Es sind meist drei- füßige Urnen und Opfergefäße von verschiedenen Formen und mit verschiedenen Reliefzeichnungen. Die Preise sind hoch und steigen für große Stücke von 30 — 50 Catties Gewicht schnell auf 60 — 100 Taels. Ich kaufte nur zwei recht hübsche kleinere Stücke, beide mit Inschrift, eins noch mit dem Deckel, was äußerst selten ist. Die Münzen werden hier wenig verstanden : die meisten alten werden der Han-Dynastie zugeschrieben ; auch Ming's sind häufig frisch ausgegraben zu kaufen. Ich kaufte auch ein großes prachtvolles Cloisonne ; noch ein zweites.
*) Die Tschou-Dynastie regierte von 1122 bis 221 v. Chr.
218 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfii.
unvergleichlich schönes und originelles Stück, wurde mir zugebracht,
ein Familienstück, das aber nicht unter lOOTaels feil war, so daß ich es
nicht kaufte: Eine goldene Schildkröte mit aufgebogenem Kopf trägt
zwei Wolkensäulen von Email; in den Wolken fliegen Fledermäuse.
Auf dem Kopf der Schildkröte steht auf einem Bein ein goldener
Phönix, das zweite Bein ist aufgezogen, die Emailflügel sind vor
den beiden Wolkensäulen ausgebreitet. Hinten verschlingen sich in
schöngeformten Linien die Schweife der beiden Tiere, zwischen den
beiden Säulen aufsteigend. Es ist die schönste Arbeit der Art, die
ich gesehen habe: das Email vollkommen fehlerfrei, gar kein Schaden
daran, das Ganze in hohem Kunstgeschmack gearbeitet. Der Preis ist
eine Bagatelle, greift aber zu tief in den BarvoiTat der Reisekasse. Ich
kaufte auch noch eine Ming-Vase von großer Schönheit.
Singanfii Hier ruhe ich mich recht gründlich aus. Ich habe ein Haus mit
10. Januar, gj-^ßg^ hohen Zimmern in einem Mandarin-Gasthäuschen und kann Aus einem . . ,. -,^. .
Brief an die E^^^ behaglich arbeiten. Nicht weit von mir ist die Mission : auch
Eltern. itahenische Franziskaner. Der Bischof, ein rüstiger und lebhafter alter Herr, Monsignore Chiais, ist schon 40 Jahre hier und von einem Chi- nesen kaum noch zu unterscheiden. Sein Vikar war in Rom beim Konzil und ist dort auch Bischof geworden : ein prächtiger, liebens- würdiger Mann in meinem Alter. Ein dritter Missionar, schon grau- haarig, ist ein Stück schlappe alte Tante: er glaubt nicht an die Reisen von Marco Polo, der schon im 13. Jahrhundert hier war, ist aber ganz fest überzeugt, daß der Apostel Thomas in China gereist ist. Der erste Bischof ist trotz seiner langen Abgeschlossenheit ein so kluger Weltmann, als ob er sich immer unter zivilisierten Leuten be- wegt hätte, und scheint ganz der Mann zu sein, um eine Mission zu leiten. Sonst aber fehlt aU diesen Missionaren ganz im allgemeinen ein gutes Stück Ausbildung. Man steckt sie noch jung in die Kutte, dann kommen sie ins Seminar, werden geweiht und sofort hierher- aus nach den Missionen geschickt. Sie kennen nicht das Geringste vom praktischen Leben und sind darum auch so wonig praktisch in ihrer Mission. Da waren die Jesuiten in alter Zeit, welche alle die
Die ÄEssion in Singanfu. 219
Christen gemacht haben, denen die jetzigen Missionare nur Seelsorger sind, ganz andere Leute. Die kannten die Welt genau und kamen aus eigenem Antrieb, nicht als willenlose Werkzeuge, hierher. Einige Jahre freier Studien wie auf deutschon Universitäten und dann einige Jahre geistlicher Praxis in einer Pfarrei würden den meisten der her- auskommenden jungen Leute sehr gut tun. Der Entscliluß sollte in reiferem Alter gefaßt werden, nicht zu einer Zeit des Lebens, in der man noch kein Urteil hat. Alle diese Vorbedingungen sind bei den leitenden Herren der belgischen Mission erfüllt, aber bei den jungen Leuten verfallen sie schon in denselben Fehler, den ich eben erwähnte.
Singanfu ist eine große Stadt, die von mächtigen Mauern mit wahrhaft imposanten Toren umgeben ist. Es hat mehr als eine Million Einwohner und ist sehr belebt. Jetzt ist es nur die Hauptstadt der Provinz Schensi; früher, während dreier Dynastien, war es die Resi- denz der Kaiser von China, zuerst unter der Dynastie der Tsin im 3. Jahrhundert dieser Zeitrechnung. Diese Kaiser machton zum erstenmal den Namen China groß : der Ruf ihrer Macht erstreckte sich weithin und drang bis zu den Römern. Am gefürchtetsten war der Kaiser Schihwangti, der die Große Mauer errichtete und die Bücher des Confucius im ganzen Reich verbrennen ließ ; diese wurden später aus dem Gedächtnis wiederhergestellt.
So wenig Interesse wir uatifrlich an den Details der chinesischen Geschichte nehmen können, ist dies doch ein großartiger geschicht- licher Boden. Seit undenklichen Zeiten wai" hier der Schauplatz mächtiger Völkerbewegungen, die, wie gegen Europa von Ost nach West, so hier von West nach Ost gerichtet waren. Eine ungeheure, fast unübersteigliche Mauer, das ausgedehnte Kwenlun-Gebirge, setzte diesen Strömungen im Süden eine natürUche Grenze. Entlang seines Nordabfalls führt aus Zenti'al-Asien zwischen Wüste und Gebü-ge eine große Völkerstraße durch Kansu nach dem weiten fruchtbaren Tal von Singanfu. Zu wiederholten Malen entwickelte sich hier eine hohe Kultur, und Kunst und Wissenschaft blühten ; dann aber folgte wieder eine neue Invasion von Nordwesten her: Millionen von Menschen-
220 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nacli Singanfu.
leben wurden vernichtet, aber wieder wuchs mit der Zeit neues Leben. Sobald man hierher kommt und einen Einblick in die An- ordnung dieser Länder gewinnt, eröffnet sich wie von einer Berges- höhe der Überblick über die Geschichte Chinas. Man glaubt, daß sie nur so und gar nicht anders habe kommen können: alles erscheint klar und natürlich. Ganz Zentral-Asieu mit seiner einfachen Gliede- rung und seinen großen uralten Handelsstraßen liegt wie zu Füßen ausgebreitet.
Jetzt spielt das jüngste Drama in diesen Völkerbewegungen: die mohammedanische Rebellion. Schon vor mehr als 1000 Jahren riefen die Chinesen ein mohammedanisches, eine osttürkische Sprache redendes Volk, die Uiguren, zu Hülfe gegen die Tibeter. Jene kamen, verjagten die Tibeter, setzten sich aber selbst auf chinesischem Gebiet in der Provinz Kansu fest. Sie nahmen insbesondere den festen Platz Hö tschöu im hohen Gebirge in Besitz, und dort war seither der Herd von antichinesischen Intriguen der Mohammedaner. Sie breiteten sich weiter nach China hinein aus und gewannen hier in den nördlichen Pro- vinzen sehr viele Anhänger für ihre Religion. Die Spannung z^vischen Mohammedanern und Chinesen wurde immer größer : da endlich, im Jahre 1862, revoltierten die Mohammedaner in der Stadt Hwa tschöu — woher ich deu letzten Brief schrieb. Der Aufstand wuchs, und er war bald über die ganze Provinz Schensi verbreitet, und von hier schritt er fort nach Kansu, von da nach Ili und Turkestan. In diesen fernen Ländern waren die Chinesen schnell ermordet, die Mohammedaner erklärten sich unabhängig. Li Kansu und Schensi aber hatten sie es nicht so leicht, denn ihnen fehlte sowohl ein Führer als ein be- stimmter Plan: sie hatten nur den allgemeinen Zweck, sämtUche Heiden zu töten und sich zu Herron des Landes zu machen. Männer, Weiber und Kinder: alles wurde umgebracht und die Ortschaften vernichtet! Viele Millionen kamen dabei um, nur die Christen wurden verschont. Acht Jahre hindurch, bis zum Frühjalir 1870, hat diese Provinz fürchterlich gelitten. Es wurden Truppen gegen die Robellen geschickt, aber sie richteten nichts aus. Da entsandte man einen be-
Die Kriegsoperationen. 221
rühmten chinesischen Feldherrn, Li, nach Schensi. Er kam mit seinen 40 Bataillonen, die alle europäische Waffen hatten, und sofort zogen sich die Rebellen ohne Schwertstreich aus der Provinz Schensi nach Kansu zurück, wo sie von ihren Glaubensbrüdern aufgenommen wurden. Li mußte nach dem Massacro von Tientsin als Gouverneur der Provinz Tschili dorthin abgehen, wahrscheinlich um im Fall eines Krieges mit den Franzosen zur Hand zu sein; seine Truppen aber blieben in Schensi und kümmerten sich nicht um Kansu, wo sich ein anderer chinesischer Feldhen-, Tso kung pau, mit 200 Bataillonen mit den Rebellen beschäftigte. Dieser Mann, der eine der höchsten Stellungen in China bekleidet, hat wenig Glück gehabt: er wurde öfters überwältigt, und die Sendungen europäischer Waffen und Munition nach seinem Heer wurden schon unterwegs von den Rebellen erbeutet. Jetzt scheint die Regierung die Sache ernstlich in die Hand nehmen zu wollen, und es besteht einige Aussicht auf Wiederherstellung des Friedens, wenn auch die Chinesen die gi'oßen Länder im Westen, Turkestan und Ili, vielleicht für immer werden aufgeben müssen.
Für mich ist dieser Kjrieg selir unwillkommen. Es war von Anfang an, als ich nach China kam, mein Plan gewesen, durch Kansu und Ili nach Europa zurückzureisen und so diese großen unbekannten Län- derstrecken wenigstens flüchtig zu durchstreifen. Ich hatte die Reise für ein sein- gewagtes Unternehmen gehalten, gab sie aber natürlich sofort ganz auf, als ich von dem Krieg in Schensi und Kansu hörte. Jetzt, da ich Singanfu, die Pforte zu dieser Straße, erreicht habe, ist es mir doppelt schwer, an der Ausführung des Planes verhindert zu sein. Ich sehe zu meinem Staunen, daß die Reise vor der Rebellion eine ganz leichte wai'. Ein hiesiger chinesischer Priester, der erste wirklich würdevolle Mann, den ich unter den eingeborenen Priestern gefunden habe, hat alle jene Gegenden bereist, da dort Christen zer- streut leben, und hat mir viel Information über dieselben gegeben. Man konnte damals von hier einen Wagen mit zwei Maultieren nehmen und in 80 Stationen (Tagereisen von 5 — 7 Meilen) bis nach Kuldscha nahe der russischen Grenze fahren. Überall gab es Lebensmittel zu
222 Die letzte große Reise. 1. Von Peking nach Singanfu.
den billigsten Preisen, und die Leute beschreibt er als gutmütig. Wie schön wäre es, wenn ich jetzt von hier die Reise mit einem Wagen und meinen Reitpferden antreten könnte. Aber jetzt wäre, wenn auch die Ausführung keine Unmöglichkeit, so doch die Unternehmung eine Absurdität.
Ich werde nicht einmal die Provinz Kansu besuchen. Es gibt dort kein Landvolk und keine Wirtshäuser, aber viele Soldaten, und die Straßen sind durch RebeUenhorden noch sehr unsicher. Es würde viel Aufenthalt und Unbequemlichkeit geben, und ich würde nicht genug Ergebnisse im Verhältnis zur Zeit haben können ; überdies würde ich die gute Jahreszeit für die Südprovinzen verlieren. Ich bin eingeladen worden, die Armee, die Truppen von Li, dorthin zu bogleiten. Das wäre ganz amüsant, und ich würde dabei ein Stück chinesischer Kriegführung sehen; aber ich habe dazu keine Zeit. Ich gehe direkt nach der Provinz Sz' tschwan. Die Packtiere sind schon gemietet.
Zweiter Abschnitt:
Von Singanfu über den Tsinlingsclian nach Tschöngtufu.
Heute verließ ich die Stadt nach zwölftägigem ganz befriedi- 15. Januar, gendem Aufenthalt. Es war eine interessante Episode der Reise. Mein Quartier war sehr anständig und gut, und ich konnte auch recht gut arbeiten, was in diesen chinesischen Wirtshäusern selten der Fall ist. Ich mietete nun Maultiere bis Tschöngtufu, der Hauptstadt von Sz'tschwan, 24 Stationen, zu 17 Taels für jedes und mit einem Drittel Anzahlung. Es wurde Nachmittag, ehe alle Klauseln des Kontrakts mühsam durchgefochten waren und ich meine Post abgemacht hatte, deren Besorgung die Mission übernimmt. Eigentlich wollte ich schon am 13. abgehen, dem 4. des 12. chinesischen Monats; die Leute be- wiesen mir aber aus ihrem Kalender, daß der 6. ein besonders gün- stiger Tag zum Aufbruch sei und Glück auf der Reise garantiere, und ich gab meiner Post zuliebe gern nach.
Wir ritten zum Westtor hinaus, das ebenso groß ist wie das Ost- tor; die Mauern sind jedoch nicht so mächtig, als sie mir neulich im Nebel erschienen waren. Auch im Westen schließt sich eine große Vorstadt an, die mit Mauern umgeben und nicht zerstört ist. Die Stadt liegt auf ebenem Grunde: allerdings auf einer Terrasse, aber sie steigt nicht in Terrassen an, wie Carl Ritter beschreibt. Die Ter- rasse zieht ganz eben bis zum Fuß des Gebirges fort, das von hier
224 Die letzte große Reise. 2. Von Si ngan fn nach Tschöng tu fu.
etwa 20 km entfernt zu sein scheint und sofort hoch ansteigt ; es ist jetzt ganz schneeig. Die Gegend ist eine Einöde: alles zerstört und menschen- leer, dennoch alles angebaut. Auf den Feldern steht junger Weizen und Baumwollenstoppel ; Kauliang gibt es nicht in der Ebene von Singanfu. Die ersten bewohnten Häuser sind in dem ehemals großen ummauerten Markt San klau, jetzt nur ein halbes Dutzend, darunter zwei Wirtshäuser, eine armselige Unterkunft. IG. Januar. Erst ging es 30 li durch verwüstete Ebene, dann folgte ein Über-
gang über einen Zufluß des Weihö und gleich darauf ein zweiter über den Weihö selbst. Dieser Strom ist hier wasserreich und hat ein breites sandiges Bett, doch ist letzteres meist trocken. Der Fluß wird auf einer Winter-Schiffbrücke übersetzt. Jetzt herrschte starker Eisgang.
Die Stadt Hsienyanghsien ist zum größten Teil zerstört; sie ist ein großes hsien und zieht sich lang am Fluß hin. Die Straße fdlirt vom Osttor bis zum Westtor hindurch und ist sehr belebt. Hier zweigt die Straße nach Kientschuu und weiter nach Kansu ab: jetzt die große Mlhtärstraßo. Die Straße talaufwärts ist weit kleiner. Die Stadt liegt 6 m über dem Fluß : diese Stufe ist hier nm* 1 ^j^ km breit, dann folgt der steile Abbruch eines 100 m hohen Lößlandes. Dieser ist ganz durchlöchert von ehemaligen Wohnungen, die gruppenweise zu- sammenliegen. Jedes derartige Dorf hatte nach vorn eine Mauer zum Schutz, und über dem Dorf war eine Terrasse, wo ein durch Stufen von unten her erreichbarer Tempel stand. Jetzt aber ist alles zerstört, selbst die Lößwohnungen: sie sehen aus wie verlassene Wespen- nester. Ehie auffällige Erscheinung, schon weit östlich von Singan- fu, dann wieder in der Umgebung dieser Stadt und vor allem auf der Lößstufc, sind breit abgestumpfte Kegel, manche bis 30 m hoch: es sind alte Grabmäler hoher Personen. Sie erinnern an die Mongolei ; auch hier sind ihre Profile weithin sichtbar, und sie gehören zu den Merkmalen der Gegend. Bemerkenswert ist aucli die große Zahl ehemaliger Tempel, die jetzt zerstört sind. Meist stehen vorn noch zwei 9 — 10 m hohe eiserne Spindeln mit weit herausstehenden Drachen-
Am Nordfuß des Tsinlingschan entlang.
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Verzierungen; sie sind ans Schansi-Gußeisen und sehr geschmackvoll gefertigt. Es gibt dafür drei oder vier verschiedene Formen, die immer wiederkehren.
Von Hsien yang nach Sin ping fahrte ein einförmiger Weg durch verwüstete und entvölkerte und dennoch reich angebaute Gegenden. Vom Lößabbruch bis zum südlichen Gebirge ist das Land völlig eben, aber kein Alluvial-Land, sondern Seeausfullung, welche unter dem Löß liegt. Halbwegs tritt die Straße an den Löß heran, und hier sind einige außerordentlich reiche Quellen. Der Boden ist wieder regenerierter Löß mit ausgewitterten Salzen, die der Löß darüber nicht enthält. Nahe unter der Oberfläche ist Wasser, so daß die Felder be- wässert werden können; infolgedessen wird sehr viel Opium und Tabak gebaut. Sonst sind Baumwolle und Weizen die Hauptgewächse. Das südliche Gebirge ist großartig, von selu- einfachen Umrissen, aber scheinbar sehr geghedert und wohl 1500 — 2000 m hoch über der Ebene. Der von Carl Ritter erwähnte Tapaischan ist eine Realität, denn er ist hier bekannt und soll auch im Sommer mit Schnee be- deckt sein.
Sin ping ist ein kleines, unbedeutendes hsien. Das Wirtshaus 17. Januar. war sehr schlecht. Die Straße führte noch weiterhin 30 11 in der Ebene : auch hier waren alle Dörfer verwüstet, und doch alles Feld angebaut. Der Löß hat in dieser Gegend eine ungewöhnHch sanftwellige Ober- fläche. Die Stadt umfaßt die jenseitige steile Lößmauer: eine Seite der Stadtmauer liegt auf der Höhe, eine andere im Tal. Auch hier sind die Lößwände ganz durchlöchert. Die Gebirge im Norden sind niedrig und flachgerundet, der Fluß bringt von da Kalk und Sand- steine herab ; das südliche Gebirge war heute leider nur in schwächsten Umrissen mehr zu ahnen als zu sehen, erscheint aber enorm hoch.
Fuföng hsien, die Stadt, die wir heute zunächst erreichten, ist ein 18. Januar, sehr armseliger Ort, aber von den Rebellen nicht eingenommen. Sonst ist alles verwüstet, aber wieder sämtliches Land angebaut. Weizen, Baumwolle und Erbsen bleiben vorherrschend, daneben sind große Strecken mit Opium bebaut. Man pflanzt den Mohn in allen Ver-
Ricbthofen, Tagebücher, II. Band.
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226 Die letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tschöng tu fu.
tiefungen des Löß und ist jetzt damit beschäftigt, diese bedeutend zu vergrößern ; sie liegen gewöhnlich 3 — 4 m tief unter der Oberfläche zwischen senkrechten Wänden. Diese Wände werden nun weiter hin- ausgerückt und der fortgeführte Boden als Dünger über die Felder zerstreut. Der Löß ist stark bewohnt: sehr viele alte, verlassene Löcher zeigen sich überall an den Wänden. Wo die Oberfläche eben ist, hat man eine Grube mit einer senkrechten Wand gegraben, und in dieser öflfnen sich die Wohnungen.
Das Land ist voll von Hasen, und ich habe täghch gute Jagd. Am Weihö gab es viele wilde Gänse und rote Enten. Die Wirtshäuser sind jämmerlich, und da das Wetter seit Si ngan fu sehr kalt ist, so ist dieser Umstand cmpfindKch. Die Häuser haben kein Licht und doch freien Zuzug für die Luft; auch die Kangs sind eiskalt. Kohlenfeuer gab es noch die erste und zweite Nacht von Schansi-Kolden, die auf dem Weihö bis Hsienyanghsien hinaufgehen; jetzt ist nur noch Gras zum Feuern da. Zu essen gibt es nichts als Mehl, wovon man sehr schlechtes Brot und scldechte Nudeln macht. Das heutige Wirtshaus war eine Erdhölile. Der Ort ist übrigens nui- eine Gruppe von Wirts- häusern.
Der Tapaischan ist eine lange stumpfe Kuppe und scheint min- destens 2500 m über dem Tal aufzusteigen. Vor ihm erhebt sich eine 1500 m niedrigere zackige Gipfolreihe. Trotz klarem Himmel war die Aussicht trüb, besonders nach Süden, und es waren nui' Umrisse erkennbar. Das Gebirge scheint schroff abzustürzen. 19. Januar. Der heutige Tag war endlich prächtig klai-, aber eine scharfe
Aussicht ist hier wegen der Staubatmosphäre kaum möglich, außer nach Regen oder Schnee. Der Weg führt noch ganz auf Löß, der sehr allmählich ansteigt und von tiefen steilen Runsen durchschnitten ist. Im Tal von Föngtsiangfu und nach Westen hin dehnt sich die Löß- fläche unübersehbar aus; sie ist mit spärlich bewohnten Dörfern be- deckt. Große geschlossene Dörfer sind hier selten: es sind meist Weiler, die aus einer Anzahl kleiner Forts bestehen, denn jode kleine Häuser- gruppe ist mit einer hohen Mauer umgeben. Fast jedes Dorf ist eine
Im W^i hö -Tal aufwärts. 227
Gruppe großer vierseitiger Kasten ; wahrscheinlich schließt jeder eine Familie mit aller Verwandtschaft ein. Offenbar war das Land vor der Rebellion dicht bevölkert.
Lange und einförmig geht es auf dem Löß fort. Plötzlich steht man an einem SteUrand : tief unten liegt der 2 — 3 km breite Talboden des Weihö, in dem dieser sich in breitem Bett schlängelt. Jenseits erhebt sich das Gebirge, dessen Fuß vom Fluß bespült wird: es ist ein prächtiger, überraschender Anblick. Das südliche Gebirge, hier natürlich einfach Nan schan (Süd-Gebirge) genannt, ist sehr gegliedert. Es scheint lange flache Parallelrücken zu haben, zwischen denen sich die Quellbäche der Flüßchen entwickeln, die die Vorderkette durch- brechen. Der Tapai schan ist ganz weiß von Schnee, nicht bloß in Runsen gestreift wie die andern Berge, und hat von Schnee gerundete Kanten. Alle Umrisse sind langgedehnt, die Formen flach mit stumpf- winkliger Kuppe.
Endlich sind wir bei heiterem Wetter und Aussicht auf Bestand 20. Januar, an der ersten Etappe der langersehnten großen Bergstraße angelangt. Ziwor kamen wir nach Kweitschönn, einem großen und bedeutenden Marktplatz, der mit Mauern umgeben ist wie ein hsien und von großen Vorstädten auf allen Seiten umschlossen wird. Gestern abend, als wir ankamen, strömten die Landleute in allen Richtungen von dem Markt mit ihren Einkäufen nach ihren Dörfern ziu-ück: auf unserer Sti-aße zogen uns viele Hunderte entgegen. Dennoch hatte ich voll- kommen Ruhe: wie überall westlich von Singanfu zeigten sich auch hier die Leute anständig, achtungsvoll im Betragen und ohne aufdring- liche Neugierde.
Bald ging es über eine lange Winterbrücke auf das rechte Ufer des Weihö. Der Fluß hat hier schnellen Lauf und klares Wasser und ist 400 Schritte breit; sein sandiges Bett hat aber mindestens 2000 Schritt Breite. Wir passierten auch bereits den breiten Schuttkegel eines aus wilden weitverzweigten Schluchten herabkommenden Berg- wassers. Das Wasser dieses und aller anderen Bergströme dient zum Treiben der Mühlen — hier bekommt man das weißeste, feinste Weizen-
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228 Die letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tschöngtufu.
mehl und sehr gutes Gebäck — und zum Speisen von Reisfeldern, die sich am Talrand ausdehnen. 5 li weiter liegt der Markt Maying- tschönn. Die Rebellen hatten hier alles verwüstet, aber die Leute sind aus den Gebirgen zurückgekehrt und haben die Häuser aus Holz und Lehm wie vorher wieder aufgebaut. Stoinbau ist in allen diesen Gegenden unbekannt und Backsteinbau ein Luxus. — Nun geht der Weg immer am Talrand hin durch mehrere neu aufgebaute Dörfer. Auf den Reisfeldern tummelten sich wilde Gänse und Enten, rote Enten, auch weiße Reiher.
Das Weihö-Tal ist auf dieser Strecke eine der eigentümlichsten Landschaften, allenfalls demLöhö-Tal östlich von Hö nanfu vorgleich- bar. Parallel der Kette des Tsinglingschan läuft hier an ihrem Nord- faß eine gradgestreckte Rinne oder Furche mit 3 — 5 km breitem Tal- boden, im Norden von dem mehrmals durchschnittenen gradlinigen, 150 m hohen Abfall der Lößterrasse begrenzt, im Süden von Zungen eines 250 — 350 m hohen Lößlandes, die sich zwischen den Schutt- kegeln der zahlreichen Gebirgsströme abwärts erstrecken und auch ziemlich steil abfallen, wiewohl nicht so steil wie an der Nordseite. Hinter dieser Vorstufe steigen dann die Gebirge höher und höher, wider und wilder an, tief zerrissen durch die Schluchten der Berg- wasser, bis zu den hohen Ketten, die hier den Gesichtskreis be- grenzen. Im Talboden windet sich der Weihö in seinem breiten sandigen Bett zwischen fruchtbarem Alluvialland. Das Merkwüi-digste für den mit dem Löß noch nicht Vertrauten würde der Anbhck der nördlichen Lößwand sein, die von unten bis oben gruppenweise durch- löchert ist. Zahllose Zickzackpfade führen vom Tal nach der Höhe und verbinden alle diese Gruppen menschlicher Insektenwohnungen. Der AbfaUswinkel ist 25 — 40'', aber stets künstlich abterrassiert. Fast jede Terrasse ist mit Höhlen besetzt und der Boden angebaut: nicht ein Fleckchen ist unbenutzt. Am dichtesten ist das Gewimmel um Paukihsien. Diese Stadt hegt am Lößgehänge selbst und zieht sich lang daran hin; die Mauern erklimmen einen Teil des Lößrandes. Ringsum wimmelt es von neuen Lehmhäusorn und Lößwohnungon.
Ins Gebirge hinein. 229
Diese merkwürdige kleine Landschaft ist im Verhältnis zu dem, was ich bisher gesehen hatte, ungemein belebt : es ist ein fortwähren- des Strömen von Menschen und Tieren. Und dies geht talabwärts ebenso fort; aufwärts aber schließt sich die Talrinne bald, denn un- gefähr 10 li oberhalb Paukihsien sieht man den Löß von beiden Seiten zusammentreten, und darüberhinaus erscheinen die Umrisse von Mittel- gebirgen. Pau ki liegt an einer konvexen Biegung des Flusses. Über diesen führt eine Winterbrücke, und dann geht die Straße unmittel- bar in ein von SW kommendes Tal hinein. Der untere Teil liegt noch zwischen Lößhügeln. Bei meiner Nachtstation, deren Namen übrigens niemand deutlich auszusprechen vermag, mündet mein Nebenweg in die Hauptstraße. Hier tritt unter dem Löß schon festes Ge- stein zu Tage. Der Blick talaufwärts ist großartig: man blickt in ein LabjTinth von Bergen, die höher und höher ansteigen und heute, bei duftiger, aber dunstiger Atmosphäre, riesenhaft aussehen.
Ich begegnete heute, so lange ich am linken Ufer war, langen Zügen von Packtieren mit Suiyon*) von Kansu (aus Lantschoufu) ; er ist in Kisten gepackt wie Tee und offenbar ein wertvoller und bedeuten- der Handelsartikel. Außerdem war nur noch Tischlerleim von Be- deutung.
Schon dieser erste Tag führte über den Hauptpaß hinüber, mit 21. Januar, dem ich das Becken des Hwanghö verließ; die Schlucht ist zwischen steilen Granitwäuden eingeengt. Es ist ein ungemein zerrissenes Ge- birge : Reihen von Zacken steigen hintereinander bis zu den höchsten Felsrücken auf. Dieser Paß, der Tsientsehaling, liegt ungefähr 1100 m über dem letzten Ort der Ebene und etwa 1800 m über dem Meer. Schon nahe dabei aber steigen die Berge noch 1000 m höher an, und ich vermute nach dieser Paßhöhe, daß der Tapaischan mindestens 3300 m hoch ist. Alle Berge bis 2700 m Höhe sind noch so gut wie fi-ei von Schnee; erst auf den höheren ist er ganz liegen geblieben. Ich nahm ungern vom Hwanghö-Becken Abschied, da ich so viel
*) so im Tagebuch geschrieben; siyen = westlicher Tabak, von grünlicher Farbe, kommt aus Kansu.
230 Die letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tschöngtufu.
darin meinen Nachfolgern in der Erforschung von China überlassen muß. Welch gewaltige Trennung ist mit dieser Wasserscheide gegeben! Und doch sind die Völkerschaften zu beiden Seiten gänzlich amal- gamiert! —
In der nördlichen Sclducht liegen vereinzelte kleine Dörfer an der Straße, und auf den Höhen ist wenig Anbau; auf der Südseite aber geht es nach einem fruchtbaren Talbecken hinab. Lange Gebirgs- schluchten vereinigen sich hier zum Tunghö. Man baut in diesem Tal Kartoffeln. Mais und Buchweizen, und der Anbau erstreckt sich bis 350 m an den Gehängen hinauf. Diese sind mit dickem Lehm, nicht mehr mit Löß bedeckt. Es gibt hier Fasanen in Scharen: man sieht bis 100 auf einmal, oft dicht am Wege; in den Bergen soll es Hirsche, Damhirsche und Bergschafe geben. Die Bewohner der Ge- birgsschluchten scheinen einer von den Chinesen abweichenden Rasse anzugehören; obwohl sie den Zopf tragen. Sie sind klein, haben kleine runde Köpfe, und der Bartwuchs beginnt in verhältnismäßig frühem Alter. Hier an der Straße selbst wohnen jedoch wesentlich Chinesen.
Die Straße bietet bis jetzt nichts Wunderbares. Hier und da ist sie allerdings in den Felsen ausgehauen, aufgemauert und mit Ptählen gestützt; auch ist sie breit angelegt, wenn auch nicht überall breit erhalten. Das Einzige, woran man sie als eine alte große Kuust- straße erkennen kann, ist die Tracierung und die Pflasterung. Alle erhaltenen Strecken sind mit Steinen gepflastert, aber die Steine sind meist aus ihrer Lage gekommen, und so ist das Fortkommen eine Tortur. Hier und da gibt es alte Bogenbrücken. Es ist viel Vei'kohr auf der Straße: Lasten von Holz und Holzkohlen aus dem Gebirge gehen nach dem Wcihö hinab; von weitcrher kommt Reis, der meist auf Menschenrücken getragen wird, ferner Zucker und andere Waren von Sz'tschwan. 22. Januar. Heute war der Himmel ganz bedeckt; es blies bei — 8° C. hart
von NO und schneite leicht den ganzen Tag. Die Kälte war äußerst empfindlich, und als meine Leute hier in Tsauliangyi ankamen.
Der Charakter des Gebirges. 231
hielten sie es nicht länger aus und kehrten ein, ärgerlich, daß nicht schon längst vorher das Signal dazu von mir gekommen war. Die meisten Reisenden lagen heute ganz still, da die Chinesen das Reisen auf beschneiter Straße weniger fürchten als das Reisen auf den besten Straßen, während der Schnee fällt.
Der heutige Weg führte am Tunghö abwärts in südwestlicher Richtung. Wie schon jenseits des Passes hält sich die Straße ganz auf der einen Seite des Flusses, um Brückenbauten zu vermeiden; man hat sie daher an steilen Fels vorsprün gen hin und zum Teil über dieselben hinweg bauen müssen. Lange Strecken sind in zähes Horn- blendegestein eingehauen: eine mühsame Arbeit, wenn mau be- denkt, daß kein Schießpulver verwendet wurde, wenn auch kaum nennenswert im Vergleich zum Bau von modernen Gebirgsstraßen. Das Tal verengte sich bald unterhalb meines gestrigen Rastortes, aber es wird nie eine eigentliche Felsenge : es bleibt Raum für die Dörfer und größtenteils auch für einen schmalen Strich angebauten, meist geneigten Bodens. Selten ist dieser 1 km breit, aber an den Abhängen steigt wie vorher der Anbau, fleekenweise verteilt, hoch hinauf, nicht in terrassierten, sondern in abschüssigen Feldern. Diese Kultur ist dem Lehmboden zu danken, der das Gestein vielfach be- deckt. Stellenweise nimmt er Lößcharakter mit senkrechten Ab- bruchen an, und dann fehlen auch die Lößwohnungen nicht. Die Dörfer sind armselig, aber voll von kleinen Restaurants, denn der Sti-aßen- verkehr bildet eine der Haupt-Einnahmequellen. Die Leute sahen uns aber kaum an und ließen uns vollkommen in Ruhe. Es ist viel Armut unter ihnen.
Die Gebirge nahmen schon vom Paß aus an Höhe und an Wild- 23. Januar, heit der Rücken und Gipfel ab. Die eigentliche Hochkette des Tsin- ling scheint die Granitkette zu sein, in die der Paß eingesenkt ist, und mit der Wasserscheide zusammenzufallen. Nach Norden dacht sie sich kurz und wild ab und entsendet dorthin kurze Ströme mit steilem Gefälle; nach Süden fließen lange Sü'ömo mit geringem Gefälle ab. Die Gebirgswelt setzt hier weithin fort, wird aber milder und nimmt
232 Die letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tschöngtnfu.
an Höhe ab. Dennoch beginnen in den Tälern erst weiter abwärts die Engen.
Am unteren Ende eines langgezogenen Bergkessels liegt Föng- hsien. Im Süden der Stadt, durch eine Vorstufe getrennt, ragt wieder "^ höheres Gebirge auf. Die Straße folgt immer dem linken Ufer und hat dadurch in den Engen manche harte Aufgabe zu lösen. Am Fluß sind hohe Steilabbrüche quer gegen die Schieferung des Gesteins vorhanden ; sie bieten große Schwierigkeiten, und es gibt Stellen, wo die Straße entlang einer solchen Wand fast ganz auf Pfählen ruht. Sie konnte die Bewunderung von Marco Polo wohl erregen, denn da- mals existierte in Europa kaum etwas Ähnliches. Die alte Straße ist allerdings nicht überall erhalten : sie hat durch Bergabrutschungen, Auswaschungen und Abnutzung viel gelitten und ist nur soweit in stand gehalten, als nötig schien, damit der Verkehr nicht unterbrochen würde. Um ihrem Zweck als große Verkehrsstraße zu entsprechen, bedürfte sie einer gewaltigen Umarbeitung, und da das in diesem Land nur durch kaiserliche Munificenz geschehen könnte, so ist so etwas nicht zu erwarten. Fönghsien ist eine kleine ummauerte Stadt und der Sitz eines lebhaften lokalen Kleinverkehrs; die Leute sind äußerst harmlos. 24./25. Jan. Nichts bezeichnet die Unzugänglichkeit dieser Gebirge und die
Wildheit der Engen, welche der Kialinghö zu passieren hat, besser als der Umstand, daß die Straße, um schließlich Orte an demselben Kialingkiang (z. B. Pauningfu) zu erreichen, über hohe Pässe nach ungangbaren Seitentälern gehen muß, um erst später zu dem bei Föng- hsien verlassenen Fluß zurückzukehren. Nach Gletscherspuren habe ich mich auf diesem ganzen Gebirgsweg fortdauernd, aber immer ver- geblich umgesehen. Es gibt keine abgeschhffenon Felswände und keine Gestoinsstücke mit geritzter Fläche. Hier und da meint man eine Moräne zu sehen, aber sie erweist sich allemal als die Schuttan- häufung aus einer Seitenrunse, die gegen anstehendes Gestein auf- gestaut ist.
Die Vegetation auf diesem Gebirge nimmt stetig zu, je weiter man nach Süden fortschreitet. Im Sommer ist das ganze Gebirge
Die Gebirgsstraße. 233
gi'ün, aber im eigentlichen Tsinling sind Bäume und Sträucher noch selten. Am Nordabhang werden viele Weiden gepflanzt und als Brenn- holz verbraucht. Am Südabhang erscheinen Eichen, und diese nehmen an Menge zu; es sind aber nur kleine Bäumchen und keine immer- grünen Arten. Überhaupt sind bis jetzt noch keine immergrünen Laub- hölzer erschienen. Heute auf dem Tsz'paischan sah ich die ersten wilden Bambusgebüsche; sie bildeten das einzige frische Grün. Nadel- hölzer fehlen außer einigen Cypressen ganz. In den Talböden sind seit gestern viele schlanke Pappeln mit silbergrauer Binde und auf- strebenden Ästen zu finden. Obstbäume sind noch selten, am häufigsten noch Kaki, die in aU diesen Hochtälern gedeihen; außerdem kommen einige Pfirsichbäume fort, sonst nichts. Heute, bei Nan sing, standen einige Maulbeerbäume mit Zeichen der Benutzung. Einen Tung-Baum sah ich schon bei Paukihsien. Rankende Gewächse treten erst jetzt auf, und das Tal oberhalb Yülinpu war bereits ungemein lieblich durch die Menge der Vegetation ; auch die Schluchten des Tsz' pai sind zwischen den Felsen viel bewachsen. DerAnbau reicht sehr hoch hinauf. Die Schweinezucht fängt an, sich bcdenkhch zu mehren; sie bringt nicht melir die bessere Rasse von Kansu und Schensi hervor, sondern das gemeine chinesische Schwein mit faltigem Gesicht und lang herab- hängendem Bauch. Ein anderes Symptom des Südens sind die Enten. Bis hierher hatte ich gar keine gesehen ; heute traten sie auf, und zwar gleich in großer Menge. Geräucherte Enten werden massenhaft von Hantschungfu nach dem Norden getragen. Schafe existieren nur noch als Familienmitglieder. Fasanen sind noch immer in Scharen vorhanden und lassen sich leicht schießen.
Von Lasttieren hat das Kamel natürlich ganz aufgehört: west- lich von Singanfu sah ich noch einige Züge, aber welche jämmer- lichen Gestalten im Vergleich mit denen weiter im Norden ! Mit Eseln ist es auch aus ; man sieht nur noch wenige und meist kümmerliche Exem- plare, die sich mit den lebhaften Tieren von Schensi nicht vergleichen lassen. Mongolische Pferde sind auch nicht mehr zu sehen, nur noch die kloinen allerliebsten Sz'tschwan- Ponys; meine abgemagerten
234 Die letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tschüugtufu.
Klepper beginnen durch ihre Größe Staat zu machen. Die Maultiere auf dieser Straße sind vorzüglich; sie kommen meist von Schensi und Ninghia. Das Haupt-Lasttier aber ist hier der Mensch. Die Leute tragen die Lasten meist auf dem Rücken, und zwar bis etwa 80 kin. Der bedeutende Frachtverkehr auf dieser Straße von Hantschungfu 1 bis Kweitschönn wird fast ganz in dieser Weise vermittelt.
Eine Merkwürdigkeit, welche gestern zum erstenmal an den Ge- hängen südlich von Santschayi erschien, sind Höhlen im Gestein, die an den unzugänglichsten Stellen 30 — 125 m über dem Talboden an- gebracht sind: stets in Gruppen von 20 — 100 zusammen und ganz unregelmäßig zerstreut. Sie sind hier in den Schiefer ausgehöhlt. Ich kann keine Auskunft über die Zeit und den Zweck ihrer Anlage er- halten: die Leute hier wissen nichts davon. Als die Taiping kamen, dienten sie der Bevölkerung als Zufluchtsorte. 26. Januar. Die Gebirge nehmen zwar an absoluter, aber nicht an relativer
Höhe über dem Tal ab. Könnte man die Landschaft von einer Höhe aus überblicken, so würde man ein Meer von Gipfeln in breiter Zone angeordnet sehen. Die Wasserläufe sind ohne Talboden tief und scharf eingeschnitten, ebenso alle Seitenschluchten. Dörfer gibt es nur an der Straße; diese selbst windet sich an den Gehängen hin und steigt oft über felsige Vorsprünge hinweg. An den steilen Gehängen wird noch Anbau getrieben, der aber an Areal sehr beschränkt ist. Von Löß ist nur noch ein klein wenig an einigen Stellen vorhanden.
Nun erscheint Granit. Das Tal wird sofort enger und ist mit Felsmassen bestreut. In der einzigen Erweiterung liegt Liupating: eine schöne Umfassungsmauer mit nichts als ein paar elenden Hütton darin und einer kleinen Vorstadt mit einigen Kramläden und Wirts- häusern. Trotzdem werden die Tore jede Nacht geschlossen. Die Lage des Ortes in dem Granitkcssol ist romantisch, aber um der Granit- gebirgslandschaft den anziehenden Charakter zu geben, die sie ge- wöhnlich in Europa hat, fehlt es an Vegetation, vor allem an den Nadel- holzwäldern, die so schön gegen das Starre der Wände und Blöcke des Granit abstechen.
Romantische Landschaft. 235
Heute bemerkten wir die ersten immergrünen Sträucher und ' Bäume; inSchensiundSchansihabeichkeinegesehen. Es seh einen Mjtt- thaceen und Laurineen zu sein. Sie beginnen in einer Meereshöhe von ungefähr 27.00 engl. Barometerstand und erschienen gleich in Scharen. Sofort macht sich auch schon Chamaerops bemerklich.
Das war ein prächtiger JVIorgenspaziergang bei — 2^0 und war- 27. Januar. mem Sonnenschein, hinab in wUdem Felstal! Matau, unser Ziel, ist ein Marktflecken mit vielenWirtshäusem und Kleinhandel. Die Schwierig- keiten des Weges sind hier überstanden, und meine Leute baten um einen halben Kasttag. Pferde und Esel mußten beschlagen worden, und alles Zeug wurde ausgebessert. Die durchschnittliche Richtung war heute SzW mit vielen kleinen Krümmungen. Der Fluß strömt in einer engen Felsschlucht, die Berge erheben sich steil und wild bis zu 600 — 800 m über dem Tal; Anbau ist nur in ganz kleinen Fleckchen vorhanden, umsomehr spontane Vegetation zwischen den Felsen und über den Felswänden. Die Straße führt am rechten Ufer hin und hat manche steile An- und Abstiege über Felsen zu überwinden. Zuletzt setzt sie über einen kleinen Zufluß auf einer Kettenbrücke, der ersten dieser Brücken, die ich hier sehe. Sechs Ketten von 15 m Länge sind in geringem Abstand voneinander ausgespannt und mit Brettern belegt. Die Brücke ist schwankend und für Tiere nicht ungefährlich.
Metallführung ist in allen diesen metamorphischen Gebirgen nicht bekannt ; Gold wird im Haupttal nicht gewaschen. Es ist wahrschein- lich diese breite metamorphische Zone auf der Südseite, welche das Gebirge im Westen und Osten so unzugängHch macht. Die sanftesten und anbaufähigsten Gegenden sind hoch oben.
Dem bisherigen Chai-akter getreu wird die Schlucht um so 28. Januar, wüder, je weiter man in ihr hinabgeht. Die heutige Strecke war land- "~i schaftlich die großartigste und für die Straße die schwierigste. Hier ' ist diese in der Tat, wie Marco Polo berichtet, an Felswänden entlang aufgedämmt, zum Teil mit Pfählen unterstützt, und die uralten Strecken haben an schlimmen Stellen noch die aufgemauerte Brüstung von 1 Fuß Höhe, die er beschreibt. Diese Strecken sind die besten. Im
236 D'6 letzte große Reise. 2. Von Siugaufu nach Tschöngtufu.
übrigen ist die Straße zwar sorgfältig in Reparatur erhalten, aber doch so schlecht und so schwierig und gefährlich für Packtiere, daß ich meinen Leuten ihren Wunsch, schon nach einer Station von 70 li ein- zukehren, gewähren mußte. Die Wildheit des Gebirges rührt teils vom Gesteinscharakter her, teils daher, daß es an absoluter Höhe nur wenig abnimmt, die relative Höhe daher talabwärts zunimmt. Die Gipfel, die sich hier zu Rücken gestalten, ragen noch immer 900 bis 1200 m über die Talsohle auf: natürhch nur etwas weiter abgelegene Höhen, die durch die Schluchten sichtbar werden; die Schätzung ist bei ihnen ungenau. Nach der chinesischen Karte hatte ich schon weit nördlich von hier den Anfang einer großen Ebene erwartet; stattdessen finde ich die schroffsten Alpengebirge. So ungenau sind die Quellen, denen wir die Topographie von China bisher entnommen haben! —
15 li unterhalb Tsingkiaupu windet sich der Strom durch eine Fclsklamm von großartiger Wildheit: die starren Gneiswände, der Strom in der Tiefe und die belebte Straße, an den Felsen sich hin- windend, gewähren ein prächtiges Bild. Die Klamm wird durch einen besonders festen Gneis verursacht, der von dem sonstigen Gneis der Gegend abweicht, indem er größere rote Orthoklas-Krystalle führt. Er ist granitartig und ungemein fest; die Straße ist zum Teil in ihm aus- gehauen. Der Fluß windet sich gegen SO in regelmäßigen Windungen. Die Abhänge werden nun etwas milder, und stromabwärts sieht man die dem Glimmerschiefer eigentümliche coulissonartigo Verschiebung, wenn er quer gegen die Streichrichtung, wie hier, durchbrochen ist. Aber seitwärts vom Strom sind noch hohe, wUde Gipfel, und daß die Schlucht unwegsam ist, wird dadurch angedeutet, daß die Straße, um Pautschöng zu erreichen, einen Paß übersetzen muß.
Mein Rastort ist eine kleine Häusergruppe mit vier Wirtshäusern der kleinsten Art. Der Wirt und seine Frau mußten ilir Zimmer ver- lassen, um mir Quartier zu machen, und dies ist so luftig, als ob es unter freiem Himmel wäre. Die Taiping haben auch auf dieser Straße bis gegen Fönghsien hin fast alles zerstört. Man hat wieder aufzubauen begonnen und baut noch unter Benutzung der alten
"Wildheit der Täler. 237
Trümmer, aber das Geld scheint für gute Wohnungen noch nicht zu reichen, und die Wirtshäuser entbehren jeden Comforts.
Von dieser Straße gestalten die Leute die Sage wie folgt : Vor 2000 Jahren lebte ein Mann aus Schansi, Liu hansin, von ungemeiner Kraft. Er verdankte diese dem Umstand, daß er von einem Tiger ge- fressen wurde und lebendig wieder herauskam (also ähnlieh wie Jonas). Er wird nun zu einer Art von Herkules. Seine größte Tat ist die Be- siegung des Wasserdrachen (schui lung). Er gewann Anhang und machte sich als König von Sz' tschwan vom Kaiser unabhängig ; der Kaiser aber hielt die Wasserstraßen besetzt. Um nun doch Zugang zu den nördhchen Provinzen zu erhalten und diese für sich zu gewinnen, ließ jener diese Gebirgsstraße bauen und ging dann nach dem Norden, wurde aber gefangen genommen. Der Hau sin Ung in Schansi *) ist nach ihm benannt, und in einem Tempel daselbst wird sein Bildnis aufbewahrt. Die Straße wird hier nur die petalu (Große Nord- Straße) genannt. Es gibt von Si ngan fu noch eine zweite, um vier Tage kürzere Straße (Siaulu = Kleine Straße) nach Han tschung fu ; sie ist aber im Winter wegen des vielen Eises für Packtiere ungangbar. Außerdem gibt es noch einzelne Fußwege über das Gebirge, aber ohne Unterkunftshäuser.
Bei der Fracht über das Gebirge nehmen Reis, Zucker, Seide und Medizin die erste Stelle ein, alles von Süd nach Nord ; außer- dem gehen in gleicher Richtung: Papier, Tischlerleim, Vermicclli usw. Die meiste Fracht geschieht durch Lastträger. Ein Mann erhält für seine Last, etwa 80 — 100 kin, von Han tschung fu bis Kweitschönn (600 li) 3 — 4 tiau. Rechnet man 80 kin und 3 tiau, so ergibt das den gewöhnlichen Preis für Landtransport von 6 Cash pro 100 kin-li. Maultiere kosten etwa 1 tiau pro Tag. Rechnet man 200 Kin für die Maultierlast und 80 li auf den Tag, so ist der Preis in beiden Fällen gleich. Schensi schickt nach Sz' tschwan Felle, Wolle und BaumwoUe.
Über das Klima dieser Gegend ist schwer etwas zu erfahren.
•) s. Band I, S. 529, 535 f. und oben S. 183.
238 Die letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tscliöngtufu.
Die Flußbetten zeugen von gelegentlich sehr bedeutenden Fluten, die aber wahrscheinlich von kurzer Dauer sind. In Sz' tschwan war Trockenheit, das Jahr unfruchtbar. ZuweUen sollen hier Hagelfälle von furchtbarer Heftigkeit vorkommen. Der Schneefall im Gebirge erreicht zuweilen "25 — 50 mm, aber nicht mehr. 29. Januar. Die Straße bleibt eine echte Bergstraße bis zum letzten Zoll und
schließt mit einer der steilsten Passagen auf der ganzen Strecke. Zu- nächst führte sie noch 10 li zum Boden der Sclilucht hinab. Der Fluß stürzt bald brausend über Felstrümmer, bald bildet er ruhige Becken von dunkelgrüner Farbe.
Der GUmmerschiefer-Engen konnte man nach Felssprengungen Herr werden, und es sind darin einige kühne Passagen ; der Quarzit aber bildet eine Schlucht, in der eine Straßenführung unmöglich ist. Die Straße verläßt daher den Fluß und windet sich etwa 300 m am Gehänge hinauf nach dem Tor Kitöukwan. Dies ist eine antike Straßenstrecke, 1'^j^ — 3 m breit, in Treppen gebaut und mit einer Brüstung versehen. Hier hat keine erhebliche Zerstörung stattgefun- den. Am Kitöukwan öflfnet sich der Blick auf den Talboden von Hantschungfu. Bei klarem Wetter muß die Aussicht prächtig sein. Das südliche Gebirge beginnt wieder etwa 70 li südlich von Han- tschung. Das einzige, was ich darüber erfaliren habe, ist, daß etwa 150 li südlich von der Stadt Stalil in Barren gemacht wird, der stark nach Schensi geht.
Pautschöng ist ein kleines hsien, recht hübsch grade am Rande der Ebene gelegen. Der Paitsanghö, bisher ein reißender Bergstrom, schleicht nun in breitem sandigem Bett fort, dem Hankiang zu. Die Straße nach Hantschungfu, die weiter nach Sz' tschwan führt, übersetzt den Fluß gleich talaufwärts und erreicht den Hau-FIuß weiter oberhalb, wo sie mit der Straße von Hantschungfu zusammentrifft. Es war in Hwangschatschönn, meinem Unterkunftsort, eben Markt, und eine Menschenmenge wogte auf der Straße ; doch kamen wir gut durch. Hier kehrten wir in einem äußerst elenden Wirtshaus ein : unser Lager ist wieder an freier Luft ; es war auch schwer, die neugierige Menschen-
Die Ebene von Han tschnng fn. 239
menge abzuweisen. Der Lehm der Gehänge bildet hier eine breite allu- viale Abdachung gegen das Tal, aber gänzlich ohne die steilen Ab- bruche des Löß. Der Boden gleicht ganz dem, welcher den Löß gewöhnlich unterlagert, wo er dick liegt. Im Osten zieht sich die Terrasse noch viel weiter hinab und scliheßt vielleicht die Ebene ab. Das Alluvial- Tal ist dicht bevölkert: nur große Dörfer, zwar von den Taiping, die hier drei Jalire lang hausten, stark mitgenommen, aber doch von Menschen wimmelnd und großenteils wieder aufgebaut. Der Schmutz der Häuser und Straßen beginnt, sobald man das Ge- birge verläßt.
Reis, Weizen, Baumwolle, Ojiium, Tabak, Hülsenfrüchte sind einige der Hauptgegenstände dos Anbaues in der Ebene von Han- tschungfu. Orangen gedeihen gut; man hat hier auch gute kleine Mandarinen-Orangen. Der Han hat ein etwa 1000 m breites sandiges Bett und fließt jetzt mit einigen Stromschnellen, wird aber mit Booten befahren, die jetzt 1.5, im Sommer 30 — 40 Pikul laden; sie gehen 700 li weit abwärts.
Am Morgen zeigte sich, grade nördlich von Hwangscha, ein 30. Januar, hoher stumpfer Gipfel, der einen Teil des Gebirgsrandes bildet und weit über die anderen Teile desselben ansteigt ; ich schätze ihn auf mindestens 1500 m über dem Han -Tal. Er wurde mir als Wutsüen- schan angegeben. Ein gemeinsamer Name für das Gebirge existiert hier nicht. Talaufwärts sieht man hohes Gebirge in der Ferne. Von hier aus lagert sich dem Abfall des schroffen Gebirges ein sanftes, durch seine rötliche Färbung ausgezeichnetes Hügelland vor, das sich gegen Mienhsien hinzieht und das Tal abschließt. Die zweite Abschlußlinie ist südlich vom Han-Fluß : unweit Han tschung fu endet ein Gebirge, das sich dem Fluß entlang erstreckt und sich mit sanften Formen und Höhen 600 — 800 m über das Tal erhebt.
