^'■.'■■^jmm^i s^ ^sM 1è]^~c .%.«.^e 'fe,^J '^.■ê^^ FOLIA MICROBIOLOGICA. FOLIA MICROBIOLOGICA. HOLLÄNDISCHE BEITRÄGE ZUR GESAMTEN MIKROBIOLOGIE. HERAUSGEGEBEN VON: M. W. BEIJERINCK, Delft. A. KLEIN, GRONINGEN. J. POELS, ROTTERDAM. J. G. SLEESWIJK, DELFT. UNTER MITWIRKUNG VON: C. W. BROERS, Utrecht — R. P. VAN CALCAR, Leiden — L. POLAK DANIELS, Haag - C. EIJKMAN, Utrecht — H. J. HAMBURGER, Groningen - H. C JACOBSEN, Delft — D. A. DE JONG, Leiden — R. DE JOSSELIN DE JONG, Rotterdam — J. J. VAN LOGHEM, Amsterdam — L. LOURENS, Rotterdam — H. MARKUS, Utrecht — C A. PEKELHARING, Utrecht — H. E. REESER, Rotterdam — N. L. SÖHNGEN, Delft - C H. H. SPRONCK, Utrecht - C S. STOKVIS, Amsterdam. IL JAHRGANG. : 1913. : UBRPJRY N£V>r YORK BOTANICAL GARDEN ADMINISTRATION UND VERLAG DER FOLIA MICROBIOLOGICA: PHOENIXSTRAAT 18 DELFT. SACHREGISTER. Seite . Alkohol 70 % (Bakterizide Wirkung), 162 Alkoholgärung 95 Aspergillus niger 1 35 Darmtuberkulose 271 P'äzes (Bestimmung der ßakterienmenge in — ) 201 Immunität (durch Simultanimpfung) 225 Indolreaktion (bei Bac. Proteus) 261 Kolloide 95 Lakmusmicrococcus 185 Leukocytolyse 237 Mangancarbon at (Oxydation durch Bakterien) 123 JMilchsäuregärung 1 80 Nahrung (Selektion bei der — ) 135 Nahrungswert (und narkotische Wirkung) 254 Pénicillium glaucum 254 Polyarthritis (beim Schaf) i Presshefe 1 73 Proteusbazillen (Indolreaktion bei — ) 261 Rotlaufbazillus i, Gifte des — 10 Serumimpfung (vereinigt mit natürlicher Infektion) 225 Tetanus (— bazillen, — toxin) 66 Trypanosomen ... 79 AUTORENREGISTER. Seite. Baudet 261 Beijerinck 123, 185 Klein 201, 285 V. Nederveen 10 POELS I, 225 Reeser 66, 237 roessingh 271 Söhngen 95 TijMSTRA 162 Visser 201 Vrijburg 79 Waterman 135, 173, 254 POLYARTHRITIS BEIM SCHAFE, VERURSACHT DURCH DEN ROTLAUFBACILLUS DER SCHWEINE. (Bacillus rhusiopathiae suis) VON Prof. Dr. J. POELS. (Aus dem Reichsseruminstitut in Rotterdam). Von Herrn M. C. V. D. POEL, Tierarzt in Nieuwenhoorn, wurde bei einigen Schafen das Dasein einer Krankheit konstatiert, verbunden mit einer Bewegungsstörung und ich hatte durch seine wohlwollende Mitwirkung die Gelegenheit diese Krankheit einzustudieren. Ich erhielt von Herrn V. D. POEL am 27. August 19 12 folgendes Schreiben, nachdem ich schon seit Ende Juni mit ihm über diese Krankheit in Korrespondenz war. >Über die Lämmer von A. L. Trouw in Nieuwhelvoet, von denen eins nach dem Reichsseruminstitut geschickt worden ist, teile ich Ihnen Folgendes mit : Total krank gewesen 4 geschlachtet i verramscht 1 noch krank 2 genesen — Auf dem Hofe selbst ist kein Rotlauf vorgekommen ; wohl am 23. Juni bei Schweinen eines Viehbesitzers, der gleich neben der Weide wohnt, wo die Lämmer waren. Die Lämmer waren am 23. Juni schon länger als eine Woche krank. Auszer den 4 kranken Lämmern besasz der Eigentümer noch 12 völlig gesunde Lämmer, welche sich in denselben Umständen befunden haben. Die kranken Lämmer zeigten Steifheit oder Lahmheit und Abmagerung. Alle Lämmer sind in einem Stall geboren, wo kein anderes Vieh kommt. Der Eigentümer hatte von einem Viehhändler erfahren, es sollen auf Flakkee dieselben Krankheitsfälle bei Lämmern vorgekommen sein." Die angegriffenen Lämmer, welche ungefähr 4 Monate alt waren als die Krankheit entstand, zeigten also Steifheit und Lahmheit, anfangs augenscheinlich verursacht durch einer Gonitis, welche biarticulair auftrat. Die entzündenen Gelenke eines Schafes, welches ich im Anfang der Krankheit untersuchen konnte, waren bedeutend durch ein trübes Exsudat ausgedehnt, in dem zahlreiche flockige Coagula suspendiert waren. Die Synovialhaut war lokal mit einem Überzug von fribrinösem Exsudat bedeckt. Beim Öffnen der Bauchhöhle stellte sich heraus, dasz die Mesenterialdrüsen und Lumbaidrüsen stark vergröszert waren, markähnlich weisz von Farbe und ohne haemorrhagische Än- derungen. Obgleich diese Drüsen nicht genügend bakteriologisch verar- beitet wurden, glaube ich dennoch annehmen zu müssen, dasz dieselben mit der Genese der Krankheit verbunden werden müssen. Bei der mikroskopischen Untersuchung und nach Färbung nach Gram war ein feines Stäbchen in einer riesigen Quantität in dem Exsudat der Gelenke anwesend, das Gram- positief und den Rotlaufbazillen des Schweines völlig ähnlich war. Der Mikroorganismus wuchs auf gew'öhnlichem Agar und bildete auf der Agar-oberfläche kleine punktförmige Kolonien, welche, mit einer Lupe betrachtet, Rotlaufkolonien völlig ähnlich sahen. Auf geronnenem Blutserum fand wenig Wachstum statt und dieses Serum wurde nicht flüssig, wodurch der Mikroorga- nismus sich deutlich von bacillus pyogenes unterscheidete. In Bouillon geimpft, wurde diese schwach trübe und bei Schütteln gab es darin schöne Wolken, wie das von einer Bouillonkultur von Rotlaufbazillen bekannt ist. Milch wurde durch den Wachstum nicht geändert ; sie blieb flüssig. Den ganzen Impfstich entlang in Gelatine entwickelte sich eine schöne bürstenartige Kultur, welche genau mit der Rot- laufbazillenkultur übereinstimmte. Nach subkutaner Einspritzung starben Mäuse innerhalb 36 Stunden unter typischen Erscheinungen ; die AugenUder waren an einander geklebt. Tauben starben nach intramusculairer Impfung nach ungefähr 2 à 3 Tagen. Aus den gestorbenen Mäusen und Tauben wurden dieselben Bazillen gezüchtet, welche dieselben biologischen Eigenschaften hatten, als die eingespritzten Bazillen, und, welche in dem Gelatinestich schöne bürstenartige Kulturen bildeten. Um mit Gewiszheit zu bestimmen, dasz ich wirklich aus den Gelenken des untersuchten Lamms den Rotlaufbazillus gezüchtet hatte, wurden Tauben eingespritzt mit 1/2 cM.3 Kultur und 2 Grammen Serum gegen den Rotlauf der Schweine, während eine Kontrolletaube ausschUeszlich Vio cM3. Kultur empfing. Die Kontrolletaube starb nach 3 1/2 Tage, während die Tauben, welche Serum und Kultur empfingen, gesund blieben. Es ist denn auch nach dieser Untersuchung über allen Zweifel erhaben, dasz der Rotlaufbazillus des Schweines imstande ist spontan eine Polyarthritis bei Lämmern zu veranlassen. Weiter wurde ein gesundenes Schaf mit 1/2 cM^. Kultur in einem Hinterkniegelenke gespritzt. Nach ungefähr 24 Stunden entwickelte sich eine Gonitis des eingespritzten Gelenkes, welche mit heftiger Lahmheit verbunden war. Zwei Monate später wurde das Schaf geschlachtet und die- selbe Gonitis, welche wurde wahrgenommen, bei den Schafen, welche spontan erkrankten, war auch bei dem Versuchsschaf, aber als Monarthritis, anwesend, während der Gelenkknorpel fleckweise verschwunden war. Tiefe Usuren kamen darin vor. An einigen Stellen, wo der Gelenkknorpel zerstört war, war der Prozesz ziemlich tief in die Epiphysen durchgedrungen, wodurch Usuren mit kraterförmigen Öffnungen entstanden waren. Bei der bakteriologischen Untersuchung waren die Bazillen aus dem Gelenke verschwunden, aber sie waren noch anwesend in der Tiefe dieser Usuren. Eine gesundene Ziege wurde auf dieselbe Weise und ebenso im Kniegelenke geimpft. Das Tier bekam eine Monarthritis, welche der spontanen, bei den Schafen konstatierten Arthritis, ähnlich war. Dieses Tier wurde 8 Tage nach der Injektion geschlachtet. Bei der mikroskopischen Untersuchung und nach Gramfärbung stellte sich heraus, dasz die eingespritzten Bazillen, anwesend in dem Exsudat, verfallen waren in körnige Frag- mente, welche dennoch bei der Verwendung der Gramfärbung positief reagierten. Sie wuchsen aber nicht mehr in den verschiedenen Nährboden. Späterhin hatte ich, durch die wohlwollende Mitwirkung des Herrn v/d. POEL, dem ich an dieser Stelle meinen Dank aus- spreche, die Gelegenheit 2 an Polyarthritis leidende Schafe zu untersuchen aus derselben Koppel, aus welcher das Schaf war, bei dem in den Gelenken die Rotlaufbazillen gefunden wurden. Die Polyarthritis dieser zwei Schafe war damals schon fast 3 Monate alt. Die Hinterkniegelenke, die Sprunggelenke, die Ellbogen und Handwurzelgelenke waren angeschwollen und die Epiphysen hatten sich bedeutend verdickt, verbunden mit Bildung von Osteophyten an den Gelenkrändern, wodurch die Gelenkflächen vergröszert waren. Eine Periarthritis hatte sich entwickelt, welche eine Verdickung der Knockenhaut und des periarticulairen Gewebes veranlaszt hatte. Das Exsudat war aus einigen Gelenkhöhlen zum gröszten Teile verschwunden ; dagegen war in den Hinterkniegelenken jedes Schafes eine ziemlich grosze Quantität einigermaszen purulente Flüssigkeit anwesend. Auch bei diesen Schafen waren die Mesenterial- und die Lendendrüsen stark hyperplastisch und markähnlich weisz von Farbe. Diese Änderung in den genannten Lymphoglandulae war bei den drei untersuchten Schafen so ganz gleich anwesend, dasz sie meiner Meinung nach mit der Genese der Krankheit verbunden werden musz. Von einer Nabelinfektion war bei diesen Tieren nichts zu bemerken. Einigermaszen charakteristisch für diese Arthritis war, dasz fast in allen angegriffenen Gelenken Usuren vorkamen. Der Knorpel war dabei an einer oder mehr Stellen verschwunden oder sogar perforiert und diese Perforation breitete sich nicht selten bis auf eine Tiefe von 1/2 — i Zentimeter in den Epiphysen aus. Aus den hierdurch entstandenen kraterförmigen Höhlen war nicht nur der Knorpel, sondern auch das Beingewebe verschwun- den ; dieselben waren aber mit einer fibrinösen Masse gefüllt, worin sehr viel Leucocyten anwesend waren. Diese fibrinöse Masse hing rings herum und in der Tiefe ziemlich innig zusammen mit den Substantia spongiosa der Epiphysen. Auszerdem befanden sich mehrere sehr oberflächliche Usuren im Knorpel, welche zum Teil mit bloszem Auge zu sehen waren, zum Teil mit Hilfe der Lupe aufgesucht werden müszten. Einige dieser Vertiefungen stellten sich wie flache Ulcéra dar. Es ist über allen Zweifel erhaben, dasz die kleineren Ver- tiefungen aufgefaszt werden müssen, alsob sie sich befanden im Anfangstadium der gröszeren kraterförmigen Höhlen. In den gröszeren Vertiefungen, welche bis in die Epiphysen durch- drangen, waren die Rotlaufbazillen noch in ziemlich bedeutender Anzahl und in lebensfähigem Zustand anwesend. Sie konnten durch die Gramfärbung und die Kultur leicht gezeigt werden. Aber auch in dem purulenten Exsudat der beiden Hinterknie- gelenke kamen sie vor, und auch in einem Handwurzelgelenke. Also ungefähr nach einer Periode von drei Monaten, denn die Krankheit hat augenscheinlich schon Anfang Juni angefangen und die letzte Untersuchung fand statt am 9. September, waren die Rotlaufbazillen noch in den kraterförmigen Vertiefungen anwesend, obgleich sie in den meisten Gelenkhöhlen nicht mehr gezeigt werden konnten. Auch in der Umgegend dieser Vertiefungen in den stark rot gefärbten Spongiosa der Epiphysen fand ich noch spärlich Rotlaufbazillen. Es hatte Interesse zu wissen ob die Bazillen, die sich in diesen Vertiefungen und in dem Exsudat der beiden Hinterkniegelenke befanden, noch lebensfähig und virulent waren, aus welchem Grunde mehrere Media mit dem Inhalt der höhlen geimpft wurden, während ein Teil dieses Inhalts bei Tauben intramusculair eingespritzt wurde. Schon nach 24 Stunden hatten die angelegten Kulturen sich entwickelt und es stellte sich heraus, dasz die gewachsenen Kolonien aus Rotlauf- bazillen bestanden. Nun konnte die Frage beantwortet werden, auf welche Weise sind die obenerwähnten Usuren und tieferen Höhlen in der Gelenkflächen entstanden. a. Haben die Bazillen eine Infektion mit nachfolgender Nekrose des Gelenkknorpels verursacht und sind sie darauf tiefer in die Epiphysen durchgedrungen ? b. Oder haben die Bazillen erst auf haematogenem Wege die Epiphysen infektiert und haben sie darauf von den Epiphysen aus den Gelenkknorpel nekrotisch gemacht und perforiert? Bei diesen zwei Fragen bemerke ich, dasz diese Höhlen auch anwesend waren in dem Gelenke des Schafes, das durch Ein- spritzung, in die Gelenkhöhle, einer Reinkultur der Bazillen nach 2 Monaten, behaftet mit einer Monarthritis, geschlachtet wurde. Bei diesem Schafe konnte nicht die Rede sein von einer haematogener Infektion der Epiphysen. Auszerdem waren zahl- reiche kleine Vertiefungen in dem Gelenkknorpel anwesend, welche noch nicht in die Epiphysen durchgedrungen waren, und die schwerlich anders entstanden sein konnten als durch die direkte Einwirkung der Rotlaufbazillen auf der Oberfläche des Knorpels. Obgleich es mir wahrscheinlich vorkommt, dasz beide Wege möglich sind, kommt gewisz die unter a genannte Weise am meisten vor. Diese Vertiefungen wurden auch gefunden im Gelenkknorpel der Kniescheibe und hatten sich darein auch bis in das Bein- gewebe fortgesetzt. Einige dieser Vertiefungen zeigten sich wie flache Ulcéra. Bei der bakteriologischen Untersuchung stellte sich also heraus, dasz aus den meisten Gelenkhöhlen die Rotlaufbazillen ver- schwunden waren, was offenbar auf den Umstand zurückgeführt werden müszte, dasz darein, sobald das Exsudat resorbiert worden ist, eine baktericide Funktion zur Entwickelung kommt, welche die Bazillen aus den Höhlen der Gelenke verschwinden macht. Bleibt das Exsudat anwesend und nimmt es dabei einen purulenten Charakter an, so können die Bazillen wohl drei Monate und offenbar viel länger in lebensfähigem und virulentem Zustand darin anwesend sein. Von einer hoch entwickelten baktericiden Funktion der kraterförmigen Höhlen in den Epiphysen kann schwerlich die Rede sein und man mag annehmen dasz die Rotlaufbazillen darin mehrere Monate leben können. Die bedeutenden Deformitäten und Verdickungen der Gelenke bei den untersuchten Schafen müssen zu einem groszen Teil zurück- geführt werden auf die Infektion der Epiphysen durch die Rotlaufbazillen, wobei auch Bildung von Osteophyten an den Gelenkrändern statt findet. Man kann auf Grund dieser Untersuchung daran nicht zweifeln, dasz beim Lamm oder beim jungen Schafe, die zwei letzten Tieren waren schon 7 Monate alt geworden, kann vorkommen eine chronische Form des Rotlaufs der Schweine, welche als Polyarthritis verläuft, wodurch der Beweis geliefert worden ist, dasz das Schaf ein chronischer Virusträger des Rotlaufs sein kann. Ich zweifle nicht daran, dasz die Polyarthritis durch Rotlauf- bazillen bei Lämmern viel mehr vorkommt und ich habe denn auch angefangen eine Untersuchung danach anzustellen. Man mag annehmen, dasz das Schweinerotlaufserum gegen diese Krankheit eine präventive und kurative Wirkung hat. Bei dieser Untersuchung meine ich die Frage stellen zu mögen ob beim Kinde kann vorkommen eine Arthritis durch Rotlaufbazillen, denn es ist bekannt, dasz der Mensch ziemlich empfindlich ist für eine Wundinfektion durch diese Bazillen. Auszerdem wissen wir, dasz beim Essen rohes Schweinefleisches bisweilen grosze Quantitäten Rotlaufbazillen konsumiert werden. LUBOWSKY fand die Rotlaufbazillen in den Faezes eines fünfjähri- gen Kindes, welches mit Darmkatarrh und Ikterus behaftet war. Die empfindlichkeit des Menschen für diese Bazillen ist zweifellos nicht weniger grosz als die des Schafes. Auch lenke ich die Aufmerksamkeit darauf, dasz die unter- suchten Schafe nicht an einer Endocarditis litten. Zum Schlusz teile ich noch mit, dasz Arthritis durch Rotlaufbazillen häufig beim Schweine vorkommt und dasz diese Arthritis viel Ähn- lichkeit hat mit der der Lämmer. Auch beim Schweine treten Usuren des Gelenkknorpels und Deformitäten zufolge der Bil- dung von Osteophyten an den Rändern der Gelenke auf. Dasz die Polyarthritis durch Rotlaufbazillen bei Ferkeln nicht viel mehr konstatiert wird, musz zurückgeführt werden auf den Umstand, dasz junge Ferkel überhaupt wenig empfindlich sind für Rotlauf. Dasz Schweine, welche an Arthritis durch Rotlauf bazillen leiden, auch in den Gelenken lange Zeit den Ansteckungsstoff beherbergen können, habe ich durch Untersuchungen feststellen können. Später ergab sich noch aus der Untersuchung, dasz die Rotlaufbazillen, nachdem die Schafe geschlachtet waren, in den Gelenken, wenn dieselben genügendes Exsudat enthalten und bei einer nicht zu niedrigen Temperatur bewahrt werden, auf eine erstaunliche Weise zu wachsen anfangen. Diese Beob- achtung musz yon Wichtigkeit gehalten werden für mikrosko- pischen Diagnose. 8 Ist nämlich die mikroskopisclie Diagnose in alten Fällen wegen der geringen Anzahl Bazillen, bisweilen schwer, wenn man die verdächtigen Gelenke während einiger Tage geschlossen aufbewahrt, wird die Anzahl Bazillen so ungeheuer grosz, dasz die mikroskopische Untersuchung eines, nach Gram gefärbten Präparates, nicht kann fehlen. Wenn man diese Gelenke in den Brutapparat auf 37° C. bringt, wird das Wachsen offenbar noch schneller stattfinden. Auch bei anderen bakteriellen Arthritiden läszt sich vielleicht diese Methode mit Erfolg praktisch anwenden ; auch kann mann das Gelenke äuszerlich mit einem Antisepticum behandeln. Die Methode kann den Namen tragen der intra-articulairen Kultur. Die Erwiderung der Frage, ob wir bei dieser Polyarthritis der Schafe zu tun haben mit den Mäusesepticaemiebazillen, von R. Koch im Jahre 1878 beschrieben, ist bei dem gegen- wärtigen Standpunkt unsrer Kenntnissen in der Tat überflüssig. Auch meine Untersuchungen über diesen Punkt bestätigen ganz die Meinung kompetenter Beurteiler als PreisZ, Jensen und Prettner, aus welcher Meinung sich herausstellt, dasz ein wirklich stichhaltiger Unterschied zwischen den Rotlaufbazillen und den Mäusesepticaemiebazillen nicht besteht. Wäre der Mäusesepticaemiebacillus statt im Jahre 1878 zwanzig Jahre später entdeckt worden, so würde der Name von Mäusesepti- caemiebacillus ohne Zweifel nicht entstanden sein und man würde einfach geredet haben von einer Rotlaufinfektion, even- tuell von einer Rotlaufepizoötie unter Mäusen. Die Rotlauf bazillen, gezüchtet aus Schweinen, welche an Rotlauf leiden, zeigen untereinander ebenso grosze Unter- schiede als die, welche bestehen zwischen diesen und den Mäusesepticaemiebazillen. Auch Herrn Dr. BüCHLI spreche ich hiermit meinen Dank aus für die angegriffenen Gelenke eines Schafes, welche ich von ihm erhielt und worin sich die Rotlauf bazillen in Reinkultur vorfanden. Die Gelenke rührten von einem Schafe her aus einem ganz anderen Teil der Provinz. Noch empfing ich von Herrn Dhont, Direktoren des Schlachthofes in Rotterdam, die Gelenke einiger Schafe, welche die obenerwähnten tiefen Usuren, nebst Osteophyten an den Gelenkrändern zeigten. In diesen Gelenken wurden die Rotlaufbazillen wieder in Rein- kultur gefunden. Weil ich jetzt schon g Schafe untersuchte, welche an dieser Polyarthritis litten, musz man wohl annehmen, dasz die Polyarthritis durch Rotlaufbazillen bei Schafen häufig vorkommt. Die gefundenen Bazillen agglutinierten durch Rotlaufserum als Rotlauf bazillen. BEITRAGE ZUR KENNTNIS DER IM ROTLAUF- BAZILLUS ENTHALTENEN GIFTE. VON Dr. H. J. VAN NEDERVEEN. (Aus dem Reichs-Seruminstitut in Rotterdam). EINLEITUNG. Die ätiologische Forschung der letzten Jahrzehnte hat entschieden, dass man die durch pathogène niedere Organismen hervorgerufenen Krankheiten in zwei Gruppen einteilen kann. Bei der erste bleiben die Erreger meist auf den primären Ort der Infektion lokalisiert und vermehren sich im Körper nur in geringem Grade, während toxische Substanzen, welche durch diese Krankheitserreger direkt sezerniert werden, bei dem von ihnen hervorgerufenen Krankheitsprozess eine Hauptrolle spielen. Das Paradigma dieser Art von Erkrankungen stellt der Tetanus dar; auch die Diphtherie repräsentiert einen nah ver- wandten Typus. An jenen toxischen Substanzen hat man die besondere Eigentümlich- keit feststellen können, dass sie antigène Eigenschaften besitzen, d. h. dass unter ihrem Einfluss im Tierkörper Antikörper gebildet werden, welche mit den Giften sich direkt verbinden und sie dadurch unwirksam machen. Man spricht in diesen Fällen von »Toxinen« und nennt das Reaktionsprodukt »Antitoxin«. Bei der zweiten Gruppe der Infektionskrankheiten bleiben die Krank- heitserreger nicht, wie bei ersterer, auf den Ort der Infektion lokalisiert, sondern verbreiten sie sich, wenigstens wenn der Krankheitsprozess fortschreitet, von hier aus durch den ganzen Körper; auch ist mit dieser Verbreitung eine in der Regel üppige Vermehrung verbunden. Von diesen Erregern werden Toxine, in dem Sinne wie bei der ersten Gruppe besprochen wurde, nicht sezerniert. Dass in der Tat bei Tetanus und Diphtherie das Krankheitsbild fast ausschliesslich durch ausgeschiedene Toxine hervorgerufen wird, während II die Bakterien selbst hierbei eine untergeordnete Rolle spielen, darf als eine feststehende Tatsache angenommen werden; wie jedoch die Krankheitssymplome und der Tod bei der zweiten Gruppe der Infek- tionskrankheiten verursacht werden, hierüber sind die Ansichten der Forscher noch verschieden, obwohl allmählich die Überzeugung, dass auch hierbei giftige Stoffe eine Hauptrolle spielen, immer mehr Boden gewinnt. Die Giftstoffe sind, im Gegensatz zu den echten Toxinen, an den Zellkörper der Bakterien gebunden und zwar hauptsächlich hierin enthalten, weshalb man sie mit dem Namen »Endotoxine« bezeichnet. Pfeiffer war es, der durch seine Forschungen über Cholera die Aufmerksamkeit der Forscher auf die grosse Giftigkeit der Zellkörper dieses Bakteriums lenkte; er entdeckte, dass diese gleichsam ein Depot von Giftsubstanz bildeten, die unter bestimmten Bedingungen auf den Organismus einen sehr grossen Einfluss ausüben konnte. Das Resultat seiner früheren und späteren Forschungen veröffentlichte er in einem im Jahre 1910 erschienenen Aufsatz (i), in dem er zugleich seinen Standpunkt betreffs der von ihm aufgestellten Endotoxin-Lehre deutlich auseinandersetzt. Pfeiffer sah, als er ganz frische, von löslichen Giften freie, Agarkulturen der Choleravibrionen vorsichtig abtötete und diese geeigneten Versuchstieren (Caviae von p. m. 200 g) injizierte, charakteristische Vergiftungserscheinungen auftreten: 3 — 4 Stunden nach der Injektion fing die Temperatur an zu sinken, während bei tödlichen Giftdosen durch Lähmung des regulatorischen Zentrums ein direkter Temperatursturz eintrat, so sogar, dass noch während des Lebens im Rektum Temperaturen von 25° C. und darunter gemessen werden konnten. War die Giftmenge nicht direkt letal, so erholten sich die Tiere wieder gewöhnlich auffallend rasch, die Temperatur stieg zur Norm und 24 — 36 Stunden nach der Injektion hatten sich die Tiere anscheinend wieder vollständig erholt. Häufig bemerkte er dann einen erheblichen Gewichtsverlust, der sich allmählich wieder ausglich. Diese toxischen Substanzen wurden, in Kulturen wenigstens, nicht aktiv sezerniert, sondern gelangten erst zur Wirkung, als die Bakterien im Tierkörper aufgelöst und resorbiert wurden. Bei der Einführung kleinerer Dosen lebender und virulenter Vibrionen in die Bauchhöhle, konnte Pfeiffer mit einem mikroskopisch sterilen Peritoneum den Tod dieser Tiere herbeiführen ; das paradoxe Phänomen zeigte sich, dass die Tiere zu gründe gingen, obwohl die bakterienfeindlichen Kräfte des Organismus den Sieg über die einverleibten Vibrionen davon getragen hatten. Untersuchte er die Vorgänge, die sich im Peritoneum des infizierten Tieres abspielten mit Hilfe der Kapillar- röhrchenmethode, so sah er, dass auch wenn die Vermehrung der Vibrionen bis zum Tode anhielt, nebenbei eine deutliche Bakterienzer- 12 Störung, ein granulärer Bakterienzerfall, stattfand sodass also stets zwei verschiedene Komponenten: Vibrionenwachstum einerseits, Vibriolyse andererseits den Infektionsprozess zusammensetzten. Aus diesen Wahrnehmungen folgerte Pfeiffer, dass bei der Infektion mit lebenden Vibrionen Bakteriensubstanzen resorbiert werden und dass die in ihnen enthaltenen Gifte, die Endotoxine, den letalen Aus- gang zum mindesten mit verschulden. Dass die hier tätigen Gifte nicht von den lebenden Bakterien im Tierkörper sezerniert wurden, sondern von den zerfallenden Bakterien selbst herrührten, konnte er durch den folgenden Versuch nachweisen : Injizierte man nämlich eine an sich tödliche Dosis der Cholera- vibrionen in das Bauchfell, so blieben bis zur Dauer von 2 — 3 oder mehr Stunden die Versuchstiere, obwohl das Peritoneum von Vibrionen wimmelte, gesund und die Temperatur, dieses so empfindliche Merk- mal bei der Choleravergiftung, blieb fast normal. Tötete man aber nun die Choleravibrionen durch nachinjiziertes Choleraserum rapide ab, so war ein ganz akut einsetzender, schneller Temperatursturz die Folge. Der Vergiftungseffekt hängt also ausschliesslich mit dem Bakterienzerfall und deren Resorption zusammen. Auch bei der Choleravergiftung des Menschen muss, nach Pfeiffer, der Hauptnachdruck auf die Resorption der giftigen Vibrionensubstanz gelegt werden, welche durch Lysis der von der Dünndarmschleimhaut aus in den Körper eindringenden Vibrionen zur Wirkung gelangt. Wenn denn auch die aktive Immunisierung gegen Cholera — und auch gegen Typhns — noch nicht jene Verbreitung gefunden hat, als solche, nach den unleugbar günstigen Folgen, hätte erwartet werden können, so kommt dies durch die unangenehme Nebenwirkung w-elche die Injektion von Bakterienvakzins begleitet und welche bei sehr emp- findlichen Individuen zuweilen bedrohlich werden kann. Wie empfind- lich der Mensch gegen derartige Gifte ist, springt in die Augen, wenn wir wissen, dass 2 mg. subkutan injizierter toter Choleravibrionen bei erwachsenen Männern bereits eine erhebliche Lokalreaktion und sogar zuweilen nicht unbedeutende fieberhafte Allgemeinerscheinungen erzeugen. Noch sehr viel giftiger ist der Typhusbazillus, der von der Blutbahn aus in erstaunlich kleiner Menge die schwersten toxischen Erscheinungen auslösen kann. Jedoch nicht nur bei Cholera und Typhus bilden die Endotoxine einen wichtigen Faktor, denn bei jedem Infektionsprozess müssen, nach der Auffassung Pfeiffer's, wenn überhaupt eine zur Heilung tendierende Gegenreaktion des Organismus zustande kommt, die endotoxischen Substanzen zur Wirkung gelangen und eine wichtige Rolle spielen ; damit will er jedoch keineswegs sagen, dass ausser diesen nicht auch andere durch den Lebensprozess der Bakterien 13 erzeugten Produkte an dem Vergiftungsprozess sich beteilingen können, wie zum Beispiel das Leukozidin des Staphylokokkus und die bei so vielen Bakterienarten nachgewiesenen Hämolysine. Wenn wirklich bei jedem Infektionsprozess diese Endotoxine eine mehr oder weniger grosse Rolle spielen, so muss jene inwendige Giftsubstanz allen Bakterien mehr oder weniger zukommen, also sowohl den Bakterien, welche durch ihre ausgeschiedenen Toxine hauptsächlich eine pathogène Wirkung ausüben, wie zum Beispiel Tetanus und Diphtherie, als auch den Bakterien, welche diese echten Toxine nicht besitzen. In der Tat ist es denn auch verschiedenen Forschern gelungen für Diphtheriebazillen diese endotoxischen Substanzen nachzuweisen. MuRiLLO (2) u. A. trocknete das Präzipitat aus Diphtheriekulturen bei 38° C. und pulverisierte dieses in einem Achatmörser; nach dem Vermischen und Auslaugen mit wasserfreiem Glyzerin konnte er Caviae mit der Giftsubstanz aus dem Protoplasma töten ; die Tiere gingen unter starkem Gewichtsverlust ein. Rist (3) konnte durch Einführung getrockneter Diphtheriebazillen in die Bauchhöhle der Caviae, deren Tod herbeiführen; grosse Dosen wirkten rapide tödlich, während häufige kleinere Dosen einen langsa- meren Verlauf zufolge hatten, welche durch Abmagerimg und Paralyse charakterisiert war. Bandi (4) gewann durch Autolyse aus Diphtheriebazillen endotoxische Substanzen. Cruvf.ilhier (5) konnte Caviae durch subkutane, intraperitoneale und intracerebrale Injektion von Diphtherie-endotoxinen, die nach der Zerstörung der Toxine aus 24-stündigen Kulturen bereitet worden waren, innerhalb 18 — 24 Stunden unter motorischen Störungserschei- nungen töten. AviRAGNET, Bloch-Michel und DoRLENCOURT (6) Sahen mit ge- trockneten Diphtheriebazillen Caviae zwischen dem 6. und lo. Tage nach der Impfung eingehen und war der Tod hierbei von sehr erheb- licher Abmagerung und Kachexie begleitet. Auch Salus (7) ist von dem Vorhandensein der Endotoxine bei dem Diphtheriebazillus überzeugt und ist gleichfalls der Ansicht, dass in dem Diphtherieserum auch Antikörper gegen diese intrazellulären Gifte vorkommen. Was die übrigen, keine echten Toxine bildenden Bakterien betrifft, auch für sehr viele derselben haben eine grosse Anzahl Forscher inwendige Giftsubstanze nachweisen können. AuCLAiR (8) konnte mit Hilfe ätherischer Extrakte aus abgetöteten Kulturen, welche Extrakte eingedampft wurden, aus Bac. typhosus, Staphylokokkus, Streptokokkus Erysipelatos, Gonokokkus, Pneumo- bazillus Friedländer und Actinomyces Giftsubstanze gewinnen. 14 Auch Carnevali (9) behandelte verschiedene pathogène Mikro-orga- nismen und konnte aus den Bakterienkörpern Substanzen auslaugen, welche auf die Versuchstiere eine lokale und eine allgemeine Wirkung ausübten : die lokale Wirkung differierte von gewöhnlicher Infiltration bis zur Nekrose, während sich die allgemeine stets durch erhehlichen Gewichtsverlust und Marasmus kennbar machte. Macfadyen und Rowland (10) stellten, nach der Einwirkung von intensiver Kälte, ein wässeriges Extrakt von Strept. pyogenes, Staphyl. pyogen, aureus und Bac. enteritides (Gärtner) her, welche Extrakte Caviae nach einer intraperitonealen Injektion innerhalb 2 1/2 — 8 Stunden töteten. Centanni (ii) extrahierte aus einer grossen Anzahl pathogener und nicht pathogener Bakterien Substanzen, welche bei den Versuchstieren eine gleiche Wirkung, in erster Linie Fieber, verursachten. Eine andere konstante Wirkung war die sehr erhebliche Abmagerujig welche häufig in Marasmus und in den Tod überging. Es ist selbstverständlich, dass man, nachdem diese inwendigen Zell- gifte für die verschiedensten Bakterien nachgewiesen worden waren, zu erforschen suchte ob, und im bejahenden Fall, welchen Einfluss diese Substanzen im allgemeinen auf das Entstehen und den Verlauf einer Infektion ausübten. Auch hier ist es wieder Pfeiffer (i) der hierin Einsicht gewährt hat : Er weist darauf hin, dass durch Bakterienzerfall im tierischen Organismus die natürlichen Abwehrmittel des Körpers, zu denen er in erster Linie den bakteriziden Zustand der Gewebesäfte zählt, beeinflusst werden; im Kontakt mit denselben geht eine gewisse Anzahl eingedrungener Mikroorganismen zugrunde, wobei ihr Bakterien- protoplasma zur Resorption gelangt. Nun wirkt die Aufnahme der kleinsten Menge aufgelöster Bakterien als ein intensiver Reiz, der zur Aktivierung dieses Verteidigunsmittels Veranlassung gibt und so eine schwache Infektion im Keime erstickt. Es liegt jedoch auf der Hand, dass Substanzen, welche in geringer Dosis reizend wirken, in grösseren Mengen lähmende und giftige Eigenschaften besitzen müssen, sodass, wenn grosse Mengen einge- drungener Bakterien abgebaut werden, schwere Endotoxinvergiftungen entstehen können, wobei das bakterizide Vermögen der Gewebstsäfte beinahe völlig unwirksam gemacht wird. Zu den Vergiftungserscheinungen, welche durch die Resorption von Endotoxinen zustande kommen, gehört in erster linie das Fieber ; dies ist ein allen Infektionskrankheiten gemeinsames Symptom, was sich durch die Endotoxinlehre, als sei es durch Reizung des thermoregula- torischen Zentrums entstanden, ausgezeichnet erklären lässt; wird dieser Reiz durch zu grosse Giftmengen zu stark, so sehen wir das Entgegengesetzte, eine Lähmung jenes Zentrums zustande kommen, »5 wodurch die Körpertemperatur weit unter die Norm zurückfällt. /« der Regel konnte Pfeiffer eine rapide Abnahme des Körpergewichts beob- achieti, tvas besonders bei chronische?i Endotoxinvergiftungen in den Vordergrund trat ; bei letzteren war manchmal auch ein fortschreitender Marasmus, mit einer Dege7ieration der inneren Organe, die Folge. Eine weitere Wirkung der Endotoxine im allgemeinen sah Pfeiffer in der positiven chemotaktischen Anlockung der Leukozyten. Überall wo Bakterienzellen im Organismus zugrunde gehen, finden wir eine Ansammlung von weissen Blutkörperchen, die unter Umständen zur Bildung von Abszessen Veranlassung geben. Dieser eitererregende Effekt ist nicht bei allen Bakterienarten ganz gleichmässig ausgebildet, fehlt aber anscheinend bei keiner vollständig. Sieht Metschnikoff in den Leukozyten die Hauptschutzvorrichtung des Körpers, Pfeiffer betrachtet dies als ein sekundäres Moment und ein Zeichen dafür, das an einer bestimmten Stelle die Krankheitserreger von den infektions- feindlichen Kräften zerstört werden, wodurch Bakterienbestandteile frei werden, welche als Schmeckstoffe die Leukozyten heranlocken. Geht dieser Auflösungsprozess, wie dies bei einzelnen Bakterien der Fall ist, langsam von statten, so findet man in den Leukozyten häufig Bakterien, die erst im Beginn der Schädigung stehen und deshalb morphologisch intakt von den Leukozyten aufgenommen wurden. Ist jedoch die lokale Bakterienresorption zu stark, oder das gelöste Bakterienprotoplasma übermässig konzentriert, so kann, weil dieser Reiz auf die Leukozyten zu stark wird, die positive Chemotaxis in eine negative umschlagen, sodass in diesem Fall die Leukozyten abgestossen werden, was von Pfeiffer bei manchen Formen der Intoxikation und der Infektion mit Cholera und Typhus an Tierver- suchen beobachtet worden ist. Dass .wirklich intrazelluläre Gifte die Phagozytose beeinflussen, wurde auch von Dudgeon, Panton und Wilson (12) beobachtet, die bemerkten, dass Bakterienextrakte aus Verwandten der Typhuscoligruppe, Proteus, Friedländer und Staphylo- kokkus negativ-chemotaktisch wirkten, während Lange (13) nach intravenöser Applikation der durch Pepsinverdauung gewonnenen Bakterienprodukte eine sehr rapide Abnahme der Anzahl Leukozyten, sogar wenn eine experimentell herbeigeführte Hyperleukozytose \orlag, eintreten sah ; diese Leukozytenabnahme erholte sich nach einiger Zeit wieder, in manchen Fällen sogar bis über die Norm hinaus. Eisenberg (14) nimmt an dass die Endotoxine nicht nur lokal gewebeschädigend und allgemein neurotoxisch, doch auch leukotoxisch, resp. negativ-chemotaktisch wirken. Nach seiner Ansicht sollten virulentere Bazillen eine grössere Menge dieser Zellgifte enthalten, sodass er also den höheren oder geringeren Grad der Virulenz von dem Gehalt an Endotoxinen abhängig macht. i6 Ist letztere Ansicht wenig wahrscheinlich zu nennen, auch die Erklärung Bails für die Virulenz findet wenig Anhänger. Bail (15) schrieb nämlich den Bakterien, ausser Toxine und Endotoxine, noch andere Substanzen zu, welche er ■»Ai^eressine?i«. nannte und welche Substanzen von den Bakterien im Tierkörper aus,<^eschieden werden würden, um sie in den Stand zu setzen, die natürliche Widerstandsfähigkeit des Individuums zu überwinden, m. a. W. die Infektion zu beschleunigen. Diese sogenannten »Angriff Stoffe» sollten sich speziell in den Exsudaten der einer Infektion erlegenen Tiere befinden und, zusammen mit einer nicht letalen Dosis Bakterien injiziert, im Stande sein, diese nicht tödliche Infektion in eine tödliche zu verwandeln. Nach ihrer Auffassung müssten sie als ein Sekretionsprodukt der Bakterien im Tierkörper, und als wären sie nicht infolge der Reaktion des Körpers auf die Infektion entstanden, betrachtet werden. Die Virulenz des Bazillus hinge dann von dem grösseren oder geringeren Gehalt an diesen Substanzen ab. Forschungen von Wassermann und Citron (16), Wolff-Eisner (17), Dörr (18) — und von Baldwin und Price (19) für Tuberkelbazillen — haben jedoch gezeigt, dass die vermeintlichen Aggressinen nichts mit dem lebenden Organismus zu tun haben, sondern nur aufgelöste Bakteriensubstanzen sind, welche man bequem auch in vitro erzeugen kann. Dass in der Tat auch die Ansicht Eisenbergs, welcher die Virulenz eines Bazillus von der Menge seiner Endotoxine abhängig macht, als unrichtig erachtet werden muss, ergibt sich aus der Erfahrung dass zwischen diesen beiden durchaus keine Parallele besteht. Im Gegenteil hat es vielfach den Anschein, als ob gerade die virulentesten Bakterien, welche den Tod unter massenhafter Vermehrung herbei- führen, nur in geringem Masze giftig, oder sogar ungiftig sind. So ist es längst bekannt, dass Versuchstiere durch abgetötete Milzbrand- bazillen oder abgetötete Streptokokken kaum vergiftet werden können ; auch Rotlaufbazillen hält man für sehr wenig giftig. Ein grösserer Wert ist jedoch auf die Erklärung zu legen, welche Pfeiffer (20) gab, nämlich, dass höhere oder geringere Virulenz von der grösseren oder geringeren funktionellen Wirksamkeit der Bakterien- rezeptoren abhängt: virulente Bakterien binden hierdurch alle Lysine des Organismus; einzelne Bakterien gehen durch diese Lysine zugrunde, werden aufgelöst, während die übrigen, da sie keine Lysine mehr vorfinden, danach freies Spiel haben. Höchstwahrscheinlich üben die aus den aufgelösten Bakterien resorbierten Endotoxine eine infektions- beschleunigende (aggressiv wirkende im Sinne Bails) F'unktion aus. Fassen wir dasjenige, was im Vorstehenden mitgeteilt worden ist, in Kürze zusammen, so können wir sagen dass die Endotoxine im I? allgemeinen eine gemeinschaftliche Wirkung im Tierkörper ausüben, welche sich hauptsächlich in der Temperatursteigerung resp. -stürz und in einer Beeinflussung der natürlichen Abwehrmittel des Körpers offenbart, während, vor allem auch bei mehr chronischer Vergißung, eine erhebliche Abmagerung, resp. Marasmus, in den Vordergrund tritt. Doch muss der Organismus, wie Pfeiffer (I) mit Recht bemerkte, über Vorrichtungen gebieten, durch welche diese Giftwirkung zerstört wird, welche Vorrichtungen nur dann versagen, wenn der Organismus plötzlich mit Giftsubstanzen überschwemmt wird, oder wenn die Menge toxischer Produkte im allgemeinen die Widerstandsfähigkeit des Tier- körpers übersteigt. Es fiel ihm jedesmal auf, dass bei durch subletale Dosen Typhus- oder Choleraendotoxine schwer vergifteten Meerschwein- chen diese Tiere sich gewöhnlich auffällig schnell erholten: Meer- schweinchen, die des Abends mit einem tiefen Temperatursturz einen sterbenden Eindruck machten, hatten häufi;^- am folgenden Morgen bereits wieder eine normale Temperatur und schienen fast ganz munter. Diese Giftwirkung konnte nicht mit Hilfe gebildeter Antitoxine, wie solche bei Tetanus und Diphtherie bekannt sind, aufgehoben worden sein ; durch seine Versuche konnte er nachweisen, dass eine echte aktive Immunisierung gegen die genannten Bakterienendotoxine nicht zustande kommt: In dem Serum vorbehandelter Tiere, zum Beispiel Ziegen, konnten nämlich nie Antitoxine, giftneutralisierende Substanzen, gefunden werden, obwohl diese Tiere unter Umständen Bakterienmengen vertrugen, welche die tödliche Dosis für nicht immunisierte Tiere weit überschritt. Es befanden sich jedoch darin ganz anders geartete, bisher unbe- kannte Antikörper, welche bei infizierten Tieren eine auflösende Wirkung auf die betreffenden Bakterien ausübten und dadurch die Infektion beseitigten ; m.a.W. enthielt dieses Serum Substanzen, welche mit bak- teriolytischen Ambozeptoren zu vergleichen waren und, im Verein mit dem im normalen Körper vorhandenen Komplement, eingeführte Bak- terien auflösten; es war also ein sogenanntes bakteriolytisches Serum. Diese bakterienauflösende Wirkung war jedoch nicht die einzige die, wie Pfeiffer beobachtete, sein Serum ausübte, da es ihm überdies gelang nachzuweisen, dass Meerschweinchen, die intraperitoneal ein Gemisch von spezifischem Cholera- oder Typhusserum mit abgewogener Menge der vorsichtig abgetöteten Bakterien erhielten, das zwei-, ja dreifache der ohne das Serum letalen Endotoxindosis, vertrugen. Auch hierbei konnte von einer Antitoxinwirkung keine Rede sein, denn das für das Verhältnis echter Toxine zu ihren Antitoxinen so charakteristische „Gesetz der Multipla'' (d.h. dass eine grössere Dosis Toxin durch eine im Verhältnis gleich viel grössere Dosis Antitoxin neutralisiert werden kann, oder m. a. W. dass ein abgeglichenes Gemisch von Toxin und Antitoxin 2 physiologisch indifferent ist) hatte hier keine Geltung : auch die grösste verwendbare Serummenge war bei entsprechend höherer Dosis der abgetöteten Bakterien wirkungslos. Aus diesem Versuche musste daher Pfeiffer schliessen dass, wenn im Tierkörper unter dem Einfluss von Typhusimmunserum eine sonst tödliche Endotoxindosis vertragen wird, dies bedingt sein muss durch einen ferme?ifaiive?i Abbau des giftigen Bazillenprotoplasmas, der unter bestimmten Bedingungen zur Bildung ungijtiger, vom Tierkörper assimilierbarer, Bruchstücke des ursprünglichen Moleküls fortschreitet. Durch von ihm, zusammen mit Issaeff, im Jahre 1893 angestellte Kontrollversuche wurde bestätigt, dass den bakteriolytischen Sera eine giftzerstörende Wirkung zuzuschreiben ist. Übrigens, in den späteren Jahren hat auch die Praxis in dieser Angelegenheit entschieden : Wie könnte sonst die Behandlung mit bakteriziden Sera, welche speziell in der Tiermedizin einen solchen Aufschwung genommen hat, so erfolgreich angewendet werden, wenn nicht zugleich, ausser einer Abtötung und Auflösung der betreffenden Bakterien, wobei also viel Endotoxin freiwird, auch diese Giftsubstanzen unschädlich gemacht würden .? In diesem Fall müsste nach jeder kurativen Seruminjektion eine schwerere Erkrankung eintreten. Betrachten wir nun das was uns die Praxis lehrt, so sehen wir, wie bei verschiedenen ansteckenden Tierkrankheiten nach einer Einspritzung des betreffenden bakteriolytischen Immunserums gewöhnlich nach be- trächtlich kurzer Zeit, wenn wenigstens der Krankheitsprozess noch nicht all zu weit vorgeschritten ist, eine erhebliche Besserung eintritt, deren erstes Kennzeichen, dadurch veranlasst dass die in dem Körper zirkulierenden resorbierten Endotoxine neutralisiert werden, ein Ver- schwinden oder eine erhebliche Abnahme des Fiebers ist. Nachdem der Organismus durch die Serumeinspritzung von der gewebeschädigenden Giftwirkung befreit worden ist, welche das Ver- schwinden des Fiebers zu folge hat, können wir annehmen, dass die natürlichen Abwehrmittel wiederum in Stand gesetzt werden, die Serum- wirkung in der Bekämpfung der eingedrungenen Krankheitserreger aktiv zu unterstützen, welche Unterstützung besonders in der Neubildung von Komplement zu suchen ist. Sind die Tiere schwer, ober bereits längere Zeit krank, sodass die Widerstandsfähigkeit völlig erschöpft ist, dann können wir häufig nach einer geringen Besserung durch Seruminjektion einen Rückfall und den Tod eintreten sehen : In diesen Fällen waren die zirkulierenden Endotoxine abgebaut worden, doch der Körper war zu sehr erschöpft, um die Serumwirkung aktiv zu unterstützen, sodass die Infektion die Oberhand behielt und das Indivi- duum zugrunde ging. Dieser giftzerstörende Einfluss der bakteriziden Immunsera ist, wie IQ bereits früher erwähnt worden, von der Aufhebung der Toxinwirkung durch antitoxische Sera wohl zu unterscheiden. Während ein abge- ghchenes Gemisch von Diphtherietoxin und -antitoxin physiologisch indifferent ist, erzeugten bei den Forschungen Pfeiffers Gemische von Typhusbazillen und Typhusserum fast ausnahmslos Krankheits- erscheinungen; die Tiere, welche die Vergiftung überstanden, zeigten auch später noch durch mehr oder weniger ausgesprochene Gewichts- abnahme, dass die Endotoxine durch das Serum keineswegs neutralisiert worden waren. Allerdings stellte Pfeiffer fest, dass bei grösseren Serummengen im allgemeinen auch grössere Endotoxindosen vertragen werden, aber es gibt eine obere Grenze der Giftdosis, welche bei Cholera und Typhus bald erreicht ist und sogar durch die grössten Serumquantitäten nicht überschritten werden konnte ; dies wird durch den folgenden Versuch deutlich gemacht : Injizierte Pfeiffer bei Meerschweinchen eine letale Dosis Typhus- bazillen in die Bauchhöhle, dann sah er dass die Tiere eingingen; injizierte er zugleich eine hinreichende Menge Typhusserum, so erkrankten die Tiere nicht; die Bazillen konnte er körnig zerfallen wiederfinden, diese waren also aufgelöst worden, während die freiwerdenden I^ndotoxine unwirksam gemacht wurden. Injizierte er jedoch eine sehr grosse Dosis Bazillen, so konnte die grösste Dosis Serum die Meerschweinchen nicht im Leben erhalten und gingen diese an Endotoxinvergiftung zugrunde: Hierbei wurde also eine zu grosse Menge Endotoxine frei, von denen nur ein Teil durch das Serum unwirksam gemacht werden konnte und die übrigen, nicht neutralisierten Giftsubstanzen, eine tödliche Wirkung ausübten. Die Gefahr für jene Vergiftung ist es denn auch, die der aktiven Immunisierung gegen Cholera und Typhus im Wege steht und welche daher speziell besteht, wenn eine sehr starke Bakterienvermehrung stattgefunden hat. Und doch werden in der Literatur einige günstige Resultate mit dieser Behandlung erwähnt: So hat Salembeni (21) eine unzweifelhaft günstige Wirksamkeit des Choleraserums auf die Cholerainfektion beobachtet, welche um so grösser war, je früher er das Serum anwenden konnte, also in einer Zeit in der noch keine zu starke Bakterien- vermehrung stattgefunden hatte. Was das Typhusserum betrifft, so berichtet Anders (22) über 8 Typhusfälle, dass die Krankheit in soweit beeinflusst wurde, dass der Rückgang der Abendtemperatur durch das Serum bedeutend grösser wurde. Foster (23) erwähnt, dass von 118 unter gleichen Verhältnissen lebenden Soldaten 92, bei 2 derselben war Typhus festgestellt worden, mit Antityphusserum geimpft wurden. Während der im Sommer 19 10 abgehaltenen Manöver wurden von den Nichtgeimpften 25 Prozent 20 von Typhus befallen, während unter den Geimpften kein einziger Typhusfall vorkam. Auch Vargas (24) bekam den Gesamteindruck, dass das Serum günstig wirke, was in der Besserung des allgemeinen Wohlbefindens besonders deutlich hervortrete. Obwohl also offenbar dem Cholera- und Typhusserum jeglicher Wert nicht abgeleugnet werden kann, scheint jedoch augenblicklich die Aussicht auf schlechte Erfolge noch zu gross zu sein, um in der Praxis allgemeine Anwendung zu finden. Stadelmann und Wolff-Eisner (25) teilen mit, dass sie Typhus als eine Sepsis betrachten, die speziell durch aufgelöste Bakterienkörper herbeigeführt wird, wogegen sie dem bakteriolytischen Serum eher einen schädigenden als einen heilenden Einfluss zuschreiben. Wolff (26) ging sogar so weit, überhaupt gegen eine Anwendung bakteriolytischer Sera zu warnen; er empfahl, diese nur dann anzuwenden wenn die Menge der bei der Bakterienauflösung freiwerdenden Substanzen an sich noch nicht zum Tode führt, also nur für präventive Zwecke oder im Beginn der Krankheit. In der tierärztlichen Praxis fallen diese Bedenken, was die Ausübung eines schädlichen Einflusses auf den Krankheitsprozess betrifft, fast völlig weg : Bei einer so häufigen Anwendung von bakteriziden Sera, bei den so vielen Infektionskrankheiten der einzelnen Tierarten nicht nur als Präventiv-, sondern auch als ICurativmittel in den letzten Jahren, kann man sagen, dass es fast nie vorkommt, dass sich der Krankheits- zustand nach der Verabreichung des betreffenden Serums verschlimmert, wenn auch nicht geleugnet werden kann, dass die Möglichkeit hierzu besteht. So beobachtete Poels, wie bei einem mit Streptokokken behandelten Pferde, das zur Gewinnung von Streptokokkenserum vorbereitet wurde und das infolge der Infektion heftig erkrankt war, nach Übertragung des Serums der Tod beschleunigt wurde. Wie erwähnt, ist eine derartige ungünstige Wirkung in der tierärzt- lichen Praxis zu den höchst seltenen Ausnahmen zu zählen; auch sogar mit dem Coliserum bei der Colibacillose der Kälber, erzielt man, obwohl der Colibacillus der sogenannten Typhus-gruppe angehört, ausgezeichnete Resultate: Laut des Berichtes des Reichsseruminstitutes zu Rotterdam wurden hiermit im Jahre 1910 in Holland 879 der Ansteckung verdächtige Kälber injiziert, von denen 872, oder gut 99 Prozent, von der Kälberdiarrhöe verschont blieben, während sich von den 243 hiermit behandelten kranken Tieren 184 oder 75,7 Prozent völlig erholten. Wie bereits mitgeteilt worden ist, wird gegenwärtig allgemein ange- nommen dass es speziell die Giftigkeit des Zellprotoplasmas sei, 21 welche nächst der sehr starken Vermehrung in dem infekten Organismus, die Krankheitssymptome der einzelnen Infektionskrankheiten herbei- führt. Die Giftigkeit der einzelnen Bakterien ist jedoch sehr verschieden: sind Cholera- und Typhusbakterien augenscheinlich sehr stark giftig, sogar mit den grössten Dosen abgetöteter Milzbrand- oder Rotlaufbazillen kann man die diesen Krankheiten gegenüber empfänglichen Versuchstiere nicht vergiften. Einzelne Forscher glaubten daher, dass diese Bakterien entweder keine oder doch nur äusserst geringe Mengen Giftsubstanzen enthielten. Sogar Pfeiffer (i), der doch die Wirkung der Endotoxine so sehr in den Vordergrund stellt, sagt, dass gerade die höchst viruleriten Bakterieyi (wobei er besonders den Milzbrand- und den Rotlaufbazillus im hwge haX) rechi o/i auffällig geringe endotoxische Effekte zeigen, weshalb er annimmt, dass auch die toten Bakterien in solchen Fällen im Tier kör per nur sehr wenig giftig sind. Er schreibt dies dem Umstände zu, dass die Auflösung und der Abbau sehr langsam stattfinden dürfte, weshalb es seiner Meinung nach gelingen könnte, durch Zusatz kleiner Mengen spezifischen Serums die toxische Wirksamkeit derartiger Bakterien zu erhöhen. Da im allgemeinen der Milzbrand- und der Rotlaufbazillus, was die Toxicität betrifft, auf gleicher Linie gestellt werden, wollen wir zuerst an die Hand der Literatur untersuchen, ob in der Tat Giftwirkungen bei der Infektion durch Milzbrand angenommen werden müssen, um danach, gleichfalls an die Hand der Literatur und durch angestellte eigne Untersuchungen nachzuweisen zu suchen, dass auch der Rotlauf- bazillus Giftsubstanzen enthält, welche bei dem Infektionsprozess eine Rolle spielen. Verfolgen wir die Experimente, durch welche verschiedene Forscher die Giftfrage für den Milzbrandbazillus zu entscheiden suchten, so sehen wir, dass sich bereits Pasteur (27) im Jahre 1877 hiermit beschäftigte: Er filtrierte Blut von Milzbrandkadavern und Milzbrand- kulturen, worauf er diese keimfreien Filtrate Versuchstieren injizierte; eine Vergiftung hierdurch sah er nicht eintreten, woraus er schloss, dass diese Bazillen keine löslichen, giftigen Substanzen bildeten. Nach ihm experimentierten auch Levy und Beckmann (2 81 mit Milzbrandblut: Sie entzogen infizierten Tieren in der Agonieperiode Blut und injizierten das Blutserum derselben ähnlichen Versuchstieren unter die Haut; eine Giftwirkung konnten sie durch diese Injektionen nicht erzielen, woraus sie die Folgerung zogen, dass Milzbrandbazillen keine giftigen Stoffwechselprodukte in dem gewöhnlichen Sinn des Wortes, welche in das Blutserum übergehen, bilden. Klein (29) sah, wie nach einer Injektion durch Hitze abgetöteter Milzbrandbazillen und Sporen für die Versuchstiere kein einziger Nachteil entstand, 22 woraus er folgerte, dass der Milzbrandbazillus keine intrazellulären Gifte enthalte. Endlich sei erwähnt, dass auch Conradi (30) vergeblich versucht hat bei diesen Mikroorganismen Endotoxine nachzuweisen : Er filtrierte die nach intraperitonealer Injektion von Milzbrandbazillen bei Meer- schweinchen in der Bauchhöhle auftretende seröse Flüssigkeit und auch die Gewebesäfte ausgepresster Organe von Milzbrandkadavern durch Chamberland- und Kitasatofilter ; lösliche Gifte konnten in diesen Flüssigkeiten nicht nachgewiesen werden. Ferner tötete er Bazillen mittels Toluol ab und zerrieb diese, nachdem er sie intensiver Kälte ausgesetzt hatte, mechanisch, doch auch auf diese Weise gelang es ihm nicht, Endotoxine zu gewinnen. Er gibt daher als seine Ansicht an, dass bei Anwendung der gegenwärtigen Methoden (1899) der Nachweis nicht erbracht werden kann, dass der Milzbrandbazillus ein extrazelluläres lösliches oder ein intrazelluläres Gift in dem Organismus empfänglicher Tiere bildet. Auf Grund seiner angestellten Untersu- chungen nennt er es sogar höchstwahrscheinlich, dass der Milzbrand überhaupt keine giftigen Substanzen im Tierkörper erzeugt. Wie die verschiedenen Symptome des Milzbrandes und der Tod in Folge des Milzbrandes herbeigeführt werden, wenn eine Giftwirkung auszuschliessen ist, sucht Strueff (31) zu erklären, wobei er die vor- nehmste Ursache in der Verstopfung der Blutgefässe zufolge der Bakterienanhäufung sucht. Er unterscheidet bei dem Krankheitprozess zwei Perioden : die erste kennzeichnet sich durch die von den in die Lungenkapillaren eingedrungenen Bakterien erzeugten Reizungser- scheinungen der Lungenäste des Nerv. Vagus; als solche Symptome betrachtet er die Verlangsamung des Pulses, der starke Fall des Blut- drucks und die beschleunigte Atmung. In der zweiten Periode ver- schwinden nach seiner Anschauung die Reflexerscheinungen und treten hauptsächlich die Folgen der mechanischen Störungen für die Blut- zirkulation in dem kleinen Kreislauf, zufolge einer Verstopfung der Lungenkapillaren durch Bakterien, in den Vordergrund. Diese Erklärung Strueffs war nicht neu, denn bereits im Jahre 1877 wurde von Toussaint (32) geäussert, dass eine Verstopfung der Lungenkapillaren die Ursache des akuten Milzbrandtodes wäre; man kann jedoch wohl sagen dass, obwohl der Artikel Strueffs aus den letzten Jahren datiert (1909), diese Theorie fast keine Anhänger mehr findet. Andern Forschern ist es nämlich auf verschiedene Weise gelungen, auch aus dem Milzbrandbazillus Giftsubstanzen zu gewinnen, obwohl man hiermit im allgemeinen auch nicht die heftigen Erscheinungen, durch welche sich der Infektionsprozess so sehr kennzeichnet, hat erzeugen können. 23 So erwähnt bereits Martin (33) im Jahre 1899, dass es ihm möglich war mittels Alkohol aus Milzbrandbazillen giftige Extrakte zu gewinnen, obwohl die Giftigkeit beträchtlich gering war; aus Kadavern herrührende Milzbrandbazillen enthielten stets mehr jener Giftsubstanzen als die aus Kulturen herrührenden. BoiDiN (34) behandelte die Milzbrandbazillen nach der Auclair- schen Methode mit Äther oder Chloroform und gewann hierdurch toxischwirkende Extrakte, welche den Tod der Versuchstiere unter fortschreitender Abmagerung und Kachexie herbeiführten. Marmier (35) züchtete den Milzbrand-bazillus in Pepton-Glyzerin- lösung bei 20° und 37° C. Nach Behandlung der filtrierten Kultur- flüssigkeit mit Ammoniumsulfat, Glyzerin, Alkohol resp. Äther und nach der Trocknung im Vakuum, konnte er in Wasser lösliche Giftsubstanzen gewinnen; die bei niedriger Temperatur gezüchteten Kulturen waren giftiger als die anderen. Durch eine Injektion dieser aufgelösten Gifte sank die Körpertemperatur stark und führte sie den Tod innerhalb I bis 19 Tagen herbei, wobei das Tier sehr stark bis zu ^/a seines Gewichts abmagerte ; bei der Autopsie ergab sich das Bestehen von Kachexie und konnte keine Spur von Milzbrand- bazillen entdeckt werden. War der Zeitpunkt, als der Tod nach der Injektion eintrat, sehr variierend, auch die tödliche Dosis war sehr verschieden. Vaughan (36) gewann, indem er Milzbrandbazillen mit i Proz. Schwefelsäure und Alkohol behandelte, giftige Substanzen. Galtier (37) bewahrte Milzbrandorgane 3 — 4 Monate lang in Glyzerin ; die Bazillen waren hierdurch völlig avirulent geworden, doch es gingen Substanzen in das Glyzerin über, mit welchen er Ziegen und Kaninchen unter hämorrhagischen Erscheinungen töten konnte. Alle diese Forschungen beweisen also zur Genüge, dass auch in dem Milzbrandbazillus Giftsubstanzen vorhanden sein müssen und weisen besonders die Beobachtungen Boidins und Marmiers, die bei ihren Versuchstieren starke Abmagerung und Kachexie eintreten sahen, auf den Tod infolge einer Endotoxinvergiftung hin. Gifte, welche im Stande waren ein dem Milzbrand einigermassen ähnliches Krankheits- bild hervorzurufen, wurden von Trincas (38) nachgewiesen : Durch die Einwirkung von Leukozyten auf sporenfreie Milzbrandbazillen konnte er eine toxische, in Wasser lösliche und durch Birkefeld filtrierbare Substanz gewinnen, die bei Meerschweinchen, intravenös oder subkutan injiziert, ein an Milzbrand erinnerndes pathologisch-anatomisches Bild zum Vorschein brachte. Dass übrigens der Milzbrandbazillus im Tierkörper Giftsubstanzen entwickeln muss, wird niemand, der Gelegenheit hatte an Milzbrand leidende Rinder zu beobachten, bezweifeln: Wie müsste denn wohl 24 sonst das sehr heftige Fieber, die ab und zu auftretende Excitation, der später eine heftige Depression und Sopor folgt, die sensibeln und motorischen Lähmungserscheinungen, oder in andern Fällen der perakute Verlauf, als aus einer starken Vergiftung zufolge Endotoxinenwirkung erklärt werden ? Bereits Robert Koch (39) dachte, nach der Beobachtung eines Infektionsprozesses im Jahre 1876 an eine Vergiftung und gibt der Vermutung Ausdruck, dass der Milzbrandtod entweder durch die Kohlensäure-entwicklung im Blute, die zufolge des intensiven Bakterien- wachstums hervorgerufen wird, oder, was ihm wahrscheinlicher erscheint, durch giftig wirkende Spaltungsprodukte der Eiweisskörper, deren nach der damals herrschenden Auffassung die Parasiten als Nahrung bedürfen sollten, herbeigeführt wird. Auch Mendez (40) betrachtet bei der Milzbrandinfektion des Menschen die schwere Allgemeinerkrankung, die Cyanosis, die auftretenden Delirien und die Dyspnoe als Intoxikationserscheinungen. Behandelte er diese Patienten mit spezifischem Serum, so sah er, wie als erstes Resultat 12 — 24 Stunden nach der Injektion die Temperatur fiel und das allgemeine Wohlbefinden sich besserte, was laut der Endotoxinen- lehre durch die Neutralisierung der in dem kranken Körper zirkulierenden, aufgelösten Giftsubstanzen zu erklären ist. Erst nach 2 Tagen sah er, wie die Ödeme verschwanden und mit der Drüsenschwellung war dies noch später der Fall. Auch für das Entstehen der zuweilen sehr ausgedehnten Hämor- rhagien und der Hämolyse, die das pathologisch-anatomische Krank- heitsbild des Milzbrandes kennzeichnen, muss ganz entschieden die Wirkung eines Giftes angenommen werden, durch welche die Kapillarwandung lädiert und permeabel gemacht wird und das zugleich die Fähigkeit besitzt den Blutfarbstoff aus den Blutkörperchen zu entfernen ; es ist doch schon sehr unwahrscheinlich, dass die Ver- stopfung der Kapillargefässe durch Bakterienanhäufungen die Ursache all dieser Erscheinungen sein solle, wie von einzelnen Forschern angenommen wird. Dass in der Tat Gewebeblutungen bei verschiedenen Infekdonskrank- heiten durch Bakteriengifte verursacht werden können, wird durch die Forschungen Heyrovskys (41) bestätigt. Dürfen wir auf Grund obengenannter Forschungen annehmen, dass, kann man auch Versuchstiere durch abgetötete Bazillen oder verschiedene Filtrate nicht vergiften, doch der Milzbrandbazillus, was die Anwesenheit toxischer Bakteriensubstanzen betrifft, keine Ausnahme bildet, so liegt die Annahme nahe, dass auch dem Rotlaufbazillus Giftsubstanzen j;ukommen müssen. Iq der Tat wird diese Voraussetzung durch die 25 wenigen Experimente, welche zu diesem Zweck mit diesen Bakterien angestellt worden sind, noch wahrscheinlicher: Im Jahre 1894 teilte Donath (42) auf dem Internationalen Medizinischen Kongress zu Rom mit, dass es ihm gelungen sei, aus wässrigen Milzextrakten der an Rotlauf eingegangener Schweine Substanzen zu gewinnen, welche bei Kaninchen eine Temperatursteigerung bis zu 41° C. verursachten, während Extrakte aus der Milz gesunder Schweine diese Substanzen nicht enthielten ; diese Giftwirkung schrieb er Giftsubstanzen zu, obwohl er diese in künstlichen Nährböden nicht nachweisen konnte. VoGEs (43) injizierte Mäusen und Tauben mit thermisch abgetöteten Rotlaufbouillonkulturen, sogar bis zu Dosen von 200 resp. 60 ccm., jedoch ohne dass er irgend welchen Nachteil für diese Versuchstiere eintreten sah. Dieses negative Resultat schieb er dem Umstände zu, dass etwaige Gifte zu stark verdünnt waren, weshalb er seine Versuche mit dem Präzipitat aus dergleichen Kulturen wiederholte. Mit diesen Präzipitaten konnte er, nach der Abtötung auf 60° C, Mäuse töten, aber hierzu brauchte er die ganze Bazillenmenge aus 300 ccm. Bouillonkultur ; die Giftigkeit war also, obwohl sie bestand, jedenfalls sehr gering. Natusch (44) filtrierte i — 2 Tage alte Rotlaufbouillonkulturen und injizierte diese Filtrate Mäusen, ohne eine Giftwirkung hierdurch zu erzielen. Dampfte er jedoch die Filtrate in dem Vakuumapparate bis auf 1/3, 1/5 und 1/17 des ursprünglichen Volums eiti, so ergab sich, dass diese nach einer subkutaneji und intraperitonealeu Impfuftg Gift- subsianzeji enthielte7i, ivelche iji de7i meisten Fallen Mäuse zu töten imstande waren. Bei Kontrollversuchen mit eingedampfter steriler Bouillon blieben die Versuchstiere gesund; er nimmt daher an, dass der Rotlaufbazillus echte Toxine bildet, in welcher Ansicht er besonders dadurch verstärkt wird, dass diese Giftsubstanzen bereits in i — 2 Tage alten Kulturen, in denen doch noch fast keine zerfallenen Bakterien vorkommen, vorhanden sind. Aus angestellten eigenen Untersuchungen wird hervorgehen, dass der Rotlaufbazillus tatsächlich Giftsubstanzen, welche sich aussen an der Zellwand befinden und aller Wahrscheinlichkeit nach in die Kulturbouillon übergehen können, bilden muss. Doch nicht nur diese Laboratoriumversuche, sondern auch die Praxis lehrt, ebenso wie dies bei dem Milzbrand der Fall ist, in überzeugender Weise, dass bei dem Schweinerotlauf toxische Substanzen zur Wirkung gelangen, denen die schweren Vergiftungserscheinungen bei dem klinischen Krankheitsbilde zuzuschreiben sind. Betrachten wir nun, was die Handbücher von Friedberger und Fröhner (45), von HuTYRA und Marek (46) hierüber mitteilen, so sehen wir dass beide einstimmig das hohe Fieber, bis zu 43° C, die sehr heftigen 26 nervösen Störungen, die grosse Mattkeit und Sopor, die eintretende Lähmung des hinteren Körperteiles und schliesslich den Tod, auf Toxinwirkung zurückführen. Ob jedoch die Ansicht Hutyra und Mareks. dass es noch nicht gelungen sei weder in Kadavern ein- gegangener Tiere noch in Kulturen toxische Substanzen nachzuweisen, in diesem Augenblick als richtig zu erachten ist, darf ganz gewiss in Zweifel gezogen werden. Auch die pathologische Anatomie des Rotfaufs liefert, ebenso wie bei dem Milzbrand, den Beweis einer Giftwirkung, da bei dieser Krankheit gleichfalls zahlreiche Hämorrhagien beobachtet werden können, welche nach Poels (47), der ausgedehnte Forschungen mit Rotlauf durchführte, zufolge .\lterationen in der Wandung der kapillaren Blutgefässe infolge der Einwirkung toxischer Substanzen, entstehen, während bei dem Rollauf erlegenen Schweinen, wie bei Milzbrand- kadavern, die Trennung des Blutfarbstoffes von den Blutkörperchen, sogenannte Hämolyse, eine konstante Erscheinung ist. EIGENE VERSUCHE. Um die Frage, ob bei dem Rotlaufbazillus in der Tat Gift- substanzen vorkommen, beantworten zu können, war vollstän- digkeitshalber die Notwendigkeit geboten, diese Untersuchung nach drei Richtungen auszudehnen. Erstens müsste nachzuweisen versucht werden, dass dieses Bakterium im Tierkörper endotoxische Effekte, im Sinne PFEIF- FERS, zeigt. In zweiter Linie musste. im Zusammenhang mit den Versuchen Xatuschs, nachgeforscht werden, ob für genannte Mikroorganismen auch extrazelluläre Giftsubstanzen, also gleich- sam echte Toxine, anzunehmen sind, während endlich, sollten diese Resultate positiv ausfallen, versucht werden musste, diese Giftsubstanzen durch Ein^^-irkung chemischer Mittel aus den Bakterienkörpern heraus zu lösen, eventuell zu sammeln. Bei meinen \'ersuchen zur Lesung der ersten Frage : Endo- toxine nachzuweisen, war mein Bestreben vor allem darauf gerichtet, um zu versuchen, nach einer Injektion grösserer Dosen Rotlaufbazillen, hieraus durch gleichzeitige Injektion des bakteriolytischen Immunserums event. Endotoxine im Tierkörper in Freiheit zu setzen. Als Versuchstiere wurden hierzu ausschliesslich Tauben benutzt, weil diese Tiere dem Rotlauf gegenüber ausserordentlich emp- fänglich sind. Dass es in dieser Weise möglich sein würde, endotoxische Wirkung nachzuweisen, durfte vor allem daher erwartet werden, weil auch PFEIFFER, we in der Einleitung mitgeteilt worden ist, der Wahrscheinlichkeit Ausdruck verleiht, dass durch Zusatz kleiner Mengen spezifischen Serums die toxische Wirksamkeit der Bakterien erhöht werden könnte. Die zu diesem Zweck angestellten Untersuchungen teilte ich in 2 Hälften ein: Mit der Kontrolle, wurden den ersten 5 28 Tauben gleiche Dosen (2 ccm) eintägiger virulenter Rotlauf- bouillonkultur, und absteigende Mengen spezifischen Serums injiziert. Die übrigen Versuche wurden angestellt, um zu ent- scheiden, ob Pfeiffers »Gesetz der Multipla" beim Rotlauf zutrifft. Hierzu wurden mehrere Tauben gleichzeitig mit Serum und Kultur in gleichmässig ansteigenden Dosen, und zwar anfangend mit i Gramm Serum und 0.5 Gramm Kultur, behandelt. Sind in dem Rotlaufbazillus in der Tat intrazelluläre Giftsubstanzen vorhanden, so müssten zwar, wie aus der Ein- leitung bei Pfeiffers Versuchen mit Cholera und Typhus folgt, durch grössere Serummengen grössere Endotoxinmengen ohne Nachteil vertragen werden, aber es müsste eine Giftdosengrenze geben, bei Überschreitung wovon selbst die grösste Serummenge nicht im Stande sein würde, die Gifte unwirksam zu machen ; m.a.W. es müsste gelingen, in solchen Fällen bei den Versuchs- tieren endotoxische Vergiftungs-erscheinungen zu bewirken. Allen Tauben wurde das Serum und die Kultur, getrennt, in die Brustmuskeln injiziert. Nach dem Tode des Versuchstieres wurde die Leber und das Blut stets auf das Vorhandensein von Rotlaufbazillen kulturell und mikroskopisch untersucht. Der Verlauf dieser Injektionen war folgender: Kontrolltaube: 0,1 g Kultur; an Rotlauf eingegangen nach 3I Tagen. Taube 81 : 4 „ Serum und 2 g Kultur 82 36 28 4 3 2 I 0.5 „ 2 „ )» .2 j) „ 2 „ >) 2 ,, Taube 78: I g >» 92: 3 >. y> 49: 6 „ >) 84: 8 „ n 85: 10 „ )> 97: 12 „ I g Serum und 0,5 g Kultur „ 3 „ „ kachektisch eingegangen nach 13 Tagen; kein , ,, 4 „ ,, Rotlauf. > )) 5 " " 1 ÏÏ '' M Ï) Von welch ausgezeichneter Beschaffenheit das von mir benutzte Serum war, geht aus der Tatsache hervor, dass alle 5 Tauben der ersten Serie 14 Tage nach der Injektion noch am Leben 29 waren: 0.5 g desselben waren noch imstande gewesen, die Bazillen aus 2 g virulenter Bouillonkultur zu töten. Von der zweiten Gruppe von Tauben ist nur eine, Nr. 49, eingegangen, welche nacJi /j Tagen sehr abgemagert und kac hektisch zugrunde ging. Die inneren Organe waren paren- chymatös degeneriert und enthielten keine Rotlauf bazillen ; Rotlauf als Todesursache ?nusste daher ausgeschlossen werden. Vierzehn Tage nach der Injektion wurden durch Versehen eines Angestellten die einzelnen Nummer von den Tauben entfernt, sodass hierdurch nicht mehr festgestellt werden konnte, mit welchen Dosen Serum und Kultur jede ins besondern behandelt worden war. Als an jenem Tage diese Versuchstiere das Institut verliessen, fiel es mir auf, dass mehrere sehr abgemagert waren ; ich bin daher überzeugt, auch im Zusammen- hang mit späteren Untersuchungen j dass später von diesen abgemagerten Tauben noch wohl einige unter denselben Erschei- nungen wie Taube Nr. 49, eingingen. Bei der Wiederholung dieser Versuche erschien es mir wünschenswert, die Dosen der Kultur grösser zu nehmen, weil hierdurch mehr Giftsubstanzen in Freiheit gesetzt werden könnten ; auch wurden, anstatt wie das erste Mal gleiche Mengen Kultur und absteigende Dosen Serum anzuwenden, nun gleiche Dosen Serum doch ansteigende Mengen Kultur benutzt. Die Injektionen mit gleichmässig ansteigenden Dosen Serum und Kultur begannen diesmal mit einer Anfangsdosis von 6 g Serum und 3 g Kultur. Die benutzte Rotlaufbouillonkultur war wiederum ein Tag alt, und auch diesmal wairde das Serum und die Kultur, jede für sich, in die Brustmuskeln injiziert. Zur besseren Kontrolle des Gewichtsverlustes wurden die Tauben vor der Injektion gewogen. 