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Fortschritte auf dem Gebiete der Róntgenstrahlen Herausgeber: Prof. Dr. Albers-Schénberg

Erganzungsband 25

Archiv und Atlas

der normalen und pathologischen Anatomie

in typischen Róntgenbildern

Anatomie und Pathologie

Zähne und Kiefer im Röntgenbilde

mit besonderer Berücksichtigung der Aufnahmetechnik

von

Prof. Dr. med. W. Dieck

Abteilungsdirektor am Zahnärztlichen Institute der Universität Berlin

Mit 52 Textabbildungen und 251 photographischen Röntgenbildern auf 17 Tafeln

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Hamburg

Lucas Gräfe & Sillem (Edmund Sillem)

1911

Anatomie und Pathologie

der

Záhne und Kieter

im Róntgenbilde

mit besonderer Berücksichtigung der Aufnahmetechnik

von

Prof. Dr. med. W. Dieck

Abteilungsdirektor am Zahnärztlichen Institute der Universität Berlin

Mit 52 Textabbildungen und 251 photographischen Röntgenbildern auf 17 Tafeln

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Hamburg Lucas Gráfe & Sillem (Edmund Sillem)

1911

Copyright 1911 by Lucas Gráfe & Sillem, Hamburg.

Vorwort.

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Die Zahnheilkunde gehört zu denjenigen Gebieten der Medizin, auf welchen die Röntgenphotographie eine besondere Bedeutung gewonnen hat. Während aber in den übrigen medizinischen Disziplinen die Röntgenliteratur bereits zu einem solchen Umfange angewachsen ist, daß schon ein Sonderstudiun dazu gehört, sie einigermaßen zu übersehen, sind in der Zahnheilkunde die Publikationen bis heute nicht besonders zahlreich hervorgetreten und be- ziehen sich vielfach nur auf Kasuistik. An zusammenfassender Darstellung des Gegenstandes mit belehrendem Bildmaterial ist nicht viel vorhanden; die bezügliche deutsche Literatur be- schränkt sich auf wenige Veröffentlichungen, von denen diejenige von Port und Peckert über die „Röntgenphotographie in der Zahnheilkunde“ (Deutsche Zahnheilkunde in Vorträgen, Heft 11) und von Höck „Ein Beitrag zur zahnärztlichen Röntgendiagnostik“ (Österr.- -Ung. Vierteljahrsschrift für Zahnheilkunde 1908, Oktober, und 1909, Januar und April) neben einigen kleineren Aufsätzen der jüngsten Zeit besonders zu nennen wären.

Der instruktive Wert eines Atlas wird in erster Linie an dem Bildmaterial gemessen, d. h. nicht nur an dem Material als solchem, sondern auch an der Art der bildlichen Wieder- gabe. Für Röntgenaufnahmen gibt es nur eine ganz zuverlässige Reproduktionsart, das ist die photographische, und daran fehlt es auf unserem Gebiete bisher gänzlich. Kein Klischee- bild vermag das gewonnene Röntgenbild so einwandfrei mit seinen diagnostisch wichtigen Einzelheiten und auch seinen Fehlern wiederzugeben als sie, und derjenige, welcher sich mit der Röntgenphotographie praktisch beschäftigen will, wird eine gute Originalaufnahme natürlich vorausgesetzt ungleich mehr aus der Betrachtung des photographischen Bildes lernen können als aus einem anderweitig reproduzierten, dem Ungenauigkeiten und Fehler der Wiedergabe anhaften. Aus diesem Grunde enthält der vorliegende Atlas, von den Textab- bildungen abgesehen, nur Photogramme nach meinen Originalaufnahmen. Die „Neue Photo- graphische Gesellschaft“ in Steglitz bei Berlin hat bereitwilligst meine Wünsche in der technischen Ausführung der Tafeln berücksichtigt.

Bis auf wenige Präparataufnahmen anatomischen und entwickelungsgeschichtlichen Charakters sind sämtliche Röntgenbilder am Lebenden aufgenommen. Diejenigen Tafeln, welche die Retention des oberen Eckzahns, chronische Periodontitis, Kieferzysten und ähnliche abnorme bzw. pathologische Erscheinungen illustrieren, habe ich mich bemüht, in möglichster Mannigfaltigkeit zusammenzustellen. Das schien mir nötig zu sein zur Förderung des dia- gnostischen Urteils. Der Umfang des Atlas ist aus diesem Grunde erbeblich größer geworden, als ursprünglich in Aussicht genommen worden war, aber, wie ich hoffen darf, nicht zu seinem Nachteile.

Einen Teil der größeren Unterkieferaufnahmen habe ich von Patienten gewonnen, welche Herr Professor Dr. Willi ger, Direktor der Chirurgischen Abteilung des Zahnärztlichen Institutes, mir freundlichst zugewiesen hat. Für die Überlassung der bezüglichen Kranken- geschichten sage ich Herrn Kollegen Williger besten Dank. Auch möchte ich nicht verfehlen, allen denjenigen Herren Kollegen zu danken, welche mir aus der privaten Praxis interessante Fälle zur Röntgenaufnahme zugewiesen haben; unter ihnen vornehmlich Herrn Zahnarzt H. J. Mamlok, Berlin. Nur so konnte das Material die erfreuliche Reichhaltigkeit gewinnen.

Die beschriebenen neuen technischen Hilfsmittel für die Zahn- und Kieferaufnahmen sind nach meinen Angaben von der Firma Reiniger, Gebbert & Schall hergestellt worden. Es ist mir eine angenehme Pflicht, das stete Interesse der Firma für diese Neuerungen und das bereitwillige Eingehen auf meine Anregungen anzuerkennen.

Ganz besonders aber danke ich dem Herausgeber, Herrn Professor Dr. Albers-Schönberg in Hamburg, und dem Verleger, Herrn Edmund Sillem, für das Entgegenkommen, dessen ich mich in jeder Beziehung erfreuen durfte.

Berlin, im April 1911. W. Dieck.

Inhalt.

Vorwort Allgemeines. Entstehung und Eigenschaften der ‘Rontgenstrahlen Entstehung und Wesen des Röntgenbildes . Charakter der Röntgenröhre . u Radioskopie und Radiographie T e Der Charakter des Kiefergebietes fiir die Röntgenphotographie Spezielle Röntgentechnik für Zahn- und Kieferaufnahmen . Die Erzielung unverzeichneter Zahnbilder . Genaue rechnerische Bestimmung der Wurzellänge eines Zahnes ı an der Hand des Röntgenbildes Die technischen Hilfsmittel bei Zahn- und Kieferaufnahmen und ihre Handhabung Das Röhrenstativ i Die zentrierbare Röhrenblende nach Dieck Die Prüfung der Röhre. . . Die Röhreneinstellung bei Zahn- und Kieferaufnahmen 3 Der Film und seine ne im Munde Die Form des Films . Et Größere Plattenaufnahmen . Einstellbügel für Plattenaufnahmen Fehler in der Technik der Zahnaufnahmen und ihre Vermeidung Falsche Wahl der Röhre Febler in der Expositionszeit . Unvollkommene Resultate bei Aufnahmen von n Objekten mit großen Dichtigkeits- oder Dicken- unterschieden . . . Le ee ee ee IA Projektionsfehler durch falsche Strahlenrichtung Fehler photographisch-technischer Art er Abkürzung der Expositionszeiten durch Intensivstrom- „Apparate Textlicher Teil zu den photographischen Tafeln II-XVII. Vorbemerkung Die Röntgenphotographie der Kiefer und Zähne in ihrer Bedeutung für Anthropologie, Entwicklungsgeschichte und normale Anatomie . . Die normale und atypische Resorption sowie Persistenz ‚der Milchzähne Anomalien der Zahnentwicklung und ee: Die Retention der Zähne oi ay. thy Bs en rn A E Betrachtung und Deutung der Röntgenbilder. "Diagnostische Irrtümer. Stereoskopische Bildbetrachtung . Se er ee Zahnfüllungsmaterialien im Röntgenbilde ; Die Wanderung der Zähne, im besonderen des zweiten unteren Prämolaren Sondierung enger Wurzelkanäle . Resorption an bleibenden Zähnen. Sekundäre Karies Trigeminus-Neuralgie mit dentaler Ursache und ihr röntgenologischer Nachweis Marginale Periodontitis : Apikale chronische Periodontitis mit eitriger Knochenzerstórung und Granulations- herden. Chronische Fisteln. E Kiefereiterung mit versteckter Ursache . Alveolar-Pyorrhoe . Kieferzysten ; Resektion der Wurzelspitze Die Róntgenphotographie als Kontrollmittel vor und el zahnärztlicher Behandlung. Nachweis von Behandlungsfehlern Wurzelfraktur durch Trauma, Replantation, Fremdkörper | im Antrum, Kontrollauf- nahmen bei Zahnregulierungen. i Kieferfrakturen, große Kieferzysten, lustische und barsinouiate Kiefererkrankung im Röntgenbilde . . . or Die Schädigung durch Röntgenstrahlen 17 photographische Tafeln mit Tafelerklärungen.

Seite

18 80

84 88

Die Röntgenphotographie findet auf dem Gebiete der Zahnheilkunde außerordentlich günstige Voraussetzungen, sowohl in bezug auf die Anwendungsmöglichkeit, als auch auf die Vielseitigkeit ihres diagnostischen und des sich daraus ergebenden therapeutischen Wertes. Dafür, daß die Zahnärzte erst in den letzten Jahren angefangen haben, sich der großen praktischen Bedeutung mehr und mehr bewußt zu werden, welche das Röntgenbild für sie besitzt, mögen verschiedene Gründe in Anrechnung zu bringen sein. Einerseits erfordert die Röntgendiagnostik eine ‚besondere apparative Ausrüstung, welche, von den Beschaffungskosten ganz abgesehen, eine gewisse Erfahrung und technische Schulung voraussetzt, bevor man imstande ist, Miß- erfolge mit einiger Sicherheit zu vermeiden, anderseits gebört zu der nutzbringenden Anwen- dung in der Zahnheilkunde eine spezialtechnische Übung und fachmännische Kenntnis der Pathologie des speziellen Körpergebietes. Der ärztliche Röntgenograph, welcher nur gelegent- lich Zahn- und Kieferaufnahmen machte, ohne sich in die vorliegenden anatomischen und pathologischen Sonderverhältnisse eingearbeitet zu haben, konnte naturgemäß nicht immer zu befriedigenden Resultaten gelangen, auch nicht immer in der Lage sein, die gewonnenen Bilder richtig zu deuten. Es erscheint selbstverständlich, daß derjenige, welcher Röntgenauf- nahmen der Brust- oder Bauchorgane machen will, das Terrain genau kennen und seine Pathologie beherrschen muß, ebenso selbstverständlich gehört zahnärztliche Erfahrung und spezielle röntgentechnische Übung dazu, wenn gute Resultate auf diesem Gebiete erreicht werden sollen; kurz, sollte die Röntgenphotographie in der Zahnheilkunde zu allgemeinerer Verwendung kommen, so mußte sie erst die Domäne des Zahnarztes werden.

Von der therapeutischen Bedeutung der Röntgenstrahlen als direktes Heilmittel für Gewebserkrankungen kann hier ganz abgesehen werden, weil in der Zahnheilkunde bemerkens- werte Erfahrungen nach dieser Richtung hin nicht vorliegen und vielleicht auch nicht zu er- . warten sind.

Allgemeines.

Es gehórt natúrlich nicht in den Rahmen dieses Atlas, die physikalisch-technische Seite des Gegenstandes eingehend zu erörtern. Dazu sind die allgemeinen Lehrbücher vor- handen; es sei im besonderen auf die neueste Auflage des Lehrbuches von Albers-Schönberg hingewiesen, welches alle hierher gehörenden Dinge in mustergültiger und erschöpfender Weise behandelt!) Auch darf wohl die Kenntnis der wesentlichen Grundlagen der Röntgen- lehre vorausgesetzt werden. Wenn hier trotzdem einige kurze Ausführungen über die Rönt- genstrahlen und ihre praktische Verwendung Platz finden, so geschieht es der Geschlossenheit der Darstellung wegen und um demjenigen Leser, welcher sich mit diesem Gegenstande bisher nicht befaßt hat, das leichtere Verständnis für die späteren Ausführungen zu vermitteln,

Entstehung und Eigenschaften der Röntgenstrahlen.

Die Róntgenstrahlen sind das Resultat einer Transformation der elektrischen Energie, welche sich in der Röntgenröhre unter bestimmten Voraussetzungen vollzieht. Diese Voraus- setzungen sind:

1. ein in sehr geringen Grenzen schwankendes hohes Vakuum der Röhre;

2. eine für die elektrische Entladung in diesem Vakuum genügend hohe Stromspannung;

3. das Hindernis des Antikathodenspiegels in der Röhre, welches die Transformation der elektrischen Energie der Kathodenstrahlen in die Energie der Röntgenstrahlen veranlaßt.

Die für die praktische Verwendung wichtigen Eigenschaften der Röntgenstrahlen sind:

1. der geradlinige Fortgang der Strahlen, d. h. die Unmöglichkeit, sie künstlich von ihrer Richtung abzulenken, sie zur Brechung und Reflexion zu bringen;

2. die Penetrationskraft;

3. die Fluoreszenzwirkung auf bestimmte chemische Körper und

4. ihre photochemische Wirkung.

Aus dem in Abb. 1 wiedergegebenen Schema nach Janus?) ist die Umwandlung der Energieformen leicht zu übersehen.

1) Albers-Schönberg, Die Röntgentechnik. Dritte Auflage. 1910. Verlag von Lukas Gräfe und Sillem, Hamburg.

2?) Friedr. Janus, Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Bd. XIV, Heft 4, S. 254.

Allgemeines. 9

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| Abb. 1. A. Primäre elektrische Energie. B. Induktor eines Röntgenapparates, welcher den primären Strom von niedriger Spannung und hoher Stärke zu hoher Spannung und niedriger Stärke transformiert.

C. Sekundäre elektrische Energie.

D. Röntgenröhre; Transformierung der sekundären elektrischen Energie in Kathodenstrahlen und

dieser in Röntgenstrahlen.

E. Energie der Röntgenstrahlen.

F. Zu durchstrahlendes Objekt.

G. Photographische Platte; Umwandlung von Röntgenstrahlenenergie in photochemische Energie.

Von technischer Wichtigkeit ist die einseitige Richtung des Stromes durch die Röhre, und zwar in der Schaltung: + Pol des Induktors an die Anode (also Antikathoden- spiegel) der Röhre und Pol an die Kathode. Die umgekehrte Schaltung würde sich sofort dadurch bemerkbar machen, daß nicht wie bei dem richtigen Stromdurchgange die Fluores- zenz der Röhrenwand im halbkugelförmigen Bestrahlungskreise des Antikathodenspiegels abgegrenzt ist, sondern daß die ganze Röhrenwand bewegliche Flecken und Ringe von Fluo- reszenzlicht zeigt. Eine solche falsche Schaltung hätte zur Folge gehabt, daß die Anode der Röhre zur Kathode wird, also Kathodenstrahlen entsendet, welche an allen von ihnen getroffenen Teilen der Röhre Röntgenstrahlen entstehen lassen. Bei dieser diffusen und deshalb schwächeren Ausstrahlung kann ein brauchbares Röntgenbild natürlich nicht zustande kommen.

Sollte durch Unachtsamkeit die Röhre längere Zeit der falschen Schaltung ausgesetzt

werden, so wäre weit wichtiger als das Mißlingen der Aufnahme die Schädigung der Röhre Dieck, Anatomie und Pathologie der Zähne und Kiefer im Róntgenbilde, 2

10 Allgemeines.

selbst. Bei der diffusen Richtung der Kathodenstrahlen tritt an allen sonst davor geschützten Metallteilen innerhalb der Röhre Verstäubung ein, wodurch Luft absorbiert, das Vakuum erhöht, die Röhre mithin härter und ihre Gebrauchsdauer verkürzt wird.

Aber trotz richtiger Schaltung der Röhre kann bei einem Induktorapparat dieselbe nachteilige, wenn auch schwächere Wirkung durch den sogenannten „Schließungsstrom“ entstehen.

Bekanntlich wird nur der starke Öffnungsstrom des Induktors zur Erzeugung der Röntgenstrahlen benutzt, aber der umgekehrt gerichtete, an Energie allerdings viel schwächere SchlieBungsstrom kann ebenfalls durch die Röhre gehen, wenn dieselbe sehr weich und ihr innerer Widerstand gering ist. Deshalb muß hier die Ausschaltung desselben durch besondere Hilfsmittel, wie Vorschaltfunkenstrecke, Ventilröhre oder ähnliche Vorrichtungen erfolgen.

Eine sehr harte Röhre besitzt schon in ihrem hohen inneren Widerstande allein eine Sicherung gegen den Durchgang des Schließungsstromes.

Wichtig ist ferner die Entstehung und Wirkung der sogenannten „Sekundärstrahlen“. Diese bilden sich überall da, wo die Röntgenstrahlen ein Hindernis finden, mögen sie dasselbe durchdringen oder von ihm absorbiert werden. Das geschieht nun einerseits beim Durchgang durch die Glaswand der Röhre, anderseits in dem durchstrahlten Körper selbst, sodaß es zu einer diffusen Ausstrahlung kommt. Die von der Röhrenwand ausgehenden Strahlen, von Holzknecht „ektogene“ genannt, haben nach Walter dieselbe Härte wie die Fokusstrahlen, die im durchstrahlten Körper entstehenden „entogenen® Sekundärstrahlen sollen härter sein als die Fokusstrahlen. Die sekundären Röntgenstrahlen haben auf die photographische Platte die unangenehme Wirkung, daß sie dieselbe verschleiern und dadurch den Kontrastreichtum des Róntgenbildes schmälern. Ihre Intensität ist allerdings nur gering im Vergleiche zu den Fokusstrahlen, denn sonst würde naturgemäß das Zustandekommen eines Röntgenbildes überhaupt unmöglich sein. Die von der Glaswand der Röhre ausgehenden Sekundärstrahlen werden durch den Röhrenbehälter und die vorgesetzte Röbrenblende nach Möglichkeit abgefangen (vgl. Fig. 15).

Entstehung und Wesen des Röntgenbildes.

Die Entstehung eines differenzierten Röntgenbildes ist zurückzuführen auf die unter- schiedliche Durchlässigkeit der Körper für die Röntgenstrahlen. Würden diese imstande sein, mit gleicher Intensität alle Körper zu durchdringen, bzw. in allen Körpern einen gleichen Grad von Hemmung oder Absorption zu erfahren, so würde auf der photographischen Platte nur eine Silhouette des durchstrahlten Körpers entstehen können, wie es der Fall ist, wenn ein homogener, in der Durchstrahlungsrichtung gleichmäßig dicker ‘Körper photographiert wird. Das wäre ein Schattenbild von der Art, wie es unser gewöhnliches Licht erzeugt. Eine Zeich- nung im Röntgenbilde ist aber dann zu erwarten, wenn der durchstrahlte Körper ungleich dick ist, oder wenn Dichtigkeitsunterschiede bestehen, wie sie beispielsweise unsere Körper- gewebe besitzen. Die dicken und dichteren Teile des durchstrahlten Objektes absorbieren die Röntgenstrahlen stärker und hemmen damit die Penetration mehr als die dünneren und weniger dichten Teile. Der Durchlässigkeitsgrad der Körper für die Röntgenstrahlen ist nun direkt proportional ihrer Dichtigkeit, so daß das Röntgenbild mit seinen Details einen graphischen Maßstab abgibt für Masse und spezifisches Gewicht der differenten Teile des durchstrahlten Objektes. Das Röntgenbild ist also seinem Wesen nach kein eigentliches Schattenbild, sondern, wie man es mit Recht nennt, ein Durchsichtigkeitsbild und hat eine gewisse plastische Wirkung.

Charakter der Röntgenröhre.

Man unterscheidet bekanntlich weiche und harte Röntgenröhren oder nennt die von

ersteren erzeugten Röntgenstrahlen weiche, die anderen harte. Der Unterschied in dem Charakter

ye Allgemeines. 11

der Röntgenstrahlen liegt in ihrer verschiedenen Penetrationskraft. Weiche Röhren ergeben Strahlen von geringerem, harte Röhren von stärkerem Durchdringungsvermögen. Die Ursache für diese verschiedenartige Qualität der Strahlen wird vorwiegend durch den Zustand des Röhrenvakuums gegeben. Je geringer dasselbe ist natürlich innerhalb verhältnismäßig enger Grenzen —, um so weicher sind die Strahlen, je höher das Vakuum, um so härter.) Der Härtegrad der Röhre hat eine untere und obere Grenze. Ist die Röhre zu weich, so gehen die von ihr entsendeten Strahlen auch nicht mehr durch die leichter durchlässigen Körper; ist sie zu hart, so gehen die Strahlen auch durch die dichteren Teile des Objekts mit fast gleicher Leichtigkeit hindurch, wie durch die weniger dichten, und es muß not- gedrungen der Kontrast im Röntgenbilde bis zur Unbrauchbarkeit herabgedrückt werden.

Die richtige Wahl der Röntgenröhre ist von allererster Wichtigkeit für die Technik der Röntgenphotographie. Albers-Schönberg sagt mit Recht: „Zwei Drittel der ganzen Röntgentechnik ist eine Röhrenfrage.* Der Charakter der Röhre ist dem zu durchstrahlenden Körpergebiete anzupassen. Für Zahn- und Kieferaufnahmen ist eine weiche bis mittelweiche Röhre erforderlich, wenn gute Kontraste in das Bild hineinkommen sollen. Es ist Sache der Übung und Erfahrung, den Zustand der Röntgenröhre richtig zu beurteilen. In der speziellen Technik der Zahn- und Kieferaufnahmen wird darauf noch zurück- zukommen sein.

Die Röntgenröhre „altert“, d.h. sie wird im Laufe der Zeit nach häufiger Betätigung spontan härter, ihr Vakuum also höher infolge allmählicher Absorption des noch vorhandenen Luftresiduums. Die Technik verfügt über die Möglichkeit der Röhrenregulierung. Eine harte Röhre kann künstlich weicher, eine weiche härter gemacht werden. Wegen des spontanen Alterns der Röhre kommt aber in praxi in erster Linie die Weichregulierung in Betracht; dieselbe wird also erreicht durch Verringerung des Röhrenvakuums, d. h. durch Zuführung von Luft oder besser gesagt, von Gasen. Da es sich aber nur um minimalste Luftzufuhr handeln darf, so sind die technischen Vorrichtungen dafür besonderer Art, auf deren Einzelheiten hier jedoch nicht näher eingegangen werden soll. |

Radioskopie und Radiographie.

Die Eigenschaft der Röntgenstrahlen, einerseits bestimmte chemische Körper zur Fluores- zenz zu bringen, anderseits auf die Silberschicht der photographischen Platte zu wirken, macht sie uns nutzbar für die Erzeugung sowohl eines auf dem Fluoreszenzschirm direkt sichtbaren, als auch eines photographischen Bildes auf der Platte. Der Leuchtschirm besitzt auf Papp- unterlage ein mit Bariumplatinzyanürlösung getränktes Papier und ist mit Bleiglasplatte zum Schutze des Betrachtenden bedeckt. Das zwischen Röhre und Leuchtschirm gebrachte Objekt wird bei passendem Strahlencharakter auf dem Schirm ein gut differenziertes Bild erzeugen, welches im verdunkelten Raume betrachtet werden kann. Besonders ausgewählte Objekte, etwa eine Skeletthand, können als Testobjekte zur Prüfung des Härtegrades der Röhre dienen. Für bestimmte diagnostische Zwecke kann die Radioskopie vollkommen ausreichend sein; freilich kann es sich nur um solche Fälle handeln, wo eine genügend scharfe Kontrast- zeichnung im Fluoreszenzbild entsteht. Zur Erzielung ausreichender Helligkeit muß aber die Röhre erheblich stärker belastet werden, als es bei der Photographie nötig ist. Das photographische Bild bietet dem Fluoreszenzbild gegenüber den Vorteil des objektiv Vorhan-

1) Es mu8 jedoch darauf hingewiesen werden, daß eine Röntgenröhre nur überwiegend, nicht ausschließlich die Strahlen liefert, durch welche ihr Charakter bestimmt wird. Unter den Strahlen einer weichen Röhre gibt es auch harte, unter denjenigen einer harten Röhre auch weiche. Für die Röntgentherapie ist diese Tatsache von Bedeutung. Für die Bestrahlung tiefgelegener Körper- teile mit harter Röhre hat man die durchstrählten Hautpartien zur Vermeidung einer Schädigung mit dünner Metallfolie bedeckt, welche wohl die mitgelieferten weichen Strahlen zurückhält, den harten Strahlen aber den Eingang in die Tiefe gestattet. '

9*

12 Spezielle Röntgentechnik für Zahn- und Kieferaufnahmen.

denen und den weiteren Vorteil, daß auch weniger große Dichtigkeitsunterschiede IN dem durchstrahlten Gewebsbezirk bei längerer Durchstrahlung infolge des kumulierenden photo- chemischen Effektes noch gut differenziert sein können. In dieser Beziehung ist die Silber- schicht der Platte dem Wahrnehmungsvermögen unseres Auges überlegen. Wenngleich man auch den Versuch gemacht hat, für die zahnärztliche Diagnostik die Radioskopie zu verwerten, so sind doch die Kiefer- und Zahnverhältnisse schon aus rein anatomischen Gründen dafür nicht günstig, und in der Praxis wird man sich fast ausschließlich auf die Photographie zu beschränken haben.

Der Charakter des Kiefergebietes für die Röntgenphotographie.

Die Röntgenphotographie hat an den Kiefern ein dankbares Terrain. Ergibt schon das Knochensystem an sich gute Voraussetzungen für das Röntgenbild, so kommen hier noch hinzu: Weichteile, Zähne und auch Zahnfüllungsmaterialien, beziehungsweise andere Fremd- körper, welche in der Mundhöhle zu technischen oder therapeutischen Zwecken gelegentliche Verwendung finden. Die Unterschiede in der Dichtigkeit dieser Teile sind so groß, daß bei richtiger Technik notwendigerweise gute Gegensätze im Röntgenbilde entstehen müssen. Der Kieferknochen besitzt selbst schon eine schöne Differenzierung in der Anordnung der kortikaleu und spongiösen Substanz, sowie der dichteren Wandschicht der Alveolen, des Unterkieferkanals, der Oberkieferhöhle usw. Die Zähne heben sich infolge ihrer größeren Dichtigkeit von dem umgebenden Knochen gut ab und lassen ihrerseits Einzelheiten hervortreten. So können in einem guten Bilde Schmelzkappe und Zahnbein, Pulpahöhle, Wurzelkanal und der von der Wurzel- haut eingenommene Raum zwischen Wurzeloberfläche und Innenwand der knöchernen Alveole wohl unterschieden werden. Die bedeckenden Kieferweichteile machen sich nur in der frei durchstrahlten Kontur als schwächere Schatten im Röntgenbilde bemerkbar. Pathologische Zustände an den Kiefern, welche mit Einschmelzung der Knochensubstanz oder Sklerosierung derselben einhergehen, geben in gleicher Weise Dichtigkeitsunterschiede ab, welche sich röntgenographisch gut fixieren lassen. So sind alle Voraussetzungen für ein kontrastreiches schönes Röntgenbild der Kiefer und Zähne vorhanden, und es ist nur Sache der Übung und einer verfeinerten Technik, Sache der genauen Kenntnis der anatomischen und pathologischen Verhältnisse, um die Röntgenphotographie auf zahnärztlichem Gebiete diagnostisch wertvoll zu machen.

Spezielle Röntgentechnik für Zahn- und Kieferaufnahmen.

Das Röntgeninstrumentarium mit den Hilfsapparaten ist naturgemäß weder in seinen Einzelheiten, noch in der Anwendungsweise für alle Zwecke das gleiche. Es hat sich in beiderlei Beziehung den jeweiligen Verhältnissen der zu durchleuchtenden Körperteile anzupassen. Bezüglich des Röntgenapparates selbst als eigentliche Quelle der Röntgenstrahlen können besondere Anforderungen nur insofern in Betracht kommen, als es sich um zwei wesentliche Momente handelt, die freilich für die röntgenphotographische Technik unter Umständen von ausschlaggebender Bedeutung sind. Das ist erstens bei der Verwendung eines Induktor- apparates die möglichst präzise Ausschaltung des Schließungsstromes und zweitens die erreichbare Stromintensität, welche in Verbindung mit der Schnelligkeit des Unterbrechers die Expositionszeit bei den Aufnahmen bestimmt. Während tunlichste Vermeidung des Schließungslichtes in der Röhre in jedem Falle gefordert werden muß, ist die Möglichkeit einer Steigerung der Stromintensität und damit einer Abkürzung der Expositionszeit nicht

Spezielle Röntgentechnik für Zahn- und Kieferaufnahmen. 13

für alle Fälle von gleicher Bedeutung, da ja vielfach der längeren Dauer der Exposition ein Hindernis nicht im Wege steht. Für die Zahn- und Kieferaufnahmen aber sind kurz- fristige Expositionszeiten oft sehr wichtig, in jenen Fällen besonders, wo der Patient ängst- lich und unruhig ist oder wo bei Applikation des Aufnahmefilms in den hinteren Teil der Mundhöhle die Reflexerregbarkeit der Zungenwurzel und des weichen Gaumens so groß ist, daß Schluck- oder Würgebewegungen nur für kurze Zeit unterdrückt werden können. Nach meiner Erfahrung muß der zahnärztliche Röntgenograph, welcher allen Fällen möglichst gerüstet gegenüberstehen will, über ein Instrumentarium verfügen, welches den beiden erwähnten Anforderungen gerecht wird. Daß man in der Mehrzahl der Fälle für die Praxis mit einem kleineren wohlfeilen Instrumentarium auskommen kann, soll nicht bestritten werden, aber es sind dabei doch allzu häufig Schwierigkeiten und Hindernisse zu überwinden, welche bei einer vollkommeneren apparativen Ausrüstung entweder gar nicht erst hervortreten oder leichter überwunden werden können. Ich selbst verfüge deshalb über den großen Ideal-Apparat von Reiniger, Gebbert & Schall, bei welchem vermöge seiner besonderen, an späterer Stelle noch zu beschreibenden Konstruktion die Stromrichtung in der Röhre immer nur eine einseitige sein kann und welcher so hohe Stromintensität zu liefern vermag, daß in Bruchteilen einer Sekunde Aufnahmen zu erzielen sind, die mit einem kleinen Induktorapparat eine Expositionszeit von vielleicht 20 oder mehr Sekunden erfordern würden.

Daß die Technik der Röntgenaufnahmen für Kiefer und Zähne eine den vorhandenen Verhältnissen angepaßte und zur Erreichung vollkommener Resultate in vielen Fällen besonders verfeinerte sein muß, wird leicht zu verstehen sein. Aus diesem Bedürfnisse heraus haben sich mir die Anregungen zur Konstruktion besonderer Hilfsapparate ergeben, deren Zweck und An- wendungsweise genauer beschrieben werden sollen. Es sei aber schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß noch nach mancher Richtung hin die Technik ausgebaut werden muß, so in besonderem für die Aufnahmen der Oberkieferhöhle und des Kiefergelenkes; hier sind noch Schwierigkeiten vorhanden.

Wir wollen versuchen, uns die Aufgaben klarzumachen, denen unsere spezielle Röntgentechnik gerecht werden soll im Hinblick auf die anatomischen und pathologischen Sonderverhältnisse der Kiefer und Zähne, sowie auf bestimmte Maßnahmen der Behandlung. Zunächst handelt es sich um die selbstverständliche allgemeine Forderung der richtigen Wahl der Röhre, der richtigen Expositionszeit und der Vermeidung photo- graphisch-technischer Fehler überhaupt. Dann aber kommen die Sonderforderungen präziser Strahlenrichtung und genauer Einstellung der Achsenstrahlen auf den Punkt, sowie der richtigen Applikation der Aufnahmeplatte, damit nicht nur genügend deutliche, kontrastreiche, sondern auch unverzeichnete Bilder erzielt werden. Hier gerade spielt die genaueste Berücksichtigung der Gesetze der Projektion eine große Rolle, weil es dem Zahnarzte wegen mannigfacher technischer Behandlungsmaßnahmen oft darauf ankommen muß, topographisch ganz zuverlässige Bilder zu erhalten. So kann es beispielsweise von Wichtigkeit sein, auf den Millimeter genau die Länge einer Zahnwurzel festzustellen, wenn es sich darum handelt, ein Urteil über den zulässigen Grad mechanischer Beanspruchung bei der Herstellung künstlicher Zähne zu gewinnen.

Die Erzielung unverzeichneter Zabnbilder.

Die Gesetze der Projektion machen uns die Bedingungen für die Erzielung eines unverzeichneten Zahnbildes auf der Röntgenplatte leicht verständlich. Wie von einer punkt- förmigen Lichtquelle die Lichtstrahlen, so gehen die Röntgenstrahlen von der Mitte des- Anti- kathodenspiegels aus. Wie das Schattenbild, welches durch die Lichtstrahlen entsteht, so bildet sich nach denselben einfachen Gesetzen der Projektion das Röntgenbild des durchstrahlten Objekts auf der Platte. Die Größe des Schattenbildes wird bestimmt durch:

14 Spezielle Röntgentechnik für Zahn- und Kieferaufnahmen

1. die Größe des Objektes, 2. den Abstand der Lichtquelle vom Objekte und 3. den Abstand des Schirmes (photographische Platte) vom Objekte.

Das Schattenbild wird grösser in dem Verhältnisse, wie die Lichtquelle dem Objekte

näher kommt, oder wie der Schirm sich vom Objekte entfernt. Das gilt natürlich von der

zentralen Projektion, bei welcher die Achse

des Strahlenkegels senkrecht auf der Längs-

achse des Zahnes und der Aufnahmeplatte

to In Abb. 2 ist As die Richtung dieses

Achsenstrables, welcher, von der Strahlenquelle

ausgehend, die Achse der vorgesetzten Röhren- blende passiert.

Abb. 3 zeigt in L und L, die Licht-

quelle in näherem und weiterem Abstande vom

- Objekte und ebenso in a und b die Aufnahme-

platte in verschiedenem Abstande vom Objekte.

Die Begrenzungsstrahlen zeigen die Vergrößerung des Schattenbildes bei näherer Lichtquelle oder größerem Abstande der Aufnahmeplatte. In der Abbildung erscheint aber die Vergrößerung des Schattenbildes beträchtlicher, als sie es in Wirklichkeit ist, wenn

Abb. 2.

Abb. 3.

die bei der Röntgenaufnahme in Betracht kommenden relativen Maße zugrunde gelegt werden, wie sie in Abb. 4 wiedergegeben sind. Nehmen wir einen üblichen Abstand des Röhrenmittel- punktes vom Objekte mit 35 cm an, die Länge des Zahnes mit 2 cm, so sehen wir das Ver- hältnis dieser Grössen in der Abbildung und erkennen die Geringfügigkeit der Vergrößerung des Schattenbildes auf der Platte, vorausgesetzt, daß diese dem Objekte nahe ist. Es ist wohl von Interesse, einmal rechnerisch festzustellen, welche Größendifferenz das Röntgenbild des

Zahnes gegenüber der wirklichen Größe des Objektes unter den angegebenen Voraussetzungen hat. Nehmen wir den Abstand des Antikathodenspiegels von dem Zahne mit 35 cm, die Länge des Zahnes mit 2,2 cm, den Abstand der Aufnahmeplatte vom Zahn wachsend mit 0,5 cm, 1 cm, 1,5 cm an, so läßt sich aus diesen Zahlen die Größendifferenz zwischen Schattenbild und Objekt berechnen, wobei natürlich immer noch die zentrale Projektion vorauszusetzen ist. In Abb. 5 ist a der Zahn, b, b,, b, die Größe des Schattenbildes in verschiedenen, um je */, cm wachsenden Abständen der Platte, 0,9, und g, sind die verschiedenen Abstände der Lichtquelle

Spezielle Réntgentechnik fiir Zahn- und Kieferaufnahmen. 15

von der Platte und mit x, x,, x, ist der jeweilige

Größenunterschied zwischen Schattenbild und Zahn

bezeichnet worden. Dieser soll berechnet werden. Die Berechnung griindet sich auf den Satz (s.

Abb. 6): BC: DE = AF: AG; a:b = 1:9; b=@.—

a = Gróbe des Objektes = 2,2 cm,

r = Lange des Achsenstrahls bis zum Ob- jekte = 35 cm,

(konstanter Faktor) = m = 0,063,

b, b,, b, = Größe der Bilder,

C, 01. Og = 35,5 cm, 36 cm, 36,5 cm,

X, X, X, = gesuchte Differenzen zwischen Bildgrößen und Objekt. |

Abb. 5. Danach ist: b =p .m = 2,231, | x = b —a = 0,031 cm = 0,3 mm,

b, = q, .m = 2,268, x, = b, —a = 0,063 cm = 0,6 mm, b, = 0,.m = 2,294, X, = b, —a = 0,094 cm = 0,9 mm.

Resultat: In der zentralen Projektion ist bei einem Zahn von 2,2 cm Lange und 35 cm Abstand von der Strahlenquelle das Schattenbild um 0,3 mm größer als das Objekt, wenn die Platte in einem Abstande von 5 mm hinter dem Zahn sich befindet und nimmt auf je weitere 5 mm Plattenabstand um je °/,, mm zu.

Wir sehen, daß die Vergrößerung des Schattenbildes unter den gegebenen Verhält-

F

Abb. 7.

nissen so gering ist, daß sie vernachlässigt werden kann; mehr als sie kommt bei wachsendem Abstande der Aufnahmeplatte vom Objekte schon die Einbuße an Konturschärfe in Betracht.

Die geschilderten Projektionsverhältnisse liegen vor bei den Zahnaufnahmen des Unterkiefers, weil es hier möglich ist, den Achsenstrahl der Röntgenröhre senkrecht zur Längs-

16 Spezielle Röntgentechnik für Zahn- und Kieferaufnahmen.

achse der Zähne zu richten und den Film in der Mundhöhle parallel mit den Zähnen zu applizieren. |

Beträchtliche Fehler in der Größe der Zahnbilder werden aber entstehen, wenn sich die Projektionsverhältnisse dadurch ändern, daß entweder der Achsenstrahl nicht senkrecht zur Längsachse des Zahnes steht oder daß die Lageachse des Films der senkrechten oder trans- versalen Achse des Zahnes nicht parallel ist. Abb. 7 zeigt die erhebliche Verlängerung des Zabnbildes auf dem Film, wenn dieser am Boden der Mundhöhle nach hinten abgekrümmt ist; Abb. 8 in analoger Weise die Verbreiterung des Zahnbildes, wenn der Film wie in der Eckzahngegend um eine vertikale Achse gekrümmt ist. (Vgl. auch Tafel I, Bild 9 und 10.)

Abb. 8.

Für die Zahnaufnahmen im ÖOberkiefer sind die Verhältnisse der Projektion infolge der anatomischen Topographie ganz andere, weil es mit technischen Schwierigkeiten verbunden, ja manchmal unmöglich wäre, den Aufnahmefilm der Zahnachse parallel zu appli- zieren. Hier wird infolgedessen eine besondere Technik der Strahlenrichtung nötig, wenn wir zu unverzeichneten Bildern gelangen wollen.

Am deutlichsten treten diese Dinge bei den oberen Frontzähnen hervor, deren Stellung in Verbindung mit der Gaumenwölbung eine Winkelneigung der Filmebene zur Zahnachse bedingt. Wie muss hier der Achsenstrahl der Röntgenröhre gerichtet werden, damit keine Projektionsverzeichnung im Röntgenbilde entsteht? Abb. 9 erläutert die bezüglichen Verhält- nisse. ae ist ein oberer Schneidezahn, dessen Achse im Winkel eab zur Lageachse des Films steht; L, L, und L, verschiedene Stellungen der Strahlenquelle.. Aus der Zeichnung läßt sich der Grundsatz herleiten:

Das Röntgenbild des Zahnes muß die richtige Länge haben, wenn der Achsen- strahl über die Wurzelspitze senkrecht auf die Halbierungslinie des Winkels gerichtet wird, welchen die Zahnachse mit der Filmebene bildet.

Wenn der Achsenstrahl Lb über die Wurzelspitze e senkrecht auf die genannte Halbierungslinie H gestellt wird, so entsteht das gleichseitige Dreieck eab; das Schattenbild ab ist so lang wie der Zahn ae. Ist der Achsenstrahl etwa von L, oder L, ausgehend anders gerichtet, so daß er mit der Winkelhalbierenden H einen stumpfen bzw. spitzen Winkel bildet, so wird in dem ersteren Falle das Schattenbild ac verkürzt, im anderen ad verlängert sein müssen.

Einen bestimmten Neigungswinkel der Strahlenrichtung gegen die Zahnachse oder die Lageachse des Film anzugeben, wie es häufig geschieht, halte ich für untunlich, weil die

Spezielle Róntgentechnik fir Zahn- und Kieferaufnahmen. 17

Stellung der oberen Schneidezáhne im Alveolarfortsatze ebenso wie der Wólbungsgrad des Gaumendaches zu variabel sind, als daß man mit einer bestimmten mittleren Größe rechnen dürfte. Die genannte Regel für die Strahlenrichtung hat aber nur ihre mathematische Gültig- keit, wenn man in der Tat auch den Achsenstrahl über die Wurzelspitze des betreffenden

Zahnes richtet, und das sollte bei den oberen Frontzähnen grundsätzlich geschehen, sofern nicht besondere Umstände oder Zwecke eine Abweichung davon begründen.

Wird der Achsenstrahl zwar auf die genannte Winkelhalbierende senkrecht, aber nicht über die Wurzelspitze, sondern etwa auf die Krone des Zahnes gerichtet, so muß bereits eine, wenn auch nicht erhebliche, Differenz in der Größe des Schattenbildes zustandekommen, wie aus den punktierten Linien der Abb. 10 ersichtlich ist.

Nun kann freilich der Einwand gemacht L werden, daß wir ja den Punkt der Wurzelspitze nicht genau kennen, sondern vielleicht gerade aus dem Röntgenbilde die Länge der Wurzel erst kennen- lernen wollen. Dieser Einwand wäre durchaus be- rechtigt, aber wir vermögen doch ungefähr die Länge einer Wurzel abzuschätzen, wobei wir uns allerdings um einige Millimeter plus oder minus täuschen können. Es hat mir daran gelegen, fest- zustellen, wieweit eine Fehlerquelle in der Länge des Schattenbildes aus dieser Unsicherheit entstehen kann. In Abb. 11 ist b die vermutete Lage der Wurzelspitze, auf welche die Einstellung erfolgt ist, b, oder b, sei aber die wirkliche Lage der Wurzel- spitze, so würde festzustellen sein, wie groß die Differenz zwischen ab, und ad ist in dem Falle der Überschätzung der Wurzellänge, und wie groß die Differenz zwischen ab, und ae ist in dem anderen Falle der Unterschätzung der Wurzellinge. Um das rechnerisch festzustellen, sei auf Abb. 12 verwiesen, welche der mathematischen Berechnung zugrunde liegt.

Dieck, Anatomie und Pathologie der Zähne und Kiefer im Röntgenbilde. 3

18 Spezielle Röntgentechnik für Zahn- und Kieferaufnahmen.

Die Figur dürfte an Hand des bisher Erläuterten verständlich sein.

L ist die Strahlenquelle;

LD' der Achsenstrahl, welcher über den mutmaßlichen Punkt der Wurzelspitze D senkrecht auf der bekannten Winkelhalbierenden steht;

AD ist der Zahn und

AD’ das Schattenbild desselben von gleicher Größe;

AC (um b=3mm kürzer als die vermutete Zahnlänge) sei nun die wirkliche Länge des Zahnes;

AC” sein Schattenbild. Diese beiden Größen können nun nicht gleich sein, weil L C” nicht mehr senkrecht auf der Winkelhalbierenden steht; ihre Differenz soll festgestellt werden.

Das geschieht durch Berechnung von Ü’D’, wie aus der Figur ohne weiteres er- sichtlich ist.

Cc’ D' E'

Abb. 12.

Bekannte Größen sind AD=AD'=a= 22 mm, CD=-b= 38mm.

Mithin AC = a— b= 19mm. Ferner ist bekant LD = y =350mm (Abstand der Strahlenquelle vom Objekt). Der Neigungswinkel a zwischen Zahnachse und Filmebene sei = 40°,

dann ist in dem gleichschenkeligen Dreiecke ADD’ yy == 70% und 0= Aa+ ry = 110%

Spezielle Réntgentechnik fiir Zahn- und Kieferaufnahmen. 19

Nach bekanntem Lehrsatze ist CD: HD=LD':LD y Poo HD-LD (aay L D = r = 850 mm, LD’ und HD können berechnet werden: LD=r+DD=r+2MD sin in i MD! = AD’ -sin 5 =a. sin 5 DD =2MD' =2a-sin a: also LD'=r+DD'=r+2a-sin s

Jetzt ist noch zu berechnen HD:

Nach dem Sinussatze ist HD: b = sing: sin f, HD me, sin $

Die für LD’ und HD gefundenen Größen in obige Gleichung eingesetzt, ergibt die

r+2a-sin bse

Größe der gesuchten Strecke CD’ =" 528. y wobei die unbekaünten

Winkel $ und aus folgenden Gleichungen zu berechnen sind: $ = 180% (e + a),

i 0 ara Se (Entwickelung siehe Fußnote‘).

sin 9 =

Die Berechnung der Formel mit den eingefügten bezüglichen Werten hat folgendes Resultat ergeben: C’ D’ = 3,11 mm, d.h. also: Wenn der Zahn um b= 8 mm kürzer ist, als mit der Einstellung des Achsenstrahles geschätzt wurde, so verkürzt sich das Schattenbild um 8,11 mm, mit anderen Worten: es ist gegenüber der wirklichen Zahnlänge eine Verkürzung des Schattenbildes von 0,11 mm entstanden. In ganz analoger Weise hat sich durch die mathemathische Berechnung ergeben, daß, wenn der Zahn 6 mm kürzer ist, als gemutmaßt wurde, eine Verkürzung des Schattenbildes von 0,19 mm entsteht; anderseits, wenn der Zahn um 3 mm länger ist, als es der Einstellung des Achsenstrahles entspricht, so entsteht eine Verlängerung des Schattenbildes von 0,15 mm, ist er 6 mm länger, so entsteht eine Ver- längerung des Schattenbildes von 0,38 mm. Das sind Fehlergrößen, welche ohne weiteres ver- nachlässigt werden können.

Mit diesen ausführlichen Darlegungen ist bewiesen worden, daß die auf-

1) Entwickelung des Wertes für sin e:

o kann nach dem Sinussatze aus dem Dreiecke LUD berechnet werden, wenn die Seite LC bekannt ist. LC ergibt sich aus demselben Dreiecke nach dem Cosinussatze: LC* = b*+ r* 2 br-cosd, cos d = cos 110° = cos (90° + 20°) = sin 20°, LCt= bi4+r*+2br- sin 209 LC =Vb*+r*+2br- sin 200 Nun ist also nach dem Sinussatze sinp:sind=r: LC, sin d = sin 110° = cos 20°, i . _ r.cos20°% _— r- cos 20° aso ee ECO bf r+ 2br-sin 20°

20 Spezielle Röntgentechnik für Zahn- und Kieferaufnahmen.

gestellte Regel der Strahlenrichtung für die oberen Frontzähne auch durch die Unsicherheit in der Einstellung auf die Wurzelspitze nichts von ihrer Gültigkeit einbüßt.