Das Tal von Mienhsien bildet eine 90 li lange Bucht zwischen diesen beiden Gebirgen; darin finden das Sandbett des Han, ein fruchtbares AUuvial-Land, eine lehmbedeckte Schotterterrasse und eine Lehmabdachung Platz. Auf der Sti'aße war ein fortwährendes Strömen
240 Die letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tschöngtufu.
von Menschen, besonders in der Nähe von Tsaiyuentsz', einer wim- melnden Marktstraße von 3 li in der Länge. Hier war eine Art Weih- nachtsmarkt wegen des herrannahenden Neujahrs : eine Reihe bunter Kramläden mit Gegenständen aller Art hatte sich aufgetan. Die Leute benahmen sich durchaus anständig. Mienhsien im äußersten Winkel des Tales, dort wo der Han das Gebirge verläßt, ist wieder einmal eine Umfassungsmauer ohne Häuser, denn die Taiping haben alles dem Boden gleich gemacht. An dem östlichen Tor aber ist eine neue Stadt ohne Torschluß entstanden.
Schon bei der Annäherung sieht man gegen W 20° S eine tiefe, gradlinige Furche im Gebirge : das ist der Lauf des Han. Der Weg führt am linken Gehänge aufwärts ; an dieser Seite ist es sanft, am rechten Ufer schroflf und hoch. Talboden ist nicht vorhanden, nur das Bett des schiffbaren Flusses. Die Straße hat viele kleine Runsen und weiche, queUige Stellen zu überschreiten. Sie war wahrscheinlich in sehr schlechten Zustand geraten und ist soeben ganz neu gebaut worden : die einzige neue Straße, die ich in China gesehen habe, ein Werk des Mandarin von Hantschungfu, das ihm alle Ehre macht.
Wir begegneten vielen Auswanderern von Sz' tschwan mit Weib und Kind und Kessel. In dieser Provinz sind drei Mißjahre gewesen, und daher herrscht gi'oße Teuerung. Sie gehen nach Hantschungfu und besonders in die Gebirge, um Land zu bebauen. 300 li von hier soll ein Ort Tielutschwang liegen, wo viel Stald gemacht wird; 300 Soldaten sind daselbst stationiert, angeblich zum Schutz gegen die zahlreichen Arbeiter in den Stahlwerken. Stalil wird noch an zwei Orten jenseits Hantschungfu gemacht. Die großen Leimtransporte nach Schensi und Schansi kommen von einem Orte im Gebirge, 240 li von Hantschung. Daselbst wird eine Pflanze mit Knollen stark angebaut; der Leim wird durch Kochen der Knollen mit Schweinshäuteu, altem beschriebenem Papier, Kalk usw. gemacht. Die Fabrikation soll sehr bedeutend sein. 31. Januar. Der Fluß verläßt bei Sinpuwan den Gebirgseinschnitt und
wendet sich südlicli, um bei Tai ngan yi in denselben zurückzukehren.
Den oberen Han-Fluß aufwärts. 241
Die Straße folgt der Richtung des Einschnittes über mehrere Sättel und über die oberen Enden von Reisfelderschluehten hinweg ; man sieht den Einschnitt noch weit nach W 30° S fortsetzen. Es ist einer der schönsten gradlinigen Talwege durch hohes Gebirge. Tainganyi ist ein lebhafter Marktplatz, dazu feste Station von acht Bataillonen, also etwa 4000 Mann: es sind Truppen von Hunan und Sz'tschwan. Die Straße war dicht voll Meuschen, und auf einem großen freien Marktplatz war es wie ein Ameisenhaufen: wohl 4000 Menschen, in einen Knäuel zusammengedrängt, waren mit Kaufen und Verkaufen beschäftigt. Wir passierten jedoch ganz ohne Belästigung.
Die Sz' tschwan-Straße betritt nun eine enge Querschlucht, er- reicht nach 20 li das Dorf Kwan tschwan pu und fühi-t von da durch eine Kalkstein-Klamm. Heute sah ich viele Tung-Bäume. Der An- bau erstreckt sich bis zu den höchsten Höhen : alles abschüssige Felder; Reis wird gebaut, wo immer nur möglich. Man bemerkt hier auch zahlreiche Wassermühlen. Unter den Leuten herrscht viel Armut.
Der Ort Süenkiaping ist eine kleine Häusergruppe in enger I.Februar. Schlucht. Hier beginnt der Anstieg nach dem Wu ting kwan-Paß, der 300 m über dem Dorf liegt; es geht in eine tiefe Schlucht hinein.
Über den Paß des Wu ting kwan erfahre ich folgende hübsche Anekdote, die mir als ein Stück wirklicher Geschichte angegeben wird. Sz'tschwan war einst von Mantsze bewohnt, während die Lölö walirscheinlich schon damals in den Gebirgen lebten. DerMan- tsze-Herrscher residierte in Tschöngtu. Da kam Kaiser Tsinschi- hwangti*) von Singanfu auf damals schon existierenden Gebirgs- wegen in das Han tschung-Tal und wollte nach Sz' tschwan vordringen, fand aber die Gegend zu unwegsam, um weiter zu gehen. Da schickte er Gesandte zu dem Mantsze-Herrscher und ließ ihm sagen, er bringe ihm Geschenke, um Freundschaft anzuknüpfen. Diese Geschenke seien zwei Kühe, welche zwar auch Gras fräßen wie andere Kühe, aber nur reines Gold entleerten. Es kamen fünf Abgesandte — die
*) s. 0. S. 211, 219.
Richthofen, Tagebücher, II. Band. 16
24"2 Die letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tschöngtufu.
„wuting" — , um die Kühe in Empfang zu nehmen. Der Kaiser aber erklärte, daß diese Kühe eines schönen breiten Weges zum Reisen bedürften, auch nur auf Brücken über die Gewässer gehen könnten. Die Gesandten berichteten getreulich zurück, und der Mantsze-König ließ die schöne Straße bauen, welche jetzt noch von Tschöugtu bis zum Wuting kwan fülu't. Tsin schi hwang brachte die Goldtiero in Gestalt seiner Soldaten und nahm von dem Lande Besitz. Aus jener Zeit datiert die erste Niederlassung der Chinesen in Sz' tschwan.
Schon während der Han-Dynastie okkupierten sie das Tal von Tschöngtu und die übrigen festen Plätze. Das Tal stromabwärts, die Gegend von Kiatingfu und Sütschoufu, bheb jedoch noch lange von den Mantsze besetzt, welche zuletzt in den Höhleu und Fels- wänden wohnten.*) Fast 400 Jahre nach der ersten Unterwerfung schwang sich Liupi zum Herrscher auf, nach einigen ein Mann von Schansi, nach anderen von Hönan. Er hat das Verdienst, zuerst Yün- nan und Kweitschöu geöffnet und unterworfen zu haben. Außerdem baute er an Stelle der fast ungangbaren kleinen Pfade früherer Zeit die große Tapelu von Pautschönghsien bis Paukihsien (auch Tsan tau, das ist: Stationenstraße genannt). — Als Provinz wurde Sz' tschwan dem chinesischen Reich erst unter der Sung-Dynastie einverleibt.
Wir begegneten heute der tibetanischen Gesandtschaft, welche dem Kaiser den Tribut bringt. Ein hoher Abgesandter, von den hiesi- gen Leuten als „wang"**) betitelt, in gelbem Gewand, wird in einem Kuppelstuhl getragen; um ihn sind ixngefähr 20 höhere Lamas in roten vom Kopf herabhängenden Gewändern und 30 Mann Dienerschaft zu Pferde und zu Fuß. Über 150 Packmaulticro mit je 200 — 220 kin Last tragen soi'gfältig in Häute eingenähte Güter, wahrscheinlich die Geschenke für den Kaiser. Das bedeutende persönliche Gepäck wird meistens nach Art der Tragstühlo von den Kulis getragen. Das Ge- päck hat rote Flaggen. Die Gesandtschaft war seit mehreren Tagen
*) Diese verlassenen Felsenwohuungeu bat Klchtliofen später auf der Fahrt den Min kiang abwärts selbst gesehen, wie er in einer kurzen Tagebuch-Notiz vermerkt. **) = Prinz oder König.
Eintritt in die Provinz Sz'tschwan. 243
der Schrecken der reisenden Kaufleute und Maultiertreiber, da alle Maidtiero aufgehalten und rücksichtslos in den Dienst der Lamas ge- preßt werden. Vor Pautscliöug traf ich einen Kaufmann, der seine Güter auf Maultieren von Peking nach Tschöngtufu führte. Er be- schwor mich, ihn in die Stadt zu eskortieren und seine Tiere als die meinigen anzugeben, was ich jedoch ausschlug. Er wurde in der Tat angehalten: seine Tiere wurden etwa eine Woche lang bereit gehalten und dann für die Lamas nachTunghsien verwendet, so daß der arme Mann wohl 20 Tage wai-ten mußte, ohne irgendwelchen Schadenersatz zu erhalten. Am meisten sprechen die Yamen-Leute ihren Ärger aus, da sie en masse tagelang in dem jetzigen gräßlichen Schmutz die rote Gesellschaft eskortieren mußten. Die roten Mäntel machen sich in der Gebirgslandschaft malerisch, das Dienstvolk aber ist sehr schmutzig. Der Neubau der Straße von Mienhsien an soll wesentlich für die Lama-Gesandtschaft ausgeführt worden sein.
Endlich haben wir die Provinz Sz'tschwan betreten. Die Straße 2./3.Februar. folgt noch immer demselben Bach abwärts, aber er ist in seinen Krümmungen so steil in die Schichten eingeschnitten, daß der Weg die Querriegel mit steilem An- und Abstieg überschreiten muß, da er neben dem Bach keinen Raum findet. Die Strecke vom Paß Wutingkwan an ist voll sehr schlechter Stellen und viel weniger sorg- fältig angelegt als die Tsingling-Straße. Oft geht es auf Treppen aus einem durch langen Gebrauch glattgeriebenen Kalkstein hinauf, zu- weilen 40 — 50 Stufen auf einmal, und daneben ist ein steiler Absturz. Es ist wunderbar, wie geschickt die Packtiere solche Stellen überwinden.
Bei Aufwand von etwas Zeit und Mühe könnte hier eine sehr reich e Sammlung von wohl erhaltenen Versteinerungen angelegt werden. Kiau tschang pa und Schönnsüenyi wären geeignete Ausgangsplätze für den Sammler. Die großen Korallenstöcke liegen vollständig frei herausgelöst in prachtvoller Erhaltung herum. Mit der tellerförmigen Unterseite nach außen gewandt dienen sie als Ziersteine an den Mauern vor den Häusern. Es ist die reichste Petrefakten-Lokalität, die ich in China kennen gelernt habe.
16*
244 Die letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tschöngtufu.
Land und Leute in Sz' tschwan lassen bis jetzt nichts zu wünschen. Die Landschaft ist reizend : mit Gebüsch bewachsene Hügel lehnen sich an das steile Mauergebirge nördlich an; weiter nördlich ragen einige hohe und schroffe Kuppen auf. Die Leute benehmen sich mit Ruhe und Anstand. Ich bin nie mit woniger Belästigung in China ge- reist als von Singanfu bis hierher. Allerdings sind dies Gebh'gsbe- wohner. In den großen Tälern wird es wohl anders werden, wie sich auch schon im Han tschung-Tal die Neugierde unangenehm bemerkbar machte. Die Dörfer sind besser gehalten als in Schensi, dieWirtshäu.ser nicht mehr ganz so jämmerlich, wie sie dort durchweg waren. Noch immer kommen Züge von Auswanderern vorbei, die durch die Teurmig aus Sz' tschwan vertrieben sind : meist große Familien. Großvater und Großmutter werden auf dem Rücken getragen, die kleinen Kinder bis zu sechs Jahren in zwei Körben am Bambusstock. Auch die wenigen Habseligkeiten werden von den Leuten selbst geschleppt. Alle gehen nach dem Han-Tal, die Vermögenderen, um Land zu kaufen und anzu- bauen, die Ärmeren, um Kleinhandel zu treiben. 5. Februar. Ich machte heute einen Rasttag zum Besten meiner Packer und
ilirer Maultiere, da alles ermüdet war. Der teuren Futterpreise wegen können die Leute es nicht auf ihre eignen Kosten tun. Da sie in jeder Beziehung ganz vorzüglich sind und nie die geringste Schwierig- keit machen, gewährte ich ihnen die Gunst.
Dies ist eine wilde Gebirgsgegend. Die Schichten steigen zu einer Reihe paralleler Ketten au, die den Kialinghö übersetzen und von ihm in schroffen Engen durchbrochen werden. Die engen Berg- pfade können dem Fluß nicht folgen und müssen hoch über die Kalk- rücken hinwegführen. Die Rücken sind alle aus Kalkstein und sehr schroff, die weichen Scliiefer bilden Mulden dazwischen. Die Gegend ist spärlich bevölkert; im Süden insbesondere sollen weite Strecken wegen der wilden Tiere (Schweine, angeblich auch Tiger) ganz un- bewohnt sein. Man baut Weizen, Erbsen, Bohnen, Kartoffeln, pflanzt auch viele Tung-Bäume. Alles ist schön bewachsen, zum Teil mit Laubholz.
Das Randgebirgre vou Sz'tschwan.
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Heute ging es am Kialinghö weiter abwärts in südlicher Rieh- 6. Februar. tuDg, das Gepäck mit einem Boot auf dem Fluß, da diese Wegstrecke hei den Packern verpönt ist. Der Himmel war hedeckt, aber die Luft klar. Es war eine genußreiche Tour, landschaftlich reich an groß- artigen Ansichten, geologisch von hohem Interesse. Sie bezeichnet den Übergang vom System des Tapaschan nach dem Becken von Sz'tschwan. Der Gebirgsbau erscheint einfach und ist doch schwer zu enträtseln.
Erst geht es über einen hohen Berg, dessen höchste Stelle am Tschau tienkwan, 350 m über dem Ort Tschau tien, liegt. Der Kalk- stein ist hier nämlich zu einer Welle aufgebogen, und der Kialing- kiang*) durchsetzt diese in einer engen Spalte, deren Wände senkrecht 350 m aufsteigen. Die Straße hinauf ist mit Sorgfalt angelegt: ein breiter Weg in zahlreichen Windungen mit vielen hundert steinernen Stufen, nach außen mit aufgemauerter Brüstung versehen. Jenseits geht es wieder steil hinab nach dem Kessel von Lungfangköu, 20 li von Tschau tien, wo rechts ein schluchtenreiches Tal mündet, das aus hohem Gebirge kommt.
Damit ist Kwangyuenhsien erreicht. Blickt man zurück, so sieht man erst das niedere regelmäßig geschichtete Hügelland der Kohlenschichten mit langgedehnten Südgehängen und steilen Quer- durchbrüchen, dahinter das höhere dunkle Gebirge der älteren For- mationen mit laugen ebenen Proüllinien, die den langen Höhenrücken entsprechen. Kwangyuen ist ein Knotenpunkt für den BQeinhandel einer umfangi'eichen Gegend. Zwischen Stadtmauer und Fluß zieht sich eine lebhafte Handelsstraße hin, dicht gedrängt voll Kaufläden und Menschen ; ich sah aber keinen Handelsartikel, der die Aufmerk- samkeit besonders fesselte. Die Leute waren ebenso vernünftig wie an den kleinen Orten, die ich bisher passiert hatte : ein wahres Mustorvolk.
Heute haben wir nur eine kleine Wegsti'ecke am Kialingkiang 7. Februar.
*) Derselbe Fluß wie der Kialinghö. hö und kiang bedeuten beide „Fluß" ; das erstere ist mehr im nördlichen, das letztere mehr im südlichen China gebräuchlich ; vergl. Hwang ho und Yang tsze k i a n g , die auch einfach Hö und Kiang genannt werden.
'246 Die letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tscliongtufu.
abwärts gemacht. Die Berge waren in Nebel gehüllt, das Wetter war regnerisch. Meine Leute behaupteten, hinter diesem Ort einen Berg passieren zu müssen, der bei Regenwetter schlüpfrig und ungangbar sei, und wünschten hier zu bleiben — wahrscheinlich ein Vorwand, um das Neujahr an einem größeren Orte zuzubringen. Südlich von Kwangyuen legt sich dem Kialing der gestern erwähnte Bergrücken in den Weg und zwingt ihn, seinen Lauf ihrem Nordabhang entlang nach WSW zu nehmen. Er windet sich, selbst zu dieser Jahreszeit ein kräftiger Strom, in einigen großen Bogen zwischen diesem Steil- abfall und den sanften Gehängen, die sich im Norden gegen ihn herab- ziehen.
Die Landschaft ist anmutig, nur sind die Baumgruppen nicht groß und dicht genug. Das Gestein wäre das geeignetste für Land- schaften ä la Japonaise ; mit japanischer Vegetation und Staffage wäre die Gegend zauberisch. Die Berge sind zwar bewachsen, aber man läßt die Vegetation nicht frei aufkommen. Eine in China auf- fallende Eigentümlichkeit ist es, daß es hier keine geschlosseneu Dörfer gibt, sondern daß nui- kleine Häusergruppen und Gehöfte allent- halben zerstreut sind : dies gibt einen friedlichen Charakter. Auf den Feldern sind Reis, Weizen, Gerste, Hirse, Tabak, Saubohnen, Erbsen usw. zu sehen, kein Opium bis jetzt; auch fallen viele Maulbeer- und Tung-Bäume auf. Im Kialing kiang wird oberhalb und unterhalb von Kwangyuen Gold gewaschen.
Vor Tschau hwa wird der Fluß mit Booteu übersetzt. Die Stadt liegt etwa 5 m über dem Wasserspiegel; dennoch war am 17. Sep- tember vorigen Jalu-es bei einem plötzlichen Andrang der Gewässer die gauze Stadt überflutet, und das Wasser stand bis über die Dächer der Häuser. Die Katastrophe geschah am Tage, und die Einwohner hatten Zeit, nach den Bergen zu flüchten, aber der Schaden war groß. Die Spiuren sind noch allenthalben sichtbar. ,8. Februar. Die Straße übersclireitot nun den Gebirgszug im Westen des
Flusses. Der Anstieg ist lang und zum Teil steil. Es bieten sich schöne Aussichten dar, heute war allerdings alles nur nebclliaft erkennbar. Hier
Vegetation und Besiedelung. 247
ist jeder Fleck des Bodens angebaut: Reisfelder ziehen sich bis hoch hinauf, Orangenbäume sind zahkeich und jetzt zum Teil mit Früchten bedeckt. Dahinter kommen erst die Vorhöhen der Kohlengebh'ge, dann die hohen KalkschrofFen.
Man erreicht die Paßhöhe 32 li von Tschau hwa an einer Stelle, wo in der Fronti-eihe des Abfalles einzelne Felsobelisken, von dem Eest der Schichten getrennt, aufstarren ; sie sind mit Tempeln gelcrönt und voll von Baumwuchs. Von da geht es noch 8 li abwärts in ein nach SO abfließendes Schluchtensystem ; dai'in liegt, zwischen steile Gehänge eingeschlossen und über noch steileren Wänden, das Dorf Tamuschu, das wesentlich aus Gasthäusern besteht, da es eine der Hauptstationen ist. Wir verbrachten das chinesische Neujahr an diesem kleinen stillen Gebirgsort.
Auch heute reisten wir bei Tauwetter und leichtem Schneeregen, 10. Februar. Die Straße hat viele kleine Auf- und Abstiege, alle mit Stufen, die zum Teil steil und im ganzen schlecht sind; doch kommen keine großen Niveaudifferenzen vor. Es geht im ganzen in südlicher Rich- tung. Der tiefste Ort istTschikungsz', 30 li von Tamuschu und. etwa 250 m tiefer gelegen. Dieses kleine Dorf hegt am Nordfuß überaus markierter schroffer Nordabstürze. In ihnen öffnet sich ein Tor; der Weg führt über ein wildes Labyrinth von Folsblöcken nach diesem hinein und erreicht es 150 m über dem Dorf. Hier ist im Felsentor noch ein Mauertor erbaut, das Kienkwan.
Überraschend durch seine fi'emdartigen Umrisse ist der Anblick des Kienkwan-Zuges: in langer grader Linie steigt eine 150m mächtige Konglomeratbank nach Norden an. In ungleichen Höhen (250 bis 300 m über dem Dorf Kienkwan) ist sie entlang der ganzen Linie ab- gebrochen und durch eine Anzahl teils geringer Einkerbungen, teils tiefer Einschnitte, ähnlich dem Kienkwan, wie eine Säge in eine Menge schroffer Abteilungen getrennt. Überblickt man den gan- zen Zug, so gleicht er ganz einer Reihe mächtiger Eisschollen, die auf eine gradlinige Reihe von Eisböcken aufgeschoben sind und ihre gezackten, rechtwinklig abgebrocheneu Enden nach oben kehren.
248 I^'S letzte große Keise. 2. Von öi ngan fu nach Tschüug tu fu.
Besonders auffallend durch seine Foi-men ist ein Teil des Zuges, etwa 15 — 18 km von Kienkwan, wo die Sehollen wie eine Reihe von sechs oder sieben Haifischzähnen anstehen.
Diese Zone scheint durch verzweigte tief eingerissene Scliluchten fast ungangbar zu sein und ist wahrscheinlich der schwierigste Teil aller Passagen südlich von der Kwangyuen-Linie. Es ist zwar alles irgend anbaufähige Land zwischen den vielen Felsmauern und Steil- wänden benutzt, und es sind Häuser und kleine Dörfer überall zer- streut; aber im ganzen ist die Zone des Schollengebirges trotz seiner geringen absoluten Höhe doch eine rechte Gebirgswildnis. Von Mauer zu Mauer dacht sich dann ein weicher roter Tonboden sanft ab. Diese natürlichen Terrassen sind noch durch künstliche vermehrt, da die flachen Tonböschungen für den Feldbau noch sämtlich von Menschen- hand terrassiert sind. All dieses Gelände ist lose mit großen Blöcken der festen Sandsteine bestreut; dazwischen sind einzelne Wohnhäuser und Gehöfte versprengt, sehr selten größere Häusergruppen. Sonst fehlt der Gegend jeder Schmuck. Außer dem Tung-Baum und Bam- bus ist der eigentliche Baum dieser Landschaft die Cypresse, die zu- weilen in größeren Gruppen, meist aber nur in einzelnen Exemplaren an den Gehängen zerstreut ist. Die Landschaft ist aber so eigentüm- lich und hat einen so friedlichen Charakter, daß man gern in die Täler hinabblickt. Im Frühling muß der Anblick sehr freundlich sein. Die Tal- verzweigungen sind so labyrinthisch, daß die Straße, um nicht fortdau- ernd einen Scheiderücken nach dem andern überschreiten zu müssen, sich soviel als möglich an die Hauptwasserscheide hält, wodurch sie allerdings zu Umwegen gezwungen wird. Für den Reisendon ist dies aber angenehm, denn man verliert sonst die gute Übersicht der Gegend. 12. Februar. Die Straße selbst ist einst mit Sorgfalt angelegt worden und hat
durch Alter nur stellenweise gelitten; sie ist 'l^j^ — 3 m breit, mit Sand- steinplatten gepflastert und bei jedem, auch dem leisesten Anstieg in Stufen gebaut. Manchmal gibt es Treppen von über 200 Stufen ohne Unterbrechung. Sie ist zu beiden Seiten mit der hiesigen Cypresse, meist uralten Stämmen, bepflanzt: einem malerischen Baum mit
Die Straße. 249
zerrissenem, meist etwas krummem Stamm und winkligem Geäste; die dunklen Zweige hängen lang herab, fast wie bei den Trauer- Cypressen von Tschekiang. Die Straße erhält dadurch steUenweis ein Tokaido*)-6epräge, niu' fehlt ihr das Leben desselben. Das Neu- jahr mag daran schuld sein, aber jetzt ist fast gar kein Verkehr auf der Straße ; auch in den Wirtshäusern klagt man über den Verfall des ehemaligen Verkehrs. Nach Kientschöu steigt die Straße tief hinab. In Ermangelung ebenen Talbodens schmiegt sich das hübsche Städtchen dem Bergabhang an. AUes ist jetzt geschlossen, da wegen des Neu- jahrs Handel und Verkehr ruhen. Es wird noch gratuliert: Männer und Frauen gehen in ihren besten Kleidern bei allen Bekannten her- um, an den Läden der Häuser kleben frische Neujahrszettel mit frommen Sprüchen und die Visitenkarten der Gratulanten , so daß man schon von außen sehen kann, wer am meisten beglückwünscht wird.
Die Straße übersetzt das Tal von Kientschöu, klimmt westwärts steil 2.50 m hinan, dann fast ebenso tief wieder hinab und findet nun wieder eine gewundene Linie von Wasserscheiden vor, die sie mit großem Geschick benutzt, um jenseits in ein anderes größeres- Tal- system zu gelangen. Sie behält die Höhe bis unmittelbar vor Wu- hsien, einem von oben recht hübsch aussehenden Dörfchen, nach dem sie steil hinabsteigt. Die Straße ist wie gestern: breit, gepflastert und mit mächtigen dichtbelaubten Cypressen bepflanzt; auch der Charakter des Landes ist genau so, wie ich ihn gestern beschrieb, nur sind die Rücken ein wenig niedriger. Das SchoUengebirge bleibt noch immer in Sicht und bildet einen bizarren. Hintergrund, besonders die Haifisch- zähne, die sich heute sehr klar präsentieren.
Ein heiterer warmer Frühlingstag! Dazu sehen auch die Felder 13. Februar, bereits nach Frühjahr aus, besonders die Gemüsegärten; die spontane Vegetation ist allerdings noch zurück. Das Reisen auf den Höhenrücken ist sehr angenehm : man blickt stets hinab auf die Täler und weithin über das Land. Nach 30 li schaut man zuei-st in das Tal des Tsz tung hö. Zum erstenmal in dieser Landschaft erscheinen grüne Alluvialbänder
*) Keichsstraße in Japan, zwischen Tokio und Kioto.
250 Die letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tsehüngtufu.
in den konvexen Biegungen des in großen Windungen sich schlängeln- den Flusses. An der Ostseite, auf der die Straße in die Höhe führt, ist der Abfall noch hoch und ziemlich steil, jenseits aber erhobt sich niederes Hügelland. Man überblickt ein großes flaches Becken. Nur durch das Nivellier-Instrument konnte ich erkennen, daß die Höhenlinien, wo sie jenseits zu einer Horizontallinie ineinander verlaufen, in gleicher Höhe mit den östlichen Wasserscheiden liegen und dadurch den Pla- teaucharakter wahren. Auch nach Süden hin ist er noch nicht ganz verwischt, dort ist aber die Höhe ein wenig geringer. Im Norden sieht man noch immer die Vorberge des Hochgebirges.
Das Dorf Schangtingpu liegt auf der Höhe, und man kann dort übernachten. Recht hübsch ist der Ta miau, ein Confucius-Tempel, teils durch die dunklen Cypressenhaine, in denen er liegt, teils durch die weite Aussicht, die sich von hier bietet. Beim Abstieg kommt man auf eine Terrasse, die die auf der großen chinesischen Karte an- gegebene Biegung des Flusses ausfüllt: sie besteht aus Schotter und Lehm, aus dem die roten Tonschichten noch inselartig auii-agen; damit beginnen größere Felder.
Tsz'tunghsien, meine Nachtstation, liegt sehr anmutig auf Allu- vialboden, am Fuß der Terrasse. Die Stadt hat ein wolilhäbiges Aus- sehen und zeichnet sich durch stark geschnörkelto Dächer aus; eine breite gepflasterte Sti-aße führt hindurch. Das Wirtshaus ist mäßig, aber die Leute belästigen uns nicht. Abends kamen Christen zum Besuch, von denen es hier etwa 50 gibt: Leute von sehr guten Manieren, anständig und verständig, die ersten Christen in dieser Provinz. Sie sind eine gute Empfehlung für die Missionare, nach flüchtigem Ein- druck weit besser als die von Schensi. 14. Februar. Das war heute ein allerliebster Weg bei prächtigem Wetter! Es
ist so recht frühlinglich. Hier sind nicht nur die Felder vollkommen grün, auch Gräser und Ki-äuter sprossen, und die Bäume knospen. Die Landschaft ist lieblich und wäre reizend, wenn es mehr Laubholz gäbe und irgend etwas, das imstande wäre, einen romantischen Zauber auszuüben.
Am Rande des „Koten Beckens". 251
Dio Gebirgswege habea mit Tsz' tung hsiea ihr Ende erreicht. Obwohl Höhenrücken (des Plateaus), etwa 350 m über den Dörfern, noch immer die Einfassung bilden, waltot doch fast durchweg Land mit selir sanften Neigungen vor: flache Täler ohne Alluvial- Land, aber mit Reisfeldern teiTassiert, verzweigen sich in schwer zu entwirrendem Netz zwischen niederen Hügeln. Alles dies ist angebaut mit Weizen, Gerste, Erbsen, Saubohnen, wenig Opium; Arachis*) wird eben ge- erntet. Die Reisfelder stehen noch unter Wasser zur Vorbereitung. Tabak, etwas Baumwolle, süße Kartoffeln, Bohnen usw. folgen später. Die Seidenkultur ist noch immer bedeutend. Obstbäume gibt es wenig: Kaki und Tsaurh'**) seit dem Eintritt in Scheusi überhaupt nicht, Birnen wenig, aber in vorzüglicher Qualität, ebenso Orangen, die ersten in China, die an sizilianische erinnern. Alles deutet auf ein feuchtes Klima. Die Tonentblößungen sind mit Lebermoosen und Algen überzogen; auch Formen von Lycopodien sind häufig, echte Moose selten. Besonders deutet die Anlage der Reisfelder von der Höhe der flachen Gehänge an abwärts auf große Feuchtigkeit. Laud- schnecken sind seit dem Eintritt in diese Provinz sehr zahh'eich, aber arm an Arten; sie beschränken sich auf drei oder vier Arten von Helix, zwei oder drei Bulimus, eine Clausiüa. Noch immer liegen Häuser und Gehöfte zerstreut, selten in geschlossenen Dörfern. Die Bewohner sind ungemein gut, ohne Scheu, stets freundlich und gefällig: die besten Leute in China.
Weiterhin findet sich der Anbau nirgends auf der Höhe der 15. Februar. Rücken und Hügel selbst, beginnt aber unmittelbar darunter und wird immer reicher und üppiger nach den Talböden hin. Im Mien-Tal ist viel Alluvial-Land, das in kleinen Parzellen angebaut ist: ein wahrer Garten, jedes Stückchen füi* sich nivelliert und auf Berieselung be- rechnet. Der Höhenimterschied zwischen den benachbarten Feldern ist zuweilen nicht mehr als 1 — 3 Zoll. Die Berieselungsanstalten sind
*) Arachis hypogaea ist die Erdnuß. **) chinesische Bezeichnung für Zizyphus vulgaris, den Jujubenbaum.
252 Die letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tschöngtufu.
von hoher Vollkommenheit. Die Vegetation ist hier auch noch weiter vorgeschritten als vorher. Die Saubohnen stehen in Blüte. Es wird auch viel Gerste gebaut, sorgsam in Büscheln gepflanzt. Von Bäumen sind Morus, Stillingia und Bambus die bemerkenswertesten. Wo der Vegetation Spielraum gelassen ist, treten mächtige Schlinggewächse auf, haben aber nichts, woran sie sich aufranken könnten. Auch hier in den Tälern sind wenig geschlossene Dörfer, fast nur zerstreute Ge- höfte und kleine Gruppen von Häusern, die stets mit einigen Bäumen und Bambusgebüschen ausgezeichnet sind. Tempel sind in hübschen Lagen in Schluchten angebracht. Die Landschaft wirkt ungemein friedlich und zugleich wohlliäbig. Büffel, die vor ungefähr vier Tagen erschienen, sind hier schon in großer Zahl vorhanden; weiter nördlich war ich keinem einzigen begegnet. Zugleich damit tritt die elendeste Rasse chinesischer Schweine auf, weit zurückstehend hinter der viel besseren, größeren, festeren Rasse von Kansu und Schensi, die bis nach Nord-Sz' tschwan hineinreicht. Die eigentliche chinesische Rasse gibt fast gar kein Fleisch, sondern meist ein lockeres traniges Fett, das den Bedürfnissen der Leute gemäß zu sein scheint : denn vom Schwein ist das Fleisch das Billigste ; alles andere, selbst Füße und Eingeweide werden höher bezahlt.
Mientschöu ist eine belebte, reinliche, gutgebaute und wohl- häbig aussehende Stadt, eins der hübschesten kleinen Städtchen, die ich in China gesehen habe. Die Hauptstraße ist breit, mit großen Quadern gepflastert und ganz mit Kaufläden besetzt; leider waren noch fast alle wegen des Neujahrsfestes geschlossen. Die Teehäuser oder vielmehr TeehaUen sind geräumig imd reinlieh und waren dicht besetzt; sie vertreten ganz die SteUe großer Kaß'oehäuser, die bis auf die Straße reichen. Trotz der dichtesten Menge folgte uns nicht einer: wenn wir täglich durch die Stadt ritten, könnten wir nicht unbe- lästigter sein. Das freundliche, gefällige Entgegenkommen, das uns hier von allen Seiten zu Teil wird, steht im auffallendsten Gegensatz zu meinen sonstigen Erfahrungen in China. Icii fühle mich in dieser Beziehung oft an Japan erinnert. Es liegt etwas so Harmloses, Unbe-
Die Bewohner. 253
fangenes in dem Benehmen dei" Leute, daß man, auch ohne die Land- karte zu kennen, auf die geographische Abgeschlossenheit und Selbst- ständigkeit dieses Gebietes scldießen müßte. Wie wenig weiß man davon ! Man hatte mir so oft angeraten, grade in diese Gegend nur in chinesischer Kleidung und mit angehängtem Zopf zu reisen. Es wäre ein Wahnsinn dies zu tun !
Die gewöhnlichen lästigen Fragen bei der Begegnung kommen hier garaicht vor. Bei der Überfahrt über den Fluß verlangte man kein Trinkgeld — das erste Mal in China! Jede direkte Frage wird sofort direkt beantwortet ; dabei verstehen die Leute gut und sprechen eine so reine Mandarinensprache, daß sie auch leicht zu verstehen sind. In den Wirtshäusern sind die Leute gefallig, und fast ausnahms- los geht die Rechnung ohne Streit ab. Auch die Frauen haben hier eine bessere Stellung als in China im aUgemeinen ; sie haben auch kleine Füße, tun aber doch viel Arbeit, zeigen sich, besorgen die Geschäfte, führen häufig die Rechnung und kommen mit der Sprache frei heraus. Streit und Zank habe ich noch nicht gehört. Die Be- wohner von Sz'tschwan haben Recht, mit Stolz auf ihre Provinz zu weisen.
Nun geht es langsam den letzten Bergrücken hinan, den die 16. Februar. Straße 150 m über Lökiang am Tempel bei Paimakwan tibersetzt. Dies ist ein aus Stein gebauter, solider Tempel in einem Cypressen- hain, mit einem Kloster dabei. Auch hier sah ich kein Buddha-Bild, sondern nur große goldene Männer mit langen schwarzen Barten auf den Altären. Dieser, wie die hiesigen Tempel überhaupt, ist in guter Ordnung und rein gehalten. Bei klarem Wetter muß die Aussicht von hier aus herrlich sein, da die Ebene von Tschöngtu zu Füßen liegt. Es geht nun hinab nach dem ersten Fluß, einem breiten fast wasser- losen Strombett, an dessen jenseitigem Ufer der sehr belebte Markt Hwangsütschönn liegt; dann stromabwärts nach dem kleinen Dorf Möngkiatien, wo wir im Kungkwan blieben — so nennt man eine Station für Maultiere. Man kann nämlich, wenn man mit solchen reist, die Stationen nicht ganz frei wählen, da an den meisten Orten nur
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Wirtshäuser für Reisende sind, die im Tragstuhl kommen; die Maul- tierhäuser liegen an gewissen Stationen in größerer Zahl zusammen. 17. Februar. Dies ist eine der blühendsten, am reichsten kultivierton und am
meisten zivilisierten, dabei auch produktivsten und bevülkertsten Ge- genden in China: ein gi'oßer Garton, in dem es von Menschen wimmelt. Sie leben in zahllosen Häusergruppen und einzelnen Gehöften zer- streut; Dörfer sind fast garnicht vorhanden, aber um so mehr Städte. Und hier ist ein scharfer Gegensatz zwischen Stadt und Land ! Eine Stadt ist gi-ündlich Stadt, selbst aufgewachsen, um den Handel und die Gewerbsindustrie der Gegend in sich zu vereinigen, während auf dem Lande nur Ackerbau betiüeben wird. Selbst au der Straße sind einzelne Eßhäuser, Kramläden usw. sogar seltener als im Gebirge.
Die Städte sind unter denen mit untergeordnetem Rang wahr- scheinlich die schönsten in China. Die Mauern sind zwar schwach und unbedeutend, denn hier ist Frieden ; aber immer sind die Straßen auffallend breit und mit Quadern gepflastert. Die Pflasterung wird sorgfältig in stand gehalten und ist in der Mitte höher als an den Seiten. Hantschöu kann sich mit Canton vergleichen. Jede der beiden Städte hat innerhalb der Mauern eine englische Meile im Durchmesser, und bei Hantschöu sind die Vorstädte noch eine Meile lang. In der nördlichen Vorstadt befindet sich eine breite gedeckte Holzbrücke von 150 m Länge, M'ahrscheinlich auf Steinpfeilern. Man trifi't im übrigen China selten ein fu, das so groß und so schön ist wie hier die hsien's. Die breite Straße ist belebter als in Canton, denn auf der dortigen schmalen Straße hätten die Menschen nicht Raum ; zu beiden Seiten ist sie mit roten und bunten Tafeln behängt, deren große Inschriften das malerische Ausehen vormehren. Dazu kommt der monumentale Schmuck der Gebäude, vor allem der Por- tale und der Tempel. Jede Stadt hat in ihrem Innern mehrere große, vorzüglich in stand gehaltene Tempel mit reich geschmückton und ornamentierten Fassaden ; sie liegen meist in der Hauptstraße. Ein anderer auffälliger Gegenstand sind die großen TeehaUen : geräumige offene Hallen, ganz voll von Tischen und Stühlen und Teetrinkern . Tische
Die Städte und das Land. 255
und Stühle sind in dieser Gegend schwarz oder brauu poliert und rein! — Der sehr bedeutende Handel auf der Straße ist besonders für die Bedürfnisse der Landbewohner berechnet. Zwischen den Städten liegt eine Menge von Marktplätzen (tschönn's), zum Teil auch groß und lobhaft und auch sonst im Stil der großen Städte, z. B. der Ort, an dem ich heute übernachtete.
Das Land ist in kleinen Parzellen angebaut, jede Parzelle für sich nivelliert, so daß sie von einer anderen aus oder von einem Kanal unter "Wasser gesetzt werden kann. Das System der Irrigation ist von hoher Vollkommenheit; an den Wandungen der Wasserläufe, bei Gefällen, bei Scheidung eines Kanals in mehrere Zweige usw. ist viel Cementbau angewandt, und alles das ist in bestem Stand gehalten. Die Natur hat allerdings ihr Teil beigeti-agen, um die menschliche Arbeit zu erleichtern. Die Ebene ist von der Natur reich bewässert und ganz dazu gemacht, das vollkommenste System der Berieselung zu gestatten.
Die ganze Ebene hat dasselbe Gefälle. Sie wird durch die Flüsse zugleich feucht gehalten und drainiert. Dämme sind nicht vor- handen, denn obwohl im nassen Sommer die Flußkanäle bis zum Rand gefüllt sind, fließen sie nicht über, und es findet keine wirkliche Überschwemmung statt. Gabelung undWiedervereinigung derWasser- läufe kommt vor, aber keine seitliche Verbindung wie bei den Kanälen in Kiangsu. Die Ableitung der Gewässer in verzweigte künstliche Kanäle zur Bewässerung der Reisfelder ist leicht und in gi-oßem Maß- stab ausgeführt. Auf diese Weise sind gute Ernten fast immer ge- sichert, außer wenn es, wie 1871, zur Zeit der Ernte zuviel regnet.
Das neblige Wetter der letzten Tage verwandelte sich heute in 18. Februar. feinen Regen. Die Straße war sehr schlecht. Der erste Teil des '^'''^""S*"^"- Weges führt durch den tiefsten Teil der Ebene, der sich durch viel Zuckerkultur — Kiutang ist der Hauptort dafür — auszeichnet. Die Gruppen der Bambusgebüsche und Laubbäume um die Häuser werden höher und dichter. Sin tu ist weniger groß und schön als die gestrigen Städte. Außerdem passiert man mehrere hübsche kleine Orte. Die
256 Die letzte große Keise. 2. Von Singanfu uacli Tschüngtufu.
ersten 25 li nach Sin tu flüiren noch über mehrere gutgebaute Stein- brücken ; dann kommt man zu einer Scheide zwischen dem nordöst- lichen und dem südwestlichen Teil der Ebene.
Tschöngtufu sieht man erst, wenn man darin ist. Die Stadt be- ginnt mit einer Vorstadt, deren gradlinige, schöne, breite Straße etwa 1 Va li™ ^^^o i^t ) ^'^ würde für sich allein mit mancher nördlichen Stadt an Schönheit und Größe wetteifern. Eine breite Steinbrücke über einen schiffbaren Strom trennt sie von der Stadt. Hier ist der Aufenthalt zalilloser Bettler; man sieht jammervolle Gestalten unter ihnen. Wir ritten nun zum Stadttor hinein, das ebenso wie die Mauer un- bedeutend im Vergleich mit Singanfu ist, aber in der Stadt selbst fällt jeder Vergleich zu Gunsten von Tschöngtu aus. Wir ritten volle 40 Minuten in südlicher Richtung mit etwas Abweichung nach Osten durch schöne breite Straßen voU Leben und Bewegung. Seit Marco Polo waren wir die ersten Fremden, welche in dieser Weise in die Stadt einzogen, — und doch weder Insulten noch neugieriges Naclilaufen, außer von kleinen Jungen, die in den weniger volkreichen Straßen zuweilen lästig waren. Wir erreichten die prächtige Straße Tungta- kai, welche die ganze Stadt von W nach 0 gradlinig und in fast 10 li Länge durchzieht (d. h. nach Angabe der Missionare, in Wahrheit ist sie nur 3 li lang).
Hier sind die meisten Gasthäuser, aber wir wurden nirgend auf- genommen, da kein Platz für Pferde sei. Dann bekamen wir einen freiwiUigen Führer, der sich als Christ herausstellte; er führte uns in andere Straßen und in mehrere Gasthäuser, wo Platz für Pferde war. Überall jedoch wurden wir höflich, aber bestimmt abgewiesen: es sei alles besetzt, war die gewöhnliche Antwort. Ein schönes Haus, mit kleinen Gärtchen in den Höfen, allerliebsten Sitzplätzen und Zier- raten, Papageien in Ringen usw., wurde uns von einigen in Seide geklei- deten Herren als ihr Klub bezeiclmet, wo ab er Fremde auch nicht unter- kommen könnten. So irrten wir herum, auch in mehreren Kungkwan's oder Maultierhäusern. Endhch schickte ich Splingaert nach dem Ya- men vonTschöngtuhsien. Hier war man sehr freundUch und beorderte
Sonderbarer Empfang in Tschöngtufu. 257
sofort einen Mann, uns ein Wirtshaus zu besorgen. Elr führte uns in eins, das nicht besetzt war, aber die Zimmertüren waren verschlossen. Er befahl, sie zu öffnen, aber es geschah nicht, und als er seinen Be- fehl wiederholte, entfloh der Wirt mit den Schlüsseln. Ich forderte den Mann auf, vermöge seiner Polizeigewalt die Türen zu erbrechen, was sehr leicht gewesen wäre: er sagte, um das zu tun, müsse er noch sieben oder acht Leute vom Yamen rufen und dies würde er sofort aus- fähren. Solche Gewalt wollte ich indes nicht anwenden ; auch wußte ich wohl, daß der Mann nicht wiederkommen würde. Es war klar: man wollte uns selbst von Seiten des Yamen nicht helfen. Es wurde dunkel, und es bHeb m'chts übrig, als nach der Mission zu gehen. Längst hatte man von dort aus Boten geschickt, um zu erkunden, wer wir wären. Die Leute am Tore der Mission befolgten nicht die Regeln gewöhnlicher chinesischer Höflichkeit, wohl ein Zeichen, daß auch von ihren Vor- gesetzten nicht alle Europäer höflich behandelt worden waren. Ich schickte meine Karte und wurde in ein Empfangszimmer geführt. Dort erschien erstPere Rime, dann MonseigneurPinchon, jetzt die ein- zigen Priester hier. Meine Bitte, mir zur BeschaflFung eines Wirtshauses behülflich zu sein, beantworteten sie mit der Einladung, in der Mission zu wohnen, was ich notgedrungen vorläufig annahm. Ich bekam ein hübsches Zimmer in dem großen Wohnhaus des Bischofs, Heß dann mein Gepäck kommen und installierte mich.
Ich verbrachte nun hier eine stille Woche mit Arbeiten und 19.— 25. Febr. Fasten, denn letzteres wird hier mit rigoroser Strenge durchgeführt. Die Versuche, ein Quartier in der Stadt zu bekommen, die ich schon Montag bei dem Tschihsien wiederholte, waren gescheitert. Indes schloß vorgestern die Feier des Neujahrs: das erleichterte die Sache, und ich habe endlich ein Wirtshaus bekommen, das ich morgen be- ziehen werde. Trotz der artigsten Redensarten ist es ersichtlich, daß den Franzosen die Beherbergung eines Deutschen nicht von Herzen kommt. Der Bischof ist ein würdiger Mann, der vor 25 Jalnren zur Zeit der Verfolgung hierherkam. Er mußte von Canton zu Fuß auf verborgenen Wegen in Begleitung eines christlichen Führers durch
BichthofCD, Tagebücher, II. Band. 17
258 -Di« letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tschöngtufu.
Kwangsi und Kweitschöu hierherkommen und kaufte dann für eine Kleinigkeit die jetzige Mission in Tschöngtu, einen Komplex großer schöner Gehäude, die vor 50 Jahren ein hoher Mandarin, der größte Feind und Verfolger der Christen, erbauthatte. Die Famihe war herunter- gekommen, und da wegen der Höhe der Gebäude (7 m) kein Chi- nese gewöhnlichen Standes dieselben brauchen konnte — das Maxi- mum, das erlaubt ist, ist 6 m — , so kaufte die Mission für 3400 Taels, was wohl zwölf mal soviel gekostet hatte. Kein Missionar hatte seit den altchristlichen Zeiten hier residiert. Es ist aber kein glücklicher Auf- enthalt, denn es gibt fortdauernd Streit mit den Mandarinen. Der Generalgouverneur ist der Mission feindlich. Es wurde der Posten eines Tsiangkiun*) geschaffen, um die Verhältnisse zwischen Christen und Heiden in der ganzen Provinz zu regeln, und einem Mandarin übertragen, der sein Amt zur Zufriedenheit des Bischofs verwaltete. Er ist aber seit einem Jahr abberufen, und die Stelle blieb seitdem unbesetzt. Es existiert nur noch ein Tribunal von fünf Mandarinen, dem der „Litsefu" vorgesetzt ist, ein Ss'ping, der sieben Jahre in Kiachta gewesen ist und die Europäer zu kennen glaubt. Ich besuchte ihn gestern und fand in ihm einen alten, hochmütigen und falschen Mann, einen Feind der Europäer. So gering sein Rang ist, besucht er den Bischof nie, und dieser geht in allen Angelegenheiten zu ihm, stets in vollem Staat. Trotz dieser wohl kaum gerechtfertigten Solbst- demütigung mag das Mißverhältnis wohl auf Gegenseitigkeit beruhen, denn jede der beiden Parteien ist zur Überhebung geneigt, sobald die andere sich im geringsten nachgiebig zeigt. Der Bischof ist übrigens einer von den Gemäßigten unter den Missionaren, ein Mann von ruhi- gem, berechnetem Auftreten. — Wir sind die ersten, die hier in Tschöngtufu in europäischer Kleidung frei umhergehen. 28. Februar. Wir bezogen gestern unser Wirtshaus, ein schmutziges, dunk-
les, übelriechendes Lokal von mehreren kleinen Zimmern in einer abgelegenen Straße. Es entlarvt sich jetzt ein ganzes Netz von
•) Die Namen der im Folgenden genannten Beamten sind in dieser Schreibart und Verbindung nicht klar. Tschihsien ist der Magistrat eines hsien.
Missionare und Mandarinen. 259
Intrigtien, dessen Fäden in der Mission beim Bischof selbst zusammen- laufen und das ein gutes Gegenkapitel zu Hue's Roman geben würde.
In einer Stadt, wo Hunderte der besten Wirtshäuser sind, von denen ich selbst wohl ein Dutzend besucht habe, ist dieser Winkel für die Fremden bestimmt, denn auch Cooper*) hat hier wohnen müssen. Derselbe Mann, welcher es ihm auf Befehl des Yamen besorgt hatte, hat es auch mir besorgt. Und dieser Mann ist die rechte Hand und der Spion des Bischofs, dem er täglich Rapporte erstattet, da er dicht neben diesem Haus wohnt. Er heißt Li, ist Uhrmacher und Christ, ein schlauer Kopf, praktisch und brauchbar für den, dem er dienen will. Er suchte sich von Anfang an in mein Vertrauen einzuschleichen und rapportierte nach jedem Besuch sofort dem Bischof; dieser wieder- um, eine Unvorsichtigkeit des Li fürchtend, sagte mir wiederholt, der Mann sei ein blagueur, ich solle ihm nicht zu viel glauben.
Der Geschäftsgang, wenn Fremde kommen, ist, soweit ich ihn bis jetzt übersehen kann, folgender: Die ganze Angelegenheit ist dem Litsefu übertragen; dieser bedient sich der Mission, um Verhältnisse und Zweck des Fremden zu erfahren, und willfahrt ihr darin, daß sie kleinen Wünschen derselben in Betreff des Fremden nachgibt. Ein Christ, früherer Soldat, der in meiner Gegenwart beim Litsefu war und offenbar dessen Vertrauen genießt, ist das Werkzeug der Ver- mittlung zwischen dem Mandarin und dem Bischof Der Tschihsien darf in Fremden- Angelegenheiten, ohne die Wünsche des Litsefu entgegengenommen zu haben, nicht handeln. Daher die Komödie am ersten Tage! Der mitgegebene Soldat hatte peremptorische Gewalt, das Wirtshaus in Beschlag zu nehmen, wahi'scheinlich aber auch seine Ordre, es nicht zu tun. Andererseits kann der Litsefu durch seine Leute nicht mit Gewalt handeln, sondern muß sich des Tschihsien bedienen, dessen Executive im vorliegenden Fall wiederum zwei Polizisten sind, die im Verein mit Li handeln. Diesen Zusammen-
*) Englischer Reisender, der über eine Reise nach dem Westen Chinas 1871 ein vielgelesenes Buch veröffentlicht hat.
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260 Die letzte große Reise. 2. Von Singaufu nacli Tschöngtufu.
hang ahnte ich von Anfang an, da sich ein fortdauerndes Zusammon- agieren der wenigen genannten Personen zeigte. Nun war mir von Anfang an vom Bischof dieses Fremdeugefängnis mit dem Türhüter Li bestimmt, aber es war besetzt, und darum mußte ich in der Mission bleiben, wo man offenbar, trotz aller äußeren Liebenswürdigkeit, mich los zu werden wünschte. Endlich zeigte mir Li vor vier Tagen an, er habe ein Wirtshaus gefunden, das ich für 800 Cash pro Tag be- wohnen könne. Am folgenden Tag ging ich zum Li tse fu und bat ihn um ein Gasthaus. Er beorderte seinen Christensoldaten, es zu besorgen. Dieser ging ab, von Spliugaert begleitet: erst zum Tschihsien, um dessen Polizei zu requh'ieren, dann merkwüi'digei'weise von aUeu Gast- häusern direkt in das von Li bezeichnete, und dieser wartete schon! Und nun die Motive, die sonnenklar sind! Der Bischof will französische Politik treiben und andere Fremde — vor allem wolil Deutsche — von der Provinz fernhalten. Er fürchtet das Vordringen der Engländer am Yangtsze, wohl nur zum kloinen Teil deshalb, weil die wenigen Christen, welche in Hanköu oder Schanghai gewesen sind, von der Religion und religiösen Gebräuchen nicht mehr viel halten. Er sucht auch meine Reisen zu hintertreiben. In den ersten Tagen erregte er mein lebhaftes Interesse für Muping, fünf Tagereisen westlich von hier im Hochgebirge, wo er früher zehn Jahre residierte, wo ein Seminar ist und wo Armand David*) ein Jahr zubrachte. Er erzählte nur Interessantes von dem Ort. Kaum aber hatte er gemerkt, daß ich das Verlangen hatte, den Ort zu besuchen, so sprach er nur noch von den Gefaliren der Reise, von Räuberbanden, gefäbrhchen Fluß- übergängen usw., und ebenso ging es in Betreff des Westens und Südwestens. Darin begegneten sich seine Ansichten mit denen des Litsefu: daher ihr einmütiges Handeln in dieser Sache. Auch dieser Mandarin orzälilte von den großen Straßen nach jener Richtung in ähnlicher Weise wie die japanischen Beamten, als sie Alcock's Reise nach dem Fusiyama verhindern wollten. Am deuthchsten gibt sich
») s. o. s. 127.
Eankünen der französischen Mission. 261
der Wunsch des Bischofs, mich am Reisen zu verhindern, darin zu erkennen, daß er mir kein Geld verschaffen will. Ich hatte in Schang- hai keine Wechsel auf Tschöngtu bekommen können, da ich, im Fall ich das Geld hier nicht erheben konnte, die ganze Summe hätte ver- lieren müssen. Durch den simplen und aufrichtigen Pater Rime er- fuhr ich, daß die Mission selbst viel Geld hat und daß ein Wort des Bischofs genügen würde, um mir von den Christen ein Anlehen mit Sicherheit durch Scheck auf Schanghai zu verschaffen. Mgr. Pinchon erklärte dies für unmöglich.