30 Das Resultat war folgendes : Kontrolltaube o,i g Kultur: an Rotlauf eingegangen nach 3 Tagen. B H Behandelt mit 36 I g Serum 3 g Kultur 92 I g Serum 4 g Kultur 32 I g Serum 6 g Kultur 78 6 g Serum 8 g Kultur 98 6 g Serum 3 g Kultur 75 8 g Serum 4 g Kultur 44 10 g Serum 5 g Kultur « S o 3 Eintritt des Todes nach Injektion. Bemerkungeu. Kon- troll- taube 270 262 g 323 366 g 365 375 438 g log Serum I 310 g 5 g Steriler Bouillon 119 551 g 214 233 124 g '5 g 151 g 142 g 15 Tage 3 l'âge 46 Tage 15 Tage 243 335 g 397 g 391 g Nicht nennenswert abgemagert. Zugenommen. Sehr stark abgema- gert; kachektisch eingegangen, doch nicht an Rotlauf. An Rotlauf ohne Gewichtsverlust eingegangen. Sehr stark abgema- gert, kachektisch eingegangen, doch nicht an Rotlauf. Wie beim Taube NO. 98. Etwas abgemagert, I übrigens gesund. Zugenommen. Diese Versuche zeigen, dass ausser der Kontrolltaube, nur No. 78 an Rotlauf eingegangen ist; hierbei war offenbar die eingeführte Dosis Bazillen zu gross, um durch die geringe Menge spezifischen Serums abgetötet zu werden ; es ergibt sich gleich- zeitig hieraus, dass bei dem durch Rotlauf verursachten Tode keine Abmagerung und kein Gewichtsverlust von einiger Be- deutung in den Vordergrund tritt. Von den übrigen Tauben, 31 denen Serum und Kultur injiziert wurden, sind die No. 22, 98 und 75, also die Hälfte, unter sehr starken Abmagerungs- und Kachexie-erscheinungen zugrunde gegangen ; von welcher Be- deutung der hierbei eintretende Gewichtsverlust war, springt deutlich in die Augen, wenn man die einzelnen Gevvichtszahlen mit einander vergleicht. Die inneren Organe und das Blut dieser Tauben enthielten weder kulturell noch mikroskopisch Rotlauf- bazillen ; durch Rotlauf war demnach der Tod nicht herbeige- führt worden. Andere zur Kachexie führende Krankheiten, wie zum Beispiel Tuberkulose, konnten ebenso wenig wie bei der, bei dem ersten Versuche eingegangenen Taube 49, nachge- wiesen werden. Auf Grund dieser Beobachtungen darf meiner Ansicht nach als feststehend angenommen werden, dass es in vielen Fällen gelingt, Tauben bei der Anwendung grösserer Dosen Kultur und hinreichender Mengen Serum [itni die darin enthaltenen Rotlaufbazillen aufzulösen) an Endotoxinvergiftung eingehen zu lassen. Sind doch gerade der starke Gewichtsverlust und die Kachexie die Erscheinungen, welche von allen Forschern als die karak- teristischsten für den durch Endotoxin verursachten Tod be- trachtet werden. Dass die Seruminjektion mit der gleichzeitigen Injektion steriler Bouillon an sich unschädlich war und die beobachteten Erscheinungen nicht hervorrief, wurde durch die Kontrolltaube bewiesen, welche trotz dieser Behandlung ziemlich bedeutend an Gewicht zunahm. Gleichfalls geht aus diesen Forschungen hervor, dass der Tod durch Endotoxin zu sehr verschiedenen Zeitpunkten nach der Bakterieninjektion eintreten kam : Erfolgte dieser bei 3 Tauben nach 13 und 15 Tagen, bei N". 98 trat er erst 46 Tage danach ein. Diese Tatsachen müssen meines Erachtens, ebenso wie die Beobachtung dass die Nrn 36, 92 und 44 geringe oder keine Endotoxinwirkung zeigten, hauptsächlich dem Unterschied in der Empfänglichkeit zugeschrieben werden, welcher Unterschied nach den P'orschungen Stickdorns (48) bei Tauben ziemlich gross zu sein scheint. Auch ist es nicht unmöglich, dass die beträchtlich spät auf- tretende Vergiftung in der langsamen Zerstörung und dem langsamen Abbau der Rotlaufbazillen zu suchen ist ; dass solches 3^ bei diesen Mikroorganismen sehr langsam stattfindet, wenigstens im Körper der Schweine, wird durch die Versuche VOGES und Schütz (49) bestätigt. Nachdem endotoxische Substanzen für den Rotlaufbazillus nachgewiesen worden waren, wurde in dem zweiten Teile meiner Forschungen versucht, die Frage zur Entscheidung zu bringen, ob ausser diesen Giftsubstanzen auch noch andre vorkommen, welche sich nicht in, sondern ausserhalb der Zellwandung der Bakterien befänden und mit dieser mehr oder weniger fest verbunden wären. Ist das der Fall, wie Natusch auf Grund seiner erwähnten Experimente vermutet, so könnte es vielleicht gelingen, die Bazillen durch wiederholtes Abwaschen von diesen Toxinen zu befreien und dadurch deren schädigenden Einfluss abzuschwächen. Was die Methode betrifft, um von den Bakterien durch abwaschen die Toxine zu entfernen, in der Literatur finden wir hierüber nur eine ausführliche Mitteilung, nämlich von Vaillard und Vincent (50), welche diese bei Tetanussporen, Sporen eines echten toxinbildenden Mikroorganismus also, anwandten. Sie stellten fest dass wenn sie diese Sporen einer übermässigen und schnellen Abwaschung mit sterilisiertem Wasser unterzogen, mit ihnen kein Tetanus mehr erzeugt werden konnte, obwohl die Lebensfähigkeit der Sporen durch diese Behandlung nicht gelitten hatte. Injizierten sie bei Versuchstieren abgewaschene Sporen, so beobachteten sie dass sehr reichlich Leukozyten auftraten, von denen einige eine oder mehr Sporen einverleibt hatten. In kurzer Zeit nahmen die Sporen, was Färbung und Volum betrifft, ab und begannen zu zerfallen, indem nach 5 — 6 Stunden sämtliche Sporen verschwunden waren. Dies kontrollierten sie, indem sie mit Sporen getränkte Wattepfropfen unter die Haut der Meerschweinchen einführten und diese zu bestimmten Zeiten untersuchten ; bei späteren Versuchen wurden hierzu Kapillar- röhrchen benutzt. Führten sie mit den abgewaschenen Sporen Milchsäure- oder andere Bazillen, zum Beispiel Bac, prodigiosus, ein, so wurden die weissen Blutkörperchen in richtiger Entfernung gehalten, bezw. von andern Bazillen in Anspruch genommen. Die Folge war in beiden Fällen, dass die abgewaschenen Sporen vor den 33 Angriff der Leukozyten geschützt wurden und sich entwickeln konnten. Wurden die Sporen mit ihren Toxinen eingeführt, so traten nur sehr wenig Leukozyten auf und es wurden diese durch die negativ chemotaktische Wirkung der Toxine in einer gewissen Entfernung gehalten. Zeigten sie durch diese Versuche, dass die von Toxinen befreiten Sporen durch die Abwehrmittel des normalen Organismus unschädlich gemacht wurden, so stellten sie auch fest, dass eine Grenze hierfür besteht : Wenn sie ausser- ordentlich grosse Mengen abgewaschener Sporen bei Meer- schweinchen einführten, so war konstant der Tod durch Tetanus die Folge. Bei den eigenen Forschungen wurde mit dem Abwaschen folgendermassen verfahren •) : Rotlaufbouillonkulturen wurden eine Viertelstunde lang mit etwa 3000 — 4000 Umdrehungen in der Minute zentrifugiert. Hierauf wurde die klar gewordene Bouillon vorsichtig abgehoben und das Präzipitat, das fast alle Bazillen enthielt, durch Schütteln in einer gleichen Menge des Abwaschmittels verteilt, als die ursprünglich zentrifugierte Bouillonkultur betrug. Weiter wurde aufs neue zentrifugiert, worauf die präzipitierten Bazillen als einmal abgewaschen betrachtet wurden. Wenn nun nach dem Abheben der Flüssigkeit jenes Präzipitat wiederum mit einer gleichen Menge Abwaschmittel geschüttelt und hierauf zentrifugiert worden war, so waren die Bakterien zweimal abgewaschen u. s. w. Die abgewaschenen Bazillen wurden bei jeder Injektion, nachdem die klare Flüssigkeit in der diese präzipitiert worden waren entfernt worden war, mit einer gleichen Menge des Abwaschmittels, die der ursprünglichen Menge Bouillonkultur entsprach, gemischt, und dann wurde von dieser Flüssigkeit die festgesetzte Dosis, zum Beispiel 0.1 g, injiziert. Hierdurch wurde erzielt, dass stets mit einer gleichen Menge Flüssigkeit ungefähr eine gleiche Dosis Bazillen eingeführt wurde. *) Weil die Wahrscheinlichkeit vorlag, dass bei dieser Behandlung die Flüssigkeit keine Substanzen aus dem lebenden Plasma des Bakteriums, sondern nur die Stoffe aufnehme, welche aussen an der Bakterienwand anhaften nebst den, welche innerhalb der Wandsubstanz imbibiert sich vorfinden, nenne ich diese Behandlung hier stets; »Abwaschen«. 34 Abgewaschen wurden die Bazillen aus 24-stündiger Rotlauf- bouillonkultur. Als Abwaschmittel wurde o.g prozentige physio- logische Kochsalzlösung benutzt. Die Injektionen erfolgten stets in die Brustmuskel. Nachstehende Tabelle gibt das Resultat dieser Untersuchung an: Kontrolltaube 0,1 g Kultur; nach 3 Tagen an Rotlauf eingegangen. Taube Nr. 5 0,1 ,, erste Abwaschung; nach 4 Tagen an Rotlauf [eingegangen, gesund geblieben. „ 2 0,1 „ zweite „ 17 0,1 „ dritte ,,29 0,1 „ vierte >. 35 0,1 „ fünfte Ausser der Kontrolltaube ist nur eine, die mit einmal abge- waschener Kultur behandelte Taube, eingegangen, und hatte die Virulenz derselben, wie sich aus dem späteren Eintritt des Todes ergibt, durch jenes Abwaschen bereits abgenommen. Die übrigen Tauben waren drei Wochen nach der Injektion noch völlig gesund, sodass die Rotlaufhazilleyi bei diesem Versuche nach zweimaliger Ahivaschung ihre infizierende Fähig- keit eingehüsst hatten. Dieses Ergebnis stimmte daher mit den von Vaillard und Vincent mit Tetanussporen erzielten Resultaten sehr viel überein ; hatten diese die Sporen durch abwaschen von den Toxinen befreit, auch von den Rotlaufbazillen war etwas abgewaschen worden, was diese gegen die Abwehrmittel des Organismus schützt, sodass die Annahme nicht gewagt schien, dass auch in diesem Fall Giftsubstanzen von den Rotlaufbazillen abgewaschen worden waren. Wäre diese Auffassung richtig, so könnte es vielleicht gelingen, diese Giftsubstanzen in der Kulturbouillon oder in der Kochsalzlösung, mit der Bazillen zum ersten Mal abgewaschen worden waren, nachzuweisen, indem man diese Flüssigkeiten, nach der Filtrierung durch Chamberland- bougie, bei Tauben injiziert. Der folgende Versuch, über den die nachstehende Tabelle eine Übersicht gibt, wurde daher etwas ausgedehnt. Abgewaschen wurden die Bazillen aus 2-tägiger Bouillonkultur und als Abwaschmittel wurde wiederum 0,9 prozentige physio- logische Kochsalzlösung benutzt : 35 Kontrolltaube: o,i g Kultur; nach 3 Tagen an Rotlauf eingegangen. Taube Nr. 5: 0,1 ,, erste Abwaschung; gesund geblieben. „ 31 : 0,1 „ zweite „ ; „ 88: 0,1 „ dritte „ ; „ 89: 0,1 „ vierte „ ; „ „ 98: 0,1 ,, vierte ,, ; zusammen \ mit I g des Abwaschmiitels, in dem I gesund die Bazillen zum ersten Male abge- Î geblieben, waschen worden sind, injiziert 1 „ „58:1g des Abwaschmittels, in dem die Bazillen zum ersten Male abgewaschen worden sind, filtriert, also ohne Ba- zillen ,, „ „ ,, 93 : I g filtrierte Bouillon aus zweitägiger Bouillonkultur ; ,, „ ,, ,, 90 : I g filtrierte Bouillon aus sechstägiger Bouillonkultur; „ ,, Sämtliche mit abgevvaschenen Kulturen behandelten Tauben blieben gesund; bereits nach einmaliger Abwaschung hatten die Rotlauf bazillen also diesmal ihre pathogène Wirkung eingebüsst. Der Taube 98 v^^urden abgew^aschene Bazillen injiziert, die mit I g der durch CHAMBERLAND-bougie filtrierten Flüssigkeit, in der sie zum ersten Male abgewaschen worden waren und in der event, abgewaschene Giftsubstanzen vielleicht vorhanden waren, gemischt worden waren ; diese würden die Bakterienwirkung unterstützen und so vielleicht den Tod durch Rotlauf herbei- führen können. Erwähnte Taube blieb am Leben, wie auch Taube Nr. 58, der 1 g derselben Flüssigkeit, nun jedoch ohne abgewaschene Bazillen, injiziert wurde. Ferner wurde die Bouillon aus zwei- und aus sechstägigen Rot- laufkulturen durch CHAMBERLAND-bougie filtriert und 1 g dieser keimfreien Filtrate der Taube No. 93 resp. 90 injiziert, um, falls äusserliche Bakteriengiftsubstanzen in die Kultur übergingen, zu versuchen hiermit Krankheitserscheinungen hervorzurufen ; diese blieben jedoch aus. Fünf Wochen nach der Injektion wurden die Tauben der Beobachtung enthoben. Durch diese Methode konnte also weder in dem Abwaschmittel, noch in 36 der Kulturbouillon, durch Injektion bei \'ersuchstieren Giftsub- stanzen nachgewiesen werden. Später ist dieser \'ersuch wiederholt worden und wurden einer Taube 15 g durch CHAMBERLAND-bougie filtrierte, aus während 7 Tage bei 37° C. gewachsener Rotlautkultur her- rührende, Kulturbouillon injiziert. Obwohl diese ältere Kultur mehr Giftsubstanzen als die früher angewandte jüngere Kultur enthalten musste, wenn diese Substanzen in die Bouillon übergingen blieb die in dieser Weise behandelte Taube, trotz der grossen Dosis, während einer 3 Wochen dauernden Beobachtungszeit, völlig gesund. Die Versuche NatüSCHS (44) waren mir zur Zeit dieser Forschungen noch nicht bekannt; wäre dies der Fall gewesen, so hätte mir damals eingeleuchtet, dass die Aussicht, auf diese Weise eine toxische Wirkung zu erzielen, äusserst gering war. NatUSCH wies nämlich nach, dass in der durch Chamberlaxd- bougae filtrierten Rotlaufkulturbouillon tatsächlich Giftsubstanzen vorkommen, die jedoch zu sehr verdünnt sind, um bei \'ersuchs- tieren eine Giftwirkung ausüben zu können. Erst wenn er diese Bouillon eindampfte, konnte er Veruchstiere mit derselben töten. Es musste also auf andere Weise als mit einfachen Kultur- filtraten experimentiert werden. Eine Giftwirkung nachzuweisen wurde nun versucht, indem einer Serie Taube grosse Dosen Bakterien nicht nur in die Brustmuskel, sondern auch intraperitoneal injiziert wurde, um hierdurch eine raschere Resorption event, eine schnellere Ver- giftung zu Stande bringen zu können. Das Resultat war folgendes: Die angewendete Kultur war 2 Tage alt. Kontrolltaube: 0,1 g Kultur in die Brustmuskel ; nach 2i'2 Tagen an "Rotlauf eingegangen. Taube 38 :i, — > > »» » nach 5 Tagen an Rot- [lauf eingegangen. > 29 : 2, — » > » » » nach 2% Tagen an [Rotlauf eingegangen. * 75 • °)5 * Kultur intraperitoneal; nach 2 Tagen an Rotlauf ein- [gegangen. > i: I, — > » » ; nach 2 1/2 Tagen eingegangen. > 25 : 2, — > > » ; > 21/2 » » 37 Aus diesem \'ersuche folgt albo, dass der Verlauf der Infektion durch eine Injektion sehr grosser Dosen unbedeutend verkürzt wird, gleichgültig, ob diese in die Brustmuskel oder intraperi- toneal erfolgt. Auch springt die auffällig geringe Empfänglich- keit der Taube 38, welche durch i g virulenter Rotlaufkultur erst nach 5 Tagen getötet wurde, in die Augen. Konnte aber durch die grössere Bakterienmenge der Tod nicht beschleunigt werden, so wurde doch wirklich beobachtet, dass, wie auch POELS (47) in seinem Standardwerke angibt, nach der Impfung mit grossen Kulturmengen die Versuchstiere fast unmittelbar nach der Injektion Krankheitserscheinungen zeigten, welche von POELS einer Resorption der in der Bouillon- kultur vorhandenen toxischen Substanzen zugeschrieben werden : Kurze Zeit nach der Injektion waren die Tauben weniger munter, sassen gewöhnlich mit gesträubten Federn und ein- gezogenem Kopf in der Ecke des Käfigs ; waren gewöhnliche Dosen eingeimpft worden, so zeigten die \'ersuchstiere nach 24 — 36 Stunden äusserlich wenig Veränderung ; erst nach dieser Zeit wurden sie lustlos und zeigten dieselben Erscheinungen. Durch diese Versuche wurden also die Beobachtungen PoELS vollkommen bestätigt; später konnte gleichfalls gezeigt werden, dass auch seine Ansicht: dass bei Rotlauf Giftsubstanzen, welche nicht von dem Bakterienzerfall herrühren, in die Kulturbouillon übergehen, einen höheren Grad der Wahrscheinlichkeit hat. Als nämlich meine Versuche beinahe beendet waren, erachtete es Professor POELS im Zusammenhang hiermit wünschenswert zu prüfen, ob Immunserum bereitet werden könnte, indem man Pferden nicht, wie gewöhnlich, Rotlaufbouillonkultur, sondern die in Bouillonkultur enthaltenen Substanzen getrennt : die ver- mittelst der Zentrifuge präzipitierten Bazillen einer- und die hierdurch gewonnene klare Kulturbouillon andrerseits injizierte. Gelänge dies, so würde die Lösung der Giftfrage für den Rotlaufbazillus ganz sicher bedeutend nähergerückt werden. Zu meinem Bedauern war es mir nicht möglich solange in dem Seruminstitut zu verweilen, bis die Pferde hinreichend vorbereitet waren, um eine günstige Serumwirkung erwarten zu können (gewöhnlich erfordert dies mit Bouillonkultur ungefähr 2 Monate). Ich hatte jedoch die Gelegenheit die ersten Injektionen zu 3« diesem Zweck beizuwohnen und konnte hierbei bereits sofort die merkwürdige Tatsache konstatieren, dass die klare Kultur- bouillon ohne Bazillen bei den Pferden ungefähr eine gleiche Reaktion wie die Bazillen ohne die Bouillon, in der sie ge- wachsen waren, erzeugte. Bekanntlich reagieren die für die Gewinnung von Rotlaufserum in Vorbehandlung befindlichen Pferde auf jeder Kulturinjektion konstant mit Fiebererschei- nungen und deren Folgen. Es wurde 48-stündige bei Bruttemperatur gewachsene Rot- laufkultur, in der vor der Hand nog wenig aufgelöste Bakte- riengiftsubstanzen vorkommen konnten, benutzt. Diese Kultur wurde zentrifugiert und von der klaren Bouillon bestimmte Dosen bei 2 Pferden intravenös injiziert. Die präzipitierten Bazillen wurden in einer der zentrifugierten Kultur gleich grossen Menge steriler Bouillon verteilt ; von dieser Flüssigkeit wurden 2 andern Pferden gleich grosse Dosen intravenös uingeführt. Zur Kontrolle wurden zugleich 2 Pferde mit gleich grossen Dosen steriler Rinderbouillon derselben Zusammensetzung als die, in der die Rotlaufkultur angelegt worden war, intravenös behandelt. Nachstehende Tabelle gibt eine Übersicht über den Verlauf dieser Injektionen : /j Oktober, nachmiitags um ^ Uhr. Pferd Behandelt mit : Bemerkungen. N°. 56 100 g Kulturbouülon Abendfutter verweigert » 58 100 » » » » » 59 Bazillen aus 100 g Kultur Keine Reaktion. > 60 » » 100 » » » » » 159 100 g steriler Rinderbouillon Keine Reaktion. » 549 100 » » » » » Bei den folgenden Injektionen wurde, weil zufolge der Kultur- bouillon die Pferde reagiert hatten, diese Reaktion durch Mes- sung der Körpertemperatur kontrolliert : 39 20 Oktober tiachmiilags um 5 Uhr. Pferd Behandelt mit : Temperatur während und nach der Injektion Tempe- ratur - Steigerung. während der Inj. iSt. 2 St. 3 St. 4 St. 5 St. N°. 56 300 g Kulturbouillon 37-'^4C. 38.1 38.8 39-3 39-4 39-8 2.°4C. » 58 300 » » 37-"8 37-9 39-2 39-8 39-8 39-8 2.° C. » 59 Bazillen aus 300 g Kultur 37- °6 37-6 39.0 399 40.0 40.0 2.°4C. » 60 Wegen einei Infektion am Halse nicht injiziert. » 159 300 g Rinderbouillon 37-°9 37-9 37.8 37-9 38.0 37-9 o.°i C. » 549 300 » » 37-°8 378 37-7 38.5 38.8 38-8 i.° C. Das Ergebnis dieser ersten Injektionen bestärkt also bereits in hohem Grade die Vermutung, dass auch in der Kulturbouillon fiebererregende giftige Substanzen vorkommen, da hierbei, ebenso wie nach einer Injektion der präzipitierten Bazillen, eine ziemlich bedeutende Reaktion eintrat, welche in beiden Fällen die Körpertemperatur bis zu 2° C. und höher steigerte, während von den Kontrollpferden nur eins eine beträchtlich geringe Temperatursteigerung von 1° C. zeigte. Wie gesagt, muss abgewartet werden inwieweit es gelingen wird von diesen mit Kulturbouillon vorbehandelten Pferden ein wirksames Rotlaufserum zu gewinnen. Dass die Rotlaufbazillen durch Abwaschung nicht abgetötet, sondern nur abgeschwächt wurden, konnte kulturell nachgewiesen werden. Wurden nämlich von ihnen Bouillon-, Gelatine- oder Agarkulturen angelegt, so gingen alle gleich gut auf, gleichgültig ob die Bakterien i, 2, 3, 4 oder 5 mal abgewaschen worden waren. Auch stellte sich die Pathogenität in den Kulturen bald wieder ein, so dass mit 0,1 g. zweitägiger, bei 37° C. ge- wachsener, aus fünfmal abgewaschenen Rotlaufbazillen angelegter Bouillon, eine Taube innerhalb drei Tagen getötet werden konnte. Der Verlust an Giftsubstanzen infolge der Ahivaschjing wurde also in der Kultur wieder bald ausgeglichen. 40 Wurden die präzipitierten Bakterien nach jeder Abwaschung mikroskopisch untersucht, so ergab sich, dass die Farbstoffauf- nahme durch diese Behandlung keineswege gelitten hatte, im Gegenteil es hatte sogar den Anschein, als ob nach der Abwa- schung die Bakterien mehr Farbstoff aufgenommen hätten ; vielleicht ist dies daraus zu erklären, dass möglicherweise durch diese Behandlung die Bakterienwandung permeabeler geworden war und dieses eine stärkere Farbstoffaufnahme zur Folge hatte. Es konnte diese Tatsache beobachtet werden, gleichgültig ob die Färbung mit unverdünntem und verdünntem Gentianaviolett- Anilinwasser, unverdünntem und verdünntem Karbolfuchsin oder mit Methylenblau erfolgte. Für die Färbung nach Gram zeigte sich eine Ausnahme weil die Intensität der Färbung nach der Abwaschung abnahm, obwohl auch nach 5-maligem Abwaschen die Bakterien noch gut Grampositiv waren. Ergab sich aus den vorhergehenden Versuchen, dass die Rotlaufbazillen durch Abwaschen für Tauben in gewöhnlichen Dosen unschädlich gemacht wurden, so erschien es mir wün- schenswert, zu untersuchen, ob auch grössere Mengen ohne Nachteil vertragen werden könnten. Zu diesem Zweck wurde nachstehende Reihe Versuchstiere behandelt. Die benutzte Bouillonkultur war 24 Stunden alt und wurde wiederum mit 0,9 prozentiger physiologischer Koch- salzlösung abgewaschen. Kontrolltaube: 0,1 g Kultur; nach 3 Tagen an Rotlauf eingegangen. Taube 96: 0,1 » erste Abwaschung > 86 : 0,1 » zweite » » 57 : 0,1 » dritte » » 95 : 1,0 > zweite » gesund geblieben. nach 18 Tagen stark abge- [magert an Rotlauf eingegangen. Das Ergebnis dieser Untersuchung stimmt auffällig mit der Beobachtung Vaillard und ViNCENTS mit Tetanussporen überein. Waren eingeführte abgewaschene Sporen für die Versuchstiere unschädlich, mit grossen Dosen konnten sie konstant den Tod an Tetanus herbeiführen. Dieselbe Tatsache sehen wir auch hier: obwohl die Rotlaufbazillen bereits nach einmaliger Abwaschung 4ï in gewöhnlichen Dosen ihre Virulenz eingebiisst hatten, verursachte eine zehnfache Menge zweimal abgewaschener Bakterien den Tod des Versuchstieres an Rotlauf, welcher Tod sich zugleich durch das Auftreten einer sehr starken Abmagerung kennzeichnet. Zu meinem Bedauern kann ich dies nicht in Gewichtszahlen ausdrücken. Wie dieser Tod an Rotlauf nach i8 Tagen unter jenen Erscheinungen eingetreten ist, muss meiner Ansicht nach folgendermassen erklärt werden : Von den eingeführten grossen Mengen abgewaschener Bakterien erlag ein grosser Teil den Abwehrmitteln des normalen Organis- mus; dass dies wirklich geschieht, beweist die Tatsache, dass gewöhnliche Dosen in gleicherweise behandelter Bazillen unschäd- lich sind. Die hieraus frei werdenden intrazellulären Gittsubstanzen verursachen den grossen Gewichtsverlust (Endotoxinvergiftung). Nicht alle Bakterien konnten jedoch bei der bekannten langsamen Zerstörung der Rotlaufbazillen in hinreichend kurzer Zeit unschäd- lich gemacht werden, sodass die Übrigbleibenden Zeit fanden in dem Organismus ihre Virulenz zurückzuerhalten {ihr extrazelluläres Gift neuzubilden), wodurch sie in Stand gesetzt wurden, den durch Endotoxinvergiftung geschwächten Körper an Rotlauf zugrunde gehen zu lassen. Durch dieses Resultat kann daher der Beweis der Existenz von Endotoxinen sowohl als von extrazellulären Giften als bestärkt angesehen iverden. Ein ähnliches Resultat wurde zufälligerweise nach der Injektion einer Taube mit 0,5 g. spezifischen Serums und 3 g. Rotlauf- boillonkultur erzielt, mit der eine Kontrolltaube in 3 Tagen getötet wurde; das Serum und die Kultur wurden getrennt in einen Brustmuskel injiziert. Das Tier ging gleichfalls unter den Erscheinungen starker Abmagerung und Kachexie nach 10 Tagen an Rotlauf ein. Auch hier muss meiner Ansicht nach wieder an eine Endotoxinvergiftung, nach der Auflösung eines gewissen Teiles der eingeführten Bakterien zufolge der Serumwirkung, gedacht werden, worauf die übrigen den Tod des vergifteten Tieres an Rotlauf verursachten. Bei diesen Versuchen fällt zugleich in die Augen, dass durch die Einführung einer kleinen Dosis spezifischen Serums und einer grossen Menge virulenter Bazillen dieselbe Wirkung, wie nach der Injektion einer grossen Dosis abgewaschener Bakterien 42 ohne Serum, erzielt wurde. Später Avird sich die Gelegenheit bieten auf diese entsprechende Wirkung der Kultur und Serum einer- und abgewaschener Bazillen andrerseits zurückzukommen. Bisher erfolgte die Abwaschung stets mit 0,9 prozentiger physiologischer Kochsalzlösung ; diese Flüssigkeit war absichtlich gewählt worden, weil erwartet werden durfte, dass sie die Bazillen möglichst wenig schädige. Nun erschien es mir wün- schenswert als Abwaschmittel sterile Nährbouillon zu gebrau- chen, um zu untersuchen ob auch hierdurch die Wirkung der Rotlaufbazillen abgeschwächt wurde. Die Abwaschung erfolgte in der gleichen Weise wie früher für die physiologische Salzlösung angegeben worden ist. Folgende Tabelle zeigt das Resultat der Injektionen, für welche 24-stundige, abgewaschene Bouillonkultur gebraucht wurde : Kontrolltaube: 0,1 g Kultur; nach 3 Tagen an Rotlauf eingegangen. Taube 74: 0,1 g erste Abwaschung; nach 3 Tagen an Rotlauf eingegangen. » 76:0,1 »zweite » ; » 4 » » » » » 89:0,1 »dritte » ; » 3 > » » » Die Virulenz war also ungeschwächt erhalten geblieben, sodass man hieraus schliessen konnte, dass die Bouillon in diesem Falle von den Bakterien nichts abgewaschen hatte. Da die Möglichkeit nicht ausgeschlossen war, dass irgend ein Zufall hierbei im Spiele war, beschloss ich diesen Versuch zu wiederholen und statt drei-, fünfmal abzuwaschen. Andrerseits stieg die Ver- mutung auf, ob vielleicht in dem Kochsalzgehalt ein Unterschied bestanden haben könnte, der zu diesen abweichenden Resultaten führen konnte. Um dies zu entscheiden, wurde erst der Salz- gehalt der zu der folgenden Abwaschung anzuwendenden Bouillon festgestellt, der 0,58 Prozent betrug. Ausser mit dieser Bouillon wurde nun im Zusammenhang damit dieselbe Kultur überdies mit 0,6 prozentiger physiologischer Kochsalzlösung und auch mit aqua destillata, in der also Kochsalz völlig fehlte, abgewaschen. Wiederum wurde 24-stündige Rotlaufbouillonkultur abgewaschen. Wie die Resultate dieser Abwaschungen ausfielen, folgt aus nachstehender Tabelle : Kontrolltaube: o,i ^ r Taube 84 h'^ I » 90: « ^ r Taube 82: 43 g Kultur; nach 3 Tagen an Rotlauf eingegangen. : 0,1 g erste Abwaschung; nach 5 Tagen an Rotlauf [eingegangen. •r! u 3 1 2-1 -ii o ^<4 4) N - O bJ d fc> — ^ 00 -g o "^ o » 23: L > 93: f Taube 96: I ^ 81: 35: 58: 85: 0,1 » zweite 0,1 Î dritte 0,1 » erste o, [ » zweite 0,1 » dritte 0,1 » vierte 0,1 » erste 0,1 » zweite 0,1 » dritte 0,1 3> vierte 0,1 » fünfte gesund geblieben. » » nach 5 Tagen an Rotlauf [eingegangen, gesund geblieben. nach 2 1/2 Tagen an Rotlauf [eingegangen. » 4 Tagen an Rotlauf » 4 » > » » 3 » > » » 4 > » > Auch diesmal waren also die Rotlaufbazillen selbst nach fünf- maliger Abwaschung mit der Bouillon noch gleich virulent, und war deshalb von dieser Flüssigkeit nichts von den Bakterien abgewaschen worden, während die Resultate nach der Abwaschung mit aqua destillata und mit 0,6 prozentiger physiologischer Koch- salzlösung dieselben waren : in beiden Fällen hatte die Virulenz nach einmaliger Abwaschung abgenommen und nach häufigerer Abwaschung war solche völlig verschwunden. Auch in diesen beiden Flüssigkeiten waren die Bazillen nicht abgetötet worden, was durch Impfung in verschiedene Nähr- medien nachgewiesen werden konnte. Die Bazillen wuchsen nach allen Waschungen gleich gut und auch die Virulenz stellte sich wieder ein, ebenso wie dies nach der Abwaschung mit 0,9 prozentiger physiologischer Kochsalzlösung der Fall gewesen war. Auch die Färbung verhielt sich nach der Abwaschung mit aqua destillata und 0,6 prozentiger physiologischer Salzlösung in der gleichen Weise wie nach der Abwaschung mit 0,9 pro- zentiger physiologischer Kochsalzlösung, während nach der Abwaschung mit Bouillon kein Unterschied zwischen den fünfmal und den nicht abgewaschenen Bakterien, gleichgültig welche Färbungsmethode man angewendet hatte, wahrgenommen wurde. Der Salzgehalt der Abwaschflüssigkeiten hat also die abwei- chenden Resultate der Abwaschungen nicht beeinflust. Dies 44 war von vornherein auch schwerlich anzunehmen, da doch von verschiedenen Forschern nachgewiesen worden ist, dass gerade der Rotlaufbazillus Kochsalz gegenüber so ungemein resistent ist. Forster (51) bestreute Rotlaufreinkulturen auf festen Nähr- böden mit Kochsalz, sodass das in dem Nährmedium vorhandene Wasser hiermit übersättigt war und noch ungelöstes Salz die Kulturen bedeckte. Dessenungeachtet lebten die Bazillen wochen- lang fort. Petri (52) beobachtete, dass Rotlaufbazillen in 24-prozentiger Kochsalzlösung nach 1 1 Tagen noch nicht abgetötet worden w^aren ; in 14-prozentiger Lösung waren sie nach 26 Tagen noch lebensfähig und virulent. In gesalzenem Fleisch von Rotlauf- Schweinen hatte die Virulenz dieser Bakterien nach 30 Tagen noch nicht abgenommen. SvENNEBY (53) packte Milzen und Nieren von Rotlauf- Schweinen in Kochsalz ein und konnte hierin bis 5 Wochen danach durch Impfung bei Mäusen virulente Bazillen nach- weisen. Bei der Impfung nach 35 Tagen blieb die erste Maus am Leben ; während dieser Zeit waren die Organe stark ein- getrocknet, sodass sie sich völlig zerbröckeln Hessen. Kochsalz erweist sich also für Rotlaufbazillen als eine ganz harmlose Substanz. Dass die Bouillon nicht, wie die physiologischen Kochsalzlö- sungen und das destillierte Wasser, die Giftsubstanzen dieser Bakterien abzuwaschen vermag, ist vielleicht darin zu suchen, dass die Bouillon dickflüssiger ist. Ist diese Ansicht richtig, so müssten die Bazillen nach dem Abwaschen mit Flüssigkeiten von ungefähr gleicher Beschaffenheit, wie zum Beispiel Ol, oder mit solchen von gleicher Viskosität, wie zum Beispiel Syr. sim- plex-lösungen, gleichfalls ihre Virulenz ungeschwächt behalten. Derartige Kontrollabwaschungen sind von mir nicht vorge- nommen worden, sodass augenblicklich nicht entschieden werden kann, ob diese Vermutung richtig sei. Es besteht nämlich noch eine andere Möglichkeit : Nimmt doch Bouillon hinsichtlich der Bakterien im allgemeinen dadurch, dass sie wiegen der gelösten Eiweisstoffe als eine sol-kolloide Flüssigkeit im Sinne GRAHAMS aufzufassen ist, eine besondere Stelle ein ; durch diese Eigenschaft dringt sie nicht so leicht wie eine kristalloide Flüssigkeit, zum Beispiel physiologische 45 Kochsalzlösung, in die Bakterienwandung ein, aus welchem Grunde ihre Fähigkeit, etwas aus der Bakterienwand auszu- waschen, als viel geringer zu betrachten wäre. Diese in der Bouillon gelösten Substanzen können vielmehr einen schützenden Einfluss auf die Bakterien im allgemeinen ausüben, was POELS (47) auch für den Rotlaufbazillus nachwies. Wenn POELS gleiche Mengen dieser Mikroorganismen zu einem Tropfen physiologischer Kochsalzlösung und zu einem Tropfen Bouillon hinzufügte und beide Tropfen eintrocknen liess, so enthielt die eingetrocknete Bouillon noch lebende Rotlaufbazillen lange nachdem diese in der Kochsalzlösung abgetötet worden waren. Schliesslich starben auch die in der Bouillon getrock- neten Bazillen ab, jedoch erst viel später. Dies ist ganz bestimmt dem Umstände zuzuschreiben, dass Bouillonbestandteile, Eiweisstoffe u. s. w., auf den Rotlaufbazillus präzipitieren, welche an der Wandung eine schützende Schicht bilden und sie in dieser Weise längere Zeit gegen Austrocknen schützen. Es könnte vielleicht auch sein, dass beim Abwaschen sich derartige Bouillonsubstanzen mehr oder weniger fest an den Bakterienkörpern haften und dadurch eine Abwaschung der Bakterienbestandteile behindern. Nachdem die früheren Forschungen entscheidend bewiesen hatten, dass die Rotlaufbazillen durch Abwaschung derart abge- schwächt werden können, dass sie in gewöhnlichen Dosen für die Versuchstiere unschädlich geworden sind, war es wünschens- wert zu untersuchen, welcher Prozess im Tierkörper stattfindet, nachdem diese abgewaschenen Bakterien eingeführt wurden. Zum Vergleich musste gleichfalls untersucht werden, wie virulente Bakterien sich verhalten, wenn sie, um die Versuchstiere vor einer Infektion zu behüten, mit einer genügenden Menge spezi- fischen Serums injiziert werden. In beiden Fällen ist jedoch dasselbe Resultat: das Gesundbleiben der Versuchtstiere, erzielt worden, welches Resultat nur durch die Abtötung der eingeführten Bazillen zustande kommen kann. Ausser diesen vergleichenden Versuchen war es von Interesse gleichfalls zu untersuchen, was in dem Organismus vorgeht, wenn dieselben Versuchstieren mit tödlichen Dosen virulenter Rotlaufbazillen, ohne Serum, infiziert 46 werden. Weil doch in diesem Falle die Infektion fortschreitet, ist es selbstretend dass hierbei andere Vorgänge stattfinden müssen. Als Versuchstiere wurden für diese Untersuchungen Kaninchen gewählt, weil diese dem Rotlauf gegenüber viel weniger empfäng- lich sind, nach KiTT (54) häufig sogar unempfänglich ; bei diesen Tieren konnte daher der Verlauf, wegen der langsameren Entwickelung des Infektionsprozesses, während längerer Zeit als bei Tauben beobachtet werden, da Tauben gewöhnlich 3 Tage nach der Impfung an Rotlauf zugrunde gehen. Die behandelten Kaninchen wurden in 3 Gruppen, jede zu 4 Stück, geteilt; der ersten Gruppe wurde i g virulenter Rotlauf- bouillonkultur (welche Kultur die Kontrolltaube nach einer Dosis von 0,1 g nach 2 1/2 Tagen tötete) intraperitoneal injiziert; bei der zweiten Gruppe wurde die gleiche Dosis dieser Kultur in derselben Weise eingeführt, doch waren diese Tiere 24 Stunden zuvor, durch eine subkutane Injektion von 5 g Rotlaufserum an der Innenseite des Schenkels, passiv immunisiert worden. Der letzten Gruppe wurde, gleichfalls in die Bauchhöhle, i g einer Suspension zweimal in 0,9 prozentiger physiologischer Kochsalzlösung abgewaschener Rotlaufbazillen, ohne Serum, injiziert. Jeden Tag, zum erstenmal 24 Stunden nach den Bakterien- injektionen, wurde von jeder Gruppe ein Kaninchen getötet und untersucht; diese Untersuchung bestand in der Anfertigung mikroskopischer Präparate aus der Bauchhöhlenflüssigkeit, welche nach der Gramschen Methode gefärbt wurden, während aus dieser Flüssigkeit gleichfalls Kulturen in Bouillon, auf Agar und auf Gelatine angelegt wurden ; auch aus Leber und Milz wurden diese Kulturen angelegt. Das Verhalten der unter diesen verschiedenen Umständen eingeführten Rotlaufbazillen konnte daher während 4 Tage beobachtet werden. Dieser Zeitraum wurde als hinreichend erachtet, da angenommen werden durfte, dass in dieser Zeit bei der Einführung von Serum und Kultur, oder zweimal abgewaschener Bakterien, die sich in nicht zu grossen Dosen für Tauben als unschädlich erwiesen hatten, der Vernichtungsprozess der injizierten Mikroorganismen beendet sei. Nachstehende Übersicht gibt die hierbei erzielten Resultaten an : 47 /. Mît virulenter Kultur behandelte Kaninchen. Nach 24 Stunden: Bauchhöhle: Mikroskopisch einzelne Rotlaufbazillen; ziemlich zahlreiche Leukozyten, von denen vereinzelte zerfallene Bazillen enthielten. Kulturen aus der Bauchhöhlenflüssigkeit gut gewachsen. Leber und Milz normales Äussere; hieraus angelegte Kulturen nicht gewachsen. Nach 48 Stunden: Bauchhöhle : Mikroskopisch einzelne Bazillen ; Anzahl Leukozyten ungefähr wie nach 24 Stunden, weniger Phagocytose. Kulturen aus der Bauchhöhlenflüssigkeit gut aufgegangen. Leber und Milz normales Äussere ; kulturell keine Bazillen. Nach 3 Tagen : Bauchhöhle : Mikroskopisch Bazillen, mehr als nach i und 2 Tagen : weniger Leukozyten; sehr schwache Phagocytose. Kulturen aus der Bauchhöhlenflüssigkeit sehr gut gewachsen. Leber und Milz geschwollen; angelegte Kulturen wenig gewachsen. Nach 4 Tagen: Bauchhöhle : Mikroskopisch Bazillen, ihre Anzahl ungefähr wie nach 3 Tagen ; Peritoneum injiziert. Anzahl Leukozyten grösser als nach 3 Tagen, Phagocytose etwas stärker. Kulturen aus der Bauchhöhlenflüssigkeit gut gewachsen. Leber und Milz stärker geschwollen; angelegte Kulturen gewachsen, obwohl nicht so stark wie nach der Organschwellung erwartet wurde. Es fiel bei der Untersuchung der Bauchhöhlenflüssigkeit auf, dass im Verhältnis zu der Menge der eingeführten Bakterien, Rotlaufbazillen mikroskopisch nur sehr spärlich vorgefunden wurden ; erst nach 3 Tagen nahm diese Anzahl in jenen Präpa- raten etwas zu. Auch bei Tauben, die nach intraperitonealer Infektion zu verschiedenen Zeiten untersucht wurden, schien es, als ob die Anzahl eingeführter Bazillen in der ersten Zeit ab- nähme; erst später, beträchtlich kurz vor dem Tode, konnte eine sehr starke Bakterienvermehrung in der Bauchhöhle und in den inneren Organen konstatiert werden. Während der ganzen Beobachtungszeit fand eine schwache Phagocytose statt ; einige der aufgetretenen Leukozyten ent- hielten zerfallene Rotlaufbazillen, welche sich nach der Färbung nach der Gramschen Methode meist als mehr oder weniofer dunkelblaue Körner in den weissen Blutkörperchen kenntlich machten. 48 Dass die Körner als von zerfallenen Rotlaufbazillen herrührend erachtet werden müssen, ist als sehr wahrscheinlich anzunehmen. Auch Pampoukis (55) der an Rotlauf eingegangene Schweine untersuchte, fand diese Körner manchmal in weissen Blutkör- perchen vor und betrachtete sie gleichfalls als von zu zerfallen beginnenden Rotlaufbazillen herrührend, während JAROTZKY (56) bei seinen Studien über Phagocytose, gleichfalls die violetten Punkte, welche er bei Rotlauf in den polynukleären Leukozyten wahrnahm, derselben Ursache zuschrieb. Wie langsam die Verbreitung der Rotlaufbazillen bei dem Kaninchen stattfindet, geht aus der Beobachtung hervor, dass erst 3 Tage nach der Injektion in den inneren Organen Bazillen kulturell nachgewiesen werden konnten. //. Mit Serum und Kultur behandelte Kaninchen. Nach 24 Stunden: Bauchhöhle: Mikroskopisch keine Rotlaufbazillen, grosse Menge Leu- kozyten, welche fast alle zerfallene Bazillen aufgenommen hatten. Aus der Bauchhöhlenflüssigkeit angelegte Kulturen nach 24 Stunden schwach gewachsen. Leber und Milz normales Äussere; Kulturen hieraus nicht gewachsen. Nach 48 Stunden : Bauchhöhle: Mikroskopisch keine Bazillen; Anzahl Leukozyten und Phagocytose wie nach 24 Stunden, Aus der Bauchhöhlenflüssigkeit angelegte Kulturen schwach gewachsen. Leber und Milz normales Äussere; Kulturen hieraus nicht gewachsen. Nach 3 Tagen: Bauchhöhle: Mikroskopisch keine Bazillen; Anzahl Leukozyten abge- nommen; keine blauen Körner mehr, doch in einigen Leukozyten nur noch farblose, stark lichtbrechende Körner vorhanden. Aus der Bauchhöhlenflüssigkeit angelegte Kulturen nicht mehr gewachsen. Leber und Milz normales Aussehen ; kulturell hieraus keine Bazillen gewachsen. Nach 4 Tagen : Bauchhöhle: Mikroskopisch noch kulturell in der Bauchhöhlenflüssigkeit Bazillen nachgewiesen. Phagocytose beendet, Anzahl Leukozyten bedeutend abgenommen. Leber und Milz normales Aussehen; angelegte Kulturen nicht gewachsen. 49 ///. Mit ahsewaschencn Bazillen behandelte Kaninchen. Nach 24 Stunden: Bauchhöhle : Mikroskopisch keine Rotlaufbazillen ; sehr zahlreiche Leukozyten, starke Phagocytose. Kulturen aus der Bauchhöhlen- flüssigkeit nach 24 Stunden schwach gewachsen. Leber und Milz normales Aussehen ; kulturell keine Bazillen gefunden. Nach 48 Stunden : Bauchhöhle : Mikroskopisch keine Bazillen ; Anzahl Leukozyten und Phagocytose etwas abgenommen. Kulturen aus der Bauchhöhlen- flüssigkeit nicht gewachsen. Leber und Milz normales Aussehen ; in den Kulturen keine Bazillen gewachsen. Nach 3 und nach 4 Tagen: Bauchhöhle : Weder mikroskopisch noch kulturell in der Bauchhöhlen- flüssigkeit Bazillen nachgewiesen. Anzahl Leukozyten bedeutend abgenommen; Phagocytose nicht mehr wahrgenommen. Leber und Milz normales Aussehen ; kulturell keine Bazillen gefunden. Wenn wir die Resultate dieser vergleichenden Untersuchungen betrachten, so sehen wir, dass bei den mit Serum und Kultur sowohl als bei den mit abgewaschenen Bazillen injizierten Kaninchen, 24 Stunden nach der Injektion eine sehr grosse Anzahl Leukozyten aufgetreten ist, erheblich grösser als dies nach der Injektion virulenter Kulturen der Fall war. Die weissen Blutkörperchen enthielten, der grössten Mehrzahl nach, in ver- schiedenen Stadien des Zerfalls befindliche Rotlaufbazillen, z. w, von gleichsam unbeschädigten Bazillen bis zu stark lichtbre- chenden Körnern. Die Leukozytose trat daher erheblich stärker als nach einer Injektion virulenter Kultur in den Vordergrund, wo sie zwar auch bestand, doch prozentweise nur bis auf einen sehr kleinen Teil der weissen Blutkörperchen beschränkt blieb, während gleich- zeitig das Vorhandensein lebender Bazillen stets nachgewiesen werden konnte. Wurden 3 Tage nach der Kulturinjektion in den innern Organen Rotlaufbazillen angetroffen, bei einer Serum- und Kultur-, oder abgewaschener Kulturinjektion blieben diese, wie die kulturelle Untersuchung ergab, von einer Bakterieninvasion verschont ; hieraus ist zu schliessen, dass in beiden Fällen alle 4 50 intraperitoneal eingeführte Bazillen an dortiger Stelle abgetötet wurden. Jedoch abgesehen von den zerfallenen Mikroorganismen in den weissen Blutkörperchen wurden in einigen mikroskopischen Präparaten der Bauchhöhlenflüssigkeit, speziell der mit Serum und Kultur injizierten Kaninchen ausser den Leukozyten, dunkel- gefärbte Körner angetroffen, welche Körner einen gewissen Grad von Gramfestigkeit behalten hatten. Farbstoffniederschlag ist als sehr unwahrscheinlich zu erachten, weshalb hierbei viel- leicht an zufolge Bakterizidie zerfallene Rotlaufbazillen gedacht werden muss. Auch nach der Injektion der abgewaschenen Bazillen wurden diese Körner, obwohl weniger zahlreich, ange- troffen, während sie in den Präparaten der Bauchhöhlenflüssigkeit der mit virulenter Kultur behandelten Kaninchen nicht nach- gewiesen werden konnten. Nach der mikroskopischen Beobachtung besteht also, was die Zerstöring der eingeführten Bazillen betrifft, ob diese mit Serum eingeführt wurden, oder ob sie vorher abgewaschen worden waren, eine grosse Übereinstimmung. Andrerseits bestand in dem Abtötungsprozess geringer Unterschied; nämlich die Zeit der Abtötung war verschieden : Während bei der Einführung bei dem immunisierten Kaninchen 2 Tage nachher in der Bauchhöhle noch lebende Rotlaufbazillen vorhanden waren und nach 3 Tagen noch eine, obschon stark abgenommene, Leuko- zytose bestand, waren solche bei der Injektion abgewaschener Bakterien bereits nach 48 Stunden abgetötet und hatte die Auf- nahme in die Leukozyten schon nach 3 Tagen völlig aufgehört. Hieraus folgt also, dass die abgewaschenen Bakterien rascher unschädlich gemacht worden waren, als wenn die Abtötung mittels Immunserums erfolgt war. Auch hier fällt der langsame Verlauf des Prozesses bei dem Kaninchen in die Augen; findet dieser doch bei andern Ver- suchstieren viel schneller statt: Jarotzky (56) konstatierte dass, wenn er weissen Mäusen, die er zuvor passiv immunisiert hatte, Rotlaufbazillen injizierte, der ganze Prozess der Phagocy- tose bereits nach 44 Stunden vollständig beendet war, während dies bei Tauben, nach den Forschungen VOGES (43), schon nach i8 Stunden der Fall war. Dass die abgewaschenen Bazillen im Tierkörper rascher als 5ï die nicht abgewaschenen mit Hilfe der Serumwirkung zerstört werden, liegt vielleicht an dem eigentümlichen Bau des Rotlauf- bazillus, dessen Protoplasma von einer sehr resistenten, wäch- sernen, schützenden Membran wie von einem Panzer umgeben ist. Wie bereits früher bei der Färbung der abgewaschenen Bakterien ei »vähnt worden ist, besteht die Wahrscheinlichkeit dass durch diese Behandlung die Bakterienwandung permeabeler gemacht wird ; durch diese veränderte Eigenschaft ist die Mög- lichkeit vorhanden, dass die Bakterien durch die bakteriziden Flüssigkeiten rascher angegriffen werden. Diese Annahme schliesst sich völlig der Ansicht VOGES und SCHUTZ (49) an, nach welcher der Tierkörper über bestimmte Mittel verfügt, um die Entpanzerung der Rotlaufbazillen hervorzurufen, wonach erst die Zerstörung des Bakteriumprotoplasmas zustande kommt. Wird die Bakterienwandung durch das Abwaschen permea- beler gemacht, so muss eine raschere Auflösung des Bazillus von selbst die Folge sein. Fassen wir die Resultate der zweiten Hälfte meiner Forschungen zusammen, so folgt hieraus, dass der Rotlaufbazillus eine äusserliche Giftsuhstanz bildet, welche mehr oder wetiiger fest mit der Bakterienwandung verbunden ist und durch Abwaschung, ebenso wie das Toxin der Tetanussporen, entfernt werden kann, während es sehr wahrscheinlich ist dass diese extr azellulär eyi Giftsubstanzen, wie sich aus der Reaktion der Pferde ergibt, in die Kulturbouillon übergehen können. Hämolysinbildung durch Rotlaufbazillen. Wie am Schlüsse der Einleitung mitgeteilt worden ist, kann in dem Tierkörper unter dem E'ifluss der Rotlaufbazillen häufig eine Hämolyse beobachtet werden, welche auf der Bildung bestimmter Giftstoffe, Hämolysine genannt, beruhen muss. Ich hielt es für wünschenswert zu untersuchen, ob diese Hämolyse, ebenso wie für den Milzbrandbazillus, auch in vitro nachgewiesen werden könnte, speziell weil in der Literatur über diesen Punkt, insoweit sie den Rotlaufbazillus betrifft, überhaupt keine M' teilungen angetroffen werden. Was den Milzbrandbazillus betrifft, hat VON WUNSCHHEIM 5^ (57) die Hämolyse in dem Tierkörper und im Reagenzglase untersucht und kam zu dem Resultat, dass das bei dieser Infektion den roten Blutkörperchen schädigende Agens, das Bakteriohämolysin, von den Bakterien nur im Tierkörper erzeugt wird und in vitro nicht nachgewiesen werden kann. Jedoch kam nach ihm VON Krogh (58) zu einem entgegen- gesetzten Resultat. Dieser benutzte zu seinen Forschungen Agarplatten, denen er 10 Prozent defibriniertes Kaninchen-, Hammel- und Pferdeblut zusetzte, oder auch 5 Prozent der aus diesen Blutarten abgewaschenen Blutkörperchen, in welche Platten er mit der Platinnadel 15 verschiedene Milzbrandstämme impfte. Es stellte sich heraus, dass durch alle Stämme eine mehr oder weniger starke Hämolyse erzeugt wurde, welcher Blutfârbstoffaustritt etwas stärker war, wenn er defibriniertes Blut als wenn er abgewaschene Blutkörperchen den Agarplatten zugesetzt hatte. Die auftretende Hämolyse machte sich dadurch kenntlich, dass nach 24. — 48 Stunden um die Milzbrandkolonien ein deut- licher durchsichtiger Hof entstand, der mit dem Koloniewachs- tum mehr und mehr vorgeschoben wurde. Nach diesen günstigen Resultaten, welche VON Krogh mit dem Milzbrandbazillus erreichte, beschloss ich auch für den Rotlaufbazillus in derselben Weise mit Hilfe von Blutagarplatten zu experimentieren. Als Blutart wurde hierzu das Blut von Schweinen benutzt, eine Tierart also, bei welcher der Rotlauf- bazillus imstande ist, in vivo Hämolyse zu erzeugen. Dem flüssigen Agar-Agar wurden 10 Prozent defibriniertes Schweineblut zugesetzt und dieses Gemisch in ein wenig vorgewärmte Petri- schale gegossen, um eine zu schnelle Gerinnung vorzubeugen und also eine möglichst dünne Platte zu erzielen. Hatte doch VON Krogh wahrgenommen, dass bei dünneren Platten die Hämolyse früher auftrat und deutlicher sichtbar wurde. Auf diese Nährböden wurden an sechs verschiedene Stellen mittelst der Platinnadel aus i — 8-tägigen Strichagarkulturen herrührende Rotlaufbazillen durch einfaches Berühren der Platte geimpft. Diese verschieden alten Kulturen wurden benutzt, nachdem mir Professor POELS mitgeteilt hatte, dass bei einigen andern Bak- terien, zum Beispiel bei Choleravibrionen beobachtet worden sei, dass diese in der ersten Periode ihres Wachstums Hämolyse 53 herbeiführen können und nachher diese Fähigkeit zuweilen während einiger Zeit einbüssen, um sich danach wieder einzustellen. Nach ein und zwei Tagen hatten sich gewöhnlich auf den Blutagarplatten ziemlich deutlich Kolonien entwickelt, doch blieb die rotbraune Farbe jener Platten über der gesamten Oberfläche gleich, und ein durchsichtiger Hof in der Umgebung der Kolonienj wie VON Kroch bei Milzbrand beobachtete, war auch mit der Lupe nicht zu sehen. Nach diesem mit Schweineblut erzielten negativen Resultate wurden die Forschungen mit anderen Blutarten und auf andere Weise fortgesetzt: Den Gläschen Nährbouillon wurden steriles Rinder-, Kaninchen- und Taubenblut zugesetzt und diese verschiedenen Gemische Blutbouillon mit Rotlaufbazillen geimpft, welche, wie bei den Untersuchungen mit Blutagarplatten, aus i — 8 Tage alten Strichagarkulturen genommen wurden. Hierin wuchsen die Bazillen im allgemeinen gut, die Bouillon wurde etwas trübe, doch blieb das eingeführte Blut während der viertägigen Beob- achtungszeit stets als eine Masse unten in den Bouillongläschen liegen, ohne dass irgendwelche Hämolyseerscheinung wahrge- nommen werden konnte. Wenn die Rotlaufbazillen in diesen Nährböden Hämolysine gebildet hätten, so wäre der Farbstoff aus den Blutkörperchen ausgetreten und hätte die Kulturflüssigkeit innerhalb beträchtlich kurzer Zeit diffus rot gefärbt. Zwar erfolgte nach 4 Tagen ein geringes Austreten des Blutfarbstoffs, doch konnte hierbei an eine Hämolysinbildung nicht gedacht werden, weil bei längerem Stehen dieser Austritt gewöhnlich spontan stattfindet. Da nun auch auf diese Weise keine Hämolyse stattfand, wurden diese Untersuchungen etwas anders angestellt und wurden be- stimmte Mengen ein- bis achttägiger Rotlaufbouillonkulturen denselben Gemischen Blutbouillon, wie bei dem vorigen Versuch, zugesetzt. Auch bei diesen Versuchen waren die Resultaten völlig die gleichen und blieb die Hämolyse vollständig aus. Auf Grund dieser Versuche muss man also annehmen, dass, obschon eine Hämolyse in vivo bei an Rotlauf leidenden Schweinen ganz bestimmt auftritt, diese in vitro nicht nachgewiesen werden kann. 54 Waren bisher alle Untersuchungen zu dem Zweck angestellt nachzuweisen, dass auch für den Rotlaufbazillus toxische Sub- stanzen anzunehmen sind, schliesslich musste es versucht werden diese Giftsubstanzen zu gewinnen, indem man die Bakterienkörper der Einwirkung von Substanzen, welche die Zellwand angreifen und den Inhalt zur Auflösung bringen, aussetzt, um hierauf die Giftwirkung dieser Substanze, durch Injektion bei Versuchstieren zu prüfen. Von den gewöhnlichen Extraktionsmitteln, die zur Auflösung von Endotoxinen bei verschiedenen Bakterien erfolgreich angewendet werden, wie Äther, Alkohol, Glyzerin und andere, musste bei dem Rotlaufbazillus jedoch abgesehen werden, weil dieser, wie bereits erwähnt, eine sehr widerstandsfähige, wächsartige Hülle besitzt, die das Bakterium gegen eine Auslaugung mit jenen Flüssigkeiten vollkommen schützt. Verschiedene Forscher haben die Einwirkung vielen dieser Mittel auf Rotlaufbazillen untersucht : Stadie (59) behandelte das Präzipitat aus Rotlaufbouillon- kulturen sechs Tage lang ununterbrochen mit Äther ; trotz dieser Auslaugung hatten die Bazillen ihre Form gut behalten, allein die Gramfestigkeit war verschwunden. Auch VOGES und SCHÜTZ (49) suchten die Rotlaufbazillen nach der Trocknung, unter Anwendung von Alkohol, Chloroform, Äther, Benzin und Xylol, zur Auflösung zu bringen, gleichfalls ohne Resultat. Diese getrockneten Bazillen, welche in grosser Menge zusammen das Aussehen von Bienenwachs hatten, konnten auch auf mechanischem Wege durch stundenlanges Zerreiben nicht vernichtet werden, während solches doch bei Tuberkelbazillen, deren Wandung ebenfalls sehr stark ist, gelang. Der einzige Stoff der, wie VOGES und SCHÜTZ beobachteten, diese wachsartige Bakterien wandung angreift, ist L?uge. Diese Mitteilungen gaben den Fingerzeig, Rotlaufbazillen mit der sehr stark laugenhaltigen Flüssigkeit »Antiformin" zu behandeln, um zu versuchen hiermit Bakterienextrakte zu gewinnen und die Bakterien völlig zur Auflösung zu bringen. Diese Flüssigkeit, welche besteht aus: Calcium hypochlorit. 10, sol. hydrat. natric. 100 und aq. destillata 100, ist als das wohlbekannte Eau de Javelle mit einem Zusatz freien Alkalis zu betrachten und wurde die ersten Jahre nach der Erfindung von FöRNELL und Sjoö in Stockholm im Jahre 1900, wegen 55 ihrer reinigenden und schleimlösenden Wirkung ausschliesslich im Braugewerbe zur Reinigung und Desinfizierung von Bierlei- tungen angewendet ; erst später wurde sie in die Bakteriologie eingeführt. Uhlenhuth und Xylander (6o), welche die Wirkung der- selben untersuchten, fanden dass bereits 2 — 5-prozentige Anti- forminlösungen die Fähigkeit besitzen, die meisten Bakterien, in Wasser verteilt, in 5 — 20 Minuten vollständig aufzulösen (wie Zucker in Wasser) sodass die Flüssigkeit völlig klar wird ; Milzbrandbazillen und -sporen waren von den von ihnen unter- suchten Bakterien am meisten resistent. Tuberkelbazillen und andere säurenfeste Stäbchen bildeten jedoch eine Ausnahme und verhielten sich sogar koncentrierten Lösungen gegenüber volkommen refraktär ; wohl ballten sich die Tuberkelbazillen zu Klümpchen zusammen, doch fand eine Auflösung nicht statt. Antiforminlösungen von 15 — 20 Prozent töteten sogar Auf- schwemmungen von Tuberkelbazillen nicht ab ; erst in 50-prozen- tiger Lösung konnte dies konstatiert, werden. Diese Eigenschaft schreiben jene Untersucher der biochemischen Konstitution der Tuberkelbazillen, z.w. dem Vorhandensein einer Fettwachshülle, zu, welche diese Bakterien wie ein resistenter Panzer umgibt. Wegen dieses besonderen Verhältnisses hinsichtlich der Tuber- kelbazillen wird das Antiformin bei der Sputumuntersuchung allgemein angewandt : Werden die zu untersuchenden Sputa oder anderes tuberkulöses Material mit einer Antiforminlösung behan- delt, so werden die Tuberkelbazillen von andern sie begleitenden Bakterien befreit und von dem sie umgebenden Schleime gelöst, wodurch die mikroskopische Untersuchung vereinfacht wird. Tuchler (61) untersuchte die Wirkung der Antiformins auf Milzbrandbazillen und -sporen etwas genauer und stellte fest dass 2V2"prozentige Lösungen bereits nach 5 Minuten die Bak- terien zur Schwellung bringen, während nach 30 Minuten ein körniger Zerfall eintritt und nach 50 — 60 Minuten die Bazillen vollständig gelöst sind. Nach 5 Minuten waren in dieser Lösung die Milzbrandbazillen bereits abgetötet. Was die Milzbrandsporen betrifft, diese wurden in 24 Stunden weder durch eine 2V2-prozentige noch durch eine 5-prozentige Antiforminlösung abgetötet, 5Ö Altmann und Schultz (62) behandelten Typhusagarkulturen mit 2-prozentigen Antiformin und diese wurden in 30 Minuten bereits mit 10 ccm. dieser Flüssigkeit vollständig gelöst. In dem Antiformin haben wir also ein besonders kräftiges Lösungsmittel, von dem erwartet werden durfte, dass es wegen seines freien Alkali-gehalts im stände wäre die Rotlaufbazillen anzugreifen, bezw. nach kürzer oder längerer Zeit zur voll- ständigen Auflösung zu bringen. Um eine Giftwirkung zu erzielen, würde man jedoch keine Bakterienlösungen benutzen können, weil Uhlenhuth und Xylander (60) durch ihre Untersuchung bewiesen hatten, dass, wenn Bakterien durch Antiformin aufgelöst werden, die Bak- teriengifte — die Toxine sowie die Endotoxine — abgebaut und unschädlich gemacht werden ; durch eine Injektion dieser aufgelösten Giftsubstanzen würde also keine Giftwirkung erzielt werden können. Daher müsste angestrebt werden, die Wächshülle der Rotlauf - bazillen durch Antiforminlösungen einer bestimmten Konzen- tration nur wenig zu schwächen, sodass jene im Tierkörper leicht aufgelöst werden und die hierdurch rascher und in grös- seren Mengen freiwerdenden Endotoxine ihre Giftwirkung im Organismus der Versuchstiere ausüben könnten ; die Antifor- minlösungen müssten m.a.W. so stark gemacht werden, dass die Bakterienwandung angegriffen würde, ohne dass eine Resorption des Bakterienprotoplasmas zustande kommen könnte. Zu diesem Zweck wurde zuerst die Wirkung einer 5-prozen- tigen Lösung auf die Form und die Gramfestigkeit der Rot- laufbazillen untersucht und zugleich nachgeforscht, innerhalb welcher Zeit sie in einer derartigen Lösung abgetötet werden. Wurden Präzipitate aus zentrifugierten Rotlaufbouillonkulturen mit 5-prozentiger Antiforminlösung behandelt, so wurde diese Flüssigkeit durch die darin enthaltenen Bazillen nicht getrübt, wie solches geschieht, wenn diese Bakterien in Wasser oder physiologische Kochsalzlösungen gebracht werden, sondern sanken sie als flockige Massen zu Boden. Es wurde also hierbei dieselbe Beobachtung gemacht, wie auch UlILENHUTH und Xylander für Tuberkelbazillen wahrnahmen, welche Bazillen ungefähr in der gleichen Weise gebaut, nämlich auch mit einer wachsartigen, resistenten Bakterienhaut versehen sind. 5; Nach ein Verweilen von 3 Stunden in dieser Lösung schienen die Bazillen, nachdem sie nach der Gramschen Methode gefärbt worden waren, etwas geschwollen zu sein und waren die Enden mehr abgerundet; von einer Auflösung oder einem Bakterien- zerfall war jedoch keine Rede: nach 10 Tagen hatten die Bazillen noch stets dasselbe Aussehen und waren sie noch ebenso Gramfest wie vor der Antiforminbehandlung. In einer 5-prozcntigen Lösung werden die Bakterien ziemlich schnell abgetötet ; um dies zu untersuchen, wurden von den in der Antiforminlösung liegenden flockigen Bakterienmassen während einer halben Stunde jede 5 Minuten Bouillon-, Agar- und Gelatinekulturen angelegt. Von den nach 10 Minuten geimpften gingen noch einige Bouillonkulturen auf, während von nach 15 Minuten geimpften alle Nährböden steriel blieben. Fassen wir diese Ergebnisse zusammen, so ergibt sich, dass eine 5-prozentige Antiforminlösung erst nach 15 Minuten alle Rotlauf- bazillen abzutöten vermag, während diese hierin nach 10 Tagen nicht aufgelöst werden und sogar ihre Gramfestigkeit behalten. Nach dieser Untersuchung erschien es mir wünschenswert diese Antiforminlösung anzuwenden, um die Bakterienwandung einigermassen zu schwächen ; obwohl dies nach der Färbung unter dem Mikroskop auch nicht sichtbar war, mussten in dieser Lösung die Bakterien doch etwas gelitten haben : Sehen die aus einer Kultur sedimentierten Rotlaufbazillen fettig: aus, nachdem sie einige Stunden der Einwirkung einer 5-prozentigen Antifor- minlösung ausgesetzt wurden, war dieses fettwachsartige Aus- sehen verschwunden und waren die Bakterienklümpchen loser, als körnige Massen mit einander verbunden. Würden stärkere Lösungen gebraucht, so gingen vielleicht Bakteriensubstanzen in Auflösung über und würden dabei durch Abbau ihre Gift- wirkung einbüssen. Für diese Untersuchungen mittels Injektion bei Versuchstieren wurde 3-tägige Rotlaufbouillonkultur, deren präzipitierte Bazillen bestimmte Zeiten der Einwirkung eines Überschusses 5-prozentiger frisch hergestellter Antiforminlösung ausgesetzt wurden, verwendet. Nach Neutralisierung des Antiformins wurden die Bazillen mittels Zentrifuge gesammelt und diese mit steriler Rinderbouillon bei Tauben in die Brustmuskel eingeführt. Jeder Taube wurden die Bazillen aus 100 g Kultur, mit 2 g Bouillon gemischt, injiziert. 58 Die Neutralisierung des Antiformins erfolgte durch Zusatz von 5-Prozent Schwefelsäure — um das Alkali zu binden — und 5-Prozent Natrium-sulfit um die Chlorwirkung unschädlich zu machen. Lackmus- und Jodkaliumstärkepapier dienten hierbei als Indikatoren. Die Resultate dieser Injektionen waren folgende : Zeit der Einwirkung des _, , . ^.r . Bemerkungen. Antiformms ° Taube Nr. i 30 Minuten keine Reaktion. ,, „ 16 I Stunde „ ,, nach 13 Tagen einge- gangen, nicht an Rot lauf doch stark abge- magert. keine Reaktion. 20 2 21 3 22 4 81 5 17 6 , 23 25 28 35 24 30 Mit den Bazillen aus 100 g Rotlauf bouillonkultur, nach 6-stündiger Einwirkung von y Prozent Antiformin, gelang es also tatsächlich die Taube Nr. ly unter den typischen Erschei- nungen der Endotoxinvergiftung, nach ij Tagen zu töten. Von Rotlaufbazillen konnte in den inneren Organen genannter Taube keine Spur entdeckt werden, sodass der Tod an Rotlauf ausgeschlossen werden muss. Dass die übrigen Tauben während der Beobachtungszeit, 6 Wochen lang gesund geblieben sind, ist veilleicht auf eine zu schwache, bezw. zu starke Einwirkung des Antiformins zurückzuführen, während im Zusammenhang hiermit ein Unterschied betreffs der rascheren Resorption der eingeführten Bazillen bei den verschiedenen Tauben auch eine Rolle gespielt haben kann. Ausser diesen Untersuchungen wurden noch Versuche angestellt um Rotlauf bazillen durch Antiformin zur Auflösung zu bringen. Da sich herausgestellt hatte, dass 5-prozentige Lösungen hierzu 59 nicht im stände waren, so wurden die Versuche mit stärkeren Konzentrationen wiederholt, indem die präzipitierten Bakterien aus zweitägiger Bouillonkultur mit reichlichen Mengen einer frisch hergestellten Antiforminlösung von lo, 15 resp. 25 Prozent gemischt wurden. Auch in diesen Lösungen verteilten die Bazillen sich nicht in der Flüssigkeit, sondern ballten sich zu kleinen Klümpchen zusammen. Hierbei zeigte sich erst recht, wie äusserst resistent die wachs- artige Haut dieser Bakterien ist, da auch eine 25-prozentige Solution die Rotlauf bazillen nicht aufzulösen vermochte. Wohl zeigte sich dass ein kleiner Teil der Bazillen nach einiger Zeit körnig wurde, während bei einem andern Teil das Protoplasma austrat, sodass hiervon nur noch leere Bakterienhüllen übrig blieben, welche Hüllen sich schliesslich auch auflösten ; dies wurde sowohl bei der Behandlung mit 10-, als auch mit 15- und 25-prozentigen Lösungen wahrgenommen. Nach einer bestimmten Zeit, bei stärkeren Lösungen früher als bei schwä- cheren, hörte der Auflösungsprozess jedoch auf und war dieser zum Beispiel bei einer 25-prozentiger Solution nach 3 Tagen beendet. Die übrigen Bazillen, welche die grösste Masse der ursprünglichen Menge bildeten, wurden auch in dieser starken Konzentration durch das Antiformin nicht angegriffen, sodass sie nach 12 Tagen noch unversehrt und gut Gramfest nachge- wiesen werden konnten. Es stellte sich heraus, dass erst eine 50-prozentige Lösung die Rotlauf-bazillen stark angriff und die Bazillen hierin nach 4 Stunden fast alle aufgelöst waren: die Flüssigkeit war klar geworden und der Bodensatz verschwunden ; wurden diese jedoch filtriert und wurde der auf dem Filtrier- papier zurückgebliebene geringe Niederschlag mikroskopisch untersucht, so ergab sich, dass dieser noch im Zerfallen begriffene Rotlauf bazillen enthielt; einige waren stark geschwollen, körnig und nahmen die Gramfärbung noch an, andere stellten sicli als gelbliche, stark lichtbrechende Körner dar, wie solche auch bei im tierischen Organismus sehr stark zerfallenen Rotlaufbazillen wahrgenommen worden waren. Als letzter Versuch wurde die Einwirkung des Antiformins auf in 0,9-prozentiger physiologischer Kochsalzlösung abge- waschene Rotlauf bazillen untersucht. Aus den Resultaten bei früheren Versuchen, die mit abge- 6o waschenen Bazillen angestellt worden waren — durch die stärkere Farbstoffaufnahme und bei der raschen Bakterienzer- störung abgewaschener Bazillen — wurde die Möglichkeit angenommen, dass die Bakterienwandung durch diese Behandlung permeabeler geworden sei ; vielleicht könnte diese grössere Permeabilität, falls sie wirklich zustande kommt, zur Folge haben, dass die Bazillen durch die Antiforminlösung rascher angegriffen werden. In der Tat wurde dieses Vermuten in überraschender Weise bestätigt: Löste doch eine 15-prozentige Lösung dreimal abge- waschener Rotlaufbazillen aus zweitägiger Bouillonkultur innerhalb 4 Stunden vollständig auf. Der Bodensatz in dem Antiformin war völlig verschwunden und nach Filtrierung konnte in dem Rückstand auf dem Papier auch mikroskopisch keine Spur von Rotlaufbazillen wahrgenommen werden. Was also eine 25-prozentige Lösung nach 12 Tagen auf Rotlaufbazillen nicht vermochte, wurde nach der Abwaschung von einer 15-prozentigen Solution innerhalb 4 Stunden vollbracht. Durch diese Tatsache wurde die Wahrscheinlichkeit einer grösseren Permeabilität durch Abwaschung, durch welche Permeabilität das osmotische Äquivalent der Bakterien erhöht, wird, noch erheblich gesteigert. Fassen wir zu?n Schlüsse dasjenige, was diese letzten Versuche gelehrt haben, zusammen, so zeigen diese dass die Rotlaufhazillen durch ihre Wachshaut eine sehr grosse Widerstandsfähigkeit auch gegen Antiformin besitzen, welche Widerstandsfähigkeit durch Abwaschen in physiologischer Kochsalzlösung sehr stark beeinträchtigt wird. Ferner zeigen sie dass es, nach Einwirkung schwächerer Antiforminlösungen, welche die Bakterienwandung schwächen ohne etwas von dem Protoplasma zur Auflösung zu bringen, gelingen kann Versuchstiere mit Rotlaiifbazillen unter Endotoxinvergiftungserscheinungen zu töten. Schlussfolgerungen : 1. Wie die übrigen Bakterien, enthält auch der Rotlaufbazillus Endotoxine. 2. Ausser diesen, sind für diese Art noch extrazelluläre Gift- substanzen anzunehmen, welche mehr oder weniger fest mit 6t der Bakterienwandung verbunden sind und aller Wahr- scheinlichkeit nach in die Kulturbouillon übergehen können. Durch Abwaschen können diese Substanzen von dem Bazillus getrennt werden, worauf dieser in gewöhnlichen Dosen seine Pathogenität einbüsst. Dieser Verlust an Giftsubstanzen, zufolge der Abwaschung, wird bei weiterer Kultur bald wieder ausgeglichen. 3. Durch Abwaschung wird die Bakterienwandung permeabeler gemacht, wodurch Flüssigkeiten leichter in dieselbe eindringen können. 4. Hamolysinbildung kann in vitro für den Rotlauf bazillus nicht nachgewiesen werden. 5. Wegen der wachsartigen Hülle besitzt dieses Bakterium eine grosse Resistenz gegen Auslaugung und Auflösung mittels Antiformins und ist somit erst eine sehr starke Konzentration hierzu imstande. 6. Durch Abwaschung mit physiologischer Kochsalzlösung wird diese Widerstandsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Es ist mir eine angenehme Pflicht, dem Direktor des Reichs- seruminstituts, Herrn Prof. Dr. J. POELS, für die Ueberlassung des Themas und für die grosse Bereitwilligkeit, mit der er mir bei meinen Untersuchungen Hilfe geleistet, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. 