Eines freilich ist für die mathematische Genauigkeit nötig, daß nämlich die Einstellung des Achsenstrahles senkrecht auf die Halbierungslinie des Winkels von Zahnachse und Film- ebene erfolgt. Hier kann nun freilich in praxi leicht ein Fehler gemacht werden, welcher zu einem falschen Resultat führen würde. Nun gibt es aber Fälle, in denen es wirklich auf die genaueste Feststellung der Wurzellänge ankommt, wenn es sich etwa um die mechanische Aus- nutzung einer Wurzel als Trägerin für einen Stiftzahn oder als -Brückenpfeiler handelt. Da möchte ich eine ganz einfache Methode bekannt geben, welche unabhängig ist von jeder Unsicherheit in der Strahlenrichtung.

Genaue rechnerische Bestimmung der Wurzellänge eines Zahnes an der Hand

des Röntgenbildes.

Wenn der Kanal der zu photographierenden Wurzel der Sondierung zugänglich ist meist dürfte das der Fall sein —, so führe man in denselben eine für diesen Zweck her- gerichtete feine Nadel ein, bei welcher sich im Abstande von 1 cm von der Spitze eine scharf abgesetzte Verdickung befindet*). Ist der Wurzelkanal für die Einführung der Nadel nicht offen oder bequem genug zugänglich, so kann die Nadel auch mit einem Tropfen Wachs auf der Außenfläche der Krone fixiert werden, wobei sie natürlich auch bis auf das Zahnfleisch in Richtung der Wurzel reichen darf.

Man photographiere nun die Wurzel mitsamt dieser Nadel. Das Röntgenbild der Wurzel wird auch das Schattenbild der Nadel mit ganz scharfer Kontur ergeben. Mißt man nun genau die Länge des Schattenbildes der Nadelspitze bis zu dem genannten Absatze, so kann man auf das genaueste die Verkürzung oder Verlängerung feststellen, was gleichzeitig einen Anhalt für die angewendete Strahlenrichtung gibt. Diese Verkürzung oder Verlängerung entspricht nun selbstverständlich auch genau der Verkürzung oder Verlängerung des Röntgen- bildes der Wurzel, so daß durch eine ganz einfache Gleichungsrechnung die wirkliche Länge der Wurzel aus der Schattenlänge der Wurzel, der Länge der Nadelspitze und der Schatten- länge der Nadelspitze festzustellen ist. Es verhält sich Wurzellänge (WI) : Wurzelschatten (Ws) = Nadellánge (NI) : Nadelschatten (Ns):

Wl: Ws = NI: Ns, dh We NT,

mit anderen Worten: i

Die wirkliche Wurzellänge ist in Millimetern als Maßeinheit ausgedrückt gleich dem zehnfachen Produkt der Wurzellänge im Röntgenbilde, dividiert durch die Schattenlänge der Nadelspitze.

Abb. 13.

1) Es genügt für diesen Zweck eine der bekannten in der zahnärztlichen Praxis verwendeten glatten Nadeln, welche man bis auf genau 1 cm mit der Schere abschneidet. Der etwas dickere Griff ist genügend scharf gegen die Nadel abgesetzt.

|—-

Die technischen Hilfsmittel und ihre Handhabung.

Die Figuren der Abb. 13 erläutern das Gesagte an einem einfachen Beispiele.

21

Nach

den Ausmessungen im Röntgenhilde sei der Wurzelschatten 20 mm lang, der Nadel- schatten 15 mm, die wirkliche Nadellänge hat das konstante Maß von 10 mm, somit ist die

wirkliche Wurzellänge

20-10 T B

= 13,3 mm.

Zur genauen Feststellung der bezüglichen Maße im Röntgenbilde empfiehlt sich der

Abb. 14.

E E

A

ease

AAA Ra

=i rr ni A Hi:

Nonius, ein wohl allgemein bekanntes, in der Fig. 14 abgebildetes Meßinstrument, welches

die Ablesung auf Zehntelmillimeter gestattet.

Die technischen Hilfsmittel bei Zahn- und Kieferaufnahmen und ihre Handhabung.

Die anatomischen Verhältnisse der Kie- fer, die Notwendigkeit genauester Strahlen- richtung bei Krankheitszuständen mit enger örtlicher Umgrenzung haben eine Verfeine- rung der speziellen Technik mit neuen instrumentellen Hilfsmitteln erfordert. Auch den Bedürfnissen der zahnärztlichen Praxis nach leichter und zuverlässigster Handhabung des Instrumentariums mußte Rechnung ge- tragen werden.

Das Röhrenstativ.

Von den verschiedenen Röhrenstativen sagte mir wegen seiner Einfachheit und Be- quemlichkeit am meisten das Lambertz- Stativ zu. Ich babe dasselbe allerdings ein wenig modifiziert (Abb. 15). Der horizontale Röhrenträger kann an der senkrechten Stativ- säule durch Zahnradtrieb leicht gehoben und gesenkt und durch einen zweiten Zahntrieb verlängert und verkürzt werden. An dem

22 Die technischen Hilfsmittel und ihre Handhabung.

Ende des Horizontalarms gestattet ein Kugelgelenk die Bewegung des Röhrenkastens nach allen Richtungen und eine leichte Fixierung. Um die Bewegungsmöglichkeit noch zu vergrößern, ist neuerdings noch das ganze Kugelgelenkende des Armes um eine senkrechte Achse drehbar gemacht worden.

Die zentrierbare Röhrenblende nach Dieck.

Es war eine der technisch wichtigsten Aufgaben, eine Vorrichtung zu schaffen, welche nicht nur den Zweck der Abblendung erfüllte, sondern auch bei einfacher und bequemer Hand- habung die Möglichkeit exaktester Einstellung gewährte. Diese Aufgabe wurde so gelöst, daß der Röhrenbehälter mit einem in horizontaler und vertikaler Richtung verschiebbaren Blenden- rohr versehen wurde, an dessen Ende ein umklappbarer Bügel sich befindet. Dieser Bügel springt, über das Röhrenende geklappt, genau in der Mittelstellung fest ein. Er trägt in der Mitte

Abb. 16.

Abb, 19.

ein Rohr, welches teleskopartig sich verlängern läßt. Dasselbe liegt somit genau in der Achse der Röhrenblende und gibt die Richtung des Achsenstrahles an, wenn auch die Mitte des Anti- kathodenspiegels in dieser Achse sich befindet, Bei Einlegung der Röhre in den Röhrenkasten wird diese axiale Einstellung in einfacher Weise ausgeführt, indem man durch das Teleskop- rohr den Antikathodenspiegel visiert und die ganze Röhrenblende nach rechts oder links, oben oder unten verschiebt und in der richtigen Stellung durch die angebrachten Schrauben fixiert. Bei ausgezogenem Bügelrohr muß dann der Achsenstrahl genau durch dasselbe hindurchgehen, was man etwa noch mit dem Leuchtschirm prüfen könnte. Die Röhrenblende selbst ist außer- dem noch mit einer Irisblende versehen (s. die Nebenfigur der Abb. 15), so daß der Durch-

Die technischen Hilfsmittel und ihre Handhabung. 23

strahlungskreis nach Wunsch und Bedarf kleiner oder größer gemacht werden kann. Das Einstellrohr des Bügels kann nun genau auf den gewünschten Punkt des Kiefers gestellt werden, wobei noch der Vorteil besteht, daß bei allen Aufnahmen der gleiche Abstand der Strahlenquelle vom Kiefer innegehalten wird, was natürlich für die Bestimmung der Expositionszeit von Wichtigkeit ist. Dieser Abstand beträgt etwa 35 cm, kann aber auch vergrößert werden, wenn man das Teleskoprohr auszieht. Selbst über die Länge des ausgezogenen Teleskoprohres kann man hinausgehen, wenn ein in dasselbe passender Metallstab noch ein- gesetzt wird; die Einstellung des Achsenstrahles auf den Punkt ist natürlich auch dann gewährleistet. Daß diese Röhrenblende unter Benutzung der Irisblende die Photographie kleınster Bezirke mit Genauigkeit ermöglicht, beweisen die vier Aufnahmen Abb. 16—19. Das Bügel- rohr wurde eingestellt auf die Mittellinie des Oberkiefers oberhalb der Wurzelspitzen der mittleren Schneidezähne, Abb. 16 bei ganz geöffneter Irisblende, Abb. 17 bei halbgeschlossener, Abb. 18 bei ganz enger Irisblende; Abb. 19 zeigt die Photographie mit übergeklapptem Bügel, so daß die Achsenstrahlen durch das Rohr hindurchgehen mußten, was natürlich nur bei genauer Zentrierung möglich sein kann. Eine minimale, wenn auch belanglose Abweichung von der Achseneinstellung war allerdings vorhanden, wie daraus ersehen werden kann, daß die Lichtung des Einstellrohrs nicht vollkommen rund ist. Zur Kennzeichnung dieses kleinen Einstellfehlers habe ich aber die Abbildung nicht durch eine andere ersetzen wollen.

Die Prüfung der Röhre.

Zur Erzielung kontrastreicher Bilder soll die Röhre weich bis mittelweich sein. Für die Prüfung des Härtegrades wird sich der weniger Geübte wohl eines Hilfsmittels bedienen müssen. Für diesen Zweck empfiehlt sich das Kryptoradiometer nach Wehnelt (Abb. 20). Das Prinzip desselben beruht darauf, dass ein Streifen aus dünnem Silberblech und eine konische Alu- miniumschiene gleichzeitig durchleuchtet wer- den. Der Durchleuchtungsbezirk ist spaltförmig begrenzt. Die konische Aluminiumschiene kann durch Zahntrieb bewegt werden, so daß dünnere oder dickere Teile derselben zur Durchleuch- tung gelangen. Bei der Röhrenprüfung wird diese Verschiebung nun ausgeführt, bis auf dem davorliegenden Leuchtschirm die Fluores- zenzhelligkeiten vor dem Silberblech und der Aluminiumschiene übereinstimmen. Der Dicken- durchmesser der Aluminiumschiene in der durchstrahlten Partie entspricht dann dem be- treffenden Härtegrad der Röhre, welcher an einer Skala des Instrumentes abzulesen ist. Derselbe würde für Zahn- und Kieferaufnahmen auf dieser Skala Nr. 5—6 entsprechen. Das Wehneltsche Kryptoradiometer ist in der Einfach- heit seiner Handhabung ohne Zweifel ein gutes Hilfsmittel, zumal die Röhrenprüfung unabhängig ist von der verschiedenen Stromintensitä. Es kommt hier freilich darauf an, daß das Auge des Prüfenden die Übereinstimmung der beiden nebeneinander liegenden Helligkeitszonen mit einiger Sicherheit festzustellen vermag. Ich habe mich allerdings durch einen Vergleich davon überzeugt, daß von zwei geschulten Untersuchenden, welche über gute Augen zu verfügen glauben, das Resultat der Röhrenprüfung mit dem Kryptoradiometer nicht dasselbe war, sondern bei wiederholten Vergleichen um 1 bis 1*/, Gradnummern differierte. Es kommt also hier ein etwas schwankendes subjektires Moment in Betracht.

Um einen mehr objektiven Maßstab des Röhrencharakters zu haben, und den Durch-

Abb. 20.

24 Die technischen Hilfsmittel und ihre Handhabung.

strahlungseffekt an Kiefern und Zähnen direkt zur Röhrenprüfung zu benutzen, habe ich ein Kryptoskiaskop mit Testkiefer herstellen lassen (Abb. 21) ähnlich der Testhand nach Schmidt. Der Pappkasten ist gewählt worden, um die Prüfung ohne Verdunkelung des Röntgenraumes vornehmen zu können. Am Boden des Kastens befindet sich hinter einem Bariumplatincyaniir- Schirm ein halber Unterkiefer, welcher, um die zu durchstrahlende Masse zu verringern, der Fläche nach von der Innenseite her mittels Säge und Feile halbiert und mit Wachs umhüllt worden ist. Da letzteres ziem- lich genau den Durchlässigkeits- grad der Kieferweichteile hat, so sind hier die drei wesentlichen in Betracht kommenden Gewebe: Knochensubstanz, Zahnsubstanz und Weichteile, vertreten. Das Bild auf dem Leuchtschirm des kleinen Apparates gibt uns ein Urteil über den Charakter der Röhre. Ist die Röhre zu weich, so wird das Bild ganz dunkel ohne Kontraste sein und mehr eine Silhouette des Testkiefers darstellen; ist sie zu hart, so erscheint das Bild im ganzen heller, aber mit ungenügenden Abb. in Kontrasten. Ein paar Versuche werden leicht darüber belehren, wie das Leuchtschirmbild bei passendem Röhrencharakter auszusehen hat. (Vgl. auch Tafel I, Bild 1 und 2, Aufnahme mit zu weicher und mit zu harter Röhre.) Augen und Hand des Untersuchenden sind durch Bleiglas, bezw. Metall geschützt.

Die Röhreneinstellung bei Zahn- und Kieferaufnahmen.

Wie aus den vorangehenden allgemeinen Erläuterungen über die Projektionsverhältnisse bei den Zahnaufnahmen hervorgeht, ist überall da die Einstellung des Achsenstrahles eine ein- fache, wo die photographische Platte (Film oder Glasplatte) parallel mit den Zähnen appliziert werden kann. Hier hat die Einstellung senkrecht auf die Zahnachse zu erfolgen, sofern nicht aus besonderen Gründen eine Abweichung von dieser Regel angezeigt ist. Es soll hier betont werden, dab für die Einstellung der beabsichtigte Zweck bestimmend sein muß. In der Regel wird es ja auch dem Zwecke entsprechen, eine in den Größenverhältnissen möglichst genaue Zeichnung zu bekommen, aber es gibt doch auch Fälle, wo dieses letztere nebensächlich ist und wo aus topographischen Gründen zur Vermeidung von Überschattungen eine andere Strahlen- richtnng gewählt werden muß, um einen bestimmten Krankheitsherd im Knochen möglichst klar zur Anschauung zu bringen. Wir wollen jedoch zunächst von solchen Ausnahmefällen absehen.

Für die zahnärztlichen Zwecke wird sich die Röntgenaufnahme meist auf einen ganz bestimmten, eng umschriebenen Bezirk des Kiefers zu richten haben, den in den Mittelpunkt des Bildes zu bringen, die Aufgabe der Einstelltechnik ist. Betonen möchte ich aber, daß es von Wert ist, die Ausdehnung des ganzen Bildes nicht zu sehr einzuschränken, sondern die Aufnahmeplatten so groß zu halten, wie es die Verhältnisse gestatten. Man gewinnt eine größere Übersicht und erleichtert sich die Deutung des Röntgenbildes und die Beurteilung des diagnostisch wichtigen Teils. An den Bildern der photographischen Tafeln wird durchweg die Berücksichtigung dieses Umstandes zu erkennen sein.

Die technischen Hilfsmittel und ihre Handhabung. 25

Für die genaue Einstellung des Achsenstrahles mit Hilfe der zentrierbaren Röhren- blende müssen wir uns an der äußeren Haut der betreffenden Kieferpartie den Einstellpunkt markieren, und zwar geschieht das am besten mit einem Farbstift (farbigem Fettstift). Die einfache Abschätzung und die ungefähre Einstellung genügen dazu nicht. Die Erfahrung zeigt, daß man sich recht beträchtlich täuschen kann, wenn man versucht, außen am Gesicht den Punkt festzustellen, welcher etwa der Lage einer be- stimmten Wurzelspitze entspricht. Hier kommen die Kieferformation, das Fettpolster, Barthaar und auch der Unistand in Betracht, daß bei weit geöffnetem Munde die bedeckende Haut sich ver- zieht, so daß dann der etwa bei geschlossenem Munde angenommene Punkt dem betreffenden Kieferbezirke nicht mehr genau entspricht. Da- her die Regel: den Einstellpunkt auf der Gesichtshaut nur bei derselben Mund- öffnung zu markieren, bei welcher die Aufnahme gemacht wird. Da auch bei der einfachen Betrachtung des betreffenden Alveolar- teiles noch Ungenauigkeiten in der Bestimmung des korrespondierenden Punktes der äußeren Haut Abb. 22. vorkommen können, so habe ich einen Mar- kierungszirkel hergestellt (Abb. 22). Der Knopf des Schenkels a wird auf die Zungen- seite des betreffenden Alveolarteiles gesetzt und der andere Schenkel b mit einem Farbstift auf die äußere Haut gedrückt. Bei einiger Übung in der Einstellung kann man diesen Zirkel in den meisten Fällen entbehren.

Zur möglichsten Vermeidung der Überschattung einzelner Zähne muß die Einstellung senkrecht auf die Tangente des Alveolarbogens er-

folgen (Abb. 23). In der linken Hälfte des Bildes ist die Strahlenrichtung ZK bei Aufnahmen der ein-

zelnen Zahngruppen durch die Pfeilstriche angedeu- tet; die rechte Hälfte des ~ £

Bildes zeigt eine fehler- hafte Strahlenrichtung, durch welche der zweite Prämolar und die drei Molaren eine gegenseitige Überschattung erfahren. Die matte Schraffierung deutet die Überschattung zweier Zähne an, die Abb. 23.

dichte Schraffierung bei

den Molaren die partielle Überschattung dreier Zähne. Daß die topographische Klarheit des Röntgenbildes dadurch Einbuße erleidet und etwaige diagnostisch wichtige Bildbezirke ganz verdeckt werden können, ist leicht verständlich.

Freilich kann aus bestimmten Gründen eine Abweichung von der gegebenen Regel Dieck, Anatomie und Pathologie der Zähne und Kiefer im Röntgenbilde.

u .-

26 Die technischen Hilfsmittel und ihre Handhabung.

nötig werden. Handelt es sich beispielsweise um die Aufnahme des Wurzelbezirks eines oberen Prämolaren mit zwei Wurzeln, so würden diese beiden Wurzeln bei ihrer buccalen und pala- tinalen Stellung zueinander sich gegenseitig überschatten und einen Krankheitsherd an einer dieser beiden Wurzeln vielleicht undeutlich machen oder ganz verdecken. Um die beiden Prä- molarwurzeln getrennt nebeneinander in das Röntgenbild zu bringen, müßte die Richtung der Strahlen von vorn nach hinten in einem spitzen Winkel auf die Tangente des Alveolarbogens dieser Kiefer- partie erfolgen. Eine etwaige Überschattung der benach- barten Zahnkronen wäre dann nicht zu vermeiden, aber auch ohne Bedeutung für das Bild.

Für die Zähne des ganzen Unterkiefers sind wir in der Lage, die Einstellung mit zentraler Projektion vor- zunehmen, weil wir den Film parallel mit den Zähnen in die Mundhöhle legen können.

Für den Oberkiefer aber liegen die Verhältnisse, wie bereits ausführlich erörtert, anders, im besonderen bezüglich der Frontzähne. Die für diese Zähne beschrie- bene Einstellregel, den Achsenstrahl über die betreffende Wurzelspitze senkrecht auf die Halbierungslinie des von | Zahnachse und Filmebene gebildeten Winkels zu richten,

Abb. 24. läßt sich bei einiger Übung wohl ziemlich sicher befolgen.

Immerhin aber kann es Fälle geben, in denen bei anormaler

Stellung der oberen Frontzähne und anormaler Gaumenwölbung die Einstellung einige Schwierig- keit macht. Hier kann der Einstellwinkel (Fig. 24), wie für den Neuling in der Röntgen- photographie überhaupt, einen gewissen Anhalt bieten. Das Instrument ist so eingerichtet, daß in einem gemeinsamen Drehpunkte erstens ein verschiebbarer Metallstab, zweitens ein ebenfalls

aft Hit

A} YN W il l

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verschiebbarer, am Ende rechtwinklig umgebogener und mit einer Platte versehener Metallstab und drittens ein Rechtwinkel kombiniert sind. Ersterer wird in die Richtung der Zahnachse gebracht, der zweite Stab mit seiner Endplatte auf die Gaumenfläche gelegt, so daß er die Richtung der Filmebene angibt, und der Rechtwinkel wird nun nach Augenmaß so eingestellt, daß sein hinterer Schenkel den durch die beiden erstgenannten Stäbe gebildeten Winkel halbiert; sein anderer Schenkel zeigt dann die Richtung an, mit welcher parallel die Einstellung zu erfolgen hat.

~All KEN fi N \

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N

Abb. 25. Abb. 26,

Die technischen Hilfsmittel und ihre Handhabung. 27

Abb. 25 zeigt die Einstellung der Röhre auf die Wurzelspitze des oberen Eckzahnes mit Hilfe des abgeklappten Bügels, Abb. 26 die eingestellte Röhre mit zurückgeklapptem Bügel und zur Aufnahme bereit.

Der Film und seine Applikation im Munde.

Die Technik der Röhreneinstellung, soweit sie bisher beschrieben worden ist, bezieht sich auf die Verwendung von Films und deren Applikation im Munde. Für die Verwendung photographischer Glasplatten bei größeren Kieferaufnahmen kommen natürlich andere Verhält- nisse der Strahlenrichtung und Projektion in Betracht. Dieselben sollen später erörtert werden.

Für den Gebrauch in der Mundhöhle eignet sich eine kleine Glasplatte weniger gut wegen ihrer Starrrheit, der Schärfe ihrer Ränder und Ecken. Der Planfilm dagegen (nur dieser, nicht etwa der dünnere Rollfilm sollte benutzt werden) läßt sich wegen der bequemeren Formgebung und Biegsamkeit den vorhandenen technischen Bedingungen weit besser anpassen!).

Die Form des Films

richtet sich nach der zu durchstrahlenden Kiefergegend, seine Größe nach der gewünschten Übersicht. Ich pflege mir drei Formen bereitzuhalten, eine schmale rechteckige von etwa 30:45 mm, eine breitere rechteckige von etwa 37:45 mm und eine halbrunde von etwa 40:50 mm mit Abrundung an der Lingsseite. Die Ecken werden abgeschnitten, damit sie nicht das Umhüllungspapier durchstechen. Für die Einwickelung der Films benutze ich kleine Kuverts von schwarzem Papier in passender Größe?), und zwar werden der absoluten Licht- dichtigkeit wegen immer zwei Kuverts ineinander gesteckt. Bei der einfachen Einwicke- lung könnte es vorkommen, daß durch die feinen Poren des schwarzen Papiers Tageslicht hin- durchwirkt, was punktförmige Flecken zur Folge haben würde (vgl. Tafel I, Bild 12). In der ersten Zeit hatte ich diese Erscheinung häufiger und kam erst später hinter die Ursache. Seit der doppelten Umhüllung trat sie nicht wieder auf. Die eingewickelten Films werden dann schließlich noch, um die Feuchtigkeit des Mundes fernzuhalten, in weißes gewachstes Papier eingeschlossen, dessen umgeschlagene Faltenenden auf der Rückseite mit einem Stückchen Heftpflaster festgeklebt werden. Man sollte darauf achten, daß die Films stets so eingelegt werden, daß man die Schichtseite kennt, um sie den zu photographierenden Zähnen zu- zuwenden. Zwar kann man ebensogut mit abgewendeter Schichtseite photographieren, da der Film für die Strahlen vollkommen durchlässig ist, aber es hat doch einen kleinen Vorteil, wenn man immer in gleicher Weise vorgeht und dem Róntgenbilde ansehen kann, von welcher Kieferseite es stammt. Um gleich zwei Bilder zu erhalten, kann man auch einen Doppelfilm einlegen, indem man entweder zwei einzelne Films, die Schichtseiten einander zugewendet, ein- packt, oder von vornherein einen gefalteten Doppelfilm zurechtschneidet. Von den rechteckigen Films wird die schmalere Form in Hochformat für Schneidezähne des Ober- und Unterkiefers verwendet, die breitere Form nach Bedürfnis in Hoch- oder Querformat, wie sie für den betreffenden Kieferbezirk paßt. Die halbrunden Films verwende ich mit Vorliebe für die Molaren des Ober- und Unterkiefers. Besonders im Unterkiefer ist die Abrundung der einen Längsseite deshalb von Vorteil, weil mit derselben sich die Schleimhaut des Mundhöhlenbodens ohne große Belästigung für den Patienten bequem hinunterdrücken läßt. Wenn es aber vor- wiegend auf die Gegend des dritten Molaren ankommt, so ist der breitere rechteckige Film vorzuziehen, weil derselbe weiter nach hinten reicht. Die Bilder der Tafeln zeigen die Ver- wendung der einzelnen Formen.

Für Übersichtsaufnahmen der ganzen Zahnreihe des Oberkiefers ist ein halb-

ı) Für röntgenphotographische Zwecke empfehlen sich die speziell fabrizierten Schleußner-Films. ?) Zu beziehen von Photograph Nentwig, Berlin, Dorotheenstr. 57. 4*

28 Die technischen Hilfsmittel und ihre Handhabung.

runder Film zu benutzen von etwa 60 mm Langsseite und 50 mm Hohe (vgl. Tafel V, Bild 61, und Tafel VI, Bild 72). Derselbe wird zwischen die Zahnreihen gelegt mit der abgerundeten Seite nach vorn und durch die Zähne selbst leicht fixiert. Die Aufnahme erfolgt mit Ein- stellung auf die Mittellinie etwa in der Gegend der Spina nasal. ant. senkrecht auf die Halbierungslinie des Winkels zwischen Achse der Schneidezähne und Filmebene, so daß die Frontzähne ın ihrer natürlichen Länge abgebildet werden.

Den bisher verwendeten Formen der Films und der Art ihrer Einpackung haften für manche Fälle noch Mängel an, welche aber sicherlich abgestellt werden können. Neuerdings beschäftige ich mich damit, genauere Formen von Films für die einzelnen Kieferbezirke her- zustellen, welche der Einfachheit und gleichbleibenden Genauigkeit wegen ausgestanzt werden sollen. Eine dünne Bleiplatte von derselben Form soll als Unterlage dienen, der Film selbst lichtdicht abgedeckt und das ganze in eine entsprechend geformte Gummitasche gesteckt werden.

Die Fixierung des Films im Munde ist eine mannigfach erörterte Frage. Cie- szinski u. a. haben versucht, mechanische Hilfsmitiel dafür herzustellen, um die Fixierung mit dem Finger und die Gefahr der allmählichen Röntgenschädigung zu vermeiden. So gut derartige Hilfsmittel im Einzelfalle ihren Zweck erfüllen können, werden sie doch bei der Verschiedenartigkeit der Kieferform und Kiefergröße, bei der wechselnden Zahl und Stellung der vorhandenen Zähne denı jeweiligen Bedürfnisse nicht immer gerecht, so daß zurzeit die assistierende Hand noch nicht ausgeschaltet werden kann. Freilich ist es Pflicht des Röntgeno- graphen, dafür zu sorgen, daß er weder sich noch die assistierende Person durch die Röntgen- strahlen schädigt. Bei Aufnahmen im Oberkiefer kann meist der Patient selbst die Fixierung des Films mit dem Finger übernehmen. Im übrigen wechsele man, wenn angängig, mit der Assistenz und sichere jedesmal die Hand durch Bleischutz. Die Fixierung durch den Finger hat jedenfalls vor allen mechanischen Hilfsmitteln den großen Vorteil der Anpassung an die individuellen Verhältnisse des Mundes. Damit soll aber die Frage dieser mechanischen Fixie- rungsmittel nicht abgetan sein; jeder Fortschritt auch auf diesem Gebiete ist zu begrüßen.

Größere Plattenaufnahnien.

Die Anwendung des Films im Munde ist nicht in allen Fällen möglich. Ursache dafür kann sein Kieferklemme oder bei Aufnahmen in der Gegend der hinteren Molaren starke Reflexerregbarkeit der Zungenwurzel und der Gaumenschleimhaut bei Berührung mit dem Film. Durch Darreichung von Validol, durch Pinselung der Schleimhaut oder Gurgelung mit dünner Kokainlösung läßt sich zwar manchmal die Reflexsensibilität vermindern, doch kommt man damit nicht immer zum Ziel. Auch wo es sich um ausgedehnte Krankheitsherde im Unter- kiefer handelt, welche, von den Molaren ausgehend, sich nach unten und hinten ausgebreitet haben, oder bei anderweitigen ausgedehnten Kiefererkrankungen nicht dentalen Ursprunges, sind Filmaufnahmen unzulänglich.

Die Plattenaufnahme kann nun freilich an Deutlichkeit und Kontrastschärfe mit der Filmaufnahme nicht konkurrieren (vgl. Tafel XVII, Bild 248 und 249), einerseits, weil die Platte einen größeren Abstand von der betreffenden Kieferpartie hat, anderseits, weil dicke Weichteile zu durchstrahlen sind. Dazu kommt eine gewisse Schwierigkeit der Strahlenrichtung, da Überschattungen durch andere Kiefer- oder sonstige Skelettteile vermieden werden müssen.

Selbst für denjenigen, welcher die Anatomie des Schädels genau kennt, ist es nicht so einfach, sich am Lebenden zu vergegenwärtigen, wie in einer bestimmten Projektions- ebene die einzelnen Knochenteile hintereinander liegen und wie demgemäß bei einer Röntgen- aufnahme die Überschattung zustande kommen würde. Schädelaufnahmen gehören ohne Zweifel zu den schwierigeren Aufgaben der Röntgentechnik. Um hier jederzeit den nötigen Anhalt für die Topographie in der Strahlenrichtung und einen unmittelbaren Vergleich für die Einstellung am Patienten zu gewinnen, habe ich ein Schädelstativ herstellen lassen, wie

Die technischen Hilfsmittel und ihre Handhabung. 29

es in Fig. 27 abgebildet ist. Ein Arm mit Klemmvorrichtung und Kugelgelenk trägt eine Holztafel mit erhóhtem Rande, auf welcher eine photographische Platte mit Gummiband fixiert werden kann, der andere Arm mit Doppelgelenk trágt einen im For. magn. befestigten Schädel. Eine Änderung wird zurzeit noch vorgenommen derart, daß die Halswirbelsäule und

Abb. 27.

das Zungenbein ın situ sich anfügen. Mit Hilfe der Gelenke kann der Schädel in jede ge- wünschte Lage gebracht werden, so daß neben dem Patienten die zweckmäßigste Richtung des Achsenstrahles erkannt werden kann. Auch soll an dem Träger des Schädels noch ein beweglicher Stab montiert wer- den, um in der gefundenen Richtungslage zum Schädel den Anhalt für die Einstellung am Patienten abzugeben. ` Zum Vorstudium können Schädel- aufnahmen in der Durchstrah- lungsrichtung gemacht werden. daher die Anbringung der Holz- tafel als Plattentrager.

Am günstigsten stellen sich die Verhältnisse einer größe- ren Plattenaufnahme für den Unterkiefer. Hier sind wir in der Lage, den ganzen Unter- kieferkörper von der Gegend des Eckzahns an bis zum Unter- kieferwinkel mit Einschluß des aufsteigenden Astes durch passend gewählte Strahlenrichtung ohne jede Überschattung in das Bild hineinzubringen. Die Einstellung hat für diesen Zweck, wie in Abb. 28 angedeutet, bei schräger Kopflage von hinten her zwischen Hinterrand des Unterkiefers und Halswirbelsäule durch die Weichteile des Halses und des Mundhöhlenbodens zu erfolgen, wenn es darauf ankommt, den Unterkieferkörper möglichst weit nach der Mittellinie hin zu photographieren. Kommt es mehr auf den nach hinten gelegenen Teil in der Gegend der Molaren und auf den Kiefer-

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Abb. 28.

30 Die technischen Hilfsmittel und ihre Handhabung.

winkel an, so muß die Strahlenrichtung unter dem Unterkieferrande der anderen Seite mehr transversal durch den Mundhöhlenboden erfolgen. Da die unteren Molaren nicht vollkommen perpendikulär in Alveolarfortsatz, sondern etwas schräg mit der Krone gegen die Mundhöhle geneigt stehen, so kann die angegebene Strahlenrichtung fast senkrecht auf diese Zähne fallen. Eine wesentliche Verzeichnung entsteht daher nicht, vorausgesetzt, daß auch die Plattenebene senkrecht zur Strahlenrichtung steht.

In dieser Weise sind die meisten Unterkieferbilder der beiden letzten Tafeln gewonnen worden. Bei der Aufnahme 237 der Tafel XVI, wo es sich um eine Spontanfraktur infolge von Sequestrierung des Unterkiefers handelt, mußte die Strahlenrichtung mehr von hinten nach vorn, bei der Aufnahme des Unterkieferbruches Bild 239 mehr transversal erfolgen. In diesem letzteren Falle hätte die Schrägstellung des Kopfes beträchtlicher sein müssen, um diese ganze Kieferseite ohne Überschattung durch die Gegenseite frei zu be- kommen, wie es beispiels- weise das Bild 248 auf Tafel XVII und andere Bilder derselben Tafel zeigen.

Ist das Mittelstück des aufsteigenden Astes, etwa vom Niveau der Zahn- reihe aufwärts, zu photo- graphieren, so kann die Strahlenrichtung quer durch den weitgeöff- neten Mund erfolgen (vgl. Abb. 29). Freilich ist dabei zu berücksich- tigen, daß die Strahlen nicht senkrecht auf die Fläche des Unterkieferastes

Abb. 29. fallen können, sondern daß

sie ein wenig schräg von

vorn a hinten gerichtet sind. Eine Projektionsverschmälerung dieses Kieferteiles entsteht

aber nicht, wenn die Aufnahmeplatte demselben flach aufliegt, nur kommen weiter vorn ge-

legene Teile der medialen Knochenlamelle zur Deckung mit weiter hinten gelegenen Teilen

der lateralen Lamelle. Bei der Flachheit des Knochenstückes dürfte dies aber keine störende

Rolle spielen. Das letzte Bild der Tafel XVII ist in der geschilderten Weise erzielt worden.

Es zeigt einen in den Unterkieferast aufsteigenden Zystenhohlraum. Der breite dunkle Schatten

in der linken Ecke des Bildes rührt von einem Metallspatel her, mit welchem die Zunge heruntergedrückt wurde.

Für das Mittelstück des Unterkiefers läßt sich mit Vorteil eine Plattenaufnabme in der Weise ausführen, daß die Platte horizontal unter das Kinn gelegt wird, wobei sie so weit als angängig nach hinten geschoben wird. Die Strahlenrichtung erfolgt dann schräg nach unten hinten durch die Schneidezähne, so daß diese in normaler Länge projiziert werden. Es ist auch möglich, in umgekehrter Richtung vorzugehen, indem man eine Platte oder einen Film von entsprechender Größe zwischen die Zahnreihen legt und nun bei hintenüber gelegtem Kopf

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Die technischen Hilfsmittel und ihre Handhabung. 31

vom Unterkieferrande her photographiert. Ich halte jedoch die erstere Methode, welche ich wiederholt mit bestem Erfolge angewandt habe, fiir empfehlenswerter, einerseits, weil sie technisch bequemer ist und anderseits, weil die Indikation fiir die Plattenaufnahme besonders dann vorliegt, wenn es sich mehr um die Abbildung des Knochens in der Kinngegend oder ein volles Ubersichtsbild handelt, als um die Photographie der Zähne und ihrer allernächsten Umgebung allein. Der Unterkieferrand des Mittelstückes wird, weil er der Platte direkt aufgelegt, in ganz scharfer Kontur abgebildet, während er bei der Photographie in umgekehrter Richtung wegen des größeren Abstandes von der Platte unscharfe Konturen und Projektionsvergrößerung bekommen muß.

Ein befriedigendes Bild vom Ober- kieferkörper mit guter Wiedergabe des Antrum Highmori zu erhalten, ist erheb- lich schwerer. Man gewinnt aber mit einer Strahlenrichtung, ähnlich der zuerst geschilderten, ein Übersichtsbild von Unter- und Oberkiefer, in welchem die oberen Zähne ohne wesentliche Pro- jektionsfehler ihre natürliche topographische Lage zur Oberkieferhöhle haben (Abb. 30). Der Achsen- strahl ist einzustellen mit einer Richtung, welche schräg von hinten her durch die fossa parotidea hinter dem Unterkieferwinkel nach vorn zur anderen Seite hinüber, etwa auf die Wurzel- gegend des zweiten oberen Molaren, geht. Eine Abb. 80. unbedeutende Verkiirzung des abgebildeten Ober- kiefers in sagittaler Richtung kommt dabei allerdings zustande. Abb. 30 ist eine Präparat- aufnahme, daher sind die Einzelheiten erheblich schärfer, als sie am Lebenden bei der Durch- strahlung der massenhaften Weichteile zu erhalten sind. Immerhin aber dürfte man auf keine andere Weise ein solches nicht überschattetes Ober- kieferbild erzielen. Bei der Filmaufnahme im Munde wird die Zeichnung der oberen Zähne und der Kiefer- höhlenkontur naturgemäß viel schärfer sein, und für die zahnärztliche Praxis reicht eine solche Aufnahme in den meisten Fällen wohl auch aus. Man mag sich aber vergegenwärtigen, daß bei einer solchen Filmaufnahme diagnostische Irrtümer über die topo- graphischen Verhältnisse leicht entstehen können. Da die Strahlen schräg von oben durch den Ober- kiefer geschickt werden müssen, um die Projektion auf den Film zu ermöglichen, so wird häufig die eine oder andere Wurzelspitze der Molaren in das Abb. 31.

Antrum projiziert werden, was zu dem Urteil fiihren

könnte, daß die Wurzelspitze wirklich in das Antrum hineinragt, wenn auch von der Schleim- haut noch überdeckt. Das kommt ja in der Tat bei räumlich großer Ausdehnung der Ober- kieferhöhle auch vor.

Abb. 31 macht die geschilderte Wirkung der Projektion verständlich. Eine horizontale

32 Die technischen Hilfsmittel und ihre Handhabung.

Einstellung, wie sie der punktierte Pfeil andeutet, kann nicht gewählt werden, weil die Wurzel- spitzen und der Boden des Antrum dann überhaupt nicht mehr auf den Film projiziert werden könnten. Bild 109 der Tafel VIII zeigt in sehr anschaulicher Weise die Projektion der pala- tinalen Wurzel des ersten Molaren durch das Antrum.

Einstellbügel für Plattenaufnahmen.

Die Einstellung auf einen bestimmt umgrenzten Bezirk ist bei der transversalen Plattenaufnahme ohne technische Hilfsmittel noch schwerer als bei der Filmaufnahme. Die ganze Breite des Gesichts bzw. des Halses läßt erhebliche Täuschungen in der Übertragung des Einstellpunktes leicht zustande kommen. Um solche zu vermeiden, habe ich den Bügel cab konstruiert (Abb. 52) und an der Röhrenblende mit dem Ringe c drehbar befestigt. Der Schenkel a ist ausziehbar, desgleichen der Metallstab b am Ende des Bügels. Dieser einschiebbare Stab b

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Abb. 32.

steht nun genau in der Achsenrichtung des Einstellrohres der Röhrenblende und gibt mithin die Richtung des Achsenstrahls an. Seine Spitze wird auf den am meisten in Betracht kommenden Kieferbezirk eingestellt. Für die Aufnahme selbst wird dann natürlich der Schenkel a aus seiner Führung herausgezogen und der Bügel der Röhrenblende zurückgeklappt.

Dieser Einstellbügel eignet sich natürlich auch für anderweitige Kopf- aufnahmen, da er sich ja ebensogut von oben oder von der Seite her in sagittaler wie in irgend einer sonstigen Durchstrahlungsrichtung einstellen läßt. Selbst für jeden anderen beliebigen Körperteil dürfte er mit Vorteil Verwendung finden können und braucht gegebenfalls nur in den Maßen entsprechend geändert zu werden. Je exakter die gewünschte Strahlenrichtung ermöglicht wird, je mehr die Verdeckung durch andere in dem Strahlengange liegende Körper- teile vermieden werden kann, um so mehr wird die Deutung des Bildes erleichtert.

Fehler in der Technik der Zahnaufnahmen und ihre Vermeidung. 33

Fehler in der Technik der Zahnaufnahmen und ihre Vermeidung. (Vgl. Tafel I.)

Für die praktische Ausführung von Zahn- und Kieferaufnahmen ist es von größter Wichtigkeit, sich die vielen Möglichkeiten klarzumachen, welche Mißerfolgen zugrunde liegen können. Wenn es auch niemandem, welcher sich mit der Röntgenphotographie beschäftigt, erspart bleiben wird, Fehler zu machen und erst an ihnen ihre Vermeidung zu lernen, so dürfte doch die Besprechung dieses Themas vor mancherlei Enttäuschung schützen. Aber auch für denjenigen, welcher sich nicht selbst mit der Röntgenphotographie beschäftigt, sondern nur Veranlassung hat, Röntgenbilder zu sehen und zu deuten und dahin muß allmählich ein jeder Praktiker kommen ist es im hohen Maße wichtig, daß er Aufnahmefehler erkennt, um keinen diagnostischen Irrtümern ausgesetzt zu sein. Und wie mannigfach können die Ursachen für einen Mißerfolg sein! Nicht nur jeder einzelne Teil der apparativen Ausrüstung beansprucht jederzeitige sorgfältige Kontrolle auf seine Funktionsfähigkeit, nicht nur jeder Handgriff bei der Aufnahme selbst muß wohl überlegt, sinn- und sachgemäß ausgeführt sein, auch die Manipulationen rein photographisch-technischer Art erfordern Aufmerksamkeit und Verständnis. Die genaue Kenntnis des Röntgenapparates mit den Grenzen seiner Leistungs- fähigkeit bezüglich der Stromspannung und Intensität ist natürlich Voraussetzung und die Be- urteilung der erforderlichen Expositionszeit zum Teil davon, zum Teil vom Röhrencharakter und dem Durchleuchtungsgebiete abhängig. Mißerfolge können entstehen durch falsche Wahl der Röhre, falsche Applikation der Aufnahmeplatte, falsche Strahlenrichtung und unrichtige Expositionszeit, durch Fehler der photographischen Platte selbst oder durch unvorsichtige Handhabung bei der Entwickelung.

Falsche Wahl der Röhre.

Einer der häufigsten und auch am leichtesten zu begehenden Fehler ist die falsche Wahl der Röhre. Die Röhre kann zu weich oder zu hart sein; letzteres ist häufiger der Fall als ersteres. Vgl. S. 23.

Tafel I, Bild 1 zeigt eine Aufnahme mit zu weicher Röhre (Wehnelt 3—4), welche Strahlen von ungenügender Penetrationskraft lieferte, so daß weder die Zähne, noch auch der Knochen von ihnen durchdrungen werden konnte und das kopierte Bild demgemäß nur eine Silhouette darstellt. Kontrastzeichnung fehlt vollkommen. Bild 2 zeigt im Gegensatze dazu eine Aufnahme mit zu harter Röhre (Wehnelt 9), deren Strahlen so durchdringungs- kräftig waren, daß der härtere Zahn fast ebensogut durchdrungen wurde, als der weichere Knochen. Es läßt sich aber aus dem Vergleiche beider Bilder erkennen, daß eine zu harte Röhre immer noch eher eine Kontrastzeichnung zustande kommen läßt als eine zu weiche.

Fehler in der Expositionszeit.

Ein anderer häufiger Fehler ist die falsche Beurteilung der Expositionszeit. Allgemein gültige Vorschriften zur Vermeidung dieses Fehlers lassen sich hier nicht geben, weil ja die erforderliche Exposition ganz variabel ist, je nach der aufgewendeten Stromintensität sowie dem Charakter der Röhre und des Durchstrahlungsgebietes. Nicht nur die Masse des durchstrahlten Körperteiles, sondern auch der Gewebscharakter desselben spielen dabei eine wesentliche Rolle, für den Knochen kommt auch das Alter in Betracht. Bei Induktorapparaten mit kleiner Funkenstrecke, also geringer Leistung, kann es unter Umständen ganz unmög- lich sein, eine Zahnaufnahme in weniger als 15—20 oder mehr Sekunden zu erzielen. Bei der

Möglichkeit größere Stronstärken anzuwenden, läßt sich die Expositionszeit naturgemäß herab- Dieck, Anatomie und Pathologie der Zähne und Kiefer im Röntgenbilde. ö

Tafel I,1

I,2

Tafel I, 3—5

34 Fehler in der Technik der Zahnaufnahmen und ihre Vermeidung.

setzen, und mit sogenannten Intensivstrom-Apparaten (s. S. 37) kann man selbst bis auf Bruch- teile von Sekunden heruntergehen. Der photochemische Effekt ist eben abhängig von der Art und Masse der produzierten Röntgenstrahlen und letztere von der wirksamen Stromstärke und der Häufigkeit bezw. Dauer der Stromimpulse; wohl zu beachten: von der wirksamen Stromstärke. Eine Röntgenröhre von gutem Charakter für unsere Zwecke mit einem Härtegrad von 5—6 Wehnelt kann durch längeren Gebrauch einen sich immer mehr steigernden inneren Wider- stand bekommen, der unter Umständen so groß wird, daß sie bei einem kleinen Induktor- apparat überhaupt nicht mehr anspricht. Es ist deshalb für die Kontrolle und Beurteilung des Röhrenzustandes in hohem Maße wünschenswert, daß man nicht nur einen Strommesser für den primären Strom, sondern auch ein Milliamperemeter im sekundären Stromkreise hat, weil man dann in der Lage ist, den inneren Widerstand der Röhre und seine Veränderung zu beurteilen. Je weicher die Röhre und je geringer ihr innerer Widerstand ist, um so größer ist die sekundäre Stromstärke, je härter sie ist, um so geringer, eine gleichbleibende primäre Stromstärke natürlich vorausgesetzt. Das Milliamperemeter ist wie ein Manometer, einge- schaltet in den sekundären Stromkreis, und zeigt an, was an Strom wirklich durch die Röhre geht, ob der Widerstand im Wege klein oder groß, und ob die Röhre weich oder hart ist.

Der Röhrenabstand ist für die Beurteilung der Expositionszeit natürlich von Wichtigkeit. Es empfiehlt sich dringend, immer den gleichen Abstand zu wählen, weil man sonst mit einem Faktor von schwankender Größe zu rechnen hätte und ohne jedesmalige rechnerische Überlegung Fehler in der Expositionszeit leicht begehen könnte. Die photo- chemische Wirkung der Röntgenstrahlen nimmt ebenso, wie es bei den Lichtstrahlen der Fall ist, im Quadrate der Entfernung ab. Wieviel das für die Expositionszeit bedeutet, mag aus einem einfachen Beispiele hervorgehen: Angenommen, die erforderliche Expositionszeit sei bei einem Röhrenabstande von 30 cm 9 Sekunden, so müsste sie ceteris paribus bei einem Abstande von 40 cm im Verhältnisse von 30?:40°? erhöht werden, also 16 Sekunden betragen.

Es erhellt daraus der praktische Vorteil, den die Sicherung des stets gleichen Röhren- abstandes bei Verwendung der früher beschriebenen zentrierbaren Röhrenblende für die Zahn- aufnahmen hat.

Die Bilder 3, 4 und 5 zeigen Vergleichsaufnahmen mit Unterexposition, richtiger Exposition und Uberexposition. Die unterexponierte Aufnahme präsentiert sich ähnlich einer solchen mit zu weicher Röhre. Die Kontraste sind ungenügend oder fehlen ganz (Bild 3), was hier zwar nicht auf Mangel der Strahlen an Durchdringungskraft wie bei der zu weichen Röhre zurückzuführen ist, sondern eben auf die zu kurze Dauer der Bestrahlung. Bei der überexponierten Aufnahme ist zwar Zeichnung im Bilde vorhanden, aber durch die tiefe Schwärze so verdeckt, daß nur eine ganz scharfe Lichtquelle sie in der Durchsicht erkennbar macht. Unter Umständen kann jedoch von einem solchen Negativ eine ausgezeichnete Kopie gewonnen werden. Der Vergleich zwischen unter- und überexponierter Platte läßt danach erkennen, daß letztere nicht als durchaus unbrauchbar bezeichnet werden kann, und daß mithin eine Überexposition eher in den Kauf zu nehmen ist als eine Unterexposition. Bild 4 zeigt eine Vergleichsaufnahme mit richtiger Expositionszeit.

