Google

Über dieses Buch

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.

Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun Öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei eine Erin- nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.

Nutzungsrichtlinien

Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.

Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen unter Umständen helfen.

+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.

Über Google Buchsuche

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.

Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|http: //books.google.comldurchsuchen.

JT ar

AT En tr Nl en ee es = nn nn i ` CARL i PER U areais Larn e ee ETA u nr Pe ln ee CPD eke HIER Fe SR a re oni eet ree peep Saree Rte RE ee Per wins oy a a E SET N SE eV NaN Saad I Tor .* jae Cee = aa F< Vena ake mr ete a eth? FEE: dig ee «ee Ar: 3 - i gom Y, pa s v y / ia # Y . T

l > ; ( : i ie m. . ia

i's ti

ie else ater ep cate e. Dar BE as =} 5 k Tp 4 | ‘5 t- £= E oe u o at? $ Å.. p

sT

r e E i a a

. . > i r 7 m l - J*

- i I pae E

1er m =A..

or

aS oe i n on = g B i j " a A i f . -oms Moe nn

- a p b r è > \ > ae So B .

= wis H rea) > > í b , barit 5 > x : l j E a r “ye er J ' CS ò r . y a N ¢ , os X v - a a ee „art =

- Mer

i - m e . i ` f! - 26 Ale P oe . Tek keah N ee Ce Ai : i = A ar; . - m ' ms Are Pag Ary er poe pee ee te tem koag N . â J d 7 i 4 7 ` 4 In n m vr ae è - . he 5 ` Wa m, > v A ol 4 ma r P 4 - ab f ] « , oy) te Re J wir, - + An b y N er ee s-

9 7 -

Her

ar;

T

* reread,

1 ze ot 4 fr ‘Ji -T = -. + i

t . LJ , J m

g iD ra

y À ppa ese y ) ; Å Na f a iets

j ; ; hel ore =o Tr 2} nt Ar wig fag ho A l ~

; Arr

Jal p 7 as (> r 17 au zo Dt fa x rar re a "is a ~ - j aha In

eng . Are

A a ' a

-r P a A A Ve a oh . s; TES

A >e e R er -w ye an A i a sy) ar «. ar w G ` : pe 20 oe are ei ip A. “ST

sd} ur u. Ar wt ye ate 4 KR Baie ej E > pL a e - wee J - j Ye re (on a A nm j e P pent J ' : vee ? , m u >

? hr Me _- me en g nu‘ Ma aa Be en nn. 22% A

Er 1} : i Da Þr Pry es RE Fan! iit ST r ee

sy i y b ( D $ à 2 eee yena

—_

* ; J Ua i vs. J f " IS i nr ; eae u eth apr ot | x 5s | x >

5 am pA > d De a m r NEE eae i ar = > á ren wur A ert a —_, w Ser P Ron a A utes Thy 8 PETANK A A En a ree et EEE, Kain. ` EICH. rw nA er 4 n> Br - ~~ j STA 3 ¥ a in + “at x en

a y orp yi leg 0% Fd Uy A > J = Shy S . | oF A, E | iv a ny NT RE a u he ons."

= P ) . P » my T - u“ ner > rt ‘| mo aera Aal d =. N ar A ws | spa ess, ` N a aa o DUR Bo aa ea ry S oe a) r y ù ~N r hen en ln oy HL Are le oe FR RUE ARST, Der | Ta BL TREE creer sate as £ wae

A Ha en AS ghee eval he Dr. AT Au De! 2 ar en? at 520 a een rae no E Bins th Sok ig ne MESSE: hh TER Ayo SS ER a LET

v kd er A 3 = t a ati a mode Ai Kurt e $. d ; ry Se 2 r at 4 j P ] à a . e =} =95 r ~~ eee | SA v x s | t f

f'a

i „th w pi

A ny S As

=

AA E te DB | RA. ; Kart aye 7 F gir

5 $ SX r k" A 4 ‘op id d C

? - M - + A = å a Ve m he "y 7}! P = B E à A t > dakart al tar 9 kan A de; if + FR N u p- fy) ` È K tet TAE ARA EN en N T) At y Oe TEN Jin > ne EN hs 1 a a l TA TNA ue z mei ys pans , “ae t es / gasen ry A »* “Dia phn Pill! vey aera, teers, Fe al Freaks Sled : ‘Tap phy ee eee are ae g + X Sev 4 7 ve

wwe 4 a ARDY mal ja m pa Nr K A Qe ` 4 |

u Fade t= N i a“ rth t A % = u m, a“ DIST a ENT O ay Ny „ur! - estat al Aw = 4) > + IL » d p a J 4 A Ai ie se eye NE SOS 4 A | ne ` NEE e. - rk í a ry ot Yo, en Hf ar Zus k å E P i rt oF N g e va T Aa Rios e I Sr Fr Xp Me Ag ~~ in Tick eier PA VA k ° À AR 4 E \ = h . Ae PE ACT ef" NE Be REG My eet Se) one ea) > Ins ee a tami’ t AY et ee 7 { | ty er 3 b Sf: > o EN “ay, oo ly, mh Pint (hem . a vr s~ hy ies, a een eu LIE ELCH N arts 3 | Vg Ain ee ee ne dine - a ian Ann: = N ' f KALS , 7

Eee tr N eo eres SE NE AAE EPEE EHRE aa cr = | EN od ps er a TE, Wa u er at Spas ate = are Segre | | j é $ men sa ee TA fa u A ir f aan ED isa m tenth Sty Ce. . ee Fi ul e v n Deoa EASAN En ` An

> ee ty ee na, ee en Sirs | ar A O 5 7 b 4 A ee = rn > = a ie ty 3 . iyi f $ u je 4 Gi Na eel í >. e Tike pe 7 fie = Dur re i N ` d j b a Whe ow BLP Ft tae nt l mn | l | 3 Sap ee te Silke Foon: rer i Vads Pu We

45 DE -

a ra Pw aera pa ae 1? Seh, gern +

b m ee aapi Kas oe ae bg’ Corr i .- - < Ty, A Kai mei EX Me 4 ui n? iar > Beh in N te ~~ en Lene BL u ee ee ty aP spie A +" s ee en X - eye 4 TAE » =a SAA Liab PP pene nas eee A

$

=“

iaae

ae gs ee pe a J

i r J M + O f ~~ a 3 > manran oe [3

5 R u Ea

ut) e mwm ee ee > 64 = ' ; An das RUE STERN iar?

r =a ed in 24 “~

Library

of the Ohio State University

2+5 349

Fortschritte

auf dem Gebiete der

hontgenstrahlen

Unter Mitwirkung von

Prof. Dr. v. Bergmann in Altona, Staatsrat Prof. Dr. v. Bruns in Tübingen, Dr. Christen in München, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Czerny in Heidelberg, Prof. Dr. Deneke in Hamburg, Prof. Dr. Deycke in Lübeck, Prof. Dr. Eberlein in Berlin, Dr. 6. Forssell in Stockholm, Prof. Dr. For- ster in Bern,”Prof. Dr. Eugen Fraenkel in Hamburg, Privatdozent Dr. L. Freund in Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Friedrich in Marburg, Prof. Dr. Gocht in Berlin, Prof. Dr. Grashey in München, Dr. Groedel in Frankfurt a. M., Prof. Dr. Grunmach in Berlin, Oberarzt Dr. Haenisch in Hamburg, Prof. Dr. Holzknecht in Wien, Dr. Immelmann in Berlin, Prof. Dr. Kienböck in Wien, _ Prof. Dr. Klieneberger in Zittau, Prof. Dr. A. Köhler in Wiesbaden, Prof. Dr. Kölliker in Leipzig, Prof. Dr. P. Krause in Bonn, Geh. San.-Rat Prof. Dr. Kiimmell in Hamburg, Prof. Dr. Küttner in Breslau, Stabsarzt a. D. Lambertz in Berlin, Prof. Dr. Levy-Dorn in Berlin, Dr. Lorey in Ham- burg, Prof. Dr. Ludloff in Breslau, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Oberst in Halle, G. E. Pfahler, M. D. in Philadelphia, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Riedel in Jena, Prof. Dr. H. Rieder in München, Prof. Dr. Rumpf in Bonn, Generalstabsarzt Prof. Dr. v. Schjerning in Berlin, Dr. H. E. Schmidt in Berlin, Prof. Dr. F. Schultze in Bonn, Hofrat Prof: Dr. Sick in Hamburg, Generalarzt Dr. Stechow in Berlin, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Tillmanns in Leipzig, Prof. Dr. Voller in Hamburg, Prof.

Dr. Walter in Hamburg, Prof. Dr. Wertheim-Salomonson in Amsterdam und Stabsarzt Dr. Winkler

in Ingolstadt

herausgegeben von

Professor Dr. Albers-Schönberg

Dreiundzwanzigster Band

Lucas Gräfe & Sillem (Edmund Sillem)

1915—1916

= © +2 ai 3 a © 2 hea © > © + S Q © pC © _ <

Inhalt.

Zum 70. Geburtstag von Wilhelm Konrad v. Röntgen

Koch, F. J., Die Röntgenröhre nach Dr. J. E. Lilienfeld . : Koch, F. J., Das Glühkathodenventil und seine Anwendung in der Röntgentechnik Schüller, A., Über eigenartige Schädeldefekte im Jugendalter (Tafel I, Fig. 1—5) . Entin, M., Über Pneumonokoniosen (Tafel II)

Haenisch, G. F., Dumdumartige Konstruktion der englischen Infanteriegeschosee und is Wirkung |

im Röntgennachweis (Tafel III, Fig. 1—6) ea Haenisch, 6. F., Eine selbständige, transportable Feldröntgenanlage für intone und chirurgische Untersuchungen nach Prof. L. Brauer und Dr. F. Haenisch-Hamburg . Canestro, C., Uber die Hypophysektomie (Tafel I, Fig. a). Bles, Ch., Echinokokkus der Lunge ; Péteri, I., Uber die Schlattersche Krankheit (partielle Fraktur der Tuberosität der Tibia) (Tafel IU, Fig. a, b, ec). ; Arbeiten. und Verhandlungen der ander omas für Dosimetervergleich der Deutschen Röntgen-Gesellschaft. I. u 1. Rundschreiben des Vorsitzenden . 2. Rundschreiben des Vorsitzenden . Die eingelangten 8 Beiträge zur Frage des sincuschlagenden Weges: Lev y-Dorn, S. 13; Kienböck, S. 73; Klingelfuß, S. 73; Wertheim-Salomonson, S. 74; Meyer, S. 75; v. Wieser, S. 76; Fürstenau, S, 81; Christen, S. 84. Resumé des Vorsitzenden. . . pi Rieder, H., Röntgenologische Beobachtungen bei Gastrocele skrotalis. Kienböck, R., Uber infantile Osteopsathyrose (Tafel IV und V) : Schönfeld und Friedl, Zur Pyelographie der kompletten Dopvelniere: in einem 1 Falle mnie Hydro- nephrose kombiniert (Tafel VI) Albers-Schönberg, Eine seltene, bisher nicht bekannte Strukturanomalie des Skelettes (Tafel VII, Fig. 1—4). x 2 Albers-Schénberg, Skélettandmalie- von elastischen. Interesse), Proc. aire -sondyloidens oder entepicondyloideus (Tafel VII, Fig. 5 u. 6) 3,2 Levy-Dorn und Baxmann, Uber Strahlen, die bei Funkenentladung i in natmosphärlschei Luft entstehen Stoppel, Über einen Fall von beiderseitiger Fraktur der linken m > vn Winkler, Zwei merkwürdige Schußverletzungen . . Grossmann, G., Über die Sekundärstrahlen als Gefahrguellen Heinz Bauer f (mit Porträt) ; Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommisston. für Dosimetörvergleich der Deutschen Röntgengesellschaft. II. Gruppe . Christen, Th., Messung heterogener Röntgenstrahlen Weissenberg, C., Eine neue graphische Darstellung der Absbrstion: von Röntgenstrahlen, nebst einigen ihrer Anwendungen, und zwar zur Analyse des Strahlengemisches, der Filterwahl und der Erleichterung von Berechnungen _ Wachtel, H., Uber die instrumentelle Bestimmung der Eiythömerenze statt der üblichen Messung der verabreichten Lichtmenge. Vorschlag zu einem neuen einfachen Weg der zeitlichen Begrenzung der Einzelbestrahlung ; Holzknecht, G., und C. Weissenberg, Zur speziellen technischen Birählenmessung N Grann, R., Prinzipielles über die Selenzelle als Mittel zur Messung der Röntgenstrahlen Mayer, R., Zur praktischen Anordnung der Selenzelle unter Vermeidung ihrer Fehler. Grann, R., Uber die Benutzung des photochemischen Vorganges der Kalomelausscheidung zur Messung von Röntgenstrahlen und über photochemische Methoden überhaupt Diskussion: Fraenkel, Eug., Röntgenologisches über Epiphysenlösungen und über Heilung der Osteochondritis ayphilitica congenita (Tafel IX bis XII) v. Domarus, A., und A. Salomon, Beitrag zur Kenntnis der Zwerchfellhernie nach Schußverletzung (Tafel XV, Fig. 1—5) . . . Zadek, J., Zur Diagnose der Puluonalinsuffizienz und arenos (Tafel XV, Fig. a

6060661

109 122

168 174

175 177 180 181 182 200

213 214

229

248 257 267 283

289 297

300 319 326

IV Inhalt.

Gassul, R., Tiefenbestimmung ohne Stereoaufnahme . . -

Hoffmann, Kl., Zur Technik der vaginalen Tiefenbestrahlung N

Hessel II, J., Ösophagusstenose als Ausguß röntgenographiert (Tafel XIV, Fig. a, b and dji:

Hoffmann, W., Kassette zur gleichzeitigen Aufnahme von zwei Röntgenbildern eines ae

Freund, L., Über Schußkanäle. Steckschuß im Herzen . i

Kienböck, R . Über infantile chronische Polyarthritis (Fig. 1—15 auf Tafel XI did XIV) .

Petrow, K., Eine vereinfachte Röntgenstereoskopaufnahme Ge te ie A e ee a

Kienböck, R., Technische Neuerungen ; ;

Wertheim-Salomonson, J. K. A., Röhren mit heißer Antikathode

Stein, A. E., Papaverin zur Differentialdiagnose zwischen Ösophagospasmus und Ösophagubstenose

Berns, W., Über die Röntgentherapie der Lungentuberkulose und die dabei beobachtete Entfieberung

v. Herff, 0., Schutz gegen Radiumstrahlen 5 a a ee A

v. Herff, 0., Zur Reversfrage .

Lilienfeld, J. E., Zur Verteilung der Fluoreszenz auf der Glaswand der Lilienfeldröhre

F; Raseborn j, mit Porträt .

Weiß, E., Sechs Fälle von Osophagaserwelierangen (Hierzu 20 Bilder auf Tafel XVI, XVII und XVIII).

Wachtel, H., Das neue Lokalisationsprinzip der Reunimarke und san: Sohwebemarkenlokalisator, ein Fremdkörperverfahren ohne Messung im Raum und ohne Rechnung . .

Cermak, P., und. F. ee Über die Sekundärstrahlen als un (Tafel X VII, Fig. a und b). :

Hammesfahr, K., Sucher, um bei "Röntgendurchleuchtuug die Dige von Fremdkörpern damire bar vor der Operation zu bestimmen . Schütze, J., Neue Indikationen für die Köntsen- Veratärkungeschirmtechnik‘ inabesondere die Dar- stellbarkeit des uropoétischen Systems und der Galiensteine (Tafel XX) - ; Révész, V., Beiträge zu den Dumdumverletzungen und zur ne der Projektile um 180° im Körper (Tafel XIX) .

Nieber, 0., Röntgenologische Studien über die Ostitis EN ETN

Rieder, H., Röntgenuntersuchungen bebrüteter Vogeleier

Wagener, Vereinfachtes Verfahren der Lokalisation von Fremdkörpern mit Hilfe : meines Quadrat- felderrahmens und Parallellineals . PE

Schwarz, 6., und H. Sirk, Die nephelometrische Bestinimahr der dureh Röntgenstrahlen be- wirkten Kalomelahscheidung der Ederschen Lösung. Ein Beitrag zur Dosimetrie. (Vorläufige Mitteilung)

Dietlen, H., Das neue Zentral-Röntgeninstitut des Bürgetspitals Straßburg i. E

Otto Hesse ĵf . ; :

Voltz, F., Röntgenstrahlen-Meßeinrichtungen und deren Vergleich .

Weil, A., Panzerherz und Picksche Lebercirrhoses (Tafel XXI, Fig. 1—3). .

Thiemann, H., und + Heinz Bauer, Schädelschüsse im Röntgenbild (Tafel XXII und XXIII) £

Schönfeld und Delena, Röntgenologie des unteren Kreuzbeinendes und der SteiBwirbel (Tafel XXIV, Fig. 1—4). 2

Schénfeld, A., Pyonephrotische Wauderniera/| im "Röntgenbild (Tafel XXIV, Fig. a, A ej

Lüdin, M., Röntgenologische Beobachtungen (Tafel XXI, Fig. a, b, c, d) . :

Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission fir Rénteanetcablenmessuaren der Deutschen Röntgengesellschaft. III. Gruppe.

Wertheim-Salomonson, J. K. A., Quantitative Vergleichung der Wirkung von Röntgen- strahlen und Lichtstrahlen auf Bromsilbergelatine j l : Christen, Th., Das Integral-Iontometer

Weißenberg, K., Dosis und Flächenenergie . ; E ae He Correspondenzen © o oa 24-6 a Be ee Boe d wre we ged Go om See, BEB: Bicherbesprechungen......... . 4. 2 2 «© « + + a- . 90. 316. 460. Internationale Fachliteratur:

a) Vereine und Kongresse . . . . 2... 1 ee ee ee ew ee eee 92, 201. 460. b) Journalliteratur . © oo oo on rennen. 98, 209. 317. 386. 461.

Tafel Ibis XXIV.

Seite

330 333 337 338 339 343 359 360 363 366 368 379 382 383 385

395

405

421

426

425

429 433 441

444

451 453 459 465 489 491

496 498 501

509 520 526 459 532

523 534

ah 2 ee. > CE ee ou ee Aes

Namenregister. -V

Namenregister.

(Die Ziffern verweisen auf die Seiten; ein * bedeutet Originalartikel.)

Abbes 102. de Abney 515. Achelis 99. Adler 482. 485. Albers-Schönberg 46. 57. 69. 71. *174. 460. 461. 501. Albrecht 396. 397. 400. Anschütz 124. 140. 141. 156. Arcelin 102. 103. Arnheim 326. 328. Aschoff 339. Atherton 145. v. Aubel 270. Aubourg 103. 104. u Pe Axhausen 124. 125. 137. 139. 141. 147. 148. 156. 157. 160. 161. 164. 351. Axmann

f . 164.

Hacmeister 368. Bahr 225. Bainbridge 535. Bamberg 133. 140. 151. 162. 163. Barkla 73. 262. 265. 466. 473. 518. 529. Barling 107. Bäron 120. Barret 104. Bársony 120. 894. 534. Barwell 122. 138. 142. Bauer, H. 69. 76. 200. 213. 258. *491. Bauermeister 391. Bäumler 28. 29. Baxmann *177. Bayet 103. Béchou 108. Beck 506. Beckmann 148. Béclère 506. Bégouin 102. Behrenroth 57. Belot 100. 104. Benoist 258. 259. 477. 478. Berge- mann 64. 65. 67. 68. Berger 532. v. Bergmann 534. Bergonié 102. 108. Berns *368. Berry 588. Berzelius 267. Bevermann 897. Bichler 394. Biggs 142. 152. 154. Bittorf 326. Bles *56. Bluntschli 176. v. Bokay 63. Bordier 102. 483. Botteri 894. Bour- wieg 97. Bowen 506. 586. Bozzi 46. 48. Bragg 74. 212. Brandes 348. Brauer 38. 98. Brauneck 391. Breus 497. Brill 388. Broca 156. Brock 74. Broechaert 51. Broesike 496. de Broglie 73. Broglier 103. Brown 537. Bruck 122. 140. 142. 156. 161. Bucky 94. 201. 250. Buday 149. Burghart 326. i

de la Camp 326. 368. Canestro *46. Carman 537: 538. Carpini 269. Case 212. 535. 536. Caselli 51. Caton 51. Cermak *421. Chaperon 100. Charcot 344. Christen 69. 81. 82. *84, 90. 98. 213. *214. 247. 249. 258. 259. 260. 264. 266. 287. 288. 289. 297. 298. 299. 382. 459. 465. 477 478. 479. 482. 486. 488. *520. Citelli 51. Clunet 108. Cole 106. 108. 537. 538. Coenen 431. Cohn, M. *316. Coolidge 87. 260. Cornmann 539. Corbett 106. Corley 52. de Cortes 128, 141. 148. Cottenot 103. Crane 537. 539. Créve 498. Crowes 50. Cushing 51. Czermak 182. Czyhlarz 501.

Degrais 106. Delcourt 349. Delena *496. Delherm 103. 104. Deneke 326. 327. 328. Dessauer 69. 79. 182. 219. 220. 221. 225. 265. *421. 582. Dialti 51. Dietlen 19. 329. *453. Dimmer 14, Dodd 535. Doering 124. 139. 141. 156. Döhring 388. v. Domarus *319. Dorn 471. Dreesmann 126. 139. 140. 141. 155. Driffield 510. 511. 515. Drüner 180. Duane 464. Dubois 105. Dubourg 101. Dudding 364. Durante 51. 166.

Eberson 62. Eder 290. 510. 511. 515. 517. Ehlers 328. Eisen 538. Eiselsberg 48. 51. 52. Ekmann 158. 164. Elder 515. Elster 268. Engel 33. 394. Enderlen 153. 154. 160. Engstler 12. Entin *19. Eppens 425. Erhardt 387. Ernst 219. Esau 350. Ewald 128. 137. 138. 139. 140. 141. 142. 162. 397. Exner 405. 503. |

Fahr 464. Faulhaber 505. Fenner 348, Fett 506. Fernau 393. Finkelnburg 387. Foltanek 852. 357. Forschbach 377. 378. Forssell 43. 394. 503. Forster 87. Fox 345. Francois 101. 105. Franke 535. Fraenkel, Eug. *300. Fränkel 129. 161. 250. Fränkel, M. 377. 391. Freund 106. *339. 483. Friedl *168. Friedrich 480. Frisch 339. Fuchs 15. Fürstenau 69. *81. 87. 88. 97. 256. 257. 261. 262. 267. 271. 274. 284. 289. 297. 298. 317. 330. 405. 420. 423. 483.

Gabriel 397. Galezowski 47. Garratt 536. Gassul *330. GauB 230. 249. 250. 257. 258. 264. 266. Geitel 268. George 98. 105. 210. 537. 539. Gerber 98. 210. 537. 539. Gerlach 414. Gillet 405. Giltay 273. Giordano 51. Glatzel 279. Glocker 318. Glöye 124. 141.

. Gocht *1. Goldmann 4. v. Graff 393. Graham 141. 142. 164. Grann 213. 251. *267. 284. *289, 451. Graser 326. Grashey 174. 176. Gray 211. Greenish 141. 164. Grier 538. 539. Grieves 17. Griffith 137. 150. 158. -- Grisson 96. 205. Groedel 92. 326. 329. 489. 490. 501. Grossmann 69. 71. 76. 86. 87. *182. 214, 221. 222. 226. 259. 261. 262. 264. 266. 326. 421. 422. Guilleminot 250. Gurlt 158. Gutsche 52.

v. Haberer 535. Hackenbruch 386. 532. Haenisch *31. *38. 106. 429. 499. Hall-Edwards 107.

-Halstead 51. Hampeln 57. 58. Hammer 423. Hammesfahr *423. Haret 211. Hartmann 127. 189. 140. 141. 146. 156. 162. 164. Hartung 106. Hausmann 398. Hedinger 30. Helfe- rich 180. Henrard 103. Henzelmann 427. v. Herff *379. *382. Hertle 51. Hesehus 268. 269. Hesse, O. 459. Hessel, J. *337. Heuszelmann 394. Hickey 211. 538. Hida 92. Hildebrand 397. 399. 400. Himmstedt 273. Hirsch 51. 52. 53. 54. His 123. 139. 141. 164. Hochenegg 51. Hochsinger 307. 308. 309. Hoffa 346. 349. 350. Hoffmann, Klaus *333. Hoffmann, W. 177. *338. Hofmann 12. Holding 535. Holland 107. 507. Holmes 210. Holmgren 54. Holitsch 394. Holzknecht 12. 14..16. 69. 72. 88. 133. 229. 248. 257. *257. 262. 274. 281. 283. 287. 290. 293. 367. 391. 397. 398. 405. 414. 420. 427. 482. 503. 509. 526. Hondo 326. Horsley 51. Howell 141. 142. van Hoytsema 510. Hueter 343. Hufnagel 388, Huldschinsky 133. 140. 151. 162. 163. Hunt 464. Hupka 91. Hurter 510. 511. 515. Huis- mans 539. Hyrtl 496.

Immelmann 85. 87. 88. 92. 201. 227. 425. 428. 507. Iselin 375.

Jacques 103. Jacquinelle 142. Jaenichen 272. v. Jagi¢ 386. Jahn 292. Jakobsthal 65. v. Jaksch 148. Janczurowicz 396. Janus 69. 208. 209. 459. 470. 481. Jenckel 386. Johannessen 345. 346. 347. 349. Johnston 105. 539. Jürgens 326.

Kaisin 105. Kannavel 51. Kauffmann 348. Kaufmann 397. 400. 401. Katz 516. Kehrer 333. Keitler 393. 584. Kelling 394. Kelly 536. Kienböck 64, 65. 68. 69. *73. 75. 76. 118. “122. 140. 152. 226. 227. 249. 257. 258. 261. 264. *343. *360. 382. 397. 400. 401. 465. 479. 482. 483. 485. Killiani 51. Kimball 535. Kirschbaum 463. Klebs 166. Klee 503. 504. Klemperer

‚VI Namenregister.

534. Klessens 519. Klieneberger *206. KlingelfuB 69. *78. 382. Klose 129. 139. 140. 141. 164. 449. Klynens 105. Knöpfelmacher 16. 130. 353. Koch 17. 480. Koch, F. J. *2. *8. Kocher 51. Köhler, A. 394 426. 431. 482. 532. 536. 539. Kohlrausch 292. Kolb 429. Kolischer 499. Kolisko 173. 497. 498. Kölliker 181. Körner 52. König 51. Koplik 345. Köppe 352. Kraitmair 31. Kraus 366. 396. 397. 398. 401. Krause 51. Krause, P. 57. 472. 486. Krehl 3875. Krogius 51. Kroiß 169. 172. 500. Kröncke 73. 235. Krüger 214. 221. Krummacher 387. 391. Küpferle 368. 375. 378.

Laënnec 19, Laird 177. Lamarche 105. Lange 123. 144. Lange, S. 98. 210. Langer 496. Laquerriére 103. 104. Lasser 460. Latzko 148. 392. Laue 74. 467. Lawrence 538. Ledoux-Lebard 100. 104. Lejeune 104. 105. Lembcke 230. 257. 258. 264. 266. Lenné 31. Leriche 350. Letulle 104. Lévy 431. Levy, R. 153. Levy-Dorn 57. 69. *73. 88. 90. *177. 214. 226. 405. Lichtenberg 499. Lilienfeld 2 u. ff. 9. 87. 260. *383. 461. Lindner 534.

Linhart 119. Lipschütz 125. 139. 141. 142. 164. Lobstein 166. Longard 387. Looser 137. 148. 150. 151. 160. 163. 166. Lorenz 390. Lotheißen 397. Löwe 51. Löwenthal 317. 472. 486. Löwi 401. Lübken 75. Ludewig 470. Lüdin *501. Lüdke 329. Ludloff 153. Luger 501. Lüppo-Cramer 290.

Maase 390. 464. Mackenzie 401. Mackenzie-Davidson 405. 420. Madelung 389. Maier 127. 139. 141. 150. 156. 161. Maingot 506. Majerus 533. Makins 319. Maragliano 47. Marfan 345. Marschik 51. Massini 30. Matagne 103. 105. Matsuoka 127. 139. 141. 146. Matthias 506. May 397. Mayer, E. C. 99. Mayer, R. 213. 256. 260. 264. 267. *283. 287. Meltzer 396. Mengé 104. Merck 367. Meslay 156. Mettauer 142. Mey 95. Meyer 173. Meyer-Delius 300. 311. Meyer, Erich 489. Meyer, F. M. 391. Meyer, H. 69. *75. 89. 105. 214. 249. Michelsen 389. Minter 54. Mintz 398. Mitschell 47. Miura 127. 139. 141. Mollow 57. Moncorvo 345. 349. Morestin 120. Morton 106. 212. Moses 209. Moszkowicz 51. Müller, E. 501. Müller, Otfried 395.

Nahan 100. Nasetti 51. Neumann 387. 393. 395- Neurath 347. 348. Nespor 386. Nienhold 95. Nippe 37. Nobe 886. de Nobele 105. Noehte 388. Nogier 251. Noiré 465. 482. 483. 484. Nuytten 100.

Olbert 367. Oestreich 324. Oppenheim 47. Osgood 63. Ovio 47.

Pancoast 536. Parcksut 47. Pariser 505. Pasteau 106. Paul 51. 394, Pearson 19. Peham 898. Penrose 352. Perthes 225. 258. 264. 330. 398. 403. Péteri *63. Peterson 364. Petrow *359. Pfahler 107. 108. 506. 537. 538. Pfeiffer 125. 141. 148. 149. 155. Pfund 268. Philipowicz 393. Pick 490. Picot 104. Pilz 396. Pirie 120. v. Pirquet 17. Piske 352. Plate 176. Ploenies 505. Plunger 394. Pocchioni 346. 349. Pohlmann 173. Poncet 349. 350. Popper 350. Porak 166. Posselt 326. Pribram 844. Preiser 146. Preiswerk 128. Proust 51. Pulowski 394. Purtscher 15.

QuackenboB 54. de Quegvain 505. 507. Quimby 107. 535.