6i LITERATUR. (i) Pfeiffer: Über Bakterien-Endotoxine und ihre Antikörper. Jahresber. über die Erg. der Immunitätsforsch., VI Band 191c, Abt. I, S. 13. (2) MuRiLLO : Über die Diphterietoxinkurve. Centralbl. für Bakt., I Abt. Orig., Bd. 35, S. 209. (3) Rist : Sur la toxicité des corps des bacilles diphtériques. Soc. de biol. 1903, Nr. 25. (4) Bandi: Contribuzione allô studio dell' endotossino del bacille di Löffler. Ref. Centralbl. für Bakt., I Abt., Band 41, S. 169. (5) Cruveilhier: Compt. rend, de Soc. de Biol., T. 66, 1909, Nr. 22. 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Nun wird als Ausgangsmaterial zum Isolieren von Tetanus- bazillen oft Gartenerde oder Pferdefaezes benutzt. Das letzte Material hat den Vorzug, dasz der Tetanusbazil (wenigstens nach mehreren Untersuchern) ein Parasit der Tiere, besonders des Pferdes, ist und dasz er sich nur im tierischen Körper vermehren und seine Lebensfähigkeit behalten oder erhöhen sollte. In Bezug hierauf benutzte ich als Ausgangsmaterial Pferde- faezes, mit dem mehrere weisze Mäuse subkutan geimpft wurden. Nach einigen erfolglosen Versuchen gelang es bei einigen Mäusen Tetanuserscheinungen, auf welche der Tod folgte, zu erregen. Die Impfstelle dieser Mäuse wurde entfernt und danach versucht eine Reinkultur von Tetanusbazillen zu bekommen, wobei sowohl die Methode KiTASATO, welche zur Entfernung der nicht-sporenbildenden Bakterien eine Erhitzung des Materials angibt von ungefähr 1 Stunde auf 80° C, als die Methode Nicolaier, welche eine Temperatur von 100° C benutzt und diese drei Minuten einwirken läszt, gebraucht wurde. Durch keine dieser beiden Methoden konnten direkt Reinkulturen gezüchtet werden, weil andere, anaerobe sporenbildende Bakterien *) Vorlesung gehalten auf der Versammlung des mikrobiologischen Vereins in Rotterdam am 19 Dezember 191 2. 6? ein Hindernis bildeten. Darum wurde entschlossen zum Gelatine- plattenverfahren, welche Platten in ein groszes speziell dazu ange- fertigtes Apparat nach BOTKIN hingestellt wurden ; darauf wurde mehrere Stunden hintereinander Wasserstofï durchgeführt und schlieszlich der ganze Apparat während lo Tage in den Brut- apparat (22° C) gestellt. Auf diese Weise gelang es einen Tetanusstamm zu bekommen, welcher endständige, grosze, runde Sporen bildete. Das Ganze, Bazil und Spore, hatte die bekannte Trommelschlägelform, wobei die Spore 2 — 3 mal dicker war als der Bazil. Die Sporen färbten sich sehr schön bei Erhitzung mit Carbolfuchsin. Was die Sporenfärbung nach MÖLLER betrifft, teile ich mit, dasz an dieser Methode 2 Fehler haften, wodurch man ge- wöhnlich negative Erfolge bekommt. Erstens ist die Erhitzung mit Carbolfuchsin zu kurz angegeben. MÖLLER spricht von I — 5 Minuten, während für eine schöne Sporenfärbung mit Carbolfuchsin eine Erhitzung von 1/2 — 1 Stunde nötig ist. Gebraucht man Anilinewasserfuchsin, dann genügt eine Erhitzung von ungefähr 20 Minuten schon. Der zweite Fehler liegt in der Entfärbung mit 5 % Schwefelsäure ; durch diese Konzentration nimmt man oft eine ganze oder teilweise Entfärbung wahr (auch bei sehr kurzer Einwirkung). Durch eine Entfärbung mit 1/2 — ï % Schwefelsäure behält man schöne, rote Sporen. In dem neuen Artikel über Tetanus in WASSERMANN & KOLLE von VON LiNGELSHElM (1912) ist noch die Rede von einer Entfärbung mit 25 ^/q H2 SO4. Auch wird die Sporenfärbung durch die Art der Sporen bedingt; so färben z.B. Tetanussporen sich meistens schwerer als Milzbrandsporen. Was die Toxinbildung des von mir aus Pferde- faezes isolierten Stammes betrifft, kann ich Sie auf die B Kurve verweisen in beigefügter Zeichnung. Der Kultur, die sich unter Wasserstoff bei 37° C befand, wurde jedesmal, auf sterile Weise, etwas abgenommen ; dies wurde durch einen kleinen Filter nach MaasSEN filtriert und danach wurde wieder aufs neue Wasser- stofï durchgeführt. Nach 4 Tagen tötete i/io c.Ms. Toxin Mäuse » 6 » » i/ioo » » » » 8 » » i/ioo » » » » g » » i/iooo » » » 68 Nach II tagen tötete i/io.ooo cM^, Toxin Mäuse » 12 » » l/ 100.000 » » » » 14 » » l/l 00.000 » » » » 16 » » l/l 00.000 » » » » 20 » » l/l 00.000 » » » » 24 » » l/ 100.000 » » » » 26 » » l/l 0.000 » » » » 28 » » l/l 0.000 » » » Aus der Kurve stellt sich heraus, dasz der Stamm sein Toxin langsam bildete, weil erst am i2ten Tage das Maximum der Toxizität erreicht war, dasz die Toxizität 12 Tage auf ihrem Maximum blieb und darauf nur langsam abnahm. Die Kurve ist nicht weiter fortgesetzt worden bis an den fünfzigsten Tag, an welchem Tage es sich herausstellte, dasz die Toxizität noch i/i 0.000 c.M^. war. Tetanus bei Mäusen, auch die experimentelle durch die subkutane Injektion von Toxin, tritt auf in der Form von tetanus ascendens. Zuerst nimmt man die Erscheinungen war an den Stellen, welche am dichtesten bei der Injektionsstelle gelegen sind und weil die Mäuse von mir eingespritzt werden am Rückfell nahe dem Schwanz, ist immer die erste Erscheinung, welche an den Mäusen zu konstatieren ist, das senkrecht hinauf Gehen des Schwanzes, welche Erscheinung sofort auftritt wenn man an das Mäuseglas klopft. Wenn die Tiere sich in Bewegung setzen so sieht man dasz sie von hinten weit gehen und eine oder beide Hinterbeine hinter sich anschleppen, die Fuszsohlen nach oben und die Zehen gespreizt (Seehundehaltung). Nach und nach schreiten die Erscheinungen auch auf die Vorder- beine und das Zwerchfell fort, das Atmen wird erschwert, sodasz der Tod hauptsächlich durch Erstickung eintritt. Geraume Zeit können die Mäuse denn noch liegen, scheinbar tot, meistens auf dem Rücken, indem nur durch klopfen an das Glas kann wahrgenommen werden, an einem tiefen Atemzug oder einer plötzlichen Bewegung mit dem Schwanz oder einer Hinterpfote dasz das Leben noch nicht entflohen ist. Bei den Toxininjektionen bei Mäusen wurde immer wahr- genommen, dasz die Mäuse, welche i/io und Vioo c.M.3 emp- fangen hatten, innerhalb eines Tages starben und zwar die mit 69 der gröszten Dosis am ersten. Darauf starben hintereinander, gewöhnlich nach 2 Tagen, die Mäuse welche mit i/iooo c.M.s und i/io.ooo C.M.3 eingespritzt waren. Die Mäuse, welche i/ioo.ooo C.M.3 empfingen, starben nach Verlauf von 3 Tagen. Je gröszer die Dosis Toxin war die eingespritzt wurde, je geringer war die Inkubationsperiode. Dennoch kann man diese nicht, indem man grosze Doses Toxin nimmt, so klein wie möglich machen. Nie sah ich die ersten Erscheinungen schneller auftreten als 5 Stunden nach der Toxin-injektion und sah ich Mäuse früher sterben als 8 Stunden nach dieser Injektion. Es stellte sich heraus, bei genaueren Versuchen, dasz die kleinste Dosis Toxin, welche Mäuse noch tötete, gerade lag bei i/ioo.ooo C.M.3 (wie auch in der Kurve B ist angegeben). Bei 1/200.000 C.M.3 blieben die Mäuse am Leben. Welche war nun die minimale krankmachende Dosis ? Bei diesem Stamme lag dieselbe bei i/iooo.ooo c.M.3, sodasz also die tödliche Dosis 10 mal gröszer war als die krank- machende. Bei einem anderen Stamme, wovon ich bald reden werde, war diese 20 mal gröszer. Der Differentzwert, d.i. der Unterschied zwischen der minimalen krankmachenden und töd- lichen Dosis, wird also auch durch den gebrauchten Stamm bedingt und kann deshalb nicht für eine bestimmte Tiergattung durch eine konstante Zifïer angegeben werden. So liest man in Handbüchern, dasz bei Mäusen die tödliche Dosis dreimal gröszer ist als die krankmachende, während meine Ziffern viel gröszer sind und mit dem Stamme wechseln. Ich teile noch mit, dasz das gebrauchte Toxin durch Filtration bekommen war und kein Antisepticum beigefügt war. Dieser Stamm, besonders dessen Toxin, wurde benutzt für die Immunisation von Pferden. Es muszte also dafür gesorgt werden, dasz der Stamm im Laboratorium nicht abschwächte, weil es eine bekannte Tatsache ist, dasz bei fortgesetzter Züchtung, auf kimstlichen Nährboden die Virulenz aller patho- genen Anaeroben bedeutend abnimmt. Für das Virulenthalten von Tetanusbazillen sind verschiedene Methoden angegeben (Milchsäure 1:1000; Ca SO4 u.s.w.). Die Methode, welche mir am besten gefiel und welche auch am leichtesten ist, ist das jede 7 Tage Übersetzen der Kultur in hohen Stichagar. Auf diese Weise nimmt die Virulenz nur äuszerst langsam ab ; 70 dennoch war die Abnahme der Art, dasz nach einem Aufenthalt von 4 Jahren im Laboratorium die minimale tödliche Dosis Toxin von i/ioo.ooo c.M.3 auf i/iooo c.M.s gefallen war. Alle Versuche, dem Stamme seine ursprüngliche Virulenz wiederzugeben, miszlangen. Auch das Züchten auf frischem Kaninchenblut, welche Methode von TiZZONI und Cathani angegeben war und das Züchten auf Pferdeserum und Kaninchen- serum, Methode von HlBLER, gaben ein negatives Resultat. Es wurde alsdann ein neuer Stamm angefragt an das von Kraus fortgeführte Laboratorium von Kral in Wien und darauf empfangen eine Stichkultur, woraus s'ch, nach Impfung auf gewöhnlichen schrägen Agar an die Luft eine Reinkultur von Bazillen entwickelte, welche keine runde, sondern ovale Sporen bildeten, welche wohl endständig waren, aber bei weitem so schön nicht als dies bei einer gewöhnlichen Tetanuskultur der Fall ist. Oft konnte man sogar jenseits der Spore noch einen Teil des Bazillus wahrnehmen. Das Ganze sah denn auch auch mehr wie Rauschbrand denn wie Tetanus aus. In Bezug auf den Umstand, dasz die Spore bei dieser Kultur nicht viel breiter war als der Bazil und der Bazil an der Spore bald degenerierte, konnte von einer schönen Trommelschlägelform nicht die Rede sein. Auch machte das aerobe Wachsen der zugesandten Kultur (schon nach i8 Stunden entwickelte sich auf der schrägen Agaroberfläche eine tüchtige Kultur) mich fragen ob hier vielleicht ein Irrtum vorlag. Um dies zu entscheiden, wurde ein Kolben Bouillon geimpft mit diesem Bazil und dieser aerob 7 Tage bei 37° C gestellt, darauf wurde ein Teil filtriert durch einen Filter nach Maassen und mit diesem Filtrat wurden Mäuse subkutan geimpft. Schon innerhalb eines Tages waren die Mäuse, welche i/io, i/ioo, i/iooo und i/io.ooo c.M^. Filtrat empfangen hatten an typischem Tetanus gestorben. Die Mäuse, welche mit i/ioo.ooo und i/i.ooo.ooo c.M^. eingespritzt waren, starben nach 2 Tagen, während sogar die Maus, welche i/io.ooo.ooo c.M^. empfangen hatte, noch am ßten Tage starb. Dies ist wohl ein Beweis für die grosze Toxizität der empfangenen Kultur. Dennoch wurde, ehe die Serumpferde mit diesem Stamme behandelt wurden, der Versuch noch ausgebreitet, indem ein Versuchspferd intravenös mit 30 c.M^. eines auf dieselbe Weise 71 erhaltenen Filtrat eingespritz wurde. Die ersten Erscheinungen, welche man gewöhnlich beim Pferde auf Prädilektionsstellen wahr- nimmt, traten auf nach 50 Stunden ; es bestand alsdann geringer Krampf der Kaumuskeln und ein steifer Hals ; das Tier bewegte den Hals weder rechts noch links. Das eigentümliche Verhalten der Nickhaut, die beim Emporheben des Kopfes den Bulbus über die Hälfte bedeckt hält, war nicht wahrzunehmen. Nach einigen Stunden nahm die Starre immer zu, während auch das Atmen eine grosze Abweichung zeigte ; es war sehr erschwert, was immer verschlimmerte. Innerhalb 24 Stunden nach der ersten Erscheinung war das Tier schon an Asphyxie gestorben. Das Blut dieses Pferdes wurde aufgefangen und mit dem Serum Mäuse geimpft. Die Mäuse, welche subkutan i cM^. empfangen hatten, starben schon innerhalb eines Tages an Tetanus, während die, welche 0.5 und 0.3 cM3. nach 1V2) die welche o.i cM^. nach 2 Tagen und die, welche 0.0 1 cM^. empfangen hatten nach 4 Tagen an Tetanus starben. Die mit kleineren Doses behandelten Mäuse blieben alle am Leben. Das Serum des Tetanuspatienten ent- hielt also in einer Quantität von 0.0 1 cM3. noch Tetanustoxin. Agglutinationsversuche mit Serum von Tetanuspatienten, wo- mit COURMONT schon Versuche gemacht hatte mit negativem Resultat, wurden auch von mir angestellt. Zu diesem Zweck wurden mehreren Tetanusbouillonkulturen fal- lende Quantitäten des toxischen Serums des Tetanuspatienten beige- fügt. In kein einzigem Gläschen, auchnichtindemmit i/acM^. Serum, war Agglutination zu bemerken. Ohnehin konnte ich, auch mit einem hochwertigen Immunserum, sogar mit Quantitäten von 1/2 c.M^. in Tetanusbouillonkulturen keine Spur von Agglutination erzeugen. Kann also, wie die Widal bei Typhus, bei Tetanus in dieser Hinsicht von eine Serodiagnose nicht die Rede sein, dies ist wohl der Fall, wenn man die Resultate betrachtet, die man bekommt durch Injektion von Serum von Tetanuspatienten bei Mäusen. Was der Komplementbindungsreaktion anbetrifft, hiermit bekam ich ebenso mit dem Serum des Tetanuspatienten als mit dem Immunserum negative Resultate. Neben dem krampferregenden Stoffe »Tetanospasmin« stellte sich heraus, dasz auch »Tetanolysin« in der Kultur anwesend war. Versuche mit einer 5 % Emulsion roter Blutkörperchen des Schafes entschieden dies genügend. 72 Mit vollem Vertrauen konnten, hinsichtlich der gemachten Versuche, unsere hoch immunisierten Tetanuspferde mit dieser Kultur, besonders mit dem Toxin, behandelt werden. Die Pferde, welche früher intravenös 500 cM^. Toxin des von mir selbst kultivierten Stammes empfangen hatten, ertrugen nun 500 cMs. des neuen Toxins ohne auffallende Reaktionserscheinungen. Der empfangene Stamm war also ein aerober, sehr toxischer Tetanusstamm, welcher sich kennzeichnete durch seine ovalen, nicht vollkommen endständigen Sporen. Was die Formveränderung der Sporen betrifft kann bemerkt werden, daszvon HlBLER zeigte, dasz man durch Zusatz von Zucker und Glycerine (über i o/^) an die Nährboden die Form der Tetanus- sporen ändern kann, wodurch die Kugelform in die elliptische Form verwandelt. Sehr plötzlich soll diese Formveränderung statt finden in einem Nacl-Reis-Lakmuswasser-Peptonnähr- boden. Hierauf sollten alle pathogenen Anaeroben sehr lang gestreckte elHptische Sporen bilden, wenigstens in den ersten Tagen. Später als der Säuregrad des Nährbodens stark zuge- nommen hat und demzufolge die Farbe von blau in rot verwandelt ist, hört die Sporenbildung auf und nimmt die Virulenz stark ab. Bezüglich eines Glycerinezusatzes über lO/^ kann ich Folgendes mitteilen : In Stichagarkulturen mit 1 1/2 ''/o Glycerine war die Form der Sporen des von mir isolierten Stammes ganz ähnlich mit denen in den Nährboden ohne Glycerine. Dasselbe beobachtete ich in Stichagarkulturen mit 20/0 und mit 30/0 Glycerine ; die Sporen blieben vollkommen rund und von eine Veränderung in ovale Form konnte nicht die Rede sein. Mit dem Reisnährboden nach von HlBLER, wo die Veränderung der Sporen in ovale Form plötzlich geschehen sollte, bekam ich auch keine positive Resultate. Die Sporenbildung geschah darein nicht normal und auch die Bazillen zeigten degenerative Veränderungen. Wohl musz aner- kannt werden, dasz sich in diesem Nährboden einige Sporen bildeten, welche nicht vollkommen rund und auch nicht voll- kommen endständig waren, aber bei Überimpfung von der Reiskultur in gewöhnlichen Stichagar, fand wieder die normale Sporenbildung ganz runder, vollkommen endständiger Sporen statt. Es ist mir also auf diese Weise nicht gelungen runde Sporen in elliptische Sporen zu verwandeln. Dies kann, was 73 dem Reisnährboden anbetrifft, vielleicht seine Ursache finden in der Bereitung, welche von von HlBLER sehr ungenau mitgeteilt wird. So spricht er über ,,ein wenig Reis," aber die Quantität gibt er nicht an ; auch spricht er über stark alkalisches Lakmus- wasser, aber wie stark das ist wird nicht mitgeteilt. Wohl habe ich beobachtet, dasz der Nährboden durch den Wachstum der Tetanusbazillen von blau in rot verwandelt wurde, wie auch von von HlBLER angegeben war. Was die] Toxinbildung betrifft wird allgemein angegeben, dasz zur Erlangung eines starken Tetanusgiftes nur Kulturen gebraucht werden müssen, welche sich unter strengen anaeroben Umständen befunden haben und dasz die aerob bekommenen Gifte minderwertig sind. (Das Gift sollte von dem O. der Luft vernichtet werden). In Bezug auf unsre aerobe Tetanuskultur, welche ein Toxin lieferte, welches durch Einspritzung von i/i 0.000. Goo cM3. weisze Mäuse innerhalb 3 Tage tötete, mag hier gewisz ein Fragezeichen aufgestellt werden. Es kann noch bemerkt werden, dasz die minimale tödliche Dosis jetzt i/ioo.ooo.ooo cM3. beträgt. Vielleicht ist die Zunahme der Toxizität zurückzuführen auf das wöchentlich Übersetzen der Kultur. Der Verlauf der Toxinbildung ist in die Kurve A ange- geben : 6 Stunden nach der Impfung, als die Bouillon noch ganz klar war, wurde eine geringe Quantität filtriert und mit diesem Filtrat Mäuse eingespritzt. Die Maus, welche o.i cM^. empfangen hatte, zeigte einige Tage ziemlich heftige, lokale Tetanuserscheinungen (Schwanz und rechtes Hinterbein), aber genas, während die Maus, welche 0.05 cMs. empfangen hatte nach 3 Tagen an Tetanus starb. Schon nach 6 Stunden, als noch absolut keine Trübung an die Bouillon zu bemerken war, war die Bouillon schon toxisch. Nach 1 Tage tötete i/iooo cM^. noch Mäuse » 4 Tagen » i/iooo.ooo » » » » 5 » » 1/ 10.000.000 » » » Es stellte sich heraus, dasz mit der letzten Dosis das Maximum der Toxizität erreicht war. Dies blieb dasselbe vom ö^ten bis an den II ten Xag. Nach II Tagen tötete i/io.ooo.ooo cM^. noch Mäuse » 13 » » i/i.ooo.ooo » » » o <: 1 — - — — J / / / / / / / / / / / / / / f / fn (h 01 (b ? ^ V. t ^ ,•3 ,S ^ k V !SC _ . » ' , • ' y _^^^^' ■ ,^ _^^^^ _^^,^'^ _^ . --^ ^„^»-^ --*' '■"■•». ^^•^ '• . . r' • • , '*•■•-. "— — ■ — — . -«_ . '• . ^ ~" •-*^. „^ " • , '~' 1 * — "• -1» --«.. '•^ "• — i^=^ >^ >:: :>c :^^ :s: :^^ n: 75 Nach 15 Tagen tötete i/ioo.ooo cM^. noch Mäuse » 18 » » 1/ 100.000 » » » » 24 » » i/i 00.000 » » » » 30 » » 1/ 100.000 » » » » 40 » » i/i 00.000 » » » » 50 » » i/i 00.000 » » » » 60 » » i/ioo.ooo » » » » 70 » » i/i 00.000 » » » » 80 » » i/i 00.000 » » » » 90 » » 1/ 10.000 » » » » 100 » » 1/ 10.000 » » » Um zu entscheiden ob andere Bakterien, welche an die Luft wachsen, die Toxizität der Kultur noch steigern würden und vielleicht das Maximum der Toxizität mit einigen Tagen verlängern würden, wurde ein Kolben Bouillon geimpft mit dem aeroben Tetanusstamme und mit einem Streptokokkenstamme. Es stellte sich heraus, dasz beide Bakterien sich ausgezeichnet zusammen entwickelen konnten. Der Verlauf der Toxinbildung in dieser Mischkultur ist in der Kurve C sichtbar. Nach T Tage tötete i/ioo c.M^. noch Mäuse. » 3 Tagen » i/iooo » » » » 5 » » 1/ 100.000 » » » » 6 » » 1/ 10.000.000 » » » Mit der letzten Dosis war das Maximum erreicht. Dieses Maximum war also dasselbe als das der Reinkultur. Zwar wurde dieses Maximum einen Tag später erreicht, aber dies kann auf zufällige Umstände zurückgeführt werden. Nach 8 Tagen tötete noch i/io.ooo.ooo c.M^, Mäuse. » 10 » » » i/io.ooo.ooo » » » 13 » » » i/i 00.000 » » » 15 » » » 1/ 10.000 » » » 18 » » » i/i 0.000 » » » 20 » » » 1/ 10.000 » » » 24 » » » i/iooo » » » 28 » » » i/iooo » » > 30 » » » i/iooo » » » 40 » » » i/iooo » » » 50 » » » i/iooo » » 76 Nach 60 Tagen tötete noch i/iooo cM^. Mäuse. » yo » » » l/lOOO » » » 80 » » » t/iooo » » » go » » » i/ioo » » » 100 » » » i/ioo » » Um zu entscheiden ob durch den O. der Luft bei fortwährender Einwirkung die Toxizität des Stammes abnehmen würde, wurde der Stamm, auszer in Stichagar auch auf schrägen Agar weiter- gezüchtet und beide Kulturen während 4 Monate wöchenthch übergeimpft. Was stellte sich jetzt heraus? Der Stichagar- stamm war nach 4 Monaten noch ebenso toxisch wie zuvor (i/io.ooo.ooo C.M3. Toxin tötete noch Mäuse). Aber sehr interessant war die Tatsache, dasz der schräge Agarstamm ganz avirulent geworden war. Selbst mit 0.5 c.M^. Kulturfiltrat konnte ich subkutan bei Mäusen keinen Tetanus mehr erzeugen. Durch das fortwährende Züchten an die Luft war der Stamm atoxisch geworden. Wir besitzen also in diesem schrägen Agar- stamme eine Tetanuskultur, welche in 3 Hinsichten von einer gewöhnlichen Tetanuskultur abweicht : a. Er ist atoxisch; h. Er ist aerob. c. Er weicht morphologisch ab. In der Literatur sind öfters aerobe, atoxische Tetanusbazillen beschrieben. So züchteten u.a. CARBONE und Perrero einen solchen aeroben, avirulenten Tetanusbazil aus dem Bronchial- sekret eines Tetanuskadavers, während VON Tavel solch einen Bazil kultivierte aus einem entfernten Blinddarmfortsatz. Auch Kruse gelang es in einem Fall einen avirulenten, atoxischen Bazil zu kultivieren, welcher morphologisch mit dem Tetanusbazil übereinstimmte. Wo nun derartige Bazillen in der Literatur öfters als »Pseudo- tetanusbazillen" bezeichnet werden, so haben wir in unsrem schrägen Agarstamm den Beweis, dasz diese sogenannten »Pseudotetanusbazillen« in direktem Bezug stehen können mit echten Tetanusbazillen. Weil die Tätigkeit von Serum in flüssigem Zustande nach einiger Zeit abnimmt, ist es empfehlenswert, wenn z.B. Sera 77 mehrere Jahre aufbewahrt werden müssen, das flüssige Serum in Pulverform zu verwandeln, weil der Titer der getrockneten Sera viel weniger abnimmt. Für das Trocknen der Sera folgt man hauptsächlich 2 Her- stellungsweisen, die Methode nach Brieger und FräNKEL mittels (N H4)2 S O4 und die Methode nach COURMONT und DOYON durch das Eindampfen in Vacuum. Diese letzte Methode verwendete Dr. SINNIGE, Chemiker am Reichsseruminstitut, beim Eintrocknen von Tetanusserum. Das Eintrocknen fand statt um zu entscheiden, ob das Serum durch das Trocknen vielleicht Schaden litt, m. a.W., ob der Titer des Serums vor und nach dem Trocknen derselbe war. Es ist selbstver- ständlich, dasz alle Vorsorgen getroffen wurden um das Serum so wenig wie möglich zu schaden. Es wurde eingedampft bei einem Luftdruck von ungefähr 10 m.M. bei einer Temperatur von 25° C. (für höhere Temperatur musz man beim Eindampfen vorsichtig sein). Das auf diese Weise bekommene Pulver wurde nun im Vacuum exsiccator über Hg S O4 getrocknet. 100 c.M.3 Serum lieferte gerade 7 Gramme Pulver. Mit diesem Pulver und dem flüssigen Serum (das aus derselben Versuchsflasche herrührte als das Serum, welches das Pulver geliefert hatte und welches während das Trocknen kühl und dunkel aufbewahrt war) wurden Versuche mit Mäusen angestellt. Als Toxindosis (die minimale tödliche Dosis war zuvor auf i/iooo.ooo c.M. bestimmt), wurde gebraucht i/io.ooo c.M.; das ist hundertmal die letzte Dosis und diese Dosis wurde jedesmal gemischt mit fallenden Quantitäten Serum und Pulver und zwar von jedem Stoffe i/io, i/ioo, i/iooo, i/io.ooo, i/ioo.ooo, 1/1000.000 c.M. 3. Das Pulver stimmte in Gewichtseinheiten mit dem Serumvolumen überein. Das Auflösen des Pulvers fand langsam und äuszerst vorsichtig statt, während die Verdünnungen gemacht wurden mit destilliertem Wasser, weil in Na Cl Auf- lösungen das Neutralisierungsvermögen erhöht wird. Die Bindung von Toxin und Antitoxin fand statt in kleinen spitzigen Gläschen während einer halben Stunde bei 37° C, worauf weisze Mäuse subkutan eingespritzt wurden. Dieser Versuch fiel soweit negativ aus, dasz nur die Kontrolle Maus, welche i/io.ooo c.M. 3 Toxin empfangen hatte, nach 2 Tagen starb. Alle andere Mäuse 78 blieben am Leben, obgleich die Maus, welche i/iooo.ooo c.M.s Pulver empfangen hatte, einen Tag krank war und tetanische Erscheinungen zeigte, aber schlieszlich ganz wieder genas. Dieser Versuch spricht aber wohl für den hohen Wert des Tetanusserums, weil i/iooo.ooo c.M^. Serum noch im Stande war hundertmal die letale Dosis Toxin zu neutralisieren. Der Versuch wurde nun auf dieselbe Weise wiederholt mit einer gröszeren Quantität Toxin und zwar mit i/iooo c.Ma. oder tausendmal die letale Dosis. Die Kontrolle Maus starb nach 2 Tagen, ebenso wie die Mäuse, welche zu gleicher Zeit i/iooo.ooo c.M^. Serum und 1/1000,000 C.M3. Pulver empfangen hatten. Die Maus, welche eingespritzt wurde mit i/ioo.ooo c.Ma. Pulver starb nach 3 Tagen und die Maus, welche i/ioo.ooo c.M3. Serum empfing, nach 4 Tagen. Alle anderen Mäuse blieben am Leben. Obgleich sich also bei beiden Versuchen eine äuszerst geringe Differenz in Tätigkeit, zum Nachteil des Pulvers, nicht leugnen läszt, ist diese Differenz so klein, dasz praktisch angenommen werden mag, dasz bei der Bereitung von Pulver aus flüssigem Serum, vorausgesetzt dasz es geschieht mit Beobachtung aller Vorsorgen, die Tätigkeit des Serums nicht leidet. TRYPANOSOMEN. VON Dr. Vet. A. VRIJBURG. Die Geschichte der Trypanosomen datiert von den letzten 40 Jahren. Wohl waren vor dieser Zeit schon Trypanosomen entdeckt, so durch VALENTIN in 1841 bei Fischen (Forelle) und durch GlUGE in 1842 beim Frosch. Sie wurden anfangs als Amöben betitelt, in 1843 wurde durch Gruby der Name Trypa- nosomen an diesen Protozoen gegeben. Erst in 1845 wurde durch GROS in Russland bei den Säuge- tieren im Blut von einer Feldmaus u. eines Maulwurfes, Trypa- nosomen gefunden. CHAUSSAT sah in 1850 bei der Ratte (mus ratus) Trypanosomen, die er für junge Nematoden hielt. In 1877 sah Lewis in Calcutta bei ratten (mus decumanus) derselbe Parasit, der damals nach ihm Tryp.-Lewisi genannt wurde. In den 8o-ger Jahren wurden in Russland durch DanilewsKY Trypanosomen im Blut von Eulen und andern Vogelsorten ange- troffen. Der Eulentrypanosom wurde durch ihn Tryp-avium genannt. In späteren Jahren wurden in Deutschland bei Finken, in Frankreich bei Eulen in Afrika bei Finken und andern Vögeln, in Englisch-Indien bei Tauben, Trypanosomen gefunden. Bei Hühnern im Sudan, in Tonkin und unlängst, durch DE HAAN auf Java. Bis hieher sind bei Vögeln 3 verschiedene Arten gefunden, sie kommen gewöhnlich sporadisch im Blute vor ; die Art der Ansteckung ist noch unbekannt. Die meisten Vögel zeigten keine Krankheitserscheinungen u. im Allgemeinen ist der Trypanosoma kein Vogelparasit. Die hohe Körpertemperatur der Tiere scheint 8o für die Trypanosomen nicht günstig zu sein. Ein paar Mal gelang es, Hühner mit Säugetiertrypanosomen zu infiziren. (nagana). Mit Surraparasiten gelang mir die Infektion nicht. In 1880 wurden zum ersten Mal bei grösseren Säugetieren Tryp. entdeckt und zwar durch EVANS in Englisch-Indien, der im Blute von an Surra leidenden Pferden der Parasit fand, der nach ihm Tryp.-Evansi genannt wurde und die Ursache der Surra ist. — In 1894 entdeckte BRUCE in Süd-Afrika bei einer genau auf Surra gleichenden Krankheit, der Nagana, ein Trypanosom, der seither Tryp.Brucei heisst. Im selben Jahre wurde durch Rouget in Algier der Tryp. -equiper dum gefunden, die Ursache der Dourine, die auch in Europa vorkommende Beschälkrankheit der Pferde. Seither wurden von verschiedenen Seiten Entdeckungen von Trypanosomen gemeldet bei verschiedenen Tierarten, hauptsäch- lich in Afrika. In 1901 wurden zum ersten Mal beim Menschen Trypanosomen gefunden, damals entdeckten FORDE und DUTTON in Gambia (Afrika) die Ursache der Schlafkrankheit, der Trypa- nosoma- Gambiense. Die meisten Entdecker beeilten sich an den durch sie ge- fundenen Trypanosomen einen Namen zu geben. Es geschah daher mehrmals, dass derselbe Parasit verschiedene Namen bekam, dies Anleitung zu vielem Irrtum gab. Das Schwierigste ist, dass die meisten Trypanosomen einander sehr gleichen und auch die Biologie öfters wenig Unterschied zeigt. Morphologie. Die Meisten haben einen langgestreckten ein- zelliger, weicher Protoplasmakörper, meistens an beiden Enden zugespitzt und von einer festeren Schichte, die Pellicula umgeben. Zwei Kernen ; der eigentliche Kern ist gross, rund oder oval, liegt meistens ungefähr in der Mitte des Körpers und enthält ein Kernkörperchen. Der zweite Kern, Blepharoplast, ist kleiner, rund, oval oder stäbchenförmig und liegt zwischen Hauptkern und Hinterende des Körpers. Die Lage differirt bei den verschieden Sorten und sie ist auch bei derselben Art nicht immer die Gleiche. Der Protoplasma enthält öfters Körner (granula) die sich ebenfalls wie Kern und Blepharoplast mit Giemsa violetrot färben. Bei einigen Sorten ist im Protoplasma noch ein linienförmiges Gebilde gesehen, das im ungefärbten Präparat als ein dunkler 8: Streifen in der Längerichtung des Körpers läuft (Axialfaden — blackline). Die Trypanosomen besitzen eine Geissei, Flagella, die am Blepharoplast anfängt, am Rande des Körpers entlang nach vorn läuft und bei den meisten Sorten als freie Flagella endet. Sie besteht aus einem Centralfaden, der von der Stelle, wo es aus dem Körper tritt, von einer Plasmahülle umgeben ist. Der Protoplasmasaum, zwischen Flagella und Körper, ist sehr dünn und wird der undulierende Membran genannt, weil er bei der Bewegung des Tieres, eine wellenförmige Bewegung macht. Flagella und undulierender Membran sind die Bewegungsorgane. Einige Forscher nehmen an, dass kontraktile Fibrillen unterhalb der Pellicula zur Bewegung beitragen. Der Blepharoplast wird für das Bewegungscentrum gehalten und von Laveran Centrosom genannt. Es gelang aber, blepharo- plastlose Tryp-stämme zu züchten ; diese waren in ihren Be- wegungen von den andern Sorten nicht zu unterscheiden. Die Bewegung ist eigenartig, schlangenförmig und etwas drehend und bohrend, gewöhnlich mit der Flagella voran, Rückwärtsbewegung ist jedoch auch möglich. Die Schnelligkeit der Bewegung ist bei den verschiedenen Arten nicht die gleiche, wahrscheinlich abhängig von der Länge der Flagella und undulierenden Membran. Die Ernährung geschieht durch Osmose. Die Kör per for m wird durch Flagella und Pellicula angegeben. Wird durch diese oder jene Ursache die PelUcula weich, dann gleitet der weiche Protoplasma von der Flagella ab und man bekommt allerlei rundliche Degenerations-Formen, die man oft in Culturen und unter Umstände auch im Blut vorfindet. Die Grösse der Trypanosomensorten ist sehr verschieden. Der kleinste, der bis hieber gefundene, der Tryp. Lewisi (Rattentryp.) ist nur 7 — 20 micron lang. Der Tryp. Theileri kann eine Länge von 75 ^ erreichen. Bei Fischen sind noch grössere Sorten gefunden. Die Form und die Grösse von einer und derselben Sorte kann einigermassen variëren, je nach der Tiersorte, wo sie parasitirt, so ist z. B. der Tryp. Brucei des Pferdes etwas länger, als dieselbe Sorte beim Meerschweinchen. Die Vermehrung der Trypanosomen geschieht hauptsächlich durch Längst eilung. Der Blepharoplast und Kern teilen sich zuerst, hernach folgt der weitere Körper. 6 82 Beim Tryp. Lewisi beginnen öfters die Töchtertrypanosomen sich wieder zu teilen, bevor die erste Teilung abgelaufen ist. Man bekommt dadurch machmal allerlei Teilungsformen zu sehen. Ausser dieser ungeschlechtlichen Vermehrting (durch Teilung) wird allgemein eine geschlechtliche Vertnehriing ange- nommen. Letztere soll sich in Körper der Zwischenwirte (Insekte) abspielen, wie dies auch bei den Haemosporidien (Malaria- plasmodien) der Fall ist. Prowazek beschrieb solche Entwick- lungsformen der Tryp. Lewisi im Körper der Rattenlaus, und Kleine, u. a. sahen Entwicklungsstadien der Tryp. Brucei und Tryp. Gambiense im Darmkanal von Glossinafliegen. DOFLEIN hält es jedoch nicht für bewiesen, wohl aber für wahrscheinlich, dass man hier mit Geschlechtsformen zu tun hat. Im Insektenkörper und auch bisweilen im Säugetiereblut sind hauptsächlich drei Typen gefunden: i^ lange, schlanke Formen mit grossen Blepharoplast, 2^ breitere, mit vielen Granula, grosser Kern, kleinen Blepharoplast, kurzer Flagella, schmalemundulir- Membran ; erstere werden für männliche, die zweiten für weib- liche Parasiten gehalten, 3e neutrale Formen, welche den männ- lichen gleichen. Bei dem Schizotrypaniim Cruzi sind von CHAGAS und Hartmann eigentümliche Formen gefunden in den Blutkapil- laren und in Endothelzellen der Lunge und auch in andern Organen der infizierten Säugetiere. Das Trypanosoma rundet sich nl. ab und zerfällt durch Schizo- gonie in kleinere Sprösslinge, welche ähnlichkeit mit Leishmania- parasiten haben. Sie dringen in die roten Blutkörperchen ein, wachsen aus zu flagellaten Formen und kommen schliesslich als Trypanosomen frei, im Blutplasma. Salvin-Moore und Breinl fanden bei Ratten, welche mit Tryp. Gambiense infiziert waren, während den Trypanosomen- freier Stadien der Krankheit, in Lungen, Knochenmark und Milz, kleine, runde Parasiten, durch Abrundung der Trypanosonen- und Abstossung der Flagella entstanden. Diese, von ihnen »latent bodies« genannten Gebilden, wachsen wieder zu Trypanosomen aus. Weitere Studien in dieser Richtung sind noch notwendig. In den Fällen, wo Morphologie und Biologie im Stich lassen 83 beim Bestimmen der Trypanosomensorten, hält LaVERAN die Tier-immunität für das zuverlässigste Kriterium. Wenn z.B. ein Tier, immunisirt mit Stamm A, auch Stamm B gegenüber immun ist, und umgekehrt, dann sind A und B die gleiche Sorte. Das stimmt schon, aber bei Stämmen derselben Sorte aber verschiedener Virulenz, würde man mit dem LAVERAN'schen Kriterium geneigt sein, zwei verschiedene Sorten anzunehmen. Die bei Bakterien üblichen Laboratoriumreaktionen, A^lutina- tion, Präcipitation- und Komplementablenkung, sind für die Diffe- rential-diagnose der Trypanosen unter sich nahezu unbrauchbar — höchstens ist man im Stande durch die Komplementbindungs- methode verschiedene Gruppen verwanter Trypanosomen von einander zu trennen. Weiter ist durch diese Reaktionen zu bestimmen, ob eine gewisse Krankheit überhaupt durch Trypa- nosomen verursacht wird ; auch latente Trypanosen kann man auf diese Weise diagnostiziren. Meistens kommt man in diesen Fällen auch mit einfacheren Mitteln aus. lieber die Zoologische Einteilung der Trypanosomen und ihrer Verwantschaft mit den anderen Blutparasiten, speziel mit den Malariaplasmodien und Piroplasmen, besteht noch Meinungs- verschiedenheit. Hartmann nimmt eine nahe Verwantschaft an. DOFLEIN bringt Malariaparasiten und Piroplasmen näher bei den Coccidiën. Jedenfalls bestehen Uebergangsformen zwischen den verschie- denen Blutprotozoen ; Mayer züchtete Halteridien aus Eulen- blut, auf Blutagar und sah Kulturformen auftreten 7nit Flagella. Die bei Mensch, Affe und Hund vorkommenden Leishmania, die Ursache der Kala-azar und Aleppo-heule haben im Wirttier Aehnlichkeit mit gewissen Piroplasmen. In der Kultur (Novy- Agar) besitzen sie eine Flagella (jedoch ohne undulirender Membran). Zwischen den Leishmania-parasiten und den eigentlichen Try- panosomen steht die Schizotrypanuni Cruzi, welche im Saügetier- blut flagellate Formen zeigt und auch runde Formen ohne Flagella. Zoologisch sind die Trypanosomen auch nahe verwant mit den Gattungen Crithidia, Leptomonas und Herpetomonas, welche als Darmparasiten bei Insekten (speciell Fliegen) vorkommen. 84 Entwicklungsstadien der Trypanosomen in Kulturen und im Fliegendarm sind von diesen Gattungen oft nicht zu unterscheiden. DOLFEIN rechnet die drei genannten Gattungen auch zu der Familie der Trypanosomidae. Unter den Flagellaten, wozu diese Parasiten gehören, trifft man verschiedene freilebende Gattungen an, und andere welche in Körperhöhlen oder auf Schleimhäute leben, ohne unter normalen Umstände ihrem Gastwirt zu schaden. Es ist nun sehr gut denkbar, dass die Trypanosomen durch zufällige Umstände zu ^//-^/parasiten geworden sind und sich allmählich an diese Lebensart angepasst haben. Die Einteilung der Trypanosomen ist provisorisch. MARTIN Mayer hat vom praktischen Gesichts- punkt aus folgende Einteilung vorgeschlagen : Trypanosomen der Kaltblüter, Trypanosomen der Vögel- und Trypanosomen der Säugetiere. Letztere werden unterschieden in Nicht-pathogene (wozu Tryp. Lewisi und Tryp. Theileri gehören) und pathogène. Diese sind in zwei gruppen einzureihen: le welche bei natürlicher Infektion nur bei einen Tierart vorkommen, aber auf andere Tierarten übertragbar sind (hierzu gehören das Tryp. Gamhiense der Schlafkrankheit, und die Trypanosomen der verschiedenen Pferdeseuchen. Tryp. egui- perdum der Dourine, Tryp. equinum der Mal de caderas. 2^ die welche spontan bei verschiedene Tierarten vorkommen : Tryp. Evansi (der Surra), Tryp. hrucei (der Nagana) und verschiedene afrikanische Trypanosomen. Im Ganzen sind bis jetzt ungefähr i6 verschiedene pathogène Sorten bekannt — während einige noch ungenügend unter- sucht sind. Die Uebertragung der Trypanosomenkrankheiten von einem Tier auf das andere findet in der Natur meistens durch Insekten statt welche auf den betreffenden Tieren para- sitiren ; in den meisten Fällen sind das bestimmte Fliegenarten. Bruce zeigte, dass die Glossitia Morsitans (Tsetse fliege) der Uebertrager der Nagana ist. Die Schlafkrankheit wird 85 gewöhnlich durch Glossina-palpalis verbreitet — die Surra durch Tahantis-z.x\.ç.x\. Die Uebertragung kann auf zwei Weisen stattfinden : erstens kann die Fliege einfach als Impfnadel dienen — dieses geschieht, wenn sie ein krankes, und bald darauf ein gesundes Tier sticht. Zweitens kann das Trypanosoma im Fliegenkörper einen Entwicklungszyclus durchmachen, und der Stich der Fliege ist dann erst infektiös, sobald der Zyclus abgelaufen ist — das ist bei Glossina cirka 17 Tage. DieGlossinen können auf beide obengenannten Weisen infizieren. Bei Tabaniden sind bis jetzt keine Entwickelungsstadien von Trypanosomen gefunden. Versuche mit Tabaniden sind gewöhn- lich misslungen : wegen der Schwierigkeit, diese Fliege in der Gefangenschaft am Leben zu erhalten. Vorläufig glaubt man, dass die Tabaniden bei der Infektion nur als Impfnadel dienen. Ist das wirklich der Fall dann vereinfacht das die Bekämpfung der betreffenden Seuche. Eine infizierte Tabanus ist dann nach einem Tage schon nicht mehr infektionsfähig, während eine infizierte Glossina wahrscheinlich lebenslang infektiös bleibt. (Kleine in Deutsch-Ost-Afrika, konnte ein Tier Naganakrank machen, durch den Stich einer Glossina, welche 81 Tage vorher infiziert war). Im Glossin enkörper hat höchstwahrscheinlich eine geschlecht- liche Entwicklung des Trypanosoma statt : KLEINE fand bei Glossina palpalis, welche mit Tryp. Gambiense infiziert war, im Darm grosse, breite Trypanosomen mit vielen Granula im Protoplasma und mit einem oder mehreren Kernen und kurzem (bisweilen auch ohne) Flagella — er hält diese für weibliche (Macro) Gameten — Auch sah er schlankere, mit Giemsa rötlich-blaugefärbte Formen mit langem, kompactem intensiv rot gefärbtem Kerne welche er für männliche Gameten hält. Bei den schon infektionsfähigen Fliegen waren die weiblichen Gameten am zahlreichsten. Bei Fliegen, welche nur einmal trypanosomenhaltiges Blut gesogen hatten wurden nach einigen Wochen im Darm und Proboscis Parasiten gefunden, welche den Bluttrypanosomen ähnlich waren — diese bildeten wohl das End-stadium des Zyclus. Auch in den Speicheldrüsen wurden 25 Tage nach der Infektion ähnliche Formen angetroffen. 86 Die Trypanosomen gelangen zuletzt in den Rüssel der Fliege und werden mit dem Stich in das Warmblutige Tier geimpft. Bruce gelang es auch ein Tier zu infizieren mittels Einspritzung von trypanosomenhaltiger Darmflüssigkeit einer Fliege. Nicht alle Glossinen, welche trypanosomenhaltiges Blut saugen, infizieren sich ■ — nur ungefähr lo o/o (nach Versuche von BRUCE und Kleine). In einer Gegend Afrikas wo Nagana einheimisch war wurden eine grosse Zahl Glossinamorsitans gefangen — die meisten enthielten keine Trypanosomen — unter den infiziert gefundenen Exemplaren wurden dreimal die Parasiten im Rüssel gefunden gegen einmal im Darm. Ausser Glossinen und Tabaniden können auch andere Fliegen- arten gelegentlich Trypanosen übertragen; so z.B. Stomoxys- arten. Diese dienen dann einfach als Impfnadel. Bei einigen Trypanosomen findet die Uebertragung durch andere Insekte statt: das Tryp, Lewisi der Ratte wird durch eine Rattenfloh und eine Rattenlaus übertragen — im Insekten- körper findet ein Entwicklungszyclus statt. Das von CHAGAS und CRUZ in Brasilien entdeckte Sckizo- trypannm-Criizi (das eine eigentümliche mit Fieber Drüsen- schwellungen Thyroideitis einhergehende Krankheit beim Menschen verursacht) hat als Zwischenwirt eine Wandlaus (Comorrhinus Megistus) und macht in diesem Insekt einen Zyclus durch, welcher 8 Tage dauert. Bei einer Trypanose spielen die Insekte keine Rolle bei der Verbreitung, nl. bei der Beschälkrankheit der Pferde (Dourine) welche durch den Koïtus übertragen wird. Sperma und Vaginal- schleim enthalten die Trypanosomen, welche durch die intakte Genitalmucosa in den Körper des neuen Wirtes dringen. Der Grund, dass diese Krankheit nicht durch Insekte übertragen wird, liegt wohl in dem Umstand, dass die Parasiten im peripheren Blute in einer so geringen Zahl vorhanden sind, dass die Insekte nur wenig Gelegenheit haben sich zu infizieren. Experimentel ist es gelungen die Dourine mittels Fliegenstich zu übertragen. Die Eigenschaft, durch intakte Schleimhäute zu gehen, besitzen auch andere Trypanosomen. Es gelang mir eine Stute mit Surra zu infizieren indem ich mit einem Glasstäbchen ein wenig Schleim vom Penis eines Surrakranken Hengstes, auf die 8? intakte Vaginaschleimhaut der Stute übertrug (ohne einreiben). Andere Trypanosen, z.B. Surra und Nagana, können ohne Zweifel gelegentlich durch den Koitus übertragen werden, zumal bei Rindern. Die an diesen Krankheiten leidenden Pferde sind meistens zu schwach. Beim Menschen konstatirte KUDICKE Fälle von Schlafkrankheit bei Negerfrauen, welche höchstwahr- scheinlich infiziert waren durch den Koitus mit kranken Männern. In der Natur ist jedoch die Infektion mittels Fliege die Regel. Durch Impfung mit virulentem Blute kann man empfängliche Tiere imner infizieren. Die Virulenz der Trypanosomen schwächt nicht ab, wenn man den Zwischen-wirt, das Insekt, ausfallen läszt. Nur das Schizotrypanum Cruzi wird durch Tierpassagen weniger virulent. Man nimmt gewöhnlich an, dass die Trypanosomen nicht durch die Placenta dringen. Ich infizierte ungefähr zehn schwangere Meerschweinchen mit Surra. In zwei Fällen hatten die neuge- borenen Jungen Surra, waren also intra-uterin infiziert. Die Trypanosomen sind Parasiten der Körpersäfte und hauptsächlich des Blutplasma. Einige Forscher behaupten Trypanosomen innerhalb der roten Blutkörperchen gesehen zu haben. Diese Beobachtungen sind zum Teil irrthümlich. Carini sah aber in igio bei einem Trypanosome des Frosches in Brasilien, einige Male das Trypanosoma innerhalb der Erytro- zyten. Auch vermutet Carini, dass Tryp. Lewisi bisweilen in die roten Blutkörperchen dringt. MesNIL und Brimont fanden in den Erytrozyten eines Faul- tieres (Cholaepus didactylus) trypanosomenähnliche Parasiten, welche sie Endo-trypamim Schaiidiyii nannten. HÖHNEL will Tryp. Congolense innerhalb den roten Blutkörperchen gesehen haben. CHAGAS beschrieb ^W(T^ö-globuläre Formen seiner Schizo- trypanum Cruzi (zumal im Anfang der Infektion) und BUCHANAN nahm auch dergleiche Entwicklungsstadien wahr bei Spring- mäusen infiziert mit Tryp. Brucei. Man muss also heute annehmen, dass bestimmte Trypanoso- men-arten unter gewissen Umständen in die roten Blutkörperchen eindringen können. Die Krankheitssymptome welche die verschiedenen Trypanosomen bei den höheren Tier- arten veranlassen, sind hauptsächlich dieselben. Es sind: Fieber (meistens intermittirend). Anaemie, Oedème und Milzschwellung. Dazu Symptome von der Seite des zentralen und peripheren Nervensystems. Die Anaemie wird nicht durch direkte Zerstörung der Erytrozyten hervorgerufen, wie bei Malaria und Piroplas- mosis, sondern die blutbildenden Organe (Knochenmark) werden wahrscheinlich durch die Toxinen der Parasiten geschädigt. Die Krankheitssymptome beruhen auf Toxinewirkung ; wahr- scheinlich auch hie und da auf Embolibildung in Kapillaren. Die von einer Trypanose geheilten Tiere besitzen Immunität. Diese Immunität dauert gewöhnlich nicht sehr lange. Es ist wahrscheinlich eine Sterile Immunität, im Gegensatz zu der Immunität bei verschiedenen anderen Protozöenkrankheiten (Piroplasmose z.B.) wo die immunen Tiere nicht parasitenfrei sind. Nach Laveran haben Ziegen (welche Tierart alle bekannte Trypanosen leicht durchsteht) eine Immunität von verschiedenen Jahren. Ich konnte in Niederl. Indien durch Versuche ermitteln, dass beim Rind die Immunität (gegen Surra) ungefähr ein Jahr dauert. Nach Manteuffel währt die Immunität bei der Ratte (Tryp. Lewisi) durchschnittlich 3 Monate, und bei hyperimmunen Tieren höchstens ein Jahr. Bei der Beurteilung, ob ein Tier geheilt ist, muss man vor- sichtig sein, da oft parasitenfreie Perioden vorkommen ohne Krankheitssymptome. Blutimpfungen auf empfängliche Tierarten und biologische Reaktionen sind dann die Hilfsmittel. Behandlung der Trypanosen mit Therapeutica ist nicht immer notwendig. Bei verschiedenen Tierarten, zumal Rind, Ziege und Schwein, ist bei günstigen hygienischen Verhältnissen, Naturheilung die Regel. Bei Mensch, Pferd und Hund verlaufen die Trypanosen meistens tötlich. In den letzten Jahren hat man bei der Behandlung guten Erfolg gehabt mit Arsenikumpreparate (As2 O3 und Atoxyl), Tact-emeticus, und Stibium sulphuratum. Bei Surra werden gewöhnlich zwei dieser Mittel abwechslend gegeben. Hohe Dosen sind notwendig, und Vergiftungen sind dadurch bisweilen nicht zu vermeiden. Bei niedrigen Dosen werden nicht alle Parasiten 89 abgetötet. Man nimmt gewöhnlich an, dass die Ueberlebenden sich an das Mittel gewöhnt \\2\iÇ.Xi, giftfest geworden sind. Vielleicht sind es einfach die kräftigsten Individuen, welche am Leben bleiben. Auch mit ^'ß/z/e'r.yaw-behandlung hat man bei der Surra Erfolg gehabt. Serumhehandlung, mit Immunserum, hat in der Praxis Fiasko gemacht. Es hat keine kurative Wirkung. Einige Forscher haben eine kurze prophylaktische Wirkung beobachtet. Man würde während dieser passieven Serumimmunität, activ immuni- zieren können, mit virulentem Blut, z.B. Aber noch davon ab- gesehen dass man auf diese Weise viele neue Infektionsherden schafft, ist diese Methode in der Praxis oft nicht lohnend wegen der kurzen Dauer der aktiven Immunität. Manteuffel fand dass bei Tryp. Lewisi das Immunserum sogar 24 Stunden vor oder nach der Infektion eine schützende Wirkung hatte — jedoch trat oft trotz des Serums eine leichte Infektion auf — hlieh letztere aus, so war das hetrefende Tier nachher nicht activ-immun. Ein von SURRA geheiltes Rind (Zebu) wurde durch wieder- holter Injektionen mit virulentem Blut hyperimmun gemacht. Als ich nachher mit diesem Immunserum Pferde und Meer- schweinchen behandelte, war durchaus keine schützende oder heilende Wirkung zu konstatiren. Man hat wiederholt versucht die Trypanosomen durch Tier- passagen weniger virulent zu machen, in der Hoffnung auf diese Weise eine Immunisierungsmethode zu finden. Bis jetzt ohne praktischen Erfolg. MARTINI gelang es, einen virulenten Naganastamm durch über 100 Passagen durch weisse Mäuse, so zu mitigieren, dass er ein Esel nur noch leicht krank machte und nicht tötete (wie dies die Regel ist). Als diese Esel nachher mit einem virulenteren Stamm geimpft wurden, erkrankten sie wieder, blieben jedoch am Leben. Ich versuchte das Surra-trypanosoma zu mitigieren durch Zebu- passagen. (Das Zebu ist zwar empfänglich für Surra, heilt aber leicht bei guter Pflege). Ein Surra-Stamm der in zwei Jahren elf Zebu-passagen durchgemacht hatte, war für Pferde noch gleich virulent geblieben. Ein mitigierter Stamm auf andere, empfänglichere Tierarten übergeimpt, erlangt bald wieder seine alte Virulenz. 90 Weiters sind Tiere, welche mit einem mitigierten Stamme immunisirt sind, nicht unempfänglich geworden für anderen virulentere Stämme desselben Trypanosomas. Auch hat man probirt Tiere zu immunisiren mittels in Vitro- gezüchfeten Trypanosomen. [Die meisten pathogen Trypano- somen lassen sich nicht in Vitro züchten. Nur mit Tryp. Brucei gelingt es dann und wann (im condens wasser von NoVY'schen Blutagar). Den Surraparasit konnte Laveran nur einmal während kurzer Zeit züchten. Das Schizotrypanum Cruzi wächst auf NoVY-agar. Von den anderen Blutprotozoen wachsen auch die Leishmania's auf NovY-agar. Die Malariaplasmodien sind neulich zum ersten Mal in vitro Kultivirt durch BasS und JOHNS in Amerika und zwar in defibrinirtem Blut wobei Dextrose zugefügt wurde. Ich probirte nach den BaSS und JOHNS'sche Methode Piroplasma bigeminum zu züchten. Die Parasiten ver- mehrten sich während den ersten Tagen, dann gingen sie ein.] Impfung mit jungen hei Zimmertetnperatur g&znchteX.ç.nTryp. Brucei-Kulturen (bis zu ± 22 Tage) verursacht die ungeschwächte Krankheitsform ; ältere abgeschwächte Kulturen ebenfalls, nur mit längerer Inkubation. Alte, avirulente Kulturen ( ± 100 Tage) oder abgestorbene Kulturen veranlassen keine Krankheit, aber auch keine Immunität. Bei 37° gezüchtet verlieren die Naganatrypanosomen schon nach 2 Tagen ihre Virulenz. Immunisieren mittels abgetöteter Trypanosomen ist mehrmals versucht worden, meistens mit wenig Resultat. Schilling berichtete neulich, dass er kleinere Versuchstiere und auch ein paar Hunde und Pferde gegen Nagana immu- nisiert hat, indem er sie Trypanosomen aus Rattenblut, durch Centrifugiren gesammelt und durch hinzufügen von Tart. emeticus getötet, den Tieren einspritzte. Braun und Teichmann immunisierten mit y^s.ga.wdi-trypanosojnen aus Rattenhlut, centrifugirt, gewaschen und bei Zimmertemperatur getrocknet. Mäuse, Ratten, [Meerschweinchen und Kaninchen waren, nach Vorbehandlung mit diesem Antigen, immun gegenüber der Infektion mit virulentem Blut. Man brauchte jedoch grosse Dosen Antigen (und verhältnissmässig für Mäuse grössere als für Kaninchen). Auch dauerte die Immunität nur kurze Zeit bei den Mäusen 91 von 3 Wochen bis ± 5 Monate. Von 8 Meerschweinchen konnten nach 85 Tagen 6 wieder infiziert werden. Nur verlief die Infektion viel langsamer als bei den Kontrolletieren. Beim Rind glückte eine derartige Immunisirung nicht; vielleicht waren die Antigendosen zu niedrig : Zwei Rinder (von cirka 200 K.G.) bekamen, jedesmal mit einer Woche Zwischenzeit, vier Einspritzungen von je 0,5 Gram. Nagana- trypanosomen Stamm. 4 -[- 0,5 gram. Stamm. S. Eine Woche nach der letzten Injektion infizierte man die Tiere (jedes bekam '/^ der Blut- menge, welche man erhielt durch Verblutung einer Naganakranken Ratte). Die Rinder erkrank/en, ivarett also nicht immun. Bevor der Infektion hatte man ihr Blutserum auf Anti-Körper untersucht. Nur das Serum von einem den Rinder schützte nach Einspritzung einer Maus, diese einigermassen (unvollkommen) gegen nachherige Infizierung mit Stamm 4. Gegen Stamm S. waren also keine Antikörper gebildet und gegen Stamm 4 nur wenige bei einem der Rinder. Die nachherige Infizierung der Rinder mit virulentem Ratten- blut war gewiss viel stärker als die natürliche Infektion (durch Fliegenstich), aber dennoch ist es sehr fraglich^ oh Immunisierung mittels abgetöteten Trypanosomen praktisch brauchbar sein wird. Bis jetzt sind die Methoden zu unsicher und zu umständlich. Die nicht-pathogenen Trypayiosomen der grösseren Haustiere und speziell die des Rindes, bilden wahrscheinlich eine Sorte das Trypanosoma Theileri. Dieses wurde in 1903 zuerst von Theiler in Süd-Afrika gesehen. Es unterscheidet sich morphologisch von den anderen Säugetier-trypanosomen durch seine Grösse, 30 — 70 u. zu 2 — 5 u. Ausserdem liegt der Blepharoplast gewöhnlich nicht in der Nähe des Hinterendes, sondern mehr in der Mitte des Körpers und in der Nähe des Kernes. Biologisch ist auffallend dass es sich, ebenso wie das wenig pathogène Tryp. Lewisi leicht in Vitro kultiviren lässt. In Englisch-Indien fand LiNGARD und in Kaukasien LuiIS ähnliche Trypanosomen bei Rindern. Miyajinia in Manila mischte Blut von Rindern, welche am Piroplasmosis litten, mit Bouillon, und stellte es in den Brut- kasten, mit den Absicht Piroplasmen zu züchten. Nach einigen 92 Tagen sah er in den Röhrchen Flagellaten, welche er für Entwicklungsstadien seiner Piroplasmen hielt und als solche beschrieb. MARTINI, der diese Versuche nachprüfte, kam zum Schluss, dass die Piroplasmen in der Kulturflüssigkeit abgestorben waren, und dass die Flagellaten Trypanosomen waren, welche aus dem Rinderblut stammten. Sie waren wahrscheinlich im kreisenden Blute in so geringer Zahl vorhanden, dass sie bei der directen Blutuntersuchung nicht gefunden wurden. Seitdem sind in vielen Ländern durch diese »Kulturmethode« Trypanosomen im Rinderblut gefunden. Bei direkter Blutunter- suchung ist der Parasit meistens nicht zu finden, wohl aber ausnahmsweise, und es handelt sich dann gewöhnlich um Fälle, wobei die Tieren zugleicher zeit an einer andern (akuten und schweren) Krankheit leiden, z.B. Piroplasmose, Milzbrand, Rinderpest. Das Vermuten liegt nahe, dass in diesen Fällen die Trypanosomen von der verminderten Resistenz des Gast- wirtes profitieren, um sich zu vermehren. (Ich schwächte ein mit Tryp. Theileri infiziertes Rind, durch wiederholte schwere Aderlässe. Auf den Trypanosomengehalt des Blutes blieb dieses Verfahren ohne Einfluss). Knuth und Behn (Deutschland) sahen bei einem Kalb das mit Trypanosomenhaltiges Blut geimpft war, die Parasiten während einigen Tagen bei direkter Blutuntersuchung. Das Kalb hatte auch Fieber. Peters (Uruguay) traf auch einige Male bei direkter Blutunter- suchung die Trypanosomen. Die betreffenden Tiere hatten keine Krankheitssymptome, nur Milzschwellung. Neulich erwähnte Knuth einige Fälle von Milzschwellung bei Schlachtochsen. In einem der Milze, wie auch in Leber und Niere desselben Rindes wurden in Objektglasausstrichen Trypanosomen gefunden. Die Tiere zeigten beim Leben keine Krankheitssymptome. Subjektive Symptome vielleicht schon, und es ist nicht unwahr- scheinlich, dass das Trypanosoma-Theileri unter gewissen Um- ständen, zumal in Symbiose mit anderen Krankheitskeimen (Piroplasmen z.B.) im Stande ist, auch objective Krankheits- symptome hervor zu rufen. In Holland haben cirka 27 "Ô der Rinder von zwei Jahren und älter, Trypanosoma-Theileri im Blut. Die Kälber sind beinahe immer trypanosomenfrei. 93 In Deutschland und Griechenland sind auch bei einigen gesunden Schafen Trypanosomen gefunden. Ob es dieselbe Art ist, ist noch nicht festgestellt. Die Art der Infektion ist für Europa noch nicht sicher bekannt. Sehr wahrscheinlich sind Fliegen die Vermittler. In Süd-Afrika konnte TlIEILER mittels Hippohosca rufipes die Infektion übertragen. Die Frage, wie lange die infizierten Rinder ihre Trypano- somen behalten, ist noch nicht gelöst. Eine Kuh deren Blut ich während den letzten zwei Jahren von Zeit zu Zeit unter- suchte, enthält noch immer Trypanosomen. Ein junges Rind, welches im vorigen Winter parasitenfrei war, hatte in October Trypanosomen im Blut; hatte sich wahrscheinlich diesen Sommer auf der Weide infiziert. Nach Theiler besitzen Rinder, welche eine Tryp. Theileri- infektion überstanden haben, Immunität. Es gelingt leicht, durch Einspritzung mit frischem trypanosomen- haltigem Blut, gesunde Rinder zuinfizieren. Nach einer Inkubation von cirka neun Tagen sind beim geimpften Tier die Trypano- somen mittels Kulturmethode nachzuweisen. Infizierung von Kälbern glückt nicht immer. Theiler impfte auch ohne Erfolg Pferde, Schafe, Ziegen, Hunde, Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten und Mäuse. Mir gelang es ein Pferd zu infizieren ; das Tier hatte lö Tage nach der Impfung Trypanosomen (durch Kultur nachgewiesen) — ein Monat später war das Blut dieses Pferdes wieder parasitenfrei. Martini (Manila) impfte mit Erfolg Rinder, mit jungen Blutbouillonkulturen. Ich konnte auf diese Weise keine Kälber infizieren und meine mit Kulturen geimpften Kälbern waren nicht immun geworden und konnten nachher mittels Blutimpfung infiziert werden. Die Zahl der Parasiten bei der latenten Infektion ist nicht immer die Gleiche. Bei den holländischen Rindern war durch- schnittlich auf je 3 — 8 Tropfen Blut ein Trypanosom. Die Trypanosomen gedeihen am Besten in Blutbouillon (i : i à 2). Man findet sie an der Grenze zwischen Serum und Blut- körperchen, in der Leukozytenschicht. Auch das Condenswasser von Blutagar ist ein sehr guter Nährboden. Bis jetzt konnte 94 ich die Parasiten, bei Zimmertemperatur (± 18" C), in Blutagar 6 Monaten, und in Blutbouillon höchstens 51/2 Monat kultiviren. Es scheint, dass sie doch zuletzt in dem künstlichen Medium ihre Lebenskraft einbüssen. Oefteres Ueberimpfen nützt nicht — meistens misslang schon die dritte Ueberimpfung in Blut- bouillon. Nach 3 — 5 Tagen (18 — 22° C) sieht man in den Kulturen die ersten Trypanosomen erschemen. Während den ersten Tagen treten viele flagellenlose Parasiten auf, von der Grösse eines Erytrozyten oder auch grösser, rund oder oval mit Kern und Blepharoplast. Am ö^en Tag sieht man flagellate und Teilungs- formen. In älteren Kulturen (schon von yte« Tage an) kann man verschiedene Degenerationsformen beobachten. Die Grösse der erwachsenen Kulturtrypanosomen ist 20 — 50. zu 2 — 3 ,w, das freie Flagellastück misst 10 — 20 fi. Behn behauptet, runde flagellalose Kulturtrypanosome innerhalb Leuko- zyten, gesehen zu haben. Ich sah dieselbe nur extra-cellulär. Es ist möglich dass die kleinen Parasiten ohne Flagella auch im Rinderblut (in vivo) vorkommen. Ungefärbt sind sie von Leukozvten nicht zu unterscheiden. (Aus dem Institut für Mikrobiologie der Technischen Hochschule in Delft.) EINFLUSZ EINIGER KOLLOIDE AUF DIE ALKOHOLQÄRUNQ i) VON Dr. n. l. Söhngen. EINLEITUNG. Die interessanten Resultate, welche Krzemienieu WSKI 2) erhielt bei seinen Untersuchungen über den fördernden Einfluss, welchen roher Humus auf die Stickstoffbindung durch Azotobakter in dem BEYERiNCK'schen Kulturmedium ausübt, indem dagegen mehr ge- reinigter Humus diese Eigenschaft nicht oder viel weniger besass, veranlassten, dass mehrere Untersucher, wie Remy, RÖSING 3) und Kaserer 4), über diese Frage weitere Untersuchungen anstellten. Sie erwiesen, dass kolloidales Eisen- und Aluminiumoxyd die eigent- lichen im rohen Humus vorhandenen Verbindungen seien, welche das Wachstum des Azotobakters beschleunigten. Bei meinen Untersuchungen über den Einflusz einiger Kolloide auf den Verlauf mehrerer Mikrobenprozesse wurde dieser auch bei der Alkoholgärung verfolgt. DziERSBiCKI 5) untersuchte schon in wiefern Humussäure und Humussäuresalze den Prozess der Alkoholgärung beeinflussten. Er stellte fest, dass Humus- verbindungen einen günstigen Einflusz auf den Hefewuchs so wie auf die Alkoholbildung ausüben. Ross VAN Lennep 6), der den Einflussz fester Körper auf 1) Noch einem in der Niederländischen Vereinignng für Mikrobiologie am 19 Dezember 19 12 gehaltenen Vortrage. 2) Centralbl. für Bakt. 1909. Abt. 2 Bd. 23 S. l6l. 3) » » » 191 1. » 2 » 30 » 349. 4) » » » 191 1. » 2 » 30 » 509. 5) » » » 1909. » 2 » 25 » 296. 6) Folia Microbiologica Heft 3 191 2. Influence des substances fixes sur l'anaërobiose dans les milieux de cultures liquides. 96 die Anaerobiose studierte, stellte auch Versuche an über deren Einflusz auf die Alkoholgärung und die Gärung von B. coli in Bouillon-glucose bei 37° C. Beide Prozesse verlaufen bei An- wesenheit von Filtrierpapier im Kulturmedium schneller ; die Gasbildung in beiden Kulturen sowie auch die Milchsäurebildung durch B. coli werden gefördert. Er schrieb die günstige Wirkung des Filtrierpapiers dem schnellen Entweichen der Kohlensäure aus dem Medium zu, wodurch darin eine niedrigere Kohlen- säurekonzentration entsteht. Da nun meine Untersuchungen erwiesen haben, dass der Einfluss der Kolloide auf die Alkoholgärung in unmittelbarem Zusammenhang steht mit dem Einflusz, welche sie auf die Kon- zentration der Kohlensäure in der Kulturflüssigkeit ausüben, werde ich die wichtigsten Arbeiten, welche über den Einflusz der Kohlen- säure auf den Alkoholprozess handeln, kurz zusammenfassen. Im Jahre 1886 ist von DELBRÜCK und FOTH 1) durch zahlreiche Versuche nachgewiesen, dass die ohne jegliche Bewegung be- werkstelligte Entfernung der Kohlensäure den Verlauf der Gärung fördert. Unter sonst ganz gleichen Verhältnissen vergärten z. B. drei mit gleichen Hefemengen angestellten Würzen am Saccharometer bis zu und erzeugen dabei an Hefe 1 bei 1/2 Atmosphäre Unter- druck 6,8° 18 gr, 2 bei Normaldruck 8,2° 12 > 3 bei 1/2 Atmosphäre Über- druck 9,3° 10 ■» In seiner wichtigen Arbeit, De theorieën der alcoholgisting sagt AberSON 2), dasz der hemmende Einfluss der Kohlensäure auf die Alkoholgärung gröszer sein wird als derjenige des Alkohols. Es gelang diesem Untersucher den Prozesz der Alkoholgärung mittels Kohlensäuredruck völlig zu hemmen, indem er in ein kupfernes Rohr, welches die Kultur enthielt, schnell ein wenig feste Kohlensäure brachte und dasselbe darauf ver- schloss. Es fand in dieser Kultur infolge der Kohlensäure- spannung keine Gärung statt. 1) Delbrück. Zeitschrift f. Spir Ind. 1886 cit, Kohl. Die Hefepilze, S. 153. 2) Aberson De theorieën der alkohoHsche gisting. Chemisch Weekblad 1903 — 1904 blz. 133, 149 eu 161. 97 In der Gärungsindustrie ist es von allgemeiner Bekanntheit, dass Trebern und Gärfaden die Alkoholgärung fördern durch Austreiben der Kohlensäure aus der Flüssigkeit. Bei der Lufthefefabrikation ist es von grösster Bedeutung, dass die Entfernung der Kohlensäure möglichst weit getrieben wird. So sagt KlBY i) auf Seite 574 seines Handbuches : »Es musz daher Luft in solchen Mengen eingeblasen werden, dass die Kohlensäure nicht bloss verdrängt, sondern auch mit Luft so weit verdünnt wird, dass sie nicht mehr hemmend zu wirken vermag. Aus obigen Tatsachen leuchtet die Bedeutung der Kohlen- säurekonzentration auf in alkoholischer Gärung begriffenen Kulturmedien ein. Zur Erklärung dieses Einflusses der Kohlensäurekonzentration, welche wie wir sehen werden durch die Anwesenheit bestimmter Kolloide bedingt wird, können nachstehende Möglichkeiten als Ursachen angenommen werden. i^ Die Gärungsfunktion der Hefe wird geändert. 26 Die Wuchsgeschwindigkeit der Hefe wird geändert. 3e Die Gärungsfunktion und die Wachstumsgeschwindigkeit werden geändert. I. Einflusz der Kolloide auf die Gärungsfunktion. Der Einflusz der Kolloide auf die Gärungsfunktion zeigt sich wenn wir die Gärungen mit und ohne Kolloid unter solchen Umständen vor sich gehen lassen, dass Hefewachstum ausge- schlossen ist. Dies wird der Fall sein, wenn Gärungen stattfinden zwischen der Maximumtemperatur des Hefewachstums und der der Gärungsfunktion, jedoch unterhalb der Temperatur, wobei während des Versuches Absterben der Hefe stattfindet. Dann allein werden Veränderungen in der Geschwindigkeit des Pro- zesses durch Kolloide die Folge sein von Veränderungen in der Gärungsfunktion, verursacht durch diese Verbindungen. Zuerst soll die Maximumtemperatur des Hefewachstums bestimmt werden. Nach Pedersen beträgt die Maximumtemperatur des Hefewuchtums 40° C. l) KiBY. Presshefenfabrikatiou, S. 574. 98 Bestimmung der Maximumtemperatur des Hefewachstums. Er stellte sie in folgender Weise fest : Eine mit einer be- stimmten Anzahl Hefezellen geimpfte Serie Kulturen von Malz- extrakt wurde während 24 Stunden bei verschiedenen Tempera- turen gestellt und nachher wieder die Anzahl Zellen darin be- stimmt. Es stellte sich heraus, dass in den Kulturen auf 40° C und höher kein Hefewachstum mehr stattfand; wohl aber bei niedrigeren Temperaturen. Ich gelangte zu demselben Resultat durch direkte Beobachtung des Hefewachstums in hängenden Tropfen unter dem Mikroskop bei verschiedener Temperaturen ; bei 35° C wurde innerhalb zwei Stunden noch Vergrösserung der Hefeknospen wahrgenommen ; bei 37° — 38° C fand während zwei Stunden kein Wachstum der Knospen mehr statt. Die Maximumtemperatur des Hefewachstums ist also ungefähr 38° C. Es musste nun festgestellt w-erden bei welcher Temperatur die Kultur während der Versuchsdauer, ohne Schädigung der Gärungsfunktion stattfinden kann. Fräulein Van AmSTEL 1) stellte fest, dass Preszhefe während 20 Minuten auf 45° C erwärmt werden kann ohne Schädigung der Gärungsfunktion. Da nun die Dauer meiner Versuche, auf Grund einiger Vorversuche maximal auf zwei Stunden gestellt war, musste bei einer niedrigerer Temperatur als 45° C vergoren werden ; denn die Gärungsfunktion nimmt beim Erhitzen der Hefe während dieser Zeit auf 45° mit fast 40 0/0 ^b. Nach einer zweistündigen Kultur bei 38° — 40 C findet keine nennenswerte Abnahme der Gärungsfunktion statt. Drei Versuche zeigten, dass die Gärungsfunktion resp. um 3 %, 6 % und 2 ^/q, also im Mittel um nur 50/0 abgenommen hatte. Die Bestimmung der Abnahme der Gärungsfunktion bzw. des Hefewachstums in Kulturen (5 Gr. Hefe, 5 Gr. Glucose, 50 c.M3. destilliertes Wasser) wurde in folgender Weise ausgeführt. Die Kultur wurde während einer bestimmten Zeit auf die erförder- liche Temperatur gestellt, dann zentrifugiert und die klare Kultur- flüssigkeit abgegossen. Mit dieser Hefe wurde die Gärungsge- ^) De temperatuursiuvloed op physiologische processeu der alcoholgist. Dissertatie 1912 Technische Hoogeschool te Delft. J. E. van Amstel. 99 schwindigkeit mit einer neuen Kulturflüssigkeit (5 Gr. Glucose, 50 C.M3. destilliertes Wasser) bestimmt. Als Gärungsgeschwindigkeit gilt bei diesen Versuchen die Anzahl cM^. Kohlensäure, welche während zehn Minuten durch die Kultur bei 30° C entwickelt wird, wenn zwischen den ersten 150 und 400 C.M3. entwickelte Kohlensäure gemessen (die Geschwindigkeit der Gasentwicklung ist zwischen diesen Anzahlen c.M'. Kohlensäure fast konstant). Tabelle der Gärungsgeschwindigkeiten. cM^. Kohlensäure in zehn Minuten. Nicht vorher erwärmte Kultur 50 Nach einer Stunde Erhitzen bei 35° C 55 » » » » » 38° C 50 » » » » » 40° C 50 » » i » » 45° C 32 » zwei Stunden » » 40° C 47 » drei » » » 38° C 50 Das Vorhandensein von Kolloiden in den Gärungen während der Erwärmung bringt keine Änderung in den erhaltenen Resultaten ; diese stimmen mit den obenerwähnten überein. Aus diesen Zahlen geht hervor, dass bei einer Gärung auf 35° C während einer Stunde noch ein geringes Hefewachstum stattfindet ; zwischen 38° — 40° C wächst die Hefe nicht und nimmt die Gärnngsfunktion auch während zwei Stunden nicht ah. Zur Bestimmung des Einflusses der Kolloide auf die Gärungs- funktion ist es also notwendig die Gärung zwischen 38° — 40° vor sich gehen zu lassen. A. Einfluss der Humussäure und der humussäuren Salze auf die Geschwindigkeit der Alkoholgärung. DziERSBICKl's Untersuchungen veranlassten, dass ich zuerst den Einfluss der Humussäure und ihrer Salze auf die Geschwin- digkeit der Alkoholgärung untersuchte. Die bei diesen Versuchen erhaltenen Resultate waren jedoch wider Erwartung nicht sehr ermutigend, weil diese Stoff^e den Prozess nicht beschleunigen, wie es DziERSBICKI mitteilt, sondern hemmen. Humussäure und Calciumhumat üben eine wenig hemmende Wirkung aus, wenn 100 sie frisch niedergeschlagen aus einer Lösung von Natrium- humat und gewaschen mit destilUertem Wasser sind. Als Pulver hinzugefügt nachdem sie getrocknet sind, erhöhen sie die Gä- rungsgeschwindigkeit ein Wenig. Natrium-Kalium- und Ammo- niumhumat sind in einer Konzentration von 1/20 o/^ noch schädlich ; diese Kulturen fangen meistens nicht sofort zu gären an, aber erst nach einigen Stunden mit geringer Geschwindigkeit, dann nimmt die Gärungsgeschwindigkeit zu, erreicht jedoch nie diejenige der Kulturen ohne Humate. Offenbar üben die Humate also einen schädlichen Einfluss auf die Alkoholgärung aus. Diese Resultate sind also denjenigen DziERSBICKl's streitig. Inzwischen war festgesetzt worden, dasz durch Hinzufügung von sterilisierter und nicht sterilisierter Erde zu den gärenden Kulturen, die Geschwindigkeit des Prozesses bedeutend gefördert wird, sodasz vorausgesetzt werden darf, dasz andre Körper als Humus die günstige Wirkung ausüben. Zu denen gehören kolloidales Eisen- und Siliciumoxyd (welche in den Kulturen bald teilweise ausflocken) nicht, denn auch diese Verbindungen hemmen die Geschwindigkeit des Prozesses und geben dieselben ungünstigen Resultate wie die Versuche mit Humussäure. Die Gärungsgeschwindigkeit wird ebenso einigermassen gehemmt, wie aus einer Serie Versuchen her- vorging, durch Gelatine, Arabisches Gummi und Agar-Agar, B. Einfluss andrer Kolloide auf die Geschwindigkeit der Alcoholgärung. Die folgenden Versuche über den Einfluss welche die Fasern, die Biokollo'ide, auf den Prozess ausüben wurden mit Torf, Filtrier- papier und Blutkohle angestellt und gaben überzeugende Resultate. In wiefern jedoch diese Kolloide in der Tat die Gärungs- funktion ändern, werden die folgenden Untersuchungen zeigen. Als am meisten dazu geeignetes Kolloid wurde Filtrierpapier angewendet, weil es gar keine für die Hefe assimilierbare Verbindungen enthält und sich durch grosse Reinheit auszeichnet. Zu den Kulturen (5 Gr. Hefe, 5 Gr. Glucose, 50 cM.3 Hefe- wasser) wurden 1.5 Gr. Filtrierpapier von SCHLEICHERT und SCHÜLL No. 509 hinzugefügt, in Stückchen von ± 1/4 cM2. Fig. I. Gärungsapparat (beschrieben auf Seite loo). K. KuUurflasche. F. Flasche von Mariotte. 