Die hier vorgeführten photographischen Bilder sind natürlich wie alle anderen Bilder der photographischen Tafeln positiv, durch Kopierung der Originalaufnahmen entstanden. Was hier dunkel, das ist im Originalbild hell, durchsichtig. |

Es muß allerdings bezüglich der Positivwiedergabe eines Róntgenbildes auf eins auf- merksam gemacht werden, was photographisch-technisch wichtig ist. Ein gutes Röntgen- negativ wenn wir die Öriginalaufnahme so bezeichnen wollen —, d. h. ein Negativ mit guter Kontrastschärfe in der Durchsicht, ergibt nicht notwendigerweise eine gute Kopie. Die Kontraste leiden beim Kopierverfahren. Will man gute Kopien erhalten, so empfiehlt es sich, die Negative viel stärker durchzuentwickeln, als es für die Betrachtung in der Durchsicht gut ist, oder selbst auch eine überexponierte Aufnahme zu machen. Die Tiefen des Negativs

Fehler in der Technik der Zahnaufnahmen und ihre Vermeidung. 35

werden dann stärker und bei der Kopierung halten sie dementsprechend das Licht mehr zurück. Die Kopierdauer wird damit zwar verlängert, aber das Resultat ist besser.

Unvollkommene Resultate bei Aufnalımen von Objekten mit großen Dichtigkeits- Ä oder Dickenunterschieden.

Es liegt in der Natur der Sache und ist aus den früheren allgemeinen Betrachtungen über Entstehung und Charakter des Röntgenbildes ohne weiteres verständlich, daß bei der Durchstrahlung eines Objektes, welches große Dickenunterschiede hat, wie etwa ein keilförmiger Körper, oder welches in verschiedenen Teilen große Unterschiede in der Dichtigkeit besitzt, die dünneren oder weniger dichten Teile leichter durchstrahlt werden als die dickeren und dichteren Teile. Es kann demgemäß nicht jeder Teil des Bildes eine gleich gute Kontrastzeichnung auf- weisen, weil die Expositionszeiten für diese verschiedenen Teile des Objektes verschieden sein müßten. Wird die Expositionszeit den dünneren oder weniger dichten Teilen des Objektes angepaßt, so sind die dickeren und dichteren Teile unterexponiert. Wird die Expositionszeit aber den letzteren angepaßt, so müssen notwendigerweise die dünneren und weniger dichten Teile überexponiert sein. Will man unter solchen Umständen ein möglichst gutes Resultat erzielen, so daß alle Partieen des Objektes gute Zeichnung aufweisen, so müssen die Expositions- zeiten verschieden sein, für die dünneren Teile kürzer, für die dichteren und dickeren länger. Dies kann nun technisch in der Weise erreicht werden, daß die Expositionszeit für

die dickeren und dichteren Teile gewählt und die Strahlung durch die dünneren Teile während Tage] 1,6 u.7

der Aufnahme in passendem Maße gehemmt wird. Bild 6 und 7 geben uns ein Beispiel. Es handelt sich um eine Übersichtsaufnahme der ganzen oberen Zahnreihe, und zwar sollen die Frontzähne möglichst in natürlicher Größe auf dem Bilde erscheinen. Die passend zugeschnittene Filmplatte wird zwischen die Zahnreihen gelegt (vgl. Seite 27 unten), der Achsenstrahl auf die Mittellinie gerichtet, etwa in Gegend der Spina nasal. ant., und zwar senkrecht auf die Halbierungs- linie des Winkels zwischen Achse der Schneidezähne und Filmebene. Das Oberkiefergerüst hat keilförmige Gestalt mit der Kante nach vorn und seiner Basis nach hinten. Bei der gewählten Strahlenrichtung werden die Frontzähne in ihrem dünnen Alveolarteile einzeln durchstrablt, während die Prämolaren und Molaren gegen die Basis des dicken Knochenteiles zu sich gegen- seitig tiberdecken. Der Widerstand, den die Strahlen hier finden, ist also ein ganz ungewöhnlich großer, und notgedrungen muß die photographische Platte an der entsprechenden Stelle nur wenig beeinflußt worden sein, wenn der Frontteil mit den Schneidezähnen bereits ausreichend exponiert war. Prämolaren und Molaren sind dann ganz unterexponiert, zeigen keine genügen- den Kontraste, sondern liefern im Negativ nur eine silhouettenhaft begrenzte durchsichtige, im Positiv schwarze Fläche. Wird aber die Expositionszeit so verlängert, daß möglichste Kontraste im hinteren Oberkieferteile mit den Molaren entstehen, so müssen die Schneidezähne überexponiert sein. Hemmt man nun hier die Strahlen der- artig, daß die übrig bleibende Expositionszeit das für die Frontzähne erforderliche Maß er- reicht, so werden sich die Kontraste in den beiden Teilen der Oberkiefer, so weit erreichbar, gleichmäßiger gestalten.

Um eine derartige Strahlenhemmung zu erzielen, wende ich folgendes Verfahren

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Abb. 83.

Tafel I, 8-10

36 Fehler in der Technik der Zahnaufnahmen und ihre Vermeidung.

an. Ich habe scheibenförmige Bleiplatten hergestellt, welche an den Rändern zugeschärft und an einem Holzstiel befestigt sind. (Vgl. Textfigur 33.) Eine solche Bleiplatte bewege ich während der Expositionszeit im Strahlengange vor den dünneren Teilen des Objektes hin und her, mehr oder weniger langsam, je nach der beabsichtigten Ausgiebigkeit der Strahlenhemmung. Bild 6 zeigt die Aufnahme ohne Strahlenhemmung mit Unterexposition der Molaren, Bild 7 die Auf- nahme mit Strahlenhemmung und besserer Kontrastzeichnung in der hinteren Kiefergegend.

Ein ähnliches Vorgehen könnte in Betracht kommen, wenn es sich um größere Auf- nahmen des Unterkieferkörpers handelt, etwa von der Gegend des Eckzahns nach hinten. Die unteren Molaren und der durch die Lin. mylo-hyoid. innen und Lin. obliq. ext. außen ver- dickte Unterkiefer erfordern naturgemäß eine längere Expositionszeit als die Gegend der Prämolaren.

Projektionsfehler durch falsche Strahlenrichtung.

Die für die Erzielung unverzeichneter Zahnbilder in Betracht kommenden Verhältnisse der Strahlenrichtung und der Applikation der Aufnahmeplatte sind Seite 13 ff. geschildert worden. Welche Verzeichnung der Zähne im Röntgenbilde sich durch Fehler in der Strahlen- richtung ergeben, zeigen die Bilder 8—10. Bild 8 Verkürzung oberer Schneidezähne infolge zu steiler, der Längsachse der Zähne sich nähernder Strahlenrichtung, Bild 9 Verlängerung unterer Zähne durch nicht parallele Applikation des Film, Bild 10 Verbreiterung der Zähne durch Krümmung des Films in Richtung des Alveolarbogens. Lehrreich sind auch die

I, 13-15 Bilder 13—15, welche Aufnahmen desselben Falles darstellen. Bild 13 ist eine gänzlich mißr

lungene Aufnahme, welche von anderer Seite gemacht wurde, 14 und 15 zwei von mir auf- genommene Bilder, von denen das erstere eine nicht exakte Strahlenrichtung verrät, indem der halbretinierte, um seine Achse gedrehte und im Wurzelteil gekrümmte mittlere Schneidezahn zu breit ausgefallen ist und an seinen Randpartien von den beiden Nachbarzähnen überdeckt wird, während Bild 15 die exaktere Strahlenrichtung erkennen läßt, da das Zahnbild hier voll- kommen freisteht und die natürliche Breitenausdehnung des Originals hat.

Auch andere Fehler kommen in Betracht, die das Röntgenbild ganz unbrauchbar machen, bzw. es so schädigen, daß sein diagnostischer Wert vermindert oder ganz vernichtet wird. Selbst diagnostische Irrtümer können durch Aufnahmefehler direkt veranlaßt werden.

Streifen können auf dem Röntgenfilm dadurch entstehen, dass die Filmecken umge- knickt wurden, um bei der Applikation im Munde schmerzhaften Druck auf die Schleimhaut zu vermeiden. Das Bild 11 zeigt solche Streifen in den beiden unteren Ecken. Täuschungen bei der Deutung des Bildes können ohne Kenntnis dieser Ursache die Folge sein.

Von der Beschädigung des Aufnahmefilms infolge Lichtwirkung durch die Poren des schwarzen Einwickelungspapieres wurde bereits an früherer Stelle gesprochen. Bild 12 zeigt eine solche Aufnahme. Mit Sicherheit vermieden wird dieser Fehler dadurch, daß der Film in eine doppelte Papierhülle eingelegt wird.

Von größter praktischer Wichtigkeit ist es auch, eine Verschiebung des Films oder der photographischen Glasplatte während der Aufnahme zu vermeiden, weil sonst mit Not- wendigkeit Unschärfe der Konturen oder Doppelkonturen entstehen müßten. Bei Aufnahmen im Oberkiefer ist diese Gefahr nicht so groß, weil der Film dem unbeweglichen Kiefer- gerüste angelegt und leicht mit ihm immobilisiert werden kann. Bei Aufnahmen des beweglichen Unterkiefers dagegen und bei Applikation des Films gegen den Boden der Mund- höhle kann es leicht passieren, daß eine Verschiebung des Films dadurch zustande kommt, daß der Patient den muskulösen Mundboden anspannt oder Schluckbewegungen macht. Bewegt sich der Unterkiefer mit dem Film, so ist der Fehler nicht so groß; zwar wird auch hier die Konturschärfe Einbuße erleiden, weil der Film in einen anderen Teil des Strahlenkegels gelangt war und der Achsenstrahl nicht mehr die beabsichtigte Richtung behalten hatte. Bei Platten-

Fehler in der Technik der Zahnaufnahmen und ihre Vermeidung. 37

aufnahmen außerhalb des Mundes sollte eine möglichst gute Fixierung des Kopfes samt Kassette vorgenommen werden.

Bild 16 zeigt eine Aufnahme mit doppelten Konturen als Folge der Verschiebung des Films im Munde. Die Möglichkeit solcher „Verwackelung“ des Bildes nimmt naturgemäß mit der Dauer der Expositionszeit zu, so daß also in kurzfristigen Expositionszeiten ein gewisser Schutz gegen diese Gefahr liegt.

Fehler photographisch-technischer Art

Es darf nicht überflüssig erscheinen, hier auch jener Fehler zu gedenken, welche die Folge eines schlechten Zustandes der Aufnahmeplatten und unvorsichtiger Behandlung bei der Entwickelung sind.

Platten und Films sollen méglichst frisch sein; sind sie zu alt, so haben sie Neigung, bei der Entwickelung grau zu werden und zu verschleiern. Im Zweifel empfiehlt es _ sich, aus dem vorhandenen Vorrat die Probeentwickelung einer nicht exponierten Platte vorzunehmen. Ist dieselbe gut, so muß sie bei der Behandlung im Entwickelungsbade hell bleiben und nach der Fixierung klar durchsichtig sein.

Es sei hier auch aufmerksam gemacht auf Packungs- oder Lagerungsstreifen, welche das Filmróntgenbild aufweisen kann. Es beruht diese Erscheinung darauf, daß in überein- andergeschichteten Films, auch wenn sie durch Papierzwischenlage getrennt sind, infolge elektro- chemischer Vorgänge eine gegenseitige Beeinflussung der Silberschicht entstehen kann, welche sich erst durch die Entwickelung bemerkbar macht. So findet man dann bisweilen mit scharfer Begrenzung eine dunkeler und eine weniger dunkel entwickelte Partie des Bildes, Die dunklere Partie zeigt die Lage an, in welcher bei der Aufbewahrung ein anderer Film über dem zur Aufnahme benutzten gelegen hatte. Tafel 14, Bild 205, ist ein Beispiel.

Bei der Einlegung von Platten in die Kassette oder bei Einfaltung in schwarzes Papier ist nicht nur die Einwirkung weißen Lichtes, sondern auch die Berührung der Schicht mit dem Finger aufs sorgfältigste zu vermeiden. Das letztere kommt gerade für Films be- sonders in Betracht, welche in der Dunkelkammer in passender Form zugeschnitten werden. Fingerabdrücke machen sich unter allen Umständen bemerkbar, sei es nun, daß sie bereits vor der Belichtung des Films vorhanden waren oder erst während der Entwickelung ent- stehen. Tafel V, 53 zeigt ein solches Bild, an dessen unterem Rande sich zwei Fingerabdrücke vorfinden, die dem Unkundigen etwa als Strukturlinien erscheinen könnten. Da ein solcher Fingerabdruck zur mangelhaften Entwickelung des Bildes an der betreffenden Stelle führt, so muß eine hellere Partie (im Positiv ein Schatten) entstehen, welche falscher Deutung aus- gesetzt ist.

Es muß demnach als Grundsatz gelten: Ein schlechtes Röntgenbild hat nicht nur keinen Wert, sondern kann unter Umständen diagnostische Fehler geradezu her- vorrufen. Die pathologischen Veränderungen in den Kieferknochen sind ja oft so gering- fügiger Natur (vgl. Tafel X), daß nur ein ganz fehlerfreies Röntgenbild sie aufzudecken ver- mag. Freilich, für gröbere diagnostische Zwecke, wie etwa den Nachweis eines retinierten Zahnes, würde auch eine weniger gute Aufnahme ausreichend sein können.

Die Bilder 17 und 18 stellen zwei Vergleichsaufnahmen dar, welche in dieser Be- ziehung instruktiv sind. Ersteres läßt zwar die Konturen der Zähne einigermaßen erkennen, gestattet aber nicht eine Diagnose über den Zustand des umgebenden Knochens. Das andere, bessere Bild des Falles zeigt einen außerordentlich großen Einschmelzungsherd, welcher, von den Wurzeln des mittleren und seitlichen Schneidezahns ausgehend, von der Mittellinie bis an die Vorderfläche der Eckzahnwurzel reicht.

Bild 19 ist das Beispiel einer guten Aufnahme. (Es muß allerdings erwähnt werden, daß bei der photographischen Reproduktion das Bild zu dunkel kopiert worden ist, wodurch

Tafel

I, 16

XIV, 205

1,17u.18

J, 19

38 Fehler in der Technik der Zahnaufnahmen und ihre Vermeidung.

Pulpakammer und Wurzelkanäle weniger deutlich geworden sind als im Original) Eine gute Zahnaufnahme soll die Struktur des Knochens, Pulpakammer und Wurzelkanále, den von der Wurzelhaut eingenommenen Raum und die Innenwand der Alveole gut unterscheiden lassen. Auch das Zahnfleisch wird bei gut gewählter Röhre und richtiger Expositionszeit ebenfalls noch als ein Schattensaum sichtbar sein.

Abkürzung der Expositionszeiten durch Intensivstrom-Apparate.

Es ist wiederholt auf die Vorteile hingewiesen worden, welche die möglichste Abkürzung der Expositionszeiten haben kann. Gerade bei Kiefer- und Zahnaufnahmen treten diese Vor- teile oft ins rechte Licht. Da auch durch die Umgehung eines Stromunterbrechers und die gesicherte einseitige Richtung des Stromdurchganges durch die Röhre sich Vorteile technischer und ökonomischer Natur ergeben mußten, so hat man bereits seit längerer Zeit neue Apparate konstruiert, unter denen die sogenannten Gleichstrom - Wechselstrom-Apparate größte An- erkennung und Verbreitung gefunden haben. Das Prinzip dieser neuen Konstruktionen gegen- über den Induktorapparaten mit Stromunterbrecher beruht darauf, daß der Gleichstrom zu niedriggespanntem und dieser zu hochgespanntem Wechselstrom transformiert wird. Der hochgespannte Wechselstrom ist als solcher natürlich noch nicht brauchbar für den Betrieb der Röntgenröhre, da ja die Polarität wechselt und die einseitige Stromrichtung (vgl. Seite 9) Voraussetzung für die nutzbare Erzeugung der Röntgenstrahlen in der Röhre ist. Das Kon- struktionsprinzip mag an dem Schema der Anordnung des Ideal-Apparates von Reiniger, Gebbert & Schall (vgl. Textfigur 34) erläutert werden. Die Gleichrichtung beider Phasen des hochgespannten Wechselstromes wird in der Weise erreicht, daß syn- chronisch mit dem Stromwechsel die entgegengerichtete zweite Stromphase durch mechanische Umleitung in die Richtung der ersten Phase gebracht wird.

In dem Schema ist mit + und die Zuleitung aus dem Gleichstromnetz bezeichnet. | Der Strom geht durch einen Anlaß- widerstand zum Umformer U, dessen entsprechend verbundene Schleifbürsten Wechselstrom abnehmen. Dieser wird dann in dem Transformator T zu hoher Spannung gebracht. Durch eine Un- terteilung des Transformators lassen sich mehr oder weniger Windungen desselben schalten, a und h sind die aus dem Transformator hervorgehen- den Leitungen des hochgespannten Wechselstromes.

Der Gleichrichter ermög- licht nun eine derartige Stromleitung, daß bei d stets die positive Phase des Stromes zur Anode der Röhre Zulei- tung finden muß und dann bei e, der Kathode der Röhre, nur die Verbindung mit dem negativen Stromkreise zustande kommen kann. An den Isolierscheiben, welche auf der Welle des Umformers befestigt sind, befinden sich um 180° gegeneinander versetzte Metallsegmente, welche der Leitung bzw. Umleitung des Sekundärstromes dienen. (Neuerdings sind an Stelle der Isolierscheiben rotierende Stäbe verwendet worden.)

Bei der in dem Schema gezeichneten Stellung der Gleichrichterscheiben ist a der positive Pol des Transformators, und der Strom kann in diesem Augenblick nur über b und das Metallsegment s zu c und von hier nach d zur Anode der Röhre geleitet werden. Von der

Fehler in der Technik der Zahnaufnahmen und ihre Vermeidung. 39

Kathode (e) der Réhre aus geht er dann tiber f und das Metallsegment s’ zu g und dem negativen Pole des Transformators (h). Wenn nun die gemeinsame Welle des Umformers und Gleichrichters eine halbe Drehung gemacht und die Polarität des Transformators damit gewechselt hat, so daß a jetzt negativer und h positiver Pol geworden sind, so stehen die beiden Metallsegmente s und 3’ umgekehrt, d. h. s steht in leitender Verbindung zwischen b' und f, s in leitender Verbindung zwischen g’ und c. Es muß mithin auch jetzt wieder der negative Pol des Transformators a über b f mit der Kathode der Röhre und der positive Pol des Transformators (h) über g' c mit der Anode der Röhre verbunden sein. Eine um- gekehrte Richtung des Stromes durch die Röhre ist daher zwangsmäßig aus- geschlossen, und damit entfallen die Nachteile, welche mit dem Schließungsstrom bei Induktor-Apparaten verbunden sind.

Die Steigerung der Stromintensität und die daraus resultierende Möglichkeit kurz- fristiger Expositionszeiten ist bei solchen Gleichstrom-Wechselstrom-Apparaten gegeben durch die ganz beträchtliche Herabminderung der Widerstände, welche in dem Induktor-Apparat einen großen Teil des Stromes verbrauchen. |

Textlicher Teil zu den photographischen Tafeln II— XVII.

Vorbemerkung.

Die photographischen Tafeln sollen ihre textliche Erläuterung in der Weise finden, daß das Gebiet der Zahnheilkunde, soweit es durch die Röntgen-Photographie Erweiterung und diagnostische Bereicherung erfahren hat, in kurz umrissenen Kapiteln zur Darstellung kommt. Wenn aber einzelne derselben gegenüber anderen ausführlicher behandelt werden, so hat das seinen Grund in der verschiedenen praktischen Wichtigkeit oder in der Mannig- faltigkeit der in Betracht kommenden Erscheinungen.

Die vielseitige Bedeutung der Röntgen-Photographie in der Zahnheilkunde bezieht sich nicht auf die Diagnostik in der Pathologie der Kiefer und Zähne allein und auf die Hilfe bei den mancherlei Bebandlungsmaßnahmen der zahnärztlichen Praxis, sondern auch Fragen theoretisch-wissenschaftlichen Charakters sind nach mancher Richtung hin gefördert worden. So haben Entwickelungsgeschichte, Anatomie und Anthropologie ihren Anteil ge- funden; die Anomalien der anatomischen Bildung an den Kiefern und Zähnen, welche ja auch ein hohes praktisches Interesse beanspruchen, sind am Lebenden oft nur durch die Röntgen-Photographie nachzuweisen, desgleichen Retention, Unterzahl und Überzahl von Zähnen, anormale Lagerung und Durchbruchsrichtung, ungewöhnliche Wurzel- bildung der Zähne, der Fortschritt der Resorption an Milchzähnen. Die Pathologie der Zähne und Kiefer bietet der Röntgen-Diagnostik ein breites Feld: versteckte Zahnkaries, Dentikel in der Zahnpulpa, Zement-Hypertrophie der Wurzel, Knocheneiterung und Fistelbildung, Granulome und Cysten, luetische oder karzinomatöse Erkrankungen des Kieferknochens, traumatische Verletzungen, der Nachweis von Fremdkörpern und anderes mehr.

Ebenso ist das Röntgenbild für Behandlungsmaßnahmen und deren Kontrolle von größter Bedeutung geworden. Hier kommen in Betracht: Füllung und sogen. Wurzel- behandlung der Zähne, Nachweis der Länge und Verlaufsrichtung von Zahnwurzeln, der Weite von Wurzelkanälen oder des Grades von Alveolaratrophie zur Beurteilung der Festigkeit von Zahnwurzeln und des zulässigen Maßes ihrer mechanischen Be- lastung bei Herstellung von Stiftzähnen, bei Kronen- und Brückenarbeiten. Schließ-

lich hat auch die Orthodontie eine bedeutsame, oft unentbehrliche Hilfe in der Röntgen- Photographie gefunden.

Die Röntgen-Photographie der Kiefer und Zähne in ihrer Bedeutung für Anthro- pologie, Entwickelungsgeschichte und normale Anatomie. (Vgl. Tafel II—IV.)

. Es liegt nicht in dem Plane dieses Atlas, die Anatomie und Entwickelung der Kiefer und Zähne ausführlich zur Darstellung zu bringen. Es soll hier die Bedeutung skizziert werden, welche das Röntgenbild für die wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiete be-

Anthropologie, Entwickelungsgeschichte und normale Anatomie. . 41

sitzt, und die bezüglichen Bilder der Tafeln II—IV haben nur den Zweck zu erfüllen, die Röntgen-Photographie gewissermaßen als Forschungshilfsmittel zu illustrieren.

Der Zahn ist als härtestes widerstandsfähigstes Produkt des tierischen und menschlichen Organismus von geradezu prädominierender Bedeutung in der naturwissenschaftlichen Forschung, nicht nur, weil er mehr als ein anderes organisches Gewebe, im besonderen auch als der Knochen, den zerstörenden Einflüssen der Zeit widersteht, sondern auch deshalb, weil er in der anatomischen Form und in seinem Strukturaufbau mehr stabilisiert ist und Umbildungen weniger schnell erfährt als minder harte Gebilde des Körpers. Für die Paläontologie ist er daher vielfach der einzige Zeuge ausgestorbenen organischen Lebens und läßt vermöge seines inneren Auf- baues und seiner äußeren Form weitgehende und sichere Schlüsse auf die Stellung seines Trägers im fossilen Tierreich zu. Für die Anthropologie im besonderen hat der Zahn als anatomisches Vergleichsobjekt vielfach eine ausschlaggebende Bedeutung, welche bei den Funden von diluvialen Menschen besonders prägnant hervortritt: Hier auch hat die Röntgen-Photo- graphie sich bereits als wertvolles Hilfsmittel der Forschung erwiesen, indem sie bei den Kieferfunden das aufzudecken vermag, was der Knochen umschließt. Die wertvollsten An- haltspunkte bietet sie für die Altersbestimmung des Individuums dar. Aus der Weite der Pulpakammer, den Entwickelungsstadien, den Durchbruchsverhältnissen der Zähne und der Resorption an Milchzahnwurzeln läßt sich bis gegen das 20. Jahr eine annähernd sichere Altersbestimmung machen. Jenseits dieser Zeit schwankt dieselbe allerdings mit zunehmendem Alter in immer weiteren Grenzen, und man muß andere Merkmale mit zu Hilfe nehmen.

Von Bedeutung ist die Tatsache, daß die Pulpahöhle des Zahnes und der Wurzel- kanäle unter normalen Verhältnissen bis ins Alter hinein immer enger wird, indem das zentri- petale Dickenwachstum des Zahnbeins so lange fortschreitet, als noch eine ungestörte Blutzirku- lation in der Pulpa besteht. Von Einfluß auf diese Verengerung der Pulpakammer ist aller- dings die äußere Abschleifung der Zähne, da nach Verlust des Schmelzes durch das freigelegte Zahnbein formative Reize zur Pulpa gelangen und diese zur Bildung von sekundärem Dentin anregen, so daß gewissermaßen als Ausgleich für den äußeren Substanzverlust nach innen zu ein vorschnelles Dentinwachstum erfolgt, um die Eröffnung der Pulpakammer zu verhindern; eine Erscheinung, welche die Bedeutung einer physiologischen Schutzeinrichtung hat und bei der

Bewertung der Weite der Pulpakammer für die Altersbestimmung wohl zu berücksichtigen ist. Tafel

Tafel IV Bild 27 gibt die Röntgenaufnahmen einer Anzahl von Zähnen aus ver- schiedenen Lebensaltern wieder. Die obere Reihe stellt fünf untere erste Molaren dar aus dem 7. 11., 16., 27. und 50. Lebensjahre, und es ist der Fortschritt der Pulpaverengerung deutlich zu erkennen. Der Molar aus dem 7. Lebensjahr ist in seinem Wurzelwachstum noch nicht fertig gebildet, war aber bereits seit längerer Zeit durchgebrochen und besitzt, wie das Röntgen- bild erkennen läßt, schon einen großen kariösen Defekt. Die beiden Molaren aus dem 27. und 50. Lebensjahre machen allerdings eine Ausnahme, indem die Pulpakammer des ersteren trotz der größeren Jugend enger ist als diejenige des älteren Zahnes. Das erklärt sich aber aus dem Umstande, daß der jüngere Zahn sogenannte Schmelzhypoplasie besaß, welche sich in teil- weisem Schmelzmangel äußerte, so daß das Zalınbein freilag und dadurch zur Bildung von sekundärem Dentin an der Decke der Pulpakammer Veranlassung gegeben hatte.

Die untere Reihe der Zähne stellt 4 obere Eckzähne aus dem 14., 24., 45. und 60. Lebensjahre dar, und auch hier ist die allmähliche Verengerung der Pulpakammer ersichtlich.

Bezüglich der Bildungs- und Durchbruchszeiten. der Zähne ist allerdings zu be- achten, daß Unterschiede bei den Menschen früherer Zeitepochen und bei unzivilisierten Rassen gegenüber den rezenten Kulturvölkern wahrscheinlich sind, und zwar in dem Sinne, daß sie bei den ersteren früher angenommen werden müssen als bei letzteren.

Als ein Beispiel für die Altersbestimmung durch die Röntgen-Photographie gebe ich auf Tafel II das Röntgenbild eines ägyptischen Mumienkopfes in */, Verkleinerung

wieder. Durch die Freundlichkeit des Direktors am Berliner Museum für wu aa Herrn Dieck, Anatomie und Pathologie der Zähne und Kiefer im Röntgenbilde.

LV, 27

II, 20

Tafel IV, 26

42 Anthropologie, Entwickelungsgeschichte und normale Anatomie.

Prof. Dr. v. Luschan, kam ich in die Lage, mehrere Mumienköpfe zu photographieren, wofür ich nicht verfehlen möchte, an dieser Stelle Herrn v. Luschan meinen Dank auszusprechen. Das hier wiedergegebene Réntgenbild habe ich von einem Kopfe in seiner Original-Leinewand- | wickelung gemacht, welche, wie das Bild an dem umgebenden Schatten erkennen läßt, eine durch- schnittliche Dicke von etwa 4 cm besaß. Nach den Mitteilungen des Herrn Prof. v. Luschan stammt dieser Mumienkopf aus Abusir el Mäläq etwa aus dem 5. oder 6. vorchristlichen Jahr- hundert. Aus der Art der Behandlung des Kopfes wurde geschlossen, daß das Individuum etwa dem besseren Mittelstande angehört haben dürfte.

Der Schädel zeigt sämtliche Zähne bereits durchgebrochen. Der dritte Molar des Unterkiefers hat ohne Zweifel auch bereits in Artikulation mit dem zweiten oberen Molaren gestanden, während der dritte obere Molar wohl bereits durchgebrochen, aber noch nicht in Kaufunktion getreten war. Die Pulpakammern der Molaren sind jugendlich weit und, was hier das diagnostisch Wichtigste ist, die Weisheitszähne sind trotz des bereits erfolgten Durch- bruchs noch nicht voll ausgebildet. Die Wurzeln haben ihre definitive Länge noch nicht er- reicht, die Wurzelkanäle sind weit, auch am Foramen apicale, wo bald nach beendetem Wurzel- wachstum die Verengerung sich einstellt. Besonders deutlich sind diese Verhältnisse an dem unteren Weisheitszahne zu erkennen. Das Alter des Individuums schätze ich auf 16—17 Jahre, wobei ich eine etwas frühere Entwickelung und Durchbruchszeit der dritten Molaren voraus- setze als bei dem rezenten Kulturmenschen.

Ein anderes Beispiel für die Altersbestimmung aus dem Röntgenbilde der Zähne ist auf Tafel IV in Bild 26 wiedergegeben.

Hier handelt es sich um den Unterkiefer von einem Kinde aus Neu-Britannien. Die Milchmolaren sind noch in Funktion, außerdem aber auch der erste bleibende Molar, dessen Wurzelwachstum allerdings noch nicht beendet ist. Von dem zweiten Molaren ist etwa die Hälfte der Krone bereits verkalkt. Wenn die für den heutigen Kulturmenschen gültigen Durchbruchszeiten angenommen würden, so wäre das Alter auf etwa 6 Jahre zu schätzen; ich glaube aber dasselbe um wenigstens 1 bis 1?/, Jahr früher annehmen zu müssen, weil ich Gelegenheit hatte, eine Anzahl von Kindern unzivilisierter Völker auf die Durchbruchsver- hältnisse der Zähne hin zu untersuchen und ganz erheblich frühere Zeiten zu konstatieren. So fand ich bei einem Kinde von 7 Jahren aus Neu-Guinea bereits 2 zweite Molaren durch- gebrochen, bei einem anderen Kinde von 9 Jahren sämtliche 4 zweite Molaren, bei einem Kinde von 4'/, Jahren aus Senegal bereits alle 4 ersten Molaren, bei einem Kinde von 5 Jahren sämtliche erste Molaren und bis auf einen auch sämtliche bleibende Schneide- zähne; ferner bei 2 anderen Kindern von 9 und 10 Jahren aus Senegal sämtliche bleibenden Zähne mit Einschluß der zweiten Molaren, bei dem 9 jährigen Kinde dasselbe, mit Ausnahme eines unteren zweiten Prämolaren. Das sind also bis zu 4 und 5 Jahren frühere Durchbruchs- zeiten der Zähne als bei dem rezenten zivilisierten Menschen.

| Auch in ethnologischer Beziehung vermag die Réntgenphotographie gewisse Hin- weise zu geben.

Eine starke Abnutzung der Zähne in relativ jugendlichem Alter läßt einen Rück- schluß auf die Art der Nahrung oder damit in Zusammenbang stehende Gewohn- heiten zu. Bei vielen Völkern auf niederer Kulturstufe muß die Unsauberkeit der Nahrungs- mittel, etwa anhaftender Sand, starke Abnutzung der Zähne zur Folge haben. Aus dem Grade der Verengerung der Pulpakammer durch Bildung von sekundärem Dentin ist unter nen ae auf eee der Abschleifung zu schliessen und von re erie ys ae i = die Abschleifung sehr schnell, so kann die Pulpa a E wee Phas en und absterben, weil es ihr an Zeit fúr die Bildung der Schutz-

; em Zusammenhange auch an die Geophagie erinnert, welche bei

manchen Negerstimmen schon in jugendlichem Alter verbreitet ist. Hier dürfte die Zahn- abschleifung besonders schnell erfolgen.

Anthropologie, Entwickelungsgeschichte und normale Anatomie. 43

Bei künstlicher Deformierung der Zähne, wie sie bei vielen unzivilisierten Völkern üblich ist, kann das Röntgenbild einen Anhalt über das Lebensalter ermöglichen, in welchem diese Zahnverstüämmelung stattfand, wenn die Schliff- oder Absprengungsfläche der Pulpa zu nahe gekommen war oder dieselbe gänzlich freigelegt hatte mit der notwendigen Folge von Entzündung und Nekrose. Die Pulpakammer behält dann naturgemäß für die ganze fernere Dauer des Lebens ihre derzeitige Weite und gestattet so den Rückschluß auf die Zeit des Pulpatodes.

Für entwickeiungsgeschichtliche und anatomische Studien ist die Röntgen- photographie in mancher Beziehung ein hervorragendes Anschauungsmittel, wie einige Beispiele beweisen. Besonders instruktive Bilder des Blutgefäßsystems geben Metallkorrosions- präparate ab. Tafel III zeigt das Röntgenbild eines halben Kopfes, dessen Arterien mit Woods Metall injiziert worden sind. Die Herstellung eines solchen Korrosionspräparates selbst ist allerdings sehr viel schwieriger als diejenige seines Röntgenbildes.

Bild 22 auf Tafel IV ist ebenfalls ein Metallkorrosionspräparat und läßt die dichte An- ordnung zarter Blutgefäßstämmchen um die Keimanlagen der Zähne im Unterkiefer des Neu- geborenen erkennen.

Lage und Ausdehnung der provisorischen Alveolen für die bleibenden Zähne während ihrer Entwickelung, die Lagerung der Zahnkeime selbst in ihrer Topographie zu den Milchzähnen und der Fortschritt ihrer Verkalkung in den verschiedenen Altersstufen des kind- lichen Lebens werden an den Beispielen Bild 23, 24 und 25 auf Tafel IV illustriert.

Auch für das genauere anatomische Studium der Pulpakammer der Zähne, für Fest- stellung ihrer Ausdehnung und etwaiger Aufteilung der Wurzelkanäle läßt sich das Röntgen- bild verwerten, wenn man einen Metallausguß herstellt. Bild 29 zeigt zwei untere Molaren mit Metallkorrosion. Ich habe diesen Ausguß so hergestellt, daß ich nach vollkommener Mazerierung der Pulpa und sorgfältiger Ausspritzung der Wurzelkanäle die Zähne mit ihrem Wurzelteil in Gips einbettete und die Pulpakammer mit Quecksilber füllte. Der kleine Gips- block wurde dann in das Röhrchen einer Zentrifuge gebracht und das Quecksilber in die Tiefe der Wurzelkanäle hineinzentrifugiert, so daß es auch die feinste Endverästelung der Wurzel- kanäle, wie sie der linke von den beiden Zähnen besitzt, ausfüllen mußte.

Die Architektonik der Knochenstruktur ist uns mit keinem anderen Hilfsmittel der Forschung so schön vor Augen geführt worden, als mit dem Röntgenbilde. Unsere heutige Vorstellung über die Abhängigkeit der Struktur von der Funktion des Knochens hat eine sehr wesentliche Bereicherung erfahren, und auch für die Kiefer im besonderen hat das Röntgenbild besseren Einblick in die Anordnung der Spongiosabälkchen („Trajektorien“) gewährt und die Anschauung über die Entwickelungsmechanik der Kiefer gefördert.

Lehrreich und von praktischer Wichtigkeit sind solche Röntgenbilder, welche uns Aufschluß über die topographische Beziehung der Zähne zu der Oberkieferhöhle und zum Unterkieferkanale geben. Eine schöne Übersicht über den Unterkiefer vom Eckzahn bis zum dritten Molaren, die Gestaltung der Zähne und die Ausdehnung der Pulpakammer und Wurzel- kanäle bietet Bild 28.

Dieses Bild beansprucht ein besonderes Interesse, weil es ein „plastisches‘“ Röntgen- bild ist. Man vergleiche dasselbe mit dem darüber stehenden Bilde 26. Der Unterschied ist sinnfällig. Ausser in der Knochenstruktur kommt die Plastik in der Pulpakammer der Zähne besonders schön zur Geltung. Es macht den Eindruck, als seien die Zähne halbiert und man schaue in die Tiefe der Pulpakammer hinein.

Die Herstellung solcher plastischer Röntgenbilder erfordert ein besonderes phototech- nisches Verfahren, welches zuerst von Béla Alexander und nach ihm von Gottschalk!)

1) Gottschalk, Plastische Réntgenogramme. Fortschritte a. d. Gebiete der Röntgenstrahlen. Bd. XI, Heft 5. 6*

Tafel III, 21

IV, 22

IV, 23—25

IV, 29

1V, 28

Tafel IV, 30

44 Anthropologie, Entwickelungsgeschichte und normale Anatomie.

und anderen mitgeteilt wurde. Das Verfahren ist so, daß zunächst von dem Röntgennegativ ein Diapositiv hergestellt wird, von beiden zusammen in genauer Deckung ein drittes Bild, von diesem in abermaliger Kombinierung mit dem Diapositiv ein viertes Bild das Negativ für das plastische Positiv. So schön die Wirkung eines derartigen Bildes auch ist, so steht doch die Umständlichkeit des Verfahrens seiner allgemeinen Verwendung für die Praxis im Wege. Es kommt wohl auch hinzu, daß Unschärfen in der Kontur der Bilddetails leicht entstehen müssen, wenn bei der wiederholten Kopierung nicht eine haarscharfe Deckung der Bilder vor-

handen war.

Die normale und atypische Resorption sowie Persistenz der Milchzähne.

Zu großer Wichtigkeit gelangt oft der röntgenologische Nachweis bei Fragen über die Milchzahnresorption und die Durchbruchsverhältnisse der bleibenden Zähne. An solche Fragen schließt sich die weitere, ebenso wichtige an, welche Ursachen der Persistenz von Milch- zähnen zugrunde liegen, und wie der Zahnarzt sich dieser Erscheinung gegenüber praktisch zu verhalten hat.

Die Resorption der Milchzähne ist ein physiologischer Prozeß, welcher sich normalerweise ohne jede subjektive Störung, im besonderen ohne Schmerz vollzieht; er ist abhängig von der Tätigkeit der Osteoklasten. Die Anregung dazu wird von jeher in der Wirkung gesehen, welche der wachsende Keim des bleibenden Zahnes auf die Milchzahnwurzel ausübt, analog den Erscheinungen der Druckresorption am Knochen.

Auch Publikationen der jüngsten Zeit!) nehmen diesen Standpunkt ein und suchen die Erklärung für den Anstoß zur Resorption und ihre Unterhaltung in einer Hyperämie der umgebenden Blutgefäße, welche direkt abhängig sei von der Anwesenheit des bleibenden Zahn- keins und seiner Wachstumskollision mit dem Milchzahne. In der Tat muß zugegeben werden, daß die Resorption überall da zustande kommt, wo diese Wachstumskollision besteht, aber es kann nicht die Konsequenz gezogen werden, daß sie ausbleibt, wenn der Kontakt mit dem Keime des bleibenden Zahnes fehlt, sei es infolge anormaler Lagerung oder völligen Fehlens desselben. Die Röntgenphotographie läßt gar keinen Zweifel darüber zu, und viele Bilder beweisen es, daß die Milchzahnresorption zum mindesten andere Ursachen haben kann als die Anwesenheit des bleibenden Zahnes und die dadurch bedingte Alteration des umgebenden Gewebes. Bild 30 zeigt die typische Resorption eines

IV, 33-35 oberen Milcheckzabns unter der Wirkung des bleibenden Zahnes, die Bilder 338, 34 und 85

veranschaulichen aber die totale Resorption der Wurzeln des unteren zweiten Milch- molaren, ohne dass der entsprechende bleibende Zahn überhaupt gebildet ist, während in den Bildern 81, 32 und 38 zwar der bleibende Eckzahn vorhanden ist, sich aber nicht an seiner normalen Stelle entwickelt hatte, sondern vollkommen frei neben dem Milch- eckzahne zum Durchbruch gelangt war.

Diese drei letztgenannten Bilder geben gleichzeitig auch die Erklärung für die unge-

IV, 31u.32 wöhnliche Stellung des bleibenden Eckzahnes. Derselbe nimmt in Bild 31 und 32 vor dem

IV, 38

Milcheckzahne den Platz des fehlenden seitlichen Schneidezahnes und in Bild 88 hinter dem Milchzahne die Stelle der fehlenden Prämolaren ein.

Fehlt der bleibende Ersatzzahn oder ist er so im Kiefer gelagert, daß er mit seinen Vorgänger im Milchgebisse nicht in Kontakt kommen konnte, so läßt die Resorption der Milchzahnwurzel in der Regel allerdings lange Jahre auf sich warten oder bleibt auch gänz- lich aus. Das führt zu der Erscheinung der Persistenz des Milchzahnes innerhalb der

IV, 36u.37 Reihe der bleibenden Zähne. Die Bilder 36 und 37 sind Aufnahmen von einem 30 jährigen

1) Vgl. Fischer, Beiträge zum Durchbruch der bleibenden Zähne und zur Resorption des Milchgebisses. Anatomische Hefte, Heft 116.

Anomalien der Zahnentwickelung und Zahnstellung. 45

Manne, bei welchem im Oberkiefer jederseits der bleibende Eckzahn und die beiden Prämolaren Tafel

fehlten, d. h. nicht gebildet worden waren. Bild 39 zeigt, ebenfalls beim Erwachsenen, an- geborenen Mangel des oberen seitlichen Schneidezahnes und des Eckzahnes, an deren Stelle die beiden entsprechenden Milchzähne fast ohne Wurzelresorption stehengeblieben sind.

Die Persistenz von Milchzähnen betrifft am häufigsten den oberen Eckzahn, dann den zweiten unteren Milchmolaren und an dritter Stelle den oberen seitlichen und unteren mittleren Schneidezahn.

Die erörterten Dinge sind praktisch wichtig, weil die Frage entstehen kann und be- antwortet werden muß, ob etwa ein persistierender Milchzahn zu extrahieren sei, „um für den bleibenden Zahn Platz zu schaffen“. Die Antwort muß lauten: Bleibt ein Milchzahn über seine Zeit hinaus stehen, so ist das ein Beweis dafür, daß der bleibende Ersatzzahn falls er nicht bereits an anderer Stelle zum Durchbruch kam —- entweder nicht gebildet oder in anormaler Lagerung im Kiefer retiniert ist. Die Extraktion des Milchzahnes wäre ein Kunst- fehler, weil sie keine Gewähr für den Durchbruch des bleibenden Zahnes geben kann; selbst wenn der Milchzahn infolge erheblicher Wurzelresorption locker geworden, ist seine Extraktion noch nicht ohne weiteres indiziert, jedenfalls nicht, wenn das Erscheinen des bleibenden Zahnes als sichere Folge erwartet wird. Die Röntgenaufnahme ist hier geboten, und nur sie ent- scheidet die Frage einer etwaigen Behandlungsmaßnahme.

Anomalien der Zahnentwickelung und Zahnstellung. (Vgl. Tafel V.)

Die Zahnanomalien stellen ein ebenso interessantes wie praktisch wichtiges Gebiet dar, auf welchem die Röntgenphotographie das einzige diagnostische Hilfsmittel ist, wenn es sich um Zahnbildungen handelt, welche der Kieferknochen umschließt. Vorwiegend kommen in Be- tracht Unterzahl und Überzahl der Zähne, Dislokation und Degeneration von Zahn- keimen und Retention der Zähne.

Die Unterzahl der Zähne ist eine sehr häufige Erscheinung im menschlichen Ge- bisse. Von den seltenen Fällen abgesehen, in denen völliger Mangel jeglicher Zahnbildung besteht oder doch nur wenige Zähne zur Ausbildung gelangten, betrifft die Unterzahl mit Vor- liebe einige bestimmte Zähne des Gebisses, und zwar in absteigender Häufigkeit den seitlichen oberen Schneidezahn, den unteren zweiten Prämolaren, den Weisheitszahn und den unteren mittleren Schneidezahn. Viel seltener ist der angeborene Mangel des oberen Eckzahns, der oberen Prämolaren und der zweiten Molaren, am seltensten dürfte der erste bleibende Molar fehlen. Die Bilder 831 und 82 auf Tafel IV zeigten bereits das Fehlen des oberen seitlichen Schneidezahns, die Bilder 88—85 den Mangel des unteren zweiten Prämolaren. Wie weit be- züglich der Auffassung dieser Anomalien die Ansicht berechtigt ist, ob es sich hier um eine Reduktionstendenz im menschlichen Gebisse handelt, diese Frage soll hier nicht weiter erörtert werden. Wenn auch das häufige Fehlen bestimmter Zähne auffallend ist, so kommen doch anderseits, freilich seltener, Ausschläge der Zahnentwickelung nach der entgegengesetzten Rich- tung bei denselben Zahngruppen vor. So sind Verdoppelung des oberen seitlichen Schneide- zahns (vgl. Bild 50a), die Bildung eines vierten Molaren oder auch eines, ja selbst zweier überzähliger Prämolaren zu finden.

Wenn Zähne des bleibenden Gebisses zu einer Zeit, zu der sie längst durchgebrochen sein sollten, nicht vorhanden (natürlich auch nicht extrahiert worden) sind, so kann die Frage, ob solche Zähne überhaupt nicht gebildet oder im Kiefer retiniert sind, nur das Röntgenbild entscheiden. Fehlt der obere laterale Schneidezahn, wie im Falle Bild 42, so können wir aller- dings aus der Erfahrung heraus mit größter Wahrscheinlichkeit den angeborenen völligen Mangel desselben vermuten, weil eine Retention dieses Zahnes zu den allergrößten Seltenheiten

IV, 39

IV, 81u. 32 1V, 38—35

Tafel

46 Anomalien der Zahnentwickelung und Zahnstellung.

gerechnet werden darf. Im Gegensatze dazu kann man bei dem relativ häufigen Fehlen des oberen Eckzahns mit ähnlicher Sicherheit auf die Retention dieses Zahnes schließen, wenngleich

IV,37u.39 der völlige Mangel desselben nicht gerade extrem selten ist (vgl. Bild 37 u. 39 auf Tafel IV).

V, 41

Daß diese Fragen auch von großer praktischer Wichtigkeit sein können, beleuchtet der Fall, den das nebenstehende Bild (Textfigur 35) darstellt. Bei dem 8jährigen Mädchen befindet sich ein großes Diasthema zwischen den beiden mittleren Schneidezähnen, so daß auf der einen Seite der Milcheckzahn unmittelbar neben dem bleibenden mittleren Schneidezahne steht; es ist kein Raum für den seitlichen Schneidezahn vorhanden. Die Durchbruchszeit für diesen letzteren Zahn war allerdings noch nicht überschritten, aber wegen des großen Zwischenraumes in der Mittellinie konnte wohl die Vermutung des angeborenen Mangels der seitlichen Schneidezähne entstehen. Wegen der gleichzeitig vorhandenen Kieferdeformität sollte eine Kiefer- und Zahnregulierung vorgenommen werden, so daß es von Wichtigkeit war, zu wissen, ob die seitlichen Schneidezähne angelegt waren und ihr Durchbruch er- wartet werden konnte. Die Behandlungsmaßnahmen bei der Regulierung mußten sich zum Teil danach richten, denn waren die seitlichen Schneidezähne nicht gebildet, so hätte man zur gleichmäßigen Raumverteilung einen wenn auch geringeren Zwischenraum zwischen den beiden mittleren Schneidezähnen bestehen lassen können, im anderen Falle mußten diese Zähne künstlich bis zur Berührung aneinandergebracht werden, schon um den seitlichen Schneidezähnen den Raum zu schaffen. Die Röntgenaufnahmen wiesen die beiden seitlichen Schneidezähne nach, wie Bild 41 es auf der rechten Oberkieferseite zeigt.

Angeborener Mangel einer größeren Anzahl von Zähnen im bleibenden Gebiß ist eine

Abb. 35.