Bamazzini 19. Ranzi 393. Rasehorn 385. Rauch 391. Rebbeling 123. 164. v. Reckling- hausen 147, 150. 155. 166. Regaud 251. Reichmann 398. Reiner 347. 349. Reinfeldner 173. Reiniger, Gebbert & Schall A. G. 459. Révész 368. *429. Ricca 46. Richards 452. Ridder 366. 396. 397. 398. 401. Riebold 397. Riedel 388. Riedl 389. Rieder *109. *441. 489. 490. Riehl 393. Ries 268. Ritter 214. 221. Rokitansky 328. Romiger 250. v. Röntgen 1. 258. Roos 124. 139. 141. 156. Rosenfeld 329. —: Rosenheim 396. 397. Rosen- thal 101. Rosenthal, W. J. 2. Rosselt 56. Rost 76. 214. 221. Rotgans 60. 61. Roth 99. Rotky 148. Rubaschow 427. 506. Ruggi 51. Ruhmer 269. Ruitinga 59. 60. Rumpf 386. Rupp 387.

Sabouraud 75. 76. 226. 261. 262. 465. 482. 483. 484. Sadler 262. 265. 466. 520. Saenger 460. Salomon *319. 323. Salzmann 389. Sandoz 100. v. Sarbo 393. Sauerbruch 156. 326. Schall 212. Schick 164. Schindler 394. Schlatter 63. 64. 65. 66. Schloffer 51. 52. Schloß 290. Schmidt 499. Schmidt, H. E. 90. 92. 249. 391. 465. 482. 484. 485. Schmidt, 123. 139. 141. 142, 148. 161. 164. Schott 386. Scholz 146. Schönfeld *168. *496. *498. Schramek 393. v. Schroeder 91. Schröder 386. Schuchardt 122. 137. 138. 141. 156. 158. 166. Schuhmacher 326. Schüller, A. *12. 329. 392. 393. Schultz, ©. 330. Schultze 122. 138. 140. 390. Schultze, E. 66. 67. 68. Schut 19. Schütz 394. Schütze 85. 227. *425. Schwarz, G. 290. 296. 393. *451. 483. 489. 490. 585. Schwarzmann 503. Seeger 460. Seelig 387. See- mann, H. 469. Seifert 40. Selka 501. Semeleder 133. Sengbusch 58. v. Seuffert 101. Sgalitzer 367. Shattuck 106. Siemens 271. Silbergleit 388. Simmonds 489. 539. Sirk *451. Sluka 393. Sluys 103. Snook Röntgen Man. Co. 318. Sorge 405. Souttar 212. Sparmann 393. Speder 101. Spieß 54. Spitzy 344. 345. Sprengel 120. Staehelin 19. 30. 501. 505. Stargardt 33. 429. Stargardter 348. Starck 397. 398. Stein, A. E. *366. Steiner 173. Stern 536. zn, 150. 173. Stewart 536. v. Steyskal 326. Stienen 105. Stierlin 501. Still 351. Stock 473. Stoppel *180. Strauberg 106. Strieder 318. Strümpell 374. Szerb 367. Szillard 87. 107. 317. 488.

Tang] 173. Thiemann *491. Thöle 392. 429- 431. Thompson 177. 178. Tiedemann 397. Toldt 496. 497. Tomasius 178. Trendelenburg 535. Tugendreich 330.

Umber 396. Urbantschitsch 14.

Veith 388. Viallet 102. Villard 86. Virchow 15. Vollbrecht 319. Völker 499. Volk- mann 158. Voltz 209. 281. *465. 470. 480. 481. 483. Vrolik 149. 166.

Wachtel *248. 283. 317. 392, *405. 418. 529. v. Wagner 14. Wagner 345. 894. Wagner, E. 99. Wagener *444, Waldmann 343. Waldron 537. Waters 537. Walter 69. 85. 202. 227. 258. Weber, E. 57. 464. 534. Wehnelt 9, 258. 463. 478. Weichselbaum 149. Weigert 173.

Ol] |

Sachregister. VII

Weil *489. Weinberger 827. 329. Weingärtner 91. Weiß 344. *395. Weissenberg 213. *229. 255. *257. 274. 281. 287. *297. #526. Wells 452. Wenckebach 451. Wertheim 393. Wertheim-Salomonson 69. *74. *363. 480. *509. Weski 97. 316. 317. 405. West 51. West- meyer 348. 349. Whitman 351. 352. Wied 292. Wiedemann 177. v. Wieser 69. *77. 250. 481. Wiesner 532. 533. Wieting 319. 325. 326. Willner 130. 182. Wimmer 172. 173. Winkler *181. Winslow 68. Winter 290. Witte 507. Wollenberg 346. 349. 350,

Zadek 57. *326. Zehnder 208. Zenker 395. 397. 398. Zesa 153. 162. Zimmern 103. Zinn 326. Zondek 390. 464. Zuppinger 346.

Sachregister.

Bei Benutzung des Sachregisters sind in den meisten Fällen sämtliche Abteilungen nachzusehen.

(Die Ziffern verweisen auf die Seiten.) Therapie und pathologische Anatomie. Intensität und Dosierung. Physiologische Wirkungen.

Abwehrfermente u. Strahlenbehandlung 534. Basedow, Behandlung 394. Basedow u. gynäkologische Therapie 393. Becquerelstrahlen 393. Biologische Wirkungen, Messung 107. Chlorose, Be-

handlung 386. Diathermie u. Elektrotherapie 102. Dosimetervergleich, Sonder-Kommission, Arbeiten derselben 69. Dosimetrie, Kalomelabscheidung (Schwarz-Sirk) 451. Dosierung 210. 588. Ekzembehandlung 391. Epitheliome 386. Fibrom 104. Gicht 100. Gynäkologie

105. Hautkrankheiten 105. Innere Medizin, Therapie 394. Knochenbrüche, Therapie 391. Krebs 101. 103. Krebsbehandlung 535. Krebs u. Radium 387. 392. u. 392. Leukämie 394. Lupus 100. 101. 103. Lungentüberkulose, Behandlung (Berns) 368. Lymphdriisentuberkulose, Behandlung 393. Makrocheilie 103. Maligne Tumoren u. Radium 102, Mäusetumoren 535. Ophtalmologie 103. Osteosarkom 107. Ovarial-Insuffizienz 103. Parotis-Tumor 105. Prostatakarzinom 106. Quecksilberpräparate, Resorption 388. Radiolymphe 106. Radiometer 106. Radiumstrahlen, Schutz gegen dieselben (Herff) 379. Radiumtherapie, intratumorale 211. Radiumtherapie, verschiedene Affektionen 393. Reversfrage (Herff) 382. Röntgendermatitis 535. Röntgenkarzinom 394, Rückenmarkstumor, geheilter 460. Schornsteinfegerkrebs 103. Sekundärstrahlentherapie 389. 393. Sekundärstrahlen als Gefahrquelle (Cermak u. Dessauer) 421. Spätreaktion 105. Tiefenbestrahlung, vaginale (Hoffmann) 333. Tiefentherapie 101. 537. Tierisches Gewebe 108. Tuberkulose, Kehlkopf 106. Tumoren, maligne 536. Uteruskrebs u. Radium 394. Wunden, Lichtbehandlung 388. |

Technik der Anwendungsweisen der Réntgenstrahlen. Physikalisches. Instrumentarium und Fabrikation.

Absorptionsgesetz 98. Absorptionsindex von Platin u. Kohle 463. Antikathode, gliihende (Wert- heim-Salomonson) 363. Cito-Barium 391. Coolidgeröhre 92. 391. Coolidgeröhre, ihre Literatur 462. Darstellung, graphische, der Strahlenabsorption (Weissenberg) 229. Diamantkristalle, Auf- bau 212. Diskussion zur Dosimeterfrage 297. Dosimetervergleich, Sonderkommission 213. Dosis u. Flächenenergie (Weissenberg) 526. Dunkelkammerlampe (Kienböck) 360. Elektronen- bildung, sekundäre 317. Entladungskurve, Analyse 209. Erythemgrenze, instrumentelle Be- stimmung (Wachtel) 248. Feldröntgenanlage (Brauer u. Haenisch) 38. Fremdkörper 103. Fremdkörperlokalisation 96. 387. 391. 392. Fremdkörperlokalisation nach Gassul 330 und Hammes- fahr 423. Fremdkérperlokalisation nach Wagener 444, nach Wachtel 405. Gase u. Quarzröhren 99. Glühkathodenventil (Koch) 8. 391. Interferenz der Röntgenstrahlen 318. Integral-Ionto- meter (Christen) 520. Kalomelausscheidung zur Strahlenmessung (Grann) 289. Kinematographie 108. Kühlröhre 536. Lilienfeldröhre (Koch) 2. Lilienfeldröhre, Fluoreszenz (Lilienfeld) 383. Lilienfeldröhre, ihre Anwendung u. Literatur 460. 462. Luftpumpe 104. Magenuntersuchung, Sonde 394. Maximumröhre (Amrhein) 105. MeBeinrichtungen und deren Vergleich (Voltz) 465. Messung der Röntgen- u. Gammastrahlen 317. Ortsbestimmung von Geschossen 535. Pene-

trationskraft 212. Perkussionskontrolle 106. Plattenkassette (Hoffmann) 338. Quarzglas, Elek- trodeneinlötung 211. Röhre, Kühlung mit siedendem Wasser 201. Röhrentypen, neue 208. Röntgenhaus St. Georg, Hamburg 460. Röntgenstrahlen u. Lichtstrahlen, Wirkung auf Bromsilber-

. gelatine (Wertheim-Salomonson) 509. Röntgenstrahlen-Wellenlängen 464. Schaukasten 538. Bchieberdiaphragma (Kienböck) 361. Schutzvorrichtungen 104. 209. Schutzmittel für Arzte u. Personal 390. —.Schwebemarke (Wachtel) 405. Sekundärstrahlen, Gefahrquelle (Grossmann) 182. Sekundärstrahlenwirkung 209. Selenzelle zur Strahlenmessung (Grann, Robert Mayer) 267. 283. Signallaterne (Kienböck) 362. Spannungsverlauf von Röhren 463. Spektraluntersuchungen 99. Spektrum 103. Stereoskop nach Grisson 205. Stereoskopaufnahmen (Petrow) 359. Strahlenforschungsstelle in München 459. Strahlen, heterogene Messung (Christen) 214. Strahlen- messung, technische (Holzknecht u. Weissenberg) 257. Strahlen, neue, in der Luft (Levy-Dorn u. Baxmann) 177. Telekardiograph 539. Universalstativ 104. Verstärkungsschirm, Technik (Schütze) 425. Wasserdampf, Kondensation durch Strahlen 318. Weasserstoffröhre 318. 536. Zentral-Röntgeninstitut in Straßburg (Dietlen) 453. rs

VII = Sachregister.

Diagnostik und Kasuistik.

| Abnormitäten, kongenitale 106. Adenopathia tracheo-bronchialis 101. Ankylosen, Diagnose und 4 | Behandlung 100. Atavismus des Skelettes 175. Ateromatose 105. Blumenaufnahmen 107. I Calcaneodynie 212. Calvé-Perthessche Krankheit 389. Darmstasis 212. Dextroversio Cordis ‘i, 394. Dilatation des Jejunum 105. Doppelniere, komplette (Schönfeld u. Friedt) 168. Dum- p Dum (Haenisch) 31. Dumdumverletzungen 392. —, Dumdumverletzungen (Révész) 429. Dünn- darmstase 536. Dünndarmstase und Morphium 536. Duodenalulkus 210. 538. 539. Echino- kokkus der Lunge (Bles) 56. Elektrokardiographie 464. Fehldiagnose, Gallenblase 104. Fremdkörper 538. Fremdkörper in der Leber 107. Fremdkörper in den Luftwegen 394. Fremdkörper, Osophagus 105. Furunkelmetastasen 388. Gallenblase 538. Gallensteine 103. 105. 108. 505. 537. Gasphlegmone 535. Gastrische Krisen 501. Gastrocele scrotalis (Rieder) 109. Gastro-Jejunal-Ulkus 538. Geschoßfrakturen 536. Hämaturie 387. 533. Herzbefunde bei Kriegsteilnehmern 390. 464. Herzbeutelschuß 386. Herzbilder 98. Hypophyse 105. Hypophysektomie (Canestro) 46. Intestinaluntersuchungen 535. Jejunales u. Anastomosenulkus 394. Kieferschußfrakturen 386. Kinematographie, Magen-Darm 106. Knochenbrüche 386. Knochenveränderungen, seltene 106. Knochenzertriimmerung 539. Köhlersche Krankheit 108. Kolon-Divertikel 536. Kolonwindungen, abnorme 107. Kopfuntersuchungen 537. Kopfver- letzungen 211. Kreuzbeinende und Steißwirbel (Schönfeld u. Delena) 496. Lazarettätigkeit in Limburg 386. Luftwege und Perforation derselben 102. Lungentuberkulose 102. Lympho- Sarkom des Halses 102. Magenatonie u. Ohnmacht 503. Magenblähung 106. Magendiagnostik 534. Magenkarzinom 537. Magenkrebs 108. 539. Magentechnik 539. Magenuntersuchungen (Lüdin) 501. Magen- und Bauchbinde 507. Magen- und Duodenalerkrankungen 98. Magen- und Duodenalgeschwür 534. Mastoiduntersuchungen 210. 211. Menstruation und Magen 504. Mondbeinfraktur 394. Nadelverstümmelung 105. Nebenhöhlen 537. Nierenbecken 104. Nierensteine 103. Osophaguserweiterangen (Weisz) 395. Osophagusläsionen 536. Osophagus- stenose (Hessel) 337. Osophagusverletzungen 389. Osteochondritis syphilitica congenita (Fraen- kel) 306. Osteogenesis imperfecta 149. Osteomalazie, infantile 156. Osteopsathyrose, infantile (Kienböck) 122. Os tibiale externum 103. Ostitis fibrosa cystica (Nieber) 433. Pankreas- Tumor 104. Panzerherz und Picksche Lebercirrhose (Weil) 489. Papaverinanwendung (Stein) 366. Patellarfraktur 390. Pericarditis adhaesiva 99. Periostale Erkrankungen nach Ruhr 391. Pfannenverschiebung 105. Phrenikusreizung 394. Pleuritis mediastinalis 104. Pneumo- nokoniosen (Entin) 19. Polyarthritis, infantile (Kienböck) 343. Proc, entepicondyloideus (Albers- Schönberg) 175. Proc. supra-condyloideus (Albers-Schönberg) 175. Prostatahypertrophie 104, Pulmonalinsuffizienz und Stenose (Zadek) 326 Pyelographie 103. Pyelographie, Gefahren der-

Ja selben 589. Pylorus-Insuffizienz 104. Pylorusstenose und Magenverlagerung 388. Rachitis i tarda 156. Rippenfraktur I, beiderseitige (Stoppel) 180. Rückenmarkläsion 386. Rückenmark- H schüsse 387. Rückenmark- und Gehirnschüsse 386: Rückenmarksverletzungen 388. Rumination

394. Sanduhrmagen 107. Schädelchirurgie 387. Schädeldefekte (Schüller) 12. Schädel- schüsse 387. Schädelschüsse (Thiemann u. Bauer) 491. Schädelverletzungen im Kriege 535. Schienbeinbruch 389. Schlattersche Krankheit (Péteri) 63. Schultertechnik 538. Schußfrakturen, Behandlung 386. Schußkanäle (Freund) 339. Schußverletzungen, merkwürdige (Winkler) 181. Sigmoideum 537. Situs inversus 104. Skelett, Strukturanomalie, neue (Albers-Schönberg) 174. Speichelstein 538. Sphenoidalsinus 536. Spina iliaca, Fraktur 394. Spitzentuberkulose im Kindesalter 393. Steckschuß im Herzen (Freund) 341. Struma 393. 394. Tuberkulose 104. Ulcus callosum 104. Ureterstein 104. Valvula und Appendix 535. Vogeleier, bebrütete (Rieder) 441. Vorhofsflattern 99. Wanderniere, pyonephrotische (Schönfeld) 498. Wismutunter- suchung des Magens 537. Wucherungen, periostal am Unterschenkel 98. Zähne 539, Zwerch- fellhernie nach Schußverletzung (Domarus u. Salomon) 319. Zystinsteine 387.

Vereine und Kongresse,

Sonderkommission für Röntgenstrahlenmessung 509. Dosimetervergleich, Sonderkommission, Arbeiten derselben 69.

Bücherbesprechungen. Soziales.

Bauer, Heinz, Nachruf 200. Bezahlung einer Röntgenuntersuchung, Gerichtliches Gutachten 313.

Grenzen des Normalen und Pathologischen (Köhler) 532. Grundriß u. Atlas der inneren Medizin

92. Hesse, Otto, Nachruf 459. Interferenz (Hupka) 91. Kompendium der Röntgenaufnahme

(Dessauer-Wiesner) 532. Kriegschirurgentag in Brüssel, Tagebuchskizze von Klieneberger 206.

Laboratorium, wissenschaftliches, Reiniger, Gebbert & Schall 208. Laryngologie (Weingärtner) 91.

. Meßverfahren, Kritik 209. Rasehorn, Nachruf 385. Röntgen, 70. Geburtstag, Glückwunsch

(Gocht) 1. Röntgenhaus St. Georg Hamburg 460. Röntgenstrahlen und Distraktionsklammer-

verfahren im Kriege (Hackenbruch-Berger) 533. Röntgentherapie (H. E. Schmidt) 90. Tuber- kulose, chirurgische (Hida) 92. Uterusmyome (v. Schroeder) 91.

Zum 70. Geburtstag

von

Wilhelm Konrad v. Röntgen.

Wenn Euer Exzellenz am 27. März d. J. den 70. Geburtstag feiern, dann wird ein Jubeln und Danken die deutschen Herzen erfüllen. Jubeln und Danken, wohl stiller "und zurückhaltender in dieser großen ernsten Zeit, wo Deutschlands Söhne in blutigem Ringen Zeugnis ablegen für Deutschlands Macht und Herrlichkeit; aber ein Jubeln und Danken aus innerster Seele besonders all derer, die am eignen Leibe die Wohltat der Röntgenstrahlen erfahren, und all derer, die die Röntgenkunst ausüben und mitausbauen durften.

Stolz kommen wir mit unseren Geburtstagswünschen; stolz, daß Sie, ein Deutscher, unserm Vaterlande und der ganzen Welt das Geschenk dieser wunderbaren Strahlen gemacht haben. Stolz werden alle daheim und wir hier draußen im Feindesland am 27. März unser Röntgenzimmer schmücken und jedem der Tapferen, denen wir durchleuchtend Rat und Hilfe bringen, zurufen: „Heute, merkt wohl auf, heute feiert in München jener große deutsche Mann seinen 70. Geburts- tag, dem wir und Ihr das herrliche Licht verdanken, das Euer Körperinneres dem menschlichen Auge sichtbar macht, das den Sitz der feindlichen Kugel in Kopf und Leib offenbart, das Euch Kranken und Verwundeten so viel Schmerzen erspart, so viel Heilung bringt.“

Im Dienste der Röntgenstrahlen wollen wir den 70. Geburtstag Eurer Exzellenz in Ost und West, in Nord und Süd begehen. Und solange die Röntgenröhre mit ihrem wohltuenden grünen Glanze leuchtet, solange werden unsere Gedanken bei Ihnen sein, glückwünschend und _ das Auge und die Hand segnend, die uns so Großes gegeben.

Im Namen der Deutschen Röntgen-Gesellschaft

Prof. Gocht-Halle, z. Z Lowicz-Rußland. -

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen, XXIII. 1

Die Röntgenröhre nach Dr. J. E. Lilienfeld. Von Professor F. J. Koch, Dresden.

Lilienfeld hat bewiesen, daß bei Anwendung einer glühenden Kathode der Entladungs- vorgang im extremen Vakuum unbeeinflußt von der Höhe des Vakuums bleibt, sofern der Gasdruck unter einem gewissen Minimum liegt (zusammengefaßt bei J. E. Lilienfeld, „Die Elektrizitätsleitung im extremen Vakuum“, Ann. d. Physik, Bd. 82, S. 674ff., 1910 und Bd. 48, S. 24ff, 1914). Diese Erkenntnis einer erreichbaren Konstanz hat Lilienfeld Veranlassung zur Durchbildung einer Röntgenröhre gegeben (vgl. J. E. Lilienfeld und W. J. Rosenthal, „Eine Röntgenröhre von beliebig einstellbarem, vom Vakuum unabhängigen Hartegrad‘, Fort- schr. Bd. XVII, Heft 4, S. 256ff.). Auf Grund lang andauernder gemeinsamer Arbeit mit Herrn Dr. Lilienfeld, die sich auf die Ausbildung des Röntgenapparates zum Betriebe der Lilienfeldröhre für den praktischen Gebrauch erstreckte, bin ich in der Lage, über die Lilien- feldröhre selbst, ihre Anwendung und das, was sie der Röntgentechnik nunmehr bringen wird, zu berichten.

Bei oberflächlicher Betrachtung der Erscheinungen im Glühkathoden-Vakuumrohr liegt die Versuchung nahe, die von der Glühkathode ausgehenden Kathodenstrahlen direkt zur Erzeugung von Röntgenstrablen zu verwenden. Ein solcher Versuch wird einen für die Praxis brauchbaren Erfolg nicht bringen. Die Röntgenaufnahme- und Durchleuchtungstechnik erfordert im Interesse klarer Bilder einen hinreichend kleinflächigen Kathodenstrahlenfokus auf der Antikathode. Die Bestrahlungstechnik fordert im Sinne eines hohen Wirkungsgrades und genauer Dosierung eine restlose Direktion aller erzeugten Kathodenstrahlen nach dem Antikathodenspiegel. Diffuse Kathodenstrahlung ist für jede Art der Anwendung der Röntgenstrahlen und, sofern sie die Glaswand erhitzt, auch dem Betriebe der Röhre schädlich. In dieser Hinsicht ist die Glüh- kathode im Nachteil: Sie begünstigt die Entstehung diffuser Kathodenstrahlen im höchsten Grade, denn das Kathodengefälle wird durch die hohe Temperatur der Kathode allseitig zum Verschwinden gebracht und wir erhalten demgemäß von der glühenden Kathode aus eine Kathodenstrahlung nicht nur in der gewünschten Richtung nach dem Antikathodenspiegel, sondern, und zwar wesentlich bei höherer Stromdichte, nach allen Seiten. Dadurch wird, ab- gesehen von der Verminderung des Wirkungsgrades und einer starken Erhitzung des Rohres, die Schärfe der Réntgenstrahlenquelle ungünstig beeinflußt und es besteht keine Gesetzmäßig- keit zwischen der zugeführten Stromstärke (Jmi = arithmetischer Mittelwert) und der erzeugten Röntgenstrahlenmenge. Der letztere Umstand bedingt, daß hohe Milliamperezahlen durchaus nicht mit einer entsprechenden Ausbeute an Röntgenstrahlen Hand in Hand gehen. Alle die- jenigen Mittel, welche bei einem derart ausgebildeten Rohr die Eingrenzung der Kathoden- strahlung durch röhrenförmige oder sonstwie ausgebildete Blenden bewirken sollen, bekämpfen das Symptom, ohne das Übel zu beseitigen. Lilienfeld hat von Anfang an den Irrweg der direkten Verwendung der Glühkathode zur Erzeugung von Röntgenstrablen vermieden. Er ging von der zutreffenden Voraussetzung aus, daß eine Auslösung von Kathodenstrahlen nur an denjenigen Flächen der Kathode stattfinden dürfe, die allein nach der Antikathode orientierte Kathodenstrahlen bringen. Er verwendet deshalb die Glühkathode nur als Hilfskathode und

XXIII, 1. Die Röntgenröhre nach Dr. J. E. Lilienfeld. 8

arbeitet im eigentlichen Röntgenrohr, dem das Glühkathodenrohr angeschmolzen ist, mit einer normal gestalteten kalten Kathode, die eine Auslösung der Kathodenstrahlen nur in der un- mittelbaren Umgebung des Hohlspiegelzentrums erfährt. Nebenbei ergibt sich dadurch der Vorteil, eine Glühlampe in beliebiger Gestalt verwenden und durch eine große Oberfläche des Glühdrahtes unbegrenzt Strom durchschicken zu können.

In Abb. 1 ist die Lilienfeldröhre in ihrer neuesten Form, in Abb. 2 schematisch mit an- geschlossenen Stromquellen dargestellt. Ihre Wirkungsweise sei nachstehend, ohne daß zunächst des näheren auf das damit Erreichte eingegangen wird, wiedergegeben. Die Glühkathode G wird durch den Heiztransformator H während des Betriebes auf hoher und konstanter Tempe-

ratur erhalten. Ein Hilfs- oder Zündstrom des Zündinduk- tors Z durchfließt das Glühkathodenrohr vom Fußteil der Röntgenkathode K zur Glühkathode G, deren Kathoden- strahlung zum Teil durch die durchbohrte Röntgenkathode K hindurchtritt und eine Auslösung der Kathodenstrahlen lediglich in der wirksamen Öffnung bewirkt. Während der Dauer der Entladung im Glühkathodenrohr ist der Gasraum der Röntgenröhre leitend, so daß die von einem Hoch- spannungstransformator oder einem Funkeninduktor T aus- gehenden konphasen Entladungen freien Durchgang haben und in normaler Weise Kathodenstrahlen und Röntgenstrahlen erzeugen. Der Zündstrom kann beliebig reguliert werden, je Da stärker er ist, desto stärker ist die Auslösung der Kathoden- : strahlen in der Réntgenkathode und desto weicher ist die

x y

yd Pe S

uO fs f r p~ fupe ia f . Zk ms. N

F er“:

is E.

j a

- > ~ Pe Um; & i”.

f

F Pd = a = < A Be. Br.

Bee { A 3

E D, = 4 DFA - + a + a? - wo, J a a C pea ` ri ~ a J a j =z ED # A > Di, = y m > e ARE

Fig. 1. Fig. 2.

erzeugte Röntgenstrablung. Abschwächung des Zündstromes bewirkt eine Erhöhung des Röntgen- röhrenpotentials und somit, eine Erhöhung der Durchdringungsfähigkeit der Röntgenstrahlung. Zum Betriebe der Lilienfeldröhre sind demgemäß drei Stromkreise erforderlich: der Heizstromkreis zur Erwärmung der Glühkathode (ca. 14 Volt, 4 Ampere), der Zündstromkreis mit einer ver- änderlichen Spannung von ca. 5000 Volt und der Röhrenstromkreis mit einer maximalen Schlag- weite von zweckmäßig nicht unter 30 cm zwischen Platte und Spitze gemessen. Um die an sich nicht komplizierte Anordnung für den praktischen Gebrauch noch einfacher zu gestalten und um gleichzeitig die Möglichkeit zu schaffen, bestehende Röntgeneinrichtungen ohne wesent- liche Umänderung für den Betrieb seiner Röhre brauchbar zu machen, hat Dr. Lilienfeld eine bis jetzt noch nicht veröffentlichte Anordnung getroffen, bei der die konphasen Spannungs- 1*

4

Koch. XXIL, 1.

impulse von einem Widerstand abgezweigt werden, so daß die besondere Zündstromquelle ganz

Fig. 8.

entfällt. Die Anordnung ist in Abb. 8 schematisch angegeben. Der Hoch- spannungs - Réntgentransformator oder Funkeninduktor ist direkt an die Anti- kathode der Röntgenröhre und der Glüh- kathode G des Glühkathodenrohres an- geschlossen. Die Glühkathode G wird durch den Heiztransformator H in der üblichen Weise erwärmt. Von der An- wendung des unzuverlässigen Akkumula- tors zur Speisung der Glühkathode hat Lilienfeld von Anfang an abgesehen. Zündinduktor und besonderer Zündstrom- kreis kommen, wie gesagt, bei dieser Anordnung ganz in Fortfall. Dagegen

ist die eigentliche Röntgenröhre von der Röntgenkathode K zur Antikathode A durch einen in

|

cc Bu Se Si m Ae e ra ne SALI A Pn ENTER Se Aa x Oty p

a

ae « É "Ld Le FATED A we SS oe er es ci wl ur a, 5

Bey es

en OSA -_ Ce TE

5 Cigetia ts. Sei ee Cy “th yee Ce

das IAR te h f. - DZ

> A -. tr

La ii f -

FITI

gm ~

N N

ine 4 = J » s ! ~ x > u

CPLA FH

© ni I

Fig. 4.

weiten Grenzen regulierbaren Hochspannungswiderstand überbrückt. Im Beginne des Entladungsstoßes werden Kathodenstrahlen in der Kathode K ausgelöst und der übrige Teil der Entladung erfährt eine Verzweigung von der Kathode K aus zwischen Röntgenröhre und Hochspannungswiderstand R. Dieser ist gefertigt aus nach einer Idee von Dr. Alexander Goldmann her- gestellten und gemeinsam ‘mit Dr. Lilienfeld aus- gearbeiteten Hochspannungs-Widerstandselementen, so- daß von der Verwendung der unzuverlässigen und ständigen Änderungen ausgesetzten Schieferstäbe oder Silitwiderstände abgesehen werden konnte. Der Hoch- spannungswiderstand (Abb. 4) erfährt durch den Gebrauch keinerlei Abnutzung oder Veränderung und bleibt dauernd gebrauchsfähig. Die Strablung der Röntgen- röhre ist um so weicher, je kleiner der Wert dieses Widerstandes eingestellt ist. Der durch den Hoch- spannungswiderstand fließende Teilstrom ist äußerst gering, so daß praktisch die gesamte Leistung der Hochspannungsquelle für die Erzeugung von Röntgen- strahlen verfügbar bleibt. Diese neue Anordnung er- möglicht, wie bereits erwähnt, den Betrieb der Lilien- feldröhre an jedem bestehenden Röntgenapparat, dem nur der Heiztransformator und der Hochspannungs- widerstand hinzugefügt werden müssen.