Da nun meine Mittel reduziert sind, scheitern daran meine weiteren großen Reisepläne! Und hätte ich Geld, so würden mir auf Veranlassung des Bischofs wahrscheinlich alle möglichen anderen Hindernisse in den Weg gelegt werden. Mein erster Plan war, über Tatsien lu nach Batang und dann gegen Ningyuenfu zugehen. Da dies zu viel Zeit erfordert, wollte ich dann direkt nach Ningyuenfu und via Yenyuenhsien nach Likiang, dann nach Yung tschang fu, wo- möglich nach Tangyuehsien (Momein), von dort nach Yünnanfu, Kweiyangfu, Tschung kingfu gehen. Ich hoffte, die große und durch- greifende Reise in 100 Tagen zu vollenden. Dieser Plan ist nun zer- stört, und ich werde mich mit der gewöhnlichen Reise nach Hanköu und einigen Seitenausflügen begnügen müssen. Es ist eine bittere PiUe! So unterstützt eine katholische Mission die wissenschaftlichen Bestrebungen von Nicht- Franzosen! —
Ich machte wieder einen Gang durch die Stadt, ohne irgend welche Belästigung, da ein mitgehender Polizist die schreiende Jugend leicht abhielt. Der Eindruck hat durch die Entfernung der Neujahrs- zierden viel verloren : die hübschen bemalten Laternen, die vielen zierlichen Festbögen, welche die Straßen überspannten, sind weg. Aber dennoch bleibt die Stadt hübsch, und besonders ist die Reinlich- keit zu rühmen : das Quaderpflaster ist in gutem Zustand und ganz rein abgekehrt; in den Kaufläden ist alles poliert und lackiert, und die Menschen sind anständig und mit Aufwand großer Mengen von Seide gekleidet. Unter den Kaufläden fällt die große Anzahl derjenigen
262 Die letzte große Reise. 2. Von Si ngan fu nach Tschöng tu f u.
auf, welche bloß dem Luxus gewidmet sind : viele Seidenzeug-Gesehäfte und Läden mit seidenen Posamentierwaren und Bändern, viele mit seidenem Schuhwerk, eine große Straße vollSeidenstickereien, in denen Hübsches geleistet wird. Dazu kommen zahlreiche Schmuckläden, besonders für- Silberschmuck, der zum Teil recht hübsch gearbeitet ist, aber nichts vom allerfeinsten Filigi-an. Edelsteine sieht man wenig, dagegen ganze Läden mit Yü-Gegenständen.*) Es gibt über 20 Uhr- macher, die meisten in einer einzigen Straße; jeder hat einen Laden mit vielen kleinen und großen Uhren. Auch dies spricht für unge- wöhnlichen Luxus : in Peking ist das nicht zu finden. Bucliläden sah ich wenig, doch soll es viele geben. Meine Bilderjagd fiel nicht be- friedigend aus, ich akquirierte aber einige interessante Manuskiipt- karten. Alte Bilder haben einen hohen Preis, die neuen sind meist roh.
Ein mit besonderer Mauer umgebener Teil ist die Mandschu- Stadt; es wohnen darin 30000 Mandschu — ^ Frauen und Kinder einge- rechnet — , sämtlich dem Militärstand angehörig. Sie verlassen ihre Mauern nicht, da es sofort Keilerei gibt, wenn sie mit den einheimi- schen Truppen, angeblich 20000 Mann, in Berührung kommen. Die Frauen sind auch Mandschu und haben ausgewachsene Füße.
Trotz der zalilreichen Kaufläden merkt man wohl, daß Tschöng- tu keine Handelsstadt ist: man sieht keine großen Geschäfte, sondern nur den ausgedehntesten und mannigfaltigsten Kleinhandel. Aber selbst unter Berücksichtigung dessen ist es kaum begreifüch, wie alle diese Kaufläden angefüllt gehalten werden, denn man nimmt gar keinen Warenverkehr wahr. Die Straßen sind voll von Fußgängern, hier und da begegnet man einem Tragstuhl, außerdem zalilreichen die Luft verpestenden Eimerträgern. Fremde Waren sind wenig zu sehen. Gemeine Wassergläser zu 600 cash werden als Hängelampen und Opiumlampen benutzt. Außerdem sah ich einige Quincailleries von Porzellan, Glas und Metall — alles sehr teuer. Wirklichen Eingang haben solche Sachen nicht gefunden, lange nicht in dem Maß wie in
*) s. Band I, S. 260.
Handelsbedeutimg von Tschöngtu. 263
Singanfu, wo sich die Mandariaen z. B. sehr allgemein der Stearin- kerzen bedienen sollen; hier sind sie nur in geringer Menge zu 1600 cash für das Paket zu bekommen. Weinflaschen kosten 300 cash. Wolü am gangbarsten sind Uhren und vergoldete Knöpfe. Um die Stapelartikel fremder Importe konnte ich mich noch wenig kümmern, da ich auf der Mission nichts erfahren konnte. Dorthin kam überhaupt niemand, während ich hier viel Besuch erhalte.
Wichtige Handelsplätze in der Nähe sind Kwanhsiea und Ya- tschöufu; letzteres ist zu Boot erreichbar, ersteres nicht, da wegen der starken Strömung keine Schiffe über Tschöngtu hinausgehen. Das Hauptgeschäft an beiden Orten ist der Ziegeltee von Sz'tschwan. Von Kwanhsien geht der Handel nach NW in die Sifan-Länder; der Transport soU auf Maultieren von vorzüglicher Beschaffenheit ge- schehen. Ein anderer wichtiger Ausgangspunkt ist Sungpanting, wo inmitten unabhängiger Stämme (Sifan) fast nur Mohammedaner wohnen. Der Ziegeltee geht von dort auf den beschwerlichsten Gebh'gswegen zum Teil bis nach Siningfu. Der Transport aus den Sifan-Ländern liefert hauptsächlich Schaffelle, Schafwolle und Hirschgeweihe, auch etwas Rhabarber und andere Medizinen. Kwan hsien fuhrt aus den Sifan-Ländern auch die Wolle ein und hat außerdem den bedeutend- sten Rbabarberhandel. Der beste Rhabarber kommt von Muping; er wächst auf den höchsten und wildesten Gebh-gen in großer Höhe, z. B. auf dem Tasüeschan (Großer Schneeberg). Auch von Lungnganfu fin- det Handel nach dem Norden statt, und zwar durch das Gebiet von Kiai- tscliöu über den Fönnschuiling nach Kansu. Es sind enge und steile, für Packtiere ganz unbrauchbare Gebii'gspfade. Der Handel von Ya- tschoufu richtet sich besonders nach Tibet. Sungpan und namentlich Kwanhsien sollen außer Rhabarber noch einen außerordentlich be- deutenden Handel in Medizinen haben, die von den Hochgebirgen kommen. Bei Kwan hsien steigen die Gebirge sofort hoch an. Eine Felsstraße führt den Fluß entlang nach Mautschöu. Von dort geht eine ziemlich bequeme Straße nach Lungnganfu. Auch von filien- tschöu ist diese Stadt leicht zu erreichen : man geht stets im Talboden
264 Die letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tsehöng tu fu.
aufwärts, und an der Straße selbst sind keine hohen Gebirge. Bei Lungnganfu wird Steinkohle gewonnen. Von da nach Sungpan führt ein ziemlich beschwerlicher Gebirgsweg von vier Tagen.
Ningyuenfu soll ein armes Land sein, aber viel Kupfer und Silber, auch Gold und Eisen produzieren. Die Verkehrsstraßo über Ningyuen nachTalifu in der Provinz Yünnan scheint, obgleich äußerst beschwerlich, vor der Rebellion von einiger Bedeutung gewesen zu sein. Es kamen auf derselben sogar die Handelsartikel von Bhamo, darunter englische Waren, bis hierher; TaHfu soll noch jetzt mit letzteren gut versorgt sein. Die Straße über Tung tschwan fu und Hweilitschöu nach Talifu ist größer und wird mehr benutzt als die über Ningyuenfu.
Was den Gebirgsbau in der Nähe von Tschöng tu betrifft, so istbe- sonders der Gebirgszug in NW von Interesse, dessen östhches Ende ich zuerst von Tsz'tung hsien erblickte und das dort Panpienschan ge- nannt wird; weiter westlich heißt er Tschaping schau, Kiutingschan und San mien schau. Alle diese Gebirge scheinen nicht zur Höhe des ewigen Schnees aufzusteigen ; diese wird vielmehr wohl erst dort erreicht, wo diese NO — SW-Züge mit den (wahrscheinlich!) N- — S streichenden Zügen des Westens interferieren*), was in der Gegend von Muping geschieht. 26. Februar. Dies ist schon die fünfzehnte Provinz, die ich kennen lerne — es
US einem ^j^^ ihrer im ganzen 18 — , und es ist nicht die verächtlichste. Sz' tschwan Brief an die
Eltern. — di^s ist richtiger als Sse tschwan — hat über 8000 deutsche Quadrat- meilen Fläche, und die letzte Zählung soll 36 Millionen Einwohner ergeben haben. Es produziert Seide, Tee, Zucker, Rhabarber, Opium, Tabak, selir viel Salz, ein sehr wertvolles öl zum Firnissen, eine feine
*) Die divinatorische Erkenntnis dieser schwierigen, durch das Zusammen- treffen gewaltiger Ketten verschiedener Richtung entstehenden Verhältnisse des Ge- birgsbaues in diesem Gebiet, insbesondere die Aufstellung des Begrifl's der Hinter- indischen (N — S-) Ketten und ihrer groiSen Bedeutung für die Bodengestaltung Hinter- indiens und auch des westlichen China ist eins der bewunderungswürdigsten Ergebnisse der Richthofenschen Reisen.
Städtebilder in Sz'tschwan. 265
Art Wachs, das von Insekten gemacht wird, und eine Menge anderer Sachen von bedeutendem Wert. Tschöngtufu ist eine große schöne Stadt, die mich vollkommen überrascht hat ; sie hat einen Durchmesser von einer Meile und über 800000 Einwohner. Es ist bei weitem die schönste Stadt in China. Die Straßen sind grade und breit, mit großen Sandsteinquadern gepflastert und mit einer Wölbung in der Mitte. Eine Straße, die Tungtakai, ist eine Stunde lang und ganz grade, ungemein belebt und in allen Teilen von malerischer Schönheit. AUe Straßen sind zu beiden Seiten mit Kaufläden dicht besetzt, und überall wimmelt es von Menschen. Dazu haben die Leute Kunstsinn, ähnlich wie die Japaner. Vor den Häusern hängen kleine Papierlaternen mit recht guten Malereien. In jedem Teehaus, in jedem Kaufladen sind die Wände mit zahlreichen aus freier Hand gemalten Bildern behängt. Ich bin erstaunt über die künstlerische Vollendung vieler derselben, da ich sie den jetzigen Chinesen garnicht zugetraut hatte. Der Kunst- sinn zeigt sich besonders auch in den aus Stein gearbeiteten Ehren- pforten, deren man eine große Zald sieht. Wenn nämlich eine junge Witwe das Andenken ihres Mannes dadurch ehrt, daß sie nicht mehr heiratet, so errichten ihr die Verwandten des Mannes noch bei ihren Lebzeiten ein solches Denkmal. In vielen Fällen tut es der Kaiser. Die Geschichte ihres musterhaften Beispiels wird auf eine Steintafel geschrieben und in das Monument gesetzt. Ich fürchte bei einem Teil unseres schönen Geschlechts Auswanderungsgelüsto zu erregen, wenn ich hinzufüge, daß auch manchem Mädchen, das sich vornimmt, seine Carriere als Jungfrau zu machen, und diesen Vorsatz hält, ein ähn- liches Denkmal errichtet wird. In manchen Provinzen müssen sich diese gefeierten Damen mit einem ziemlich plumpen Aufbau begnügen, in anderen sind es geschmackvolle, zierliche Portale. Hier aber baut man große Ehrenpforten aus rotem Sandstein von wahrhaft archi- tektonischem Wert und mit Skulpturarbeiten von großer Vollendung in meist humoristischen Darstellungen. In manchem kleinen Dorf führt die Straße durch ein halbes Dutzend solcher Ehrenpforten.
Diese große schöne Stadt liegt in einer Ebene, die zwar nicht
266 Die letzte große Keise. 2. Von Singanfu nach Tschöngtufu.
ausgedehnt ist, aber an Fruchtbarkeit und Dichtigkeit der Bevölkerung und günstigen Naturverhältnissen kaum ihres Gleichen in der ge- mäßigten Zone hat. In einem Umkreis von 8 Meilen liegen 18 Städte, von denen ich drei gesehen habe. Sie sind ebenso schön wie die Hauptstadt, aber kleiner, und wimmeln wie Ameisenhaufen. Das Land dazwischen ist dicht besät mit Gehöften und Häusergruppen, jede von Bambusgebüsch und Kulturbäumen umgeben. Natur und Kunst haben die Ebene zu einem Modell von Bewässerungsanstalten gemacht. Sie liegt nur ungefähr 300 m über dem Meer ; im Westen steigt hohes Gebirge an, das sich bald zur Höhe des ewigen Schnees erhobt; auch im Nordwesten ist hohes Gebirge, nach allen anderen Seiten schließt sich der Ring durch liebliches Hügelland. In der Nordwestecke bricht aus hohem Gebirge ein mächtiger, wasserreicher Strom hervor, der sich, sobald er die Ebene betritt, in viele Arme teilt. Ein Bündel Arme, in dem Tschöngtufu liegt, vereinigt sich am Fuß des Hügel- landes bald wieder zu einem einzigen Strom, der nach Süden Hießt und auf dem man zu Wasser bis nach Schanghai fahren kann. Ein anderes Bündel Arme vereinigt sich mit einer Menge anderer Ströme, die vom nordwestlichen Gebirge herabkommen, und auch diese ver- lassen die Ebene als ein vereinigter Strom nach Südosten hin. Dies sind die natürlichen Bewässerungskanäle : sie strömen mit schnellem Lauf, da das Gefalle der Ebene nicht unbedeutend ist; daher gibt es keine Dämme und keine Überschwemmungen. Jeder dieser Ströme wird von breiten, vielbogigen Steinbrücken überspannt. Die Kirnst hat diese vorzüghche Bewässerung zur vollkommensten und bis in die letzten Details mit Sorgfalt ausgeführten Berieselung benutzt. Da auch der Boden nichts zu wünschen übrig läßt, so ist das Land über alle Begriffe ertragreich.
Wenn man eine Karte von China überblickt und fast das ganze Land mit Gebirgen bedeckt sieht, so macht mau sich keinen Begriff davon, daß so tief im Innern noch soviel Leben und Bewegung und eine solche Höhe der Kultur herrschen — um so weniger, wenn man sieht, wie diese Provinz durch hohe und breite Gebirge von den bo-
Charakter der Bevölkerung. 267
nachbarten Kulturgegenden getrennt ist. Diese Kultur datiert mehrere Jahrtausende zurück. Als aber im 13. Jahrhundert die Mongolen China eroberten, verwüsteten sie diese Provinz vollkommen und machten, so gut sie es vermochten, die ganze Bevölkerung nieder : allein in Tschöngtu sollen sie 1400000 Menschen getötet haben. Der Rest zog sich in die Gebirge zurück, wo die Nachkommen noch in Unabhängigkeit leben. Sz' tschwan aber wurde durch Einwanderung aus anderen Provinzen neu bevölkert. Jetzt herrscht hier mehr Ver- feinerung und Anstand als in irgend einem anderen Teil von China. Nie bin ich so angenehm gereist wie hier, und obgleich in dieser Stadt vor mir kein Fremder in europäischer Kleidung sich hat sehen lassen, kann ich auf der Straße ruhig umhergehen. Es kommt keine Insulte, keine Beleidigung, kein neugieriges Nacldaufen vor : obschon grade hier die innere Abneigung gegen die Fremden groß zu sein scheint, hat man doch den Anstand, es sich nicht merken zu lassen. Auf dem Lande herrscht diese Abneigung nicht: dort hatte ich immer mit dem besten, harmlosesten Volk zu tun. Sie bildet sich in den großen Städten aus, wo die Leute mehr von den Ereignissen erfalu-en und einander ihre Ideen mitteilen. Das Feuer wird in diesen besonders durch die Kandidaten zu Staatsämtern angeschürt, die wohl wissen, daß ihr Einfluß in ähnlichem Maße sinkt, wie der der Fremden steigt; sie verbreiten Verleumdungen gegen diese, die gewöhnlich auf Ent- stellung oder Übertreibung von Tatsachen beruhen.
Es ist wolil dieser Abneigung zuzuschreiben, daß ich bei meiner Ankunft in keinem Gasthaus Aufnahme finden konnte : man wies mich höflich, aber bestimmt zurück. Allerdings waren die meisten ganz besetzt, da eben chinesisches Neujaln.- gefeiert wurde, ein Fest, das 14 Tage dauert. Aber selbst die Pohzisten des Mandarin, au den ich mich schließlich wandte, konnten nichts für mich tun. Als es dunkel wurde, war ich gezwungen, nach der Mission zu gehen, um die Herren zu bitten, mir ein Gasthaus zu besorgen. Wie ich wohl er- warten mußte, war die Folge davon, daß ich eingeladen wurde, in den weitläufigen Käumlichkeiten der Mission Quartier zu nehmen. Ich
268 ^'^ letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tschijngtufu.
war natürlich genötigt, anzunehmen, und wohne nun eine Woche in der Mission, immer noch täglich versuchend, ein Gasthaus zu finden. Morgen werde ich eins beziehen. Ihr werdet erwarten, daß ich eine so liebenswürdige Aufforderung mit beiden Händen ergriffen haben werde ; aber die Herren sind Franzosen, und das Priestergewand schützt einen Franzosen nicht vor politischen Rankünen. Dazu hatte ich schon in Taiyuenfu die Erfahrung gemacht, daß die in der Mission ver- brachte Zeit, mit Ausnahme meiner schrifüichen Arbeiten, verloren ist: denn es ist in diesen großen Städten meine Aufgabe, sehr viel Information einzusammeln. In der Mission aber besucht mich niemand, und die Missionare sind über das Land, in dem sie wohnen, sämtlich ganz unwissend.
In Sz'tschwan soUen an 100000 Christen sein. Die Provinz ist in drei Bistümer geteilt, und auch der Bischof von Tibet wohnt noch in Sz'tschwan, in der Stadt Tatsien lu, da kein Missionar Tibet be- treten kann. Der hiesige Bischof ist Monseigneur Pinchon, der vor 25 Jahren in den Zeiten der Verfolgung hierherkam und nur während des Konzils zwei Jahre abwesend gewesen ist: ein kluger Mann von würdigem Auftreten und trotz vielen Redens reserviert, denn er spricht nur von den gleichgültigsten Dingen und verbirgt in seinem Innern vieles, worüber er sprechen könnte, aber nicht sprechen wiU. Er teilt sein Gefängnis mit einem jüngeren Geistlichen, Pere Rime, einem gut- mütigen, unbedeutenden Mann, der dem Bischof tief untertänig ist. Ein Gefängnis nenne ich den Aufenthalt, weil beide Herron niemals ausgehen; einen Garten haben sie nicht. Die Wohnhäuser sind gut gebaut, aber düster. Es herrscht eine eisige Kälte und Gemütlosig- keit. Die Christen werden fern gehalten und sind chinesischen Priestern überlassen; nur wenige werden zugelassen und erstatten Bericht. W^ie anders wäre es, wenn ein Mann wie mein guter Pater Verlinden hier wäre! Er würde täglich zu Fuß seine Christen besuchen und die populärste und geachtetste PersönUchkeit in der Stadt sein. Auch mit den Mandarinen würde er wahrscheinlich ebenso gut auskommen wie an seinem jetzigen Aufenthaltsort, während die liiesigen Priester mit
Leben der Missionare. 269
ihnen auf gespanntestem Fuß stehen. Der Grund ist der, daß jode Pai"tei zur Überhebung geneigt ist, wenn ilir ein wenig freies Spiel gegeben ist. Die Franzosen können es nicht lassen, mit ihrer Mission Politik zu treiben.
Da die Gelegenheit sich nicht wieder bieten dürfte, so will ich sie benützen, um Euch zu zeigen, wie peinlich hier die Fastenregela befolgt werden. Folgendes ist das Menü seit acht Tagen: Frühstück für 4 Personen (SpHngaert ist Nr. 4):
2 Untertassen mit Kartoffeln ä la graisse du porc
(d. h. in Scheiben geschnitten und in Schweinefett gesotten, letzteres ist in China gestattet), 2 Untertassen mit Rührei mit Zwiebeln, 4 Untertassen mit Gemüseblättern in Wasser gekocht, 1 Untertasse mit getrocknetem Fisch. Mittagessen für 4 Personen:
1 Untertasse mit getrocknetem Fisch,
4 Untertassen mit Gemüsoblättern in Wasser gekocht,
2 Untertassen mit Rührei mit Zwiebeln,
2 Untertassen mit Kartoffeln ä la graisse du porc. Abendessen für 4 Personen:
2 Untertassen mit Rührei mit Zwiebeln, 2 Untertassen mit Kartoffeln ä la graisse du porc, 1 Untertasse mit getrocknetem Fisch, 4 Untertassen mit Gemüseblättern in Wasser gekocht. Ihr werdet mir dies um so höher anrechnen, als ich von einer anstrengenden Reise hier ankam. Ich befinde mich dabei in aller- bester Gesundheit, aber von meinen geistlichen Herren kann ich das nicht sagen.
Ich teilte Euch schon, als ich über die belgische Mission schrieb, meine Ansicht über die chinesische Lebensweise der französischen Missionare mit. Hier habt ihr die Bestätigung. Bei dieser Mission sind 15 europäische Priester: sie leiden sämtlich an Verdauungskrank- heiten. Ein einziger hat das Alter von 58 Jahren erreicht, die meisten
270 I^'ß letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tschöngtafu.
sterben jung. Herrn Rim^'s Gesundheit ist ganz gebrochen. Der Bischof verrät einen kranken Körper durch gelbe Gesichtsfarbe, gelbe Augen und Schwäche des Körpers. Der Europäer kann chinesische Kost nicht vertragen, und es erscheint mir als eine erhebliche Schädigung der Missionsarbeiten, wenn der Missionar sich solche durch nichts zu rechtfertigende und gänzlich nutzlose Entbehrungen auferlegt. Es liegt genug Verdienstliches darin, Familie und Vaterland und geistige Ge- nüsse aufzugeben, um sich der Mission unter Heiden zu widmen. Wozu es durch Handlungen zu vermehren suchen, die, als Verdienst gerechnet, Bagatellen sind, — wenn überhaupt Verdienst dabei ist — , die aber dem Zweck des Missionars in hohem Grade nachteilig sind?
Ich lasse mich, wenn ich auf das Missionsthema komme, stets zu einem Wortschwall hinreißen, wahrscheinlich, weil ich früher von der gi'ößten Hochachtung gegen die Missionen erfüllt war und es mir ein wirklich unangenehmes Gefühl ist, nun, da ich sie näher kennen gelernt habe, so vieles zu finden, was mir teils für die Missionsarbeit nachteilig zu sein scheint, teils von meinem ehemaligen Ideal eines Missionars sich sehr weit entfernt. Ich bin hier soeben nur auf etwas ganz Äußerliches gekommen, aber ich würde kein Ende finden, wenn ich auf das Missionswerk selbst eingehen woUte. Ich finde nicht die hochherzigen, von heiligem Eifer beseelten Männer, die wie Fran- ciscus Xaverius unter die Heiden gehen und ihnen das Evangelium und die christliche Liebe predigen. Ein solcher Mann würde noch jetzt Wunder wirken, aber jetzt bekehrt man durch politische Vorteile, die man den Christen gibt, und vormeltrt die Gemeinde durch das Aufziehen verwaister oder ausgesetzter Kinder.
Die eigentliche Gemeinde besteht aus den Nachkommen der alten Christenfamilion. Es sind prächtige Leute in dieser Provinz. Zum erstenmal, seit ich in China bin, ist es mir geschehen, daß, wenn ich abends in das Gasthaus eingekehrt war, Christen zu mir kamen und sich oflfen als solche erklärten. Sie baten mich gewöhnlich um meinen Segen, da sie mich für einen Priester hielten. Noch nie waren diese kleinen vereinzelten Gemeinden von einem fremden Priester
Erfolge der Mission. 271
besucht worden, obgleich sie ganz leicht erreichbar sind. Diese Seel- sorge ist chinesischen Priestern anheimgestellt worden, denen einzelne Bezirke zum Herumreisen zugewiesen sind. Ich muß gestehen, daß mich die Aufrichtigkeit dieser Christen, die seit 200 Jahren fest an ihrer Religion halten, gerührt hat.
Es ist übrigens wohl möghch, daß ich die vielen vorzüglichen und hohe Bewunderung verdienenden Seiten des gegenwärtigen Mis- sionswerkes nicht vollständig kenne, da ich, um ein richtiges Urteil zu fällen, die kleinen Missionen auf dem Lande kennen müßte. Ich sehe nur das Vorgehen in den großen Städten, und es ist ganz natür- lich, daß CS an den Sitzen bischöflicher Oberleitung ganz andere Sachen zu tun gibt als an den kleinen Pfarreien; dennoch scheint es mir, daß der letztere Name zeitgemäßer wäre als der von „Missionen". Das muß man den Franzosen lassen, daß sie gute, ergebene und ge- horsame Christen erziehen, die besonders alles Zeremoniell genau beobachten. Aber wahre Religion scheint bei diesen nicht tief zu wurzeln, denn die Ergebenheit dauert nur so lange, als die Christen in ihrer Heimat im Innern Chinas leben. Wer von ihnen nur einmal nach Schanghai gekommen ist, der ist als Christ nichts mehr wert. Ich kenne keine Ausnahme von dieser Regel!
Meine Reise von Singanfu war außerordentlich angenehm und interessant, reich an geographischen und geologischen Ergebnissen. Es war ein Ritt von 33 Tagen durch ununterbrochenes Gebirgsland: erst über hohe Ketten, dann über sanfteres, hügeliges Land. Die Sti-aße ist der einzige Verbindungsweg zwischen Nord-China und der Provinz Sz' tschwan. Es war nichts Geringes, sie ohne Anwendung von Pulver zubauen. Ein gewisser Liupi, der sich vor 1600 Jahren zum Herrscher dieser Provinz aufschwang und dessen Andenken hier noch gefeiert wird, ließ sie bauen, indem er seine sämtlichen Soldaten, angeblich 100000 Mann, an die Arbeit setzte. Sie führt durch enge Sclüuchten und über hohe Pässe und ist reich an großartigen Ansichten. Das Wetter war gut, mit Schnee hatte ich wenig zu tun. Nie bin ich in China so wenig durch die Leute belästigt worden: anfangs verhielten
272 Di6 letzte große Reise. 2. Von Si Dganfu nach Tscliöngtufu.
sie sich passiv und indifferent, seit dem Eintritt in diese Provinz aber freundlich. In Europa könnte ich eine so lange Gebirgsreise in eben- so heruntergekommener Gegend nicht so ohne Belästigung ausftihrcn. 29. Februar. Ich bin noch immer hier, und es ist wenig Aussicht auf baldigen
Aufbruch, da ich mich zu einer Abkürzung der Reise ungern ent- schließe und noch den Plan eines großen Ausfluges betreibe. Die ganze Zeit über war düsteres, feuchtes Wetter: nur selten blickte die Sonne einige Stunden dtirch den Nebelflor; zu eigentlichem Regen aber kam es nicht. So soll das Klima hier meistens sein : von den 12 Monaten soll in 9—10 der Himmel einförmig grau bewölkt sein. Das beste Wetter ist im März und April; im Oktober und November, die am unteren Yangtsze so schön sind, hen'schen hier dicke Nebel; im Winter ist wenig Niederschlag, aber das Wetter feucht. Schnee fällt in der Ebene selten, und auch dann nur sehr wenig, und er verschwindet schnell. Die Winterfrucht wächst in dieser Feuchtigkeit auf und ist meist im Mai abgeerntet. Ende Mai beginnen gewöhnlich die Regen ; sie nehmen im Juni zu und sind im Juli am stärksten, im August meist etwas abnehmend. Dies ist also ebenso wie in Schansi und Tschili und umgekehrt wie am unteren Yangtsze, wo im Juni und Juli die Sonne brennt und starke Gewitterschauer fallen. Im Mai und Juni wird der Reis gesät, im Oktober geerntet. Der Mißwaclis im vorigen Jahr rührte daher, daß Juni, Juli und August trocken waren, der Reis daher schlecht wuchs und Anfang Oktober sehr starke Regen eintraten, so daß alles weggeschwemmt wurde. Im Sommer soll nach Angabe des Pater Rime die Temperatur häufig 32 — 36° C. erreichen, aber kaum höher steigen. Es finden in dieser Jalu'eszeit schrofte Temperaturwechsel statt, die der Gesundheit nachteilig sind. Dies ist das KHma eines warmen Tales am Steürand von Schueegebirgen. Auf diesen selbst ist die Verteilung der Niederschläge wahrscheinlich eine ganz andere als in der Ebene. Es scheint aber, daß wenigstens der nördliche Teil des Sz' tschwan-Beckens das Klima von Tschöngtu ungefähr teilt. Auffallend ist es, daß nicht nur die Rogenmonate hier und in Peking übereinstimmen, sondern daß auch die abnorme Erschei-
Klima und Teurung. 273
nung lang anhaltender Spätregen — in Peking im September, hier im Anfang Oktober — im vorigen Jaln- in beiden Gegenden stattge- funden hat.
Die Teurung ist jetzt in Sz' tschwau sehr groß. Es werden viele Arme auf Staatskosten gespeist: die Mandarinen geben deren Zahl auf 20000 an, was wohl übertrieben sein mag; die Zahl mag aber in ihren Rechnungen figurieren! — Die Leute bekommen schifan (weich- gekochten Reis) ; die Speisung geschieht außerhalb der Stadt unter Militärbedeckung. In Hupe und Hunan ist die Ernte gut gewesen. Es sind von Peking aus große Zufuhren von dort nach den östlichen Departements von Sz'tschwan angeordnet worden, um die Ausfuhr von Tschöngtu stromabwärts zu verhindern. In der Provinz Kwei- tschöu, soweit dort Anbau vorhanden ist, war die Ernte sehr gut; daher vollzieht sich eine beträchtliche Auswanderung dorthin. Seit drei oder vier Jahren soll die Ernte hier beständig unter dem Mittelmaß gewesen sein.
Die Bewohner von Sz'tschwan, d. h. die Hanjin*) unter ihnen, sind sämtlich Einwanderer aus den Nachbarprovinzen, meistvonHupe, demnächst von Schansi, aber auch von Iviangsi, Kwangtung und den meisten anderen Provinzen. Das Land war durch die Mongolen voll- ständig verwüstet, die Einwohner vernichtet worden, soweit sie sich nicht in die Berge zurückgezogen hatten. Der Zuzug von außen her fand dann durch Jahrhunderte statt. Das Wort puntijin ist daher eine Schande für einen Bewohner von Sz'tschwan. Fragt man jemand, woher er sei, so antwortet er: von Hupe oder aus irgend einer andern Provinz; fragt man, wie lange er hier sei, so antwortet er: seit 12 oder 20 usw. Generationen. Jede Familie kennt ihre Abstammung nach Ort und Provinz ganz genau, die Toten aber M'erden hier begraben. Ziu- Zeit der Sung- Dynastie, als Sz'tschwan zum erstenmal eine Pro- vinz des Chinesischen Reiches bildete, wohnten hier noch keine Chi-
*) Bezeichnung der Chinesen: Hanjen, im Gegensatz zu pen tijen = Ein- geborene.
Richthofen, Tagebücher, IL Baod. 18
274 Die letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tschöngtufu.
nesen, sondern die Mantsze, welche jetzt in Unabhängigkeit in den Gebirgen leben.
Man unterscheidethier Mantsze, Mangtsze, Fantsze undMiautze. Das Wort Ijin scheint mir für ihre Gesamtheit als „Barbaren" an- gewendet zu werden. Die Fantsze bewohnen die Gegend von Sung- panting und von dort westwärts: sie sind zahh-eich, ihr Land ist Hochgebirgsland, sie treiben Schafzucht, und aus ihrem Gebiet kommen Schaffelle, Hirschgeweihe und Medizinen. Sie heißen auch Sifan wie ihr Land. Über die Mangtsze, die in Yünnan und Kweitschöu wohnen, habe ich noch nichts erfahren können. Die Mantsze sind in den Westgebirgen zerstreut, allenthalben unabhängig, den Chinesen sehr feindlich und von ihnen gefürchtet. Sie töten jeden Chinesen, der ihr Gebiet betritt. Unter den Sifan wohnen chinesische Kaufleute, aber nicht unter den Mantsze. Diese bewohnen unter ande"rm das Ngomi- Gebirge, zwischen Yatschöufu und Hweilitschöu, und machen hier durch mehr als drei Breitengrade jede Verbindung von Ost nach West unmöglich; dadurch ist die Stellung von Ningyuenfu so isoliert. Eben- so sind sie nördhch von Yatschöufu, gegen Mau tschöu hin, zerstreut. Überall leben sie in kleinen Gruppen unter Häuptlingen; ihre Sprache soll mit der tibetischen verwandt sein. Aus der Gegend von Ning- yuenfu werden auchLölö genannt. Hätten die Missionare das geringste Interesse für die Landeskenntnis, so würde es ihnen ein leichtes sein, mit allen diesen Stämmen in Berührung zu kommen und ihre Sprache zu studieren. Die Miautsze endlich bilden einen interessanten Gegen- stand der ethnographischen und historischen Forschung, denn sie waren einst sehr mächtig.
Tschöngtufu soll schon im Schukiug*) erwähnt sein, und wenn Kublai-Khau hier wirklich 1400000 Menschen niedermachen ließ, so war die Stadt früher gi-ößer als jetzt.
Die jetzigen Bewohner von Sz' tschwan scheinen rein chinesisch zu sein und sich mit den früheren Einwohnern nicht vermischt zu
•) s. Bandl, S. 412.
Die Spione des Bischofs. 275
haben. Um so mehr i.st es zu verwundern, daß sie sich zu einem Völkchen amalgamiert haben, das bessere Eigenschaften hat und höher steht als die Bewohner der nächsten Provinzen. Es herrscht mehr Reinlichkeit, mehr Anstandsgefühl, mehr Verfeinerung der Sitten, Manieren und Lebensweise. Zieht man in letzterer Hinsicht das Mittel aller Klassen, so steht Tschöngtu jeder anderen Stadt in China voran und kann sich mit den größten Städten der Welt messen. Wenigstens in gleichem Maße gilt dies von den Ideinen Städten und dem Bauern- stand. Dies betrifft natürlich nur den Durchschnitt äußerheher Bildung.
Das Spioniersystem ist hier jetzt vollständig. Jeder Schritt wird 2. März, von den Agenten des Bischofs bewacht. Gehen wir aus, so folgt uns ein unbekanntes Individuum vom Gasthaus an nach — stets ein anderer, um Verdacht zu vermeiden. Zwei Christen, die in Schanghai gewesen sind und die den größten Eifer hatten, uns dienstlich zu sein, dürfen nicht herkommen: es sind die einzigen brauchbaren Leute, einer von ihnen ein Gelelu-ter. Meinen unschuldigsten Wünschen wird entgegen- gearbeitet. So wollte ich zum Beispiel Probon von Seide und anderen Produkten mit der Angabe der richtigen Preise mitnehmen. Ich setzte die Wünsche bei Li auseinander. Sein ältester Sohn, ein kleiner Mili- tär-Mandarin, war von Diensteifer beseelt, da er sich schon als Agenten für Kaufhäuser von Schanghai sah, und schüttete sein ganzes Herz aus, wollte auch gleich alles besorgen. Dies war gestern morgen. Zuerst rapportierte Li dem Bischof, bei dem ich ihn antraf, und holte seine Instruktionen. Abends kam sein Sohn ganz kleinlaut herein und brachte ein kleines Strähnchen der allerschlechtesten Seide, voller Knoten, während er sich vorher als Kenner gezeigt hatte. Heute morgen ging Splingaert aus, um die Muster zu besorgen. Der Spion folgte ihm stundenlang. Als Splingaert ihn los war, ging er auf den Seidonmarkt, eine große Halle, eine Art Börse, wo nur in Seide gehandelt wird. Er sagte, die Kaufleute hätten den lebhaften Wunsch gehabt zu han- deln, und ich bestellte einen mit Mustern hierher. Nun sind außer den zweiMandarin-Soldateu (Polizisten) noch zwei angebliche Soldaten hier, deren Sendung wir erst gar nicht enträtseln konnten, bis sie, von Fragen
18*
276 Die letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tscliöngtufu.
bedrängt, erklärten, sie seien vom Bischof geschickt und gehörten dem Litsefu-Yamen an. Diese zwei besorgen die innere Spionage, und stets ist einer von ihnen vor der Tür, wenn wir Besuch haben. Sobald der Seidenhändler kam, erhielt er von einem dieser Türhüter vor unsern Augen geheime Instruktion, infolge deren er so unsinnige Preise nannte, daß die Muster wertlos wurden. Bilderverkäufer werden schon an der Tür abgewiesen. Diese Anordnung hat wahrscheinlich den Zweck, mir den Aufenthalt zu verleiden. So gibt es noch hundert Kleinigkeiten, in denen sich die Spionage und die kleinlichen Machi- nationen des Bischofs zu erkennen geben. Bei den Christen sind wir offenbar angeschwärzt und verdächtigt.
Von den Mandarinen, mit Ausnahme des Litsefu, habe ich bis jetzt nur Freundlichkeiten erfahren. Grestern wurde Splingaert von ihnen in das Theater eingeladen und mit Auszeichnung behandelt. Die Polizisten sind die einzigen brauchbaren Leute, deren wir uns be- dienen können.
Es existiert hier noch der Palast des Kaisers Liu pi, der im Jahre 220 n. Chr. seine Residenz in I tschau (Tschöngtu) nahm und die große Nordstraße bauen ließ. Das Volk ehrt sein Andenken. Splingaert besuchte heute den Palast. Es steht noch ein Stück fester alter Mauer, „so groß und fest wie die von Peking" ; darin sind nebeneinander drei große Eingangstore zum Palast, davor ein freier Platz. Innen ist nicht viel zu sehen, und der innerste Teil ist verschlossen. Außerhalb der Stadt, am Südtor, ist die Grabstätte des Liupi in einem kleinen Tempel. Viele Mandarinen gingen dorthin, um sie zu besuchen.
Über die Ureinwohner ist nur nach und nach Material zu sam- sammeln. Die Sifan beginnen unmittelbar hinter Kwanhsien und leben zu beiden Seiten des Minkiang, mit Ausnahme der ganz chi- nesischen Orte am Fluß. Mautschöu, Tsakuting, Sungpantiug sind Kolonien im Gebiet der Sifan, und diese bewohnen das ganze Land westlich und nördlich von diesen Orten. Bei Möukungting und Ta- tsien lu kommen sie mit den Mantsze, in den Distrikten von Litang und Batang mit Tibetern in Berührung; sie sind den Chinesen nicht
Die Ureinwohner von Sz'tschwan. 277
feindlich gesinnt und vermischen sich mit ihnen. In Manko, süd- westlich von Sungpan, herrscht eine kriegerische Königin, die als eine Art Amazone gilt und sich die nördlichen Stämme zu unterwerfen sucht. Die Mantsze sind in 18 tributpflichtige Stämme geteilt, ein jeder unter seinem regulus; Muping ist einer dieser Stämme. Sie wohnen südlich von den Sifan, westlich bis über Tatsienlu hinaus, und scheinen nach S und W an tibetanische Stämme zu grenzen.
Nun kommt das merkwürdige und, soviel ich bis jetzt erfahren kann, abgesonderte Gebiet der Lölö. Sie bewohnen das über vier Breitengrade sich erstreckende Hochgebirge zwischen Yatschöufu im Norden und Hweilitschou im Süden. Im Westen sind sie begrenzt durch die Straße nach Ningyuenfu und das von den Chinesen okku- pierte Gebiet dieses Departements, im Osten durch die Linie Yatschöu- fu, Kiatingfu, Sütschöufu; von da aus besitzen sie noch einen be- deutenden Strich östlich vom Kinschakiang. Diese ganze Zone ist für Chinesen undurchdringlich: nur wo sie dichte Nachbarn sind, vertragen sich die Lölö mit den Chinesen, sonst sind sie ihre bitteren Feinde. Wer ihr Land betritt, dem verbrennen sie die Fußsohlen, wenn sie ihn über- haupt zurückkehren lassen. Sie vermischen sich nie mit den Chinesen, geben ihnen auch nie ihre Töchter. Sie nähren sich hauptsächlich von Mais, Buchweizen und Wild, kleiden sich in Felle und gebrauchen keine Medizin. Iliren Namen sollen sie von dem ihnen eigentümlichen schallenden Ruf eines schnellen „lö lö lö lö" haben. Sie machen zu- weilen Ausfälle auf chinesische Ortschaften; ihre Unterjochung hat sich jedoch bisher als unmöglich erwiesen. Diese Stämme machen es schwer, einen passenden Reiseweg zu finden. Man kann, wenn man nicht sehr viel Zeit zu allmählichen Bewegungen zu Gebote hat, die Gegend nur auf einigen Haufitlinien durchstreifen; dazwischen ist sie unzugänglich.
Mein ursprünglicher Reiseplan war niu' bis zu dieser Stadt fest- 5. März.
gesetzt. Ich hatte zwar vorgehabt, noch irgend einen Ausflug nach ^^^ einem 1 1 -n /• • 1 • Brief an die
Westen auszuführen, aber den Entwurf eines bestimmten Planes mußte Eltern.
ich bis zu meiner Ankunft in Tschöngtu verschieben. Hier finde ich
278 Die letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tschöngtufu.
nun, daß ich nur die Wahl habo zwischen garkeinem Ausflug oder einer weit angelegten Gebirgsreise ; meiner ganzen Arbeit in China würde der wichtigste Abschluß fehlen, wenn ich von hier direkt nach Schanghai zurückkehren wollte. Ich habo daher noch eine Rundreise beschlossen. Es erhebt sich im Westen von hier eins der gToßartigsten Gebirgsländer der Welt, das sich weit nach Norden, Westen und Süden ausdehnt und schnell zu Gipfeln mit ewiger Schneebedeckung ansteigt. Es ist in tiefen Felsschluchten von großen Strömen durch- furcht, deren oberer Lauf noch wenig bekannt ist, während an ihren Mündungen vom Gelben Meer bis nach Indien hin einige der größten Handelsstädte Asiens liegen. Das ist eins der großartigsten For- schungsgebiete, die einem unternehmenden Reisenden noch offen sind.
Mein Zweck ist nur, den Ostrand dieses zentralasiatischen Ge- birgslandes, die Abfälle desselben nach dem eigentlichen China kennen zu lernen. Da aber das Land von wilden und halbwilden Völker- schaften bewohnt ist, so sind nur gewisse Linien vorgezeichnet, auf denen man das Land durchziehen kann. Eine derselben führt über Ningyuenfu nach Talifu im westlichen Yünnan ; diese Straße habo ich einzuschlagen beschlossen. Talifu ist zwar seit Jahren in den Händen der Mohammedaner, die im westlichen Yünnan ein eigenes Königreich gegründet haben ; aber kaiserliche Truppen stehen um die Stadt, und es geht durchaus nicht sehr kriegerisch her. Ich möchte gern von dort noch einige Tagereisen gegen Südwesten gehen, um ein großes oder vielmehr ein als wichtig betrachtetes Problem zu lösen, nämlich die Untersuchung der Verbindung zwischen Bliamo am Irawaddi und Talifu.
Es führt dort seit uralten Zeiten eine Handelsstraße ; die Eng- länder möchten sie gern kennen lernen, um von Bhamo aus, das mit Dampfschiffen erreicht werden kann, für die Produkte Indiens und für den englischen Handel überhaupt einen Weg nach China zu bahnen. Es sind schon mehrere Reisen zum Zweck dieser Unter- suchung unternommen worden, aber sämthch fehlgeschlagen. Zuletzt drang im Jahre 18G8 Major Sladen von Bhamo bis zu dem chinesiscliea
Der weitere ßeiseplan. 279
Ort Tangyüetschöu*) vor. Ich brauchte dahei' nur diesen zu er- reichen, so wäre die ganze Passage bekannt.
Diesen Nebenplan meiner Reise, der nur eine Art Anhängsel ist, habe ich absichtlich niemandem mitgeteilt; denn während man für meine ganze eigentliche Reise nur geringes Interesse haben würde, würde man gewiß der Ausführung des angegebenen Unternehmens, das, wie gesagt, für mich nur Nebensache ist, mit Spannung entgegen- sehen. Käme ich nicht bis Tangyüetschöu, so würde man daher von Fehlschlagen des Unternehmens, von Zurückweichen vor Schwierig- keiten usw. sprechen. Ich habe bisher immer das Prinzip verfolgt, nie im voraus von großen Plänen zu sprechen, sondern diese lieber für mich zu behalten und ihre Ausführung dann als fait accompli mitzuteilen.
Es wird mich einen schweren Entschluß kosten, nicht den Ver- such zu machen, nach Birma und Rangun weiter zu gehen, von wo ich bald bei Euch sein würde, sondern aus der Gegend von Talifu mich noch einmal ostwärts zu wenden, um über Yünnanfu und Kwei- yangfu nach Tschungkingfu am Yangtsze und von dort nach Schang- hai zu gehen. Ich würde im ersteren Fall meine Tagebücher, Karten und Sammlungen einem ungewissen Schicksal überlassen. Ich weiß noch nicht, ob ich die Kraft haben werde, der Versuchung zu der ersteren Reise zu widerstehen. Alle meine Berechnungen gründe ich jedenfalls auf die Rückreise nach Schanghai.
Ihr seht, ich nehme es mit dem Abschluß meiner Reisen nicht leicht, sondern tue mein Möglichstes, um etwas Gründliches und Ganzes zu leisten. Es wäre Leichtsinn, jetzt, da ich soweit gekommen bin, nicht die Gelegenheit so gut als möglich auszunutzen. Diese letzte wh'd vielleicht die beschwerlichste meiner Reisen in China werden, aber, wenn ich sie gut durchführe, auch die dankbarste. Sie führt in ihrer ganzen Länge durch gänzlich unbekannte Gegenden. Ihr müßt nicht glauben, daß ich dabei leichtsinnig zu Werke gehe. Ich suche
*) bekannter unter dem Namen Momein.
280 Die letzte große Reise. 2. Von Singanfu nach Tschöugtufu.
über jede Gegend, die ich zu berühren habe, vorher die ausgedehn- testen Erkundigungen einzuziehen, und zögere nicht, was mir unklug scheint, sofort aufzugeben. Meine Gesundheit ist bis jetzt vortrefflich, und, so viel kräftige Provisionen und vernünftige Lebensregeln damit zu tun haben, hoffe ich, sie zu bewahren.
Meine Nachrichten aus Europa datieren natürlich weit zurück. Ich werde mehr nachzuholen haben, als menschliche Kraft leisten kann. Mein Interesse an den Begebenheiten in der Heimat, wenn es auch gegenwärtig keine Nahrung erhält, hat nicht im mindesten nach- gelassen, und ich glaube, daß auch mein Genuß an der Kunst ganz wie früher existiert. Ich fürchte mich beinahe vor dem Eindruck, den mir das erste Wiederanhören einer guten Aufführung eines Musik- werkes wie des „Messias" machen wird. Meine Korrespondenz, mit Ausnahme des lokalen Briefwechsels (jetzt China und Japan), ist leider sehr besclu-änkt. Es ist mir stets ein peinliches Gefühl, daß ich in garkeiner brieflichen Verbindung mit Berlin stehe. Ich habe früher öfters geschrieben, habe aber von dortigen Fachgenossen nie eine Zeile zur Antwort bekommen. Die gelehrten Herren dort fühlen sich so erhaben, daß sie schon eine große Gunst zu erweisen glauben, wenn sie Briefe gnädig annehmen, und sich über die gewöhnlichsten Formen der Höflichkeit hinwegsetzen. Da ich nicht geneigt bin, um die Gunst der hohen Herren zu betteln, so habe ich schon längst die Mitteilungen nach Berlin eingestellt. Es dient natürlich nicht zu meinem Vorteil, da dadurch auch die Teilnahme an mir erloschen ist. —
Auch von hier will ich wieder zu Pferde aufbrechen und hoffe, die ganze Reise in dieser Weise auszuführen. Natürlich gehe ich viel zu Fuß, auf Gebirgswegen oft den ganzen Tag. Ich habe nur noch meine Pferde aus der Mongolei; sie haben die Reise sehr gut ausge- halten, und ich könnte sie hier um das Dreifache des Einkaufspreises verkaufen. Hier hat man Pferde so groß wie Esel, allerliebste Tiere, leicht und sclilank gebaut, lebhaft und feurig; sie klettern wie Katzen auf Felswegen. Doch würde ich ein zu schworer Reiter für dieselben sein. Sehr merk^öirdig sind die wilden Tiere, welche es hier gibt.
Wissenschaftliche Sammlungen. 281
besonders in den westlichen Gebirgen. Bei den Missions Etrangeres ist ein Pere David *), ein wahres Sammelgenie ; er hat in Peking in wenigen Jahren ein reiches Museum zusammengestellt. Dann kam er nach Sz' tschwan. Hier hat er das große Glück gehabt, nur 5 Tage- reisen westlich von Tschöngtufu, mitten im Hochgebirge in einem waldbedeckten Tal, die Missionsstation Muping anzutreffen. Die Missionare lebten dort während der Cliristenverfolgung und haben jetzt eine Station mit drei europäischen Priestern und einem Priester- Seminar. David war dort ein ganzes Jahr. Er reiste fast garnicht herum, sondern blieb in Muping — wie er überhaupt kein Reisender ist — , und die zahlreichen Christen gingen in die Gebirge und sammel- ten für ihn. Es erschloß sich ihm hier eine reiche, zum gi-oßen Teil unbekannte Tierwelt, von der er große und äußerst wertvolle Samm- lungen angelegt hat. Ein besonderes Glück für ihn war es, daß Muping so nahe bei einem schiffbaren Fluß gelegen ist, denn so konnte alles leicht und bUlig nach Schanghai hinabgelangcn.
Ich tauge zum Sammeln garnicht: bei der Eile meines Reisens beschränke ich mich auf Steine, und von diesen sammle ich nur wenig, da ich sie wochenlang mit großen Kosten mit mir herum- schleppen muß. Doch habe ich einiges von Wert. In einem neuen Lande ist es für die Geologie besonders wichtig, Versteinerungen zu sammeln, um die Grundlage alles Anderen, das Alter der Formationen, zubestimmen. Früher kannte man in China gar keine Fundorte von Ver- steinerungen. Ich habe darin Glück gehabt und schon eine ganze Anzahl gefunden. Den bei weitem reichsten Fundort traf ich an der Grenze von Schensi und Sz' tschwan, wo es Berge der schönsten Versteine- rungen gibt. Um Tiere und Pflanzen zu sammeln, muß man wie David lange an einem Ort bleiben können, aber auch dann könnten es nur wenige diesem genialen Sammler nachmachen ; auch würde keiner wie er die ganze Christengemeinde zur Verfügung haben. Sie haben ihm Bären, Leoparden, wilde Ochsen, Affen und anderes Wild geschossen,
*) s. 0. S. 127.
282 Die letzte große Eelse. 2. Von Singanfu nach Tschöngtufu.
wovon es in diesen Bergen viel gibt. In der Jagd haben auch wir viel geleistet. Hier ist das Vaterland der Goldfasanen; ich habe von ihnen keinen geschossen, aber mit gemeinen Fasauen hätten wir ein Schiff beladen können. Es ist unglaublich, welche Menge es davon im Tsin- Hng-Gebirge gibt, dem höchsten der Gebirge, welche ich zu verqueren hatte; sie sitzen herdenweise auf den Feldern, auch sind sie nicht schwer zu schießen.
Zu meinem sehr großen Bedauern bin ich zum Sammeln von Sämereien auf dieser Reise überall zu spät gekommen. Gerade in die- sen Ländern hätte ich wirklich Wertvolles sammeln können, aber es ist hier längst Frühjahr. Im vorigen Sommer war ich zu früh unterwegs. Es lassen sich einmal beim Reisen nicht mit Vorteil verschiedene Zwecke verfolgen: man muß ein Ziel im Auge haben und diesem seine Kraft widmen. Ich brauche vor allem klares Wetter, und je nachdem sich in verschiedeneu Breiten die Wahrscheinlichkeit dafür bietet, muß ich meine Reisen einrichten. Bis jetzt habe ich in dieser Beziehung in wirklich wunderbarer Weise Erfolg gehabt; es wird aber jetzt damit zu Ende sein, denn nach einigen Wochen ist viel Aufenthalt durch Regen zu erwarten.
S.März. Endlich ist die Reise entschieden. Trotz aller Spionage wurde
Tagebuch. Fühlung mit Beamten von Tschöngtuhsien gehalten, die über alles gute Aufklärung gaben und ihre Unterstützung versprachen. Im feind- lichen Lager hingegen ist Unordnung ausgebrochen. Alle verdächti- gen einander, da sie sehen, daß ihre Schliche nicht geheim geblieben sind und ich auch trotz derselben erlangt habe, was ich erlangen woUte. Die Spionage wird immer klarer. Die mir zuerst angeblich vom hsien beigegebenen zwei Polizisten wurden schon am nächsten Tag verdächtig, als zwei beglaubigte Polizisten des hsien erschienen. Jene gaben dann an, vom Litsefu-Yamon zu sein. Erst später ent- puppten sie sich als bezahlte Kreaturen des Bischofs, die sogar in der Mission wohnen. Sie hüten noch immer die Tür. Dieselben Leute hatten die Wache bei Cooper, welcher meinte, vom Yamen be-
Endlich zum Aufbruch fertig. 283
günstigt zu sein, während er von der Mission bewacht wurde. Die sehr zahlreiche Li-Familie besorgt ihr Cerberus-Amt noch immer ge- wissenhaft. Sie verdankt nämlich dem Bischof den ehemaligen Auf- trag von Seiten der Regierung, Gewehre aus Hankou abzuholen. Dies brachte drei Söhnen Mandarinen-Knöpfe und der Familie Geld ein; daher die Ergebenheit gegen den Bischof, der in ihnen brauchbare Werkzeuge hat. Andere Individuen der Clique jedoch suchen sich bei mir einzuschmeicheln, da sie sich entdeckt finden und das Trink- geld zu verlieren fürchten. Auch der Bischof selbst konnte übrigens schließlich meine schriftliche Anfrage nicht anders als mit der Be- schaffung des mir nötigen Geldes beantworten.