IV, 36u.37 seltenere Erscheinung als das Fehlen eines einzelnen Zahnes. Die Bilder 36 und 37 auf Tafel IV

V, 43

V, 48 V, 49

sind Aufnahmen beider Oberkiefer eines 30jáhrigen Mannes und zeigen jederseits den Mangel des bleibenden Eckzahns und der beiden Prámolaren, Bild 43 auf Tafel V das Fehlen der vier oberen Schneidezáhne.

Überzahl der Zähne findet sich in jeder Zahngruppe vor, betrifft aber am seltensten den Eckzahn. Mir selbst ist bisher eine solche Anomalie nicht zu Gesicht gekommen, jedoch ist von Brunsmann einmal ein Fall von Ver- doppelung des unteren Eckzahns mitgeteilt worden.

Im Bereiche der oberen Schneidezähne sind überzählige Zähne am häufigsten. Die- selben stellen entweder Zähne typischer Bil- dung dar (Bild 50a zeigt Verdoppelung des seit- lichen Schneidezahns) oder Zähne von einfacher konischer Gestalt oder schließlich Zähne mit höckeriger oder dütenförmiger Krone. Bild 47 ist ein Beispiel eines überzähligen „Zapfen-

Abb. 36. zahns“ zwischen den beiden oberen mittleren

Schneidezähnen, Bild 48 ein ähnlicher Fall mit

kariöser Zerstörung der Krone und Bild 49 ein solcher überzähliger Zapfenzahn mit winkliger Knickung zwischen Krone und Wurzel. Von Interesse war der Befund eines Falles, den die Textabbildung 36 vom Oberkiefer eines 10jährigen Knaben wiedergibt. Hier fehlt der linke

Anomalien der Zahnentwickelung und Zahnstellung. 47

mittlere Schneidezahn, während hinter dem vorhandenen rechten Scheidezahn ein Zahngebilde mit höckerigem Typus zum Durchbruch gelangt war. Die Röntgenaufnahme (Bild 51) zeigte zwei retinierte Zähne, von denen der eine der fehlende normale Schneidezahn und der andere ein zweiter überzähliger Zahn von ähnlichem Bau wie der bereits durchgebrochene war. Beide überzählige Zähne waren in ihrem Längenwachstum noch nicht ausgebildet, wie die Weite der Pulpakammer und des Wurzelloches erkennen läßt.

In diesem Zusammenhange soll eines gelegentlichen Röntgenbefundes gedacht werden, welcher allerdings schon in das Gebiet der Pathologie gehört: das ist in Rücksicht auf das Lebensalter die abnorme Weite der Pulpakammer, des Wurzelkanals und des For. apic. bei äußerlich vollkommen intaktem Zustande des Zahnes. Es sei an das früher Gesagte erinnert, daß unter normalen Verhältnissen Pulpakammer und Wurzelkanäle im Laufe der Jahre immer enger werden. Tritt aber in einer relativ frühen Zeit Nekrose der Pulpa ein, etwa infolge eines Traumas, so hört naturgemäß das zentripetale Dickenwachstum des Dentins auf und die Pulpakammer behält ihre derzeitige Ausdehnung. Einen solchen Fall stellt das Bild 54 dar, wo bei dem Fehlen jeglicher äußerer Verletzung, ja selbst der Verfärbung des Zahnes, aus der Weite der Pulpakammer nicht nur Nekrose der Pulpa diagnostiziert werden konnte, sondern auch der Rückschluß auf die Zeit möglich war, in welcher der Pulpatod eintrat. Das Bild stammt von einem Erwachsenen und gestattet die ziemlich sichere Diagnose auf Pulpatod in- folge von Trauma etwa im achten Lebensjahre.

Die Degenerierung von Zahnkeimen kann interessante Röntgenbefunde ergeben. Die Bilder 44 und 45 stellen anormale Entwickelung des Keimes vom mittleren bzw. seitlichen Schneidezahn dar und lassen durch die intensive Schattenbildung im Innern des Zahnbildes die Deutung zu, daß es sich hier um eine abnorme Vermischung der einzelnen harten Zahngewebe handelt. Ich möchte beide Röntgenbilder so deuten, daß im Innern dieser monströsen Zähne Schmelz sich vorfindet, was auf eine Einwachsung des Schmelzkeimes in den Dentinkeim zurück- geführt werden müßte. Es sind mir zwei Fälle bekannt geworden, wo es sich um ähnliche Invagination des Zahnkeimes gehandelt hat und ein weiterer Fall, in welchem ein überzähliges Zahngebilde mit Schmelzbedeckung von einem anderen Zahnkeime so völlig umschlossen war, daß man von einem Zahn im Zahne sprechen konnte. Das Bild 45 mit dem degenerierten Keime des seitlichen Schneidezahns zeigt gleichzeitig einen Zystenhohlraum, welcher sich offen- bar von diesem Zahn aus entwickelt hatte und demgemäß als eine follikuläre Zyste bezeichnet werden muß. Noch interessanter ist das Bild 46, welches eine follikuläre Zyste zwischen dem oberen seitlichen Schneidezahn und dem ersten Prämolaren mit einer Anzahl einzelner Zahn- bildungen zeigt. Dieser Fall bietet ein gesteigertes Interesse dadurch, daß außerdem noch zwei Zähne in der Tiefe des Kiefers durch das Röntgenbild aufgedeckt wurden, von denen der eine als Milcheckzahn, der andere als bleibender Eckzahn angesprochen werden mußte. Sowohl die Zyste als auch diese beiden Zähne wurden operativ entfernt.!)

Ein noch ungewöhnlicherer Fall von großer zahntragender Follikulärzyste ist, dessen pathologisch-anatomischer Befund in den Bildern 242a und b auf Tafel XVI illustriert, soll an späterer Stelle Erwähnung finden.

Odontome. Diese recht seltenen Befunde sind Geschwulstbildungen, welche aus der Entartung eines oder mehrerer Zahnkeime hervorgegangen sind. Erfährt die Geschwulstmasse keine Verkalkung, so spricht man nach Broca von einem embryoplastischen, verkalkt sie, von einem odontoplastischen Odontom. Analoge Bezeichnungen sind nicht dentifizierte und dentifizierte Odontome. Findet nur eine teilweise Verkalkung statt, so daß sich harte Einsprengungen, sog. Verkalkungsinseln in der Geschwulst nachweisen lassen, so spricht man von gemischtem Odontom. Wenn die Entartung nur aus dem weichen Keime der Zahnkrone

!) Der Fall wurde von Dr. K. Cohn, Berlin, behandelt und in der Deutschen Zahnärztlichen Wochenschrift 1909 näher beschrieben.

Tafel V,51

V, 44.45

Tafel V, 50

V, 53

V, 40 u. 55

48 Anomalien der Zahnentwickelung und Zahnstellung.

hervorgegangen ist, während der Wurzelteil des Zahnes zur normalen Weiterentwickelung ge- langte, so nennt man das ein Kronenodontom, war die Krone bereits fertig gebildet und hat die Proliferation erst im Wurzelteil des Zahnkeimes eingesetzt, ein Wurzelodontom.

Die embryoplastischen Odontome sind viel seltener beschrieben worden als die ver- kalkten, vielleicht aber nur deshalb, weil sie als solche schwerer zu diagnostizien sind. Virchow bezeichnete in einem einschlägigen Falle den Tumor als eine myxomatöse Geschwulst des Zahnkeims.

Der Röntgendiagnostik sind naturgemäß die völlig oder wenigstens teilweise verkalkten Odontome besser zugänglich als die nicht verkalkten. Ein ungewöhnlich schöner Fall ist von Martens!) beobachtet und beschrieben worden. Die harte Zahngeschwulst, welche auf Grund des Röntgenbildes diagnostiziert worden war, zeigte nach der operativen Entfernung Aus- messungen von 6cm Länge und 2,5—3,1cm Dicke.

Bild 50 gibt die Röntgenaufnahme eines kleinen Wurzelodontoms wieder, welches ich an einem unteren Molaren zu beobachten Gelegenheit hatte.

Bild 53 stellt einen Fall von Odontom dar, welcher wegen der ziemlich sicheren Ätio- logie interessant und der näheren Beschreibung wert ist.

Frl. H., 19 J., hat gut entwickelte Zähne. Es fehlt dem Gebiß jedoch der rechte mittlere obere Schneidezahn, welcher nach bestimmter Angabe niemals zum Durchbruch gelangt war. Die Konsultation erfolgte wegen einer harten Geschwulst von der Größe einer kleinen Kirsche, welche seit Jahren an der Umschlagstelle zwischen Zahnfleisch und Lippenschleimhaut bestand und unter der Nase durch die Ober- lippe zu fühlen war. Da ich Retention des mittleren Schneidezahnes vermutete, so machte ich die Röntgenaufnahme, welche einen annähernd runden tiefen Schatten unter der Wurzelspitze des seitlichen Schneidezahns aufwies. Pat. machte zuverlässige Mitteilung darüber, daß zwischen ihrem zweiten und dritten Lebensjahre durch einen Fall der rechte Milchschneidezahn in den Kiefer hineingetrieben und dann extrahiert worden sei. Auf Grund dieser Mitteilung war die Deutung des Röntgenbefundes be- rechtigt, daß der bereits in der Entwickelung befindliche Keim des bleibenden mittleren Schneidezahns durch jenes Trauma verletzt und in seiner normalen Weiterentwickelung gestört worden war. Das kleine Odontom ist also aus der Degeneration des normalen Zahnkeims vom mittleren Schneidezahn hervor- gegangen.

Die Dislokation von Zähnen mit falscher Durchbruchsrichtung haben die beiden Röntgenbilder 40 und 55 erwiesen. In beiden Fällen waren die betreffenden Zähne zwar noch nicht er- schienen, aber ihr Durchbruch konnte erwartet werden. Das Röntgenbild 40 wurde von dem in der Textfigur 37 abgebildeten Oberkiefer eines 8 jäh- rigen Knaben gewonnen. An Stelle des rechten mittleren Schneidezahns war eine ziemlich beträcht- liche harte Geschwulst vorhanden, welche dadurch entstanden war, daß der nach außen gerichtete mitt- lere Schneidezahn das verdickte Zahnfleisch vor- gewölbt hatte. Im Bilde 55 handelte es sich bei einem 10jährigen Knaben ebenfalls um den rechten mittleren Schneidezahn des Oberkiefers, welcher der- art transversal im Alveolarfortsatz gelagert war, daß er mit seiner Schneidekante fazialwärts das Zahnfleisch vorgedrängt und eine harte Promi- nenz unter. der Oberlippe hervorgerufen hatte. Die Schattenbildung läßt gleichzeitig genau die Lagerung dieses dislozierten Zahnes erkennen. Derselbe ist ziemlich genau in der Strahlen- richtung gelegen, so daß infolge der axialen Durchleuchtung nur seine Zirkumferenz im Bilde entstehen konnte.

Abb. 37.

') Martens, Zur Kenntnis der Odontome, Charité-Annalen, 27. Jahrgang.

Anomalien der Zahnentwickelung und Zahnstellung. 49

Die völlige Inversion eines Zahnes, d. h. die Lagerung desselben in umgekehrter Richtung, ist eine bemerkenswerte Anomalie, welche gelegentlich im Oberkiefer zu einem Zahndurchbruch in die Nasenhöhle führen kann. Ein Befund dieser Art ist das Bild 52, in welchem ein überzähliger „Zapfenzahn“ mit der Krone nach oben gegen den Boden der Nasenhöhle gerichtet zu sehen ist. Der Fall betraf einen 11jährigen Knaben.

`

Die Retention der Zähne

ist eine ebenso häufige wie interessante Erscheinung, deren Nachweis durch die Röntgen- photographie in der Regel leicht zu erbringen ist. Sie betrifft am häufigsten den oberen Eckzahn, kanħ jedoch in jeder Zahngruppe gelegentlich beobachtet werden. So bleibt der Weisheitszahn, ebenso wohl der obere wie der untere, bisweilen im Kiefer verborgen, wobei er eine mehr oder weniger starke Dislokation zu haben pflegt. Beispiele dafür stellen die Bilder 56 und 57 dar, von denen das letztere besondere Beachtung verdient, weil es zeigt, daß der.retinierte Zahn schräg gegen die Wurzel des zweiten Molaren gewachsen ist und Re- sorption an derselben veranlaßt hat. Beide Fälle betrafen Individuen zwischen dem 30. und 40. Lebensjahre.

Die Retention eines oberen (vgl. Bild 58) und unteren Prämolaren (vgl. Bild 59) ist schon erheblich seltener.

Der häufigste Befund dieser Art bezieht sich, wie gesagt, auf den oberen Eckzahn. Dabei weist dieser Zahn eine so große Mannigfaltigkeit der Lagerung auf, daß schon eine ganze Anzahl von einzelnen Beispielen nötig war, um dieselbe zur Anschauung zu bringen. Als Gründe für die häufige Eckzahnretention können wohl in Betracht kommen eine primäre anomale Lagerung des Keimes oder eine sekundäre Verdrängung desselben aus der ursprüng- lichen Position während der Zeit seiner Entwickelung. Begünstigend dafür ist ohne Zweifel die Tatsache, daß sich die beiden Nachbarn dieses Zahnes, der seitliche Schneidezahn und der erste Prämolar, früher entwickeln und auch früher zum Durchbruch gelangen und daß sie bei be- schránktem Raume im Kiefer seinen Platz miteinnehmen.

Ein solcher Raummangel mag von vornherein durch ein Mibverhiltnis zwischen der Größe der Zähne und der Größe der Kiefer bedingt gewesen sein, wird jedoch erfahrungs- gemäß durch vorzeitige Extraktion der Milchzähne leicht herbeigeführt. Diese Tatsache hat eine allgemeingültige praktische Bedeutung und ist ein wichtiger unter den mancherlei Gründen, aus denen die Konservierung der Milchzähne bis zum Erscheinen ihrer Ersatzzähne unbedingt an- gestrebt werden muß. Der Milchzahn erhält nicht nur seinem bleibenden Nachfolger den Raum, sondern übt in kaukräftigem Zustande auch einen physiologischen formativen Reiz für die normale Größenentwickelung des Kiefers aus. Die Konsequenzen der vorzeitigen Milchzahnextraktion sind demnach leicht verständlich. Es darf natürlich nicht übersehen werden, daß im einzelnen Falle die Extraktion eines Milchzahnes aus anderen Gründen dringend angezeigt sein kann. Wenn z. B. der Milchzahn wurzelkrank ist und Eiterung im Kiefer veranlaßt hat, so würde die Gefahr einer schweren Schädigung des in der Entwickelung begriffenen bleibenden Zahnes viel gewichtiger sein als der Nutzen durch den Verbleib des kranken Milchzahns.

Die Lagerung des retinierten oberen Eckzabns ist in der Mehrzahl der Fälle eine schräg gegen die Mittellinie gerichtete, wobei die Krone desselben in direkten Kontakt mit der Wurzel des lateralen Schneidezahns kommen und sie aus ihrer normalen Stellung medianwärts

verdrängen kann, derart, daß die Krone dieses Zahnes sich distalwärts neigt. Bei einer solchen Dieck, Anatomie und Pathologie der Zähne und Kiefer im Röntgenbilde. 7

Abb. 38,

Tafel V, 52

V, 56 u. 57

V, 58 u. 59

Tafel

50 - Anomalien der Zahnentwickelung und Zahnstellung.

Stellungsanomalie des oberen seitlichen Schneidezahnes und Fehlen des Eckzahnes (vgl. Text- figur 38) läßt sich schon mit einiger Wahrscheinlichkeit der Róntgenbefund voraussagen. Bisweilen aber ist die Lagerung des Zahnes eine so tiefe, daß der Kontakt mit einem

V1,69—71der Nachbarzähne kaum zustande kommen kann (vgl. die Bilder 69—71). Die Gestaltung des

VL 76

VI, 78

VI, 77

VIII, 108

Schattenbildes gibt unter Berücksichtigung der für die Aufnahme gewählten Strahlenrichtung einen Anhalt für die Achsenlagerung des retinierten Zahnes.

Die Retention des oberen Eckzahnes ist nicht selten doppelseitig, wie aus einer Anzahl von Beispielen auf den Tafeln V und VI hervorgeht.

Einen ganz besonderen Fall dieser Art zeigt das Röntgenbild 76. Es handelt sich hier um den zufälligen Befund bei einem Kieferpräparat. Beide Eckzähne liegen fast völlig transversal in der Tiefe des Kiefers, und zwar so, daß die Kronen beider Zähne über die Mittellinie hinaus in den Oberkiefer der anderen Seite hineinragen.

Die umgekehrte Lagerung des retinier- ten oberen Eckzahns, d. h. mit der Krone nach distalwärts gerichtet, ist ein sehr seltener Befund; sie kommt aber vor, wie das Bild 78 zeigt. Die Krone des verlagerten Zahnes hatte an der Außenseite des Alveolarfortsatzes unmittelbar über dem noch vorhandenen Prämolaren das Zalmfleisch vorgedrängt, was an dem Kieferab- druck (vgl. Textfigur 39) deutlich erkennbar ist.

Besondere Folgen der Zahnretention brauchen nicht vorhanden zu sein, können jedoch entstehen, wenn Druckkontakt mit der Wurzel eines benachbarten Zahnes zustande kommt, und zwar in Form von örtlichen oder neuralgischen ausstrahlenden Schmerzen; oder es wird Wurzelresorption in ganz analoger Weise veranlaßt, wie sie sich bei Milchzähnen unter der Wirkung des wachsenden bleibenden Ersatzzahnes normalerweise vollzieht. Während aber der Resorptionsprozeß an den Milchzähnen mit keinerlei subjektiven Störungen verbunden ist, treten hier bei dem bleibenden Zahne nicht selten Schmerzen in der Pulpa auf.

Einen einschlägigen höchst lehrreichen Fall von totaler Wurzelresorption eines bleibenden Zahnes stellt das Röntgenbild 77 dar:

Bei einem l4jährigen Mädchen war der linke mittlere Schneidezahn beträchtlich länger und ganz locker geworden, das umgebende Zahnfleisch gerétet und geschwollen. Auf der betreffenden Oberkieferseite stand noch der Milcheckzahn, während der bleibende Eckzahn fehlte. Auf der anderen Kieferseite war der bleibende Eckzahn vorhanden, jedoch fehlte hier der seitliche Schneidezahn. Für die Röntgenaufnahme war also dringende Indikation gegeben. Das Bild zeigt Retention und Dislokation des fehlenden linken Eckzahns, welcher direkt gegen die Wurzel des mittleren Schneidezahns gewachsen war und diese völlig zur Resorption gebracht hatte. Schmerzen waren bei diesem ResorptionsprozeB allerdings erst in allerletzter Zeit aufgetreten. Die Krone mußte abgenommen werden und die Spitze des retinierten Eckzahns war dann sichtbar. Eine Röntgenaufnahme, welche nach einem halben Jahre gemacht wurde, zeigte den Zahn in etwas besserer, d. h. mehr senkrechter Position, jedoch war er nur wenig weiter aus dem Zahnfleisch hervorgetreten. (Vgl. Tafel VIII, Bild 103.) Es ist in Aussicht genommen worden, später die Spitze des Eckzahns abzutragen und eine künstliche Krone von Schneidezahnform aufzusetzen. Die Einregulierung des Eckzahns an Stelle des resorbierten Schneidezahns wäre allerdings auch möglich, jedoch müßte der Zahn gleichzeitig um 90° gedreht werden, da sein Profilbild erkennen läßt, daß die labiale Kronenfläche distalwärts gerichtet ist. Immerhin aber würde der Eckzahn an Stelle des mittleren Schneidezahns so auffallend sein, daß aus ästhetischen Gründen das Aufsetzen einer Schneidezahnkrone vorzuziehen ist.

Abb. 39.

Ob Behandlungsmaßnahmen bei Zahnretention angezeigt sind, muß im Einzel- fall durch die Verhältnisse und begleitenden Umstände entschieden werden. Für den reti- nierten oberen Eckzahn wird häufig die Frage entstehen, ob der Zahn aus dem Kiefer ent-

Deutung der Röntgenbilder und diagnostische Irrtümer. 51

fernt werden soll oder ob etwa an eine künstliche Einregulierung gedacht werden kann. Für die operative Entfernung des Zahnes könnten Störungen Veranlassung geben, welche durch die Wachstumskollision mit benachbarten Zahnwurzeln entstanden sind; für die künstliche Einregulierung würde in Betracht kommen, wie tief der retinierte Zahn gelegen ist, welche Lagerungsrichtung er hat und wie die Raumverhältnisse des Kiefers sind. Daß ein gutes

Resultat unter günstigen Verhältnissen erzielt werden kann, zeigen die drei Röntgenbilder 79 Tafe)

bis 81. Der Fall betraf ein 14jähriges Mädchen, bei welchem ich nach künstlicher Ver- größerung des Raumes zwischen seitlichem Schneidezahn und erstem Prämolaren den retinierten Eckzahn allmählich durch Gummizug in seine normale Position gebracht hatte. Bild 81 ist das endgültige gute Resultat.

Die Retention des unteren Eckzahns ist im Gegensatze zu derjenigen des oberen Eckzahns eine sehr seltene Erscheinung. Bild 82 stellt einen solchen Fall dar, wo bei einem Erwachsenen an Stelle des bleibenden Eckzahns der persistierende Milcheckzahn gefunden wurde. Der retinierte Zahn ist gleichzeitig so disloziert, daß seine Krone zwischen den Wurzeln des mittleren und seitlichen Schneidezahns steht.

Milchzahnretention gehört zu außerordentlichen Seltenheiten. Bild 83 ist von einem achtjährigen Knaben gewonnen worden, bei welchem im linken Unterkiefer eine Lücke zwischen dem ersten Milchmolaren und dem ersten bleibenden Molaren bestand. Letzterer war schräg nach vorn übergeneigt. Die naheliegende Annahme, daß der zweite Milchmolar früh- zeitig extrahiert worden sei und die entstandene Zahnlücke sich allmählich verkleinert habe, wurde durch bestimmte Angabe widerlegt. Das Röntgenbild bestätigte auch diese Angabe, da der zweite Milchmolar vorhanden, aber nicht zum Durchbruch gekommen war. Die Krone des zweiten Prämolaren ist im Bilde noch zu erkennen und hatte die normale Resorption, wenigstens der vorderen Wurzel dieses Zahnes, veranlaßt.

Betrachtung und Deutung der Röntgenbilder.

' Diagnostische Irrtümer. (Vgl. Tafel VII.)

Der diagnostische Wert einer Röntgenaufnahme beruht auf der zutreffenden Deutung des Bildes. Die Kenntnis der normalen und pathologischen Verhältnisse muß natürlich vor- ausgesetzt werden. Immerhin gehört aber eine ziemliche Erfahrung und häufig geübte Kon- trolle dazu, bei der Vielgestaltigkeit der Erscheinungen auf dem Gebiete der Zahn- und Kiefer- pathologie das Réntgenbild richtig zu lesen. Täuschungen in der Auffassung und Missdeutungen von Bilddetails sind leicht möglich, und zwar nicht nur bei mangelhaften, sondern auch bei wohlgelungenen Aufnahmen.

Die Art der Bildbetrachtung bei einer Aufnahme von Zähnen des Unterkiefers ist ohne weiteres gegeben; man wird das Bild so halten, daß die Zähne wie im Kiefer stehen, mit der Krone aufwärts. Bei Betrachtung von Oberkieferbildern jedoch, welche durch Filmaufnahmen im Munde gewonnen wurden, halte ich ein analoges Vor- gehen, d.h. die Betrachtung der Zähne in ihrer Kronenrichtung nach unten nicht für sinngemäß.

Wenn wir ein Übersichtsbild des Oberkiefers, welches durch Aufnahme mit Film

VI, 79-81

VI, 82

VI, 83

zwischen den Zahnreihen erzielt worden ist, zum Beispiel Bild 61 auf Tafel V oder Bild 72 y, 61; vi, 72

auf Tafel VI so betrachten, wie es hier steht, d. h. die Kronen der Schneidezähne nach oben gerichtet, dann erscheint dasselbe natürlich. Wir sehen den Oberkiefer in der Durchsicht von

der Gaumenseite her bei zurückgelegtem Kopfe des Patienten und weitgeöffnetem Munde

in derselben Weise, wie wir etwa ein Gipsmodell des Oberkiefers betrachten würden. Die 7%

Tafel VII, 84

VII, 85 u. 86

IX, 121

52 Deutung der Röntgenbilder und diagnostische Irrtümer.

Plastik des Bildes ist deshalb eine natürliche, weil unser Auge von derselben Richtung her das Bild sieht, wie die photographische Schicht des Films es aufgenommen hatte. Diejenigen Teile des Röntgenbildes, welche der Aufnahmeplatte näher gelegen hatten, werden naturge- mäß eine größere Konturschärfe haben als die entfernter gelegenen Kieferteile, und in gleicher Weise nimmt das Auge die näher gelegenen Teile schärfer wahr als die entfernteren. Wenn wir ein solches Oberkieferbild in umgekehrter Lage, mit den Zahnkronen nach abwärts gerichtet, ansehen, so müßten wir uns schon die Vorstellung schaffen, daß wir von oben her in Rich- tung des Strahlenganges durch den Kiefer hindurchschauen, und in diesem Falle würden die der Aufnahmeplatte näher gelegenen Teile unserem Auge ferner und die der Aufnahmeplatte ferner gelegenen Teile unserem Auge näher liegen. Die Plastik des Bildes müßte wegen die- ses Mangels an Übereinstimmung unnatürlich sein. Was von dem ganzen Oberkieferbilde gilt, das gilt selbstredend auch von einem partiellen, so daß ich durchaus empfehlen muß, alle Film- aufnahmen vom Oberkiefer in der angegebenen Weise zu betrachten. Das Positivbild wird dann seitenrichtig verstanden; Bild 84 beispielsweise ist die Aufnahme vom rechten Oberkiefer.

Beziiglich der

Deutung der Róntgenbilder

müssen wir uns die in dem allgemeinen Teile bereits beschriebenen Wirkungen der Röntgen- strahlen und den Charakter eines Röntgenbildes vor Augen halten. Bilddetails entstehen immer nur als Folge von Dichtigkeits- und Dickenunterschieden, also des verschiedenen Grades der Strahlenhemmung in den differenten Teilen des durchstrahlten Kérpergebietes. Wo sich ein Hohlraum im Knochen befindet, da werden die Réntgenstrahlen weniger Hemmung erfahren als in der weiteren Umgebung, und im Originalbild muß an dieser Stelle dementsprechend bei der Entwickelung ein Schatten entstehen. Die Weichteile bieten einen verschwindend geringen Widerstand gegenüber den harten Geweben, so daß in analoger Weise die mit Weichteilen aus- gefüllten Hohlräume im Knochen oder Zahn im Negativ eine dunkle, im Positiv eine helle Zeichnung erfahren. Um keine diagnostischen Fehler zu begehen, müssen wir die normalen Kieferverhältnisse, die Verlaufsrichtung von Knochenkanälen, die Lage von Durchgangslöchern für Blutgefäße und Nerven und die angewendete Strahlenrichtung genau berücksichtigen. Nur so können wir die Projektion anatomischer Einzelheiten im Bilde topographisch richtig beurteilen.

Auf die Möglichkeit folgender diagnostischer Fehler möchte ich besonders hinweisen:

1. Das Foramen incisivum erscheint bei der früher angegebenen typischen Strahlen- richtung für die oberen Frontzähne zwischen den Wurzeln der beiden mittleren Schneidezähne und könnte einen Einschmelzungshohlraum pathologischer Art vortäuschen; man vergleiche die beiden Bilder 85 und 86 auf Tafel VII. Der Schatten dieses Foramen liegt aber nur bei genau medianer Richtung des Achsenstrahles in der Mittellinie zwischen den Wurzeln der großen Schneidezähne Ist die Strahlenrichtung nicht median gewesen, so kann er der einen oder anderen Wurzel direkt angelagert erscheinen oder dieselbe gar umgeben, und dann ist ein Irrtum in der Deutung noch leichter möglich, wie es die Aufnahme Tafel IX, 121 erkennen läßt.

2. Das Foramen mentale kann einen Granulationsherd an einen: der unteren Prámolaren vortäuschen. Die normale Lage dieses Loches befindet sich ja zwischen den beiden Prämolaren unterhalb ihrer Wurzelspitzen. Diese Lage wird im Röntgenbilde nur bei genauer zentraler Projektion, d. h. bei senkrechter Einstellung auf die Tangente des Alveolarbogens an der betreffenden Stelle, entstehen. Ist die Strahlenrichtung eine abweichende, so daß der Achsenstrahl von vorn her spitzwinklig auf die Tangente des Alveolarbogens trifft, so muß

‘das Foramen mentale im Bilde weiter nach hinten projiziert werden und der Wurzel des

zweiten Prämolaren näherliegen. Trifft der Achsenstrahl von hinten her stumpfwinklig auf

Deutung der Róntgenbilder und diagnostische Irrtiimer. 53

die Tangente des Alveolarbogens, so muß es umgekehrt nach vorn an die Wurzel des ersten Prämolaren projiziert werden. Wenn gleichzeitig die Strahlenrichtung nicht senkrecht auf die Höhenachse des Unterkiefers, sondern schräg von unten nach oben geht, so wird der Schatten des Foramen im Bilde höher hinauf projiziert, kann auf diese Weise direkt an die Spitze eines

der beiden Prämolaren gelangen und dann fälschlich als Erkrankungsherd an der betreffenden Tafel

Wurzel angesprochen werden. Einen solchen Fall sehen wir in Bild 148 auf Tafel X.

3. Ein weites Foramen apicale an einem jungen noch nicht ganz ausgebildeten Zahne und das darunter gelegene lockere Bindegewebspolster kann ebenfalls mißdeutet und für einen Granulationsherd angesprochen werden (vgl. im Bilde 83 auf Tafel VI die mediale Wurzel des gesunden ersten bleibenden Molaren).

4. Ein Dentikel in der Pulpa kann vorgetäuscht werden durch eine kleine Füllung, deren Schattenbild durch die Pulpahöhle projiziert wird, beispielsweise bei einem unteren ersten Molaren durch eine Füllung im Foramen coecum an der buccalen Fläche.

5. Kleine umschriebene osteosklerotische Herde im Kiefer können Über- reste von Zahnwurzeln vortäuschen, besonders wenn sie scharf konturiert sind. Einen derartigen diagnostischen Irrtum hatte das Röntgenbild 87 auf Tafel VII veranlaßt. Der Fall ist deshalb lehrreich. Der Patient war mir zur Röntgenaufnahme überwiesen worden, weil im Oberkiefer eine Eiterung Monate hindurch bestanden hatte und von der Alveole des zweiten Prämolaren auszugehen schien. Die Wurzel dieses Zahnes war früher extrahiert worden; da aber die Eiterung nicht aufhörte, so sollte das Röntgenbild entscheiden, ob noch ein Wurzel- rest vorhanden oder eine andere Ursache nachweisbar sei. In der Lücke zeigte sich nun eine scharf begrenzte helle Partie (in der positiven Kopie dunkler Schatten), welche für einen Wurzel- rest gehalten wurde. Auf Grund dieser Diagnose wurde der Alveolarknochen freigelegt und der Wurzelrest gesucht, obne daß sich derselbe fand. Der als Wurzelrest gedeutete Schatten war mithin nichts anderes als eine durch chronischen Reiz entstandene Sklerose der

Knochensubstanz. Die genaue Prüfung des Bildes hatte unter der Krone des ersten Molaren

distalwárts sekundáre Karies und Trennung der distal-buccalen Wurzel von dem Wurzelstumpfe erkennen lassen, was auch in der Kopie auf der photographischen Tafel deutlich zu sehen ist. Wegen der Lokalisierung des Eiterungsherdes in der Zahnlücke aber war anfänglich der Zu- sammenhang mit diesem Kariesherde nicht gemutmaßt worden. Die Extraktion der Wurzeln des ersten Molaren und die darauf folgende Heilung dokumentierte jedoch den Zusammenhang der Dinge. Das Röntgenbild zeigt gleichzeitig den sehr o nen Anschluß der beiden Goldkronen.

‚6. Auf die Möglichkeit eines anderen ühgooskiechen Fehlers war bereits auf Seite 31 hingewiesen worden, nämlich auf den Irrtum, daß eine Molarwurzel frei in das Antrum reicht, wenn dieselbe infolge der Strahlenrichtung durch das Antrum projiziert wird. Das- selbe Röntgenbild 87 zeigt diese Projektionswirkung an der palatinalen Wurzel des erwähnten ersten Molaren.

Es muß hier die Frage erörtert werden, ob denn im Einzelfalle durch das Rönt- genbild festgestellt werden kann, daß eine Wurzelspitze wirklich in das Antrum hineinragt, wie es ja vorkommt, oder daß dieses Verhalten nur ein scheinbares ist und sich durch die Verhältnisse der Strahlenrichtung erklärt. Wir müssen vier Möglichkeiten unterscheiden:

a) Die Wurzel ragt nicht ins Antrum hinein und ist gesund;

b) die Wurzel ragt nicht in das Antrum und hat einen röntgenologisch nach weisbaren

Krankheitsherd im Knochen erzeugt;

c) die Wurzel hat die intakte Bodenlamelle des Antrum hóckerfórmig emporgehoben;

d) diese Bodenlamelle ist iiber der Wurzelspitze durch Eiterung zerstórt.

Für die differential-diagnostische Beurteilung der entsprechenden Röntgenbilder müssen wir uns daran erinnern, daß das Bild einer gesunden Wurzel umrandet ist zunächst von einer

X, 148

VI, 83

VII, 87

54 Deutung der Róntgenbilder und diagnostische Irrtümer.

schmalen hellen Linie'), welche dem von der Wurzelhaut eingenommenen Raume entspricht, und darauf folgt eine dunkle Linie, welche die dichte Knochensubstanz der Alveolarwand dar- stellt. Sind diese begrenzenden Linien intakt und durchschneidet die Wurzelspitze die Boden- linie des Antrum, wie in dem Bilde 87, so würden die beiden Möglichkeiten a) und c) vor- liegen können. Nur, wenn man berücksichtigt, wie weit, die Wurzelspitze die Bodenlinie des Antrum überragt und wie nahe die letztere dem freien Alveolarrande kommt, läßt sich mit einiger Sicherheit urteilen, daß diese Bildzeichnung durch Projektionswirkung zustande gekommen ist. Auch ist zu bedenken, daß die Emporhebung des Antrumbodens durch eine Zahnwurzel immerhin eine seltenere Erscheinung ist und nur bei besonders weiter Oberkieferhöhle vorkommt.

Wenn sich ein Einschmelzungsherd infolge von Eiterung, Granulom- oder Zystenbildung an der in Betracht kommenden Wurzelspitze befindet, so würde sich die Aufhellungszone doch durch nichts von dem gewöhnlichen Aussehen an irgend einem anderen Zahne unterscheiden, wenn sie mit durch das Antrum projiziert wird. Das ist der Fall b).

Ragt aber die Wurzelspitze wirklich in das Antrum hinein und ist die ursprünglich deckende Knochenlamelle durch Eiterung zerstört, so muß eine scharfe Unterbrechung der genannten begrenzenden Linien nahe an der Wurzelspitze erfolgt sein, ohne daß ein Einschmelzungsherd in ihrer Umgebung sichtbar wird. Denn die etwaigen krankhaften Prozesse im Lumen des Antrum selbst würden im Röntgenbilde keine Zeichnung ergeben, so wie sie es innerhalb der Knochensubstanz tun. Das entspräche dem Falle d).

Auch aus einem anderen Grunde möchte ich Bild 87 noch einmal genauer Betrachtung empfehlen. Wir sehen neben der Molarwurzel 2 dunkle Schatten, welche scheinbar im Antrum liegen. Auch diese gehören der Knochensubstanz unter dem Boden des Antrum an und sind sklerotische Herde, welche nur infolge der Projektion über die Linie des Antrumbodens ge- fallen sind.

Wie wir sehen, erfordert es bisweilen gründliche kritische Überlegung, ein Ober- kieferbild richtig zu verstehen und diagnostische Irrtümer zu vermeiden. Auch darf nicht übersehen werden, daß je nach der gewählten Einstellung der Röhrenblende die Nasenbeine und Nasenscheidewand, welche oft in Richtung ihrer Fläche durchstrahlt werden, und die Joch- beine Linien in das Bild projizieren.

Auch photographisch-technische Fehler, wie etwa Fingerabdrücke auf dem Film, führen bisweilen Täuschungen herbei; (vgl. Seite 37).

Welcher Art die Zufälligkeiten sein können, die zu diagnostischen Irrtümern Ver- anlassung geben, konnte ich an einem interessanten Beispiele erfahren. Ich hatte eine Röntgen- aufnahme von einem oberen Schneidezahne gemacht, von welchem ein Alveolarabszeß ausge- gangen war. Der Patient hatte sich in anderweitiger zahnärztlicher Behandlung befunden und berichtete, daß mit einem kleinen Messer ein Einschnitt in den Abszeß gemacht worden sei. Das Röntgenbild wies ein kleines weißes Dreieck mit haarscharfer Kontur in der Gegend des Krankheitsherdes auf. Ich deutete dasselbe als die abgebrochene Spitze der Inzisionslanzette. Da ich nun bei besonderen Röntgenbefunden stets eine zweite Aufnahme zu machen pflege, um die Möglichkeit eines Plattenfehlers oder einer anderen irreführenden Ursache auszuschließen, so wiederholte ich auch hier die Aufnahme, bei welcher aber das kleine weiße Dreieck fehlte. Es lag also ein Irrtum in der Diagnose vor. Die Aufklärung dieses lehrreichen Falles war folgende: Bei der Zuschneidung der Films lasse ich die scharfen Ecken abtrennen, damit sie die schwarze Papierumhüllung nicht durchstechen und bei der Applikation in Munde die Schleimhaut nicht belästigen. Ein solches abgeschnittenes Eckchen war auf dem Film liegen geblieben und in das Kuvert mit eingefaltet worden. Bei der Entwicklung des Films klebte es im Entwicklungsbade zufällig an derjenigen Stelle, wo der Krankheitsherd im Bilde zutage

1) Es wird hier immer vom positiven Bilde gesprochen in Übereinstimmung mit der Bildwieder- gabe auf den photographischen Tafeln; bei dem nichtkopierten Originalbild sind natürlich die Verhältnisse bezüglich hell und dunkel umgekehrt.

Deutung der Róntgenbilder und diagnostische Irrtúmer. 59

trat, auf der Schichtseite fest und verhinderte dadurch die Wirkung des Entwicklers. Es blieb dementsprechend diese kleine dreieckige Stelle vollkommen weiß. Leider ist das lehrreiche Bild verloren gegangen, es hat sich jedoch der geschilderte Zufall ein anderes Mal wiederholt, indem sogar zwei von den abgeschnittenen Filmecken mit in den Entwickler gelangt und auf der Schichtseite des Films angeklebt waren. So entstanden 2 kleine Dreiecke inı Bilde, welche allerdings weniger deutlich waren, als in dem erstgeschilderten Falle, wohl deshalb,

weil der Film bereits ein wenig anentwickelt war, bevor die kleinen Schnitzel sich festsetzten. Tafel Dieses Bild findet sich auf Tafel XIV unter Nr. 217; die Deutung der beiden Schattendrei- XIV, 217

ecke war nach der ersten Erfahrung unschwer zu geben.

Nicht ganz leicht ist die Frage der gegenseitigen Lagerungsverhältnisse zweier Zähne im Kiefer, die Frage, welcher von 2 im Bilde sich deckenden oder sich kreuzenden Zähnen der Aufnahmeplatte zugewendet und welcher abgewendet lag.

Diese Frage kann bei retinierten Zähnen von praktischer Wichtigkeit sein, zumal dann, wenn es sich um operative Eingriffe oder um Regulierungsmaßnahmen handelt. Der retinierte obere Eckzahn wird allerdings meist palatinalwärts von den Nachbarzähnen gelegen sein (vgl. Bild 88 auf der Tafel VII). Um zu untersuchen, ob sich Unterschiede im Röntgenbilde bemerkbar machen, je nachdem von zwei sich kreuzenden Zähnen der eine oder der andere der Aufnahmeplatte zugewendet liegt, habe ich 3 Aufnahmen (Bild 89—91) in der Weise gemacht, daß einmal der Prämolar (Bild 89), das andere Mal der Eck- zahn (Bild 90) der Platte zugewendet war, und zwar beide Zähne in dichtem Kontakt mit- einander. In dem dritten Falle (Bild 91) lag der Prämolar der Platte zugewendet und der Eckzahn befand sich in einem Abstande von 3/, cm hinter ihm. Wir müssen überlegen, daß derjenige Zahn, welcher den geringeren Abstand von der Platte hat, dieser also zugewendet liegt, eine schärfere Konturzeichnung aufweisen muß als der entfernter gelegene. Dieser Unterschied ist allerdings ein so minimaler, daß es mir in den beiden erstgenannten Fällen auch bei ge- nauester Lupenuntersuchung nicht möglich gewesen ist, ihn festzustellen. In dem dritten Falle dagegen, wo beide Zähne einen immerhin beachtenswerten Abstand voneinander hatten, läßt sich wohl die größere Konturschirfe des näher gelegenen Prämolaren erkennen. Es sind Angaben darüber gemacht worden, daß an den Kreuzungspunkten der Konturlinien zweier sich kreuzender Stäbe kleine Differenzen im Röntgenbilde vorhanden seien, je nachdem der senkrechte oder der horizontale Stab der Platte zugewendet ist, jedoch gelang es mir nicht, solche Unterscheidungen zu erkennen.

Nun steht aber noch ein Hilfsmittel zur Verfügung, welches uns das Urteil über die topographischen Verhältnisse dieser Art erleichtern kann, das ist die

stereoskopische Betrachtung.

Die optischen Voraussetzungen für die stereoskopische Plastik in der gewöhnlichen Photographie dürfen als bekannt gelten. Es müssen zwei getrennte Bilder hergestellt werden mit 2 Objektiven, welche den Abstand der Augen haben. Die Bilder können natürlich wegen der Parallaxe nicht vollkommen identisch sein, sondern entsprechen denjenigen, welche von jedem Auge einzeln aufgenommen werden. Zur stereoskopischen Betrachtung müssen die beiden Bilder dann seitenrichtig jedem Auge getrennt zugeführt werden. In ganz analoger Weise können 2 stereo- skopische Röntgenbilder hergestellt werden, indem für die zweite Aufnahme die Strahlenquelle (Antikathodenspiegel) um 7 cm gegen den erstmaligen Standpunkt verschoben wird. Dadurch kommt naturgemäß in den Röntgenbildern eine Projektionsverschiebung zustande, welche die Bilder zur körperlichen Wirkung bringt, wenn dieselben in analoger Weise wie bei der ge- wöhnlichen Photographie getrennt und seitenrichtig betrachtet werden. Für die sinngemäße Technik stereoskopischer Röntgenaufnshmen ist Voraussetzung, daß bei beiden Aufnahmen die Lage des Objektes und der Aufnahmeplatte vollkommen gleich ist. Auch darf die Verschiebung der Röhre nur in derjenigen Ebene erfolgen, in welcher identische Punkte der beiden Bilder

VII, 88

VII, 89—91

Tafel VII, 92

56 Zahnfüllungsmaterialien im Röntgenbilde.

später gesehen werden sollen. Von Wichtigkeit ist auch, daß bei beiden Aufnahmen der Achsenstrahl seine Richtung auf denselben Objektpunkt hat.

Eine plastische Wirkung entsteht aber auch bei stereoskopischer Betrachtung gleicher Röntgenbilder, wenn nur die Voraussetzung des nötigen Abstandes und der Über- einstimmung identischer Bildpunkte in derselben Horizontalebene gewahrt wird.

Über die relativen Lagebeziehungen zweier Zähne im Röntgenbilde läßt sich auch dadurch ein Anhalt gewinnen, daß man eine zweite Aufnahme mit anderer Einstellung macht und nun beide Bilder unter Berücksichtigung der jedesmaligen Strahlenrichtung vergleicht. Die Abweichung in der gegenseitigen Projektion der Zahnbilder wird dann einen Rückschluß gestatten, welcher Zahn der Platte näher lag.

Zahnfüllungsmaterialien im Röntgenbilde.

Fremdkórper in den Zähnen und der Mundhöhle überhaupt, im besonderen die Zahn- füllungsmaterialien müssen im Röntgenbilde erkannt werden, weil sie sonst zu Täuschungen Veranlassung geben können. Bezüglich der Intensität des Kontrastes, mit welchem sie sich im Bilde abheben, gelten dieselben schon erörterten Gesetze, daß von der Dichtigkeit der Grad der Strahlenbenmung und von dieser die Beeinflussung der Platte abhängig ist. Um einen relativen Maßstab zu haben für die Durchlässigkeit der Füllungsmaterialien gegenüber den Röntgenstrahlen, habe ich eine Elfenbeinplatte mit 10 quadratischen Ausschnitten versehen und einen jeden derselben mit einen Material ausgefüllt, wie es temporär oder dauernd zum Abschluß von Zahnhöhlen verwendet wird. Die etwa 5 mm dicke Elfenbeinplatte habe ich gewählt, um gleichzeitig das relative Maß der Strahlenhemmung in der Zahnsubstanz fest- zustellen und zu zeigen, mit welchem Kontraste die Füllungsmaterialien sich von der Um- gebung abheben. Das Photogramm dieser Platte (Tafel VII, Nr. 92) ist mit Zahlen von 1—10 versehen, welche folgende Materialien bezeichnen:

. Trockene Watte;

. feuchte Watte;

Amalgam;

. Guttapercha;

. die Kombination von Zinn und Gold; . Fletcherzement;

. Gold;

. Phosphatzement;

. Porzellan;

. Silikatzement.

Das Bild lehrt, daß die Watte so gut wie vollkommen durchlässig ist, feuchte Watte eine Spur weniger als trockene. Die Metalle sind bei der angewendeten Stromintensität und Expositionsdauer undurchlässig für die Röntgenstrahlen gewesen und auch Guttapercha und die Zemente annähernd ebenso, letztere wegen ihres Gebaltes an Zinkoxyd und die „rote“ Guttapercha, weil sie mit Zinnober gefärbt ist. Porzellan ist beinahe so durchlässig wie Zahn- bein, während Silikatzement den gleichen Durchlässigkeitsgrad besitzt, sodaß eine Zahnfüllung aus diesem Material im Röntgenbilde sich von der Umgebung kaum abhebt.

| Wichtiger als die Füllungsmaterialien für äußere Zahndefekte sind diejenigen, welche zur Ausfüllung von Wurzelkanälen verwendet werden, weil es oft geboten ist, durch das Röntgenbild die ausgeführte Wurzelfüllung zu kontrollieren. Als Wurzelfüllmittel kommen heute meist in Betracht: Zementpasten, Guttapercha und Paraffin, auch wohl ganz dünne Stäbchen aus Elfenbein. Zementpasten und Guttapercha heben sich im Röntgenbilde sehr scharf ab, Elfenbeinstäbchen naturgemäß nicht und ebensowenig Paraffin. Will man das letztere aber für das Röntgenbild sichtbar machen, so könnte es mit Wismut versetzt werden. Ein- schlägige Bilder sind auf Tafel XIV zu finden.

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Wanderung der Zähne. 57

Da Metalle sich im Röntgenbilde ganz besonders scharf abheben, so sind etwa ab- gebrochene Stücke von Nadeln, welche zur Wurzelbehandlung benutzt wurden, oder abgebrochene Bohrer, Sondenspitzen usw. aufs deutlichste zu sehen und geben deshalb zu diagnostischen Täuschungen selten Veranlassung.

Die Wanderung der Zähne, im besonderen des zweiten unteren Prämolaren.