Die Heizleitungen führen gegeneinander nur Nieder- spannung und können ohne weiteres verdrillt werden. Eine Hochspannungsleitung von der Hochspannungs- quelle ist direkt zur Sekundärspule des Heiztransfor- mators geführt, so daß zur Röntgenröhre nur drei Kabel führen. Zwischen den Kabeln 1 und 2 und 1 und 8

besteht hohe Spannung, welche einen geniigenden gegenseitigen . Abstand voraussetzt, während, die Kabel 2 und 8 relativ dicht aneinander liegen können. Es ist damit erreicht, daß die

XXIII, 1. Die Röntgenröhre nach Dr. J. E. Lilienfeld. 5

Bewegung des die Lilienfeldröhre einschließenden Blendenkopfes in ebenso handlicher und leichter Weise erfolgen kann wie bei Anwendung der bisherigen Röntgenröhren. Es sei an dieser Stelle noch erwähnt, daß bei Verwendung der Lilienfeldröhre für lange andauernde Tiefenbestrahlungen eine Kühlung der Antikathode mit durchfließendem Wasser angesichts der hohen umgesetzten Energiemenge erforderlich ist. Eine kleine, an der Decke aufgehängte, elek- trisch angetriebene Kreiselpumpe (Abb. 5) mit angebautem Kühler sorgt für die Zirkulation des Wassers und die in eine gemeinsame bandförmige Metallhülle eingeschlossenen Kühlschläuche übernehmen gleichzeitig die Stromzuführung zur Antikathode, so daß auch bei Anwendung der Zirkulationskühlung nur drei Zuführungen in Erscheinung treten. Der Blendenschutzkasten für die Lilienfeldröhre unterscheidet sich wenig von den bisher üblichen. Er ist wegen der helleuchtenden Glühkathode allseitig lichtdicht abzuschließen. Beiderseitig oder auch an der Vorderwand sind unter Bleiglas schmale Astralschirmstreifen auswechselbar eingesetzt, an deren Fluoreszenz man erkennt, ob die Röhre anspricht. Auch die vordere Blendenöffnung wird zweckmäßig durch einen dünnen Pappschieber vollständig geschlossen. Eine einfache Härteskala kann unter den Astralschirmstreifen angebracht sein und ermöglicht die jeweils ein- gestellte Härte der Strahlung oberflächlich zu kontrollieren.

Der Betrieb der Lilienfeldröhre kann mit Induktoreinrichtung oder Transverter (Hochspannungs-Gleichrichter) erfolgen. Bei Dauerbelastung wird mit dem Transverter eine höhere Milliamperezahl zu erreichen sein als mit dem Funkeninduktor. Der Funkeninduktor liefert jedoch eine homogenere Strahlung, so daß bei der Anwendung der Röhre für Tiefen- bestrahlung nach den bisherigen Erfahrungen wohl auf Gleichwertigkeit der beiden Apparattypen gerechnet werden kann. Die Anwendung spezieller Induktoren mit mindestens 40 cm Sekundärklemmenentfernung und beson- ders hoher Feldkapazität ist im Sinne Mer Totalausnutzung der hohen Dauerbelastbarkeit der Röhre zu empfehlen.

Nach den vorstehenden Darlegungen der Grundzüge der Lilienfeld- schen Anordnungen kann nunmehr zu einer allgemeinen Besprechung dessen, was die Lilienfeldröhre der Röntgentechnik bringt, übergegangen werden.

1. Keine unbeabsichtigte Zustandsänderung der Röhre während des Betriebes: das Vakuum der Lilienfeldröhre ist ein extrem hohes. Ihre inneren Metallteile sind beim Evakuierungsprozeß vollständig entgast, so daß der Gasraum praktisch nicht leitend ist, natürlich sind hierbei organische Verunreinigungen (Siegellack, Kitt und Fettdichtungen) peinlichst vermieden. Deshalb hält sich die Röhre während des Betriebes auch bei den höchsten Belastungen, welche der Antikathoden- spiegel gerade noch aushält, konstant. So bleibt, gleichviel, ob die Röhre extrem hoch oder extrem niedrig belastet wird, die Röntgenstrahlung in bezug auf Intensität und Durch- dringungsfähigkeit konstant und der Gebraucher ist jeglicher Beobachtung der Röntgenröhre selbst enthoben. So lange er unter der erwähnten zulässigen Höchstbelastung bleibt, kann er jede für den jeweiligen Zweck erforderliche Röhrenstromstärke ohne Rücksicht auf die Röntgen- röhre selbst einstellen und beliebig lange aufrechterhalten.

2. Augenblickliche Einstellung jedes beliebigen Härtegrades und beliebige Veränderung des Härtegrades während des Betriebes: Während bei den bisherigen Röntgenröhren die Durchdringungsfähigkeit der Röntgenstrahlen abhängt von der Höhe des Vakuums, welches während des Betriebes ständige Veränderungen erleidet, ist die Durchdringungsfähigkeit der Strahlung bei der Lilienfeldröhre jeden Augenblick auf das gewünschte Maß einstellbar. Bei Anwendung einer besonderen Zündstromquelle ist lediglich die Stärke des Zündstromes vom Reguliertisch aus zu verändern, um verschiedene Härtegrade zu erzielen. Je stärker der Zünd-

6 Koch. XXIII, 1.

strom ist, desto weicher, je schwächer der Zündstrom ist, desto härter ist die erzeugte Röntgen- lichtstrahlung. Bei Anwendung des regulierbaren Hochspannungswiderstandes ist das Röntgen- licht um so weicher, j& niedriger sein Widerstandswert eingestellt wird. Der Hochspannungs- widerstand wird mittels Zugschnur in einfacher Weise betätigt und es kann beispielsweise während der Durchleuchtung die Härte des Röntgenlichtes so lange verändert werden, bis die günstigste Kontrastwirkung auf dem Fluoreszenzschirm erzielt ist. Die Regulierbarkeit der Röhrenhärte bringt den weiteren Vorteil mit sich, daß ein Auswechseln der gebrauchsfähigen Röhre niemals erforderlich ist. Es kann unmittelbar nach kontrastreicher Aufnahme einer Kinderhand eine Dauertiefenbestrahlung mit größter Härte vorgenommen werden. Der Ge- braucher ist in der Lage, jeden Augenblick diejenige Röntgenlichtintensität und Röntgenlicht- durchdringungsfähigkeit einzustellen und dauernd aufrechtzuerhalten, die er für den jeweiligen Zweck gerade benötigt.

3. Hohe Dauerleistung: Die höchste Dauerbelastung, welche einer gewöhnlichen Röntgen- röhre zugemutet werden kann, ist nach oben und unten begrenzt durch den Gasausscheidungs- und Gasabsorptionsprozeß. Belastet man eine gewöhnliche Röntgenröhre zu niedrig, so schlägt sie nach hart, belastet man sie zu hoch, so schlägt sie nach weich um. Es kann einer nor- malen Röntgenröhre demgemäß längere Zeit nur diejenige Belastung zugemutet werden, bei welcher sich der Gasausscheidungsprozeß mit dem Gasabsorptionsprozeß die Wage hält. Bei der Lilienfeldröhre gibt es eine derartige Begrenzung nicht. Ihr kann, ohne daß sich ihr Zustand ändert, die niedrigste wie die höchste Belastung dauernd, also ohne jede Zeitbegrenzung zugemutet werden. Die höchste Dauerbelastung ist gegeben durch die Haltbarkeit des Anti- kathodenspiegels, die der Erfinder durch Anwendung einer starken Spiegelplatte, die ohne Schaden für die Röhre zwar ein- aber nicht durchschmelzen kann, erhöht hat.

4. Nutzbare Réntgenlichtmenge proportional der erzeugten Kathodenstrahlenmenge und demgemäß proportional der Röhrenstronistärke: Beim Betrieb üblicher Röntgenröhren läßt die Messung des arithmetischen Mittelwertes der Röhrenstromstärke keinen exakten Schluß auf die erzeugte Réntgenlichtmenge zu. Bei der gewöhnlichen Röntgenröhre erreicht nur ein Teil der erzeugten Kathodenstrahlen den Antikathodenspiegel. Es werden demgemäß die erzeugten Kathodenstrahlen nicht restlos in Röntgenstrahlen umgewandelt; ein wesentlicher Teil ist viel- mehr diffus und geht so der Ökonomie der Strahlenausbeute verloren. Außerdem fluoresziert die gesamte vor dem Antikathodenspiegel liegende Kugelhemisphäre hell unter dem Einfluß der reflektierten Kathodenstrahlen, deren Energie auf der Glaswand in der Hauptsache in Wärme und in diffusem, unverwendbarem Röntgenlicht frei wird. In der Lilienfeldröhre tritt diffuse Kathodenstrahlung nicht auf. Sämtliche erzeugten Kathodenstrahlen erreichen den Fokus auf dem Antikathodenspiegel; infolgedessen ist die Strahlenausbeute so groß, wie sie bei Verwendung des gegebenen Spiegelmaterials überhaupt nur sein kann. Die Glaswand der Röhre fluoresziert nicht und bleibt kalt. Das rührt nach Lilienfeld (Berichte der Kgl. Sächs. Ges. d. Wiss., Sitzung vom 23. Februar 1914, Band LVI, S. 76ff., 1914) daher, daß das Potentialgefälle nicht wie sonst an der Kathode, sondern in einer dünnen Schicht an der Antikathode liegt. Es ist deshalb die erzeugte wirksame Röntgenlichtmenge absolut proportional dem arithmetischen Mittelwert der zugeführten Stromstärke (Imi). Dadurch ist erstmalig die Möglichkeit einer genauen Dosierung an Hand der Härteeinstellung und Röhrenstrombemessung gegeben. Durch gänzlichen Fortfall der vorherrschend weichen Glasstrahlung ist ein höherer Wirkungsgrad erreicht und das erzeugte Strahlengemisch ist homogener als bisher bei gleicher Spannungsform und gleichen elektrischen Größen.

5. Feinere Differenzierung der Negative: Da in der Lilienfeldröhre weder diffuse noch reflektierte Kathodenstrahlen auftreten und demgemäß alle Röntgenstrahlen restlos vom Strahlen- fokus auf dem Antikathodenspiegel ausgehen, so werden schärfere, feiner differenzierte Negative auch ohne Anwendung enger Blendenöffnungen erzielt. Die Röhren werden für universelle Anwendung mit einem Fokus mittlerer Ausdehnung ausgeführt.

XXIII 1. Die Röntgenröhre nach Dr. J. E. Lilienfeld. j 7

6. Erhöhte Lebensdauer, keine Regenerierung: Da die Lilienfeldröhre mit extrem hohem Vakuum und praktisch vollkommen entgasten inneren Metallteilen arbeitet, altert sie nicht und die Anbringung einer Regeneriervorrichtung erübrigt sich. Die Röhre bleibt gebrauchsfähig, solange der Glühdraht der Glühkathode intakt ist. Wenn auch diesbezüglich abgeschlossene Erfahrungen nicht vorliegen, so kann doch mit einer Betriebskapazität von Hunderten von Stunden gemäß der Lebensdauer einer normal beanspruchten Metallfadenlampe gerechnet werden. Verfärbung der Röhrenwandungen, dünne Metallniederschläge auf der inneren Röhrenwandung, die hier nur durch extreme Überbeanspruchung (keine gewöhnliche „Zerstäubung“ unter Ein- wirkung der Entgasung!) der Spiegel entstehen können, beeinträchtigen die gute Wirkungsweise der Röhre nicht.

7. Erhöhte Tiefenleistung: Da bei der Lilienfeldröhre die höchst zulässige und dauernd anwendbare Stromstärke nur durch die Haltbarkeit des Antikathodenspiegels begrenzt ist, so können bei dieser Röhre wesentlich erhöhte Tiefenleistungen erzielt werden, wie sie mit nor- malen, bisher üblichen Röntgenröhren niemals erzielt werden konnten. Die bisherigen Röhren konnten meist nur bei einer Maximalstromstärke von 3—4 Milliampere und das auch nur mit Schwierigkeiten auf dem wünschenswerten bohen Härtegrad erhalten werden. Bei der Lilienfeld- röhre dagegen konnten bei Härte 10—12 nach Wehnelt noch Stromstärken bis zu 20 Milli- ampére dauernd angewendet werden, so daß für die Praxis für hohe Härtegrade und Trans- verterbetrieb eine Dauerstromstärke von 10—15 Milliampére ohne weiteres zugelassen werden kann. Da die Strahlenausbeute der Lilienfeldröhre der Stromstärke proportional und ihr Wirkungsgrad ein höherer ist, wie derjenige der bisherigen Röntgenröhren, so erhöht sich die Tiefenleistung noch um mehr als der erhöhten Belastungsfähigkeit der Röhre entspricht. Man wird demgemäß mit der Lilienfeldröhre bei Tiefenbestrahlung ohne Auswechslung der Röhre das Mehrfache leisten können, was bisher unter ständigem Wechsel der Röhren geleistet werden konnte. Dabei bleibt die Röhre für alle anderen Zwecke gebrauchsfähig. Der Wettbewerb hat die Aufstellung soge- nannter Rekordziffern bewirkt. Trotz vorliegender Versuchsreihen, die die bedeutende Überlegen- heit der Lilienfeldröhre auch den phantastischsten Rekordziffern gegenüber erweisen, sieht der - Verfasser davon ab, Zahlenmaterial betreffs der Tiefenleistung anzugeben. Er will in dieser Beziehung den künftigen Gebrauchern der neuen Röhre nicht vorgreifen. Veröffentlichungen aus der Praxis werden in Kürze den erheblichen Fortschritt zahlenmäßig belegen. Nur diejenige Maximalleistung kann für die Praxis Gültigkeit haben, die spielend ohne Gefährdung des Materials auch vom technisch ungeschulten Gebraucher erzielt werden kann. Die sogenannten Rekord- ziffern bieten, abgesehen von der bisherigen Unzuverlässigkeit aller direkten und indirekten Dosierungsmeßmethoden, keinen exakten Anhalt für die in der Praxis wirklich zu erzielenden Durchschnittsleistungen, besitzen wir ja nicht einmal Mittel, die mittlere wirksame Härte eines komplexen Strahlungsgemisches einwandfrei zu bestimmen. Gerade aber in bezug auf die Dosierung bietet, wie oben bereits erwähnt, die Lilienfeldröhre neue und wesentlich zuverläs- sigere Wege als bisher. Die Lilienfeldröhre ermöglicht mit einer einzigen Röntgeneinrichtung eine tägliche Leistung zu übernehmen, die bisher nur durch gleichzeitige Anwendung von zwei oder mehr Röntgenapparaten unter ständigem Röhrenwechsel zu erzielen war. Für Erzielung der höchsten Dauerleistungen der Lilienfeldröhre sind gut gekühlte Transformatoren und In- duktoren besonders zu empfehlen. Da der Gasraum der Lilienfeldröhre nicht leitend ist, so treten Gleitfunken auch bei hohen Äquivalentschlagweiten nicht auf und die Durchschlags- gefahr kann bei richtiger Anwendung der Röhre als beseitigt gelten.

8. Homogenität: Vermittelst einer durch einen Griff zu betätigenden Schaltungsänderung, deren Erörterung hier zu sehr ins elektrotechnische Detail führen würde, ist man in der Lage, die Homogenität der Strahlung zu beeinflussen, indem die Röhre es zuläßt, nach Belieben ent- weder nur nahe am Scheitelwert der Wechselstromkurve zu arbeiten oder auch die Teile nie- drigerer Spannung mit durch die Röhre gehen zu lassen.

9. Schließungslichtfrei: Die Lilienfeldröhre ist, da die Antikathode nicht glühend wird,

8 Koch. XXIII, 1.

nur für die richtige Stromrichtung leitend. Sie ist demgemäß für die durch die Schließungs- induktion erzeugten Spannungen unempfindlich, so daß die bisher auf diese Erscheinung zu verwendende Aufmerksamkeit seitens des Gebrauchers entfällt.

Die Praxis wird lehren, daß die Lilienfeldröhre auf dem gesamten Anwendungsgebiet der Röntgenstrahlen einen wesentlichen Fortschritt bedeutet. Mit ihr verliert die Anwendung der Röntgenstrahlen den ihr bis jetzt eigenen experimentellen Charakter. Die bisherige Inkonstanz der Röntgenröhre ist verschwunden und alle Mißerfolge, die auf die Unzuverlässigkeit der bis- herigen Röntgenlichtquellen zurückzuführen waren, werden nunmehr in Fortfall kommen. Die Erzeugung der Röntgenstrahlen wird auf eine technische Basis gestellt. Die Konstanz der neuen Röntgenlichtquelle, die Möglichkeit der augenblicklichen Einstellung aller nur wünschenswerten Größen, die gute Lichtausbeute eröffnet neue Ausblicke in bezug auf die Verwendung der Röntgenstrahlen auf dem Gebiet der Heilkunde.

Dresden, März 1915.

Das Glühkathodenventil und seine Anwendung in der Röntgentechnik. Von Professor F. J. Koch, Dresden.

Seit Bestehen der Röntgentechnik hat die exakte Gleichrichtung des zum Röhrenbetrieb bestimmten hochgespannten Stromes sowohl bei Funkeninduktor wie bei Transformator- betrieb eine wesentliche Rolle gespielt. Nicht nur für die Lebensdauer einer Röntgenröhre, sondern auch für die Konstanterhaltung ihres Vakuums während des Betriebes ist es von Wichtigkeit, daß verkehrt gerichtete Spannungen ferngehalten werden. Bei Funkeninduktor- betrieb konnte bis jetzt das Problem der Ausschaltung der verkehrten Spannungsrichtung (Schließungsspannung) nicht als zufriedenstellend gelöst betrachtet werden. Man wandte anfangs aus Platte und Spitze bestehende Funkenstrecken, später Vakuum-Ventilröhren an. Die bisherigen Vakuum-Ventilröhren haben den Nachteil der Inkonstanz des Vakuums mit dem der bisher üblichen Röntgenröhren gemeinsam. Ventilröhren lassen die Betriebsspannung für Röntgenröhren bei höherer Belastung schon in normalem Zustande oft um mehr als 20000 Volt abfallen, sie werden bei Betrieb mehr oder weniger schnell hart und sind trotz angebrachter Regeneriervorrichtung verbraucht, sobald ihr Vorrat an okkludierten Gasen er- schöpft ist. Es sei auch hier der Abhängigkeit der Röntgenröhre selbst vom Zustande der Ventilréhre gedacht. Je niedriger der Gasdruck in einer der Röntgenröhre vorgeschalteten Ventilröhre ist, um so mehr Durchbruchswiderstandscharakter besitzt das Ventilrohr und um so schneller klingen die der Röntgenröhre zugeführten Stromimpulse unter gleichzeitiger Er- höhung ihrer Scheitelwerte aus. Es zeigt sich deshalb, daß mit dem Härterwerden des Ventil- rohres auch eine Zunahme der Durchdringungsfähigkeit der Röntgenstrahlung verbunden ist. Die hier kurz gegebene Charakteristik der Ventilröhre, die ein notwendiges Übel in der Röntgen- technik darstellt, hat viele Gebraucher davon abgehalten, bei Induktorbetrieb unter ständiger Vorschaltung der Ventilröhre zu arbeiten. Man hat sich darauf beschränkt, das Ventilrohr nur bei höchsten Röhrenbelastungen anzuwenden.

Eine endgültige Ausschaltung der störenden Wechselspannungserscheinungen schien er- reicht, als Röntgenapparate aufkamen, die der Röhre durch mechanische Kommuttierung hoch- gespannten Wechselstromes „reinen Gleichstrom“ zuführten. Aber auch bei diesen mit Hoch- spannungs-Gleichrichter ausgerüsteten Wechselstrom-Röntgenapparaten ist der Erfolg kein vollkommener. Die nötige hohe Übersetzung des Funkentransformators bewirkt, daß die in der Transformatorentechnik unter der Bezeichnung „Windungskapazität“ bekannte Größe störend in die Erscheinung tritt. Jede Röntgenröhre stellt einen Durchbruchswiderstand dar. Die angelegte Spannung muß in jedem Entladungsimpuls erst ein gewisses Niveau über-

XXIII, 1. l Das Glühkathodenventil und seine Anwendung in der Röntgentechnik. 9

schreiten, ehe die Entladung durch das Röntgenrohr zufolge des Spannungsdurchbruches er- folgen kann. Es liegt also diejenige Spannung, die wir als Zündspannung bezeichnen müssen, besonders bei härteren Röhren ganz erheblich höher als dasjenige Röhrenpotential, welches im Moment nach Durchbruch an der Röhre liegt. Es lädt sich demgemäß die Windungskapazität des Transformators bis zur Höhe der Zündspannung auf und in Verbindung mit dem rotie- renden Hochspannungs-Gleichrichter, der als Schwingungserreger anzusehen ist, erfolgt im Moment des Spannungsdurchbruches eine mehr oder weniger oszillierende Entladung der in der Windungskapazität aufgespeicherten Energie. Wir sehen deshalb im Hochspannungs- Gleichrichter bei mittlerer Belastung nicht den Strom in Form eines Lichtbogens, sondern in Form einzelner Entladungen übergehen. Diese Partialentladungen sind es, die im wesentlichen die Inkonstanz des Vakuums der Röntgenröhre bei Betrieb am Hochspannungs-Gleichrichter bewirken. Ein vollkommenes Mittel, verkehrt gerichtete, auch die in Form von Partial- entladungen auftretenden Spannungen von der Röntgenröhre gänzlich fernzuhalten, bietet die Glühkathoden-Ventilröbre. Sie verdankt ihre Entstehung den Vorarbeiten von Wehnelt und Lilienfeld. Wehnelt hat bewiesen, daß man langsame Kathodenstrahlen im Vakuum ‘mit extrem niedrigem Spannungsgefälle auslösen kann, wenn die Kathode aus hoch erhitzten ener besteht (Annalen der Physik, Band IV, 14, 1904). Lilienfeld hat bewiesen, daß bei Anwendung einer glühenden Kathode der Ent- ladungsvorgang im extremen Vakuum unbeeinflußt von der Höhe des Vakuums bleibt, sofern der Gasdruck unter einem gewissen Minimum liegt. Pumpt man ein Vakuumrohr bis zum extremsten Unterdruck aus, so verliert es seine elektrische Leitfähigkeit. Die höchsten Spann- . ungen, die man anlegt, vermögen `: keine Entladung durch das Vakuum- . rohr einzuleiten. Bringt man in einem solchen Vakuumrohr mit _ extrem hohem Vakuum eine Elek- = trode aus schwer schmelzbarem Metall an und erhitzt diese Elek- trode durch eine Hilfsstromquelle . elektrisch bis zu einem gewissen | Grade, so zeigt sich, daß für eine an dieses Vakuumrohr angelegte Spannung praktisch kein Ausgleichs- = widerstand besteht, wenn die Span- nungsrichtung so gewählt wird, daß © die glühende Elektrode Kathode ist. Wird dagegen die Spannungsrichtung gewechselt, so daß die glühende Elektrode Anode wird, so zeigt das Rohr denselben hohen Widerstand, den es vorher ohne Beheizung der - Glühelektrode für beide Stromrichtungen zeigte. Es wirkt also ein solches Glühkathoden- Vakuumrohr als Hochspannungs-Gleichrichter vollkommenster Art, denn es verursacht in der Durchgangsrichtung einen Spannungsabfall von nur wenigen hundert Volt, während es der ab- gesperrten Richtung einen praktisch unendlich hohen Widerstand entgegenstellt. Ein solches Vakuum-Ventilrohr in kleinster Ausführung kann dauernd Stromstärken von ca. 100 Milliampere durchlassen, ohne sich irgendwie schädlich zu erwärmen oder seinen Zustand als Richtungs- widerstand zu ändern. Das Rohr wird niemals hart oder weich und es ist erst verbraucht, wenn der Glühkathodendraht, der die gleiche Lebensdauer hat wie der Metalldraht einer normal beanspruchten Metallfadenlampe, durchgebrannt ist.

In Abb. 1 ist ein Glühkathodenventil, welches als Thermoion-Ventilrohr in den Handel Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XXIII, 2

Fig. 1.

10 Koch. XXIII, 1.

gebracht wird, dargestellt. In Abb. 2 ist die Schaltung einer Réntgenanlage, die als Thermoion- Röntgeneinrichtung bezeichnet wird, schematisch dargestellt. An das Wechselstromnetz oder an die Anschlußklemmen eines Gleichstrom-Wechselstrom-Einanker-Umformers ist unter Vor- schaltung des Regulierwiderstandes R und der Drosselspule D der Hochspannungs-Transfor- mator T angeschlossen. Der zur Beheizung der Glühkathode dienende Transformator G ist an die Wechselstromquelle unter Vorschaltung eines arretierbaren Regulierwiderstandes R, ange- schlossen. In Serie mit der Röntgenröhre X liegt das Glühkathodenventil V, dessen Glüh- kathode an die Sekundärklemmen des Hochspannungs-Transformators G unter Vorschaltung eines Amperemeters A angeschlossen ist. Zur Erreichung höchster Röhrenbelastung bei an- nähernd symmetrischer Feldbeanspruchung im Transformator T und zur Vermeidung der für den praktischen Gebrauch störenden einpoligen Spannungsausstrahlung während der Dauer der Fehlwechsel ist der Primärspule des Transformators die äußerlich einem Wechselstrom- Wehnelt- Unterbrecher ähnliche Zelle Z vorgeschaltet. Die in Abb. 3 dargestellte Zelle Z besteht aus einem Eisengefäß, gefüllt mit einem neutralen Elektrolyten, in das ein Aluminiumdraht durch ein Porzellan-Diaphragma hindurchragend eintaucht. Diese Zelle, welche den Abfall der Klemmenspannung am Trans- formator während der Dauer der Fehlwechsel herbeiführt, bedarf keiner Wartung. Der Alumi- niumdraht ist ähnlich wie beim Wechselstrom - Wehnelt - Unter- brecher derart in das Dia- phragma eingesetzt, daß er bei Verbrauch des freien Endes selbst- tätig nachsinkt. Der Aluminium- stift wird außerordentlich lang- sam verbraucht und ist durch cinen Handgriff zu ersehen. Zum ordnungsgemäßen Betrieb der Thermoion - Röntgeneinrichtung ist die Zelle Z nicht erforder- lich. Der Röntgenapparat würde also auch dann ordnungsgemäß arbeiten, wenn nach Jahren des Gebrauches der Elektrolyt eingetrocknet und durch Unachtsam- keit die Neufüllung der Zelle versäumt sein sollte. Der Hauptschalter der Thermoion-Röntgen- einrichtung ist als Zwangsfolgeschalter ausgebildet, der den Glühstromkreis früher als den Röhrenstromkreis schließt, so daß der fehlerhafte Betrieb der Röntgeneinrichtung ohne Ein- schaltung der Glühkathode unmöglich gemacht ist. Die in Abb. 2 schematisch dargestellte Röntgeneinrichtung nutzt nur die eine Richtung des vorhandenen Wechselstromes aus. Sie liefert der Röntgenröhre demgemäß 50 Impulse bei 50 Perioden. Zufolge des geringen Spannungsabfalles im Thermoionventil können sehr erhebliche Röhrenstromstärken erzielt werden. Da Partialentladungen, wie sie bei der jetzigen Gleichrichtung auftreten, vermieden sind, so halten sich die Röntgenröhren bei dieser Betriebsart außerordentlich konstant, so daß die dauernd zulässige mittlere Belastung gegen früher erhöht werden kann. Der Apparat arbeitet bei geringstem Platzbedarf ohne bewegte Teile, ohne Geräusch und mit außerordentlicher Ruhe des erzeugten Réntgenlichtes. Die Einrichtung kann für alle Zwecke, auch für diejenigen, welche höchste Röhrenbelastung erfordern (Fern- und Momentaufnahmen), Verwendung finden. Für Tiefentherapie ist die Erzielung einer homogeneren Strahlung dadurch ermöglicht, daß die Röntgenröhre mittels eines Hochspannungswiderstandes überbrückt ist. Dadurch wird die Er- reichung der Zündspannung zu Gunsten der Erzielung höherer Scheitelwerte zeitlich verzögert.

XXIII, 1. Das Glühkathodenventil und seine Anwendung in der Röntgentechnik. 11

Abb. 4 zeigt die Thermoioneinrichtung in ihrer jetzigen Ausführungsform. Durch Anwendung von 4 Glühkathodenventilröhren in Grätzscher Schaltung können beide Stromrichtungen des vorhandenen Wechselstromes für den Röhrenbetrieb nutzbar gemacht werden. Die Leistung der einfach wirkenden Einrichtung ist jedoch eine so erhebliche, daß sich der Verfasser noch nicht entschließen konnte, die immerhin kompliziertere Einrichtung mit 4 Glühkathodenventil- röhren dem praktischen Gebrauch zugängig zu machen. Durch Anwendung von 2 Glühkathoden- ventilröhren ist ohne weiteres der Zweiröhrenbetrieb möglich. Es wird in diesem Falle die Ventüzelle Z ausgeschaltet und die Anordnung zweier Glühkathodenventilröhren derart getroffen,

‚Fig. 4.

daß die eine Röntgenröhre mit dem einen, die andere mit dem um 180° verschobenen Wechsel betrieben wird, so daß eine vollkommene Ausnutzung des vorhandenen Wechselstromes er- zielt ist.

Für bereits vorhandene Induktoranlagen kann das Glühkathodenventil durch Beschaffung des sogenannten Thermoionzusatzes brauchbar gemacht werden. Dieser Zusatz besteht aus einem Heiztransformator mit Amperemeter auf Wandkonsol, dem bei Gleichstrombetrieb ein kleiner Hinankerumformer für ungefähr 75 Watt Leistung beigegeben ist, der ebenfalls auf dem Konsol Aufstellung findet. Am Konsol befindet sich der arretierbare Widerstand zur Einstellung und Fixierung der Glühstromstärke und ein Schalter zum Aus- und Einschalten des Gliihstromes, Wird versehentlich der Glühstrom nicht eingeschaltet, so geht. die Entladung durch eine parallel zum Glühkathodenventil geschaltete Funkenstrecke, welche durch ihr An- sprechen den Gebraucher auf seinen Irrtum aufmerksam macht, ohne daß eine Durchschlags- gefahr für das Glühkathodenventil besteht. Das Glühkathodenventil ist in einen lichtdichten

| on

12 Schüller. XXIII, 1.

Kasten aus Hartpapier, geeignet für Wand- oder Deckenbefestigung, eingeschlossen. Eine kleine rote Glasscheibe ermöglicht die Kontrolle der Glühkathode. Bei Anwendung dieser Einrichtung entfällt die bisher der Fernhaltung verkehrt gerichteter Ströme notwendigerweise zuzuwendende Aufmerksamkeit. Der Gebraucher besitzt nunmehr auch im Funkeninduktor einen Apparat, der der Röhre reinen Gleichstrom zuführt. Irgend einer Wartung bedarf die Einrichtung nicht und die verhältnismäßig geringen Anschaffungskosten werden durch Ersparnis an Réhren- material schnell wieder eingebracht. Dresden, Fabriklaboratorium der Firma Koch & Sterzel, 81. März 1915.