Über der hiesigen Mission lagert eine Gewitterwolke, die aus dem durch Mißtrauen und Stolz geleiteten, wohlüberlegten und doch sehr unklugen Benehmen des Bischofs hervorgeht. Er betrachtet von vornherein aEe Mandarinen als seine Feinde, alle Heiden als ver- worfenes Gesindel. In seinen bitteren Ausfällen sucht er den christ- lichen Standpunkt dadurch zu wahren, daß er jede Rede mit: „Ics pauvres payens" schließt. Er stellt sich den Mandarinen schroff gegen- über, und ebenso scbroff ist das Verhältnis zwischen Christen und Heiden. Es wäre hier sehr leicht für ihn, sich mit den Mandarinen gut zu stellen. Höfliche Behandlung, Eingehen auf ihre Art gesell- schafdicher Formen, ein Neujahrsgratulationsbesuch usw. würde das Verhältnis angenehm machen, und sie würden ihm gern in Kleinig- keiten willfahren. Aber er stellt nur gebieterische Forderungen statt höflicher Wünsche und beruft sich schroff auf die Verträge, auch wenn sie nicht stricte anwendbar sind. Er erreicht dadurch schwer, was leicht erreichbar wäre, und auf solche Weise, daß er bittere Gefühle bei den Mandarinen hervorruft. Die Gemeinde sieht dies ein: sie hat Geld zusammengeschossen, um dem Mandarin den üblichen Neujahrs- gruß zu schicken, aber er hat ihn nicht angenommen. Dann wollten sie dem vorigen Li tse fu ein feierliches Geleit durch die Stadt geben ; es wurde ihnen aber gleichfalls verwehrt.
Die Christen sind dahin gekommen, sich fiir außerordentlich gut,
284 Die letzte große Reise. 2. Von Si ngan fu nach Tschöng tu fu.
die Heiden für außerordentlich schlecht zu halten; dazu sind sie sich eines Schutzes bewußt, der den Heiden nicht zuteil wird. Zahlreiche Bekehrungen in der Provinz finden aus diesen Mo- tiven statt. Die Christen dürfen vieles ungestraft tun, was bei den Heiden straffällig ist. Sie kommen schließlich dahin, sich hochmütig gegen die letzteren zu benehmen. Wenn ein so gutes Volk wie das hiesige gegen die Christen aufgereizt wird, so liegt daher die Schuld in erster Linie an diesen und ihrem Leiter und erst in zweiter Reihe an der Aufhetzung durch beleidigte Individuen. Und wie soll ein Be- amter nicht aufgereizt werden, wenn er neben sich eine Macht im Staate aufwachsen sieht, die eine politische Stellung einnimmt und sich ihm schrofi" gegenüberstellt, — eine Macht, welche nach Grund- sätzen handelt, die die Handhabung gleichen Rechtes für alle unmöglich macht? — Der Bischof begeht die Unhöflichkeit gegen niedere Manda- rine, wie den Tschihsien usw., ihre Besuche nicht anzunehmen und zu ignorieren; der Tsungtu (Generalgouverneur) erwidert damit, daß er den Bischof ignoriert. Das Verhältnis wird immer gespannter. Daher sieht der Bischof ängstlich der Revision des französischen Ver- trages entgegen, in der Hoffnung, daß sie ihm den politischen Schutz seiner Christen als Recht geben wird. Sollte dies nicht geschehen und Unglück über die Mission kommen, so wird sich auch hier das Gewitter schwer entladen.
Mein Reiseplan ist nun: Ningyuen — Talifu, vielleicht Tang yüe- tschöu, Yünnanfu, Kweiyangfu, Tschungkingfu. So wähle ich zum Schluß eine beschwerliche, lange und teure Reise, anstatt der leichten, schnellen und billigen Fahrt stromabwärts. Kann ich sie aber ganz ausführen, so darf ich hoffen, daß die Ergebnisse der Zeit und Mühe angemessen sein werden.
Dritter Abschnitt:
Von Tschöngtufu ins Gebirge; den Yangtsze iiinab.
Es brauchte lange Zeit, um mit den Vorbereitungen zur Reise 11. März, fertig zu werden. Es mußten noch immer mehr Informationen ge- sammelt werden, da sich verschiedene Aussichten auf eine gezwungene Umkehr zu bieten schienen, insbesondere beim Übergang über den Ban scha kiang, der verweigert werden könnte. Dann kam das Mieten der Maultiere und Beschaffen eines Vertrauens werten Mannes, um das Gepäck nach Sütschoufu zu bringen; letzteres geschah durch die Mission, ersteres konnte nur durch das hsien-Amt gescheheu. Von dieser Seite erhielt ich die wärmste Unterstützung, da Splingaert dort vollständig Hausfreund geworden ist und viele Besuche von Beamten des Yamen erhielt. Gestern sollte es fortgehen, aber es erschien die erbärmlichste Auswahl an Maultieren: alt und dürr und voller Wunden. Der Yamen befahl, bessere zu bringen, aber es erschienen nur Tiere von gleicher Beschaffenheit wie die ersten, und das wieder- holt. Endlich kam ein kategorischer Befehl vom Yamen, die besten Tiere in Beschlag zu nehmen. Dies wirkte. Es war eben ein langer Packzug von Ningyuenfu angekommen, und heute morgen mußten die Leute ihre drei besten Tiere hergeben.
Um 2 Uhr nachmittags brachen wir auf. Es waren etwa 4 li bis zum Nanmönn (^Süd-Tor). Auch hier war die Straße ähnlich wie in
286 I^iß letzte große Eeise. 3. Von Tscböngtufu den Yangtze hinab.
der nördlichen Hälfte der Stadt. In der Nähe des Südtors sieht man viel Seidenarbeiten: Weberei, Flechten von Schnüren, Fabrikation von Ornamenten aller Art usw. Das Tor selbst ist grade wie das Nord- tor, die südliche Vorstadt aber viel unbedeutender als die nördliche. Ein wenig außerhalb steht ein Tempel, Wu ho sz', mit großer roter Umfassungsmauer und vielen hohen Bäumen: er ist merkwürdig, weil Kaiser Liupi darin begraben ist, sowie auch als Ziel luculli- scher Ausflüge von Seiten der eleganten Welt von Tscböngtufu. Es gibt hier alles, was Herz und Gemüt der Chinesen erfreut: Tempel und Tempelchen, Wasser, kleine Brücken, Sommerhäuschen, einen Teich mit Lotos und Schildkröten und an diesem ein Teehaus und Restaurant erster Klasse. Auf einer breiten steinernen Terrasse, einer Art offner Säulenhalle, stehen polierte Tische und Stühle. Die Aus- sicht auf den schmutzigen grünen Teich ist alles, was der Chinese von Naturgenuß verlangt. Es war hier eine zahlreiche Gesollschaft vorsammelt: alle mit Tragstühlen gekommen und in Seide gekleidet. Die Kellner waren sehr geschäftig, kunstvoll zubereitete Gerichte herumzutragen. Auf der Terrasse hängt eine von Jesuiten hergestellte große chinesische Karte der beiden Erd-Hemisphären, auch viele hübsche Bilder. Am Tempel selbst ist nicht viel zu sehen. Liupi's Grab ist ein aufgeworfener Erdhügel von S m Höhe, mit Bäumen bewachsen und durch eine Mauer mit geschlossenen Toren abgesperrt.
Auf halbem Weg passiert man den Markt Tsu tschiau, welcher als Sitz großer Seiden-Hongs*) Ruf hat. Ein Hong ist hier ganz so gebaut wie ein Wirtshaus : Ein hohes Portal mit großer goldener Auf- schrift führt in die als Restaurant, Küche, Bureau usw. dienende Halle, die mit einem zweiten Stock überdeckt ist. Von hier führt ein breiter, nicht oder nur teilweise bedeckter, beiderseits mitReihen von Zimmern versehener Gang nach dem Schangfong**) im Hintergrund. Von der Straße sieht man daher grade nach dem Schangfong hinein, das aber noch durch eine mit großen Männern bemalte Vortür und einen be-
*) s. Band I, S. 293, 336. **) Hauptraum.
Die Seidenbörse. 287
sonderen Hof abgeschieden ist. Der Gang ist gewöhnlieh lang; zwischen den Türen, die sich zu beiden Seiten in die Zimmer öffnen, stehen Tische und Stühle für die Besucher des Restaurants. Der Einblick ist hübsch und hat etwas Wohlhäbiges. Diese hier genannte Art Hong (eigentlich auch ein „tien"*)) unterscheidet sich von den Gasthäusern dadurch, daß dort nur Besucher zum Zweck des Seidenhandels wohnen: teils Käufer, teils Verkäufer — eine Art „Seidenklub". AUes zu- sammen könnte man als eine „Seidenbörse" bezeichnen. In Tsu- tschiau wird Seide von Mientschöu, Kiatingfu und andern Gegenden verkauft. Nichts fällt so in die Augen wie alles, was mit der Seide in Verbindung steht. Man sieht spinnen, Fäden reinigen, reelen,**) weben, transportieren usw.
Schwangliuhsien, mein heutiges Quartier, liegt in einem der besten Teile der Ebene, ist auch eine hübsche kleine Stadt, aber doch weniger ansehnlich als die Städte nördlich von Tschöngtu. Es war eben Markttag, und eine Menge Menschen folgte uns ins Gasthaus, das uns vom Yamen bereitgestellt wurde. Es war kein Arg in ihnen, und sie entfernten sieh ruhig wieder.
Wieder nur eine kurze Station : meine Maultiere waren nämlich 12. März, aus einem Zug von 27 herauskommandiert worden, die sämtlich mit Melonenkeruen (!) beladen von Ningyuen gekommen waren. Hier hatten sie sich ein Rendezvous gegeben, um gemeinsam zurückzu- kehren; die 23 sind leer und haben Tschöngtufu so schnell verlassen, um nicht von den Mandarinen nach einer anderen Richtung gepreßt zu werden. Der heutige Tag war neblig wie der gestrige und fast alle seit Wochen ; nur hin und wieder blickte die Sonne durch.
Gestern war kein Hügelland zu sehen gewesen, heute erschien es deutlich südlich vom Wege in geringer Entfernung. Dann tritt es im Tal des Min nach Süden hin weit zurück, aber am rechten Ufer kommen die Hügel bis herauf nach Sintsinhsien. Die Ebene ist auch in diesem TeU ungemein fruchtbar und vorzüglich berieselt, die Be-
*) Wirtshaus. **) aus dem Englischen für „haspeln".
288 Die letzte große Reise. 3. Von Tschöngtufu den Yangtze hinab.
völkerung unglaublich dicht, in zahllosen Weilern zerstreut. Jeder Weiler ist eine kleine Häusergruppe, die wahrscheinlich von nur einer Familie bewohnt wii-d. Die Häuser liegen unter hohem Gebüsch versteckt, das einen fast tropisciien Charakter hat und eine große Zierde der Landschaft ist ; es fehlen nur Kokos- und Areca-Palmen und die großen Brotfruchtbäume. Andererseits wird man auch oft an Japan erinnert. — Die Felder prangen jetzt in schönstem Grün ; Raps und Pferdebohnen blühen, aucli Obstbäume sind in Blüte, Wei- den und Erlen haben schon kleine Blätter. Die Erle wird hier viel- fach als Kulturbaum gepflanzt. Der Bambus ist herrlich: der schönste, den ich in China gesehen habe. In der Nähe von Schwang liu wächst eine Art, die an Bambus gigantea erinnert, bis 15 m hoch wird und sehr dichte und stammreiche Bündel bildet ; besonders schön wirkt er in Gestalt glatter Hecken zu beiden Seiten der Straße. Um die ' Häusergruppen stehen Obst- und Maulbeerbäume, darunter findet Gemüsebau statt. Dann kommen die Felder, von denen drei Kate- gorien zu unterscheiden sind: 1) die, denen man nicht genug Wasser für Reisbau zuführen kann; 2) die füi- den Reisbau geeigneten, im Winter aber trocknen Felder; 3) Reisfelder, die auch im Winter naß bleiben. Höchst geringe Niveaudifferenzen sind daher für die Art des Anbaues und den Preis des Bodens entscheidend. Die dritte Klasse ist nur für Reis — eine Ernte — brauchbar und liegt jetzt brach unter Wasser. Die zweite Klasse ist am wertvollsten und jetzt mit Gerste, Weizen, Erbsen, Saubohnen, Raps und verschiedenen Gemüsen be- stellt. Im Mai wird dies alles geerntet und das Wasser sofort auf die Felder gelassen; nach acht Tagen wird gepflügt und dann (Anfang Juni) sofort der Reis gepflanzt. Der trockne Grund, d. h. der für Reis nicht naß genug ist, wird teils für die Dörfer undBambushaino benutzt, teils für einen sehr ausgedehnten Gemüsebau — die hiesigen Gemüse sind sehr mannigfaltig und von vorzüglicher Beschaffenheit, zum Teil mir ganz neu — teils für Hanf, der eben gekeimt ist.
Wir passierton wieder einige volkreiche Marktplätze, die ins- besondere an der Hauptbrücke gelegen sind. Auch heute waren die
Bodenkultur. 289
Brücken zahlreich; der Minkiang selbst aber wird in zwei Armen mit Fähren überschritten, dann folgt noch ein Arm zur andern Seite von Sin tsin hsien. In der Umgegend wird Rhabarber gebaut: eine schlechte Art von heller Farbe, die nicht sehr bitter ist, den Speichel nicht stark färbt und kleine Knollen besitzt; die Knollen werden im 7. Monat in den Grund gesteckt, im 9. geerntet. Die Pflanze wächst 1 '/j m hoch, die Blätter werden 5 cm breit und 15 cm lang. Der Anbau ist hier sehr verbreitet; auch viele andere Medizinalpflanzen werden angebaut. Der Minkiang ist noch 6 li oberhalb schiffbar, und viele Schiffe kommen hier zusammen; doch ist der Fluß voller Stromschnellen, hat überhaupt einen schnelleren Lauf als die anderen Flüsse, die ich bisher in der Ebene sah.
Ich hatte vermutet, schon heute über hügeliges Land zu kommen, 13. März, doch setzte die Ebene bis Kiungtschöu fort und wird in N und S nur von einer niederen Terrasse begrenzt. Hier werden von NW nach W die Umrisse ziemlich naher hoher Gebirge kenntlich. Die Ebene ändert ihren Charakter: stellenweise ist sie noch so fruchtbar wie vorher, aber auf großen Strecken herrscht ein zäher gelber, stets etwas un- ebener Boden, der weniger fruchtbar ist. Die Seidenkultur nimmt nach Westen hin ab, dagegen sind viele Hände mit Weben von Baum- wollzeugen beschäftigt, die dann von hier westlich in die Gebirgs- länder wandern. Die Baumwolle selbst kommt von Hupe und geht auch als Rohstoff stark nach Westen. Reisbau ist noch immer sehr vorherrschend. Die Weiler, auch die Dörfer und Märkte am Wege sind nicht mehr ganz so dicht gesät. Die Kanalisation ist sehr kompliziert: alle Kanäle haben ein starkes Gefälle und erfordern äußerst zahlreiche Brücken.
Kiungtschöu war mir schon von Mgr. Pinchon als ein aufrühre- rischer Ort genannt worden, dessen Bevölkerung wegen Streitsucht und Roheit berüchtigt sei. Ich erfulir dann noch, daß die Leute dem Mandarin nicht gehorchen und sich überhaupt an keine Gesetze kehren. In der Tat gehört die Stadt zu den unangenehmsten, die ich in China kennen gelernt haben. Der Mandarin hatte mir ein Gasthaiis
Richthofen, Tagebücher. U. Band. 19
290 I^'6 letzte große Reise. 3. Von Tschöngtufii den Yangtsze liiiiab.
angewiesen. Eine wogende Menschenmenge erfüllte bald jeden Raum. Ich ging die ganze Stadt zu Fuß ab, um die Neugier der Leute zu be- friedigen; aber auch das half nichts: das Wirtshaus blieb voll. Es war eine Monge, die, mit guten Worten behandelt, bei aufdringlicher Neu- gier blieb und nicht zu Excessen schritt, dio jedoch durch falsche Behandlung gefährlich werden konnte. Ich fürchtete einmal für das Leben meines Boy, als derselbe heftig wurde und tätlich angriff. Als es dunkel wurde, hielten wir den langen Eingang mit Maultieren be- setzt, und dies hielt die Menge schließlich draußen, aber sie tobte noch lange auf der Straße. Der Kontrast des hiesigen Empfanges mit meinen Erfaiirungen in dem übrigen Teil von Sz' tschwan ist fast un- erklärlich. Sonst gute Manieren, wirkliche Verfeinerung, und hier ebensoviel Roheit wie in Hunan! —
Abends meldete sich der hiesige chinesische Priester durch einen feierlichen Brief an und erschien bald darauf in vollem Staat. Er glaubte, ich sei ein französischer Gesandter oder Konsul und werde ihm beim hiesigen Yamen Redress für die Insultierung eines einfältigen Christen verschaffen, der auf der Straße gepredigt hatte. Dies zeigt, wie die Christen politischen Schutz erwarten und sich gewissermaßen als fran- zösische Untertanen betrachten.
Dio Stadt ist ärmlich, aber sehr volkreich. Das hübsche Gepräge der Städte im nördlichen Tschöngtu hat ganz aufgehört. Die Haupt- produktiou der Gegend ist Tee, der als Ziegeltee in großer Masse nach Lhassa ausgeführt wird. H.März. Wir verließen Kiungtschöu früh um 6V2 Uhr; dennoch war die
turbulente Bevölkerung nur unsertwegen schon auf den Beinen, und die Straßen standen alle voll Menschen, doch benahmen sie sich heute ruhig. Die Stadt ist ziemlich groß und hat eine praclm'ollo Lage am westlichen Ende derEbeno von Tschöngtu fu und am Fuß einer langen mächtigen Gebirgswand, ist aber noch durch Hügelland von dieser ge- schieden. Der Boden ist fruchtbar und trägt üppige Gemüsefelder.
Die Straße fülirt zum Südtor hinaus und überschreitet den hier schon breiten und wasserreichen Fluß auf einer schönen, ganz aus
Eine bösartige Stadtbevölkerung. 291
Quadern von Rotsandstein gebauten Steinbrücke ; sie ruht auf 16 starken Pfeilern, die durch 15 breite, aber spitze Bogen verbunden sind. Die Brücke ist zwischen 12 und 15 m breit und gleich allen Brücken dieser Gegend in vorzügUchem Zustand : nicht ein Stein ist schadhaft. Nun geht es sofort auf die gestern erwähnte Terrasse hinauf, die sich als ein breites flaches Gelände herausstellt, anfangs 50 m über der Ebene liegt, dann aber allmählich gegen SW hin ansteigt. Diese Laterit- Terrasse ist noch immer stark bevölkert, wenn auch lange nicht so be- deutend wie die Ebene. Die Häuser liegen einzeln zerstreut, doch gibt es auch Dörfer, und in einigen von diesen wird Markt gehalten. Der Anbau besteht auf den Feldern, die für keine Winterfrucht ge- eignet sind, meist in Reis, und daher ist jetzt alles mit Wasser bedeckt; außerdem sieht man viel Gerste, Saubohnen, Weizen, Erbsen und Raps, wie in der Ebene. Die Felder stehen nicht so üppig wie unten, aber man erhält aus dem Laterit-Boden doch einen ganz guten Ertrag. Die Felder liegen besonders in den breiten Senkungen; sie werden durch Strecken angebauter Kiefernwälder getrennt, die eine Seltenheit darstellen und der Terrasse ihr besonderes Gepräge geben. Opium wird nur in mäßiger Ausdehnung angebaut. Die Straße ist klein und leidlich instand gehahen, der Verkehr aber nicht bedeutend.
Das westliche Gebirge steigt hinter einer Vorreihe von Hügeln schnell zu einer Mauer an, die oben teils eben, teils sägenartig ausge- zackt ist; ihre Höhe schätze ich auf 1100 — -1200 m über der Ebene von Kiungtschöu. Hinter dieser an mehreren Stellen unterbrochenen Mauer erheben sich einige höhere Gipfel, die aber heute wegen Nebels nicht deutHch erkennbar waren.
Der Weg hält sich noch immer auf der Laterit -Terrasse; er ist I.S.März, ganz mit Rollsteinen gepflastert und daher sehr unbequem. Wie gestern herrschen Wald und Reisfeld vor, abwechselnd mit Raps, Gerste usw. Ein prächtiger Blick tut sich auf, wenn man zuerst in das Tal von Mingscbanhsien hinabsieht. Das Tal des Yatschöu- Flusses beschreibt einen großen Halbkreis um den Nordfuß des Tschöukungschan herum; es hat nur 1—2 li Breite und ist im Norden
19*
292 Die letzte große Keise. 3. Von Tschöngtufu den Yangtsze hinab.
von einer halbkreisförmigen, aus horizontalen Schichten gebauten Rot- sandsteinwand begrenzt. Die Landschaft war heute zauberisch schön: im Talboden und an den Gehängen, soweit die Kultur reicht, das frische Grün der Saaten mit dem Gelb der blühenden Rapsfelder vor- mischt ; in den Schluchten und an fernen Gehängen ein zarter Duft, der die Berge weit höher erscheinen ließ, als sie sind — jeder Teil des Panoramas ein prachtvoller Gegenstand für ein Aquarell. Dazu das Leben in dem fruchtbaren Talboden: kleine Dörfer und viele einzelne Häuser zerstreut, an den Abhängen Kultur bis an die unglaub- lichsten Stellen hinauf: oft nur Sti'eifen von Grün und Gelb iu dem dunkleren Ton der Gehänge.
Der Fluß ist bis Yatschöufu schiffbar, obwohl voll starker Stromschnellen. Wir sahen viele kleine Boote, die mit Baumwolle be- laden waren. Zuletzt ging es auf einer Brücke über einen nördlichen Zufluß und auf einer Floßbrücke über den Hauptfluß; dann folgte wieder eine Steinbrücke auf Bogen über einen südlichen Zufluß, end- lich die Stadt. Die Floßbrücko ist sehr einfach : ein etwa 10 Zoll dickes Bambustau ist über den Fluß gespannt und liegt in abwärts gerichtetem Bogen auf dem schnellfließenden Wasser; an seiner Unterseite sind die dünnen Enden einer dichten Reihe von Bambus- büudeln angebunden. Die dicken Enden sind dann mit zwei Reihen von Faschinen bedeckt, welche den mit Matten bedeckten Weg ein- schließen. Die Packtiere konnten ohne Mühe über die Brücke gehen, nur eins sprang ins Wasser, rannte gerade hindurch, wurde vom Strom fortgefülirt und kam beinahe um; doch wurde es samt den darauf befindlichen Satteltaschen noch gerettet.
Yatschöufu ist eine große Stadt. Da es zu Wasser erreichbar ist, so ist es der Knotenpunkt des Handels für ein außerordentlich großes, wenn auch nicht grade stark bevölkertes Gebiet. Tibet und Kien tschang*) sind die Hauptgebiete, die von hier aus vei'sorgt
*) Kien tschang ist eine Tallandschaft im südwestlichen Sz'tschwan mit dem mehrfach erwähnten Ning yuen fu als Zentrale.
YatscMufü. 293
werden. Die Bevölkerung war durch Neugier unangenehm, aber nicht so roh wie in Kiungtschöu.
Dies Tagebuch zu sclireiben ist seit Tschöngtufu eine Schwie- rigkeit, die nur fester Wille überwinden kann. Die hiesigen Wirts- häuser haben im Schangfong*) in der Mitte eine offene Halle mit Tisch und Empfangssitzeu, der sich an den Seiten dunkle Zimmer mit Schlafpritschen anschließen. Man ist also auf die offene Halle angewiesen, und von dieser die Leute fem zu halten, ist unmöglich. Man ist stets von neugierig ausgereckten Köpfen umgeben und wird mit Fragen belästigt ; dazu kommen die vielen Verhandlungen, Rechnungen iisw., so daß ich noch nicht eine Zeile ruhig geschrie- ben habe, denn auch abends geht das fort, bis es Zeit zum Schlafen- gehen ist.
Seit Tschöngtufu habe icli eine Eskorte von vier Mann, die in jedem hsien gewechselt wird. Selbst diesen Polizisten aber ist es voll- ständig unmöglich, die Leute fernzuhalten; uns gelingt es noch zeit- weise, jene aber sind ganz unfähig, etwas gegen die Menge auszu- richten : ihre Befehle werden ausgelacht, und Tätlichkeiten wagen sie nicht. Die Pforten zu schließen nützt nichts, denn entweder ist über- haupt kein Riegel da, oder er ist so schwach, daß der Andrang einer Menge das Tor sofort sprengt. Hier hatten wir auch den Yamen gegen uns: er wollte unsere Eskorte nicht erneuern. Vom Yamen von Tschöng tu hsien war ein offener Brief mitgegeben worden, den die Eskorte uns voranzutragen und abzugeben hatte ; er war so gut wie eine Ordre fiir die Eskorte. Dieser Brief war nun irgendwo liegen ge- blieben, und der Yamen erklärte, kein Dokument in Händen zu haben und daher nichts tun zu können ; er weigerte sich auch, unsere Karten anzunehmen. Splingaert mußte selbst hingehen und brachte die Sache mit gewohnter Geschicklichkeit ins Reine. Die Eskorte erschien, ver- langte aber die Vorausbezahlung eines erheblichen Beti'ages, da sie vom Yamen nicht bezahlt würde ; es wurde uns auch ein gefälschtes Doku-
*) s. o. S. 2S6.
294 Uiß letzte große Reise. 3. Von Tscliöngtufu den Yangtsze hinab.
ment übergeben, auf dem der Yamen uns die Namen der Leute als Bürgschaft in die Hand gab. Alles dies erfordert noch viel Zeit, heute und bis morgen früh. Die Eskorte ist hier zwar überhaupt von keinem wesentlichen Nutzen, doch dies kann sich ändern. Die Lölö sollen vor der Zahl der Leute Respekt haben.
Ming schan hsien ist bemerkenswert wegen seiner bedeutenden Teeproduktion für den Bedarf in Tibet. Der Strauch ist hier groß und hat dunkles Laub. Man macht den Tee mit wenig Sorgfalt aus großen Blättern ; die Qualität soll auch schlecht sein. Die Teeblättor werden nach Tatsien lu getragen und dort weiter präpariert, angeblich zu Ziegeltee. Eine sehr allgemeine Beschäftigung in der Gegend ist das Spinnen und Weben von Baumwolle : die gewebten Stoffe werden ebenfalls nach Tibet exportiert. Ein merkwürdiger Handelsartikel sind Lampendochte, die eigentümlich fadenartigen Markdochte, wel- che in ganz China so beliebt sind und in ungeheurer Monge konsumiert werden. Hier ist einer ihrer Produktionsorte. Die Dochte sind das Mark einer langen Binse, die im Winter auf den Reisfeldern kultiviert wird; jetzt ist gerade die Zeit des Einsammelns und Abschälens. End- lich ist seines reinen Geschmackes wegen ein starkes alkoholisches Getränk bemerkenswert, das man aus Mais braut. Ich habe es nur in dieser Gegend angetroffen; es hat den reinsten Geschmack unter allen Getränken, die ich in China kennen gelernt habe. Der Gebrauch von Mais zur Nahrung ist hier selir allgemein ; er ist die Sommerfrucht auf den trocknen Feldern. 16. März. Es hielt schwer, uns heute von Yatschöu fu loszueisen; die Stadt
ist für die Bewohner von Kien tschang eine Art Baden-Baden : sie lust- wandeln in den Straßen, gehen ins Theater, besuchen die Kaufläden und dünken sich im Vollgenuß von allem, was das Leben Bestes bietet. Ein Tag in Yatschöu fu ! — das war die Bettelei meiner Leute den ganzen Weg über gewesen. Da ich aber dennoch weiter wollte, so mußten die Esel beschlagen und allerlei Nötiges besorgt werden, was den ganzen Tag in Anspruch nahm. Endlich setzte ich meinen Willen durch, ging aber nur bis hierher, nach Kwanyinpu, da die Leute Fracht für den
Beziehungen zn Tibet. 295
Rest ihrer Tiere gefunden hatten und morgen nachkommen wollen, um dann mit vollem Train vorwärts zu gehen.
Die Angelegenheit mit der Eskorte wurde auch geregelt: es gehen vier Leute weiter mit. Diese gehören zu der zahh-eichen Bande der Satelliten des Yamen: alle unbezahlt und hauptsächlich von Trinkgeldern abhängig. Außerdem bekommen sie Tantieme von jeder Geldstrafe oder Erpressung, die sie eintreiben helfen. Werden sie als Eskorte beigegeben, so erhalten sie vom Yamen 80 Cash pro Tag und gewöhnlich noch ein Trinkgeld von dea Reisenden. Es scheint, daß Cooper sich hat Erpressungen gefallen lassen, daher wurden sie auch bei mir versucht. Andererseits zeigte sich der Yamen spröde, wahrscheinlich weil vor kurzem die tibetanische Gesandtschaft die Yatschöufu-Elskorte geprügelt hat; sie hatte nämHch für 20 Pferde gezahlt und erhielt nur 10. Diese Gesandtschaft muß hier von den- selben Leuten bis nach Lhassa — 70 Tagereisen — eskortiert werden. Angeblich tut man ihr auf dem Weg nach Peking jeden Gefallen, be- handelt sie aber dafür auf dem Rückweg schlecht. In Achtung stehen diese tributbringenden Lamas nicht, und ihre Reise ist eine saure Arbeit.
Leider waren heute alle hohen Gipfel in Wolken gehüllt, daher konnte ich für die Orographie der Gegend nichts tun. Der Weg führt von einer 50 m hohen Schotterterrasse nach dem Flüßchen hinab, das bei Yatschöufu von Süden her mündet. Da er sich ganz an die westliche Seite hält, die oft schroff nacli dem Bach abfällt, so gibt es schon manche steile An- und Abstiege; der Weg ist aber gut gebaut und gut in Ordnung gehalten. Die Querschluchten werden auf gut konstruierten Steinbrücken überschritten. Die Gehänge zu beiden Seiten und die Gebirge bis in größere Entfernung bestehen ganz aus Rotsandstein.
Die Landschaft ist anmutig: im Talboden Reisfelder und zer- streute Häusergruppen, höher hinauf die andern Feldfrüchte, da- zwischen viel Baum- und Strauchwuchs. Je weiter man kommt, desto mehr nimmt dieser zu: alles sproßt und grünt, und manche Bäume
296 Die letzte große Reise. 3. Von Tschöngtufu den Yangtsze hinab.
Sind schon in Blüte. Unter den Kräutern, die das tonige Erdreich bedeclien, sind sehr schöne Blumen, auch viele Moose und Farn- kräuter. Unter den Bäumen ist mir vieles ganz neu. Schon nach 20 li wird das Tal zu einer engen Schlucht zwischen roten Wänden. Das kleine Dorf, in dem ich raste, liegt ganz eng dazwischen ein- geschlossen.
IT.März. Vom Feilungkwan, dem „Paß zum fliegenden Drachen", hat
man eine gute Übersicht über das Gebirge, da er, wie so oft im Rot- sandsteingebirge, nicht durch eine Einsattelung, sondern über den Rücken hinweg führt. Man übersieht eine Monge flacher Rücken, die nur in NO durch tiefe Einschnitte in Massive aufgelöst sind. Die fernen Schneegebirge südlich von Yungkinghsien sind von dort nicht sicht- bar: hohe schrofi^e Gipfel kommen nicht vor, aber stumpfe Sägelinien sind häufig. Vom Süden kommen auf der Straße Kupfer von Kien- tschang, Eisen aus demselben Tal, grobe Schafwolle vonTatsienlu und eine Menge Medizinen von überall. Nach Süden und Westen gehen Baumwollzeuge — sehr stark — -, schwarzes Sudsalz — ebenfalls sehr bedeutend — und Tee, der auch hier noch gebaut wird.
18. März. Yungkinghsien liegt in einer Erweiterung des Tales auf ebenem
Boden. Die Lage ist hübsch, die Stadt aber ärmlich iind schmutzig: eine lange Reihe kleiner Krambuden. Es wird hier viel Schmiede- arbeit gemacht, besonders Werkzeuge, Messer, Lanzen usw. Man be- reitet hier auch eine große Menge von sehr schlechtem Tee. In allen Tälern der Umgebung wird auf dem Rotsandstein Tee gebaut, und der Anbau erstreckt sich fast bis zur Höhe von Siaukwan hinauf. Die Bauern tragen ihn jetzt in großen Säcken nach Yungking zu Markt: es sind alte Blätter mit den Zweigen, einmal getrocknet und noch nicht zusammengeschrumpft; in Yungking wird er dann noch einmal gedörrt und gerollt, und dann geht der Tee in Paketen nach Tatsien lu, wo er, wie erwähnt, fertig gemacht wird. Man läßt hier den Strauch bis 10 m hoch werden; viele Abhänge sind ganz damit besät. Bei Yungking vereinigen sich zwei Täler: das kleine kommt von SSO;
Wieder ins Gebirge. 297
der Bach darin ist voll von Gerollen aus granitischen und porphyri- schen Gesteinen. Man übersetzt ihn auf einer Fähre; dann folgt die Straße dem Hauptfluß 20 li gegen WSW. Es ist ein prächtiges Land- schaftsbild: das saatbedeckte Tal mit zerstreuten Gehöften, die von weitem reinlich aussehen, und darüber die Gehänge des roten Sand- steins.
Nachdem man 15 li südlich gezogen ist, setzt die Straße auf einer festen Steinbrücke mit Pfeilern, die mit Sandsteinblöcken von 20 Fuß Länge, 4 Fuß Breite und 2 Fuß Dicke belegt ist, von dem östlichen auf das westliche Ufer über. Hier beginnt eine Enge. Zum erstenmal steht hier Granit an, der in große Blöcke aufgelöst ist. Von nun an geht es steiler und steiler hinan, immer am brausenden Bergstrom ent- lang. 20 li von Siaukwan passierten wir ein größeres Dorf, 10 li weiter bei Hwangyipu, das schon hoch gelegen ist, die obere Grenze des Reislandes. Stellenweise ist die Schlucht romantisch und reich an kleiner Szenerie, die Stoff zu allerliebsten Vignetten geben würde: Felsblöcke übereinander gestürzt, mit üppiger, halbtropischer Vege- tation bedeckt, von hohen Stämmen überragt; zwischen ihnen das brausende Gewässer, über das eine leichte Drahtbrücke führt; jenseits einige Mühlen; darüber die geschichteten Rotsandsteinwändo und hinter ihnen, höher aufragend, die schwarzbewaldeten Granitkuppen. Die Straße passiert zwei Kettenbrücken : eine besteht aus ausgespannten Ketten, an welchen unten eiserne Gerüste mit dem Brettersteg be- festigt sind, so daß also hier die Brücke an Ketten hängt. Sehr hübsch sind zwei andere kleine Brücken, welche seitwärts über den Haupt- bach führen und nur als Steige für Menschen benutzt werden: vier runde Eisenstäbe von 10 m Länge liegen von Fels zu Fels, darauf Bambusquerstückchen und auf diesen ein schmaler Brettersteig. Zur Sicherheit und Befestigung dienen zwei längere Eisenstäbe, welche etwa 1 m über dem Steg die beiden Seitengeländer bilden. Diese Brücken sehen ungemein leicht und zierlich aus und sind für die Über- spannung dieser wilden Bergströme sehr geeignet.
298 I^>6 letzte große Reise. 3. Von Tschöngtufii den Yangtsze hinab.
Aus einem be- Ich war guten Mutes für meine weite Reise aufgebrochen. Pack-
sonderen Ma- (.jgj.^, -fp-ij-en auf lange hinaus gemietet, und ich sah der Verwirklichung
miskript*)und
einemBrief an meiner Pläne mit Zuversicht entgegen. Die Straße nach Ningyuenfu die Eltern. g[lt als sehr gefährlich, da sie durch Gebiete des unabhängigen Stam-
*) Das Manuskript, dem die nachfolgende Darstellung zum größeren Teil entnora-. men ist, gehörte zum späteren Entwurf eines der Kapitel des dritten Bandes von „China", aber nur als Anmerkung zum Text. Diese beginnt mit den Sätzen : „Obwohl ich sonst in diesem Werk die Erzählung von Reiseerlebnissen oder die Darstellung von Abenteuern als zu unwesentliches persönliches Beiwerk, wo es sich um die objektive Wiedergabe von Ergebnissen handelt, geflissentlicli gemieden habe, will ich doch die Episode, welche meine Reise gerade an dem Punkt, wo ich mich den glänzendsten Hoffnungen hingab, zu einem jähen Ende führte, hier nach meinem Tagebuch erzählen. Wie leicht Un- kenntnis des Sachverhalts zu irrigen Vermutungen über die Ursachen solcher Kata- strophen führen kann, entnehme ich Baber's Bemerkungen über die vermeintliche Ver- anlassung meiner Umkehr (R. Geogr. Soc. Supplem. Papers, Vol. I, S. 12)." Und der hier anknüpfende Schluß der Anmerkung lautet: „Unter solchen Umständen erschien mir das Beharren auf der Ausführung meines Planes als eine Torheit, um so mehr, als er an und für sich, angesichts der Rebellion in Vünnan, welcher bald nachher Margary zum Opfer fiel, als eine Tollkülinheit betrachtet werden konnte. Mehrere Jahre nach- her (1877) hat Baber, angeregt durch die Identifizierung von Ningyuenfu mit dem Kaindu des Marco Polo, die Reise in jene Gegenden erfolgreich ausgeführt. Als Britischer Konsul war er eine geheiligte Person, der jeglicher Schutz gewährt wurde. Er reiste mit allem Pomp eines großen Mandarin, und es blieb ihm erspart, durch ein zufälliges Abenteuer an einer unglücldicheu Stelle den Zorn oder die Rache der Be- satzungen auf der ganzen Reiselinie auf sich zu laden." — Die einleitenden Worte sind besonders zu beachten, weil daraus die scharfe Trennung hervorgeht, die Richt- hofen zwischen wissenschaftlicher und populärer Darstellung zog. Sie geben dem Herausgeber wohl auch die Berechtigung, jenes Manuskript, das im übrigen ja nur eine Übertragung des — an den betreffenden Tagen englisch verfaßten — Tagebuchs dar- stellt, hier zu benutzen. Die Tagebuch-Aufzeichnung vom 19. März beginnt mit den höchst ausdrucksvollen Worten: „A hard day's work and retrogressive in the extreme, probably fatal for niy journey; and it was nearly fatal for us (Eine harte Tagesarbeit und ein Rückschritt im äußersten Grade, wahrscheinlich verhängnisvoll für meine Reise, und fast auch verhängnisvoll für uns)." Im übrigen sind die Sätze des Tage- buclis in jenem Manuskript fast wörtlich zur Übersetzung gelangt. — Außerdem sind noch einige Stelleu eines Briefs an die Eltern, d. d. Sütschöufu 31. März 1872, er- gänzend benutzt worden.
Zurück! 299
mes der Lölö führt, die die Straße bewachen und oft in großem Schwärm hervorbrechen, um die durchziehenden Packzüge zu plüu- dern. Dies hatte micli nicht abgeschreckt, denn gegen die eisernen Keulen und Messer der Lölö haben wir gute Schußwaffen, und wenn man die Gefahr vorher kennt, ist man auch gegen sie gerüstet.
Der Führer meines Zuges war ein wackerer Mann aus Kien- tschang, wie der Bezirk von Ningyuenfu gewöhnlich genannt wird. Meine Begleitung bestand außer dem Personal des Packzuges aus meinem treuen Dolmetscher, dem Belgier Paul Splingaert, und zwei Boys. Der eine von ihnen war ein Mandschu aus Peking, der schon seit Jahren unter dem Namen Jim bei der dortigen britischen Gesandt- schaft Dienste getan hatte und mir leidenschafdich ergeben war. Nach meiner Heimkehr hat er mehr als 25 Jahre hindurch die erste Stolle in der chinesischen Dienerschaft bei der deutschen Gesandtschaft in Pe- king bekleidet und ist dann von der Verwaltung in Tsingtau mit (dem Vernehmen nach) wichtigen Angelegenheiten beti-aut worden. Während er schon lange in meinem Dienste stand, hatte ich den andern erst in Tschöngtufu angeworben; er war ein außerordentlich gewandter und hübscher junger Bursche, der schon einige Male in Peking und einmal in Lhassa gewesen war. Nachher begleitete er mich nach Schanghai, und von hier nahm ihn Herr Detring zur Weltausstellung nach Wien mit, wo er seine Bildungsfähigkeit schnell erwies; bei nochmaliger Rückkehr nach Wien erhielt er später militärische Ausbildung in einem österreichischen Kavallerie-Regiment und brachte es in China zu hoher Offiziersstellung. Außerdem war uns eine beständige Eskorte von vier Mann, die von einer Kreisstadt zur anderen wechselte, beigegeben worden; sie war von geringem Nutzen, sollte aber das Ansehen der Expedition erhöhen. Meine Reisemittel waren drei Reitpferde, die ich aus der Mongolei mitgenommen hatte, eines für mich, eines für Splin- gaert und eines zum abwechselnden Gebrauch für die Diener. Ich pflegte das Pferd wenig zu benützen, da ich fast immer zu Fuß ging.
Am 18. März kam ich durch Yungkinghsien nach Siaukwan, einem in ungefähr 1380 m Meereshöhe gelegenen kleinen" Weiler,
300 Die letzte große Reise. 3. Von Tschöngtiifu den Yangtsze hinab.
hinter welchem bald der Anstieg nach dem nach Gill's Messung 2810 m hohen Paß Ta siangling beginnt; jenseits steigt man hinab nach Tsing- kihsien. Dienstag, den 19. März, wurde dieser Weg eingeschlagen. Es ist ein enger Pfad, der sich an mäßig steilen, hier und da aber von sehr abschüssigen Stellen unterbrochenen Gehängen hinaufwindet. Da über 2500 m Meereshöhe viel Schnee lag, war der gangbare Pfad noch mehr eingeengt und sehr schlecht. Ich ging allein weit voran. Am Wege sind Stationen in je 51i Abstand voneinander. Ich kam durch Takwan, Pa fang und Menpu. Als ich das erste ziemlich verfallene Haus der folgenden Station, deren Namen mir als Tschang ho angegeben wurde, erreichte, beschloß ich zu warten, bis ich den ganzen langsamer nach- folgenden Zug überblicken könnte, da grade hier der Weg einige schlimme Stellen hatte. Er führt durch eine steil herabkommende Runse, welche eine tiefe Nische im Gehänge bildet. Ich befand mich auf der Nordseite derselben und konnte den zurückgelegten Pfad auf der Südseite auf ungefähr ein halbes Kilometer übersehen.
Während ich wartete, schritt ein Mann mit einem Gong bergab an mir vorüber. Er hatte die Aufgabe, durch Schlagen des lauttönen- den Instruments auf einen hinter ihm folgenden langen Zug aufmerk- sam zu machen, der nun auch sichtbar wurde: ein großer Sarg wurde von 1 6 Mann getragen, — reiche Chinesen bestatten ihre Toten im Familiengrab und lassen sie oft sehr weit transportieren — ; vor den Sargträgern schritten andere Männer, welche zu je vier die schon fertig bearbeiteten mächtigen Planken zu dem kolossalen äußeren Sarg trugen. Einige Soldaten begleiteten den Zug, den ich auf insgesamt 40 bis 50 Mann schätzte. Langsam bewegte er sich vorwärts. Als er das Bett der Runse erreichte, sah ich an dem letzten sichtbaren Punkt des jenseitigen steilen Gehänges die Spitze meines Maultierzuges er- scheinen, und ich wartete, mit einiger Besorgnis scharf ausblickend, wie die beiden Züge aneinander vorüberkommen würden. Noch oho sie einander erreicht hatten, sah ich den meinigen halten; als Ursache stellte sich nachher heraus, daß an einer meinem Blick nicht zugäng- lichen Stelle ein Maultier mit seiner Baumwoll-Ladung den Abhang
Das verhängnisvolle Rencontre. 301
hinabgestürzt war, ohne übrigens wesentHchen Schaden zu nehmen, da es auf weichen Schnee fieh
Mit wachsender Aufmerksamkeit betrachtete ich den in lockeren Gruppen langsam fortschreitenden Zug mit dem Sarg, den meine Leute noch nicht wahrnehmen konnten. Die Sargträger schienen mir absichtlich langsam zu gehen. Bald nachdem die Vordermänner des- selben das erste Maultier erreicht hatten, bemerkte ich, wie ein Streit ausbrach, und wie Splingaert, der am Ende meines Zuges ging, herbei- eilte und, nach seinen Gebärden zu urteilen, Frieden zwischen den Leuten zu stiften suchte. Plötzlich sah ich, wie er von den Gegnern heftig erfaßt und zu Boden geworfen wurde, wie er sich ihnen zwar ent- riß, aber von ihnen verfolgt den Weg aufwärts rannte und dort uner- wartet auf die einzelnen Gruppen des Zuges und schließlich auf die Sarg- träger stieß ; wie jede Gruppe sich den Verfolgern anschloß und die ganze Bande, mit Stöcken, Eisenstäben und Steinen bewaffnet, unter wildem Geschrei hinter ihm her rannte. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen und suchte sie zu beschwichtigen, indem er ihnen gleichzeitig seinen Revolver entgegenhielt.
Ich eilte, als ich den ersten Moment der Gefahr gewahi'te, durcli tiefen Schnee und Gesträuch den Abhang hinab, indem ich den Bogen, welchen der Weg durch die Runse machte, abschnitt, und sah den Verlauf der Episode während des Hinabeilens. Bei meinem Anblick stutzten die Leute, berieten untereinander und fielen zurück. Schnell erzählte mir Splingaert, daß er Jim im Kampfe mit fi-emden Leuten gesehen habe, darauf schnell herbeigeeilt sei und Frieden zu stiften versucht habe ; inzwischen seien mehr Fremde gekommen ; plötzlich habe ihn einer heftig geschlagen und am Nacken erfaßt ; er habe zwar den Täter schnell niedergeworfen, aber um nicht von der Waffe Ge- brauch zu machen, sei er geflohen; ahnungslos sei er auf mehr fremde Leute gestoßen; mit Glück sei er einem Schlag ausgewichen, der mit einem schweren eisernen Kolben gegen ihn geführt wurde und der ihn getötet haben würde, und wie durch ein Wunder sei er an der ganzen Bande vorbeigekommen.
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Während er erzälilte, kam ein olnzelinT besser gekleideter Nach- zügler des fremden Zuges vorbei. Auf Befragen erfuhren wir, daß er dessen Obmann sei. Ich forderte ihn auf, die Leute zu beschwich- tigen, und hoffte, daß damit die kleine Angelegenheit erledigt sein würde. Doch er war ein hochfahrender Mann, dem das Bewußtsein einer starken Bedeckung Mut vorlieh. Überlegend ging er weiter, machte aber im Hinabgehen seinem Haß gegen Europäer in einigen schlechten Worten Luft. Indessen schien die Sache beigelegt, als bald nachher die 16 mit Baumwolle beladenen Maultiere meines Zuges an uns vorüber kamen und ihren Weg ruhig fortsetzten. Allein vergeblich warteten wir auf meine eigenen Pack- und Reittiere und meine Leute. Wir eilten also hinab, ihnen entgegen.
Als wir am Fuß des steileren Anstiegs ankamen, hörten wir be- reits, daß die Fremden sich meiner Reit- und Packtiere bemächtigt hätten. Bald trafen wir sie, wie sie den Berg weiter hinabzogen: fremde Reiter saßen auf meinen Pferden, andere hatten sich mit meinen Gewehren bewaffnet oder sich Decken und andere leicht ent- wendbare Gegenstände des Gepäckes angeeignet. Es wäre leicht gewesen, unsere Sachen mit Gewalt wegzunehmen ; aber da hätten wir unsere Revolver nicht nur ziehen, sondern auch brauchen müssen. Da die Leute jedoch keine Straßenräuber von Profession waren und der Zug offenbar einer hohen Persönlichkeit angehörte, so wäre dies das Ende meines Reisens gewesen, und zwar ein höchst unangenehmes. Waffengewalt durften wir also nicht anwenden. Wir versuchten die Leute zur Vernunft zu bringen, und die Lastträger waren auch dazu bereit; aber ihre Vormänner, darunter der, welcher Splingacrt zuerst attackiert hatte, und vor allen der Offizier redeten sich und die Leute in eine solche Wut hinein, daß eine Wiederholung der Attacke bevor- stand, wobei wir natürlich hätten schießen müssen. Der Obmann hatte Erpressung im Sinn und hoffte sein Ziel durch seine große Über- legenheit in der Zahl der Eskorte zu erreichen. Daher schlug er einen entrüsteten Ton an und wurde heftiger, lauter und drohender. Er erhob die gänzlich erfundene Anklage, wir hätten ein Stück des
Militärisches Raubgesindel. 303
Sarges abgebrochen, und Splingaert hätte einen seiner Leute so ge- schlagen, daß er unfähig sei zu 'gehen. Zum Beleg der letzten Ent- schuldigung mußte ein Mann sich lahm stellen, wenn wir ihn sahen ; sowie er sich unbemerkt glaubte, war die Lahmheit spurlos ver- schwunden. Obgleich der Obmann ein Mandarin niederen Grades war, nahm er sich heraus, meinen Paß zu verlangen, was ich selbst- verständlich zurückwies. Diese Geringschätzung steigerte seinen Zorn. Anfangs hatte er ein Lösegold von 20Taels (je 6 Mark nach damaligem Kurs) verlangt, was ich verweigerte; als aber meine Leute ohne mein Wissen darauf eingehen wollten und ihm erklärten, sie würden mich dazu bereden, steigerte er die Summe auf 400 Taels.
Ein güthcher Ausgleich erwies sich bei der großen Erregtheit bald als unausführbar. Nur zwei Wege waren möglich: Einerseits hätten wir von unsern Revolvern vollkommen berechtigt Gebrauch machen und unser Eigentum zurückerobern können, da die Bande als Straßenräuber behandelt werden durfte; dies wäre auch ausführbar gewesen, aber wir wußten, daß die Weiterreise dann unmöglich und, falls wir jemand töteten, unser eigenes Leben bei dem Rückweg durch die nächsten belebten Ortschaften aufs äußerste gefährdet sein würde. Andererseits konnten wh- die Sache vor den nächsten ein Richteramt bekleidenden Mandarin bringen; denn ich hatte die Anklage eines mörderischen Anfalles auf Splingaert. auf meine Tiere und mein Ge- päck, der persönlichen Aneignung meiner Waffen, Flaggen usw. usw., sowie der Erpressung auf Grund lügenhafterBehauptungen zu erheben. Allerdings war dieser Weg wenig erfolgverheißend, denn wir durften er- warten, daß die Leute die Bevölkerung gegen uns aufreizen und zuTät- Hchkeiten veranlassen, auch den Mandarin für sich gewinnen und eine beliebige Anzahl von Zeugen fitr Behauptungen und Anklagen jeglicher Ai't herbeischaffen würden, wälu-end wir auf uns allein angewiesen wa- ren. Ich beschloß jedoch, demgemäß zu handeln und die Angelegenheit vor dendemDisti-iktYungkinghsien vorgesetzten Mandarin zubringen.
Die Gefülde der Enttäuschung, des Ärgers und der Betrübnis, mit denen ich den Rückweg antrat, lassen sich nicht beschreiben; denn
304 Die letzte große Reise. 3. Von TschöngtHf\i den Yangtszp hinab.
ich war mir bewußt, daß, falls es uns gelingen sollte, der, wie wir er- warteten, aufgeregten Volksmenge zu entrinnen, die ernste Begeben- heit, deren erste, jedenfalls unbedeutende Veranlassung ich mir noch nicht erklären konnte, mit größter Wahrscheinlichkeit meiner Reise ein Endo machen würde. Andererseits lag allerdings etwas Komisch- Befriedigendes in dem Umstand, daß wir zwei Mann eine Bande von 47 Gefangenen, darunter einen Offizier und mehrere Soldaten vor Ge- richt führten. Entweichen konnten sie nicht: denn durch die ganze Gegend weit und breit führt nur eine einzige Straße, und auf dieser mußten sie mit ihrer unbequemen Last ziehen. Wir hatten uns, da die niederen Leute des Zuges doch das Bewußtsein der Ungerechtigkeit ihrer Sache hatten, bald wieder in den Besitz unserer Pferdo und Lasttiere gesetzt und ließen den andern nur die übrigen gestohlenen Sachen. Wir ritten ihnen weit voran, wohl wissend, daß sie unfehlbar uns nach in ihr Verderben gehen mußten, übernachteten auch viel näher an unserm Bestimmungsort als der schwerfälligo Zug. Dieses Siegesbewußtsein aber wurde sehr zurückgedrängt durch die Wahr- scheinlichkeit, daß die Leute versuchen würden, in der Stadt Yung- kinghsien einen Aufruhr gegen uns zu veranstalten. Es war daher meine Hauptaufgabe, zuerst in der Stadt anzukommen, um die Be- völkerung vorzubereiten und zu sondieren.
Die ganze Sache stellte sich mehr und mehr als das heraus, wo- für ich sie von Anfang an gehalten hatte: als ein Erpressungsversuch, der durch Massenerregung in einen mörderischen Akt ausartete. Ihrer großen Zahl bewußt beschlossen die Leute, einen von so wenigen Men- schen begleiteten großen Packzug zu inkommodieren, um Geld zu erpressen. Sie hatten dies schon mehi-fach mit Erfolg ausgeführt. Kurz ehe sie uns begegneten, hatten sie, wie ich am folgenden Tage erfuhr, einen Kaufmann, der zu Pferde reiste, angehalten. Zuerst hatten sie ein Sargbrett gegen sein Pferd niedergesetzt, dann behauptet, er habe das Brett verletzt, und gedroht, ihn zum Mandarin mit zurückzunehmen, hatten ihm dann aber erlaubt, sich loszukaufen, und ihm seine Bar- schaft und seine Kleider abgenommen.