Unter „Wanderung“ der Zähne verstehen wir die allmähliche Bewegung derselben im Alveolarfortsatz mit Beibehaltung der senkrechten Stellung und normalen Festigkeit. Von dieser Erscheinung ist die allmähliche Schiefstellung eines Zahnes zu unterscheiden, wie sie durch einseitige mechanische Druckwirkung auf die Krone oder durch sonstige Anlässe zustande kommen kann, indem dabei die Neigung des Zahnes um die Wurzelspitze als Drehpunkt er- folgt. Die Zahnwanderung setzt natürlich einen freien Raum im Kiefer voraus, welcher meist

Abb. 40.

durch frühere Extraktion eines oder mehrerer Nachbarzähne gegeben ist. Am häufigsten be- trifft sie den unteren zweiten Prämolaren nach Entfernung des ersten bleibenden Molaren. In der Regel bleibt dabei der erste Prämolar am Eckzahn stehen, jedoch können auch beide Prämolaren in Kontakt miteinander nach hinten wandern, sodaß sich eine Lücke hinter dem Eckzahn bildet, oder sie wandern mit verschiedener Schnelligkeit, und es entsteht eine Lücke nicht nur hinter dem Eckzahn, sondern auch zwischen den beiden Prämolaren selbst. Dabei können die gewanderten Zähne ihre buccal-linguale Achse im Alveolarfortsatze behalten oder eine Drehung erfahren, entweder mit der buccalen Seite nach vorn oder auch nach hinten.

Die Textfigur 40 stellt den Abdruck eines Unter- kiefers mit beiderseitiger Wanderung der Prämolaren dar. Die Länge des durchwanderten Weges findet naturgemäß ihre Grenze an dem zweiten Molaren oder, falls auch dieser extrahiert worden ist, an dem dritten Molaren und betrug in einem einschlägigen Falle 1,6 cm.

Über die Schnelligkeit der Wanderung gab der in der Textfigur 41 abgebildete Kiefer Aufschluß. Der zweite Prämolar war hier in 1'/, Jahren an den zweiten Molaren herangewandert und hatte dabei einen Weg von 0,9 cm zurückgelegt.

Als Ursache solcher Zahnwanderung hatte man mechanische Druckwirkung durch die korrespondierenden Zähne des Oberkiefers verantwortlich gemacht, aber mit Unrecht. Es ist im Gegenteile auffallend, wie bisweilen trotz der mechanischen Artikulation der Zähne die

Dieck, Anatomie und Pathologie der Zähne und Kiefer im Röntgenbilde. 8

Tafel VII, 93

58 Resorption an bleibenden Zähnen. Sekundäre Karies.

Wanderung zustandekommen kann. Es müssen die Triebkräfte vielmehr im Knochen selbst gesucht werden, und es ist wahrscheinlich, daß die voraufgegangene Extraktion des hinteren Nachbarzahnes und die dann folgenden Vorgänge der Knochenneubildung den Anstoß für die Bewegung des Zahnes abgeben. Dafür spricht die Tatsache, daß ein unterer zweiter Prä- molar auch vor seinem Durchbruche wandern kann und daß er dann später unmittelbar vor dem zweiten Molaren hervortritt. Einen solchen Fall stellt das Bild Textfigur 42 dar.

Die Röntgenphotographie kann uns in dieser Frage natürlich die besten Aufschlüsse geben. In einigen Fällen zeigt das Röntgenbild eine sehr ausgeprägte Längsrichtung in der Anordnung der Knochenbälkchen an der durchwanderten Alveolarpartie (vgl. Bild 93); in an- deren Fällen konnte es den Nachweis erbringen, daß die Wanderung noch vor dem Durch-

VII,95—-97 bruche eingesetzt hatte (vgl. Bild 95, 96 und 97), ja selbst bevor die Entwickelung des Zahnes

VII, 94

kaum über die Kronenbildung hinausgelangt war. Auch die Achsendrehung des Zahnkeims kann sich dabei im Kiefer vollziehen, wie sehr schön in dem Bilde 97 zu erkennen ist.

Von ganz besonderen Interesse ist das Bild 94. Hier handelt es sich um Wanderung des unteren zweiten Prämolaren vor seinem Durchbruche; der Zahn war schon in die Nähe des zweiten Molaren gelangt, und nun sehen wir einen neugebildeten Zahnkeim in der Lücke zwischen dem bereits durchgebrochenen ersten und dem gewanderten zweiten Prä- molaren. Die bisher verkalkte Kappe des neuen Zahnkeims deutet unzweifelhaft die Bildung eines Zahnes vom Prämolartypus an, so daß hier also später das Erscheinen eines dritten Prämolaren zu erwarten war. Wir sehen an diesem Falle das tatsächliche Vorkommen einer Dentitio tertia, d. h. der nachträglichen Bildung eines Zahnes, welcher der normalen zweiten Dentition nicht angehört.

Die sogenannte Dentitio tertia betrifft ja freilich in der Regel Zähne der zweiten Bildung, welche im Kiefer retiniert waren und in vorgerückten Jahren etwa in der Folge von Alveolar-Atrophie passiv frei werden.

Sondierung enger Wurzelkanäle.

Bei der Behandlung von Zähnen mit abgestorbener Pulpa kann bisweilen durch die Enge der Wurzelkanäle die größte Schwierigkeit für die mechanische Reinigung und Sterili- sierung derselben entstehen. Auch gibt es Fälle, in denen selbst bei einwurzeligen Zähnen die Verlaufsrichtung des Wurzelkanals schwer zu tbersehen ist, was natürlich eine Gefahr mit sich bringen kann, wenn es sich darum handelt, solche Wurzelkanäle künstlich zu er- weitern, sei es nur zum Zwecke der Reinigung oder zur Vorbereitung für einen Stiftzahn. Eine eingeführte feine Nadel wird im Röntgenbilde den sichersten Aufschluß geben nicht nur

VII, 98u.100 über den Verlauf des Kanals, sondern auch über die Länge der Wurzel selbst. Bild 98 und VII, 99u.101 100 sind Beispiele dafür, während Bild 99 und 101 die Kontrolle zeigen, ob der den Wurzel-

kanal erweiternde Bohrer nicht von der Richtung des Wurzelkanals abweicht, wie es in dem Falle Bild 101 in der Tat geschehen ist.

Resorption an bleibenden Zähnen. Sekundäre Karies. (Vgl. Tafel, VIII.) Resorptionsprozesse an bleibenden Zähnen kommen vor:

1. infolge von Druckwirkung durch andere Zähne;

2. an replantierten Zähnen und solchen, welche eine starke traumatische Erschütterung erlitten hatten;

3. an retinierten Zähnen;

4. an chronisch periodontitischen Zähnen.

Resorption an bleibenden Zähnen. Sekundäre Karies. 59

Druckresorption wird am häufigsten beobachtet in der Folge von Retention und abnormer Wachstumsrichtung eines Zabnes, welcher in Kollision mit einem Nachbarzahne gelangt. Ein schöner Fall von totaler Wurzelresorption eines oberen Schneidezahns durch den retinierten und abnorm gelagerten Caninus wurde bereits Seite 50 erwähnt und näher beschrieben. Das bezügliche Réntgenbild ist auf Taf. VIII, Nr. 102 noch einmal wieder- gegeben. Das Bild 108 stellt den Fall ein halbes Jahr später dar und zeigt den Caninus in etwas besserer Position. In beiden Bildern ist aber auch an dem rechten mittleren Schneide- zahne ein Resorptionsdefekt zu sehen, fúr dessen Zustandekommen ich keine Erklárung habe. Ob etwa der rechte Caninus urspriinglich ebenfalls eine schräge Lagerung besaß und mit seiner Spitze gegen die Wurzel des Schneidezahnes gewachsen war, um sich erst später zu gerader Stellung aufzurichten, weiß ich nicht, könnte es aber für möglich halten. Der laterale Schneide- zahn fehlt auf dieser Seite.

Einen anderen Fall fast gänzlicher Wurzelresorption eines bleibenden lateralen Schneide- zahns aus gleicher Ursache stellt das Bild 104 dar.

Die Resorption an replantierten Zähnen ist eine dem Zahnarzte bekannte Er- scheinung. Die Zeit, welche über diesem Resorptionsprozeß hingeht, ist allerdings außer- ordentlich verschieden und hängt von den begleitenden Umständen ab. Bis zum Ausfallen des replantierten Zahnes können Jahre vergehen; es ist von Fällen berichtet worden, in denen ein replantierter Zahn 10, ja 15 Jahre lang Bestand hatte. Erfolgt die Replantation unmittelbar nach Entfernung des Zahnes aus der Alveole, wie beispielsweise nach einem Trauma, so ist die Prognose eine ziemlich günstige, weil die lebenden Reste der Wurzelhaut an der Innen- wand der Alveole die Einheilung begünstigen und die Resorption hintanhalten. Voraussetzung ist natürlich, daß keine Infektion der Alveole erfolgt ist, denn sonst würde hier ebenso wie in jedem anderen Falle nicht aseptischer Replantation Eiterung entstehen und der Zahu als septischer Fremdkörper ausgestoßen werden. War der Zahn längere Zeit außerhalb der Alveole, so ist die Prognose für die Einheilung unter Voraussetzung völliger Asepsis auch noch eine gute, aber es treten doch bald nach der Replantation Resorptionserscheinungen an der Wurzel- oberfläche auf, ganz in derselben Weise wie an Elfenbeinstiften, welche man in die Knochen- substanz einfúgt. Durch Verknöcherung der Granulationen aus dem Knochenmarke, welche die Resorptionsdefekte ausfüllen, bekommt aber der replantierte Zahn auf rein mechanische Weise noch eine ziemlich gute Befestigung, so daß er auch mit teilweise resorbierter Wurzel seine Dienste als Kauwerkzeug zu tun vermag. Daß unmittelbar nach der Replantation eine künstliche Fixierung des noch lockeren Zahnes und Schonung desselben beim Kauakt für einige Zeit erforderlich ist, versteht sich von selbst. Einige Beispiele von Replantation bringt Tafel XV in den Bildern 226—229. Resorption findet sich aber nur bei dem Falle 229; der replantierte mittlere Schneidezahn hatte bereits mehrere Jahre im Munde gestanden, während die übrigen drei Fälle jüngeren Datums waren.

Daß totale Wurzelresorption an einem Zahne auftreten kann, welcher seine Alveole nie verlassen, sondern nur eine intensive traumatische Erschütterung erfahren hatte, zeigt das Röntgenbild 105. Das Trauma hatte den mittleren Schneidezahn 12 Jahre früher getroffen.

Die Resorption an retinierten Zähnen ist eine altbekannte Erscheinung, auf die auch in jüngster Zeit von verschiedenen Seiten aufs neue hingewiesen worden ist.*)

Das Röntgenbild eines eigenen, an späterer Stelle näher zu beschreibenden Falles findet sich auf Tafel XI, Bild 166.

1) Williger, Resorptionserscheinungen an einem retinierten Eckzahn. Korrespondenzblatt für Zahnärzte 1909, Heft 1.

Kantorowicz, Histologische Befunde an retinierten Zähnen. Deutsche Monatsschrift für Zahnheilkunde 1910, Heft 11.

ge

Tafel VIII, 102 u. - 103

VIII, 104

XV, 226— 229

VIII, 105

Tafel VIII, 106

VIII, 107

60 Trigeminus-Neuralgie mit dentaler Ursache.

Sekundire Karies.

Der Nachweis kariöser Defekte an sehr versteckt liegenden Stellen des Zahnes, etwa den Zwischenflächen unter dem Zahnfleisch, ist bisweilen mit Hilfe der Röntgenphotographie besser und leichter zu erbringen, als durch die Untersuchung mit Spiegel und Sonde. Im Bilde 106 sind sekundäre kariöse Defekte am zervikalen Rande von Metallfüllungen an der distalen Seite des zweiten unteren Prämolaren, medial und distal am ersten Molaren und medial am zweiten Molaren mit großer Deutlichkeit zu erkennen.

Bei tiefgelegenen kariösen Zerstörungen der Molaren kann es zur gänzlichen Ab- trennung einer Wurzel kommen, wenn der Defekt nicht frühzeitig genug entdeckt und ausgefüllt wird. Bild 107 stellt die Röntgenaufnahme eines Falles dar, bei welchem Eiterung an einem oberen zweiten Molaren entstanden war. Man sieht eine isolierte Wurzel, welche durch den kariösen Prozeß unter dem Rande der großen Metallfüllung von dem Zahne abgetrennt worden war und sich allmählich aus der ursprünglichen Position gegen die Zahnfleischoberfläche herausgehoben hatte. Daß es sich hier um die vordere buccale Wurzel des zweiten Molaren und nicht etwa um einen übrig gebliebenen Wurzelrest des früher extrahierten ersten Molaren handelte, das wäre ohne die Röntgenphotographie nicht ohne weiteres mit gleicher Sicherheit festzustellen gewesen.

Trigeminus-Neuralgie mit dentaler Ursache und ihr röntgenologischer Nachweis.

Die Trigeminus-Neuralgie ist in ihrer intensiven und langdauernden Form ein so schweres Leiden, daß jedes diagnostische Hilfsmittel zur etwaigen Eruierung der Ursache die allergrößte Bedeutung gewinnen kann. In diesem Sinne vermag uns auch die Röntgenphoto- graphie Aufschlüsse zu vermitteln, welche auf keine andere Weise zu erlangen sind.

Was gerade den Trigeminus mehr als irgendein anderes Nervengebiet zu Neuralgien disponiert macht, das ist die Leichtigkeit, mit welcher äußere Schädlichkeiten ihn treffen kön- nen. Kein Gehirnnerv, noch weniger naturgemäß irgendein Spinalnerv passiert so ausge- dehnt lange und enge Knochenkanälchen wie er, keiner hat einen so ausgedehnten peripheren Verbreitungsbezirk, dessen anatomische Lage ihn in gleicher Weise äußereren direkten Ein- wirkungen exponiert. Die Ätiologie der Trigeminusneuralgie ist ebenso vielgestaltig wie die therapeutischen Maßnahmen wechselvoll, Ausgangspunkt und Art der eigentlichen Ursache werden ebenso häufig nicht erkannt, als die Therapie versagt. Neuropathische Disposition ist hier natürlich als begünstigendes Moment von derselben Bedeutung wie bei jeder anderen Neuralgie.

Für die Ätiologie ist wichtig und für die Diagnostik erschwerend, dass die Trigeminusneuralgie nicht selten nur ein auf den Trigeminus lokalisiertes Reflexleiden ist. Gussenbauer!) hat über 33 Fälle von langdauernder Trigeminusneuralgie berichtet, von denen nur vier operiert und alle anderen durch Beseitigung der bestehenden habituellen Obstipation geheilt wurden, welcher er nach dieser Erfahrung grosse ätiologische Bedeutung beilegt.

Als andere entfernt liegende Ursachen für eine reflektorische Trigeminusneuralgie sind beobachtet worden: Genitalreiz, Uteruserkrankungen, ÖOvarialleiden; v. Holst?) hat Heilung durch Amputation der Portio vaginalis gesehen. Anstie*) hat zwei Fälle beschrieben, in denen Verletzung des N. ulnaris und N. occipital. als Ursache nachgewiesen werden konnte.

1) Uber Behandlung der Trigeminusneuralgie. Prager med. Wochenschr. 1886, Nr. 81. *) Petersburger med. Wochenschr. 1882, Nr. 1. ®) Erb, Krankheiten der peripheren cerebro-spinalen Nerven, 1874.

Trigeminus-Neuralgie mit dentaler Ursache. 61

In allen solchen Fällen von reflektorischer Neuralgie des Quintus kann es während der Paroxysmen naturgemäß auch zu gelegentlicher Lokalisation des Schmerzes an den Zähnen kommen, sodass der dentale Ursprung vorgetäuscht oder wenigstens für möglich gehalten wird.

Dem gegenüber können nun Trigeminusneuralgien mit wirklicher dentaler Ursache nicht nur in die anderen Quintusäste, sondern auch aus dem Gebiete des Trigeminus heraus auf andere Nervengebiete, und zwar sowohl Gehirn- wie Spinalnerven sich ausbreiten, sodass nichts mebr auf den Ausgangspunkt und die primäre Ursache hindeutet.

Bei der außerordentlichen Vielgestaltigkeit von Reflexsymptomen infolge langdauernder dentaler Trigeminusreize sind manche von so außergewöhnlicher Natur zur Beobachtung ge- kommen, dass es unmöglich ist, sie auf Grund anatomischer oder physiologischer Betrachtung zu erklären. Daß auf der gleichen Grundlage selbst Psychosen sich entwickeln können, ist eine wohl verbürgte Tatsache.

Die schweren und schwersten Formen der Trigeminusneuralgie entwickeln sich in der Regel erst allmählich. Die anfänglich auf den zweiten oder dritten Trigeminusast beschränkten Erscheinungen gewinnen mit der Zeit an Intensität und Extensität. Während zuerst besondere Anlässe nötig waren, die Schmerzanfälle auszulösen, kommen dieselben später auch spontan. Sind anfangs etwa vorübergehend noch lokalisierte Schmerzen an der Quelle des Leidens vor- handen, so hört das in der Folge oft ganz auf, und immer schwerer kann es werden, den ur- sächlichen Zusammenhang zu ergründen.

Dazu kommt, daß bei alt gewordenen Neurosen, zumal auf der Grundlage allgemeiner neuropathischer Disposition, auch die Beseitigung der ersten Ursache nicht immer die Heilung zur Folge haben muß. Je älter das Leiden ist, um so mehr kann es allmählich die Tedenz für sein Fortbestehen in sich selbst finden. Und daraus muß sich für die Therapie die Forderung ergeben, nach den Ursachen so früh als möglich mit allen diagnostischen Hilfs- mitteln zu forschen. Das woher? und warum? sind ja leider gar zu oft schwere Prüfsteine, an denen Erfahrung, Wissen und Geduld des Arztes sich erschöpfen.

„Glücklicherweise“, möchte man sagen, nehmen die Zähne in der Ätiologie der Trigeminusneuralgie eine beachtenswerte Stellung ein. Gelingt es, eine dentale Ursache nachzuweisen, so sind der Therapie über die rein palliative Behandlung hinaus bestimmte Wege gewiesen.

Um die Frage zu beantworten, nach welcher Richtung hin die Röntgenphotographie uns hier Aufschlüsse geben kann, sei vorweg betent, daß unter den Ursachen für eine dentale Neuralgie langdauernder Druck auf -die sensiblen Nerven der Pulpa, der Wurzelhant oder des umgebenden Knochens obenansteht.

Druck auf die Pulpanerven entsteht:

1. bei Pulpitis durch aktive und passive Hyperämie in Verbindung mit entzündlicher Exsudation, welche wegen der Unmöglichkeit der Gewebsausdehnung zu innerer Pressung dieses nervenreichen zarten Organs führen. Die ätiologische Bedeutung für die Trigeminusneuralgie ist hier allerdings nicht gross, weil die Pulpa sich in dem Zustande totaler Entzündung nicht lange erhalten kann, sondern infolge des erschwerten und schließlich voll- kommen gehemmten Blutzuflusses bald der Nekrose anheimfällt;

2. durch gasige Zerfallsprodukte der Pulpa infolge von Eiterung oder Gangrän, wobei zwei Vorbedingungen erfüllt sein müssen, nämlich daß die Pulpakammer nach außen hin noch abgeschlossen ist, sei es durch Dentin oder eine Zahnfüllung, und daß noch ein lebender Rest des Pulpagewebes in der Krone oder wenigstens den Wurzelkanälen sich erhalten hat;

3. durch Verkalkung und Dentikelbildung in der Pulpa.

Für die Diagnose der beiden erstgenannten Fälle kommt das Röntgenbild nur insofern in Betracht, als es feststellen kann, wie weit ein kariöser Herd oder eine Füllung an die Pulpa heranreicht und ob infolgedessen die Wahrscheinlichkeit der Pulpaerkrankung vorliegt. Zur Diagnose der pathologisch-anatomischen Veränderung der Pulpa reicht das Röntgenbild aber

62 Trigeminus-Neuralgie mit dentaler Ursache.

nicht aus, weil das Pulpagewebe innerhalb seines harten Dentinmantels die Voraussetzungen fiir eine geniigende Kontrastzeichnung nicht darbietet, auch nicht, wenn es zum Teil eiterig oder gan- grinds zerfallen ist. Es müssen dann die klinischen Symptome mit zu Rate gezogen werden.

Anders steht es mit Verkalkung und Dentikelbildung in der Pulpa. Dem Wesen und ihrer Entstehung nach müssen wir diese beiden Arten harter Neubildung in den Zähnen voneinander wohl unterscheiden, wenngleich der hier in Betracht kommende Effekt derselbe sein kann. Die Verkalkungen sind strukturlos und lassen höchstens eine konzentrische Schichtung erkennen; sie sind gewissermaßen Kalkausscheidungen passiver Natur, wie sie in Blutgefäß-

wandungen oder anderweitig als Folge von Bindegewebsdegeneration in höherem Lebensalter so häufig vorkommen und finden sich auch mit Vorliebe als Involutionserscheinungen in Zahnpulpen, welche der allmählichen Atrophie durch Erschwerung der Blutzirkulation anheimfallen. Die Dentikel dagegen sind strukturiert und das Produkt aktiver Gewebstätigkeit in der Pulpa. Man pflegt sie als freie und wandständige (adhaerente) zu unterscheiden, je nachdem sie frei im Pulpagewebe liegen oder der Pulpa- höhlenwand anhaften. Freie Dentikel können zu wandständigen werden dadurch, daß bei dem normalen zentripetalen Dickenwachstum des Dentins die Wand der Pulpahöhle den Dentikel erreicht, ja es können kleine wand- ständige Dentikel in jugendlichen Zähnen von dem normalen Dentin nach und nach um- wachsen werden (interstitielle Dentikel). Ein größerer Dentikel kann aus kleinen Anfängen allmählich gewachsen oder auch durch die Vereinigung einer Anzahl kleinerer Einzel- dentikel entstanden sein. Ein Beispiel die- ser Art zeigt Textfigur 43. Solche soge- nannten multiplen Dentikel brauchen nicht auf die Kronenpulpa beschränkt bleiben, sondern können sich auch in die Wurzel- kanále hinunter erstrecken (vgl. Textfigur 44) oder sie kommen als isolierte Bildungen in einem Wurzelkanal vor (Textfigur 45). Bei Molaren wachsen die Dentikel recht häufig vom Boden der Kronenpulpakammer zwischen den Eingängen der Wurzelkanäle empor, um allmählich die Pulpakammer zu erfüllen und mehr oder weniger tief in die Wurzelkanäle hineinzu- reichen. Einen solchen Fall stellt das Mikrophotogramm Textfigur 46 dar.

Abb. 46,

Trigeminus-Neuralgie mit dentaler Ursache. 63

Die Struktur dieser harten Neubildungen der Zahnpulpa weicht von derjenigen des normalen Zahnbeins erheblich ab. Während in letzterem das regelmäßige System der Kanälchen mit kurzen seitlichen Anastomosen das ganze Bild beherrscht, ist diese Struktur in einem Dentikel nur angedeutet durch Bündel, Büschel und Strähnen von Kanälchen, welche in mehr oder weniger homogen verkalkter Grundsubstanz eingelagert sind. Dabei haben diese Kanälchen keine einheitliche Verlaufsrichtung, sondern sie sind oft mit vielfachen Zentren in radiärer Ausstrahlung angeordnet, wie es in der Textfigur 43 zu sehen ist.

Der Anlaß zu Dentikelbildung kann gegeben sein, wenn langdauernde oder häufig wiederkehrende Reize durch das ungeschützte Zahnbein auf die Pulpa einwirken, wie bei chronischer Karies, nach traumatischen Verletzungen des Zahnes, bei Schlifflächen, die das Zahnbein freigelegt haben, bei großen Metallfüllungen, welche ohne eine schützende Unter- lage bis in die Nähe der Pulpa reichen und thermische Insulte auf dieselbe vermitteln, schließlich bei Zähnen älterer Leute überhaupt. Für die Diagnostik ist es demgemäß schon von Bedeutung, daß wir gegebenenfalls Verdacht auf Dentikel in einzelnen Zähnen haben können. Die Molaren kommen dabei zwar erheblich mehr in Betracht als andere Zähne, aber es ist keine Zahngruppe ausgeschlossen. Bei einem Untersuchungsmaterial von 650 extrahierten verdächtigen Zähnen, d. h. also solchen Zähnen, welche die angegebenen Voraussetzungen für Dentikelbildung besaßen, konnte ich makroskopisch sichtbare Dentikel einhundertachtzehnmal nachweisen, also in mehr als 18°/, der Fälle. Wollte man auch die mikroskopisch kleinen Dentikel mit berücksichtigen, so würde vielleicht in all den untersuchten Fällen kaum einer davon frei gewesen sein.

Die Dentikel bilden nun eine sehr eklatante Möglichkeit Trigeminusneuralgie zu ver- anlassen dadurch, daß sie bei ihrem Wachstum das Pulpagewebe bedrängen und Druck auf die Nerven desselben ausüben. Bei der Häufigkeit der Dentikelbildung ist dieser Effekt aller- dings glücklicherweise relativ selten. Da er aber vorhanden sein kann, so müssen wir ihn bei einer Trigeminusneuralgie mit unklarer Ursache unbedingt ins Auge fassen.

Hier nun vermag uns 'das Róntgenbild einen Aufschluß zu gewähren, den wir auf eine andere Weise nicht erlangen können. Freilich hat man auch die Durchleuchtung der Zähne mit einer intensiven weißen Lichtquelle zur Diagnostik verwendet und mag wohl auch gelegent- lich durch den Schatten im Innern des Zahnes mit geringerer oder größerer Wahrscheinlich- keit auf Dentikel schließen können, jedoch gibt das Röntgenbild in viel zuverlässigerer Weise objektiv den Befund wieder. Es muss aber betont werden, daß eine einwandfreie Röntgen- aufnahme dazu gehört, und daß diagnostische Täuschungen vorkommen können, wenn kleine Füllungen durch die Pulpakammer hindurchprojiziert werden; das wurde bereits früher erwähnt. Tafel

Das Röntgenbild 108 zeigt einen solchen Fall von Dentikelbildung in einem unteren VIII, 108 zweiten Molaren. Derselbe betraf eine Dame im Alter von 40—50 Jahren, welche seit zwei Jahren an Trigeminusneuralgie litt, allerdings auf der Basis allgemeiner neuropathischer Konstitution. Auf Grund des Röntgenbefundes wurde der Zahn aufgebohrt, die Pulpa abgetötet, der Dentikel gefunden und entfernt, freilich obne daß das Leiden damit beseitigt worden wäre.

Bezüglich des kausalen Zusammenhanges der Erscheinungen dürfen wir nicht übersehen, daßhier Ursache und Wirkung auch in umgekehrtem Verhältnisse zueinander stehen können. Daß eine Trigeminusneuralgie trophische Störungen innerhalb dieses Nerven- gebietes nach sich ziehen kann, ist weder eine auffallende, noch unbekannte Tatsache, und so wäre es auch begreiflich, daß das Leiden Dentikelbildung in den Zähnen des befallenen Quintusastes veranlaßt. Auf diese Weise könnte es vorkommen, daß Neuralgie des Trigeminus und Dentikelbildung mit ihren Folgeerscheinungen wechselseitig voneinander abhängig wären und einen Circulus vitiosus bilden. Wie nun im Einzelfalle die Deutung zu geben ist, muß dahingestellt bleiben. Nur wenn nach Beseitigung eines Zahnes mit Dentikelbildung eine bestehende Trigeminusneuralgie verschwindet, ist Ursache und Wirkung klar erwiesen.

Tafel

64 Trigeminus-Neuralgie mit dentaler Ursache.

Daß auch eine schwere Trigeminusneuralgie durch fast vollkommene Verkalkung der Pulpa zustande kommen kann, habe ich in einem Falle erfahren, bei welchem das Röntgen- bild der oberen Molaren gar keine Andeutung von Pulpakammer und Wurzelkanälen ergab. Leider hatte ich das Röntgenbild zur Wiedergabe nicht zur Verfügung. Die Extraktion der Zähne brachte vollkommene Heilung des Jahr und Tag bestehenden Leidens.

Druck auf die Nerven der Wurzelhaut kann entstehen:

1. bei akuter Entzündung der Wurzelhaut durch innere Gewebspressung in ganz ana- loger Weise wie bei der Pulpa des Zahnes;

2. bei Zementhypertrophie, durch welche die Wurzelhaut gegen die Innenwand der Alveole gepreßt wird;

3. durch von der Alveolarseite her andrängende Knochenmasse oder durch Druck von benachbarten Zähnen, wie er bei Raummangel im Kiefer oder durch retinierte und dislozierte Zähne veranlasst werden kann.

Während das Röntgenbild bei akuter Periodontitis im allgemeinen ebensowenig wie bei Pulpitis diagnostisch verwertbare Aufschlüsse gibt, ist es anders bei Wurzelverdickungen durch Zementhyperthrophie und bei Pressungen der Zahnwurzel durch andrängende Nachbar-

VIII, 109 zähne. Bild 109 zeigt an einem oberen zweiten Prämolaren in der unteren Hälfte der Wurzel

VII, 110

eine derartige Verdickung, freilich ohne daß in diesem Falle neuralgische Schmerzen bestanden. Bild 110 stellt dagegen einen Fall dar, welcher klimisch recht lehrreich war.

Gertrud G., 29 Jahre, Arbeiterin in einer Steindruckerei, leidet seit drei Jahren an schwerer rechtsseitiger Trigeminusneuralgie des zweiten Astes. Die Schmerzen treten spontan auf, halten gewöhnlich zwei bis vier Wochen an und strahlen über die ganze rechte Gesichtsseite aus; in neuerer Zeit ist Patientin in Zwischenräumen von ein bis zwei Monaten verschiedene Male arbeitsunfähig ge- worden. Sie befand sich seit zwei Jahren in ärztlicher resp. nervenärztlicher Behandlung und wurde schließlich der chirurgischen Abteilung des zahnärztlichen Institutes überwiesen.

Befund des Gebisses: Auf der rechten Seite fehlen sowohl oben wie unten sämtliche Zähne bis zum seitlichen Schneidezahn. Die meisten derselben sind nach Angabe der Patientin des Leidens wegen allmählich extrahiert worden. Eine Hervorwölbung an der labialen Seite des rechten oberen Alveolar- fortsatzes legt die Vermutung auf Retention des Eckzahns nahe. |

Die Róntgenaufnahme bestátigt diese Vermutung (Bild 110) und zeigt den retinierten Eckzahn so gelagert, daß er gegen die Wurzel des lateralen Schneidezahns gewachsen war und sie auf die Wurzel des mittleren Schneidezahns gepreßt hatte. Ein dauernder Druckreiz auf die Wurzelhaut der beiden Schneidezähne konnte daher durchaus Veranlassung für die schwere Neuralgie sein. Der Eckzahn wurde ausgemeißelt. Einige Wochen später gab Patientin wesentliche Besserung des Leidens an. Leider stellte sie sich später nicht wieder vor, sodaß über die definitive Heilung der Neuralgie nicht berichtet werden kann.

Granulom- oder Zystenbildung im Kiefer- knochen, von kranken Zähnen ausgehend, können ebenfalls zur Ursache für eine Trigeminusneuralgie werden, in dem sie bei ihrem allmählichen Wachstum dentale Trigeminus- ästchen verdrängen und dadurch Druck und Zerrung veranlassen. Interessant und lehrreich ist der folgende von mir beobachtete Fall:

Frl. K., 21 Jahre alt, stellt sich am 14. April 1908 mit einer fluktuierenden Geschwulst am harten Gaumen hinter den drei rechten Frontzähnen vor (s. Textfigur 47). Mitt- lerer und seitlicher Schneidezahn tragen Füllungen.

Anamnese: Die Geschwulst hat sich allmählich wachsend seit einem halben Jahre entwickelt. Seit September 1907 treten in Verbindung mit starken Kopfschmerzen beiderseitig neuralgische Schmerzen im zweiten und dritten Trigeminusaste auf, welche vom Gesicht über die Halsgegend Abb. 47. bis in die Schulter ausstrahlten und als ziehend und stechend

Marginale Periodontitis. 65

geschildert werden. In den ersten Monaten kamen die Schmerzanfälle gewöhnlich wöchentlich nur einmal, dann aber häuften sie sich und traten vom Dezember 1907 an täglich auf, und zwar abends 6 Uhr mit einem plötzlichen nervösen Zusammenzucken des Körpers. Sie hielten den grössten Teil der Nacht an und ließen es zum Schlaf nicht kommen. Während der Paroxysmen treten auch Magenschmerzen auf. Patientin war stark deprimiert.

Das Röntgenbild (Taf. VIII, 111) zeigt den Schatten eines grossen Einschmelzungsraumes im Oberkiefer, welcher von der Wurzel des mittleren Schneidezahns über diejenige des seitlichen und des Eckzahns nach distalwärts hinausragt. Die scharfe Begrenzung des Schattens in Verbindung mit den klinischen Erscheinungen stellt die Diagnose auf Kieferzyste sicher. Aus den Wurzelkanälen der beiden Schneidezähne sickert zystöse Flüssigkeit aus.

Behandlung: Da die Konservierung der Zähne dringend gewünscht wurde und auch möglich erschien, so wurde das Zahnfleisch an der fazialen Seite des Alveolarfortsatzes aufgeklappt, der Zysten- hohlraum freigelegt und mit dem scharfen Löffel gründlich ausgekratzt. Einige Tage Tamponade. Vier Tage nach der Operation waren sämtliche Erscheinungen der schweren Neuralgie vollkommen verschwunden.

Patientin stellt sich */, Jahr später wieder vor. Das Röntgenbild 112 zeigt nun den Fortschritt in der Ausheilung der Knochenhöhle. Der seitliche Schneidezahn war inzwischen mit einer (nicht tadel- - freien) künstlichen Krone versehen worden. Schmerzen waren in der ganzen Zeit nicht wieder aufgetreten.

Trigeminusneuralgien in zahnlosen Kiefern älterer Leute sind öfter zu beob- achten. Gross!) hat sie als eine besondere Form bereits 1870 beschrieben. Ob in den Vor- gängen der senilen Knochenatrophie eine örtliche Ursache zu suchen ist, ob neben dem Schwunde von Spongiosabilkchen*auch gelegentlich Knochenneubildung in den Kiefern vor- kommt, durch welche Druck auf Trigeminusästchen erzeugt wird, das muss dahingestellt bleiben. Jedenfalls darf erwartet werden, dass bei Kiefern, in denen Knochenneubildung etwa im Anschluß an vorhergegangene Zahnextraktionen erfolgt, oder in denen eine Sklerose auf pathologischer Grundlage entsteht, jene mechanische Ursache für Neuralgien leicht zustande- kommen kann. Bild 113 ist vom Unterkiefer einer Frau mit schwerer Neuralgie des dritten Astes gewonnen worden. Bis zum Caninus fehlten dieser Kieferseite sämtliche Zähne. Das Bild selbst gab keinerlei ätiologischen Aufschluß, aber es macht den Eindruck, als wenn die Spon- giosa in diesem Falle dichter ist als gewöhnlich. Die ganz dunkle Partie im Bilde rechts entspricht freilich der durch die lin. obliq. ext. bedingten starken Verdickung der hinteren Alveolarpartie und läßt wohl nur deshalb die Struktur im Vergleiche mit dem dünneren Teile des Kieferkörpers vermissen. Eine bestimmte Diagnose aus dem Röntgenbilde herzuleiten, war nicht gut möglich.

Marginale Periodontitis. (Vgl. Taf. VIII Bild 114—117.)

Die Periodontitis ist in der Regel apikalen Ursprunges, d. h. es entsteht die Ent- zündung an der Wurzelspitze eines Zahnes und breitet sich auf die Wurzelhaut und das umgebende Knochengewebe des Kiefers mehr oder weniger weit aus. Diese Form der Periodontitis ist gewöhnlich die Folge einer Infektion von seiten der putrid zerfallenen Pulpa, aber sie kann auch im unmittelbaren Anschlusse an eine totale Pulpitis entstehen. Von dieser Form ist die marginale Periodontitis zu unterscheiden, bei welcher die entzündungerregenden Reize am Zahnfleischrande ihren Ausgang nehmen und je nach ihrer Art und der Intensität pathogener Wirkung zu einer mehr örtlich begrenzten oder diffus sich ausbreitenden Ent- zündung des Alveolarknochens führen. Die Pulpa der benachbarten Zähne bleibt dabei intakt (vorausgesetzt, daß sie nicht bereits vorher erkrankt oder gar abgestorben war), bis etwa die in die Tiefe vordringende Eiterung eine so weitgehende Zerstörung der Knochensubstanz nach sich zieht, daß auch die an der Wurzelspitze eintretenden Blutgefäße der Nekrose anheimfallen. Dann wird natürlich die Pulpa sekundär zugrunde gehen müssen.

1) Americ. Journ. of Med. Sc. July 1870. Dieck, Anatomie und Pathologie der Zähne und Kiefer im Röntgenbilde. 9

Tafel

VIII, 111

VIII, 112

VIII, 113

Tafel

66 Apikale chron. Periodontitis mit eitriger Knochenzerstérung und Granulationsherden.

Die Ursachen fiir eine marginale Periodontitis sind in der Regel in einem septisch- toxischen Prozesse zu suchen, welcher unter dem Zahnfleischrande eingesetzt hat. Fremdkörper, welche hier durch mechanischen Druck eingepresst worden sind, können eine Verletzung und Infektion mit dem an und unter dem Zahnfleischsaume massenhaft vorhandenen Bakterienmaterial erzeugen. Eindringende Speisereste vermögen teils mechanisch zu wirken, teils dadurch, daß sie sich zersetzen und so chemisch-toxische Schädigungen veranlassen. Außerordentlich begünstigend wirkt dabei die allmähliche Schwächung der affizierten Partie des Zahnfleisches und Alveolarrandes, deren verminderte Resistenz der Bakterien-Invasion den Boden präpariert. Oft sind es verhältnismäßig geringfügige Anlässe, welche in dieser Weise zu erheblicher Ent- zündung des Kieferknochens führen. Ablagerung von Zabnstein unter dem Zahnfleischsaume

VIII, 115 oder eine am Halsteile des Zahnes überragende Füllung können, wie im Bilde 115 zu sehen ist,

VII, 114— 117

der Retention von Speiseresten Vorschub leisten; ebenso sind nicht selten Partikelchen von Zahnfüllungsmaterial, welche bei unachtsamer Zahnbehandlung in die Tiefe des Interdentalraums geschoben wurden, Ursache und Ausgangspunkt einer marginalen Periodontitis.

Das Röntgenbild vermag uns in diesen Fällen im Augenblick Aufklärung zu ver- schaffen, wenn, wie gewöhnlich, der Alveolarrand eitrig zerstört ist. Die vier Bilder 114—117 geben diesen Befund in recht anschaulicher Weise wieder. Es wird hier die Röntgenaufnahme für die Differentialdiagnose und Therapie von besonderer Wichtigkeit, weil bei dem Fort- schritte der marginalen Eiterung in die Tiefe gegen die Wurzelspitze eines Zahnes und bei Ausbreitung akuter Entzündung auf die ganze umgebende Alveolarpartie der apikale Ursprung vorgetäuscht und eine unsachgemäße Behandlung eingeleitet werden könnte. So war es mit dem Falle Bild 117. Der erste obere linke Molar war periodontitisch und bei leisester Berührung außerordentlich schmerzhaft, sodaß auch der Aufbiß vermieden wurde. Obgleich der Zahn nur eine kleine Metallfüllung trug, so war in der klinischen Behandlung doch Pulpatot und apikaler Ursprung der Wurzelerkrankung diagnostiziert worden. Bei der Aufbohrung des Zahnes zum Zwecke der Wurzelbehandlung wurde aber überraschenderweise die Pulpa lebend gefunden, und die Röntgenaufnahme zeigte dann auch sofort die Ursache des diagnostischen Irrtums.

Apikale chronische Periodontitis mit eitriger Knochenzerstorung und

Granulationsberden. Chronische Fisteln. Sequesterbildung. (Vgl. Taf. IX u. X.)

Die Röntgendiagnostik findet auf diesem Gebiete der Zahnpathologie ein besonders breites Feld wertvoller Betätigung. Die guten Voraussetzungen für deutliche Kontrastzeich- nung im Röntgenbilde sind bei der chronischen Wurzelhautentzündung dadurch gegeben, daß die zellig infiltrierte Knochensubstanz des Entzündungsherdes durch Einschmelzung von Spongiosabälkchen weitmaschiger wird oder in der Folge auch vollkommen schwindet; der so entstandene Hohlraum im Knochen ist dann nur von pathologischem Sekrete oder von Granulationen ausgefüllt. In anderen Fällen bildet sich an der Wurzelspitze ein solides binde- gewebiges Granulom, welches mit Recht als ein Schutzwall gegen den dauernden Infektions- reiz von seiten der zerfallenen Pulpa im Wurzelkanal des Zahnes betrachtet wird. Das wachsende Granulom bringt die umgebende Knochensubstanz natürlich zur Resorption, sodaß auch auf diese Weise ein Knochenhohlraum entsteht, welcher den Röntgenstrahlen keine Hemmung darbietet und deshalb an der entsprechenden Stelle des Bildes einen Schatten er- geben muß. Es ist jedoch differential-diagnostisch von Wichtigkeit zu beachten, einerseits ob der Schatten im Bilde scharf begrenzt ist oder diffus in die Um- gebung übergeht, anderseits ob in dem Schatten noch irgendwelche Spongiosa- struktur zu erkennen ist oder nicht.

Aus dem diffusen Verlaufe des Schattens mit Struktur in der Randpartie ist zu

Apikale chron. Periodontitis mit eitriger Knochenzerstérung und Granulationsherden. 67

schliessen, daß es sich um einen Granulationsherd handelt, welcher in seinem Zentrum um die Wurzelspitze herum zur vollkommenen Auflösung des Knochens geführt hat, während in seiner peripheren Zone nur eine teilweise Einschmelzung der Knochenbälkchen erfolgte. Ist noch undeutliche Struktur in unmittelbarer Nähe der Wurzelspitze zu er- kennen, so muß naturgemäß auf eine geringere Zerstörung des Knochens im Krankheitsherde geschlossen werden. Solche Unterscheidung ist praktisch wichtig, weil für die konser- vierende Therapie die Frage entsteht, ob eine mechanisch-medikamentöse Be- handlung des Wurzelkanals allein Aussicht auf Erfolg darbietet, oder ob die Freilegung des Krankheitsherdes durch Aufklappung des Zahnfleisches und Alveolartrepanation von vornherein vorzuziehen ist. Wenn der Schatten um die Wurzelspitze herum scharf begrenzt ist und keine Knochenstruktur mehr aufweist, so läßt das auf Granulom- oder Zystenbildung schließen, und in diesem Falle ist für die erfolgreiche Konservierung des kranken Zahnes das chirurgische Vorgehen angezeigt, es sei denn, daß der Herd sehr klein und der Wurzelkanal verhältnismäßig weit ist.

Man betrachte einige einschlägige Bilder auf Taf. IX. Bild 120 zeigt am linken mittleren Schneidezahne einen Erkrankungsherd, in dessen Randpartie Knochenstruktur erkennbar ist. Bei der Weite des Wurzelkanals würde die Behandlung auf diesem Wege versucht wer- den können. Es ist unbedingt dazu zu raten, wenn etwa eine Zahnfleischfistel besteht. In diesem Falle wäre die Behandlung vom Wurzelkanale aus dadurch erleichtert, daß nach gründlicher Reinigung und Sterilisierung des Kanals eine kräftige Irrigierung des Krankheits- herdes und Fistelganges leicht ausführbar ist. Und in der Tat heilen solche Prozesse bei . dieser Behandlungsmethode erfahrungsgemäß oft sehr schnell.

Auch der kleine Erkrankungsherd am seitlichen Schneidezahne im Bilde 121 bietet durchaus die Aussicht auf Heilung durch die Behandlung vom Wurzelkanal her. Knochen- struktur ist, wenn auch undeutlich, doch noch bis an die Wurzelspitze heran zu erkennen; es handelt sich hier nur um zellige Infiltration und teilweise Einschmelzung von Knochenbälkchen, also um entzündliche Osteoporose in geringem Umfange.

Auf dieses selbe Bild ist bereits Seite 52 verwiesen worden, weil der Schatten (hier im Positiv helle Bezirk) am mittleren Schneidezahn irrtümlich für einen Granulationsherd ge- halten werden kann, zur Hauptsache aber von dem Foramen incisivum herrührt, welches durch die nicht genau mediane Strahlenrichtung an die Wurzelspitze des Zahnes projiziert worden ist.

Bei sehr. lange bestehenden eiternden Granulationsherden kommt es oft zur Aus- scheidung kalkiger Inkrustationen („Eiterstein*) an der Oberfläche der Zahnwurzel, soweit dieselbe in den Herd hineinragt, und zwar gewöhnlich, wenn der Zutritt des Mund- speichels möglich ist. Diese Kalkablagerungen haben eine graubraune oder grüngraue Farbe und haften in der Regel ziemlich fest der Wurzeloberfläche an. Ein gutes Röntgen- bild vermag dieselben wiederzugeben. Bild 124 stellt einen solchen Fall dar, bei welchem ein kirschgroßer Erkrankungsherd um die hintere Wurzel des ersten unteren Molaren sich ge- bildet hatte neben einem kleineren an der vorderen Wurzel des Zahnes. Die jahrelang be- stehende Alveolareiterung hatte ihren Ausgang von dem Interdentalraum zwischen dem ersten und zweiten Molaren genommen und führte allmählich zur Auflösung des Knochens bis an die Spitze der distalen Wurzel, sodaß also dauernd der Mundspeichel Zutritt finden konnte. An der Oberfläche dieser Wurzel bis zur Spitze derselben hinab zeigt das Bild deutlich die kalkige Auflagerung. In dem nur mit einer kleinen Füllung versehenen Zahne war auch die Pulpa solange lebend geblieben, bis sie sekundär von der Wurzelspitze her infiziert wurde.

Die granulierende Periodontitis ist in einer erheblichen Zahl der Fälle mit Fistel- bildung verbunden, sei es nun, daß diese sich im chronischen Verlauf des pathologischen Prozesses allmählich entwickelt oder das Endresultat eines akuten „Nachschubes“ ist.

Der spontane Eiterdurchbruch erfolgt je nach Lage der veranlasseuden kranken Zahn-

g*

Tafel IX, 120

Tafel

68 Apikale chron. Periodontitis mit eitriger Knochenzerstérung und Granulationsherden.

wurzel und den begleitenden Umständen nach verschiedener Richtung hin. Meistens mündet die Fistel an der fazialen Seite des Alveolarfortsatzes, seltener lingual- bzw. palatinalwärts, letzteres gewöhnlich im Anschluß an einen Gaumenabszeß, welcher erfahrungsgemäß mit Vorliebe vom seitlichen Schneidezahne entsteht, jedoch gelegentlich auch von jedem anderen Zahne des Oberkiefers ausgehen kann. Wenn ein schwerer ostitischer Prozeß mit Ausbreitung auf das Kieferperiost und die bedeckenden Weichteile primär oder auf der Grund- lage eines bereits bestehenden chronischen Eiterungsherdes im Knochen mit Abszedierung in den Weichteilen sich entwickelt, so kann natürlich auch eine äußere Gesichtsfistel das End-. resultat sein. Solche chronische Zahnfisteln bleiben entweder mit dauernder Eiterabsonderung offen oder sie schließen sich vorübergehend, um von Zeit zu Zeit wieder aufzubrechen. Dieses Spiel vermag sich dann Jahre hindurch zu wiederholen.