Aus dem Zentral-Röntgeninstitut des k. k. allg. Krankenhauses in Wien. (Vorstand Professor Guido Holzknecht.)

Uber eigenartige Schädeldefekte im Jugendalter. Von Professor Dr. Artur Schüller (Wien). (Hierzu Tafel I, Fig. 1 bis 5.)

Defekte der Schädelkapsel kommen in allen Lebensaltern zur Beobachtung; gleichwohl scheinen Schädeldefekte bei jugendlichen Individuen besonders häufig vorzukommen. Auch die Vielfältigkeit und die große Ausdehnung der Defekte, wie andererseits die Möglichkeit weit- gehender Restitution dürften Eigentümlichkeiten des Jugendalters sein. Das Studium der ge- nannten Eigentümlichkeiten der Schädeldefekte wurde in den letzten Jahren durch die röntgeno- logische Untersuchungsmethode wesentlich erleichtert.

Die im Jugendalter zur Beobachtung kommenden Defekte lassen sich in mehrere Gruppen einteilen: |

1. Die durch Entwicklungsanomalien (in utero oder nach der Geburt) entstandenen Schädeldefekte. | i

2. Die traumatisch bedingten Schädeldefekte.

8. Die durch Druckatrophie zustande kommenden Defekte.

4. Die durch Entzündungen und Neoplasmen erzeugten Defekte.

ad 1. Zu den Schädeldefekten infolge von Entwicklungsstérung gehören die partielle und totale Akranie, sowie die Schädellücken, welche den Hernien des Schädelinhaltes zum Durch- tritt dienen. Diese Lücken pflegen scharfe, kreisrunde Öffnungen zu bilden, welche an typi- schen Stellen lokalisiert sind, und zwar meist in der Medianlinie (an der Nasenwurzel oder am Nacken). Eine eigenartige, gleichfalls unter die Mißbildungen einzureihende Form von Schädeldefekten findet sich bei dem sogenannten Lückenschädel (Engstler, Uber den Lücken- schädel Neugeborener, Arch. f. Kinderheilk. 1905). Hier sieht man zahlreiche, über die gesamte Innenfläche der Schädelwand verbreitete Gruben, zwischen denen hohe, rippenförmige Knochenleisten vorspringen, während die Außenfläche des Schädels glatt erscheint. Diese Form von Usurierung. der Schädelinnenfläche scheint stets mit Spina bifida (Meningokele spinalis) verbunden zu sein. Gelegentlich sieht man lochförmige, kongenitale Defekte der Schädelwand, © welche den Charakter von traumatischen, intrauterin entstandenen Läsionen zu haben scheinen, aber wahrscheinlich auf Druckusuren von seiten der Eihäute oder der Uteruswände zurückzu- führen sind; sie sind meistens in der Mitte des Scheitelbeines lokalisiert (Hofmann).

Einer weiteren Gruppe von Schädeldefekten infolge von Anomalien der Entwicklung be- gegnen wir bei den sogenannten Systemerkrankungen des Skeletts. Die häufigste Form der- artiger Defekte repräsentieren die rachitischen Defekte. Bei Rachitis bleiben nicht nur die Fontanellen und die Nahtstellen abnorm lange häutig, sie sind meist auch von weit größerer Ausdehnung als beim normalen Schädel, ferner finden sich Verdünnungen im Zentrum der

X Xin, 1. Uber eigenartige Schädeldefekte im Jugendalter. 13

Schädelknochen, insbesondere am Hinterhauptsbein (Craniotabes)!). Bei Chondrodystrophie, bei Dysostosis cleidocranialis und bei mongoloider Idiotie begegnet man gleichfalls abnorm großen häutigen Stellen am Schädeldach, zumeist entsprechend den Nahtstellen und den Fontanellen. Bei Osteogenesis imperfecta ist die Schädelwand außerordentlich dünn und vielfach gebrochen, so daß der Schädel aus einer großen Anzahl von Teilstücken besteht, zwischen denen oft aus- gedehnte Lücken ausgespart bleiben.

ad 2. Traumatische Defekte kommen im Kindesalter nur selten zur Beobachtung. Die durch traumatische Einwirkung im Kindesalter entstehenden Kontinuitätstrennungen des Schädel- daches präsentieren sich meist in Form einfacher Fissuren; zuweilen schließen sich letztere nicht knöchern, es wird vielmehr der Spalt durch die Dehnung seitens des intrakraniellen Druckes erweitert, wodurch im Laufe der Zeit große Lücken des Schädels zustande kommen, die gelegentlich Teile des Schädelinhaltes nach außen vortreten lassen (Meningokele spuria traumatica). Derartige meist in der Schläfegegend und in der Umgebung der Orbita lokalisierte Defekte pflegen scharfe und meist ziemlich unregelmäßig geformte Ränder zu haben.

ad 3. Die nächste Gruppe von Usuren und Defekten des Schädels repräsentieren die Defekte infolge von Druckatrophie. Dieselbe kann von den Weichteilen außerhalb oder innerhalb des Schädels erzeugt sein. Die durch allgemeine Hirndrucksteigerung zustande kommende Usur des Schädels manifestiert sich durch Verdünnung und Erweiterung der Nahtstellen, sowie durch verstärkte Ausprägung der Impressiones digitatae an der Innenfläche des Schädels, wo- bei es sogar zur Dehiszenz der Schädelwand kommen kann. Am stärksten pflegt die Ver- dünnung an jenen Stellen zu sein, welche schon unter normalen Umständen dünner sind, wie - die Schläfeschuppe und. der Boden der drei Schädelgruben. Desgleichen pflegt die Sella turcica vertieft und erweitert zu sein. Eine derartige Usurierung findet sich bei Hirndruck- steigerung infolge von hydrokephaler Flüssigkeitsansammlung bei höheren Graden von hydrokephaler Flüssigkeitsansammlung, insbesondere beim kongenitalen Hydrokephalus finden sich meist ausgedehnte Ossifikationsdefekte des rasch wachsenden Schädels, zumeist entsprechend den Nahträndern —, ferner bei Tumoren des Gehirns und bei prämaturer Nahtsynostose des Schädels (Turmschädel). In analoger Weise wie die bei allgemeiner Hirndrucksteigerung ent- stehenden Usuren präsentieren sich die lokalen Druckusuren der Schädelwand infolge von Geschwülsten, welche der äußeren: oder inneren Oberfläche des Schädels direkt anliegen. Der- artige Usuren finden sich häufig an der Schädelbasis im Bereich der Sella turcica (bei Tu- moren der Hypophyse), ferner an der Außenseite des Schädels bei Dermoiden, Fibromen und Angiomen der Weichteile des Kopfes. Die erwähnten Usuren stellen sich als oberflächliche Absumptionen der Lamina externa dar oder betreffen die gesamte Schädeldicke; die Ränder dieser Usuren sind meist scharf, kreisrund oder oval oder aber auch unregelmäßig geformt. Die durch den Tumor verdünnte Stelle der Schädelwand kann gleichzeitig in toto vor- gewölbt erscheinen. Sehr selten kommt im Kindesalter die durch vergrößerte Pacchionische Granulationen hervorgerufene Usur der Schädelinnenfläche zur Beobachtung. Diese Pacchioni- schen Gruben finden sich zumeist auf der Höhe des. Scheitels nahe der Medianlinie.

ad 4. Die letzte Gruppe von Schädeldefekten wird durch infiltrative Prozesse hervor- gerufen, denen entweder ein Entzündungsprozeß (Osteomyelitis suppurativa, tuberculosa, luetica) oder eine maligne (primäre oder metastatische) Neubildung zugrunde liegt. Derartige Defekte sind unscharf begrenzt, die Ränder sind unregelmäßig; der benachbarte Knochen erscheint wie wurmstichig (osteoporotisch). Die Defekte sind entweder über eine große Partie der Schädel- wand diffus ausgebreitet oder zirkumskript; in letzterem Falle entweder solitär oder multipel.

Wie bereits erwähnt, sind wir derzeit imstande, durch die Röntgenuntersuchung über die eben beschriebenen Schädelusuren schon intra vitam Aufschlüsse zu bekommen, die wir früher

1) Die als Wielandscher Weichschädel bezeichnete Verdünnung der Schädelkapsel bei reifen Neugeborenen kann wohl als Frührachitis gedeutet werden.

14 Schüller. XXIII, 1.

höchstens durch autoptische Untersuchung gewinnen konnten. So dürfte es sich erklären lassen, daß wir derzeit Defekte konstatieren können, von deren Vorhandensein die gewöhnliche klini- sche Untersuchung nichts verrät. Auch gestattet die röntgenographische Untersuchung weit besser als die anderen Methoden eine Konstatierung des Fortschreitens oder der Rückbildung von Schädeldefekten.

Ich hatte im letzten Jahre Gelegenheit, drei interessante Fälle von Schädeldefekten bei jugendlichen Personen röntgenographisch zu untersuchen.

1. Fall. Knabe von 16 Jahren, Patient der Nervenklinik Hofrat von Wagner.

Die Eltern des Patienten leben und sind gesund. Drei Geschwister starben an Diphtherie, vier sind am Leben. Patient war, von Masern abgesehen, in den ersten Kinderjahren gesund. Er hat vier Volksschulklassen mit Erfolg absolviert. Seit der Schulzeit soll der Patient nicht mehr gewachsen sein. Mit 6 Jahren fiel Patient von 4m Höhe herab auf den Bauch; er war nicht bewußtlos, soll aber seitdem an Bettnässen gelitten haben, das erst in letzter Zeit schwand. Vor 4 Jahren trat Ohrenfluß links auf; seit- dem besteht Schwerhörigkeit links.

Drei Monate vor der Aufnahme in die Nervenklinik merkte Patient, daB das linke Auge tiefer stehe als das rechte. Damals soll auch eine leichte Entzündung des linken Auges bestanden haben. Kopfschmerz, Schwindel, Erbrechen oder Abnahme des Sehvermögens waren niemals vorhanden. In letzter Zeit trat Doppelsehen bei seitlicher Blickrichtung auf; die Doppelbilder betrafen meist nur ent“ fernte Gegenstände, sie standen entweder parallel oder zueinander geneigt. Patient ließ sich Ende 1912 auf die Augenklinik Dimmer aufnehmen und wurde von hier zwecks Feststellung etwaiger röntgeno- logisch erkennbarer Veränderungen im Bereiche der linken Orbita an das Röntgeninstitut Holzknecht gewiesen. Die daselbst von mir konstatierten Schädelveränderungen gaben Veranlassung, den Patienten der Nervenklinik zuzuweisen.

Status praesens (Januar 1913). Patient ist 187'/, cm hoch und somit beträchtlich unter der seinem Alter entsprechenden Körpergröße. Sein Gewicht beträgt 39'/, kg. Der Panniculus adiposus ist reichlich entwickelt; die Wangen sind stark mit Fett gepolstert, an beiden Seiten des Halses oberhalb der Clavi- cula befinden sich Fettwülste, auch am Thorax (an den Achselhöhlen und an den Brüsten) findet sich reichliche Fettansammlung; ein Fettbauch ist gleichfalls vorhanden; deutliche Fettpolster befinden sich an den Lenden, ferner auch am Hand- und Fußrücken. Innere Organe ohne pathologischen Befund. Keine Symptome von Tuberkulose oder Syphilis. Das Genitale ist klein, völlig infantil.

Die Haut ist normal gefärbt, nicht auffällig trocken. Im Bereich des rechten Vorderarmes findet sich ein ausgedehnter Naevus vasculosus (Teleangiektasie) der Haut.

Der Rachen ist klein, eng, die Tonsillen sind stark zerklüftet. Der rechte Schilddrüsenlappen ist etwas größer als der linke, aber im ganzen nicht abnorm vergrößert. Schädel dolichokephal, Stirne kurz und etwas schmal. Über dem linken Augenbrauenbogen ist der Schädel klopfempfindlich, ebenso der Orbitalrand und der linke Jochbogen. Das Gesicht ist asymmetrisch, die linke Gesichtshälfte erscheint vortretend und sieht wie geschwollen aus.

Das linke Auge ist um 8 mm protrundiert und steht um 8 mm tiefer als das rechte. (Distanz zwischen Augenbraue und Wimper links deutlich größer als rechts.) Lidspalten gleichweit. Konjunktival- gefäße beiderseits gleichmäßig gefüllt. Die Beweglichkeit des linken Bulbus ist nach allen Richtungen uneingeschränkt; Nystagmus bei seitlicher Blickrichtung. Läßt man den Patienten sich bücken, dann wird der Exophthalmus stärker. Im Fundus des linken Auges sieht man dilatierte Venen ohne Pulsation. Sehschärfe und Gesichtsfeld normal. Diagnose: Tumor retrobulbaris der linken Seite (Klinik Dimmer).

Der Befund der Ohrenklinik Urbantschitsch lautet: Links konzentrische Stenose des Gehör- ganges; es läßt sich nicht absolut sicher entscheiden, ob hinter derselben eine Eiterung liegt, doch ist dies sehr wahrscheinlich.

Motorischer und sensibler Trigeminus intakt. Kornealreflexe beiderseits etwas herabgesetzt, rechts vielleicht mehr als links. Der rechte Mundfacialis ist weniger innerviert, der übrige facialis intakt. Die Zunge weicht etwas nach rechts ab, kann aber frei bewegt werden. Sprache und Schlucken intakt.

Röntgenbefund des Kopfes. Schädel geräumig, durchschnittlich 4mm dick; an verschiedenen Stellen der linken Schädelhälfte finden sich Aufhellungen des Knochenschattens entsprechend aus- gedebnten Usuren der Schädelwand. Der größte Defekt findet sich im Bereich des linken Scheitelbeins nahe der Medianlinie. (Siehe Tafel I, Figur 1.) Der Defekt zeigt eine unregelmäßige, annähernd recht- eckige Form; seine Durchmesser sind zirka 3—4 cm. Von der hinteren unteren Ecke dieses Defektes geht eine schmale, rinnenförmige, halbmondähnlich gekrümmte Fortsetzung aus. Die Ränder des Defektes sind scharf und wellig. Der zentrale Anteil des Defektes erscheint stärker aufgehellt als die Peripherie, so zwar, daß man annehmen muß, daß der Defekt am Rande seichter ist. Weniger ausgedehnte Defekte

XXIII, 1. Uber eigenartige Schädeldefekte im Jugendalter. 15

des Schädelknochens finden sich ferner im Bereiche der linken Stirngegend und anscheinend auch im Bereich der Schläfeschuppe. Die Wände der linken Orbita scheinen im Vergleich zur rechten Seite nicht verändert. Die Sella ist klein, das Dorsum sellae ist erhalten.

Die auf Grund des Röntgenbefundes vorgenommene genaue palpatorische Untersuchung des Schädels ergibt, daß die Außenfläche des Schädels keinerlei Usur aufweist; nur im Bereich des großen Defektes des linken Scheitelbeines konstatiert man eine abnorm geringe Resistenz der Schädelwand, so zwar, daß man den Eindruck des Pergamentknitterns erhält.

Die Untersuchung der oberen Extremitäten ergibt: Grobe Kraft gut, links gleich rechts, keine Atrophie der Muskulatur; tiefe Reflexe lebhaft, links gleich rechts. Diadochokinese, Praxie, Sensibilität für alle Qualitäten normal; keine Ataxie, kein Tremor. Bauchdeckenreflexe vorhanden, Untere Extremi- täten: Grobe Kraft gut, links gleich rechts. Patellar- und Achillesreflexe lebhaft, links gleich rechts. Babinski links negativ, rechts fraglich. Sensibilität intakt. Keine Ataxie, Romberg negativ.

Wir wollen die anamnestischen Daten und die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung unseres Falles zusammenfassen.

Bei einem aus gesunder Familie stammenden 16jährigen Knaben besteht ein seit der Schulzeit datierender Zwergwuchs, ferner Fettsucht und Genitalhypoplasie (Dystrophia adiposo- genitalis). In den letzten Monaten stellte sich eine starke Protrusion des linken Augapfels ein. Die Röntgenuntersuchung des Kopfes ergibt überraschenderweise das Vorhandensein mehrfacher ausgedehnter, scharfgeränderter und wellig begrenzter Usuren der Innenfläche der Schädelwand; am ausgedehntesten ist die Usur im Bereich der linken Scheitelgegend, woselbst durch Palpation abnorme Nachgiebigkeit der Schädelwand konstatierbar ist. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß die Kombination von Dystrophia adiposo-genitalis mit Pro- trusion des Augapfels am .ungezwungensten durch die Annahme eines Tumors an der Hirnbasis (in der Nähe der Hypophyse) erklärt werden kann. Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man die am Röntgenbilde erkennbaren Defekte der Schädelwand als Druckusur von seiten dieses supponierten Prozesses auffaßt, der sich, aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht bloß an der Basis, sondern auch an der Konvexität des Schädels ausbreitet. Über die Natur des Pro- zesses können wir nichts Sicheres angeben. Am ehesten könnte man mit Rücksicht auf die Form und Multiplizität der Defekte annehmen, daß es sich um eine angiomatöse Neubildung (der Hirnhäute oder der Schädelknochen) handelt’). Das Vorhandensein eines Naevus angio- matosus am Vorderarm bietet vielleicht gleichfalls einen Hinweis auf die angiomatöse Natur der supponierten Neubildung innerbalb des Schädels.

2. Fall. 4jähriges Mädchen, Patientin der Augenklinik Hofrat Fuchs.

Mit 1'/, Jahren machte das Kind Keuchhusten durch; im Alter von 2 Jahren trat plötzlich links- seitiger Exophthalmus auf; der Arzt, welcher das Kind untersuchte, konstatierte bereits damals Defekte des Schädeldaches. Einige Monate später trat gleichfalls plötzlich rechtsseitiger Exophthalmus auf. Zur Zeit der Aufnahme in die Augenklinik (Oktober 1913) bestand folgender Befund ?):

Das Kind ist klein und zart, Haut und Schleimhäute sind blaß. Die mikrorkopische Blutuntersuchung und die Wassermann-Untersuchung des Blutes ergeben negativen Befund. Der interne und Nervenbefund sind gleichfalls ohne Besonderheiten. Keine Drüsenschwellung, keine Residuen höherer Rachitis; die Intelligenz des Kindes gut entwickelt. Es besteht hochgradig gesteigertes Durstgefühl und Polyurie (bis 8 Liter täglich), Der Kopf des Kindes ist von normaler Größe, kugelig geformt. Der Haarwuchs ist sehr spärlich; ausgedehnte Stellen der Kopfhaut sind haarlos. Die Haut des Kopfes ist im übrigen normal; beiderseits besteht hochgradiger Exophthalmus, die Sehschärfe beträgt mindestens °/,,. Beider- seits findet sich temporale Abblassung der Sehnerven,

Das Schädeldach zeigt bei Betastung mehrere Defekte von verschiedener Ausdehnung. Sie sind teils kreisförmig, teils oblong, von Hellergröße bis zur Größe eines kindlichen Handtellers. Die Ränder der Defekte (etwa 8 an der Zahl) sind scharf und hart. Innerhalb der Defekte tastet und sieht man die

1) Virchow bespricht im 3. Bande seiner „Geschwülste“ das Vorkommen von Teleangiektasien des Knochens; er erwähnt daselbst auch kurz die von den Hirnhäuten ausgehenden Angiome.

2) Der Fall wurde am 27. 10. 1913 vom Assistenten Purtscher in der Sitzung der Wiener ophthalmologischen Gesellschaft vorgestellt. Die Schädelröntgenogramme des Falles habe ich in der Sitzung des Vereines für Innere Medizin und Kinderheilkunde, November 1913, gezeigt.

16 Schiller. XXI, 1.

Pulsationen des Gehirnes, doch erscheint die membranöse Auskleidung der Defekte nicht vorgewölbt, eher leicht eingesunken.

Das Kind warde von der Augenklinik dem Réntgeninstitute Holzknecht zugewiesen; die von mir angefertigten Röntgenogramme des Kopfes ließen sehr deutlich die Beschaffenheit der Schädel- defekte darstellen. Man sieht sowohl auf der transversalen (Tafel I, Figur 2), als auf der sagittalen Aufnahme (Tafel I, Figur 3) eine ganz eigenartige, landkartenähnliche Fleckung des Schädelschattens. Nur ein relativ kleiner Anteil des Schädelschattens entspricht normaler Knochendichte; innerhalb sehr ausgedehnter Bezirke sieht man dagegen verschieden große und verschieden gestaltete Aufbellungen; die- selben sind teils hellgrau, teils entbehren sie vollkommen der Schattendichte von Knochen. Erstere ent- sprechen jenen Schädeldefekten, auf welche von der gegenüberliegenden Seite noch eine knöcherne Wand projiziert ist, letztere jenen Defekten, welche von Defekten der Gegenseite überlagert sind.

Die Ränder der Defekte sind vollkommen scharf. Bei den im Profil getroffenen Defekten erkennt man, daß die Ränder trichterförmig gestaltet sind und zwar so, daß der Defekt der Lamina externa größer ist als der der Lamina interna. Die zwischen den Defekten gelegenen Partien des Schädeldaches zeigen vollständig normale Beschaffenheit. Auch im Bereich der Schädelbasis bestehen, wie man an der transversalen und sagittalen Aufnahmsrichtung erkennt, ausgedehnte Defekte. Der bekannte scharfrandige Kontur des oberen Orbitalrandes fehlt beiderseits vollkommen. Das Orbitaldach erscheint beiderseits nahezu völlig usuriert. Die Sella turcica zeigt sich gleichfalls hochgradig verändert. Nur das Dorsum sellae ist noch erhalten, der vordere Anteil des Bodens der Sella ist stark vertieft.

Das Röntgenbild ergänzt somit in wertvoller Weise den klinischen Befund, indem es zeigt, daß die Defekte scharfrandig sind, daß das Schädeldach zwischen den Defekten normale Beschaffenheit bezüglich der Dicke, Dichte und Innenfläche aufweist, endlich, daß auch ausgedehnte Usuren der Schädelbasis ins- besondere der Sella turcica und der Orbitaldächer vorbanden sind. Die Destruktion des Orbitaldaches erklärt das Zustandekommen des Exophthalmus.

Wir hatten Gelegenheit, das Kind mehrere Monate später, als es (im Januar 1914) im Karolinen- kinderspital (Prof. Knöpfelmacher) aufgenommen war, neuerdings zu untersuchen. Zu dieser Zeit bestanden, wie wir aus der uns freundlichst zur Verfügung gestellten Krankengeschichte entnehmen konnten, die klinischen Symptome fast unverändert fort. Nur machte sich bereits deutlich eine Verkleinerung der Schädeldefekte bemerkbar. Die in dieser Zeit am Rudolfinerhause vorgenommene röntgenographische Untersuchung des Beckens ergab das Vorhandensein eines Fünfkronenstück-großen, runden Knochen- defektes im Bereiche des rechten Darmbeintellers, ferner das Vorhandensein einer spindeligen Verdickung im oberen Anteil des rechten Oberschenkels (ausgeheilte Fraktur). Die von uns angefertigten Schädel- röntgenogramme ließen beim Vergleich mit den früheren Aufnahmen deutlich eine Verkleinerung der Defekte im Bereich des Schädeldaches feststellen.

Das klinische Bild des vorliegenden Falles läßt sich folgendermaßen skizzieren: Bei einem 31/ jährigen, sehr zarten und kleinen Mädchen entsteht plötzlich ein hochgradiger Exophthalmus, znerst links, dann rechts. Die genaue Untersuchung stellt das Vorhandensein eines Diabetes insipidus, sowie einer eigenartigen Skelettanomalie fest, nämlich multipler, ausgedehnter Knochendefekte, insbesondere im Bereich des Schädeldaches, aber auch an der Schiidelbasis und im Darmbeinteller. Im Laufe mehrmonatlicher Beobachtung bilden sich die Knochendefekte des Schädeldaches wesentlich zurück; die übrigen Erscheinungen bleiben unverändert.

Die Deutung dieses Falles unterliegt sehr großen Schwierigkeiten. Die Anamnese läßt annehmen, daß es sich nicht um eine angeborene, sondern um eine erworbene Erkrankung des Skelettes handelt; die klinische Beobachtung zeigt, daß der Prozeß eines Rückganges fähig ist. Hiermit entfällt einerseits die Annahme einer kongenitalen Skelettanomalie, andererseits die Annahme einer progressiven, unheilbaren Form von Knochenerkrankung (z. B. multipler pri- märer oder metastatischer Tumoren, wie Myelom, Sarkom, Karzinom). Gegen entzündliche Genese der Defekte, sowie Tuberkulose oder Syphilis spricht das Ergebnis der klinischen Untersuchung, insbesondere auch der negative Ausfall der Pirquetschen und Wassermann- schen Reaktion. Am wahrscheinlichsten ist es, daß es sich um ein primäres Knochenleiden handelt im Sinne einer Systemerkrankung des Skelettes. So könnte man daran denken, daß eine Ossifikationsstérung vom Charakter der bei Rachitis oder bei Osteogenesis imperfecta be- obachteten vorliegt. Doch sind meines Wissens bei den genannten Affektionen weder derartige lochförmige multiple Defekte des Schädels wie bei unserem Fall, noch auch das Symptom des Diabetes insipidus vorhanden. Ferner könnte man daran denken, daß die Ossifikationsstérung

XXIII, 1. Uber eigenartige Schädeldefekte im Jugendalter. 17

durch Erkrankung einer Drüse mit innerer Sekretion hervorgerufen sein dürfte. Bekanntlich findet sich Diabetes insipidus am häufigsten bei Affektionen der Hypophyse. Die am Röntgen- bilde nachweisbare Usur der Sella turcica könnte durch einen Tumor der Hypophysengegend hervorgerufen sein. Die Defekte des Schädeldaches und des Darmbeines sind allerdings durch die Annahme eines Hypophysentumors nicht ohne weiteres erklärbar. Indes haben experimen- telle Untersuchungen über die Folgen der Exstirpation der Hypophyse bei jungen Tieren er- geben, daß sich Störungen der Knochenentwicklung ausbilden im Sinne von Kalkarmut, so daß der Knochen Lücken aufweist und Frakturen erleiden kann. Auch Störungen der Zahnbildung wurden mit Hypophysenaffektionen in Zusammenhang gebracht. (Grieves, The relation of the internal secretory organs to malocclusion, facial deformity and dental disease, the dental Cosmos, August 1914.) Wir kommen somit zur Wahrscheinlichkeitsdiagnose einer Skelettanomalie in- folge von Erkrankung der Hypophyse.

8. Fall. 7jähriges Madchen, Patientin der Kinderklinik Prof. von Pirquet?).

Das Madchen war bisher, von einer Erkrankung an Mumps abgesehen, stets gesund. Im Juli 1913 klagte das Kind beim Kämmen über Schmerzen am Kopf, doch wurde diesem Umstand keine weitere Beachtung geschenkt. Anfangs August erst bemerkte die Mutter der Patientin eine kleine Geschwulst am Kopfe, die in 8 Wochen hühnereigroß wurde. Die Geschwulst war ganz weich und nach einiger Zeit entleerte sich aus ihr auch Sekret. Ein zu Rate gezogener Arzt diagnostizierte Skrofulose und verord- nete Guajakol-Syrup. Die Geschwulst verschwand nach 3 Wochen; an ihrer Stelle blieb eine Narbe zurück. Die Eltern des Kindes sind gesund; die Mutter des Kindes hat einmal vor der Geburt der Patientin abortiert. Die Geschwister der Patientin sind bis auf ein an Lungentuberkulose erkrankt ge- wesenes Kind gesund.

Status praesens (November 1913): Gesund und frisch aussehendes Kind, sehr intelligent; innere Organe ohne Befund. Im vorderen Teile des behaarten Kopfes, rechts von der Medianlinie, fällt eine zirka fünfkronenstückgroße Hautveränderung auf. Die Haut ist leicht gerötet, infiltriert und im Zentrum von einer Kruste bedeckt. Beim Palpieren fühlt man, daß ein Defekt des darunterliegenden Knochens besteht; auch kann man eine leichte Pulsation am Grunde des Defektes konstatieren; die ganze Stelle fühlt sich ziemlich weich an. Während der 3 Wochen der Spitalsbeobachtung nahm Patientin um 1 kg zu. Es bestand kein Fieber. Patientin erhielt 2g Jod pro die. Für Tuberkulose oder Lues kein Anhalts- punkt. (Pirquet negativ, Wassermann negativ.)

Die Röntgenuntersuchung des Schädels, welche ich zur Zeit des Beginnes der Spitalaufnahme der Patientin vornahm, zeigte (Siehe Tafel I, Figur 4 u. 5) entsprechend der tastbaren Vertiefung eine zirka fünfkronenstückgroße Aufhellung des Knochenschattens, Die Ränder des Defektes sind ziemlich scharf und wellig gekrümmt. Von dem Defekt, der rechts von der Medianlinie im Bereich des Stirnbeines gelegen ist, geht ein zungenförmiger Fortsatz über die Mittellinie nach links hinüber.

Zwei Monate nach dieser Untersuchung war das klinische Bild unseres Falles völlig verändert. Die Palpation ergab nur mehr das Vorhandensein einer minimalen Delle an der Stelle des früheren Defektes. Die neuerliche Röntgenaufnahme ergab tatsächlich, daß der Defekt bis auf eine zirka hellergroße, unscharf begrenzte Aufhellung (entsprechend dem Zentrum des früheren Defektes) knöchern ausgefüllt sei.