47 Gefangene ! 305
Als die Leute nun sahen, daß der Weg so direkt zum Mandarin führte, lieJ3en sie mir in dieser Nacht sagen, daß sie die Sachen ohne Lösegeld freigeben würden. Aber es war zu spät! — Die Beleidigung, durch eine solche Schwefelbande zur Umkehr gezwungen worden zu sein, war zu empfindlich, um ungestraft gelassen zu werden. Außer- dem aber existierten nun schon die Gefahren, die mich bestimmten, meine Reise ganz aufzugeben. —
Am nächsten Morgen hatten wir noch 40 li bis Yungkinghsien zurückzulegen. Nicht ohne Bangigkeit zogen wir um 10 Uhr vor- mittags in die Stadt ein, da wir erwarteten, die Bevölkerung würde bereits gegen uns aufgeregt worden sein ; überdies war eben Markt- tag, und eine Menge Volks strömte nach der Stadt. Wir kamen in- des ohne Belästigung nach dem Yamen des Distrikts- Mandarin, wo wir sofort einti'aten und von diesem gut empfangen wurden. Wie ge- wöhnlich waren außer mehreren Unterbeamten noch viele Leute in der Halle. Kaum hatte ich den Sitz neben dem Mandarin, dem ich sofort meinen Paß und ein empfehlendes Schreiben der höchsten Provinzialbehörde vorlegte, eingenommen, als der Offizier des Sarg- zuges eintrat. Er war klug genug, meine Gewehre mitzubringen; der Mantel aber war an einen Vorübergehenden verkauft worden und ist trotz der energischen Nachforschungen von Seiten des Yamen nicht wieder zum Vorschein gekommen. Das Benehmen des Offiziers beim Verhör war feig; sein unterwürfiger, gleißender Ton, in dem er seine Sache darstellte, stach sehr unvorteilhaft gegen die männliche und freie Art ab, in welcher Splingaert die Aflare erzählte. Es gelang ihm denn auch nicht, das Vertrauen der Anwesenden zu gewinnen. Der Distriktsmandarin war schnell von seiner Schuld überzeugt und be- hielt ihn in Gewahrsam, indem er mir die weitere Verfügung über ihn anheimstellte.
Wir gingen darauf ins Wirtshaus. Nun aber kam die Besorgnis von Seiten des Yamen, die ich schon vorher gehabt hatte. Die Be- amten erklärten, nicht imstande zu sein, die ganze Bande von 47 Mann einzusperren, und fürchteten, die Leute würden unter der gi-oßen
Richthofen, Tagebücher, U. Baad. 20
306 l^'6 letzte große Reise. 3. Von Tschöngtufu den YangtszS hinab.
Volksmenge in der Stadt einen Aufruhr gegen uns machen. Der Yamen habe keine Soldaten und sei außerstande, uns zu schützen: wir müßten also auf das SchHmmste gefaßt sein.
Nachmittags kamen meine 47 Gefangenen an und die Vormänner, vier an der Zahl, spazierten sofort ins Gefängnis. Das Ereignis war während des Tages in der ganzen Stadt ruchbar geworden und war in jedermanns Mund. Die allgemeine Meinung wendete sich zu unsern Gunsten, da es sich herausstellte, daß die ganze Gesellschaft hier wohlbekannt war und als eine Bande von Straßenräubern betrachtet wurde. Die begleitenden Soldaten waren Zugehörige der Provinz Hunan und wurden als solche gehaßt. Meine Leute und einige Christen erstatteten mir über diese Dinge getreuen Bericht; dennoch erwartete ich mit einiger Unruhe den Anbruch der Dunkelheit, denn damit ist hier die Gefahr eines Volksauflaufs vorüber.
Das Weitere ist einfach. Am nächsten Tage besuchte ich den Mandarin selbst, einen Tautai — Mandarin vom 3. Knopf, was ziem- lich hoch ist, — und fand in ihm einen liebenswürdigen, verständigen Mann. Er war zu jeder Strafe für die 47 Mann bereit, doch habe er keine Macht, den Offizier zu bestrafen, und könne weder Schadcn- noch Kostenersatz von demselben herauspressen, da dieser kein Geld habe. WoUte er aber dem General, unter dem der Offizier steht, den Sachverhalt mitteilen, so sei es unfehlbar um dessen Kopf geschehen. Dies wußte der Offizier natürlich selbst am besten. Er war de- und wehmütig, krümmte sich wie ein Wurm und woUte mir öffentlich den Fußfall machen. Doch hatte ich mit diesem orbärmlichen Subjekt kein Erbarmen, nahm keine Genugtuung an und ließ die Angelegen- heit, soweit sie ihn betraf, in suspenso; sein Kopf ist mir natürlich eine zu hohe Strafe. Die Kulis bat ich frei ausgehen zu lassen, mit Ausnahme dessen, der Splingaert mit dem Eisen beinahe totgeschlagen hätte : er war so schlecht, daß er sich unmittelbar nachher noch rühmte, daß er dieser Mann gewesen sei. Dieser und die vier Vormänner, einer davon ein Kaufmann von Yunkinghsicn selbst, wurden nach meinem Wunsch bestraft. Wie ich nach meiner Abreise erfuhr, ist
Die Strafe. 307
ihre Strafe sehr viel härter, als ich gewünscht hatte : sie müssen für drei Monate den Kang, ein schweres Brett um den Hals, tragen, und jeder bekommt täglich 200 Schläge. Dazu kommt, daß ihnen von den Unterbeamten des Yamen jeder Pfennig, den sie besitzen, ausge- preßt wird.
Wenn sich auch jetzt die Hoffnung regte, daß wir unsere Reise wieder würden aufnehmen können, so erwies sie sich doch als illu- sorisch, denn ich wäre einem Chor der Rache in die Hände gefallen. Der Sarg enthielt die Leiche der Frau eines Generals Li von Hunan, der eine bedeutende Anzahl Truppen in dem Gebiet von Ningyuenfu kommandiert und an einem Ort an der Straße stationiert ist. Der Weg nach Ningyuenfu ist eine einfache Linie, von der man nicht abweichen kann, und führt durch wildes Gebirgsland, welches von nur halbunterworfenen, zum Teil noch ganz unabhängigen Sifan- und Lölö-Stämmen bewohnt wird. Zum Schutz gegen diese ist nämlich eine Anzahl von Militär-Stationen angelegt worden, auf die man als Rastorte wesentlich angewiesen ist. Die Offiziere unter dem Ge- neral sind gleichfalls meist aus der Provinz Hunan, wo der Fremden- haß am größten ist. Die Nachricht von dem Ereignis eilt natürlich wie ein Lauffeuer die ganze Straße entlang und kommt jenseits ganz entstellt an. Die vorgegebene Beschädigung des Sarges würde zu einer Demolierung desselben anwachsen. Um den Kopf des Offiziers zu retten, wäre sicher einer der begleitenden Soldaten umgekehrt und hätte an all den zahlreichen Garnisonsorten die Sache, zu Gunsten seines Offiziers und gegen uns gedreht, erzählt — garnicht der auf der Straße sehr zahlreichen Kulis zu gedenken, die die Partei ihrer Ge- nossen nehmen würden. Es war daher beinahe gewiß, daß wir auf dem Weg nach Ningyuenfu in die schlimmsten Lagen kommen wür- den, in denen der Gebrauch der Waffen unvermeidlich wäre. Die Hunan-Söldlinge, die ohnedies in dem Ruf standen, sich für kärglich einkommenden Sold durch Erpressung schadlos zu halten, da sie an ihren weit abgelegenen und ganz isolierten Posten nach Willkür schalten konnten, würden uns auf die Kunde hin, daß zwei „fremde Teufel"
20*
308 I*'ß letzte große Reise. 3. Von Tschöngtu fu den Yangtsze hinab.
im Anzüge seien, welche die Bestrafung der Hunan-Kameraden ver- anlaßt hätten, unfehlbar ihre Rache fühlen lassen. Der vortreffliche Mandarin erklärte uns, daß die chinesische Macht uns In dieser Gegend unmöglich davor schützen könnte.
Dies sah der Yamen selbst ganz klar, ohne daß ich ein Wort davon erwähnte. Der Mandarin erbot sich daher von selbst, den Weg entlang Briefe an die Behörden mit Darstellung des Sachverhalts zu schreiben. Da ich jedoch die Art solcher Darstellungen zu gut vorher kannte, so verlangte ich mit großer Bestimmtheit auch noch einen ofl'enen Brief, den ich vorzeigen könnte. Man gab ihn auch, obgleich mitgroßemWiderstreben. Es stand darin, unsere beiderseitigen Dienst- leute hätten Streit gemacht, das habe zu einem Streit zwischen mir und dem Offizier geführt, wir hätten uns aber geeinigt. Man entschuldigte sich wegen des Inhalts: man könne den richtigen Sachverhalt nicht schreiben, da sonst der Offizier geköpft werden müßte und der Yamen in Yungkinghsien die Rache sämtlicher Hunan-Offizlere auf dem Halse haben würde. Ja, man fürchtete sich schon ohnedies davor, weil der OiSzier und der Sarg so lange festgehalten worden war, und bat mich, zu erlauben, den Offizier loszulassen. Ich wünschte, die ganze Bande noch bis auf einen Tag nach meiner Abreise festgehalten zu haben, und das ist auch geschehen.
Das Zusammenhalten der Hunan-Offiziere ist so gefurchtet, daß sogar meine Maultiertreiber, die gutmütigsten Leute von der Welt, be- stimmt darauf rechnen, noch einmal tüchtig geprügelt und ausgesogen zu werden. Ich hatte nämlich darauf gedrungen, wenigstens diesen einen kleinen Ersatz für ihre verlorene Zeit zu geben. Sie meinen, sie hätten das Geld annehmen müssen, os würde ihnen aber melir- fach wieder abgenommen werden.
Das ist die lange, lange Geschichte einer an sich unbedeuten- den Begebenheit. Ich habe sie so weitläufig erzählt, weil sie die Veranlassung war, daß ich die versprechendste Reise, die ich je angetreten habe, so schnell wieder aufgeben mußte. Es war keines- wegs gewöhnliche Furcht, die mich umkehren ließ, denn durch die
Machtlosigkeit der Beamten. 309
wilden Lölö hatte ich mich ebensowenig abhalten lassen wie jemals früher durch das Vorhandensein von Räuberbanden in irgend einer Gegend. Um mein Motiv zu verstehen, muß man nicht nur China, sondern besonders die eigentümlichen Verhältnisse in dieser Gegend kennen. Wir zwei Mann können es leicht mit 50 Mann aufnehmen und sie alle zu Paaren treiben. Kommen wir aber in den Fall, einen Soldaten oder Lastträger erschießen zu müssen, so haben wir das ganze Volk gegen uns und fallen entweder als Opfer einer aufgeregten Menge, die zu zahlreich ist, als daß wir uns gegen sie verteidigen könnten; oder, wenn wir vor Gericht gehen, haben wir nicht einen Zeugen für uns, aber Tausende gegen uns. Dann wäre der Reise auf das Jammervollste ein Ziel gesetzt.
Ich bin es künftigen Reisenden schuldig, die Angelegenheit in Peking weiter zu verfolgen. Wäre mein Fall vereinzelt, so wäre das nicht notwendig. Allein vor vier Jahren reiste hier Mr. Cooper, in der Absicht, einen Weg durch Tibet nach den britischen Besitzungen in Indien aufzufinden. Er hatte ein ähnliches Abenteuer, nur viel schlimmer, denn er wurde von einem Militär-Mandarin fünf Wochen gefangen gehalten, und es wäre, so sagt man, um sein Leben geschehen gewesen, wenn ihn nicht der würdige Bischof von Tibet, Mgr. Chau- veau in Tatsien lu, durch seinen Einfluß hätte befreien lassen. Beide Erlebnisse sind derart, wie sie in andern Teilen von China unerhört sind. Das Gebirgsland gegen Tibet hin ist im großen und ganzen von unabhängigen Stämmen bewohnt. Um sie in Schach zu halten und die große Handelsstraße und die von Chinesen bevölkerten Enklaven, von denen Ningyuenfu die größte ist, vor ihnen zu schützen, sind in zahlreichen Garnisonen Soldaten stationiert, die nicht der regulären Armee angehören, sondern auf Zeit geworben werden. Ihre Offiziere der niederen Grade werden als eine Art Ausschuß betrachtet; sie be- nehmen sich sehr unabhängig und sind gefürchtet. Gehen nun solche Vorfälle, bei denen diese Offiziere beteiligt waren, ungestraft vor- über, so kann überhaupt kein europäischer Reisender mehr diese Gegend betreten.
310 Die letzte große Reise. 3. Von Tschöngtufu den Yangtsze hinab.
22./23. März. Ich schwankte noch his gestern früh in meinem Entschhiß, da ich
Aufbruch ^°° ,jen Gedanken, meine ganze Reise aufeugeben, schwer ertragen konnte, Yungking- hsien. ^^'^ doch mußte ich mich dazu entschließen. Unter dem Vorwand,
meine Reise fortsetzen zu wollen, entlockte ich dem Yamen einen offenen Brief, der aber nur das bereits Erwähnte enthielt, nichts von Genugtuung für uns. Damit konnte ich unmöglich abgehen. Man kannte die Affäre natürlich bereits auf dem ganzen Weg, und natür- lich überall unter gründlicher Entstellung. Am wirksamsten wird die falsche Version bei Li und seinen untergebenen Hunan-Leuten sein, und dort hätten wir alles zu befürchten. Mit Ausnahme dieses Briefes hat der hiesige Mandarin alles getan, was er konnte. Kostenorsatz fand er natürlich, doch war er von den Leuten nicht zu erhalten, und vom Yamen verlangte ich nichts, da dieses guten Willen zeigte und keine Schuld hatte. Hätte Töu, der Obmann der Bande, einen Zivil- mandarin-Knopf, so würde er sofort festgesetzt worden sein; da er aber den MiUtär-Knopf hat, so wagt es der Yamen nicht. Darum weigerte sich der Yamen auch, mir einen Brief andern Inhalts mitzugeben. Ich hatte zahlreiche Zeugen auf meiner Seite : die vier Yamen-Lcute, die mich begleiteten, einen Soldaten, der in Tschaug lang tsai wohnt, Packleute, Boys und andere, die aufs kräftigste für mich einstanden. Auf dem Yamen herrschte nicht nur völlige Überzeugung von der Schuld des Offiziers Töu, sondern wahres Entsetzen über das, was er getan hatte; und doch woUte man nicht gegen ihn auftreten.
Ich war in Tschöngtu sehr vor den Gefahren der Reise nach Kien tschang gewarnt worden, da die Lölö's in Scharen bis 200 Mann zu Pferde die Reisenden überfallen sollen. Diese Gefahr hatte mich nicht zurückgeschreckt, denn auf Lölö's darf man schießen und be- kommt dafür schließlich noch eine Auszeichnung. Aber die Aussicht, in den Fall zu kommen, grade auf dieser Straße mich meines Lebens gegen Kulis und Soldaten mit Waffen wehren zu müssen, ist sehr viel ernsthafter, und das wüi'de fast unvermeidlich bevorstehen. Das Mili- tär hat hier eine schlimme Macht, und es wendet sie gegen Europäer an. Der Cooper'sche Fall war der erste, der meinige der zweite ganz
Erzwungener Wechsel des Reiseplans. 311
ähnlicher Art. Die Straße nach Tibet ist unter gewöhnlichen Um- ständen ganz offen. Es war ein Zufall, daß ich den Hunan-Leuten schon vor der Gabelung der Straße begegnete. Diese Gefahr besteht sonst nur in den Kantonnemonts der Yungping, einer Art von Grenz- regimentern geworbener Truppen unter Offizieren, die nicht zur regu- lären Armee gehören.
Die Reise nach Yatschöufu machte ich heute bei schönstem Wetter, ganz wie ich es für die unerforschten Gegenden jenseits des Siangling brauchen würde. Die Hitze war schon fast unerträg- lich, obgleich die Temperatur nur 30° C und die Luft vollkommen durchsichtig war. Unsere Geschichte ist hier allgemein bekannt, zum Glück die gute Version. Man erzählt, 50 Mann hätten uns angefallen und beraubt, wir aber hätten die ganze Bande gefangen genommen und dem Yamen überliefert. Unterwegs kamen uns Leute entgegen, die uns dankten, daß wir die Straße von den auf dem Siangling ge- fürchtoten Räubern gereinigt hätten.
Wir sahen uns hier nach einem Boot um: es gab zunächst nur Bambusflöße, und selbst von diesen konnte keins vor morgen früh abgehen. Wir mieteten eins von hier nach Kiatingfu (280 li) für den hohen Preis von 7400 cash, ließen aber dann die Anzahlung von 400 cash sitzen und mieteten ein Boot für 8000 cash. Die Leute kamen nachträglich in Streit um den Köder und teilten die Beute, indem die Bootsleute denen vom Floß 2000 cash zahlen mußten.
Der Fluß ist wasserreich, reißend und voller Stromschnellen, 24. März, hat aber wenig Untiefen. Die Fahrt nach Kia ting fu wird in 1 V2 Tagen gemacht, im Sommer in einem Tag ; aufwärts nimmt sie vier Tage in Anspruch. Das Panorama der Gebirge um Yatschöufu präsentiert sich prächtig und im zartesten Duft: ein schöner Gegenstand für Landschaftsmalerei. Das verzweigte Talsystem setzt tief im Gebirge nieder, dessen Vorsprüngo sich hintereinander verschieben. Das Ge- birge selbst ist teils mauerartig mit erkennbarem Schichtenaufbau, teils sind Kuppen von den Mauern abgelöst. Abwärts wechseln im Flußtal Engen mit Weitungen : die Engen sind von Wänden aus Rot-
312 I^'^ letzte große Reise. 3. Von Tschöngtufu den Yangtsze hinab.
Sandstein eingefaßt, die zum Teil senkrecht und sogar überhängend aufragen und mit Farnkräutern und Ranken überzogen sind. Einzelne Stellen sind von hoher malerischer Schönheit, besonders voll kleiner allerliebster Szenen mit einer Staffage von einzelnen Hütten mit etwas Bäumen und Feld. In SW bleiben immer die Höhen des Tscho- kungschan, lang nach dem Fluß abfallend, sichtbar; nordöstlich herrscht nur niederes Gebirge. Es führt auch eine Landstraße im Tal, aber sie ist schwierig und für Packtiere ganz unbrauchbar, da man zwischen Yatschöufu und Tsz'hökai siebenmal zu Boot über den Fluß setzen muß. Wir erreichten Tsz'hökai, einen gi-oßen Ort, schon nach 5 Stunden, blieben aber der Pferde wegen, die erst spät abends ankamen, liegen. 25. März. Die Hitze war heute sehr empfindlich, die Gegend allerliebst ;
alles prangt im frischen Frühjalirsgrün. Wie bedaure ich, daß mir botanische Kenntnisse fehlen: es gibt so vieles Neue, Unbekannte. Die Besonderheit in Sz' tschwan, die ich von Anfang an bemerkte, ist der Anbau alles Hügellandes und die Besiedelung mit zerstreuten Gehöften. Außer den Feldfrüchten sind hier die Hauptprodukte Pela*), Seide und Tung-Öl. Pela wird nur in Kiatingfu gewonnen. Der Pelaschu**) wird in der Ebene und an niederen Hügelseiten in großen Mengen kultiviert; er steht an Rainen und auf Feldern. Es ist ein niederer Baum, der im Frühjahr schnell Zweige und Blätter treibt; ich halte ihn für eine Art Sambucus. Er soll hier weder Blüten noch Früchte haben ; die Vermehrung geschieht vielmehr durch Stecklinge, die ohne Schwierigkeit wachsen. Der Stamm erreicht bis 10 Zoll Durchmesser und wird kurz gehalten mit mehreren Aststümpfen, wie bei uns die Weiden. Das doppelt gefiederte Blatt schießt lang heraus. Es wird bestimmt versichert, daß hier kein anderer Baum zur Wachs- bereitung verwendet wird.
Die Eier des Wachsinsekts kommen von Kien tschang; dort kultiviert mau den Wurm auf einem immergrünen Baum mit eiförmig
*) das unten beschriebene Insektenwachs. **) schu = Baum.
Das Insektenwachs. 313
zugespitzten Blättern, der auch hier wächst und Paukietsau — die chinesischen Schriftzeichen diesen Namens waren nicht zu bekommen — genannt wird. Auf diesem Baum erzeugt das Insekt nur sehr wenig Wachs, legt aber Eier. Der Pe la schu würde in Kien tschang auch ge- deihen, aber dort ist das Land so wertvoll für die Kultur von Getreide und Feldfrüchten, daß die Wachsbereitung geringeren Vorteil bringen würde, während hier umgekehrt damit ein gi-ößerer Gewinn erzielt werden kann, als wenn man den Boden ausschließlich mit Foldfrüchten bebaute. Zu Ende des dritten und zu Anfang des vierten Monats, also im Mai, werden die kleinen Eibehälter von Kien tschang herüber- gebracht; es soll dann ein wahres Strömen von Menschen hierher stattfinden. Die Eier werden nur von dort bezogen, nicht von Yünnan; sie werden auch hier nicht gewonnen, denn es ist für die Fortpflanzung der Insekten hier zu kalt, während das B^ima von Kien tschang be- deutend wärmer sein soll. Die Eibehälter sind von der Größe imd Form einer Erbse, innen mit einer mehligen Substanz angefüllt und von bräunlicher Farbe. 300 von ihnen gehen auf 1 Tael Gewicht. 10 Tael Eierkapseln produzieren 2 — 3 kin Wachs. Man macht Kapseln aus den Blättern des Tung-Baumes — sie dürfen angeblich von keinem andern Baum sein — ■ und tut in jede 6 — 7 Eibehälter; dann bricht man kleine Zweige mit je zwei Blattstielen ab, befestigt die Blatt- kapseln an diese und hängt den kleinen Apparat an den Zweigen des Baumes auf; dies müssen Zweige vom vorhergehenden Jahr sein. Nach 3 — 4 Tagen beginnen die Insekten auszukriechen und sich über die Zweige auszubreiten, die bald ganz von ihnen bedeckt sind. Es ist offenbar eine Art Blattlaus, nach der chinesischen Boschreibung rund, flach, ohne Beine, ohne Kopf, ohne Augen und von brauner Farbe. Nach und nach überzieht sich die Rinde mit dem wachsigen Sekret. Im siebenten Monat schneidet man die Zweige ab, streicht von jedem das Wachs ab und kocht es in Wasser; dann gießt man das Wachs in Becken. Der einzelne Baum kann nur jedes zweite Jahr benutzt werden, da alle Zweige abgeschnitten werden. Im folgenden Jahr treibt er neue Zweige, aber diese sind erst im zweiten Jahr
314 Die letzte große Keise. 3. Von Tschöngtufu den Yangtsze hinab.
wieder verwendbar. Die Manipulation kostet wenig Arbeit, auch ist wenig Überwachung notwendig, da die Wachsläuse angeblich keine Feinde haben; selbst die Ameisen sollen ihnen nichts tun. Kiatingfu und Kien tschang teilen sich in den Gewinn, der sehr groß sein soll. In Kien tschang sind die Bäume so wertvoll, daß mau sie nicht mit dem Feld verkauft, während sie hier mit diesem zusammengehen.
Seide ist ebenfalls ein bedeutender Produktionsartikel. Man futtert die Raupen erst, wenn sie groß sind, mit Maulbeerblättem, in der ersten Hälfte ihrer Entwicklungszeit dagegen mit den Blättern eines ganz anderen Baumes, den ich nicht kenne. Hier machen die Cicaden schon einen unausstehlichen Lärm; sie sollen jedes Jahr im 2. Monat damit anfangen.
Der Transport auf dem Yahö ist nicht unbedeutend, wird aber meist nur auf Bambusflößen besorgt. Aufwärts gehen Baumwolle von Hupe, Baumwollenzeug von Sz'tschwan, Yangpu*), Papier, Ton- waren, Tabak von Meitschöu, Zucker, Süßbolz usw.; herab geht nur wenig: eiserne Pfannen und Schmiedeeisen von Yungkinghsien, Medizinen und Soda aus den Gebirgen westlich von Yatschöufu.
Die Straße nach Tatsien lu und Kien tschang, soweit ich sie be- gangen habe, ist ungemein belebt. Man ist nie allein, stets übersieht man ganze Züge von Kulis. Maultiere sind selten und gehen nur nach Kien tschang. Nach Tatsien lu geht besonders -Tee von schlechtester Quahtät; er wird in langen Paketen (pau) transportiert, die in Matten eingeschlagen sind. 1 pau wiegt 18 kin, und die meisten Leute tragen 6 — 7 pau; doch tragen viele sogar 10 — 12, und ich beobachtete mehrere Lasten bis zu 13 pau oder 233 kin**), eine fast unglaubliche Last, wenn man die Steilheit der Gebirgswege in Betracht zieht, und doch sollen gar 18 pau als eine einzige Trägerlast vorkommen. Es werden vielleicht nirgend in der Welt so schwere Lasten von Menschen über Gebirge getragen, und das für einen armsehgen Lohn! Es scheint,
*) 8. o. S. 181. •*) etwa 140 kg.
Kiatingfu. 315
daß wegen der gleichmäßigen Verteilung der Last dieser Tee leichter zu tragen ist als Lasten von geringerem Volumen wie Salz, Kupfer und Eisen.
Die Temperatur stieg heute bei klarem Wetter auf 320,5. Die 26. März. Cicaden schrieen laut. Abends folgte jedoch ein heftiges Gewitter, womit wohl eine Änderung eintreten wird. Die Gegend war ähnlich wie gestern, nur mehr offenes, ebenes Land; jedes Stückchen Erde ist reizend, aber die Landschaft bietet wenig Abwechselung. Ich er- reichte Kiatingfu um Mittag. Die Annäherung an die Stadt von Westen her ist malerisch: eine rechte chinesische Landschaft der hübschesten Art wie auf den alten sonst übertriebenen Stahlstichen, die aber doch hin und wieder ihr Modell in der Wirklichkeit finden. Tore, Tempel, Kulu's*), Schnörkoldächer steigen lustig aus den grünen Bäumen auf — alles auf niederem Hügelland, das nach dem Fluß mit schroffen berankten Wänden abfällt. Dann folgt am Wasser die lange rote Stadtmauer, über die die dunkelen Schnörkeldächer hervorragen, und jenseits des Minkiang erheben sich wieder grüne Hügel mit roten Schichtwänden und mit Tempeln zwischen den Bäumen. Wir legten an der Stadtmauer an. Meine Bootsleute hintertrieben das Mieten eines neuen Boots: es wurden, offenbar in deren Interesse, 30 Taels für ein einziges Boot nach Suifu verlangt, während meine alten Leute sich erboten, die Fahrt für die Hälfte zu machen. Splin- gaert ging auf den Yamen, wo man versprach, Boote nach der Taxe zu liefern; doch begann gleich darauf das Gewitter, das alles weitere verhinderte. Es regnete stark, und es fielen viele abwärts geschlängelte Blitze mit schweren Donnerschlägen. Vorher hatten sich einige Neu- gierige eingefunden, aber fast nur Kinder; wenn sie genug gesehen hatten, gingen sie ab.
Kia ting fu ist keine große Stadt, scheint aber fi'üher noch kleiner 27. März, gewesen zu sein; denn innerhalb der jetzigen Umfassungsmauer ist eine alte Stadtmauer, die auch aus roten Sandsteinblöcken aufgebaut
♦) s. Band I, S. 535.
316 Die letzte große Reise. 3. Von Tschöngtufu den Yangtsze hinab.
ist und deren Tore noch erhalten sind. Auch als Handelsort ist die Stadt nicht von Bedeutung, außer als Sammelplatz für die zwei wort- vollen Produkte der Gegend: Pela und Seide. Sonst fällt noch Baum- wolle durch die Masse auf, auch baumwollene chinesische Zeuge, aber wenig Yangpu. Ich sah einen Laden, wo nur christliche Bilder zu haben waren, die zum Anhängen au die Wand aufgezogen werden. Es waren zum Teil schöne Drucke in Schwarz, darunter die Steinle- sche Madonna in großem Format. Diese Bilder worden für die Mis- sions Etrangeres gemacht. Es gibt hier eine Menge Christen mit einem chinesischen Priester. Einer der ersten Christen, der ein Spirituosen- geschäft hat, besuchte uns : ein sehr anständiger Mann. Die Bevölke- rung von Kia ting fu zeigt wieder ganz die gute Bildung wie in den Städten des nordöstlichen Sz' tschwan : niemand folgte uns, man be- achtete uns kaum, und wir konnten sogar ruhig in die Kaufläden gehen.
Das Besorgen der Boote nahm noch längere Zeit in Anspruch. Das Endergebnis war, daß wir zwei Boote zu je 7000 Cash nach Sui- fu (410 li zu Wasser, 350 li zu Lande) mieteten: eins ßir uns, eins für die Pferde. Ohne die energische und ganz selbstlose Hufe des Yamen wären wir hier nicht leicht zum Ziele gekommen. Wir gelangten erst um 1 Uhr zum Aufbruch.
Der Minkiang wird erst unterhalb von Kia ting fu durch die Auf- nahme des Yahö und des Tunghö ein bedeutender Fluß. Sein Lauf ist schnell, und man kann die Fahrt von Kia ting fii nach Suifu bei Hoch- wasser in einem Tag machen, während sie stromaufwärts 10 — 12 Tage erfordert; jetzt dauert sie zwei bezw. neun Tage. Das Wetter war kalt, windig und regnerisch. Es hatte die ganze Nacht geregnet, und auch heute waren nur einzelne Pausen regenfrei. Aussicht war infolgedessen wenig vorhanden, würde aber wahrscheinlich auch wenig nützen. Der Fluß bleibtvon niederen Hügeln aus rotem Sandstein undTougcsteinen cingescUossen, die bald seine Ufer bilden, bald durch ein Stück ebenes Land von ihm getrennt sind. Schon nach kurzer Fahrt erscheint am linken Ufer ein großes Salzsudwerk, und an den Hügeln waren in ge-
Den Min-Fluß hinab. 317
riDger Entfernung die hohen Gestänge zahh-eicher Salzbrunnen sicht- bar. Ich wollte anhalten, um die Brunnen anzusehen, erhielt aber den Bescheid, wir würden gleich zu anderen kommen, die dicht am Fluß seien. Aber es kamen keine, und zu spät erfuhr ich, daß wir die be- rühmten Salzbrunnen von Wutungtschiau passiert hatten, an deren Besichtigimg mir soviel gelegen war. Ich hatte früher gehört, sie seien weiter unterhalb gelegen, und verfiel dadurch um so leichter dieser unangenehmen Versäumnis. Man gewinnt hier das weißeste, beste Salz in bedeutender Quantität.
Heute ging es mit schneller Fahrt den Minkiang hinab. Die Strö- 28. März, mung ist so gleichmäßig, daß man kaum merkt, wie schnell man fort- kommt. Es gibt weder Stromschnellen noch Stillwasser, während wir gestern etwas oberhalb Kienweihsien eine äußerst schlimme Strom- schnelle zu passieren gehabt hatten. Der Tag begann trübe mit kaltem Nordwind; später klärte es sich halb auf, während der Wind nach Ost herumging. Die Fahrt ist von geringem Interesse, und es wäre eine Tortur, sie stromauf zu machen. So hübsch die Landschaft ist, und so angenehme Erinnerungen sie weckt, ist sie doch von geringer Ab- wechslung, und auch die Geologie ist ein ewiges Einerlei. Sehr hübsch ist auf dieser Strecke der Tsai tse schan, der „Berg der reichen Leute", ein 150 m hoher, horizontal geschichteter roter Bluff, der nach dem Fluß in einer etwa 120 m hohen glatten Wand und auch nach den andern Seiten steil abfällt. Auf Stufen und Leitern steigt man hinauf, und ein eisernes Tor sperrt den Zugang hermetisch ab. Da hinauf flüchteten sich zur Taiping-Zeit viele reiche Leute, indem sie dort ihre Schätze wie auf einem „Königstein" bergen konnten. Ihre Häuser sind jetzt verfallen und werden von sehr armen Leuten bewohnt.
Man hat von oben eine schöne Aussicht, die nur leider heute nicht sehr klar war: am SW-Ufer des Flusses breitet sich über dem Steilufer ein rotes, welliges, reich angebautes und dicht bevölkertes Land aus; dann werden die Hügel höher und höher bis zu einer etwa 1000 m über dem Fluß erhabenen Kette, die auch vom Strom aus an mehreren Stellen sichtbar ist. Die Szenerie hat aber nicht das Ro-
318 Die letzte große Reise. 3. Von Tsohöngtufii den Yangtsze hinab.
mantische der Rotsandsteinschlucliten bei Tschönntschöu in Hunan.*) TuDg-Bäume stehen jetzt hier in voller Blüte und bilden eine große Zierde der Landschaft; sie sind sehr allgemein verbreitet. Feldfrüchte sind noch immer Weizen, Raps, Erbsen und Saubohnen; als zweite Frucht folgen meist Mais und Arachis. Auch Reisfelder sind vielfach vorhanden. Der Pelaschu ist nicht mehr zu sehen. Maulbeerbäume sind häufig, nicht aber der andere Seidenraupenbaum von Kiatingfu. Der Teestrauch tritt sporadisch auf, ist aber allgemein verbreitet. Die Zalü der Zierbäume ist sehr groß : darunter fällt eine stattliche Ficus auf, Musa ist häufig, aber Palmen fehlen. Kiefern werden hier viel zu Brennholz angebaut. — Statt heute in Ningyuen fu anzukommen, bin ich nun in diese gar keine Sonderinteressen bietende Region ver- schlagen. Zugleich ist der Barbestand der Kasse so zusammenge- schmolzen, daß ich kaum mehr an große Sprünge denken kann. 29. März. Das Dorf Niuschipien, wo ich rastete, liegt noch 40 li oberhalb
Sütschöufu. Meine Leute baten mich, sie nicht bis zu dieser Stadt mitzunehmen. Es werden jetzt nämhch 1500 Yung-Soldaten**) ent- lassen und für dieselben zur Fahrt stromabwärts gegen 100 Schiffe in Dienst gepreßt. Meine zwei Boote wm-don sicher dies Schicksal haben, und meine Leute meinen, sie würden bis nach Futschou hinabgehen müssen, von dort als Unbekannte keine Fracht zurückbekommen und in Ermangelung von Mitteln, ihre Schilfe zurückzubringen, dieselben für eine Kleinigkeit verkaufen müssen. Sie sagen, das würde sie und ihre Familien ruinieren; sie hätten mich auch nur genommen, weil der Yamen in Kiatingfu sie gezwungen hätte. Die hohen Forderungen dort seien gemacht worden, weil niemand mit offenen Augen in die Gewißheit des Ruins habe hineinlaufen wollen. Mit diesem Frondienst wird ein großer Mißbrauch getrieben: es ist die schlimmste Tyrannei, die sich das Volk gefallen lassen muß. Ich fuhr deshalb heute nur 24 li den Fluß hinab und liege nun 16 li oberhalb der Stadt. Von hier
•) s. Band I, S. 376 ff. •♦) s. 0. S. 311, auch 307.
Ankunft am Yangtsze. 319
schickte ich meiaen inafu*),um ein Wirtshaus zu nehmen, und will dann mit einem kleinen Boot nach der Stadt hinabfahren.
Sütschöufu liegt in einem hügeligen Kessel. In der Umgebung gibt es hübsche, malerische Tempel und Tore. Die Stadt selbst ist schmutzig und enggassig: man merkt, daß man am Yangtsze ange- kommen ist. Die schlechten Einflüsse, die sich stromaufwärts er- strecken, sind mächtiger gewesen als die guten aus dem Innern von Sz' tschwan. Die Bevölkerung ist zum Teil noch recht gut, aber es gibt sclion viele schlechte Leute, die uns den Aufenthalt im Wirtshaus und das Gehen auf der Straße unangenehm machen. Besonders sind noch viele Soldaten hier. Seit 1862, der Zeit der Unruhen, sind mehrere Regimenter Yungping hier stationiert; jetzt ziehen sie ab, da man sie endlich für unnötig hält. Diese Soldaten sind auf Zeit geworben und erhalten mehr Zahlung als die regulären Truppen. Die Offiziere sollen aus der regulären Armee zum Kommando der Yungping sozusagen relegiert sein. Da alle guten Wirtshäuser von Offizieren besetzt sind, mußten wir uns mit einem sehr schlechten begnügen, wo wir dimklo und schmutzige Zimmer haben.
Wir besuchten die Mission, die vom Wirtshaus ziemlich weit entfernt ist. Die Mission existiert als besonderes Bistum seit 10 Jahren und hat etwa 16 000 alte Christen, aber sehr wenig neue; die alten halten fest zusammen und sind auf die neuen schlecht zu sprechen. Wir fanden hierMons.Lepley, Procureur apostolique, einen schlichten, sehr angenehmen Mann. Er lud uns ein, in dor Mission zu wohnen, doch schlug ich es aus. Mein Gepäck von Tschöngtufu war ange- kommen, auch vier Kisten, die ich im März 1870 von Haukou für meinen zukünftigen Gebrauch hatte hierher schicken lassen. Allein da die Herren Missionare von chinesischer Kost leben, so scheint ihr Appetit durch die Provisionen, in denen sie etwas Besseres als Eeis geahnt haben mögen, gereizt worden zu sein. Kaum waren die Kisten 9 — 10 Monate hier, so genügte das bloße Gerücht, daß ich meine
*1 Pferdeknecht.
320 I*i6 letzte große Reise. 3. Von Tschöng tu fii den Yangtszg hinab.
Reise in Sz'tschwan aufgegeben habe, um anzuordnen, daß die Kisten geöffnet und der Inhalt unter die Mitglieder der Mission verteilt würde. Die Herren ließen sich nicht nur 500 Manila-Zigarren, ein Dutzend Flaschen Kognak, Liebig und eine Quantität verzinnter Provisionen schmecken, sondern verteilten auch Papier, Notizbücher, Blakiston's Karte, zwei Canton-Kasten, Schießpulvor und all den kloinen Kram, den ich an E^eidungsstücken, Stiefeln usw. zusammengepackt hatte und der als eine vollständige Reise-Ausrüstung für den Fall, daß ich hestohlen sein sollte, vorgesehen war. Ich hätte kaum einen besseren Beweis für meine oftmalige Behauptung haben können, daß die chine- sische Kost für uns unzureichend ist. Die Kriegsgefühle mögen dazu beigetragen haben, die Sachen als gute Prise zu betrachten. 31. März. Zum Glück ist Mons. Lepley unschuldig an der Geschichte, da
US, einem ^^ damals nicht anwesend war, doch mußte grade er mir das Geständ-
Brief an die
Eltern. nis machen: es war ein Fall, in dem der Priester dem Laien beichtete. Die Absolution ist auch erfolgt, denn mir kam die Sache mehr komisch als ernst vor. Mein erster Blick in der Mission war auf ein Corpus delicti gefallen, nämlich auf einen leeren Pott von Liebig-Extrakt, so daß ich gleich alles ahnte.
Mons. Lepley, der nächstens zum Bischof geweiht werden wird, ist ein liebenswürdiger Mann von schlichtem, aufrichtigem Charakter. Er ist vollkommen desolat über die Sache. Im übrigen mag sie unter den geheimen Kriegsakten begraben sein, zu denen sie wohl gehört. Ich bemerkte neulich in einem Brief, daß der Franzose auch im Priestergewande Politiker bleibt : hier ist der deutliche Beweis.
Nachträglich, einige Tage nach Vorstehendem, muß ich noch erwähnen, daß Mons. Lepley die debris noch hat zusammensuchen lassen. Der Befund erhöhte das Komische der Geschichte. Die Koffer erhielt ich wohlerhalteu wieder, aber von dem Inhalt waren nur noch Fragmente vorhanden, und diese waren zum Lachen. Liebig's Fleisch- extrakt hatte sich in Pomade verwandelt; wollenes Zeug hatte in- zwischen Löcher bekommen, und diese waren mit gutaufgenähten chi- nesischen blauen Flicken bedeckt. Was zu sehr europäischen Schnitt
Die Mission von Sütschöufa. 321
hatte, hatte sich nach chinesischer Mode umgewandelt; drei oder vier noch vorhandene Zinnbüchsen mit Hafergrütze und dergleichen waren geöfiriet, aber da der Inhalt offenbar nicht so gut erschienen war als der der großen Zahl von verschwundenen Zinnbüchsen, war er nur angebrochen worden, der Rest natürlich verdorben. Die beste Metamorphose hatte der Kognak erfaliren. Er hatte sich in ein Dutzend Flaschen vorzüglichen Portweins verwandelt, aus Herrn Lep- leys nicht bedeutendem Vorrat ; natürlich nahm ich nur einen kleinen Teil davon an. Da ich nicht weiter reise, so ist kein ernstlicher Ver- lust für mich entstanden. Ich hatte den Fall des Nichtvorhandenseins der Kisten überhaupt vorgesehen und mit meinen Provisionen, die ich auf der ganzen Reise mitführte, so gut hausgehalten, daß ich mit dem Rest die große Reise von Tschöngtufu aus hätte antreten können. Sogar Kaffee, Müch und solche Sachen sind noch hinreichend vor- handen, so daß ich auf meiner Rückkehr gut leben kann.
Sonnabend setzten wir uns mit dem hsien-Yamen in Verbindung: Karten wurden ausgetauscht, und Splingaert verhandelte mit dem Ming- schan, der sehr bereitwillig war, aber vom Land nicht die geringste Idee hat. Ich bekam zwei Polizisten, doch vermochten sie die Sol- daten und das Volk nicht abzuhalten, da sie mit ihm gemeinsame Sache machten, und wir waren sehr belästigt, so daß an Tätigkeit nicht viel zu denken war.
Gestern, Ostersonntag, begaben wir uns schon in aller Frülie zur Messe nach der Mission, wo außer Lepley noch ein ganz junger Missio- nar war, der die Schrecken von Paris mitgemacht hatte, und blieben dort den ganzen Tag, der recht angenehm verging. Mens. Lepley versprach den hauptschuldigen Missionar hierher zu zitieren.
Heute sind alle Soldaten abgegangen, und wir haben infolge- dessen mehr Ruhe. Heute hätte ich, wenn alles gut gegangen wäre, von Ningyuenfu nach Talifu aufbrechen soUen. Dieser Gedanke verbittert mir jeden ferneren Reiseplan, denn ich kann nichts mehr ausführen, was jener Reise an Bedeutung entfernt nahe kommen würde. Von hier aus noch nach Tangyüe tschöu gehen zu woUen, wäre bei
Kiofathofen, Tagebücher, U. Bond. 21
322 Die letzte ^oße Reise. 3. Von Tschüngtufu den Yangtsze hinab.
der vorgeschrittenen Jahreszeit ein unsinniges Unternehmen. Ich hatte vor, noch die Reise über Yünnanfu, Kweiyangfu nach Tschungking- fu zu machen; allein, je mehr ich mich über diese Reise informiere, desto weniger Erfolg verspricht sie. Sie würde zwei Monate dauern und viel Aufwand an Kraft und Zeit erfordern. Es scheint, daß der ganze Weg nur durch Rotsandsteingebiet führen würde, da ist also für die Geologie doch zu wenig zu gewinnen. Das Interesse beginnt in W, S und 0 erst jenseits des Gebiets dieser Reise. Da ist im Westen Hweilitschöu mit seinen Kupferminen; Wutingschan mit seinen Me- tallen, Brachiopoden, Kuochenhöhlen usw.; ferner das ganze südliche und westliche Yünnan; dann der Wasserscheidezug in Kweitschou und die Grenzgebirge gegen Hönan. Es ist mir nun bloß die Wahl gelassen: entweder die angegebene Reise oder den Yangtsze hinab. Die ange- fülu-ten Gründe und das stets quälende Bewußtsein, eine so großartig angelegte Reise durch den Südwesten aufgegeben zu haben, werden mich wahrscheinlich veranlassen, den Fluß hinabzugehen,
Sütschöufu ist das Entrepöt fiir den Handel nach Yünnan: es geht dorthin selir viel Baumwolle, und von dort kommen: Kupfer, VVeißkupfer (paitung), Blei, Silber, Gold, Opium, Tee. Der Metall- handel war früher sehr bedeutend, ist aber sehr heruntergegangen.
Es fällt mir nicht ein, von hier aus noch einmal die Reise gegen Birma hin in Angriff zu nehmen. Ich könnte kleinere Reisen ausführen hatte dies auch vor, könnte aber nach allen Richtungen nur bis an die Grenzen der eigentlich interessanten und wichtigen Gebiete heran- gehen und würde viel Zeit daraufwenden müssen. Einen Plan nach dem andern gab ich auf Der Hauptgrund ist wohl der, daß mich nach Aufgabe des früheren keiner der Pläne zu befriedigen ver- mochte. Ich will nun den Yangtsze hinabfahren, werde aber nach der Ankunft in Hank6u wohl noch eine Landreise in geologischem Interesse ausführen. 7. April. Wenn das Pech angefangen hat, sich einem an die Fersen zu
kleben, so ist es schwer wieder loszuwerden. Jetzt besteht es in
Weitere Schwierigkeiten. 323
einer fortdauernden Verzögerung der Abreise, von Tag zu Tag. Ich habe längst alle Reisen südwärts aufgegeben. Viel Zeit und viel Geld ist verzettelt, die Hitze wird bedeutend, die Regen fangen an; die Reise ginge entsetzlich langsam, und schließlich würde nur wenig her- auskommen. Schon seit Montag ist mein Beschluß gefaßt, den Fluß hinabzufahren, aber es gab keine Schiffe : bis vor drei Tagen wurde jedes ankommende Boot sofort von Soldaten in Beschlag genommen. Seitdem sind nur wenige angelangt, und diese verlangen unsinnige Preise, z. B. für die Fahrt nach Itschang 350 Taels*) für ein großes und 170 für ein kleineres Schiff. Ich könnte wohl ein kleines Boot nach Tschungking nehmen, aber da gehen die Pferde nicht hinauf^ und jeder Versuch, sie zu verkaufen, schlägt fehl. In Tschöngtufu bot man mir 90 Taels für die drei Pferde ; hier biete ich sie für 30 Taels aus, finde aber keinenKäufer. Einige wohlmeinende Christen erboten sich freund- lichst, sie als Geschenk anzunehmen, da auch die Herren der französi- schen Expedition zuletzt auf dies Mittel reduziert gewesen waren. So läppert sieh ein Tag nach dem andern hin ! Ich habe die Zeit möglichst mit Arbeiten ausgefüllt ; das Stillsitzen in einem dunkeln Zimmer ist aber für geistige Arbeit nicht sehr geeignet, und von Ausgehen ist keine Rede wegen der turbulenten Bevölkerung. Ausflüge in die Nach- barschaft sind nicht vielversprechend: die Gegend ist allerhebst, aber ich kenne sie von hundert anderen Orten. Will man aber ein wenig weiter weg, so steht der Zeitaufwand außer allem Verhältnis zu dem, was man erwarten darf. Nach den Salzbrunnen von Sz' liu tsing z. B. beträgt die Entfernung 240 li, und man braucht mindestens drei Tage. Am meisten reizt mich Takwan, von wo Brachiof)oden in Masse kommen ; aber es ist neun Tage bis dorthin, obgleich die direkte Ent- fernung nur 210 li beträgt. Die Tour würde also bis zum Fundort der Bi'achiopoden etwa drei Wochen in Anspruch nehmen, ebenso lange wie eine kleine Schweizerreise, und bis zur Ankunft bei den Ver- steinerungen nichts bieten.
*) also nach dem damaligen Kurs die ungeheuerliche Summe von über 2000 Mk.
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324 Die letzte große Reise. 3. Von Tschöngtufu den Yangtsze hinab.
Dio Lölö sind Aach Mons. Lepley ein indolentes Volk, das auf niedrigster Stufe stehen und Lastern, besonders dem Trünke, ergeben sein soll. Sie halten angeblieh Gelage ab, bei denen Männer und Frauen auf dem Boden um den Maisbranntwein herumsitzen und einer nach dem andern wie ein Vieh abfallen und einfach am Platz liegen bleiben, bis sie aufwachen. Sogar Chinesen sprechen mit Ekel von dem Schmutz und der Unreinlichkeit der Lölö. Die Frauen tragen einen Rock in bunten Farben, und einen Überwurf Die Mcänner bei den schu-Lölö, d. h. den „zahmen", tragen chinesische Kleidung; die „wilden" tragen einen großen Überwurf von Fellen, ohne Hosen. Nördlich vom Tunghö, auch zunächst südlich vom Fluß, wohnen nur „zahme" Lölö ; die „wilden" beginnen im Gebirge. Sie leben von Mais, den sie selbst bauen. Salz haben sie nicht; um es zu bekommen, machen sie Raubzüge. Die Gegend von Pingschan hsien soll sehr von ihnen heimgesucht sein. In Yünnan hat man versucht, Lölös zu be- kehren, doch haben sie die schlechtesten Christen abgegeben.
Silber kam früher von verschiedenen Orten in Yünnan, aber der Hauptort ist Wei ningtschou in Kweitschöu. Es kommt dort in Menge ein „schwarzes, weiches" Erz vor, aus dem Silber mit Leichtigkeit dargestellt wird; aber die Produktion ist sehr unbedeutend, weil sie zu unsicher ist. Zuerst stehlen die Arbeiter, dann berauben sich die Grubenbesitzer gegenseitig: wer die stärkste Mannschaft hat, nimmt den schwächeren Corps das Silber ab. Die gefährlichsten Räuber aber sind die Soldaten, welche hingesetzt werden, um das Ausbringen zu bewachen. Der Ertrag wird nämlich in drei Teile geteilt : '/j für den Besitzer, '/3 für den Staat, '/s für die Mandarinen. Sind aber alle diese Gefahren überwunden, so wird das Silber noch in den meisten Fällen auf der Straße gestohlen, da alles genau bewacht wird und jeder Transport bekannt ist. Gold wird in Yünnan aus Erzen gewonnen.
Die Provinz Kweitschöu soll ganz entvölkert sein, da der rohe Teil der Bevölkerung den Aufenthalt unmöglich macht. Zur Taiping- Zeit gingen viele Leute nach der Provinz, aber die meisten sind zurück- gekommen. Aus den mittleren Teilen der Provinz sollen 70 v. H. der
Nachrichten von Kweitschöu. 325
1863 vorhandenen Bevölkerung nach Sz' tschwan ausgewandert sein. Militär ist zahlreich und gibt einen Grund mehr zur Auswanderung. Die Miautsze werden nicht gefürchtet, sondern gerühmt: sie sollen frei- gehig und großmütig sein und alles weggeben, wenn man als Freund unter sie geht; doch lassen sie sich nicht gern reizen. Sie haben viel fruchtbares Land, treiben Ackerbau und sollen stets Silber zum be- zahlen haben, — - woher, ist ein Gegenstand großer Neugier für die Chi- nesen. Quecksilber, Zinnober, Auripigment und Realgar sind die haupt- sächlichsten Ausfuhrartikel des nordwestlichen Teiles von Kwditschöu. Kupfer kommt allenthalben vor, wird aber nicht ausgeführt. Lebens- mittel aller Art kosten die Hälfte der Sz' tschwan-Preise. Das Klima gilt als sehr ungesund: es soll wenig fließendes Wasser, aber viel stagnierendes geben, und dieses ist ungesund zum Trinken und ver- breitet Fieberluft („böse Ausdünstungen"). Nur wer dort geboren ist, kann das Klima gut aushalten. Dies soll ein Grund der geringen Aus- wanderung nach Kweitschöu sein. Das Klima hat sich noch sehr verschlimmert, seit die räuberischen Zeiten begonnen haben, da viele Leichen in den stagnierenden Gewässern geblieben sind. Man hat zwar viele Brunnen, großenteils im festen Gestein, doch ist auch deren Wasser ungesund.
Endlich ist es so weit, daß es morgen fortgehen soll! Durch 10. April. alle diese Tage lagen nur zwei Schiffe hier, zwischen denen ich die Wahl hatte : das eine ist groß und bequem und könnte auch die Pferde aufnehmen, aber der Preis bis I tschang beträgt 100 Taels, und dann müßte ich außerdem noch warten, bis das Schiff Ladung hat; das andere ist klein und für die Pferde nicht geeignet. Der Preis bis I tschang wurde für letzteres auf 55 Taels ausgemacht. Ich müßte also entweder um der Pferde willen 50 Taels mehr zahlen und auch noch warten oder ohne Pferde gehen, — aber niemand will sie kaufen. Endlich habe ich das sonderbare Geschäft machen müssen, die Pferde für 130 liang Seide, die etwa 30 Taels wert sind, umzutauschen ! Dies ist heute geschehen, und morgen kann ich dann also meinen desolaten Aufenthalt in Sütschöufu abbrechen. Das
326 Die letzte große Reise. 3. Von Tschöngtnfu den Yangtsze hinab.
Reisen zu Pferde bringt eine Art roving spirit hervor: man wird nie
müde, außer wenn man rastet, und möchte nur immerzu unterwegs
sein. Die ganze Reise von Peking bis hierher erscheint mir wie
garnichts, da es zu Pferde keine Strapazen gibt. Jetzt auf ein Boot
zugehen, ist mir fast wie ein Weg nach dem Gefängnis. Es machte
mich traurig, die Pferde wegführen zu sehen ; aber zu Lande entlang
dem Yangtsze zu reisen, hat in Sz' tschwan keinen Sinn: es ist teuer,
die Hitze groß, mit dem Reisegepäck hat man die größte Last, und
es kommt nichts dabei heraus. Erst von Kwditschöufu an sind die
Ufer des Yangtsze eine Landreise in hohem Grade wert.
11.— 16. April. Eine allerliebste Fahrt: alles reizend, hübsch, niedlich! Wo
Sutschou— j^jj^ei- man den Fuß hinsetzt, sproßt grünt und blüht es. Und doch Tschungking.
ist in dem langen sich aufrollenden Panorama so wenig Abwechslung,
daß eine tägliche Beschreibung des Gesehenen immer nur dasselbe
enthalten würde.