102 Die Gärung fand statt in Fläschchen von ± loo cM^, versehen mit Gummistöpsel und Glasrohr, welches letztere an das Rohr einer Flasche von MariOTTE verbunden wurde. Fig. i. Diese Flasche war mit Kohlensäure und Kochsalz gesättigtem Wasser gefüllt. Das Ablesen der gebildeten Kohlensäure geschah durch Messen des verdrängten Wassers aus der Flasche in einem Meszzylinder, welcher unter dem Rohre aufgestellt war. In der Kulturflasche findet die Kultur stets unter demselben (hier atmospherischen) Druck statt, was bei diesen Gärungen von Bedeutung ist. In unterstehenden Tabellen sind die Resultate einer Anzahl Gärungen mit und ohne Filtrierpapier gesammelt worden ; darin bedeutet F Gärung versehen mit Filtrierpapier, — Gärung ohne Filtrierpapier. Am Ende der Ablesungen wurden die Kulturen kräftig ge- schüttelt, wodurch die übersättigte Flüssigkeit ihre Kohlen- säure verlor. Einflusz von Filtrierpapier auf die Vergärung von Glucose bei 42° C. Anf. 12.33 F 12.40 75 40 12.45 12-50 125 70 170 95 12.55 I.OO 1.05 1 . 10 II .15 1 .20 1.25 215 265 310 355 395 435 475 125 160 190 225 255 290 320 1.30 515 355 Zeit 12.35 12.40 12.45 12.50 12.55 Kiiltvxv geschüttelt F 550 590 630 665 695 15 — 385 420 450 485 575 70 Einflusz von Filtrierpapier auf die Vergärung der Glucose bei 45° C. F fing an um 9.38; — um 9.33. In der grafischen Vor- stellung fängt F 5 Minuten früher an. 945i 9'55. I0-05, 10.15, 10.20, 10.25, 10.30, 10.35, 10.40, 10.45, 10.50, 10.55 F 65 195 300 400 450 Kultur geschüttelti 5 — 55 140 220 300 330 360 385 415 445 Kultur gesch. 75. Um 10.15 hatte — 300 cc COg gebildet und F würde, wenn sie auch um 9.33 angefangen hätte, 450 cc CO2 gebildet haben. Wären beide dann geschüttelt worden, so hätte F 465 cc und — 375 ^c- CO2 gebildet. 103 Einfluss von Filtrierpapier auf die Vergärung von Glucose bei 50° C. — fing um 9.43, F um 9.48 an. (In der grafischen Darstellung fängt F 5 Minuten früher an.) 9.55 10.05 15 20 25 30 35 40 45 50 55 II .05 II . 10 Kultur gesch. F 80 170 215 260 280 295310325 335 345 350 360 365 12 - 45 95 135 150 170 185 200I210 225 235 245 255 260 70 Um 11.05 hatte — 255 cc CO2 gebildet, F 365 ce. Wären beide dann geschüttelt, so hätte F 377, und — 325 cc CO2 gebildet. In diesen Kulturen, worin kein Hefewachstum stattfindet, also die Anzahl Hefezellen dieselbe bleibt, wird bei den Gärungen mit Filtrierpapier in derselben Zeit ±: 50 0/0 CO2 mehr gebildet als in den Gärungen ohne Filtrierpapier. Hierdurch ist bewiesen, dass die Aktivität der Hefezellen bei Anwesenheit von Filtrier- papier in den Kulturen um ungefähr 50 ^Iq erhöht wird. Die Erklärung VAN Amstels, wobei angenommen wird, dass die Geschwindigkeit der Alkoholgärung bedingt wird durch die Konzentration der Glucoselösung, welche durch Adsorbtion auf der Hefezelle entsteht, wird durch diese Tatsache nicht in Gefahr gebracht. Wir können uns vorstellen, dasz die von den Hefe- zellen verbrauchte Glucose auch bei der grösseren Geschwindigkeit des Prozesses infolge der Abführung einer der Reaktionsprodukte, der Kohlensäure, auf die Oberfläche der Zelle sofort wieder angeführt wird. Gärungen, an welche als Kolloid Torf, Haidegrund oder Blutkohle hinzugefügt sind, geben dieselben Resultate. Versuche mit andern Zuckerkoncentrationen geben übereinstimmende Resultate mit den oben beschriebenen Gärungen. Der Einflusz der Kolloide auf den Prozess ist bei höheren Temperaturen ungefähr derselbe als bei niedrigeren, sowie aus den folgenden Seiten hervorgehen wird. Zwar findet bei diesen Temperaturen ein geringes Wachstum in diesen Kulturen (nach einer einstün- diger Gährung bei 30° ist die Hefemenge um ± 4 o/y zugenommen, nach einer vierstündiger Gährung bei 2iOumdb6o/o) statt, aber dieses ist sehr gering infolge der grossen Quantität Hefe, welche angewendet wurde. Wir dürfen in diesen Kulturen den Einflusz I04 der Kolloide auf die Geschwindigkeit des Prozesses bei verschie- denen Temperaturen fast ganz als die Folge ihres Einflusses auf die Gärungsfunktion betrachten. Einflusz von Filtrierpapier auf die Vergärung von Glucose durch Hefe bei 32» C. Der Prozesz fing um 5.03 an. 5.10 15 20 25 30 35 40 50 6 Uhr. 10 20 30 7.15 F 15 50 90 135 170 210 250 335 402,5 475 545 605 845 5 25 45 70 90 "5 145 200 245 295 345 395 595 7.25 7-40 Kultur geschüttelt. F 895 955 15 6425 690 90 Einflusz von Filtrierpapier auf die Vergärung von Glucose durch Hefe bei 21° C. Der Prozesz fing um 10.35 ^^- 10.55 11.05 II. 15 11-35 12.00 12.10 12.20 12.45 1.05 F 10 50 85 160 235 265 300 365 420 2 15 30 70 120 140 3-05 3-25 3.55 4.20 4.55 5.35 5-50 Kultur geschüttelt. F 670 710 765 825 885 945 955 20 440 475 525 575 530 6 90 7 5 70 Einflusz von Filtrierpapier auf die Vergärung von Glucose durch Hefe bei 12° C. Der Prozesz fing an um 11.30. Kultur geschüttelt. 17 HO In beigehender grafischer Darstellung 1 ist der Verlauf der Gärungen angegeben. Die Kurven sind zwischen 150 und 400 c. M 3. alle fast gerade infolge der konstanten Gärungsgeschwindigkeit. Die Kohlensäure- 12.45 2. 10 3.05 3 40 4.25 4.40 50 210 320 395 485 517 — 85 160 210 275 295 Graphische Darstellung i. Einflusz von î'iluierpapier auf die Vergärung von Glucose durch Presshefe bei verschiedenen Temperaturen. io6 entwicklung in den Kulturen mit und ohne Filtrierpapier wird in der grafischen Darstellung deutlich wiedergegeben. Eine Betrachtung der Gärung bei 21» führt zu den merk- würdigen Tatsachen, dass in der Kultur mit Filtrierpapier, sogar nachdem beinahe looo cM^ CO2 gebildet sind, ± 200 cM^. CO2 mehr gebildet sind als in der Kultur ohne Filtrierpapier, während im ganzen ± 1300 cM3. CO2 bei der Gärung entstehen können. Von 4 Uhr 20 ab verlaufen beide Gärungen ungefähr mit gleicher Geschwindigkeit; nach 5 Uhr 35 gärt die Kultur ohne Filtrierpapier jedoch schneller als die mit Filtrierpapier. Diese Tatsache ist sehr frappant, weil die Gärung ohne Filtrierpapier um 5 Uhr 35 ungefähr noch 1,5 mal soviel Glucose enthält als die Gärung mit Filtrierpapier. Die Geschwindigkeit, womit die Kohlensäure entwickelt wird, zeigt in eigentümlicher Weise den Einflusz der Kolloide auf die Gärung, so wie es aus unterstehender Tabelle hervorgeht. Kohlensäureentwicklung in 10 Minuten zwischen 150 — 140 cc. mit Kolloid ohne Kolloid lO» 2IO 320 40O 42» 45° 20 30 77 94 95 100 14 16 SO 62 65 69 Es stellt sich also heraus, dasz das VAN 't HOFF'sche Gesetz nicht gilt für den Prozesz der Alkoholgärung, weil der Temperatur- quotient bei Steigerung der Temperatur schneller abnimmt als es nach dem ARRHENIUS'schen Formel hätte geschehen müszen, so wie das auch von Frl. VAN ÄMSTEL in ihrer Dissertation festgesetzt wurde. . ... mit Kolloid 3 Das Verhältnis der Geschwindigkeiten = — ohne Kolloid 2 ist also dasselbe für alle untersuchten Temperaturen, sodass in den Kulturen mit Filtrierpapier die Aktivität der Hefe 50 % grösser ist als in denjenigen ohne Filtrierpapier. Auch das Verhältnis der Gesammtmengen der gebildeten Kohlensäure in den Kulturen mit und ohne Filtrierpapier ist ungefähr 8/2. nachdem 400 cM». in der Kultur mit Filtrierpapier gebildet sind. Graphische Darstellung 2. Einflusz von Filtrierpapier auf die Alkoholgärung, 38° C. W^io io8 12 21 32 40 42 45 50 F 400 400 400 400 400 400 377' — 310 290 315 320 3IS 310 325 Bei 50° C verursacht das Absterben der Gärungsfunktion eine verminderte CO2 bildung, wodurch diese Gärungen nicht mit den übrigen zu vergleichen sind. Die folgende Tabelle gibt die Zahlen einer totalen Vergärung von 5 Gr. Glucose gelöst in 75 cM^ Wasser durch ungefähr 12 Gr. Preszhefe als Reinkultur bei 38° C, bei Vorhandensein und Nichtvorhandensein von Filtrierpapier in der Kultur. Eine Gärung ohne Filtrierpapier, welche jede 5 Minuten kräftig geschüttelt wurde gab fast ganz übereinstimmende Resultate mit derjenigen mit Filtrierpapier. Anfang 1.40 I.45 1.50 2 Uhr 10 15 20 25 30 35 45 55 F 150 245 355 575 785 880 965 1035 1090 1130 II 50 1165 — 25 75 135 265 400 470 530 590 700 800 880 3-05 15 25 "75 1180 1182 940 980 1005 35 1 45 1 55 Geschüttelt und erwärmt. 1020 I 1030 I 1035 4-05 1235 1037^! geschüttelt und erwärmt 1220. In den Gärungen mit Filtrierpapier ist die Geschwindigkeit der Kohlensäureentwicklung anfangs bedeutend grösser als in denjenigen ohne Filtrierpapier. Zwischen 2 Uhr 10 und 2 Uhr 15 nimmt jedoch die Geschwindigkeit der Gärung mit Filtrier- papier schnell ab und wird nachgeholt durch die ohne Filtrier- papier; die Kultur hat dann ungefähr die doppelte Quantität Kohlensäure entwickelt als die Gärung ohne Filtrierpapier. Hier schneiden die beiden Kurven, welche die Geschwindigkeit der Kohlensäureentwicklung angeben, einander. Nach 1,5 Stunde ist die Kultur mit Papier praktisch ausgegoren, nach Schütteln und Erhitzen sind ungefähr 1235 cM^ CO2 gebildet. Die Gärungsgeschwindigkeit wird also durch Filtrierpapier bedeutend beschleunigt und die Zeit, welche zur Beendigung der Gärung nötig ist, ist auch kürzer als die, welche nötig ist zur Vergärung derselben Quantität Glucose durch eine gleiche Quantität Hefe bei Nichtvorhandensein von Filtrierpapier. log Die grafische Darstellung No. 2, welche oben den Zusammen- hang zwischen der Quantität gebildete Kohlensäure und der Kulturzeit und unten den Zusammenhang zwischen der Ge- schwindigkeit der Kohlensäurebildung und der Zeit zeigt, schildert den Verlauf des Gärungsprozesses in den Kulturen. C. Quantität der Kohlensäure und Alkohol in den Gärungen mit und ohne Kolloid. Die Quantität der Kohlensäure ist bestimmt worden durch Wiegen und wurde entwickelt durch eine Reinkultur von Preszhefe aus 2 Gr. Glucose und 25 cM^ destilliertem Wasser bei Vorhandensein und Nichtvorhandensein von Filtrierpapier. Zu diesem Zwecke wurden die Kulturen in einem Flaschen von ± 50 cM^ (versehen mit einem Gummistöpsel mit Abflussrohr auf 40° C. gestellt ; die entwickelte Kohlensäure durch Schwefel- säure und Chlorcalcium geführt und getrocknet und in einem Kaliapparätchen gebunden. Nach achtstündiger Kultur wurden die Fläschchen in einem Wasserbade auf 100° C. gestellt und die Kohlensäure aus der Kulturflüssigkeit mittels eines Luft- stromes ausgetrieben und in den Kaliapparat geführt. Die Anzahl der Gramme bei Vergärung von 2 Gr. Glucose durch Presshefe gebildete Kohlensäure war. In der Kultur mit Filtrierpapier : 942 mG. » » » ohne » 930 » In der Kultur mit Filtrierpapier werden also 47,1 0/0 . » » » ohne » » » 46,5 %. der Quantität Glucose in Kohlensäure umgesetzt. Anzahl Gramme der bei Vergärung von 10 Gr. Rohrzucker und von 10 Gr. Glucose durch Presshefe gebildete Gramme Alkohol. Aus 10 Gr. Rohrzucker aus 10 Gr. Glucose. Gärung mit Filtrierpapier 4.83 Gr. 4-64 Gr. » ohne » 4.79» 4 . 66 » Nach Pasteur entstehen : Aus 10 Gr. Rohrzucker aus Glucose 5.1 Gr. Alkohol 48.3 Gr. Alkohol. Das Vorhandensein des Filtrierpapiers in den Alkoholgärungen, 110 welche auf 40°, also ohne Hefewachstum verlaufen, beschleunigt den Prozess bedeutend, aber übt einen geringen oder gar keinen Einfluss aus auf die totale Quantität Kohlensäure und Alkohol, welche dabei gebildet wird. Quantität Kolloid und Gärungsgeschwindigkeit. Bei allen obenerw^ähnten Versuchen war das Kolloid in so grosser Quantität in den Kulturen vorhanden, dass die Kohlen- säure gar nicht in übersättigtem Zustande in der Kulturfiüssigkeit blieb. Werden jedoch au die Gärungen geringere Quantitäten der Kolloide hinzugefügt, so kann die Kohlensäure darin wohl in übersättigtem Zustande vorkommen ; die Kohlensäurekonzen- tration in der Flüssigkeit wird grösser werden und die Ge- schwindigkeit des Prozesses abnehmen. So war die Geschwindigkeit der Kohlensäureentwicklung in einer Kultur auf 40° C (5 Gr. Hefe, 5 Gr. Glucose und 50 destilliertes Wasser) durch Hinzufügung von resp. 50 niG. Blutkohle 100, von 10 mG. Blutkohle auch 100, von 2 mG. Bluthohle 80, von 0,2 mG. Blutkohle 55. Ebenso wurden bei Hinzufügung von 100 mG. Filtrierpapier in 10 Minuten 100 cM^. Kohlensäure gebildet, von 10 mG. Filtrierpapier 54 cM^. in der selben Zeit. Vergrösserung der Kohlensäurekonzcntration in der Kulturflüssigkeit hat also eine Abnahme der Gärungs- funktion zufolge. Wenn die Kohlensäurekonzentration in der Kulter durch Ver- grösserung der Kohlensäurespannung über der Kulturfiüssigkeit noch mehr steigt, nimmt damit wieder die Schnelligkeit des Prozesses ab. Gärung unter zwei Atmosphäre Druck. Bei dem folgenden Versuch wurde der Druck des Gases über der Kultur (50 cM^. destilliertes Wasser, 3 Gr. Hefe, 5 Gr. Glucose) mit einer Atmosphäre erhöht dadurch, dass die in der Kultur entwickelte Kohlensäure durch eine Quecksilbersäule von 76 cM. Höhe quillt ; danach wurde die entwickelte Quantität Kohlensäure beim atmosphärischen Druck gemessen. Um die Quantität Kohlensäure, welche in der Kultur zu einer bestimmten Zeit vorhanden war, bestimmen zu können, konnte Ill sie mittels eines Dreiwegshahnes direkt mit einer Gasmeszflasche verbunden werden, (also unter atmosphärischen Druck gestellt werden). Die Geschwindigkeit der Kohlensäureentwicklung durch 5 Gr. Presshefe aus 5 Gr. Glucose in 50 c.M^. destilliertem Wasser bei 400 C unter 76 c.M. Quecksilberdruck (als Kulturfgefäsz diente ein Fläschchen aus Glas von 100 c. Ms.) war ungefähr 52. Durch direkte Verbindung der Kultur mittels eines Dreiwegs- hahnes mit der Gasmeszflasche entwichen 125 c.M 3, Kohlensäure aus dem Kulturgefäsz. Nach Schütteln entwichen noch 90 c.M^. im ganzen waren also 50 c.M 3. in der Flüssigkeit gelöst gewesen : 215 + 30 — 50 = ^95 C.M3. Kohlensäure. Durch Übersättigung der Kulturflüssigkeit entsteht also eine Kohlensäurekonzentration, welche übereinstimmt mit einer Lösung, welche unter ungefähr 5 Atmosphären Druck mit Kohlensäure gesättigt ist. Die Gärungsgeschwindigkeit ist fast die Hälfte derjenigen einer Gärung, an welche Filtrierpapier hinzugefügt worden ist und welche nicht mit Kohlensäure übersättigt ist; darin ist also ungefähr 1/5 der Kohlensäure vorhanden, welche die Kulfur unter Druck enthält. In derselben Weise wurde der Unterschied der Geschwindigkeit des Gärungsprozesses bestimmt in einer auf 40« C geschüttelten Kultur unter zwei Atmosphären Druck und in einer überein- stimmenden Kultur auf 400 unter gewöhnlichem Druck ; diese betrugf nur 6 c.M^. in zehn Minuten. Aus diesen Versuchen stellt es sich in überzeugender Weise heraus, dass die Kohlen- säurekonzentration des Kulturmediums von grosser Bedeutung ist für die Gärungsfunktion ; diese wird vergrössert, wenn die Kohlensäurekonzentration in der Kulturflüssigkeit abnimmt und wird erniedrigt, wenn die Kohlensäurekonzentration in der Flüssigkeit zunimmt. Die Schnelligkeit des Alkoholprozesses wird für einen bedeu- tenden Teil geregelt durch die Kohlensäurekonzentration in der Kulturflüssigkeit. In wiefern nun die Erhöhung der Wasserstoffionenkonzentration zufolge der höheren Kohlensäurekonzentration des Mediums, die Geschwindigkeit des Prozesses beeinfluszt, werden spätere Untersuchungen zeigen. 112 H. Einflusz der Kolloide auf de Alkoholgärung bei gleichzeitigem Wachsen der Hefe. Zum Festsetzen des Einflusses von Filtrierpapier auf das Wachstum der Presshefe in Alkoholgärungen wurden die Kultur- flüssigkeiten mit einer geringen Anzahl Zellen geimpft und kultiviert bei 300 C oder bei einer niedrigeren Temperatur. Die gebildete Kohlensäure und Alkohol wurden in ähnlicher Weise bestimmt wie in den Kulturen des vorigen Abschnitts. A. Einflusz von Filtrierpapier auf die Geschwindigkeit der Kohlensäureentwicklung bei Vergärung von drei Gramm Glucose. Eine von zwei Kulturflüssigkeiten, welche bestanden aus 100 c.M^. Hefewasser, worin drei Gramm Glucose gelöst worden waren, wurde versehen mit ungefähr i Gramm fein geschnittenes Filtrierpapier; beide Kulturen wurden in Fläschchen von 150 C.M3. versehen mit Gummistöpsel und Abflieszrohr) sterilisiert, dann geimpft mit ± 180 Hefezellen und in der beschriebenen Weise verbunden mit dem Gasmeszapparat und gestellt bei 20» C. Anfangs verbrauchte di^ Hefe den Sauerstoff in und über der Kultur, was zufolge hatte, dass die Salzlösung in dem Gasabflieszzrohr stieg. Nach einiger Zeit fing die Kohlensäure- entwicklung in der Kulturan drang die Flüssigkeit ins Rohr zurück und drückte diese in den Meszzylinder. Ungefähr 24 Stunden nach der Impfung fing F langsam zu gähren an, nach 28 Stunden fing die Kultur ohne Kolloid an noch viel langsamer Kohlensäure zu entwickeln. In der folgender Tabelle sind die Quantitäten Gas angegeben, welche nach einer bestimmter Zeit durch beide Kulturen gebildet worden waren. Nach 36 Stunden Kultur, um 7 Uhr v.m., wurde geregelt abgelesen. 7 Uhr 8 10 12 I.4S 3- 4.30 F 49 100 275 488 610 675 721 — «3 25 56 104 188 249 332 Graphische Darstellung 3. Einfliisz von Filtrierpapier auf die Vergärung von 3 Gramm Glucuse durch Presshefe, indem Wachstum der Hefe stattfindet. fc^ in, €rfu,nclc/n 114 530 6.30 7.30 Geschüt- telt und erwärmt. 9.30 11.30 7. v.m. F 726 728 728 752 811 — 374 412 442 490 520 582 10.30 n.m. 6.30 V .m. 8.30 n.m. 10.30 n.m. 1 geschüttelt und erwärmt - 598 624 632 1 633 1 74 I Die graphische Darstellung 3 zeigt den Gang der Prozesse bei Vorhandensein und Nichtvorhandensein von Filtrierpapier. Die Kurve, welche die Kohlensäurebildung in der Kultur mit Filtrierpapier anzeigt, steigt schnell und beugt sich am Ende des Prozesses plötzlich um ; der ganze Prozess verläuft mit o-rosser Geschwindigkeit und endet fast plötzlich. Die Gärung ohne Filtrierpapier verläuft im ganzen ruhig ; besonders am Ende ist die Gärungsgeschwindigkeit sehr gering. Die Vergärung der letzten Quantitäten Glucose findet sehr langsam statt. Unterstehende Tabelle zeigt die sehr auseinanderlaufenden Geschwindigkeiten der beiden Prozesse ; die Geschwindigkeit der Kohlensäureentwicklung ist in cM^. CO2 pro Stunde Kultur ange- geben. 7.30 9.00 11.00 12.50 2.20 3-45 5.00 6.00 7.00 8.30 F 51 875 106 70 52 30 5 2 — 12 15 24 48 49 55 42 38 30 24 10.30 3-iS 8.45 2.30 1.30 F — 15 8 2.5 3-25 0.4 Die Maximumgeschwindigkeit der Kohlensäureentwicklung in der Gärung mit Filtrierpapier ist 106, also fast zweimal so gross wie in derjenigen ohne Papier, welche 55 ist. Infolge des Unterschiedes der Geschwindigkeit der beiden Prozesse, ist auch die Zeit, welche benutzt wird zur Vergärung von 3 Gramm Glucose in beiden Kulturen sehr verschieden ; in der Kultur mit Filtrierpapier beträgt sie nur 48 Stunden, in der ohne Papier 72 Stunden. 115 Das Hefcwachstum ist in den Kulturen durch Zählung def Hefezellen auf Malzgelatineböden direkt nach Impfung und nach einer bestimmten Kulturzeit, während welcher die gebildete Kohlensäure aufgefangen wurde, festgestellt worden. B. Bestimmung des Einflusses von Filtrierpapier auf das Hefe Wachstum. Zwei Kulturflüssigkeiten, welche aus loo cM^ Hefewasser und 10 Gramm Glucose bestanden und wovon eine 2 Gr. geschnittenes Filtrierpapier enthielt, wurden mit ± ti2 Hefe- zellen geimpft und auf ungefähr 16° C. gestellt. Diese Kulturen entwickelten die folgenden Anzahlen cM^ Kohlensäure: Nach 54 Stunden 72 Stunden Schütteln der Kultur Zählkultur erwärmen F 80 775 798 914 — 25 200 402 499 Zwei Zählungen zeigten, dass die Anzahl Keime nach 71 Stunden Kultur ohne Filtrierpapier 102 X und 94 X 5.106, in F 13g X und 146 X 5.T06 betrugen. Es ist also klar, dass das Hefewachstum in der Kultur durch Vorhandensein des Kolloids gefördert wird. Das Verhältnis der gebildeten Quantitäten Kohlensäure = 1.83 ist nicht 142 dasselbe wie das der Anzahl Hefezellen — r- = 1.4S, sodass 98 ^^ der günstige Einfluss des Kolloids sich auch auf die Gärungs- funktion zeigt. Die Quantität Kohlensäure, welche entstanden ist infolge der Erhöhung der Gärungsfunktion ist (914 — 499 X 1.45 = 190) 190 cM3. CO2. Durch Vermehrung des Hefewachstums sind 225 cM 3. gebildet worden 914 — (499—190) = 225 sodass Vergrösserung des Hefewachstums und Erhöhung der Gärungsfunktion jede ungefähr 50 o/,, der totalen Kohlensäure- ii6 Vermehrung verursachen, zufolge Vorhandenseins von Filtrier- papier in den Kulturen. Zwei Kulturen, welche bestanden aus loo cM^. Hefewasser, 3 Gr. Glucose, kultiviert bei 28° C urtd geimpft mit dt 232 Hefezellen, und wovon eine überdies versehen war mit einem Gramm geschnittenes Filtrierpapier gaben ungefähr überein- stimmende Resultate. Bei einer dritten Serie Versuche wurden zwei Kulturflüssig- keiten, welche bestanden aus 100 cM^. Hefewasser und 5 Gramm Glucose, wovon eine noch versehen war mit 2 Gramm ge- schnittenes Filtrierpapier, kräftig aëriert durch Schütteln mit Luft und dann jede geimpft mit ± 58 Hefezellen. Die Kohlen- säurevermehrung infolge Erhöhung der Gärungsfunktion betrug i- 40 %, die infolge grösseres Hefewachstums 60 %. Versuche mit Blutkohle, Torf und sterieler Erde, welche an die Gärungen hinzugefügt wurden, gaben übereinstimmende Resultate wie diejenigen ohne Filtrierpapier. Die totale Quantität Kohlensäure, welche in den Kul- turen mit und ohne Filtrierpapier gebildet wurde, ist auch verschieden. So entstanden in drei Gärungen mit Filtrierpapier resp. 47.7 %, 48.9 % und 48.35 % Kohlensäure, in denjenigen ohne Filtrierpapier resp. 43.6 %, 46.6 % und 46.5 % Kohlen- säure ; dagegen ist die Quantität Alkohol in den Gärungen mit Filtrierpapier etwas geringer als in denjenigen ohne Papier. In den drei Gärungen mit Filtrierpapier nämlich waren resp. 39 %, 38 % und 41.5 %, in denjenigen ohne Filtrierpapier 4z %, 37 % und 42 % Alkohol gebildet. Der Einflusz dieser Kolloide auf den Gärungsprozess wird nicht ganz und gar verursacht durch Veränderung der Kohlensäure- konzentration in der Lösung, er rührt auch her von dem besseren Zufuhr der Nährstoffe an die Hefezellen, welche zwischen und auf den Kolloïdteilchen liegen, während die Zellen in den Kulturen ohne Kolloid auf dem Boden der Flasche liegen, sodass nur die Nährstoffe ungehindert bis zu den oberen Schichten der Hefezellen geraten können. In den kräftig gärenden Kulturen der unter I beschriebenen Versuche mit grossen Quantitäten Hefe angestellt, ist die Flüssigkeit infolge der Gasentwicklung in so starker Bewegung, dass die Hefe nicht auf den Bodem sinkt ; in diesen Kulturen müssen war dann auch die Geschwindig. 117 keit des Prozesses ganz der Kohlensäurekonzcntration des Mediums zuschreiben. III. Über die Ursachen, durch welche Gase aus übersättigten Lösungen freigemacht werden. Der übersättigte, labile Zustand eines Gases in einer Flüssigkeit kennzeichnet sich dadurch, dass eine Gasblase in der Flüssigkeit grösser wird ; der ungesättigte Zustand dadurch, dass die Blase in der Flüssigkeit kleiner wird. Die Quantität übersättigtes Gas in einer Flüssigkeit hängt ab von dem Druck des Gases über der Flüssigkeit und von ihrer Temperatur; sie wird bei einem bestimmten Druck und Temperatur ein Maximum erreichen können. Ist eine Flüssigkeit mit Gas übersättigt, dann kann das Gas daraus freigemacht werden durch Erhöhung der Temperatur der Flüssigkeit, durch Erniedrigung des Druckes, durch Schütteln, durch Gasblasen und durch Hinzufügung von Salzen, scharfeckigen Stoffen, Fasern, u.s.w. Wird das Maximum der Übersättigung überschritten, so ent- weicht das Gas an willkürlichen Stellen aus der Flüssigkeit. In einfacher Weise sind diese Tatsachen nachzuweisen bei Anwendung künstlicher Mineralwässer, die als mit Gas über- sättigte Flüssigkeit dienen. 1869 hat Schröder i) schon einen interessanten Versuch mitgeteilt, der die Ursachen des Freimachens von Gasen aus damit übersättigten Flüssigkeiten schildert. Schröder brachte einen ausgeglühten und einen ausgeglühten dann aber fettgemachten Platindraht in eine mit Gas übersättigte Flüssigkeit und nahm wahr, dass der fette Platindraht (aktiviert) schnell mit einer grossen Anzahl Gasbläschen bedeckt wurde, während der ausgeglühte nicht fette Platindraht kein Gas aus der Flüssigkeit auf ihrer Oberfläche freimachte. SCHRÖDER erläuterde diese sogenannte Aktivität des fetten Platindrahtes mit Recht durch die Wirkung der Luftschicht an diesem Draht auf das übersättigte Kohlensäuregas. In gärenden Kulturen nun wird die übersättigte Kohlensäure i) O. Lehmann. Molekular Physik. ii8 durch Papier, Torf, Blutkohle, Gartenerde und rohen Haide- humus sowie auch kolloidales Eisen- und Aluminimoxyd aus der Flüssigkeit freigemacht, dagegen geschieht dies nicht bei Verwendung kolloidaler Humussäure, Siliciumoxyds, arabischen Gummi's, Agars oder Gelatine. In welcher Weise der Einflusz dieser Verbindungen auf die in Flüssigkeiten übersättigte Kohlensäure erläutert werden kann, wird sich aus folgenden Versuchen zeigen. Bei diesen Versuchen wurde als mit übersättigtem Gas flüs- sigkeit künstliches Mineralwasser verwendet. Wenn man an eine Reihe mit künstlichem Mineralwasser gefüllte Reagenzröhren Blutkohle, Torf, Filtrierpapier, Erde, trocknen Humus, Quarz, gestampftes Glas, Zucker, trocknes Kochsalz u.s.w. hinzufügt, so findet imselben Augenblick eine schnelle Kohlensäureentwicklung statt, welche ihren Ursprung an der Oberfläche der hinzugefügten Stoffe hat. Kochen wir obenerwähnte Stoffe mit Wasser, so wird dadurch die Luft grösstenteils von den Stoffen entfernt ; dann aber verursachen Quarz, Glas, Zucker- oder Salzlösung keine Kohlen- säureentwicklung mehr. Faserstofïe, Blutkohle und Erde jedoch noch wohl eine. Werden diese jedoch während einiger Tage unter ausgekochtem Wasser, das einige Male erneuert wird, bewahrt, sodass die noch an der Oberfläche und in den Poren vorhandenen Gase davon verschwinden durch Lösung in Wasser, so verursachen diese Stoffe direkt nach Hinzufügung zu dem Mineralwasser keine Kohlensäureentwicklung, nach einigen Sekunden jedoch entsteht bisweilen, abhängig von der Kohlen- säurekonzentration in der Flüssigkeit, eine schwache Kohlen- säureentwicklung an der Oberfläche der Kolloide. Befindet sich über dem Mineralwasser versehen mit Kolloid, ein Vakuum, wodurch die Übersättigung der Kohlensäure ver- haltnissmässig zunimmt, so sehen wir eine kräftige Bildung von Kohlensäurebläschen an den Spitzen der Fasern und auf der Blutkohleteilchen entstehen. In den Gärungen wird in dieser Weise in der mit Kohlensäure stark übersättigten Lösung das Gas freigemacht. Dass wirklich scharfeckige Gegenstände in einer mit Gas übersättigten Flüssigkeit einen geringen Einfluss ausüben auf die Bildung von Gasblasen ergibt sich auch aus unterstehendem 119 Experiment ; setzen wir in ein Reagenzrohr gefüllt mit Mineral- wasser, ein an der oberen Seite offnes und ein geschlossenes enges gläsernes Röhrchen, so werden an der Unterseite des obengeschlossenen Röhrchens fortwährend Gasblasen gebildet ; an der Unterseite eines an beiden Seiten offnen Röhrchens entstehen bisweilen einige Gasblasen ; oft jedoch auch gar keine. Das Vorhandensein einer Gasoberfläche besonders mit kleiner Krümmung, also mit grosser Überflächespannung befördert offenbar die Konzentration der übersättigten Kohlensäure in der Gasoberfläche (was mit dem GiBBS'schen Gesetz übereinstimmt). Im Gegensatz zu den genannten Biokolloiden verursacht eine Hefesuspension in künstlichem Minerahvasser keine Kohlen- säureentwicklung, eben so wenig kolloidale Humussäure oder Siliciumoxyd (negative Kolloide wie Kohlensäure). Diese adsor- bieren wohl die Kohlensäure aus der Lösung, weil aus Mineral- wasser, versehen mit einer Quantität einer kolloidalen Lösung dieser Verbindungen, die Kohlensäure langsamer z.B. durch Filtrierpapier freigemacht wird als aus Mineralwasser, woran eine eben so grosse Quantität destilliertes Wasser hinzugefügt ist. Dagegen verursacht kolloidales Eisenoxyd und Aluminium- oxyd als positives Kolloid eine schnelle Kohlensäureentwicklung und flockt dabei aus. Ausgeflocktes Eisenoxyd und Aluminium- oxyd ist fast inaktiv. Das Freimachen der Kohlensäure aus damit übergesättigten Lösungen durch Biokolloide (so wie dies in den beschriebenen Gärungen stattfindet) müssen wir auf folgende Weise erläutern : An den feinen Spitzen der Fasern wird die Kohlensäurekon- zentration in der Flüssigkeit durch Kohlensäureadsorhtion so gross, dass das Gas nicht mehr in Lösung bleibt, aber als äusserst feine Gasblaschen freikommt. Diese Gasbläschen mit hoher Oberflächespannung wachsen dann sehr schnell zu Gasblasen, welche zur Oberfläche steigen ; an die Faserspitzen werden jedoch noch geringe Quatititäten Gas hinterbleiben, welche wieder zu groszen Gasblasen werden u.s.7v. Das Freiwerden des Gases aus einer mit ihr übersättigten Lösung durch Biokolloide (und in sehr geringem Masze durch scharfeckige Körper) ist die Folge der Anwachsung zu Gasblasen von auf den Kolloiden durch Oberflächenspannung entstandenen kleinen Gasbläschen, welche den Prozesz so zu sagen einleiten. I20 In dieser Weise werden die Kolloide die übersättigte Kohlen- säure in Alkoholgärungen freimachen, in analoger Weise werden Gase durch Schütteln der mit ihnen übersättigten Flüssigkeit entweichen ; infolge der selben Ursachen entweichen Gase aus Flüssigkeiten, welche mit Gas gesättigt sind nach Erwärmung der Flüssigkeit. Blutkohleteilchen auf den Hefezellen. Ein sehr merkwürdige Erscheinung kommt oft vor in Gärungen, an welche Blutkohle hinzugefügt ist. Bei einer mikroskopischen Beobachtung der Hefezellen stellt es sich heraus, dass diese mit einer grossen Anzahl Blutkohle- teilchen bedeckt sind, oft dermassen, dass die Hefezellen ganz unsichtbar, so zu sagen in einer Umhüllung von Kohleteilchen sich befinden infolge der Wirkung der Oberflächespannung. Es braucht nicht erörtert zu werden, dass in dieser Weise die Gärungsprodukte von der Oberfläche der Hefezellen in sehr geeigneter Weise abgeführt und Nährstoffe angeführt werden können, was eine Erhöhung der Gärungsfunktion zufolge hat- Beigehende Photographie zeigt die Weise, auf welche die Kohlenteilche auf der Hefeoberfläche vorkommen. Ein Teil der Kohleteilchen, welche nur sehr locker den Hefezellen anliegen, ist beim Anfertigen des mikroskopischen Präparats der Hefe- zellen entfernt worden ; doch ist auf dieser Photographie noch sehr gut zu sehen, dasz die Kohleteilchen sich auf der Ober- fläche der Hefezellen bedeutend angesammelt haben. ZUSAMMENFASSUNG DER RESULTATE. lO. Alkalisalze der Humussäure wirken schädigend auf den Prozess der Alkoholgärung. 2 0. Kolloidales Eisen-, Aluminium-, Siliciumoxyd und Humus- säure fördern weder verzögern beträchtlich die Alkoholgärung. 30. Biokalliode, wie Torf, Filtrierpapier, Blutkohle und Gartenerde wirken sehr beschleunigend auf den Prozess der Alkoholgärung. a. Die Gärungsfunktion, die Aktivität der Hefezelle wird in dem Kulturmedium (5 Gr. Glucose, 5 Gr. Presshefe, 50 cM^. 121 ^ Wasser) bei Anwesenheit dieser Kolloide um ± 50 % gesteigert. /). Das Wachstum der Hefe, in einem mit wenig Hefe geimpften Kulturmedium (3 % — 10 % Glucose in Hefewasser) wird ebenfalls um etwa 50 % erhöht. 40. Den günstigen Einfîusz dieser Kolloide auf den Prozesz der Alkoholgärung ist der niedrigeren Kohlensäurekonzentration in der Kulturflüssigkeit zuzuschreiben. Infolge eines schnellen Entweichens daraus durch Bläschenbildung wird der Kulturmedium nicht mit Kohlensäure übersattigt. 50. Das Freiwerden der Kohlensäure aus damit übersättigten Lösungen durch Biokolloide müssen war auf folgende Weise erläutern : An den feinen Spitzen der Fasern wird die Kohlensäure- konzentration in der Flüssigkeit durch Kohlensäureadsorption so gross, dass das Gas nicht mehr in Lösung bleibt, aber als äuszerst feine Gasbläschen freikommt. Diese Gasbläschen mit hoher Oberflächespannung wachsen dann sehr schnell zu Gas- blasen, welche zur Oberfläche steigen. An den Faserspitzen werden jedoch noch geringe Quantitäten Gas hinterbleiben, welche wieder zu grosze Gasblasen werden u.s.w\ Das Freiwerden des Gases aus einer mit ihr übersättigten Lösung durch Biokolloide (und in sehr geringem Masse durch scharfeckige Körper) ist die Folge der Anwachsung zu Gasblasen von auf Kolloiden durch Oberflächespannung entstandenen kleinen Gasbläschen, welche den Prozesz so zu sagen einleiten. Durch diese Untersuchungen werden die Resultate der Arbeit Dr. Ed. Moufangs i) »Über eine katalytische Wirkung toter Hefezellen auf die Gärung« erklärt. Dr. MOUFANG schreibt § 116. Es liegt der Gedanke nahe, hier eine Art >'>Emanations'wir- kiingcarbonisiert«) ist, nach vollständiger Entfernung der Säure getrocknet und pulverisiert, wobei man leicht ein sehr feines, beinahe strukturloses Pulver erhalten kann, welches eine sehr günstige Mikrobennahrung, insbesondere für Schimmel darstellt. Auch habe ich Waldhumus und Gartenerde sofort ausgesät auf Mangancarbonat-Agarplatten, also ohne vorherige Kultur auf Filtrierpapier und auch dann Braunsteinschimmel erhalten. Ebenso auf Filtrierpapier mit Mangancarbonat und Salzen. Es hat sich bei diesen verschiedenen Versuchen herausgestellt, dass Pilze aus verschiedenen Verwandschaftsreihen das Vermögen der Manganibildung besitzen und darunter z. B. Arten aus den Gattungen Botrytis, Alycogone, Trichocladium und Sporocybe. Mehrere Arten darunter scheinen noch nicht beschrieben zu sein. Auch wurden ein paar anscheinend neue Gattungen gefunden worauf ich später noch zurück zu kommen hoffe. Kurz, die Manganmethode hat sich herausgestellt als geeignet um unsere Kenntnisse des Pilzreiches, sowohl in physiologischer wie in systematischer Hinsicht zu bereicheren. Von den verschiedenen Formen, womit ich mich schon etwas näher beschäftigt habe, gehören die in Gartenerde ausserordentlich allgemein vorkommenden Mycogone-2xiç,Xi, wovon besonders eine noch nicht beschriebene Art, mit aus vier tetraëdrisch ange- ordneten Zellen bestehenden dunkelbraunen Sporen, beinahe nie in meinen Kulturen fehlte. Auch die so interessante Familie der Stilbaceen ist sowohl auf den Filtrierpapierscheiben, wie auf den Manganplatten, beinahe immer durch irgend eine Art repräsentiert. Die allge- meinste davon möge hier noch kurz besprochen werden. Dieselbe gehört zur Gartung Sporocybe und ich will daran den Namen geben : 132 Sporocyhe chartoikoon. i) Wenn diese Art sich auf Filtrierpapier entwickelt hat, so sieht man darauf mit unbewaffnetem Auge kleine, schwarze Tröpfchen von c. a. V2 mM Mittellinie, welche durch sehr kurze Stiele von c. a. I mM Länge getragen werden, und in ziemlich weiten Entfernungen von einander vorkommen. Es sind diese die Coremien, welche sich aus dem im Papier umher kriechenden Mycelium erheben. Drückt man ein solches Coremium flach zwischen Objektglas und Deckglas, so sieht man, dass das Sporen- köpfchen aus länglichen, ziemlich grossen, ca. 9 beiß /«messenden Sporen besteht, welche grau gefärbt sind und jede für sich durch eine Stiel getragen werden, wie bei der der Gattung Monospo- rium (Taf. IV Fig. 4). Die Hyphenverzweigung im Köpfchen ist monopodial, doch sind die mittleren Zweige kürzer wie die seitlichen. Eben wie die Sporen sind die reifen Stiele der Coremien dunkel grau, während das Mycelium im Papiere farblos ist. An der Basis der Coremien finden sich, auch in den Rein- kulturen, eine zweite Art von Conidien, welche kugelrund sind eine ziemlich dicke Zellwand besitzen, und c. a. 6 ;tt messen. Wie alle Papier bewohnende Schimmelarten ist auch diese Sporocyhe überall mit Bakterien bedeckt, welche jedoch in den ausgereiften Sporenköpfchen nur selten sind, so dass man daraus leicht soviel bakterienfreies Sporenmaterial abheben kann, dass daraus reine, weit aus einander liegende Kolonien kultiviert werden können. Eben wie bei P^/w/ö^/örrt! wachsen diese Kolonien auf den verschiedsten Kulturböden ; mit Erfolg verwendete ich, dafür die gewöhnliche Bouillon-gelatine. Diese wird wenig und erst ziemlich spät verflüssigt; Coremien bilden sich darauf nicht sondern nur vereinzelt stehende, einsporige Hyphen, wesshalb das Determinieren des Pilzes, wenn die Kultur nur von diesem Kulturboden bekannt wäre, unmöglich sein sollte. In diese Verbindung wünsche ich noch zu bemerken, dass die Cellulosemethode nicht allein für die Ausbildung der Coremien- zustände der Hyphomyceten, sondern für diejenige der Fruktifi- kationsorgane im allgemeinen besonder günstig ist, was z. B. ^) Ob diese Art wirklich neu ist, ist natürlich unsicher. Saccardo (Sylloge fungorum, Bd. 4, Pag. 604, April 1886) erwähnt aber keine einzige Papier bewohnende Art, und die beiden von ihm angeführten Erdbewohner, nämlich S. sphaerophila und S. Fhillipsii, sind, seiner Diagnose nach, andere Arten. oo hervorgeht aus der Leichtigkeit, womit sich auf der Filtrier- papierscheiben die Perithecien von Chactomiiim und Sordaria entwickeln. Auf den Mangancarbonatagarplatten sind die Wachstums- erscheinungen und die Bildung der „Braunsteinsferite" ähnlich den nämlichen Vorgängen bei Papidospora, die LiESEGANG'schen Ringe werden dabei wohl oder nicht gebildet ; warum dieses nicht immer geschieht ist mir unbekannt. Zwar giebt Fig. i das Bild einer Kultur von Papidospora^ welche diese Ringein schönster Weise erzeugt hat, kann jedoch, unter Umständen, auch auf Sporocybe passen. Dass auch hier für die Oxydation des Mangancarbonates organische Nahrung, wenn auch in grosser Verdünnung notwendig ist, lässt sich leicht feststellen und ebenfalls, dass sowohl Agar wie Cellulose für diese Nahrung geeignet sind. Dass die Umwandelung dieser Körper die Gegenwart eines spezifischen die Cellulose oder den Agar lösenden Enzyms erfordert ist gewiss. Im Falle des Agars handelt es sich dabei nicht um die durch Bakterien gebildete Gelase, denn dieses Enzym vermag in den Agarplatten mehr oder weniger leicht zu diffundieren, was hier nicht beobachtet wird. Die Oxydation des Mangancarbonates dürfte auch bei der hier betrachteten Schimmelart wohl mit irgend einem, nicht nur in sondern auch ausserhalb dem Mycel vorkommenden oxydierenden Körper zusammen hängen, denn anders wäre es nicht klar warum die Braunsteinsferite sich in relativ grossen Entfernungen der Mycelfäden absetzen können. Bei den Mangancarbonatbakterien haben wir dagegen gesehen dass die Bildung des Manganisalzes sicher nur in Contact mit dem Bakterienkörper stattfindet. Die Oxydation von Ammonsalzen oder Nitriten können die Manganschimmel eben so wenig bewirken, wie die Mangan- bakterien. Wie man sieht hat die Manganmethode eine Reihe von Fragen in Flusse gebracht, welche nur zum kleinsten Teile und dann noch unvollständig beantwortet sind. 134 FIGURENERKLÂRUNG ZU TAFEL III und IV. Fig. I. (Taf. Ill) Papidospora manganica. Kultur dieses Pilzes auf einer Platte von der Zusammensetzung: Leitungswasser, 2 % Agar, V20 Vo NH4 NO3, Veo Vo Ka HPO4, I 7o Mn C O3. Die Manganisferite setzen sich zum Teil ab mit Bildung der Liese- GANG'schen Ringerscheinung. Fig. 2 (Taf. III) (350). Papulospora manganica. Kultur auf einer Platte der bei Fig. i genannten Zusammensetzung. Die grossen schwarzen Flecke sind Braunsteinsferite. Uebrigens sieht man das Mycel und einige Sporenköpfchen. Fig. 3 (Taf. IV) (350). Papulospora manganica. Reinkultur auf Boden ohne Mangancarbonat. Fig. 4 (Taf. IV) (900). Kleines Stück eines Coremiums von Spo- rocybe char/oikoon, auf Filtrierpapier wachsend. Laboratorium für Mikrobiologie der Technischen Hochschule zu Delft. DIE SELEKTION BEI DER NAHRUNG VON ASPERGILLUS NIGER. Rohrzucker, Maltose, Raffinose und Qetnlsclie von Rechts- und Linksweinsäure als organische Nahrung VON Dr. H. I. WATERMAN. § I. Allgemeine Erörterungen. Wenn wir ausgehen von einer vollständigen anorganischen Kulturflüssigkeit, mit allen für die Entwicklung von Aspergillus niger i) notwendigen Elementen, so wird die Zufügung einer dazu geeigneten Kohlenstoffquelle z. B. Glukose, die Bildung einer Pilzdecke veranlassen. Nicht immer geschieht aber die Entwicklung mit gleicher Schnelligkeit, Hieraus kann man den Schluss ziehen, dasz, wenn wir ein Gemisch einiger organischen Verbindungen : A, B, C, u. s. w. dem Pilze zur Nahrung darbieten, sich das gegenseitige Verhältnis der Quantitäten dieser Ver- bindungen während der Entwicklung ändern wird. A wird rascher assimiliert als B, B wiederum rascher als C. Diese der Praxis entnommene Auffassung folgt schon ohne weiteres bei der Betrachtung des Lebensprozesses als Komplex chemischer Reaktionen, denn die Schnelligkeit einer chemischen Reaktion ist abhängig von der Natur der Verbindungen, die sich an die Reaktion beteiligen. i) Ohne weitere Andeutung soll man im folgenden hierunter verstehen eine im Laboratorium für Mikrobiologie anwesende Stammform dieses Pilzes. 136 Jedoch ist die Nahrung mit einem Gemische von organischen Verbindungen (A, B, C, u. s. w.) keineswegs so einfach, als> man im Anfang vermuten würde. Immer wird gegenseitige Beeinflussung stattfinden, deren Ursprung im betreiïenden Organismus zu suchen ist, wenn nicht die Verbindungen schon in der Nährlösung einander gegenseitig beeinflussen, welches im Allgemeinen nicht oder nur in geringem Masze der Fall sein wird. Prinzipiell sind wir also im Stande, mittels Lebensprozesse zahlreiche Verbindungen aus einem Gemische zu isolieren. Dergleiche Methoden werden im Laboratorium häufig aus- geführt. Wir können z. B. aus einem Gemische von Galaktose und Glukose die erstgenannte Zuckerart isolieren, indem wir das Gemisch der Wirkung einer Hefe überlassen. Doch haben dergleiche Darstellungsmethoden, vielleicht besser Reinigungsmethoden genannt, viele Nachteile. Meistens sind dieselben wenig ökonomisch, weil auch die darzustellende Verbindung oft vom betreffenden Organismus zerstört wird. Ein merkwürdiges Beispiel dieser Reinigungsmethoden ist die Spaltung racemischer Gemische. Hier werden zwei Verbindungen getrennt, welche in hohem Grade mit einander verwandt sind. Das klassische Beispiel ist die Darstellung von Linksweinsäure aus Traubensäure, Es war ein glücklicher Umstand, dasz dieser Prozes unter- sucht wurde von dem genialen PaSTEUR i), der die Eigen- schaften der Rechts- und Linksweinsäure vollständig kannte. Die Einzelheiten seiner allgemein bekannten Versuche brauche ich hier nicht zu wiederholen. Seines Erachtens war ein asym- metrischer Bau von einigen Bestandteilen des betreffenden Organismus wahrscheinlich, ohne dasz er aber den Beweis dafür geben konnte. Er sagt nämlich: »Quant à la cause intime de la différence, >que j'ai signalée entre la fermentation des deux acides tartriques »aV me paraît vraisemblable de l'attribuer au pouvoir rotatoire »des matières, qui entrent dans la constitution de la levure. »On comprend que, si la levure est naturellement constituée i) Compt. rend. 46 (1858). S. 615; ji (i860) S. 2ç 137 »par des matières dissymmétriques, elle ne s'accomodera pas à »un degré égal d'un aliment qui lui-même sera dissymmétrique »dans le même sens ou en sens inverse.« Weniger bekannt ist der Weg, welcher PaSTEUR zu diesen Versuchen brachte, i) Es war nämlich bei einem Studium be- treffend der künstlichen Nährlösungen, welches RaULIN fort- gesetzt hat. Er benutzte eine Lösung der Aschenbestandteile der Hefe und der Weinsaüreammoniak in destillirtem Wasser mit und ohne Zucker. Spätere Untersuchungen haben unsre Kenntniss der bioche- mischen Spaltung racemischer Gemische, trotz den zahlreichen Versuchen, ziemlich wenig gefördert. Besonders von LewkowitsCH sind in dieser Hinsicht Ver- suche angestellt. Eine inaktive Milchsäureammoniumlösung wurde mit Pénicil- lium glaucum rechtsdrehend. 2) Auch spaltete er das Ammoniumsalz der racemischen Man- delsäure. 3) Die 1-Mandelsäure wurde besser angegriffen. Sorgfältigere Untersuchungen über diesen Gegenstand sind von LiNOSSlER 4) und von Mac Kenzie und HARDEN 5) ausgeführt. Die letzteren 6) konnten die Resultate Lewkowitsch' nicht in jeder Hinsicht bestätigen. Später untersuchte LEWKOWITSCH 7) die racemische Glycerinsäure (C H2 O H. C H O H. C O2 H). Eine inaktive Ammoniumglyceratlösung wurde durch Pénicillium, glaucum linksdrehend. Mc. Kenzie und Harden arbeiteten mit dem Calcium- glycerat. Weiter haben diese Forscher noch bei zahlreichen anderen Säuren die biochemische Spaltung der betreffenden Racemate in die Antipoden ausgeführt. Meistens wurde die i) W. Kruse. Allgemeine Mikrobiologie. Leipzig 1910. S. 89 ff. 2) Lewkowitsch. Ber. d. deutsch ehem. Ges. (^1883) 16, 2720. 3) Lewkowitsch. Ber. d, deutsch ehem. Ges. /j, 1505; /6, 1568. 4) LiNOSSlER. Bull. soc. chim. 1891, 3e Ser. 6, 10. 5) Mc. Kenzie und Harden. Proc. Chem. Soc. (1903). 79, 48. 6) Mc. Kenzie und Harden. Journ. of the chem. Soc. 83, 432 (1903). 7) Lewkowitsch. Ber. d. deutsch ehem. Ges. /6, 2721. 138 Lösung nach der Entwicklung des Pilzes optisch aktiv. In einigen Fällen aber wurde, obwohl der Pilz sich wohl ent- wickelte, keine optische Aktivität der Lösungen beobachtet, wie z. B. bei Dimethoxybernsteinsäure, Propoxybernsteinsäure und Aethoxybernsteinsäure. PURDIE und WALKER i) hatten aber bei dem Ammoniumsalz der letzten Säure eine rechts- drehende Lösung erhalten. E. FiSCHER hatte schon früher die Spaltung der Mannonsäure in die Antipoden ausgeführt 2), während PlÖCHT und MaiJER 3) die Phenylglycerinsäure ge- spalten hatten. Weiter können wir noch eine Untersuchung von S. CONDELLI über die Spaltung der racemischen Weinsäure durch Aspergillus ?iiger 4) zitieren. In den letzten Jahren sind besonders von HERZOG und Meier 5) Versuche mit getöteten Pilzkulturen ausgeführt. Sie lieferten den Beweis, dasz die optischen Antipoden mehrerer Oxysäuren mit verschiedener Schnelligkeit von getöteten Pilz- kulturen verbrannt wurden. Rechtsweinsäure wurde viel besser als Linksweinsäure ange- griffen. Die racemische Säure stand zwischen beiden. Diese Versuche beweisen also, dass bestimmte Bestandteile des Pilzorganismus schon die betreffende Spaltung veran- lassen, während wir dabei die Entwicklung des Pilzes ausschalten können. Die in dieser Weise erhaltenen Resultate können wir nicht ohne weiteres auf die Versuche mit lebendiger Pilzsub- stanz übertragen, weil wir dann auch mit der Entwicklung dieses Pilzes zu tun haben. Ein Mangel der meisten betreffenden Arbeiten war eine genügende quantitative Untersuchung der gebildeten Pilzsubstanz. Weiter musste man auch besonders die Form des Organismus, womit man arbeitet, betrachten. Schon hatte AUGUST Meier 6) hierauf die Aufmerksamkeit Sfelenkt, i) PuRDiE und Walker. Journ. of the Chem. Soc. (1893) LXIII, 250. 2) E. Fischer. Ber. d. deutsch-chem. Ges. 2j, 379. 3) Plöcht und Mayer, Ber. d. deutsch-chem. Ges. jo, 161 1. 4) S. C0NDELLI. Ueber die Spaltung der racemischen Weinsäure durch Aspergillus ni^er. Ref. Kochs'. Jahresber. 1904. 5) Herzog und Meier. Z. für physiol. Chemie, 3-7, 35 (1908); 5-9, 57 (1909)- 6) August Meier, Ueber Oxydation durch Schimmelpilze, Dissertation Karls- ruhe, 1909. 139 Bei unsern Betrachtungen sind wir vom Gemische verschiedener Verbindungen (A. B. C. u. s. w.) gekommen auf Gemische zweier optischen Antipoden. Hierdurch ist die Sache etwas verwickelter geworden. Zwar wissen wir, dasz z.B. eine wässrige Trauben- säurelösung grösztenteils aus freier 1 — und d — Säure besteht i), doch haben wir audi in mehr konzentrierten Lösungen die unge- spaltete Traubensäure zu berücksichtigen und es ist doch mögUch, dass diese Verbindung ungeändert in den Organismus eindringt. Noch schwerer wird eine Übersicht des Prozesses, wenn wir im Anfang nur mit einer Verbindung zu machen haben, aus welcher sich zwei oder mehrere Verbindungen von einfacher Konstitution unter dem Einflüsse des Lebensprozesses bilden können (In wie weit wir einen Enzymprozess trennen können von einem Lebensprozesse, ist noch immer eine offene Frage, weil eine scharf formulierte Definition eines Enzyms noch immer nicht gegeben ist.) Ich denke z.B. an Polysaccharide, (Rohrzucker, Raffinose U.S.W.), aber daneben auch an weniger gut definierte Verbin- dungen, wie die Gerbsäure, Mit dieser letzten Verbindung ist der Name VanTieGHEMS verbunden, der zuerst den Pilz mit schwarzen Konidien, welchen wir nach ihm Aspergillus niger nennen, in wissenschaftlicher Weise beschrieben hat. Van TiEGHEM 2) beobachtete die Zerstörung der Gerbsäure unter dem Einfluss der Entwicklung von Pénicillium glaucum oder Aspergillus niger, wobei auch Glukose entstand. Er dachte an eine Um- wandlung des Tannins in Gallussäure und Glukose unter Aufnahme der Elemente des Wassers, Vermutlich war das Tannin, mit welchem er arbeitete, nicht rein und enthielt noch andre Pflanzenprodukte, denn er spricht von einer wässrigen Lösung des Tannins oder von einem filtrirten Gallnussextrakt. Van TiEGHEM stellte fest, dasz ohne Sauerstofï der Prozess nicht stattfindet. »Für die Entwicklung ist es Bedingung«, sagt er, dasz der »Pilz lebt und sich entwickelt innerhalb der Lösung« ; in diesem i) L. Marchlewski, Ber. d. D. Ch. G. 25 (1892) S 1556, 2) Van TiEGHEM. Compt. rend. 65, 1091 ; Vgl. auch Grüttner, Archiv der Pharmacie 2jb (1898). S. 297. 10 140 »Falle ist das Gewicht des gebildeten Myceliums sehr gering, »2/1000 ungefähr des Gewichtes vom dem zerstörten Tannin. »Wenn dagegen der Pilz sich an der Oberfläche entwickelt und »eine Decke bildet, ist die Art der Wirkung eine ganz andere. »Sofort wird dann das Tannin verbrannt unter Bildung von »grossen Quantitäten Kohlensäure und Umwandlung in Gallus- »säure findet fast nicht statt; in so weit von Umwandlung noch »die Rede ist, ist sie den untergetauchten Teilen des Myceliums zu verdanken. »Die Glukose, welche hierbei entsteht, wird mit grösserer »Schnelligkeit als die Gallussäure verbrannt, so dass das »Endresultat ist : eine geringe Quantität Gallussäure und nur »Spuren Zucker und in diesem Fall ist das Gewicht der »erhaltenen Pilzsubstanz besonders beträchtlich.« Wie VAN TiEGHEM dafür sorgt, dasz bei der Gallussäurebil- dung die Entwicklung des Pilzes ganz innerhalb der Nährlösung stattfindet, wird nicht angegeben. Es wird gewiss der Mühe lohnen, diese Versuche noch einmal mit grösserer Sorgfalt und mehr quantitativ zu wiederholen, auch im Zusammenhang mit den Untersuchungen von E. FlSClIER i) über die Konstitution des Tannins, welcher Forscher dazu eine Verbindung von Poly-Digallussäure und Glukose wahrscheinlich gemacht hat. In vielen der hier genannten Fällen können wir den Zusam- menhang zwischen Reaktionsprodukt und Ausgangsprodukt (z.B. Gallussäure und Tannin) noch mit Sicherheit annehmen. Denken wir jetzt aber an die Oxalsäureproduktion, 2) an die Bildung von Fumarsäure 3) bei Pilzen, so ist es klar, dasz wir hier den obengenannten Zusammenhang zwischen Ausgangs- und Reaktionsprodukt nicht mehr in so einfacher Weise ange- ben können. Diese letzteren Lebensprozesse sind vollkommen zu vergleichen mit denjenigen, wobei neben Pilzsubstanz nur Kohlensäure und Wasser entstehen, während der organische Nährstoff ganz ver- zehrt wird. Zusammenfassend, können wir also sagen, dasz Zusammenhang besteht zwischen dem Selektionsprozes bei der 1) E. Fischer, Ber. d. deutsch-chem. Ges. 4s, 915 (1912). 2) Wehmer. Ber. d. deutschen Bot. Ges. IX (1891), 163. 3) Felix Ehrlich, Ber. d. deutsch-chem. Ges. 44, 3737 (191 1). 141 Nahrung, (wobei das gegenseitige Gewichtsverhältnis von z. B. zwei dargebotenen organischen Verbindungen während des Lebensprozesses geändert wird) und der Spaltung von racemi- schen Gemischen in deren optische Antipoden, wie auch zwischen der teilweisen Spaltung von komplizierten Verbindungen wie^die Polysaccharide in deren mehr einfache Spaltungsstücke und den gewöhnlichen Lebensprozessen. Die Kohlensäure als Reaktionsprodukt des Stoffwechsels des Pilzes und die Gallussäure bei der Tanningährung sind prin- zipiell volkommen mit einander zu vergleichen. Ich will hiermit in Zusammenhang die Aufmerksamkeit darauf lenken, dasz man für ein vollständiges Studium der Umwandlung, z. B. eines Polysaccharids in ein Monosaccharid mittels eines Lebensprozesses, diese nicht vollkommen mit einer Enzymreak- tion vergleichen kann. Man muss in solchem Falle den Stoff- wechsel in ganz derselben Weise studiren, wie ich dies früher bei mehreren organischen Nährstoffen ausgeführt habe, i) § 2. Rohrzucker und Maltose. Die Resultate der Versuche findet man in Tabelle i. TABELLE L Rohrzucker. a. 50 cM.3 Leitungswasser, 20/0 Rohrzucker, 0.150/0 NH4NO3, 0.15 0/0 KH2 PO4, 0.06 0/0 Mg SO4. Temp. 33-34° C. Trockensubstanz in Milligr. Plastisches Aequivalent des Kohlenstoffs (±) Nach 8 Tagen 2) » 12 » 13 344 310 299 37—38 0/0 34 » 32—33 * 1) Folia microbiologica. Holl. Beitr. z. gas. Mikrobiologie. Bd. I (1912) S, 422. 2) Kein Zucker ist mehr in der Lösung vorhanden. Die Pilzdecke zeigt normales Aussehen. 142 b. Nährflüssigkeit wie bei a, nur wurde statt looo Milligr. Rohrzucker looo Milligr. Maltose (C12H22O11 + i Aq) benutzt. Trockensubstanz in Milligr. Plastisches Aequivalent des Kohlenstoffs (dr) Nach 8 Tagen i) » 12 » » 13 » 291 25T.5 248 33 29 28 — 29 "/o Man sieht aus der Tabelle, dass der Verlauf des Stoffwech- sels beim Gebrauch von Rohrzucker als Kohlenstoffquelle dem- jenigen bei Glukose und Lävulose vollkommen gleich ist 2), Nur für Maltose fand ich kleinere plastische Aequivalente ; der Unterschied ist aber nicht gross. Dieses Resultat ist auch in Übereinstimmung mit meiner Auffassung über die Faktoren, welche die Grösze des plastischen Aequivalents des Kohlenstoffs für Aspergillus niger bedingen 2). Auch für 50 cMs. einer analogen zwei prozentigen Kartoffelmehllösung fand ich ein analoges Resultat (Vgl. Tabelle II). TABELLE II. Kartoffelmehl, (i Gr. pro 50 cM«) Trockensubstanz in Milligr. Plastisches Aequiva- lent des Kohlenstoffs. (±) Nach 8 Tagen 3) ..12 ,, 324 269 33— 34V0 28 „ Mit I Gr. Glykogen 4) pro 50 cM3. als einzige orga- nische Nahrung wurde ein merkwürdiges 'Resultat erzielt. Von drei Versuchen gab nur einer Entwicklung. In den zwei 1) Kein Zucker ist mehr in der Lösung vorhanden. Die Pilzdecke zeigt normales Aussehen. 2) Folia microbiologica Bd. I (191 2), S., 422. 3) Kein Kartoffelmehl ist mehr in der Lösung. Die Pilzdecke zeigt normales Aussehen. 4) Von E. Merck, Darmstadt, 143 andren entstand keine Pilzdecke. Die Entwicklung des Pilzes beim ersten Versuch war nach 25 Tagen kräftig und ziemlich viele Sporen waren gebildet ; die Trockensubstanz hatte aber ein Gewicht von nur 157 Milligr, während kein Glykogen sich mehr in der Lösung vorfand und auch keine „Fehling" reduzie- rende Substanzen anwesend waren. Vermutlich ist diese niedrige Zahl einer stattgefundenen Mutation zuzuschreiben 1). (Vgl. auch einen analogen Fall bei der Links- Weinsäure). Auch die Tatsache, dasz nur einer der drei Versuche Entwicklung gegeben hatte, war für diese Auffassung eine Stütze. Ich war nicht im Stande, beim Rohrzucker und bei der Maltose Spaltungsprodukte zu isolieren und hatte dies auch nicht erwartet, weil die gleiche Assimilationsgeschwindigkeit für die event, entstehende Reaktionsprodukte besteht. (Glukose und Lävulose). Wohl war dies bei der Raffinose der Fall (s. u.). § 3. Raffinose. Von den Trisacchariden wurde nur die Raffinose untersucht. Dieser Zucker war besonders merkwürdig für das Studium, da derselbe aus Monosacchariden aufgebaut ist, welche jedes für sich mit ungleicher Schnelligkeit von Aspergillus jiiger angegriffen werden. Es war nicht so sehr eine event, mögliche Spaltung in die Komponente, wobei vielleicht die Melibiose oder die Galaktose erhalten werden könnte, welche unsre Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, als vielmehr der quantitative Verlauf des Verschwindens der Raffinose in Zusammenhang mit der Ent- wicklung des Pilzes. Dasz Raffinose unter der Wirkung verdünnter Säuren oder durch Enzyme in Lävulose und Melibiose gespalten werden kann, ist schon längst bekannt. Die Melibiose kann wiederum Galaktose und Glukose liefern. Im allgemeinen aber leistet die Melibiose ihrer Zersetzung einen grösseren Widerstand und das habe ich auch hier bestätigen können. Für die Drehung des polarisirten Lichtes fand ich für die benutzte Raffinose : i) H. J. Waterman, Verslagen Kon. Akad. v. Wetenschappen Amsterdam, Wis- en Natuurk. Afd. Mei 1912. Z. f. Gärungsphysiol. 3 (1913), i. 144 Für eine 2 % Lösung in destillirtem Wasser, Rohrlänge = 2 dM : «D (Polarimeter v. LAURENT) = 4° 10' « (Saccharimeter v. SCHMIDT u. Haensch) := + 11,95 (weisses Licht) z == die Anzahl Gr. Raffinose p. 100 cM^ == 2 1 = die Länge des Polarisationsrohres in dM = 2 r 1 4,17. 100 417 « = - — ' = — - = 104 L J 2. 2 4 Berechnet für wasserfreie Raffinose (Cjg H32 Ou): 105° ["L = Die Raffinose war also praktisch wasserfrei. Die spezifische Drehung von Raffinose für weisses Licht und für die D-Linie ist offenbar nicht sehr verschieden, denn hier gilt ungefähr die Gleichung: 2 -7 .100 : 11,95:= 66,5: 105, , 26 ^^ -^ ^ also : 2 — .100 . 105 == 808 und 66.5. 11.95 = 795 Doch findet man für einige Farben andre Zahlen für die spezifische Rotation angegeben i) nl. « (j) = ± 116. Die Resultate der Versuche mit Raffinose als einzige Kohlen- stoffquelle für Aspergillus niger findet man in Tabelle III. Aus dieser Tabelle sieht man, dasz noch beträchtliche Quanti- täten die Polarisationsebene drehende Verbindungen, vermutlich MeUbiose oder (und) Galaktose, sich in der Nährlösung vorfinden. Diese Vermutung wurde bestätigt durch die Bestimmung des Reduktionsvermögens der Kulturlösung mit ,,Fehling". Um zu entscheiden muszten zwei Bestimmungen ausgeführt werden : 1 0. Bestimmung der Drehung des polarisirten Lichtes vor und nach Ablauf der Inversion der Reaktionsflüssigkeit. 20. Bestimmung der Reduktionszahl der Lösung vor der Inversion. lO; Die nach 12 Tagen erhaltene Kulturlösung wurde filtriert. Sie drehte die Polarisationsebene nach rechts. (Saccharimeter i) V. Lippmann, Chemie der Zuckerarten S 1636. 145 TABELLE IIL Raffinose. 50 cM.3 I Leitungswasser, 2 "/g Raffmose (wasserfrei), 0,15 "/^ NH^ NOg, 0,15 o/„ KH2 P0„ 0,06 0/, Mg SO4. Temp. : 33-34° C. Anz;ihl Tage nach derlmpfung. Polarisationszahl (in Graden Ventzke) berechnet für 50 cM.' der Flüssigkeit und bestimmt mit dem Saccharimeter VonScHMIDT UndHAENSCH für weisses Licht. RohrLänge 2 dM. Gewicht der Pilzsubstanz in Milligr. Entwicklung und Sporenbildung. 0 I 4 6 8 12 13 + 11,95° + 7,2° i) + 7,0° i) + 6,7° I) 142,5 144,5 140. — + -|-, keine Sporen -\--\- + + + +, ziemlich viele Sporen ,, I 1, )> 1) von Schmidt und Haensch) Für eine Rohrlänge von 4 dM. und weisses Licht fand ich + ig.o° (die in Tabelle HI ange- gebene Zahl ist berechnet für 2 dM. und für 50 cM.3 der Flüssigkeit, dabei die Verdampfung des Wassers während der Versuchsdauer berücksichtigend). Diese filtrirte Lösung wurde invertirt : A. B. 15 cM.3 des Filtrates 15 cî + 3 cM.3 destillirtes + 3 Wasser L3 des Filtrates cM.3 Salzsäure (Sp. G. 1,19) 9 Minuten gekocht A und B wurden nach.der Abkühlung auf 25 cM. 3 ver- dünnt und polarisiert : Rohrlänge = 2 dM. ^~~~ A. "' B. "^ + 5,8. + 2,8. Die Drehung hat also beträchtlich abgenommen und ist auf weniger als die Hälfte reduziert. Die für A gefundene Zahl, + 5,8 ist vollkommen in Uebereinstimmung mit der oben gefundenen 15 (+ ig.o für 4 dM. Rohrlänge), denn 5,8.2 = + 19.4' i) Die Lösung reduziert ,,Fehling" kräftig. 146 Das Kochen mit destillirtem Wasser hat, wie man erwarten konnte, die Drehung der Lösung nicht geändert. Ich wieder- holte diesen Inversionsversuch auch noch mit der nach 13 Tagen erhaltenen Kulturflüssigkeit. Das Resultat war ganz dasselbe. Die Polarisationszahl kam auch hier bis auf die Hälfte. Nun war es gerade besonders auffallend, dasz sowohl Raffinose wie Melibiose eine dergleiche Polarisationsverminderung ver- ursachen. Deshalb bestimmte ich die Reduktionszahl mit »Fehling« vor der Inversion. 2°: Ich nahm eine Lösung von i gr. Maltose (Cjg H22 On + 1 aq.) in 100 cM.3 destillirtem Wasser. 10 cM.s Fehling korrespondierten mit 8,3 cM.3 dieser Lösung. Die nach 13 Tagen erhaltene Kulturlösung (Polarisation für eine Rohrlänge von 4 dM.) und für weisses Licht = + 17,9° Ventzke (die in der Tabelle III angegebene Zahl ist berechnet für 50 cM.3 Flüssigkeit und 2 dM. Rohrlänge) wurde filtriert. 5 cM.3 »Fehlingc verbrauchten > 3 und < 6 cM3 dieses Filtrates. Dieses Resultat wies schon mit ziemlich grosser Bestimmtheit in Verbindung mit den Resultaten der Inversion darauf hin, dass Melibiose in beträchtlichen Quantitäten in der Lösung anwesend war. Eine genauere Bestimmung gab : ÎO cM.3 Fehling verbrauchten 8,10 cM^. des Filtrates. Für das Reduktionsvermögen von einer 0,6 % Melibioselösung wird angegeben, dasz es 92 % von demjenigen der Maltose beträgt i) (Dauer des Kochens: 4 Minuten). Also sind in 8,1 cMs. der nach 13 Tagen erhaltenen Kulturflüssigkeit — ^ . . i gr. Melibiose (Cjg H22 Ou -|- i aq.) vorhanden. ^^ 37'5 cM3. (das Volum der Kulturlösung war nach 13 Tagen nur 37,5 cM.3), waren also ^^ . — ^^ Gr. MeUbiose (+ iaq.) = ^ . ^ . ^Gr. Melibiose (wasserfrei) =0,4 Gr. ^ 8,1 92 360 ' ^ Diese zwei Ergebnisse beweisen, dasz in der Lösung nach 13 Tagen nur 0,4 Gr. Melibiose anwesend sind und keine andren Zuckerarten. Kontrolle : Wenn wir von der Annahme ausgehen, dasz die i) V. Lippmann, Eie Chemie der Zuckerarten. S. 1596. H7 spezifische Rotation der Melibiose für die verschiedenen Wellen- längen dieselbe sei, so können wir für 4 dM. Rohrlänge und weisses Licht für die Kulturflüssigkeit nach 13 Tagen erwarten: 2. _^. 0,4 143 ^ _^ o Yej^t^ke 0/ 3 . 100 . 66,4 26 t[a] Melibiose = + 143"; [«] Rohrzucker = + 66, 4°"] D D J Wir fanden (s.o.): + 17,9° Ventzke. Die Uebereinstimmung ist also sehr gut. Resultat dieser Versuche ist also, dass man aus i Gr. Raffinose nach 13 Tagen erhalten kann: 0,4 Gr. Melibiose (wasserfrei), 0,14 Gr. Pilzsubstanz (bei 105° getrocknet), Kohlensäure und Wasser. 342 Die theoretisch mögliche grösste Ausbeute beträgt : — - . i Gr. = 0.59 Gr. Melibiose. Die Ausbeute betragt also: = 68 % der theoretischen. ^ 59 Ein nicht unbeträchtlicher Prozentsatz der in der Raffinose anwesenden Melibiose wird also assimilirt. Das Gewicht der gebildeten Pilzsubstanz ist ziemlich konstant. Aber das ist nur scheinbar, denn die noch stattfindende Assimi- lation, auf welche das fortwährende Sinken der Polarisations- zahl hinweist, ist im Gleichgewicht mit der Verarbeitung des Zwischenproduktes des Stoffwechsels. Berechnen wir ungefähr die Grösse des plastischen Aequivalents des Kohlenstoffs nach 13 Tagen: I Gr. Raffinose enthält 428 Mgr. C. Die gebildete Pilzsubstanz hatte ein Gewicht von 140 Mgr. und enthält ungefähr: 46 100 140 = 64,5 Milligr. C. Das plastische Aequivalent nach 13 Tagen: ^ = .5 % c. 428 ^ 148 Diese sehr niedrige Zahl ist mit grosser Wahrscheinlichkeit zum Teil einer stattgefundenen Mutation zuzuschreiben. § 4. Gemische von Rechts=und Linksweinsäure als einzige Kohlenstoffquelle für Aspergillus niger. In § I sind schon die betreffenden Versuche von Pasteur und andren Forschern über den quantitativen Verlauf der Assimi- lation der Traubensäure durch Penicillliim glauciim zitiert. Auch habe ich die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass die individuellen Eigenschaften des Stammes vom Organismus mit welchem man arbeitet, von besonderer Bedeutung ist. 1) So fand ich, dass ein bei andren Versuchen benutzte Stamm von Penicilliiini glaucum ein wenig prononziertes Selektions- vermögen hatte. 2) Wohl war dies der Fall mit meiner Stammform von Aspergillus niger. In dieser Weise war ich im Stande, die Linksweinsäure mit guter Ausbeute (60 %) darzustellen. Mittels dieser Versuche konnte ich zu gleicher Zeit feststellen, ob die zusammen mit der Rechtsweinsäure verarbeitete Linkssäure eine höhere Pilzernte erzeugt hatte. Wäre dies tatsächlich der Fall, so wäre es von Interesse zu untersuchen, ob die Vermehrung der Quantität Trockensubstanz grösser oder kleiner war, als mit einer selben Menge Rechtssäure erhalten sein würde; m. a. W. : Ob das plastische Aequivalent des Kohlenstoffs von Rechtsweinsäure für eine selbe Form von Aspergillus niger, demjenigen der Linkssäure gleich war. Es musste also neben den qualitativen Beobachtungen ein quantitatives Studium des Stoffwechsels ausgeführt werden. Eine direkte Antwort auf diese Frage war nicht möglich. Wohl kannte ich die Grösze des plastischen Aequivalents der Rechtsweinsäure, aber nicht diejenige der Linksweinsäure. Aspergillus niger entwickelte sich nicht, wenigstens nicht im Anfang, auf Lösungen der Linksweinsäure. Eine 20/^, lO/^j und 0,60/0 Lösung der Linkssäure, von deren Reinheit ich mich mittels i) Vgl. auch August Meier, 1. c. 2) J. BöESEKEN und H. J. Waterman, Verslagen Kon. Akad. van Weten- schappen, Amsterdam, Wis- en Natuurk. Afd. ; 29 Juni 1912, S. 208—211. 149 der Polarisation überzeugt hatte, gab nach 22 Tagen fast keine Entwicklung. Die anorganische Nahrung war 50 cM.