Bei diesem, ein 7 jähriges Mädchen betreffenden Fall handelt es sich somit um einen schmerzlos ohne bekannte Ursache entstandenen isolierten Defekt des Schädeldaches, der nach mehrwöchentlicher Beobachtung vollständig ausheilte; er dürfte osteomyelitischer Genese sein?).

1) Dieser Fall wurde von Herrn Dr. Koch (Assistent der Kinderklinik Prof. Pirquet) am 6 XI. 1918 in der Sitzung der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde vorgestellt.

*) Einen ganz analogen Fall konnte ich neuerdings ausfindig machen. Es handelt sich um ein 7jabriges Mädchen der Klinik v. Pirquet. Patientin litt früher an einer Hüftgelenksaffektion und hat derzeit ein schmerzhaftes Collum obstipum mit Formveränderung der Halswirbelsäule (im Sinne einer abnormen Kyphose). Im Bereich des rechten Stirnbeines tastet man eine teigige Schwellung, auf deren Grund keine knöcherne Resistenz vorhanden zu sein scheint. Die Röntgenuntersuchung des Kopfes ergab entsprechend der tastbaren Schwellung eine ziemlich scharf begrenzte Aufhellung des Knochen- schattens von oblonger Gestalt (5:3 cm im Durchmesser).

Fortschritte a. d. Gebiete d. Réutgenstrahlen. XXIII. 3

D

18 Schüller. XXI], 1.

Zusammenfassung.

Jeder der in den voranstehenden Zeilen kurz skizzierten Fälle repräsentiert ein bemerkens- wertes und zugleich außerordentlich seltenes Vorkommnis. Ein den 3 Fällen gemeinsames Moment ist darin gelegen, daß es sich um sehr ausgedehnte Schädeldefekte handelt, die ohne Schmerz, ohne Symptome vonseiten des Gehirnes, daher nahezu unbemerkt sich ausbildeten. Gemeinsam ist unsern Fällen auch der Umstand, daß keine der bisher bekannten Ursachen von Defekten des Schädels in unseren Fällen mit voller Sicherheit ausfindig gemacht werden konnte. Von Interesse ist. das Vorhandensein hypophysärer Symptomenkomplexe bei zwei unserer Fälle, nämlich einer Dystrophia adiposo-genitalis im ersten, eines Diabetes insipidus im zweiten Falle. Schließlich ist der relativ rasche Rückgang der Defekte, der auch röntgeno- graphisch in deutlicher Weise verfolgt werden konnte, ein beachtenswertes Phänomen unseres zweiten und dritten Falles. Mit Rücksicht auf das eigenartige Aussehen der beschriebenen Schädeldefekte am Röntgenbilde möchten wir derartige Schädel als „Landkarten-Schädel* bezeichnen.

Wenn wir auch über das Wesen der hier beschriebenen Schädeldefekte nichts Sicheres aussagen können, so glaubten wir uns doch berechtigt, die Fälle mit Rücksicht auf die am Röntgenbilde erkennbaren eigenartigen und bisher nicht beschriebenen Details der Defekte zu publizieren.

Erklärungen der Abbildungen.

Tafel I, Fig. 1 zeigt die transversale Aufnahme des Kopfes von Fall 1. Im hinteren oberen An- teil des Scheitelbeines erkennt man eine annähernd viereckig gestaltete Aufhellung der Schädelwand entsprechend einem Knochendefekt mit welligen Rändern; vom hinteren unteren Pol dieser Aufhellung zieht sich ein halbmondähnlicher Fortsatz des Knochendefektes nach hinten. Auch im Bereich des vorderen Stirnbeinanteiles sieht man eine aufgehellte Partie der Schädelwand, welche einer Verdünnung des Knochens entspricht.

Tafel I, Fig. 2 und 3 zeigen die transversale, beziehungsweise antero-posteriore Aufnahme des Kopfes von Fall 2. Das Schädeldach weist zahlreiche helle Flecken auf, entsprechend kleineren oder größeren, kreisrunden oder unregelmäßigen, scharfrandigen Defekten. Im Bereich der Schädelbasis er- kennt man auf Fig. 2 eine tiefe Exkavation der Sella turcica bei erhaltenem Dorsum sellae. Die der oberen Umrandung der Orbita entsprechenden Konturen fehlen, wie man auf beiden Aufnahmen erkennt, vollkommen,

Tafel I, Fig. 4 und 5 zeigen die transversale und postero-anteriore Aufnahme (Platte am Scheitel, Fokus über dem Nacken) von Fall 3. Im hintersten obersten Anteil der Stirnbeinschuppe sieht man eine wellig geränderte Aufhellung, von welcher sich, wie man auf Fig. 5 sieht, ein halbmondförmiger Fortsatz lateralwärts zieht.

XXII, 1. Über Pneumonokoniosen. 19

Aus der Med. Univ.-Klinik Basel (Direktor: Prof. Dr. Staehelin).

Über Pneumonokoniosen. Von Michail Entin. (Hierzu Tafel IT.)

Obschon das Vorhandensein der Pneumonokoniosis und deren Krankheitsverlauf schon lange bekannt ist (Ramazzini 1708, Pearson 1813, Laënnec 1819 u. a., s. Literatur- verzeichnis) und obschon auch die pathologische Anatomie derselben genügend erforscht ist, macht die Stellung der Diagnose der. Pneumonokoniosis in vivo immer noch ziemlich große Schwierig- keiten. Das kommt erstens daher, weil die Erkrankungen an Pneumonokoniosis nicht gerade sehr häufig sind, trotzdem die Gewerbe, bei welchen Pneumonokoniosen entstehen können, sehr verbreitet sind: es bekommt eben nicht jedermann, der sich in staubiger Luft befindet, eine Pneumonokoniosis, sondern es scheint, daß außer dem Staub noch eine besondere Disposition vorhanden sein muß, damit eine Pneumonokoniosis entsteht, äbnlich wie dies bei Tuberkulose der Fall ist. Der zweite, hauptsächlichste Grund ist aber, daß diese Erkrankungen eine aus- gesprochene Ähnlichkeit mit einer chronisch verlaufenden Phthise haben, sowohl was den Verlauf, als auch was den physikalischen Befund betrifft. Der größte Teil dieser Erkrankungen wird daher auch einige Zeit als Phthisis behandelt. Ein dritter Grund ist der, daß sich die Pneumonokoniosis häufig mit Phthisis kombiniert und daß dann die Phthise das Krankheitsbild ganz beherrscht. Es ist daher berechtigt, nach neuen Mitteln der Diagnosestellung zu suchen und die alten Methoden möglichst auszubauen. Als neuere Methode zur Stellung der Diagnose ist in der letzten Zeit hauptsächlich die Röntgenphotographie empfohlen worden (Dietlen, Schut).

In der Medizinischen Klinik der Universität Basel wurden von 1911—14 fünf Fälle von Pneumonokoniosis genau beobachtet und es sind zahlreiche Röntgenphotographien davon angelegt worden. Über diese 5 Fälle 3 Chalikosis und 2 Siderosis pulmonum soll im folgenden berichtet werdeu.

Aus den Krankheitsgeschichten wird nur das berichtet, was für die Krankheit von Wichtig- keit ist, hauptsächlich, was zur Stellung der Diagnose beitragen kann. Alle anderen Befunde werden nicht erwähnt.

Es folgen nun zuerst die 5 Krankengeschichten. Fall 1. Franz M., 44jähriger Schlosser.

Familienanamnese ergibt nichts Besonderes.

Frühere Krankheiten: Halsentzündung.

Jetzige Erkrankung: 1909 Influenza. Im Anschluß daran bekam Patient Nachtschweiße, Beklem- mungen, Husten, wenig Auswurf, bei Anstrengungen Stechen beim Atmen auf der linken Seite. Im Sep- tember 1909 Landaufenthalt von 3 Wochen. Dieser brachte keine Besserung. Patient setzte seine Arbeit trotzdem fort. Anfang Oktober 1909 traten leichte Kopfschmerzen und Schwindelanfälle auf, so daß er am 14. X. die Arbeit aussetzen mußte.

Am 15. X. Spitaleintritt.

Aus dem Status: Thorax in den oberen Partien etwas eingesunken. Lungen: Schall: h. beids. in der Skapulahöhe auffallend leise; Atemgeräusch: v. o. r. in der Höhe des II. Interkostalraums mittel- blasige Rasselgeräusche nach Husten, v. o. 1. bei Inspiration wenig feinblasige Rasselgeräusche nach dem Husten; h. in der Ausdehnung des leisen Schalles deutliches Bronchialatmen, das sich auffallend weit seit- wärts erstreckt. Dabei seltene feinblasige Rasselgeräusche am Schlusse des Inspiriums. Auswurf locker, schleimig, mit schwärzlichen Klümpchen, Fe Reaktion +.

22. X. Röntgenaufnahme (Taf. II, Fig. 1). Platte vorn.

Obere Hälfte: Man sieht in den oberen Partien beiderseits starke Verdunkelung, dieselbe setzt sich

g*

20 Entin. XXIII, 1.

aus unscharf abgegrenzten zehncentime- bis zweifrancstückgroßen Schatten zusammen. Die oberen Partien selbst sind nicht so stark befallen, wie diejenigen ungefähr in der Höhe der 2.—5. Rippe. Eine Marmo- rierung, wie sie bei den folgenden Patienten zu sehen ist, ist hier nicht so deutlich ausgeprägt. Der Befund hat große Ähnlichkeit mit demjenigen bei Tuberkulose.

16. XI. Laryngoskopische Untersuchung: Leichte Laryngitis chron.

25. XI. Wassermannreaktion negativ. Pirquet ganz schwach angedeutet.

27. XI. Injektion von 1 cm? Kochschem Tuberkulin ohne Reaktion. zwischen 36,4 und 36,9. Respiration um 20.

22. XII. Lungenbefund unverändert. Atembeschwerden bei Treppensteigen. Gewicht 80,4 kg (beim Eintritt 73,7). Nie Tuberkelbazillen im Sputum.

Spitalaustritt nach einer Rekonvaleszeutenstation,

Diagnose: Siderosis pulmorum.

29. XII. 09 bis zum 17. V. 10. Aufenthalt in Arosa, daselbst ebenfalls keine wesentliche Besserung.

Patient nahm wieder seine Arbeit auf. Später bekam er eine Aıbeit, wo er viel an der frischen Luft war.

Oktober 1910 Verschlimmerung seines Zustandes infolge schlechten Wetters. Zunahme der Atem- beschwerden, Appetitlosigkeit. "

Am 13. XII. setzte Patient die Arbeit aus. Der Zustand besserte sich wieder.

Januar 1911 wieder Verschlimmerung. Patient mußte das Bett hüten. Auswurf wurde stärker und so reichlich, wie noch nie früher. Der Auswurf war eitrig, stets fanden sich mehr oder weniger zahl- reiche Fetzchen darin. Patient fühlte sich wohler, wenn er auf der rechten Seite lag. Schlaf schlecht.

Seit 17. I. 11 Stechen seitlich unten.

18, I. 11 Spitaleintritt.

Aus dem Status: Thorax: Linke Seite bleibt etwas zurück, Atemfrequenz 86. Lungengrenze v. wenig verschieblich, h. u. 1. Grenze XII Dornfortsatz, r. einen Querfinger höher. Atemgeräusch: v.o r. unreines, rauhes Inspirium mit vereinzelten mittelblasigen Rasselgeräuschen, seltenen Giemen und Pfeifen. Im II. und III. Interkostalraum ziemlich zahlreiche, nicht *klingende in- und exspiratorische Rasselgeräusche. V. o. l. verschärftes Inspirium, verlängertes Exspirium. H. o.r. vesikulär mit rauhem, verlängertem Exspirium und mäßig zahlreichen, mittelblasigen, nicht klingenden Rasselgeräuschen. H. o.r. Atemgeräusch etwas abgeschwächt; deutlich gegen Ende des Inspiriums lauter werdendes Reiben. H. o. l. wie v. o. l, unterhalb der Spina scapulae mit bronchialem Beiklang, seltenem Giemen und ver- einzelten knackenden Geräuschen. H. u. l. verschärftes vesikuläres Atmen mit vereinzeltem Giemen und wenigen klingenden Geräuschen. Herz: Abs. Dämpfung klein, rel. Dämpfung nach r. ein Finger vom

T. Sternalrand. 2. Pulmonalton laut. Puls 106. Blutdruck 140 cm Wasser nach Recklinghausen.

17. I. Leukozytenzahl 20000.

18. I. Abendtemperatur 39,9.

19. I. Anhaltend starke Dyspnoe, Sputum schleimig-eitrig, mit kleinen Kliimpchen schwarzer Zellen, die z. T. Fe-Reaktion geben. Im Sputum keine eosinophilen Zellen, keine Spiralen, keine Kristalle,

Therapie: Codein, Bronchitiskessel, Digitalis, KJ.

20. I. Mäßige Zyanose, mübsame Expektoration. Lungenstatus unverändert.

24. I. Temperatur gebt etwäs herunter, Expektoration etwas leichter. Leukozyten 12000, Sputum wie früher.

26. I. nachm. Patient wird auffallend apathisch. Extremitäten kalt. Zunahme der Zyanose. Puls 110—120, regelmäßig.

27. I. Trachealrasseln.

28. I. 1912. Exitus.

Aus dem Sektionsprotokoll: L. Lunge von mittlerem Volumen. Oberlappen ist in einen 10:8:7 cm großen derben Tumor umgewandelt. Pleura daselbst weißgrau, knorpelartig, mit bindegewe- bigen Auflagerungen. Unterlappen groß, flaumig anzufühlen. Pleura oben leicht verdickt, mit narbigen Einziehungen. Auf Schnitt Oberlappen schwarz, glatt, etwas tribe. Abstreifen läßt sich ein blutiger, schaumiger Brei. Gewebe nach dem Abstreifen matt, nicht kompressibel. Unterlappen auf Schnitt braun-schwarz-rot. Abstreifen läßt sich ziemlich viel klebriger Schaum. Das Gewebe ist nirgends brüchig. Der Rand ist überall abgerundet; oberster Teil des Unterlappens auf Schnitt wie Oberlappen. Bronchien leicht gerötet. Pulmonalgefäße ohne Befund. Bronchialdriisen schwarz. R. Lunge: Oben in einen 10:10:8 cm, großen Tumor umgewandelt. Pleura knorpelartig verdickt, mit bindegewebigen Fetzen belegt. Unter- und Mittellappen fühlen sich leicht flaumig an. Rand überall stark abgerundet. Pleura in den obersten Teilen des Mittel- und Unterlappens glatt, glänzend, hier und da mit Bindegewebe belegt. Auf Schnitt Oberlappen wie l. Mittellappen ebenfalls schwarz gefärbt, wenig luftbaltig, sonst wie Oberlappen. Unterlappen auf Schnitt graurot, etwas schwärzlich gegen die Mitte zu. Überall im

XXIII, 1. Über Pneumonokoniosen. 21

unteren Teil des Unterlappens zahlreiche bronchopneumonische Herde, die fein gekörnt sind. Es läßt sich hier ein etwas trüber Saft abstreifen. Das Gewebe sieht nachher matt und fein gekörnt aus und ist etwas brüchig. Das übrige Gewebe des Unterlappens ist ziemlich brüchig, gut lufthaltig, mäßig gut kompressibel. Bronchialdrüsen wie 1.

Mikroskopisch besteht die Lunge fast ausschließlich aus kernarmem, fibrösem Bindegewebe. In diesem Gewebe sieht man massenhaft schwarzes, feinkörniges Pigment, das deutlich die Berlinerblaureaktion gibt. Hier und da hat noch die Lunge Alveolen, die Alveolarepithelien daselbst stark desquamiert, stark mit schwarzem Pigment beladen.

Herz von entsprechender Größe. Spitze vom l. Ventrikel gebildet. Konsistenz l. gut, r. etwas - schlaff. Über dem Conus pulmonalis ein 1!/, cm im Durchmesser haltender rundlicher Sehnenfleck. L. Ventrikel von entsprechender Weite. Trabekeln und Papillarmuskeln kräftig, Mitralis 1. verdickt am freien Rande. R. Vorhof ziemlich weit, r. Ventrikel weit, Trabekeln und Papillarmuskeln sehr kräftig. Wanddicke 1. 10—11 mm, r. an der Spitze 2, am Konus 4 mm. Muskel hellbraunrot mit vereinzelten Schwielen. Koronargeräße zart. Foramen ovale weit offen. Leber: 25:18:9 cm. Oberfläche glatt. Kapsel kaum verdickt, auf Schnitt Zeichnung deutlich. Mikroskopisch läßt sich in der Leber kein Fe- Pigment nachweisen, desgleichen in der Niere, Nebenniere, dem Pankreas, Hoden. Nur die Milz entbält nur wenig Fe-Pigment.

Path.-anat. Diagnose: Siderosis beider Oberlappen, des mittleren und des oberen Teiles des Unterlappens. Chr. substantielles Lungenemphysem. Bronchopneumonie des r. Unterlappens. Bronchitis chr. Exzentrische Hypertrophie des r. Herzens. Stauung der Abdominalorgane.

Fall 2. Gottlieb Tr., 68 Jahre. Steinhauer.

Familienanamnese: Von dieser ist nur hervorzuheben, daß die Mutter des Patienten mit 68 Jahren an Pneumonie starb.

Frühere Krankheiten: Als kleines Kind Leistenbruch.

1878 Darmentzündung (Beginn mit Erbrechen und Schmerzen im Abdomen).

1880—1909 Magenbeschwerden, zurückgeführt auf Magengeschwür.

1909 deswegen im Spital operiert: Verwachsungen mit dem Netz. Seither beschwerdefrei.

1910. Zum zweitenmal operiert wegen Leistenbruch. Seitdem gesund.

Jetzige Krankheit: Seit Mitte Juni 1912 trat eine immer stärker zunehmende Müdigkeit ein, Patient war nach und nach unfähig, seiner Arbeit nachzugehen. Anfänglich war auch etwas Kopfweh vorhanden, das aber bald zum Teil wieder verschwand. Er hatte starken Hustenreiz und starken Auswurf. Schmerzen waren weiter kaum mehr vorhanden. Das einzige war die sehr starke Müdigkeit. In der Nacht, oft auch tags über, seien starke Schweißausbrüche erfolgt. Auch sei Fieber vorhanden gewesen.

Patient war früher starker Raucher, jetzt Kauer. Potus: 11 Bier, 11 Wein und 2 Gläschen Schnaps pro die.

2. VII. 1912. Spitaleintritt.

Aus dem Status: Atmung etwas beschleunigt, mühsam, oberflächlich, geringe Atemexkursionen. Thorax stark gewölbt, unelastisch. Lungen: Grenzen: VII. Rippe, XI. proc. spin. Geringe Verschieb- lichkeit, Schall laut, zum Teil hypersonor, namentlich in den unteren Partien. Rechts von der rechten Parasternallinie oben bis zum III. Interkostalraum ein 1 querfingerbreiter Dämpfungsstreifen. Atem- geräusch: r. o. über der Fossa supraspinata unrein. V. r. in der Fossa infraclavicularis ebenfalls un- reines Atmen, verlängertes Exspirium. L. vesikuläres lautes Atmen. H. u. beiderseits Giemen. Cor.: Herzdämpfung nach l. und r. etwas verbreitert. Spitzenstoß im V. Interkostalraum etwas außerhalb der Mammillarlinie Töne dumpf, leise. An der Spitze ein schwaches systolisches Geräusch.

8. VO. Temperatur normal. Klagt über Kopfschmerzen und Schwindel.

12. VII. Befinden besser. Blutdruck 195 mm. Hg. Riva-Rocci.

13. VIIT. Schmerzen über der l. Scapula, etwas Reiben.

20. VIII. Reiben verschwunden. Blutdruck 230.

28. VIII. Subjektives Befinden besser.

6. IX. V. und h. kein Rasseln mehr zu hören. Inspirium stellenweise etwas verschärft und das Exspirium verlängert. Cor.: Über allen Ostien, insbesondere über den Aortenklappen ein schabendes systolisches Geräusch. Dasselbe setzt sich mit geringerer Intensität auf die Halsgefäße fort. JI. Aortenton etwas lauter als II, Pulmonalton.

10. IX. Röntgenaufnahme (Tafel II, Abb. 2): Platte vorn. Beide Lungen zeigen eine ziemlich gleichmäßige Marmorierung von oben nach unten. Dieselbe ist etwas gröber, als man sie bei Miliartuberkulose sieht, die einzelnen Schatten sind weniger scharf abgesetzt; die Spitzen sind relativ wenig betroffen. Hilusschatten beiderseits stark ausgeprägt, links ziehen sich von demselben Stränge gegen die Spitze zu. Um den Hilus beiderseits unregelmäßige, ca. bohnengroße Schatten, die ihrerseits wieder aus Anhäufungen

22 Entin. XXII, 1.

kleiner Verdichtungen bestehen, Auch hier die Verhältnisse links stärker ausgesprochen als rechts. I. Rippenknorpel beiderseits ziemlich stark verknöchert.

11. XI. Status idem. Patient hat immer noch Husten. Auswurf ca. 30 cm? in 24 Stunden, nie Tuberkelbazillen.

Spitalaustritt.

Diagnose: Steinhauerlunge, Bronchitis, Aortenstenose, Dilatatio cordis.

Nach Verlassen der Klinik beschäftigte sich Patient ?/, Jahre lang nur mit Hausarbeit (Kochen usw.). Darauf wurde er Hausierer. Der Husten hatte etwas nachgelassen, die Atemnot dagegen nicht. Der Auswurf war stets grau, schaumig. Patient schätzt seine Tagesmenge auf 1 Deziliter. Keine Nacht- schweiße, kein Fieber.

Am 17. XI. 14 Nachuntersuchung: Auffallend geringe Beweglichkeit des Thorax und Dyspnoe. Atmung beschleunigt (in der Ruhe 24), mühsam, oberflächlich, beim Gehen, Ausziehen usw. steigt die Atemnot unverhältnismäßig stark. Lungengrenzen nur wenig verschieblich, Schall laut, kein Schachtelton. Am rechten Sternalrand ein ca. 5 cm (von der Mittellinie an) breiter Streifen absoluter Dämpfung; links ein ebensolcher, aber viel schmälerer Dämpfungsstreifen in den ersten 2 Interkostalräumen. Inspirium stellenweise verschärft, Exspirium verlängert, h, u. r. Giemen und etwas Pfeifen. Cor. wie früher.

Fall 3. Anton N., 47 Jahre, Steinhauer.

Familienanamnese: Vater an Magenleiden und Mutter an Magenkrebs gestorben. Ein Bruder, Steinhauer, starb mit 41 Jahren an einer Berufskrankheit der Lungen, ein anderer Bruder, Landwirt, ebenfalls an Lungenleiden.

Frühere Krankheiten: 1892 Gesichtsrose.

1898 Hautausschlag, keine venerische Krankheit.

Jetzige Krankheit: 1896 Husten.

1903 war Patient in Behandlung wegen Husten. Es wurde doppelseitiger Lungenspitzenkatarrh festgestellt.

1906 stand Patient wegen Husten in Behandlung in der Poliklinik.

Seit November 1908 Husten stärker, Auswurf oft grünlich oder rot (kein eigentlicher Bluthusten) vorübergehend Stechen r. o., auch Kopfweh.

Anfang 1909 verschlimmerte sich der Husten. Es traten NachtschweiBe und Abmagerung ein.

Patient hat viel getrunken: bis 5 Flaschen Bier und Wein täglich, auch Schnaps.

9. Ii. 09 Spitaleintritt.

Aus dem Status: Guter Ernährungszustand, kräftiger Körperbau. Thorax weit. Sagittaldurch- messer groß, r. u. etwas stärker vorgewölbt. Inspirationsstellung, Lungengrenzen verschieblich, h. u. XII Dornfortsatz, v. r. VII. Rippe in der Mammillarlinie. Atemgeräusch ves. Uber der linken Skapula etwas feinblasige, nichtklingende Rasselgeräusche.

23. II. Auswurf reichlich, 100 ccm pro die. Lungen, über den Spitzen trockenes Rasseln in geringem Grade. Dreimalige Untersuchung ergab keine Tb-Bazillen.

Spitalaustritt ohne ärztliche Veranlassung.

Diagnose: Bronchitis, Emphysem.

19. 1V. 09 Wiedereintritt.

Aus dem Status: Lunge: Schall: r. Spitze etwas gedämpft. Atemgeräusch: v.r. u. undeutlich pleuritisches Reiben.

20. IV. 09. Spitalaustritt, Überweisung nach einer Erholungsstation.

In der Rekonvaleszentenstation wurde Patient 5 Wochen verpflegt, er fühlte sich ganz bedeutend wohler, leichter Husten und schwacher Auswurf waren die einzigen Symptome. Patient nahm die Arbeit als Steinhauer wieder auf.

August 1911 wieder starker Husten und Auswurf. Auswurf war oft blutig verfärbt. Auf Rat eines Arztes (Diagnose: Bronchitis putrida auf Basis einer chronischen indurativen Tbc. pul- monum) begab sich Patient 2. X. 11 nach Davos, hielt sich hier auf bis zum 25. I. 12, ohne daß die Krankheitssymptome sich gebessert hätten. Patient kehrte wieder nach Basel zurück und mußte noch 4 Wochen das Bett hüten. Später stand Patient auf, arbeitete aber nicht mehr. Die Krankheit blieb stationär. Patient hatte nur Husten und Auswurf, keine Nachtschweiße, keine wesentliche Gewichtsabnahme.

6. V. 12. Spitaleintritt.

Aus dem Status: Atmung symmetrisch. Lungengrenzen: v.r. VII. Rippe, h. r. XI. Dornfortsatz. Schall: h. r. o. gedämpft. Atemgeräusch: vesikulär mit stark verlängertem Exspirium, an beiden Spitzen unbestimmt. Überall trockene Rasselgeräusche, r. v. und r. h. auch feuchte Rasselgeräusche. Herz: rel. Dämpfung 1 Finger r. vom r. Sternalrand. Leber: 3 Finger unter dem Rippenbogen.

Auswurf täglich 120 g, dreischichtig mit unangenehmem Geruch. Keine Te.-Bazillen, viele gram- positive Diplokokken ohne Kapsel.

XXII, 1. Uber Pneumonokoniosen. 98

Diagnose: Bronchitis putrida bei Steinhauerlunge.

In den nächsten Tagen keine deutliche Besserung, Temperatur wenig erhöht. Dem Patienten wurde dann zur Erholung ein Landaufenthalt empfohlen. Er blieb daselbst 6 Wochen und kehrte Juni 1912 nach Hause zurück. Sein Zustand war ziemlich unverändert.

12. II. 13. Neuerliche Verschlimmerung: Schnupfen, Kopfweh, Frieren.

Seit 14. II. Atembeschwerden, der Auswurf ist zähe, geht mit Mühe ab.

18. II. 13. Spitaleintritt.

Aus dem Status: Spitzengrenze beiderseits gleich. Schall: Leichte Dämpfung h. o. r. bis zum unteren Skapularwinkel, h. o. 1. bis zum IV. Proc. spin., h. u. beiderseits Schall hypersonor. Atem- . geräusch: v. o. beiderseits verschärftes Exspirium, hier und über den seitlichen Partien kleinblasige klingende Rasselgeräusche; b. u. beiderseits kleinblasige klingende Rasselgeräusche. Stimmfremitus deutlich. Patient hustet viel, hauptsächlich nachts und morgens; .er hat sehr viel Auswurf. ‚Spulen geschichtet, reichlich, putrid. In der Lebergegend Druckgefibl.

19. 1. Thorax bewegt sich wenig bei der Atmung. Ronchi auf Distanz hörbar. Foetor ex ore. Lungen: Grenze: VII. Rippe. Schall: Über beiden Spitzen leise. U.r. Schall etwas leiser. Atem- geräusch leise, vesikulär, mit verlängertem Exspirium. Vorn lautes Giemen, hinten reichliches Rasseln. Vergrößerung der Leber. Massenhaft Sputum, zweischichtig, älteres Sputum dreischichtig.

23. II. Unveränderter Lungenbefund. Maulvolle Expektoration. Sputum reichlich, geschichtet, penetrant riechend.

28. I. Nach Quinckescher Lagerung und reichlicher Sputumentleerüng folgt kurze Zeit der Ruhe, dann wieder reichliche Sputummengen: am Tag mehrere Spucknäpfe voll. Röntgenauf- nahme.

Das Röntgenbild (Abb. 3) zeigt einen ziemlich stark ausgeprägten Hilusschatten r. wie l. Auf beiden Seiten in der oberen Hälfte starke Schattenbildung, bestehend aus mäßig groben Schattenflecken, die ziemlich gleichmäßig verteilt sind. In den unteren Partien der Lungen normale Verhältnisse. Die Verhältnisse r. u. l. sind ziemlich gleich.

14. III. Wassermannreaktion negativ.

21. III. Beständig Atembeschwerden, bei der geringsten Anstrengung Atemnot.

29. IH. Am frühen Morgen ein Anfall von Dyspnoe; Zyanose. Sauerstoff.

80. III. Beständig sehr erschwertes Atmen. Sehr deprimierte Stimmung.

4. IV. Über beiden Lungen reichliche Rasselgeräusche in ganzer Ausdehnung. Sprache kupiert. Temperatur erhöht (37,0—37,5).

6. IV. Zunahme der Dyspnoe. Puls regelmäßig, schwache Füllung.

9. IV. 18, Exitus.

Diagnose: Bronchitis putrida bei Steinhauerlunge.

Aus dem Sektionsprotokoll: Lungenbefund: 1. Lunge sehr voluminös, Luftgehalt mäßig gut; Pleura stark fibrös verdickt. Auf Schnitt ist das Gewebe im Ober- und Unterlappen graurot, transparent, derb, abstreichen läßt sich wenig hellroter, klarer wenig schaumiger Saft. Das Gewebe ist durchsetzt von zahlreichen Knoten bis zu 4 mm im Durchmesser, diese sind anthrakotisch, fibrös, äußerst derb, zum Teil beim Anschneiden mehr grünweiß, trübe. Die Pulmonalgefäße sind etwas verdickt, die Bronchien ebenfalls, die Bronchialschleimhaut stark injiziert. Die Bronchialdrüsen sind bis zu 2 cm groß, stark fibrös, anthrakotisch. Die r. Lunge zeigt von außen und auf Schnitt dieselben Verhältnisse, wie 1. Die Pulmonalgefäße sind wie links. Im Unterlappen sind die Bronchien stark erweitert, sie enthalten reichlich graugelben, trüben, übelriechenden Inhalt. Die Schleimhaut ist sehr stark hyperämisch. Auch in den übrigen Bronchien ist die Schleimhaut gerötet. Die Bronchialdrüsen sind wie l. groß, derb, anthrakotisch, von einer derben, fibrösen Kapsel umgeben.