Vielfach ist der Ausgangspunkt einer solchen chronischen Zahnfistel aus dem Status der Zähne ohne weiteres ersichtlich. Diagnostische Schwierigkeiten können sich aber ergeben, wenn die betreffende Kiefergegend eine Anzahl schwer kariöser Zähne bzw. fauler Zahn- wurzeln aufweist oder äußerlich intakte Zähne besitzt, unter denen der eine oder andere tot ist, d. h. eine nekrotische Pulpa enthält. Einerseits vollzieht sich der Eiterdurchbruch durch- aus nicht immer in unmittelbarer Nachbarschaft des schuldigen kranken Zahnes, weil der Fistel- gang innerhalb des Knochens oder der bedeckenden Weichteile oft zu einer entfernter gelegenen Mündung führt, anderseits wird ein äußerlich nicht kariöser „toter* Zahn als solcher nicht immer erkannt. Wo spezielle Erfahrung auf dem Gebiete der zahnärztlichen Pathologie fehlt, da dürfte gerade der letztere Fall besonders leicht zu diagnostischen Schwierigkeiten und Irrtümern führen. Dem in diesen Dingen geschulten Blick verrät sich die Nekrose der Pulpa meist schon durch den Mangel an lebendiger Transparenz des Zahnes und durch das stumpfe mißfarbige Aussehen, eine Erscheinung, welche bei durchfallendem Lichte in der Regel noch deutlicher hervortritt. Auch die Prüfung der Zähne durch Applikation von Hitze und Kälte oder mittels des Induktionsstromes kann den Nachweis der Pulpanekrose sichern. Aber es bleiben immer noch Fälle übrig, wo all diese diagnostischen Hilfsmittel versagen, oder wo wenigstens der Zusammenhang zwischen Pulpazerfall und der bestehenden Fistel auf solche Weise nicht objektiv erbracht werden kann.

Eine überwiegend häufige Ursache für die Necrose der Pulpa in einem äußerlich gesunden Zahne ist Trauma durch Fall oder Schlag. Zähne, deren Pulpa auf diese Weise zugrunde gegangen ist, können jahre-, ja jahrzehntelang vollkommen reaktionslos bleiben, nicht nur in dem Sinne, daß keine subjektiven Beschwerden entstehen, sondern daß auch keine pathologisch-anatomischen Veränderungen über die Wurzelspitze hinaus sich entwickeln. In der Mehrzahl der Fälle bleibt aber der Kieferknochen auf die Dauer nicht frei davon.

Es muß daran erinnert werden, daß Kiefereiterung mit Fistelbildung auch die Folge osteomyelitischer Prozesse ohne dentale Ursache sein kann.

Von differentialdiagnostischer Bedeutung ist die gelegentliche, aber nicht allzuseltene Resorption an Wurzeln, welche auf eiternden Granulationen stehen.

Die Röntgenphotographie zeigt nun auf diesem Gebiete ihren Wert in sehr eklatanter Weise. Ursache und Ausgangspunkt chronischer Zahnfisteln, Lage und Ausdehnung von Granulationsherden im Kieferknochen stellt sie mit Sicherheit fest und gibt dadurch der Diagnose objektive Zuverlässigkeit und der Therapie die Richtung.

IX, 125—128 Die Bilder 125—128 betreffen Fälle chronischer Fistelbildung und weisen den Aus-

gangspunkt und die Ausdehnung des Krankheitsherdes im Knochen nach. Bild 127 deckte als schuldige Ursache für eine Zahnfistel des Oberkiefers zwei im Knochen versteckte Wurzel- reste des ersten Molaren auf und hatte damit erst die Diagnose gesichert, nachdem der zweite Prämolar, dessen Pulpa gangranös zerfallen war, irrtümlich für die Ursache der Eiterung angesprochen worden war. Der Irrtum war erklärlich, weil das derbe und straffe Zahnfleisch über den besagten Wurzelresten ein ganz gesundes Aussehen hatte.

Apikale chron. Periodontitis mit eitriger Knochenzerstérung und Granulationsherden. 69

Tafel Die Röntgenbilder 129—132 bieten besonderes Interesse dar, weil es sich hier umJX, 129—132

chronische Knochenerkrankung, Eiterung und Fistelbildung infolge von Trauma gehandelt hat, wobei die betreffenden Zähne äußerlich intakt gefunden wurden und zum Zwecke der konser- vierenden Behandlung erst trepaniert werden mußten. Alle vier Fälle betrafen untere Frontzähne.

Im Falle Bild 129 bestand seit einem viertel Jahr eine Kinnfistel, welche sich im Anschluß an eine starke Ostitis der Kinngegend gebildet hatte (vgl. Textfig. 48).

Die Röntgenaufnahme ließ den Zusammen- hang der Dinge erkennen, obgleich Patientin selbst über ein früher stattgefundenes Trauma eine be- stimmte Angabe nicht machen konnte. Daß der Prozeß aber Jahre alt und vor Entwickelung der Kinnfistel akut geworden war, darüber konnte kein Zweifel bestehen. Trepanation des Zahnes, mechanische Reinigung des Wurzelkanals, gründliche Sterilisierung und Ausfüllung desselben, Aufklappung des Zahn- fleisches und Auskratzung des Granulationsherdes brachten denn auch schnelle Heilung.

Bild 130 und 131 wiesen als Ausgangs- punkt der chronischen Kiefereiterung und Fistel- bildung je zwei untere Schneidezáhne nach, deren Pulpen infolge von Trauma abgestorben waren. In dem letzteren Falle (Bild 131) hatte die traumatische Erschütterung 22 Jahre früher bei einem Herrn stattgefunden, welcher als Artillerist bei der Bedienung des Geschützes einen heftigen Stoß gegen den Unterkiefer erhalten hatte.

Die Bildung eines längeren Fistelganges im Unterkieferknochen gibt Bild 132 wieder. Der Fall beweist wieder recht anschaulich den diagnostischen Wert des Réntgenbildes.

Abb. 48.

Bei einem l4jährigen Knaben war in der Gegend des unteren linken Eckzahns starke Kiefer- entzündung entstanden mit Schwellung der bedeckenden Weichteile und Fistelbildung am Zahnfleische. Die Prüfung des Eckzahns ergab Nekrose der Pulpa. Die Annahme eines früheren Trauma wurde durch die Anamnese bestätigt. Der erste Molar auf derselben Kieferseite war ebenfalls tot und früher bereits behandelt und gefüllt worden. Auch in der Gegend seiner Wurzel fand sich eine Zahnfleischfistel vor.

Der Eckzahn wurde trepaniert, der Wurzelkanal behandelt und darauf eine Irrigation mit H, O, mittels Spritze durch den Wurzelkanal vorgenommen. Überraschenderweise kam aber die durch- gespritzte Wasserstoffsuperoxydlösung nicht aus der Fistelöffnung am Eckzahne selbst, sondern aus dem Fistelmaul am ersten Molaren wieder zum Vorschein. Die daraufhin vorgenommene Röntgenaufnahme zeigt denn auch, daß von dem Eiterungsherde am Eckzahn (im Bilde 182 rechts) ein Fistelgang im Knochen unter den Wurzelspitzen der beiden Prämolaren nach hinten sich erstreckt und hier mit einem Er- krankungsherde an der medialen Wurzel des ersten Molaren kommuniziert. Die Kopie des Röntgen- bildes ist mit Absicht dunkel gehalten worden, weil dadurch der Verlauf des Fistelganges etwas deut- licher sichtbar gemacht werden konnte.

Langdauernde profuse Kiefereiterungen mit unklarer Ursache finden durch das Röntgen- bild bisweilen schnelle ätiologische Aufklärung, indem als Ursache versteckte Wurzelreste oder Sequester nachgewiesen werden. So war im Falle Bild 133 seit */, Jahren Oberkiefereiterung IX, 133 vorhanden, welche zur erfolglosen Extraktion mehrerer Wurzeln der betreffenden Kieferseite Veranlassung gegeben hatte. Das Röntgenbild wies eine unter dem Zahnfleisch liegende quer- gelagerte Wurzel nach, deren Entfernung die Eiterung beseitigte.

Sequesterbildung ließ sich als Ursache der heftigen Oberkiefereiterung durch das Bild 135 nachweisen. Drei ganz locker gewordene Zähne, der seitliche Schneidezahn, Eckzahn 1X, 135 und erste Prämolar waren bereits entfernt worden. Die Art der Schattenbildung an dieser Kieferpartie ließ den Schluß auf Sequestrierung zu, und es konnte nach Spaltung und Zurück- klappung des Zahnfleisches in der Tat auch ein beträchtliches Alveorlarstück entfernt werden,

Tafel IX, 134

X, 137

X, 139

X, 140

X, 141—151

70 Kiefereiterung mit versteckter Ursache,

welches bereits von der Umgebung sich völlig gelöst hatte. Darauf baldige Heilung. Als Neben- befund zeigt das Bild den retinierten zweiten oberen Prämolaren, welcher jedoch mit der bestehen- den Knochenerkrankung in keinem Zusammenhange stand und auch im Kiefer belassen wurde.

Im Gegensatze dazu konnte das Röntgenbild 134 einen sicheren positiven Nachweis über die Ursache der langdauernden Kiefereiterung nicht erbringen; nur die Ausdehnung des Erkrankungsherdes und der Umfang der eitrigen Knocheneinschmelzung ist deutlich erkennbar. Es muß aber daran gedacht werden, daß zerfallene Granulationen, welche nach Extraktion der kranken Zähne dieser Kieferseite im Knochen zurückgeblieben sind, den Fortbestand der Eiterung veranlaßt haben können. Jedenfalls war der chirurgische Eingriff geboten.

Der röntgenologische Nachweis von Sequestern ist in der Regel leicht zu erbringen, wenn die demarkierende Eiterung zu einer völligen Loslösung derselben geführt hat, sodaß der umgebende Einschmelzungsraum sich im Bilde deutlich abheben kann; ist jedoch der Sequester noch in der Entwickelung begriffen, so kann der Nachweis durch das Röntgenbild völlig versagen. Bild 136 gibt einen klaren, völlig einwandfreien Befund multipler Sequesterbildung mit Kontinuitätstrennung des Unterkiefers wieder. Hier war im Anschluß an die Extraktion des ersten Molaren eine infektiöse Osteomyelitis entstanden. Nach operativer Entfernung der nekrotischen Knochenstücke trat Heilung mit Wiederherstellung der Kontinuität ein, wie aus dem Bilde 137 ersehen werden kann.

Einen anderen Fall von Osteomyelitis des Unterkiefers, allerdings auf nicht ganz klarer Basis, zeigt das Bild 139. Hier hatten sich bei der starken eiterigen Durchtränkung des Kieferknochens zahlreiche kleinere Sequester gebildet und waren aus dem Zusammenhange mit der Umgebung so frei geworden, daß das Röntgenbild den Wechsel von Licht und Schatten in schönstem Kontraste darbieten mußte. Im Gegensatze zu dieser multiplen Sequestrierung weist Bild 140 einen kleinen isolierten Sequester auf, welcher sich bei langdauernder Eiterung in einem vom oberen seitlichen Schneidezahn ausgehenden Erkrankungsherde entwickelt. hatte.

In anderen Fällen kann die Deutung des Röntgenbildes zur Entscheidung der Frage auf Sequesterbildung Schwierigkeiten bereiten. So war es bei dem Bilde 138. Die beiden großen Schatten, welche die zahnfreie Alveolarpartie aufweist, sind erheblich dunkler als die Umgebung und heben sich auch nur deshalb deutlich ab. Eine demarkierende Einschmelzung, wie sie in dem Bilde 139 allenthalben so schön hervortritt, fehlt. Da es sich aber wirklich um Sequester gehandelt hatte, so muß die Deutung wohl so gegeben werden, daß diese Knochenpartien vor ihrer Loslösung eine Sklerosierung erfahren hatten und demgemäß den Durchgang der Röntgenstrahlen stärker hemmten als der umgebende gesunde Knochen.

Für minimale chronische Erkrankungsherde an den Wurzelspitzen, geringfügige Bindegewebswucherungen und Knochenmarksgranulationen kann der röntgenologische Nachweis nur dann gelingen, wenn die Aufnahme den subtilsten Forderungen bezüglich des Röhren- charakters, der Expositionszeit und der Phototechnik entspricht. Daß aber unter dieser Vor- aussetzung auch Herde von geringster Ausdehnung mit guten Kontrasten sichtbar gemacht werden können, beweist eine größere Reihe von Aufnahmen der Tafel X (vgl. die Bilder 141—151). Das Bild 148, auf welches bereits an früherer Stelle (s. S. 53) bei Besprechung diagnostischer Irrtümer hingewiesen wurde, bildet insofern eine Ausnahme, als die kleine Aufhellung unter der Wurzel des Prämolaren kein Erkrankungsherd ist, sondern nur durch die Projektion des Foramen mentale an die Wurzelspitze dieses gesunden Zahnes entstanden war.

Kiefereiterung mit versteckter Ursache. (Vgl. Tafel XI.)

In der zahnärztlichen Praxis sind solche Fälle gar nicht selten, in denen bei bestehender Kiefereiterung auch nicht der geringste Anhalt für Ursache und Ausgangspunkt derselben aus

Tafel XI, 165

XI, 166

12 Kiefereiterung mit versteckter Ursache.

gedeutet und als Ursache für die Unterhalturg der Gesichtsfistel angesprochen werden mußte. Patient, welcher von außerhalb zur Konsultation nach Berlin gereist war, wollte sich allerdings zur Zeit auf die Entfernung dieses Wurzelrestes nicht einlassen und hat sich auch später nicht wieder vorgestellt, so dass die Richtigkeit der Diagnose durch den Erfolg der Therapie nicht nachgewiesen werden konnte.

Bild 165. Dieser ätiologisch unklare, aber vom klinischen Standpunkte aus höchst lehrreiche Fall wurde Herrn Kollegen Williger zur chirurgischen Behandlung überwiesen, nachdem ich das Röntgenbild hergestellt hatte. Ich lasse die Krankengeschichte nach dem Berichte von Williger!) folgen:

„M., Kaufmann, 21 Jahre alt, brach sich im Alter von 14 Jahren bei einem Unfall die Krone des linken oberen 2. Schneidezahns ab. Auf die Wurzel wurde ein Stiftzahn gesetzt. Nach einiger Zeit entzündete sich die Wurzel. Als der Stiftzahn entfernt werden sollte, kam die Wurzel mit. Die Wunde schloß sich, es blieb keine Fistel bestehen. 7 Jahre später wurde links oben eine Brücke angefertigt, die sich auf den zweiten Bikuspis und den Eckzahn stützte (der erste Bikuspis war früher verloren gegangen). Der zweite Bikuspis wurde überkront, aus dem Eckzahn die Pulpa heraus- genommen und eine Goldeinlage gemacht, der Ersatzzahn für den kleinen Schneidezahn frei schwebend angelötet. Ein halbes Jahr später (15. 4. 10) traten heftige Schmerzen im Kiefer in der Gegend des fehlenden Schneidezahns auf, tags darauf begann der erste linke Schneidezahn ebenfalls heftig zu schmerzen und locker zu werden. Die Weichteile schwollen an. Nach drei Tagen brach Eiter durch die Alveole des ersten Schneidezahns durch. Das Röntgenbild ergab eine etwa 1 cm im Durchmesser haltende kreisrunde Aufhellung in der Gegeud, wo sich früher die Wurzelspitze des verloren gegangenen zweiten Schneidezahns befunden haben mußte.

Befund: 21. IV. 10. Mittelkräftiger, blasser junger Mann, Oberlippe und Wange links bis zum Auge hin mäßig geschwollen. Diffuse Schwellung der Schleimhaut im Mundvorhof links oben vom mittleren Schneidezahne bis zum zweiten Prämolaren reichend. Der Schneidezahn stark gelockert und empfindlich. Aus seiner Alveole quillt spontan und bei Druck auf das Zahnfleisch stinkende grüngelbe Flüssigkeit. Der Eckzahn ist unempfindlich und fest.

Operation: Leitungsanásthesie. Nach Aufklappung der Schleimhaut gerät man sofort an der durch das Röntgenbild bezeichneten Stelle in einen tiefen rundlichen, mit zerfallenen Granulationen an- gefüllten Hohlraum. Sequester sind nicht vorhanden, das Periost aber bis zur Apertura piriformis vom Knochen abgehoben. Der Knochen sieht hier weiB aus. Medialwärts ist die Wurzel vom mittleren Schneidezahne teilweise entblößt. Auslöffelung der Höhle und Tamponade mit Jodoformgaze.

Verlauf: Schmerz und Schwellung ließen sofort nach, die Jauchung aus der Alveole von 'J versiegte, der Zahn wurde allmählich unempfindlich und wieder fest. Nach etwa 14 Tagen stieß sich ein flacher kortikaler Sequester von der Größe eines Daumennagels an der Stelle los, wo das Periost abgehoben war. Darauf schloß sich die Wunde rasch. Aus dem Schneidezahne wurde nunmehr die abgestorbene Pulpa herausgenommen.

In diesem Falle hatte unzweifelhaft früher eine Periodontitis an der Wurzel des verloren ge- gangenen kleinen Schneidezahnes bestanden. Ich habe wiederholt die Beobachtung gemacht, daß Granu- lome, die bei der Entfernung des betreffenden Zahnes abreißen und im Kiefer verbleiben, nicht veröden, sondern weiter bestehen können. Es pflegen aber dann Fistelöffnungen zu bleiben. Der sehr intelligente Patient behauptete allerdings mit voller Bestimmtheit, daß er nie an dieser Stelle eine Fistel gehabt habe, und auch sein behandelnder Zahnarzt hatte vor einem halben Jahr keine Fistel gesehen, jedoch sprach die eigentümliche kreisrunde Aufhellung im Röntgenbild dafür, daB ein Zerstörungsprozeß ähn- lich wie bei einem Wurzelgranulom im Knochen vorgegangen sein mußte. ‚Das nekrotische Knochen- stück lag oberhalb dieses Herdes.*“

Bild 166. Vereiterte Oberkieferzyste, hervorgerufen durch einen retinierten mittleren Schneidezahn.

Frau P., 56 Jahre alt, trägt seit 6 Jahren ein volles künstliches Gebiß. Zur Zeit der Konsultation im Mai 1908 hatte sich Schwellung der Oberlippe eingestellt. Die Besichtigung der Mundhöhle ergab damals eine wundgescheuerte Stelle am Zahnfleische, welche scheinbar durch Druck und Reibung der Zahnersatzplatte entstanden ist. Das Tragen der Prothese wird für einige Tage ausgesetzt. Die Schwellung geht zurück.

1) Williger, Akut-entzúndliche Erkrankungen der Kiefer ohne erkennbare Eintrittspforte. Korresp. Bl. f. Zabnárzte. 1910, Heft 3.

Kiefereiterung mit versteckter Ursache. 73

Im Juli 1908 abermalige voriibergehende Anschwellung der vorderen Alveolarpartie des Oberkiefers und der Oberlippe.

Jetzt, im Dezember 1908, wird die Anfertigung eines neuen Zahnersatzstiickes beschlossen, weil das alte infolge der allmáhlich eingetretenen Veránderung des Oberkiefers der Unterlage nicht mehr genügend aufliegt. Da sich jedoch in letzter Zeit eine Fistelöffnung an der labialen Seite des oberen Alveolarfortsatzes in Gegend des rechten Eckzahns gebildet hatte, aus welcher eine gelbliche mit Eiter durchsetzte Flüssigkeit abfloß, so macht sich eine vorherige Behandlung des seiner Entstehung und seinem Charakter nach zunächst noch unklaren Krankheitsprozesses nötig.

Die Röntgenaufnahme (Bild 166) wurde vom vorderen Oberkiefer in der Weise gewonnen, daß der Film zwischen die zahnlosen Alveolarfortsätze gelegt und der Achsenstrahl von oben her durch die Mittellinie gerichtet wurde. Sie zeigt einen großen Hohlraum im Oberkiefer mit einem retinierten Zahne. Nach der Form des Schattens wurde derselbe als ein mittlerer Schneidezahn angesprochen, welcher eine Knickung zwischen Krone und Wurzel besaß und Resorptionserscheinungen aufwies.

Die Diagnose lautete auf vereiterte follikuläre Zyste. Die Sondierung von der Fistelöffnung her konstatierte eine ziemlich weit nach hinten reichende Zystenhöhle mit auffallender Erweichung der begrenzenden Knochensubstanz.

Behandlung: Freilegung des Oberkiefers an der Umschlagstelle zwischen Zahnfleisch und Oberlippenschleimhaut rechts von der Mittellinie, Eröffnung der großen Knochenhöhle, Entfernung des retinierten Zahnes und gründliche Auskratzung mit dem scharfen Löffel. Konstatierung der Kommuni- kation mit dem rechten Antrum. Irrigation der Knochenhöhle, wiederholte Tamponade, allmähliche Heilung.

Der operativ entfernte retinierte Zahn war ein in der Form abnormer mittlerer Schneidezahn, dessen Krone zum größten Teile resorbiert worden war.

Von besonderem Interesse ist die aus den weiteren anamnestischen Mitteilungen zu entnehmende Vorgeschichte des Falles. Patientin gibt an, daß ihr im Alter von 6 Jahren der rechte obere Milch- schneidezahn ausgezogen worden war, weil er eine häßliche schwarze Färbung bekommen habe. Der entsprechende bleibende Schneidezahn sei aber niemals durchgebrochen, sondern bis zum 88. Lebensjahre die offene Lücke sichtbar geblieben, um dann erst infolge des Verlustes auch anderer Zähne durch einen künstlichen Ersatz geschlossen zu werden. Über ein etwaiges in früher Jugend stattgehabtes Trauma kann Patientin keine Angaben machen. Immerhin aber möchte ich folgendes für die wahrscheinlichste Erklärung halten:

Durch Fall oder Schlag im kindlichen Alter ist der rechte Milchschneidezahn ein wenig in den Kiefer hineingetrieben worden; die Pulpa wurde nekrotisch, worauf die von der Patientin angegebene Verfärbung des Zahnes hinweist. Der in der Entwicklung begriffene bis über die Krone bereits verkalkte bleibende mittlere Schneidezahn wurde durch das Trauma derartig derangiert, daB der verkalkte Teil des Zahnes aus seiner ursprünglichen Position herauskam und eine Winkelstellung zu der bereits präformierten weichen Anlage des Wurzelteils erhielt. So kam es zur Deformierung, Dislokation und Retention des Zahnes. Ob die allmählich sich entwickelnde Zyste dadurch eitrig geworden ist, daß infolge des Tragens der oberen Zahnersatzplatte durch Reibung eine Ulkus des Zahnfleisches und infolge davon eine Eröffnung der Zystenhöhle mit darauffolgender Infektion von der Mundhöhle her entstanden war, mag dahin gestellt bleiben, kann jedoch mit einigem Rechte vermutet werden.

Bild 167—170. Diese vier Aufnahmen sind während der operativen Behandlung eines Falles von profuser Oberkiefereiterung nacheinander gemacht worden.

Patientin litt seit mehreren Monaten an Eiterung des linken Oberkiefers mit Fistelbildung in der Gegend des fehlenden ersten Molaren. Auch in der Gegend der Tuberositas quoll Eiter neben dem Weisheitszahne unter dem Zahnfleische hervor. Patientin befand sich vorher in anderweitiger Behand- lung, in welcher bereits eine Wurzel des zweiten Prämolaren erfolglos extrahiert worden war; in den Bildern ist die leere Alveole zu sehen. Die Sonde gelangt durch die Fistelöffnung an der fazialen Seite des Alveolarfortsatzes in einen weit nach hinten bis in die Gegend des dritten Molaren sich erstreckenden Knochenhohlraum, aus welchem sich durch streichenden Druck auf die Gaumenschleimhaut dieser Partie Eiter durch die Eistelmündung entleeren läßt.

Die erste Röntgenaufnahme (Bild 167) war zunächst nicht ganz sicher zu deuten. Unter der Wurzelspitze des zweiten Molaren befindet sich ein Schatten, welcher einen isolierten Fremdkörper, wahrscheinlich ein Wurzelstück, erkennen ließ. Ob dasselbe etwa durch einen ungewöhnlichen Resorp- tionsvorgang von der Wurzelspitze des zweiten Molaren selbst abgetrennt war, konnte in den Bereich der Möglichkeit gezogen werden. ` Es wurde versucht, dieses mutmaßliche Wurzelstück durch die

erweiterte Fistelöffnung mit hakenförmigen Instrumenten nach außen herauszuheben, was jedoch trotz

mehrfacher Versuche nicht gelang. Das Instrument konnte aber die Beweglichkeit desselben in dem Knochenhohlraum konstatieren. Dieck, Anatomie und Pathologie der Zähne und Kiefer im Röntgenbilde. 10

Tafel

XI, 167— 170

Tafel XII, 172, 174, 176

74 Alveolar-Pyorrhoe.

Eine zweite Róntgevaufnahme (Bild 168) zeigte denn auch in der Tat eine andere Lagerung der Wurzelspitze. An der Hand des Bildes wurde die Entfernung derselben aufs neue versucht, jedoch erfolglos. Das eingefiihrte Instrument konnte das Wurzelstúck nicht mehr fiihlen, und ich rechnete mit der möglichen Gefahr, dasselbe in das Antrum zu schieben, wenn dieses von dem Eite:herde aus eröffnet sein sollte.

Eine dritte Aufnahme (Bild 169) zeigt nun die kleine Wurzel ganz nach hinten verschoben unter der Wurzelspitze des dritten Molaren. Nunmehr gab ich die Absicht auf, den zweiten Molaren zu erhalten und extrahierte ihn, worauf die fragliche Wurzel bequem erreicht und entfernt werden konnte. Die beiden bukkalen Wurzeln des zweiten Molaren wiesen starke Resorption auf. Es muß angenommen werden, daß das darunter liegende Wurzelstúck vom früher extrahierten ersten Molaren zurückgeblieben, im Kiefer nach hinten gewandert war und bei seinem Kontakte mit den Wurzeln des zweiten Molaren die Resorption an denselben hervorgerufen hatte.

Die letzte Aufnahme (Bild 170) wurde nach Beendigung der Operation gemacht und zeigt den übriggebliebenen dritten Molaren in einem nur noch durch eine schwache Brücke mit dem Oberkiefer verbundenen Teile der Tuberositas. Bei der allmählichen Ausheilung des Eiterherdes und Regeneration des Knochens ist jedoch dieser anfangs lockere Zahn wieder vollkommen fest geworden.

Alveolar-Pyorrhoe. (Vgl. Tafel XII.)

Für die Alveolar-Pyorrhoe hat das Röntgenbild seinen Wert, wenn es sich darum handelt, die Ausdehnung der eitrigen Einschmelzung des Alveolarrandes und die davon abhängige Festigkeit der Zähne im Kiefer nachzuweisen. Eine wohlgelungene Aufnahme vermag auch die Ablagerung von Zahnstein an der Wurzeloberfläche wiederzugeben und dementsprechend zur Kontrolle nach der Behandlung zu dienen, welche sich ja unter anderem auf die exakteste Beseitigung des Zahnsteines zu richten hat.

In den Bildern 172, 174 und besonders schön in dem Bilde 176 sind solche Auf- lagerungen von Zahnstein zu sehen, in dem letzteren Falle bis hinunter zur Spie der medialen Wurzel eines unteren zweiten Molaren.

Das Wesen der Krankheit spricht sich bekanntlich in einem chronisch-eitrigen Prozess aus, welcher, am freien Alveolarrande unter dem Zahnfleisch beginnend, in die Tiefe fortschreitet und sowohl den Alveolarknochen als auch die Wurzelhaut zum Schwunde bringt. Das meistens in situ sich erhaltende Zahnfleisch verliert dadurch seine normale Unterlage und bildet eine Tasche, in welcher der produzierte Eiter sich ansammeln, und aus der er durch streichenden Druck in der Richtung gegen den Zahnfleischsaum hervorgepreßt werden kann. Am häufigsten an den unteren Schneidezähnen einsetzend kann die Alveolar-Pyorrhoe allmählich die Alveole eines jeden Zahnes befallen, doch bleiben bisweilen auffallenderweise einzelne Zähne fast gänzlich verschont, mitunter sogar ein Zahn zwischen zwei schwer erkrankten.

Die Schwere des Leidens und die Schnelligkeit seines Verlaufes unterliegen großen individuellen Schwankungen. Hat aber die Krankheit längere Zeit hindurch bestanden und an einzelnen Zähnen bereits starke Fortschritte gemacht, so ist in der Regel auch an anderen scheinbar noch gesunden und ganz feststehenden Zähnen der beginnende Alveolarschwund bereits zu konstatieren, wenn auch die Eiterabsonderung mäßig oder kaum wahrnehmbar ist. Gerade für das Anfangsstadium des Leidens kann der röntgenologische Nachweis differential-diagnostisch von Bedeutung sein, weil nicht selten eine harmlose Gingivitis marginalis mit rein örtlicher Ursache wie Zahnsteinablagerung oder Ansammlung organischen Nahrungsmaterials längs des Zahnfleischsaumes bei Mangel an Zahnpflege mit beginnender Alveolar-Pyorrhoe verwechselt wird. Ein diagnostischer Irrtum ist noch leichter möglich, wenn eine lokal begrenzte und lokal bedingte Alveolareiterung in die Tiefe fortschreitet und zur allmählichen Lockerung eines oder mehrerer Zähne führt.

Nach der allgemein gültigen Auffassung über die Ätiologie der Alveolar-Pyorrhoe kommen zwar auch örtlich wirkende mechanische und bakterielle Reize in Betracht, aber auf der Grundlage einer allgemeinen körperlichen Disposition, welche das Leiden

Kieferzysten. 75

entstehen lassen und unterhalten kann, auch wenn solche lokale Reize fehlen oder beseitigt worden sind. |

Für die Therapie und mehr noch für die Prognose ist es daher von größter Wichtigkeit, daß man sich ein diagnostisch gesichertes Urteil verschafft. Man vergleiche die beiden Röntgenbilder 175 und 176. Das erstere zeigt vollkommene eitrige Alveolareinschmelzung an einem mittleren und seitlichen oberen Schneidezahn bis über die Wurzelspitze hinaus; die Zähne waren pendelnd locker geworden und wurden nur noch von den umgebenden Weichteilen leicht gehalten. Die Diagnose auf Alveolar-Pyorrboe wäre hier gerechtfertigt gewesen, wenn auch andere Zähne die typischen Erscheinungen des Leidens dargeboten hätten. Dies war aber nicht der Fall. Der Eiterungsprozeß ist hier die Folge eines Jahre zurückliegenden Traumas gewesen. Patientin hatte ihr kleines Kind auf dem Arme getragen und erhielt von dem Kopfe desselben bei einer plötzlichen Rückwärtsbewegung einen heftigen Schlag gegen die beiden Zähne, welche von diesem Augenblicke an schmerzhaft waren, allmählich mehr und mehr locker wurden und zunehmende Eiterung der Umgebung zeigten. In dem anderen Falle (Bild 176) war die eiterige Alveolarzerstörung an dem unteren zweiten Molaren allerdings auch durch den örtlichen Reiz eindringender Speiseteile und ihrer stagnierenden Zersetzungsprodukte auf das lebhafteste gefördert worden, aber die Diagnose auf Alveolar- Pyorrhoe war durch die typischen Krankheitszeichen an anderen Zähnen gesichert. Das Röntgen- bild läßt den Alveolarschwund auch am zweiten Prämolaren besonders gut erkennen.

Daß auch für die Kontrolle technischer Maßnahmen bei der Behandlung der Alveolar-Pyorrhoe die Röntgenphotographie von Wert ist, lehren die Bilder 178—182. Dieselben sind von zwei Patienten gewonnen worden, welche mir Herr Zahnarzt Mamlok- Berlin vor und nach der Behandlung zur Aufnahme úberwies, Bild 178 zeigt die durch Drahtligatur provisorisch fixierten oberen Frontzähne, welche zum Teil jeglichen Halt im Knochen verloren hatten, und Bild 179 den gleichen Fall nach Herstellung einer Schienen- befestigung. Sämtliche Zähne waren trepaniert worden, so daß die Wurzelkanäle nach sorg- fältiger Vorbehandlung zur Aufnahme von Goldstiften dienen konnten, welche dann durch eine gemeinsame Goldspange untereinander und an den ersten Prämolaren fixiert wurden. Das erzielte Resultat war ein ausgezeichnetes.

Das Bild 182 gibt die Kontrolle über die Ausfüllung eines Perforationsdefektes, welcher bei der Vorbehandlung des unteren seitlichen Schneidezahnes entstanden war.

Kieferzysten. (Vgl. Tafel XIII.)

Gleich der chronischen granulierenden Periodontitis bieten die soliden bindegewebigen Granulome an den Zahnwurzeln und die Kieferzysten der Röntgendiagnostik die besten Voraus- setzungen dar, weil es sich auch hier um die Bildung eines Knochenhohlrauns handelt, welcher im Röntgenbilde einen deutlich ausgeprägten Schatten veranlassen muss. Textfigur 50 (Mikro- photogranım eines Präparates aus der Sammlung von Prof. Römer-Strassburg) stellt sehr an- schaulich die beiden Wurzelspitzen eines unteren Molaren dar, deren eine, rechts im Bilde, ein durch Abszedierung zerklüftetes bindegewebiges Granulom, die andere eine radikuläre Zyste trägt. Der Knochenschwund erfolgt durch Druckatrophie und setzt sich deshalb scharf gegen die gesunde Umgebung ab. Bei der eitrigen Periodontitis dagegen handelt es sich, wie bereits betont wurde, um eine entzündliche, bis zu völliger Einschmelzung der Spongiosa gesteigerte Osteoporose mit der Tendenz zu diffuser Ausbreitung. Die den Einschmelzungsherd umgebende Knochensubstanz ist deshalb weitmaschig, denn auch sie hat bereits den Wirkungen der rare- fizierenden Ostitis unterlegen. Die Verschiedenheit der pathologisch-anatomischen Vorgänge bedingt also auch den diagnostisch wichtigen Unterschied in den Röntgenbildern: der durch

den Krankheitsherd hervorgerufene Schatten ist bei Granulom- und Zystenbildung scharf 10*

Tafel XII, 175 u. 176

XII, 178— 182

Tafel XIII, 185— 187

XII, 184

XIII, 192

76 Kieferzysten.

begrenzt, bei der granulierenden Periodontitis mehr diffus verlaufend. Man vergleiche die Bilder 186 und 187 mit dem Bilde 185. Die beiden erstgenannten Bilder zeigen noch mehr. Sie lassen an der dunklen Begrenzungslinie des Einschmelzungsherdes erkennen, dass die Wand der Knochenhöhle dichter als der normale Knochen ist, dass also der Atrophie eine Sklerose vorangeht.

Das genannte röntgendiagnostische Kriterium bedarf aber einer Einschränkung, und zwar insofern, als die scharfe Begrenzung des Bildschattens positiv bezeichnend für Granulom oder Zyste ist, eine unscharfe Begrenzung aber nicht zur Deutung im negativen Sinne zwingt. Wir müssen uns überlegen, dass es von der Lage und Ausdehnung eines Zysten- hohlraums im Knochen abhängig ist, ob der Schattenrand im Röntgenbilde scharf sein kann. Wenn in der Durchstrahlungsrichtung vor oder hinter der Zystenhöhlenwand eine dickere Masse von Knochensubstanz gelegen ist, so muss dieselbe den Rand des Schattens unscharf machen. Immerhin ist aber auch in diesem Falle bei aufmerksamer Betrachtung ein Unter- schied zu konstatieren. Man vergleiche abermals das Bild 185 von einem Eiterungsherde am oberen seit- lichen Schneidezahn mit dem Bilde 188 von einer Zyste. Bei diesem letzteren Bilde ist zwar der Begrenzungs- rand des Schattens unscharf, aber deutliche Spongiosa- bälkchen sind in der Randzone nicht zu unterscheiden, im Gegensatze zu dem Bilde 185. Dies findet ja auch leicht seine Erklärung. Bei dem entzündlichen Einschmelzungsherde haben sich in der Peripherie noch Spongiosabälkchen erhalten und müssen deshalb im Röntgenbilde eine schärfere Zeichnung ergeben, | als wenn etwa die im Strahlengange vor der Rand- | 4 partie eines Zystenhohlraumes liegende Spongiosa

| erst durch diesen hindurchprojiziert wird. Jedenfalls

- ist bei einem Zystenbilde der Kontrast zwischen Hell

| a und Dunkel trotz Unschärfe der Begrenzungslinie

betriichtlich grósser als bei der eitrigen granulieren-

den Periodontitis, aber es gehört natürlich auch hier

ein wenig Übung und Blick dazu, die Bilddetails richtig zu sehen und zu deuten.

Die radikulären Zysten sind viel häufiger im Oberkiefer als im Unterkiefer zu be- obachten. Gehen sie von Prämolaren und Molaren aus, so können sie die vordere Wand, bezw. den Boden des Antrum gegen das Lumen der Oberkieferhöhle vordrängen. Einen solchen Fall zeigt das Röntgenbild (184) von einem Präparate. Die haselnussgrosse Zyste hatte sich an einer der Prämolarwurzeln entwickelt.

Eine Anzahl Bilder der Tafel XIII zeigt mehrere Wurzeln in dem Schatten des Zysten- hohlraums, so im besonderen das Bild 192. Es bedarf aber wohl kaum des Hinweises, dass nicht alle diese Wurzeln frei in die Knochenhöhle hineinragen, sondern nur durch die Bild- projektion so erscheinen. Da diese Zysten wohl ausnahmslos nur von einer Wurzel ausgehen und in Richtung des geringsten Widerstandes wachsen, so können sie allenfalls die Nachbar- wurzeln scheidenartig umgeben, aber so, dass die Blutzufuhr zu den Pulpen dieser Zähne erhalten bleibt. Dies geht aus den klinischen Befunden hervor; fast ausnahmslos werden selbst bei ausgedehnten radikulären Zysten die Nachbarzähne lebend gefunden, vorausgesetzt natürlich, dass ihre Pulpen nicht in der Folge von Karies oder des etwa stattgehabten früheren Traumas ebenfalls nekrotisch geworden sind.

Dass die Schattenbildung bei einer radikulären Zyste bald kreisrund, bald mehr oval oder von unregelmässig buchtiger, ja selbst zackiger Kontur gefunden wird, das dürfte

Abb. 50.

Kieferzysten. 17

von dem variablen Widerstande abhängig sein, welchen die Knochensubstanz der wachsenden Cyste entgegenstellt.

Als ein klinisches Zeichen für die Kieferzyste ist die Verdrängung benach- barter Zahnwurzeln betrachtet worden, welche sich in der sichtbaren Schiefstellung der zugehörigen Kronen kundgibt. Es unterliegt auch keinem Zweifel, dass solche Verdrängung eines Nachbarzahnes stattfinden kann, jedoch wohl nur, wenn durch das Wachstum der Zyste so viel Substanz des Alveolarknochens der Atrophie anheimgefallen ist, dass nur noch ein mehr oder weniger breiter Alveolenring den Zahnhals umgiebt, während der Grund der Alveole ge- schwunden ist. Wenn aber die Alveolenwand auch nur einseitig der Wurzel bis zur Spitze noch anliegt, so dürfte eine Verdrängung weniger leicht stattfinden.

Resorptionserscheinungen kommen an Zahnwurzeln mit Zysten kaum vor, was differential-diagnostisch zu beachten ist gegenüber der chronisch-eitrigen Periodontitis, Die Möglichkeit der Resorption tritt aber ein, wenn radikuläre Zysten durch hinzutretende Sepsis eitrig werden.

Unter den Ursachen für die Entstehung radikulärer Zysten ist Trauma besonders hervorzuheben. Es kann diese Diagnose mit einiger Sicherheit gestellt werden, wenn der ver- anlassende Zahn äusserlich intakt ist. Befunde dieser Art sind häufig.

Bild 192 ist die Aufnahme vom vorderen Unterkiefer eines jungen Mannes. Es hatte sich eine Cyste entwickelt, welche noch erheblich über die Begrenzung dieses Bildausschnittes hinausging. Die Aufnahme ist interessant, weil aus ihr nicht nur die Diagnose „Zyste“ gestellt, sondern auch der schuldige Zahn ohne weiteres erkannt werden konnte. Ja darüber hinaus liess sich auch Trauma als Ursache und der ungefähre Zeitpunkt des traumatischen Insultes ablesen. Die Diagnose wurde in diesem Falle vom Patienten in allen Punkten bestätigt. Der laterale Schneidezahn (im Bilde rechts) hat einen Defekt an der medialen Ecke der Schneide- kante, dies liess auf Trauma schliessen. Der Wurzelkanal und das Foramen apicale sind so weit, dass der Zahn zur Zeit des Traumas und der sich anschliessenden Pulpanekrose in seinem Wurzelteile noch nicht voll entwickelt war, was etwa dem neunten Lebensjahre entspricht. Die drei übrigen Schneidezähne haben bereits ziemlich enge Wurzelkanäle und ganz enge Wurzel- löcher, so dass hier die Pulpen lebend geblieben sein mussten.

Bild 193 zeigt eine grosse radikuläre Zyste, welche bei einem 35jährigen Manne, ebenfalls auf sicherer traumatischer Basis, entstanden war. Pat. war fünf Jahre früher nachts überfallen worden und hatte mit einem Schlagring einen Schlag gegen die rechte Mundseite erhalten. Der getroffene seitliche Schneidezahn war äusserlich intakt geblieben und wurde erst zum Zwecke der Behandlung trepaniert.

Follikuläre Zysten sind seltener als die radikulären. Sie gehen aus der zystischen Degeneration von Zahnfollikeln hervor oder können sich auch aus einem Epitheldepot ent- wickeln, welches sich von der Schmelzleiste im Kiefer erhalten hat.

Einen einschlägigen Fall stellt das Röntgenbild 197 dar. Bei dem neunjährigen Patienten war im Laufe eines Jahres über dem rechten Milcheckzahn eine schmerzlose haselnussgrosse und wenig eindrückbare Geschwulst entstanden, deren Zystencharakter klinisch unverkennbar war. Der Röntgenbefund konnte wohl nur als follikuläre Zyste, ausgehend von dem dislozierten bleibenden Eckzahne, gedeutet werden. Die Annahme, dass die Zyste sich von dem in der Resorption befindlichen Milcheckzahn aus als radikuläre entwickelt haben sollte, ist ganz unwahrscheinlich.

Die Frage, ob radikuläre oder follikuläre Zyste? ist aber schwerer in dem Falle Bild 196 zu beantworten gewesen. Hier hatte sich in langsamem Verlaufe eine Zysten- geschwulst im Unterkiefer in Gegend des zweiten Molaren entwickelt, nachdem dieser Zahn sechs Jahre früher extrahiert worden war. Das Röntgenbild zeigt den Überrest einer Zahn- wurzel an der Vorderwand der Zyste und einen fast horizontal gelagerten retinierten Weisheits- zahn von hinten her gegen den Zystenhohlraum vorragen. Für die Therapie ist die Genese

Tafel

XIII, 192

XIII, 193

XIII, 197

XIII, 196

Tafel XIII, 194

XII, 198— 200

78 Die Röntgenphotographie als Kontrollmittel usw.

dieser Zyste völlig belanglos gewesen, da die Entfernung sowohl des Wurzelrestes als auch des dritten Molaren indiziert war. |

Durch die Komplikation der klinischen Erscheinungen gewann der Fall einer Unter- kieferzyste hinter dem Weisheitszahne (Bild 194) ein erhöhtes Interesse.

Patientin hatte seit 2 Jahren in 8—6 monatlichen Abständen an Beschwerden gelitten, welche von dem durchbrechenden unteren Weisheitszahne ausgingen. Derselbe war nur mit dem vorderen Teile seiner Kaufläche frei geworden, während der hintere Teil noch von einem dicken Zahnfleischlappen bedeckt blieb. Wiederholte entzündliche Schwellung des Zahnfleisches und der Umgebung unter dem Bilde der Angina dentaria mit mässiger Kieferklemme war immer wieder zurückgegangen.

Am 6. Februar 1909 stellten sich im Anschluss ‘an eine leichte Halsentzündung abermals Schwellung und Schluckbeschwerden mit zunehmender Kieferklemme ein. Eine palliative Behandlung besserte den Zustand nicht; den Zähnen wurde damals eine Schuld nicht beigemessen. Die Beschwerden nahmen zu, die Schwellung im Bereiche des linken Kieferwinkels breitete sich am Boden der Mundhöhle nach vorn bis über die Mittellinie aus. Fiebertemperatur. Äussere Haut über und unter dem linken Unterkieferrande gerötet und glänzend. Die schwere phlegmonöse Entzündung bei der bestehenden starken Kieferklemme und die drohende Angina Ludovici machen einen chirurgischen Eingriff nötig.

6. März Operation. Exstirpation der Gland. submax. Die Schwellung und Kieferklemme nahmen daraufhin langsam ab, aber eine Auftreibung des Unterkiefers in Gegend des Weisheitszahnes blieb be- stehen, bezw. wurde erst jetzt konstatiert. Anderweitige Krankheitserscheinungen in der Mundhöhle fehlten, ausser einer mässigen Druckempfindlichkeit des Weisheitszahnes.

Die Röntgenaufnahme zeigt einen Einschmelzungsraum von halbkreisförmiger Ausdehnung hinter dem Weisheitszahne.- Die Kontur desselben ist ziemlich scharf begrenzt. Diagnose: Zyste. Nach Extraktion des Weisheitszahnes wird von der leeren Alveole aus die ganze Zystengeschwulst leicht herausgehoben.

Hier hat es sich also um zwei getrennte Krankheitsbilder gehandelt: eine harmlose Zyste und unabhängig davon eine schwere infektiöse Entzündung, welche von der Zahnfleisch- tasche über dem Weisheitszahne ihren Ausgang genommen hat.

Die follikulären Zysten erreichen bisweilen eine sehr beträchtliche Grösse, besonders im Unterkiefer. Sie können dann nicht mehr durch eine Filmaufnahme in ihrer ganzen Ausdehnung abgebildet werden und erfordern eine grössere Plattenaufnahme. Die beiden Tafeln XVI und XVII enthalten eine Reihe derartiger Bilder, welche an späterer Stelle be- sprochen werden sollen.

Resektion der Wurzelspitze.

Für die konservierende Behandlung eines Zahnes mit chronischer granulierender Periodontitis, Granulom oder Zyste kommt die Alveolartrepanation und chirurgische Beseitigung des Erkrankungsherdes in Betracht, wobei in vielen Fällen Abtragung der Wurzelspitze des veranlassenden Zahnes nach voraufgegangener Wurzelbehandlung angezeigt ist.

Das Réntgenbild kann hier eine schätzenswerte Kontrolle darbieten, wie aus den Bildern 198—200 ersichtlich ist. Bild 198 zeigt die unvollkommene facettenartige Abfräsung der Wurzelspitze, Bild 199 die glatte quere Abtragung derselben, allerdings auch die un- genügende Ausfüllung des Wurzelkanals, und Bild 200 den Zustand vier Monate nach der Wurzelspitzenresektion eines oberen Eckzahns, welcher chronisch periodontitisch gewesen war. Wir sehen hier vollkommene Ausheilung des Granulationsherdes und Regeneration der Spon- giosa; nichts deutet die frühere Knochenerkrankung mehr an.

Die Röntgenphotographie als Kontrollmittel vor und nach zahnärztlicher Behandlung. Nachweis von Behandlungsfehlern. (Vgl. Tafel XIV.) In der zahnärztlichen Praxis gewinnt die Röntgenphotographie eine stetig sich steigernde Bedeutung, weil sie nicht nur ein diagnostisches Hilfsmittel, sondern auch ein hervorragendes Kontrollmittel ist. Sie gibt Aufschluss über die Ausführung vieler Arbeiten technischer Art,

Die Röntgenphotographie als Kontrollmittel usw. 79

und hat oft überhaupt erst die Behandlungsmöglichkeit eines Falles zu entscheiden, um Miss- erfolgen vorzubeugen; kurz sie fördert die Planmässigkeit in der Therapie und setzt den Zahn- arzt in den Stand, die eigene Tätigkeit kritisch zu kontrollieren und den Ursachen nachzugehen, wenn der gewünschte Erfolg ausbleibt.