^ Leitungs- wasser, 0,150/0 N H4 N O3, 0,150/0 K H2 P O4, 0,060/0 Mg S O4, während die Temperatur 33 — 34° C, war. Nach ungefähr zwei Monaten beobachtete ich, dass auf der 2 0/0 Lösung beträchtHche Entwicklung stattgefunden hatte. Das anomale Aussehen der Pilzdecke Hess aber vermuten, dass Mutation aufgetreten war. Ein beträchtlicher Teil derselben war braun, nur ein geringer Teil war schwarz. Hiermit in Übereinstimmung konnten wir ein niedriges plastisches Aequivalent erwarten. Die Pilzdecke, bei 105° ge- trocknet, hatte ein Gewicht von nur 74 Milligr., während alle Linksweinsäure aus der Lösung verschwunden war. Diese 74 Milligr. Trockensubstanz korrespondierten mit 35 Milligr. Kohlenstoff; das plastische Aequivalent nach 2 Monaten war also "^ — = iio/n. Die niedrige Zahl musste einer Mutation 320 zu verdanken sein, (Siehe auch unten). Ich musste also für die Bestimmung des plastischen Aequiva- lents des Kohlenstoffs der Linksweinsäure, die indirekte Methode benutzen, nl. durch die Beobachtung der Entwicklung von Aspergillus niger auf Kosten der Traubensäure, wobei keine Mutation beobachtet wurde. Wie ich schon sagte, wird die Linksweinsäure durch Asper- gillus niger nur wenig angegriffen, die d-Säure ist, wie früher angegeben, 1) eine ausgezeichnete Kohlenstoffquelle. Es war also zu erwarten, dass dieselbe Form von Aspergillus niger, bei diesen Versuchen benutzt, im Stande sein würde, aus der Traubensäure die 1-Säure in Freiheit zu stellen. Hierzu wurde eine Lösung von 2 Gr. Traubensäure in 50 cM^. Leitungs- wasser, mit 0,150/0 N H4 NO3, 0,150/0 KH2 PO4 und 0,060/0 MgS04, geimpft mit Aspergillus niger. Die Temperatur war 33 — 34° C, während für genügenden Luftzutritt Sorge getragen wurde. Schon nach 4 Tagen war, neben der Bildung einer beträchtlichen Quantität Pilzsubstanz, eine bedeutende Links- drehung, auf die Anwesenheit freier Linksweinsäure hinweisend, 1) Folia Microbiologica I (191 2) S. 422. ^50 zu beobachten. Die Quantität dieser Säure korrespondierte mit 6oo 0 der in der Traubensäure anwesenden Linksweinsäure. Nach 5 Tagen hatte diese Quantität noch ein wenig zugenommen und betrug 6o bis 700/0 der in der Traubensäure ursprünglich anwesenden Linkssäure. Nach 6 Tagen hatte sich dieser Betrag praktisch nicht geändert. Später wurde fortwährend eine Ver- minderung der Linksdrehung beobachtet Um eine maximale Ausbeute zu erhalten, soll man also nach 6 Tagen die Flüssigkeit befreien von der entstandenen Pilzdecke. Nach der Titration kann man mittels des Bleisalzes und hierauf folgender Spaltung mit Schwefelwasserstoff, die Linksweinsäure, als solche, in Lösung bekommen. Nach Eindampfung erhält man die Säure in der Form weisser Krystalle. Aus 4 Gramm Traubensäure wurde 0,87g Gramm Linksweinsäure erhalten, Ausbeute 560,0- Durch die Bestimmung des Molekulargewichtes und der spezifischen Rotation überzeugte ich mich von der Reinheit der Säure. a. Bestimmung des Molekulargewichtes : o.i Gr. Salicylsäure 4.66 cM.s Barytlösung. (Lackmus war Indikator). 0,1 Gr. Linkssäure 8,62 c.M^ Barytlösung (Phenolphtaleïn war Indikator). 4.66 M. G. = . 138 = 149,2 (berechnet : 150). h. Bestimmung der Rotation des polarisierten Lichtes. 0,2719 Gr. wurden in 50 cM^ gelöst. Polarisation 1) (4 d.M. Rohrlänge) : — 0,80 Ventzke. d.i. für eine 2 0/0 Lösung (Rohrlänge 2 d.M.) : — 1,50 Ventzke. Eine 2 0/0 Lösung von Rechtsweinsäure gab unter analogen Umständen + 1,60 Ventzke. Obgleich man in einer Flasche flnhalt 200 cM 3) nicht mehr als 2 Gr. Traubensäure verarbeiten kann, können grössere Quantitäten Linkssäure erhalten werden indem man die Zahl der \'ersuche vergrössert. Bei dem Gebrauch von grösserenVersuchsflaschen ist im allgemeinen die Grösze der Oberfläche der Flüssigkeit i) Saccharimeter von Schmidt und Haensch (weisses Licht.) 151 weniger günstig, mit Bezug auf den Inhalt, als bei kleinere Flaschen, weil der Luftzutritt ungenügend wird. Durch die Verarbeitung von 40 Gr. Traubensäure, verteilt über 20 Flaschen, erhielten wir g Gr. reine Linksweinsäure. Die Quantität der von der Traubensäure assimilirten 1-Säure (30 — 40 0/0)1 "^^^ gross genug, um festzustellen, in welchem Maasze dieselbe eine erhöhte Pilzernte veranlasst hatte. Die Resultate dieser Untersuchung, sowie der Verlauf des Assimilationsprozesses findet man in Tabelle IV. Zu einander gehörende Zahlen befinden sich in derselben vertikalen Kolonne und sind in derselben Weise unterstrichen. TABELLE IV. Traubensäure. 2 Gr. Traubensäure (COOH/CHOII/.^jCOOlI + \q. ■ M.G. = 168;, pro 50 c.M^ Leitungswasser, 0,15% NH^ NO3, 0,15% KHg PO^, 0,06% Mg SO^. Temp. : 33—34° C. Anzahl Tage nach (1er Impfung : 0 I 2 4 5 1 [ 6 S 1 13 45 Polarisation ^) in 0 — 0,8 — 1,0 — 1,0 2; -0,9^) — 0,7 — 0,0 Graden Ventzke berechnet für 50 c.M^ — 0,9 — 1,0 und 2 d.M. Rohrlänge. — 0,95 Quantität der Pilzsubstanz (Milligr. Trocken- substanz). 120 114 176 173 187 176 185 195 Milligr. CO2 bei Verbrennung der Pilzsubstanz. 198 183 280 277 292 290 Plastisches Aequiva- 21,5 % 21 % ±20% ±16% lent des Kohlenstofifs. Entwicklung und Sporenbildung. + + + ++++++ nur wenige Sporen. ++++++ nur wenige Sporen. ++++++ viele Sporen. + - viele Sporen. - + *) Saccharimeter von SCHMIDT und Haensch (mit weiszem Lichte). 2) Keine d. -Säure war mehr in der Losung vorhanden, nur 1-Säure. 152 Da die spezifische Rotation der Weinsäure für die ver- schiedenen Wellenlängen nicht dieselbe ist, muszte ich die Skala von Ventzke für Lösungen der d-Weinsäure von bekannter Konzentration eichen. Zu diesem Zwecke wurde die d-Säure in Leitungswasser mit 0.05 0/0 NH4 Cl, 0,15 0/0 KH2 PO4 und 0,06 0/0 Mg SO4 gelöst. Rohrlänge 2 dM. Grade Ventzke. / 4 °/o Lösung + 3,25 \ 2 » » + 1 ,6 d-Weinsäure < i » » + 0,85 / 0.6 » » + 0,55 ^ 0,2 » » +0,15 Zum Vergleich habe ich in Tabelle V einige Tatsachen, den Verlauf des Stoffwechsels der d-Weinsäure betreffend, vereinigt. TABELLE V. d. Weinsäure. 2 Gr. d. Weinsäure. COOII/CIIÜH/gCOOII (M.G. : 150) pro 50 c.M» Leitungswasser, 0,15 % NH^ NO3, 0,15 % KHg PO^, 0,06 % Mg SO^. Temp : 33—34° C. Anzahl Tage nach der Impfung: 2 4 5 Polarisation in Graden Ventzke berechnet für 50 c.M^ und 2 d.M. Rohrlänge. + 0,8 + 0,1 Trockensubstanz (Milligr.) 271 318 Milligr. COg bei Verbrennung der Pilzsubstanz. 453 505 Plastisches Aequivalent des Kohlenstoffs. 26 % 22 % Entwicklung und .Sporenbildung. + + keine .Sporen. ++++++ nur wenige Sporen. ++++++ viele Sporen. An erster Stelle sieht man, dass die verbrauchte Linkswein- säure eine erhöhte Pilzernte veranlasst hat. Sogar nach 5 Tagen war dies schon deutlich (Vgl. Tabelle IV). 153 Nur in denjenigen Fällen, wo ich mit Bestimmtheit wusste, wieviel Weinsäure verbrennt worden war, konnte ich das plastische Aequivalent des Kohlenstoffs berechnen. Nach 6 Tagen z.B. ist die Linksdrehung der Nährlösung — i,o (Vgl. Tabelle IV.) Nur Linksweinsäure ist dann noch anwesend, wovon ich mich durch die Darstellung dieser Säure aus der betreffenden Lösung überzeugte. Assimilirt war also : lO. alle ursprünglich anwesende Rechtsweinsäure. 2^. ein Teil der Links wcinsäure. Die Quantität der ursprünglich anwesenden _, - 150 Kechtswcinsäure war : "äq" ^ S'"- i68' Die verbrauchte Quantität der Linkssaure war: I -— ^^'^ ^|. -> V 1,43 J i^ 168 I srr. ^ 1,86 150 ,., . .. Summe — . -7-. i gr. Weinsaure. 1,43 168 Hierin sind '- . ^^ . — Gr. Kohlenstoff = ^72 Millim-. 1,43 16S 150 ^' ^ Kohlenstoff vorhanden. 12 In der gebildeten Pilzsubstanz: . 202 = 80 Millier. C. 44 ^ Das plastische Aequivalent des Kohlenstoffs bei einer 4 0/0 Traubensäurelösung war also nach 6 Tasten = = 2i.t; 0/0. ^ 372 ^ ' Bei der 4 0/0 Rechtsweinsäure finden wir nach 5 Tagen ein plastisches Aequivalent von 22 0/0 . Hieraus können wir den Schluss ziehen, dasz das plastische Aequivalent der Rechts- weinsäure demjenigen der Linksweinsäure vollkommen gleich ist Die Linksweinsäure veranlasst also, wenn sie nur verarbeitet wird, in ganz derselben Weise, wie die Rechtssäure, eine Erhöhung der Pilzernte. Nach 8 Tagen finden wir bei der Traubensäure ein plastisches Aequivalent von 21 %. Nach 13 Tagen ± 20 0/0 (einen Kohlen- stoffprozentsatz der Pilzsubstanz von 47 o/^ voraussetzend). Auch können wir dabei mit Bestimmtheit voraussetzen, dass nach 13 Tagen siih nur Linksweinsäure in der Lösung vorfindet. 154 Wir beobachten bei der Traubensäure ebenso, wie dies schon früher bei zahlreichen andren organischen Verbindungen fest- gestellt wurde, ein Sinken der Grösze des plastischen Aequi- valents während des Kultivierens. Zu gleicher Zeit sieht man, dasz auch die Linkssäure auf die Dauer ganz verschwindet und nicht nur in Kohlensäure verwan- delt wird, sondern fortwährend zum Aufbau neuer Pilzsuhstanz dient. Diesem Umstände ist denn auch die Steigerung der Trockensubstanz nach dem S^en Tage zuzuschreiben. Vor dieser Zeit war die Gewichtsabnahme (z. B. durch die Verarbeitung des Glykogens), der Gewichtszunahme, zufolge der Assimilation der Linksweinsäure, überlegen, so dass man vom 6^^'^ bis auf den 8ten Tag ein Sinken des Pilzgewichtes beobachtete. Gewünscht war es jetzt, den erhaltenen Einblick in die Assimilation der Traubensäure in mehreren Richtungen zu erweitern. An erster Stelle wurde der Einfluss der Konzentration beachtet. Zweitens wurde die Aenderung des Verhältnisses der Rechts- und Linksweinsäure, welches bei der Traubensäure i : i ist, studiert. Schliesslich wurde untersucht, in wie weit eine Aende- rung der Form von Aspergillus niger den beschriebenen Lebensprozess zu ändern vermöge. a. Einfluss der Konzentration. Untersucht wurden 8, 6, 4 und 2 0/0 Lösungen der Trauben - säure. Die Darstellung geschah in der bekannten Weise aus d-' Weinsäure, i) Die Kulturbedingungen waren denjenigen der vorigen Versuchsreihen (Tabelle IV und V) vollkommen ähnlich. Die Resultate findet man in Tabelle VL Aus diesem Resultate können wir den Schluss ziehen, dass auch hier unter dem Einflüsse eines Konzentrationswechsels, die Grösze des plastischen Aequivalents des Kohlenstoffs bei Aspergillus niger nicht geändert wird. b. Einfluss des Verhältnisses d. : l. Es war zu erwarten, dasz der Prozentgehalt der assimilirten 1- Weinsäure bis zu einer gewissen Höhe, eine Funktion von I) A. F. HoLLEMAN, Rec. trav. chim. ly. 66. 155 TABELLE VL Traubensäure. Einflusz der Konzentration. Anzahl Tage nach der Impfung. 5 6 7 13 Polarisation in Grad. Ventzke ') berechnet für 50 cM3. und 2 dM. Rohrlänge. Milligr. Trocken- substanz. d .2 '1- Milligr. Trocken- substanz. c .2 Oh Müligr. Trocken- substanz. c .2 '7t '0 P^ Milligr. Trocken- substanz. 4. Gr. Iraubensättre pro 50 cM.3 — — — — — — — 0,9 401 Plastisches Aequivalent des Kohlenstoffs. ± 19,5 % S Gr. Traubensäure pro 50 cM.3 — 1.3 267,5 — 1-3 285,5 -1,35 283 Plastisches Aequivalent des Kohlenstoffs. ±: 22 % 2 Gr. Traubensätire pro 50 cM.3 Vgl. Tabelle IV. — 1,0 — 1,0 — 0,95 176 171 173 — 1,0 187 — 0,7 185 Plastisches Aequivalent des Kohlenstoffs. 21,5 % ±: 20 % I Gr. Tratibetisäure pro 50 cM.' — 0,4 96 — — - 0,4 loS Plastisches Aequivalent des Kohlenstoffs. ±: 2 2,5 % rfc I 8,5% dem ursprünglichen Verhältnisse zwischen der Quantität der d- und der 1- Säure sein würde. Je mehr Rechtsweinsäure in Bezug auf die Quantität der 1-Säure, desto grösser der Prozentsatz der nach z.B. 6 oder 7 Tagen assimilirten 1-Säure und demgemäss wird die resultirende Linksdrehung kleiner sein. I Saccharimeter v. Schmidt u. Haensch (m. weiszem Lichte). II 156 Die Versuche haben diese Auffassung vollkommen bestätigt. (Tabelle VII) TABELLE VII. Qemische von Rechts« und Links-Weinsäure. Anzahl Tage nach der Impfung. 5 6 7 13 * c .2 Trocken- substanz (Milligr.) c .2 1 pu, Trocken- substanz (Milligr.) c .2 "ci 'm PL, Trocken- substanz (Milligr.) l I Gr. d. Weinsäure f I Gr. Traubensäure + 0,1 216 — 0,3 281 ^0,2 266 — — Plastisches Aequivalent. - — ±21,5 % — i I Gr. d. Weinsäure ( 0,5 Gr.Traubensäure — 0,0 218 -0,15 201 — 0,05 187 Plastisches Aequivalent. - - - dt 21 ,5% rt 18 ,s% Wenn andrerseits der Prozentgehalt der 1-Säure vergrössert wird, bleibt auch ein grösserer Teil der 1-Säure unangegriffen und demgemäsz wird auch nach ungefähr 6 Tagen eine grössere Linksdrehung beobachtet. (Tabelle VIII.) c. Die Abhängigkeit der Assimilation und Verarbeitung der Traubensäure von der Form von Aspergillus niger. Oben sah man schon, dass auf Lösungen von Links Weinsäure Aspergillus niger sich praktisch nicht entwickelte, dass aber nach 2 Monaten in einer Versuchsflasche beträchtHche Ent- wicklung zu beobachten war. Die betreffende Pilzdecke hatte aber eine braune Farbe und dies konnte einer stattgefundenen Mutation zugeschrieben werden. Das plastische Aequivalent des Kohlenstoffs war demgemäsz besonders niedrig. Diese Beobach- tung liess vermuten, dasz die früher von mir beim Kultiviren auf 157 TABELLE VIH. 1,5 Or. Traubensäure + 0,5 Qr. i. Weinsäure. Anzahl Tage nach der Impfung: 3 4 5 8 17 27 Polarisation. — — — 1>4 -1,3 — Ï.25 Trockensubstanz Milligr. — — 170,5 — •57,5 •55 Entwicklung. + + + + ++++++ ++++++ ++++++ Sporeabildung. Keine Sporen. Wenige Sporen. Ziemlich viele Sporen. Viele Spo ren. Galaktose erhaltenen Mutanten sich von der Hauptform ver- schieden zeigen würden in ihrer Selektion den zwei optischen Antipoden gegenüber. Das Experiment war mit dieser Auffassung gänzlich in Ueber- einstimmung. Die Resultate der betreffenden Versuche findet man in Tabelle IX. TABELLE IX. Abhängigkeit der Seleiction von der Form von Aspergillus niger. 2 Gr. Traubensäure pro 50 cM"*. Anzahl Tage nach der Impfung. 5 17 27 Polarisation in Graden Stammform I — 1,0 -0,95 — 0,9 Ventzke berechnet für 50 cM^. und 2 dM. Rohrlänge. Galaktosemutante. II — IiO — 0,85 — 0,1 III — 0,25 — 0,7 -0,35 Milligr. Trocken- Stammform I 212 178 191 Galaktosemutante. II 204 167 210 substanz. III 49 131 133 Entwicklung und Stammform I + + + + + -f- , viele Sporen. Galaktosemutante. II , ziemlich viele Sporen Sporenbildung. III " , fast kein( ; Sporen. 158 Aus der Tabelle sieht man also, dass bei Form II und III, die im Anfang in Freiheit gesetzte 1-Weinsäure, z.B. nach 17 Tagen viel rascher verschwindet als bei Form I. Die Wahr- scheinlichkeit ist weiter gross, dasz das plastische Aequivalent von Form II nach 27 Tagen kleiner ist als von Form I und von III wiederum kleiner als von II. Aus den Versuchen kann man weiter die Folgerung ziehen, dass es bei der Spaltung von racemischen Gemischen und im Allgemeinen bei biochemischen Darstellungsmethoden besonders darauf ankommt, mit welcher Form des betreffenden Organis- mus man arbeitet. Die Möglichkeit besteht sogar, dass man von einem Organismus zwei Formen isolieren kann, deren Selek- tionsvermögen für zwei optische Antipoden gerade entgegen- gesetzt sein wird. Man sieht also hier eins der ersten mehr ausführlich quanti- tativ bearbeiteten Beispiele einer biochemischen Spaltung eines Racemates in die Komponente. Es wird erwünscht sein, diese Untersuchung in vielen Rich- tungen auszudehnen, auch auf die Lebensfunktionen andrer Organismen. § 5. Antiweinsäure als Kohlenstoffquelle für Aspergillus niger. Bertrand i) konnte mittels der Sorbosebakterie aus dem inaktiven Erythrit die d Erythrulose darstellen. H H H CH2OH — C — C — CH2 0H->CH2 0H — CO — C — CH2OH OHOH OH i. Erythrit. d, Erythrulose. 2) Sehr merkwürdig war gerade das Entstehen der ^/-Erythrulose. Bertrand sagt davon : ,,Ici, on pouvait s'attendre à obtenir un mélange des deux i) G. Bertrand, Annales de Chimie et de Physique (8/ Tome III (1904), 206; Comp. rend. 130 (1900), 1330, 1472. 2) Wegen der Beziehung mit dem d-Erythrit, d. Erythrulose genannt ; L. Maquenne (Comp. rend. 130 (1900), 1402) erhielt die optische Antipode des d-Erythrits; das 1-Erythrit. 159 ,,erythruloses, droit et gauche, puisque les deux groupements ,,C. H. OH sont théoriquement semblables ; mais par suite d'une ,,de ces préférences, comme on en observe si fréquemment ,,chez les microbes, il ne s'est produit que l'un d'eux dans les ,, bouillons de cultures." Prof. BÖESEKEN i) betrachtet es als wahrscheinlich, dasz das i. Erythrit unter dem Einflüsse eines optisch aktiven Enzyms kommen wird ; in der demzufolge entstandenen asymmetrischen Kombination kann eins der betreffenden Kohlenstoffatome eine bevorzugte Stelle einnehmen. Im Anschlüsse hieran versuchte ich, aus der Antiweinsäure, mittels Aspergillus niger, die Linksweinsäure darzustellen. Um einen dergleichen Vorgang vorzustellen, vgl. man das folgende übrigens willkürlich gewählte Schema: COOH I HCOH I HCOH COOH I Oxydation. COOH COOH " Y^^^^l Antiweinsäure. HOCH I ^ > HCOH II COOH ^ Wie man sieht, würde ein sehr komplizierter chemischer Vor- gang stattfinden müssen. Es kann uns deshalb nicht wundern, dass in dieser Richtung keine Resultate erreicht wurden. Die benutzte Antiweinsäure war ein Präparat der Sammlung der Techn. Hochschule. In 3 0/0 wässeriger Lösung, zeigte die Säure keine Drehung des polarisierten Lichtes. Es enthielt also praktisch keine freie d- oder 1-Säure. Infolge der Darstel- lungsmethode war es aber möglich, dass noch geringe Quantitäten Traubensäure als Verunreinigung anwesend seien. Ich beobachtete, dass die Antiweinsäure (2 und 4 0/0 Lösungen) i) J. BÖESEKEN, Beknopte Scheikunde der Suikers, Delft 1912, S. 36. i6o nicht oder sehr wenig von Aspergillus niger angegriffen wurde. Nach 17 Tagen war nur geringe Entwicklung zu beobachten und die Lösung zeigte denn auch nur äusserst geringe Links- drehung (für eine Rohrlänge von 4 d.M.:-o.i " Ventzke). Diesem Umstand ist denn auch die minimale Linksdrehung zuzuscheiben. Dass die Antiweinsäure nicht oder nur wenig angegriffen wurde, gibt uns prinzipiell eine Methode, um diese Säure von anderen Verbindungen, welche wohl von Aspergillus niger assimilirt werden, zu befreien. Nach 27 Tagen beobachtete ich aber in den Versuchsflaschen mit Antiweinsäure eine ziemlich starke Entwicklung, welche, wie früher bei der Linksweinsäure, einer stattgefundenen Mutation zu verdanken war. Dies wurde bestätigt durch das Vorkommen weisser Stellen in den erhaltenen Pilzdecken. Die Linksdrehung der Lösung war alsdann für eine Rohrlänge von 4 d.M.: 0,1° VeImTZKE. Durch Isolierung auf Malzagar wurde übrigens festgestellt, das tatsächlich Mutation aufgetreten war. § 6. Zusammenfassung. 1 0. Es ist notwendig bei den verschiedenartigsten Stoffwechsel- prozessen die gebildete Quantität des betreffenden Organismus zu betrachten im Zusammenhang mit der Schnelligkeit der chemischen Reaktionen und also mit der Bildung bestimmter Reaktionsprodukte. 2°. Der Nährwert des Rohrzuckers als Kohlenstoffquelle für Aspergillus niger ist demjenigen der Glukose und Lävulose vollkommen gleich ; Maltose und Kartoffelmehl geben etwas niedrigere plastische Aequivalente. 30. Glykogen gibt nur eine kleine Pilzernte, welcher Umstand einer stattgefundenen Mutation zuzuschreiben ist. 40. Aspergillus niger stellt beim Kultiviren auf einer Raffinose- lösung die Melibiose in Freiheit. In dieser Weise wird die Melibiose mit einer Ausbeute von 68 0/0 aus der Raffinose erhalten. 50. Die 1-Weinsäure kann in analoger Weise mit einer Ausbeute von 60 0/0 aus der Traubensäure erzeugt werden. Auch hier wird ein beträchtlicher Teil (400/0) der Linksweinsäure t6i assimilirt. Es ist bewiesen, dasz das plastische Aequivalent der d-Säure demjenigen der 1-Säure praktisch gleich ist. Linksweinsäure dient, ivenn diese Verbindung verarbeitet wird, in vollkommen gleicher Weise wie die d-Säure zum Aufbau neuer Pilzsubstanz. 6". Eine Änderung der Konzentration der Traubensäure übt keinen Einfluss aus auf die Grösze des plastischen Aequiva- lentes. Auch das Maximum der Linksdrehung ist bei einer bestimmten Form von Aspergillus niger innerhalb gewissen Grenzen nur abhängig von der Quantität der benutzten Trauben- säure. Je grösser diese Quantität, je grösser also die Pilzernte, desto grösser ist die maximale Linksdrehung. 70. Eine Änderung des Verhältnisses d : 1-zugunsten der d-Säure hat eine bessere Assimilation der 1-Weinsäure zufolge und demgemäss wird auch die relative resultirende Linksdrehung sinken. Andrerseits hat eine Erhöhung des Prozentgehaltes der ursprünglich anwesenden 1-Säure eine relativ grössere Links- drehung zufolge. 8". Linksweinsäure wird von Aspergillus niger nur wenig angegriffen. Nach sehr langer Versuchsdauer (2 Monaten) wurde aber bisweilen beträchtliche Entwicklung beobachtet ; Mutation hatte stattgefunden. Dieses Resultat liess erwarten, dasz die Galaktose-mutanten II und III sich der Links- und Rechtsweinsäure gegenüber in andrer Weise verhalten würden als die Stammform dieser Mutanten (I). Diese Auffassung ist durch das Experiment vollkommen bestätigt worden. Die Mutanten II und III assimiliren die in Freiheit gestellte 1-Säure viel rascher als Form I. Für biochemische Spaltung von racemischen Gemischen, und im Allgemeinen bei allen biochemischen Darstellungsmethoden, ist die Form des Organismus, mit welcher man arbeitet, von der grössten Bedeutung. 90. Antiweinsäure wird von Aspergillus niger kaum ange- griffen. Nach langer Versuchsdauer ist dies doch der Fall, aber dann findet, ebenso wie bei der Linksweinsäure, Mutation statt. Laboratorien f. org. Chemie und f. Mikrobiologie der Technischen Hochschule. Delft, April 1913. POURQUOI L'ACTION BACTÉRICIDE DE L'ALCOOL EST PORTÉ À SON PLUS HAUT DEGRÉ D'INTENSITÉ PAR UNE CONCENTRATION DE 70 0/0. PAR S. TIJMSTRA Fzn. (Travail de l'Institut d'Hygiène de l'Université Technique de Delft). On connaît depuis longtemps les propriétés très désinfectantes de l'alcool éthylique et on sait aussi que la force bactéricide maximale doit être attribuée à des solutions aqueuses variant de 50 % à 80 o/„ 1), Beyer 2) vient de l'exprimer en chifïres très précis, dans des recherches détaillées. Il a trouvé un optimum clairement recon- naissable, exactement à 70 0/0 . Le pouvoir bactéricide de cette concentration vaut bien 30 fois celle de l'alcool à 60 % et 40 fois celle de l'alcool à 80 0/0 . Il a aussi clairement pu fixer qu'à 69 0/0 et 71 0/0, l'alcool agit moins fortement. Les concentra- tions au dessous de 60 0/0 et au dessus de 80 0/0 se révélèrent comme sans valeur au point de vue pratique. L'alcool absolu, c'est à dire exclu de toute eau, a une influence conservatrice sur les bactéries, de sorte que les staphylocoques conservent toute leur vitalité après un traitement de 6 jours. M. Beyer a fait des expériences comparées avec des staphylocoques séchés sur des fils ; il ne s'est pas occupé des microbes sporogènes, après qu'il était ressorti qu'on peut traiter les spores d'anthrax pendant 25 jours avec de l'alcool à 70 «/o sans qu'ils soient tout à fait détruits. Il paraît donc, que la présence de l'eau est une nécessité absolue pour l'action de l'alcool. Cela est d'ailleurs conforme à d'autres faits. Le phénol dans des solutions huileuses ou alcooliques possède une force bactéricide beaucoup moindre que ^) cf. Thalhimer and Palmer. Journ. of Inf. Dis. Sept. 191 1, p. 172. 2) Zschr. f. Hyg. u. Inf. Krankh. 191 1, T. 70, p. 225. i63 dans des solutions aqueuses. En considérant la question pour- quoi la présence de l'eau est nécessaire, on peut se demander deux choses: premièrement, si le désinfectant est transformé dans un état particulièrement actif, secondement si le corps bac- tériel gagne en résistance par l'absence d'eau. Si nous consi- dérons que la formule C2 Ho O H. Hg O répond précisément^ à une mixture d'alcool à 71 0/0 et que nous pensons ensuite à la contraction qui a lieu au mélange, la tentation est alors bien forte d'admettre que C2 Hg O H. Hg O est ou bien une solution qui se diffuse très facilement par la cellule, ou qu'elle est de plus particulièrement toxique. Dans ce cas un surplus d'alcool jouera aussi bien le rôle de moyen de délayage qu'un surplus d'eau. Quoiqu'il en soit, l'action sur un corps bacterid doit être étudié de plus près, afin de trouver l'explication. Nous pouvons diviser l'action d'un désinfectant en quatre facteurs : i» diffusion par la substance lipoïde, 2° diffusion par la partie albumineuse du protoplasme, 30 destruction de la membrane lipoïde, 40 des- truction de l'albumine. Pour ce qui est du premier facteur, les interprétations de Meyer et Overton peuvent répandre quelque lumière. Ces expérimentateurs trouvèrent indépendamment l'un de l'autre que les substances qui se dissolvent facilement dans la graisse, peuvent pénétrer très rapidement dans la cellule, et que par une solubilité plus grande dans la graisse (spécialement dans l'huile d'olive), une plus petite concentration du narcotique était nécessaire pour produire la narcose. Ils en vinrent, à peu près, à la considération suivante. On peut s'imaginer la cellule vivante, comme construite de masses albumineuses, entourées d'une masse lipoïde, de telle manière que toutes les parois sont formées de couches lipoïdes. Ces couches qui paraissent pos- séder des propriétés graisseuses, c. à.d. une puissance de solubilité parallèle à celle des graisses, ont une très importante signification biologique; elles régissent les échanges vitaux entre la cellule et son entourage. Toutes les substances de l'entourage, devant passer par la couche lipoïde avant de pénétrer dans la cellule, la concentration des matières nutritives et celle des produits des échanges vitaux, est réglée par la rapidité avec laquelle la couche lipoïde les laisse passer. Les matières nusibles sont 164 autant que possible, exclues; les matières utiles et indispen- sables sont retenues, au besoin dans la cellule. Une grande solubilité des matières lipoides rendra possible une grande rapidité de diffusion, et, en outre, d'après la ,, Ver- teilungssatz" de Nernst, une matière s'amassera dans les lipoïdes, si la solubilité y est de beaucoup plus grande que dans l'eau. Les narcotiques sont, en général, des substances se dissolvant ^^ beaucoup mieux dans la graisse que dans l'eau ; ils ont donc / J un grand ,JFeilungscoefficient" pour graisse — eau et dans ce cas généralement aussi pour eau-lipoïde. Une faible concentration dans le liquide environnant est donc nécessaire pour rendre possible une saturation importante des lipoïdes. Une marque distinctive de la narcose est sa réversibilité. Dès que la concentration d'un narcotique dans la cellule baisse au dessous d'un certain minimum, elle est immédiatement supprimée. Si le narcotique avait agi sur les éléments de la cellule par fixation chimique, cette réversibilité si facile serait assez inexplicable, les réactions organiques n'ayant lieu, ordinaire- ment, pas si vite. Cette réversibilité indique, au contraire, la nature plutôt physique du procès. Les narcotiques se dissolvent dans les lipoïdes et en changent l'état physique, de sorte qu'ils ne peuvent plus procéder normalement à leur tâche. L'organisme cellulaire n'est pas changé ou détruit par la narcose, le fonctionne- ment n'en est seulement qu'arrêté, le mécanisme n'est plus en mouvement. Une partie des fonctions vitales cessent. Ceci indique que des substances indifférentes auxquelles la vie n'est pas immédiatement liée, mais qui servent, pour ainsi dire, d'outils aux principes vitaux, sont attaquées par les narcotiques. Il est vrai que la réversibilité de la narcose n'est pas complète en beaucoup de cas, car on ne peut 'pas, naturellement, soumettre un animal, un temps illimité, à la narcose au chloroforme sans que la mort n'intervienne ; mais si l'appHcation d'une très faible concen- tration du narcotique, n'occasionnant pas la narcose à la longue, se termine pourtant par la mort, on doit, vraisemblablement, attribuer cela à des causes secondaires. On peut admettre, par exemple, qu' après la destruction du narcotique, il se forme des produits intermédiaires nuisibles qui attaquent peu à peu le protoplasme, ou bien que la situation modifiée de la membrane lipoïde occasionne à la longue, l'extinction du protoplasme. i65 Waterman i) a démontré que beaucoup do combinaisons chimiques, connues comme antiseptiques, p. e. le phénol dans de faibles concentrations peuvent être une excellente source de carbone pour le pénicillium glaucum. A des concentrations plus fortes elles agissent de façon nuisible et empêchent le développement. Le développement maximal doit se faire quelque part entre les concentrations très faibles où les moississures manquent de nutrition, et les concentrations plus fortes où elles sont narcotisées ; ce maximum se trouve à une concentration où l'apport de la matière nutritive dans la cellule se rapporte aussi favorablement que possible aux échanges vitaux. Si l'organisme se trouve dans un milieu, où il y a une matière, se diffusant facilement dans une concentration trop haute, de sorte que l'apport est supérieur à ce qui peut être digéré il y a alors une surcharge, à la quelle on peut, en premier lieu, imputer l'action narcotique. Avec de véritables substances nutri- tives, comme le sucre p. e., on peut entraver la croissance des bactéries et faire ainsi paraître un certain degré de narcose. Donc s'il est clair que la rapidité de diffusion d'un narcotique dans les matières lipoïdes, régit le degré de la narcose, nous pouvons chercher l'explication de la conduite spéciale des diverses concentrations, dans la conduite de l'alcool en rapport avec l'huile d'olive. Cependant il semble que la solubilité de l'alcool aqueux, dans l'huile d'olive et celle de l'huile d'olive dans l'alcool aqueux, augmente régulièrement avec la concentration de l'alcool. On s'attendrait par là à ce que l'alcool absolu, entre très facilement par la membrane lipoïde, fait dissoudre aussi facile- ment les matières lipoïdes et détruit la membrane de sorte qu'il faut se décider à ne pas trouver d'explication de cette manière là 2). Il reste encore à rechercher les deux autres facteurs, à savoir la diffusion dans l'albumine et sa destruction. Frey à traité, dans ce but, de l'albumine de sérum séchée avec de l'ai :ool à différentes concentrations. A 30 % et 50 0/0 d'alcool l'albumine se gonflait encore, à 70 0/0 presque pas et à 80 0/0 ^t 96 <>/o elle restait dure et jaune ; on trouve l'albumine après le contact avec l'alcool à 30 0/0 et 96 ^Iq encore soluble dans l'eau, 1) Thèse de Delft Janvier 1913. 2) Frey (Deutsche Med. Wochenschr. 1912, no. 35) arrive aussi à celte interprétation. i66 tandis que celle de l'alcool à 50 o/q jusqu'à 80 0/0 est devenue insoluble. Puis il se montrait que l'alcool à 70 o/^ avait produit les plus fortes modifications. Dans les expériences de Frey on observe le résultat de deux réactions dont voici l'explication. L'albumine est sèche et dure. Il ne peut y avoir d'action que si la matière réagissante peut pénétrer, et comme l'alcool concentré n'est absolument pas en état de se diffuser par l'albumine sèche et dure, l'action doit se restreindre à la couche extérieure. Ce n'est que si l'albumine a d'abord pris de l'eau que l'alcool peut se diffuser à l'intérieur, et par conséquent, la rapidité avec laquelle l'alcool fait dénaturer l'albumine, sera proportionnelle à la concentration de l'eau. Une autre matière, que Frey a encore employé pour ses expériences, à savoir la gélatine, a comme obstacle la réac- tion réversible qu'elle occassionne. Afin d'imiter de façon plus nette les situations dans lesquelles l'alcool agit sur le protoplasme, il m'a paru préférable de faire agir l'alcool sur le gluten. Cette matière se compose surtout des substances albumineuses qui se trouvent en réserve dans le grain. Si la farine est bien moulue, elle contient environ 5% de cette albumine et on peut l'en retirer en faisant une pâte de la farine et en pétrissant l'amidon sous l'eau. Elle apparait alors comme une masse jaunâtre, solide et pétrissable, avec une quantité déterminée d'eau fixée colloidalement, tandis qu'on peut en faire sortir le surplus en eau. Sur des surfaces sèches elle colle fortement, mais on peut la détacher en entier sans en enlever des morceaux. Cette matière a une particularité commune au protoplasme, à savoir que dans certaines conditions elle possède une teneur maximum de liquide ; elle est attaquée et transformée par l'alcool, le phénol, la formaline, le sublimé etc.; elle devient alors blanche, non pétrissable, perd de son gluant et on peut alors facilement la distinguer de la matière originale. J'ai fait l'expérience comme suit. Ou met 100 c.c.m. d'eau distillée dans un vase et 100 c.c.m. d'alcool de différentes concentrations, montant par loo/o, dans 10 autres. Dans chaque vase on ajoute ensuite environ 5 Gr. de gluten, qui, après que sa surface a été bien séchée, est pétri en une boulette plate et con- sistante, qui ensuite est pesée, enfin toutcela est mis à la glacière. Après trois jours on fixe de nouveau le poids des 167 o-^ morceaux de gluten après avoir enlevé, aussi bien que possible, le liquide qui s'est attaché à l'extérieur. Ensuite on remet le tout — encore trois jours ^ dans de l'eau dis- T3 tillée et à la glacière. On trouvera les divers résultats réu- nis dans le tableau. (En le séchant à l'air un morceau de gluten perd 58,3^/0 d'eau. Les données du tableau sont rendues plus claires par le graphique. La ligne A représente le poids original du gluten, la ligne B le poids après trois jours de traitement avec diverses concentra- tions d'alcool, tandis que la ligne C repré- sente le poids du gluten, conservé après le traitement précédent, pendant trois jours dans de l'eau distillée. La ligne D représente la quantité de matière de la boulette de gluten dissoute dans les différentes con- centrations d'alcool, cette matière était ni de l'albumine ni de l'amidon. On voit que les faibles concentrations d'alcool ont diminué le poids de l'albumine, tandis que le traitement ultérieur à l'eau le ramenait à sa < (J tt3 Û / \ / \ / ' / \ / :■ y ; / \ : / / !• ; / / i / \ / ; K / 1 "> \ \ 1 y / / . . . . m lU tu « c E 1 68 X 3 6 o s en 'o s (0 N a; ù. -M C ni ^v ^ G CO « 1 Ü C C 'o O TD Vi )-( 6 o S en 6 o « s 'JJ 3 C en 3 3 1-^ 3 _3 ^ "bJO'So X 3 O N (U 'S 3 (U -M 3 "bß en' c u "S > >-< G O C O a 3 en e« Oh en en en 03 G oJ 3 -M C (U l-l P^ "wi (U u 03 M. ■< -ê 'o ^ -M ^ en JG m 'S C 3 3 tn en -M -m" G ct3 3 "bb U . en c e "o c C> OO C^ c^ 00 Ol ^^ o o M o O o' o" o o~ d" 5J m s ^ o o. a O hù h lO lO o o 00 lO lO o o lO C. ds du près 1 irs de 1 vo o i-i '^ -^ o\ o. lO lO oo 1X1 c 1 lO C^ M in CO q^ c^ oo M lO si '^ rf lô -^ ^ ■^ cô CÔ -^ -^ o ^ § n:? a — „ ~ o tn O ' "^ 3 o j OO ^ Cl TtO '<*■ O Cl j 1 1 1 "^ lO CO lOO CO Cl ^ S ^ s 1 1 1 O o M Cl Cl o M o J 6 o" ô o o o" o" d s < . l_l CO Cï t>. !>. lO o o\ 'O l_l CT\ -• t-^ oq to CO 'I- CO hi c^ -* CO l-H CL.'U • en O>00 00 OO 0\ o CTi l>» o ■o ^ ^ 5 o o o o' o o " o o o o i- ci S^'^'^ 5 *^ CO lO Cl Cl o Cl c^ Cl Cl Cl M • «> <: 5 O l-H c^ lO o o Cl OO CO o Cl a^ W Uî I- i i ^ !>. 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Nous voyons d'ici que la faculté d'absorber l'eau diminue par les fortes concentrations (voir graph, ligne C) et que l'albumine est de plus en plus dénaturée. Il est assez curieux que dans l'alcool de 40 à 70% l^ diminution en poids descende constamment, (ligne B). On doit en conclure que 6oo/(j et 7oo/q d'alcool font si rapidement dénaturer l'albumine qu'elle n'a pas le temps de se constringer et qu'elle contient une fois dénaturée, autant d'alcool, qu'elle contenait auparavant d'eau; 400/0 et 50»/^ d'alcool semblent faire dénaturer l'albumine beaucoup plus lentement, de sorte qu'elle a encore quelque peu le temps de se rétrécir. Nous constatons une très forte et con- stante diminution en poids dans les concentrations alcooliques au dessus de 700/0, (ligne B) tandis que la faculté d'absorber de nouveau l'eau a moins diminuée et que les qualités extérieures du gluten reviennent, après l'absorption de l'eau. Il parait donc bien, que le degré de dénaturation diminue avec l'accroissement de la concentration de l'alcool (au dessus de 70 %), tandis que la diminution du poids devient toujours plus forte. Une telle sous- traction d'eau doit être causée par une action osmotique. L'alcool dans les concentrations de 80% et dans celles qui lui sont supérieures, fait dénaturer une couche mince à la surface du gluten, ou' il ne peut alors pénétrer que très lentenient, tandis que l'alcool à 700/0 le fait très facilement. Cela a pour conséquence la soustraction osmotique de l'eau. Plus l'alcool est concentré, plus l'osmose est forte et plus vite aussi la boulette de gluten sera tout à fait desséchée et devenue ainsi résistante à l'action de l'alcool. Du commencement il y a la possibilité que de petites quantités d'alcool, se diffusent tout à fait à l'intérieur. Cela est en rapport avec le cours de la ligne C. Or, parceque ces petites quantités se diffusent tout à fait à l'intérieur, la concentration alcoolique à l'intérieur montera lentement et amènera une diminution de la faculté d'imbibition pour l'eau. Plus l'eau sort rapidement, moins d'alcool pourra pénétrer à l'intérieur avant que la boulette ne soit tout à fait desséchée, et d'autant moins la faculté d'imbibition pour l'eau aura-t-elle changé. D'après les considérations ci-dessus on peut décider que l'alcool à une concentration d'environ 40 % commence à agir comme dénaturant sur l'albumine. Cette action augmente à mesure que la concentration monte. L'albumine ordinaire et celle qui est dénaturée laissent facilement diffuser l'alcool en concentra- tions faibles. Pour des concentrations au dessus de 80 <> 0 l'albumine dénaturée n'est pratiquement pas perméable. En considérant les expériences de Beyer qui trouva à 70 % d'alcool un maximum d'action bactéricide on doit préférer 70 0/0 d'alcool pour la désinfection de matières contenant de l'albumine, et on doit considérer les concentrations au dessus de 75 % comme défavorables. Une recherche de H. KODAMA 1) se rapporte aussi à cela. Il a trouvé que 96 ^/q d'alcool détruisait le plus rapidement l'antigène dans la viande de cheval fraîche et contenant donc de l'eau, mais que pour la viande de cheval séchée c'était l'alcool de 60 à 70 0/0 qui agissait le plus rapidement. D'après ce résultat il m'a semblé intéressant de rechercher encore la conduite d'une autre substance par rapport au gluten. Je choisis pour ce but le phénol. On pétrit d'abord soigneusement et à sec quelques boulettes de gluten, conservées dans des vases avec 50 ce. m. de phénol à différentes concentrations, à une température de 37*^. On trouve les change- ments après 24 heures de contact notés dans le tableau suivant : Conc. du phénol. aspect extérieur du gluten. 5 Vo dimensions non modifiées; tout à fait dénaturé, aspect homogène, blanc solide, pas gluant. 10 °/o fortement goufié, surface blanche et gluante, intérieur peu changé. 70 % gonflé, la couche de la surface devenue gluante et d'un blanc opaque jusqu'à une profondeur de i mM.; inté- rieur non modifié et normalement gluant. 80 % gonflé, couche de la surface brune claire transparente, gluante et gélatineuse. Intérieur normalement gluant. 90 "/o i comme à 80 Vo» mais la couche gélatineuse transparente 95 "/o i est plus épaisse et les dimensions ont moins augmenté/. ^) H. KoDAMA. Zschr. f. Hyg. u. Inf. Krankh. B. 74. 171 L'albumine blanche dénaturée de la solution à 5 0/0 et la masse gélatineuse de la solution à 90 0/0 se composent de la même substance. Mis dans l'eau, elles deviennent toutes deux solides et blanches, transportées ensuite dans du phénol à 90 0/0 elles forment toutes deux la masse gélatineuse. L'albumine dénaturée se gonfle, par conséquent, en un gel par le phénol fondu. Il parait donc de cette expérience, que 5 0/0 de phénol se diffuse facilement à travers toute la masse de l'albumine, tandis que les fortes concentrations ne possèdent pas cette faculté. La différence entre ceci et la conduite de l'alcool réside en ce que l'albumine dénaturée est perméable pour le phénol à une haute concentration, qu'elle gonfle avec lui et que par conséquent il ne peut être question d'une couche protectrice. Il est encore nécessaire de remarquer que le phénol à 100/0 et à 700/^ se laisse séparer en deux couches, la couche supérieure contenant environs 8% de phénol et la couche plus chargée entre 750/0 et 800/0; ceci dépend de la température. C'est pour cela que le gluten subit des transfor- mations identiques dans ces deux concentrations. Par analogie à la conduite de l'alcool on doit donc conclure pour le phénol aussi que pour désinfecter des masses albumineuses il faut préférer une concentration de 5 0/0 a-ux concentrations supérieures, celle là pouvant pénétrer le plus rapidement par toute la masse. Dans les méthodes actuelles pour rechercher l'action microbicide des désinfectants et qui reposent presque toutes sur le même principe (comme p. e. le Rideal Walker Test.), on mesure l'action mortelle sur des bactéries non protégées. Pour les désinfectants du type créoline, formant emulsion, elles donnent toutes, plus ou moins, un bien meilleur résultat que pour le phénol. Comme cependant, les substances toxiques des désinfectants, formant emulsion, à savoir les crésoles supérieurs, se dissolvent très mal dans l'eau on peut s'attendre à ce que les masses albumineuses et gélatineuses, aient une certaine influence protectrice sur les bactéries, ce à quoi il faut certainement tenir compte dans la pratique. On devra donc aussi, comme facteur très important pour fixer la valeur, comparer l'infiltration des toxiques. KENDALL et EDWARDS 1) 1) Journ, of Inf. Dis. Vol. 8, 1911. 12 172 ont déjà fait un essai dans cette direction en faisant diffuser le désinfectant par de la gélose. Comme matériel d'étude, il me semble, que dans ce sens, le gluten vaut mieux et qu'il est plus en rapport avec les circonstances dans la pratique. Il est certain qu'on obtiendra, en suivant cet ordre de choses une meilleure impression de la force relative des différents désinfectants. DIE STICKSTOFFNAHRUNG DER PRESSHEFE. VON Dr. H. I. WATERMAN. Zum Studium des Stoffwechsels der Hefe, womit ich jetzt angefangen habe, war eine genaue- Kenntnis der meist einfachen Kultivierungsbedingungen notwendig. Festgestellt wurde, dasz zahlreiche Verbindungen wohl, viele andre nicht als vStickstoffquelle für Presshefe geeignet sind. Zahlreiche anorganische Verbindungen, wie Ammoniumnitrat und Ammoniumchlorid sind ausgezeichnete Nährstoffe, und dies war für eine leichte Ausführung der Stoffwechselversuche von grosser Bedeutung. Im Laufe der Untersuchung wurden Regelmässigkeiten be- obachtet, welche in organisch-chemischer Hinsicht interessant sind. So giebt der Amidostickstoff im allgemeinen Entwicklung, unabhängig von der Anwesenheit einer oder mehrerer Säure- amidgruppen, welche letzteren für sich keine Entwicklung veranlassen, so dass in dieser Hinsicht die Wirkung der Carboxa- midgruppe lokaler Natur ist. Wenn sich nur ein Stickstoffatom im Mol(;kül vorfindet, und dieses Atom zu gleicher Zeit zu einer Amido- und zu einer Carboxamid- gruppe gehört, so kann bisweilen Entwicklung stattfinden. Die Zusammensetzung der Nährlösung war bei allen diesen Versuchen immer: Leitungswasser, 2 "/o Glukose (wasserfrei); 0.2 o/y KH2l^Ü4 (wasserfrei), 0,1 0/0 MgS04 (wasserfrei), während meistens 0,1 "/o der betreffenden N-Quelle zugefügt wurde. Nach dem Sterilisieren während 10 Minuten auf 120", wurde mit einer geringen Quantität einer Presshefereinkultur geimpft und bei 30° kultiviert. Immer wurden ErLENMEYER- 174 flaschcn von Jenaglas und 200 cM.^ Inhalt benutzt mit 50 cM^ der Nährlösung. Bisweilen wurde auch mit ,,ElNHORNS" gear- beitet, um die Kohlensäureproduktion bei der eventuell stattfinden- den Gährung beobachten zu können. Die Quantität der gebildeten Hefesubstanz wurde auf be- stimmten Zeiten beobachtet, die assimilierte Quantität Glukose aus der Polarisationszahl berechnet. Manchmal wurde auch die Reduktion mit Fehling bestimmt. Um die Schnelligkeit des Lebensprozesses einigermassen beurteilen zu können, habe ich in Tabelle I einige der Versuche vereinigt. Man sieht sofort, dasz die im Leitungswasser vorhandenen N-Verbindungcn keine Entwicklung veranlassen können (Nr. i.) Weiter geht aus diesen Versuchen hervor, dasz sogar Stick- stoffverbindungen der meist verschiedenen Art als Nahrung geeignet sind. Zumal sind es die alifatischen Amine, weiter auch aromatische Amine und von den letzteren besonders diejenige mit der NHg-Gruppe in der Seitenkette und schlieszlich Verbindungen wie NH4CI und NH4NO3. Von den untersuchten Nitraten und Nitriten war keine als N-Quelle geeignet (KNO3, NaNOg, Nitromethan und C(CH2-OH)3N02). Die in den Versuchen mit Harnstoff stattfindende Assimilation wird erklärt durch die aus dieser Verbindung unter dem Einfluss des Wassers entstandenen Quantitäten Ammoniak. Die zahl- reichen untersuchten reinen Säureamide gaben keine Entwicklung, mit Ausnahme des Formamids und auch des Oxamids und Palmitinamids. Bei den zwei letzteren Verbindungen war die Quantität der assimilierten Glukose aber gering. Das benutzte Formamid enthielt ziemlich grosse Quantitäten Ammoniak. Eine Analyse dieser Verbindung gab : die Formel CH3NO fordert % C: 25,5 25,0 25,0 26,7 Vo Vo H: 6,9 6,9 6,6 6,7 » % N: 33.16 33,00 Sp. G. : 1,1286 16° 5 3Ï.I » ^D = 1,4446 (t = = 19=) O ci c O «4 ^ 1^ M •T3 U) . o 3 ^ U) O ri 2 tß J= -O «J bi 3 u rz: ;o .. b/l Cd O c 3 CT; 1) . Z3 V 5 ;^ •g D :0 :0 e 3 z D :0 ta D c -a 3 « 0£ ^ 5 3 :rt ■"■ ^ bn b/j :0 4J C« 3 -"'s C 1) , 1 2 c ^0 = bi . ï j3 =5 rt =^ 4> 2 S 4J '5) ■■O îi O :0 2 C X:S W:S W i2 g •U Oi3 cl J ^' ^ J !^ ü i'^i-'i « 3 _o ^ M c . o ^ ^ — u. ^ ^ cj 0) (U 'S -C u 4) Hj D Q 3 5 == 2 3 3 t;;H ^ o •" u '/> T. rt D lJ5 3 w :rt _rt w « 2 _rt Ué (4 C3 rt rt rt 4J — .— tj ._. .s tt b fe 't w 1^ b a 2 [Sui^Z bz z b ^ % ^ ^ e\ ö\ ö\ ^ ä? ^ ^ o o T o O O ro o o o o vn r». ^O « fO lO \o a ^ 6 ci N 1 73 2 S u O O H S L^ 5 J 3 X 1 1 1 1 D rt 1 1 D g <=> H a oä a r>. O Ä J2 c4 ^^ ^ ^ ^ ^^ ^ ^^^^ ^^ ^^ ^^ , ^ O o O o O O O 00 O O O ro O u^ O O ro O a d u-i O o o o N fO N vnoo ►^ ï i o - - 1 C +1 C ^ 5 5 ri «3 ci « « « « Ä ' Ä Ä Ä Ä R M« H x o îi "- tn t^ o o C\ u-l t-- t^ a^ t^ t^ t^ r^ M t^ M i^ t^ < ^ â M 1» fo fl - ^ IM l-M j= 1 « rt » Ä Ä Ä » W Ä Ä Ä * « Ä Ä « rt * :z; z Z ^ ^ é « É _§ « ^' ïï sj r/i :/; U C "i hJ5 W w 'S "2 .S rt -5 ^ 5 « « »5 0) e .S 'S rt » Ä i CJ ►- B c > ûi « 1) 5 « H S ci » Ä Ä Ä » Ä ci Ä Ä Ä « » -* ^« « '. H r- r-i H t-^ Tj- fo 1- t^ r^ O^ t^ t^ t^ t^ ^ t>» f^ c ^ X! »i ^ ci Ä Ä Ä Ä Ä Ä o Ä Ä Ä Ä » Ä « Ä « . ^ z ^ Z • ^-^ - . ^^^ ti :s.s.s g S! ^ .5 rt rt ^9 N 1- S ■. z 5 3 ^ d O^^ Q Ld ^ S 4 jJ «< ,y, O^ ^ ^^ ^ >-3 4) 3 O-o' S " ■> *— * S u NAME STK STOFFVEK d o :rt S) U) U O •o 's c < 'c c > ^ O "^ 2 •^ .S S-3Î £ ^ 1 E O ■£ c X cï rt C ■S -^ 4> r S -0 .5 2 S > S rt O "rt i ►2 — CAJ 3 h rt S a. 3 ^ „ N fo T (•»/-) VO t^ 00 ON o i- N fO ■* VT) II ^ w ^ ^ < ^ ' •■ r§ B 4) t» bjo > be ■ c ^ ï ti bJO Wl t w o ^ Ä Ä « Ä « « :0 1> Ü c s =1 «J H 0 ►5 9 bJl 5 :0 :z _§««««*:« :o'n « 0 4J c D :0 " t^ 3 rJ g ^W 3 oc =!? 3 2 S. ,_; ^ Mt D :0 3 Ü (J » Ä Ä CS Ä «s 2 M ci cl 2 H :rt 3 ^ 5 -0 C 3 MO D 1 Ô u u Ü5 :3;^ :0 :0 i> • ^ i- 3 _rt _rt _o O 2 s S)2 ^ .- ^ ^ 3 ** Ä Ä Ä Ä C 3 X ^ ^ 0 4J c3 -r; H Ca cS «^ — *J rt c- "ï! rt tu fe^ 5 ^ U!U! fed 0 fe W b ^^ ^ ^ ^ ^^ ^ ö\ as o\ ö\ ö\ d\ VT) ui O O N ro 0 0 00000 0 N H" vO CO u-i >o c/3 S5 S 2 '^ +1 1 0 o H " iT) ^ t3 a S HH ^ Ü w Pi ^^^^^^à ? ^^^ ^^^^^ ^^^^^ ^ ^ ^ ^ ro N o o o o c > •* O 0 ro 0 u^ 0 M a . "é? ro " vO O 0 m vri u-)\o t^ 0 0 0 0 C 0 0 8 ° is w o H +1+1 +1 1 0 " 1— 1 irr I— 1 C b/j Ä Ä « « Ä « 5 « 3 « « « 5 iM » « Ä « » C 0) fc/3 ci « « Ü2 H H H H H iX! t^ t^ r^ i^ t^ t^ ^ t- t^ i_i t^ c> ir, ON U-) t- On "^ t~> c 0 0 0 0 > ro ro en ^ — ' ^ ^ 43 j:: -C o « A « « « « Ci ^ « 0 « « « « Ä Ü c3 « Ä Z ^ ^ a; ^ CÖ Ä ci 3 ^ > C ^ • ri • C5 ■g Ä « « « Ä « ^ 2 '!:i Ä « « « « Ä Ä ^ ^ B CKLUNi HEFE. •= Ä « « « Ä « 3 Ä R •| « Ä Ä « Ä Ä Ä W 1) .s si's w Il ï < N ^ > C4 C S s 4? c fcl/3 » Ä « * Ä « H bD « cS bJO « H ho « « « « H « Ä Ä ta " w t^ t^ t^ I— r- i-^ t- «-* t^ ON l/^ On "^ r^ONi'it^fOO roo CO 0 0 CO CO -Ö J3 ^ " •" j: "^ ro CO ^ ^ CO ^ « Ä Ä Ä « « ë * 0 i» « « " Ä Ä Ä « Ci ^ ^ ^ Ä « « ä « Ä Ä » 2; ^ iz; '& ^ d ;2; D Oi Q NAME DE STICK- ITOFFVERBIN 's C! -d 's ■y 1 .5 ■g ci 1 c 13 's 'o c o c ■g c O c. ■5 t/3 'S 'S g .3 'c 0 S e .'S _o 0 S 'c 0 S "c s r "ci S 0 Ut 'S £ c 1) C .9 's . S < s CAJ o P Q s c« cJ5 c^ < <; ö 1^00 ON 0 « N ^ w •" H w N N c^ N M N N N N N c^' •> c > CO ••o )-< bi bfl N ^ bio bij 2 J=! . V c c o U Oi 5 Ä * ■o M u. =^ 11 -1 ^ •- ■ it, „ P c2 m u. _rt f ï * hfl c :0 :0 1» 13 4) bfl e bi)^ |t2 gefärbte, g- klare, farl 5 ^ - t/> J .f! t^ bû ä •o — c (u rtj u" iT c] s s 4-. 3 T) -C t- ^ û Z « R ^ jû 3 Ä t^H d in <" j- t/î Ü «^ a rt Lrt t- -<<■'> -. M +1 c« ^ ^ \P \0 \0 Np \p \0 Sp ev ö\ is\ öS, ö\ o\ ÖV, ^ ^ ^ 3 \p \0 "^ ? ^ ? ^ ^^ ^ O O O O O O "^ O "^ O O C O c C o o o O ui in ^ +1 rt 1 O 1 O ON o c ë c i. b r 4) 5 c ^ b/; « Ä « « bfl « Ä u * f> »ÄÄÄÄÄÄÄ r rt H bfl rt ?o ^ H c o 0 o o C o o o 0> t^-r^-i^i-t^« J^ ro ro ro ro c ■î n ri n t^ X 1-4 »-« HM M ^ J3 J3 Ä « y ÄÄÄÄÄÄÄ» C r Ä « Ä rt Ä O rt ^ ^ 55 U rt > 5 a 'S Ä « Ä « Ä .• c j: ^ w & M W Z b/J ^ ^ ^ ^ ^ C § ï S 1) W .i<ä <— c '^' '^ "S Ä c Ä Ä « 5 * "" ^ "■ ï» j 'c^ • c Ö >iJ '. s. :rt C/5 "&, ' &. O o . o s ■^ N ^~^r^ ,^^r^ :rt 4) C ^ 1,^ C Ç^ 4J e c «^ jj «^ ■? rt |3 :rt ^ ^ N ^ o |§ ^ S .23 -S .2 5 -^ "o —5 :rt |3 _S C |ç s "o H S 'E ^■^ rt^ C Benzyl Anilin C u rt, o ä eu !=> > M > o "o D o a, 4) Tt- u^ 1 vu t^ 00 Ov O ^ N f » "* vr 1 vO r^ 00 S' c i f > 1 c 5 ro c< S f > -^ 1 •<1 ■^ •«i ^t "«1 Tj «* ■t Tj lyS Der höhere N-Gehalt wurde von der Verunreinigung mit Ammoniak verursacht; dadurch war also die Entwicklung der Hefe in den Versuchen mit Formamid erklärt. Wegen der grossen Anzahl der untersuchten Verbindungen konnte die Reinheit derselben nicht immer kontrolliert werden. So ist vielleicht die beim Oxamid und Palmitinamid beobachtete Abweichung einer Unreinheit zuzuschreiben. Die benutzten Asparagin, Pepton (,, Witte") und Succinamid wurden analysiert î Asparagin (-f- i Aq.). Gefunden, Berechnet. Pepton („ mtte"). Gefunden. Succinamid. Gefunden. Berechnet. % €32,4132,5 %H 6,8; 6,8 Asche % 32,0 6,7 48,3; 48,4 7.2; 7.3 .1,63; 1,61 41,4:41,3 6,9; 6,8 41,4 6,9 Trotz der schwierigen Beobachtung der Entwicklung der Hefe, welche noch hervorgeht aus den vielen Fragezeichen in der betreffenden Spalte, sieht man doch, das diese Entwicklung und der Glukoseverbrauch im allgemeinen parallell gehen. TABELLE IL Als Stickstoffquelle sind Geeignet. H H2N. C.CO2H I Asparagin H. C . CO NH2 I H H HsN.C.COoH I Asparaginsäure H.C.CO3H I H HiPPURSÄURE CßHs.CO.NH.CHgCOaH «. Amidozimmtamid C6HbCH=CNH2.CONH2.i). i) Baucke, Recueil i5,\},\ (1896). Nicht geeignet. H H.C.CO2H I S uccinaminsäure H . C . CONHj H H H.C.CONH, I Succinamid H.C.CONH2 I H Benzamid C6HB.CO.NH2 ZiMMTAMID C6HbCH = CH.CONH2 179 Um den schon genannten Unterschied zwischen den Aminen und den Amiden der Säuren deutlicher anzugeben, findet man in Tabelle II einige verwandte Verbindungen neben einander. So sieht man, das die Amine : Asparagin und Asparaginsäure gute N. -Nährstoffe sind, während Succinaminsäure und Succin- amid, welche keine Amidogruppe enthalten, sondern resp. i und 3 Säureamidgruppen, keine Entwicklung veranlassen. Dergleichen Unterschiede bestehen zwischen Benzamid und Hippursäure; in der Hippursäure hat der Säureamidstickstoff des Benzamids zu gleicher Zeit Amideigenschaften. Das « . Amidozimmtamid kann wegen der Anwesenheit der Amidogruppe als Stickstoff- quelle benutzt werden. Mit dem Zimmtamid ist dies nicht der Fall, denn diese Verbindung enthält nur eine Säureamidgruppe, während keine Amidogruppe vorhanden ist. Man hat also im obengenannten wieder ein merkwürdiges Beispiel des Selektionsvermögens eines Organismus für bestimmte chemische Gruppen. Die Möglichkeit bleibt bestehen, dasz es bei noch grösserer Wahl von Stickstoffverbindungen gelingen wird, Ausnahmen des genannten Satzes zu finden, weil die Eigenschaften von bestimmten Gruppen im Molekül von der Natur des Molekül- restes beeinfluszt werden. Schlieszlich bringe ich an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. J. BÖESEKEN für seine wertvollen Ratschläge meinen besten Dank. Delft, Juli 1913. Institut für organ. Chemie der Techn. Hochschule. BUCHBESPRECHUNG. Jan Smit. Bacleriologische en chemische onder- zoekingen over de Melkzuurgisting. (Academisch proef- schrift, Amsterdam, Oct. 1913). Bakteriologische und chemische Untersuchungen über die Milchsäuregährung- (Dissertation). Verf. fängt den len Kap. (Bakteriologischer Teil) seiner Arbeit mit einer Begriffsstellung der Gattung »Lactobacillus« an und fährt weiter fort mit einer genauen Beschreibung der von ihm häuptsächlich unter- suchten Art »Lactobacillus fermentum (Beijerinck)«, eine typische stäbchenförmige Milchsäurebakterie, welche durch kräftige Kohlensäure- bildung in Malzextrakt und Maische von den andern Vertretern dieser Gruppe sich unterscheidet. Diese Art konnte aus »Koningsgist« und dem Sauergut der »Ned. Gist en Spiritusfabriek« zu Delft durch Anhäufung in Würze (10 — 12° B) in geschlossenen Stöpselflaschen bei 37 — 38° C immer gezüchtet werden. Wurde aber dieser Versuch bei 45° C ausgeführt, so blieb die Gährung aus und häufte »Lacto- bacillus Delbrück!« sich an, der aber nur in Maische mit Erfolg weiter zu züchten war. Beide Arten Hessen sich auf Maischenagar reinzüchten ; L. fermentum wächst darauf in runden scharfbegrenzten weissen Kolonien, während L. Delbrück! darauf flache matt-gräuliche Kolonien mit buchtigem Umriss bildet. Aus einer Reihe von Versuchen zeigte es sich, dass L. fermentum als Stickstoffnahrung die pflanzlichen Eiweisskörper über den tierischen bevorzugt, besonders diejenige, welche in Würze, Maische und auch im Hefeextrakt vorhanden sind. Die Intensität der Säuerung war hierbei ein Masz für die Tauglichkeit der Stickstoffquelle. Bei Luftab- schluss wurde immer mehr Säure gebildet, wie bei reichlichem Sauer- stoffzutritt. In Hefeextrakt wurden von den Zuckerarten; Glucose, Lévulose, Galactose, Maltose, Saccharose, Lactose, Melibiose und Raffinose gut ; Mannose, lösliche Stärke, Erjlhrit schwach vergoren ; nicht aber Arabinose, Xylose, Trehalose, Rhamnose, Sorbose, « Methyl- Glucosid, Quercit, Sorbit, Mannit, Dextrin, Pepton (Witte), Inulin, Aepfelsäure, Ca-malat, Ca-lactat. Inversion fand statt von Saccharose und Raffinose, nicht aber von Lactose. L. ferm. entwickelt sich in I8l ang^esäuerten sowie auch in alkalischen Kulturmedien schlecht, sehr geringe Säuremengen wirken aber günstig. Die Optimaltemperatur ist 33° C, die Maximaltemperatur 50° C; erhitzen 2 min. auf 65' tötet L. fermentum. L. ferm. spaltet Glucoside nicht oder äusserst schwach (Indikan); eiweissspaltende Enzyme konnten nicht nachgewiesen werden. Den Erfahrungen des Verf. nach scheint L. ferm, eine in den Hefefabriken allgemein verbreitete Art zu sein, welches mit seinem Vorkommen auf Getreidearten in direktem Zusammenhang steht. So wurde diese Art auch aus Brennereihefe der Fabrik »Hollandia« zu Schiedam und aus der »Konservierten Getreide-Brennereihefe der Firma Heinr, Helbing a — G zu Wandsbeck Hamburg leicht isoliert. Verf. konnte aus durchgesäuerter Roggenschrot-Maische nach obengenanntem Verfahren L. ferm. sowie auch L. Delbrücki züchten ; aus Gartenerde wurde eine gährende Milchsäurebakterie isoliert, welche aber mit L. ferm. nicht indentisch war. Eine schleimbildende Varietät wurde zufällig in einer zur Anhäufung v. B. Delbrücki angestellten Kultur aufgefunden. Die Schleimbildung war aber nicht konstant. Es konnten die isolierten Stämme des L, ferm. mit keinem einzigen der in der Literatur beschriebenen Lactobacillen vollständig indentifi- ziert werden, sie zeigten aber mit der von Beijerinck beschriebenen Art (Arch. Néerl. II Serie, 6, 212, (1901) grosse Übereinstimmung. Verf. fasst seine Stämme somit in einer Gruppe »Lactobacillus fermentum Beijerinck« zusammen, welche sich kennzeichnet durch Kohlensäure- bildung, schnelle Säuerung zuckerhaltiger Flüssigkeiten, wobei weiter flüchtige Säuren und Milchsäure entstehen, während aus Lévulose und Saccharose Mannit gebildet wird. Die nachfolgenden Kap. 2, 3 und 4 sind ausschliesslich den che- mischen Untersuchungsmethoden und ihrer Anwendung auf die von L. ferm. erzeugten Zerzetzungsprodukte gewidmet. Die qualitative Untersuchung (Kap. 2) ergab als Resultat, dass aus Glucose, Lévulose, Galactose, Maltose, Saccharose, Lactose, Raffînose, als flüchtige Produkte : Ammoniak, Alkohol, Essigsäure und Spuren Ameisensäure gebildet wurden (aus Lévulose aber kein Alkohol) ; als nichtflüchtige Produkte : Milchsäure und Bernsteinsäure, während nur aus Lévulose und Saccharose Mannit gebildet wurde. Kap. 3 handelt über die quantitativen Methoden zur Bestimmung der erzeugten Verbindungen, während in Kap. 4 die Resultate, welche durch Anwendung der am meisten geeigneten Methoden erhalten wurden, niedergelegt sind. Als Produkte der Vergährung von Glucose, Lévulose und Saccharose wurden Kohlensäure, Alkohol, Milchsäure, Essigsäure, Ameisensäure, Bernsteinsäure, Mannit, Glyzerin und Bakterienmaterial quantitativ bestimmt. t82 Der Alkohol wurde nach Destillation pyknometrisch bestimmt, die Kohlensäure qravimetrisch, die Zuckerbestimmung nach Schoorl. (Nederl. Tijdschr. Ph. Ch. Tox, 1899; Codex alimentarius, dl. 4; Chem. Weekbl. 9, 687, 191 2), Bernsteinsäure nach der Methode GuERBET (These, Paris 1906). Die Essigsäure wurde auf indirektem Wege bestimmt. Dazu wurde zuerst die Gesamtsäure durch Titration bestimmt, von dieser Zahl wurde die für Bernsteinsäure gefundene substrahiert. Im Destillat von 50 cc. der Kultur wurde die Ameisensäure bestimmt nach der Methode Fincke (Z. Unters. Nähr, und Genussmittel 21, i, 191 1), die Gesamtmenge der Milch- säure und Ameisensäure nach der Methode Ulzer und Seidel (Monatshefte für Chemie 18 p. 138; Anal. Ch. 38, 58, 1899); die Menge der gebildeten Milchsäure kann also auch berechnet werden. Durch Substraktion findet man die Quantität der Essigsäure. Die Mannitbestimmung wurde ausgeführt nach dem Prinzip der Methode zur Glyzerinbestimmung von Wagenaar (Pharm. Weekbl. 191 1, 497), welche auch schon von Mutter (B.B, 14, loii 181 1) angewendet wurde und welche auf das Vermögen mehrwertiger Alkohole, Kupfer in alkalischen Medien in Lösung zu halten, beruht. Mit grosser Sorg- falt hat Verf. diese Methode für die Mannitbestimmung in den Kul- turen von L. ferm. nachgeprüft und anwendbar gemacht, welches häuptsächlich darin besteht, dass störende Verb, wie Ammoniak Aminosäuren, Zuckerarten, Glyzerin und Oxysäuren durch vorherige Destruktion mit Calciumhydroxyd beseitigt werden. Dann wird der Mannit mittels Alkohol extrahiert, die erhaltene Lösung nach Ver- treiben des Alkohols eventuell mit bas. Pb.-acetat gereinigt und darauf der Mannit nach der Methode Wagenaar bestimmt. Die Einzelheiten der angewendeten Methoden können hier nicht weiter besprochen werden. Mit Hülfe der geprüften Bestimmungsweisen führt Verf. einige Analysen der in Hefewasser mit Glucose resp. Lévulose und Saccharose durch L. ferm. gebildeten Stoffwechselprodukte aus. In folgender Tabelle bringt er seine Resultate zusammen. Produkte. Glucose. Lévulose. Saccharose. Kohlensäure Alkohol Milchsäure Essigsäure Ameisensäure .... Bernsteinsäure . . . Mannit 14.1% 16.9% 47.1% 3.7% 0.1% 1.2% 6.3% 3-5% — (io)% 1.6 % 12.3 % 12.9 % 0.2 % 1.4 % 60.1 % -(1.5)% 17-4% 16.8% 33.7% 6.1% 0.1% 0.9% 22.8% 1.7% Glyzerin Bakterien Im Ganzen 92.9% 88.5(100)% 100. 5% i83 Am Schluss seiner Arbeit bespricht Verf. seine Untersuchungen über die Mannitbildung durch einige anderen Milchsäurebakterien, wobei es sich ergab, dass nur diejenigen Milchsäurebakterien aus Lévulose und Saccharose Mannit bilden, welche Kohlensäuregährung zeigen. Von den untersuchten Arten bildeten nur L. ferm., Saccharobacillus pastorianus (v. Laer) und die Dextranmikrokokken neben Kohlensäure Mannit, nicht aber Bac. lactis acidi (Leichmann), L. Delbrücki, L. lactis, Bac. bulgaricus, Streptococcus Yoghurt und Str. hollandicus, H. C. Jacobsen. UEBER SCHRÖTER UND COHN's LAKMLSMICROCOCCÜS VON M. W. BEIJERINCK i)- (Mit Tafel V und VI). 1. Micrococcus cyaneus in der Literatur. Im Jahre 1870 wurde im pflanzenphysiologischen Institut zu Breslau von Dr. J. SCHRÖTER ein eigentümlicher Micrococcus ähnlicher Organismus gefunden, wovon der Entdecker Folgendes mitteilt: 2) >Auf einer im Anfang Januar 1870 zur Bacterien- kultur ausgelegten gekochten Kartoffelscheibe wurde eine umfang- reiche sehr intensive Blaufärbung beobachtet. Sie nahm schnell zu. sodass die Scheibe in der Ausdehnung mehrerer Centimeter davon eingenommen wurde, und schritt auch in die Tiefe fort und durchdrang nach und nach das Gewebe bis zur entgegen- gesetzten Seite der Scheibe. Bei mikroskopischer Untersuchung wurden im Innern der blaugefärbten Masse keine Bactérien vorgefunden, die Membranen der Stärkekörner waren hellblau gefärbt, zwischen ihnen wucherte reichlich ein Pilzmycel, dessen contrahierter Inhalt tief indigoblau gefärbt erschien. Von der blauen Masse wurde eine Aussaat auf frische Kartoffelstücke gemacht. Erst nach zehn Tagen zeigte sich auf den Impfstellen eine blauviolette Färbung. Hier wurde das Vorhandensein kleiner, elliptischer, unbeweglicher Organismen constatirt. Die Färbung schritt centrifugal fort, wurde tief indigo- blau und drang wieder weit in die Tiefe. Bei mehreren darauf wiederholten Kulturen trat immer nach etwa zehn Teigen dieselbe Pigmentbildung in derselben Weise auf. ^) Nach einem Vortrag mit Demonstration gehalten zu Leiden am I3ten Dezember 191 3. *} Ueber einige durch Bactérien gebildete Pigmente. CoHN's Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. I. Pag. 122. 1873. 13 1 86 Der blaue Farbstoff wurde durch Säuren intensiv carminroth gefärbt. Alkalien stellten die blaue Farbe wieder her, Säuren färbten dann wieder roth. Das Pigment verhält sich darin ganz so wie Lakmus, zu dessen Bildung ist mithin kein den Flechten eigenthümlicher Stoff erforderlich. Da ich im Innern der blaugewordenen Substanz keine Bactérien, dagegen sehr constant ein Pilzmycel auffand war ich lange geneigt letzterem die Blaufärbung zuzuschreiben. Diese Vermuthung musste schon desshalb aufgegeben werden weil nicht überall in der blauen Masse Mycel nachweisbar war und die Zellen der Nährsubstanz ebenso wie der Pilz blau gefärbt waren. Es ist anzunehmen, dass die Bacteridien sich nur an der Oberfläche vermehren und nur hier wie B. prodigiosum, da.s Pigment h'ûàen. Dieses scheint in Wasser löslich zu sein, und desshalb von der Oberfläche aus in die Nährsubstanz einzudringen und sie zu färben. Das regelmässige Auftreten des Schimmels mit der Pigment- bildung in meinen Culturen erklärt sich leicht dadurch, dass von der ersten Culturstelle gleichzeitig mit den Bacteridien Schim- melsporen und lebende Mycelstücke übertragen und dann immer weiter fortgepflanzt wurden«. Nachdem SCHRÖTER das Pilzmycel als Fiisisporiiim solani MartiuS determiniert hat, sagt er weiter: »Es lässt sich daraus wohl schliessen, dass auch hier durch die Vegetation der Bacteri- dien anfangs sauere, später alkalische Substanzen gebildet wurden. Das hier betrachtete blaue Pigment, ist in seinen Reactionen gänzlich verschieden von dem der blauen Milch, wie sie O. Erdmann angibt. ^) Nach den dort citierten Untersuchungen von Dr. TrÖMMER veränderen Aetzkali und Natron den Farbstoff derselben in Pfirsichroth, Säuren stellen die blaue Farbe wieder her. Ammoniak verändert die Farben wenig ins Violett, während Essigsäure sie wieder herstellt. Salzsäure zerstört sie nicht. Salpetersaure (rauchende) zerstört sie, Chlorwasser dessgleichen. Die gegeben Reactionen sind wiederum die der Anilinkörper und zwar desjenigen Anilinblaues, das man nach A. W. Hoff- mann's Untersuchungen als Triphenylrosanilin bezeichnet. Wie es scheint wird das Pigment durch lebhaft bewegliche Bactérien *) Bildung von Anilinfarben aus Proteinkörpern. Journal für praktische Chemie 1866. Pag. 386. i87 gebildet, welche sich in zahlloser Menge in derblauen Milch finden. Es existieren also zwei specifisch verschiedene blaue Bacterien- pigmente, das eine durch unbewegte Bacteridien, das andere durch bewegte Bactérien gebildet, ebenso wie wir es bei dem gelben Farbstoff gesehen haben«. In 1872 hat COHN selbst eine mit der von SCHRÖTER entdeckten Bakterie nahe verwandte Varietät gefunden und zwar durch einen Anhäufungsversuch, welcher mir bei der Wieder- holung allerdings nicht den gleichen Organismus gegeben hat, aber worin ich dennoch einen guten Kern sehe, welcher wahr- scheinlich, bei richtiger Anwendung von Ammoncarbonat und Infection mit fruchtbarer Gartenerde, den Lakmusmikroben auf's Neue wird lieferen können. CoilN beschreibt seinen Fund folgenderweise: >) y> Micrococcus cyaneus {Bacteridium cyatieufu SCHRÖTER). Die elliptischen unbeweglichen Kügelchen dieser Art wurden von SCHRÖTER im Januar 1870 als Ursache einer auf gekochten Kartoffeln erschienenen umfangreichen und intensiven Blaufärbung beob- achtet. Mir selbst kam dieses blaue Pigment zur Beobachtung, als ich zuerst am 22 Januar 1872 ein Gemisch von 8 cc. destillirtem Wasser, 2 cc. concentrirter Lösung von saurem weinsteinsaurem Kali und 2 cc. käuflichem essigsaurem Ammoniak nebst den nöthigen Nährsalzen mit einem Tropfen Bacterienflüssigkeit versetzte und in einem geheizten Blechkasten bei c. a. 30" C. offen stehen Hess. An der Oberfläche bildete sich eine Zoogloea (Mycodermahaut) von Kugelbacterien, neben unzähligen Stäbchen- bakterien ; nach neun Tagen begann die Flüssigkeit sich schwach blaugrün zu färben, die Färbung wurde von Tag zu Tag intensiver und reiner blau und war am 17 Februar ganz blau, wie Kupfer- vitriollösung. Durch Uebertragung der auf der Oberfläche schwimmenden Zoogloeahaut, sowie der sich allmählich bildenden Bacterienabsatz, konnte ich aus neuen Lösungen von ähnlicher oder modifizirter Zusammensetzung den blauen Färbstoff immer wieder erzeugen, sodass die Fermentthätigkeit dieser »Pigment- mutter« nicht bezweifelt werden kann ; bei Aussaat wurde die Flüssigkeit zuerst alkalisch trübe, milchig, solange die stets gleichzeitig vorhandenen Stäbchenbacterien sich überwiegend ^) Untersuchungen über Bactérien. Cohn's Beitr. zur Biol. d. Pflanzen, Bd. I, Pag. 156, 1875. i88 vermehrten, schliesslich aber ganz klar und rein blau, nachdem die Bactérien sich am Boden abgesetzt hatten. Ich werde auf diese Verhältnisse noch einmal zurückkommen. Der blaue Farbstoff wurde von mir in einer vorläufigen Mittheilung vom 14 Februar 1872 mit dem Lacmus verglichen, dem er äusserlich ganz gleicht ; auch wird derselbe durch Säuren roth, durch Ammoniak wieder blau ; er wird durch Alkohol nicht gefällt; er fluoressirt nicht und besitzt ein Spectum ohne Absorptionsstreifen, nur mit Verdunkelung der schwächer brechenden Hälfte. Bekanntlich ist der Lacmusfarbstofï auch nicht als solcher in den Flechtenauszügen enthalten, aus denen er dargestellt wird ; diese sind vielmehr ursprünglich farblos, und erlangen ihr Pigment erst durch eine Art Gährung oder Fäulniss, bei welcher Ammoniak und andere Basen (Kalk) eine noch nicht näher ermittelte Rolle spielen ; es lässt sich bis jetzt noch nicht fest- stellen, ob bei der echten Lacmusgährung auch Kugelbacterien betheiligt sind. Der von mir erzeugte blaue Farbstoff enthält Kohlensaures Ammoniak, welches durch die Fermentthätigkeit aus dem ursprünglich zugesetsten essigsauren Ammon entstanden ist ; derselbe zeigt jedoch nicht jene Beständigkeit, wie einige andere Pigmente chromogener Kugelbacterien ; denn die Flüssigkeit, in welcher er sich löst erscheint in der Regel anfangs span-grün und wird erst allmählich blau ; am Licht verliert er nach einiger Zeit an Intensität und zeigt eine blaugrüne Nuance, wobei sich ein dunkelbraunes Pulver absetzt ; in anderen Fällen erhielt sich die span- oder lauchgrüne Färbung ohne in Lacmusblau über zu gehen und steigerte sich sogar zu grosser Intensität und Reinheit ; auch lauchgrüne Lösung wird durch Säuren roth, durch Ammoniak wird das Grün wieder hergestellt, es handelt sich hier offenbar nur um Modifikationen eines und desselben Pigmentes durch noch unbekannte chemische Reactionen. Eine sehr intensive spangrüne Fleckenbildung beobachtete ich auch am 8 August 1872 auf gekochten Kartofïelscheiben, und auch hier fanden sich auf und zwischen den Kartoffelzellen zahllose Kugelbacterien, denen die erzeugung des Pigmentes zuzuschreiben istc. Die geringe Stabilität des Farbstoffes, wovon COHN spricht, i89 ist nicht im Streite mit seiner Natur als Lakmusfarbstoff, denn ich fand eine ähnliche Desorganisation des letztgenannten Körpers in alkalischen Rakteriengemischen. Schröter ist in 1889 noch einmal auf den gleichen Organismus zurückgekommen, nämlich in der von COHN herausgegebenen Kryptogamenflora von Schlesien, wofür er die Pilze bearbeitet hat, und zwar in der sehr guten Uebersicht der damals bekannten oder vermeintlichen 149 A/icrococats-diTten, 1) wo man unter No. 129 die Beschreibung findet von M. cyaneus (SCHRÖTER 1870), wobei er als gesonderte Varietät die von COHN aufgefundene Form als M . pseudo-cyaneus (COHN 1872) anführt, ohne jedoch den oben gegebenen Beschreibungen irgend etwas Neues zuzufügen. Wie man aus dem vorgehenden sieht sind COHN und SCHRÖTER völlig überzeugt von der Unbeweglichkeit ihrer Mikroben, und was die Form betrifft sprechen beide von länglichen oder elliptischen Zellen, während SCHRÖTER anfangs denn auch den Namen Bacteridiiim gebraucht hat, welcher erst später, nach Cohn's Befund, in Micrococcus verändert wurde. Der Micrococcus cyaneus ist in vielen Lehrbüchern und Compilationen angeführt, scheint jedoch nur einmal zurück- gefunden zu sein und zwar in der Leitmeritzer Wasserleitung, 2) sodass derselbe als selten bezeichnet wird. Die von REINER MÜLLER gefundene Form, worauf ich zurückkomme, ist jedenfalls abweichend. Ich selbst fand die Art zuerst bei Gelegenheit von Bodenuntersuchungen zur Isolierung von Asotobacter, und später wieder bei der Ausführung eines Versuches, welchen ich den »Actinomycetenversuch« nenne. 