Mikroskopisch zeigt die Lunge deutliche Knoten, bestehend aus fibrillärem Bindegewebe, stellen- weise mit zentraler Nekrose und amorphen .Körnchen (Silikate), außerdem durch fibrilläres Bindegewebe scharf begrenzte Kalkherde. Daneben findet sich interstitielle Pneumonie. Die Alveolarsepten sind ver- breitert, mit Lymphozyten infiltriert. Die Alveolarepithelien sind vielfach desquamiert.

Herz groß, r. etwas schlaf. Mitralis an der Basis und die Sehnenfäden etwas verdickt. Aorten- klappen am freien Rande etwas gefenstert. Aorta: Intima verdickt, mit gelben trüben Herden. Pul- monalis: Intima mit kleinen trüben Herden. L. Ventrikel: Endokard fibrös verdickt, mit gelben trüben Herden, besonders an der Ventrikelseite des langen Segels. R. Ventrikel, besonders im Conus pulm. erweitert, Endokard fibrös verdickt. Muskulatur Il, 14 mm, r. 4—5 mm, braun, mit feinen, gelben, strichförmigen trüben Herden. Coronariae mit gelben, trüben Herden. Milz: Kapsel wenig verdickt. Auf Schnitt Follikel groß, deutlich. Trabekel wenig verbreitert, Pulpa braunrot, Konsistenz erhöht. Mikroskopisch enthalten die Follikel z. T. Kohlenpigment, häufig sind sie zentral fibrös umgewandelt, z. T. findet man Kohlenpigment in den Trabekeln. Nieren: Auf Schnitt Farbe dunkelrot, stark blut- haltig, Brüchigkeit etwas erhöht. ý

24 Entin. XXIII, 1.

Pathologisch-anatomische Diagnose: Steinhauerlunge. Chronisches substanzielles Lungenemphysem. Bronchiektasien. Bronchitis purulenta. Hypertrophie und Dilatation besonders des rechten Ventrikels. braune Herzatrophie. Stauung der Milz, Niere Cholelithiasis, Leptomeningitis chr. fibrosa. Pleuritis fibrosa.

Fall 4. Friedrich H., 34 Jahre, Eisendreher.

Familienanamnese: Mutter starb an Unterleibskrankheit. Eine Schwester starb mit 3 Jahren an einer Kinderkrankheit, ein Bruder starb an Blinddarmentzündung, 7 Geschwister, Frau und 3 Kinder leben und sind gesund.

Frühere Krankheiten: keine.

Jetzige Krankheit: Seit Ende 1909 Auftreten von Husten, Auswurf, Abmagerung. Keine Nacht- . schweiße.

Herbst 1913 traten noch Atemnot, körperliche Schwäche, Oedem der Beine hinzu, letzteres ver- schwand durch Bettruhe, kehrte aber in einigen Tagen wieder zurück. Tbc-Bazillen wurden bis jetzt nicht gefunden.

9. II. 14. Spitaleintritt.

Aus dem Status: Thorax abgeplattet. Die rechte Seite bleibt bei der Atmung etwas zurück. Der epigastrische Winkel ca. 100°. Perixiphoidale Pulsation sicht- und fühlbar. Lungen: Grenzen: v. r. unterer Rand der VIII. Rippe verschieblich, h. r. und 1. XII. Brustwirbeldornfortsatz verschieblich. Schall: Am rechten Sternalrand ein ca. 6 cm breiter Dämpfungsstreifen. Atemgeräusch: h. beider- seits über die ganzen Lungen zerstreute feinblasige, nichtklingende Rasselgeräusche. Stimmfremitus h. u. r. abgeschwächt. Herz: Spitzenstoß nicht fühlbar. Rel. Dämpfung: r. 6 cm von der Medianlinie, l. 2 Querfinger außerhalb der Mammillarlinie. Töne rein. Puls unregelmäßig, gut gefüllt. Spannung herabgesetzt.

11. II. Sputum: Ganz vereinzelte Herzfehlerzellen, viele Erythrozyten und Leukozyten.

13. II. Keine Herzfehlerzellen, sonst gleicher Befund. Keine Tuberkelbazillen. Nachturin enthält Spuren Zucker.

19. II. Sputum durch Blut schwach rötlich verfärbt, schleimig. Auf Digitalis Besserung des Pulses und des subjektiven Befindens.

20. If. Im Sputum 5°/,, Eiweiß,

28. U. Abnahme der Sputummenge, im Sputum nur 0,3°/,. Eiweiß.

4. III. Immer noch Zyanose und quälender Husten.

5. III. Atropin sulf. 0,0005 morgens früh beseitigt den Hustenreiz und erleichtert die Expektoration.

10. III. im Sputum 2,7%), Eiweiß (Blutbeimischung).

18. III. Wegen Herzschwäche Ol. camph. per clysm.

25. III. Im Urin Spuren Eiweiß.

1. IV. H. u. l. trockene Rasselgeräusche an Zahl vermindert. Temperatur zwischen 36,0— 37,0.

29. IV. H. r. zahlreiche klein- und mittelblasige, nicht klingende Rasselgeräusche, trockene Rasselgeräusche weniger zahlreich als früher.

1. V. Rheumatische Muskelschmerzen unter der linken Schulter.

7. V. Pleuritisches Reiben links von der Axillarlinie.

13. V. V.1. Spitze und I. Interkostalraum noch gedämpft, mit einigen kleinblasigen, nicht klingenden Rasselgeräuschen, links seitlich pleuritisches Reiben.

23. V. Temperatur 38,6. Muskelschmerzen.

27. V. Zyanose bedeutend geringer. Puls etwas stärker gespannt. Temperatur zwischen 386,5—86,9.

8. VI. Pleuritisches Reiben verschwunden.

10. VI. Lunge: H. r. keine trocknen Rasselgeräusche mehr. Rheumatische Muskelschmerzen bestehen noch immer. |

19. VJ. Husten hat bedeutend nachgelassen, nicht quälend, nicht in Anfällen auftretend. Aus- wurf ist vorwiegend schleimig, mit geringer eitriger Beimengung. Menge des Auswurfes hat abgenommen, ca. 15 cm?. Atemnot tritt nur noch beim Treppensteigen und raschen Gehen auf. Körperliche Schwäche hat abgenommen. Oedem an den Beinen verschwunden. Lungen: Grenze: V. uuterer Rand der VII. Rippe, h. beiderseits XII. Dornforsatz. Schall: R. Supraklavikulargrube, Infraklavikulargrube, I. und II. Interkostalraum gedämpft. Hinten und auf der ganzen rechten Seite Schall etwas leiser. Atemgeräusch: V. r. Supra- und Infraklavikulargrube vesikulär, zahlreiche fein- und mittelblasige, teils nichtklingende, teils hellklingende Rasselgeräusche. V. 1. Supraklavikulargrube ves., vereinzelte feinblasige nicht klingende Rasselgeräusche, in den übrigen Partien leises Giemen am Schluß des Inspi- riums. H. r. Atmung vesikulär. Vom IX.—XII. Dornfortsatze Atemgeräusch leise. Von der Spitze bis zum IX. Dornfortsatz ziemlich reichlich fein- und mittelblasiges Rasseln, nicht klingend. H. 1. Atmung vesikulär, auf der gauzen Seite ziemlich reichlich feinblasiges Rasseln, nicht klingend. Herz:

XXIII, 1. Ä Über Pneumonokoniosen. 25

Abs. Dämpfung normal, rel. Dämpfung: Grenzen: 2 Querfinger lateral von der ]. Mamilla, 6 cm r. von der Medianlinie. Im Sputum bei mehrmaliger Untersuchung keine Tb.-Bazillen.

Es sind mehrere Röntgenaufnahmen gemacht worden (Tafel II, Fig. 4). Hier sei nur die Be- schreibung derjenigen vom 14. IV. 14 angegeben.

Auf der rechten Seite sehr stark ausgesprochener Hilusschatten mit schmalen Randern, die sich einerseits bis in die Spitze heraufziehen, andererseits bis zu den lateralen Partien des Zwerchfells ver- folgen lassen. Beinahe die ganze rechte Lunge zeigt eine mäßig feine Marmorierung, am deutlichsten ist dieselbe in den mittleren Partien, etwa in der Höhe von III.—VI. Rippe. Neben dem Hilus einige stärkere, ziemlich scharf abgegrenzte Schatten. Am Zwerchfell zwei dreieckige Spitzen (Adhäsionen). Die linke Lunge zeigt ein ähnliches Bild. Die Marmorierung ist noch deutlicher, besonders im mittleren und oberen Felde. Einige besonders dichte Stellen befinden sich etwas lateral vom Schatten in der Höhe der VI. und VIII. Rippe. Die ersten Rippenknorpel zeigen keine besondere Verknöcherung. Linke Zwerchfellhälfte zeigt in der Mitte des Bogens eine deutliche Einknickung (Adhäsion).

19. VI. Austritt aus dem Spital.

Diagnose: Siderosis purmonum; Dilatatio cordis, Insufficientia cordis, Muskel-

rheumatismus, Angestellte Nachforschungen ergaben, daß Patient am 28. Oktober 1914 an seiner Krankheit ge-

storben ist. (Sektion verweigert.)

Fall 5. Karl Th., 58 Jahre, Steinhauer.

Familienanamnese ergibt nichts besonderes,

Patient ist verheiratet, hatte 10 Kinder, von denen 2 im Säuglingsalter starben. Die übrigen leben und sind, bis auf ein chronisches Augenleiden bei dreien, gesund.

Frühere Krankheiten: 1903 Nackenkarbunkel.

1905 Gesichtsrose.

Jetzige Krankheit: Seit 1903 geringe Bangigkeit, die sich im Herbst und Winter 1903 infolge von Hinzutreten einer Bronchitis verschlimmerte.

1904—1910 wiederholten sich Husten, Beklemmungen und Auswurf jeden Winter.

Oktober 1910 vier Wochen anhaltender Husten mit Answurf und Beklemmungen, so daß Patient

nur mit großer Anstrengung arbeiten konnte. Anfang 1912 Atemnot, Husten, Auswurf.

10. II. 12 Spitaleintritt. Aus dem Status: Kleiner, ziemlich kräftiger Mann, doch abgemagert. Leichte Hautatrophie an

den Händen. Thorax: r. weiter als l, dehnt sich weniger aus bei der Atmung. Lungen: Grenze wenig verschieblicb. Schall: leichte Dämpfung h. u. beids. bis zum unteren Skapularwinkel. Atemgeräusch: h. u. rechts über den gedämpften Partien bronchial, h. u. l. vesikulär. Über beiden Lungen h., namentlich l., klingende, feinblasige Ronchi. Etwas Husten und schleimig-eitriger Aus- wurf,

12. II. Lunge: l. Spitze eine Spur schmäler als die r. Schall: 1. Spitze etwas leiser als r. Spitze. Dämpfung h. beids. in den u. Partien der Thoraxwand. Atemgeräusch: l. Spitze etwas leiser als r. Nach Husten etwas fragliche spärliche Rasselgeräusche. Sputum ohne Tb-Bazillen. Urin: Spur Eiweiß.

22. II. Tuberkulininjektion ?/,;, mg 1°/%; keine lokale und keine allgemeine Reaktion.

27. II. img Tuberkulin: keine Reaktion.

2. IIT. 1 mg Tuberkulin: am folgenden Tage geringe Temperatursteigerung (37,2).

14. III. Lungen: l. Spitze rein, Atemgeräusche normal, keine Ronchi.

18. III. r. einige Ronchi. 18. IV. 1. Spitze leichte Dämpfung, Knacken, verschärftes ves. Atmen. L. und r. h. u. ver-

einzelte Ronchi sibilantes. 13. V. Patient befindet sich wohl, Gewichtszunahme 49,2 56,9 kg. 20. V. Kein Husten, kein Auswurf. Lungen: l. Spitze noch vereinzelte Ronchi; keine Dämpfung. Überweisung nach einer Rekonvaleszeptenstation für 4 Wochen. Diagnose: Phtisis incipiens der l. Spitze. Auf der Station und später zu Hause fühlte sich Patient dann sehr wohl. Mitte September 1912 traten wieder Atembeschwerden, Beklemmungen und Müdigkeit auf. 20. IX. Husten mit wenig Auswurf, der aber nur mit Mühe expektoriert wird. Zeitweise Stechen

in der 1. Seite.

27. IX. 12. Spitaleintritt. Aus dem Status: Gewicht 48,7 kg. Ziemlich starke Zyanose. Thorax: 1. Seite etwas mehr

eingezogen, atmet weniger ausgiebig. Lungen: Dämpfung: v. o. r. bis II. Rippe, v. o. 1. bis II. Inter- kostalraum, h. o. r. VIII Proc. spinos., h. o. 1. V Proc. spinos. Spitzenfelder beids. gleich breit. Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII, 4

-

TEE TE N en ee E a a - nn... u te

I Omar m un ungen.

Py

26 Entin. XXIII, 1.

Atemgeräusch: Im Bereich der Dämpfung zerstreute feinblasige, nicht klingende Rasselgeräusche und vereinzeltes Giemen. Atemgeräusch ves.

8. X. 12. 0,3 cm? 2/,, °l% Tuberkulin: keine Reaktion.

18. X. Mehrmals Tuberkulin, steigend bis 0,5 cm? 1°/,, ohne Reaktion. Auf 1,0 cm? 1°/,, deutliche Temperatursteigerung. Von da an Tuberkulin Rosenbach.

31. X. Immer noch Dämpfung in den oberen Partien beids. v. und h. Atemgeräusch vesikulär. H. o. l. verschärftes Vesikuläratmen, o. r. und auf der ganzen l. Seite feinblasige, nicht klingende Rassel- geräusche. Bis jetzt im Sputum bei mehreren Untersuchungen keine Tuberkelbazillen. Gutes All- © gemeinbefinden. Liegekur.

15. XI. Sehr gutes Allgemeinbefinden, keine Klagen, keine Beschwerden.

30. XI. Idem. Im Sputum auch jetzt keine Tuberkelbazillen. Gewicht 54 kg.

Spitalaustritt. i

Diagnose: Pneumonokoniosis. Emphysema pulmonum.

Nach Austritt aus dem Spital begab sich Patient auf eine Erholungsstation, und da begann der Husten nach kurzer Zeit von neuem. Der Patient arbeitete dann wieder als Steinhauer. Er hatte stets Husten, Auswurf, kein Fieber, keine Nachtschweiße.

Seit Anfang 1914 wieder sehr starke Zunahme der Beschwerden, besonders der Atemnot. Patient raucht jetzt seit 1912 gar nicht mehr, während er früher ein starker Raucher war. Er trinkt täglich 1 Flasche Bier.

28. I. 14 Spitaleintritt.

Aus dem Status: Ordentlicher Ernäbrungszustand. Pulsfrequenz stark erhöht (112). Atmung regel- mäßig, etwas beschleunigt, mit Zuhilfenahme der akzessorischen Atemmuskeln. Thorax von ordentlichem Bau und völlig guter Elastizität. Lungen: Grenzen: v. VI. Rippe, h. XI. Dornfortsatz, wenig ver- schieblich. Schall: v. r. auf der ganzen Seite kürzer als l, am deutlichsten an der Spitze. H. eben- falls Dämpfung, von o. nach u. abnehmend. H. o. l. beinahe absolute Dämpfung. Atemgeräusch: v. o. verschärft, ves., weiter u. vesikulär; ]. Atemgeräuch sehr leise. Über beiden Lungen kleinblasige klingende Rasselgeräusche. Über beiden Spitzen etwas Reiben. H. o. r. Atemgeräusch verschärft; h. o. l. stark verschärft, vesikulär, im übrigen r. und l. schwach verschärftes vesikuläres Atmen, überall verteilte feine klingende Rasselgeräusche und Giemen. H. o. r. auch Reiben. Puls regelmäßig, frequent.

29. I. Sputum ohne Tb-Bazillen.

16. II. Zustand objektiv unverändert, subjektiv etwas besser, Patient steht auf. Temperatur meist unter 37,0.

26. II. Temperaturanstieg: Gesichtserysipel.

28. II. Lungenbefund: Schall: intensive Dämpfung: v. o. r. II. Interkostalraum, v. o. l. oberer Rand der II. Rippe, h. o. r. 2 Querfinger tiefer, b. o. 1. oberer Rand des VII. proc. spinos. H. o. r. Tympanie. Atemgeräusch: v. o. 1. Tympanie, nach u. seitlich sehr abgeschwächtes vesikuläres Atmen; h. o. r. sehr seltene kleinblasige Rasselgeräusche; h. u. r. sehr leises Atemgeräusch, einzelne kleinblasige, nicht klingende Rasselgeräusche, h. u. l. kleinblasige, klingende Rasselgerausche.

Röntgenaufnahme Tele (Taf. II, Fig. 5):

Auf beiden Seiten in der o. Hälfte des Lungenfeldes ziemlich starke Verdichtungen, 1. mehr als r. Die Schatten werden gebildet von ziemlich feinen, ziemlich gleichmäßig verteilten, strich- und punkt- förmigen Schatten. Dadurch entsteht eine feine Marmorierung, die besonders typisch ist r. in der Höhe der IV. bis VI. Rippe. Die Spitze selbst ist nicht am meisten betroffen. Von dieser oberen Hälfte nun ziehen feine strichförmige Schatten in die untere Hälfte bis zu dem Zwerchfell und endigen dort zum Teil an kleinen Spitzen, welche vom Zwerchfell ausgehen (Adhäsionen). Auf der l. Seite ebensolche, etwas stärkere Adhäsionen, eine ziemlich deutliche Verziehung des Zwerchfells in der Mitte der 1. Kuppe. Hilusschatten nicht besonders stark ausgeprägt.

Auch die anderen Röntgenaufnahmen bei diesem Patienten zeigten dieselben Verbiltnisse.

9. III. Erysipelas verschwunden ohne Folgen.

27. III. Keine Tb-Bazillen. Temperatur stets unter 36,8. Patient steht auf und fühlt sich ziemlich wohl.

3. IV. Lungen: Schall gedämpft v, o. r. bis zum oberen Rand der II. Rippe, v. o. 1. II. Inter- kostalraum. Atemgeräusch: in den oberen Partien der Dämpfung bronchial mit ganz vereinzelten feinblasigen, klingenden Rasselgeräuschen, in den unteren Partien rasches Atemgeräusch mit feinblasigen, nicht klingenden Rasselgeräuschen. H. o. r. gedämpft bis VII. Dorsalfortsatz, h. o. 1. bis VI. Dorsal- fortsatz, Atemgeräusch wie vorn. Patient fühlt sich ganz wohl.

Spitalaustritt.

Diagnose: Steinhauerlunge.

Nur 3 Wochen lang konnte Patient ungehindert seine Arbeit aufnehmen, dann fing wieder der

XXIII, 1. Über Pneumonokoniosen. | 27

gleiche Husten an, zuerst sehr heftig, dann ließ er während der warmen Sommermonate wieder etwas nach, zumal Patient seit Mai 1914 nicht mehr arbeitete und sich viel an der frischen Luft aufhielt.

Ende Oktober trat der Husten wieder in stärkerem Maße auf, so daß Patient oft unter Atemnot litt. Besonders nachts mußte er viel husten und hatte viel Auswurf. Er soll auch die letzten Tage erhöhte Temperatur gehabt haben. Kein Nachtschweiß. Schlaf durch viel Husten gestört. Patient hat in der letzten Zeit an Gewicht abgenommen (jetzt 46 kg).

20. X. 14 Spitaleintritt.

Aus dem Status: Lungen: Schall: Dämpfung über den oberen Lungenpartien, v. o. r. bis zum oberen Rand der III. Rippe, v. o. 1. und v. seitlich 1. bis zum oberen Rand der IV. Rippe, b. o. r. bis zum VII. Proc. spinos, h. o. l. bis zum VI. Proc. spinos. Lungengrenzen respiratorisch wenig verschieb- lich, besonders 1. Lungengrenze XII. Proc. spinos. Atemgeräusch im Bereiche der Dämpfung: v. abgeschwächtes Atemgeräusch, h. abgeschwächtes vesikuläres Atmen. Stimmfremitus h. u. r. stärker als 1. Sputum ohne Tb-Bazillen. Blutdruck nach Riva-Rocci palpatorisch 110, auskultatorisch 80—115 mm Hg. Leber 2 Finger unter dem Rippenbogen.

Diagnose: Steinhauerlunge.

Die vorher beschriebenen 5 Fälle (1. Franz M. Siderosis, 2. Gottlieb Tr. Chali- kosis, 3. Anton N. Chalikosis, 4. Friedrich H. Siderosis und 5. Karl Th. Chalikosis) haben soviel gemeinsames in ihrem Krankheitsbilde, daß sie leicht gemeinsam betrachtet werden können.

Die Familienanamnese war meist ohne Bedeutung, in einem Falle aber war doch eine deutliche familiäre Disposition zu Lungenerkrankungen unverkennbar (Fall 3, wo drei Brüder an Lungenleiden starben, von denen zwei an Staublunge).

Von den die persönliche Disposition erhöhenden Ursachen fanden sich in zwei Fällen (Fall 2 und 8) Potus und in zwei (Fall 2 und 5) starkes Rauchen.

In allen Fällen war der Beruf der Patienten mit Stein- (Fall 2, 3, 5) resp. Eisenstaub- inhalation (Fall 1 und 4) verbunden.

Der Beginn der Krankheit kann nur selten festgestellt werden. Die Symptons sind meist wenig typisch. Meist im Herbst oder im Winter tritt, ähnlich wie bei einem banalen Katarrh der Respirationswege, etwas Husten auf (Fall 3, 4 und 5). In einigen Fällen wurden zuerst nur oder hauptsächlich Allgemeinerscheinungen bemerkt, wie allgemeine Müdigkeit und Ab- geschlagenheit (Fall 2, 4, 5), Kopfweh (Fall 1, 2, 3), in anderen Fällen auch Bangigkeit (Fall 3 und 5) und Schwindel (Fall 1 und 2).

In einem Falle traten die ersten Erscheinungen nach dem Überstehen einer iiaii auf (Fall 1). An dieser Stelle ist auch die bei einem Patienten nach Schnupfen mit Fieber und Kopfweh aufgetretene Exazerbation (Fall 3) zu erwähnen.

Diese ersten Erscheinungen besserten sich dann meistens wieder etwas, meist traten aber wieder mit dem Wiederbeginn des Herbstes und Winters Exazerbationen auf (Fall 1, 3 5), In einem Falle ist die eben erwähnte Exazerbation nach Schnupfen bemerkenswert.

Dieses erste Stadium der Krankheit dauerte ca. */, bis zu 7 Jahre.

In der nächsten Periode waren keine vollständigen Remissionen mehr vorhanden, son- dern die Kranken haben stets über einige der oben erwähnten Symptome zu klagen. Zu dieser Zeit traten dann auch die physikalischen Erscheinungen der Infiltration in den Lungen auf. Diese lokalisierten sich hauptsächlich in den oberen Partien der Lungen, so daß die Kranken wegen dieser Lokalisation, wegen der allgemeinen Symptome, Gewichtsabnahme, Mitbeteiligung der Pleuren und wegen des chronischen Verlaufs des Leidens als Phthisiker angesehen wurden (alle Fälle).

Einige der Patienten wurden auch ins Hochgebirge geschickt (Fall 1, 3), bemerkens- werterweise aber ohne den Erfolg, welchen Phthisiker gewöhnlich im Hochgebirge zu ver- zeichnen haben. Die Ähnlichkeit mit einer Phthise wird noch größer dadurch, daß gelegent- lich Hämoptysen auftreten können (Fall 3, 4). Auch das Röntgenbild kann hier dazu beitragen,

eine Tuberkulose zu diagnostizieren. 4*

l | h i i

OT mas nem

SEITE True.

28 Entin. XXIII, 1.

Fieber fehlt meist in diesem Stadium, oder es sind nur gelegentlich subfebrile Tempera- turen vorhanden.

Im weiteren Verlauf werden nun Husten, Auswurf und Allgemeinsymptome stärker, bei ‘einigen tritt eine Bronchitis putrida dazu (Fall 3, 4), die Krankheit breitet sich gegen die Pleura zu aus (in allen 5 Fällen pleuritisches Reiben, Fall 1 und 3 Pleuritis durch Sektion bestätigt, Fall 4 und 5 im Röntgenbild Adhäsionen), bei anderen dagegen treten Erscheinungen von seiten des Herzens objektiv findet sich eine Verbreiterung des Herzens nach r. —, Bangigkeit (Fall 3 und 5), Zyanose (Fall 1, 3 und 5), Atemnot (alle 5 Fälle) mehr in den Vordergrund. In den unteren Partien der Lunge bildet sich meist ein Emphysem aus (Fall 1, 3, 4, 5). Zu dieser Zeit können auch höhere Temperaturen auftreten.

Der Exitus erfolgt meist unter Zunahme der Herzerscheinungen. Komplikationen können den Exitus beschleunigen (Fall 1, Bronchopneumonie des Unterlappens).

Die Diagnose der Pneumonokoniosis ist im Beginn der Krankheit meist überhaupt nicht und auch später sehr schwer zu stellen. Man muß an das Vorhandensein einer Pneumo- nokoniosis denken, wenn bei einem Patienten, welcher lange Zeit im Berufe einem Staube ausgesetzt war, eine chronische Lungenkrankheit auftritt. Diese hat ungefähr den Verlauf einer chronischen Bronchitis und später einer Phthisis. Wichtig ist hauptsächlich die Diffe- rentialdiagnose gegenüber einer chronischen Lungentuberkulose. Gemeinsam haben beide Krankheiten den chronischen Verlauf, die langdauernden Remissionen, das Befallensein haupt- sächlich der Oberlappen, Husten und Auswurf, manchmal auch Hämoptysen, die Allgemein- symptome, wie Mattigkeit, Nachtschweiße, Abmagerung, Kopfweh, rheumatische Beschwer- den usw.

Zur Unterscheidung der Pneumonokoniosis von der Phthisis möge folgendes dienen:

Bei der Pneumonokoniose finden sich auch bei häufiger Untersuchung nie Tb-Bazillen, wenn diese nicht mit einer Phthise kompliziert ist. Die Pneumonokoniosis lokalisiert sich sehr oft nicht in den Spitzenpartien der Lungen zuerst und am stärksten, sondern mehr in den unmittelbar darunter liegenden Teilen der Oberlappen. Die Pneumonokoniosis ergreift beide Hälften der Lunge meist gleichmäßiger, als es die Tuberkulose tut. Die Temperatur steigt; bei unkomplizierter Pneumonokoniosis kaum über 37,0. Bei Patienten mit Pneumo- nokoniosis fällt die Tuberkulinreaktiou negativ aus oder sie wird positiv erst bei sehr hohen Dosen. In späteren Stadien der Krankheit fällt auf, daß bei Stauberkrankungen viel stärkere Erscheinungen von Herzinsuffizienz auftreten, so daß die Patienten beinahe wie solche mit dekompensierten Herzfehlern aussehen. Die Zyanose ist sehr erheblich, subjektive Atem- beschwerden sehr stark, während bekannt ist, daß bei Phthisikern weitaus der größte Teil der Lunge zerstört sein kann, ohne daß die Patienten Dyspnoe bekommen. Zu der Verstärkung der Dyspnoe bei Pneumonokoniosis kann vielleicht noch das gelegentlich vorkommende Em- physem beitragen.

In neuerer Zeit hat Bäumler die Angabe gemacht, daß man bisweilen einen Dämpfungs- streifen lediglich am linken Sternalrand in den ersten zwei Interkostalräumen bei einer emphy- sematösen Lunge als Zeichen einer Pneumonokoniose findet. Wir könnnen diese Angabe be- stätigen. Dieses Zeichen der Retraktion der Lungenränder war in unseren Fällen 2 und 4 sehr stark ausgesprochen, im ersteren sogar beiderseits vorhanden.

Sehr gute Dienste hat uns die Röntgenphotographie geleistet. Man sieht in den typischen Fällen (Fall 3 und 5) eine den größten Teil der Lunge einnehmende gleichmäßige Marmorierung, am deutlichsten wohl an beiden Seiten des Hilus. Diese Marmorierung sieht ähnlich aus, wie man sie bei Miliartuberkulose zu sehen gewöhnt ist, nur sind die einzelnen Flecke bei der Staubkrankheit etwas größer und weniger scharf begrenzt. In den weniger typischen Fällen findet sich diese Marmorierung nicht so gleichmäßig auf die ganze Lunge verteilt, sondern man trifft sie nur an einzelnen Stellen an; auch ist sie meist dann etwas weniger typisch. Aber auch dann, wenn wir diese typische Marmorierung nicht antreffen,

XXII, 1. Über Pneumonokoniosen. 29

kann uns das Röntgenbild zur Differentialdiagnose noch etwas beitragen, indem man bei der Pneumonokoniose meist eine ziemlich regelmäßige Verteilung der Schatten r. und l. antrifft, wie das bei Phthisis selten der Fall ist. Auch die Intensität, die Größe und Form der ein- zelnen Flecke ist meist viel gleichmäßiger als bei der Phthise. Auch die vom Bronchialbaum ausgehenden Streifen zeigen weniger Mannigfaltigkeit als bei der Tuberkulose.

Soweit die Unterscheidung gegenüber der chronischen Phthise, Gegenüber anderen Erkrankungen ist die Differentialdiagnose etwas leichter. Vom Emphysem unterscheidet sich die Pneumonokoniosis durch das Auftreten von Infiltrationen. Auch ist des bereits erwähnten, von Bäumler zuerst angegebenen Zeichens der Retraktion der Lungenränder zu gedenken.