Der Strom nimmt von Sütschöu bis Tschungking an Breite und Kraft allmählich bedeutend zu. Der Kin schakiang scheint bei dem Zusammenfluß mit dem Min der kleinere von beiden Flüssen zu sein.*) Die Strömung ist bis Lutschöu im Durchschnitt langsam, dann nimmt sie zu, und es stellen sich Stromschnellen ein, von denen die von Sintuköu die gefährlichste ist; doch hat der Fluß selten die Ge- schwindigkeit des Min. Wirbel werden von der Kiangtsin-Biegung an häufig ; einer von diesen drehte mein Boot ganz herum und zerbrach das Ruder, so daß wir einen halben Tag in Kiangtsin bleiben mußten. Wir sahen auf der ganzen Strecke immerhin nur ein Boot, das Schiff- bruch gelitten hatte: es hatte noch das Ufer erreicht und war dort gesunken, konnte jedoch noch gehoben werden.
Sz'liutsing soll die lebhafteste Gegend von ganz Sz' tschwan sein : dieser Ort und einige andere in der Nachbarschaft sind groß
*) Die Chinesen betrachten auch den Min als den Oberlauf des Yangtsze und nennen an dieser Stelle beide zusammen Takiang (Großer Fluß), während der YangtszS oberhalb den Namen Kin schakiang (Ooldsand-Fluß) erhält.
Die Salzbrunnen. 327
und dichtbevölkert. Besonders sollen sich hier die Weiber dui'ch ihr emanzipiertes Wesen auszeichnen. Alle Männer arbeiten am Salz, die Frauen führen das Geschäft. Die Männer sollen roh sein, wie ge- wöhnlich, wo ein großer Conflux von Ai-beitern ist. Die Zahl der Salzbrunnen ist außerordentlich groß; ilu-o Tiefe beträgt ungefähr 100 tschang. Die Lauge ist angeblich ganz konzentriert. Um Gas zu erhalten, bohrt man ungefähr 200 tschang tief: in diesen tiefen Brun- nen hat man unten Salzwasser, darauf eine Schicht Petroleum, und das Gas steigt durch das Rohr auf und pfeift zum Brunnen heraus. Oben wird eine hölzerne Kappe mit einigen Kreisen von Durchbohrungen gemacht und durch jede derselben ein Bambusrohr gespeist. Diese Röhren werden in Verzweigungen weithin verlegt und zum Erhitzen der großen Abdampfkessel benutzt. Auf Kohlen soll man auch bei der Anlage eines tiefen Brunnens nicht stoßen. Die Salzbrunnen sind innerhalb einer Fläche von 27 li im Durchmesser verteilt. Feuer- brunnen gibt es 24, die Salzbrunnen sind „nicht zu zählen". An vielen Stellen verwendet man Gras und Holz zur Feuerung. Das Wasser wird von den Brunnenbesitzern an die Sudwerke verkauft. Zur Boh- rung wird ein Bohrer von 120 kin Gewicht benutzt, der an einem Seil von einfachen Bambusstreifen hängt. Bleibt ein Stück Eisen stecken, so läßt man ein bandförmig — 6 bis Steilig — gespaltenes Bambusrohr hinabgehen. Ein Ring von Eisen ist über der Spaltung lose ange- bracht und fällt herab, wenn der Bambus den Boden berülirt; die Finger fassen das Eisenstück, der Ring hält die Finger fest zusammen, und so wird das Stück heraufgezogen. Es gehen aber doch oft mehrere Monate mit vergeblichen Versuchen hin. In die fertigen Brunnen werden Röhren von Cypressenholz, nicht von Bambus, hinabgelassen. Je zwei Röhrenstücke werden durch Nägel, Baumwollenzeug und Tung-Öl miteinander verbunden und dann hinabgestoßen. Bambusröhren dienen zum Schöpfen der Lauge: sie worden mittels einer 3 m großen Trom- mel und Pferdegöpel aufgezogen. Das Salz kommt in dicken Krusten von stänglig-krystalliner Struktur in den Handel.
Die produktive Salzgegend zieht von Sz'liutsing über Tung-
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tschwanfu nach Pauningfu. Am Yangtsze sind keine Brunnen; bei Lutschöu sollen allerdings einige in geringer Entfernung sein. Die Angaben von Salz in verschiedenen hsien's, wie Pumpelly sie aufzählt, sind überall begründet. In den meisten Fällen erlaubt die Regierung die Salzgewinnung nicht, und an andern Orten ist sie zu beschränkt, um erwähnenswert zu sein. In dem hsien von Kweitschöufu tritt eine starke Salzquelle im Strombett des Yang1:sze auf; sie wird im Winter ausgebeutet, ist aber schon beim ersten Steigen des Wassei's bedeckt. Es soUen auch ganz vereinzelte Salzbrunnen hier und da vorkommen, wo ein einziger Bauer die ganze Umgebung versorgt. Die meisten Brunnen am Yangtsze sollen noch bei Yün yang sein, aber erst 30 — 40 H nördlich vom Fluß anfangen.
Am fünften Tage brach das Ruder, und wir mußton, um es reparie- ren zu lassen, in Kiangtsin hsien bleiben. Das nahe Tschungpaischa ist ein großer Ort, der wegen seines Kauliang-Branntvveins berühmt ist. Kiangtsin hsien dagegen ist klein; es liegt auf einer Ebene in einer langen Schleife des Flusses. Wir blieben gegenüber der Stadt bei einer Pagode liegen. Die Gegend ist wegen ihrer Orangenhaine be- rühmt; schon bei Lutschöu sind sie eine Zierde der Gegend, und von Schimönn an beinahe bis Tschungking fu bekleiden sie einen großen Teil der Gehänge zu beiden Seiten des Flusses. Zur Fruchtzeit soll jeder Baum Tausende von Früchten tragen; jetzt waren sie in Blüte und verbreiteten einen erft'ischenden Duft. Orangen sind ein erheb- licher Handelsartikel von Kiangtsin. Was jetzt noch von Früchten zu haben ist, entspricht vollkommen unsern sizilianischen Orangen bester Art; sie sind sogar im Durchschnitt größer. Sie schälen sich ebenso wie jene mit dünner, sich ganz ablösender Schale, sind von schönstem Aroma, süß und so zart, daß man alles essen kann; sie schmelzen im Munde. Es sind die einzigen Orangen, die man den europäischen vergleichen kann. Die nächstbeste würde die sogenannte Kuli-Orange von Amoy sein, bei der sich aber die Schale nicht ablöst;
Am sechsten Tage langten wir nachmittags in Tschungkingfu an. In dem „Limestone-Pai3" Blakiston's tritt endlich einmal wieder der
Orangenhaine. 329
Kalkstein zu Tage, der hier zum Kalkbrennen benutzt wird. Die Fels- wände sind mit Öffnungen von Höhlen gespickt; in den meisten sind kleine Tempel, Kapellchen und buddhistische Figuren angebracht. Von dieser Kalksteinengc bis Tschungking ist schnelle Falirt, da die Strömung stark ist. Zu beiden Seiten herrscht, wie vorher, rotes Hügelland.
Die ganze Landschaft zwischen Sütschöu und Tschungking hat echten Sz'tschwan- Charakter: alles ist hügelig; es wechseln sanfte Gehänge mit Sandsteinabbrüchen ; sämtliches Gestein, mit ganz ge- ringen Ausnahmen, ist rot; die Hügel sind bis oben hinauf angebaut, und die Bevölkerung lebt meist in einzelnen Gehöften zerstreut. Es ist viel Baumwuchs vorhanden, aber kein spontaner und auch kein Kulturwald, sondern nur einzelne Gruppen von Bäumen und Sträu- chern, die sich aber stellenweise sehr häufen. Hier und da sind auch Kiefernpflanzungen zu sehen, sie kommen aber kaum über das Alter der Schonung hinaus. Der hervorragendste Kulturbaum ist der Feigen- baum in zwei Arten, von denen eine schon ganz im neuen Blätterschmuck steht, während die andere eben die alten Blätter abwirft. Es sind riesige Bäume mit großem Wurzelwerk; sie stehen bei allen Dörfern, Tempeln, kleinen Kapellen und noch sonst oft zerstreut. Die Cypresse ist noch ebenso verbreitet wie im ganzen Norden und Westen, aber die schönen Exemplare der Petalu*) sind selten. Bambus erfreut sich der allgemeinsten Verbreitung und Nutzanwendung ; seine buschigen Gruppen zieren jedes Gehänge und jede Sclüucht. Außer einigen Weiden, Erlen, Ulmen und anderen mir unbekannten Bäumen folgen der Tung-Baum, der Lackbaum, Orange, Pfirsich, Kirschbaum und Zizyphus.
Der Tung-Baum war in Blüte, als ich den Min herabfuhr; jetzt hat er Früchte: es kommen nur zwei Früchte auf etwa zehn Blüten. Die schönen grünen Blätter haben jetzt ein helles Grün und geben, ebenso wie der breite Wuchs, dem Baum ein hübsches Aussehen. Die
*) s. 0. S. 237.
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Orangeubäume läßt man hier 30 — 40 Jahre alt werden; sie werden an sanften Gehängen in Abständen von 3 — 4 m gepflanzt. Der Grund ist terrassiert, und unter den Bäumen stehen Weizen, Saubohnen u. a. Der Baum trägt nur jedes zweite Jahr und soll dann 2 — 3 tiau ab- werfen, obgleich große Orangen nur 1 Cash pro Stück kosten und kleinere zu 2 — 3 Stück für 1 Cash zu haben sind. Die Blüte fällt in den April, die Frucht reift im November. Die Ernten müssen enorm sein. Der ganze Fluß wird von hier aus mit Orangen versorgt, und es sollen ganze Schiffsladungen nach Hanköu gehen. Die Kirschen sind eben reif, nur mittelgroß, aber vorzüglich im Geschmack. Zizyphus (Tsau 'rh) wird hier nur wenig gebaut. Die Existenz von Äpfeln er- kenne ich nur aus einer Art dattelartig eingetrockneter Äpfel von Kiangtsin. Sie sind wiedio Jujube in einer nachahmungswerten Art der Zubereitung präserviert. Es scheint, daß die Seiten mit einem scharfen Messer der Länge nach eingeschnitten werden; die Frucht wird darauf in Zucker gekocht, gereinigt und getrocknet.
Die erste Feldfrucht ist schon weit vorgeschritten. AVeizen wird stellenweise schon eingeerntet und gedroschen ; er ist vorzüglich geraten und hat dicke, schwere Ähren, ebenso die Gerste (sechszeilig), die je- doch noch nicht reif ist. Rapssaat i.st auch liier sehr allgemein : die Kapseln sind noch grün, aber ausgewachsen ; der Raps steht 4 — 5 Fuß hoch, selten mehr. Der Mohn wird schon abgezapft: die Kapseln werden viermal mit einem scharfen Messer tief in der Längsrichtung geritzt. Man sieht hier aber nur wenig Mohn. Die Mißernte hat die Leute an- gespornt, dies Jahr Kornfrüchte statt des Mohns zu bauen. In einigen hsien's ist die Verständigung allgemein, und das öffentliche opprobrium des Übertreters wirkt stärker als der Befehl des Mandarin. Erbsen stehen in Schoten und sind seit einiger Zeit mein tägliches Gemüse. Sie sind sehr zart; es gibt auch solche, bei denen man die Hülse mitkochen kann. Saubohnen nehmen einen großen Teil des Bodens ein. Nach- dem die Schoten ausgewachsen sind, pflückt man sämtliche Blätter ab; diese werden getrocknet, pulverisiert und zur Schweinefiitterung aufbewahrt. Man hat hier weiße und weiß und schwarz geschockte
Bodenkulturen. 331
Schweine, die den europäischen ähnlich und von der chinesischen Rasse ganz verschieden sind. Vielleicht sind sie über Yünnan einge- wandert. Buchweizen sieht man viel aiif sandigen Flußufern, die bei Hochwasser überschwemmt sind; es ist eine Dreimonatsfrucht. In Tschöngtufu wird er nebst Gemüse, Rüben etc. als dritte Frucht zwischen Reis und Weizen gesät. Hafer ist hier unbekannt; auch Hirse habe ich nicht gesehen. Tabak wird zwischen Lutschöu und Tschungking viel gepflanzt; die Pflanzen sind schon stark im Blatt. Nach ihm folgt Mais. Wo jetzt Weizen, Erbsen, Saubohnen und Raps stehen, folgen nachher Reis, Bohnen, Kauliang und Mais. Schließlich sieht man hier auch vielfach die Rebe. Den Teestrauch habe ich am Fluß garnicht bemerkt, Maulbeerbäume wenig.
Das Auszeichnende der Kulturen von Sz'tschwan ist der Wech- sel von Feldfi'ucht mit Bäumen und Sträuchern. Die Orange bildet ein dichtes Laubdach über Weizen und Raps, und doch kann man selten schöneren Weizen sehen als in den Orangenhainen von Kiangtsin. Tung-Bäume, Zizyphus, Obstbäume, Maulbeer, Tee, Pelaschu, Cy- pressen — alles steht auf Feldern und Rainen. Die Bauerngehöfte sehen von weitem rein und reich aus: nach außen weiße Wände mit dunklemGebälk, vorn eine Mauer, darin ein Tor mit dreifachem Schnör- keldach; innen auf drei Seiten die Residenz des Bewohners mit seinem ganzen Hausstand. AUes ist gutgekleidet, und die Leute sind stets fi-oundlich. Die Erscheinung des Fremden überrascht sie nicht, sie treten ihm höflich entgegen. Es herrscht auch eine gewisse äußere Reinlichkeit, man muß nur nicht zu tief blicken.
Ich wohne hier auf meinem kloinen Boot und sehe mich nach 17.— 19. April.
einem größeren um, da dieses zu unsicher ist. Ich brauchte mich hier Tschung- king fu. garnicht erst an den Mandarin zu wenden, denn niemand belästigt mich.
Es stehen oft viele Leute am Ufer, aber keiner kommt an Bord, und es fällt kein schlechtesWort. Das Benehmen der Leute ist überraschend gut, besonders für einen so großen Handelsplatz. Ich hatte eine turbu- lente Bevölkerung befürchtet und Heß mich daher gestern in einem geschlossenen Stuhl nach der Mission tragen. Heute ging ich zu Fuß
332 Die letzte große Reise. 3. Von Tschöngtufu deu Vangtsze hinab.
dui'ch die ganze Stadt : es folgten stets einige Leute nach, aber sie waren nicht lästig. Tschungking fu ist auf einer etwas buckligen Platt- form von sanft einfallendem Gestein gebaut, die sich wie eine Zunge zwischen die beiden Flüsse — hier mündet der Kialingkiang in den Yangtsze — erstreckt und nach beiden in etwa 20 m hohen Steilab- brüchen abfällt. Der wichtige Platz ließe sich gut befestigen. Die Stadt- mauer hat einen Umfang von etwa 30 li. An den Flüssen stehen außer- halb der Mauer eine Menge Häuser aus Bambus und Matten, die bei Hochwasser entfernt werden. Eine Vorstadt schließt sich nur im Westen an, nach den andern Richtungen betritt man gleich das ausgedehnte Gräberland. Die Bevölkerung soll sich auf 700000 belaufen, nur 100000 weniger als in Tschöngtufu; das mag übertrieben sein, aber sie ist jedenfalls bedeutend, da die Stadt eng gebaut und jeder Flock bewohnt ist. Der Warenumsatz soll täglich 50000 Taels betragen, die Zahl der hier liegenden Schiffe ist aber kleiner als in Hanköu und Siangtan; auch kann sich die Stadt an Schönheit mit Tschöngtufu nicht messen. Die Straßen sind enger und nicht so reinlich, es fehlen die schönen Häuserfi'onten und die vielen herabhängenden Tafeln, über- haupt der Luxus. Auch in den Läden sieht man wenig Luxusgegen- stände: man vermißt die zahlreichen Schmuck- und Quincaillerie- Läden, Silberschmuck, Bücher, Bilder etc. Hier ist alles Handel. — ■ Der Grund der Stadt ist ganz uneben: man geht immer treppauf und treppab. Im Tragstuhl zu sein ist eine Tortur. Keine Straße ist grade, jede besteht aus lauter Krümmungen und Winkeln.
Die hiesige Mission ist die beste, die ich getroffen habe. Die Herren sind prächtige Leute, voran der Provicar, Mons. Favand, ein alter jovialer Hon-, der schon 36 Jahre in China weilt. Der Bischof, Mgr. Dcsfleches, wird in [einigen Tagen von Europa zurückerwartet. Der Provicar ist ebenso eifrig wie liebenswürdig. Ein dritter Missionar, Pere Vin9ot, hat sich durch die Einführung eines neuen Industriezwei- ges Verdienste erworben. Einige reiche Christenfamilien waren durch ihre Aufopferung für die Priester in der Zeit der Verfolgung herunter- gekommen, und die Mission suchte ihnen wieder auf die Boinc zu
„Industrielle" Mission. 333
helfen. Erst machten sie Stearin, dann Alaun — beides mit Verlust. Da kam der Pater darauf, den geringen Goldgehalt aus dem Silber des Handels zu extrahieren. Er hat das Problem, etwas so ganz Neues hier einzuführen, in vorzüglicher Weise gelöst.
Zuerst wird Nordhäuser Schwefelsäure gemacht: Man kauft auf den Kohlenwerken Eisenvitriol für 6 cash pro kin; dies wird in Kesseln erhitzt, um das KrystaUwasser zu verflüchtigen. Drei Öfen dienen zur Bereitung der Schwefelsäure: jeder enthält 300 Retorten, denen außen die Verdichtungsgefäße anhängen. Es wird eine langflammende Kohle verwendet, die 90 li von hier am Kialingkiang vorkommt. In 2'/2 Tagen ist die Weißglühhitze fast erreicht, und jedes Gefäß enthält dann V2kg Schwefelsäure. Retorten und Ofenmaterial mußten natür- lich erst gesucht und gemacht werden, aber auch diese Schwierig- keit ist glücklich gelöst worden. Das Silber wird in der Schwefelsäure in offnen Tonschüsseln aufgelöst, die auf einem langen Ofen stehen. Das schwefelsaure Silber wird dann in sehr hübsche offene Porzellan- gefäße getan, die in zwei Reihen auf einem anderen Ofen angebracht sind, und das Silber nun mit Kupferstäben niedergeschlagen. ' Das Kupfervitriol wird dann in große irdene Behälter getan und das Kupfer durch alte eiserne Pfannen als Cementkupfer daraus wieder ge- wonnen und in Stäbe gegossen.
Das Gold, welches sich aus der Silbervitriol-Lösung nieder- schlägt, beträgt 0.0025, das ist 2V2 Unzen Gold — etwa 50 Taels Wert — von 1000 Unzen Silber. Es werden täglich 1200 Unzen (liang) Silber verarbeitet. Das erhaltene Silber ist so rein, daß es zu 2 '/j v. H. über den Wert des gewöhnlichen Silbers verkauft wird, besonders auch, da es neue große Barren sind; dies wiegt aber natürlich den Verlust an Silber nicht auf Der tägliche Brutto-Ertrag des einen Werkes wird auf 400 Francs veranschlagt, Kosten und Verlust auf 300 Francs, so daß 100 Francs Reingewinn bleiben. Solcher Werke gibt es drei; sie ge- hören drei christlichen Familien, die das Geheimnis des Prozesses bewahren. Die Schwefelsäure soll auf 50 Francs pro Kilo zu stehen kommen.
334 l^iö letzte große Reise. 3. Von Tschöngtufu den Yangtze hinab.
Dies ist das erste Beispiel der Ausführung meiner Idee von industi'iellen Missionen ! — es hat hier vorzüglich angeschlagen : die drei Familien kamen durch die Religion herunter und kommen durch sie wieder herauf! Kein Nicht-Christ kann ihnen den Gewinn ent- ziehen. Der Pater sinnt bereits auf neue Mittel, um auf dem betretenen Weg fortzufahren.
Die Mission hat 60000 Christen, davon 3000 in Tschungking, 10 französische und 40 chinesische Priestor; sie ist von allen die zahlreichste. Mit den Mandarinen steht sie auf gutem Fuß, obgleich 1863 auf Anstiften derselben eine Zerstörung des christlichen Eigen- tums und des Missionsgebäudes selbst stattfand. 1865 erhielten die Christen fast 1 Million Taels Entschädigung, Kirchen und Häuser wurden aufgebaut, den bankerotten Kaufleuten wieder auf die Beine geholfen. Es gibt jetzt eine ganze Anzahl reicher christhcher Kauf- leute.
Meine beabsichtigte große Landreiso ist im wahrsten Sinne des Wortes zu Wasser geworden, denn ich gleite nun ganz behaglich den Yangtsze hinab. Mit dem Verkauf meiner Pferde war der letzte Anhalt an wahres Reisen abgebrochen. Das Bootfahren ist ein faules Leben, wenn auch ein fortdauernder Naturgenuß. Ich suche unter- wegs einen Teil der Arbeiten zustande zu bringen, die ich noch zu machen habe. 20.— 21. April. Ich gab hier mein altes Boot auf, da es zu gebrechlich ist, und
Tschung- habe endlich, nach vieler Mühe, ein größeres zu 40 Taels bis Itschang
kingfii.
gemietet. Ich hatte viel Besuch an Bord und war viel auf der Mission : damit ging die meiste Zeit hin. Das Wetter ist schön, die Gegend aber ganz ungeeignet zu Ausflügen, wenn man den Charakter dos Lan- des schon kennt.
Man spricht hier viel von der Wiederaufnahme der Quecksilber- gruben in Kweitschöu. Die Vorkommen scheinen entlang einer ganz bestimmten Zone angeordnet zu sein. Der nächste Ort von hier und, wie es scheint, früher der produktivste scheint Kai tschöu in Kwel- yangfu zu sein. Vor 1848 kostete dort das Quecksilber 32 Tai.'ls für
Aufbruch von Tscliungking. 335
das pikul uad wurde ia Tschungkingfu für 50 Taels verkauft. Daß der Ertrag von Kaitschöu allein 20 — 30 pikul pro Tag war, dürfte jedoch nicht ganz zuverlässig sein. Damals begannen die Unruhen iu Kweitschöu und damit die allmähliche Entvölkerung. Jetzt kommt garkein Quecksilber von Kweitschöu hierher. Die Erze in Kwei- tschöu sollen weiß sein und in dicken Nestern und Adern vorkommen. Die Gegend ist steil gebirgig und tief eingeschnitten. Die Gruben sind in großer Zahl auf einer Fläche von 10 li Durchmesser zerstreut. Jetzt sind sie sämtlich voU Wasser. Der Gouverneur von Kwöitschöu in Verbindung mit andern Personen, darunter ein christlicher Kaufinann in Tschungking, möchten die Gruben wieder aufmachen, doch fehlt es an Mitteln, das Wasser zu heben. Das Quecksilbererz soll 25% Metall geben. Es wird in großen Kesseln zur Rotglut erhitzt; darüber ist, mit Lehm abgeschlossen, eine Kuppel von porösem Lehm. Das Queck- silber wird dann aus letzterem geschlemmt. Die Rückstände sollen von armen Leuten mit gutem Profit aufgearbeitet werden. Es ist wohl möglich, daß dort Chancen für einen sehr profitabeln Bergbau sind. Ich wurde aufgefordert, den Distrikt von Kaitschöu zu untersuchen und Methoden anzugeben; ich sollte mir dafür eine Grube als alleiniges Eigentum aussuchen dürfen!
Die Ufer verändern von Tschungking an ihren Charakter. Die 23. April.
liebhche Landschaft mit den sanftgeneigten Schichten und mit Feld- •'^^^''"'^^ '''"'
Tschungking. bau und Orangenhainen verschwindet: es folgen steilere Neigungen,
härtere Gesteine und dichter gedrängte Hebungen.
Am Eingang der L-on-Gorge Blakiston's, 15 km von Tschung- king auf dem Fluß, 7 km direkt, befindet sich ein Eisenwerk. In einem 8 m hohen Hochofen wird grauer Toneisenstein von Hu tschöu (am Kialingkiang) mit grünem Holz ohne Zuschlag geschmolzen, das Roheisen in flache oblonge Scheiben von 1 Zoll Dicke gegossen. Es ist meist krystallinisches hartes weißes Eisen, eine Art Stahleisen; es wird aber auch weiches graues Eisen gewonnen. Die tägliche Aus- bringung beträgt 4000 kin. Es sind auch Frischöfen vorhanden, in denen Schmiedeeisen in kleinen Zylinderblöcken gewonnen wird.
336 Die letzte große Reise. 3. Von Tscliöngtufu den Yangtsze hinab.
24. April. Wir kamen in Futschöu schon um 2 Uhr nachmittags an. Dio
Leute mußten hier ihren Pusa*) haben, hielten ein großes Mahl und waren nicht zu bewegen, weiter zu gehen. Futschöu ist eine große Stadt, die von lauter Steilufern umgeben ist. Der Anbau von Opium ist in dieser Gegend kolossal; es wh-d, wie überall, im Oktober bis Mitte November (im 9. und 10. chinesischen Monat) gesät.
25. April. Die heutige Strecke war einförmig: nichts als die roten Becken-
schichtenf ), die am Ufer gewöhnlich lange, eingeschnittene und durch- furchte Abbruche von 250 — 300 m Höhe bilden. Die Vegetation ist wie früher: viele Cypressen, prachtvolle Ficus, keine Orangen, Tung- schu überall zerstreut. Opium wird hier sehr viel gebaut, aber dio dies- jährige Ernte ist nicht gut, und die Köpfe geben weniger Saft als ge- wöhnlich; es wird eben fleißig gesammelt. Die Kviltur besteht hier seit 20 Jahren. Das Opium dieser Gegend ist bedeutend teurer als das von Tschöngtu und Sütschöu, daher der Gewinn größer und der Anbau ausgedehnter. Auf Berichten aus dieser Gegend mag Hobson's Schätzung beruhen, daß ein Drittel alles guten Bodens von Sz' tschwan mit Opium bebaut ist. Weizen ist hier noch nicht reif, die Saubohnen haben noch alle Blätter, und die Feldfrüchte im allgemeinen sind hier noch kaum soweit, wie sie oberhalb Tschöngtu vor 10 — 14 Tagen waren. Raps wird hier fast gar nicht mehr gebaut. Dies ist ein großer Unterschied gegen die oberen Gegendon. 26. April. Der Fluß wird nun mehr und mehr kanalartig, zwischen 20 bis
30 grädigen, aus rotem Sandstein aufgebauten Böschungen, die hier und da durchfurcht sind und Durchblicke gewähren. Unterhalb Tschung- tschöu folgen zimächst schlimme Stehen, besonders in der Schiingen- biegung, auch weiterhin noch bei einigen plötzlichen Wendungen des Strombettes. Die Bergzeichnung von Blakiston ist hier noch mehr ein Erzeugnis der Phantasie als gewöhnlich : alle die kleinen Kuppen und Spitzen, die er angibt, existieren nicht.
*) s. Band I, S. 327, 382.
f) Gemeint sind die Scliicliten des „Roten Beckens" von Sz' tschwan.
Sommer- und Winterbett des Yangtszg. 337
Die merkwürdige Strecke von Wanhsien bis Siaukiang ist bei 27. ApriL Blakiston unvollkommen gezeichnet. Es ist hier deutlich ein Winter- kanal und ein Sommerkanal zu unterscheiden. Die Seitenwände sind 250 — 300 m hoch, aus fast horizontal gelagerten roten Saudsteinen aufgebaut und haben Böschungen von 30 — 50°. Der Fluß ist in Schichten von festerem Sandstein wie ein gut konstruierter Festungs- gi-aben eingeschnitten. Auf ganze Strecken hin hat er eine Breite von nur 120 m, und sie beträgt nur stellenweise 200 — 250 m. Der wahrscheinlich sehr tiefe Strom fließt mit gleichmäßiger bedeutender Geschwindigkeit dazwischen hin. Über dem Wasserspiegel, der jetzt etwa 3 m über dem niedrigsten Stand ist, erheben sich beiderseits senk- rechte Mauern von 3 — 8 m Höhe, welche eine Plattform abschneiden, die den Fluß beiderseits von den Bergwänden trennt. Diese selbst be- grenzen das etwa 600 m breite Sommerbett, die Sandsteinmauern das schmale Winterbett. Diese Stellen sind bei Hochwasser gefährlich : im Juli und August, wo gar kein Schiffahrtsverkehr stattfindet, soll das Wasser hier entsetzlich wüten.
Yünyang ist ein bekannter Salzmarkt. Es kamen viele Boote heran, um zu verkaufen. An Bord war eine Art Salzfieber ausge- brochen: alles wollte Salz kaufen, da die Leute es unter dem Schutz meiner Flagge durchschmuggeln*) und in Hanköu mit 100 "/o Profit verkaufen zu können glaubten. Ich kündigte an, daß ich dann bei jedem Steueramt anhalten lassen würde, und das half etwas. — Wir langten um 9 Uhr in Yünyang an, und ich beschloß sofort einen Ausflug nach den Salzbrunnen, die angeblich 30 li nördlich von hier an einem kleinen von Norden mündenden Fluß gelegen sind. Erst ging es 15 li zu Lande, da die Stromschnellen keine Schiffahrt ge- statten, dann 15 li zu Wasser. Der Fluß ist ganz zwischen Steilge- hängen eingeengt, besonders wo die Wasserfahrt beginnt. Am Fluß führt eine Straße aufwärts. 140 li hinauf liegt an ihr eine Missions- station, von wo die Straße weiter nach Taningfu geht; dort ist hohes
*) s. Band I, S. 349. RicHthofen, Tagebficlier, U. Buiil. 22
338 Die letzte große Reise. 3. Von Tschöngtufu den Yangtsze hinab.
wildes Gebirgsland. Man bringt aus den Gebirgen von Taning, 300 li von Yünyang, eine Menge Rhabarber nach letzterem Ort herab, der von wilden Pflanzen im Gebirge gewonnen wird; wir begegneten melireren solcher Ladungen. Außerdem wird Kohle und Eisen aus der Nähe gebracht, auch Tung-Öl, das allenthalben an den Steilge- hängen gewonnen wird : an den unzugänglichsten Stellen zwischen den Felsen stehen Tung-Bäume.
Der Salzort selbst liegt in einer Schlucht mit 250 m hohen ab- schüssigen Seiten — ein großer, sehr häßlicher Ort. Die Brunnen drängen sich auf kleinem Umkreis zusammen, sind 60 m tief und haben 1,2 m Lichtung. Die Förderung geschieht mit vier Eimern; der Strick, an dem ein Eimer befestigt ist, ist ohne Ende und hängt in einer Rolle. Der Eimer wird sehr schnell gehoben und in einen Behälter ausgegossen, aus dem ein kontinuierlicher Strom durch Ab- flußröhren das Salzwasser nach den tieferliegenden Sudwerken bringt. Die Feuerung geschieht hier mit Kohle. Unter den Pfannen, die aus Eisen sind und 4 Fuß Durchmesser haben, wird eine beträchthche Glut erhalten. Die Lauge ist sehr konzentriert (30 — 60% Salz) und von bitterem Geschmack. Die Bevölkerung ist sehr zahlreich, und es waren sehr schlechte Leute darunter, wiewohl diese von vielen gut- gesinnten Bürgern zur Ruhe verwiesen wurden ; diese sagten sogar, wir seien die Leute, die die Rebellen vernichtet hätten. 28./29. April. Wir mußten wegen des Gegenwindes hegen bleiben, bei dem
einige Stromschnellen gefährlich sind. Alle Schiffe rasteten auf dem Weg stromab ; die stromaufwärts gerichteten gingen mit vollen Segeln an uns vorüber. Die Strecke bietet wenig Interesse : alles ist rotes Ge- birge. Mit Kwei tschöu ist die Grenze zwischen Sz' tschwan und Hup4 eri'eicht. 30. April. Kwei tschöu fu scheint ein kleines fu zu sein. Es hat im Jalire
1870 durch das Wasser gelitten. Am 15. Tag des 5. Monats (Ende Juli) stieg das Wasser zu solcher Höhe, wie sie seit den ersten Ming- Zeiten, vor ungefähr 500 Jahren, nicht mehr vorgekommen ist. Der Yangtsze stürzt sich gleich unterhalb der Stadt in eine Felskluft, und
50 Meter hohe Flut. 339
nur dadurch ist die Höhe erklärlich, zu der das Wasser angestiegen sein soll. Man zeigte mir im Petitschin-Tempel, 3 km unterhalb der Stadt, die Wasserhöhe: das Barometer zeigte 0", 18 über dem jetzigen Wasser- spiegel, also etwa 50 m über dem tiefsten Wasserstand ! Die Stadt, welche auf einem hohen Steilufer steht, war überschwemmt; die Mauer und viele Gebäude stürzten in den Fluß. Man baut jetzt eine neue Mauer ganz aus Sandsteinprismen von 6 Fuß Länge und einem Quadratfuß Querschnitt; es wird abwechselnd eine Schicht der Blöcke längs und eine Schicht quer gelegt.
Von Kweitschöufu führt eine Landstraße in größerer Entfernung vom Fluß nach Itschangfu, die bei Hochwasser für besonders wert- volle Waren benutzt wird. Der Weg soU 10 Tage, bei 50 — 60 li pro Tag, in Anspruch nehmen. Packtiere können auf der Straße gehen, und es soll auch Futter vorhanden sein. Bei Kweitschöufu kommen Salzquellen vor, aber nur im Flußbett selbst, der Stadt gegenüber. Bei niedrigstem Wasserstand werden Salzbrunnen im Flußbett ange- legt, jetzt sind schon keine melir vorhanden. Das Vorkommen ist grade so unerklärlich wie das bei Yünyanghsien.
Ich machte gestern einen Ausflug nach dem Petitschin-Tempel — der Bishops Mitra von Blakiston — , um die Lagerung zu. sehen. Der Schichtonbau ist klar, aber es stellen sich nun ganz neue Rätsel heraus, deren Lösung nur von dem sorgfältigsten Studium der Ver- steinerungen zu erwarten ist.
DieFöngsiangsia (Blasebalg-Schlucht) ist ein kurzer, aber wilder Engpaß, der einen Kalkzug mit mindestens 600 m hohen Gipfeln verquert. Am Eingang erhebt sich rechts eine 120 m hohe senkrechte Felswand, links steigen die Wände in schmalen Staffeln mit senk- rechten gelben Abbruchen bis zu einem Bluff an, der mindestens 500 m hoch ist. Merkwürdig ist es, daß an scheinbar ganz unzugäng- hchen Stellen, hoch über senki-echten Wänden, auf kleinen anbau- fähigen Abdachungen menschliche Wohnungen stehen ; zuweilen sind auch die Höhlen im Kalkstein dazu benutzt. An einer ganz unzugäng- lichen Felsspalte, etwa 100 m über dem Fluß, sind mehrere Holzkisten
22*
340 1*16 letzte große Reise. 3. Von Tschöngtufu den Yangtsze hinab.
eingerammt; dies sind die „föngsiang". Niemand weiß, wie sie dahin gekommen sind.
Die Klamm der Wuschan-Gorge ist 23 Seemeilen (rund 40 km) lang. Das Kalkgebirge hat hier, rechtwinklig zum Streichen der Schichten, etwa 30 km Breite. Heraufgehende Schüfe brauchen ge- wöhnlich drei Tage, um hindurchzukommen; zum Hinabfahren ge- nügen drei Stunden ! Es ist ein Kanal zwischen 800 bis 900 m hohen Steilwänden mit wenig Krümmungen und ohne Stromschnellen, aber mit vielen Wirbeln, ohne Klippen und von großer Tiefe. Die Seiten- wände sind so steil, daß man die Schiffe aufwärts nicht an der Leine ziehen kann; daher ist so lange Zeit erforderlich.
Nun beginnt das Becken von Kwei, in dessen Zentrum die Stadt Patung gelegen ist und das ich erst morgen werde übersehen können. Patung ist ein kleines hsien ohne Mauern.
1. Mai. Der Weg führte heute erst durch die Kolilenmulde von Kwei-
tschöu*), dann durch die Mitan-Klamm und Niukan-Klamm bis in das Granitland von Santöuping. Die Stromschnellen sind zahlreich, einige von ihnen gefährlich, besonders die Sin tan**). In den Klamms ist der Strom ruhig, nur die Wirbel machen die Schiffahrt schwierig. Die Gegend von Santöuping ist ein rundhügeliges Land von zersetztem Gestein, wahrscheinlich Granitgrus. Südlich ziehen in weitem Halb- kreis die Kalksteinschroffen herum, nördlich scheint das Land offener zu sein.
2. Mai. Bis Nanto bleibt das Gestein am Fluß Granit, wird aber rechts von hohen Kalksteinschroflfen überragt, während es links ein hügeliges Land bildet.
Ankunft in I tschang fu.f)
*) Kw^itschöu und das vorher genannte Kw^itschöufu sind verschiedene Städte. Außerdem ist jene Stadt selbstverständlich von der Provinz Kw^itschöu zu unterscheiden.
**) Sin tan = neue Stromschnelle. ■[■} Schluß der Tagebuch-Aufzeichnungen. — In einem Notizbuch findet sich der Vermerk: „Ankunft in Hanköu Freitag Abend, den 17. Mai; Abfahrt Sonntag früh, den 19. Mai ; Ankunft in Schanghai Dienstag, den 21. Mai." —
Schluß.
Letzter Aufenthalt in Schanghai.
21. Mai bis 18. Oktober 1872.
Ich bin mit meinen letzten Arbeiten in China beschäftigt; es 15. Juni, sind schriftliche Ausarbeitungen, für die ich eine gewisse moralische ■^"^ emem
Brief au die
Verpflichtung fühle. Ich eile, aber sie dauern länger, als ich glaubte, Eltern, und ich kann das Ende noch nicht mit Sicherheit absehen.
Auf jeden Ausdruck meiner Gefühle bei der Aussicht auf baldige Heimkehr verzichte ich.
Noch bin ich mit meinen Arbeiten nicht ganz fertig. Ein Grund 24. Juni, dieser Langsamkeit liegt darin, daß ich bei dem Gedanken an die Fortsetzung
desselben
Reise mich nur selten und unvollkommen den ganz prosaischen Aus- „ . , arbeitungen hingeben kann. Noch immer kann ich daher die Zeit der Abreise nicht genau festsetzen. Auch für den Reiseweg habe ich noch keinen bestimmten Entschluß fassen können. Ich komme mit einem Berg von Kisten, die zwar als Frachtgut gehen, aber doch meiner eigenen Begleitung bedürfen werden. Geld ist nicht darin. Ihr wißt, daß ich seit meiner Ankunft in China auf diesen Punkt keinen Wert gelegt habe — wohl zu wenig — und meine Zeit ganz meinen Aufgaben gewidmet habe. Steine habe ich genug, auch einen ganzen Kasten mitTagebüchern, Karten usw. Dameine Arbeit*) über 70 enggedruckte
*) Es ist der letzte und längste der „Briefe über China" für die Handelskammer in Schanghai, s. Band I, S. 347.
342 Letzter Aufenthalt in Scliaughai.
Quartseiten umfassen wird und englisch geschrieben ist, was mir keines- wegs geläufig geht, so werdet Ihr begreifen, wie ich trotz aller Bemü- hungen, fleißig zu sein, doch lange Zeit brauche.
Wie werde ich Euch treffen! Wäret Ihr doch noch alle im Pfarr- hause zusammen! Ich hoflfe, es blüht uns noch eine schöne gemein- same Zeit. Dann werde ich erst merken, wie viele Jahre verflossen sind!*) Des Reisens und Herumbewegens habe ich genug. Ich sehne mich nach Ruhe, und kann ich auch nur zeitweise bei Euch sein, welch schöne herrhche Zeit wird das sein! Ersatz für manche einsam ver- brachten Tage steht mir dann hoffentlich in reichstem Maße bevor. 24. Juni. Bei mir durchkreuzen sich natürlich die verschiedensten Gefühle
US einem ^^j ^^^ Gedanken an die Heimkehr, aber das einer unendlichen Brief an den Bruder Karl. Freudigkeit waltet doch vor. — Es ist mir nichts beschämender, als
von Mama Dank zu erhalten, den ich allein ihr schuldig bin. Es ruft
mir aufs stärkste ins Gewissen, daß ich immer nur gestrebt habe,
meinen Verpflichtungen nachzukommen, es aber nie habe tun können,
— einfach darum, weil ich immer so egoistisch war, meinen eigenen
Bestrebungen und den mich anregenden Beschäftigungen nachzugehen,
statt mich praktischer Tätigkeit hinzugeben und dadurch die Erfüllung
meiner Verpflichtungen zu versuchen.
Wir werden uns beide gealtert wiedersehen, aber im übrigen
wirst du mich nicht gar so sehr verändert finden. Soweit ich es vermag,
empfange von mir, noch ehe ich Dich selbst wiedersehe, meinen herz-
*) ßichthofen war als Naturforscher der außerordentlichen Preußischen Ge- sandtschaft, die sich zum Abschluß von Handelsverträgen mit China, Japan und Siam unter Graf Friedrich zu Eulenburg nach Ostasien begab, im Mai 1860 aus seiner Hei- mat abgereist, hatte sich nach dem Besuch dieser Länder und Indonesiens von der Gesandtschaft getrennt und, nachdem ein Plan einer Expedition von Indien nach Inuer- aslen aufgegeben war, nach San Francisco begeben, wo er am 22. August 1862 ein- traf. In Californien verbrachte er sechs Jahre — die schwerste Zeit seines Lebens. Mit dem Aufbruch von San Fraucisco am 3. August 1868 beginnen diese Tagebücher. Er verließ Chiua am 18. Oktober 1872 ab Schanghai und traf am 29. November in Marseille, am 1. Dezember 1872 in seiner Vaterstadt Carlsruhe in Oberschlosien ein. Die Zeit seiner Abwesenheit aus der Heimat betrug also 12 Jahre und 7 Monate.
Letzte Sorgen in Schanghai. 343
liebsten Dank, daß Du so lange Zeit die Sorge für unsere guten Eltern
allein getragen hast.
Noch immer kommen Briefe an meiner Statt, und ich muß Euch 14. Juli.
immer noch bitten, meinen Urlaub um einige Wochen zu verlängern. "^ einem
Brief an die Es ist mir peinlich, einen Dampfer nach dem andern abgehen zu sehen Eltern.
und noch nicht mitzugehen. Jeder nimmt einige Bekannte mit, und einige von diesen sind im Laufe der Wochen, die ich mit Reise-Ideen verbracht habe, schon in der Heimat angekommen. Es ist aber noch einiges abzuwickeln, und da muß sorgfältig ein Schritt nach dem an- deren gemacht werden. Es ist besser, wenn ich Euch davon in Kennt- nis setze, daß es die Sorge um meine Zukunft betrifft. Als ich von meiner letzten Reise zurückkehrte, fand ich meine Mittel ziemlich zu- sammengeschmolzen. Zugleich lag ein Brief von Graf Eulenburg hier, der mir mitteilte, daß mein früheres Gesuch an ihn, mir von Staatswegen die Mittel zur Rückkehr und fernerhin zur wissenschaftlichen Bear- beitung meiner Reise-Ergebnisse zu gewähren, zwar von dem Kultus- Ministerium günstig aufgenomnoen, eine Beschlußfassung aber nicht tunlich sei, da sich die Höhe meiner Ausgaben nicht übersehen lasse. Ich fand mich also einigermaßen aufs Trockene gesetzt und, im besten Fall, im stände, die Rückreise auszuführen und mit leerer Tasche zu Hause anzukommen. Dabei gaben mir aber doch die Arbeiten, welche ich im öffentlichen Interesse so lange Zelt hindurch ausgeführt habe, und die Verlängerung der hier eingegangenen Verpflichtungen von 12 auf 22 Monate einen gewissen Anspruch auf Nachbewilligung von- seiten der großen Häuser von Schanghai, da ja ein großer Teü meiner Ergebnisse ihnen zu gute kommt. Dies ist eine delikate Angelegenheit, da kein Schritt von mir selbst ausgehen kann, sondern ich die Nach- bewilligung nur in einer Art von Anerbieten annehmen würde.
Zunächst mußte meine Arbeit über die letzte Reise vollendet werden. Dies ist geschehen, und in wenigen Tagen wird auch der Druck beendet sein. Es ist nun bereits eine Bewegung im Gange, mich auüiufordern, die praktischen Ergebnisse meiner Reisen zum allge- meinen Besten auszuarbeiten, und mir die dazu nötigen Mittel zu Ge-
34:4 Letzter Aufenthalt in Schanghai.
böte ZU stellen. Zwar fehlt in diesem Augenblick die ki'äftige Hand, um einen solchen Vorschlag schnell und gründlich durchzuflihren ; aber es ist den einsichtigen Leuten klar geworden, daß man nicht von mir erwarten könne, meine Zeit noch weiterhin gemeinnützigen Zwecken frei zu widmen, und zugleich, daß das auf meine Reisen ver- wendete Kapital durch weitere Zuschüsse nutzbarer gemacht werden könne, als es bisher geschehen ist. Was immer proponiert werden dürfte, gründet sich auf den Wert, den man meinen bisher veröffent- lichten Briefen beilegt, und wird in solcher Weise geschehen, daß ich es mit vollem Anstand annehmen kann. Sicherheit ist zwar noch nicht vorhanden ; da es sich aber um eine ganze Anzahl von Tausenden für die nächsten Jahre handelt und ich nur darin das volle Mittel sehen würde, die Ergebnisse meiner mühevollen Reisen vollständig auszu- arbeiten sowie überhaupt eine Existenz zu haben, wie ich sie mir wünschen muß, so werdet Ihr es verzeihlich finden, daß ich meine Sehnsucht nach der Rückreise unterdrücke und den Gang der Ereig- nisse mit Ruhe, wenn auch nicht gerade mit Geduld, abwarte. Was ich dabei für meine Existenz gewinnen kann, steht in keinem Verhältnis zu dem Opfer an Zeit, das ich dafür bringen muß. Es ist zwar ein Armutszeugnis, wenn ein Mann in meinem Alter sich noch nicht Selb- ständigkeit genug gewonnen hat, um von solcher äußeren Stützung unabhängig zu sein. Aber wenn man weder reich geboren ist, noch das Geldmachen zum Lebensziel gemacht hat, noch sich in einer Staatskarriere befindet, sondern sich sorglos den Beschäftigungen hin- gegeben hat, die einem am meisten Vergnügen machen, so muß man stramm arbeiten, um sich an der Oberfläche zu halten, und sich an das schwache Tau der öffentlichen oder staatlichen Gunst anklammern, die man sich durch seine Leistungen erwirbt.
Kann ich mich jetzt zwei bis drei Jahre ganz meinen Arbeiten widmen, so darf ich hoffen, sowohl auf wissenschaftlichem wie auf praktischem Gebiet nicht Unerhebliches zu leisten. Schon das Wenige, was ich bisher schrieb, erfreut sich allgemeiner Anerkennung, und meine Äußerungen und Tatsachen werden vielfach als Grundlage zu
Abschied von Splingaert. 345
Arbeiten verschiedener Art über China citiert. Ich werde es vielleicht noch einmal als eines der günstigsten Ereignisse in meinem Leben betrachten, daß mich seinerzeit die Handelskammer zur Fortsetzung meiner Arbeiten aufgefordert hat, nicht nur, weil ich dadurch eine Arbeit, die sonst nur Bruchstück geblieben wäre, zu einer Art von Abschluß bringen konnte, sondern auch, weil dadurch meine Tätigkeit, ganz unbeschadet ihres wissenschaftlichen Charakters als des Haupt- zieles, auf praktische Fragen gerichtet worden ist, in denen sich mir ein ganz neues Feld mit neuen Gesichtspunkten eröffnet hat. Die großen Bewegungen des Handels und Verkehrs auf neuen und wichti- gen Gebieten und die Erforschung der Produktionsfähigkeit eines Landes wie China sind Gegenstände von großem Interesse und großer Wichtigkeit, und es ist ein beschränkter Standpunkt, der, davon aus- gehend, daß die Wissenschaft für sich selbst Zweck des Forschens sein soll, die mächtigen Fragen des praktischen Lebens vernachlässigt. Ich hätte aber diesen nie soviel Aufmerksamkeit gewidmet, wie ich es getan habe, und hätte mir nie erlaubt, so positive Urteile auszu- sprechen, wenn ich nicht durch die Aufforderung der Handelskammer darauf hingeleitet worden wäre.
Heute hat sich ein für meinen unbedeutenden Lebenslauf bedeut- sames Band gelöst: ich habe meinen treuen Splingaert zum Dampf- schiff begleitet, das ihn nach dem Norden zu seiner neuen Beschäfti- gung gefülirt hat. Es ging mir wirklich nahe, mich von dieser treuen, ehrlichen Seele zu scheiden, nachdem ich 42 Monate mit ihm täglich zusammengelebt und alle Beschwerden und Gefahren mit ihm geteilt habe. Er besitzt goldene Eigenschaften, die in unserer Zeit selten ge- worden sind und sich besonders im bewegten Leben überseeischer Plätze wenig zu erhalten pflegen. Auf meinen Rat wird er Handel in der Mongolei treiben, wozu er sich vorzüghch eignet, und ist mit einer Masse Waren dorthin abgegangen. Dort hat er die belgischen Missio- nare, die ihn wie ihren Augapfel schützen werden, und verfügt über die Dienste einer Schar von Christen, die in seinem Interesse arbeiten werden. Ich hoffe daher, daß es ihm dort gut gehen wird. Ich habe
346 Letzter Aufenthalt in Schanghai.
fiir seine Verbindung mit einem großen, wenn auch nicht großmütigen Haus in Schanghai gesorgt.*)
Auch meine prächtigen Hunde, die mich so lange begleitet haben, habe ich nicht ohne Trauer gehen sehen. Ich schicke sie Euch in effigie mit Splingaert.**) Ihr werdet sehen, daß die Natur ihn nicht bevorzugt hat, aber könnte ich Euch die Photographie seines Cha- rakters beilegen, so würde sie schöner sein als die manches äußerlich mehr Bevorzugten.
Ich wohne hier wieder bei meinem Freunde CaHce, der seit einiger Zeit österreichischer Minister-Resident ist. Er ist jetzt nach Peking gegangen, da er über Hals und Kopf in Ausstellungsfragen steckt. In Japan und Siam hat er schon Bedeutendes in dieser Hinsicht ge- leistet, und in China scheint es auch gut vorwärts zu gehen. Hier habe ich ihm auch etwas Rat erteilen können. Die drei Länder werden in Wien besser repräsentiert sein als auf irgend einer früheren Ausstellung. — Jetzt wohne ich mit dem österreichischen Konsul Schlick zusam- men: ein einfacher, anspruchsloser Mensch, aber reines Gold; man lernt dies erst nach und nach kennen.
Könntet Ihr die Hitze fühlen, die hier seit 14 Tagen herrscht, so würdet Ihr mir verzeihen, daß ich den Brief schließe. Es findet eine vollständige Destillation der Gedanken statt, und nur eine ge- wisse Stupidität bleibt als Residuum zurück. Es erfordert die größte Anstrengung, eine geistige Arbeit zu tun, und der einfachste Brief ist jetzt eine Arbeit.
*) Splingaert trat bald darauf in chinesische Dienste, in denen er es zum Range eines hoben Mandarin brachte. Er heiratete eine Chinesin, die ihm 22 Kinder schenkte. Das hier wiedergegebene Bild, das ihn im Kreise seiner Famihe zeigt, sandte er zu Kichthofen's 70. Geburtstag (5. Mai 1903) und bekundete in dem begleitenden Glück- wunschschreiben seine Treue durch die Versicherung, daß er alle seine Kinder in den Grundsätzen erzogen habe, die er Ton Kichthofen während dieser Keisen gelernt hätte. Nachdem er über 30 Jahre lang verschiedene Ämter in China und Chinesisch-Turkostaa bekleidet hatte, ist er, bald nach Kichthofen, im Jahre 1906 in seiner zweiten Heimat gestorben.
**) vergl. die Bilder auf Tafel 3 (zu S. 76) dos ersten Bande».
Pläne für die Verarbeitung der Ergebnisse. 347
Seit l-i Tagen bin ich mit meinen Angelegenheiten nur wenig 29. Juli, vorwärts gekommen, aber doch etwas. Der Druck meines Briefes, ^^ emem
Brief an die
den ich notwendig abwarten mußte, ist endlich seit vier Tagen ganz Eltern. beendet, und ich schicke Euch heute diesen Beitrag zu meinen sämt- lichen Werken. Meine finanzieUon Verhandlungen gingen durch einige Tage stark abwärts, aber seit gestern ist das Barometer gestiegen. Es wird wahrscheinlich darauf hinauskommen, daß die VeröfFenthchung der nicht-wissenschaftlichen Resultate meiner Reisen zum Gegenstand einer öffentlichen Unternehmung gemacht wird.
Die nicht-wissenschaftlichen Resultate nenne ich die, welche auf die HUfsquellen des Landes und auf inneren Handel und Verkehr Bezug haben, nebst einigen andern Gegenständen. Ihre Darstellung soll das Feld offen legen, das sich später hier dem fremden Unternehmungs- geist bieten wird. Die Wichtigkeit der Sache wird vollständig aner- kannt. Die Schwierigkeit liegt zumeist darin, daß die hiesigen Resi- denten nur temporär hier sind und das Land verlassen zu haben hoffen, wenn die Zeit kommen wird, von meinen Ergebnissen Gebrauch zu machen. Sie haben daher kein direktes praktisches Interesse an dem Gegenstand. Ich selbst nehme den Standpunkt ein, daß solche prak- tischen Arbeiten außerhalb meiner Sphäre wissenschaftlicher Beschäf- tigung liegen und man von mir nicht erwarten könne, daß ich mich mit großen Arbeiten, die Zeit und Ausgaben erfordern und mir selbst nicht zu Gute kommen, zum allgemeinen Besten frei hingebe. Trotzdom werde ich die Aufgabe übrigens mit großer Liebe zur Sache ergreifen, da ich von ihrer Wichtigkeit durchdrungen bin und gern die Gelegen- heit benutze, wissenschafüiche Arbeiten auch praktisch zu verwerten. Die rein geologischen Arbeiten worden dabei natürlich nicht zu kurz kommen und mit den andern Hand in Hand fortschreiten.