2. Der Actinomycetenversuch. Derselbe besteht in der Aussaat der zu untersuchenden Bodenprobe auf Platten von folgender Zusammensetzung : Leitungswasser 100, Agar 2, Glukose 2, Calciummalat 0,1, Ammonsulfat (oder Ammonnitrat) 0,1, Bikaliumfosfat 0,05 und Kultur im Brutschrank bei 28° C. Viele Bodenorganismen erzeugen auf einer solchen Platte Calciumcarbonat aus dem Malat, wodurdi die Reaktion neutral 1) Die Pilze Schlesiens. Erste Hälfte, Pag. 145, Breslau, 1889. *) MiGUi.A, System der Bakterien. Bd. 2, Pag. 187, Jena, 1900. I go bleibt, selbst dann wenn andere, nebenbei liegende Arten aus der Glukose Säure bilden. Es ist nicht zu empfehlen eine bessere Stickstoffquelle zu verwenden, weil dann die gewöhnlichen Erdmikroben die Platte zu sehr überwucheren. Es hat sich nun herausgestellt, dass die verschiedensten Arten der Familie der Actinomyceten, welche bekanntlich auf den gewöhnlichen Fleischbouillonplatten nur schwierig zur Entwicklung kommen, auf dem genannten Nährboden durch die übrigen Bodenmikroben nur wenig gehindert werden, sodass man, selbst die vielen sehr langsam wachsenden Formen dieser Gruppe nicht leicht übersehen kann. Allerdings bilden sie darauf nur kleine Kolonien, wesshalb man natürlich scharf zusehen muss um die allerkleinsten darunter zu finden. Bei der Unterscheidung derselben wird man geholfen durch das starke Vermögen der Pigmentbildung, welches sehr vielen Actinomyceten eigen ist, und wobei besonders gelbe, braune und schwarze, seltener, die für den gegenwärtigen Fall wichtigen blauen oder roten Farbkörper entstehen. Es ist nun auf diese Weise, dass man in Gartenerde die Gegenwart von drei verschiedenen Arten nachweisen kann, welche ringsum ihre Kolonien blaue Diffusionsfelder erzeugen. Hiervon lässt eine sich mit Micrococcus cyaneus der Literatur identifiziren ; dieselbe zeigt überdies grosse Aehnlichkeit mit Bacterium coelicolor von REINER MÜLLER, wovon sie sich jedoch, der Beschreibung nach, unterscheidet durch die Natur des Pigmentes und durch ihre Morphologie. Eine zweite Art ist wohl identisch mit der Streptothrix coelicolor dieses Autors; die dritte auffallend kleine Art ist noch nicht genügend studiert. MÜLLER fand seine blaue Mikroben zufällig ; das Bacterium auf einer Serumplatte bei der Untersuchung eines diphterieverdächtigen Mandelbelages, die Streptothrix in einem Kartoffelröhrchen ; er betrachtet dieselben als aus der Luft herkünftig, i) Besonders die erste Art ist interessant, nicht allein wegen der Pigmentbildung, sondern auch durch ihre unzweifelhafte Zugehörigkeit zu der Familie der Actinomyceten, was mich für einen Micrococcus sehr bezeichnend und merkwürdig zuscheint. ^) Eine Diphteridee und eine Streptothrix mit gleichem blauen Farbstoff, sowie Untersuchungen über Streptothrix-ati^n im allgemeinen. Centralbl. f. Bakteriologie Erste Abt, Bd. 64, Pag. 195, 1908. (Institut Kiel). tgi Ob diese Art wirklich so selten ist, wie es bisher den Anschein hat, betrachte ich durchaus nicht als sicher ; bei unseren unvollkomenen Methoden der mikrobiologischen Bodenunter- suchung, können allerlei allgemeine Formen sich noch immer leicht unserer Beobachtung gänzlich entziehen, und andere, reichlich in unserer Umgebung vertretene Arten, nur äusserst selten zur Anschauung kommen, was wohl am deutlichsten daraus hervorgeht, dass beinahe jeder neue, gut eingerichteter Kulturversuch auch zur Entdeckung neuer Formen Veranlassung giebt. In diesem Falle kommt dazu noch der Umstand, dass unserere Art sehr leicht das Vermögen der Pigmentbildung erblich verliert, und dass es allen Anschein hat, dass dieses auch in der Natur stattfinden kann ; das Auffinden und Identifi- ziren solcher pigmentfreien Formen muss aber mitausserordent- ichen Schwierigkeiten verbunden sein. Was uns also als eine seltene Art zuscheint, könnte sich schliesslich herausstellen als ein für die im Boden verlaufenden Processe dennoch wichtiger Faktor von grosser Verbreitung. Ich halte es für sehr wohl möglich, dass der hier beschriebene Lakmusmikrobe oder seine nächsten Verwandten auch das Agens der technischen Lakmuserzeugung sind. Zwar habe ich bei der Aussaat des Mikroben auf einem Brei von fein gemahlenen Orseilleflechte, nur vereinzelte blaue Punkte erhalten, jedoch sind mir die praktischen Bedingungen der Lakmusfabrikation nicht genügend bekannt um diesen Misserfolg als entscheidend zu betrachten. 3. Pigmentbildung. Unser Mikrobe kann auf den verschiedensten Nährböden wach- sen, und ist ein makrobiotischer Organismus, der scharfes Aus- trocknen und grosse Koncentrationsänderungen gut überdaueren kann. Kulturgelatine wird nur langsam und spät verflüssigt. Bouillonagar wird schliesslich alkalisch durch Bildung von Ammoncarbonat. Obschon die Pigmenterzeugung gegenwärtig nicht mehr so intensiv ist wie zur Zeit der ersten Isolierung, ist es leicht mit dem rein kultivierten Mikroben Lakmusfarbstoff in grosser Menge zu erzeugen. Nur kommt es darauf an den dazugeeigneten Kulturboden zu finden. Nach sehr vielen Versuchen, welche nicht interessant genug sind um hier beschrieben zu werden, stellte sich heraus, dass der bei dem Actinomycetenversuch genannte Nährboden, für diesen Zweck zwar gut geeignet ist, jedoch, wenn es sich um die Reinkulturen handelt, noch beträchtlich verbessert werden kann, dadurch, dass als Stickstoffquelle Pepton anstatt Ammonsalz, und als Kohlenstoffquelle Mannit anstatt Glukose verwendet wird. Man erhält dann also folgender Kulturboden : Leitungswasser loo Agar 2 Mannit 2 Pepton 0.5 Calciummalat o . i o Bikaliumfosfat o . 05 Weil dieses Material für die Kultur der meisten Bakterien sehr günstig ist, besonders auch für die Heubacillen, muss sterilisiert werden. Zufügung von Natriumcarbon at ist jedoch nicht nötig. Die Bedeutung des Mannits ist darin zu suchen, dass die Pigmentbildung der Lakmusbakterie besser in schwach alkalischer oder neutraler, wie in schwach sauerer Lösung statt- findet, und die Glukose hier, wie in so vielen anderen Fällen die Säurebilding begünstigt, während aus Mannit keine Säure entsteht, obschon das Wachstum dadurch sehr gefördert wird. Ueberhaupt ist Mannit wohl als die beste aller untersuchten Kohlenstoffquellem zu betrachten. Weil aber auch Malat als solche sehr geeignet und eine gemischte Nahrung für viele Mikroben vorteilhafter ist, wie eine einseitige, so lässt sich einigermaassen begreifen warum Mannit und Calciummalat zusammen wohl am günstigsten sind für die Lebensfunktionen unserer Art überhaupt. Uebrigens geben Aussaaten auf Agarplatten, worin 0,1 % Calciummalat, 0,1 Vo Pepton und 0.02 0/0 Bikaliumfosfat ohne weitere Zusätze, ebenfalls kräftige Kulturen, welche viel Lakmusblau erzeugen. Weil das Pigment wasserlöslich und sehr stabil ist, kann es leicht durch Auslaugen der Agarplatten und Ausdunsten der erhaltenen Lösung in concentriertem Zustand erhalten werden. Als Indikator verwendet findet der Umschlag bei genau derselben Säure- und Alkaliconcentration statt, wie 193 beim gewöhnlichen Lakmus, dessen Apsorbtionsspektrum hier ebenfalls zurückgefunden wird Obschon die Pigmentbiklung durch eine alkalische Reaktion begünstigt wird, kann nicht gesagt werden, dass sie davon abhängig ist, den auf Nährböden mit Glukose entsteht ebenfalls Pigment, jedoch nicht blau sondern rot gefärbt, wegen der zugleicherzeit stattfindenden Säurebildung. Verwendet man neben Glukose Ammon- oder Kaliumnitrat als Stickstoffquelle, so erhält man violette Kulturen. Das Pepton ist also bei Gegenwart von Glukose auch für die Säurebildung als günstig zu betrachten, was übrigens nur ein neues Beispiel so zu sagen eines Naturgesetzes zu sein scheint, welches ebenso sehr gilt für die Säurebildung in unserem Magen, wie in den höheren Pflanzen und bei den Mikroben. Auch Malzwürze-Agar ist ein ziemlich guter Kulturboden für die Erzeugung des roten Pigmentes, was wieder offenbar zusammen hängt mit dessen Gehalt an pflanzlichem Pepton und Zucker. Um festzustellen ob Cohn's Lakmusmicrococcus mit meinem Mikroben wirkliche Uebereinstimmung gehabt hat, habe ich kultiviert in reinen und in mit spontanen Bakteriengemischen versehenen Lösungen von Ammonacetat und von den weiteren von COHN angegebenen Salzen (siehe oben). Es hat sich dabei herausgestellt, dass Ammonacetat sich für Wachstum und Pigmentbildung wirklich eignet, während die anderen Lösungen kein sicheres Resultat gaben. Eine gute Anhäufungsmethode aus Erde oder anderen Naturmaterialien vermittelst einer Kultur- flüssigkeit, fehlt jedoch noch, wie ich schon oben bemerkte. Obschon der Lakmusmikrobe den Aeroben zugehört, ist es möglich dadurch allerlei Reduktionen hervorzufen. Da ich über solche Versuche schon früher ausführlich gehandelt habe i) wünsche ich darüber an dieser Stelle nur hervorzuheben, dass der Mikrobe wenn auch schwierig, imstande ist in Nährlösungen sein eigenes Pigment zu dem entsprechenden Leukokörper zu reduzieren, und dass er, wie zu erwarten war, dieses ebenfalls mit Handels- lakmus zu tun vermag, was insoweit bemerkensAvert ist, als dieser Vorgang bekanntlich nicht durch Schwefelwasserstoff oder durch andere Sulfide hervorgerufen werden kann. ') Phénomènes de réduction produits par les microbes. Archives Néerlandaises. Sér. 2. T. 9 Pag. 131. 1904. 194 4- Mutation. Die roten Kulturen haben die bemerkenswerte Eigenschaft, dass sie beim Ueberimpfen, selbst auf Kulturböden, worauf die Normalform sofort Lakmusblau erzeugt, einige Zeit als rote Modifikation weiter wachsen. Es ist als ob der Mikrobe nicht sofort seine Gewohnheit der Säurebildung ablegen kann, denn die Erscheinung dauert zu lange um etwa durch in den Keimen angehäufte Säure, welche nur langsam verarbeitet wird, erklärt werden zu können. Schliesslich werden aber z.B auf Mannit- malatboden, die anfangs rot wachsenden Impfungen, beim Weiterwachsen blau, sodass es sich hierbei offenbar nicht um eine Modifikation oder Mutation mit erblicher Konstanz handelt, sondern um eine Fluktuation mit sehr begrenzter Erblichkeit. Weil der Lakmusfarbstoff einer der besten Indikatoren ist, dessen Umschlag mit grosser Schärfe beobachtet werden kann, dürfte die Erscheinung eine der geeignetsten sein um die schwierige Frage der fluktuierenden Erblichkeit weiter zu bringen. Neben den hier besprochenen vorübergehenden ist es nicht schwierig bei unserem Mikroben auch eine erblich stabile Ver- änderung hervorzurufen, welche im mehr oder weniger vollständi- gen Verluste des Vermögens der Pigmentbildung überhaupt besteht. Es scheint dieses bei den verschiedenartigsten, als ungünstig zu bezeichnenden Lebensbedingungen einzutreten, wozu auch die Umstände, welche zur Säurebilding Veranlassung geben gehören. Jedenfalls geben die auf Glukose-Pepton oder auf Malzwürzeboden gezüchteten Kulturen, wenn sie darauf drei oder vier Wochen verweilt haben, beim Ueberimpfen auf Malatmannit- agar, neben dem blauen Hauptstamm, gänzlich farblose Kolonien und blaue Zwischenformen mit einer sehr verschiedenen Intensität der Färbung, wobei ich zwei bis drei Stufen gut unterscheiden konnte und wegen der erblichen Konstanz auch längere Zeit in Kultur gehalten habe. Auch werden farblose Kolonien erhalten, wenn man dem Kulturboden o,i % Chlorcalcium zusetzt, welcher Körper das Wachstum etwas hemmt und das reine Blau des Pigmentes in Violet verwandelt. Beim Ueberimpfen aufMannit- Malatagar ohne Chlorcalcium entwickelten sich dann daraus viel mehr farblose wie blaue Kolonien. Obschon die Erscheinung der Hauptsache nach mit der 195 früher beschriebenen Mutation *) von Bacillus prodigiosus zu B. p. albus und B. p. roseus i und 2 übereinstimmt, unter- scheidet sie sich davon durch die hier viel geringere Stabilität der Pigmentbildung, wie bei B. prodigiosus. Dieses ist übrigens im Einklang mit der ausserordentlichen Variabilität, welche bei der Gattung Actinomyces beobachtet wird, und womit unser Mikrobe sicher verwandt ist. Obschon der Lakmusmikrobe dadurch ein gutes Objekt für Variabilitätsversuche ist, ist die relative Langsamkeit des Wachstums desselben ein dafür wenig günstiger Umstand. Die Kolonien der blauen Hauptform sind etwas gerunzelt und zusammenhängend, diejenigen der farblosen Mutante gänzlich weich und, wie gewöhnliche Microccus-Kolonien, ohne jeden Zusammenhang. 5. Actinomyces (Streptothrix) coelicolor Reiner Müller. Obschon mein Stamm nicht völlig mit der Beschreibung von Reiner MüLLER's Material übereinstimmt, und davon zum Beispiel durch das Fehlen der von MÜLLER so hübsch dargestellten Ringbildung abweicht, zögere ich nicht denselben mit dem gleichen Namen zu belegen, weil die Variabilität dieser Art sehr betrachtlich ist. Ich fand nämlich bei beinahe jeder Aussaat, wenn ein paar Wochen alt, nicht nur verschieden gestaltete Kolonien, sondern auch Sektormutanten, welche bei der Vermehrung, entweder atavierten oder erblich stabile morpholo- gische Typen hervorbrachten. Bei einigem Suchen werden sich wie ich meine auch wohl Ring bildende Mutanten auffinden lassen. Auch bezüglich der Pigmente finde ich nicht genau desselbe wie MÜLLER. Ich komme nämlich bei alten Kulturen meistens (nicht immer) zum Schlüsse, dass das blaue Pigment Lakmus sein muss, finde aber in Uebereinstimmung mit MÜLLER, dass junge Kulturen ein anderes, an Carotin erinnerndes Pigment enthalten ohne, dass ich imstande bin dieses mit erblicher Veränderlichkeit des Mikroben selbst in Zusammenhang zu bringen. Es dürften also noch andere mit dem Lakmus verwandte Pigmente existieren. Es ist jedoch auch möglich, dass dieses nur scheinbar richtig *) Mutation bei Mikroben. Folia microbiologica, Bd. 1, Pag. 30, 1912. 196 ist, und dass das verschiedene Verhalten nur darauf beruht, dass der Lakmusfarbstoff, wenn frei, andere Eigenschaften zeigt, wie wenn noch an der Zelle gebunden. Die Richtigkeit der Ansicht MüLLER's, dass das Pigment seines Stammes eine Modifikation des Anthocyans (Erythrophylls) sein sollte, konnte ich bei dem meinigen nicht überzeugend nachweisen. Ich muss aber bemerken, dass mein Stamm nur sehr schwierig Pigment erzeugt. Auf den gewöhnUchen Böden wächst derselbe farblos. Auf Mannit-Malat-Pepton-Agarist die Pigmentbildung gut bemerk- bar jedoch schwach. Am besten gelang dieselbe auf Platten von der Zusammensetzung: Leitungswasser 100, Glukose 2, Calciummalat o,i, Ammonnitrat 0,1, Bikaliumfosfat 0,05, bei 20" bis 28° C. *) Mit der nötigen Geduld kann man in solchen Platten genug Pigment erhalten um dasselbe mit Wasser auszuziehen und sich zu überzeugen, dass darin Lakmus vorkommt. Dieser positieve Nachweis hat insoweit Interesse als dadurch die Verwandtschaft des Lakmusmicrococcus mit A. coelicolor eine neue Stütze erhält. 5. Verwandtschaft. Aufstellung der Gattung Actinococcus. Die richtige Auffassung und Umgrenzung der Actinomyceten als besondere Pflanzenfamilie ist das Verdienst von NEUMANN und Lehmann, 2) und schon in der ersten Auflage ihres hierbei genannten Buches von 1896 durchgeführt. Wie wenig dieses von anderen Autoren verstanden wurde, geht z. B. daraus hervor, dass MiGULA, weder in seinem »System der Bakterien«, noch in den für Engler's Pflanzenfamilien behandelten »Schizomy- ceten«, dieses berücksichtigt, und M ACE noch in 191 3 die echten ActinomycesQxten mit der vollständig abweichenden Gattung Cladothrix zusammenfasst. ^) Auch Reiner Müller, welcher Neumann und Lehmann folgend, seinen blauen Mikroben ganz richtig als eine Diphteridee bezeichnet, hat dennoch den Fortschritt nicht bemerkt, welcher in der Aufstellung der Gattung Mycohacterhitn dieser Autoren ') Mit Stärke als Kohlenstoffqiielle war das Resultat nicht besser. ') Bakteriologische Diagnostik. 51« Aufl. Pag. 159 und 545, 1912. ') Traité de Bactériologie, 6me Ed. T. 2, pag. 720. 1913. 197 gelegen ist, wie aus dem von ihm gewählten Namen Bacterium hervorgeht. Bei MiEHE ») fehlt ebenfalls noch die richtige Auffassung, denn zu der Familie der Mycobacteriaceae können keine bewegliche Formen gebracht werden, wie er das tut. Neumann und Lehmann bringen die drei folgenden Gat- tungen zu der von ihnen aufgestellten Familie : Erstens, Corynehacterium mit sechs Arten, worunter C. diph- teriae LÖFFLER, und der Erreger des Rotzes, C. ynallei FLÜGGE. Zweitens, Mycobacterium mit mehreren Arten ; worunter bemerkenswert M. leprae A. HANSEN, M. tuberculosis KoCH und M. phlei MOELLER. 2) Drittens, Actinomyces, mit vielen Arten, worunter A. bovis Harz — Boström, A. chromogenes Gasperini. ») Bei allen drei Gattungen handelt es sich um typisch unbe- wegliche Formen, welche mehr oder weniger deutlich verzweigt sein können. Die am vollständigsten ausgestattete Gattung ist Actinomyces mit reich verzweigtem Mycel und, bei den höheren Formen, schnurenweise angeordneten, kugelförmigen Luftconidien. Bei Mycobacterium und Corynebacterium fehlt die Bildung von Luftconidien, während die Mycelfäden durch Fragmentation zu kleinen Stücken aus einander fallen. Beide Gattungen sind nahe verwandt, und ob ihre Trennung eine natürliche ist, muss die Zukunft lehren. Nach meiner Ansicht stellt es sich nun als notwendig heraus diesen Gattungen noch zwei neue hinzuzufügen, welche ich Actinobacillus und Actinococcus nennen will. Kwi Actinobacillus werde ich bei einer anderen Gelegenheit noch einmal zurück ^) Handwörterbuch der Naturwissenschaften. Band l, pag. 786. 191 2. 2) Letztere Art mit Fotografie: Söhngen, Parafilinbakterien. Centralblatt f. Bakteriologie 2»« Abt. Bd. 37, Pag. 595. 191 3. ^) Weil der Name Streptotlirix Foersteri schon im Jahre 1875 vow CoHN verwendet wurde (Beiträge zur Biologie der Pflanzen Bd. I, pag. 186; für den von FoERSTER in 1855 (Archiv für Ophtalmologie I, 284 und weiter II, 224, und XV, 318) entdeckten Mikroben des menschlichen Thränenkanals, während der Name Actinomyces bovis für den von Rivoi.TA in 1868, Perroncito in 1875 und Bollinger in 1877 beschriebeneu Mikroben, erst in 1878 (Jahresbericht der Kön. Cenlralanstalt f. Thierarz. zu München) von H.\RZ eingeführt ist, sollte, auf Grund der Prioritätsregel, StreptotJirix anstelle von Actinomyces gewählt werden müssen. Die von Neumann und Lehmann getroffene Wahl des Namens Actinomyces^ scheint mir aber in diesem Falle für ihre Nachfolger entscheidend. kommen. Hier will ich nur bemerken, dass von dieser Gattung bisher mehrere Arten bekannt geworden sind, wovon ich eine schon früher besprochen habe, nämlich unter dem Namen Bacillus oligocarbophilus, wovon mir damals die natürliche Verwand- schaft nicht klar war. i) Zur Gattung Actinococcus müssen diejenigen MicrococctiS-3.xiei\ der Literatur gebracht werden, welche unzweifelhafte Actinomy- ceten sind, und das ist sicher der Fall bei Micrococcus cyaneus, welcher darum weiterhin Actinococciis cyaneusheis^ç^n muss (Fig. 2, Taf. V). Besonders die Hauptform zeigt ihre natürliche Ver- wandtschaft mit den Actinomyceten so deutlich, dass jeder, welche mit den hier vorliegenden Verhältnissen bekannt ist, meine An- sicht als richtig anerkennen wird. Nicht nur die eigentümliche rauhe und gekräuselte Oberfläche der Kolonien ist hierbei maass- gebend, sondern ebenfalls die von einem Centrum ausstrahlende Anordnung der Zellen in den jungen Kolonien, welche sehr deutlich, so zusagen eine Verzweigung der Strahlen anzeigt, was dasselbe ist, wie eine Veränderung in der Richtung der Ebene, worin die Zellteilung zustande kommt (Fig. i, Taf. V). Bei gewissen Mutationen, werden in den Kolonien längere Elemente, wie die gewöhnlichen gefunden, und darin lassen sich dann auch bisweilen Stäbchen mit Gabelungen nachweisen. (Fig. 3 u. 4, Taf. VI). Ich komme dadurch zum Schlüsse, dass die alte Gattung Micrococcus der Literatur, keine natürliche ist, sondern wenigstens zwei und möglich noch mehr durchaus nicht verwandte Formengruppen umfasst. Meine vorläufige Gattung Lactococcus, wozu die Mikroben der Rahmsäuerung, Lactococcus lactis sowie die Dextrankokken, Lactococcus dextranicus 2) gehören, müssen in eine ganz andere Verwandschaftgruppe untergebracht werden, wie die Actinomyceten, nämlich in diejenige der Ci?//-gruppe. Das heisst also, sie sind phylogenetisch verwandt mit beweglichen, ciliaten Bakterien, womit sie vermittelst der verschiedenartigen AerogenesdiXt&n, durch alle mögliche Uebergänge zusamen- hängen. Dieses ist mit ihren physiologischen Leistungen in völli- ger Uebereinstimmung, weil sowohl die Aerogenes- wie auch alle ^) Farblose Bakterie deren Kohlenstofifnahrang aus der atmosfärischen Luft herrührt. Centralbl. f. Bakteriologie. 2e A.bt., Bd. io, Pag. 33, 1903. ^) Folia microbiologic», Bd. I, 377, 19 12. 199 andere Arten der Cö//-gruppe, nicht nur Milchsäure erzeugen, son- dern auch einige andere in wechsehiden V^erhältnissen vorkommen- de Producte, welche auch in den echten Milchsäuregärungen erkannt sind, wie Bernsteinsäure, Acctylmethylcarbinol und Essigsäure. Aus diesen Betrachtungen entwickelt sich nun die eigentüm- liche Frage ob Actinomyces durch progessivc Variabilität aus Actinococcus oder, umgekehrt, ob Actinococciis retrogressiv aus Actinomyces entstanden ist. Die Antwort kann nicht zweifelhaft sein. Schon früher habe ich auf (\e\\ Umstand hingewiesen dass eine der Mutationen des Lakmusmikroben Kurzstäbchen hervorbringt, worunter gegabelte gefunden werden, was, in Verbindung mit der typischen Unbeweglichkeit, die Verwandt- schaft zu der Gattung Mycobacterium unzweifelhaft macht. Dass diese Gattung aber aus Actinomyces hervorgegangen ist, wird so zu sagen erwiesen durch die Morphologie von Actinomyces chromogenes, dessen »Mycel« sich bei schlechter Ernährung mit staubigen, weissen Conidien bedeckt, wodurch derselbe einem Luftconidien erzeugenden Schimmelpilz ähnlich ist; bei sehr reich- licher Ernährung jedoch oidienartig aus einander fällt und so den Eindruck eines Mycobacterium^ s macht. Ich glaube, dass wir noch einen Schritt weiter gehen müssen, und dass alle Mycologen wohl zugeben werden, dass die Gattung Actinomyces selbst, ein stark reduzierter Stamm irgend einer niederen Fungusgruppe ist, was zum notwendigen Schlüsse führt, dass zu der durchaus künstlicher Gattung Micrococcus im phyloge- netischen Sinne tief reduzierte höhere Fungi gehören, während, wie oben bemerkt, gegenwärtig dazu auch, zu ganz anderen Verwandt- schaftsgruppen gehörige, wirkliche Bakterien gebracht werden. Eben das Reich der niederen Pilze ist ofïenbar ein Gebiet, wo die Erscheinung der Mutation, durch Verlust von Merkmalen, in grossem Maasstabe im Laufe der Zeiten zur Bildung neuer Arten Veranlassung gegeben hat. Zu gleicher Zeit sehen wir dort jedoch andere Formen der Variabilität wirksam, welche zur Vervollkom- mung schon existierender, oder zur Entstehung neuer Merkmale und neuer Genen geführt haben. So müssen die Genen der Lak- musbildung von Actinococcus cyaneus wohl durch eine langsame Umbildung der entsprechenden Genen von Actinomyces coeli- color oder einem anderen gemeinsamen Urahn entstanden sein. FIGURENERKLÄRUNG ZU TAFEL V UND VI. Fig. I. (50). Kolonien von Actinococcus cyatietts auf Bouillonagar, Die kleineren mit Micrococais^chnwxtw als Ausläufer. » 2. (1000). Actinococcus cyaneus auf Bouillonagar. » 3. (1000). Bacteridienzustand von Actjjwcoccus cyaneus auf Mannit-Malat-Pepton-Agar. » 4. (1000). Bacteridienzustand von Acfinococcus cyaneus auf Malzwürzeagar mutirt, und Säure erzeugend. INHALT. Micrococcus cyaneus in der Literatur. Der Actinomyceten Versuch. Pigmentbildung. Mutation. Aciinomyces (Sirepiothrix) coelicolor Reiner Müller. Verwandtschaft. Aufstellung der Gattung Actinococcus. [Aus dem Institut für Bakteriologie und Hygiene der Universität Groningen]. UEBER DIE METHODEN ZUR BESTIMMUNG DER BAKTERIENMENQE MENSCHLICHER FÄZES VON Prof. A. KLEIN UND F. VISSER, Ass. a,„ histitut. Die Entdeckung der Fäzesbakterien tällt wahrscheinlich zu- sammen mit der Entdeckung der Bakterien überhaupt, die unser Landsmann ANTONY VAN LeeUWENHOEK um die Mitte des Septembers 1675 machte. In einer sehr interessanten Abhandlung hat BeyerINCK i) den Beweis geliefert, dass LEEUWENHOEK in diesem Jahre, und nicht, wie man bis dahin annahm, im Jahre 1683, die Bakterien zum ersten Male sah. Die ursprüngliche Mitteilung Leeuwexhoeks vom g. Oktober 1676 in den »Philosophical Transactions« stand uns nicht zur Verfü- gung, und in dem Titel dieser Veröffentlichung, den wir BeverinckS Abhandlung entnehmen, wird nur gesprochen von »little animals by him observed in rain- well- sea- and snow- -water, as also in water, wherin pepper had lain infused.« LÖFFLER 2) aber, bei der Besprechung von LeeUWENHOEKS Entdeckung aus der Mitte des Monats September 1675, schreibt: >Auch im Seewasser, im Brunnenwasser, in Abgüssen von Pfeffer, im Darmkanal der Pferdefîiege, der Frösche, Tauben, Hühner, sowie in seinem eigenen diarrhoischen Stuhle fand LEEUWEN- HOEK Tierchen der verschiedensten Art« etc. Wenn LEEUWEN- HOEK schon damals die Bakterien in Pfefferabgüssen gesehen 1) M. W. Beverinck. De infusies en de ontdekking der bakteriën. Jaarboek der Kon. Akademie van Welenscliappen voor 1913. 2) F. LÖFFLER. Vorlesungen über die geschichtliche Entwickelung der Lehre von den Bakterien. Leipzig, 1887, S. 5. 14 202 hat — und daran ist nach BeyerINCKS Forschungen nicht mehr zu zweifeln, — und auch schon zu dieser Zeit seine eigenen diarrhoischen Fäzes untersuchte, so ist es völHg ausgeschlossen, dass Leeuwenhoek die Fäzesbakterien nicht gesehen hätte, denn in den menschlichen Fäzes sind soviel Bakterien vorhanden, dass sie grossenteils aus Bakterien zu bestehen scheinen. Ein paar hundert Jahre später, in den allerersten Anfängen unserer bakteriologischen Periode, zog eben diese Erscheinung besonders die Aufmerksamkeit auf sich, und mehrere Unter- sucher, wie Nothnagel i), Uffelmann 2), Woodward 3), Escherich 4), Bienstock 5), u. a., glaubten allein schon auf Grund der einfachen mikroskopischen Untersuchung der Fäzes annehmen zu dürfen, dass ein beträchtlicher Teil der Kotsubstanz aus Bakterien besteht. Diese Wahrnehmungen haben den Grund gelegt zu den zahlreichen Untersuchungen nach der Bedeu- tung der Fäzesbakterien, und im Zusammenhange damit nach der Rolle, welche die im Darmkanal vorhandenen Bakterien in dem Leben der Menschen wie der Tiere zu spielen haben. Bei dem experimentellen Studium dieser, sowohl von allgemein biologischem Standpunkte, wie auch besonders für die menschliche Physiologie und Pathologie, so äusserst wichtigen Fragen, war es vor allem notwendig, über eine hinreichend genaue Methode zur Bestimmung der Zahl der in den menschlichen Fäzes vorhan- denen Bakterien zu verfügen. Eine solche Methode könnte überdies noch nach mancher anderen Richtung hin von grossem. Nutzen sein. Die Methode liesse sich z. B. auch anwenden bei der Bestimmung der in den verschiedenen Teilen des Darm- kanals vorhandenen Bakterienmengen, um die Verbreitung der Bakterien im Darmkanal kennen zu lernen. Weiter könnte sie eine direkt praktische, klinische Bedeutung bekommen bei der Beurteilung verschiedener bakterieller Darmstörungen, bei dem Studium der Darmantisepsis, veilleicht auch bei dem Studium der Prädisposition für Darminfektionen zur Bestimmung der Intensität der im Darmkanal vorhandenen natürlichen Wehrmittel. i) Nothnagel. Zeitschrift für klin. Medizin, j. 2) Uffelmann. Deutsches Archiv für klin. Medizin, 28. 3) Woodward. The medical and surgical report of the war of rebellion, /. 4) EscHERiCH. Die Darmbakterien des Säuglings. Stuttgart 18S6. 5) Bienstock. Zeitschrift fur klin. Medizin, 8. 203 Sehr bald nachdem R. KoCH die festen Nährböden in die Bak- teriologie eingeführt hatte, wandte man die Kulturmethode an, um die Bakterienmenge, welche sich in menschlichen Fäzes befindet, zu bestimmen. Von bekannten Verdünnungen der Fäzes aus- gehend, wurden Platten angelegt auf verschiedenen Nährböden, und diese Platten unter verschiedenen Verhältnissen zur Entwick- lung gebracht. Die Zahl der Bakterien wurde meistens per mgr frische Fäzes angegeben. Die Ergebnisse gingen stark auseinander ; die Fäzes verschie- dener Personen, und auch die derselben Person zu verschiedenen Zeiten untersucht, enthielten stark wechselnde Mengen kultivier- barer Bakterien. SUCKSDORFF i) z.B. fand ein Schwanken dieser Zahlen zwischen 25.000 und 2.300.000, und gab aus seinen Bestimmungen 380.000 kultivierbare Bakterien per mgr frische Fäzes als Durchschnittszahl an. Bei erwachsenen Individuen mit gemischter Nahrung fand einer 2) der Unsrigen auf alka- lischer Nährgelatine zwischen 356 und 6.396.000 per mgr, mit einer aus einer Anzahl Bestimmungen auf 658.500 per mgr Fäzes festgesetzten Durschschnittszahl. Spätere Untersucher, wie MaCNEAL, Latzer und Kerr 3) fanden per mgr Fäzes kulti- vierbar auf alkalischer Lakmuslaktosegelatine als Maximal- zahl 1.232.667, als Minimalzahl 3140, als Durchschnittszahl 128.414. Kultivierung auf anderen Nährböden, Änderung verschiedener Lebensbedingungen (Temperatur, Anaerobiose), ergeben nicht selten andere Zahlen ; jedoch sind die Schwankungen in den meisten P'ällen nicht besonders gross, und jedenfalls gehen die Durchschittszahlen einer Anzahl Bestimmungen nicht weit aus- einander. Nur Matsushita 4) macht hier eine Ausnahme ; dieser Untersucher fand viel höhere Werte bei Kultivierung auf Leber-Galle-Agar und bei Züchtung unter anaeroben Verhält- nissen. Solche grossen Zahlen wie MATSUSHITA angibt, haben keine anderen Autoren gefunden. Seine Kulturversuche auf Leber-Galle-Agar sind noch von keiner anderen Seite bestätigt 1) SucKSDORFF. Archiv für Hygiene, 4. 2) A. Klein. Verslagen Kon. Akademie van Wetenschappen te Amsterdam, /o; Proceedings of the meeting of Saturday, May 25, 4. 3; Macneal, Latzer and Kerr. The Journal of Infectious Disaeses, 6, p. 571. 41 M.vrsusHiTA. Archiv für Hygiene, 41. 204 worden, und seine Resultate bei Kultivierung unter anaeroben Verhältnissen lassen sich mit unseren eigenen Untersuchungen nicht vereinigen. Auch die ErgeTDnisse der eben genannten ameri- kanischen Autoren stimmen in dieser Hinsicht mit den unsrigen überein; sie finden als Durchschnittszahl aus einer grossen Reihe Bestimmungen auf Lakmuslaktoseagar bei 37" C, aerob, 116.230, auf Lakmusglykoseagar bei 37" C. anaerob. 103.903 und auf Lakmuslaktosegelatine bei 18° C, aerob, 128.414 per mgr frische Fäzes. Diese Differenzen bleiben ganz innerhalb der Fehler- grenzen der Methode. Indem wir also MATSUSHITAS Untersuchungen weiter ausser Betracht lassen, können wir annehmen, dass die Durchschnitts- zahl der aus i mgr frischen Fäzes gesunder, erwachsener Menschen, bei gemischter Nahrung, unter den — soweit uns bekannt — günstigsten Verhältnissen, kultivierbaren Bakterien, schwankt zwischen, um einen weiten Spielraum zu lassen, 100.000 und 700.000 — 800.000. Vergleichen wir die Resultate der Kultur méthode mit dem, was wir in dem von denselben Fäzes, welche wir kultiviert haben, gemachten mikroskopischen Präparate wahrnehmen, so fallen zwei Umstände auf: 1". In dem mikroskopischen Prä- parate sehen wir eine grosse Mannigfaltigkeit der Formen der Bakterien, welche gegen die gleichförmige Zusammensetzung der Kulturplatten stark kontrastiert. In den letzteren fast ausschliesslich Bakterien der Koligruppe ; in dem mikrosko- pischen Präparate dagegen neben Formen, die mit der Form der Kolibakterien ganz übereinstimmen, zahlreiche andere Formen. 20. Sogar schon bei sehr oberflächlicher Betrachtung zeigt sich, dass die Zahl der in den mikroskopischen Präparaten wahrzunehmenden Bakterien viel grösser ist, als die Zahl der Kolonien, die sich aus derselben Quantität Fäzes, woraus das Präparat gemacht wurde, auf den Platten entwickelten. Von den Bakterien, welche mikroskopisch den Kolitypus zeigen, hat nur ein ganz kleiner Teil Kolonien geliefert ; von den übrigen Bakterienformen, die man in dem mikroskopischen Felde ver- treten sieht, nur wenige. Für die Bestimmuno" der Mengen der Fäzesbakterien interes- 205 siert uns hier nur der zweite l^mstand: wir finden durch die Kulturmcthoden nur eine sehr kleine Fraktion der in den Fäzes vorhandenen Bakterien ; die Kulturmethoden sind mithin für die Bestimmung der Gesamtzahl der in den Fäzes vor- handenen Bakterien nicht geeignet. Dass diese Kulturmethoden jedoch nach andern Seiten hin, und dabei auch nicht selten in quantitativem Sinne, von grosser Bedeutung sind, braucht wohl kaum erwähnt zu werden. Schon Eberle i) hat versucht mittels Zählung des mikros- kopischen Präparats die genaue Zahl der Bakterien zu bestim- men, und obgleich seine Methodik ganz unzulänglich war, konnte er doch schon zu dem Schlüsse kommen, dass höchstens 4.5 — 10.6 "/o der in den Fäzes vorhandenen Bakterien auf den Platten zur Entwicklung kommt. Nachdem einer 2) der Unsrigen die mikroskopische Zählungs- methode eingeführt hatte, die auf der Färbung der Bakterien im feuchten Zustande 3) basiert ist, Hess sich diese Methode auch bei der Bestimmung der Bakterienmengen in Fäzes 4) verwerten. Die Ausführung geschieht in nachfolgender Weise : Von den Fäzes, die sich in möglichst frischem Zustande befinden, wird 10 G abgewogen, welches in einem steri- lisierten Mörser unter fraktionierter Hinzufügung von 100 ccm sterilisierter, physiol. Kochsalzlösung mittels einer sterilisierten Keule längere Zeit verrieben wird. Ist auf diese Weise in dem Mörser eine genügende Zerteilung erreicht, so bringt man 10 ccm dieser Emulsion in einen steriUsierten Kolben, in welchem sich eine grosse Anzahl sterilisierter Porzellankügelchen befinden; unter allmählicher Hinzufügung von igo ccm sterili- sierter Salzlösung wird der Kolben geraume Zeit geschüttelt. Auf diese Weise erhält man eine gleichmässige Emulsion, welche einer Verdünnung der Fäzes von t : 200 entspricht. Von dieser Emulsion werden die Zählungspräparate gemacht. Eine bekannte Quantität, z. B. 1/2 ^^cm, dieser Emulsion, wird in ein Uhrglas gebracht; mit derselben Pipette wird 1/2 ccm einer frisch hergestellten Anilinwasserlösung von Methylviolett i) Eberle. Zentralblatt f. Bakt. und Parasitenkunde, Abt. I, 19. 2) A. Klein. Ebenda, Abt. 1, .27. 3) A. Klein. Ebenda, Abt. I, 2S- 4) A. Klein. Archiv für Hygiene, 4^. 2o6 (Dahlia), welche vorher iîltriert ist, der Emulsion in dem Uhrglase hinzugefügt ; die Flüssigkeiten werden mit einer starken Platinöse gemischt' und das Uhrglas mit einem zweiten, etwas grösseren Uhrglase bedeckt, um Verdunstung zu verhüten. Nach 2 Min. ist die Färbung der Bakterien zu stände gekommen. Auf ein gut gereinigtes und vollständig entfettetes Deckgläschen von z. B. 15 mm Diameter, wird nun eine kleine Platinöse einer geschmolzenen, aber wieder genügend abgekühlten, voll- kommen klaren, neutralisierten, 5 %-igen wässrigen Gelatine- lösung deponiert. Nach genügendem Umrühren der Farbstoff- Bakterienemulsion wird mit einer Platinöse von bekannter Kapazität eine kleine Menge dieser Emulsion (0.8 — 1.5 mgr) in den Tropfen flüssiger Gelatine transferiert, damit gemischt, und dann das Ganze mit Hilfe der Platinöse über die Ober- fläche des Deckgläschens so gleichmässig möglich ausgestrichen. Nach dem Trocknen wird das Präparat weder flambiert, noch in Wasser ausgespült, sondern sogleich in neutralreagierenden Xylol-Kanadabalsam eingeschmolzen. Man macht 2 solche Präpa- rate und zählt in jedem 50 Gesichtsfelder, Kennt man die Grösse des Gesichtsfeldes, so ist jetzt die in i mgr der frischen Fäzes vorhandenen Bakterienmenge leicht zu berechnen. Nach genügender Übung kann die ganze Bestimmung in etwa i^ — 2 Stunden beendigt sein. Die amerikanischen Untersucher Macneal, Latzer und Kerr t), die auch nach unserer Methode die Bakterienmengen in menschlichen Fäzes bestimmten, mischen in einer Flasche 2^ ccm der Fäzesemulsion (i : 100), 2 ccm einer Anilinwassergentiana- violettlösung und ^ ccm geschmolzene Nährgelatine sofort zusammen, und machen aus dieser Flüssigkeit nach 3 — 5 Min. die mikroskopischen Präparate ; ein besonderer Vor- oder Nachteil ist mit dieser Arbeitsweise nicht verbunden. Die Zählung der Fäzespräparate bietet im allgemeinen keine grösseren Schwierigheiten als die Zählung der aus Bakterien- reinkulturen gemachten Präparate. Nach genügender Übung ist die Unterscheiding der Bakterien von der Detritusmasse der Fäzes ohne Schwierigkeit möglich ; auch in den Verbänden lassen sich die einzelnen Organismen sehr scharf von einander 1) Macneal, T.atzer und Kerr. The Journal of Infectious Disaeses, 6, p 123. 207 unterscheiden. In den durch Detritusmasse zusammengehaltenen Bakterienkonglomeraten, deren man, trotz aller Anstrengung für eine feine Zerteilung der Emulsion, immer noch eine gewisse Anzahl in den Fäzespräparaten findet, sind in weitaus den meisten Fällen die einzelnen Individuen genau zu zählen. Nur in einzelnen Häufchen können die Bakterien so dicht bei- sammen liegen, dass eine Zählung unmöglich wird ; solche Häufchen finden sich aber nur ausnahmsweise. Dass lange Bakterien in dem Mörser zerrieben werden könnten, wie Sato i) meint, können wir ausser Betracht lassen. Ebenso merkwürdig ist eine andere Äusserung dieses Autors. Die Ungenauigkeit der mikroskopischen Zählungsmethode sollte sich nämlich daraus ergeben, dass die Resultate, welche die verschiedenen Untersucher mit dieser Methode in Fäzes erzielten, weit auseinander gehen, worauf Sato sofort folgen lässt: ,,auch bei Berücksichtigung des Umstandes, dass der ursprüngliche Bakteriengehalt der verschiedenen Fäzes selbstverständlich sehr schwankend ist." Letzteres kann man dem Autor natürlich zugeben ; aber die Ungenauigkeit der mikroskopischen Zählungs- methode würde dann u. E. besser an den Tag treten, wenn die verschiedenen Untersucher, welche die mikroskopische Zählungs- methode zur Bestimmung der Bakterienmengen in Fäzes an- wendeten, eben nicht auseinandergehende, sondern ungefähr gleiche Resultate erzielt hätten. Einige Autoren (STRASBURGER 2), Sato) haben gegen die mi- kroskopische Zählungsmethode das Bedenken geäussert, dass der Fehler, den man bei der Zählung macht, so bedeutend vergrössert wird ; man zählt doch schliesslich nur die Bakterienmenge in einer sehr kleinen Quantität der Fäzes und muss für die Berechnung der Menge per 1 mgr Fäzes mit einer sehr grossen Zahl multiplizie- ren. Das ist ohne Zweifel richtig. Aber wo es sich um die Bestim- mung solcher grossen Bakterien mengen handelt als in i mgr frischen Fäzes sich vorfinden, sind Fehler bei jeder Methode, welche man auch immer anwendet, unvermeidlich. Hauptsache aber ist, dass die Fehler einer Methode innerhalb nicht allzu weiter und genau umschriebener Grenzen bleiben. Seinerzeit haben wir die Fehlergrenzen der mikroskopischen Zählungs- 1) Sato. Zeitschr. für experimentelle l'athologie und Therapie, 7. 2) Strasburger. Zeitschr. für klin. Medzin., 46 ^ S. 413. 208 méthode von einem vmscrcr Amsterdamer Schüler, Dr. Hehe- VVERTII i), in ausführlichen Untersuchungen feststellen lassen. Dr Hehewerth hat die Zählungsmethode verglichen mit der Kulturmethode, und dafür Kulturen gewählt, welche ausschliesslich lebende Individuen enthalten, z. B. Bouillonkulturen von B. Coli, welche jünger sind als 24 Stunden. Diese Bestimmungen lehrten, dass die mikroskopische Zählungsmethode in dergleichen Kul- turen regelmässig eine grössere Anzahl ergibt als die Kultur- methode ; der Unterschied beträgt durchschnittlich gut 40 o/o- Die Ursache dieser Differenz liegt in dem Umstände, dass mehrere Bakterien, die zu einem Verbände vereinigt sind, oder die sehr dicht beisammen liegen, nicht mehr als eine Kolonie bilden, während sie mikroskopisch einzeln gezählt werden. Zählt man die Verbände als Gruppen, welche nur eine einzelne Kolonie liefern können, so findet man in jungen Kulturen von B. Coli und Bac. Typhosus auf mikroskopischem Wege eine Zahl, die mit der Kulturmethode völlig überein- stimmt. Ganz in Einklang hiermit sind denn auch bei solchen Organismen, welche immer grössere Verbände bilden — Staphylokokken, Streptokokken — die Differenzen zwischen beiden Methoden weit grösser. Man sieht in den Zählungsprä- paraten die einzelnen Organismen der Verbände ebenso scharf begrenzt, und durch ebenso deutliche weisse Linien von einander getrennt, als in den auf die gewöhnliche Weise hergestellten und daher mit Wasser ausgespülten Präparaten. Es zeigte sich also, dass der Grad der Genauigkeit der mikroskopischen Zählungsmethode ein sehr hoher ist. Mit Hilfe der mikroskopischen Zählungsmethode konnte einer 2) der Unsrigen in einer Reihe von Bestimmungen feststellen, dass in I mgr frischen Fäzes erwachsener Menschen mit gemischter Nahrung, maximal 165.614.000, minimal 20.162.000 und durch- schnittlich 58.800.000 Bakterien vorhanden waren. MacneaI-, Latzer, und Kerr 3) fanden nach unserer Methode ein Maximum von 816 Millionen, ein Minimum von 124 Millionen und eine Durch- schnittszahl von 375.000.000 Bakterien per mgr der frischen Fäzes. 1) Hehewerth. Die mikroskopische Zählungsniethode der Bakterien von A. Klein und einige Anwendungen derselben. Archiv für Hygiene, jç. 2) A. Klein. L. c. 3) Macneal, Latzer und Kerr. L. c. 209 Ebenso wie die durch die Kulturmethoden erlangten Resultate, gehen auch die durch mikroskopische Zählung gefundenen Zahlen sehr bedeutend auseinander. Die durch mikroskopische Zählung gefundenen Zahlen übertreffen aber sehr weit die, welche durch die Kulturmethodc erhalten werden : bei der Kulturmethode höchstens too.ooo — 800.000, bei der mikroskopischen Zählungs- methode 58 — 375 Millionen Bakterien als Durchschittszahl in 1 mgr frischen Fäzes. Strasburger i) und seine Schule 2) sind aber der Meinung, dass auch diese hohen Werte, durch die mikroskopische Zählungs- methode gefunden, noch viel zu niedrig sind : in den menschlichen Fäzes seien noch viel mehr Bakterien vorhanden. Ihre Meinung ist dabei basiert auf den Resultaten, die sie erzielten mit einer dritten Methode zur Bestimmung des Bakteriengehalts in mensch- lichen Fäzes, der von Str.\SBURGER angegebenen gravime- trischen oder Wägungsmethode. Das Prinzip dieser Methode ist sehr einfach: aus einer bekannten Quantität Fäzes werden die Bakterien isoliert, getrocknet und gewogen. Die Ausführung ist weniger einfach. Nach der ursprünglichen Angabe StraS- BURGERS 3) werden 2 ccm Fäzes in einem Mörser mit 30 ccm 0.50/0-iger Salzsäure verrieben, und die erhaltene Emulsion eine Minute lang zentrifugiert ( ± 2000 Umdrehungen in der Minute). Im Zusammenhange mit dem Unterschiede an Gewicht und Grösse der suspendierten Teilchen, treten in dem Sediment hauptsächlich Kotbestandteile, in der Flüssigkeit der Hauptsache nach die Bakterien auf. Die obenstehende Flüssigkeit wird abpipettiert. Da das Sediment auch noch Bakterien enthält, wird es aufs neue mit 30 ccm 0.5 ^o'^g^'* Salzsäure verrieben und darauf wieder zentrifugiert. Die abpipettierte Flüssigkeit wird der früher erhaltenen liinzugefügt, das Sediment noch einmal ausgewaschen, u. s. w., bis die Flüssigkeit nach dem Zentrifugleren nur noch massig getrübt erscheint; im Ganzen i) Strasburger. L. c. Schmidt und Strasburger. Die Fäze» der Mensehen im normalen und krank- haften Zustande. Berlin, 1910, 3e Auflage. 2) Sato. L. c. Berger und Tsuchiya. Zeitschr. f. experimentelle Path, und Ther. 7, S. 437. Ehre.npfordt. Ebenda, 7, S. 454. 3) Strasburger. Zeitschr. f. klin. Medizin, 46, Sonderabdruck S. 6—10. 2TO ist gewöhnlich eine vierfache Auswaschung genügend. Die gesamte bakterienhaltige Flüssigkeit wird schliesslich noch einmal mit einer geringen Anzahl Umdrehungen ausgeschleudert, um noch vorhandene gröbere Bestandteile zu entfernen. Der bakterienhaltigen Flüssigkeit wird darauf g6 proz. Alkohol hinzugefügt, die ganze Masse ward auf einem Wasserbad von 40° C. während 24 Stunden teilweise eingeengt, dann wird nochmals mit 96 proz. Alkohol versetzt, und schliesslich werden durch Zentrifugierung die Bakterien aus dieser alkoholhaltigen Flüssigkeit niedergeschlagen. Nach Entfernung der obenste- henden Flüssigkeit wird das Bakteriensediment mit absolutem Alkohol ausgewaschen, der Alkohol durch Äther ersetzt, und den folgenden Tag der Äther entfernt, alles durch Zentrifu- gieren. Der entfettete Bakterienbodensatz wird dann mit ein wenig Alkohol in einem Porzellanschälchen von bekanntem Gewicht auf einem Wasserbad von 40° C. und darauf im Ex- sikkator getrocknet und gewogen. Ist daneben die Trocken- substanz der Fäzes bestimmt, so kann der Prozentgehalt der Kottrockensubstanz an trockenen Bakterien berechnet werden. Die ganze Bestimmung nimmt einige Tage in Anspruch. Strasburger fand nun mit Hilfe dieser Methode, dass durch- schnittlich 29.6 0/0 der Kottrockensubstanz gesunder, erwachsener Menschen aus trockenen Bakterien besteht. Zur Vergleichung seiner Methode mit der mikroskopischen Zählungsmethode be- rechnet Strasburger dann die Zahl der Bakterien aus der ge- wogenen Quantität der trockenen Bakterien. Für diese Berech- nung nimmt er an, dass die grosse Masse der Fäzesbakterien aus Bact. coli commune besteht. Er nimmt weiter an, dass das Volumen dieser Bakterie gefunden werden kann, indem man den Inhalt eines Zylinders berechnet, dessen Länge und Dia- meter 2 u und 1/2 ." betragen. Schliesslich wird das spezifische Gewicht der feuchten Bakteriensubstanz auf 1.054 und der Trockensubstanzgehalt der Bakterien auf T50/0 angesetzt. Auf Grund all dieser Annahmen kommt StraSBURGëR zu dem Schlüsse, dass mit den Fäzes eines Erwachsenen unter normalen Verhältnissen täglich 128 Billionen Bakterien ausgeschieden werden, eine Zahl, die weit höher ist als die mit der mikros- kopischen Zählungsmethode gefundene. Eine Umrechnung der Gewichte, wie STRASBURGER diese findet, 21 I in Zahlen, wie sie die mikroskopische Zählungsmethode liefert, ist aber nicht zulässig, da diese Umrechnung auf ganz willkür- lichen Faktoren, wie die Formen der Bakterien, ihre Grösse, das spezifische Gewicht und der Trockcnsubstanzgehalt der Bakterien, basiert ist. Als Beispiel nehmen wir nur einen dieser Fak- toren : die Grösse der Bakterien. Mit STRASBURGER wollen wir einen Augenblick annehmen, dass alle F"äzesbakterien aus Kolibazillen bestehen, obgleich bei mikroskopischer Zählung noch nicht die Hälfte den Kolitypus aufweist. Die Durchschnitts- grösse dieses Organismus ist, ebenso wie die jeder andern Bakterienart, nicht konstant, weder in derselben Kultur, noch in verschiedenen Kulturen ; das Alter der Kultur, die Beschaffen- heit und Reaktion des Nährbodens, die Kultivierungstemperatur, etc. üben Einfîuss auf die Durchschnittsgrösse. KRUSE i) gibt für B.Coli 0.4 — 0.7 /t Diameter und i — 3 u Länge an ; GÜNTHER 2) 0.8 ,(t und 1 — 3 /i ; MaCNEAL, Latzer und Kerr 3) nehmen für den Kolitypus 04 — 0.9 /* Diameter und i — 2.5 u Länge an. Mit ebenso viel Recht — eigentlicli besser gesagt, mit ebenso wenig Recht, — als womit STRASBURGER die Grösse der Fäzes- baktcrien auf durchschnittlich 2 u Länge und 0.5 ,u Diameter ansetzt, können wir eine Durchschnittsgrösse von z.B. 2 « Länge und I u Diameter zugrunde legen. Diese Differenz von 0.5 ,« Diameter ist aber, wenn wir übrigens dieselben willkürlichen Verhältnisse für spezifisches Gewicht, u. s. w. annehmen als Strasburger, schon Ursache, dass die von STRASBURGER aus seinen Gewichten berechnete Bakterienzahl bis auf V* sinkt, also von 128 Billionen auf 32 Billionen Bakterien pro Tag! Eine Umrechnung, wie sie STRASBURGER ausführt, kann daher höchstens eine illustrative Bedeutung haben, aber sie kann ganz gewiss nicht für eine wissenschaftliche Vergleichung der StraS- BURGERschen Methode mit der mikroskopischen Zählungsmethode gebraucht werden. Die Resultate, welche verschiedene Autoren mit der Stras- BURGERschen Methode erhielten, sind in Tabelle I im Durch- i) Kruse in Flügge, Die Mikroorganismen. Leipzig, 1896. 2) Günther. Einführung in das Studium der Bakteriologie. Leipzig, 1906. 3) Macneal, Latzer und Kerr. L.c. 29-6 «/o 27-95 Vo 26-9 Vo 24-39 % ig.i Vo 12.6 0/0 1 1.22 Vo 8.67 Vo 212 schnittsprozentgehalt der Kottrockensiibstanz an trockenen Bakterien zusammengefasst. TABELLE T. SCHITTENHELM und TOLLENS l) 42.8 Vo Strasburger 2) Mattill und Hawk 3) Macneal, Latzer und Kerr 4) Sato 5) Steele 6) Berger und Tsuchiya 7) TOSAYA 8) LiSSAUER 9) Hierbei wollen wir bemerken, dass SCHITTENHELM und TOELENS den Bakteriengehalt nur eines einzelnen Kotes bestimmten, und dabei 42.8 0/0 trockene Bakterien in trockenen Fäzes fanden. Mattill und Hawk Avogen nicht die trockenen Bakterien, sondern bestimmten nach KjELDAHL den N-Gehalt des Bakterien- sediments der alkoholischen Flüssigkeit, und berechneten daraus die Quantität der trockenen Bakterien, indem sie annahmen, das die trockenen Bakterien 10.96 o/^ N enthielten. Auffallend sind die sehr weit auseinandergehenden Resultate der verschiedenen Autoren. Der Diätunterschied kann gewiss nicht von Einfluss sein. STRASBURGER, der einen hohen Wert fand, untersuchte die Fäzes von Menschen, die ungefähr dieselbe Nahrung bekamen, als die von Berger und TSUCHIYA, die einen niederen Prozentsatz angeben ; Sato erhielt einen hohen Durcbschnittsprozentgehalt, während ToSAYA eine niedrige Ziffer fand, obgleich bei beiden die Probemenschen ungefähr die gleiche japanische Kost einnahmen. Noch mehr aber fällt die Tatsache auf, dass ein Teil der 1) SCHITTENHELM und ToiXENS. Zentralblatt für innere Medizin, 25. 2) Strasburgek. L.c, 3) MA.TTILT, und Hawk. The Journal of expérimental medicine, 14. 4) Macneal, Latzer und Kerr. L.c. 5) Sato. L.c. 6) Steele. Zitiert bei Mattill und Hawk. 7) Berger und Tsuchiya. I>.c. 8) TosAYA. Zitiert bei Sato. 9) LiSSAUER. Archiv für Hygiene, 58. 213 Forscher in ihren Einzelbestimmungen, innerhalb gewisser vari- ierender Grenzen, regelmässig niedrige, ein anderer Teil stets hohe Werte fand. Die Ursache hiervon kann allein in der Methodik liegen, da jeder einzelne Untersucher selbstverständ- lich stets dieselbe Art und Weise der Ausführung anwendet. Ehrenpfordt i), aus dem Laboratorim SCHMIDTS, des Mitarbeiters STRASBURGERS, meint, dass die Differenzen durch den Unterschied der angewandten Zentrifugalkraft entstehen. Zwei Proben derselben Fäzesart werden von ihm auf verschie- dene Weise behandelt. Die Fäzesemulsion der einen Probe wird jedesmal während 2 Min., die der anderen jedesmal während 10 Min. zentrifugiert, mit einer Umdrehungsgeschwindigheit von 1500 Touren in der Minute. Die gesamte bakterienhaltige Flüssig- keit wird, im Gegensatze zu STRASBURGERS Verfahren, während 5 Min. mit einer grösseren Undrehungsgeschwindigheit (näml. 2000 per Minute) zentrifugiert, und das so gebildete zweite Fäzes- sediment nochmals 3 — 4 Mal ausgewaschen (mit 30 ccm 0.5 o/o-iger Salzsäure) mit einer geringeren Umdrehungsgeschwindigkeit (1500 per Minute), um niedergeschlagene Bakterien wieder in die Flüssigheit zurückzubringen. Bei der 2 Min. -Methode fand EHRENPFORDT wenig Bak- terien in den beiden ausgewaschenen Kotsedimenten zurück, dagegen viel beigemischte Fäzesverunreinigungen in den Bak- teriensedimenten, die also mit Unrecht als Bakterien mitgewogen werden; bei der 10 Min. -Methode wurden mehr Bakterien in den Fäzessedimenten angetroffen, die also für die Bakterien- wägung verloren fingen, dagegen weniger Verunreinigungen in den Bakteriensedimenten. Im ersten Falle fand er hohe Werte für die trockenen Bakterien, durchschnittlich 25.31 % ; in letzterem Falle niedrige Werte, durchschnittlich 14.75 Vo trockene Bakterien in trockenen Fäzes. Das erstere Ergebnis hält Ehrenpfordt für zu hoch, letzteres für zu niedrig ; der richtige Wert liegt nach EHRENPFORDT in der Mitte zwischen beiden, beträgt daher etwa 20 0/0 . Um möglichst richtige Werte zu erhalten, empfiehlt EHRENPFORDT schliesslieh, nicht 2 oder 10 Minuten, sondern jedesmal 5 Minuten auszuschleudern. StraS- BURGER erkennt jetzt diesen Fehler in der Methodik an, auf I) Ehrenpfordt. L. c. 214 welchen unserseits i) schon einige Jahre bevor noch die Ehren- PFORDTschen Untersuchungen stattfanden, die Aufmerksamheit gelenkt wurde. STRASBURGER übernimmt die nach Ehrenpfordt geänderte, in der Ausführung noch weiter komplizierte Methodik, in der dritten Auflage seines mit SCHMIDT geschriebenen Werkes 2). Indessen ist hiermit der ursprüngliche, von StraS- BURGER angegebene Wert nicht unbeträchtlich, näml. von 29.6 Vo bis auf 20 0/^ trockene Bakterien in Kottrockensubstanz herabgesunken. Und damit sind natürlich ebenfalls die von Strasburger aus den Gewichten der trockenen Bakterien berechneten Zahlen, wenn schon solche Umrechnungen zulässig wären, sehr wesentlich kleiner geworden. Die Kontrollen, die sowohl Ehrenpfordt wie STRASBURGER bei der Ausführung der Wägungsmethode machten, müssen völlig ungenügend genannt werden. Das Prinzip der StraS- BURGERschen Methode doch ist hierauf basiert, dass die Bak- terien soviel möglich von den übrigen Fäzesbestandteilen ge- trennt werden, und der Grad der Genauigkeit der Methode wird daher ganz durch die Frage beherrscht, inwiefern schliesslich in dem Bakteriensediment auf der einen Seite alle in einer bestimmten Quantität Fäzes vorhandenen Bakterien gewogen werden, und auf der anderen Seite in dem Bakterien- sediment keine Kotbestandteile «/V/î/-bakterieller Art als Bak- terien mitgewogen werden. EHRENPFORDT und STRASBURGER führen diese Kontrollen aus, indem sie von den Fäzessedimenten und den Bakteriensedimenten hängende Tropfen machen, oder die Flüssigkeit einfach zwischen Deckgläschen und Objekt- träger ausbreiten und dann mikroskopisch untersuchen, ob in den Fäzessedimenten noch Bakterien, in den Bakteriensedi- menten noch andere Bestandteile als Bakterien vorhanden sind. Wenn man von einer Fäzesemulsion oder von den nach der STRASBURGERschen Methode abgesonderten trockenen Bakterien ein gefärbtes Präparat macht, so sieht man immer noch eine grosse Anzahl Bakterien in Häufchen beisammen liegen. Welche Me- thode man auch anwendet, um die Fäzes fein zu zerteilen, es gelingt nicht, alle die Konglomerate von Bakterien auseinander- 1) A. KlüIN. Zeitschrift für klin. Medizin, 4S. 2) Schmidt und Sirasburuer. L. c. ^t5 fallen zu lassen ; die Bakterien werden in vielen dieser Konglo- merate durch die Zwischensubstanz so innig zusammengehalten, dass es nicht gelingt, sie zu isolieren. Eine Anzahl dieser Häufchen sind ohne Zweifel so schwer, dass sie beim Zentrifu- gieren in die F^äzessedimente übergehen müssen, während anderseits kleinere Kotbestandteile nicht-bakterieller Art sicher viel leichter sind als diese Bakterienkonglomerate und in den Bakteriensedimenten zurückbleiben werden. Und von den Bak- terienhäufchen, die sich in dem Bakteriensediment befinden, ist es unmöglich anzugeben, welcher Teil des Gesamtgewichts dieser Häufchen von den Bakterienkörpern und welcher Teil von den übrigen Substanzen der Häufchen gebildet wird. Schon die mi- kroskopische Beobachtung des gefärbten Präparats lehrt, dass es unmöglich sein muss, die Bakterien auf einfach mechanischem Wege in genügendem Maasse von den Fäzesbestandteilen zu trennen. Weiter wollen wir noch darauf hinweisen, dass lösliche Nukleoproteide, welche schon unter normalen Verhältnissen in wechselnden Quantitäten in den Fäzes vorhanden sind, durch den hinzugefügten Alkohol niederschlagen, und mit den trocke- nen Bakterien zusammengewogen werden ; unter pathologischen Verhältnissen kann die Quantität dieser Nukleoproteide in den Fäzes beträchtlich grösser sein, und können daneben noch lösliche Eiweisse auftreten. Abgesehen noch von anderen, ver- unreinigenden stickstoffhaltigen Beimischungen, kann daher die N. -Bestimmung der Bakteriensedimente, welche man nach der STRASBURGERschen Methode erhalten hat, nicht den richtigen Wert des in den Fäzes vorhandenen bakteriellen N. ergeben ; eine unbekannte Quantität N. ist zu den trockenen Bakterien hinzu- gekommen, während ausserdem noch anderseits durch die vor- angehende Behandlung mit Alkohol und Äther verschiedene lösliche N.- Verbindungen, wie Lezithin und andere Lipoide, aus den Bakterien extrahiert und entfernt sind. Noch weniger lassen sich aus den auf diese Weise gefundenen N-Mengen, wie es Mattill und Hawk tun, die Quantitäten der trockenen Bakterien berechnen, wenn auch diese Untersucher die Ather- extraktion umgehen, weil sie bei dieser Berechnung ausserdem noch einen ganz willkürlichen Durchschnittsgehalt an N. der Fäzesbakterien annehmen müssen. 2l6 An diese Betrachtungen anschliessend, haben wir in einer Reihe von Untersuchungen die STRASBURGERsche Methode einer mehr quantitativen Kontrolle unterzogen. Von einer Anzahl Fäzes normaler Erwachsener mit gemisch- ter Kost wurden die Quantitäten der trockenen Bakterien nach der STRASBURGERschen Methode bestimmt, wobei den jüngsten Modi- fikationen dieser Methode, wie sie Ehrenpfordt angegeben, bis in alle Einzelheiten möglichst genau nachgefolgt wurde. Die abgemessene Fäzesmenge (2 ccni) wurde in einem Mörser mit 30 ccm 0.5 0/0-iger Salzsäure verrieben und diese Emulsion 5 Minuten lang mit einer Umdrehungsgeschwindigkeit von 1400 in der Minute zentrifugiert ; das Sediment wurde nach Entfer- nung der Flüssigkeit von neuem mit 30 ccm 0.5 o/^-iger Salz- säure verrieben und wieder ausgeschleudert (1400 Umdrehungen per Minute, 5 Minuten lang) u. s. w. Diese Prozedur wurde 6 — 7 mal wiederholt ; die letzste Waschflüssigkeit war jedesmal noch leicht getrübt. Die gesamte bakterienhaltige Flüssigkeit wurde nun 5 Minuten lang zentrifugiert mit 1950 Umdrehungen per Minute. Das so gebildete zweite Sediment wurde wie der 4 mal mit 30 ccm 0.5 %-iger Salzsäure ausgewaschen (Zentrifugierung 5 Minuten, mit einer Umdrehungsgeschwindig- keit von 1400 per Minute) ; die letzte Waschflüssigkeit des zweiten Sediments wurde in allen Fällen fast vollkommen klar. Schliesslich wurde die zusammengegossene bakterienhaltige Flüssigkeit in der bekannten Weise nach STRASBURGER weiter verarbeitet. Der Prozentgehalt trockener Fäzes an trockenen Bakterien schwankte in den verschiedenen Bestimmungen (Tabelle III, Spalte 4) zwischen 4. 11 % und 23.39 0/0; der Durchschnitts- prozentgehalt aller Bestimmungen betrug 13.94 %• Diese Durch- schnittszahl bleibt also noch weit zurück hinter der, auf welche Ehrenpfordt aus seinen beiden Bestimmungsgruppen schlicsst, näml. 20 % ; dieser Durchschnittsgehalt ist sogar noch etwas niedriger als der, den EHRENPFORDT in seiner Gruppe der untersten Werte fand (Ausschleuderungszeit 10 Minuten). Zunächst untersuchten wir nun, wieviel Bakterien in den Fäzessedimenten zurückbleiben, und mithin nicht mit dem Bakteriensediment als trockene Bakterien mitgewogen werden Zu dem Ende wurde jedes der beiden Fäzessedimente ein- 217 zeln in Mörsern mit bekannten Mengen sterilisierter, physologi- scher Salzlösung verrieben, und in Kolben mit Glaskügelchen zu gleichmässigen Emulsionen verarbeitet; von diesen Emulsionen wurden mikroskopische Zählungspräparate hergestellt, und die Zahl der darin befindlichen Bakterien bestimmt. Zur Vergleichung wurde von denselben Fäzes mittels der mikroskopischen Zählungsmethode die Gesamtmenge der vorhandenen Bakterien bestimmt. (Siehe Tabelle II). Es zeigt sich (Spalten 6 und lo), dass in beiden Sedimenten eine sehr beträchtliche Bakterienzahl zurückbleibt. In Prozenten der Gesamtzahl der in den Fäzes vorhandenen Bakterien berechnet (Spalten 9 und 13), schwanken die zurückgebliebenen Bakterien in dem ersten Sediment zwischen einem Minimum von 12 % und einem Maximum von 25 % ; im zweiten Sediment zwischen einem Minimum von 0.8 % und einem Maximum von 2.7 %. Ein grosser und wechselnder Bruchteil [in den beiden Sedimen- ten zusamenengenommen (Spalte 14) schwankend zwischen 12.5 % und 27.7 %] der Gesamtmenge der in den Fäzes vorhan- denen Bakterien, wird in den Fäzessedimenten zurückgefunden, und geht daher für die Wägung der trockenen Bakterien ver- loren. Wie wir erwarteten, spielen hierbei die in den Fäzes befindlichen Konglomerate von Bakterien eine grosse Rolle: infolge ihres Gewichtes geraten sie beim Ausschleudern zum Teil in die Fäzessedimente. Die Zahl der Bakterienhäufchen ist in den verschiedenen Spalten (4, 7 und 11) auf 1000 vorhan- denen Bakterien berechnet, also in einer Promillezahl ange- geben. In den Zählungspräparaten der Fäzes schwankt diese Zahl zwischen einem Minimum von 4 o/oq und einem Maximum von 31 o/oo. mit einer Durchschnittszahl in den sieben Bestim- mungen von 15 o/oo- In ^^^ ersten Fäzessediment beträgt die Minimalzahl gegenüber der Gesamtmenge der in diesem Sediment vorhandenen Bakterien 21 ^/qq, das Maximum 60 0/00 '^^it einer Durchschnittszahl von 43 o/qo- In dem zweiten Fäzessediment sind diese Zahlen 39 0/00 Minimum, 81 0/00 Maximum und 58 0/00 im Durchschnitt. Es besteht ein regelmässiges Verhältnis zwischen der Zahl der in den ursprünglichen Fäzes vorhandenen Bakterienkonglomerate und dem Gesamtprozent der Bakterien, das in den Fäzessedimenten zurückbleibt. 15 218 w < •ususjîjfqsaznj Jsp iqezjun^s t^ U-) 00 r^ r^ CO 00 ■* -OQ jnz U3uiuii;snz azj^suapcijj 'î •/-i CO ro t^ CO CO c. .isp mvzjuiBzag Jiiz -' -" d f) Cl >-' N " S Q »• A , . (d 0 M u-i <:^ t-. 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"Ü- 0 CO 00 r^ •J05} jsqosijj 0 es fO •* u-1 CO r^ ^'. i 0 lUDo î ui uaijsjîiBg N 00 N 00 d t^ "^ CO • 0 v£) Tf 0 X) ^ On 0 J1lVZl7ltVS3{) Tj- N ro CO •<*• CO 6 £ > X X X X 1 X 'S 1 319 Dauersporen, die schwerer sind als die Bakterien, zeigen ein ähnliches Verhalten wie die Bakterienhäufchen ; sie sind in der Tabelle ebenfalls per looo vorhandene Bakterien angegeben (Spalten 5, 8 und 12). In den Zählungspräparaten der Fäzes beträgt die Zahl der Sporen durchschnittlich 4.5 %û ; im ersten Fäzessediment wird diese Durchschnittszahl 13 %o. in^ zweiten 26 0/00 • Zweitens haben wir untersucht, welche Quantität verunreini- gender Beimischungen sich in den Bakteriensedimenfen vorfindet, und daher mit Unrecht als trockene Bakterien mitgewogen wird. Zu diesem Zwecke haben wir die Bakterien in den Bakterien- sedimenten mittelst Antiformin aufgelöst und die zurückbleibenden Bestandteile nach Trocknung gewogen. Die Bakteriensedimente wurden in einem Mörser zu einem sehr feinen Pulver zerrieben ; darauf wurde 10 ccm einer bestimmten Antiforminlösung hinzu- gefügt, die wir, unter beständigem Umrühren und Verreiben noch vorhandener Bröckchen, eine gewisse Zeit einwirken Hessen. Nach dieser Zeit wurde ein Überschuss von steriUsiertem, destilliertem Wasser hinzugefügt, und eine halbe Stunde lang zentrifugiert mit einer Umdrehungsgeschwindigkeit von 5000 in der Minute. Die obenstehende Flüssigkeit wurde ganz entfernt, und das Sediment, nachdem es nicht selten nochmals mit sterilisiertem, destilliertem Wasser ausgewaschen war, mit ein wenig Alkohol von 96 % in ein Porzellanschälchen von bekanntem Gewichte übergebracht, auf einem Wasserbad von 40° C. und im Exsikkator getrocknet und gewogen. Von den übrigbleibenden Sedimenten wurden stets gefärbte Präparate gemacht, um in diesen auf mikroskopischem Wege die völlige Abwesenheit von Bakterien zu konstatieren. Uhlenhuth und Xylander i) haben gezeigt, dass die Bakterien der Koli-Typhusgruppe in einer 5 %-igen Anti- forminlösung nach 10 — 15 Min. vollständig aufgelöst werden. Liessen wir auf unsere Bakteriensedimente eine 5 %-ige Antiforminlösung während 15 Min. einwirken, so war zwar eine grosse Anzahl der Bakterien aufgelöst, aber es waren auch noch sehr viele zurückgeblieben. Auch war das noch der Fall, obwohl die Zahl der übrigbleibenden Bakterien kleiner geworden i) Uhlenhuth und Xyi.ander. Arbeiten aus dem Kais. Gesuudh. Amt, 3». 