Bronchiektasien lokalisieren sich leicht in den unteren Partien, während Pneumonokoniosen häufig die oberen Lungenpartien befallen.

Die Dauer der Lungenerkrankung infolge Staubinhalation beträgt in der Regel einige Jahre (Fall 1 = 2 Jahre, Fall 8 sogar 17 Jahre, Fall 4 = 5 Jahre, Fall 2 und 5 lebt noch). Jedenfalls scheint die Eisenlunge eine schwerere Erkrankung zu sein als die Steinhauerlunge (beide Fälle 1 und 4 führten in 2 resp. 5 Jahren zum Exitus).

Eine eigentliche Therapie der Pneumonokoniosis existiert nicht. Dagegen können langdauernde Remissionen auftreten, wenn die Patienten ihren Beruf aufgeben (Fall 5). Die einzelnen Krankheitserscheinungen müssen symptomatisch behandelt werden, und die Therapie richtet sich gegen die Bronchitis, Bronchitis putrida, die allgemeinnen Ernährungsstörungen usw. Sind Zeichen seitens des Herzens vorhanden, so sind diese einer Behandlung mit Herzmitteln zugänglich.

Von Komplikationen ist das wichtigste zunächst die Tuberkulose. In solchen Fällen wird die Staubkrankheit wohl kaum erkannt werden, da man die Tuberkulose als hauptsäch- lichste Erkrankung ansehen muß. Daß andere Infektionen, z. B. mit Pneumokokken oder

Anaöroben, nicht unwichtig sind und durch Herbeiführung einer Pneumonie (Fall 1) oder einer Bronchitis putrida (Fall 3) sehr schlimme Folgen haben kann, ist sicher.

Bei der Differentialdiagnose zwischen Siderosis und Chalikosis kommt hauptsächlich der Beruf in Betracht, andererseits lassen sich meist die schädigenden Substanzen im Sputum nachweisen, Fe durch die Berlinerblaureaktion, bei Steinstaublunge sind häufig Lungensteine

expektoriert worden.

Zusammenfassung.

Bei Pneumonokoniosis ist eine Besserung oder ein Stillstehen der Krankheit nur dann zu erwarten, wenn die Patienten einen Beruf ergreifen, wo sie dem Staub nicht ausgesetzt sind.

. Dies wird nur dann erreicht, wenn eine frühzeitige Diagnose gestellt wird, da sich sonst der Patient nur schwer entschließt, den Beruf zu wechseln, und auch der Arzt nicht mit ge- nügendem Nachdruck dazu raten kann.

Die älteren Mittel zur Diagnosestellung sind ee

Gute Dienste leistet dagegen die Röntgenphotographie der Pneumonokoniose. Das Röntgen- bild kennzeichnet sich durch eine ziemlich gleichmäßige Marmorierung der Lungen, ähnlich wie bei der Miliartuberkulose, nur sind die Flecken etwas größer und weniger scharf. In anderen, weniger typischen Fällen sind die Schatten bei der Pneumonokoniosis wenigstens auf beiden Seiten ziemlich gleichmäßig stark und ziemlich gleichmäßig groß.

Zur Differentialdiagnose gegenüber Emphysem dient das von Bäumler angegebene Zeichen der Retraktion der Lungenränder bei Pneumonokoniosis.

In den angeführten 5 Fällen konnte, durch Kombination der alten diagnostischen Mittel mit den neueren, die Diagnose schon intra vitam gestellt werden.

Ey

Dam

na T ivan Oe am

Be. _

l i oOo o i 1 a: ie |. id wos a ii fl " tn 1 \ i i 1 N Bi

Ge a a T u I SA m, SR am oa... m va SEE aan t :

en rg 4 `

nn

m m m MT’ re ok. P

Yi

E

e ea: TI TI TI Een r gl ee i ; :

30 | Entin. XXIII, 1.

Zum Schluß gestatte ich mir, Herrn Prof. Dr. Staehelin für die Anregung und gütige Überlassung des Materials zu dieser Arbeit und für das freundliche Entgegenkommen, sowie Herrn Dr. Massini für die hilfreiche Unterstützung bei derselben meinen besten und auf- richtigsten Dank auszusprechen.

Desgleichen danke ich Herrn Prof. Dr. Hedinger für die gütige Überlassung der Sektionsprotokolle.

Literaturverzeichnis.

Staehelin, Krankheiten der Respirationsorgane, Handbuch der inneren Medizin von Mohr u. Staehelin. Bd. II. Berlin 1914. l

Assmann, Erfahrungen über die Röntgenuntersuchung der Lungen. Jena 1914.

Arnold, Untersuchungen über Staubinhalation und Staubmetastase. Leipzig 1885.

Arnold, Über lentikuläre Lungennekrose und Bildung von Lungensteinen. Münch. med. Wochenschr. 1897. Nr. 47.

Aufrecht, Die Lungenentzündung. Nothnagels spez. Path. und Ther. 1899. XIV, 1.

Fleiner, Über Resorption korpuskulärer Elemente durch die Lungen und Pleura. Virch.-Archiv 1888, CXII.

Fränkel, Klinische und anatomische Mitteilungen über indurative Lungenentzündung. Münch. Med. Wochenschr. 1895. Nr. 10—12.

Friedrich, Über schwarze Sputa. Virch.-Arch. 1864. Bd. XXX.

Gumprecht, Staubkrankheiten, in Eulenburgs Lehrbuch der allg. Ther. III. 1899.

Hirt, Die Staubinhalationskrankheiten. Breslau 1871.

v. Ins, Experimentelle Untersuchungen über Kieselstaubinhalationen. Archiv f. exp. Path. u. Pharm. 1876. V.

v. Ins, Einige Bemerkungen über das Verhalten des inhalierten Staubes in den Lungen. Virch. Arch. 1878. Bd. LXXIII.

Knauff, Das Pigment der Respirationsorgane. Virch. Arch. 39. Bd. 1867. :

Kußmaul, Die Aschenbestandteile der Lungen und Bronchialdrüsen. Deutsch. Arch. f. klin. Med. 1867, II. IX.

Koschlakoff, Zur Frage der Entstehung des Pigments der Lungen. Virch. Arch. 1866. Bd. 85.

Langguth, Uber die Siderosis pulmonum. Deutsch. Arch. f. klin. Med. 1895. LV.

Leuthold, Ein neuer Fall, welcher das Eindringen von Kohlenteilchen in die Lungen beweist. Berl. kl. Wochenschr. 1866. Nr. 3.

Merkel, Die Staubinhalationskrankheit. Ziemßens Handbuch der spez. Path. u. Ther.

Merkel, Gewerbekrankheiten. ZiemBens Handbuch d. Hyg. 1882. T. 2. Abt. 3, 4.

Merkel, Die tuberkulösen Erkrankungen siderotischer Lungen. Arch. f. klin. Med. Bd. 42.

Meinel. Über den gegenwärtigen Stand der Staubinhalationskrankheiten. Deutsche Vierteljahrschrift f. öff. Gesuudheitspflege 1876.

Ruppert, Experimentelle Untersuchungen über Kohlenstaubinhalation. Virch. Arch. 1872.

Rindfleisch, Lehrbuch der path. Gewerbelehre 1878.

Slavjomski, Exp. Beiträge zur Pneumokoniosislehre. Virch. Arch. Bd. 48.

Seltmann, Die Anthrakosis der Lungen bei Kohlenbergarbeitern. Deutsch. Arch. f. klin. Med. 1866. Bd. II. |

Trombe, Gesammelte Beiträge zur Path. und Phys. Berlin 1871.

Virchow, Uber das Lungenschwarz. Arch. für path. Anat. 1866. Bd. 35.

Virchow, Die pathologischen Pigmente. Arch. für path. Anat. 1847. Bd. I.

Zenker, Uber Staubinhalationskrankheiten der Lunge. Arch. f. klin. Med. 1867. II.

XXIII, 1. Dumdumartige Konstruktion d. engl. Infanteriegeschosse u. ihre Wirkung im R.-Nachweis. $1

Aus der Réntgenabteilung des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Barmbeck (Oberarzt Dr. Haenisch).

Dumdumartige Konstruktion der englischen Infanteriegeschosse und ihre Wirkung im Rontgennachweis. Ä Von j Dr. 6. Fedor Haenisch, Hamburg, Stabsarzt der Reserve. À (Hierzu Tafel III, Fig. 1—6.)

Am 1. Dezember 1914 habe ich im ärztlichen Verein in Hamburg und in der Münchener Medizinischen Wochenschrift 1914, Nr. 52, über „den röntgenologischen Nachweis der Dumdum- wirkung englischer Infanteriegeschosse* berichtet. Wenn ich noch einmal in dieser Frage das Wort ergreife, so tue ich das auf mehrfache Anregung von verschiedenen Seiten und im vollen Bewußtsein der Schwierigkeit des Problems.

Es sind in letzter Zeit sowohl in den Tageszeitungen, wie in der medizinischen Fach- presse zahlreiche Erörterungen über Dumdumverletzungen erschienen; die fraglos bona fide gemachten Mitteilungen sind indessen keineswegs durchweg als beweiskräftig dafür anzuerkennen, daß es sich in den betreffenden Fällen um echte Dumdumverletzungen gehandelt hat. Manche irrtiimlichen Anschauungen sind hier mit untergelaufen. So ist z. B. das von Kraitmair, M. M. W. 1914, Nr. 42, beschriebene französische Geschoß sicher kein Dumdum gewesen. Das französische, aus einer Kupferlegierung hergestellte massive Vollgeschoß kann überhaupt nicht, auch nicht durch artefizielle Deformierung der Spitze zum Dumdum gemacht werden. Ich habe zwar recht häufig die französischen Projektile deformiert im Körper gefunden, be- sonders auffallend ist die Umbiegung der Spitze, die selbst Angelhakenform annehmen kann, eine Explosivwirkung im Körper aber kann ein Vollgeschoß nicht verursachen. Ich habe es auch nie zersplittert gefunden. Auch in dem Fall von Lenné ebendort ist keinerlei Beweis erbracht für die Annahme einer Dumdumverletzung. Zum mindesten müßte das verschwundene Gescho8 zur Untersuchung vorliegen; die große Wunde allein ist nicht beweisend.

An den Wundverhältnissen allein, darüber herrscht wohl jetzt (Januar 1915) nur eine Ansicht, ist die Dumdumverletzung nicht, oder jedenfalls nur sehr schwer nachzuweisen. Der oft erwähnte kleine Ein- und große Ausschuß ist an sich kein Beweis. Derartige Beobachtungen wurden in der ersten Zeit besonders bei Handschüssen des öfteren diskutiert. Hier hat aber, besonders beim Nahschuß, ev. auch beim Querschläger, die röntgenologisch erkennbare vollkommene

Zertrtiimmerung der passierten Stelle des Handskelettes den großen Ausschuß hervorgerufen, in-

dem die Knochenteile mit herausgetrieben wurden.

Es ist indessen nicht meine Absicht, die ganze Frage der Dumdumverletzungen hier zu erörtern. Außerordentlich viele Punkte wären da zu berücksichtigen: die beabsichtigten und unbeabsichtigten Dumdumwirkungen, die Scheibenstandmunition, welche sicher, ev. ohne Wissen der betreffenden Regierung gelegentlich benutzt worden ist, die Jagdmunition der Franktireure, die durch Feilen, Ansägen usw. hervorgerufenen Verletzungen am Stahlblech des. Mantel- geschosses usw. usw. :

Ob sich an den gesetzten Verletzungen allein überhaupt mit Sicherheit differential- diagnostisch entscheiden läßt, ob ein echtes Dumdumgeschoß oder ein improvisiertes verwendet wurde, oder ob gar das Projektil erst nach dem Verlassen des Gewehrlaufes aber schon vor dem Aufschlagen auf den Körper auf irgendeine Weise deformiert wurde, halte ich für sehr fraglich.

Das echte Dumdum ist ja eigentlich ein Mantelgeschoß, an dessen Spitze fabrikations- mäßig die Kontinuität des Stahlmantels unterbrochen ist, so daß dem eingeschlossenen Bleikern die Austrittsmöglichkeit gegeben ist. Das Projektil ist gewissermaßen vorn offen. Fig. 1

wpe ee eee ee

cw mg

T 82

Haenisch. XXIII, 1.

zeigt ein derartiges Dumdumgeschoß aus der Umgebung von Lille. Der Mantel ist an der Spitze quer abgeschnitten, der Bleikern ist trichterförmig angebohrt; auf Fig. 2 sieht man vorn

Fig. 1.

in die Höhlung hinein. Der Stempel auf der Hülse weist auf französischen Ursprung hin, | Das Prinzip des Dumdumgeschosses liegt meines Erachtens in der Austrittsmöglichkeit des Bleikerns. Diese läßt sich beim im- provisierten Dumdum durch Anfeilen, Abschleifen, Einkerben oder durch sonstige absichtliche Beschädigungen des Mantels ebenfalls erreichen. Meiner Überzeugung nach ist nun dieses Prinzip ob absichtlich und bewußt oder nicht, lassen wir zunächst mal außer acht auch bei dem offiziellen englischen Infanteriegeschoß infolge seiner Konstruktion erreicht. Meine folgenden Ausführungen sollen sich also, wie oben gesagt, nicht auf Dumdumgeschosse im allgemeinen beziehen, sondern sich nur auf das offizielle englische Infanteriegeschoß und seine Wirkungen beschränken. Wie |. c. ausgeführt, waren mir die abnorm erheblichen Knochen- zertrümmerungen und Weichteilverletzungen bei den röntgeno- logischen Untersuchungen eines recht großen Materials aufgefallen bei Verwundeten, die gegen englische Truppen gekämpft hatten. Während ich bei französischen und russischen Projektilen öfters reine Knochenlochschüsse, nicht deformierte Geschosse neben leichteren und schwereren Splitterfrakturen fand, waren hier die Verwüstungen ungemein größer. Die Knochenzersplitterungen, durchsetzt mit zahllosen Bleispritzern mit versprengten Metall- Fig. 2. schatten in den Weichteilen usw. wurden fast zur Norm.

- Damals, im Oktober 1914, waren mir nur Abbildungen von englischen Geschossen aus

der Tagespresse bekannt, nach denen unter dem Stahlblechmantel statt eines zwei Kerne sich

befänden,die als Dumdumgeschosse bezeichnet wurden. Nach derartigen Geschossen fahndete ich nun bei meinen Röntgenuntersuchungen, da mir der röntgenographische Nachweis von entsprechenden Teilen dieser Geschosse im Körper bei gleichzeitigen schweren Verlet- zungen als dokumentarischer Beweis für die besondere Gefährlichkeit des englischen Infan- teriegeschosses am sichersten erbracht schien.

Entsprechende Fälle konnte ich von Mitte Oktober ab mehrfach beobachten. Einen solchen publizierte ich 1. c.

Später hatte ich Gelegenheit, in der Umgebung von Lille in den Besitz englischer Geschosse zu kommen und diese näher zu | untersuchen. So ergab z. B. die Röntgen- aufnahme des englischen Projektils, daß der vordere Kern in der Spitze aus einem spe- zifisch wesentlich leichteren Metall, wahr- scheinlich Aluminium, bestand, während der hintere, größere zweifellos aus Blei war, Fig. 3. siehe M. M. W. 1914, S. 2450.

Inzwischen sind diese Geschosse und ihre Konstruktion aus verschiedensten Publikationen in der Fach- und Tagespresse mehr oder weniger allgemein bekannt geworden.

XXIII, 1. Dumdumartige Konstruktion d. engl. Infanteriegeschosse u. ihre Wirkung im R.-Nachweis. 33

Ich will das Wesentliche hier nochmals kurz zusammenfassen.

Fig. 3 zeigt einen englischen Patronenrahmen mit fünf Patronen. An den Geschossen, speziell dem Mantel, ist nichts prinzipiell Abweichendes von einem modernen Mantelgeschoß zu erkennen. | Ä

Tafel III, Fig. 6 zeigt die Röntgenaufnahme eines solchen Projektils; ich habe englische Geschosse verschiedener Herkunft mit verschiedenen Fabrikmarken (vgl. Fig. 4) geröntgt und

|

Fig. 4. Fabrikationszeichen auf den Hülsen englischer Infanteriegeschosse. Auf allen von mir unter- suchten Hülsen findet sich die pfeilartige Marke, auf die auch schon Stargardt aufmerk- sam gemacht hat. Gelegentlich ist diese Marke in ein anderes Zeichen hineingestempelt, also offenbar nachträglich angebracht. Wie ich höre, soll dieses Pfeilzeichen die offizielle Marke der behördlichen Geschoßfabriken sein. Englische Infanteriegeschosse mit einheit- lichem Kern habe ich bisher zu untersuchen keine Gelegenheit gehabt, so daß ich nicht darüber urteilen kann, inwieweit dieser Pfeil ein Kennzeichen für die Dumdummunition ist.

stets denselben Befund erhalten. Man sieht deutlich die Zweiteilung des Kerns mit scharfer Grenze zwischen vorderem und hinterem, sowie die erhebliche Durchleuchtbarkeit der Spitze, gegenüber dem Hauptbleikern. Nach dem Vorgang von Stargardt') kann man sich die Kerne durch Zersägen der Geschosse in der Längsrichtung besonders schön zu Gesicht bringen.

Betreffs der Maße entnehme ich den Veröffentlichungen folgende Daten: Gesamtlänge 33 mm, Durchmesser 7,89 mm, Dicke des Nickelstahl- mantels 0,5 mm (der Mantel ist also dünner als der unserer Geschosse), eine Verstärkung des Mantels an der Spitze ist weder bei der Röntgenaufnahme, noch auf dem Längsschnitt zu erkennen, Länge des vorderen spitzkegel- förınigen Kerns 10,96 mm, Durchmesser 5,8 mm; dieser Kern erscheint als Aluminium, nach der physikalischen und chemischen Untersuchung ?) besteht er aus Magnalium (85°/, Aluminium

Fig. 5. Fig. 6.

und 15°/, Magnesium), der eigentliche Bleikern ist 20 mm lang.

Text-Fig. 5 stellt einen englischen Patronenrahmen dar, an dem die Spitzen der Pro- jektile, und zwar genau an der Grenze der Kerne, mit scharfer Durchschneidung des Mantels glatt abgeknickt sind. Dies geschieht mittels einer am Schloß des englischen Gewehrs ange-

1) Münchener Med. Wochenschrift 1914, Nr. 52. *) durch Ingenieur H. Engel in Hamburg. Fortschritte a. d. Gebiete U. Röntgenstrahlen. XXIII. 5

| m nn nn Pen = a = * 5 - x ? š x g = A - a á ® we - -.- “ey - . æ. > - . . . . a e - - a - Pr ni

Bi

UE pe er ee a F: vn y rezır-

sr Ora tm a z g j per vr ar: —— hin ii ER u

$4 Haenisch. XXIII, 1.

brachten Vorrichtung durch eine einfache Hebelbewegung. Auf Text-Fig. 6 sieht man be- sonders deutlich den hellen Aluminiumkern und im Hauptteil des Projektils den dunklen Blei- kern frei zutage liegen. Um das auf diese Weise zum offenkundigen Dumdumgeschoß um- gewandelte Projektil zu laden, muß natürlich die Spitze durch eine zweite Hebelbewegung gänzlich abgebrochen werden, was, wie ich mich überzeugen konnte, mühelos glatt und ohne Deformierung des Projektils gelingt.

Irgendeinen Zweck muß diese doch wohl kostspielige und schwierigere Konstruktion des Doppelkerns aus verschiedenen Metallen zweifellos haben.

Den wahren Grund werden wir wohl kaum je authentisch erfahren, denn die englische Regierung wird uns die volle Wahrheit wohl für immer vorenthalten.

Entweder soll der doppelte Kern in Verbindung mit dem „Zigarrenabschneider* am Gewehr nur das Abschneiden der Spitzen ermöglichen, um den Bleikern freizulegen. Diese Annahme würde die Wahl des harten Aluminiums in der Spitze verständlich machen, da hierdurch das scharfe Abknicken ohne Verbiegungen der Patrone erleichtert wird. Dann liefert die englische Regierung den Truppen also Geschosse, die ohne weiteres zum offenkundigen Dumdum in jedem Augenblick umgewandelt werden können.

Denn daß dieser ganze Apparat nur für Scheibenstandbenutzung aufgewendet wird, soll man doch nicht versuchen, uns glauben zu machen. Dafür würde keine vernünftige Regierung sämtliche Geschosse speziell konstruieren lassen, die Umwandlung nicht dem einzelnen Mann überlassen und nicht die einzelnen Gewehre mit entsprechenden Vorrichtungen versehen, sondern besondere Standmunition herstellen oder aber höchstens einen Apparat am Schießstand aufstellen.

Oder aber der Zweck der komplizierten Geschoßkonstruktion liegt in der Berechnung, daß hierdurch beim Aufschlagen auf den Knochen der Mantel leichter und öfter zerbersten, der Bleikern austreten kann und dadurch schwerere Verletzungen erzielt werden.

Es können auch beide Möglichkeiten beabsichtigt sein (ohne Spitze für kurze Entfernungen, mit Spitze für weite Entfernungen).

Sehen wir von der artefiziellen Veränderung des Geschosses, welche, wie gesagt, der ein- zelne Schütze jederzeit vornehmen kann, zunächst mal ab und betrachten das unveränderte Geschoß und seine Wirkung.

Die eventuelle Ausrede, daß die auffallende Konstruktion die ballistische Wirkung des Geschosses verbessern soll, dürfte wohl ohne weiteres abzulehnen sein. Bei dem Spitzgeschoß liegt der Schwerpunkt ja ohnehin schon hinter der Mitte und nur der Drall verhindert das Geschoß daran, sich bald nach Verlassen des Laufes umzudrehen. Die leichte Aluminium- spitze würde den Schwerpunkt ja noch weiter nach hinten verlegen. Das auf weite Entfer- nungen, also beim Nachlassen des Dralls, allgemein beobachtete Umdrehen des Geschosses würde dann schon auf kürzere Entfernungen eintreten müssen. Nein, bei einem Wurfgeschoß, welches gerade fliegen soll, beschwert man eher die Spitze, macht sie aber keinesfalls absicht- lich leichter. Es wäre ja auch noch möglich, daß der Konstrukteur dieses sich Umdrehen des Geschosses beabsichtigt hat, damit beim Aufschlagen mit der Basis der Bleikern hinten aus- treten kann. Die niederträchtige Absicht schwerere Verwundungen und größere Leiden zu erzielen, bliebe auch dann dieselbe.

Dagegen ist von physikalischen Standpunkt olıne weiteres klar, daß von zwei mit gleicher Geschwindigkeit fortbewegten, fliegenden Körpern der spezifisch schwerere die größere Energie besitzt. Der wesentlich schwerere Bleikern wird also bei einem plötzlichen Widerstand eine erheblich gewaltigere Energie aufweisen als der leichte kleine Aluminiumkern, er wird ge- wissermaßen bestrebt sein, an diesem vorbeizukommen, also den Mantel zerreißen und austreten.

Diese selbsverständlichen Überlegungen veranlaßten mich dazu, bei meinen Röntgen- untersuchungen darauf zu achten, ob sich nicht derartige Zerberstungen des Mantels, also isoliert abgebrochener Spitzkegel und ausgetretener Bleikern röntgenographisch im Körper nachweisen ließen. Denn nur hierin schien mir ein dokumentarischer Beweis zu liegen.

XXIII, 1. Dumdumartige Konstruktion d. engl. Infanteriegeschosse u. ihre Wirkung im R.-Nachweis. 35

Dies gelang mir in zahlreichen Fällen.

Keineswegs jeder Fall eignet sich zur Demonstration, oft ist die Aluminiumspitze mit dem zuweilen unregelmäßig zerrissenen, anhaftenden Mantelrest bei der Aufnahme in einer Projektion getroffen, daß sie infolge der Verkürzung als solche nicht zu erkennen ist; der Schatten erinnert dann an einen unregelmäßigen Granatsplitter und die Spitze ist erst in einer anderen, geeigneten Projektion oder im stereoskopischen Röntgenogramm in ihrer Form als solche zu erkennen. Ich habe mehrfach bereits früher von mir und anderen untersuchte Fälle erst später bei gelegentlichen Nachuntersuchungen als englische Dumdumspitzen erkannt, die vorher als solche nicht erkennbar waren.

Ich erwähne dies ausdrücklich widersprechenden Behauptungen gegenüber. Wenn man aber weiß, worauf man zu achten hat, wird man derartige Fälle häufiger finden!).

Selbstverständlich darf man den röntgenographischen Nachweis nicht in jedem oder der Mehrzahl der Fälle in typischer Weise erwarten oder verlangen, oft werden die Teile zu stark deformiert sein oder sie haben den Körper bereits verlassen. Steckschüsse können aber überhaupt für diese Art der Beweisführung nur in Frage kommen. Ein voll erhaltenes eng- lisches Geschoß habe ich m. W. bis jetzt im Körper nicht gefunden.

Bei reinen Weichteilschüssen wird das englische Geschoß sich wohl überhaupt nicht anders verhalten als jedes andere Mantelgeschoß.

Ich lasse nun zunächst die kurzen Krankengeschichten von drei besonders instruktiven Fällen mit den dazugehörigen Röntgenogramnıen folgen.

Fall 1 (bereits l. c. veröffentlicht). Unteroffizier E. H., Inf.-Rgt. 247, 5. Komp. 34 Jahre alt, am 29. X. 14 in Belgien verwundet, am 7. XI. im Allgem. Krankenhaus Barmbeck aufgenommen. Einschuß am linken Unterschenkel außen, ca. handbreit oberhalb des Fußgelenkes, Ausschuß rechts unten hinten, ca. 2 cm oberhalb der Fußsohle. Starke Schwellung und Schmerzhaftigkeit des ganzen Fußes, besonders im Bereich beider Knöchel. Zehenbewegung erhalten, Bewegung im Fußgelenk aufgehoben.

Sagittal- und Frontalröntgenogramme (vgl. Taf. III, Fig. 1 u. 2) zeigen die abnorm starke Zertrimme- rung des distalen Tibiaendes, des Malleolus ext., sowie des ganzen Talus und vorderen Kalkaneusteiles.

An der Innenseite des Caput calcanei findet sich nun die Spitze eines Infanterieprojektils. Daß der Kern sich in der Spitze befindet, erkennt man unzweideutig an der geradlinigen, scharf abgeschnit- tenen Basiskontur, die sich auf den Originalplatten deutlichst gegen den an einer Seite um wenige Millimeter tiefer abgerissenen, überstehenden Mantel abhebt. Ein leeres Mantelstück würde einen derartig tiefen Schatten nicht geben, ein einheitlicher Kern würde nie in einer derartig scharfen, geraden Fläche

abbrechen,

Der Beweis, daß es sich um das an der Grenze der beiden Kerne ab- gebrochene Stück eines englischen Geschosses, wie angenommen, handelte, konnte bei der Anfang Januar 1915 erfolgten operativen Entfernung des Projektiltrümmers definitiv erbracht werden. Textfig. 7 ist eine Photographie desselben, sie zeigt den Mantelteil mit dem Aluminiumspitzkegel. Fig. 7.

Außerdem erkennt man auf den Röntgenogrammen zahlreiche Bleispritzer, als Reste des eigent- lichen Bleikerns, welcher nach den angerichteten Verwüstungen weitergeflogen ist und mit dem Mantel- rest den Körper an der Ausschußstelle wieder verlassen hat.

Fall 2. Unteroffizier d. L. K. O. H. H., Res.-Inf.-Rgt. 245, 5. Komp., am 10. X. 14 durch „Granatschuß* am rechten Oberschenkel verwundet (ca. 400 m Entfernung). Im Allgem. Krankenhaus Barmbeck aufgenommen am 7. XI. 14. Einschuß am rechten Oberschenkel hinten in der Glutealfalte, kein Ausschuß. An der lateralen Seite des Oberschenkels, eben unter der Haut, fühlt man einen scharfen, harten Gegenstand (Geschoßsplitter?). Im Oberschenkel starke Schmerzhaftigkeit bei Bewegung, Krepi- tieren und abnorme Beweglichkeit.

In Röntgenogrammen, von denen das instruktivste, leider nachträglich verfleckte, auf Taf. III, Fig. 3 wiedergegeben ist, findet sich eine erhebliche Splitterfraktur des rechten Femur, dicht unterhalb des Trochanter minor beginnend. Die Dislokation ist am stärksten in der Sagittalebene, während die in der Sagittalprojektion hier reproduzierte Aufnahme die Geschoßteile am besten erkennen läßt

1) Summarische negative Angaben einzelner Autoren (Liller ärztlicher Abend) entbehren jeglicher

Beweiskraft. 5%

i E

56 Haenisch. XXIII, 1.

Unter den drei größeren Metallschatten ist ohne weiteres wieder sofort der Aluminiumspitzkegel mit dem ihn fest umschlieBenden Mantelstück zu erkennen, welcher medial von der Fraktur in den Weichteilen liegt. Zwischen den Fragmenten im Knochen liegt der deformierte Bleikern, während ein Mantelrest lateral liegt. Außerdem einige Bleispritzer.

_ Fall 3. Musk. A. H, Inf.-Rgt. 241, 11. Komp., am 29. X. 14 bei Ypern durch Gewehrschuß auf 600 m am linken Oberschenkel verletzt. Einige Tage im Feldlazarett, dann im Gipsverband abtranspor- tiert. Aufgenommen im Allg. Krankenhaus Barmbeck am 7. XI. 14. Einschußöffnung an der Außenseite des linken Oberschenkels, etwa in der Mitte, leicht verschorft. An der Innenseite des Oberschenkels, hinten, im oberen Drittel, etwa 5 cm unterhalb des Tuber ischii eine pfennigstückgroße Ausschußwunde mit geröteten Rändern, leicht sezernierend. Krepitation, abnorme Beweglichkeit usw.