Wer die Schwierigkeiten kennt, welche sich beispielsweise einer Wurzelbehandlung entgegenstellen können und welcher Zahnarzt hätte sie nicht erfahren? —, wer die anato- mischen Verhältnisse der Wurzelkanäle, ihren Verlauf, die etwaige Enge bis zum Verschwinden des Lumens, die Möglichkeit einer gabeligen Aufteilung und manches mehr in all seiner erschwerenden Mannigfaltigkeit berücksichtigt, der wird nicht behaupten können, dass die schulgemässe Durchführung einer solchen Operation in jedem Einzelfalle technisch möglich sei und dass eine bedingungslose Gewähr für den Dauererfolg gegeben werden kann. Und handelt es sich gar um eine chronische Erkrankung an der Wurzelspitze eines Zahnes mit putrider Pulpa, ohne dass ein objektives oder subjektives Symptom darauf hinweist, wie stünde es da auch nach gründlichster und gewissenhaftester Wurzelbehandlung mit der. Zuverlässigkeit für die Zukunft? Das Röntgenbild macht uns sehend und kritisch, steigert unser diagnostisches Urteil und erhöht das Gefühl der Sicherheit über den momentanen Erfolg einer Operation hinaus.

In diesem Sinne ist auch eine gewisse Skepsis berechtigt gegenüber der Bewertung bestimmter Behandlungsmethoden auf Grund des zahlenmássigen Augenblickserfolges, Für ein abschliessendes Urteil beispielsweise über die Frage der Pulpaamputation oder der methodischen Imprägnierung von Pulpastümpfen nach Arsenapplikation wäre eine Kontrolle der behandelten Zähne auch nach Jahren nötig, und dafür tritt die Röntgen- photographie in ihre Rechte. Nicht als wenn ein sich dann ergebender höherer Prozentsatz von Misserfolgen gegen die angewendete Behandlungsmethode an sich sprechen müsste, aber es könnte erst auf diese Weise offenbar werden, wie weit die Praxis den theoretischen Be- dingungen für den Dauererfolg derselben gerecht geworden ist. So kann auch das Röntgen- bild zu einer Steigerung und Verfeinerung unserer Behandlungstechnik beitragen, welche ja oft die höchsten Anforderungen an die Subtilität der mechanischen Manipulationen stellt.

Dass die Röntgenphotographie aus allen angeführten Gründen auch einen ausser- ordentlichen pädagogischen Wert für den Unterricht erlangt hat, bedarf kaum der Erwähnung.

Die einschlägigen Bilder auf Tafel XIV sind zum Teil Aufnahmen von Fällen aus der klinischen Behandlung, zum Teil solcher, welche aus der privaten Praxis überwiesen wurden. Die meisten derselben bedürfen ausser der nebenstehenden Bilderklärung keiner näheren Beschreibung.

Unter den Behandlungsfehlern, zumal denjenigen, welche in der klinischen Behandlung als Folge von Ungeschicklichkeit und mangelnder Übung zur Beobachtung kommen, treten ungenügender zervikaler Randschluss an Füllungen und Fehler in der Wurzelbehandlung besonders hervor. Der Überschuss von Metallfüllungen, im Wurzelkanal abgebrochene Nadel- stücke oder Bohrerspitzen, Wurzelfüllungsmittel wie Guttapercha und Zementpasta sind wegen der kontrastscharfen Schattenbildung im Röntgenbilde leicht nachweisbar. Auch seitliche Per- foration einer Wurzel ist in der Regel deutlich zu sehen.

Paraffin im Wurzelkanal ist wegen der vollkommenen Durchlässigkeit für die Röntgen- strahlen unsichtbar, jedoch lässt es sich sichtbar machen, wenn man ihm Wismut beimischt. So war es in dem Falle Bild 216 geschehen, wo während der Behandlung (unter Cofferdam) die Kontrollaufnahme von einem oberen Caninus ausgeführt wurde. Das Bild zeigt, dass etwas von dem Füllungsmaterial durch die Wurzelspitze durchgepresst worden war.

Nadelstücke, welche an der Wurzelspitze abgebrochen und dann durch das Foramen hindurchgeschoben worden sind, können allmählich innerhalb der Knochenspongiosa ihre Lage verändern, besonders dann, wenn sich ein Eiterungsprozess etabliert und Granulationen sich bilden. Ein Beispiel dafür gibt das Bild 208. Hier wurden an der medialen Wurzel eines chronisch periodontitischen unteren ersten Molaren drei Nadelstücke gefunden und ausserdem ein viertes unterhalb der Wurzelspitze im Grunde des Erkrankungsherdes.

Tafel XIV, 216

XIV, 208

Tafel XIV, 217

80 Wurzelfraktur durch Trauma usw.

Áhnlich verhielt es sich in dem Falle, welchen das Bild 217 wiedergibt. Das abge- brochene Nadelstiick war hier um einige Millimeter seitlich von der Wurzelspitze abgewandert.

In diesem Falle bestand längere Zeit hindurch schmerzhafte Reizung an der Wurzelspitze eines oberen seitlichen Schneidezahns. Aus dem Wurzelkanale entleerte sich dúnnflússiger Eiter. Nach wieder- holter Behandlung waren die Beschwerden verschwunden, jedoch trat einige Monate später eine erneute

` schmerzhafte Schwellung auf. Die Röntgenaufnahme zeigte die besagte Nadelspitze ausserhalb der

XIV, 218

XIV, 219 u. 220

XV, 221

XV, 222

Wurzel. Das Zahnfleisch wurde aufgeklappt, der Alveolarfortsatz trepaniert und der Erkrankungsherd freigelegt. Aus demselben wurde ausser der Nadelspitze noch ein Wattefaden herausgeholt, welcher bei einer früheren Behandlung durch den ganzen Wurzelkanal hindurchgeschoben sein musste. Baldige Heilung nach der kleinen Operation. (Bezúglich der Deutung der beiden dunklen Dreiecke in der linken Hälfte des Bildes vgl. Seite 55.)

Die diagnostische Unklarheit wurde auch in einem anderen Falle durch das Röntgen- bild (218) beseitigt.

Der ca. 50 Jahre alte Patient litt seit Monaten an schmerzhafter Alveolarschwellung über dem äusserlich intakten J?. Das Röntgenbild zeigt einen chronischen Granulationsherd um die Wurzelspitze.

Trepanation des Zahnes, Wurzelbehandlung, Aufklappung des Zahnfleisches, Auskratzung des Erkrankungsherdes mit dem scharfen Löffel, Resektion der Wurzelspitze, Ausfúllung des Wurzelkanals mit Guttapercha, welche an der Resektionsfläche der Wurzel von augsen geglättet wurde.

Nach einigen Monaten ist abermals Schwellung an der betreffenden Stelle aufgetreten. Die neue Röntgenaufnahme (vgl. Bild 118) zeigte über der Wurzelspitze einige dunkle Pünktchen, welche als Guttaperchapartikelchen gedeutet wurden. Abermalige Aufklappung des Zahnfleisches und erneute Auskratzung des Krankheitsherdes brachten Heilung.

Die Bilder 219 und 220 illustrieren die Durchpressung von Wurzelfüllpasta durch den Perforationskanal an einem oberen Eckzahne und die Beseitigung der durchgepressten Masse auf operativem Wege von aussen her.

Wurzelfraktur durch Trauma, Replantation, Fremdkörper im Antrum, Kontroll-

aufnahmen bei Zahnregulierungen. (Vgl. Tafel XV.)

Bei der traumatischen Wurzelfraktur gehen die Dinge, wenn sie sich selbst überlassen bleiben, gewöhnlich so, dass das grosse Frakturstück an der Krone sich allmählich aus dem Kiefer heraushebt und locker wird. Die Ursache dafür ist eine Granulationsbildung, welche sich in den Frakturspalt vorschiebt und die Bruchstiicke mehr oder weniger weit auseinander drängt. Schmerzen brauchen damit nicht verbunden zu sein, können sich aber in der Folge einstellen, wenn der Zahn durch den Kaudruck jedesmal aus seiner Position gedrängt wird und Zerrung und Pressung der Umgebung veranlasst. Eine Infektion vom freien Zahnfleisch- rande her kann leicht hinzutreten.

Einige Fälle mögen kurze Beschreibung finden:

Patientin, ein 16jähriges Mädchen, war auf der Strasse von einem Rollschuhläufer umgestossen worden und schlug mit dem Oberkiefer auf die Bordschwelle. Die Kronen beider mittlerer Schneide- zähne brachen ab, nach Ausweis des Röntgenbildes hatte der linke Schneidezahn ausserdem eine Wurzel- fraktur erlitten.

Die freiliegende Pulpa wurde exstirpiert und ein Metallstift eingefügt, welcher beide Fraktur- stücke gegeneinander fixieren und in Position erhalten sollte. Acht Tage später hatte sich die fraktu- rierte Wurzel ein wenig gehoben, war locker und empfindlich geworden. Die neue Röntgenaufnahme (vgl. Bild 221) zeigte einen 2 mm breiten Spalt zwischen den Frakturstücken, was darauf schliessen liess, dass der eingefügte Stift keinen genügenden Halt in dem unteren Wurzelstück gefunden hatte. Die ab- gebrochene Wurzelspitze wurde dann von aussen entfernt.

Bild 222. Ein 12jábriger Schulknabe wurde mir von einem Kollegen mit folgender Krankengeschichte zur Róntgenaufnalme überwiesen.

Patient erlitt durch Aneinanderlaufen mit einem Mitschüler eine Fraktur des oberen Alveolar- fortsatzes, wobei der rechte mittlere Schneidezahn aus der Alveole herausgeschlagen wurde. Der Zahn selbst war schräg frakturiert und die Wurzelspitze in der Tiefe der Alveole zurückgeblieben. Die beiden

Warzelfraktur durch Trauma usw. 81

Nachbarn stark gelockert und disloziert. Dieselben wurden wieder in ihre Stellung gedriickt und der ausgeschlagene Schneidezahn replantiert, nachdem die heraushängende Pulpa exstirpiert und der offene Wurzelkanal von der Frakturfläche her mit Zement ausgefüllt worden war. Retentionsverband während sieben Tage. Nach dieser Zeit sämtliche Zähne eingeheilt. Nur der replantierte Zahn zeigt noch etwas Lockerung. Der linke mittlere Schneidezahn wurde später von der palatinalen Kronenfläche aus trepaniert. Die Pulpa schien nur teilweise zerfallen zu sein, aus der Tiefe des Wurzelkanals trat noch Blutung hervor. Reinigung, Sterilisierung und äusserer Abschluss dieses Zahnes. Nach einem Jahre abermalige Eröffnung, und wieder trat Blut aus dem Wurzelkanale hervor. Schmerzen waren in der Zwischenzeit aber nicht aufgetreten.

Zur Klärung der Verhältnisse wurde um Röntgenaufnahme ersucht.

Dieselbe (vgl. Bild 222) zeigte Fraktur auch dieses Zahnes und gab damit schnellen Aufschluss über die Ursache der Blutung. Der Frakturspalt hatte sich verbreitert, die stark vaskularisierten neuen Knochenmarksgranulationen füllten ihn aus und wurden bei der Sondierung des Kanals verletzt.

2!/, Jahre später: Der replantierte rechte Schneidezahn (im Bilde 222 links) ist 2 mm weiter aus der Alveole herausgetreten und etwas locker. Der Frakturspalt hat sich um ebensoviel erweitert. Der andere Schneidezahn steht vollkommen fest und ist nicht aus der Alveole herausgetreten, aber und das ist hier sehr bemerkenswert der Frakturspalt hat sich bis auf 6,4 mm verbreitert, indem die frakturierte Wurzelspitze durch die Granulationen des Knochenmarks mehr und mehr in die Tiefe des Kiefers hineingedräugt wurde. Dies war ein überraschender Befund, welcher sich nur so erklärt, daß der Boden der Alveole die Stelle des geringeren Widerstandes gewesen ist gegenüber der Festigkeit, mit welcher das große Frakturstück von der Wurzelhaut gehalten wurde.

Leider konnte diese neueste Röntgenaufnahme des interessanten Falles nicht mehr in die Tafel aufgenommen werden.

Es geht jedenfalls aus den Beobachtungen hervor, daß bei einer Wurzelfraktur der Frakturspalt durch Granulationen sich verbreitert, indem das eine oder andere Frakturstück aus seiner Position verdrängt wird, und daß demgemäß für die konservierende Therapie die Forderung entsteht, nach Trepanation des Alveolarfortsatzes von außen her die frakturierte Wurzelspitze zu entfernen.

So geschah es auch in einem anderen Falle, welchen die beiden Bilder 223 und 224 illustrieren.

Patient, ein Herr in den fünfziger Jahren, war bei der Berliner Hochbahnkatastrophe ver- unglückt, und erlitt dabei eine schwere Kopf- und Gesichtsverletzung. Etwa °|, Jahr später war der linke mittlere Schneidezahn periodontitisch geworden, hatte sich aus der Alveole herausgehoben, war locker und schmerzhaft. Das Röntgenbild (228) zeigt Wurzelfraktur mit 4 mm breitem Frakturspalt (und ala Nebenbefund zwischen den Wurzeln der mittleren Schneidezähne einen retinierten überzähligen Zahn). Patient war Herrn Kollegen Williger zur chirurgischen Behandlung überwiesen worden. Der Zahn wurde trepaniert, der Wurzelkanal gereinigt und ausgefüllt, die Wurzelspitze von außen entfernt, worauf schnelle Besserung und erneute Funktionsfähigkeit des Zahnes eintrat.

Replantation der Zähne.

Für die Replantation der Zähne kommen vorwiegend zwei Indikationen in Betracht, nämlich die komplete traumatische Luxation und die chronische Periodontitis, wenn sie nicht vom Wurzelkanale aus behandelt werden kann, und für deren chirurgische Behandlung große Schwierigkeiten vorliegen. Das letztere ist häufig bei Molaren der Fall, aber auch bei oberen Prämolaren, wenn bei räumlich großer Ausdehnung des Antrum die künstliche Eröffnung des- selben zu befürchten wäre. Dem Röntgenbilde fällt dabei die Aufgabe zu, einerseits die Indi- kation für die etwaige Extraktion und Replantation festzustellen und anderseits zur Kontrolle über den Einheilungsprozeß des Zahnes und den Heilverlauf der Knochenerkrankung zu dienen. Das Vorgehen bei der Operation hat natürlich die Forderungen aseptischer Kautelen streng zu erfüllen. Der Zahn wird extrahiert, in der Hand behandelt, wobei er mit einem sauberen, von physiologischer Kochsalz- oder Wasserstoffsuperoxydlösung durchtränkten Leinwandläppchen ge- halten wird, die Wurzelkanäle werden sterilisiert und nach Abtragung der kranken Wurzel-

spitze gefüllt. Gegebenenfalls werden enge Wurzelkanäle von der Wurzelspitze her mit dem Dieck, Anatomie und Pathologie der Zähne und Kiefer im Réntgenbilde. 11

Tafel XV, 223 u. 224

Tafel

89 Wurzelfraktur durch Trauma usw.

Bohrer erweitert und auch von hier aus mit Guttapercha, Zementpasta oder Elfenbeinstiftchen geschlossen, wie sie von Schröder zur Wurzelfüllung empfohlen worden sind. Letzteres ver- dient hier den Vorzug, weil in Rücksicht auf die Möglichkeit späterer Resorptionserscheinungen an den Wurzeln des replantierten Zahnes das Elfenbein mitresorbiert werden würde, während eine nicht resorbierbare Substanz wie Guttapercha übrig bleiben müßte und einen Reiz auf den Knochen ausüben könnte.

XV, 226-232 Es sei auf die einschlägigen Fälle von Replantation (Bild 226—232 der Tafel XV)

XV, 229

XV, 238

XV, 234

hingewiesen. In dem zur röntgenologischen Feststellung der Verhältnisse mir überwiesenen Falle (Bild 230—232) handelte es sich um eine chronische Periodontitis mit Fistelbildung an einem ersten unteren Molaren. Die Aufnahme (230) zeigte einen ziemlich großen Erkrankungs- herd an der medialen Wurzel. Bei dem Versuche der künstlichen Erweiterung eines der beiden Kanäle dieser Wurzel hatte der behandelnde Kollege eine seitliche Perforation bewirkt und Patientin zu einer neuen Aufnahme veranlaßt (Bild 231). Vor derselben hatte ich eine feine Nadel durch den Perforationskanal geschoben, um den Verlauf desselben im Bilde deutlich zu markieren. Da eine Heilung des Falles durch die Wurzelbehaudlung allein aussichtslos erscheinen mußte, so wurde die Extraktion des Zahnes, Abtragung Jer erkrankten Wurzelspitze, Füllung der Wurzelkanäle und des äußeren Defektes und Replantation vorgenommen, nachdem der Erkrankungsherd von der leeren Alveole aus mit dem scharfen Löffel gründlich ausgekratzt worden war. Die Kontrollaufnahme (Bild 232) erfolgte zwei Monate später und zeigt das schöne Resultat der Operation. Der von den krankhaften Granulationen ausgefüllt gewesene Knochenhohlraum lässt bereits die Regeneration des gesunden Knochengewebes erkennen.

Von Interesse ist auch das Bild 229, weil hier mehrere Jahre nach der Replantation eines durch Fall ausgeschlagenen mittleren Schneidezahns die ziemlich weit vorgeschrittene Resorption der Wurzel eingetreten war. Den kleinen dreieckigen Schatten seitlich von der Wurzelspitze des lateralen Schneidezahns konnte ich nur so deuten, dass es sich um die bei dem Trauma frakturierte Wurzelspitze dieses Zuhnes gehandelt hat, Bei der nachfolgenden und im Bilde erkennbaren Schrägstellung des Zahnes hatte derselbe dann die Verschiebung gegen die abgebrochene Wurzelspitze erfahren.

Die Prognose für die replantierten Zähne ist bereits Seite 59 kurz erörtert worden, und es kann darauf zurückverwiesen werden.

Fremdkörper im Antrum

lassen sich durch das Röntgenbild unschwer feststellen, vorausgesetzt, daß sie einen genügenden Dichtigkeitsunterschied gegen die Umgebung darbieten. In Betracht kommen in erster Linie Zahnwurzeln, welche bei einem Extraktionsversuche in das Antrum hineingeschoben worden sind. Ein solches Beispiel illustriert Bild 233.

Dass auch ein Glasstab im Antrum noch mit genügendem Kontrast sichtbar gemacht werden kann, lehrt die Röntgenaufnahme 234.

Es handelte sich hier um einen Fall von Antrum-Empyem. Das Antrum war von der leeren Alveole des ersten Molaren aus trepaniert worden. Die Trepanationsöffnung wurde längere Zeit durch einen kurzen Glasstab mit knopfförmiger Verdickung zum Zwecke der Irrigierung der Oberkieferhóhle freigehalten. Beim Kauen war dieser Glasstab heruntergeglitten und der Knopf desselben abgebrochen. Der Patient schob ibn aber unvorsichtigerweise wieder zurück, und zwar bis in das Antrum hinein.

Für den röntgenologischen Nachweis von Antrumerkrankungen liegen Schwierig- keiten vor, welche zum Teile durch die topographische Lage der Oberkieferhöhle, zum Teile dadurch bedingt sind, daß bei pathologischen Zuständen der Schleimhaut und bei Empyem die Voraussetzungen für genügende Kontraste im Röntgenbilde fehlen.

Wurzelfraktur durch Trauma usw. 83

Zysten, welche die Wand des Antrum in das Lumen desselben vordrängen, können allerdings in der Regel leicht nachgewiesen werden.

Dasselbe gilt von den Lagebeziehungen der oberen Molarwurzeln zum Boden des Antrum. Diese Beziehungen sind ja diagnostisch wichtig, wenn es sich um die Frage des dentalen Ursprunges einer klinisch festgestellten Antrumerkrankung handelt. Freilich muss zur Vermeidung von diagnostischen Irrtümern noch einmal an das bereits früher Gesagte (vergl. Seite 53) erinnert werden.

Die Kiefer- und Zahnregulierung

findet in der Röntgenphotographie eine wertvolle Unterstützung, ja sie ist in manchen Fällen direkt auf den Röntgenbefund angewiesen.

Sind noch Milchzähne vorhanden, oder sind sie gar über ihre normale Zeit hinaus stehen geblieben, so ist der Nachweis unentbehrlich, ob die bleibenden Zähne gebildet und wie sie gelagert sind. Im besonderen ist diese Frage für die oberen Eckzähne von Bedeutung, welche ja relativ häufig retiniert und disloziert sind. Handelt es sich bei diesem Zahne um etwaige künstliche Einregulierung, so ist das Röntgenbild schon gar nicht zu entbehren, weil die Möglichkeit einer solchen . Behandlung und die technischen Massnahmen dafür von der

Lagerung des Zahnes abhängig sind. Einen einschlägigen Fall boten die Bilder 79—81 der Tafel

Tafel VI dar.

Auch zur Kontrolle über die Einstellung noch nicht durchgebrochener Zähne während der Regulierungszeit gibt das Röntgenbild erwünschten Aufschluß. Zu solchem Zwecke war die Aufnahme 236 gemacht worden.

Die Unentbehrlichkeit des Röntgenbildes beweisen aber solche Fälle, in denen ein Zahn reguliert werden soll, welcher entweder die beabsichtigte Bewegung im Kiefer unmöglich machen kann, oder doch wenigstens ganz bestimmte technische Massnahmen erheischen würde. Bei Bild 235 sehen wir einen oberen lateralen Schneidezahn, welcher eine schiefe Stellung hatte und an seinen normalen Platz gebracht werden sollte. Die Regulierung bot aber Schwierig- keiten dar, und die Aufnahme gab die Erklärung in der Krümmung der Wurzel, welche jede Achsendrehung des Zahnes auf das äußerste erschweren mußte.

Als geradezu unmöglich mußte das Bild 15 auf Tafel I die beabsichtigte Regulierung erscheinen lassen. Hier war ein halb retinierter mittlerer oberer Schneidezahn 90° um seine Achse gedreht, mit der labialen Kronenfliche nach distal gerichtet. Der Zahn sollte in normale Position gebracht werden, und es wurde nur überlegt, ob mit der Zange auf dem Wege des sogenannten „Redressement forcé“ oder durch allmählich wirkende Kräfte. Zur Sicherheit aber wurde das Kind zur Röntgenaufnahme überwiesen, welche eine fast rechtwinklige Knickung der Wurzel nach der labialen Seite des Zahnes erkennen liess. Die Regulierung dieses Zahnes war also unausführbar. Wäre ein Redressement forc& versucht worden, so hätte der einzige Erfolg die Wurzelfraktur sein können; hätte man die allmähliche Regulierung vorgenommen, so wäre im günstigsten Falle die stark gekrümmte Wurzel an der labialen Seite des Alveolar- fortsatzes durch das Zahnfleisch zum Vorschein gekommen, wenn der Nachbarzahn diese Dreh- bewegung überhaupt zugelassen hätte,

Von grösstem praktischen Werte, auch im eigenen Interesse des Behandelnden, kann das Röntgenbild sein, wenn sich unter den zu regulierenden Zähnen einer mit nekrotischer Pulpa befindet. Es ist ja gar nichts Besonderes, daß infolge eines Traumas die Pulpa eines Frontzahnes abstirbt und daß sich in der Folgezeit ein chronischer Erkrankungsherd, Zyste oder granulierende Periodontitis entwickelt, ohne dass subjektive oder objektive Anzeichen dafür vorhanden sind. Wird ein solcher Zahn bei der Kieferregulierung mechanisch stark be- ansprucht, so wären akute Erscheinungen leicht zu erwarten und könnten dann etwa als die Folge einer unsachgemäßen Behandlung beurteilt werden.

11”

VI, 79—81

XV, 236

XV, 235

Tafel XVI, 248

XVI, 289

XVI, 237

84 Kieferfrakturen, groBe Kieferzysten, luetische u. karzinomatóse Kiefererkrankung im Róntgenbilde.

Kieferfrakturen, grosse Kieferzysten, luetische und karzinomatóse Kiefererkrankung im Rontgenbilde.

(Vgl. Tafel XVI und XVII)

Zur röntgenphotographischen Darstellung von Kieferbrüchen und Kiefererkrankungen mit großer Ausdehnung reicht die Filmaufnahme nicht mehr aus. Schon die Wiedergabe eines Unterkieferstückes in seiner ganzen Höhe gelingt nur ausnahmsweise. Die tiefe Appli- kation des Film im Munde findet ihre natürliche Grenze in der beschränkten Nachgiebigkeit des Mundhöhlenbodens und Toleranz des Patienten. Bisweilen gelingt aber die Abbildung des Unterkieferrandes, wenn man eine Höhenverkürzung mit in den Kauf nehmen will und die Strahlenrichtung schräg von unten auf die senkrechte Achse des Kiefers wählt.

Eine solche Aufnahme gibt das Bild 248 von einer Fraktur des Unterkiefer-Mittel- stückes wieder. Die Frakturlinie verläuft aus dem Zwischenraume des lateralen Schneide- zahnes schräg nach hinten abwärts. (Der dunkle Fleck im Bilde ist ein Plattenfehler.) Die Zähne sind bei dieser Aufnahme verkürzt, jedoch tut das dem diagnostischen Werte des Bildes keinen Abbruch.

Für Kieferbilder größerer Ausdehnung müssen Plattenaufnahmen außerhalb des Mundes gewählt werden. Die Technik derselben wurde im ersten Teile dieses Buches bereits erörtert. Daß je nach Lage des zu photographierenden Kieferteiles Projektionsfehler nicht immer vermieden werden können, ergibt sich aus der zu wählenden Strahlenrichtung; es ist aber die Aufgabe der Aufnalımetechnik, dieselben nach Möglichkeit einzuschränken.

Grundsatz sollte immer sein, den diagnostisch wichtigsten Kieferteil frei von Über- schattung abzubilden, und das ist beim Unterkiefer ja auch in der Regel erreichbar.

Daß aber gegebenenfalls auch die quere Durchleuchtung beider Unterkieferhälften ein diagnostisch klares Bild ergeben kann, zeigt die Aufnahme des Kieferbruches Bild 239. Die der Platte anliegende Kieferseite wird natürlich schärfer abgebildet als die andere, im Strahlenwege liegende, nur darf man keinen Anspruch auf genügend scharfe Strukturdetails der Knochensubstanz machen. Das genannte Bild bietet einiges Interesse dar.

Pat., ein etwa 50jähriger Arbeiter, hatte den Kieferbruch 3 Jahre früher durch den Schlag einer Wagendeichsel erlitten, ohne sich einer Behandlung zu unterziehen. Er gewöhnte sich wieder an den Gebrauch des Unterkiefers trotz der Behinderung beim Kauen. Die Kieferbewegung erfolgte auf der gesunden Seite normal im Gelenk, auf der kranken jedoch in dem schräg nach hinten verlaufenden Bruchspalte, während das hintere Bruchstück fast ganz immobil blieb. Die Folge war, daß die ursprüng-

lich scharfen Ecken der Frakturflichen am unteren Kieferrande durch gegenseitige Reibung und Druck- wirkung resorbiert und abgerundet wurden.

Bild 237: Ostitis mandibulae nach Extraktion des Weisheitszahnes, Se- questrierung und Spontanfraktur.

Krankengeschichte: Pat., ein 2öjähriger Ingenieur, ließ sich Anfang März 1910 den linken unteren Weisheitszahn wegen heftiger Schmerzen entfernen. Am Tage darauf starke Schwellung der Weichteile und Kieferklemme. Von dem behandelnden Zahnarzte wurde ein breiter Schnitt im vestibulum oris von der Extraktionsstelle bis zur Mittellinie geführt und eine Menge Eiter entleert. Tamponade, in den nächsten Tagen Besserung.

19. III. Übergang der Ostitis über die Mittellinie, Schwellung am Mundboden um die rechte Gland. submax. herum. Temperatur 388. Die Zähne der linken Seite vom mittleren Schneidezahn bis zum zweiten Prämolaren locker, am stärksten der Eckzahn, Lippe dieser Seite anästhetisch.

23. III. In Narkose Eröffnung eines stinkenden Abszesses in- der rechten Regio submaxillaris.

11. IV. Inzisionswunde geschlossen, dagegen auf der linken Seite zweiter Prämolar stark ge- lockert und fällt am nächsten Tage spontan aus.

19. 1V. Nachweis eines gelösten Sequesters in Gegend des Eckzahns und ersten Prämolaren. Leitungsanästhesie, Entfernung des Sequesters mit Einschluß der beiden genannten darin haftenden Zähne, Feststellung der Kontinuitätsunterbrechung des Kiefers. Anfertigung einer Gleitschiene rechte. Röntgenaufnahme (Bild 237).

Kieferfrakturen, große Kieferzysten, luetische u. karzinomatöse Kiefererkrankung im Röntgenbilde 85

28. V. Stellung des Kiefers normal, infolge der Bildung einer Totenlade abnorme Beweglich- keit nicht mehr vorhanden. An der Bruchstelle weitere Sequesterbildung nachweisbar. Vorläufig wird die Festigung der Totenlade abgewartet.

Einen gleichfalls schweren phlegmonösen Prozeß hatte der untere Weisheitszahn in einem anderen Falle veranlasst. Röntgenbild 241.

Museumsaufseher K., 58 Jahr, erkrankte mit heftigen Schmerzen, starker Schwellung und Kieferklemme am Unterkiefer rechts. Der zweite Molar wurde wegen tiefer Zerstörung und im Ver- dachte der Ursache extrahiert; die Entzündung ging jedoch weiter, und es bildete sich eine schwere perimaxilläre Phlegmone. Überweisung an die chirurgische Abteilung des Zahnärztlichen Institutes.

Eröffnung des Abszesses in Narkose, Entleerung jauchigen Eiters. Kieferklemme und Eiterung bestehen weiter. Die Röntgenaufnahme ergibt das Vorhandensein eines medial tiefkariösen Weisheits- zahnes, welcher bisher nicht entdeckt worden war. Auch jetzt machte es noch Schwierigkeiten, ihn zu finden, da er vollständig von anscheinend unversehrter Schleimhaut überlagert war. Erst nach Auf- klappung derselben konnte er gefasst und entfernt werden. Darauf baldige Heilung.

Plattenaufnahmen großer Kieferzysten.

Besondere Größe erreichen oft die follikulären Zysten und zystisch entarteten Adamantinome, seltener die radikulären Zysten. Sie sind häufiger im Unterkiefer als im Oberkiefer zu finden und nehmen ihren Ausgang von einem Zahnfollikel oder einem aus der Schmelzleiste stammenden Epitheldepot. Das Fehlen eines Zahnes in der normalen Zahnreihe ist diagnostisch zu beachten.

Die Tafeln XVI und XVII bringen eine Anzahl einschlägiger Fälle.

Bild 288: Große Unterkieferzyste, welche von der Wurzel des ersten Molaren bis an den unteren und hinteren Rand des Kieferwinkels reicht. Da der Weisheitszahn weder in der Zahnreihe vorhanden, noch extrahiert worden, noch auch im Kiefer retiniert ist, so kann sie hervorgegangen sein aus der weichen Keimanlage dieses Zahnes oder noch früher aus dem hinteren Ende der Schmelzleiste.e Die Entwickelung der bleibenden Molaren geht bekanntlich so vor sich, daß die epitheliale Schmelzleiste, die Matrix der Milchzahn- und Ersatzzahnkeime nach hinten in den Kiefer sich verlängert und nacheinander die Keime dieser Zähne entstehen läßt, denjenigen des ersten Molaren schon im Fötalleben, des zweiten erst nach der Geburt, und des Weisheitszahnes sogar erst um das vierte Lebensjahr. Die Entwickelung jedes fol- genden Molaren geht erheblich langsamer vor sich als die des vorher erscheinenden; der Weisheitszahn benötigt die längste Zeit; es wäre daher wohl verständlich, wenn auch Ent- artungen seines Keimes sich langsamer vollziehen als bei anderen Zähnen, welche normaler- weise einen schnelleren Entwickelungsgang haben. Das ist aber keine Regel; Gegenbeispiele sind nicht selten.

Bild 247 stellt eine große in der Längsrichtung 6 cıı messende Zyste dar, welche von der Wurzel des ersten Molaren über den Kieferwinkel bis in den aufsteigenden Ast hinaufreicht. Inmitten derselben befindet sich der retinierte Weisheitszahn, und zwar in voll- kommen transversaler Lage, so daß er in axialer Richtung durchstrahlt wurde. Der zweite Molar fehlt auf dieser Kieferseite. Ob er nie vorhanden oder bereits extrahiert worden war, darüber liegen keine Angaben vor.

Daß solche Unterkieferzysten ziemlich hoch in den aufsteigenden Ast sich ausdehnen können, ohne eine wesentliche Volumvergrößerung dieses Kieferteiles zu veranlassen, mag auf der größeren Resistenz der Kortikalis beruhen. Einen derartigen Fall zeigt Bild 251. Die Zyste hatte auch hier ihren Ausgang in der Gegend des dritten Molaren genommen und war von dieser Stelle aus operiert worden. Die Aufnahme wurde quer durch die weit geöffnete Mundhöhle gemacht und läßt erkennen, daß der Zystenhohlraum bis fast in die Höhe des Unterkieferhalses sich ausgedehnt hat. Der breite strichförmige Schatten in der linken Ecke des Bildes rührt von einem Metallspatel her, mit welchem während der Aufnahme die Zunge heruntergedrückt wurde.

Tafel XVI, 241

XVI, 238

XVII, 247

XVII, 251

Tafel XVII, 248 u. 249

XVI, 242a u. b

86 Kieferfrakturen, große Kieferzysten, luetische u. karzinomatöse Kiefererkrankung im Köntgenbilde.

Die radikulären Zysten gewinnen in der Regel nicht die große Ausdehnung der folli- kulären, können aber immerhin recht beträchtlich groß werden, wie aus dem Bilde 250 her- vorgeht. In diesem Falle war die Zyste von einer Prämolarwurzel des Unterkiefers ausge- gangen, welche sich fast horizontal auf das Zahnfleisch umgelegt hatte. Diese Verdrängung aus der ursprünglich vertikalen Position mochte die Wurzel durch die Zyste selbst erfahren haben, nachdem der Knochenschwund bis zum Kamm des Alveolarfortsatzes vorgeschritten war. Die Aufnahme wurde leider erst nach Entfernung dieser Wurzel gemacht.

Einen röntgenologisch recht schönen Fall von multilokulärem Kystom des rechten Unterkiefers bei einem 19jährigen Mädchen stellen die beiden Aufnahmen 248 und 249 dar.

Die Geschwulst wurde seit zwei Jahren wahrgenommen und war langsam und schmerzlos ge- wachsen. In dieser Zeit wurden zwei Zähne so locker, daß sie entfernt werden mußten. Vorbanden waren auf der rechten Kieferseite die Zähne bis zum ersten Priimolaren einschließlich, und hinten noch ein ebenfalls schon gelockerter Molar, welcher wohl als der dritte anzusehen ist. Der Tumor ist hier und da von einer eindrückbaren dünnen Knochenlamelle bedeckt, an anderen Stellen jedoch weich und läßt Fluktuation fühlen.

Operation: Halbseitige Exartikulation bis zum Caninus und Immediat-Prothese mit Schröder- scher Schiene. Der Plattenaufnahme 248 ist in dem Bilde 249 eine Filmaufnahme vom Munde her gegen- übergestellt, welche eine etwas schirfere Kontrastzeichnung in den Details erkennen läßt, auch den Unter- kieferrand noch zur Darstellung gebracht hat, im übrigen aber naturgemäß nicht die ganze Zyste hat abbilden können. '

Einen recht bemerkenswerten anatomisch-pathologischen Befund von einer großen zahntragenden Oberkieferzyste, welche das ganze Antrum ausgefüllt hatte, stellen die beiden Bilder 242a und b dar. Der Fall war seinerzeit in der chirurgischen Abteilung des Berliner Zahnärztlichen Institutes zur Beobachtung gekommen und wurde von dem damaligen Assistenten der Abteilung, Zahnarzt Wobersin operiert, welcher mir den Zysteninhalt freund- lichst zur Verfügung stellte.

Pat., eine etwa 45jährige Frau, hatte ich Gelegenheit bald nach der Operation zu sehen und konnte außer einer Vorwölbung der fazialen Kieferwand mäßigen Exophthalmus der betreffenden Seite konstatieren, ein Beweis dafür, daß die Antrumzyste auch den Boden der Orbita nach aufwärts verdrängt hatte. Die Operation wurde von der Fossa canina aus vorgenommen und das ganze Antrum ausgeräumt. Der Inhalt bestand in teilweise isoliert

. liegenden bzw. nur durch Weichteile gehaltenen, teilweise von kompakten Knochenstücken um-

XVII, 245

schlossenen massenhaften Zahnbildungen.

Bild 242a ist die einfache Photographie dieses Zysteninhaltes, während 242b das Röntgenbild desselben darstellt. Eine Anzahl dieser Zahnbildungen waren Zähne en miniature, welche deutlich eine mit Schmelz versehene Krone und einen Wurzelteil unterscheiden ließen. Viele stellten jedoch nur Dentinstücke variabler Gestalt dar, hier und da von Zementmasse bedeckt. Die Größe ist außerordentlich verschieden und schwankt zwischen einem Zentimeter und Bruchteilen von Millimetern. Außerden: fand sich Kalkgries vor.

Karzınom des Unterkiefers

stellen die beiden Röntgenbilder 244 und 245 dar, ersteres primäres Karzinom, das andere Karzinom-Metastase. Die Bilder zeigen neben der Destruktion des Knochengewebes hier und da sklerotische Herde geringen Umfanges. Neben der vorwiegend zerstörenden Wirkung des karzinomatösen Prozesses geht also auch Knochenneubildung einher.

Der Fall (Bild 245) war von vornherein klinisch nicht ganz klar, die Diagnose wurde aber durch das Röntgenbild und auf Grund der Vorgeschichte gesichert.

Patient, 46jähriger Arbeiter, wurde nach seinem Berichte drei Jahre früher von einem nahe der

rechten Kommissur sitzenden Lippenkarzinom durch keilförmige Exzision befreit. Ein Jabr später wurde ein Rezidiv durch Totalexstirpation der Unterlippe mit nachfolgender Lippenplastik beseitigt. Dann

Kieferfrakturen, große Kieferzysten, luetische u. karzinomatöse Kiefererkrankung im Röntgenbilde. 87

war er zwei Jahre lang frei von irgendwelchen neuen Krankheitserscheinungen. Vor drei Monaten begann eine Anschwellung der linken Unterkieferdrüse mit allmählicher Vergrößerung des Tumors. Darauf ent- wickelte sich Kieferklemme mäßigen Grades mit Erschwerung der Nahrungsaufnahme und zeitweils reiBenden Schmerzen, welche in die Gegend der Molaren und ins Ohr ausstrahlten.

Diagnose: Linksseitige Periostitis mandibulae mit dentalem Ursprunge. Überweisung in die chirurgische Abteilung des Zahnärztlichen Institutes.

Befund: Blasser, leidend aussehender Mann, Narben in der rechten Unterlippengegend, enge Mundöffnung, rechts kleine Lymphdrüsen fühlbar, links dagegen ein größeres Paket harter und druck- empfindlicher Submaxillardräsen mit dem Kieferrande verlötet. Buccalwärts auf dieser Seite, vom zweiten Prämolaren bis zum dritten Molaren reichend, eine anscheinend entzündliche periostale Auflagerung. Die Zähne sind äußerlich intakt, am ersten Molaren aber buccal geringe Tascheneiterung unter dem Zahnfleisch- rande. Druckempfindlich ist dieser Zahn nicht. Derselbe wird in der Annahme, daß es sich um eine chronische Periostitis mit Infektion vom Zahnfleischrande her handelt, extrahiert und der periostale Tumor inzidiert. Aus der Schnittöffnung entleert sich nur Blut. Vier Tage später keine wesentliche Veränderung. Wegen des Verdachtes auf Karzinomrezidiv wird die Röntgenaufnahme gemacht, welche starke Zerstörung des Kieferknochens am unteren Rande unter den Molaren und weiter nach vorn in der Spongiosa erkennen läßt. Die Randzerstörung reicht bis in die Gegend des Unterkieferkanals.

Diagnose: Metastatisches Karzinom. Überweisung zur Operation.

Totalexstirpation des Unterkiefers und des Weichteiltumors mit Einschluß großer Teile der Wangenhaut, des Masseter und der Parotis. Immediatersatz des Kiefers durch eine zerlegbare Schiene. Nach kleineren Störungen während der Nachbehandlung Entlassung des Patienten aus der Klinik vier Wochen nach der Operation. Darauf Wechsel der Unterkieferschiene. In den folgenden zwei Wochen gute Erholung des Patienten. Dauerndes leichtes Ödem der Oberlippe und linken Wange. Die Ernährung aber schwierig. Später Exitus letalis infolge neuen Rezidivs.

Gummöse Erkrankung des Unterkiefers. Tafel

Bild 246. XVII, 246

Krankengeschichte: Frau G., 34 Jahre, seit acht Jahren verheiratet; im ersten Jahre Abort, seitdem steril und „asthmatisch“. Vor vier Wochen entstand nach Angabe der Patientin an der buccalen Seite des rechten Unterkiefers neben einem gesunden Zahne eine weiche Geschwulst, bei deren Einschnitt nur Blut austrat. Die Geschwulst schwand nicht, sondern wurde allmählich größer. Parästhesie in der rechten Unterlippe. Dann schwere rechtsseitige Neuralgie des Unterkiefers und während dieser Zeit zunehmende Auftreibung des Knochens. Die gelockerten Zähne dieser Kieferseite wurden ohne Erfolg entfernt. Die neuralgischen Schmerzen lassen wieder nach, die Taubheit der Unterlippe bleibt bestehen. Gleichzeitig tritt schmerzhafte Auftreibung am thorakalen Ende des rechten Schlüsselbeins und einige Wochen später dasselbe auf. der linken Seite ein.

Befund: Blasse, etwas magere Frau mit bläulichen Lippen und deutlichem Stridor. Rechte Wange in Gegend des Unterkieferwinkels stark vorgewölbt, Unterkiefer von der Mitte des Körpers bis zum ersten Drittel des aufsteigenden Astes diffus aufgetrieben. Lymphdrüsen vergrößert und leicht druck- empfindlich. Hyperästhesie an der Haut der Unterlippe rechte. Zahnbestand mangelhaft, im rechten Unterkiefer fehlen die Prämolaren und Molaren. An der Wange in Gegend des rechten unteren Weisheits- zahnes zehnpfennigstückgroße Rötung anscheinend mit Fluktuation. Am Kiefer zwei Fistelöffnungen, durch deren eine die Sonde in der Tiefe auf rauhen Knochen stößt. Die andere nach hinten gelegene Fistelöffnung entspricht der Stelle des Weisheitszahnes. Die medialen Schlüsselbeinenden aufgetrieben und druckempfindlich.

Die Röntgenaufnahme (Bild 246) zeigt eine Anzahl zirkumskripter, aber nicht scharf konturierter Aufhellungen, welche an einzelnen Stellen zu größeren Aufhellungsherden konfluiert sind. Der Alveolar- rand ist unscharf begrenzt. Zwei große sklerotische Herde, Knockenstruktur im ganzen verwischt.

Wassermannsche Serodiagnose ungewöhnlich stark positiv.

Der klinische Befund in Verbindung mit dem Röntgenbilde sicherten die Diagnose auf Knochenlues des Unterkiefers. Der Röntgenbefund läßt sich in gute Übereinstimmung bringen mit dem, was Hahn und Deycke!) und Rumpel?) über den Röntgenbefund bei syphilitischen

1) Knochensyphilis im Réntgenbilde. Archiv und Atlas der normalen und pathologischen Anatomie. Ergänzungsband XIV.

3) Über Geschwülste und entzündliche Erkrankungen der Knochen im Röntgenbilde. Eben- daselbst. Erginzungsband XVI.

88 Die Schädigung durch Röntgenstrablen.

Knochenzerstörungen sagen. Als differential-diagnostisch wichtiges Symptom gegenüber anderen Knochentumoren betonen diese Autoren die Multiplizität von Knochenerkrankungen, welche auch auf den beschriebenen Fall zutrafen.

Die Schädigung durch Röntgenstrahlen.

Es kann die vorliegende Arbeit nicht abgeschlossen werden, bevor nicht auch der Frage der Schädigung durch die Röntgenstrahlen gedacht worden ist. Es kommen in Betracht die Schädigung des Patienten, des Röntgenologen und etwaiger assistierender Personen. Von Unfällen bei dem Gebrauche des Instrumentariums, Überspringen von Funken des hochge- spannten Stromes, Platzen der Röhre oder ähnlichem, kann hier abgesehen werden. Das sind ja Dinge, die durch sachgemässe Handhabung des Apparates und Vorsicht bei den Aufnahmen vermieden werden können und vermieden werden sollen.

Eine andere Frage ist die, wie weit bei den Zahn- und Kieferaufnahmen eine Schädigung akuter oder chronischer Art durch die Röntgenstrahlen selbst zu befürchten ist.

Es müssen einige Bemerkungen vorausgeschickt werden, und zwar über das Zustande- kommen von Gewebsschädigung und über die allerdings der Kontroverse noch unterliegende Frage der Idiosynkrasie.

Um den letzteren Punkt vorwegzunehmen, so sind die Meinungen darüber geteilt. Kienböck!), welcher die Wirkungen der Röntgenstrahlen auf die Körpergewebe ausführlich erörtert, bestreitet das Vorhandensein einer solchen individuellen spezifischen Disposition, aller- dings im Gegensatze zu manchen anderen Autoren. Er wiederholt den von ihm bereits früher ausgesprochenen Satz: „Eine Idiosynkrasie, gemäß welcher ein Individuum schon durch eine für den normalen Menschen wirkungslose Bestrahlung ein Geschwür akquieriren würde, ist bisher nicht bekannt geworden und dürfte auch kaum existieren“, und hebt hervor, „daß analoge Körperstellen gleichaltriger Individuen auf gleiche Röntgenlichtmengen fast übereinstimmend reagieren“. Weiter sagt er, daß wir weder aus den Erfahrungen bei diagnostischen, noch bei therapeutischen Belichtungen Anhaltspunkte für die Existenz einer Idiosynkrasie gegen Röntgen- licht gewinnen. |

Das Zutreffende dieser Angaben vorausgesetzt, liegt eine kleine Beruhigung in der Tatsache, daß eine gewisse Summe von Röntgenlicht zur Erzeugung von Gewebsschädigung nötig ist, und daß damit ein unkontrollierbarer schwankender Faktor in Wegfall kommt, welcher durch eine persönliche Neigung zu leichter Reaktion gegeben wäre.

Freilich ist ein übereinstimmend bestätigter Unterschied durch das Alter, das Geschlecht und die Körperregion bedingt. Die Radiosensibilität ist größer beim weiblichen Geschlechte als beim männlichen, größer beim Kinde als beim Erwachsenen, größer im Gesicht und am Halse als am Rumpfe, die Gelenkbeugen reagieren stärker als die Streckseiten der Gelenke. Besondere Empfindlichkeit wird auch der Schilddrüse zugeschrieben.

Die Wirkung der Röntgenstrablen ist eine kumulative; diese Tatsache involviert daher von vornherein mehr eine Gefährdung des Röntgenologen selbst und seiner Assistenz als des Patienten, da Radiotherapie hier nicht in Betracht kommt.