220 war, wenn eine lo %-ige Antiforminlösung während 15 Min. einwirkte. Erst eine 15 %-ige Antiforminlösung führte nach einer Einwirkungszeit von 15 Min. zu dem gewünschten Ziele: alle Bakterien waren ohne Ausnahme aufgelöst ; in den mikrosko- pischen Präparaten waren keine Bakterien mehr zurückzufinden. Diese starke Antiforminkonzentration ist nötig, um die Kon- glomerate aufzuschliessen und die darin befindlichen Bakterien für die Einwirkung des Antiformins zugänglich zu machen. Der Farbstofï der Fäzes, das Urobilin, löst sich in die grossen Alkoholquantitäten, mit denen die Bakteriensedimente bei der Trennung und Reinigung behandelt werden, auf ; diese Alkohol- flüssigkeit ist denn auch rot gefärbt. Dennoch haben die ge- trockneten Bakteriensedimente noch eine dunkelbraune bis schwarze Farbe, welche von dem Urobilin herrührt, das der Alkohol nicht extrahieren konnte. Dieses Urobilin kommt erst frei, nachdem die Bakterienkonglomerate unter dem Einfluss des Antiformins auseinanderfallen. Gebraucht man eine 5 0/0-ige Antiforminlösung, so wird diese Flüssigkeit hellrot gefärbt ; die getrockneten Überreste sind ebenfalls noch gefärbt. Bei Ver- wendung einer 10 0/0 -igen und 15 oy^^-igen Antiforminlösung nimmt die Flüssigkeit eine intensiv rote Farbe an, während der zurückbleibende Überrest nach der Einwirkung einer 15 %-igen Lösung während 15 Minuten völlig entfärbt ist und eine grau- weisse Farbe aufweist. Erst mit der vollständigen Vernichtung der Häufchen geht also alles Urobilin in die Antiforminlösung über, und erst dann sind alle Bakterien, die in den Häufchen enthalten waren, dem Antiformin zugängUch. Hieraus zeigt sich aufs neue, wie innig diese Häufchen zusammenhängen ; es ist daher die Mög- lichheit ganz ausgeschlossen auf einfach mechanischem Wege die Bakterien aus solchen Häufchen zu isolieren. (Siehe Tabelle III). In der 5. Spalte der Tabelle findet man in mgr die Gewichte der Überreste, welche nach der Antiforminbehandlung zurück- bleiben; in der letzten Spalte diese Gewichte in Prozenten der Quantität gewogener, trockener Bakterien angegeben: diese Prozentzahlen schwanken in den verschiedenen Bestimmungen zwischen 4 % und 25 o/^. Der Durchschnittsprozentgehalt trockener Fäzes an trockenen Bakterien sinkt dadurch von 13.94 ^U auf 12.35 "/o herab (Spalte 7). 221 a V S '•" ■o 'C c V e rt g :3 C ^ ir-, •* i^ t^ \r% "& 1^ 00 00 «♦ IT) O fi V c 00 N N " N *■* •- N ** ■Î? "^ ti S V I- w s •^ ^ ^ «I, ê " s T3 1^ '.". '^ •V, « « C ^ r~ fo vA> Tf 00 t^ vrt xr, 00 VO vO N tr> ^^ vO lO O^ 1^ O \ri O vO ITi M - ro r^ \) C u r^ 5 ci "^ ■<*■ T»- >rv »T) oo' r^ '& fl VO N N -' cr. N S 2 ^ EC "^ ' ^^ "»; E c u c " J' .E 2 = E S ^ ir> fO - N 00 rt 00 *' ." ^-^ 00 O ro •* O l^ \n N N \r, 00 »^ u. J? > -0 S è. n « - 3 C — V •«1 < 1 T3 U •:;ï u-i 00 t>» ^ 2 d rt XÎ N NH W* Pi^ X = a ;^ « o c 2 " 5 c O O 00 ^0 v£) „ OO ON O c^ «^ vO Ov :t s !ü " •r^ t^ fO »'> 1-- vO «M o CT> - ro N O v£) On -^ •^ TÎ g p ^ ■3 00 xri t^ v£> 6^ rt- IT) r^ 00 fj ■«t fO « m ^ : *^ ** ■" " " N Ct. m rt u •o 5 E fi vO 00 M 00 ro «- ^ t^ On « ■4 w o M ■V* « ^^ 00 N O CO C^ vO m N »r> N r~ t^ tT) r^i o - ro Tt o N t» I--, i/^ r^ vn • Q 1- ■* t~ \r> ^ t^ u^ ^ c -< > > >-4 > 1— ( t— 1 > X X >-l 1— 1 ^ X 222 Die gefundenen Werte der Antiforminüberreste stellen jedoch nur einen Bruchteil der in den Bakteriensedimenten vorhandenen beigemischten Verunreinigungen dar. Auch von diesen Verunreini- gungen wird ja ein Teil in das 15 Vo'ig^ Antiformin aufgelöst. Wir sahen dies schon mit dem Urobilin geschehen, das mit den trockenen Bakterien mitgewogen wurde ; ohne Zweifel werden auch noch andere verunreinigende Bestandteile der sehr fein zerteilten trockenen Bakterienmasse zur Auflösung gebracht, wodurch u. a. das Auseinanderfallen der Häufchen ermöglicht wird. Vorhandene Nukleoproteide werden gleichfalls zur Auf- lösung gebracht etc. In einigen Fällen gelang es auch nicht, den gesamten Antiforminüberrest zu versammeln ; die Masse war nach der Antiforminbehandlung so schleimig geworden, dass die Flüssigkeit, auch nach sehr langem Ausschleudern mit grosser Umdrehungsgeschwindigkeit, nicht völlig klar wurde ; wir mussten uns in solchen Fällen mit dem nur teilweise sedi- mentierten Antiforminüberreste begnügen. Die von uns gefun- denen Werte stellen mithin nur Minimalwerte dar; die wirk- lichen Quantitäten beigemischter Verunreinigungen in den Bakteriensedimenten sind ohne Zweifel noch viel grösser. Wir sehen also wie bei der Anwendung der STRASBURGERschen Methode, ausgeführt nach den jüngsten von Ehrenpfordt angegebenen Modifikationen, auf der einen Seite ein grosser und wechselnder Bruchteil der Fäzesbakterien in den Fäzessedimenten zurückbleibt und für die Wägung der Bakterien verloren geht; anderseits sehen wir, wie in den Bakteriensedimenten ohne Ausnahme eine grosse und wechselnde Quantität beige- mischter Verunreinigungen vorkommt, die mit Unrecht als trockene Bakterien mitgewogen wird. Die Wägungsmethode nach Strasburger ist mithin nicht im Stande, die Gewichte der trockenen Bakterien in einer bestimmten Quantität Fäzes auch nur annähernd festzustellen. Strasburger hat mit Hilfe seiner Methode auch eine Reihe Bestimmungen in pathologischen Fällen ausgeführt und auf Grund der erlangten Resultate weitreichende Schlüsse gezogen in Bezug auf die Pathogenese einiger Störungen im Darmkanal. So fand er bei chronischen Darmstörungen mit Fäulnis oder Gärung der Fäzes, ohne dass stärkere Diarrhoen bestanden, stets 223 eine Vermehrung der ausgeschiedenen Bakterienmenge. Diese Störungen sind immer verbunden mit einer schlechteren Aus- nützung der Nahrung im Darmkanal : es sind viel mehr Speisereste in den Fäzes vorhanden als normal. STRASBURGER will es hier dahingestellt lassen, ob die schlechtere Ausnützung der Nahrung das primäre Moment ist und hierdurch den Bakterien mehr Nahrungsmaterial geboten wird, wodurch eine stärkere Ver- mehrung dieser Organismen zu stände käme, oder ob der Darm primär durch die Bakterien geschädigt wird, und infolgedessen die Verdauung und Resorption der Nährstoffe leidet. Nach ihm findet wahrscheinlich beides zugleich statt. Bei habitueller Obstipation fand er stets eine Verminderung der Quantität ausgeschiedener Bakterien. Bei dieser Störung kommt eine bessere Ausnützung der Nahrung zu stände ; viel weniger Nahrungsreste lassen sich bei mikroskopischer Unter- suchung in den Fäzes nachweisen als unter normalen Bedin- gungen. StkaSBURGER ist der Ansicht, dass hier die verbesserte Ausnützung der Nahrung das primäre Moment ist ; dadurch ist weniger Nahrungsmaterial für die Bakterien vorhanden, sie vermehren sich weniger stark, es entstehen weniger Umsetzungs- produkte der Bakterien, und so fällt nach STRASBURGER ein normales Moment, ein physiologischer Reiz, für die Anregung der Darmperistaltik aus; daher die Obstipation. Dieser Zusam- menhang ist ganz gewiss nicht richtig. Wenn die Fäzes eines an habitueller Obstipation leidenden Patienten in einem genügend verdünnten Zustand bei 37° C. aufbewahrt werden, so tritt eine starke Vermehrung der Fäzesbakterien auf ; das aus dem Darmkanal übriggebliebene Nahrungsmaterial wird also noch stark verdünnt, und trotzdem sehen wir, dass noch eine genü- gende Quantität vorhanden ist, um eine beträchtliche Vermehrung" der lebenden Kotbakterien zu stände kommen zu lassen. Ausserdem müssen die Ergebnisse STRASBURGERS in eine ganz anderen Weise gedeutet werden. Bei chronischen Darmstörungen, mit einer schlechteren Ausnützung der Nahrung, wiegt StraS- BURGER mit seinen trockenen Bakterien eine grosse Menge Beimischungen; bei habitueller Obstipation, mit weniger Nah- rungsresten in den Fäzes, eine kleinere Quantität beigemischter Verunreinigungen. Diese Auffassung erklärt zugleich die regel- mässigen Ergebnisse : bei den chronischen Darmstörungen stets 224 mehr, bei habitueller Obstipation stets weniger trockene Bakte- rien als normal. Auf ganz dieselbe Weise sind die kleineren Gewichte zu erklären, die STRASBURGER bei leicht assimilierbarer Kost, oder bei Verminderung der Quantität der zugeführten Nahrung, beim Hungern, findet ; diese kleineren Zahlen finden nicht, wie S. meint, ihren Grund in einer geringeren Bakterienvermehrung, infolge des Fehlens einer genügenden Quantität Nahrungs- material, sondern sie sind die Folge der geringeren Menge ver- unreinigender Beimischungen in der von ihm gewogenen Masse. Für das experimentelle Studium der Darmantisepsis hat sich, die SXRASBURGERsche Methode ebenfalls völlig unzureichend gezeigt. Strasburger und Schöneborn, und Feigen finden z. B. bei dem Kalomel, dem klassischen Darmantiseptikum, eine Vermehrung der ausgeschiedenen Bakterienmenge, Berger und TSUCHIYA dagegen eine Verminderung. Zusammenfassung. lO. Die Kulturmethode kann nur einen sehr kleinen und über- dies noch stark wechselnden Bruchteil der in den menschlichen Fäzes vorhandenen Bakterien nachweisen. 2<». Die Wägungsmethode nach Strasburger ist ungeeignet zur Bestimmung der Bakterienmenge in menschlichen Fäzes ; die mit dieser Methode gefundenen Resultate und die auf diesen beruhenden Schlüsse sind unrichtig. 30. Die mikroskopische Zählungsmethode i) ist bis jetzt die einzig richtige Methode, um die Gesamtzahl der in den mensch- lichen Fäzes vorhandenen Bakterien kennen zu lernen 1) Die mikroskopische Zählungsmethode, auf der Färburig der Bakterien im feuchten Zustande basiert, wurde kürzlich aufs neue erfunden von Oi.AV Skar (Milch wirtschaftliches Zentralblatt, .//), zur Bestimmung der Bakterienmenge in Milch; auch Paul Th. ISIÜller benutzt die mikroskopische Zählungsmethode zur Bestimmung der Bakterienzahl in Wasser; das Neue in Müllers Methode ist die Konzentrierung der Bakterien im Wasser (Münchener med. Wochenschrift 191 1; Archiv für Hygiene, 75). EINE FUR DIE PRAXIS BRAUCHBARE AKTIVE IMMUNITÄT, ERREGT DURCH SERUMIMPFUNQ, VEREINIGT MIT NATÜRLICHER INFEKTION, VON Prof. Dr. J. POELS, Direktor des Rekhsseruminsiituts in Kolterdam. Es ist schon lang eine konstatierte Tatsache, dasz man Tiere zur Produktion von Antikörpern gegen ein bestimmtes Antigen anregen kann, mittels parenteraler Einspritzung dieses Antigens. Diese Einspritzung findet in den Serumanstalten hauptsächlich subkutan oder intravenös statt. Es ist unter andern, um ein Beispiel zu nennen, bekannt, dasz Pferde, oder andere Tiere, welche in steigende Dosis mit Diphtherietoxin derartig behandelt werden, schlieszlich ein Serum produzieren, das reich an Anti- toxin ist, und nicht geringen therapeutischen Wert besitzt, aber auch präventiv in Anwendung kommt. Die Bildung des Antitoxins gründet sich, der Theorie EhrliCHS gemäsz, auf die Eigenschaft des Diphtherietoxins, einen Defekt hervorzurufen in die Rezeptoren bestimmter Zellen, welche Zellen darauf reagieren mit der Produktion eines Antikörpers, der wegen seiner giftneutralisierenden Wirkung mit dem Namen »Antitoxin« bezeichnet worden ist. Obgleich das Vorkommen von Diphtherie beim Pferde un- bekannt ist, scheinen dennoch die Zellen dieses Tieres, welche das Antitoxin produzieren, Rezeptoren zu besitzen, welche sich mit dem Toxin verbinden, denn sonst könnten wir nicht gut erklären, wie diese Antitoxinproduktion vor sich geht. So wissen wir auch, wenn das Pferd eingespritzt wird mit Rotlaufbazillen des Schweines, dasz dieses Tier ein Serum pro- duziert groszer therapeutischen Bedeutung. Trotzdem ist es bekannt, dasz auch der Rotlauf beim Pferde nicht vorkommt. 226 Wir sind aber verpflichtet anzunehmen, dasz auch die Zellen des Pferdes, welche die Produktion von Antikörpern veranlassen, zugänglich sind für das Antigen (bezw. Antigene), anwesend in den Rotlaufbazillen, sonst wäre es nicht klar, dasz nach der Injektion dieser Bazillen ein Serum produziert werden kann eines sehr hohen kurativen Wertes. Wir kennen noch viele andere Antigene, welche das Vermögen besitzen, bei Versuchs- tieren eingespritzt, Antikörper zu erregen, welche von einem kurativen oder präventiven Standpunkt in Verwendung kommen, obgleich diese Versuchstiere nicht empfänglich sind für eine spontane Infektion des Mikroorganismus, der das Antigen liefert. Wenn wir aber die Antigene, die in dieser Hinsicht die gröszte Bedeutung haben, beobachten, so sind es, soweit unsre Kenntnis ein Urteil gestattet, besonders Antigene, welche aus Bakterien bestehen, oder aus toxischen Stoffen, welche von Bakterien produziert werden, und obgleich das Vermögen, viele Antikörper nach der Injektion eines Bakterieantigens zu produ- zieren, nicht bei allen Tieren gleich stark entwickelt istj scheint es dennoch eine Tatsache zu sein, dasz die gewöhnlichen Ver- suchstiere, mit dem Pferde anzufangen und abzusteigen bis an die Maus, dieses Vermögen in mehrerem oder wenigerem Masze scheinen zu besitzen, gleichviel ob das Tier, welches die Antikörper produziert, spontan empfänglich ist für den Mikro- organismus, der als Antigen gebraucht wird. Es ist aber gewisz nicht möglich z.B. mittels der Schildkröte Tetanusantitoxin anzufertigen, weil die Schildkröte offenbar keine Rezeptoren besitzt, welche für das Tetanustoxin zugäng- lich sind. Man darf, schon aus theoretischen Gründen annehmen, dasz dieses Tier nicht imstande ist Antitoxin gegen das Tetanustoxin zu produzieren. Welches Tier zur Produktion von Antikörpern, nach der Injektion eines Antigens, am besten geeignet ist, wissen wir anfangs nicht ; dies musz sich aus der Untersuchung heraus- stellen. Das Pferd ist aber für die Serumproduktion so auszer- ordentlich geeignet, dasz es unsre Gewohnheit ist zu diesem Tier die Zuflucht zu nehmen und, wenn die Anaphylaxie, welche auf eine wiederholte Injektion Pferdeserums bei Rindern folgen kann, uns nicht im Wege stände, so würden wir auch alle Sera, 227 zur Rekämpfung der Bakteriekrankheiten bei diesen Tieren, mittels Pferden anfertigen. Das Pferd ist imstande, besonders für die Praxis, gegen viele pathogenen Mikroorganismen Antikörper zu liefern, wenigstens, wenn diese Mikroorganismen zu den Bakterien gehören. Wie ist es in dieser Hinsicht bestellt mit der Produktion von Antikörpern den Antigenen gegenüber, welche vorkommen in ultramikroskopischen Ansteckungsstoffen ? Sei das Pferd auch das Tier wie kein andres, um gegen letztgenannte Antigene Antikörper zu produzieren, wir stehen, bezüglich dieses Punktes, obgleich wir schon über zahlreiche Untersuchungen verfügen können, in Bezug auf die aktive Immunisation mittels ultramikroskopischer Krankheitskeimen auf einem Gebiete, auf dem noch nicht viel gearbeitet worden ist, hauptsächlich, weil wir die ultramikroskopischen Krankheits- keimen nicht künstlich züchten können und deshalb nicht im- stande sind grosze Quantitäten von denselben bei Versuchs- tieren oder z. B. beim Pferde einzuspritzen. Dennoch haben wir jetzt, besonders 2 ultramikroskopische Krankheitskeimen, welche, obgleich sie nicht künstlich gezüchtet werden können, doch in Verwendung kommen für die Serum- produktion. Dies ist das ultramikroskopische Virus der Maul- und Klauenseuche und das der Schweinepest. Wie bekommt man bei diesen zwei Krankheiten das Antigen? Bei der Maul- und Klauenseuche kommt es in groszer Quantität vor in dem Inhalt der Blasen, welche sich bei dieser Krankheit, besonders in dem Mund, entwickeln. Es scheint, dasz es LOEFFLER gelungen ist, laut einer speziellen Methode, auch mittels des Pferdes ein Serum anzufertigen gegen die Maul- und Klauenseuche, das einige immunisierende Wirkung hat. Ich werde hierauf nicht weiter eingehen, aber wenn dies wirklich so ist, so wäre damit der Beweis geliefert, dasz das Pferd auch imstande ist, Antikörper gegen das filtrierbare Virus der Maul- und Klauenseuche zu produzieren, abgesehen von dem Umstand, dasz dieses Serum schwerlich beim Rinde in Groszem in Verwendung kommen kan, wegen der Gefahr für Anaphylaxie nach wiederholter Injektion. Dieses Serum Scheint aber mehr Wert zu haben gegen die Maul- und Klauenseuche der Schafe und Schweine, als gegen diese Krank- 228 heit beim Rinde. Das Maul- und Klauenseucheserum, ange- fertigt mittels des Rindes, ist dagegen wirksamer beim Rinde. Übrigens ist es bekannt, dasz das Pferd, in seltenen Fällen, von Maul- und Klauenseuche angegriffen werden kann. In Bezug auf die Serumanfertigung gegen die Schweinepest kommt das ultramikroskopische Virus besonders im Blut vor und deshalb wird das defibrinierte Blut oder das Serum ge- braucht um das dazu geeignete Tier, das für die Bildung von Antikörpern in Betracht kommt, zu hyperimmunisieren. Jetzt kommt die Frage auf : Ist es auch wieder das Pferd oder das Rind, welches das Vermögen hat Antikörper gegen das ultramikroskopische Virus der Schweinepest zu bilden? Wenn man Pferde oder Rinder mit groszen Quantitäten Schweineserum, welches das ultramikroskopische Virus enthält, einspritzt, ist das bekommene Serum von derartig behandelten Pferden oder Rindern, ganz wertlos. Wenn man Schweine mit diesem Serum einspritzt und sie darauf der Infektion aussetzt, sterben sie eben so schnell wie die nicht eingespritzten Kon- trolleschweine, Die Ursache dieser Unwirksamkeit ist nicht mit Gewiszheit bekannt und die Möglichkeit, dasz in dem Pferdekörper und in dem Körper der Rinder keine Antikörper gegen das filtrier- bare Virus gebildet werden, oder dasz derartige Antikörper nur hauptsächlich als sessiele Ambozeptoren mit den Zellen ver- bunden bleiben, ist nicht ausgeschlossen. Auch kann die Frage in Erwägung gezogen werden, ob im Körper des Schweines wohl ein passendes Komplement anwesend ist für die Antikörper, welche vom Pferde oder Rinde produziert werden. Dieser letzte Punkt darf nicht auszer Acht gelassen werden, weil das Schweinepestserum, ohne der bakteriotropischen Wir- kung bestimmter Sera Abbruch zu tun, zweifellos gerechnet werden musz zu gehören zu den baktericiden, etw. mikrobiciden Sera, deren Wirkung sich gründet auf die Kombination eines spezifieken Ambozeptors und eines passenden Komplements. Obgleich das Virus der Schweinepest noch völlig unbekannt ist und den von Uhlenhuth gefundenen Körperchen, welche er vergleicht mit den Chlamydozoen von VON PROWAZEK, noch nur einen beschränkten Wert beigelegt werden kann, ist es dennoch erklärlich, dasz die Wirkung des Schweinepestserums 229 von einem theoretischen Standpunkt betrachtet werden musz wie die der übrigen baktericiden Sera. Es ist übrigens von bestimmten Sera bekannt, dasz sie eine immunisierende Wirkung haben bei einem Tier und nicht bei dem andern. Von SOBERNIIEIM wissen wir unter andern, dasz ein von Schafen bekommenes Immunserum gegen Milzbrand, mit dem man Schafe passiv immunisieren kann, bei Kaninchen, sogar in groszer Quantität, fast ganz unwirksam ist, offenbar, weil der von dem Schafe produzierte Ambozeptor im Körper des Ka- ninchens kein passendes Komplement findet. Wechsberg hat weiter konstatiert, dasz bei der Immunisation von Tauben gegen Vibrio MetschniküFF in das Taubenserum ein Ambozeptor entsteht, welcher im Taubenkörper ein passendes Komplement findet ; der Ambozeptor, welcher man bekommt mit demselben Antigen bei Kaninchen, besitzt nicht das Ver- mögen eine Taube zu retten von der tödlichen Infektion durch Vibrio MetSCHNIKOFF, während dies wohl gelingt mit Tauben- serum. Auch ist es bekannt, dasz man mit einem Immunserum, bekommen von Pferden, durch Einspritzung dieser Tiere mit den bipolairen Bazillen, Mäuse leicht beschützen kann, dagegen Kaninchen mit weit weniger Sicherheit. Wir wissen weiter, dasz die sehr empfängliche Maus, nach Injektion von Menschen- blut, in dem sich Pneumokokken befinden, meistens nicht stirbt, während das Kaninchen an einer derartigen Infektion verendet. Man ist der Meinung, dasz die Antikörper des derartig infek- tierten Menschenblutes die übrigens sehr empfängliche Maus immunisiert, während das Kaninchen dadurch olïenbar weniger schnell immun wird. Dennoch ist es bekannt, dasz auch Kaninchen gegen Pneumo- kokkeninfektionen sehr gut zu immunisieren sind. Wenn ich hier nun zufüge die Beobachtung, dasz ein Serum, bekommen mittels Schweinen, durch Einspritzung dieser Tiere mit dem filtrierbaren Virus der Schweinepest, imstande ist Schweine zu schützen und das ein Serum auf dieselbe Weise angefertigt mittels Pferden oder Rindern, wie ich schon gesagt habe, diese Eigenschaft nicht besitzt, so erhellt sich daraus, dasz man bei der Serumanfertigung zur Bekämpfung der Infektionskrank- heiten diesen Tatsachen Rechnungr trasren musz. Könnte man 230 jedes Serum anfertigen mittels des Tieres, bezvv. des Menschen, bei dem die Krankheit, gegen welche man auftreten will, spon- tan vorkommt, so würde sich dies warscheinlich in vielen Fällen empfehlen. Weiter empfiehlt sich die Anfertigung polyvalenter oder multipartialer Sera; leider ist die Anfertigung dieser Sera mit einem groszen Verlust von Serumtieren verbunden. So ist es auffallend wie wenig kurative und auch präventive Wirkung ein monovalentes (monopartiales) Serum besitzt z. B. gegen die Kolibacillose der Kälber und gegen die Schweine- seuche. Mann könnte die Frage stellen : findet denn das monovalente Serum im Körper des Kalbes oder des Schweines kein pas- sendes Komplement? Zu diesem Ausspruch würde man gewisz nicht berechtigt sein und es scheint, dasz dieser Umstand wirklich anders erklärt werden musz. Hier soll offenbar die Ursache nicht in dem Komplement, sondern in dem Antikörper selbst gesucht werden. Die Antigene verschiedener Stämme eines selben Mikroorga- nismus scheinen nicht immer völlig identisch mit einander zu sein und es ist nicht klar, ob dieser Unterschied quantitativer oder qualitativer Art ist, aber die Serumtherapie lehrt uns, dasz die kurative Wirkung eines Serums, bekommen durch Einspritz- ung einer Anzahl Stämme eines spezifieken Mikroorganismus gröszer ist, als wenn man dazu einen einzigen Stamm gebraucht. Die Antikörper scheinen dermaszen spezifiek zu sein, dasz sie sogar abhängig sind von ziemlich kleinen Unterschieden in dem Antigen, anwesend in den Stämmen eines selben Mikro- organismus. Der Gebrauch einer Anzahl Stämme hat also in hohem Masze Einiîusz auf die Wirksamkeit bestimmter Sera, einerlei ob diese Sera eine bactericide oder eine bacteriotrope Wirkung haben. Dasz diesem Umstand zu Grunde liegt, dasz die Antigene bestimmter Stämme nicht gleichwertig sind, unterUegt keinem Zweifel, was folgende Beobachtungen ausweisen werden. Ein Rind, welches gegen verschiedene Stämme der Euter- streptokokken immunisiert worden ist, erhält an einem be- stimmten Tage, um die Polyvalentie des Serums noch mehr 231 zu fördern, eine Streptokokkenkultur, welche von einer Uterus- streptomykose herrührt. Das Tier, das die ersten Injektionen gut vertragen hatte, stirbt jetzt an einer allgemeinen Streptokokkeninfektion. Bei dem Tiere, das immun war gegen Euterstreptokokken, waren offenbar keine Antikörper anwesend für jedes Antigen, welches sich in dem neuen Stamm befand. Ein Pferd, welches immunisiert worden ist gegen Strepto- coccus equi, kann auf einen Streptococcus equi, der aus einem ganz anderen Ort herrührt, stärker reagieren. Ein Pferd, das schon hoch immunisiert worden ist gegen einen bestimmten Rotlaufstamm, erhält einen ganz anderen Stamm. Dieses Tier reagiert auf diese Injektion bisweilen w^eit heftiger, aber nicht immer. Es ist bei der Serumanfertigung bekannt, dasz man weniger Serumtiere verlieren wird, wenn man wenig neue Stämme einspritzt. Spritzt man wiederholt andere Stämme ein, so wird das Serum besser, aber die Anzahl Sterbefälle unter den Tieren, welche das Serum produzieren, wird meistens gröszer. Lehrt die Serumtherapie, dasz der Gebrauch verschiedener Stämme bei der Anfertigung den Wert des Serums erhöht, wir besitzen auch von einem epidemiologischen Standpunkt An- gaben, welche an etwas Analoges denken machen und w'elche ausweisen, dasz eine Immunität gegen einen Stamm eines Mikroorganismus nicht schützt gegen einen anderen Stamm desselben Mikroorganismus. So ist es bekannt, dasz nach dem Überstehen von Gonorrhoe eine ziemlich hohe Immunität auftritt gegen den homologen Stamm aber nicht gegen den heterologen Stamm. Hieraus musz man wohl schlieszen, dasz die Antigene der Gonococcenstämme nicht ganz identisch mit einander sind und dasz deshalb die gebildeten Antikörper in Funktion einigermaszen von einander abweichen müssen. Auch ist es bekannt, dasz bei einigen Krankheiten, unter andern beim infektiösen Abortus des Rindes und auch bei der Influenza des Menschen, in vielen Fällen keine Immunität ein- tritt, nachdem die Krankheit einmal überstanden worden ist. Beim Abortus des Rindes wissen wir, dasz das Rind nicht 232 selten zweimal, aber auch drei-, vier- sogar fünfmal von dieser Krankheit ergriffen wird ehe Immunität eintritt. Und dennoch ist es aufïallend, dasz eine graduelle Immunität nach jedem Krankheitsprozesz zur Entwickelung kommt, bis endlich das Tier nicht mehr erkrankt. Es ist nicht bekannt, ob wir das wiederholt Entstehen der Krankheit zurückführen müssen auf eine Infektion durch die- selben Stämme, oder durch neue Stämme oder eventuell durch Passagestämme. Man huldigt der Meinung, dasz das wiederholt Verwerfen beruhen soll auf Abortusbazillen, welche von einem früheren Abortus übriggeblieben sind. In diesem Fall müszte der Mangel an genügender Immunität sich gründen auf den Umstand, dasz zu wenig Antikörper anwesend gewesen sind. Dasz es übrigens bei der Seruman- fertigung öfters vorkommt, dasz gewisze Serumpferde keine, oder ganz ungenügend Antikörper bilden ist gewisz wohl in jedem Seruminstitut konstatiert worden, und man darf also auch die Möglichkeit annehmen, dasz in einigen Fällen, nachdem eine Infektionskrankheit überstanden ist, eine genügende Bildung der Antikörper ausbleibt. Wenn wir weiter das Auge richten auf verschiedene Stämme der bipolairen Bazillen, welche bei Tieren besonders als Pneu- monieerreger bekannt sind, so stöszt man dabei auf eine Eigentümlichkeit, welche ausweist, dasz sogar die Stammunter- schiede in hohem Masze stabil sind und weiter, dasz die Injektion bestimmter Stämme eine Immunität zu Folge haben kann, welche vollkommen ist gegenüber den Stamm, welcher zu der Immunisation gebraucht wurde, aber unvollkommen gegenüber einem andern Stamm desselben Mikroorganismus. Bekannt ist es, dasz durch diese bipolairen Bazillen, welche von einer Pneumonie des Schweines herrühren, bei Impfung in eine Hauttasche am Ohr eines Kaninchens, dieses Tier innerhalb 14 — 24 — -36 Stunden verendet an einer generalen Blutinfektion. Dieser Mikroorganismus besitzt in hohem Masze das Vermögen direkt in das Blut zu treten und ohne bedeutende lokale Reaktion. Und dennoch kommt es öfters vor, dasz diese Mikroorganismen, welche ebenfalls von Pneumonien der Schweine stammen, und 233 welche Pneumonien mit groszcr Malignität verliefen, bei der- selben Impfung Kaninchen nicht töten, sondern eine gewaltige lokale Reaktion im Ohr hervorrufen, wobei das Ohr riesig an Umfang zunimmt und von der das Kaninchen sich gewöhnlich wieder erholt. Derartige Stämme betragen sich, ganz in Abweichung vieler andern Stämme dieses Mikroorganismus, als hätten sie eine Abneigung gegen das Blut, denn eine Blutinfektion tritt hier nicht ein. Wenn ein Kaninchen mit einem derartig angeschwollenen Ohr sich erholt, ist es immun geworden gegen den Stamm, mit dem es eingespritzt wurde und meistens nicht immun oder nur partiell immun gegen den Stamm, welcher die Eigenschaft besitzt schnell in das Blut zu treten. Spritzt man ein derartig immunisiertes Kaninchen ein mit dem letztgenannten Stamm, so stirbt das Tier meistens an einer allgemeinen Infektion oder es entsteht an der Injektionsstelle ein Abszesz, in dem sich die bipolairen Bazillen befinden. Werden diese Bazillen, aus dem Abszesz in Reinkultur gezüchtet, eingespritzt bei einem nicht immunisierten Kaninchen, so stellt sich heraus, dasz sie ihre ursprüngliche Eigenschaft behalten haben. Das eingespritzte Tier stirbt bald an einer generalen Sepsis. Hieraus darf man wohl schlieszen, dasz man Stammunterschieden bei der Anfertigung baktericider Sera, Rechnung tragen musz. Haben wir bei der Wirkung, wenigsten der baktericiden Sera ein passendes Komplement zu berücksichtigen, gewisz haben wir dabei auch den Wert der Ambozeptoren nicht zu vernachlässigen. In Bezug auf den ersten Punkt müssen wir unsre Wahl be- sonders richten auf die richtige Tiergattung, welche das Serum liefern musz, und in Bezug auf den zweiten Punkt müssen wir auszerdem Rücksicht nehmen auf die Stämme des Mikro- organismus, welche bei der Immunisation gebraucht werden. Soweit unsre Beobachtungen ein Urteil gestatten, kann das Serum gegen die Schweinepest, wie ich schon gesagt habe, nur mittels Schweinen angefertigt werden. Erwachsene Schweine werden zu diesem Zwecke hoch im- munisiert durch wiederholte Einspritzung des filtrierbaren Virus, das die Ursache der Schweinepest ist. Dieses Virus, das in Wirkung nicht immer gleich ist, bekommt man durch Infektion i6 434 junger Schweine mit Schweinepest, sei es dasz man sie in einen infektierten Stall bringt, sei es dasz man sie subkutan ein- spritzt mit dem defibrinierten Blut von Schweinen, welche an Schweinepest leiden, und welche Tiere in dem akuten Stadium der Krankheit geslachtet werden. Das Blut derartiger jungen Schweine, die mit Schweinepest behaftet sind, wird gesammelt, defibriniert und mit diesem Blut werden erwachsene Schweine, welche Immunität besitzen oder immunisiert worden sind gegen Schweinepest, in zunehmender Quantität subkutan eingespritzt, sodasz jedes Schwein in einer Periode von ungefähr 3 Monaten einen Liter virulentes, defibriniertes Blut erhält. Alsdann ist das Schwein zur Serumproduktion fertig. Nun fängt man an Blut zu lassen aus dem Schwanz, indem man ein kleines Stück des Schwanzes entfernt. Dies wird jede 4 Tage wiederholt bis der Schwanz verbraucht ist und dann wird das Schwein geschlachtet und alles Blut gesammelt. Auf diese Weise bekommt man soviel Blut, dasz man unge- fähr 6 Liter Serum hat aus einem Schwein. Dieses Serum wirkt in hohem Masze präventiv, unter der Bedingung, dasz es eingespritzt wird bei Schweinen, welche der Infektion ausgesetzt sind. Ich will Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, dasz man in der Im- munitätslehre eine passive und eine aktive Immunität unterscheidet. Nun ist es bekannt, dasz man blosz mit Serum gewöhnlich eine pas- sive Immunität erregen kann, welche natürUch von kurzer Dauer ist. Dies ist auch der Fall mit Schweinepestserum, wenn dieses Serum eingespritzt wird bei gesunden und nicht infektierten Schweinen. Derartige Tiere bekommen nur eine Immunität gegen die Schweinepest von ungefähr 3 Wochen. Aber, wenn man mit dem Serum gesunde Schweine, welche der Infektion ausgesetzt sind, einspritzt, (gesunde Schweine, welche das Virus der Schweinepest aufgenommen haben), so entsteht eine aktive Immunität, welche lebenslänglich dauern kann. Wie soll das erklärt werden ? Beim Rotlauf ist es bekannt, dasz man, um eine länger dauernde Immunität zu erregen, das Schwein nicht nur mit Serum, sondern auch mit Kultur einspritzen musz, und es ist diese Kultur, welche eine aktive oder länger dauernde Immunität hervorruft. Bei der aktiven Immunität wird das Tier selbst angeregt 235 Antikörper zu bilden, während bei der passiven Immunität, nämlich blosz durch das Serum, die Antikörper bei dem Tier eingespritzt werden, welche Antikiirper nach Verlauf von einigen Wochen wieder aus dem Tiere verschwinden. Das Serum allein erregt niemals eine aktive Immunität ; dazu ist immer nötig die Kultur oder namentlich das Virus der Krankheit. Nun haben wir bei der Schweinepest keine Kultur zu unsrer Verfügung; wir sind nicht imstande das filtrierbare Virus der Schweinepest künstlich zu züchten. Die aktive Immunität bei der Schweinepestseruminjektion wird erregt von dem Virus, das die Schweine auf den infcktierten Höfen per os aufnehmen und das eingespritzte Serum ist die Ursache, dasz die Krankheit nicht ausbricht. Die Kultur bei der Rotlaufimpfung wird bei der Schweinepestinjektion von der natür- lichen Infektion vertreten. Offenbar gelingt dies bei nicht einer Krankheit so leicht wie bei Schweinepest, obgleich man zugeben musz, dasz auch bei der Druse der Pferde mit dem Serum ungefähr dasselbe zu erreichen ist, wenigstens, wenn derartige Pferde in der Lage sind Drusestreptokokken aufzunehmen. Durch die präventive Anw^endung dieses Serums bei unsern Kriegspferden, ist das Auftreten der Druse unter diesen Tieren auf ein Minimum herabgesetzt. Dasz der präventive und kura- tive Wert, welcher auch von Privatseiten dem Druseserum beige- legt wird, nicht gering ist, möge die Tatsache ausweisen, dasz ein Pferdehändler im Ausland in ungefähr 3 Jahren von dem Reichsseruminstitut erhielt 48 Liter Serum, für welche er 4800 Gulden zahlte, nämlich 100 Gulden per Liter. Dieses Serum wird von ihm benutzt um seine eignen Pferde einspritzen zu lassen. Aus vorstehenden Mitteilungen geht hervor, dasz die Serum- anwendung gegen Schweinepest mit groszer Sorgfalt geschehen musz. Es soll nämlich nicht in Anwendung kommen bei ge- sunden Schweinen, welche nicht der Infektion ausgesetzt sind, denn dann dauert die Immunität nur 3 Wochen. Es kommt in Verwendung bei gesunden Schweinen auf einem Hofe, sobald ein Fall der Schweinepest vorgekommen ist. Wenn auf einem Hofe ein Krankheitsfall konstatiert worden ist und sind die gesunden Schweine sofort eingespritzt mit Serum und stellt sich später heraus, dasz der Krankheitsfall keine Schweinepest war, so müssen die Schweine auf diesem Hofe wieder mit Serum injiziert 236 werden, sobald ein wirklicher Fall der Schweinepest ausbricht. Es empfiehlt sich weiter, dasz die schwer erkrankten Schweine von den eingespritzten Tieren separiert werden, weil, wenn auch eine Infektion notwendig ist, eine zu heftige Infektion nicht wünschenswert ist für die eingespritzten Schweine. Denn bei andern Impfungen, bei denen Serum und Kultur eingespritzt werden, ist die Quantität Kultur auch immer ziemlich klein. Eine zu grosze Quantität Kultur könnte bedenkliche Folgen haben. Etwas Ähnliches besteht bei der Pestimpfung ; hier soll die natürliche Infektion nur mäszig sein. Hieraus ergiebt sich, wenn man mit dem Serum gute Resultate bekommen will, dasz man vernünftig vorgehen musz. Derjenige, der dies macht, wird auf günstige Resultate rechnen können; dagegen wird im entgegengesetzten Fall die Injektion den Erwartungen nicht entsprechen. Nun stellt sich weiter heraus, dasz Schweine, bei denen die Schweinepest schon ausgebrochen ist, noch durch das Serum genesen können, nämlich wenn sie sich noch befinden in dem ersten Stadium der Krankheit und eine secundaire Infektion noch nicht eingetreten ist. Haemorrhagische Formen der Schweinepest, welche akut verlaufen, können auch ohne dasz eine secundaire Infektion eingetreten ist, gewöhnlich nicht durch das Serum genesen. Schweine, bei denen die Krankheit weniger heftig auftritt, können gerettet werden. Es scheint, dasz derartige Schweine, ehe eine secundäre Infektion eintritt, sich durch Einspritzung des Serums erholen. Daraus erhellt, dasz das Serum auch präventiv wirkt gegen die secundäre Infektion der Pestbazillen und der bipolairen Bazillen. Dem Ausbruch der secundären Schweineseuche wird deshalb von Schweinepestserum, wenn dies rechtzeitig in Anwendung kommt, vorgebeugt. Die Simultanimpfung bei Schweinepest, nämlich gleichzeitige und subkutane Injektion des Virus und des Serums, scheint vorläufig noch bedenkliche Folge veranlassen zu können, obgleich man schon über günstige Resultate verfügen kann. Im Reichs- seruminstitut werden Versuche angestellt durch eine künstliche Infektion per os und eine gleichzeitige subkutane Serumeinsprit- zung, eine Immunität zu erregen. Hierbei wird die natürliche Infektion möglichst treu nachgeahmt. Aus dem Immunitätslaboratorium des Reichsseruminstiluts in Rotterdam. UEBER LEUKOCYTOLYTISCHES SERUM VON Dr. H. E. REESER. Wenn man die thermostabilen phagocytosebefördernden Immunstoffe (Bakteriotropine) identifiziert mit lytischen Ambo- zeptoren, so muss man auch annehmen, dass dieselben in den Leukocyten ein passendes Komplement finden und dass durch Zusammenwirkung dieser beiden Körper eine Auflösung der in die Leukocyten aufgenommenen Elemente stattfindet. Tritt dagegen in den Phagocyten kein Komplement in Wirkung, so darf man auch die Bakteriotropine nicht wie Ambozeptoren be- trachten, weil wir darunter Körper verstehen, welche die Funktion besitzen eine Bakterie oder eine Zelle unter Einwirkung des Komplements anzugreifen. Nun sind die Beziehungen der Leukocyten zu dem Komplement schon den Gegenstand zahlreicher Untersuchungen gewesen, wobei man gewöhnlich 2 Fragen unterscheidet : a. ob die Leukocyten Komplement sezernieren (BÜCHNERS Hypothese) ; h. ob die Leukocyten, beim Zugrundegehen (innerhalb oder ausserhalb des Körpers), das in ihnen enthaltene Komplement in das Serum übergehen lassen (Metchnikoffs Hypothese). Was die Herkunft des Komplements betrifft, darüber besteht eine sehr grosze Literatur, es liegen darüber ausgezeichnete zusammenfassende Darstellungen zum Teile der letzten Zeit vor. Ich nenne z. B. die Monographien von Metchnikoff, Fried- BERGER und Hahn in KoLLE- Wassermanns Handbuch, Bd. IV; die Monographie von SACHS in LUBARSCH-OSTERTAGS Ergeb- 238 nissen ; die Verhandlungen des hygienischen Kongresses im Jahre 1903 in Brüssel, und auch die Arbeit von SCHNEIDER (i) (Die Praexistenz des Alexins im zirkulierenden Blut). Denys, Kaisin und Havet (2) fanden zuerst das leukocyten- reiche Exsudate stärker bakterizid waren als die entsprechenden Blutsera. Buchner (3), der dieselbe Beobachtung machte, konstatierte dass Erwärmung auf 56" C. auch den leukocytenhaltigen Flüssig- keiten das bakterizide Vermögen beraubt und er folgerte daraus die Identität der bakterienvernichtenden Stoffe des Serums und der leukocytenreichen Exsudate. Durch diese Untersuchungen sah er sich veranlasst die Leukocyten als die Bildungsstätte der Alexine anzusehen, weshalb er diesen Zellen den Namen »Alexo- cyten« gab. BuCHNER bestreitet jedoch entschieden, dass die Leukocyten eine aktive phagocytäre Rolle bei der Bakterizidie spielen. Er und seine Schüler wiesen nach, auf Grund einer Reihe von weiteren Untersuchungen, dass es nur physiologische Sekretionsprodukte der Leukocyten sind, welche die erwähnte Wirkung hervorbringen. Nach BÜCHNERS Anschauungen findet die Sekretion der Wirksamen Stoffe aus den lebenden Leuko- cyten statt und ist als Ausdruck einer physiologischen, vitalen Funktion anzusehen ; zum Teil werden aber die Alexine auch bei dem in dem Organismus immer stattfindenden Zerfall von Leukocyten an das Serum abgegeben. Was weiter die Hypo- these von Büchner betrifït, die Verhältnisse zwischen Komple- ment und Leukocyten, können am besten studiert werden bei den roten Blutkörperchen und so giebt es über die Frage, ob die Leukocyten haemolytisches Komplement sezernieren auch Untersuchungen von Gruber, Von Hohe, NeUFELD und anderen. Gruber 4) brachte in vitro sensibilisierte Blutkörperchen mit Leukocyten zusammen, welche in Kochsalzlösung oder inaktivem Serum aufgeschwemmt waren und studierte die hierbei eintretende Phagocytose. Er stellte fest, dass bei dieser Ver- suchsanordnung die extracellular gelegenen Blutkörperchen keine Hämolyse erkennen Hessen. Hohe (5) versetzte einige ccm. frischen Kaninchenserums mit Leukocyten, die er aus der Brusthöhle desselben Tieres, von dem das Serum stammte, durch Aleuronatinjektion erhalten hatte, liess das Gemisch 1/2 Stunde bei 37'^ C. stehen und 239 zentrifugierte die Zellen ab. Nun prüfte er die überstehende Flüssigkeit auf ihre hämolytische Kraft gegenüber Meerschwein- chenblut, indem er zum Vergleich das frische, unbehandelte Kaninchenserum heranzog. Es ergab sich, dass die hämolytische Wirkung des Serums durch die Behandlung mit Leukocyten nicht zu-, sondern abgenommen hatte, und weitere Versuche lehrten, dass diese Abnahme auf Verringerung des Komplement- gehaltes beruhte. Die Leukocyten hatten also nicht nur kein hämolytisches Komplement sezerniert, sondern sogar einen Teil des im Serum vorhandenen absorbiert. Derartige Versuche wurden auch von NEUFELD angestellt. Auch er sah in Leukocytenaufschwemmungen mit sensibilitierten Hammelblutkörperchen nie hämolyse auftreten, und konstatierte, ebenso wie HOHE, durch Leukocyten eine Hemmung der Hämo- lyse (Komplementabsorbtion). Auch NEUFELD nahm darum an, dass die Leukocyten keine nennenswerten Quantitäten Komple- ment sezernierten, dass also gar nicht die Rede davon sein kann, dass alles im Serum vorhandene Komplement durch Sekretion der Leukocyten seine Entstehung verdankt. Eine von der BuCHNERschen in wesentlichen Punkten ab- weichende Anschauung vertritt MetchnikoFF. (6) Seine Hypothese, bei deren die Leukocyten, erst wenn sie absterben, ihr Komplement abgeben sollten, berührt den Kern der humoralen Immunitätslehre. Unter normalen Umständen würden die Alexine nie frei in den Körpersäften zirkulieren, sondern in die Phagocyten eingeschlossen sein ; im Organismus sollten also, unter den normalen Bedingungen, allein die Phago- cyten zur Vernichtung der Keime befähigt sein, da im intakten Körper, nach Metchnikoff, keine freien, im Blut zirkulierenden Alexine vorhanden sein können. Das zirkulierende Blut ist seiner Meinung nach vollkommen alexinfrei. Die Alexine sollten nur dort, wo Leukocyten zufälligerweise zu Grunde gehen (Phagolyse) in die Körperflüssigkeiten über- gehen. Es sollte nämlich das Komplement sein, worauf die Vernichtung der in die Leukocyten gelangten Bakterien zurück- zuführen wäre. Ebenso wie die Reaktion nach PFEIFFER nur durch Phago- lyse zustande kommen sollte, so sollte man auch, nach Met- CHNIKOFFS Lehre, die bakterizide Kraft des Serums einer 240 Anzahl Leukocyten verdanken, welche beim Gerinnen des Blutes zu Grunde gehen und dann Komplement an das Serum abgeben. (Der gröszte Teil der Physiologen nimmt gegenwärtig aber an, dass beim Gerinnen des Blutes kein Zerfall von Leukocyten stattfindet.) Wäre die Theorie MetCHNIKOFFs ohnehin richtig, so müsste zwischen dem Blutplasma und dem Blutserum ein sehr grosser Unterschied in bakterizider Fähigkeit zu bemerken sein, was zahlreiche Versuche mehrerer Forscher als nicht zu- treffend stipuliert haben. Diese viel bekämpfte Hypothese Metchnikoffs lässt sich nun unter exakten Bedingungen einer Prüfung an Blutkörper- chen unterziehen. Die bisherigen Versuche, aus den Leukocyten hämolytisches Komplement zu extrahieren, haben zu negativen Ergebnissen geführt; LandSTEINER (7) und Lambotte und Stiennon (8) fanden, dass solche Extrakte im Gegensatz zu dem Blutserum und der Exsudatflüssigkeit desselben Tieres nicht imstande waren inaktiviertes, hämolytisches Serum zu komplettieren. Neufeld (9) berechnete dass, der Lehre Metchnikoffs nach, ein Makrophag soviel Komplement enthalten sollte, 8000 — 10.000 sensibilisierte rote Blutkörperchen momentan aufzulösen. Er untersuchte nun im hängenden Tropfen Leuko- cyten, welche ein oder mehrere sensibilisierte, rote Blut- körperchen in sich aufgenommen hatten und konstatierte kein einziges Mal, dass die Blutkörperchen so schnell in die Phago- cyten aufgelöst wurden, dass sie innerhalb einiger Minuten in Schatten verwandelt waren, wie bei extracellulärer Hämolyse wahrgenommen wird. Die Verdauung der roten Blutkörperchen geschah äusserst langsam ; nach einigen Stunden konnte Neufeld den gröszten Teil der roten Blutkörperchen noch normal in den Leukocyten nachweisen. Auch Gruber erhielt derartige Erfolge wie Neufeld. Die intracelluläre und extracelluläre Auflösung der Blutkörper- chen scheinen deshalb zwei völlig von einander verschiedene Prozesze zu sein ; die intracelluläre Auflösung ist mehr einer Verdauung ähnlich, welche sehr wahrscheinlich zurückzuführen ist auf die vitale Wirksamkeit der Zelle und verläuft zweifellos ohne Mitwirkung des Komplements Insoweit stimmen Metchnikoff und BuCHNER, trotz prinzi- 241 pieller Gegensätze, überein, dass beide die bakterievernichtenden Eigenschaften des Blutes mit den Leukocyten in enger Zusam- menhang bringen. PFEIFFER sowie MOXTER (10) dagegen, konnten keineswegs einen Zusammenhang der bakteriziden Eigenschaften mit den Leukocyten beobachten. Die Untersuchun- gen der beiden genannten Autoren sind nicht die einzigen ge- bheben, welche die Lehre vom Zusammenhang der Leukocyten mit den Alexinen ins Wanken brachten. Es liegen eine grosze Reihe von weiteren Arbeiten vor, die keineswegs für einen Zusammenhang der Alexine mit den Leukocyten sprechen. Es lohnte daher die Mühe einmal nachzuforschen ob es vielleicht gelingen würde aus Leukocyten mit Hilfe eines spezifischen Icukocytenauflösenden Serums, Komplement auszuscheiden. Der Gedanke, übermässig gewucherte Zellen durch Cylolysinen zur Auflösung zu bringen, ist, auszer bei der Behandlung von Karzinom unter andern auch versucht bei den Krankheiten, welche auf eine pathologische Wucherung der Blutelemente beruhen. Den Weg, welchen man zuerst einschlug war diesen, dass man Blutbestandteile oder blutbildende Organe injizierte, in der Hoffnung spezifische Sera zu bekommen. Der erste, der versuchte ein antileukocytäres Serum zu bereiten, war Metchnikoff. Durch subkutane Injektion einer Rattenmilz bei Meerschwein- chen bekam er ein Serum, das agglutinierend und auflösend wirkte auf Rattenleukocyten. Die mononukleären wurden zuerst angegriffen und veränderten in klare Bläschen mit sehr sicht- barem Kern, darauf kamen die polynukleären Leukocyten in die Reihe, welche dieselbe Veränderungen erfuhren, indem schliesslich die Zellen von EHRLICH (Mastzellen) angegriffen wurden. Das Serum der vorbehandelten Meerschweinchen ent- hielt also ein sehr aktives Leukozidin. Spritzte er nur mono- nukleäre Leukocyten ein, so beobachtete er doch, dass das Serum auch auflösend wirkte auf die polynukleären. Weiter stellte sich heraus, dass diese Wirkung streng spezifisch war; das Serum, das schnell Rattenleukocyten vernichtete, erwies sich fast unwirksam gegen Mäuseleukocyten ; ein gegen Kaninchen- leukocyten prepariertes Serum löste nur diese Leukocyten auf und nicht die der Ratten und umgekehrt. Delezenne (12) teilt in seinen Beiträgen zum Studium der antileukocytären Sera mit, dass er durch die Injektion von 242 Hundeserum ein nur gegen den Hund gerichtetes Leukotoxin bekommen habe. FUNCK (13) injizierte intraperitoneal bei Meerschweinchen Kaninchenmilz. Angefangen mit einer halben Milz und gestiegen bis eine ganze Milz, spritzte er die Tiere in Zwischenräumen von 8 — IG Tagen 6 Mal ein, worauf das Serum gesammelt wurde, welches auf seine leukotoxische Wirkung sowohl in vivo (Bauchhöhle Kaninchen) als in vitro (peritoneales Exsudat des Kaninchens) kontrolliert wurde. In vitro beobachtete er nach 2 Stunden eine Degeneration der Leukocyten, welche Degeneration nach 24 Stunden mit einer volkommenen Vernichtung der Leukocyten, sowohl der mononukleären als der polynukleären, endete. Normales Meer- schweinchen Serum hatte auf die Kaninchenleukocyten gar keine Wirkung. Ähnliche Resultate erzielte BlERRY (14) der auch kon- statierte, dass das Serum von Tieren, welch intraperitoneal mit Leukocyten vorbehandelt waren, die Leukocyten unbeweglich machte und dieselben in runde Kugeln verwandelte. Es wäre zu viel alle Studien über Leukotoxine hier zu besprechen. Ich will nur die Aufmerksamkeit lenken auf die Artikel von Flexner (15), CHRISTIAN (16), CESARIS, DEMEL und SOTTI (17), França (18), LesCHKE (19), u. s. w., welche alle über Leukotoxine handeln. Zu meinen Versuchen gebrauchte ich leukocytolytisches Serum gegen Pferde- und Meerschweinchenleukocyten. Das erstere bekam ich, indem ich Kaninchen intravenös mit Pferdeleuko- cyten injizierte, welche Leukocyten folgenderweise gesammelt wurden. In eine Flasche mit 15 cM^ 10 0/0 Natriumcitratlösung wurde 100 cM^ Pferdeblut steril aufgefangen, welches Blut einige Stunden ruhig stehen blieb, worauf die roten Blutkörperchen sich in einer dichen Schicht auf den Boden der Flasche abge- setzt hatten. Das trübe, gelbe Plasma wurde mittels einer Pipette abgesogen und dies wurde in einer Zentrifuge mit geringer Tourenzahl zentrifugiert, worauf die Leukocyten, nach- dem sie dreimal mit physiologischer Kochsalzlösung gewaschen waren, von dem anhängenden Plasma befreit wurden. Die Leukocyten, welche sich auf dem Boden der Zentrifuge- gläser befanden, wurden in 10 c.M^ physiologischer Kochsalz- lösung gesammelt, welche Quantität als erste Injektion intra- 243 venös bei einem Kaninchen eingespritzt wurde. Die zweite Injektion fand nach 8 Tagen ebenso intravenös statt ; die inji- zierten Leukocyten stammten von 200 c.M^ Pferdeblut; die dritte Injektion geschah 8 Tage nach der zweiten mit 300 c.M^ und so hintereinander, bis das Tier bei der sechsten Injektion intra- venös die Leukocyten von 600 c.M3 Pferdeblut empfangen hatte. Die gebrauchten Kaninchen, welche die Injektionen ohne heftige Reaktionserscheinungen vertragen hatten, wurden 10 Tage nach der letzten Einspritzung durch Verblutung aus der Carotis getötet. Das steril gesammelte Blut blieb 2 Tage ruhig stehen, voorauf das leukocytolytische Serum, das sich ausschied, in kleinen Flasschen im Eisschrank aufbewahrt wurde. Die Leukocyten, welche nötig waren für die Bereitung eines leukocytolytischen Serums gegen Meerschweinchenleukocyten, erhielt ich durch intraperitoneale Injektion von Meerschweinchen mit 20 C.M3 Pepton-Na Cl-lösung; nach 6 Stunden wurde diese, nun leukocytenreiche Flüssigkeit, mit einer Kanüle, wieder aus der Bauchhöhle gesammelt. Für die erste Injektion meiner Kaninchen gebrauchte ich die Leukocyten von einejn Meerschwein- chen ; für die folgenden Einspritzungen, welche 8 Tage nach der vorhergehenden Injektion statt fanden, benutzte ich die Leuko- cyten von je einem Meerschweinchen mehr, sodass bei der sechsten Injektion die Leukocyten von 6 Meerschweinchen injiziert wurden. Die Verblutung der Tiere fand auch hier lo Tage nach der letzten Injektion statt. Weil ich nun im Besitz war dieser antileukocytären Sera, kam die Frage auf, ob diese Sera wirklich Leukocyten auflösten, und bejahendenfalls, in welcher Quantität. Um dies zu kontrollieren müssen, auszer dem spezifischen Serum, noch zwei Stoffe anwesend sein, nämlich Leukocyten (in unsrem Fall eines Pferdes oder eines Meerschweinchens) und Komplement. Die Pferde- und Meer- scheinchenleukocyten erhielt ich auf die obenerwähnte Weise. Besonders für diese Versuche ist es notwendig Leukocyten zu bekommen, welche nichts oder sehr wenig von ihren vitalen Eigen- schaften eingebüszt haben. Hier musz deshalb speziell beachtet werden, dass die Leukocyten tüchtig gewasschen und von der anhängenden Flüssigkeit befreit werden. Dies ist ein besonders wichtiger Punkt, da wir die Anwesenheit von kleinen Mengen eines andern Serums und vor allem von Komplement ausschlieszen müssen. 244 In der Regel wird es genügen die Zellen zweimal zu waschen ; doch kann man ohne Schaden das Waschen noch öfters wieder- holen ; zulange fortgeseztes Zentrifugieren kann dagegen zu einer Schädigung der Leukocyten führen. Man muss möglichst frisch entnommene Leukocyten benutzen ; die im Eisschrank aufge- hobenen Zellen zeigen ihre Fähigkeit noch nach 24 — 28 Stunden. Das gebrauchte Meerschweinchenkomplement, wurde in der gewöhnlichen Weise erhalten, indem das Blut eines Meer- schweinchens in eine sterile Schale gesammelt wurde, um nach dem Gerinnen das Serum ausscheiden zu lassen. Nun wurden, zur Kontrolle auf das leukocytolytische Ver- mögen des bereiteten Serums, verschiedenen Röhrchen, welche 1 cM3 Pferdeleukocytenemulsion nebst einer genügenden Quantität Meerschweinchenkomplement (0.3 cM^) enthielten, abnehmende Quantitäten leukocytolytisches Serum für Pferde- leukocyten beigefügt, w^ährend zur Kontrolle einige Röhrchen mit leukocytenauflösendem Serum für Meerschweinchenleukocyten, einige Röhrchen mit normalem Kaninchenserum und ein Röhrchen ohne Komplement bei dem Versuch gebraucht wurden, wie unterstehende Tabelle deutlich ausweist. No. Komplement. Leukocytol. Serum Pferd. Leukocytenemuls . Pferd. Resultat. I 0.3 cM3. 0.5 cM3. I cM3. + + 2 0.3 >; 0.4 » I » + + 3 0.3 » 0.3 » I » + + 4 0,3 » 0.2 » I » + 5 0.3 » 0. 1 » I » =h 6 0.3 » 0.05 » I » — 7 — » 0.5 » Leukocytol. Serum Meerschw. I » 8 0.3 » 0.5 cM3. I » ± 9 0.3 » 0.4 » I » ± 10 0.3 » 0.3 >, I » — II 0.3 » 0.2 » I » — 12 0.3 » 0. 1 » Normalserum Kaninchen. I » 13 0.3 » 0.5 cM3. 1 » ± 14 0.3 » 0.4 » I y> — 15 0.3 » 0.3 » I » — 16 0.3 » 0.2 » I s — 17 0.3 » 0. 1 » 1 * — 245 Bei obenstehendem Versuch muss noch bemerkt werden, dass die Röhrchen bei 37° C. hingestellt wurden, während zu ver- schiedenen Zeiten, zwischen i und 24 Stunden, ein Tropfen für die mikroskopische Untersuchung den verschiedenen Röhr- chen entzogen wurde. Aus dieser Untersuchung (Färbung nach GlEMSA und May — Grünwald) ergab sich, dass in den Röhr- chen I, 2 und 3 eine sehr starke Leukocytolyse statt gefunden hatte ; nach 2 Stunden konnte man schon in diesen Röhrchen eine beginnende Degeneration der Leukocyten wahrnehmen, während nach 24 Stunden der leukocytolytische Prozesz voll- kommen beendet war. In Röhrchen 4 konnte noch eine ziemlich gut sichtbare, aber dennoch schwächere Leukocytolyse konsta- tiert worden als in den ersten drei Röhrchen ; die Reaktion trat hier erst nach 4 Stunden ein. In Röhrchen 5 konnte eine zweifelhafte Reaktion festgestellt werden, und in Röhrchen 6 und 7 war keine Auflösung der Leukocyten wahrzunehmen. Was die Kontrolle betrifft, so konnte nur mit den gröszeren Dosen, 0.50 M^ und 0.4 c.M^ bei dem leukocytolytischen Serum gegen Meerschweinchenleucocyten und 0.5 c.M^ bei normalen Kaninchenserum eine äuszerst schwache Leukocytolyse mikros- kopisch beobachtet werden. Mit kleineren Quantitäten als die obenerwähnten, fiel eine Reaktion ganz negativ aus. Die Alteration der Leukocyten geht immer weiter und man kann allen Phasen des Prozeszes in den Präparaten folgen, wenn man sie mit Alkoholäther fixiert und mit Giemsa färbt. Zuerst beobachtet man, dass sich die Kerne schwerer und schwächer färben ; es tritt eine Abblassung der Kerne ein, wobei sich die verschiedenen Kernteile zu 1 oder 2 gröszeren Kernteilen vereinigen ; auch änderen sich die Konturen der Leukocyten, die Grenzen werden mehr oder wenig gekerbt und die schwachgefärbten Kerne scheinen sich gegen den Rand der Leukocyten auszubreiten. Das Zellprotoplasma wird granulös, wobei ein Auftreten eosinophiler Granula stattfindet. Schliesziich verschwinden die Kerne ganz und werden die Leukocyten durchscheinend ; eine vollkommene Auflösung der Leukocyten kommt aber nicht zu Stande. Die Schatten der Leukocyten, in denen meistens auch noch der Umriss eines Kerns zu beobachten ist, bleiben zurück. Derselbe Prozesz wurde konstatiert, wenn das leukocytolytische Serum gegen Meerschweinchenleukocyten auf 246 diese Leukocyten einwirkte. Obgleich hier die Reaktion einiger- maszen scliwächer ausfiel als bei den Pferdeleukocyten, was zweifellos auf die Bereitung des leukocytolytischen Serums zurück- zuführen ist, (bei der Bereitung des leukocytolytischen Serums gegen Pferdeleukocyten, wurden verhältnismässig weit gröszere Dosen Leukocyten injiziert als bei der Bereitung des Meerschwein- chen leukocytolytischen Serums,) war dennoch die Leukocytolyse sehr gut in den Präparaten wahr zu nehmen. Auch hier gab das artfremde Serum und das Normalserum nur in der Dosis von 0.5 c.M^ eine schwache Degeneration der Leukocyten. Aus untenstehender Tabelle geht eines und das andre hervor, sodass eine Schilderung des Prozesses als überflüssig betrachtet werden kann. No. Komplement. Leukocytol. Serum Meerschw. Lei'kocytenemuls . Meerschw. Resultat. I 0.3 cM^. o.S cM3. I cM3. + + 4 0.3 » 0.4 » I » + + 3 0.3 » 0.3 » I » + 4 0.3 » 0.2 » I » dt 0.3 » 0. 1 » I » — 6 0.3 » 0.05 » I » — 7 0.5 » Leukocytol. Serum Pferd. I » 8 0.3 » 0.5 cM^ I » ± 9 0.3 » 0.4 » I » — 10 0.3 » 0.3 » I » — II 0.3 » 0.2 » I » — 12 0.3 » 0. 1 » I » — 13 0.3 » 0.05 » Normalserum Kaninchen. I » 14 0.3 » 0.5 cM8. I » dr IS 0.3 » 0.4 » I » — 16 0.3 » 0.3 » I » — 17 0.3 » 0.2 » I » — 18 0.3 » 0. 1 » I » — 19 0.3 » 0.05 > I » — Aus der Untersuchung ergab sich auch, dass beide Sera, und besonders das leukocytolytische Pferdeserum, auszer antileukocy- H7 türen Immunkörpern, auch hacmolytische Immunkörper enthielten, aus welchem Umstand, meiner Meinung nach, nicht die Schlussforderung zu ziehen ist, dass weisse und rote Blutkör- perchen eine Menge Rezeptorentypen mit einander gemein haben. (V. Dungern, Metchnikoff, Moxter bekamen, bei einer Vorbehandlung mit Flimmerepithelien, Milch und Spermatozoën, Haemolysine). Vielmehr führe ich die Anwesenheit der Haemolysine im leukocytolytischen Serum zurück auf die Bereitung und zwar darauf dass das Plasma, das bei den Kaninchen intravenös injiziert wurde, auszer einer überwiegenden Anzahl weisse, auch noch eine gewisse Menge rote Blutkörperchen enthielt, welche sich noch nicht auf den Boden abgesetzt hatten. Die Kaninchen wurden in dieser Weise einer Vorbehandlung mit 2 Antigenen unterworfen. Dass dies wahrscheinlich wohl die Ursache der haemolytischen Wirkung der beiden Sera sein wird, wies weiter der Umstand aus, dass das leukocytolytische Pferde- serum viel stärker haemolytisch wirkte, als das leukocytolytische Serum gegen Meerschweinchenleukocyten, was wieder seine Ursache findet in der Tatsache, dass das Pferdeplasma, das bei den Kaninchen eingespritzt wurde, bei mikroskopischer Untersuchung eine weit grössere Anzahl rote Blutkörperchen enthielt als die Peritonealflüssigkeit des Meerschweinchens. Während das leukocytolytische Pferdeserum noch haemolytisch wirkte in einer Dosis von 0.005 c.M", gab das leukocytoly- tische Meerschweinchen Serum nur Haemolyse bei Anwen- dung von o.i c.M^. Auch ergab sich hieraus, dass trotz bei der Injektion die weissen Blutkörperchen den roten weit über- legen waren, dennoch das Serum (besonders das leukocytolytische Pferdeserum) in einer Dosis von 0.005 ^^-^^ haemolytisch wirkte, wobei die leukocytenauflösende Wirkung schon lang versagt hatte. Auch stellte sich heraus, dass das leukocytolytische Pferde- serum nicht haemolytisch wirkte gegen Meerschweinchenblut und umgekehrt. Dass wir in einem leukocytolytischen Serum ein spezifisches Immunserum besitzen und die leukocytolytischen Stofïe echten Ambozeptoren gleichgestellt werden können, geht aus dem Umstand hervor, dass dieselben, auszer einer artspezifische Leukocytolyse, auch die verschiedenen andern Immunitäts- 248 reaktionen geben (Agglutination, Präzipitation, Komplement- bindung) was ich hier kurz mitteilen will. Das zu der Präzipitation erförderliche Leukocytenfiltrat wurde erhalten, indem ich Leukocyten in einem Mörser mit Quarzsand und Na Cl-lösung, 15 Minuten lang, zerrieb und diese Aufschwemmung darauf filtrierte. Durch Beifügung des artgleichen Serums, wurde an der Grenze der beiden Flüssig- keiten ein sehr schöner Ring sichtbar ; wenn stärkere Verdün- nungen des Filtrats gebraucht wurden, so fiel die Reaktion negativ aus. Vollkommen negativ war die Reaktion, wenn dem Leukocytenfiltrat des Pferdes z. B. das leukocytenauf- lösende Serum gegen Meerschweinchenleukocyten beigefügt wurde und umgekehrt. Bei der Beurteilung der Agglutination musz man vorsichtig sein. Jeder der mit Leukocyten gearbeitet hat wird die Erfahrung gemacht haben, dass sie schon von selbst leicht an einander kleben, sodass man sehr leicht falsche Schluszfolgerungen ziehen kann. Um eine homogene Aufschwemmung von Leukocyten zu bekommen ist es nötig dieselben wenigstens dreimal gut zu waschen sodasz alle anhängende Stoffe entfernt werden. Auch empfiehlt es sich die Aufschwemmung nicht zu dicht zu machen, sonst sieht man die Leukocyten schon von selbst zu Boden sinken. Zieht man diese Fürsorgen in Betracht, so kann man beobachten, dass das leukocytolytische Serum auch agglu- tinierend wirkt und auszerdem, dass diese Agglutinine wieder spezifisch sind für bestimmte Leukocyten. Niemals habe ich wahrgenommen, dass das leukocytolytische Serum für Meer- schweinchenleukocyten Pferdeleukocyten agglutinierte und umge- kehrt. Der Titer dieser beiden Sera ist aber nicht höh ; 1:100 ist gewöhnlich schon die minimale Grenze der Agglutination. Und nun die dritte Immunitätsreaktion, die Komplementbindung. Als Extrakt wurde ein klares Leukocytenextrakt gebraucht und zwar in abnehmenden Quantitäten von 0.5 c.M^ bis 0.05 c.M^. Als Sera wurden die inaktiven leukocytolytischen Sera benutzt, in Quantitäten von 0.2 und o.i c.M^, während ich mich für das Komplement des Meerschweinchenserums bediente, von dem der Titer bei dem vorher angestellten Versuch auf 0.05 c.M^ festgesetzt wurde. Wenn dieses Ganze (die verschiedenen Röhrchen angefüllt mit physiologischer Na Cl-lösung bis zum gleichen 249 Volumen) i Stunde lang bei 37^ C gestellt worden war, und darauf i c.M^ einer 5 0/0 Aufschwemmung von Hammelblut- körperchen und eine bestimmte Dosis des haemolytischen Serums demselben beigefügt worden war, so stellte sich heraus, (wieder nachdem diese Gemische eine Stunde bei einer Temperatur von 37*^ C. gestanden hatten), dass sich in den Röhrchen, in denen das Antiserum auf die Leukocyten eingewirkt hatte, Komplement gebunden hatte, während eine schöne Hae- molyse beobachtet wurde in den KontroUröhrchen mit Normal- serum und in denen wo das artfremde Serum auf die Leukocyten eingewirkt hatte. Mit diesen Leukocytenlösenden Sera (die sich darin befin- denden leukocytolytischen Stoffen müssen, in Bezug auf das Obenerwähnte, als echte Ambozeptoren aufgefasst werden) muszten nun Leukocyten aufgelöst und die daraus freikommenden Stoffe weiter untersucht werden. Da diese Untersuchung statt- finden w^ürde mit Bakterien, so war es in erster Linie notwendig sterile Flüssigkeiten zu bekommen und so steril als möglich zu arbeiten. Wenn in dieser Hinsicht die erforderlichen Vorkehrungen getroffen wurden, so muszte den sterilen Flüssigkeiten eine gewisse Anzahl Bakterien beigefügt werden und nachdem die Flüssigkeiten einige Zeit auf die Bakterien eingewirkt hatten, so muszte die Anzahl Bakterien aus den verschiedenen Röhrchen gezählt werden. Wenn mittels des leukocytolytischen Serums Komplement oder andere baktericide Stoffe aus den Leukocyten entfernt werden, so durfte man erwarten, dass in diesen Röhrchen eine geringere Anzahl Bakterien gefunden würde. Hier will ich auch einen Augenblick die Aufmerksamkeit auf die Versuche von Wassermann lenken, welcher beobachtete, dass nach Leukocyteninjektionen Antikomplemente entstanden, was ihm Beweis genug war, dass die Leukocyten Komplement sezernierten. Dass ein leukocytolytisches Serum wirklich Antikomplemente enthält, konnte ich auch folgenderweise konstatieren. Nachdem ich die minimale Quantität Komplement festgestellt hatte (0.04 c.M^) welche imstande war i c.Ms einer Aufschwemmung von roten Hammelblutkörperchen (mit dem doppelten Titer haemo- lytischen Serums sensibilisiert) aufzulösen, so fügte ich, bei dem nächsten Versuch, dieser minimalen Komplementmenge eine 17 25Ö gewîsze Quantität Leukocytolytischen Serums gegen Meerschweîn- leukocyten zu und nun beobachtete ich in den verschiedenen Röhrchen Hemmung der Haemolyse, während die Röhrchen, welche normales Kaninchenserum enthielten, eine schöne Hae- molyse zeigten, wie untenstehende Tabelle ausweist. No. Komple- Leukocytol. Serum s % llammel- blutkörperchen- Phys. Inakt. Resultat. ment. Meerschw. aufschvvem- Na Cl. Haem. Serum. mung. I 0.04 C.M3 0.3 I C.M3. 0.0015 Hemmung 2 0.04 T> 0.2 I » 0.00 IÇ » 3 0.04 » O.I I » 0.0015 :& 4 0.04 » 0.05 I » 0.0015 (teilw.)» 5 0.04 > 0.03 I » S 0.0015 » » 6 0.04 » 0.02 I » "o > 0.0015 Hämolyse 7 0.04 » O.Ol Normales Kannichen- serum. I » S "tu 0.0015 » 8 0.04 » 0-3 I » N 0.0015 (teilw.)» 9 0.04 » 0.2 I » c 0.0015 Hämolyse lO 0.04 » 0.1 I » iE 0.0015 » II 0.04 i> 0.05 I > < 0.0015 » 12 0,04 » 0.03 I » 0.0015 » 13 0.04 » 0.02 I » 0.0015 » 14 0.04 » O.Ol I » 0.0015 » Später wiesen aber Gav, Moresche u.a. nach, dass die Injek- tion aller Körpereiweiszarten die Bildung komplementbindender Antikörper veranlaszt, sodass die Versuche WASSERMANNS kein Beweis waren, dass die Leukocyten Komplement enthalten. Kehren wir nur wieder zurück zu unsren soeben mitgeteilten Versuchen mit leukocytolytischen Sera, Leukocyten und Bakte- rien, und betrachten wir die damit erzielten Resultate genauer. Diese Versuche fanden folgenderweise statt: Einer gewissen Quantität sterilen leukocytolytischen Serums gegen Meerschweinchenleukocyten (0.4 c.M^) wurde eine steril erhaltene Meerschweinchenleukocytenemulsion (i c.M*) und in abnehmenden Quantitäten Komplement beigefügt. Die Kontroll- versuche wurden mit normalem Kaninchenserum angestellt. 