Wie wolil wfrd es mir tun, an den Familien-Interessen, von denen viele Euch jetzt gewiß lebhaft bewegen, wieder unmittelbar Anteil zu nehmen und mit Euch Freud und Leid mehr zu teilen, als es bei so großer Entfernung möglich ist. Auch bei Verwandten und Freunden hoffe ich mich schnell wieder einzubürgern und allen Neffen
348 Letzter Aufenthalt in Schanghai.
und Nichten noch einmal ein ganz guter Onkel zu sein. In weiteren Kreisen, politischen und wissenschaftlichen, wird mir die Einbürgerung viel schwerer werden. Doch hoffe ich auch da das Beste, besonders wenn ich nicht in zu großer Abhängigkeit ankomme.
Das Opus, welches die Post Euch bringen wird, ist wie die früheren nur zum Ansehen ; zur Lektüre ist es nicht geeignet.
Zum erstenmal seit meiner Ankunft in China bin ich seit einigen Tagen in dem Fall, ohne bestimmte und stramme Beschäftigung zu sein. Bisher habe Ich freie Zeit wenig gekannt, und ich würde un- glücklich sein, wenn ich viel davon haben sollte. Jetzt ist es sehr heiß, und die Tätigkeit ist auf ein Minimum reduziert. Viele Leute sterben am Sonnenstich. Ich wohne noch immer in Österreich, wo ich mit Schlick gemeinsame Wirtschaft führe. 9. August. Mehr und mehr drängen die Ereignisse zu meiner schleunigen
Aus einem Heimkehr, und ich verbringe diese letzten Wochen meines Aufenthalts in Eltern ^^^ Fremde mit großer Ungeduld. Wäre ich es nicht Euch und mir schuldig, die Entscheidung in der Angelegenheit, von der ich geschrie- ben habe,abzuwarten,so hätte ich meinen Aufenthalt längstabgebrochen. Meine Beschäftigung besteht jetzt im Warten. Scheinbar handelt es sich um die Alternative für mich, mir für einige Jahre eine voll- ständig unabhängige Stellung zu sichern oder unter den unglücklichsten Verhältnissen zurückzukehren. In Wirklichkeit aber handelt es sich um weit mehr, da ich in jenem Fall meine Stellung zu ganz be- stimmten Arbeiten zu verwenden habe, die meine Reisen in China erst zu dem geistigen und reellen Kapital umwandeln würden, das sie werden können, aber an sich noch nicht sind. Die Frage ist daher von Wichtigkeit für einen längeren Abschnitt meines Lebens. Die Aus- sichten stehen nicht ungünstig, sind aber keineswegs sicherund würden gleich in nichts zerfallen, wollte ich mich vorzeitig von hier entfernen. Ich muß also warten. Es ist nicht das erste Mal in meinem Leben ! 7. September. Ich kann Euch mitteilen, daß es besser steht, aber der Termin
Aus einem ^j^j^ j^^j^ ^^^^^^ ^-^^^^ absehen läßt. Nachdem Hitze und andere Ursachen Brief an die
Eltern. bisher die Tätigkeit in meiner Angelegenheit vonseiten der zum Hau-
Altchinesische Studien. 349
dein bestimmten Personen gänzlich gehindert hatten, ist gestern end- lich der Anfang gemacht worden, und er hat schon zu einem günstigen Resultat geführt, so daß ich nun der weitereu Entwicklung mit mehr Zuversicht als fi-üher entgegensehen kann. Die Temperatur ist kühler geworden: man kann arbeiten und herumgehen, und dies ist zum Ge- lingen erforderlich. So erfolgreich wie der Anfang werden die weiteren Schritte voraussichtlieh nicht sein, und es wird noch einige Zeit dauern, bis der Erfolg so gesichert ist, wie ich ihn wünsche. Bis dahin muß ich auf meinem Posten bleiben, denn, sowie ich ihn verlasse, verläuft der Strom im Sande. Ich hoffe das Beste, und ist auch das Warten eine harte Aufgabe, so würde doch der Erfolg die Unannehmlichkeit reichlich aufwiegen.
Mitzuteilen habe ich Euch garnichts. Das österreichische Kon- sulat hat mich noch nicht herausgeworfen und scheint auch nicht die Absicht zu haben. Hätte ich nicht diese angenehme Gastfreundschaft gefunden, so hätte ich das Warten in Schanghai kaum so lange ertragen können. Die Familie ist wieder versammelt. Herr von Calico war in Peking, ist aber zurück, geht jetzt nach Japan und dann nach Wien, wo ich ihn wiederzusehen hoffe. Schlick ist der Alte, stets unermüd- lich. Beide arbeiten, und ich arbeite auch : es gibt kein fleißigeres Haus in Schanghai. Gesellschaft sehe ich sehr wenig. Verkehr, Lek- türe usw. — das lasse ich alles, bis ich wieder zu Hause bin. Ich treibe nur altchinesischo Studien und beschäftige mich mit einem Aufsatz über entsetzlich alte Geographie,*) um mir die Zeit des Wartons zu vertreiben. Bei Untätigkeit wäre sie schwer zu ertragen.
Im ganzen bin ich mit dem Absitzen meines Urlaubs in China doch immer noch besser daran als die, welche ihren Urlaub in Deutsch- land zubringen, auch immer um Verlängerung nachsuchen, schließlich aber doch nach China auf ihren Poston zurückkehren müssen. Ich
*) die im Manuskript erhaltenen, aber in dieser Form nicht veröflFentlichten Vorarbeiten zu den historisch-geographischen Forschungen, die u. d. T. „Entwickelung der Kenntnis von China" den zweiten Abschnitt im I. Bande des großen ,China"- Werks bilden.
350 Letzter Aufenthalt in Schanghai.
würde meinen Posten zu Hause keineswegs als sehr fest ansehen, wenn ich ihn mir nicht so geduldig ersäße.
2 I.September. Was die mich hier fesselnde Angelegenheit betrifft, so kann ich
Aus einem j-gip^jj Schritt vorwärts melden, da die Zeit seit meinem letzten Brief
" Eltern ™''' ^^'^ Reise eines HeiTn nach Hongkong betreffs Regelung derselben ausgefüllt war und er erst morgen zurückkehrt. Von Schanghai aber ist wohl nicht viel zu schreiben, was Euch interessieren könnte. Mit Ausnahme der unvermeidlichen Diners, die mit der kühlen Jahreszeit wieder eintreten, verbringe ich fast meine ganze Zeit zu Hause an meinem Arbeitstisch. Das österreichische Konsulat ist dafür günstig gelegen: die Front nach dem Fluß, auf dem die vielen Dampfer ein- kommen und ausgehen, mein Zimmer sehr groß und nach vorn heraus. Die Fenster sind große, stets offne Türen nach der breiten Veranda, die sich um das halbe Haus herumzieht, wie dies hier allgemein ist. Man atmet daher immer frische Luft und merkt nicht die Stadt, da am andern Ufer des Flusses nur Bäume und Felder sind.
Die Zeit vergeht mit selir geringem Nutzen und ohne Vergnügen oder Genuß. Ich schlage sie mit meinen noch immer fortgesetzten altertümlichen Studien tot, die augenblicklich mein Interesse in An- spruch nehmen und gute Vorstudien für meine weiteren Arbeiten über China sind.
In einigen Tagen werde ich meine Sammlungen und Effekten, gegen 40 Kisten, nach Hamburg schicken, mit dem ersten Dampfer, der von hier dorthin geht. Hoffentlich kommt alles gut an. Es wäre prächtig, wenn ich meine Sachen begleiten könnte; aber noch immer läßt sich meine Abreise nicht festsetzen. Indes, wie ich schon gesagt habe, die Wartezeit ist nicht zu lang, wenn alles gut geht, da ich dann wenigstens vorläufig keine Sorgen habe und meine Arbeit für einige Jahre in bestimmte fruchtbringende Bahnen geleitet ist. 10. Oktober. Ihr werdet wohl ungefähr gleichzeitig mit diesem Brief ein Tele-
Letzter lincf gj,jj^,Qj ^^^ j^j^ bekommen, das meine Ankunft anmeldet. Eigentlich aus China an die Eltern, bin ich schon jetzt zur Abreise bereit und hatte vor, statt dieses
Briefes selbst zu kommen. Ich habe vor 14 Tagen 23 Kisten durch
Die letzten Zeilen aus China. 351
direkten Dampfer nach Hamburg geschickt, und eben ist der Rest meiner Schätze im Betrage von 21 Kisten durch einen andern Dampfer ebendahin abgegangen. Die Koffer sind auch gepackt, und meinerseits war alles für morgen vorbereitet, um mit der englischen Post nach Suez und dann via Triest und Wien zu gehen; auch die Details des Reiseplanes waren entworfen. Allein, ich muß noch einmal eine Woche warten, um am 18. mit der französischen Post abzugehen. Wahr- scheinlich nehme ich den Weg über Marseille.
Meine Angelegenheiten hier sind soweit im Reinen, daß ich be- scliließen konnte, die nächsten zwei oder drei Jahre ganz der Aus- arbeitung meiner Resultate über China zu widmen. Ich hoffe auch bei unserer Regierung noch ein gutes Entgegenkommen zu finden*), um pekuniär befriedigend gestellt zu sein. Jedenfalls werde ich fürs erste so ziemlich unabhängig sein, und ich darf sagen, daß mein langes Warten hier guten Erfolg gehabt hat.
In den vier Jahren seit meiner Abreise von Califomien bin ich in einer den Strapazen des Reisens und den anstrengenden Arbeiten ganz angemessenen Weise gealtert, und da ich Euch keine Photographie schicken kann, so fürchte ich, daß Ihr im Anfang etwas betroffen sein werdet, an der Stelle meiner früheren jugendlichen Züge ein ganz anderes Gesicht zu sehen. Doch ich glaube, das wird sich bald geben, und Ilu- werdet schließlich finden, daß ich mich gar nicht besonders verändert habe. Ein heiterer Gesellschafter ist nicht aus mir geworden. Das fortdauernde Streben, sich über Wasser zu halten, wenn man weder Vermögen besitzt, noch vom Staat versorgt wird, noch einem Erwerbstand angehört, ist nicht geeignet, das Gemüt besonders heiter zu stimmen. Eines habe ich aber doch gewonnen: von Californien wäre ich unzufrieden und wirklich unglücklich zurückgekommen; jetzt blicke ich mit Zufriedenheit auf die letzten Jahre zurück. Kann ich meine weiteren Arbeiten ausführen, wie ich wiU, so sind dies goldene
*) Das geschah später durch Bewilligung ansehnlicher Mittel aus dem kaiser- lichen Dispositionsfonds und aus Fonds des preußischen Kultus- und Handels-Mini- steriums für die Veröffentlichung der wissenschaftlichen Ergebnisse.
352 Letzter Aufenthalt in Schanghai.
Jahre gewesen, und nach dem Prinzip; „Ende gut — Alles gut" ver- schmerze ich viel von dem Verlust der vorangegangenen Zeit.
Mein sehnlicher Wunsch ist jetzt, daß ich Euch alle wohlbehalten antreffen möge. Ich hoffe, daß wir nach so langer Trennung Weih- nachten und Neujahr recht freudig zusammen verbringen werden.
Mit diesen herrlichen Aussichten verbleibe ich, zum letzten Mal
aus China,
Euer treuer Sohn
Ferdinand.
Register des ersten und zweiten Bandes.
Abrasion (Gebirgsabtragnng), erste Be- obachtungen I 33, 194, 218, 265.
Achsenkette des südöstlichen China II 23, 39, 53.
Acker- und Gartenbau in China, All- gemeine Bemerkungen I 61, 94 f., 151 f., 161, 292 f., 325, 329, 331 f., H 58, 133 f., 288, 330 f. — Zusammen- hang von Bevölkerungsdichte und In- tensität des Ackerbaues I 332, II 58, 133. — Besitzverhältnisse I 218, II 133. — Parzellierung des Bodens I 151, 223, 353. — Bodenpreise I 98, 218, II 73, 133, 165, 173. - Beobach- tungen über Ackerbau einzelner Ge- genden I 17, 33, 45, 182, 221, 242, 250, 270, 273, 325, 350, 353, 358, 415, 438f., 468, 492, 541, U 19, 28, 64, 126, 144, 162, 165, 183, 231, 244; 246, 248, 251, 255, 288, 291 f., 312, 318, 329 ff., 336. — Ackerbau auf Löß I 468, 511, 529, 562, II 186. — siehe auch Bewässerung, Forstkultur, Obst- bau, Terrassen - Anbau, Weidebenut- zung, Weinbau und die einzelnen Bodenfrüchte.
Afong (Boy) I 28, 37, 87, 164, 345.
Ai seh an (Schantung) I 196.
Altertümer in Schansi I 516, 543, U 176 f.; in Singanfu II 2 17 f. — siehe auch Antiquitäten-Handel.
Richthofen, Tagebücher, II. Band.
Ämherst, Lord, I 100, 354.
Anthrazit vom Tai hang schan I 475, 479, 483 ; In Schansi I 496 ff., 530 f., 553 f. ; in N W-Tschili H 1 1 1 ; am Yang- tsze im Lung schan II 96. — siehe auch Kohle- Vorkommen.
Antiquitäten-Handel in Schansi I 543, 545, II 176 f., 184; in Ningpo H 7; in Singanfu H 217 f.
Apotheken und Drogenhandel I 335, 489 f., II 7, 208. — Medizin-Kräuter von Sz' tschwan I 371 f., 384, 399, 547, n 263, 289, 296, 314. — siehe auch Rhabarber.
Arachis (Erdnuß), Anbau H 251, 318.
Architektur, Chinesische, Allgemeine Bemerkungen 1279, n 83 f., 181, 193 f. — Lößarchitektur I 533 f., H 169, 182 f. — s. auch Monumentalbauten, BrUckenbauten, Skulpturwerke, Haus- formen, Dachformen, Baumaterialien.
Bambus, Anpflanzungen I 291 f., 377, 485, II 13, 195, 248, 252, 329; Bam- bus gigantea in Sz' tschwan II 288. — Bambus-Sprossen als Nahrungsmittel II 13 f.
Bananen, Anbau I 292, 350.
Barrow I 103, 356.
Basaltvorkommen in Schantung I 183.
23
354
Register des ersten und zweiten Bandes.
Bauart der Häuser siehe Hausformen, Dachformen, Höhlenwohnungen.
Baumaterialien, verschiedene: I 39, 62, 68, 71; Basalt 1183; 190, 193, 196, n 195,228,339.
Baumwolle, Anbau I 182, 240, 270, 291, 350, 359, 388, 422, 439, 453, 4G4, 518, 542, 557, U 186, 195, 203, 224f., 251.
— und Baumwollenzeuge als Handels-
ware u. Industrie-Erzeugnis I 81, 109, 422, 452, 464, 496, 538, 557, H 42, 153, 289, 292, 294, 314, 316, 322; (Yangpu) n 181, 184, 237, 314, 316.
Bef örderungs-OrganisationI33Gf., 375 f., 433 f., II 5. — siehe auch Hong.
Bergbau in China: Allgemeine Bemerkun- gen I 27 f., 217, 498, 501, U 264. — Besitz Verhältnisse 1217, 500. — Tech- nik des Bergbaues siehe Kohlenberg- bau, Technik, vergl. auch die einzelnen Mineralien.
Bevölkerung: Anthropologische Beob- achtungen I 160, 172, 224, n229. — Provinzielle Verschiedenheiten I 55, 99, 172, 205, 224, 252, 324, 358, 417, 439 n7, 134, 146, 230, 274. — Un- abhängige Stämme I 398 ff., 401,412, H 177, 241, 274, 276 f., 294, 298 f., 307, 324.
— Allgemeiner Charakter I 123,
141f., 144, 194f., 204 f., 258ff., 264, 383, 406, 579, II 65, 79, 81, 104, 139, 155, 244, 252 f., 267, 275, 290. — Pa- triarchalische Lebensformen I 396 f., 403 ff.; Stände I 262. — Politisches Unabhängigkeitsgefühl I 406 f., 11 180. — Laster: Spielsucht 1219, 260; Opi- iimrauchen: siehe dieses.
— Benehmen gegen Fremde I 103,
112, 116, 120, 155, 179f., 184, 194, 204 f., 259, 297, 304—307, 350, 365 f., 369, 378 f., 416, 446, 448 f., 479 f, 485, 513, 525, 550 f., U 34, 79, 145, 149, 159, 176, 195, 213, 227, 252 f., 267, 290, 293, 305 f., 316, 323, 331,
338. — Behandlung durch den Rei- senden I 62, 88, 116, 201, 204, 242, 440, 448, 451, 520, 547, 550, 11 18. Bevölkerung: Bildungsstand I 205, 223, 261 f., II 65. — Schulen, Chine- sische, I 158 f., 217; Missionsschulen I 178, 206 ; Universitäten I3S6 f., 393 f., 395 f. ; Examinationen und Kaudidateu- versammlungen I 243, 393 f., .398, U 267 ; Heranwachsende Jugend I 222 f., 261.
— Religiöse Gebräuche I 59, 195,
327, 344, 354, 363, 382, 402 ff., H 336.
— Aberglauben I 27, 142, 195, 327, 335, 3.54, 402 f., H 175, 223. — Wall- fahrten I 195f., 276, II 144, 158, 196 f.
— Städtisches und ländliches Leben I 160, 181, 190, 222 f., 112.54.
— Städte, allgemeine Bemerkungen I 65,109, 117, ISlf., II 254. —Dörfer, Weiler u. Gehöfte I 160, 190, 216, 222, 253, 438, 11 131, 154, 180, 226f., 246, 288 f., 291, 312, 329, 331. — Land- sitze in Hiinan I 388. — Fehlen von Landsitzen in Schantung 1 190. — Winterdörfer I 115, 411.
— Soziale Zustände: Übervölkerung,
Volksdichte , Kinderproduktion I 55, 64, 144, 329, 333, 4.53, 492, 564. — Wanderungen, Auswanderung: nach der Mandschurei I 238, 240 ; — Neu- ansiedelungen in Tschekiang und Ngan hwei H 58, 73 ; Vordringen nach der Mongolei n 133, 135, 138f.; aus Sz' tschwan ins Han-Tal II 240, 244 ; Besiedlung von Sz'tschwan II 273; Auswanderung von Kwcitschöu II 324 f.
— Teuerung, Armut, Not und Hunger 164, 151, 162 f., 163, 171, 196, 323 f., 424, 444, 509, 560 ff., II 273. — Bettelei I 163, 170 f., 349. — Trinkgelder-Un- wesen I 156. — Lohnverhältnisse I 188, 297, 439, II 58, 133, 168. — Zu- kunft durch Industrialisierung Chinas I 571.
Register des ersten und zweiten Bandes.
355
Bewässerung, künstliehe, I 15, 46, 61, 182, 467, 479, 485, 509, 527, 541, II 64, 173, 179, 187, 225, 251 f., 255, 266, 287 f., 289.
Bies, Pater, II 72.
Bhamo am Irawaddi 11 264, 278.
Binnenschiffahrt, Möglichkeit: auf dem Yangtsze I 77, 86, 139; Siang- kiang u. Tungting-See I 385, 402, 409, 420 f.; Han I 421; Hwaihö I 462; HwanghÖ I 475 f.
Birnen von Puhsien I 524 f.
Bismarck, Graf, I 141.
Bismarck, Dolmetscher in Peking 11 108 f.
Blakiston, Th. W., n 320, 328, 335 f., 339.
Blei -Vorkommen I 455.
B 1 e i w e i ß , Fabrikation I 455.
„Blume der Mi tte" (Tschunghwa),Name für China, I 22, 315.
Bodenfrüchte, Allgemeines : siehe Acker- bau und Obstbau. Einzelne Boden- früchte : siehe diese.
Boehmeria (Farnpflanze) 1313, U 9, 28.
Bohnenkuchen u. Bohnenöl, Fabrika- tion I 213.
Bonny, Rev., I 356.
Boote, Formen der, I 290, 311, 314, 325, 398 f. ; Hausboote 1 75 ; Sampan 1 129 ; Dschunken 1147, 212; Mandarin-Boot (Hotau-Boot) I 147, I 344; Mayang- Boote 1 398 f., 41 9 ; Bambusflöße 1 314f. U 12f., 38, 41,311.
Botanische Beobachtungen I 185, 222, 239, 338 ff., 361, U 22, 53, 251, 282; Sämereien I 338 ff., II 282. — siehe auch Vegetationsbeobachtungen.
Bouvet, Pfere, I 355.
Boys, V. R.'s, in China: Äfomj I 28, 37, 87, 164, 345; der Gesandtschaftskoch I 345; Li, das Filou 345, 360 f., 417, 435 f.; Jim H 3, 30 f., 40, 83, 299; Boy von Tschöngtufu 11 299.
van Braam'sche Gesandtschaft I 355.
V. Brandt, Max., I 4, 6, 588.
Branntwein von Mais U 294, 324 ; von Kauliang H 328.
Branntwein, Handel H 94.
Brick-Tea siehe Ziegeltee.
Briefe an Eltern u. Angehörige I 26 ff"., 93ff.,140ff.,197ff.,283ff.,338ff.,344ff., 416ff., 573 ff., 586 ff, H lOlff., 105 ff.. I08f.,135ff.,147ff".,196ff.,218Ö'.,264ff., 277 ff, 341 ff
Bruchlinie in Schansi I 524.
Brückenbauten: altchinesische Stein- brücken I 53, 62, 162, 193, 537, II 33, 43 f., 110, 205, 230, 291, 297. — Kettenbrücke in Schensi II 235 ; Floß- brücke bei Yatschun 11 292; Ketten- hängebrücken in Yungkinghsien U 297.
Buchweizen, Anbau 1291, H 117, 133, 139, 141, 151, 156,165,230,331.
V. C'alice, österreichischer Minister-Resident U 346, 349.
Californien, Aufenthalt v. R.'s, I 2, 30, 141,11351.
Canton I 343, II 254.
Ckiais, Bischof in Singanfu II 206, 211, 218.
China: Wissenschaftliche u. wirtschaftliche Erschließung I 1, 27 f. — Verfall I 142, 144 f., 263 f. — Ursachen der Rück- ständigkeit u. des Verfalls I 27, 263, 561 — 572; bessereVergangenheit I 64, 263, 561 ; Zukunft I 570 ff'.
Chinesen als Handelsleute I 51, 80 f., 99, 217, 259 f. ; Schansi-Leute als Kaufleute I 538 ff., II 155, 174 f.; Ningpo-Leute U 7, 155.
Christen, Chinesische, I 135, 143, 174, 497, n 71 ff., 120, 125ff., 206, 211,217, 250, 270 f., 283 f., 290, 316. — siehe auch Mission in China, Allgemeines.
Confucius U 175, 219 ; als Erfinder des Pa- piers I 391.
Cooper, T. T., U 259, 283, 295, 309.
Cosi, Eligio, Bischof von Schantung I 176, 206.
Cypressen in Sz'tschwan U 248 f., 329, 331, 336.
23*
356
Register des ersten und zweiten Bandes.
Dach formen chinesischerHäuser 1 2 1 3f., 217; nifang u. wafang I 251 f., 271 f., 293 f., 511; Kegeldach der Mongolen II 131, 138.
Uänime am Großen Kanal I 1508'., am Han kiang 424 f.
Darwin, Charles, Urteil über Darwinis- mus 1207—210.
Dattel, Chinesische, (Zizyphus) I 541 f., II 167, 179, 191, 251, 329, 330f. — siehe auch Tsaurh.
David, P^re Armand, I 134, II 127, 260.; als Sammler in Muping II 281f.
DentrecoUes I 309.
Detring, Zollamtsverweser II 82 f., 101,299.
Dickiion, Dr., I 385, 421.
Dochte aus Binsenmark in Sz' tschwan U294.
Drogen waren, Chinesische, siehe unter Apotheken, Medizin-Kräuter, Rhabar- ber u. Tihwa-Wurzel.
D s c h e h 0 1 ( Jehol) I 272, II 1 27.
Du Halde, J.B., 1309,311.
Dünger als Feiierungsmaterial 11 131, 138.
Dungstoffe, Wertung und Bedeutung
I 38, 223, 332, U 58. Düngung 138, 94, 151, 161,332,388,
511, II 58, 133, 144, 208, 226; Dün- gung mit Kalk I 388 ; Asche als Dung- stofl' II 29; SelbstdUngung des Löß
II 208.
Eich eupf lanzunge n fiir den Seiden- wurm 1 182, 225, 235 f., 443 f., 446.
Eis enbalinen.Gutacliten über zukünftige: in Schantung I 29; am alten Hw.ing- hö I 157, 161 ; in Tschili I 274; am Pekiaug I 353; ;ini Ilaukiang 1 431, 445; Grubenbahnen zum Taihang- schan I 483 f., 553 f.; Zukunft der Kisenbahnen I 571.
Eisenoxyd- u. Eisenritriol- Fabrikation in Poschan I 185.
Eisen- Vorkommen u. Eisenindustrie, Allgemeines: I 96, 131, 167, 451; in
Schansi I 497 ff., 505 f.; 551 f., II 89, 100, 338. Eisen- und Stahl waren. Chinesische,
I 33.5, 489, 495 f., 499, 501, 543, 551,
II 187, 191, 296, 314. Eisenwerke, Chinesische: inNingpo 136;
in Wusüetswun I 96; in Poschan
I 187; alte — in Langtien I 449; iu Luschan I 449 ; in Hwai king fu I 489 ; in Schansi 1 498 ff.; in Nan tsun I 501 f., in Taiyang I 505 f.; in Tschang lan 1543; in Schwo fang hsien 1551; in Loping 1552; in Taiyuenfu II 173, 179; in Wangföngschan II 179; bei Han tschungfu II 238, 240 ; bei Tschung kingfu II 335.
Eis-Ge winnun g u. -Handel in Ningpo
116. Elaphurus (Hirsche) I 132 f. Elias, Ney, 1285, 475 ff. Enten H 226 f., 233; geräucherte von
Han tschung fu II 233. — siehe auch
Mandarin-Enten. Entwaldung 188 f., 167 f., 183, 187, 207. —
Folgen der Entwaldung I 254, 266, 561. Erle als Kulturbaum II 288.
Fang lan tschönn (Schansi) 11 1G6. Fangschan (Vulkankegel) 1 129. Fantschöng I 419, 428ft', 436f., 557. Fantsze, unabhängige Stämme der,
II 274, 276 f., 307. Farnkraut- Asche fiir Glasur I 309, 312. F a s t e n m e n u in Tschöng tu fu U 269. Fa ti (Hwati), Vorstadt von Canton 1348. Fatschan (Kwangtung) I 348. Favand, Msgr., II 332. Feigenbäume, Anbau II 329, 336.
F e i 1 u n g k » a u -Paß (Sz' tschwan) II 296. Felle u. Pelzwerk als Handelsware I 247,
560, II 124. Feuerstein- Gruben bei Kau tsz6 II 100. Fischerei: bei denTschusan-Inseln 146,
im Tai hu I 60, Liautung I 221, 239;
Fischerei mit Cormuranen I 312, 333;
Fischhandel U G, 124, 175.
Register des ersten und zweiten Bandes.
357
Flachs, Anbau II 133, 139.
Fleming I 2.18.
Fluß-Benen n\in gen. Allgemeines über, 1359.
Fönghwangschan (Liantung] I 229, 237.
Föng siang sia- Schlucht am Yangtsze U 339.
Föng tiau schan (Schansi) 11 187, 189, 191 f.
Fö ng tsiaug fu (Schensi) 11 226.
Fönn hö (Schansi) I 513, 519, .526 f., 529, 537, 546, II 178 f., 184, 209 f.
Fönnschuihö (Tschekiang) II 49 iä"., 59.
Fönnschuihsien (Tschekiang) II49ff., 53.
Fönntschöufu (Schansi) 1 537, II 178 f., 181.
Forstkultur I 44, 168, 240, 270, 272 f., 361, 365, 510f., 561, II 13, 39, 66, 7.5, 97, 291, 329. —Vernichtung der Vege- tation I 88f., 167 f., 183, 187, 207. — Folgen der Entwaldung 1 254, 266, 561.
Fortime, Eob., I 322 f.; II 4, 35.
Fouliang hsieu (Kiangsi) I 101, 310.
Franziskaner-Mission in Tsinanfu
I 172 ff., 176, 205 f.; in Hunan I 407; in Taiyuenfu II 170 f., 175, 177, 197; in Singanfu II 206, 211, 218.
Frau en , Frauenleben in China I 244, 324, 396f., 401,404,1134,253,327. — Fuß- verstümmelung I 244, 399, II 127, 253. — Witwenmonumeute I 190, 11 180, 186, 265.
Fremdenhaß in China I 397, 576ff., U 213, 215, 267. — Mythe vom Kinder- diebstahl I 574, 582. — siehe auch : Be- völkerung: Benehmen gegen Fremde.
Fremdhandel in China, Lage, Aus- sichten, Folgen 151, 80f., 125, 411, 464, 569 f., II 44. — siehe auch Chi- nesen als Handelsleute.
Fremdwaren (Importe) in China 1453,
II 123, 1.53, 165, 190, 262 f., 264; (Yangpu) II 181, 184, 314, 316.
Funiu schan (Hönan) I 445, 448.
Fu tang am Sanghö (Tschekiang) II 42. Fu tschou (Fokien) als Teemarkt I 101;
Arsenal 577. Fu tschöu (Liautung) I 217. Fu tschöu (Sz'tschwan) II 336.
Gaubil, Pere, I 99, 355 f.
Gebirgs-Benennungen, Allgemeines über, I 359, 445, 452.
Gefährdungen, persönliche: trügeri- scher Boden bei Lököu 1 175 f.; in den Kohlengruben von Pu tsüen 1 179 f.; in King tö schönu I 304 — 307 ; in I- tschang I365ff. ; am Luihö I 379f. tätlicher Angriflf in Tatung sz' II 18 Angrifif in Tsingikiangtschönn 1180 f.: Begegnung mit den Straßenräubern bei Yungking hsieu II 300—310.
Gegenwartsstimmungen und Zu- kunftsaussichten I HO f., 282 f., 340 f., II 105 f., 149, 280; Weihnachten 1871 II 185 f. ; Abschied aus China U 341 ff.
Gelbes Meer, Fahrt I 13.
Geld in China I 95, 327 Anm.; Carolus- Dollars I 316, 322; Hai kwan-Silber
I 367, 509 f., II 333; Cash -Wertung n 155, 168.
Geologe, Arbeit des, 1 124,207,258,341,
II 281.
Gericht u. Prozeß I 373f; Civilprozeß in Hwai king fu I 490 f. ; Verfahren gegen den Hundedieb I 520 ff. ; Ver- handlung gegen die Straßenräuber in Yungkinghsien H 305 ff.
Gewehre, Chinesische, I 409, U 212.
Gewichte, Verschiedenheit, I 453.
Glasfabrikation in Poschan I 187 f; in Langtien I 448 f.
Glas ur - H erstell ung für Porzellan I 309, 312.
Gletscherspuren, Fehlen — : in Schan- tung I 171; in Liautung I 220; im Tsinlingn232.
GoldfieberinTschifuI30f., 34, 194,197.
G 0 1 d P o i n t am Po yang-See I 288.
Gold-VorkomraeninChinaI30f., 194ff.;
358
Eefiister des ersten und zweiten Bandes.
Goldwäseliereien am Han I 426 ff. ; im TsinUng U 235; im Kialing U 246; bei Ningyuenfu II 264.; in Yünnan n 324 ; Gold-Extraktion aus Handels- silber II 333 f.
Grabmäler in Scheusi II 224.
Granitgebirge: versenktes am Tsung- yang, I 119; Taischan I 170; beiSan- töupingll 340.
Graphit-Vorkommen I 131, II 100.
Gras als Brennmaterial I 88, 182, 207, 351,439,563,1117,226.
Grasvvucbs, unbenutzter, I 122, 168.
Great Basin, Ähnlichkeit mit chine- sischen Landschaften I 167,237,11 121.
Große Ebene I 462f, 484, 559, 562; Einbruch der — am Tai hang schan I 494 f., 554; Bildung — U 209 f.
Große Mauer: bei Schan haikwan 1268; bei Nanköu I 278; bei Kukwan 1555; bei Tschai tang U 116; bei Kai- gan II 122, 125; bei Tschönntsclnvan- köu II 145, 148; bei Kwanwuköu 152 f.
Groß er (Kai ser-)Kanal : bei Tientsin
I IG ; bei Hangtschou I 58; von Hang- tscböu nach Tschingkiang I 60 — Gö ; Mündung in den Yangtsze I 148; von Yangtschöu bis Tsingkiangpu I 148 bis 155; Strömung im Kanal I 149 f Schleusen und Dämme I 153 f., 161 Verbindung mit dem Hwanghö I 175 Verbindung mit Tschöukiaköu I 462.
Guillcnün, Msgr., I 343.
Hafer als wichtigste Feldfrucht am Rande derMongoIeiII133, 139,141,156,157f.
Hafermehl-Nudeln II 158.
Handel in China, Allgemeines: Handels- bilanz zwischen Nord u. Süd I 559 ff.,
II 174; Land- und Wassertransport 1443, 557; Transport- Organisation I 157 f., 336 f., 375 f., 433 f., U 5 ; Kauf- liiden I 155, 334 f., U 262, 332 ; Märkte 1 160, 163, 229 f., II 240. — siehe auch Verkehr und Verkehrsmittel.
Handels- und Verkehrsstraßen, große : Allgemeines 1 496 f., 562 ff. ; der Yangtsze-Strom I 77, 86 f., 139; durch Kiangsi I 99 f. ; Peking-Mukden 1 2G4 f., 274; die H.an-Straße 178, 429 ff.; die Tanghö-Straße I 431f. ; die Verkehrs- straßen von Hö nan fu I 462 ff. ; Eisen- straße von Tsö tschöu nach Tsing hwa I 495 f. ; Straßen durch Schansi I 517 f., 544f., U 155; durch Tschekiang 1144 f.; über Kaigan nach Nord u. West II 119, 123; Pelu u. Nanlu II 206f., 214, 22 1 f. ; über den Tsin ling schan H 230 f., 235 f., 237 ; von Sz'tschwan nach Tibet u. Birma II 278f., 314. — siehe auch Großer Kanal, Kaiserstraßen.
Handelskammer von Schanghai, Auf- trag der, I 340, 347, 588, H 341 ff.
Hanf als Handelsware I 102, 371.
— (Lo ma), Anbau II 28, 80, 141, 288.
Hang (Handelshaus) siehe Hong.
Hangt schon fu I 56f., 322, 330, 334.
Han jin , BezeichnungderChinesen U273.
HankiangI78f., 420ff., 431f., U238f.; Hochfluten I 424.
H a n k ö u : Lage I 78 f. ; Handel u. Verkehr I 79 f. ; Kohle aus Hunan I 82 ; Europ. Settlement I 84, 414, 416; Leben in — 1418 f.
H a n s i n 1 i n g (Paß) 1 529, 535, 546, U 183, 237.
Han tschöu (Sz'tschwan) H 254.
Han tschung fu (Schensi) H 211, 233f., 237 f., 240.
HanyangfuI 78, 83 f.
Hart, Sir Robert, I 24.
Hausformen: Adobe I 15, 182, 372; Häuser in Kiangsu 1 160; in Schantung 1 163, 197 ; in der Mandschurei I 213ff., 217, 252; in Kiangsi I 293 f.; im Löß- gebiet 1533 ff., II 169, 182 f.; in der Mongolei U 130; Zelte der Mongolen n 131, 138; in N.-Schansi II 146; im Fönnhu-Tal II 180; Wirtshäuser in Sz'tschwan II 286 f. — s- auch Dach- formen, Höhlonwohnungen.
Register des ersten und zweiten Bandes.
359
H e b u n g oder Senkung des Landes in Lian-
tung I 220. „H eilige Berge" in China I 385 f., 454,
U 194, 196. Hei lung kiang (M.andscliurei) II 49. Hinterindische ICetten H 264. H i 0 g 0 (Japan) I 8. Hirse, Anbau I 2.50, 291, 32.5, 329,
453, 492 f., 508,11 115, 117, 130, 141,
172, 185, 246, 331. — Hirse als Volks- nahrungsmittel II 119. V. Sochstetter, Ferdinand, II 1 07 f. Höhleu II 234, 242, 329, 339. Höhlen Wohnungen: im Rotsandstein
1377; im Löß I 455, 468, 533 ff.,
n 126, 137, 169, 182 f., 224, 226, 228,
— siehe auch Architektur im Löß. Ho li ki tschönn (Ngan hwei) U 68 f. H ö n an (Provinz) Reise durch — I 437 bis
492 ; Land und Leute I 438 f., 453, 492. Hönanfu I 432, 441, 447, 460 f., 465;
als Straßenknotenpunkt I 462 ff. Hongkong I 342. Hon gs (Handelshäuser) 1293, 301, 305,
315, 336, 479, U 286; Seiden-Hongs
in Tsutschiau II 286. Höng schan (Hunan) I 385 f. Höng schan hsien (Hunan) I 386. Höng tschöii fu (Hunan) 1385. Horseshoe- Channel bei Nanking
I 72, II 88. Hö schan (Schansi) I 5.30 f., U 182. Hö schan ku pi schan (Schansi) 1515,
530. Hötschöu (Schansi) 1527,529. Hsihu (See) siehe Sihu. Huc, Abbe, I 78, 84, 247, II 259. Hühner als Haustiere H 139. Huköu (Poyang-Ausfluß) I 98, 105, 112,
286. Hunan (Provinz) 1343, 353, 365, 377 bis
41G; Land und Leute I 378 f., 402 ff.,
438; Hunan-Leute als llüitär in Sz'-
tschwan H 307 f. Hunan- Kohlenhandel I 82, 423f.,
442.
Hun d e T. R.'s I 417, 520 f., U 4, 1 10, 346.
Hungtszehu (See) I 130.
H u n h ö (siidl. Mandschurei) I 243, 250.
Hun h(5 (TschiH) I 22, 281, II 110, 116.
Hu p^ (Provinz) I 78—79, 414—437.
Hu to hö (Schansi) II 152, 156, 165.
Hu tschöu fu (Tschekiang) I 60.
Kwai hö I 432, 445, 456, 462, 477.
Hwai king fu (Hönan) I 462, 485, 487, 489, 492.
Hwai 1 u siehe Hwo lu hsien.
Hw ai ngan fu am Großen Kanal I 154.
Hivang (Chines. Schwindler) I 301 f.
Hwanghö (Gelber Strom) I 147, 154; altes Bett bei Wangkiaying I 156; Stromverlegungen I 156, 175, 197 f., 476f., U210f.;beiTsinanfuI 174 f.; Dammbrüche u. Überschwemmungen 1285, 476 f.; 461 ff., 473 ff.; Schiffbar- keit I 475 f. ; Unnahbarkeit des N — S- Laufs II 172; bei Tungkwan U 192, 209 f., 229 f.
Hwang schan (MountElias)inSchantung I 193.
Hwang schan (Ngan hwei) I 315, 318.
Hwang schi kiang am Yangtsze I 89.
Hwang yang schan (N.-Tschi!i) II 119, 122, 128.
Hwaschanin Schensill 192 ff., 202.
Hwa schan bei Nanking II 90 ff., 97. — siehe auch Ta hwa schan.
Hwatingsz'- Tempel im Tißn tai schan II 20 ff.
Hwa t^schöu (Schensi) II 195 f., 202.
Hwa yin miau (Tempel in Schensi) II 193.
Hwei-Dynastie, Kaiser der, I 458.
Hweilitschöu (Sz'tschwan) H 264, 274, 277, 322.
Hwo 1 u h s i e n (Tschili), Handelsstadt I 557 f., U 153, 165.
Ihö (Hönan) 1456. I hö (Schantung) I 164 f. Indigo, Anbau II 9. Industrialisierung Chinas, zukünftige, 1571 f.
360
Register des ersten und zweiten Bandes.
Industrie, einheimische, in China: siehe unter Baumwolle, Eisen, Kohle, Por- zellan, Seide u. a. m.
Inschrift des Yü am Yoluschan I 393.
Inschriften im Höhlentempel bei Lung- raönn I 459.
I tschang hsien (Hunan) I 355, 363 ff.,
375.
I I s ch a n g f u amYangtsze 1 85, 139, II 323,
325,334, 339 f. Itachöu fu (Scliautung) I 165.
Jagd und Jagdtiere I 65, 72, 132, 238 f., 281, 313f., 327, 333, 409, 504, 510, II 70, 74, 97, 226, 230, 233. — Ela- phurus I 132; Mandarin-Enten I 312, 313f., 327; Tiger I 228f., 238, 357 f., II 244; Wildschweine I 122, U 70, 74, 93, 97.
Japan, Aufenthalt 1868 13—11; Reise nach — 1870/71 I 588, II 1. — PoUti- scher Znstand 1868 I 4.
— Vergleiche mit China 135, 38, 50, 264, 323, 1139f., 64, 181, 248, 288.
Japanisches Binnenmeer I 9ff., 50, II 40.
Jesuiten- Mission in China: Allge- meines I 133 f., II 218 f. — Jesuiten- priester I 133 f., II 71 ff.
Jim (Boy) II 3, 30 f., 40, 83, 299 ff.
Joss, Opfergaben u. Opferplatz I 59, 344.
Judenkolonien in China 1461.
Ju hö (Hönan) I 451, 455.
Jujube siehe Dattel, Chinesische, u. Zi- zyphus.
Ju tschöu (Hönan) I 452, 455.
K a d u siehe Kiai tön.
Kaifiingfu (Hönan) I 157, 285, 432,
447, 461. Kai ping hsien (Liautung) I 215. Kai ping-KoblenfeJd (Tscliili) I 273. Kaisergr,äber I 71, 279 f., 467. Kaiserstraßen, alte, I 168, 198, 269 f.,
319,551. Kai tschöu (Kweitschiiu) U 334f.
Kaki-Pflaumen I 328, Xl 111, 191,
195, 233, 251. Kaigan (Tschang kiaköu) II 116, 119,
122 ff. Kalkbrennerei I 91, 388, H 70, 329. Kang (heizbare Schlafstellen) I 202, 214,
II 118, 168, 173, 196. Kanghi, Kaiser, I 23, 58, 536, II 92. Kan kiang (Kiangsi) I 97, 99, 107, 109. Kan tscbou fu (Kiangsi) I 290. Karrenführer, Fuhrleute und Träger,
Erfahrungen mit — I219f., 248 f., 410,
486, 490, n 12, 53 f. Karten, Chinesische, Mangelhaftigkeit
I 37, 74, 85f., 379, 420, U 116, 1 64, 236 ; Jesuitenkarten in Tschöng- tufu U 286. — Kartographische Ar- beiten v. R.'s I 420, 456, II 135 f.
Kartoffel, Anbau II 117, 123, 136, 139, 141, 156, 165, 174, 230, 244.
— , süße I 333, 350, 454,508, II 19, 35, 251.
Käse und Butter aus der Mongolei H 124.
Kauliang (Sorghum, Negerhirse) I 216, 242, 265, 270, 273, 453, 467, 493, 508,
II 35, 115, 119, 152, 165, 173, 224, 331. — siehe auch Hirse.
Kauliang-Branntwein U 328. Kauling (Paß), Porzellanerde vom,
1309 f. Kau 1 i m ö n n (Tor von Korea) I 229 ff". Kau ling hsiijn (Schensi) II 206, 211. Kau li schan (Kiangsu) II 99 f. Kau tsze kang am Yangtsze 1 132, II 92,
99 ff. Kauyuhu(See) I 152ff. Kbanbalik (Cambalu) = Peking I 19. Khanörtai (südl. Mongolei) U 133. Kiai hsiön (Schansi) I 542. K i a i k ö u (Tschekiang) I 325. Kiai sin hsien (Schansi) II 177. KiaitschAu (Schansi) H 185, 190f. Kia lin g kian g (hö) (Schensi — Sz'-
tschwan) II 232, 244 f., 332. Kiangnan (Landschaft), Name I 98, 313. K i a n g s i (Prorinz): Allgemeines 1 97—1 17,
284 — 313; Name I 98; Verbindungen
Register des ersten und zweiten Bandes.
361
mit Kwangtung und Foldcn I 99 f.;
Verkehrsstraßen I 100. Kiangsu (Provinz) 160—73, 127—138,
n 82—101. Kiangtsinhsien (Sz'tschwan) II 326,
328. Kiatingfu (Sz'tschwan) II 277, 287,
311f., 315f. Kiau hö (Schantung) I 193. Kiau schan beiSchanhaikwan 1268,270. Kiautschönghsien (Schansi) I 5-43,
II 181. Kiau tschüu (Schantung) I 192. Kiayükwan, Tor U 214. Kien to hsien, Teedistrikt in Ngan hwt'i
I 117.
Kien tschang (Landschaft, Sz'tschwan)
U 292, 296, 299, 312. K i e n t s c h ö u (Sz' tsch wan) II 249. Kilung (Formosa), Kohle vou — I 138,
285. Kimönn (Nganhwei) 1307, 309, 315£f. Ki m ö n n am Wu schui (Kwangtung) 1 362. King hsien (Nganhwei) 1169,78. Kingsmill, Kob., 1 35, 74, 89, 130, 471. Kingtöschönn (Kiangsi) I 103, 290,
301, 303 ff., 308 ff., King tscböu fu (Hupe) I 423. King tsze schan am Yangtsze I 112 f. Kin hwafu (Tschekiang) 114,43. K in hwa schan (Tschekiang) II 44. Kinkiak6u, Hafen (Schantung) I 192. Kin scha ki an g (Oberer Yangtsze) 11277,
285, 326. Kin schan (Goldberg) bei Tschingkiang
II 83 f.
Kin tang-Inse! (Tschusan) I 49. Kintschöufu (Liausi) I 251, 256 f. Kirchenbauten, Katholische: in Can-
ton I 343 f.; in Peking I 579. Ki tau (Hahnenkopf) am Yangtsze 1 90, 92. Kiu hwa schan bei Tatung I 123. Kiu kiang am Yangtsze I 86, 96 ff., 106,
284; Teehandel in — I 101, 285. Kiulikaug -Scheiderücken (Tschekiang)
II 17.
Kiulischan (Hönan) I 442 f.
Kiu li tsch wan am Yangtsze, Kohlen- distrikt II 77 f.
Kiung tschöu (Sz' tschwan) II 289 f.
Klima- Verschlechterung durch Waldver- nichtung I 254, 266, 561 f.
Klöster, hervorragende: aufPutou I 47 f.; bei Y'iiting I 321; im Tientai schan H 20 ff., im Tienmu schan U 60, 62; Pau hwa schan II 9 1 ff. ; imWu tai schan n 158 f., 196 f.; Palma kwan bei Tschöngtufu U 253.
Ko b e (Japan) I 8.
Kohle, Alter der — in China 1 132, U 101 , 141.
— Vorkommen, Allgemeines: I 74, 82, 90 f., 96,104, 131, 138, 166 f., 179 f., 186, 191 f., 217, 241, 273, 277, 285, 294 ff., 3.58, 378 ff., 415, 442 f., 448, 450 f., 473, 475, 481 ff.; in Schansi 494 ff-., 502, 514, 523, 526, 530, 537, 541, ,H9, .553 f., .556; U 37, 70, 77 ff., 95, 96 f., lOOf., llOff., 115, 141, 147, l.iO, 168, 179, 181, 264, 3.38, 340.
Kohlenbergbau, Technik: Sanghu I 90; Itschoufu I 166; Putsüen I 180; Kai- ping I 274; Tschai to I 277; Ming- schau-Loping I 296 — 300; Lifong
I 482; am Tsching pu schan I 500; Besitzverhältni.sse I 217 f., 482.
Kohlengruben: bei Hwang schi kiang- SanghuI90; bei Kitau I 91 f.; am Papien schan I 96; bei Kau tsze I 132,
II 100; bei Itschoufu II 65 f., 186; bei Putsüen 1 179 f., 186; bei Poschan 1 186; bei W^ .51 hsien I 191; beiWuho- schui I 217; bei Pönnsihu I 241 ; bei Kai ping 1 273 ; am Tschai to-Paß 1 277 ; bei Lo ping-Mingschau I 294 — 300; bei Meitantschwang I 358; am Luihö 377 ff. ; im Kiu li schan I 442 f. ; bei Pi- ko tsikörrl 450; bei Kunghsien 1473; von Liföng 481 ff. ; bei Tsching pu- schan I 499 f.; bei Nantsun I 502; bei Kwanmiau I 514; bei FiSu schan hsien I 515; bei Tiensi I 523; bei Schipa-
362
Register des ersten und zweiten Bandes.
tswil 549 f.", beiKiulitschwanll 77ff. ; bei Pahwei miau II 95 f. ; im Lung schan 11 96; im Tai ngan schan (Höutsau) II llOff.; bei Tschai tangU 115f.; am Tschingschan II 141; bei Tatungfu U 147; beilleikutsze II 150. Kohlenniederlagen in Mingschau
I 293, in Taukiu I 378.
Koks, Gewinnung 1 1G6 (I tschöu fu), 1 450 (Pikotsikürr).
Korea 1210, 22Gf., 229ff.; Tributverhält- nis zu China I 235; Produkte I 234 f.
Koreaner, Schilderung der — I 23 1 ff. ; Hüte u. Haartracht I 231 ; Reinlichkeit 1 232 ; Anstand 1 232 ; Nationalbewußt- sein I 233 f., 241 ; verschiedene Rassen- tj-pen 1 236 ; Reisender Koreaner I 267.
K 6 u w a i, Gebiet außerhalb der Tore H 145, 151, 153, 213.
Krankheit auf der Reise II 66, 78, 103, 151, 170.
Krieg 1870/71: I 586f.
K u k w a n , Tor von — I 555 f.
Kuli, der gelehrte — H 26 f., 82.
K u n g h s i e n (Hönan) I 469, 473.
Kunstu. Kunstsinn bei den Chinesen
II 7 f., 217, 265. Kunsthandwerk in China : Bildschnit- zerei in Schantung I 193; Rollbilder- herstellung in Ningpo U 7 f. ; Götzen- bilder-Fabrikation II 84; Bilder in Kiatingfu II 316.
K u p e k 6 u , Tor I 22.
Kupfer, Vorkommen H 296, 322, 325.
Kuroschiw o-Strömung I 3.
KU schan (Schantung) I 196.
K ü y u n g k w a n (Tor) bei Peking I 278 f.
Kwangsi (Provinz) I 343, 346.
Kwangsin fu (Tschekiang) I 100 f.
Kwangtung (Provinz) I 343 — 365.
Kwangyuön hsien (Sz'tschwan) II
245 f. Kwanhsicn (Sz'tschwan) II 263, 276. Kwan hwa (Mandarin-Dialekt) 1345,352. K w a n t u n g (ostl. der Mauer), Landschaft
I 268, H 127, 161.
K wei hwa tschöng(N-Schansi)ni23f.,
135, 153, 174, 184. K we i t s c h ö nn (Schensi) U 227, 234, 237. Kwei tschöu (Provinz): Land und Leute
II 324 f; Mineralschätze II 324, 335. Kw(5i tschöu am Yangtsze (Hup(5)II 340. Kwiii tschöu fu(Sz'tschwau)U32G, 328,
338 f. K w e n 1 u n - Gebirge, östliches, I 440, 445,
11 219.
liai tschöu fu (Schantung) I 192 f., 196. Lama miau am Lwanhö H 153. Lama- Priester I 250; im Wutaischan
U 159 ff., 196. Lama-Tempel bei Mukden I 249 f.; im
Wutaischan II 158 f., 196 f. Landjunker, ein chinesischer, I 222f. Lan ki hsien (Tschekiang) II 42, 44 f. Lan tschön fu (Kansu)I 464,488, II 172,
200 f. Laterit I 109 f., 288, 290; in Sz'tschwan
II 291. Lauhö köu am Han I 430, 452, U 211. Lau tie schan -Vorgebirge (Liautung)
I 246. Lautsze (Eremit) I 107. Lau y e miau (Poyang-See) I 287. Leichen- Transporte nach Schansi U 1 5 1 . Lepley, Missionar, II 319 f., 324. Letters on China I347,U341, 343, 347. Li (Boy) 1345, 360 f., 417, 435 f., 481,
487. Liangtszehu (Hupe) 189. Liau hö (Fluß und Tal) I 215, 245, 250,
253. Liausi (Landschaft) I 245, 268. L i a u t u n g (Landschaft u. Halbinsel) 1210,
212—268; als Agrikulturlaud 1 219,
221; E.xporthäfen I 219; Südküste
I 224; Bewaldung I 227; allgemeiner
Überblick I 245 f. Lihunij tschang, Besuch bei — I 68 f. ; als
Befehlshaber im Westen II 200 f., 221. Liki titin, Dorf (Hupüj I 425 f. Lin ma tschwang (Schantung) I 163.
Register des ersten und zweiten Bandes.
363
Ling schi hsien (Schansi) 1534, 536, n 182.
Lin schau (Kiangsu) II 99.
Lin tschi (Schantang) I 189.
Litajin, Mandarin von Tschönntschöu I 370, 373.
Literaten, Chinesische, ihre Gefährlich- keit I 244, 397f., 576, n267.
L i t s c h i - Früchte I 350.
Littledale I 309.
Liu (Kapitän) I 395 ff., 411.
Liu hö (Kiangsi) I 109.
JLiu hansin, Sage von — II 237; siehe auch Han sinling.
Liulihö (TsohiUj n Ulf.
Liu pi, Herrscher von Sz'tschwan I 242, 271, 276, 286.
Liutajin (Liuliung pau) II 200 f.
Löhö(Hönan) 14.56, 4G0, 46Gf., n228.
Lö lö, unabhängige Stämme der, II 241, 274, 277, 294, 298 f., 307, 324.
Loping (Kiangsi) als Teedistrikt I 101, 1 08 ; als Kohlendistrikt 1 285, 29 1 , 294f.
iiopinghsien (Schansi) I 551 f.
Löß, Beobachtungen über die Natur des — I 130 f., 437, 441, 447, 455, 469 ff., 511 f., n 127, 134,208.