Bezüglich der patho-histogenetischen Veränderungen des affizierten Gewebes gehen die Meinungen der Autoren auseinander. Während die einen die Gewebserkrankung als eine sekundäre auffassen, welche sich erst auf Grund einer Schädigung der tiefer gelegenen Blutgefäße entwickelt, bzw. trophoneurotischen Charakter hat, betrachten andere wie NeiBer und Kien- böck (l. c.) die Röntgenwirkung als eine primäre und direkte Degeneration und Nekrobiose der Gewebszellen, welche je nach der Intensität und Dauer der Bestrahlung und nach der Sensibilität des betreffenden Gewebes mehr oder weniger langsam fortschreitet. Besonders empfindlich

1) Kienböck, Radiotherapie. Physikalische Therapie in Einzeldarstellungen. 6. Heft 1907.

Die Schädigung durch Röntgenstrahlen. 89

sind proliferierende Zellen, womit die stärkere Reaktion jugendlicher Gewebe mit lebhaftem Wachstum sich erklärt.

Die Wirkungen der Röntgenstrahlen auf die Haut lassen sich unterscheiden als akute und chronische.

Die akuten Erscheinungen zeigen sich in Haarausfall infolge akuter Atrophie der Haarpapillen und als akute Radiodermatitis verschieden schwerer Form.

Die chronischen Erscheinungen sind chronische Radiodermatitis mit Dystrophie des Gewebes.

Die Schädigung des Patienten bei Kiefer- und Zahnaufnahmen kann natürlich im allgemeinen nur eine akute sein, weil die Bestrahlung für unsere diagnostischen Zwecke eine nur kurzdauernde und selten wiederholte ist.

Persönlich habe ich unter mehreren tausend Aufnahmen bisher keinen Fall von Schädigung des Patienten erlebt, jedoch sind mir 4 Fälle bekannt geworden, in denen Haar- ausfall erfolgte. Hier hatte es sich allerdings um Übersichtsaufnahmen gehandelt mit Durch- strahlung der behaarten Kopfhaut, wobei naturgemäß die Ex- positionsdauer erheblich länger war als bei Filmaufnahmen im Munde. Textfigur 51 zeigt den Effekt bei einem 12 jährigen Knaben. Einer meiner klinischen Assistenten hatte die linke Unterkieferseite photographieren wollen und durchstrahlte (aller- dings in unsachgemäßer Weise) den Kopf schräg von der rechten Schläfe her; zweimalige Exposition von 2'/, Sekunden mit mittel weicher Röhre. Die Inkubationszeit bis zum Haarausfall währte etwa 14 Tage, die gewöhnliche Dauer der Latenz, und nach 6 Wochen fing das Haar an wiederzuwachsen.

Haike') hat bei einem Material von Kopfaufnahmen an 150 Kindern, von denen die meisten 2—4 mal röntgeno- graphiert wurden, nur 2 mal bei 8jährigen Kindern Haarausfall beobachtet, und zwar nach 2- bezw. 3maliger Aufnahme inner- halb weniger Tage. Er sowohl wie andere Röntgenologen halten die Gefahr des Haarausfalles bei Kopfaufnahmen zu diagno- Abb. 51. stischen Zwecken nicht für groß.

Von einigen Autoren ist angegeben worden, daß bisweilen bei berufsmäßiger Beschäftigung mit Röntgenstrahlen Herzklopfen und Kardialgie zu beobachten sei, welche allerdings nach Aufgabe der Beschäftigung wieder schwanden.

Ich selbst habe in 2 Fällen bei einer einfachen Zahnaufnahme Klagen über starkes Herzklopfen gehört. In dem einen Falle war die Erklärung durch psychische Alteration sicher ausgeschlossen. Patientin gab auf Anfrage bestimmt und glaubwürdig an, ohne jede innere Erregung über die Röntgenaufnahme zu sein und keinerlei Ängstlichkeit oder Beunruhigung gehabt, auch niemals an Herzklopfen gelitten zu haben.

Die gewiß sehr wichtige Frage, ob Wachstumshemmungen an den Kiefern bei jungen Kindern infolge von Zahnaufnahmen zu befürchten sind, scheint weder im positiven noch im negativen Sinne ganz sicher beantwortet zu sein. Daß Wachstumsstörungen durch Wirkung der Röntgenstrahlen zustandekommen, ist sowohl durch das Experiment an jungen Säugetieren festgestellt als auch bei Kindern beobachtet worden. Kienböck teilt mit, daß bei Kindern mit Lupus einer Gesichtsseite nach energischer und fortgesetzter Radiotherapie Hemiatrophie gesehen wurde (Haenisch), fügt aber hinzu, daß bei diagnostischen Untersuchungen die Dosen nicht so groß sind, um die Prozedur zu verbieten.

Bergrath?) warnt allerdings davor, bei Kindern unter 7 Jahren überhaupt Röntgen-

1) Haike, Die Röntgenuntersuchung der Nasennebenhöhlen der Kinder. Berlin 1910. Hirschwald. 2) Bergrath, Uber Réntgenbeschidigungen. Deutsche Monatsschr. fiir Zahnheilk. 1910. Heft 8. Dieck, Anatomie und Pathologie der Zihne und Kiefer im Rontgenbilde. 12

90 Die Schädigung durch Röntgenstrahlen.

aufnahmen vom Gebiß zu machen, „da die im frischen Wachstum befindlichen Kiefer und Zähne sicher durch leichte Bestrahlung stark beeinflußt werden können und die Gefahr entsteht, daß nach einer Bestrahlung der eine oder andere Kiefer des Kindes in der Entwickelung zurtick bleibt.

Ich möchte auf Grund der mir bekannt gewordenen Literatur in der Befürchtung einer Wachstumsstörung nicht ganz so weit gehen, um eine Zahnaufnahme bei jungen Kindern abzulehnen, wenn eine genügende Indikation für dieselbe besteht, stimme aber darin voll- kommen bei, daß Vorsicht zur Pflicht wird, wenn eine Schädigung auch nur möglich erscheint. Solche Vorsicht ist besonders dem Anfänger in der Röntgenologie anzuempfehlen, welcher noch nicht ausreichende Übung und Erfahrung hat, um des guten Resultates mit einer Aufnahme sicher zu sein. Günstig ist übrigens, daß die Expositionszeit nicht unerheblich kürzer sein kann, als man sie bei Erwachsenen wählen muß.

Viel bedeutsamer ist aber die Gefahr der Schädigung für den Röntgenologen selbst und die assistierende Hilfsperson, weil die kumulative Wirkung der Röntgenstrahlen in Betracht zu ziehen ist. Leider hat die Kenntnis dieser Dinge erst auf Grund zahlreicher trauriger Erfahrungen gewonnen werden können; seitdem man aber die Gefahren und auch die Mittel zu ihrer Vermeidung kennen gelernt hat, sind bei den Röntgenologen die betrübenden Folgen seltener geworden. Aber Warnungen sind immer am Platze, denn der Mensch verfällt leicht in eine gewisse Sorglosigkeit, wenn er dauernd einer Gefahr gegenübersteht und verliert das Gefühl für dieselbe um so eher, je weniger akut sie ist.

( 4 d

Abb. 52. Hände eines Arztes nach 3!/,jähriger Beschäftigung mit Röntgenstrahlen. (Nach Kienböck.)

Der chronischen Schädigung ausgesetzt sind in erster Linie die Hände, dann auch die behaarte Gesichts- und Kopfhaut. Der wiederholt genannte Autor Kienböck sagt über die erste Form der berufsmäßig akquirierten Schädigung der Hände:

„Die einfache Röntgenhand entwickelt sich aus dem sogenannten „Erythöme radiographique* und findet sich in geringerer oder stärkerer Ausbildung fast bei allen Radio- logen. Sie besteht in leichter Schwellung, Verdickung, bedeutender livider Rötung und Bräunung des Handrückens, die Elastizität der Haut ist mangelhaft, die Falten sind vertieft und die ver- dickte Epidermis aufgelockert, der Haarwuchs ist verringert. Auch kommt es zu kleinen

Die Schädigung durch Röntgenstrahlen. 91

dunklen, warzenähnlichen Auflagerungen (Hyperkeratosen)., Diese Ernährungsstörungen betreffen das Dorsum der Hand und der 4 langen Finger, distal gegen die Fingerspitzen zunehmend, Nagelfalz und Umgebung sind besonders stark gerötet und gedunsen, die Nägel sind brüchig und rissig, stark gerifft. Der Nagelfalz sieht durch vertrocknete Epidermisschichten schlecht gepflegt aus. Zuweilen sind auch die Fingergelenke verdickt. Die Haut ist gegen alle Reize überempfindlich, gegen Kälte, gegen Chemikalien, photographischen Entwickler und Röntgen- licht; selbst ganz geringe kurze Bestrahlungen aus der Entfernung oder unter Bleischutz rufen Juckreiz hervor. Nach längerer Unterbrechung der Beschäftigung bessert sich der Zustand der Haut, Spannen und Jucken verschwinden. Die Veränderung geht aber nicht mehr ganz zurück.“

Es erübrigt sich, auf die schwereren Formen der chronischen Röntgenschädigung an den Händen hier näher einzugehen.

Bei dem zahnärztlichen Röntgenologen oder seiner Assistenz ist die Gefährdung der Hände besonders vorhanden, wenn ohne Schutzmaßregeln die Hand zur Fixierung des Film im Munde benutzt wird und natürlich in noch höherem Grade, wenn die Prüfung der Röhre etwa gewohnheitsgemäß mit der eigenen Hand vorgenommen würde. Davor kann nicht dringlich genug gewarnt werden. |

Ebenso ist das Effluvium capillorum der -behaarten Gesichts- und Kopfhaut zu

befürchten, wenn durch Monate oder Jahre diese Teile immer wiederholt ohne den nötigen Schutz der Wirkung der Röntgenstrahlen ausgesetzt sind.

Auch muß die chronisch schädigende Wirkung auf die männlichen und weiblichen Ge- schlechtsdrüsen erwähnt werden.

Die Schutzmaßregeln gegen Röntgenschädigung bei Kiefer- und Zahnaufnahmen

ergeben sich aus den vorstehenden Ausführungen schon von selbst. Die erste Voraussetzung ist die Verwendung einer Röhrenhülle in Form eines mit Bleifolie gefütterten Schutzkastens und einer Röhrenblende, welche den Strahlenkegel so eng zu halten gestattet, daß nur der zu photographierende Körperteil durchstrablt wird.

Der Gefahr des Haarausfalles beim Patienten, so gering sie im allgemeinen auch sein mag, begegnet man dadurch, daß unnötig lange Expositionszeiten oder zu schnelle Wieder- holungen der Aufnahme vermieden werden. Da es sich hier vorwiegend um Plattenaufnahmen handelt mit Durchstrahlung der behaarten Kopf- oder Gesichtshaut, so sollte auch größter Wert auf den richtigen Härtegrad der Röhre gelegt werden. Wir wissen, daß die Haut- schädigungen mehr auf die Wirkung der weichen von der Haut absorbierten als der harten Strahlen zurückzuführen sind und müssen deshalb bei Plattenaufnahmen eine etwas härtere Röhre mit durchdringungskräftigeren Strahlen wählen als bei einer Filmaufnahme. Ist die Röhre weicher, als es dem Zwecke entspricht, so wird die Möglichkeit einer Schädigung aus zwei Gründen gesteigert, einmal wegen der Weichheit der Strahlen selbst und der notwendiger- weise zu verlängernden Expositionszeit, anderseits, weil ein unbefriedigendes Resultat leicht zu erwarten ist und dann zur Wiederholung der Aufnahme zwingen würde.

Bei ganz jugendlichen Kindern sollte zurzeit nur eine Aufnahme gemacht und die Expositionszeit nicht über Gebühr verlängert werden.

Zum Schutze des Röntgenologen kommen in Betracht: Bleischutzwand, Schürze, Hand- schuh und Schutzblech am Leuchtschirm mit dem Testobjekt. Am wichtigsten sind die Maß- nahmen bei der Applikation des Film. Hier kann auf das früher Gesagte noch einmal zurück- verwiesen werden. Wo es angängig ist, sollte der Patient selbst mit seinem Finger den Film im Munde fixieren; wo dies nicht geht, kommen Fixierungsmittel in Betracht, die allerdings nicht immer zuverlässig sind, weil ihre Anwendung vielfach von der Gegend der Kieferpartie

12*

92 Die Schädigung durch Röntgenstrahlen.

und dem vorhandenen Zahnbestande abhängig ist. Am meisten sagen mir die von Cieszynski') angegebenen einfachen Korkfilmhalter zu, welche sich aber noch ein wenig modifizieren lassen. Die Fixierung durch eine Hilfsperson ist daher häufig nicht zu entbehren. Es empfiehlt sich, den freien Teil der Hand mit mehrfach gefalteter dünner Bleifolie zu bedecken, welche sich der Handform leicht andrücken läßt. Den Film selbst kann man an der Rückseite mit einem Bleiplättchen von passender Form bedecken, damit auch der dahinter liegende Finger ge- schützt ist.

Zum größeren Schutze der assistierenden Person lassen sich auch noch am Röhren- behälter besondere hochklappbare Seitenstücke aus Blei oder Bleiglas leicht anbringen.

1) Beiträge zur Technik bei Zahnaufnahmen mittels Röntgenstrablen. Neue Filmhalter. Corre- spondenz-Blatt für Zahnärzte, 1907, Heft 4.

Druck von Hesse & Becker in Leipzig.

8. 9. 10. 11. 12.

1 2 3. 4. 5 6

a

Tafel I. (Vgl. Text Seite 33—37.)

Technik der Röntgenaufnahmen. Aufnahmefehler. Aufnahme mit zu weicher Röhre (Wehnelt 3—4).

à zu harter Röhre (Wehnelt 9). a Unterexposition. a richtiger Expositionszeit. Uberexposition. Übersichtsaufnahmen des Oberkiefers: f

6. mit kürzerer, den Frontzihnen angepaBter Expositionszeit, 7. mit längerer Exposition der Backzähne und Strahlenhemmung bei den Frontzähnen. Projektionsverkirzung oberer Schneidezähne infolge falscher Strahlenrichtung. Verlängerung unterer Zähne infolge falscher Lage des Aufnahmefilms. Verbreiterung oberer Zähne infolge der Krümmung des Films. Streifenbildung infolge von Umknickung der Filmecken. Lichtpunkte auf dem Film infolge ungenügender Einfaltung in schwarzes Papier.

18, 14, 15. Drei Aufnahmen desselben Objektes:

16.

13. gänzlich misslungene, von anderer Seite erfolgte Aufnahme, 14. fehlerhafte Aufnahme des retinierten oberen Schneidezahns, Verbreiterung desselben und Überschattung der Nachbarn infolge nicht zentraler Projektion, 15. richtige Aufnahme dieses Zahnes. (Vgl. auch Text S. 83.) Doppelte Konturen infolge von Bewegung des Kiefers während oe Exposition.

17, 18. Zwei Aufnahmen von demselben Falle:

17. Unterexposition, infolgedessen keine Differenzierung des Krankheitsherdes im Knochen, 18. Aufnahme mit gleicher Röhre und richtiger Expositionszeit. Gute Differenzierung des eiterigen Einschmelzungsraumes im Knochen.

19. Beispiel einer guten Aufnahme mit deutlicher Differenzierung aller in Betracht kommenden Gewebe.

Dieck. Zahn- und Kiefer-Atlas. Tafel I.

Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Steglitz-Berlin. Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg.

Tafel II. (Text Seite 41.)

20. Aufnahme eines Mumienschädels in der ursprünglichen Leinewandwickelung (Verkleinerung 4/5).

Dieck Zahn- und Kiefer-Atlas.

Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Steglitz-Berlin.

Tafel I.

Verlag von: Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg.

20

Tafel III. (Text Seite 43.)

21. Halber Kopf mit Metallkorrosion der Blutgefäße.

—_— mn mn nn

Dieck. Zahn- und Kiefer- Atlas.

Verlag von Lucas Oräfe & Sillem in Hamburg.

Neue Photographische Gesellschaft Ai Seglitz-Berlin.

Tafel IV. (Text S. 41-46.)

Anatomie und Anomalien der Zahnentwickelung.

22. Unterkiefer vom Neugeborenen mit Metallkorrosion der Blutgefässe.

28, 24, 25. Verschiedene Stadien der Zahnentwickelung (Präparate).

26. Unterkiefer von einem Neu-Britannier-Kinde im 5. bis 6. Lebensjahre (Präparat).

27. Verschiedene Weite der Pulpakammer in 5 ersten unteren Molaren aus verschiedenen Lebens- altern; desgleichen bei 4 Eckzähnen.

28. Unterkieferaufnahme mit plastischer Wirkung (Präparat).

29. Zwei untere Molaren mit Metallausguss der Pulpakammer und Wurzelkanäle.

30. Normale Resorption der Milchzähne infolge des Wachstums der bleibenden Ersatzzähne.

31. Resorption des Milcheckzahns neben dem bleibenden Eckzahn.

32. Desgleichen.

33, 34, 35. Totale Resorption des 2. unteren Milchmolaren ohne Anwesenheit des entsprechenden Ersatzzahnes.

36, 37. Persistenz des teilweise resorbierten Milcheckzahns beiderseits in demselben Oberkiefer eines Erwachsenen. Angeborener Mangel des bleibenden Eckzahns und der Prámolaren.

38. Totale Resorption des oberen Milcheckzahnes. Bleibender Eckzahn an Stelle des ersten Prämolaren. Persistenz des 2. Milchmolaren. Angeborener Mangel beider Prämolaren.

39. Persistenz des oberen seitlichen Milchschneidezahnes und des Milcheckzahns. Angeborener Mangel der entsprechenden bleibenden Zähne.

Dieck. Zahn- und Kiefer- Atlas.

Neue Photographische Gesellschaft A-G. Steglitz-Berlin.

Tafel IV.

Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg.

54.

50. 56. 57.

58. 59.

61. 62.

Tafel V. (Text Seite 45—49.)

Anomalien der Zahnentwickelung und Zahnstellung.

Dislozierter, unter dem Zahnfleisch versteckter, mittlerer Schneidezahn (vgl. Textfig. 37).

Nachweis der Anwesenheit des oberen seitlichen Schneidezahns (vgl. Textfig. 35).

Angeborener Mangel des rechten oberen seitlichen Schneidezahns,

Angeborener Mangel der vier oberen Schneidezähne und Dislokation der Eckzähne.

Anomal entwickelter rechter oberer mittlerer Schneidezahn.

Anomal entwickelter Keim des oberen rechten seitlichen Schneidezahns.

Kleine Kieferzyste mit Zahngebilden nebst Retention des Milcheckzahns und des bleibenden Eckzahns.

Überzähliger Zapfenzahn zwischen den beiden mittleren Schneidezähnen.

Desgleichen, der Zapfenzahn ist karids zerstört.

Desgleichen, der Zapfenzahn ist zwischen Krone und Wurzel geknickt.

Wurzelodontom an einem unteren Molaren.

Überzähliger seitlicher Schneidezahn.

Retention des linken oberen mittleren Schneidezahns nebst zwei überzähligen Zähnen, von denen der eine noch nicht durchgebrochen war. (Vgl. Textfigur 86.)

Überzähliger Zapfenzahn im Oberkiefer mit der Krone gegen den Boden der Nasenhöhle gerichtet.

Zu einem knolligen Gebilde degenerierter oberer mittlerer linker Schneidezahn, in der Tiefe des Kiefers gelegen. Fingerabdrücke am unteren Rande. (Vgl. Text S. 48.)

Nekrose der Pulpa des linken oberen mittleren Schneidezahns eines Erwachsenen, durch Trauma in der Jugend entstanden, was an der Weite des Wurzelkanales und des for. apic. diagnostizierbar ist.

Rechter oberer mittlerer Schneidezahn horizontal gelagert mit der Schneidekante gegen die Oberlippe.

Retention des oberen Weisheitszahns bei 30jähriger Dame.

Retention und Dislokation des oberen Weisheitszahns mit Resorption an der Wurzel des zweiten Molaren.

Retention des oberen linken zweiten Prämolaren.

Retention des unteren zweiten Prämolaren.

Persistenz des oberen Milcheckzahns und Retention des bleibenden Eckzahns.

Retention beider oberer Eckzähne und Persistenz der Milcheckzähne beim Erwachsenen.

Retention beider oberer Eckzähne. Persistenz des Milcheckzahns rechts, Schiefstellung des seit- lichen Schneidezahns links bei l14jährigem Knaben.

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Dieck. Zahn- und Kiefer-Atlas. Tafel V.

Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Steglitz-Berlin. Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg.

Tafel VI. (Text Seite 50 u. 51.)

Retention der Zahne, im besonderen des oberen Eckzahns.

63, 64. Oberflichliche Retention.

65. Horizontale Retention und Verdrängung des seitlichen Schneidezahns (vgl. Textfig. 38).

66, 67. Tiefe Retention.

68. Tiefe Retention bei 28jährigem Patienten, Persistenz und Resorption des Milcheckzahns.

69. Tiefe Retention und sagittale Lagerung. Wurzelresorption des persistierenden Milcheckzahns.

70, 71. Tiefe Retention mit halbsagittaler Lagerung.

72—74. Doppelseitige Retention bei 17jährigem Mädchen. Typische Resorption der persistierenden Milcheckzähne.

75. Doppelseitige Retention und Dislokation gegen die Mittellinie. Persistenz der Milcheckzähne.

76. Doppelseitige tiefe Retention mit transversaler Lagerung über die Mittellinie hinaus (Präparat).

77. Retention und Dislokation eines oberen Eckzahnes, welcher bei 14jähr. Mädchen totale Wurzel- resorption des mittleren Schneidezahnes bewirkt hatte. (Vgl. Krankengesch. S. 50.)

78. Retention mit der seltenen Dislokation distalwärte. (Vgl. Textfigur 39.)

79—81. Retention mit nachträglicher künstlicher Einregulierung in die Zahnreihe.

82. Retention und Dislokation des unteren Eckzahns. Persistenz des Milcheckzahns.

83. Retention des unteren zweiten Milchmolaren.

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Tatel Vi.

Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Steglitz-Berlin. Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg.

Tafel VII. (Text Seite 51—58)

Betrachtung und Deutung der Röntgenbilder, Füllungsmaterialien im Röntgen- bilde, Wanderung der Záhne, Sondierung enger Wurzelkanále.

84. Natürlicher plastischer Eindruck bei der Betrachtung eines Oberkieferbildes in dieser Stellung. 85, 86. Möglichkeit eines diagnostischen Fehlers durch Verkennung des Foramen incisivum. 87. Sklerosierte Knochensubstanz in der Zahnlücke kann einen Wurzelrest vortäuschen. 88—91. Schwierigkeit der Feststellung des Lageverhältnisses zweier sich überschattender Zähne.

89. Der Prämolar ist dem Film zugewendet.

90. Der Caninus ist dem Film zugewendet.

91. Der Prämolar ist dem Film zugewendet und der Caninus hat einen Abstand von ?/, cm. 92. Grad der Durchlässigkeit verschiedener Zahnfüllungsmaterialien für die Röntgenstrahlen:

r 1. trockene Watte, 6. feuchte Watte, 2. Amalgam, 7. Guttapercha, 3. Zinn und Gold, 8. Fletcherzement, 4. Gold, 9. Phosphatzement, 5. Porzellan, 10. Silikatzement.

93—97. Wanderung des unteren zweiten Prämolaren nach Extraktion des ersten Molaren: 93. Wanderung nach dem Durchbruch. 94. Wanderung vor dem Durchbruch und Neubildung eines Zahnkeimes, 95. Wanderung vor dem Durchbruch. 96 u. 97. Wanderung und Achsendrehung dieses Zahnes vor dem Durchbruch. 98—101. Sondierung sehr enger Wurzelkanäle zur Feststellung ihrer Verlaufsrichtung.

Dieck. Zahn- und Kiefer-Atlas. Tan I

Neve Photographische Gesellschaft A.-G. Steglitz-Bertin. Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg.

Tafel VIII. (Text Seite 59—66.)

Resorption an bleibenden Záhnen, sekundáre Karies, Ursachen fiir Trigeminus- Neuralgie, marginale Periodontitis.

102. Totale Wurzelresorption eines bleibenden mittleren Schneidezahns durch den dislozierten Eckzahn.

108. Spátere Stellung dieses Eckzahns. (Vgl. auch 8. 50.) Ä

104. Wurzelresorption des lateralen Schneidezahns aus gleicher Ursache.

105. Totale Wurzelresorption eines mittleren Schneidezahns infolge von Trauma vor 12 Jahren.

106. Sekundäre Karies unter Metallfüllungen.

107. Abtrennung und Dislokation der medio-buccalen Wurzel eines oberen Molaren infolge sekundärer Karies unter Amalgamfüllung.

108. Großer Dentikel in dem zweiten unteren Molaren (der erste Molar früher extrahiert).

109. Zementhypertrophie an der Wurzel zweier oberer Prämolaren.

110. Pressung der Wurzel oberer Schneidezähne durch den retinierten Eckzahn. (Vgl. Krankengesch. S. 64.)

111, 112. Zyste vom oberen seitlichen Schneidezahn ausgehend, welche Trigeminus-Neuralgie veranlasst hatte. (Vgl. Krankengesch. S. 64.)

113. Zahnloser Unterkiefer mit schwerer Neuralgie.

114—117. Marginale Periodontitis mit verschiedener Ursache.

Dieck. Zahn- und Kiefer-Atlas. Taic! VIN

Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Steglitz-Berlin. Verlag von Lucas Grafe & Sillem in Hamburg.

Tafel IX. (Text Seite 66—70.)

Chronische Periodontitis mit eitriger Knochenzerstérung und Granulations-

herden. Chronische Fisteln.

118—121. Granulationsherde verschiedener Ausdehnung:

122. 128. 124.

125. 126.

127.

128. 129. 130. 131.

132. 133.

134. 135.

121. Das Foramen incisivum täuscht einen größeren Granulationsherd am mittleren Schneide- zahn vor. (Vgl. auch S. 52.) Granulationsherd um die Wurzelspitzen aller vier unterer Schneidezähne. E ES 5 des 2. unteren Molaren.

Totale eitrige Zerstörung der Alveole der distalen Wurzel von M, und Zahnsteinablagerung längs der ganzen Wurzel bis zur Spitze.

Granulationsherd mit Fistelbildung am oberen mittleren Schneidezahn.

Chronische Eiterung und Fistelbildung zwischen zwei oberen Prämolaren. Ausgangspunkt der erste Prämolar.

Fistelbildung in der Gegend der beiden oberen linken Prämolaren. Ursache: versteckte Wurzel- reste des 1. Molaren.

Chronische Fistel vom 2. unteren Prämolaren ausgehend.

Kinnfistel vom unteren mittleren Schneidezahn ausgehend (vgl. Textfigur 48).

Großer Granulationsherd um die Wurzeln der unteren mittleren Schneidezähne. Ursache: Trauma.

Granulationsherde mit zwei chronischen Fisteln, ausgehend von den beiden mittleren unteren Schneidezähnen infolge von Trauma vor 22 Jahren.

Großer Eiterherd an der Wurzel des unteren Eckzahns nach Trauma. Fistelgang im Knochen bis zum 1. Molaren. (Vgl. Krankengesch. S. 69.)

Gaumenabszeß, ausgehend von der versteckten quer gelagerten oberen Eckzahnwurzel.

Ausgedehnte eitrige Knochenzerstörung im linken Oberkiefer.

Langdauernde Knocheneiterung infolge Sequesterbildung.

Dieck Zahn- und Kiefer-Atlas.

125 126

Neuve Photographische Gesellschaft A-G. Steglitz-Berlin.

Tafel X.

Verlag von Lucas Grafe & Sillem in Hamburg.

Tafel X. (Text Seite 70.)

Sequesterbildung. Minimale Granulationsherde, welche nur durch kontrastreiche Bilder aufgedeckt werden können.

136. Ausgedehnte Sequestrierung des Unterkiefers mit Kontinuitätstrennung infolge eines eitrigen infektiösen Prozesses nach Extraktion des 1. Molaren.

137. Spätere Aufnahme nach operativer Entfernung mehrerer Sequester. Teilweise Ausheilung.

138. Zwei Sequester bei Knocheneiterung nach Extraktion.

189. Multiple Sequesterbildung bei Osteomyelitis.

140. Sequesterbildung bei Knocheneiterung vom oberen seitlichen Schneidezahn ausgehend. (Beschä- digung des Films.)

141—145. Minimale chronische Entzündungsherde.

146. Desgl. |

147. Granulationsherd am oberen ersten Primolaren mit gut schlieBender Goldkrone.

148. Vortäuschung eines kleinen Granulationsherdes an einem unteren Prämolaren durch das Foramen mentale. (Vgl. auch S. 53)

149—151. Minimale chronische Entzündungsherde an oberen Prámolaren.

Dieck. Zahn- und Kiefer-Atlas. Tafel X.

137

139 140

141 142 143 144 145

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Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Steglitz-Berlin. Verlag vor Lucas Ciräfe & Sillem in Hamburg.

Tafel XI. (Text Seite 70—74.)

Kiefereiterung mit versteckter Ursache.

152—155. Kiefereiterung, veranlaBt durch kleine Wurzelreste unter dem scheinbar intakten Zahnfleisch. 153. Großer Eiterungsherd, von dem Wurzelrest des oberen zweiten Prämolaren ausgehend.

156—159. Eiternde Extraktionswunden. Veranlassung: teils frakturierte Wurzelreste, teils unter dem Zahnfleisch liegende Knochen- oder Zahnsplitter.

160. Großer eitriger Granulationsherd mit langjährigem Bestande, ausgehend vom oberen lateralen Schneidezahn. Fortdauer der Eiterung nach Extraktion. Befund: die Guttaperchafüllung aus dem Wurzelkanal. (Vgl. Text S. 71.)

161, 164. Kleine Wurzelüberreste im gesunden Knochen.

162. Versteckter kleiner Wurzelrest vom 2. unteren Molaren unmittelbar vor dem 3. Molaren (in der rechten Ecke des Bildes), welcher jahrelang eine Gesichtafistel unterhalten hatte. (Vgl. Text- figur 49.)

163. Eiterung, unterhalten durch ganz kleine Zahnsplitter hinter einem oberen Prämolaren.

165. Unklarer Fall starker Kiefereiterung, ausgehend von der Lücke des früher extrahierten oberen lateralen Schneidezahns. (Vgl. Krankengeschichte $. 72.)

166. Starker langdauernder Eiterungsprozeß, veranlaßt durch den retinierten mittleren Schneidezahn. (Vgl. Krankengeschichte S. 72.)

167—170. Langdauernde Kiefereiterung im linken Oberkiefer mit versteckter Ursache. Kontrolle der Operation durch Röntgenaufnahmen. (Vgl. Krankengeschichte 8. 73).

Dieck. Zahn- und Kiefer-Atlas.

156 157

160 161

Neue Photographische Gesellschaft A-G. Steglitz-Berlin.

162

Tafel XI.

159

163

Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg.

Tafel XII. (Text Seite 74.)

Alveolar-Pyorrhoe.

171—174. Verschiedene Grade von eitriger Knochenzerstörung durch Alveolar-Pyorrhoe, auch Nachweis von Zahnstein an der Wurzeloberfläche.

175. Chronische Alveolar-Eiterung mit fast vollständiger Zerstörung der Alveolen am mittleren und seitlichen oberen- Schneidezahn. ‚Ursache: Trauma.

176. Alveolar-P. am unteren zweiten Molaren. Zerstörung der Alveole. Zahnstein-Ablagerung bis zur Wurzelspitze.

177. Alveolar-P. am oberen zweiten Molaren und zweiten Prámolaren. Schlecht sitzende Krone auf letzterem Zahn.

178a und b. Schwere A.-P. der oberen Front. Vollkommene Knochenzerstórung der Schneidezahn- alveolen, provisorische Fixierung der ganz lockeren Zähne durch Drahtligatur.

179a und b. Derselbe Fall nach Behandlung mit Fixierungsschiene.

180, 181. Ähnliche Verhältnisse bei den unteren Schneidezähnen desselben Patienten.

182. Ein gleicher Fall nach Behandlung mit Fixierungsschiene.

Dieck. Zahn- und Kiefer-Atlas. Tafel XII

Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Steglitz-Berlin. Verlag von Lucas Grafe & Sillem in Hamburg.

183. 185,

184.

186. 187.

Tafel XII. (Text Seite 75 - 78.)

Kieferzysten. Resektion der Wurzelspitze.

Zyste am oberen zweiten Prämolaren. Scharfe Begrenzung derselben.

Differential-diagnostischer Vergleich mit der diffusen Ausbreitung eines chronischen Eiterungs- herdes.

Zyste von zwei kleinen Wurzeln im Oberkiefer ausgehend mit Vorwölbung in das Antrum High- mori. (Präparat.)

Kleine Wurzelzyste am oberen zweiten Prämolaren.

Größere Wurzelzyste, vom seitlichen oberen Schneidezahn ausgehend.

188, 189. Desgl.

190. 191. 192.

193.

194. 195. 1%. 197. 198. 199. 200.

Unterkieferzyste, von der vorderen Wurzel des ersten Molaren ausgehend.

Oberkieferzyste, vom seitlichen Schneidezahn ausgehend.

Große Unterkieferzyste, vom seitlichen Schneidezahn ausgehend. Ursache: Trauma in der Jugend. (Vgl. Text 8. 77.)

Große Oberkieferzyste, vom seitlichen Schneidezahn ausgehend. Trauma 5 Jahre früher. (Vgl. Text S. 77.)

7,yste hinter dem gesunden unteren Weisheitszahn. (Vgl. Krankengeschichte 8. 78.)

Große Unterkieferzyste. Am Boden derselben kleiner Sequester.

Unterkieferzyste, veranlaßt durch versteckten Wurzelrest vom zweiten Molaren.

Zyste im Oberkiefer, vom retinierten Eckzahn ausgehend.

Resektion der Wurzelspitze des oberen lateralen Schneidezahns bei chronischer Periodontitis.

Resektion der Wurzelspitze eines unteren Schneidezahns.

Vollkommene Ausheilung chronischer Periodontitis nach Resektion der Wurzelspitze eines oberen Eckzabns.

Dieck. Zahn- und Kiefer-Atlas. Tafel XIII .

Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Steglitz-Berlin. Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg,

201. 202.

Tafel XIV. (Text Seite 78—80.)

Die Róntgenphotographie als Kontrollmittel vor und nach zahnárztlicher Behandlung. Nachweis von Behandlungsfeblern. Überstehende Metallfüllung im Interdentalraum und ihre zerstörende Wirkung auf den Alveolarrand.

Nachweis von Länge und gesundem Zustand einer unteren Prämolarwurzel als Trägerin für künst- liche Krone.

203, 204. Nachweis, daß die beiden Weisheitszähne eines Unterkiefers trotz relativer Festigkeit un-

205.

206. 207.

208.

209.

210.

211.

212,

213.

214.

215.

216.

217.

218.

219. 220.

genügenden Halt im Knochen haben, um als Brückenpfeiler zu dienen.

Oberer seitlicher Schneidezahn mit abgekrümmter Wurzelspitze, abgebrochenem Nadelstück und Guttaperchafüllung des Wurzelkanals. (Vgl. auch S. 37.)

Oberer lateraler Schneidezahn mit Granulationsherd und abgebrochenem Wurzelkanalbohrer.

Nachweis von Lage und Länge eines abgebrochenen Nadelstücks im Wurzelkanal eines oberen mittleren Schneidezahns.

Unterer erster Molar mit chronischer Periodontitis an beiden Wurzeln und vier abgebrochenen Nadel- stücken in der medialen Wurzel. Eins der Nadelstücke liegt außerhalb der Wurzelspitze im Granulationsherd.

Oberer lateraler Schneidezahn mit abgebrochenem Stück eines Speerbohrers in der Mitte des Wurzelkanals

Kontrolle der Wurzelfüllung mit Guttapercha bei zwei unteren mittleren Schneidezähnen, welche chronische Periodontitis veranlaßt haben.

Oberer lateraler Schneidezahn mit doppelseitiger Perforation der Wurzel. Aufnahme wurde gemacht, nachdem durch die Perforationsöffnung gepreßte Guttapercha von außen entfernt worden war. Zwei kleine Guttaperchakrümelchen liegen noch im Grunde des Interdentalraumes.

Doppelseitige Perforation eines oberen lateralen Schneidezahns und Sondierung des Wurzelkanals.

Kontrolle der Guttaperchafüllung des Wurzelkanals eines oberen lateralen Schneidezahns mit scharf abgekrümmter Wurzelspitze, welcher einen großen Eiterungsherd veranlaßt hatte.

Nachweis, daß eine Oberkieferfistel nicht, wie vermutet, von der extrahierten Wurzel des ersten Prämolaren, sondern von der scheinbar gesunden Wurzel des Caninus unterhalten wurde.

Nadelstück in der Wurzelspitze eines oberen lateralen Schneidezahns und durchgepreßtes Füllungs- material außerhalb der Wurzelspitze des mittleren Schneidezahns.

Kontrollaufnahme eines oberen Caninus während der Behandlung unter dem Gummilappen und Nachweis der Durchpressung von Wurzelfúllmaterial durch die Wurzelspitze.

Oberer lateraler Schneidezahn mit chronischer Periodontitis. Nachweis, daß ein abgewandertes Nadelstück außerhalb der Wurzelspitze im Granulationsherd liegt. Bezüglich der beiden drei- eckigen Schatten links im Bilde. (Vgl. Text 8. 80, auch S. 55.)

Oberer lateraler Schneidezahn nach Wurzelfillung und Wurzelspitzenresektion. Der Fortbestand chronischer Eiterung erklárt sich durch die Guttaperchakriimelchen, welche im urspringlichen Krankheitsherde zurückgeblieben waren. (Vgl. Text S. 80.)

Durchpressung von Füllungsmaterial durch einen Perforationskanal im oberen Eckzahn.

Kontrolle desselben Falles, nachdem das Zahnfleisch aufgeklappt, die Wurzeloberfläche freigelegt und die durchgepreßte Pasta entfernt worden war.

Dieck. Zahn- und Kiefer-Atlas. Tafel XIV

Neue Photographische Gesellschaft A.-C. Steglitz-Berlin. Verlag vor. Lucas Oräfe & Sillem in Hamburg

Tafel XV.

(Text Seite 81, vgl. auch Seite 59.)

Wurzelfraktur durch Trauma. Replantation. Fremdkórper im Antrum. Kontrollaufnahmen bei Regulierung.

221. Kronenfraktur des einen, Kronen- und Wurzelfraktur des anderen oberen mittleren Schneidezahns durch Trauma bei 16jährigem Mädchen. (Vgl. Text S. 80.) 222. Wurzelfraktur beider mittlerer oberer Schneidezähne durch Fall bei 1ljährigem Knaben. (Vgl. Text S. 80.) 223. Wurzelfraktur beim oberen mittleren Schneidezahn infolge eines Unglücksfalles. Nebenbefund: retinierter überzähliger Zahn zwischen den Wurzeln beider Schneidezähne. (Vgl. Text S. 81.) 224. Derselbe Fall. Aufnahme nach Wurzelbehandlung des frakturierten Zahnes und operativer Ent- fernung der frakturierten Wurzelspitze. 225. Nachweis der Ursache chronischer Oberkiefereiterung. Ein Knabe hatte sich einen dünnen Nagel durch den weiten Wurzelkanal eines mittleren Schneidezahns in den Knochen eingeschoben. 226. Replantation eines mittleren Schneidezahns, welcher einem l10jährigen Mädchen extrahiert worden war. Der Zahn wurde 5 Tage von der Mutter in der Tasche getragen. 227. Aufnahme eines unteren zweiten Molaren, */, Jahre nach der Replantation. Die Spitze der medialen Wurzel war reseziert worden. 228. Replantation eines unteren ersten Molaren mit chronischer Periodontitis, nachdem die Wurzelkanäle von unten her mit Guttapercha abgeschlossen worden waren. 229. Resorption an der Wurzel eines mittleren Schneidezahns. Mehrere Jahre nach der Replantation. 230—232. Drei Aufnahmen eines Falles von Replantation eines unteren ersten Molaren. (Vgl. Text 8. 82): 230. Chronische Periodontitis an der medialen Wurzel mit Fistelbildung. 231. Perforation dieser Wurzel bei der Behandlung. Eine Nadel ist zum Zwecke der Aufnahme durchgeführt worden. 232. Aufnahme des extrahiert gewesenen, in der Hand gefüllten und dann replantierten Zahnes mit abgeschnittener medialer Wurzel. 233. Wurzel in der Oberkieferhöhle, welche bei einem Extraktionsversuch mit der Zange hineingeschoben wurde. 234. Glasstab in der Oberkieferhöhle. (Vgl. Text S. 82.) 235. Nachweis der Wurzelkrümmung eines dislozierten oberen seitlichen Schneidezahns, welcher der Regulierung Schwierigkeiten bereitete. 236. Aufnahme beider Oberkieferhälften zur Feststellung der Lage der noch nicht durchgebrochenen Zähne.

Dieck. Zahn- und Kiefer-Atlas. Tafel XV

Neue Photographische Gesellschaft A-G. Steglitz-Berlin. Verlag von Lucas Grafe & Sillem in Hamburg

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Tafel XVI. (Text Seite 84—86.)

Kieferfrakturen, große Kieferzysten, Zahngebilde aus großer Follikularzyste.

237. 238.

239. 240.

241.

Spontanfraktur bei schwerer Ostitis und Sequestrierung des Unterkiefers. (Vgl. Krankengesch. S. 84.)

Große Zyste im Unterkieferkörper von der Wurzel des ersten Molaren bis an den unteren und hinteren Rand des Kieferwinkels reichend.

Unterkieferfraktur eines älteren Mannes, nicht behandelt und 3 Jahre bestehend. (Vgl. Text S. 84.)

Zyste im Unterkiefer, zwischen versteckter Wurzel vom zweiten und dem retinierten horizontal gelagerten dritten Molaren sich ausbreitend.

Nachweis der Ursache einer schweren perimaxillären Phlegmone in dem unter dem Zahnfleisch ver- steckten und schwer kariösen unteren Weisheitszahn. (Vgl. Krankengeschichte 85.)

242a. Zahlreiche Zahngebilde, teilweise mit Knochenumhällung aus einer zahntragenden, die Oberkiefer-

höhle ausfüllenden follikulären Zyste. Gewöhnliche photographische Aufnahme. (Vgl. Text S. 86.)

242b. Dieselben Zahngebilde in der Röntgenaufnahme. 243. Unterkieferfraktur, schräg im Mittelstück verlaufend zwischen seitlichem Schneidezahn und Eckzahn.

Dieck. Zahn- und Kiefer-Atlas.

Verlag von Lucas Grafe & Sillem in Hamburg.

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244.

246. 247.

248.

249. 250.

251.

Tafel XVII. (Text S. 86 u. 87.)

Karzinom, Lues und große Zysten des Unterkiefers.

Karzinom des Unterkiefers eines älteren Mannes.

Karzinom-Metastase des Unterkiefers eines 46jährigen Mannes. (Vgl. Krankengeschichte S. 86.)

Gummata des Unterkiefers einer 84jahrigen Frau. (Vgl. Krankengeschichte 8. 87.)

Große Unterkieferzyste vom ersten Molaren bis in den aufsteigenden Ast reichend, veranlasst durch den transversal gelagerten retinierten Weisheitszahn.

Große multilokuläre Unterkieferzyste, vom Eckzahn bis hinter den dritten Molaren reichend und die ganze Höhe des Kieferkörpers einnehmend. (Vgl. Krankengeschichte S. 86.)

Filmaufnahme im Munde von demselben Fall.

Große Unterkieferzyste, ausgehend von der unter dem Zahnfleisch quer gelagerten Wurzel des ersten Prämolaren. Aufnahme nach Entfernung dieses Zahnes.

Große Unterkieferzyste vom dritten Molaren in den aufsteigenden Ast emporreichend. Aufnahme quer durch die weit geöffnete Mundhöhle.

Dieck. Zahn- und Kiefer-Atlas. Tafel XVII.

Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Steylitz-Berlin. V von Lucas Orale & Sillem in Hambu = O a Sn

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Band 12: Die normale und A Anatomie des Hiiftgelenks und Oberschenkels von Dr. Alban Kóhler in Wiesbaden. Mit 12 Tafeln und 35 Abbildungen im Text. Geb. Preis 22 M.

Band 13: Die Entwicklung der knóchernen Wirbelsáule von Dr. Béla Alexander. Mit 42 Róntgen- bildern auf 20 Tafeln und 14 Originalzeichnungen im Text, Geb. Preis 20 M.

Band 14: Knochensyphilis im Rón enbild von Dr. R. Hahn in Hamburg und Prof. Dr. Deycke- Pascha in Konstantinopel. Mit 81 Bildern auf 10 Tafeln. Geb. Preis 11 M. .

Band 15: Die réntgenologische Diagnostik der Erkrankungen des o von Dr. E ee Mit 11 Tafeln und einem Vorwort von Prof. Dr. H. Kümmell. Geb.

reis 1] M. Band 16: Uber Geschwiilste und entziindliche Erkrankungen der Knochen von Stabsarzt Dr. - ©. Rumpel. Mit 140 Röntgenbildern auf 23 Tafeln. (Aus der königl. chirurg. Universitäts- klinik zu Berlin.) Geb. Preis 34 M.

Band 17: Die Spondylitis tuberculosa im Réntgenbilde von Dr. Ludwig Rauenbusch. Mit 22 Böntgenbildern auf 11 Tafeln und 11 Skizzenblittern. (Aus der königl. Universitatspoliklinik für orthopäd. Chirurgie in Berlin.) Geb. Preis 11 M. `

Band 18: Die Méller-Barlow’sche Krankheit von Eug. Fraenkel. Mit 1 farbigen und 5 photo- gra hischen Tafeln. (Aus dem patholog. Institut des Allgem. Krankenhauses Hamburg-Eppen-

orf.) Geb. Preis 10 M.

Band 19: Die Pneumonie im Róntgenbilde von R. v. Jaksch und H. Rotky in Prag. Mit 59 Röntgenbildern auf 10 Tafeln und 10 Skizzenblittern. Geb. Preis 11 M.

Band 20: Roatgendiagnoslt des uropoétischen Systems von Dr. G. Fedor Haenisch in Hamburg. Mit 24 Handzeichnungen und 51 Röntgenbildern auf 16 Tafeln. Geb. Preis 15 M.

Band 21: Die Entwicklung und der Bau des Kretinenskeletts im Róntgenogramme von Dr. Eugen Bircher, Assistenzarzt der chirurg. Klinik (Prof. Wilms) in Basel. Mit 121 Röntgenbildern auf 12 Tafeln, 21 Abbildungen und 4 Schriftproben im Text. Geb. Preis 24 M.

Band 22: Die Rachitis im Röntgenbild von Prof. Dr. Eug. Fraenkel und Dr. Alex. Lorey in Hamburg mit 45 Röntgenbildern und 12 Tafeln. Geb. Preis 11 M.

Band 28: Die Verletzungen des Ellenbogengelenks im Réntgenogramm mit besonderer Beriick- sichtigung der Frakturen des unteren Humerusendes von Dr. E. Wendt. Mit 179 Röntgen- bildern auf 18 Tafeln. (Aus dem Krankenhaus „Bergmannstrost“ [Geheimrat Oberst] zu Halle a. 8.) Geb. Preis 17 M. x

Band 24: Die angeborene Verrenkung des Hüftgelenks in Röntgenbildern von Dr. M, Matsuoka in Kioto (Japan). 60 Bilder mit Erklirungstext auf 10 Tafeln. Geb. Preis 8 M.

Band 25: Anatomie und Pathologie der Zahne un it besonderer Berúck- sichtigun i . Dr. ieck, i l am Zahniirztl. Institut der Universität Berlin.

Geb. Preis 30 M.

Band 26: a it Knochensyphilis von Prof. Dr. Eug. Fraenkel. Mit 8 Tafeln. Geb.

Band 27: Die Magenbewegungen von Dr. Franz M. Groedel, Frankfurt a. M. Mit 340 Abbildungen im Text und 135 Röntgenbildern auf 15 Tafeln. Geb. Preis 34 M.

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A a i A Druck von Hesse & Becker in Leipsig.