251 Leukocylen- T.eukocylol. No. KomplemeiU. emulsion Meerschweinchen. Serum Meerschweinchen. Resultat. I 0.5 c.M' I C.M3 0.4 c.M^ + + 2 0. |. » I » 0.4 » + + 3 0.3 » I » 0.4 » + + 4 0.2 » I » 0.4 » + + 5 0.1 » I » 0.4 » + 6 0.05 » I » 0.4 » Normales Kaninchenseriim. + 7 0.5 » I » 0.4 c.M» — 8 0.4 » I » 0.4 » — 9 0.3 » I >, 0.4 >i — lO 0.2 » I » 0.4 » — II 0.1 » I » 0.4 » — 12 0.05 » I » 0.4 » — Nach 16 Stunden wurden Präparate gemacht aus den ver- schiedenen Röhrchen und die Leukocytolyse beobachtet. Die Röhrchen 1, 2, 3 und 4 enthielten eine sehr grosze Anzahl stark degenerierte Leukocyten, während in den Röhrchen 5 und 6 eine nicht so schöne Leukocytolyse wahrzunehmen war. Betreffs der Röhrchen 7 — 12 mit normalem Kaninchenserum war, wie man erwarten konnte, gar nicht die Rede von Leu- kocyten-Degeneration. Aus jedem dieser 12 Röhrchen wurde T c.M 3 der überstehenden, klaren Flüssigkeit genommen und diese versetzt mit i c.M^ einer sehr stark verdünnten Typhus- bazillenkultur, worauf die Röhrchen bei 37° C. gestellt wurden. Zu verschiedenen Zeiten zwischen 2 und 24 Stunden wurden Kulturen aus den verschiedenen Röhrchen angelegt, um die Menge der Bakterien in den Röhrchen zu zählen. Um kurz zu sein, das Resultat war, dass absolut keine Differenz der Bak- terienzahl in den verschiedenen Röhrchen beobachtet werden konnte. Als ich den Versuch ganz in der.selben Weise wieder- holte, aber nun mit Pferdeleukocyten und leukocytolytischem Serum gegen diese Leukocyten, erzielte ich ein ähnliches Resultat. Obgleich es deshalb in dieser Weise nicht gelang eine Einwir- kung von Komplement oder bakteriziden Stoffen auf Bakterien nachzuweisen so is est dagegen nicht unmöglich, dass das leuko- 252 cytolytische Serum das eventuelle Komplement in den Leuko- cyten gebunden oder vielleicht sogar vernichtet hat. Dasselbe wäre zu bemerken hinsichtlich der Versuche verschiedener Au- toren, welche die Herkunft des Komplements studierten. So z. B. benutzten LiPPMANN & Plesch (20) bei ihrem Studium die Eigenschaft des Thorium X in groszen Dosen die Leukocyten aus dem Organismus zu vernichten, und zogen dann, aus der trotzdem doch konstanten Quantität des Komplements den Schlusz, dass die Leukocyten nicht als Ursprungsstätte des Komplements betrachtet werden müssen. Gelingt es also nicht in vitro das freiwerden van Komple- ment nachzuweisen, so kommt die Frage auf, ob dies vielleicht in vivo möglich ist. Die Versuche darüber wurden bei 2 Gruppen von Meerschweinchen ausgeführt. Verschiedenen Meerschweinchen wurde an 2 verschiedenen Tagen ein wenig Blut entnommen, und die minimale Quantität Komplement bestimmt, um mit einer gewiszen Quantität inaktiven, haemolytischen Serums i c.M^ einer 5 % Hammelblutkörperchenaufschwemmung zu lösen. Es stellte sich heraus, dass an diesen 2 verschiedenen Tagen die bestimmten Komplementdosen bei demselben Meerschweinchen gerade gleich waren. Als der Komplementtiter der Tiere bestimmt war, so wurden einige (Gruppe A) intraperitoneal eingespritzt mit 6 c. M ^ leukocytolytischen Serums gegen Meerschweinchenleukocyten und andere (Gruppe B) mit 6 c.M^ leukocytolytischen Serums gegen Pferdeleukocyten, nach welcher Injektion beiden Meerschweinchen der Gruppe A am nächsten Tage eine sehr Starke Leukocytolyse zu beobachten war. 24 Stunden nach der intraperitonealen Injek- tion des Serums wurden alle Tiere getötet. Das erste was die Aufmerksamkeit auf sich zog war, dass alle Tiere der Gruppe A ein starkhämolytisches (weinfarbiges Serum) lieferten, was seineUrsache fand in dem Umstand, dass das eingespritzte Serum auszerleukocy- tolytisch auf die weisse Blutkörperchen auch hämolytisch wirkt auf die gleichartige rote Blutkörperchen, weil nicht nur weisse, sondern auch rote Blutkörperchen bei der Vorbereitung gebraucht wurden. Nun wurde die minimale Quantität des Komplements der ver- schiedenen Meerschweinchen aufs neue geprüft, und es stellte sich heraus, dass nicht nur die verschiedenen minimalen Komplement- dosen der Gruppe B ganz dieselben geblieben waren, was zu erwar- ten war, sondern auch, dass bei den verschiedenen Tieren der 253 Gruppe A vor und nach der Injektion des leukocytolytischen Serums absolut keine Änderung in der Quantität des Komple- ments statt gefunden hatte, sodass ich mich, wenn die Möglich- keit einer Komplementbindung mittels des leukocytolytischen Serums beiseite gelassen wird, mit Rücksicht auf diese Versuche, rechne zu denjenigen, welche die Leukocyten nicht als die Ursprungsstätte des Komplements betrachten. ■ 9 IG I I 12 13 14 15 16 18 19 20 LITERATUR. Schneider. Archiv f. Hyg. 1908. Bd 65 S. 305. Denys, Kaisin und Havet. La cellule 1892. T. 9 & 10. Büchner. Münch. med. Wochenschr. 1894. S. 469. Gruber. Wiener Klin. Wochenschr. 1903. Hoke. Zentr. bl. f. Bakt. Orig. Bd. 34. S. 692. Metchnikoff. Ann. de l'Inst. Pasteur 1893. 1894. 1895. Landsteiner. Zentr. bl. f. Bakt. Orig. Bd. 25. S. 548. Lambotte und Stiennon. Zentr. bl, f. Bakt. Orig. Bd. 40. S. 224, 393> 503. Neufeld. Arb. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamte. Bd. 28. S. 125. Moxter. Deutsche med. Wochenschr. 1899. S. 687. Metchnikoff. Ann. de l'Inst. Pasteur. Bd. 13. 1899. Delezenne. Compt. rend, de l'Acad, d. Sciences. 1900. Bd. 130. FuNCK. Zentr. bl. f. Bakt. 1900. Bd. 27, Bierry. C. R. Soc. de Biol. 1902. Bd. 26. Flexner, University of Pensylvania med. bull. 1902. no. 9. Christian. Deutsch. Archiv f. Klin. Med. 1904. Bd. 53. Cesaris, Demel und Sotti. Archiv per le science med. 1907. Bd. 31. Franca. Soc de Biol. 2 Mars 1901. Leschke. Zeitschr. f. Imm. forsch. Bd. 16 p. 627. Lippmann und Plesch. Zeitschr. f. Imm. forsch. Bd. 17 p. 548. ANALOGIE ZWISCHEN NÀHRUNQSWERT VER- SCHIEDENER KÖRPER FÜR PENICILLIUM GLAUCUM UND IHRE NARKOTISCHE WIRKUNG. VON Dr. H. I. WATERMAN. E. Overton, Hans Meyer und dessen Schüler haben für das Zustandekommen der Narkose bei mehreren Organismen Gesetze allgemeiner Gültigkeit gegeben. Festgestellt wurde, dasz die narkotische Wirkung wässeriger Lösungen neutral reagirender Körper nur durch das Verhältnis der Löslichkeiten der gelösten Substanz in Lipoid und in Wasser bedingt wird. Je gröszer der Teilungskoeffizient Lipoid : Wasser, desto kräftiger ist die narkotische Wirkung, i) Während OVERTON diesen Satz hauptsächlich in qualitativer Hinsicht ausgearbeitet hat, ist die quantitative Seite grösztenteils von HA^S Meyer c. s. studiert worden. Die genannten Forscher haben die Narkose hauptsächlich bei Kaulquappen in Anschauung genommen, während ich die hemmende Wirkung von verschiedenen Körpern in wässeriger Lösung auf die "Entwicklung von Pem'cilltttmglauct/ m heoh3ichtet habe. Für die ausführliche Beschreibung meiner Versuche verweise ich nach meiner Dissertation 2). Ich beobachtete, dasz auch die hemmende Wirkung auf die Entwicklung von Pénicillium nur bedingt wird durch das i) Zwar gibt es Ausnahmen, diese können aber in einfacher Weise erklärt werden. 2) Over eenige factoren, die de ontwikkeling van Pénicillium glaucuin bejn- vloeden, Delft 191 3. 255 Verhältnis der Löslichkeiten der betreffenden Verbindungen in Öl resp. Lipoid und in Wasser. Einige der wichtigsten Beispiele findet man in der Tabelle. TABELLE. NAME PER VERBINDUNG. TEH-UNGSZAHL l) BEI 25°. HEMMENDE WIRKUNG, o. — Toluylsäure 40,5 + + + + + p. — Toluylsäure 29.5 + + + + Benzoesäure 12,6 11,8 + + + Salicylsäure + + + Phenol 9—10,3 + + Terephtalsäure 9-9,5 + + Guajacolcarbonsäure , . . 3J + + 2.4 — Dioxybenzoesäure 1,0 + p. — Oxybenzoesäure . . 0,6 m. — Oxybenzoesäure. . 0,4 2.5 — Dioxybenzoesäure 0,3 3.4 — Dioxybenzoesäure 0,06 Resorcin 0,04 ___ 3.4.5 — Trioxybenzoë- saure 0,025 0,01 ^_ 0. — Phtalsäure Ebenso wie die narkotische Wirkung wässeriger Lösungen neutral reagirender Körper auf Kaulquappen ist also die hemmende Wirkung auf die Entwicklung von Pénicillium glaucum nur abhängig von der Verteilung der gelösten Substanz zwischen Lipoid und Wasser. Ja, die Analogie ist sogar noch grösser. Ich beobachtete nämlich, dasz die hemmende Wirkung auf Pen. gl. und die narkotische auf Kaulquappen bei Konzentrationen derselben Gröszenordnung auftreten. Dies ist z. B. bei Methylalkohol, Aethylalkohol und Phenol der Fall. 2) i) Teilungszahl: Gramme der gelösten Substanz pro 100 Gr. Olivenöl. Gramme der gelösten Substanz pro 100 Gr. Wasser. 2) E. Overton, Studien über die Narkose, Jena xgoi. 256 Auf Grund dieser Tatsachen glaube ich mich zur Annahme berechtigt, dasz die hemmende Wirkung resp. das nicht zur Entwicklung kommen von Pen. gl. auf wässerigen Lösungen der narkotischen Wirkung der betreffenden Substanz zuzu- schreiben ist. Vielleicht wird man noch einmal im Stande sein auf direktem Wege Narkose bei Pénicillium glaucum zu beobachten. Eine sehr bemerkenswerte Tatsache ist es, dasz wässerige Lösungen vieler Narkotica für Pen. gl. bei niedrigen Konzen- trationen ausgezeichnete Kohlenstoffquellen sind. Dieses habe ich z. B. für Phenol, Para- und Metaoxybenzoesäure und zahl- reiche andre Narkotica festgestellt. Hierdurch was es auch auszerordentlich leicht nach zu forschen ob Zusammenhang besteht zwischen dem Nahrungswert der betreffenden Körper für Pénicillium und ihrer narkotischen Wirkung. Wässerige Lösungen der hierzu geeigneten anorga- nischen Nährsalzen wurden mit Sporen des Pilzes geimpft und die Entwicklung unter dem Einflusz und auf Kosten des betreffenden organischen Körpers bei verschiedener Konzentra- tion beobachtet. Als Beispiel wähle ich an erster Stelle die Meta-oxybenzoë- säure (Cß H4. OH. C O O H.) Der Grad der Entwicklung auf Lösungen von resp. 4, 13, 42, 93, 173, 300 and 554 Milligrammen Metaoxybenzoesäure pro 50 cM.3 wird durch die Grösze der Ordinate angegeben. (Fig. 1). Die Kurve A B C D E F G (nach 3 Tagen) gibt also an die Abhängigkeit der Quantität der gebildeten Pilzsubstanz von der Konzentration der Lösung, während Ai, Bi, Ci, Di, Ei, Fi, Gi die Sachlage nach 5 Tagen darstellt. Diese graphischen Darstellungen haben nur qualitativen und keinen quantitativen Wert, da die Quantität der gebildeten Pilzsubstanz mit dem Auge geschätzt worden ist. Eine genaue Wägung würde übrigens wegen des geringen Gewichtes der entstandenen Pilzsubstanz nicht möglich sein, wenigstens nicht bei einer solchen kurzen Versuchsdauer. Die letztere kann nl. nicht zu lange sein, da sonst die Konzentra- tionserniedrigungen in Folge der Assimilation der Kohlenstoff- quelle, eine weitere Vergleichung verhindern. Meta-oxybenzoSsäure. Teilungszahl (Oel ; Wasser) bei 25' • 0,4. Fig. I. A B C D E F G : nach 3 Tagen A'B'C'D' E'F'G': „ s .. Konzentration in Milligr. pro 50 cM.' der Nährlösung. Para-oxybenzoesäure. Teilungszahl bei 25': 0,6 Fig. 2. A B C D E F G H! nach 2 Tagen A'B'C'D'E'F'G'H': .. s .. 40 QO 173 283 58 120 213 Konzentration in Milligr. pro 50 cM.» der Nährlösung, tu Phenol. e 2 Teilungszahl u ^ bei 25^*: dt 10 a U Temp.: iS."" E Il QU A" B' î Fiç. 3. A' c AB II A B C D E F: nach 4 Tagen C ^ D' " '/ W E' F' A'B'C'D'E'F': „ 6 „ A"B"C"D"E"F": .. 7 „ 43 61 142 79 158,5 Konzentration in Milligr. pro 50 cM.3 der Nährlösung. Teilungszahl bei 25°: 0,06 A B C p E F G : nach. 2 Tagen A'B'C'D'E'F'G': „ 4 G.G' ^58,5 1158,5 Konzentration in Milligr. pro 50 cM.3 der Nährlösung. 259 Eine Erhöhung der Konzentration der Metaoxybenzoesäure hat also eine raschere Entwicklung des Pilzes zufolge (A — B — C). Erst in D (ca 0,2^/0 Lösung) wird ein Maximum erreicht. Dies ist also die für eine rasche Entwicklung günstigste Kon- zentration. Bei noch gröszeren Konzentrationen beobachtet man schon eine deutliche Hemmung der Entwicklung und bei G hat gar keine Entwicklung stattgefunden. Hier sind wir vom Narkosezustand nicht weit entfernt. Doch beginnt nach 5 Tagen eine, sei es auch, spärliche Entwicklung. Der Verlauf der Kurve A B C D E F G ist maszgebend für den Nahrungswert der betreffenden Substanz. Wir können nl., wie wir oben gesehen haben, aus diesem Verlaufe schlieszen bei welcher Konzentration rasche Entwicklung stattfinden wird. Die Lage von A B C D E F G wird einzig und allein bedingt durch den Endpunkt d. i. der Punkt, wo diese Kurve die horizontale Achse schneidet. In Fig. 1 ist dieser Punkt: G. Oder, mit andren Worten : der Nahrungswert der in Tabelle I genannten, sich für Pen. gl. neutral verhältenden Körper, ist abhängig von ihrer narkotischen Wirkung. Um diesen Satz mit einigen Beispielen zu erläutern findet man in Fig. 2. 3 und 4 die analogen Nahrungswertkurven oder Narkotisierungskurven der Paraoxybenzoesäure, des Phenols und der Protocatechusäure. Man sieht, dasz bei der Paraoxybenzoesäure, einer Substanz mit einer der Metaoxybenzoesäure praktisch gleichen narkotischen Wirkung (T. z. = 0,6), die Kurve mit dem Nahrungswertkurve des letzteren Körpers (Fig. 1) fast identisch ist. Beim Phenol (Fig. 3) ist die Sachlage eine ganz andre. Der Narkosezustand tritt hier schon viel früher ein (Punkt D). Bei der Protocatechusäure ist der Narkosezustand, der niedrigen Teilungszahl (0,06) wegen, sehr stark nach rechts verschoben. Die günstigste Konzentration, wo die Entwicklung lasch eintritt, ist also nur bedingt durch die narkotische Wirkung der betreffenden Verbindungen. Je stärker das Narkotikum, bei desto niedrigeren Konzentrationen liegt das Maximum der Kurve. Rechts vom Maximum hat die narkotische Wirkung eine Hemmung der Entwicklung zufolge, in den Figuren angegeben durch das kleiner Werden der Ordinate bei Zunahme der Konzentration. Dies ist die notwendige Konsequenz der Tatsache, dasz die 200 Organismen nicht sofort auf einmal narkotisiert werden, sondern in zunehmendem Masze bei Erhöhung der Konzentration des Narkotikums. An der Hnken Seite des Maximums übt die narkotische Wirkung einen günstigen Einflusz aus und letzterer ist schon bei sehr geringen Konzentrationen merkbar, wenn die narkotische Wirkung sehr stark ist. Diesem Umstände müssen wir es auch zuschreiben, dasz kleine Quantitäten Phenol, Salicylsäure, viel rascher Entwicklung ver- anlassen als gleich konzentrierte Lösungen andrer Verbindungen mit niedriger Teilungszahl Oel : Wasser, wie Paraoxybenzoesäure, Gallussäure, Protocatechusäure. Kleine Quantitäten Paraoxyben- zoesäure geben wegen desselben Umstandes raschere Entwicklung als die Gallussäure und Protocatechusäure, Mit diesen Beispielen meine ich in befriedigender Weise die Analogie, welche zwischen Nährwert und Narkose besteht, dargelegt zu haben. Meine Betrachtungen gelten aber nur für die neutralen Nar- kotica d. h. diejenige, welche nicht wegen groszer Wasserstoff- oder Hydroxylionenkonzentration, oder wegen einer ausgepräg- ten chemischen Reaktionsfähigkeit u. s. w. schon bei niedrigen Konzentrationen aus anderem Grunde einen schädlichen Einflusz ausüben. Bei den neutralen Narkotica haben wir immer gesehen, dasz ein Ubermasz schadet, dasz kleine Quantitäten keinen schädlichen, sondern einen günstigen Einflusz ausüben. Wir finden diesen Satz zurück, auch bei in Lipoid nicht löslichen Substanzen. Ich denke hier an erster Stelle an meine Versuche mit Aspergillus niger, welche dargetan haben, dasz in vielen Hinsichten ein Ubermasz aller Nährungsstoffe : der Kohlenstoffquelle, des Phosphors, des Stickstoffs, der Gifte u.s.w. immer in derselben Weise wirksam ist. Nur die Grenzen der Gebiete verschiedener physiologischer Wirksamkeit wechseln bei den chemischen Verbindungen. Es ist nun unsre Aufgabe diese Grenzen bei vielen Organismen festzustellen. In zweierlei Hinsicht wird dies zumal bei den Narkotica Bedeutung haben : erstens zur Bekämpfung vieler schädlichen Organismen und zweitens um für andre vorteilhafte Lebensbedingungen zu erhalten. [Aus dem Laboratorium (ür Vergleichende Pathologie in Leiden und dem Institut für Parasitäre und Infektionskrankheiten in Utrecht^ Direktor: Prof. dr. D. A. DE JONGJ. INDOLREAKTIONEN BEI PROTEUSBACILLEN, VON Dr. E. A. R. F. BAUDET. Bei Untersuchung auf Indolbildung eines Proteus vulgaris, aus dem Harn eines Patienten der chirurgischen Klinik von Prof. KORTEWEG in Leiden gezüchtet, ergab sich, dass die Nitrosoindolreaktion (Salkowski-KitasaTO) positiv ausfiel, jedoch die Reaktion EHRLICH negativ. Schon mehrere Forscher erwähnten analoge Befunde. Steensma (i) hat in einem Fall von Pneumaturie aus dem Harn einen Proteusbacillus gezüchtet, welcher nach der Methode Salkowski eine rote Farbe zeigte. Diese Farbe wurde jedoch, wie der Verfasser ausführlich betont nicht von Indol veranlasst. Im Destillat war denn auch kein Indol nachzuweisen. Van Loghem und Van Loghem — Pouw (2 u. 3) züchteten aus einem Abzes einen Proteusbacillus, welcher kein Indol bildete und von ihnen Proteus anindologenes genannt wurde. Nach der Methode Salkowski bildete dieser anindologene Stamm jedoch eine rote Farbe, ein wenig stärker als die des Indols, während alle anderen Indolreaktionen negativ verliefen. Auch im Destillat konnte man kein Indol nachweisen. Später untersuchten sie 30 Proteus-Stämme, welche aus Darminhalt und Faeces isoliert waren, wovon 27 Indol bildeten. Die 3 übrigen zeigten nach Salkowski eine rote Verfärbung, intensiver als das Indolrot, welcher Stoff jedoch nicht im Des- tillat zu finden war. Die Methode SALKOWSKI war also nicht zuverlässig. Es wurden von mir verschiedene der bekannten Indolreak- 202 tionen nachgeprüft, hauptsächlich an 5 Proteusstämmen, wovon 4 anindologene : I. Proteus indologenes von Kral, mir, ebenso wie Stamm II in liebenswürdiger Weise von Herrn Dr. J. J. VAN LOGHEM überlassen. II. Proteus anindologenes aus einem Fall von Pneumaturie. III. Proteus anindologenes aus Harn. IV. Proteus anindologenes aus Harn. V. Proteus anindologenes aus einen Fall von Lungenempyem. Nos, in, IV u. V würden aus Material der chirurgischen Klinik von Prof. KORTEWEG in Leiden gezüchtet. Also waren unter 30 Proteusstämmen, welche VAN LOGHEM aus Darminhalt isolierte, nur 3 anindologene, während die 4 Proteus-Stämme aus Harn und Lungenempyem obengenannt, alle anindologen waren. Die anindologenen Stämme wird man also vielleicht am häu- figsten ausser dem Darminhalt finden können. Der Nachweis des Indols geschah : A. In der üblichen Pepton-Kochsalz Nährlösung (i 0/0 Pep- ton und V2 Vo Na Cl.). B. Im Destillat der Kulturen, C. In der Nährlösung von ZiPFEL. D. In dem Nährboden von BertheLOT. Alsdann wurden die folgenden Reaktionen angewandt : i». Die Nitrosoindolreaktion (Salkowski (31): Bei 10 cc. Kulturflüssigkeit wird zugesetzt: i ccm. einer 0.02 o/q Schwefelsäure. Bei positiver Reaktion tritt eine rot- violette Farbe auf (Nitrosoindol). 20. Methode EHRLICH (4) : Bei 10 ccm. Kulturflüssigkeit wird zugesetzt: 5 ccm. einer Paradimethylamidobenzaldehydlösung und 5 cc. einer gesättigten Lösung Kaliumpersulfats. Die erste Lösung enthalt P.-dimethylamidobenzaldehyd 4, Alkohol (96 0/0) 380 und koncentrierte Salzsäure 80. Bei posi- tiver Reaktion tritt eine rotviolette Farbe auf. 30. Nitroprussid-Reaktion : Zusatz bei 10 ccm. Kulturflüssigkeit von i cc. Natronlauge 20 0/0, I cc. Nitroprussidnatrium i — 2 0/0 (frisch bereitet) und Eissesig im Ueberschuss. Bei positiver Reaktion entsteht ein hell blaue Farbe. 203 4°. Methode MORELLI (4): Streifen Fliesspapier mit gesättigter Oxalsäurelösung getränkt, nachher getrocknet und dann über der Kultur zwisschen Watten- dropf und Glaswand geklemmt. Bei positiver Reaktion entsteht eine rotviolette Farbe des Fliesspapiers. A. Nachweis des Indols in den Pepton-Kochsalzlösungen. lO. Die Versuche wurden in der Weise angestellt dass gleich- zeitig verschiedene Röhrchen mit loccm. Pepton-Kocksalzlösung mit einer Oese der Proteus-Kulturen geimpft, bei 37 0 C gebrütet und nun täglich oder zweitäglich auf kwalitative Indolbildung mittels den 4 obengenannten Reaktionen untersucht wurden. Bei der Methode Salkowski ergab sich dass bei den 4 anindologenen Stämmen einige Male eine rote Farbe entstand, eine positive Indolreaktion vortäuschend, welche um so stärker wurde je älter die Kultur und je grösser die Koncentration der zugesetzten Schwefelsäure war. Diese anscheinend positive Indolreaktion entstand : Bei Stamm II nach 2 Tagen » > III » 3 > » » IV > 5 » Diese rote Farbe war jedoch nicht die typische Nitrosoindol- Farbe, sondern mehr hellrot. Auch bei diesen scheinbaren positiven Indolreaktionen konnte man die rote Farbe etwas intensiver machen durch leichtes Erwarmen, wie auch von NONOTTE und Démanche (6) bei positiven Indolreaktionen beschrieben wird. Nach Petri (7) soll bei der Nitroso-Indolreaktion auch das Verhältnis von Schwefelsäure und Nitrit ein bestimmtes sein, namentlich wenn der Nährhoden gelblich gefärbt ist, weil sonst nimmer schöne Reaktionen auftreten. Er beschreibt eine alte Milzbrandkultur, welche nach Beimischung von 10 Tropfen Koncentrierter Schwefelsäure und 0.0 1 % Nitrit eine schwache rosa Farbe zeigte. Diese Farbe ist jedoch meiner Meinung nach vielleicht der starken Koncentration der Schwefelsäure zuzuschreiben da ich öfters beobachten konnte, dass wenige Tropfen koncentrierter Schwefelsäure in dem Nährboden eine braunrote Farbe veranlassen können. MaaSZEN (17) hat ähnliches 264 erwähnt. Mit Pepton-Kocksalzkulturen von Bacillus Proteus an- indologenes (Stamm II), stellte ich folgenden Versuch an: Täoflich wurden 2 Kulturen nach der Methode Salkowski auf Indol geprüft: die eine erhielt i ccm. Nitrit und i ccm. kon- centrierte Schwefelsäure, die andere i ccm. Nitrit und 1 ccm. IG prozentige Schwefelsäure, Am 3ten Xag beobachtete man in der 2ten Kultur nach Anwendung der Reaktion keine Ver- färbung, während die erste eine deutliche dunkelrote Farbe zeigte, welche nach leichter Erwärmung stärker wurde, und sich zum Teil in Amylalkohol löste. Bei einer Typhuskultur, zwei Paratyphuskulturen und dem anindologen Stamm I in Pepton-Kochsalzlösung geimpft, welche während 10 Tage gleichzeitig täglich auf Indolbildung untersucht wurden, ergab die Nitrosoindolreaktion bei den drei ersten immer negative Resultate, während die Kulturen des I Stammes schon nach 24 Stunden eine intensiv rotviolette Farbe zeigte. Aus diesem Versuch geht hervor, dass bei anindologenen Proteus Kulturen in Pepton-Kochsalzlösungen nach der Methode Salkowski positive Indolreaktionen auftreten können. Später werden wir sehen, dass diese Reaktionen nicht durch Indol veranlasst werden. 2°. Mit der Methode EHRLICH bekam ich immer richtige Resultate. Bei den anindologenen Stämmen gab sie negatieve Reaktionen, während sie in der Kultur des indologenen Stammes nach 18 Stunden eine intensive Reaktion hervorrief. Wie auch Gauthier (8) behauptet, verläuft die Reaktion auch richtig ohne zusatz von Kaluimpersulfat. Die Salzsäure habe ich, wie auch ZiPFEL (9) erwähnt, getrennt zugesetzt. Sie wurde mittels einer Pipette auf den Boden des Kulturröhrchen gebracht und bei Anwesenheit von Indol erhielt man einen scharfen rotvioletten Ring. Es gibt noch einige Stofïe welche mit Paradimethylamido benzaldehyd eine ähnliche Reaktion zeigen wie mit Indol, z. B.: Phloroglucine (GAUTHIER 8), Phenylmethylpyragalon (ZiPFEL 9), Acetylglucosamine (RHODE 10), aber diese Stoffe Kommen praktisch nicht in Betracht. Der Amylalkohol, welche fast immer noch zum Ausschütteln des Farbstoffes bei der EHRLICH'schen Methode angewand wird, soll aber mit Vorsicht benutzt werden, da ich bei einer Unter- 205 suchung auf Indolbildung des Stammes II folgendes beobachtete: Die Kulturen wurden während 18 Tage täglich auf Indol geprüft, gleichzeitig in Pej3ton-Kochsalzlösungen und mittels Destillation, und nach Zusatz der EHRLICH'schen Lösung an die Kulturen mit Amylalkohol ausgeschüttelt. Vom 6'^" Tag ab sah man nach dem Ausschütteln mit Amylalkohol intensiv rote Verfärbungen, während im Destillat kein Indol nachzuweisen war. Nun ergab sich das der Amylalkohol, welchen ich diesen Tag neu erhalten hatte, mit Ehrlich's Reagens eine Farbe zeigte, der Indolrcaktion ähnlich. Dass in den ersten Tagen keine Reaktion in den Röhrchen aufgetreten war, ist also dem Amyl- alkohol zuzuschreiben, da man nicht mit allen Amylalkoholen die Reaktion erhält. Von 5 verschiedenen Amylalkoholproben, welche ich mit EHRLICH 's Reagens untersuchte, zeigten 2 eine Indolänhliche Reaktion. Porcher (i) und Telle und Hüber (2) haben also mit Recht auf diese wichtige Tatsache schon hingewiesen. Ebenso wenig eignet sich Benzin zum Ausschütteln des Farbstolïes, da die meisten Handelsbenzine mit Salzsäure eine rote Farbe zeigen. DeniGÈS (13). 30, Die Nitroprussid Reaktion ist auch zu empfelhen. Sie gibt richtige Resultate, ist aber nicht so empfindlich wie die Ehrlichsche Reaktion. Die Nitroprussidlössing soll immer frisch bereitet sein, sonst kann ohne Indol nach Zusatz von Eisessig eine blaue Farbe auftreten. 40. Bei der méthode MüRELLI (14) wird die positive Reaktion (rotviolette Verfärbung des Fliesspapiers), veranlasst durch das flüchtige Indol. Diese Reaktion, welche natürlich abhängig ist von der Menge Indols welche gebildet wird, tritt nicht so schnell auf (innerhalb einigen Stunden bis einigen Tagen), aber sie ist doch immer zuverlässig. Da die Menge des Indols mit dem Alter der Kulturen steigt, wie auch DE Graaff (15) erwähnt beim Bacillus Coli, so kann bei der Methode MORELLI die Reaktion einige Zeit ausbleiben. B. Nachweis des Indols im Destillat der Kulturen. Die Destillation des Indols, welche angewand wird zur Be- stimmung der kwantitathen Indolmenge (Steensma (i), DE 18 266 GraafF (15), eignet sich auch sehr gut zur ktoalitafiven Indol- bestimmung. Ich habe die Methode gefolgt, welche DE Graaff bei der Destillation seiner Kulturen angewand hat ; diese ist folgende : (Vergleiche die Figur). In die 2te Kolbe bringt man 50 ccm. der zu untersuchen Kulturlösung (i % Pepton — ^0/0 Kochsalz) und 100 ccm destilliertes Wasser. In der erste Kolbe befindet sich nur destilliertes Wasser. Beide Kolben werden zum Kochen gebracht und dann mit einander durch ein Gummi- schlauch verbunden, während die 2te Kolbe nun auch mit einem Wasserkühlapparat in Verbindung gebracht wird. Das Destillat wird in einem Glas mit ein wenig destilliertem Wasser auf- gefangen. An der isten Kolbe befindet sich noch ein ziemlich langer Glasrohr, welcher als Sicherheitsapparat dient. Bei Anwesenheit des Indols kann das schon in den ersten Tropfen des Destillats mittels einer der genannten Methoden gezeigt werden, mit Ausnahme derjenigen des MORELLI (14). Bei letzterer Methode kann das Auftreten der Reaktion einige Stunden ausbleiben. Wenn nun eine positive Indol Reaktion auftritt, kann diese nur von Indol veranlasst sein. Bei allen anindologenen Stämmen sah man negative Resultate, ebenso wie bei den Typhus- und 2 Paratyphusstämmen. Auch bei längeren Wachstum der Kulturen (die Destillation der Kulturen geschah innerhalb 20 Tage 5 mal) erwies sich das Resultat negativ. Die Indolbildenden Kulturen : 2 Colistamme und Proteus Stamm I, ergaben wie schon erwähnt in den ersten Tropfen des Destillats eine intensive Reaktion. Porcher (i6) hat nun behauptet, dass bei der Destillation positive Indolreaktionen entstehen können, selbst wenn kein Indolbildender Microorganismus anwesend ist. So hat er bei Destillation der Kulturen von Milzbrandbacillen, Staphylococcus aureus, Bac. enteritidis GÄRTNER und Varietäten des Bacillus faecalis, Indol gefunden. Nach ihm können diese Bakterien unter normalen Umstände das Eiweiss aus dan Nährboden zerlegen bis »indolcarbonique«. Letzteres wird nun durch die Wärme der Destillation gespaltet in Kohlensäure und Indol. Ausserdem können nach PORCHER und P ANISSET (18) die meisten Peptone kleine Mengen Indol enthalten, welche man, um keine Fehler bei der Indolreaktion zu erhalten, vorher durch Aetherextraktion entfernen soll. Nach ZiPFEL (9) aber unterscheidet sich die in 267 einer Peptonnährlösung auftretende Farbstoff von dem welche durch Indol veranlasst wird, dadurch, dass die erstere nicht löst in Chloroform und nach Zusatz von Nitrit blau wird, während bei Indol eine intensiv rote P'arbe auftritt. Ich habe 10 Milzbrand Kulturen und 8 Staphylococcus aureus Kulturen (i — 21 Tage alt) mittels Dampf destilliert, einige so weit wie möglich, ohne dass Indol im Destillat nachzuweisen war. Die Möglichkeit bleibt aber bestehen dass bei der lang fort- gesetzten Destillation für die kwantitative Indolbestimmung durch die entstehende VVcärme eine Abspaltung des Eiweisses bis â Indol« stattfinden kann, während die Kultur unter normalen Umständen kein Indol bildet. Zur kwalitaiiven Indolbestimmung genügt es wenn man nur kurze Zeit destilliert, sodass die Gefahr für Weitere Zerlegung des Eiweisses aus den Nährboden gering ist. Die Destillation der Kulturen ist nach meiner Meinung eine der besten Methoden zur kwalit a t iv en Indolbestimmung. C. Nachweis des Indols in der Nährlösung von Zipfel. Die Destillation der Kulturen, obwohl eine sehr gute, bleibt jedoch immer eine zeitraubende Methode. Es ist darum, dass eine Methode von ZiPFEL (9) beschrieben, als mehr praktisch im Laboratorium, zu benutzen ist. In seiner Arbeit sagt er : >Die indolpositiven Mikroorganismen decken, wenn ihnen gleichzeitig verschiedene SticksLofïquellen dargeboten werden, ihren Stickstoff bedarf vornehmlich aus der im Tryptophanmole- küle enthaltenen Aminogruppe, indem sie das Tryptophanmolekül sprengen und daraus Indol frei machen, das wir dann mit unseren Reagentiën nachweisen können, den indolnegativen Organismen sagt diese Stickstoffquelle nicht zu.« Zipfel hat daher eine Tryptophanlösung zusammengesetzt, worin bei Kultivierung indolpositiver Mikroorganismen, der Indol nur aus dem Tryptophan gebildet werden kann. Erst nahm er folgende Lösung : Asparaginum. Ammon. lactic, aà 5. Dikaliumphosph. 2. Maffncsiumsulf. 0.2. 268 Aqua dest. ad looo. und hierbei Tryptophan bis eine 0.03 0/0 Lösung entsteht. Später hat er die Lösung ein wenig geändert, wie folgt : Tryptophan 0.3 g. Amnion, lactic. Kalium phosphor, secc. aà 5.0. Magnes, suif. 0.3 g. Aqua dest. 1000. Ich habe faktisch nur die letztere Lösung benutzt. Die Vorteile dieser Lösung sind : lO. Wegen seiner Klarheit wird, wie im Destillat, die ge- ringste Verfärbung in der Lösung bemerkt. 2®. Die Indolreaktion kann nur entstehen durch das frei machen des Indols aus dem Tryptophan, also wie ZiPFEL sagt, bedarf es keine weitere Identifizierung des entstandenen roten Farbstoffes. Die Proteusstämme, 2 Coli- und 2 Paratyphusstämme und I Typhusstamm wurden von mir in die ZiPFEL'sche Lösung geimpft, von jedem 10 Röhrchen. Der Hälfte der Röhrchen war 2 0/0 Traubenzucker zugesetzt um nach ZiPFEL das Wachstum zu fördern. Alle Kulturen waren nach 24 Stunden gleichmässig getrübt und die Kulturen mit Traubenzucker zeigten ein üppiges Wachstum. Nach 15 Stunden wurden die 4 Reaktionen angestellt. Sie waren bei den indolpositiven Kulturen noch nicht deutlich, bei den nicht indolbildenden Kulturen negativ. Nach 30 Stunden zeigten die indolpositiven Kulturen eine intensive Indolreaktion mit den 4 erwähnten Methoden. Die indolnegativen Kulturen ergaben alle wieder negative Resultate. Auch bei älteren Kulturen erhielt man immer richtige Resultate. Die Methode Salkowski, welche in den Pepton-Kochsalz- lösungen bei Stamm II, III und IV unrichtig angezeigt hatte, verlief hier negativ. Die Lösung von ZiPFEL is also sehr zu empfehlen. Der Vollständigkeit halber erwähne ich hier noch eine Methode von Rivas (19), welcher Pepton, dass vorher mit Trypsin digiriert ist, als Nährsubstrat verwendet. Es gelang ihm auf diese Weise schon nach 6 Stunden Indol in Coli-Kulturen nachzuweisen. 269 D. Nachweis des Indols in den Nährboden von Berthelot. Neulich hat Berthelot (20) mitgeteilt, dass er durch Imp- fung in einen bestimmten Nährboden, den Proteus anindologenes wieder in einen indologcncn Proteus übergeführt hat. Dieser Nährboden war folgenden : Wasser 1000. Di-Kaliumphosphat 1.50. Magnesiumsulfat 50. Tryptophan 1.50. Glycocolum i.oo. Glutarsäure 0.30. Natrium asparaginicum i.oo. Alanin 0.50. Calciumchlorat 0.02. Ausserdem wurde noch 50 Gr. reine Gelatine (welche kein Tryptophan enthielt) zugesetzt. In diesen Nährboden sind die 4 anindologene Proteus Stämme geimpft, die Hälfte der Kulturen bei 22° C. und die übrigen bei 37° C. gestellt. Die Kulturen zeigten aber noch einigen Tagen nur geringes Wachstum. Als aber die Stämme später in denselben Nährboden, welche vorher ein wenig alkalisch gemacht worden war, geimpft wurden, so sah man nach 24 Stunden ein üppiges Wachstum. Nun wurde destilliert nach 4, 8 und 12 Tagen, aber niemals habe ich Indol in Destillat nachzuweisen können, obschon Berthelot innerhalb dieser Zeit positive Resultate bekam. Ich habe also die von BERTHELOT erhaltenen Resultate nicht bestätigen können. Zusammenfassung. Um bei der praktischen kwalitativen Indolbestimmung zuver- lässige Resultaten zu erhalten, sind folgende Punkte zu beobachten: lO. Das P.-dimethylamidobenzaldehyd-Reagens nach EHRLICH ist wegen seiner Empfindlichkeit zu empfehlen. 20. Als Nährlösung ist immer die ZlPFEL'sche Lösung zu verwenden. 30. In Ermanglung der ZiPFEL'schen Lösung, werden nur mittels Destillation der Kulturen richtige Resultate erhalten. LITERATUR. 1. Steensma. Centrallbl. f. Bakt. u. s. w. Origin. Bd. 41. p. 295. 2. J. J. V. LoGHEM. Id. id. u. s. w. Origin. Bd. 38, p. 425, 3. Salkowski, Id. id. Origin. Bd. 51, p. 476. 4. Ehrlich. Id. id. Origin. Bd. 40, p. 219. 5. V. LoGHEM u. V. LoGHEM — Pouw. Id. id. Origin. Bd. 66, p. 19. 6. NoNOTTE et Démanche. C. R. Soc. de Biol., p. 658. 1908. 7. Petri. Arb. a. d. Kaiserl. Gesundheidsamt. Bd. 6, p. 7. 8. Gauthier. Thèse par Louis Gauthier, Université de Lyon. 9. Zipfel. Centralbl. f. Bakt. u. s. w. Origin. Bd. 64 u. Bd. 67, pg. 573 . 10. Rhode. Zeitschr. phys. Chem. Bd. 44, p. 161. 11. Porcher. Communication de la Soc. chim. de France. Mars 1910. 12. Telle u. Huber. Centralbl. f. Bakt. u. s. w. Origin. Bd. 58, p. 70. 13. Denigès. C. R. Soc. Biol. Février. 1908. 14. MoRELLi. Centralbl. f. Bakt. u. s. w. Origin. Bd. 50, p. 413. 15. De Graaff. Id. id. Origin. Bd. 49, p. 175. 16. Porcher. De la présence des corps indologènes dans les bouillons de cultures. 17 Mai 1909. 17. Maaszen. Arb. a. d. Kaiserl. Gesundh.amt. Bd. 9, p. 403. 18. Porcher et Panisset. C. R. Soc. Biol. T. 66, p. 624. 19. Rivas. Centralbl. f. Bakt. u. s. w. Origin. Bd. 63, p, 547. 20. Berthet.ot. C. R. de l'Acad. des Sciences, 1903, No. 8. C. R. de Soc. Biol. 20 Avril 191 2. (Aus dem pathol. anatomischen Institut der Universität Groningen). ÜBER EINEN FALL VON PRIMÄRER, SEHR AUS- GEBREITETER, ULCERÖSER DARMTUBER- KULOSE BEI EINEM ERWACHSENEN, MIT BESONDERER RÜCKSICHT AUF DIE PATHOGENESE. VON M. J. ROESSINGH, assistent. Seitdem ROBERT KoCH auf dem dadurch berühmt gewordenen Congress in London die medizinische Welt überraschte mit der Mitteilung über die Verschiedenheit der Menschen- und Rinder- tuberkulose und aus der Seltenheit der primären Darmtuber- kulose die Unschädlichkeit der Perlsucht der Rinder für den Menschen beweisen wollte, haben an erster Reihe HELLER und Orth gegen diesen KoCHschen Satz Einspruch erhoben. Es war besonders der Erste, welcher mit grosser Sorgfalt sein Material auf primäre Darmtuberkulose untersuchte und zum Schluss kam, dass sie gar nicht so selten war; indem Orth in zahlreichen Reden und Aufsätzen auf Grund vieler Experimente und pathologisch-anatomischer und bakteriologischer Tatsachen dafür warnte den Streit gegen die Rindertuberkulose nicht zu ver- nachlässigen. Obgleich die Zahlen der Statistiken über die Häufigkeit der primären Darmtuberkulose aus den verschiedenen Instituten noch ziemlich weit auseinandergehen, kann man doch im allgemeinen die Kocnsche Meinung als widerlegt betrachten. Aber auch jetzt noch bietet die Pathogenese jedes Falles soviel Wichtigkeit und Interesse in pathologischer und hygienischer Hinsicht, dass man Bekanntmachung nicht unterlassen sollte, umsomehr als jeder neuer Fall als Stütze derjenigen Statistiken 272 dienen kann, die die Seltenheit des Vorkommens dieser Krank- heit bestreiten wollen. Und gewiss hat unser Fall noch mehr Recht veröffentlicht zu werden, weil sich hier die Entzündung durch ihre Form und Ausbreitung sehr unterschied von der primären Darmtuberkulose wie man sie gewöhnlich in der Literatur beschrieben findet. Ausserdem waren dergleiche Schwierigkeiten an der Aufstellung der Pathogenese der Krankheit verbunden, dass wir nicht im Stande waren dieselbe ganz und gar zu klären. Vielleicht dass sich dazu die Gelegenheit bieten wird, wenn mehrere solche Fälle in der Literatur bekannt werden. Deshalb fühle ich mich zur Mitteilung des Falles berechtigt. Das Aufïallige nämlich war die ausserordentliche Ausbreitung der Darmgeschwüre, die bei der Schlucktuberkulose durch Sputa sehr bekannt, bei der primären Darmtuberkulose aber sehr selten ist. Einen in mancher Hinsicht hiermit übereinstimmenden Fall veröffentlichte z. B. ECKSTEIN i) aus dem Kieler Institut. Es möchte also eine Warnung sein, dass auch die primäre Darmtuberkulose sehr grosse Zerstörungen der Schleimhaut veranlassen kann mit allen Folgen derselben. Die Überein- stimmung mit sekundärer Schlucktuberkulose besteht auch darin, dass die Mesenterialdrüsen hier nur wenige, akute Verände- rungen darboten, wie sie auch bei jener vorkommen, bei pri- märer Tuberkulose aber sehr selten sind, wo man gewöhnlich stark vergrösserte, verkäste oder verkalkte Drüsenpackete findet. Zunächst "möchte ich den Fall vorführen und etwas aus der Kranken- geschichte sowie aus dem Sektionsprotokoll mitteilen um nachher meine Bemerkungen daran zu verknüpfen. Die mir freundlichst von Herrn Prof. Hymans van den Bergh, Direktor der Medizinischen Klinik, überlassenen Berichte aus der Zeit, die Patient im Akademischen Krankenhause in Groningen verbrachte, geben wenige Anhaltspunkte über mögliche, jugendliche Krankheiten des 18-jährigen Mannes A. P. Er gibt an im Alter von 5 Jahren eine schwere Darmentzündung durch- gemacht zu haben, worüber er keine näheren Erklärungen zu geben vermochte. Als er in die KHnik kam, klagte Patient, während ich einige weniger wichtige Beschwerden ausser Betracht lasse, dass allmählich 1) Eckstein, Ein Fall von primärer Darmtuberkulose. Dissert, Kiel 1902. Vergl. Hof, Über prim. Darmtuberk. nach r. 15000 Sektionen. Dissert. Kiel 1903, 273 ein zu häufiger Stuhlgang eingetreten sei, der ihm keinen Schmerz verursachte und wobei er niemals Blut gesehen hatte. Der S/aius praesens gibt unter mehr an : Patient ist infantil, sehr zart gebaut mit schlecht entwickelten Muskeln. Keine Bart-, Achsel oder Schamhaare. Die Stimme ist hoch. Während des Mo- nates, den er in der Klinik zubrachte, wurden in den Lungen und am Herzen keine nennenswerten Veränderungen nachgewiesen. Der Bauch war anfangs etwas aufgetrieben, später nicht mehr. Schmerzhaft war er bei Druck wenig oder gar nicht. Der Stuhlgang war dünnbreiig aber wenig frequent; es wurden darin keine Tuberkelbacillen gefunden. Wohl war einige Male Blut chemisch und mikroskopisch nachzuweisen. Die Reaktion von v. Pirquet war stark positiv. Es bestand ein hekti- sches Fieber bis zu 39^/2°, das nur die letzten zwei Wochen etwas niedriger wurde. Während Patient so einige Zeit in einem leidlichen Zustand blieb, bekam er den dritten Oktober 19 12 ein Erysipelas faciei, das nach einer Woche wieder genesen war, aber seine Lage doch sehr verschlechterte. Die Temperatur, die mit Pyramidon unge- fähr normal geworden war, stieg wieder etwas und unter zunehmenden Diarrhöen starb Patient den 14"" Oktober. Die pathologisch-anatomische Diagnosis wurde gestellt auf : Infantilismus. Tuberculosis ulcerosa intestini tenuis. Tubercu- losis lymphoglandularum mesentericarum acuta. Peritonitis tuberculosa. Aus dem Protokoll der Sektion, die von Dr. T. S. Steen- HUIS, assistent-prosektor am hiesigen Institut, gemacht wurde, hebe ich nur das Wichtigste hervor : Leiche eines 18jährigen, sehr zart gebauten Mannes. Das Fettpolster und die Muskeln sind sehr wenig entwickelt. Die Achseln, die Wangen, Lippen und die Genitalien sind unbehaart. Der Penis ist klein (5 c.M.); das Skrotum ist ebenfalls klein. In der Peritonealhöhle befindet sich mehr als i L. klare, gelbliche Flüssigkeit. Das Peritoneum parietale ist glatt und glänzend. Das Peritoneum viscerale zeigt zahlreiche, grauweisse Knötchen, circular um den Darm verlaufend. An einigen Stellen sind diese zu grösseren Convoluten vereinigt. Das Netz ist fettreich ; enthält keine Knötchen. Das Mesenterium ist ziemlich gross und lang, fettreich mit etwas durchscheinend aussehenden Drüsen, die zahlreich und gross sind und kleine Knötchen mit hier und da Verkäsung auf der Schnittfläche zeigen. Es gibt auch einige mehr braunrote, bluthaltige Drüsen, in welchen man makroskopisch keine Verkäsung sieht. 274 Das Diaphragma steht sehr hoch ; links bis zum oberen Rand der 4ten, rechts bis zur 3ten Rippe. Beim Eröffnen der Brusthöhle fallen die Lungen gut zusammen. Die linke ist etwas mit der Brustwand verwachsen. Die linke Pleura- höhle enthält ± 25 cc. die rechte ± 50 cc. braune, klare Flüssigkeit. Herz und Halsorgane ohne Befund. Die Bronchialdrüsen sind nicht vergrössert und zeigen ebenso wie die Lungen keine Spur von Tuberkulose. Die linke Lunge hat normale Grösse und Form. Auf der Pleura pulmonalis einige Neomembranen ; übrigens ist diese glatt. Die Schnittfläche zeigt normalen Luftgehalt und ist blutreich. Die rechte Lunge hat eine glatte Pleura. Die Schnitt- fläche ist glatt und zeigt eine unregelmässige Blutverteilung. Bei Druck rechts und links überall etwas schäumende Flüssigkeit. Milz, Nebennieren, Nieren, Magen, Duodenum, Pankreas, Blase, Testis, Epididymis und Prostata geben keine Veranlassung zu beson- deren Bemerkungen. Leber und Gallenblase sind frei von Tuberkulose, die Lymphdrüsen an der Porta hepatis sind etwas vergrössert, zeigen aber keine Tuberkulose. Im untersten Teil des Jéjunums und im Ileum, kommen circuläre Ulcéra vor mit überhangendem, unterminiertem Rande von graugrüner Farbe, deren Boden von einem grauen Belag bedeckt ist, worin einige Tuberkeln, Diese Geschwüre werden zahlreicher und breiter, je mehr man den Dickdarm nähert ; neben den vollkommen circulären kommen auch kleinere nicht circuläre vor. In der Nähe der Valvula ileocoecalis sind die Geschwüre zur einer grossen, ulcerierenden Fläche vereinigt. Sie nehmen den ganzen Darm ein, und zeigen nur noch vereinzelte Schleimhautinseln. Das Coecum, der Processus vermiformis, das weitere Colon und das Rektum haben eine glatte Schleimhaut und sind frei von Tuberkulose. Die Gehirnsubstanz sieht einigermassen gelatinös aus und gleicht der eines Kindergehirns. Die Schnittflächen zeigen keine makroskopischen Veränderungen. Die Mesenterialdrüsen sind zum Teil auf 4 Meerschweinchen verimpft worden. Alle 4 zeigten nach einigen Wochen eine deutliche, allgemeine Tuberkulose, deren Ausbreitung bei allen ungefähr gleichen Schritt hielt. Sowohl in den mikroskopischen Schnitten des Darmes und der Mesenterialdrüsen, wie in den Organen der geimpften Meerschweinchen wurden reichlich Tuber- kelbacillen gefunden. Das weitere Material ist dem hygieni- schen Institut überwiesen worden, wo Prof. KLEIN es bakterio- logiscii untersucht hat. Es hat sich als Resultat ergeben, dass 275 der Darmprozess durch den humanen Tuberkelbacillus verur- sacht worden ist. Siehe am Schluss dieser Abhandlung den >Anhangf von Prof. A. KLEIN: Feststellung des Typus. Wenn man behaupten will, dass es hier einen wirklichen Fall gibt von primärer Darmtuberkulose, so muss man sich zuerst natürlich klar machen, was darunter verstanden wird. Durch verschiedene Auffassung dieses Regriffes ist schon man- cher Streit entstanden und es wird dadurch der Unterschied in den Angaben über die Häufigkeit des Vorkommens der primären Darmtuberkulose, den man in den Statistiken finden kann, vielleicht teilweise erklärt. Heller hat dann als primäre Darmtuberkulose diejenigen Fälle zusammengefasst, wo die ersten Veränderungen in der Mucosa intestinalis, in den Mesen- terialdrüsen oder im Peritoneum zu finden sind. Die Feststellung dieser Tatsache kann eigentlich nur bis zu einem gewissen Grade statt finden. Wollte man ganz sicher sein, so sollte man Serienschnitte machen von der fraglichen Leiche, eine Arbeit, die wahrscheinlich mehr als ein Jahr in Anspruch nehmen würde. Und so kann ich nur sagen, dass hier nach einer durchaus exakten Unter'îuchung kein anderer Herd gefunden worden ist, sodass dieser Fall wohl mit Recht mit dem obigen Namen bezeichnet worden ist. Kommen wir jetzt zu einer Erklärung unseres Falles, so ergibt sich aus den Untersuchungen des letzten Jahrzehnts, dass unsere Kenntnisse von den Möglichkeiten der Entstehung der primären sowie der sekundären Darmtuberkulose sehr zuge- nommen sind. Wir werden diesen Möglichkeiten also Rechnung tragen müssen und ihnen deshalb zuerst eine kurze Bespre- chung widmen. Für die sekundäre Darmtuberkulose wird noch immer der Entstehung durch Einschlucken tuberkulöser Sputa ein grosser Platz eingeräumt, und mit Recht, denn man findet die grösste Prozentzahl bei schon bestehender Lungenphthisis und dann ist dieser Weg wohl der wahrscheinlichste, obgleich es unzweifelbar, wie wir nachher sehen werden, auch andere Möglichkeiten gibt. Der Erste, der an diese Frage durch experimentelle Arbeiten näher herangetreten ist, war MOSLER, der im Jahre 1873 276 von seinem Schüler WiNIECKI i) in einer Dissertation einige Resultate bekannt machen liess. Es handelte sich um einen Patienten mit käsiger Pneumonie, der nachher reichliche Diarrhöen bekam und wo man nun den bekannten Zusammenhang annahm. Man machte jetzt Fütterungsversuche mit tuberkulösen Sputis bei Hunden und Hühnern, aber die Resultate waren sehr gering, möglicherweise wohl wegen der geringen Empfänglich- keit dieser Tiere. Nachher hat MOSLER 2) diese Frage weiter ausgearbeitet. Er zog auch Schweine in seinen Versuchskreis hinein. Aber, während man beim Hunde jedenfalls noch eine akute Gastroenteritis gesehen hatte (das Tier starb an einer Pneumonie), nahmen die Hühner und die Schweine an Gewicht zu und fühlten sich offenbar ganz wohl bei dieser Fütterung. Selbst wenn man den Tieren andere Speisen enthielt, blieben sie ganz gut am Leben ; selbstverständlich wurden sie etwas magerer um später aber bei gewöhnlicher Nahrung wieder so wohl wie vordem auszusehen. Man muss aber nicht vergessen, dass hier wahrscheinlich der humane Typus im Spiel war, wofür diese Tiere wenig empfänglich sind. Ungefähr zu gleicher Zeit hatte Chauveau 3) denn auch mehr Resultate mit Fütterungs- experimenten bei Rindern. Nichtsdestoweniger zieht MoSLER aus seinen Versuchen den Schluss, dass der Arzt berufen sei, das Einschlucken der Sputa soviel wie möglich zu verhindern. Zwei Sachen kann man noch seinem Vortrag entnehmen, die auch jetzt noch ihre Bedeutung haben. Erstens legte er den Nachdruck darauf, dass der betreffende, von WiNIECKI be- schriebene Patient ein Idiot war und also eher alles einschluckte als normale Menschen. Und es ist jetzt natürlich eine bekannte Tatsache, dass Kindern ebensowenig wie Geistesschwachen deutlich gemacht werden kann, dass sie ihre Sputa gleich nach aussen befördern sollen, weil sonst für sie die Gefahr grösser wird eine Darmtuberkulose zu ihrer Lungenphthisis zu bekommen als für Erwachsene und normale Individuen. Die zweite Tatsache, worauf M OSLER aufmerksam macht, war der Umstand, dass der genannte Patient vorher Typhus abdo- 1) WiNIECKI, Über die Entstehung von Daimkrankheiten nach Verschlucken inficirender Sputa. Dissert. Greifswald 1873. 2) MosLER, Deutsche mediz. Wochenschrift 1883, No. 19. 3) Chauveau, Gazette des hôpitaux, 35, 36, 1873. 277 minalis durchgemacht hatte ; er findet darin eine Erklärung für eine lokale Disposition für eine spätere tuberkulöse Infektion. Gegenwärtig spielt diese lokale Disposition für Organerkran- kungen, speziell die Tuberkulose, wieder eine grössere Rolle und so möchte es auch bei unserem Fall, obgleich die Pathoo^enese der Krankheit allerdings eine ganz andere war, sehr beachtens- wert sein, dass Patient in seiner Jugend eine schwere Enteritis gehabt haben soll, über deren Art sich leider gar keine weiteren Anhaltspunkte haben linden lassen. Vielleicht war also auch in unserem Fall eine dadurch entstandene Empfindlichkeit der Darmschleimhaut für die später hinzugekommenen tuberkulösen Gifte anwesend. BlRCll-HlRSClIFELD i) hat später eine andere Möglichkeit erhoben für die Entstehung der sekundären Darmtuberkulose bei Lungenphthisis. Er meint, dass mit Tuberkelbacillen beladene Emboli in den Darmschleimhautgefässen stecken bleiben und so die Veranlassung geben zu der Geschwürsbildung. Weil keiner diese Embolien, ausser bei allgemeiner Miliartuberkulose, eigentlich jemals gesehen hat, kommt dieser Modus wohl wenig in Betracht. Man kann dies nicht behaupten von der folgenden Meinung. Die neuerdings geäusserte Möglichkeit, dass sich in vielen Fällen von allgemeiner Tuberkulose oder lokaler Lungentuber- kulose in der Galle bakteriologisch mittels Tierversuche Tuber- kelbacillen finden lassen, verdient wirklich sehr beachtet zu werden. Schon im Jahre 1899 fanden E. FräNKEL und P. Krause 2) in 45 % ihrer Fälle den Bacillus in der Galle in dieser Weise und später zeigten Calmette und GUERIN 3), dass bei intravenös mit Tuberkelbacillen injicierten Kaninchen bereits nach drei Tagen die Mikroorganismen in der Gallenblase auftraten. In jüngster Zeit ist LYDIA Rabinowitscii 4) wieder an diese Frage herangetreten und hat bei 17 Fällen in /o 0/0 durch Tierversuche die Bacillen in der Galle nachgewiesen. In nachher angelegten Kulturen wurde in 4 der Typus humanus, in 2 der Typus bovinus gefunden. 16 von den 17 Fällen hatten 1) BiRCH-HiRSCHFELD, Spezielle Pathol. Anatomie, 4e Auflage 1894. 2) E. FräNKEL, und P. Krause, Zeitschrift für Hygiene 1899, Bd. 32. 3) Cai.mette und Guérin, Acad, des Sciences de Paris 1909. 4) L. Rabinowitsch, Deutsche Mediz. Wochenschrift 19 13, No. 3. 278 eine mehr oder weniger Vorgeschrittene Tuberkulose, wovon 11 auch Darmtuberkulose. Diese Untersuchungen sind wirklich von grossem Interesse. Vorerst wird dadurch eine neue und sehr plausibele Entstehungsmöglichkeit der Darmtuberkulose eröffnet. Weiter wird es deutlich, dass auch ohne positive Darmbe- schwerden schon Tuberkelbacillen mit den Faces ausgeschieden werden können und so eine neue Infektionsgefahr bilden. Be- sonders entsteht sie in dieser Weise bei den Rindern, wo die Milch oft von Fäcespartikeln verunreinigt wird. In den Darm gelangte Bacillen können wieder aufgenommen werden, Leber- tuberkulose oder allgemeine Tuberkulose verursachen u. s. w., namentlich wenn angenommen werden darf, was Calmette und GuÉRIN sagen, »que la bile modifie l'enveloppe cirograis- seuse des bacilles et facilite leur absorption par la muqueuse intestinale saine« i). Ein wahrer Circulus vitiosus wird in dieser Weise geschaffen. Leider hat RabinowITSCH die Lebern der betreffenden Indi- viduen nicht weiter untersucht und also nicht beweisen können, ob für diese Bacillenausscheidung eine deutliche Lebertuberkulose notwendig ist oder nicht. Bei Rindern und Schweinen ist dies von JOEST 2) näher geprüft worden, der in 9 von 77 untersuchten Fällen von Lebertuberkulose, also in 11.7 0/0 und in 20 von 84 Fällen allgemeiner Tuberkulose, also in 23.8 «/o zusammen in 18 0/0 in der Galle die Bacillen zeigen konnte. Er untersuchte nun von den positiven Fällen die Lebern histologisch und konnte jedesmal Veränderungen nachweisen. Bei einer grossen Prozent- zahl war es ein Durchbruch einer pericholangitischen Tuberkel in den Gallengang, so dass also eine offene Tuberkulose ent- standen war. Ob diese Ausscheidung nun auch Gültigkeit hat für Fälle, wo keine Leberveränderungen da sind, ist vorläufig noch nicht mit Gevvissheit zu sagen und es sollte daher mit Zuhilfenahme eines grossen Materials entschieden werden müssen, in welchem Sinne diese Frage gelöst werden wird. In Zusammenhang mit der bekannten Eigenschaft der Gallenblase für andere Mikro- organismen wäre das durchaus nicht unwahrscheinlich. Viel- 0 cit. nach JoEST, Verhandl. der Deutschen Pathol. Gesellscliaft 19 13. 2) JOEST, Verhandl. der Deutschen Pathol. Gesellschaft 1913. 2 79 leicht also, dass auch hier die Klasse der Bacillenträger und Bacillenausscheider geschaffen wird, wo bei einer khnisch unbe- kannten und pathologisch-anatomisch nicht nachweisbaren Tuber- kulose schon mit der Galle Bacillen ausgeschieden werden. Welche Fürsorgen würde das wieder in hygienischer Hinsicht erheischen ! Nach dieser langen Zwischenrede kehren wir wieder zu uns- rem Fall zurück. Es ist woîd deutlich, dass man derartige, sekundäre Darmtuberkulose hier nicht annehmen kann. Schluck- tuberkulose ist jedenfalls absolut ausgeschlossen. In welcher Weise hat sich nun aber die primäre Infektion vollzogen? Zuerst ist man natürlich geneigt in einem solchem Fall die Nahrung als Ursache heranzuziehen. Ganz recht hat aber Beitzke i) in Übereinstimmung mit Orth, FräXKEL u. A. bemerkt, dass die grobe Unterscheidung in Fütterungs- und Inhalations-tuber- kulose nur so weit richtig ist, als damit die Quellen der Infektion angedeutet werden können, nicht aber, dass sie etwas beweisen kann über die Wege, welche die Bacillen im Körper von der Eintrittspforte weiter einschlagen, obgleich man geneigt ist, jedesmal die Darmtuberkulose als eine Folge der Nahrung und die Lungentuberkulose als eine Folge der Inhalation zu betrachten. Sie schlagen daher vor von Déglutitions- und Aspirationstuberkulose zu sprechen, wobei sie diese beiden Begriffe also trennen von der Frage, ob die Bacillen mit der Nahrung oder mit der Atmungsluft aufgenommen worden sind. Wenn man sich kurz eine Vorstellung macht, wie denn über- haupt die Infektion bei der Fütterung oder Inhalation statt finden kann, so tritt dieser Unterschied deutlich hervor. Dabei werden also die germinale, genitale oder Haut-infektion nicht berücksichtigt. A. Die Inhalation kann also Veranlassung geben zu den fol- genden Möglichkeiten : 1. Die Bacillen werden gleich in die Lungen aspiriert und erzeugen da eine primäre Tuberkulose. 2. Die Bacillen dringen unbemerkt durch die Wand der Bronchien oder der Alveolen und gelangen in die Bron- chialdrüsen, von wo sie später eine neue Infektion des Lungengewebes verursachen können (RiBBERT). i; Beitzke, Eigebnisse der allgèm. Pathologie und Paihol. Anatomie 1910. 28o 3. Die Bacillen werden schon in der Mundhöhle oder im Rachen festgehalten, dringen in die Tonsillen, wo sie wieder mehrere Wege folgen können : a. Sie verursachen primäre Tonsillärtuberkulose (selten). b. Sie gelangen in die Lymphdrüsen des Halses und des Mediastinums. (Dies ist nach Beitzke unwahrscheinlich, weil er die Lymphwege nach dem Mediastinum noch nie hat zeigen können und ausserdem die zwischenlie- genden Drüsen dann tuberkulös infiziert sein müssten. Andere Autoren bestreiten diese Meinung). C. Sie gelangen in die Lymphgefässe, dann in das Blut und können so überall, speziell in den Lungen, hämatogen Tuberkulose verursachen. 4. Die Bacillen werden mit Speichsei und Schleim verschluckt und können so eine Deglutitionstuberkulose des Darmes, des Peritoneums u.s w. hervorrufen. B. Die Nahrung kann Veranlassung geben zu den folgenden Möglichkeiten : 1. Die Bacillen bleiben in der Mundhöhle stecken und werden nachher aspiriert. Siehe: A i, 2. 2. Die Bacillen werden in der Mundhöhle oder im Rachen festgehalten. Siehe: A 3. 3. Sie verursachen eine primäre Darmtuberkulose. 4. Sie infizieren primär die Mesenterialdrüsen. 5. Es entsteht eine Peritoneal tuberkulöse (ohne die beiden Vorigen sehr selten). 6. Die Bacillen durchziehen unbemerkt die Darmschleimhaut und die Lymphdrüsen, gelangen ins Blut und können überall hämatogen Tuberkulose verursachen. Diese Mei- nung, am meisten von v. BEHRING verteidigt, ist durch viele Experimente jetzt wohl gesichert, obgleich es nach den meisten Autoren nicht so oft vorzukommen scheint als die Anhänger der Theorie der enterogenen Enstehung der Lungentuberkulose wohl meinten. Besonders hat sich aus vielen Versuchen herausgestellt, dass nach langer Zeit sich doch immer Veränderungen am Orte des Eindringens oder in den nächsten Drüsen zeigten. 7. Aus vielen Experimenten hat sich ergeben, dass, bei Tieren jedenfalls, Bacillen durch antiperistaltische Bewe- 28l gungen aus dem Magen wieder nach oben befördert werden und dann also durch Aspiration eine Lungen- tuberkulose verursachen können. (ÜFFENHEIMER i), nachher bestritten von RaCHKAcH und STEIN 2), aber wieder bestätigt von DiETERLEN 3) ). So haben ÜRTII und RabINOWITSCü 4) auch gefunden, dass per Anum hineingebrachte Bacillen später aus dem Magen kultiviert werden konnten. Diesem Bc^fund muss man also auch beim Menschen Rechnung tragen. So sind jetzt die wichtigsten Wege genannt, obgleich sie sich noch in allerlei Weisen kombinieren lassen. Es braucht also nicht zu wundern, dass man in vielen Fällen die Spur verliert und ein sicheres Urteil aussteht. Kompliziert wird die Sache noch dadurch, worauf besonders Bartel 5) aufmerksam gemacht hat, dass die Bacillen ziemlich lange Zeit in den Lymph- drüsen latent liegen bleiben können, nach Harbitz, Weichsel- BAUM und Bartel sogar mehrere Monate, worin sie nur mit- tels Tierversuche und öfters mikroskopisch nachweisbar sind, eine Periode, während welcher sie also leicht übersehen werden und nichtsdestoweniger ihre Wirkung schon ausüben können, sei es, dass sie sich schon weiter verbreiten, sei es, dass sie die Allergie des Körpers verursachen, wodurch sich das be- treffende Individuum bekanntlich einer neuen tuberkulösen In- fektion anders verhält als vordem. Vollständigkeitshalber will ich noch der Meinung von HaENTJES 6). Erwähnung tun, wodurch der Infektionsweg ein ganz einfacher wird und man sich die viele Mühe hätte ersparen können, die das Zusammenbringen der obengenannten Tatsachen gekostet hat. Er meint nämlich, dass die Bacillen sich per Contiguitatem in den Bindgewcbsspalten verbreiten, sich wenn nötig neue Wege schaffen und garnicht in die regionären Lymphdrüsen zu gelangen brauchen. Überall wäre also der 1) Uffenhkimer, Deutsche Mediz. Wochenschrift 1906, No. 46. 2) Bachrach und Stein, Wiener klln. Wochenschriü 1907. 3) DlETERl.EN, Tuberk. Arbeiten aus dem kaiserl. Ges. Amt. Heft 9. 4) Orth und Rabinowitsch, Sitzungsber. der Akad. d. Wisseusch. Berlin Bd. 39. 5) Bartel, Wiener klin. Wochenschrift, 1904, 1905, 1906. 1907. 6) Haentjks, Zeitschrift für Tuberkulose. Bd. 9. 19 2«2 Körper empfindlich. Diese Meinung ist gewiss wohl nicht all- gemein angenommen worden. Aus dieser Zusammenfassung wird es deutlich, dass es schwie- rig sein wird für jeden Fall und so auch für den unsrigen den Infektionsmodus anzugeben. Wichtig ist es dabei so genau wie möglich anamnestische Daten zu sammeln und sich in der Umgebung des Patienten zu erkündigen, wie er früher gelebt hat, eine Sache, worauf auch schon HELLER i) in einer seiner ersten Publikationen über diese Frage aufmerksam macht. Weil der junge Mann einigermassen infantil war, war es nicht möglich viel Wichtiges von ihm zu hören ; überdies wurden diese sorgfältigeren Nachforschungen erst nach seinem Tode geplant. Dr. TjABBES, der früher behandelnde Arzt hat sich die Mühe gegeben in der Jugend von Patient die Ursachen für seine Infektion zu finden. Er hat das Folgende gemeldet: Der Vater des Patienten ist vor lo Jahren an Lungentuberkulose gestorben, Patient ist ein Sohn aus zweiter Ehe mit einer jungen Frau. Nach dem Tode des Vaters ist in der Familie keine weitere Tuberkulose vorgekommen. Patient had immer ge- kochte Milch in ziemlich grossen Quantitäten getrunken von demselben Milchverkäufer wie die Hausgenossen. Später war er Bedienter in einem Geschäft von Zuckerwahren, wo in der Zeit keine Tuberkulose vorkam. Das Resultat dieser Anamnese ist also nicht erheblich und eine Entscheidung bringt sie nicht. Eine so grosse Ausdehnung der Geschwüre, wie sie hier vor- kommt, hat man mit Recht gewöhnlich einer anhaltenden und regelmässigen Zufuhr von Bacillen zugeschrieben, wie diese an erster Stelle bei einer ulcerösen Lungenphthisis statt finden kann, wo mit dem Sputum fortwährend Bacillen eingeschluckt werden. Unser Fall stimmt, was die Ausbreitung der patholo- gischen Veränderungen anbetrifft, wie schon in der Einleitung bemerkt, ganz mit einer solcher sekundären Darmtuberkulose überein. Diese Weise von Infektion kann man hier natürlich aber ausschliessen. Ebensowenig kommt eine Ausscheidung von Bacillen mit der Galle in Betracht, wofür denn doch vorläufig, bei unseren jet- l; Heller, Deutsche Mediz. Wochenschrift 1902, No. 39. 283 zigen Kenntnissen, ein deutlicher primärer Herd im Körper imd nachweisbare Lebertuberkulose notwendig wäre. Eine weitere Möglichkeit einer stetigen Zufuhr von l^a»illen nach dem Darmkanal ist natürlich ihre Auf nah m<,- mit der Nahrung, speziell mit der Milch. Wie aber aus iU-n Mittei- lungen des ehemals behandelnden Hausarztes erhellt, sind für eine solche Annahme keine Beweise da, obgleich zugegeben werden muss, dass die Gründe kaum genügen um eine der- irleiche Infektionsweise ausschliessen zu können. Die Wahr- scheinlichkeit ist jedenfalls sehr gering. Und noch mehr wird sie das durch das Ergebnis der bakteriologischen Untersuchung. Eine Infektion mit dem humanen Typus mittels der Nahrung ist fast auszuschliessen. Es ist kaum möglich, dass die Infektion datieren würde aus der Zeit des Verkehrs mit tuberkulösen Familienmitgliedern, nämlich mit dem Vater. Dies fand vor lo Jahren statt; man müsste also eine Latenzperiode der Krankheit von dieser Zeit- dauer annehmen und dazu ist wohl niemand geneigt. Es wird also sehr schwierig sich eine Vorstellung zu machen, wie die Sache sich wirklich zugetragen hat. ¥Àn \'ersuch zu Erklärung darf aber nicht unterlassen werden. Sucht man in der Literatur nach ähnlichen Fällen, so wird man sie nur sehr spärlich finden. Vor einigen Jahren hat EDENS ') einen beschrieben und eine Erklärung angenommen, die auch bei uns vielleicht ihre Gültigkeit haben kann. .Auch bei seinem Fall waren ausgebreitete Darmulcerationen nachzuweisen, für welcher Entstehung, ebensowenig wie bei uns, Anhaltspunkte in der Anamnese gefunden werden konnten. Nicht verschwiegen werden darf, dass ausserdem die Mediastinaldrüsen bei ihm alte verkäste Herden zeigten. Im Dünndarm befand sich ausser den zahlreichen frischen Geschwüren eine tuberkulöse Narbe und Edens stellte sich nun vor, dass dieses alte, in irgendwelcher Weise nach einmaliger Infektion entstandene Ulcus fortwährend Bacillen produziert hatte, wodurch die weiteren Teile des Ileums und des Colons ergriffen wurden, sodass also eine Art Autoin- fektion statt gefunden hatte. Vergleichen wir dies jetzt mit unserem Fall. i) Edens, Berliner klinische Wochenschrift, 1905, no. 50. 284 Es ist anzunehmen, dass jedermann der Gefahr einer tuber- kulösen Infektion öfters ausgesetzt ist. Unser Patient hat sich nun auch einmal mit Tuberkelbacillen infiziert, wenn auch das Wie und Wo uns entgeht. Man muss sich nun vorsteller, dass er ausser der hereditären allgemeinen eine lokale Disposition im Darm darbot, welche den hineingelangten Bacillen einen günstigen Boden schuf. So entstand vielleicht zuerst ein. vereinzeltes Geschwür, von wo aus dann nachher in obenge- nannter Weise das Virus sich in den weiteren Teilen des Dünndarmes verbreitet hat. Man könnte dies auch mit der sogenannten Bombeninfektion bei der Syphilis vergleichen, wo in der Umgebung einer Papel viele kleine, neue Effloreszenzen durch eine Art Zersprengung entstehen können. Dass wir in unsrem Fall keine alte tuberkulöse Narbe nach- weisen konnten, lässt sich durch die ziemlich kurze Zeitdauer des ganzen Prozesses erklären. Eine Schwierigkeit wäre vielleicht der Umstand, dass die Bacillen den Magen mit seinem Saft passiert haben müszten, ohne dass so viele zerstört würden, dass die übrigen ihre Wirkung im Darm noch ausüben könnten. Es wäre auch möglich, dass die Darmentzündung nur scheinbar primär wäre, grade wie das bei Knochentuberkulose auch der Fall sein kann, wo in der Blutbahn kreisende Bacillen sich in den Locus minoris resistentiae (beim Knochen z.B. oft durch Trauma) ansiedeln. Woher diese Bacillen dann stammen, weiss man nicht. In irgend welcher Weise sind sie in den Körper gekommen, vielleicht schon einige Zeit da latent ge- blieben, oder sie rühren im Baumgartenschen Sinne einer germinalen Infektion her. Gelangen sie jetzt in den Kreislauf, so greifen sie das disponierte Organ, in casu den Darm, an und erzeugen eine progressive Tuberkulose. So könnte man also solche ausgebreitete primäre Darmtu- berkulose in dieser Hinsicht mit einer Lungenphthisis vergleichen, dass sie beide nach einmaliger Infektion entstehen können, was dann vielleicht nur möglich wäre in den Fällen, wo durch frühere krankhafte Zustände eine Disposition im Darmkanal geschaffen worden ist. Diese Erklärungen sind etwas verschieden von der bei der ^85 Darmttiberkulose gangbaren Auffassung. Meine Veröffentlichung hat auch nur den Zweck eine Anweisung zu geben, die vielleicht anderen Untersuchern bei ähnlichen, genetisch schwierigen Fällen von Nutzen sein könnte. Vielleicht findet meine Meinung dann auch später Bestätigung. Denn leider, wie es sich hier aucli wieder zeigt, bei der Pathologie der Tuberkulose ist der Rätsel kein Ende. ANHANG. FESTSTELLUNG DES TYPUS VON Prof. A. KLEIN, Groningen. Sechs Meerschweinchen wurden mit kleinen Stückchen des tuber- kulösen Dünndarms, nach tüchti.i^er Abspülung in steriler, physiolo- gischer Kochsalzlösung, an der Bauchseite subkutan geimpft. Nach 4 Wochen wurden zwei dieser Meerschweinchen gelötet und aus der Milz dieser Tiere Kulturen auf Glyzerinkartoffeln angelegt. Dia 4 übrigen Meerschweinchen gingen unter starker Abmagerung innerhalb 5—6 Monaten an generalisierter Tuberkulose ein. Alle Kulturen schlugen an ; die älteren Kartoffelkulturen zeigten eine gelbrötliche Verfärbung. V^on den frischen Kartoffelkuiluren wurde auf Glyzerinbouillon von amphoterer Reaktion übertragen. Nach 5 Wochen war die ganze Oberfläche der Nährflüssigkeit von einer dicken, faltigen Haut über- zogen, sogenanntes eugo7iisches Wachsitun der englischen Kommission. Mikroskopisch. Färbung nach Ziehl : Tuberkelbazillen von schlanker Form, teilweise von gekrümmter Gestalt; gleichmässige Länge und gleichmässige Färbung. Reaktion der Bouillon zu dieser Zeit sauer (Reaktion von Smith). Kaninchen- Versuche. Drei Kaninchen wurden nach Kossel, Weber und Heuss i) mit o.oi g. Tuberkelbazillen der frischen Glyzerin- bouillonkultur subkutan an der Bauchseite verimpft. l) H. Kossel und A. Weber. Vergleichende Untersuchungen über Tuberkel- bazillen verschiedener Herkunft I. H. Kossel, A. Weber und Heuss. Vergleichende Untersuchungen über Tuberkelbazillen verschiedener Herkunft II. Tuberkulose-Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt, Heft i, 1904, S. I und Heft 3, 1905, S. i. 286 Kaninchen i. Gewicht 3100. g. Geimpft 10. VI. 13. Getötet 17. IX. 13. Gewicht 3750 g. An der Impfstelle ein erbsgrosser Eiterherd. Die zugehörige Leistendrüse ist verkäst, während alle übrigen Drüsen unver- ändert sind. Milz, Nieren, Lungen frei von tuberkulösen Veränderungen. Kaninchen 2. Gewicht 3670 g. Geimpft 10. VI. 13. Getötet 18. IX. 13. Gewicht 4200 g. An der Impfstelle geringe, bindegewebige Reste. Drüsen, Milz, Nieren, Lungen frei von Tuberkulose. Kaninchen 3. Gewicht 3000 g. Geimpft 10. VI. 13. Getötet 19. IX. 13. Gewicht 3650 g. Impfstelle nicht sichtbar. Von der Impfstelle ein 3 cm langer, verdickter Lymphstrang mit eitrigem Inhalt, welcher nach einer ebenfalls vereiterten Leistendrüse führt Die übrigen Drüsen unver- ändert, Milz, Nieren, Lungen frei von Tuberkulose. Diagnose: Typus humanus. Bemerkung: Auf die ziemlich bedeutende Zunahme an Körpergewicht der Kaninchen nach Impfung mit humanen Tuberkelbazillen, während die mit bovinen Kulturen injizierten Kaninchen meist stelige Abmage- rung und Gewichtsabnahme zeigen, ist in jüngster Zeit zuerst von Gosio i) und kürzlich auch noch von Küssel 2) hingewiesen. 1) B. Gosio. Rapports entre la tuberculose bovine et la tuberculose humaine. Office international d'hygiène publique, 4, 191 3, p. 1380. 2~) KossEL. Die tierische Tuberkulose in ihren Beziehungen zur menschlichen Tuberkulose, besonders zur Lungenschwindsucht. Veröffentlichungen der Robert KocH-Stiftung 7,ur Bekämpfung der Tuberkulose, Heft 8/9, 1913, S. 8. Schaf mit Polyarlhrllis durch Roüaufhazilleu. m^mm^mmmmÊmm/mfmmm 1!^ ^^■■■pipiM ^^r^j^ K^ ^m * Pi^^ m »^w ^ ^n^ J 1 ^i:T.; 3 5 85 00251 5300