Löß- Landschaften I 130 ff., 146, 152, 189, 191, 4.55, 468, 470, 503 f., 511 f., 514, 528 f., 555, 558, n 71, 86 f., 98, 117ff., 129, 142, 167, 182 f., 207 f.. 224 f., 228 f. — Schwierigkeiten des Verkehrs auf den Straßen im Löß 1514 ff., 528 f., 531, 546, II 168 f. — siehe auch Archi- tektur im Lüßgebiet u. Höhlenvvohnun- gen im Löß.
Lotschanghsien (Kwangtung) 1346, 355, 359 f.
L ö y a n g (Hönan fu) I 457, 460.
Lu-Eisen 1498, n 173.
Lui hö (Hunan) I 376 ff., 384.
Lu kou kiau-Brücke ^^Tschili) U 110.
Lu ngan fu (Schansi) I 497, U 173, 179.
Luughwa (Schansi) I5I4f., 528.
Lungmönn (Drachentor) bei Hönanfu 1456 f., 460.
Lungmönn am Hwanghö II 210. Lungnganfu (Sz'tschwan) II 263. Lung schan (Kiangsu) 11 96 f. Lungwang schan (Liautung) I 238. Lu schan (Gebirge am Po yang-See) 197,
104, 107, llOf., 284, 287. Lu schan hsien (Hönan) I 446 f. Lut schon am Yangtsze (Sz'tschwan) U
326, 328. Lu tsun (Yün tschöng) H 185 ff. Lu tsze- Schlucht (am Tsientangkiang)
I 326 ff., .351, n47. Lwan hö (TschiU) I 271 f.
M., Dr., Leiter des Arsenals in Nanking
I 68, 70.
Ma, Vizekönig, I 68. Macartney, Lord, I 100, 326, 355. Magnetismus des Yuen schan II 142. Mais, Anbau I 115, 221, 250, 313, 320,
325, 453, 518, U 19, 28, 35, 119, 230,
294, 318, 331. Mais-Branntwein II 294, 324. Maler-Ateliers in Ningpo II 8. Mandarinen I 69, 157, 369, .373, 547,
II 96, 214; Mandarinen in Hunan I 389ff., 412, 416; mongolischer Man- darin II 130. — Ein Mandarin als Wirt I 157 f. — Verkehr mit Mand.irinen
I 157f., 181, 185, 220, 24Sf., 271f., 316f., 336, 365 ff., 368, 369ff., 389 ff'., 460, 547, U L'76, 283, 305f. [352.
Mandarin-Dialekt (Kwanhwa) I 345, Mandarin-Enten I 312, 313f., 327. Mandschurei, südliche, I 210, 212ff'.,
258, 283. Ma ngan schan (Tschili) U UOf. Mang tsze, unabhängige Stämme der,
II 274.
Mantöu schan (N-Schanai) H 152. Man tsze, unabhängige Stämme der,
U241f., 274, 276f. Matsuschan am Y'angtsze I 96. Mauer, Chinesische, siehe Große Mauer. Mayanghsiijn (Hunan) 1 398 ; Bewohner
1398, 419, 434 f.
364
Register des ersten und zweiten Bandes.
de Marchi, Pater, I 176, 178.
Marco Polo I 21, 58, 190, 198, 330 f., 559, II 110, 204, 212, 218, 232, 235, 256.
Marmor im Lung kia kwei sclian I 119; am Pu sclian (Honan) I 442; von Kau- tsze 11 92, 99.
Maulbeerbaum-Pflanzungen I 60, 182, 273, 328, 330, 350, 467, 479, 508, II 52, 233, 288, 314, 318, 331. — siebe auch Seide. [II 143.
11 a u 1 1 i e r - Z ü c h t u n g in T.schang ku'r
Mau tschöu (Sz'tschwan) U 274, 276.
M'carthy, Dr., in Ningpo II 4 f.
Meadows, Th. T., I 217.
Medhurst, Missionar, II 60.
Medizin- Kräuter von Sz' tschwan I 371 f., 384, 399, Hl, II 263, 289, 291, 296, 314. — als Tribut I 547.
Meeresbedeckung, ehemalige, in Liau- tung I 220.
Meiling (Paß) I 99, 355 f., 363; Höhe I 103, 356.
Mei m4i schan (Tschili) I 271.
Melonen, Anbau 1242 ; getrocknete Melo- nen von Charai II 214; Melonenkern- Handel II 287.
Mennige, Fabrikation I 455.
Menschenhaar als Handelsware U 13.
Messing waren. Chinesische, I 545.
Metall-Handel von Yünnan II 322.
Metallurgie in Tschungkingfu II 339.
Meteorologische u. Klimatologi- , sehe Bemerkungen: Taifun I 2 f.; Schnee u. Frost im Süden I 92, 115, 160, 357, 387, 426; Scheu der Chine- sen vor Schnee I 357, II 169, 231 ; Sommerhitze im Süden II 1, 37, 41, 67f. ; Winterkiilte in der Mongolei u. Schansi II 118, 146, 149, 156, 198, 203 ; im Tsin Ung schan H 230 ; Klima von Sz'tschwan 11 272.
Meteorstein in Lingschihsien 1536.
Miaunganling (Paß, Tschili) II 112, 114.
MiautszS, unabhängige Stämme der, 1398 ff., 401, 412, II 177, 274, 325.
Micn tschöu (Sz'tschwan) II 251 f.
Militär, Chinesisches: Allgemeines H 200 ff., 203, 213, 215 ff.; Militär- Arsenal in Singanfu H 212. — O ff i- ziere, Chinesische I 181, 390, .392, 395, 411, II 196, 200 f., 203; Hunan- Offiziere in Sz'tschwan U 307 f. ; frem- der, in chinesischem Dienst H 196, 198, 200 f.; Rangverhältnisse H 201 f. — Soldaten, Chinesische I 469, 577, U 184, 193, 195, 198 ff., 202 ff'., 213 f.; Yingping-Regimenter II 311, 318f., 323. Disziplin und Strafen II 200, 202.
Ming- Grab er bei Nanking I 71 f., II 88; bei Peking I 279 f.
Ming schan (Kiangsi) I 292 f. ; Kohlen- felder I 298.
Ming schan (Schansi) I 552.
Ming schan hsiün (Sz'tschwan) II 291, 294.
Min k lang (Sz'tschwan) U 266, 276, 287, 289, 315 f., 326.
Mi Schi- (Reisstein-) Marmor von Kau- tze n 99 f.
Mission in China, Allgemeines: I 133 f., 135f., 143f., 149, 172f., 176f., 206, 407, II 73 f., 140, 175, 218f., 268ff., 274, 283 f. — Empfehlung industrieller und wirtschaftlicher Mission 1177 f., n 74, 334.
M i s s i 0 n a r e und Missionsanstalten I 40, 57, 225, II 1 50 ; Jesuitenmission 1 1 33 f., 205f., U 71—74 (Sütsun); Taylor- Mission I 149; Franziskaner in Tsi- nanfu I 172ff., 205f.; in Hunan 1407; in TaiyuenfuH 170f., 17,'), 177f., 197; in Singanfu U 206, 211, 218; Tiön tsin-Missionare 1 177 ; Protestan- tische Bibelverteiler I 176, 505, 520, II 37; Franz. Mission in Tientsin I 574ff. ; in Süi-n hwa fii H 1 20 ; Belgische Mission in der Mongolei U 122, 126 f., 135 f., 139f., 141,147,197; in Singan- fu II 206, 211, 218; Französische in Tschöngtufu H 257 ff, 268 ff., 275,
Register des ersten und zweiten Bandes.
365
282 f.; in Sütschoufu 11 31 9 f.; in Tschungkingfu II 332 f.
Missions- Waisenschuls bei Tsi uan- fu I 178, 206.
Mohammedaner in China I 461, 488, 513, n204, 206 f., 211, 220; Moham- medaner-Rebellion in Schensi u. Kan- su I 465, 488, 513, 548, II 197 f., 200 ff., 204, 206 f., 211, 220 f.
Mohn, Anbau I 221, 439, 468, 485, 509, 536, 566 ff., 11 154, 156, 162, 225 f., 239, 291, 330, 336. — siehe auch Opium.
Momein (Yünnan) U 261, 279, 284, 321.
Mong, Chinesischer Franziskaner-Priester ni71, 175 f., 178.
Mongolei I 210, 251, H 120; Besuch der südlichen — II 125 fi". ; Allgemeiner Charakter im Gegensatz zum eigent- üchen China U 128 ff., 137 f., 139, 142 f.
Mongolen, Ähnlichkeit mit Indianern ni20f.; Charakter 1540, II 133f., 138; Religiöse Gebräuche II 130; Häuser u. Zelte U 130 f.
Möngtsinhsien, Furt im Hwanghö I 463, 474.
Möng y in hsien (Schantung) 1169.
Monumentalbauten, altchinesische, I 71f., 162, 190, 279f., 457f., U 193 f., 211 f., 265. — siehe auch Pagoden und Tempel.
Morrison, Rev. Eob., I 309.
Moschus-Handel 1360.
Mount Elias (Schantungj I 193.
M 0 y u n ( Wu yuen hsien) (Nganhwei) 1101, 285, 291.
MukdenI210, 212ff., 238, 242 fi'., 247 f.
Mu ping (Sz' tschwan) U 260, 263 f., 281.
M u t i n g am Fönn schui (Tschekiang) U 57.
Nagasaki 111.
Nähnadel- Industrie in Schansi I 506.
Naukangfu (Kiangsi) I 10.3, 107, 109,
287. Nanking I 67 f., 126, 127, 284; Ming-
Palastl 67; Porzellanturm 1 68 ; Arsenal
I 68, 70, 577; Mauern 171; Museum
u. Sternwarte I 133. Nanking-Gebirge I 128, H 85 ff. N a n k ö u bei Peking I 278, 555, U 1 16. Nan köu -Gebirge (TschiU) I 277; Nan-
köu-Schlucht I 278, n 120. Nan ngan fu (Kiangsi) I 103. Nan siung tscliöu (am Meiling) I 355. Nantienmönn (Paß, Schansi) 1546, 548. Nan tschangfu(Kiangsi)1 100, 104,287. Nan tschau amPaihü (Hönan) I 444f.,
452. Nan t s u n , Eisendorf (Schansi) I 501 f. Nanyangfu am Pekiang (Kwangtung)
I 104.
Nan yang fu am Paihö (Hönan) I 432,
440 f. Nganking (am Yangtsze) 1117. Naturalien, Sammeln von, I 22 If., 1153,
281 f. Nessel (Boehmeria) zu Geweben I 313. Nephrit (Yü-Stein) I 260, II 262. Nestorianische Tafel H 212, 217. Neujahrsfest, Chinesisches, I 126 f.,
381 f., II 247 f. Ney FJiasl29,'o,\roS. Nganhwei (Provinz) I 117-127, 313-325,
H 6.5—81. Ngan lu fu (Hupe) I 425. Nien f ei-Rebelhon I 170, 172, 181 f., 523,
II 207.
Nieuhof, Joli., I 100, 355.
Nikiau (Tschekiang), Teehandelsplatz 1328.
Nimrod-Sund II 16, 23.
Ning (der Schwindler) I 225 f.
Ning hia fu (Kansu) H 123, 172, 200.
Ningkwofu (Nganhwei) II 49.
Ningk wo hsien (Nganhwei) H 63, 06, 68, 76.
Ningpo I35f. ; Handel, Industrie und Leben I 36, 11 6 ; Europäische Gesell- schaft I 50; Teehandel I 101 f., H 3ff.
Ningpo-Leute 175,79, 86, 105, 107; als Handelsleute in Schanghai H 7 ; als
366
Eezister des ersten und zweiten Bandes.
Kolonisten bei Muting II 57; in Schensi
11 214 f. Ningtsch6u (Kiangsi), Teedistrikt 1101,
109. N i n g y u e n (südl. Mandschurei) 1 258, 265. Ningyuenfu (Sz'tschwan) I 3G0, 371,
II 264, 274, 277, 284, 287, 292, 321. N i p p 0 u , Südküste I 6 fif. N i u k a n - Schlucht ara oberen Yang^sze
n340. Niu tschvvang siehe Yingtszekou. Niveauverschiebung in Liautung
I 220.
Nudeln aus Weizenmehl 1 533 ; aus Hafer- mehl n 158.
„Nymphe" (Hausboot) I 75 f., 85; Leben an Bord I 93, 135.
Obstbau, Fruchtbäume im allgemeinen 1 15, 61, 163, 186, 225, 271, 439, 467, 525, .527, 541, 11 115, 173, 179, 191, 195, 232, 251, 288, 328 fif., 330f.
ObsthandelI253, 525, Hin, 124,205.
Öffentliche Arbeiten in China I 150, 153 f., 19.3, n 240.
Öl-Gewächse: Tung-Baum I 313, 320, 338 f., 359, 383 f., H 13, 19, 28, 233, 241, 244, 248, 313, 318, 329f., 331, 336, 338; CamelUa sassanqua (Tee-Öl- Strauch) 1 320, 384 ; keine Oliven 1 329.
Öl-Herstellung I 213, 454; von der Tung-NuÜ 1313, 320, 338, 359, 383,
II 312, 327, 338; von Camellia sassan- qna (Tee-Öl ?) I 320, 384 ; aus Senf und Hanf n 133, 139.
Opium, Allgemeine Bemerkungen I 219, 221, 244, 439, 454, .468, 485, 518, 527, 535, 538, 541, 564 £f., II 1.54, 156, 162, 174, 322, 330, 336. — siehe auch Mohn, Anbau.
Opiumrauchen, Laster des — I 147, 151. 219, 244, 260f., 302, 490, 509, 564 ff., H 169, 174, 213; Regierungs- maßnahmen gegen — 1 566, II 185, 330; Opiumessen U 1 74 ; Frauen als Opium- raucher I 244.
Orange, Anbau I 328,350, H 205, 239, 247, 328, 330 f., 336; Mandarin-Oran- ge von Hantschungfu U 239, 251; Kuli-Orange von Amoy H 328.
Ortho ceratiten-Platten als Schirme
I 415.
Pagoden, Bestimmung der, I 126, 579,
II 59.
Pagodenbauten, hervorragende, 159, 68, 105, 107,126,137, 217; bei Peking 1276; achtstöckige bei F6uliangI310, II 43; Siangta-Pag. n 45; dreizehn- stöckige bei Sz'tsz'wo H 157 und Sz'paU 191.
Pahwi5imiau, Tempel und Kohlenfeld II 90, 94 ff.
Paiföngling (Paß, Tschekiang) H 37.
Paihö (Tschili): Barre I 14; Fahrt auf dem — I 15 ff.
Pai hö (Hönan-Hupe) I 42Sf., 437.
Paischuling (Paß im Tien tai sehan) II 19 f., 22.
Palmen (Chamaerops) I 291, 292, II 235.
Pa miau-Sclilucht (Pekiang) I 351.
Pampelmus I 292.
Panpiünschan (Sz' tschw.in) II 264.
Pa pai y au. Stamm der, I 399 f.
Papienschan am Yangtsze I 96.
Papier, Fabrikation I 95, 102, 109, 518, n52, 166, 179.
Pa tau hö (Liautung) I 238, 243.
Patunghsien am Yangtszg U 340.
Pauhwaschan- Kloster bei Tsuhing- kiangHÜOff.
Pau k i h s i e n (Schensi) II 200, 228 f., 242.
Pauningfu (Sz'tschwan) II 232.
Pau ngan tschöu amSangkanhöIIllB, 118, 128.
Pau tö tsch6u am Hwanghö U 172.
Pau tschöng (Schensi) II 236, 238, 242.
Pekiang (Kwangtung) 1 349 ff.
Peking: Irrster Eindruck 118; Lage und Anlage 121; Mauern 22 ; Sternwarte 23 ; Europäische Gesellschaft 24 ; AusHüge in die Umgebung 274 fl". ; Aufenthalt
Register des ersten uud zweiten Bandes.
367
1870 573 — 586; Aufenthalt 1871
II 108 f. Pela-Blattläuse als Wachserzeuger 11
312f., 316. Pela schu (Pela-Baum) II 312, 318, 331. Pe ta lull 329.
Petroleum, Vorkommen II 327. Petunse (Paituntsze) = Porzellanerde
I 304, 319, 323. Pfeffer, roter, U 156, 185. Pferde: Mongolenpferde II 233 f., 280;
Ponies von Sz' tschwan II 233, 280. Pferdehandel in Kihsien I 545; in
Tschang ku'r II 143. Pillars, East- u. West-, am Yangtsze
I 126.
Pinchon, Bischof in Tsehöngtufu 11 257if.,
268, 289. Pingtingtschöu, Kohlengebiet in
Schansi I 549ff., 557, U 165. Pin g tu (Schantung) I 192, 195. Pingyangfu (Schansi) 1485, 506,516f,
535, n 184. Pitajin (Pinel) U 196, 198flF. Pi tsze wo (Liautung) 1 219, 220f., 224. Pochwerkel 111, 310f. Porphyr in Tschekiang 141,52 f., 327 ff.,
II 10, 33, 45. — Porphyr-Schlucht von Lutsze I 327 f., 351, II 47. — Porphyr-Gebirge in Liautung I 240; in Nordost-Tschili I 271.
Porzellanerde, Herkunft: Kauling I 309 f.; Matsun I 310; Yükan I 310; Kimönu 319 f. — siehe auch Petunse.
Porzellan-Industrie inKiiigtöschonn I 304, 308; Herkunft des Materials 1308 ff.; Pochwerke bei Föuliangl 310.
Po schan hsien (Schantung) 1 181, 184ff.
Possjet (Possiett) I 139, 210 f.
Pottasche, Gewinnung H 152 f., 185.
Poyang- See I 97, 391; Winterbesuch 1 1 04 ff. ; Besuch im Frühherbst 1 286 ff.
Priester, buddhistische: auf Putöu I 47 f.; in Schansi I 504; Priesterzög- ling vom Tien tai H 13, 40 f. ; im Tien- tai-Tempel H 20 f., 23 f.; im Tienmu-
schan U 60 ff. — Lama-Priester I 250,
U 160, 196. — Tao-Priester im Hwa-
schan H 92 f. Ptimpelly, Raph., 1 29, 130, 132, 471, Ul 10,
115, 128, 134, 141, 328. Pusa (Tsching pusa), der Schiffergötze
I 327, 382, II 336. Pu t6u (Tschekiang) H 52. Putöu -Insel (Tschusan) I46f. ; Klöster
auf — I 47. Putschöu am Hwanghö H 191f., 203 f. Pu tsüen (Kohlenfeld, Schantung) I 179 f.
Quecksilber in Kweitschöu H 325;
Gruben in Kai tsch6u 11 334 f. Q u e n z a n f u = Si ngan fu II 2 1 2.
Raps, Anbau, I 359, 388, 424, 454, II 288,
291f., 318, 330f., 336. Rassenverräter, Europäische, in China
168, 70, 576 f. Räucherstöckchen, Fabrikation IUI;
— als Opfergaben I 59, 111. Rebellionen und Räuberunwesen: Tai-
ping-R. I 14, 54 f., 71, 83, 184; 308, 331 f., 441, 522, 1143, 50ff., 103 f., 207, 317. — Nienfei-R. I 170, 172, 181f., 523, U 207. — Mohamrae- daner-R. in Schensi u. Kansu I 465, 488, 513, 548, H 197 f., 200 ff., 204, 206 f., 211, 220 f. — R. in Yünnan I 343; in Hönan I 469, 488 f., 51 If.; in Tsche kiang H 46 f.
V. Rehfues, Deutscher Gesandter I 581 ff.
Reis, Anbau I 37, 45, 95, 115, 122, 137, 313, 320, 330, 331, 350, 355, 3.39, 378, 388, 479, H 9, 13, 28, 33, 64, 76, 125, 173, 179, 185, 195, 228, 239, 241, 246, 251, 288, 291, 295, 297, 331.
— Reismühlen I 323. — Reis-Tribut II 100. — Verfälschung U 100. — siehe auch Terrassen-Anbau.
Reisen, Allgemeines über — in China I 61f.,124, 140,156, 158, 188 f., 19Sf., 314, 336 f., 375 f., 548, U 2 f., 83, 102, 140, 149, 281, 326, 334.
368
Register des ersten und zweiten Bandes.
Reisen, Technik des — : Ausrüstung, Ver- proviantierung, Gepäck, Quartiere I 159, 201 f., 211, 344, 346, 435 f., 442, 544, n 15f., 29f., 140. — Küche des Reisenden I 203 f., 257, 267, 333, 532, U 32, 55.
Reiseabenteuer, gefährliche: in Pu- tsuen I 179 f.; in Kingtoschönn I 304—307 ; in Itschang u. Tschünn- tschdu I 365ff., am Luiliö I 379 ff., II 18, 80 f.; Begegnung mit den Straßen- räubern bei Yungkinghsien II 300-3 10.
Reisebegleiter I 41, 43, 7Gf. 86f., 159, 1G4, 11 3, 109, 299; (Hivang) 301 f., 342; (Tschönn) 360 ff., 417; Tung 465 ff. — siehe auch Splingaert und Boys.
Reisepläne, Allgemeines über — 126, 29 f., 35, 42, 66, 138 f., 210 f., 341, 343, 346 ff., 417f., 585 f., U Iff., 104 f., 140, 221 f., 261, 278 f., 284, 321 f.
Reiseunfälle I 240, U 113f.
R h a b a r b e r, Anbau II 208, 263, 289, 338 ; als Handelsprodukt I 490, II 208, 263.
Rhizinus, Anbau I 250, 270.
Rime, Pater, U 257 ff., 268.
Rindvieh in China: Rindviehherden I 354, 439 ; Rindfleischgeuuß verboten I 404 f. ; Büffel I 354, 439, U 252 ; Milchreichtura der mongolischen Kühe U 138.
Rochechouart, Comte, I 429, 433, n 122, 159, 164, 166.
Rot/er, Pater, U 69.
„S alam is". Fahrt der — ^aufdemYangtsze
I 139,411.
Salz und Salzhandel I 320, 352, 371, 519, 538, 557, II 42, 185, 190, 296, 337. — Salzmonopol, Salzkontrolle I 352, 519f., U 83, 185, 188, 190, 328. — Salzschmuggel u. Schmuggelsalz I 349, 357, II 190, 337.
Salzauswitterung auf alten Seeböden
II 151, 166, 189, 195, 20.3, 225. Salzgewinnung: amFönnhö I 519f.,
538, 11 181; am Sang kau hü U 151; bei Fang lan tschönn II 166; am Yen- tschi (Lu tsun) II 189 f. ; Sudwerke am Min klang U 31 6 f.; bei Sz'Uutsing II 327 ; Salzbrunnen am Y'angtsze II 328, 337, 339 ; Sudwerk bei Yün- yang II 337 f.
Salzmarsch am Liau hö I 213.
Sämereien chinesischer Blütenpflanzen I338f., n282.
SandstürmeI169,183, 456, 474,11118.
San Francisco I 1, II 342 Änm.
Sang hö (Sangtschi) (Tschekiang) II 42 f.
Sang hu- Berg, Kohlenflöz am Y'angtsze I 90.
Sangkanhö (Schansi) n 118f., 143, 151 f.
San miau-Stamm bei Y'otschöu I412f.
San monn-Bai II 16.
Sanmuling(Paß, Tschekiang) II 34.
Sauschuihsien (Kwangtuug) I 349.
San tiau hö (Schansi) I 524 f.
San tüu ping am Yangtsze II 340.
S c h a h ö (Hönan) I 446.
S c h a n A 1 i n (Koreanisches Grenzgeb.)
I 245 f.
Schanghai: Ankunft I 12; Leben und Geschiftslage I 12 ; Rückkehr I 137, 284, U 3, 101; letzter Aufenthalt
II 341 ff'.
Schau h a i k w a n I 267 f.
Schansi (Provinz) 1 492-555, H 1 43-1 92,
I516f., 538f.; Geologisches I493f.,
503, 506 f., 516 f., 541. Schansi -Leute: Charakter I 520, II 155;
Ursachen ihres Wohlstandes I 538 f.,
U 174; — als Minenfachleute I 299;
— als Bankiers u. Handelsleute 1 538 f.,
II 155, 174. Schantung(Provinz)I13, 29, 140; Land
und Leute I 163—196, 204. Schaschiam YangtszgI410, 423. Schau hing fu (Tschekiang) I 54, 309,
U 7. S c h a u p o am Großen Kanal I 149 f., 152 f. Schau tschoufu am Pe klang I 355 ff.
Register des ersten und zweiten Bandes.
369
Scha yang tschönn (Hup4) I 423.
S che n8i(Provinz) 1430, n 193 ff.; Frucht- barkeit 11 "207 f.; Bildung der Ebene von — n 209 f.
S c h e n s i (Tragstuhl) I 28, 32,171.
Schibartai (südliche Mongolei) II 120! 128.
Schiebkarren als Transportmittel 1 156, 300f., U98.
Schihwangti (Tsinschihwangti), Kaiser n 21 1,219, 241 f.
ÄcÄi Ä.n(;ei,Chinesischer Kaufmann in Loping I 295 f.
Schiling (Paß, Schansi) 11 167.
Schimonoseki- StraiSe 111.
Schlick, österreichischer Konsul in Schang- hai n 346, 349.
Schneeberge in Nord-China II IGOf., 225, 227.
Schöki tschönn, Handelsplatz in Hö- nan I 431 f., 452, 462, 545.
Schönnyangtschönn = Mukden.
Schu king (Urkunden-Sammlung) I 412, n 210 f., 274.
Schulwesen, Chinesisches: Schulen I 158f., 217; Universitäten 1386 f., 393 f., 395 f.; Kandidaten - Versammlungen 1243, 393 ff., II 267; Examinationen I 243, 398.
Schun ngan hsien (Tsehekiang) 1 325 f.
Schu y uan („Büchergarten"), Chinesische Gelehrtenschule I 386 f. ", Yo lu schu- yuan 393 ff.
Schwang liuh sien(Sz'tschwan)n287.
Schwefelsäure, Herstellung II 333.
Schweine u. Schweinezucht in China H 233, 252, 331 ; Wildschweine 1 122, U 70, 74, 93, 97, 244.
Seen: siehe Sihu, Tai hu, Kauyuhu, Po yang hu, Tungtinghu, Yentschi (Salzsee von Lu tsun) u. a. ; ehemalige Seebecken I 243, 517, 526, 537, 557, U59, 163, 189, 195,209,224.
Seetang als Nahrungsmittel I 139.
Seiden. Seidenzucht I 60, 182, 273, 328, 443 f., 467, 508, 518, H 37, 251, 286 f.,
BichthofdD, Tagebächer, II. Band.
289, 312, 314, 316. — vom (wilden)
Eichen-Seidenwurra I 182, 225, 235,
237, 443 f. — s. auch Maulbeer-Pflan-
zungen. Seidenhandel, Seiden -Hongs 11 275,
286, 316. Seidenstoffe u. Seidenwirkereien: in
Fan tschöng 1429; in Lu schan 1 446 f.;
in Tsutschiau (Sz'tschwan) II 286 f. Sen, Kapitän, I 411 f. Senf, Anbau II 133, 139, 141. Siangkiang(Hunan)I385, 391, 410. Siangling (Paß, Sz'tschwan) U 300,
311. Siang siang hö (Hunan) I 388. S lang tan (Hunan) I 384, 388 ff., 430. Siangyangfu am Han I 428. Siau fu-Tal (Schantung) I 181, 183 f. Siau hau schan am Y'angtsze 1115. Siau ku schan (InselimyangtszS)I113f. Siau kw an (Sz'tschwan) H 297, 299. Sienschangs als sprachkundige Reise- begleiter I 37, 63, 465ff. Si fan, unabhängige Stämme der, H 263,
274, 276 f., 307. Sihu (See) I .57 ft"., 330; Sommerschloß
Kaiser Kanghi's I 58, 331. Si ka wei, Jesuitenstation I 12, 133. Silb er -Vorkommen : in Hönau I 45.5;
Silbererz in Yünnan u. Kw^itschöu
U324. Siliang schan am Y'angtsze I 126. Si ngan fu 1 157, 430, 457 f., 464, H 198,
204ff.,219; als Handelszentrale U 206,
214; Arsenal H 212. SingleTree-Hill(Sisiaschan)I73,128,
H88ff. Sin min tun (südl. Mandschurei) I 251. Sin ngan -Fluß (Tsehekiang) 1320 ff., 326,
II 42, 45. Sin tai (.Schantung) I 169. S i n t a n, Stromschnelle im Yangtsze H 340. Sin tschang hsien (Tsehekiang) U 15,
22, 26. Sin tschöu (Schansi) II 153, 167, 174. Sintuköu, Stromschnelle H 326. 24
370
Register des ersten und zweiten Bandes.
Si sia schan (Single Tree-HiU) I 73, 128,
II 88 ff. Si SU ling (Paß, Liautung) I 239. Siu hö (Kiangsi) I 101. Siuninghsien (Nganhwei) 1321. Si «an tsze (Nord-TscliiU) II IIG, 122 f.,
125 f., 136 f. Siyingtsze (Mongolei) II 123, 125,
132 f., 135, 139, 143. Schüdosa (Schneelocli - Tempel) siehe
Snowy Valley. Skulpturwerke u. Ornamentik, altchi-
uesische, I 71 f., 190, 279 f., 459, 537,
II 194, 2G5. Snowy Valley bei Ningpo II 9 ff. Sorghum siehe Kauliang. Speckstein, Schnitzereien aus, 1 1 93. Splingaert, Paul (Dolmetscher) I 76 f., 88,
{öS, 176, 200, 221 f., 273, 284, 294,
299, 302, 317, 343f., 345, 365f., 392,
417, 461, 521 f., 550 f., U3, 39f., 57,
78, 80, 83, 109, 122, 135f., 170, 206,
25G, 275 f., 285, 299, 301 f., 345 f. Sprachstudien V. E.'s im Chinesischen
I 39, 63. Städte u. Stadtaulagen, Allgemeine Be- merkungen 165, 109, 117, 181 f., H 254,
315. Steatit siehe Speckstein. Steinschleiferei: in Poschan I 188;
in Tschangtien I 189. Still ingia sebifera (Talgbaum) I 291,
302, 338, II 13, 19, 26, 28, 33, 37, 65,
191,252. Strawshoe - Channel bei Nanking I
128. Strohwaren, Fabrikation in Pingyang
1518. Stromschnellen: im Tsehangkiang I
311; im Sinngan I 324; im Wu schul
I 362 f.; im oberen Yangtsze II 326,
336 f., 340. Süen hwa fu (Nord-Tschili) U 119 ff. Suifu (Sütschöufu) (Sz' tschwan) I 418,
U277, 285, 315f., 318f., 322f., 326,
329.
S u i y e n (Si yeu), Tabak aus Kansu II 229.
Sung pan ting (Sz' tschwan) II 263, 274, 276.
Sungschan(Hönan)I454ff., 466f.,493.
Sütschöufu (Kiangsu) I 62; Arsenal I 68.
Sü t schon f u siehe Suifu.
S ü t s u n , Jesuiten-Missionsstatiou 11 7 1 ff.
Swinhoe, Kob., I 134, n 6, 8.
Sycee (Mock-Sycee), Opfersilber I 327.
S z ' 1 i u t s i n g (Sz'tschwan) II 326 f.
S z' seh ni k6u , Führe über den Hwanghö I 474 f.
Sz'tschwan (Provinz) U 242, 243—338 ; Klima II 272 ; Charakter der Bevölke- rung n 252 f., 265 f., 331; Herkunft der Bevölkerung U 273 ; Geschichte der Provinz II 267 ; Unabhängige Stämme U 274, 276 f., 294, 298 f., 307, 324.
Tabak, Anbau I 184, 273,291,3,59,388, 492, 518, 527, 11 19, 156, 185 ff., 195, 225, 239, 246, 251, 331.
Tabakhandeln 183, 185,314; Kansu- Tabak, Suiyen H 229.
Ta hau schan am Yangtsze I 115, 117.
Ta hwa schan (Großer Blumenberg) I 123 f.
Taifun- Beobachtung auf dem Pazifischen Ozean I 2.
Tai hangschan, GebirgsrandvonSchan- si I 475, 479, 481, 493, 519, 558.
T a i h u (See) ( Kiangsu) 1 60, 1 25, II 86, 95.
Tai hwa (Rhabarber) I 490, H 208, 263, 289, 338.
T a i k u h s i ü n (Schansi) I 543, 545, U 1 74, 176.
Tai ngan fu (Schantung) I 169 f.
Tai ngan schan (Tschili) II llOff.
Tai ngö seh an -Insel I 43 f.
Taiping-Rebollion und ihre Verwüstun- gen I 14, 54, 57, 71, 83, 184, 308, 331 f., 441, .522, U 43, 50ff., ]03f!, 207, 211, 236, 239.
Tai p i n g f u am Yangtsze 1126.
Tai ping-Kanal (Hunan) 1410, 423.
Register des ersten und zweiten Bandes.
371
Tai seh an (Schantung) I 169 f.
Tai tschöu (Nord-Schansi) H 154.
Tai tsung, Kaiser 1 4.58.
Tai tsze hö (südliche Mandsohurei)I241,
250. Tai y neu fu(Schansi) 1517, 535, H 150,
153, 169 ff., 176;Ebene von — I537ff.,
541. T a k i a u s z' bei Peking I 276 f. Takinschan = GroUer Goldberg (bei
Hanköu) I 415. Taku- Forts I 14, 575, .583. Taku schan (Insel im Yangtsze) I 105 f.,
286. Taku schan (Hoher Einsiedlerberg) (Li-
autung)I219, 226 f. Taku tan g (Po yang-See) I 106, 110 f.
286. Ta kwan (Yiinnan) 11 323. Talienwan (Liautung) I 212. Ta li fu (Yünnan) II 264, 278, 284, 321. Talinghö (südliche Mandschurei) 1 254 f. Tang -Dynastie, Kaiser der, I 457 f.,
U217. Tang hö (Fluß in Hönan-Hupe) I 431. Tang hö (Fluß in Liautung) I 239, 243. Tang hö köu am Hau (Hupt?) I 428. Tangyüe tschrtu (Momein) II 261, 279,
284,321. Ta ning fu (Sz'tscliwan) II 337 f. Tan kiang (Hönan) I 430 ff. Tao-Priesterim Hwa schan H 92 f. Tapai schan (Sehens!) 11 225f., 229,
245. Ta pa schan, Gebirgssystem(Sz'tsch\van)
II 245. Tasiangling (Paß, Sz' tschwan) H 300,
311. Ta tschung sze (Tempel mit der Großen
Glocke) I 275. Tatsien In (Sz' tschwan) II 261, 268,
276, 294, 296, 314. Tatung (am Yangtsze) 177, 120, 123,
11 69, 75, 78. Ta tung fu (Nord-Schansi) H 122f., 140,
143, 146 f.
Tatung-Schichten siehe Terrassen- Bildungen am Yangtsze.
Tayanghü (Liautung) I 226 f. [I 303.
Taynen ti (Großes Gartental) in Kiangsi
Tee, Allgemeines über Sorten, Straßen des Teehandels und Teemärkte I 100 f.,
120, 285, 316, 322, 328 f., 371, H 23, 44f.; Brick-(Ziegel-)Tee II 1.53, 18.5, 263, 290, 294, 296, 314.
— Anbau I 105, 313, 331, 415, II 28,
33, 34 f., 65,294,296,318,331.
— Genuß in China II 14, 32, 319, 532. Teehänserl 319, 496, 532, II 14. Tempel, hervorragende : Hiramelstempel
in Peking I 24 ; in Ningpo I 36, 38 ; Putou I 47 ; Huk6u I 98 f., 105; Liau- föngtszS 1110; Pan tsze kimlau 1123 ; auf dem Single Tree-Hill bei Nanking 1 1 28, U 88; Lao miau bei Miikden 1 249; amLwanhö I 272; Tatschuugsze (Pe- king) I 275 ; am Yü tsüen schan I 276 ; Ta kiau sz' 1 276; am Po yang-See 1 288; am Yoluschan I 393; bei Lungraönn 1458 ff., Mondbergtempel bei Tsing- hwa I 484 ; bei Pi lo sz' I 504 ; Schansi als Land der Tempel I 522 ; im Snowy Valley II 10 ff.; Hvvatingsz' H 20ff.; im Tien mu schan H 60 ff. ; Tempelbau am Kin schan II 83; Pau hwa schan II 90 ff.; im Wutaischan II 158 f., 196 f.; am Hwa schan H 194; Paima- kwan bei Tschöngtufu H253; Wu- hosz' bei Tschöngtufu U 286; Pe ti- tsehin bei Kweitsehoufu II 339.
Tempelgebirge bei Peking 1 276 — 281 .
Terrassen -Bildungen am Yangtsze I 89,
121, 126, 138, U 75 f., 79. Terrassen-Anbau 133, 60, 87, 94,
187,365, 377, 44.5, II 51, 126, 248,330.
Theater in China I 188, 261, 265 f.
Thermen und Bäder von Tang schul U94f.
„Thetis", Ostasiatische Expedition I 210.
Tibet n 242 f., 263, 268, 276, 290, 292, 294f. ; tibetanische Tributgesandt- schaft II 242 f., 295.
24*
Eegister des ersten und zweiton Bandes.
Tiemönnkwan (am Huanghö) 1175.
Tien münn Usien (Hupe) I 422.
Tien mu schan, Gebirge I 316, 330, n 49, 59 ff.
Tiöntaihsien (Tschekiang) U 21f., 26f., 37.
Tien tai sclian (Tscliekiang) U 4, 11, 19ff., 25, 39f.
Tien tsin I 15, 575; als Handelszentnim I 463 f. ; Massakre von — I 573 ff.
Tierheilkunde in China II 164 ff.
T i g e r : in Nord-China 1 228 f., 238 ; in Süd- China I 357 f., H 244.
Ti hwa-Wurzel als Medizin I 489.
Ting hai (Tsehusan) I 44.
Tischlerleim als Handelsware H 185, 229, 237 ; Herstellung U 240.
T 0 b a (Owari-Bucht) (Japan) I 7.
T o n g h u (See) I 40.
Töngtschöufu (Schantung) I 32.
Töpferei u. Tonwaren-Industrie I 186 f., 241, 303, 492, 552.
Tsaitseschan (Sz'tschwan) II 317.
Tsaurh, Anbau II 251, 330. — siehe auch Zizyphus.
Tsautajin, Befehlshaber in .Schensin201, 203 ff.
Tschai tang(Tschili)nilO, 112, lUff.
Tschameiha (CameUia sassanqua), Tee- Öl-Strauch I 384.
TschaugkiaküU (Kaigan) U 116, 119, 122ff., 136, 151, 153. [H 152.
Tschang kia tschönn (Nord-Schansi)
Tschang kiu hsien (Schantung) I 180.
Tschang lan tschönn (Schansi)I542f.; Antiquitätenhandel in — I 543, II 176.
Tsch aug man t sze (Taiping- Rebellen) U211.
Tschangpaischan (Koreanisches Grenz- gebirge) I 245 f.
Tschang schafu(Hunan) 1392 ff., 401.
Tschangschan, Berg u. Stadt (Schan- tung) I 181, 185.
Tschang tö fu (Hunan) I 410. Tschan klang (Kiangsi) 1303, 309ff., 314, 318 f.
T s c h a u h w a (Sz' tsehwan) II 246 f. Tschau tiijn (Sz'tschwan) 11 245. Tschekiang (Provinz) 135—60, 325—
340, n 1—65, 38 f. TschifuI 13ff., 26ff., 178,181,190,194,
196 f., 197,210,212; GoldfieberI30ff.,
194, 197. Tschili (Provinz) I 14—25, 268—281,
II 108—125. Tsching k lang amYangtsze 166, 131 fi'.;
Leben in — I 146 f., 284, U 82, 101. Tschö ling, Paß 1363, 371 f. Tschönghsien (Tschekiang) II 15, 33f.,
37. Tschöng ting fu (Tschili) 1557. Tschöngtufu (Sz'tschwan) 1538, 547 f.,
II 223, 253, 255, 331f. ; Aufenthalt in —
II 256 — 286; als Handelszentrum
II 263. Tschänn, der Schurke I 360, 363, 365 ff.,
376, 380, .389. Tschönn tschou (Hunan) I 369, 372 f. Tschönn tschüu fu (Hönan) 1462. Tschöukiakou, Handelsplatz (Hönan)
1462. Tschii (Sienschang) I 37, 63. Tschii (Offizier) I 390, 392. Tschunghwa, Name für China I 22,
315, 438. Tschung king fu (Sz'tschwan) 1139,
II 261, 326, 328 f., 332 f., 3.3.5. . Tschung kwo, „Reich der Mitte" 122. Tschung schan bei Nanking I 71, II 88 f. Tschusan-Archipel I 42ff.; politische
Bedeutung I 44 f. Tsehusan, Insel I 44 ff. Tseng kivo fan , Vizekiinig von Tschili
1577 f. Tsien tang kiang (Tschekiang)I56, 100,
285, 318, 326 fl"., U 36, 44 ff., 49, 65. Tsi nan fu (Schantung) I 155, 157,172ff.,
205. Tsing hwa tschönn (Hönan) 1479, 483,
486f., 492, .544, 558. Tsing kiang pu am altenHwanghö 1 147,
155.
Register des ersten und zweiteu Bandes.
373
Tsingko ling (Paß, Schansi) HlGlf. Tsin ling schan H 228, 231£f. Tsin Hng-Straße H 229ff., 243. Tsing tschöu fu (Schantvmg) I 189, 192. Tsin hö (Schansi) I 506f., ölOf., 520. Tsokunffpau, Befehlshaber in Kansu
n200ff., 212, 215, 221. Tsöt scholl (Schansi) I 486, 497, 503,
513, 541, 543, 549. [I 294 f.
Tsun, Chinesischer Kaufmann in Loping Tsungming, Insel u. Stadt, Yangtsze-
Mündung I 136. Tsz' pai schan (Schensi) II 233. Tsz' tung hsien (Sz' tschwan) II 250 f.,
2G4. Tung, Mandarin als Sien schang I 465 ff.,
479, 484, 486 f., 490 f. Tung hö (Nganhwei) II 66 ff. T u n g h ö (Schensi) II 230 f. Tung hö (Sz'tschwan) II 324. Tungkwan, Festung am Hwanghö-Knie
I 464, 476, 485, n 192 f., 198. Tungkwan-Enge U 192, 210f. T u n g k w o schan am Vangtsze I 1 20 f. Tung Hang schan am Yangtsze 1126. Tung liu (am Yangtsze) I 117. Tung lo-Gebirge (Kwangtung) I 363 f. Tungluhsien am Tsiiin tang II 42, 47 ff. Tungschu (Tung-Baum), Nüssen. Öl
I 313, 320. 339, 359, 383 f, II 13, 19,
28, 233, 241, 244, 248, 313, 318,
329f., 331, 336, 338. Tung tlng, Insel im Tai hu I 61. Tung ting- See 182, 85, 401,408. Tung tschou am Paihö I 18. Tung yang amNanking-GebirgeII90,94. Tungyanghö (Tschekiang) 11 34, 36 ff.,
42. Tungyanghsien (Tschekiang) n 26,
28, 33 ff., 38; Schinken von — II 42. Tung yang tschönn am Yangtsze 1119. Tun ki tschönn (Nganhwei) I 322. Tusche , Chinesische, in Siuning I 321 ;
rote Tuschsteine von Hanpien II 166. Tu si ling (Paß, Schansi) I 646, 548. Tu tschanghsicn am Poyang-See 1 288.
Ijberkohle n schichten n 182.
Überschwemmungen: am Paihö I 17; am Yangtsze I 84, 284 f.; am Großen Kanal I 153 f.; am Hwanghö I 175, 285, 476 f. ; am Talinghö I 254 ff. ; am Han klang I 424f. ; Sommerfluten in Nord-China I 254, 266, H 2, 108; Große Fhit zur Zeit des Kaisers Yau n 209 ; bei Tschau liwa in Sz' tschwan U 246; bei Kwei tschou f. i U 338 f.
Universitäten, Chinesische, I 243, 386f., 393ff, 398.
Vegetation, Vernichtung der, I 88 f., 167 f., 183, 187,207; Folgen: 1254, 266, 561.
Vegetations - Beobachtungen u. -Schilderungen I 38, 49, 52, Ulf., 115, 182, 196, 216, 226, 238, 289, 292f., 303,315, II 35, 62, 90f., 103, 233 f., 235, 252, 292, 295 f., 318.
Verliest, Pater, n 135, 170.
Verbrecher. Tribut in Tunglu H 48 f.
Verkehr, Allgemeines : siehe auch Handel u. Handels- u. Verkehrsstraßen.' Land- u. Wassertransport 1 443, 557 ; Schlech- ter Zustand der Land-Kommunikations- mittel I 18, 39, 94, 163, 165, 169 f. 184, 198, 250, 269, 274, 278, 555, 562 ff., II 230 f., 235 f., 247 f.; Ver- schwendung tierischer Kraft im —
I 563 i. ; Trägerlasten U 314. Verkehrswege: Land verkehr : alte
Kaiserstraßen I 168, 198, 269f., 319, 551; alte Straße durch den Tsinling
II 230 f., 235 f. — Wasserverkehr : I 1 7 ; Sicherheitsstationen I 86, 106 ; Schlep- pen I 147; Umschlagplätze I 423; Kanäle I 54, 62 ; siehe auch Großer (Kaiser-) Kanal.
Verkehrseinrichtungen: Verkehrs- bureaus I 336 f., 375 f., 433 f., U 5. — Wirtshäuser I 32, 157, 214, 251, 3 18 f., .373, 442, 11 286 f., 293; im Löß I 523. — Teehäuser und Restaurants 1319, 496, 532, H 14, 56, 254 f., 286.
374
Register des ersten und zweiten Bandes.
— Kungkwan's (Maultier - Stationen) U 253 f., 256.
Verkehrsmittel: Landverkehr: Schen- si's I 28, 32, 171 ; Schiebkarren 1 156, II 98 ; Karren I 164 ; Reisen im Karren 1 198 ff.; Lastwagen in Liautung I 222 ; Stühle in Kiangsi I 300 ; Schiebkarren in Kiangsi I 300 f.; Wagen von Lu- schan I 449; Wagen in Schansi I 531 ; Maultiere als Reittiere I 544 ; Achsen- wechsel in Schikia I 54^; Lasttiere in Schensi II 233 f. — Wass^rverkehr: Reisen im Boot, Vorteile und Nachteile I 62; Hausboote I 75; Überlandtrans- porte von Booten I 54; Fähren I 56; Mandarinboote I 147,344; Dschunken 1147,212; Reinlichkeit an Bord 1148; Kohlenschiffe in Hunan 1 377; Ma yang- tschwan I 398 f., 419.
Verlinden, Pater, H 122, 136, 141, 143, 140 f., 150.
Versteinerungen I 90, 95; bei Kautsze (im Kohlenschiefer) I 132, II 101; bei Loping I 298; im Kalkstein bei Tschönntschöu I 372; im Kohlen- schiefer bei Taukiu I 378, 381 : Ortho- ceratiten I 415; im Kohlenkalk bei Schipatswi I 550; im Linschan II 99; Dikotyledonen - Blätter am Tsching- schan II 141; an der Wutingkwan- Straße EI 243, 281 ; Brachiopoden von Takwan II 323 f.
Vin$ot, Pater, U 332 f.
Vogelwelt Chinas I 122, 151, 409,504, 510, II 195, 226, 228 f., 223; Cormo- rane 1312, 333; Mandarin - Enten I 312 f., 327, 333; Eisvögel I 360; Reiher II 195, 228 ; rote Enten U 226 f.
Vulkanische Tätigkeit, Spuren von
— Vnlkankuppen beiNankingl 128ff'., n 87 ; Vulkankegelin Schantungl 189, 192; vulkanisches Gestein bei Tai- Dgan I 456; in der Mongolei II 129 f.
Wachs von der Pe la-Laus II 265, 31 2 f., 316.
Waiseninsel, Große, siehe Takuschan. Waiseninsel, Kleine,siehe Siau ku schan. Wang kiayingam altenHwanghö 1 155,
157, 175. Wasserfälle I 41, II 1 1 f . Wassermühlen I 111, 310, 323, 556,
n 173, 179, 183, 227, 241. Wegemaße (11) I 215, 360, 530. Weidebenutzung, mangelhafte I 46,
61, 122, 168, 187, 439, U 17. Weidegrund, Kaiserlicher, in der süd- lichen Mandschurei I 256. Wdi hö (Schantung) I 192. W^i hö (Schensi) U194, 202 f., 224, 227f. Weihsien (Schantung) I 169, 190 ff.;
Kohlenfeld von — I 191 f. W e i h w e i f u ( Hönan) I 463. Weinbau u. Traubenliandel 1 17, 61, 271,
329, 508, n 117 f., 124, 171. WÄiningtsch6u (Kweitschöu), Silber-
gniben 11 324. Weiß als Trauerfarbe I 1 95. Weißkohl (Paitsai) U 119, 168. Wellmann, Missionar I 505, 550. Wells Williams I 459. Withnei/,J.V>. I 1, U 121. Wildb oar-Range siehe Tungkwo schan. Williamson, A., englischer Missionar I 13,
24, 165, 183, 242, 520, 534, 536, 556. Witwen-Monumente I 190, II ISO,
186, 265. Wühlt ätigkeits-Einrichtungeu
I 408; Teehäuser als — U 14. Wu h u am Yangtsze I 77, 125, 11 79, 81. Wu i-Gebirge I 101, n 23. Wu ning (Teedistrikt, Kiangsi) I 101. Wn schan- Schlucht am YangtszS II 340. Wu schui, Fluß in Kwaugtuug 1355, 359. Wu tai hsien (Schansi) II 163 ff. Wutaischan, Gebirge II 144, 152, 154ff.,
157 ff., 102, 196 f. Wutingkwan -Paß (Schensi) U 241, 243;
Sage vom — II 241 f. Wutingschan (Vünnan) II 322. Wu tschang ful 78,83. Wu tschöng (Kiangsi) I 107 f.
Register des ersten nnd zweiten Bandes.
375
Wu t scholl am Sildang I 347, 349. Wu tung tschlau, Salzwerke II 317. Wu wang am Tsientang I 328, 330. Wuyuenhsien (Teedistrikt in Ngan- hw<?i)I 101, 285, 291, 322.
Yahö (Sz'tschwan) U 291, 311f., 314. Yalukiang I 219, 226 f., 229.
Y a n g h ö (Liautung) I 229. Yanghö(Hunhö)inTscliiliII 119, 142 f. Yang hö(TschiU)I 270 tr. Yangkweitsze (Schimpfwort) I 88,
112, 116, 155, 163, 285, 327, 350, 496, 520, 550. — Erwiderung : Tsun- tsze (Jüngster Sohn) I 550. Yang liu- Gebirge (Schantung) I 170.
Y a n g p u siehe Fremdwaren. Yang tschöu fu I 148.
Yangtsze als Verkehrs- und Handel- straße 178, 86 f., 139; Schiffbarkeit des oberen — I 139 f.; Wechselnder Wasserstand I 79, 84, 86, 414f., 420, II 337, 339. — Stromschnellen im oberen — H 326, 336 f., 340.
Yangtszekiang, bei Nanking 172 ; Fahrt von Hanköu nach Tsching kiang I 74 bis 131, 85ff.; Mündungsgebiet I 135 f.
Yatsch6ufu (Sz'tschwan) II 263, 274, 277, 292f., 311.
Yau kiang (Kiangsi) I 107, 109, 290.
Yautschöufu (Kiangsi) I 103, 107f., 290 ff.
Yau y in. Stamm der, I 399 f.
Yen mönn kwan (Schansi) II 1 52 f.
Yen tschi, Salzsee (Schansi) II 188 f.
Y'e n tschou fu am Tsientang I 326,
n45ff.
Ying tszek6u(Liautung)I212,215,237,
241 f., 251. Y'i ning, Teedistrikt (Kiangsi) I 101. Yin kiang kiau (Tschekiang) 141, U8f. Yin schan (Silberinsel) I 133, II 86. YokohamaI3ft'. Yo köu (Yokiaköu) (Huptä) I 421 f. Yolu schan, Berg (Hunan) I 392ft'.;
Universität am — I 393fl'., 11 215.
Yo tschou fu (Hunan) I 85, 408, 410 ff-,
H 215. Yii, Minister u. später Kaiser I 4I3f., 531,
II 210. Yuen kiang (Hunan) I 409 f. Yuen mingyuen bei Peking I 276. Yuen schan (Schantung) I 186. Y^uen schan bei Siyingtsze U 142 f. Yu h Sien (Schansi) 1549, 55 1,557, U 179. Yü kung, Buch I 83, 432, 437, 4G3, 478,
481,531. Yungkinghsien (Sz' tschwan) II 296,
299, 304 f. Yungping fu (Tschili) I 210, 269, 271. Yünnan (Provinz) U 332. Yün tschöng (Lutsun) (Schans')U 187 ff. Yün yang am Yangtsze H 337 f. Yü-Stein (Nephrit) I 2G0, II 262. Yü tai am Taihangschan I 491 ff. Yü ting (Nganhwei) I 318, 320f. Yü tsai schan (Hönan) I 454, 466f. Yü tschöu (Hönan) 1431 f. Yütsienhsien (Tschekiang) H 49, 59,
63, 65.
Z i e g e 1 s t e i n , Fabrikation 1 303, 351 , 354. Ziegeltee (Brick-Tea) H 153, 185, 263;
Handel nach Tibet U 263, 290, 294,
296, 314. Zizyphus (Chinesische Dattel) I 541f.,
II 167, 179, 191, 251, 329, 330f. —
siehe auch Tsaurh. Zollstationen im Binnenverkehr I 105;
106, 110, 287, 349, 384, 556, H 165. Zoologische Beobachtungen I 132, 161,
221f., 228 f., 288, 332f., H 22, 53, 251,
281 f., 312 f. Zucker- Früchte aus Schansi I 542;
Fruclitsaft-Papier aus Kansu II 124;
getrocknete Früchte von Chami 11214;
Zuckeräpfel von Kiang tsin H 330. Zuckerrohr, Anbau I 291 f., 350, 359,
II 255. Zukunfts-Aussichten u. Pläne, Persön- liche I 140f., 282f., 340f., H 105ff.,
149, 343 ff.
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