Bei der Röntgenaufnahme (vgl. Tafel III, Fig. 4) findet sich eine Querfraktur des Femur handbreit unterhalb des Trochanter minor. Die Fragmente sind ad axin stark disloziert, hinten offener Winkel. Zahlreiche Knochensplitter sind medialwärts in die Weichteile disloziert. Noch weiter medial findet sich ein tiefer unregelmäßiger Schatten und nach außen davon ein zweiter kegelförmiger Schatten. Hier schnitt die Platte ab. Es wurde sofort eine zweite Aufnahme gemacht, während der Lagerung indessen fiel aus der Wunde ein deformierter Bleikern mit geringen anhaftenden Mantelresten heraus. Dieser entsprach dem oben erwähnten „tiefen unregelmäßigen Schatten“, welcher also auf der Kontrollaufnahme fehlt. Diese ließ aber jetzt mit Deutlichkeit die Natur des kegelförmigen Schattens erkennen und noch etwas weiter medial von letzterem einen dritten Metallschatten. Statt dieser Aufnahme reproduziere ich auf Tafel III, Fig. 5 ein ca. einen Monat später hergestelltes Röntgenogramm. Die Fraktur ist inzwischen in leidlicher Stellung unter starker Kallusbildung konsolidiert. Ich wähle diese Platte deshalb, weil der uns besonders interessierende Schatten auf ihr von einer Gasblase (Abszeßbildung) umgeben ist und in- folge der größeren Dichtigkeitsdifferenz ganz besonders plastisch hervortritt.

Man sieht wieder den Aluminiumspitzkegel fest vom Mantel umgeben. Diesmal ist aber der Mantel nicht dicht dahinter scharf abgebrochen, sondern längs aufgeborsten. Dagegen ist deutlich zu erkennen, wie der mit größerer Gewalt nach- treibende Bleikern den Mantel an der Kerngrenze aufgebaucht und dann längs aufgerissen hat. Der dem Aluminiumspitzkegel anhaftende Mantelrest ist leer, was an dem plastisch wirkenden Originalnegativ deutlich zu erkennen ist (siehe Textskizze Fig. 8). Der Bleikern war eben weiter gedrungen, lag dicht unter der Haut und fiel aus der durch ein wahrscheinlich abgesprengtes Stück desselben zer- fetzten Ausschußwunde während der Untersuchung, wie erwähnt, heraus. Weiter medial in den Weich- teilen ein Mantelstück.

Fig. 8.

Ich habe, wie ein Blick auf die Röntgenogramme lehrt, keineswegs Fälle ausgesucht, die den Beweis der oft furchtbaren Wirkung einer Dumdumverletzung erbringen sollen, wenn auch z. B. in Fall 1 der Knochen für ein Gewehrprojektil schon recht erheblich zerschmettert ist, sondern mich, meinem Endzweck entsprechend, auf den röntgenologischen Standpunkt be- schränkt, von dem aus der Beweis der typischen Zerberstung des englischen Infanterie- geschosses erbracht werden soll.

Es brauchen und können dies nicht stets die für den Getroffenen unglücklichsten Fälle sein, da in solchen die Geschoßteile wohl meist sämtlich den Körper verlassen haben werden, der beweisende Röntgenbefund also fortfällt. Außerdem ergibt sich die Schwere der Ver- letzung nicht aus dem röntgenologischen Nachweis allein, sondern beruht auf der klinisch er- kennbaren, ausgedehnten Verletzung der Weichteile infolge der Zerreißung von Muskeln, Ge- fäßen, Nerven usw. durch die sich nach verschiedenen Richtungen weiterwühlenden Geschoßteile und die so häufig nachweisbaren unzähligen, zerstreuten Bleispritzer, die man wie eine Aussaat in den Wunden findet. Ein Kenner der Schußverletzungen wie Thöle hat auf die Graufärbung der Wunden durch das verspritzte Blei aufmerksam gemacht.

Schwere Knochenzersplitterungen, bei denen einmal die Knochensplitter nach allen Rich- tungen weithin versprengt liegen und andererseits die ganze Umgebung mit zahllosen kleinen und kleinsten Bleispritzern vollständig übersät ist, habe ich bei Schußverletzungen von eng- lischer Seite häufig gefunden. Eine Zerreißung des Mantels muß ja in all diesen Fällen stattgefunden haben, da das Blei sonst nicht hätte austreten können, oder aber die Aluminium- spitzkegel waren schon vorher entfernt, dann aber ist an der absichtlichen Dumdumverletzung überhaupt nicht mehr zu deuteln und zu zweifeln. Meiner Ansicht nach ist der Nachweis

XXIII, 1. Dumdumartige Konstruktion d. engl, Infanteriegeschosse u. ihre Wirkung im R.-Nachweis. 387

eines im Körper zerspritzten Bleikerns an sich schon mindestens stark verdächtig für ein Dumdumgeschoß.

Für eine röntgenologische Beweisführung sind diese Befunde aber nicht so gut geeignet.

Das typisch Gemeinsame bei den drei mitgeteilten und zahlreichen weiteren Beobach- tungen liegt nun darin, daß bei allen die Spitze ohne Deformierung erhalten geblieben ist. Ich führe dies auf die Härte des Aluminiumspitzkegels zurück. In Fall 1 und 2 ist der Stahlmantel scharf an der Grenze der beiden Kerne abgerissen, in Fall 3 sieht man ebenfalls den Mantelteil, der die Aluminiumspitze umgibt, voll erhalten, dicht dahinter aber an der Aufbauchung des Mantels das Bestreben des nachdringenden Bleikerns, das dünne Stahlblech zu zerreißen.

In allen drei Fällen liegt der Bleikern weit entfernt von der Spitze, resp. hat den Körper verlassen. Auf Tafel III, Fig. 4, liegt die Distanz in der Sagittalrichtung.

Es ist mir wohl bekannt, daß Mantelgeschosse anderer Nationen, auch deutsche, gelegent- lich starke Deformierungen erleiden können, daß auch bei ihnen der Mantel zerreißen kann. In keinem der Fälle aber, die ich bisher röntgenologisch und klinisch gesehen habe, war die Spitze vollkommen intakt erhalten, stets fanden sich bei näherem Studium wesentliche Unter- schiede. So wurde mir z.B. kürzlich ein angeblich deutsches Mantelgeschoß gezeigt, welches einem Soldaten aus dem Gehirn entfernt worden war. Es war zwar vollkommen deformiert, aber Blei und Mantel bildeten eine formlose Masse. Ähnliches sah ich einigemale bei russischen Geschossen, fast stets war aus der Anamnese oder aus dem Einschuß der Querschläger zu erkennen. In einigen Fällen war der Bleikern ausgetreten, aber es war der deutliche Nachweis zu erbringen, daß das Blei hinten aus dem offenen Mantel herausgeflogen war, was bei mit der Basis einschlagenden, gedrehten Geschossen vorkommen kann. In anderen Fällen war der Schuß aus nächster Entfernung abgegeben. In dem kürzlich von Nippe beschriebenen Fall betrug die Entfernung nur 10 m, das Geschoß war hier aber außerdem vorher durch die Achsel eines anderen Menschen gegangen.

Eine wie beim englischen Geschoß vollkommen erhaltene Spitze habe ich nie gefunden, auch gewann ich den Eindruck, daß das deformierte Geschoß mehr ein einheitliches Ganzes bildete, es war meist eine aus Mantel und Bleikern bestehende formlose Masse.

Findet man aber, wie in meinen beschriebenen Fällen, die isoliert abgebrochene Alu- miniumspitze mit rem Mantelteil für sich und den Bleikern an anderer Stelle (ev. gar nicht mehr), endlich Mantelreste an dritter, so weiß ich nicht, wie man um die Annahme eines Zu- sammenhangs der auffälligen Geschoßkon- struktion mit den besonders schweren Ver- letzungen des englischen Infanterieprojektils herumkommen will.

Als besonders typisches Beispiel bringe ich | EEE noch in Textfigur 9 und 10 die Teile eines operativ or ea aus dem linken Oberarm entfernten englischen Ge- schosses. (Reservist H. Sch., Res.-Inf.-Rgt. 118, 5 K.) Das Geschoß war durch den linken Brustkorb gegangen, hatte drei Rippen mit schwerer Dislokation zertriimmert und war im Arm stecken geblieben. Fig. 10 zeigt die Spitze mit dem aufgerissenen Mantel, im inneren ist der Aluminiumkern deutlich sichtbar. Fig. 9 läßt erkennen, wie der ausgetretene Bleikern sich zur Hälfte vollkommen plattgedrückt hat. Der Röntgenbefund war auch in diesem Falle nur von dem richtig zu diagnostizieren, der sich ernstlich mit der Frage

beschäftigt hat.

Ich frage nochmals, wozu ist die Zweiteilung des Kerns, zu welchem Zweck vorn der

leichte, aber harte Aluminiumkern? Wenn ein Abbrechen an dieser Stelle nicht beabsichtigt wäre, hätte der Mantel stärker sein müssen. Der Mantel ist aber eben so dünn gewählt,

t

i o]

t

|

+

t

|

i

E-A Mann BZ. ne gL. Wr ge, a es ge ree re ee Oe TE a

NTE TTR ea

A pep nn en

ET sme e y i ;

ee TR vt

38 l Haenisch. XXIII, 1.

damit der nachtreibende schwere Bleikern ibn an der Kerngrenze zerreißen kann. Wozu endlich ist die Vorrichtung am englischen Gewehr? |

Ich mache hier absichtlich keine Statistik auf, es erscheint mir auch weniger wichtig, in jedem Fall von Verwundung durch ein englisches Geschoß eine typische Dumdumwirkung klinisch und röntgenologisch nachzuweisen. Ich stelle auch nicht die Behauptung auf, daß jedes abgefeuerte englische Infanteriegeschoß eine Dumdumwirkung hervorrufen muß (Weich- teilschüsse!). Ich glaube aber den Beweis erbracht zu haben, daß das offizielle englische Geschoß infolge seiner auffallenden Konstruktion auch ohne artefizielle Nachhilfe eine Dumdumwirkung hervorrufen kann und dies auch weit häufiger als normal konstruierte Mantelgeschosse tut, also im ganzen schwerere Verlet- zungen setzt. Das englische Geschoß muß beim Aufschlagen auf den Knochen in den meisten Fällen in typischer Weise zerbersten, so daß die einzelnen Teile desselben in verschiedener Richtung im Körper weiterdringen und so gröbere Verwüstungen anrichten. Dieser Endzweck muß beabsichtigt sein, und das ist inhuman.

15. Januar 1915.

Eine selbständige, transportable Feldröntgenanlage für interne und chirurgische Untersuchungen nach Prof, L. Brauer und Dr. F. Haenisch-Hamburg.

Prof, Brauer, der sich zurzeit als konsultierender Internist auf dem östlichen Kriegs- schauplatze befindet, entwickelte mir einige Zeit vor seiner Ausreise seinen Plan, eine großzügig angelegte, möglichst allen Ansprüchen entsprechende, transportable, von Stromquellen unab- hängige Röntgenstation mit ins Feld zu nehmen. Die erforderlichen Mittel standen dank einer hochherzigen Spende eines hamburgischen Großkaufmanns zur Verfügung. Die Ausführung der in zwei Automobile einzubauenden Anlage war der Firma R. Seifert & Co.-Hamburg über- tragen worden. ,

Brauer betraute mich mit der dankbaren Aufgabe, die konstruktive Durchführung seiner Idee gemeinsam mit der beauftragten Firma auszuführen, was ich freudigst übernahm. Die Anlage sollte neben einer relativen Beweglichkeit und vollkommenen Unabhängigkeit allen billigen Forderungen der internen Röntgenologie, besonders den von Brauer geplanten Herz- studien entsprechen, nebenbei natürlich den Ansprüchen der Kriegschirurgie Rechnung tragen.

Die gestellte Bedingung, Herzuntersuchungen vornehmen zu können, gab dem Ganzen von vornherein zwangsweise den Charakter einer größeren Anlage. Auf die Möglichkeit exakter Herzmessungen war nicht zu verzichten; die Verwendung eines Orthodiagraphen konnte nicht in Betracht kommen, schon allein deshalb nicht, weil die Feinmechanik dieses Instru- mentes denn doch für das Feld gar zu empfindlich wäre. Aus den gleichen Gründen sah ich auch von dem Schlitzblendenverfahren, welches ich sonst für Zwecke der täglichen Praxis sehr schätze, ab. Es blieb also nur die Fernaufnahme, die im Gegensatz zu den beiden anderen Methoden auch noch den Vorteil bot, die reine Aufnahmetechnik gut geschultem Personal übertragen zu können. Für die Momentaufnahme des Herzens in 1,5 bis 2 m hielt ich einen kräftigen Hoch- spannungsgleichrichter aus verschiedensten Gründen für unsern Zweck trotz seines Gewichtes am geeignetsten. Daneben war ein stabiles Aufnahmestativ erforderlich, Um diesen Grund- stock entwickelte und gruppierte sich dann die gesamte Einrichtung, die im folgenden be-

schrieben werden soll:

Zum Transport der gesamten Anlage stehen zwei Benzinautomobile zur Verfügung, ein 80/50 PS „Adler“-Wagen und ein 30/45 PS „Fiat“-Wagen. Beiden sind Krankenwagen- Karosserien aufmontiert, die mit den erforderlichen Einrichtungen zum Verwundetentransport, Tragbahren usw. versehen sind. Nach Ausladen und Aufstellen der Apparate stehen also so-

XXIII, 1. Eine selbständige, transportable Feldröntgenanlage usw. | 89

fort zwei fertige Krankentransportautomobile zur Verfügung. Alles ist grau gestrichen und mit dem Zeichen der Genfer Konvention versehen (vgl. Fig. 1). Die gesamte Anlage ist im Gegensatz zum Feldröntgenwagen nicht in den Automobilen

= T A

eS en CEAR ae ee ee S ry 4 >, at nn

ei; s t =

Br yN ž 2 a2 4 £ te aeree t =

Fig. 1.

montiert, sondern wird nur bei einem jeweilig erforderlichen Ortswechsel in diesen nach ge- 'nauen Vorschriften verstaut. Die erforderlichen Apparate und Nebenapparate sind so kon- struiert, resp. umkonstruiert, daß sie sich leicht unter möglichster Raumersparnis in den Wagen

Fig 2.

unterbringen lassen (vgl. Fig. 2). Die Einrichtung, die in ihrer Leistungsfähigkeit einem kleinen, erstklassigen, modernen Röntgeninstitut gleichkommt, kann naturgemäß nur an Etappen- orten zur Verwendung kommen, welche relative Sicherheit und die für die geplanten Zwecke

wer ee er oe =. a - . z .

3 Pa r ; + va +

t i, I? t, a, ah t> f 12, ee : t i ! p as 1 i E . + t aot t i, $ | i i’ i Ta : ie \' > 1 | E 5 i i à Ma } I ee p Ea i o 1> 7 | t, ` 4" . Ve: ; + 2 v » ns ' , > » + fe + | i" t p Fe » e

E =

|.

E

k :

| u

| | N

E

e ` et -o m ee Y

m4.

“rn ER a ghee Spree eas

To tT ra nn e 4' eu a . ie Bk. i `

EE ee ee ae

' : Lo ‘| i ' ap 1 2 rn

40 Haenisch. XXII, 1.

erforderliche Arbeitsruhe und Konzentrierung des Verwundeten- resp. Krankenmaterials einiger- maßen gewährleisten. Es ist also ohne Belang, daß beim eventuellen Ortswechsel zum Auf- und Abmontieren einige Stunden erforderlich sind.

Bei der Wahl der geeignetsten Kraftanlage hat sich Herr R. Seifert für den Automotor mit Dynamomaschine entschieden. Der Benzinmotor wurde gewählt einmal wegen seiner ziem- lich hohen Tourenzahl und zweitens wegen seines geringen Gewichts bei starker Leistung. Auch die Dynamomaschine ist leichter, wenn man eine Maschine mit höherer Tourenzahl hat. Um die recht erheblichen Energiemengen für den 5 K.W.-Hochspannungstransformator zu er- zeugen, wurde also ein Maschinenaggregat von 15 PS gewählt bei einer Kraftleistung von

Fig. 8.

8—9 Kilowatt. Benzinmotor und Dynamomaschine sind auf eine guBeiserne Platte montiert,

Schalttafel und Steuerung sind direkt am Ende der Dynamomaschine angebracht, so daß das Ganze sich leicht ein- und ausladen läßt. Der Benzinbehälter ist auf die Dynamomaschine aufgeschraubt, der Kühlwassertank steht für sich, bei der Verladung finden in ihm die Schalt- tafel und eine Bleikiste für Trockenplatten Platz (vgl. Fig. 3).

Der bekannte Eresko-Hochspannungsgleichrichter für eine Leistung von 5 Kilowatt, 220 Volt Gleichstrom mußte einige Veränderungen erfahren, da der sonst übliche große

. Schrankapparat für das Ein- und Ausladen zu unhandlich gewesen wäre. Er wurde deshalb

in ein Ober- und Unterteil getrennt. Im oberen befindet sich der Einankerumformer mit ge- kuppelter Gleichrichterwelle. Dieser Schrankteil ist mit drei Durchbohrungen versehen, welche kräftige Eisenstäbe aufnehmen, an denen sich das Ganze bequem tragen läßt. Der Unterteil zerfällt in zwei Kisten. Jede enthält einen eingebauten Transformator, so daß also ein kom-

- ~ - 5 p Ares 5 -s -" i wap - -a PA = we RR

xx, 1 Eine selbständige, transportable Feldröntgenanlage usw. r ål

pletter Reservetransformator sofort zur Hand ist.. Beide Kisten sind mit Wärme- und Kälte- isolierung versehen, um allen Witterungsverhältnissen standzuhalten (s. Fig. 4). Die Deckel der Transformatorkisten sind als Röhrenhalterbrette eingerichtet, wie auf.Fig. 6 rechts ersicht- - ae | ee lich. Reserveteile, Hartgummistäbe usw. sind reichlich vorgesehen. | de o a | Fig. 5 zeigt den zusammengesetzten Gleichrichterapparat. Eine bleigepanzerte Schutzwand mit Bleiglasfenster ist an einer Ecke des Schrankes eingehakt, sie trägt den abnehmbaren Momentschalter mit elektrischer Auslösung. Der Schalttisch ist freistehend und fahrbar. Beim Verladen wird er an der Stirnseite des oberen Schrankteils angeschnallt. Das Milliampére- meter hat zwei Meßbereiche, auch von diesem Instrument ist ein kompletter Reserveapparat

Se u 3. 4 . da ee a D u -

mor

Oe nn ee a aan @

.

r, 1?

|| nn en re >

-n ||.“ 28 er B Pe - -y ~ -

mitgegeben. Der Durchleuchtungs- und Aufnahmeapparat für stehende und sitzende Patienten, sowie für Fernaufnahmen ist in freier Anlehnung an zahlreiche bestehende Konstruktionen gebaut

av zu“ 5 BEE 5 PR = oa u Pr” FETA NT Muh E Ta sák nig a ae i ar RS ye> F urn ort d

AE een EEEE A Aue sen tel ans EANES EA EEA: ` a i ig ka e - - ` i 23 E o 7 ay ki . ty ef = + ,

e ——— we we mn nn nn ee -

+ —— nm wee mee o a wd, Pe

wee - . a on

.u 0...

worden. Er mußte neben vollkommenster Leistungsfähigkeit, Exaktheit und Stabilität, doch frei beweglich, leicht transportabel, daher zusammenlegbar und den Raumverhältnisen des Autos angepaßt sein. Der auf Fig. 6 abgebildete Apparat ist freistehend konstruiert. Um Boden- unebenheiten auszugleichen, ist er mit Stellschrauben versehen. Der Röhrenschutzkasten ist nach allen Richtungen hin frei beweglich aufgehängt, die Gegengewichte sind in die seitlichen Holzrahmen hineingelegt und werden beim Transport vermittelst Stiften festgehalten. Die oben emporragenden Seilrollen sind abnehmbar und mit Bajonettverschluß versehen. Durch beson- dere neue Vorrichtungen ist Sorge getragen worden, daß der Röhrenkasten sich absolut genau zentrieren läßt und auch zwangsläufig in der Mittellinie auf und ab, sowie seitlich ver-

schieblich ist. Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII.

e

ir e = ws

6

a md eyar - fi 7 Toon pe Ait

. ET Te u nr m ee = ere eee ow ee I

Ten

‚I u Lem ieee a, DEE oe re- = ne’ D + Lan 4 pi ia? =

49 Haenisch. XXIII, 1. -

Da die seitlichen Arme zum Hantieren der Röhre für den Transport umklappbar angeordnet werden mußten, wurde die Blendenverstellung durch eine bewegliche Welle ermöglicht.

Vor dem Durchleuchtungsapparat liegt ein zum Teil aufklappbares, zum Teil abnehmbares Laufschienengestell, auf dem der drehbar angeordnete Aufnahmestuhl bis zu 2 m vorgeschoben werden kann. Das Sitzbrett des Stuhles ist in Nuten in verschiedenen Höhen einzuschieben. Kasettenhalter sind sowohl vorn wie hinten in üblicher Weise angebracht.

Fig. 7 zeigt den ganzen Apparat zusammengelegt, wobei sogar noch der Untersuchungstisch nach Abschrauben seiner Beine mit untergekommen ist.

Für die Untersuchungen im Liegen, Durchleuchtungen und chirurgische Aufnahmen ist das Eresco-Stativ gewählt worden in Verbindung mit einem Untersuchungstisch mit verstell-

Fig. 5.

barem Kopfbrett und ausziehbarem Fußteil.e. Bei gewöhnlichen Aufnahmen ist der Tisch mit einer dreiteiligen Ledertuchmatratze bedeckt. Die Beine sind, wie erwähnt, abschraubbar. (S. Fig. 8.) | |

Die Improvisierung eines Trochoskops für Untertischdurchleuchtungen habe ich auf fol- gende einfache Weise bewerkstelligt. Unter den Tischbeinen sind Kugeln angebracht, die sich durch eine Gabel hoch und niedrig heben lassen, so daß der Tisch sowohl feststehend wie rollend verwendet werden kann. Obwohl die Konstruktion der Kugelvorrichtung auf glattem Boden ein absolut leichtes Bewegen des mit einem Patienten belasteten Tisches gewährleistete, habe ich in der Erwägung, daß die Güte des Fußbodens gelegentlich fraglich sein könnte, vier - guBeiserne Platten mit Randeinfassung gießen lassen, auf denen die Kugeln nun außerordentlich

Eine selbständige, transportable Feldröntgenanlage usw. 48

glatt und leicht rollen und bei jeder Unterlage eine freie Beweglichkeit des Tisches garantieren. (S. Fig. 9.)

Am Tisch angebrachte Isolatoren, in welche Querstäbe eingesteckt werden, ermöglichen eine sichere, gefahrlose Kabelführung.

XXII, 1.

Fig. 6.

Ein Forssellscher Betrachtungskasten für Plattengrößen **/,, bis 1%/,, macht den Unter-

sucher von Beleuchtung und Tageszeit unabhängig. | Auf zahlreiche kleine Einzelheiten, Änderungen und Umkonstruktionen an den einzelnen

Apparaten, die der Sonderzweck der ganzen Einrichtung mit sich brachte, näher einzugehen,

erübrigt sich im Rahmen dieser Mitteilung. 6*

=

DT Te nn a ann _

rn ~~ n

. 7 ren eg me

| i

44

Haenisch.

Fig. 7.

XXIII, 1. Kine selbständige, transportable Feldröntgenanlage usw. 45

Die Gesamtanlage wurde nun folgendermaßen in den Autos verteilt und untergebracht.

In dem einen Wagen findet der Hochspannungstransformator Platz. Oberhalb desselben werden seitlich. in den Nuten für die Krankentragbahren, großen Fußbänken ähnliche Bretter eingeschoben, welche das obere Dritiel des Wagens zur Aufnahme des zusammengelegten Durchleuchtungsstativs abschlagen. (Diese Bretter bilden aufeinandergebaut den Entwicklungs- tisch.) Des weiteren enthält dieses Auto eine Kiste mit ca. 50 Dutzend Trockenplatten aller Formate bis 85:43 cm, eine zweite Kiste birgt Verstärkungsfolien, Astralschirm, Trocken- ständer, Plattentaschen, Wattekissen, Mensuren, Glühlampen, sowie die zahlreichen Kassetten, eine andere Schutzschürzen, Brillen, Handschuhe, Bandmaß, Punktierstifte, Filter, Härteskala, eine Deckenbeleuchtung, Kopierrahmen, Stoppuhren, Glocken, Sandsäcke, Luffaschwimme, elek-

Fig. 9.

trische Signalanlage usw. usw. Jeder freie Raum im Wagen ist durch eine passend gearbeitete Kiste genau ausgefüllt, so daß sich alles unbeweglich ineinanderstaut. Jede Kiste hat ihren bestimmten, bezeichneten Platz und ihr Inhalt ist außen genau gekennzeichnet. Außer dem Durchleuchtungsstuhl birgt dieser Wagen noch die beiden Kisten für 3 resp. 4 Röntgenröhren und Raum für die diversen Entwicklungsschalen mit Zinkdeckeln, die Röhrenböcke und eine Kiste mit den Chemikalien. Der Schalttisch ist an der Stirnseite des Gleichrichterschrankes fest angeschnallt. | r

In dem zweiten Auto ist die Maschinenanlage untergebracht, und zwar zweckmäßig in der Wagenmitte angeordnet. Die an beiden Seiten und oberhalb angepaßten Kisten enthalten die weiteren Teile der Anlage, wie Aufnahmestativ, Betrachtungskasten, Momentschalter, Dunkel-

PD = 2

rn eee *

m PT Jo 1m

. - un.

u.

ei.

PO toe, en a a a O

lu artach ‚> ZEE

7 Wes S -

46 Canestro. XXIII, 1.

- kammerbeleuchtung, Standentwicklung, zwei Akkumulatorbatterien für stationäre Beleuchtung, Wässerungskästen, Werkzeugkoffer und zahlreiche kleinere Utensilien und Reserveteile. Auch Albers-Schönbergs ,Réntgentechnik* ist nicht vergessen, ebensowenig ein kleiner photo- graphischer Apparat. Ä

Die Kisten sind so eingerichtet, daß sie teilweise als Tische, teilweise als Borde Ver- wendung finden.

Die gesamte Anlage, die natürlich von einem Monteur begleitet sein muß, wird fast allen Anforderungan der modernen chirurgischen und internen Röntgenologie gerecht, von der kurz- zeitigen Skelettaufnahme bis zur Momentaufnahme in '/,, Sekunde und der 2m Fernaufnahme des Herzens. Die interne Durchleuchtung im sagittalen und den verschiedenen schrägen Durch- messern, sowie die Durchleuchtung im Liegen ist in einwandfreier Weise gewährleistet.

Selbstverständlich kann die Einrichtung nur als relativ stationäre Anlage Verwendung finden. Sie ist dem Feldröntgenwagen gegenüber wesentlich unbeweglicher, dafür aber auch ungleich leistungsfähiger. Sie entspricht anderen Zwecken und anderen Anforderungen, so daß ein Vergleich oder gar ein konkurrierendes Nebeneinanderstellen sich von vornherein verbietet.

Die Praxis wird lehren, wie weit sich der Plan und die Ausführung bewähren werden, was mir nach meinen kurzen Eindrücken in verschiedenen Etappenorten des westlichen Kriegs- schauplatzes keineswegs zweifelhaft ist. Der Nutzen, den eine solche Anlage einem Armee- korps zugeteilt, in der Hand eines „konsultierenden Röntgenologen“ stiften würde, wäre sicher

nicht gering. Haenisch-Hamburg.

Aus dem Institut für spezielle Pathologie der Universität von Genua. Direktor: Prof. E. Bozzi.

Über die Hypophysektomie. Von Dr. Corrado Canestro, Assistent. (Hierzu Tafel I, Fig. a.)

Den großen Aufschwung, den die Chirurgie der Hypophyse in letzter Zeit genommen hat, veranlaßt, daß jeder an diesem Organ vorgenommene Eingriff immer ein aktuelles Argu- ment von größtem Interesse sowohl für den Chirurgen, als für den Spezialisten für Rhino- laryngologie bietet.

Ich will ohne weiteres mit dem Berichte der klinischen Geschichte eines Patienten beginnen, der uns von dem bewährten Neuropathologen Dr. Silvio Ricca übergeben wurde.

Es handelt sich um einen 22jährigen Mann B. G., dessen Familien-Anamnese, wie auch seine per- sönliche, nichts Bemerkenswertes vorweisen bis zum Monat März 1913, wo Patient zwei am Frenulum lokalisierte Schanker in Begleitung von eitriger Leistendrüsenentzündung bekam, die von keinerlei Haut- erscheinung gefolgt wurden.

Die gegenwärtige Krankheit soll im August 1913 während der Militärdienstzeit mit diffusen, inten- siven und anhaltenden Kopfschmerz und fast gleichzeitigem Auftreten einer deutlichen Herabsetzung der Sehkraft, erst des linken und nach zirka 14 Tagen auch des rechten Auges begonnen haben.

Er wurde desbalb im Militärspital aufgenommen, welches er nach zirka 40 Tagen in bedeutend gebessertem Zustand verließ, infolge von 10 Injektionen (wahrscheinlich Strychnin). Er wurde jedoch für den Militärdienst untauglich erklärt und erhielt seinen Abschied. Nach Hause zurückgekehrt, konnte er seine Arbeit nicht wieder aufnehmen, da er neuerdings von Kopfweh geplagt wurde, und während es mit dem linken Auge etwas besser wurde, so daß er lesen konnte, verschlimmerte sich der Zustand am rechten Auge rasch dermaßen, daß es in wenig Tagen zum vollständigen Versagen der Sehkraft kam. Es scheint, daß diese Zustände weder von Fieber, Erbrechen noch Schwindel begleitet wurden.

Nachdem Patient sich von einem Arzte untersuchen ließ, wurde er einer Wassermannschen Reaktion unterzogen, die für das Blut positiv, für die Zerebrospinalflüssigkeit negativ ausfiel.

Es wurde ihm zu einer Jodkalikur und Kalomelinjektionen geraten.

: XX, 1. . | Über die Hypophysektomie. 47

Am 12, Januar 1914 wurde ihm auch eine intravenöse Einspritzung von Neosalvarsan gemacht. Da man aber nach dieser Kur keinerlei Besserung beobachten konnte, wurde der Mann in unsere Klinik geschickt, wo er am 20. I. 1914 aufgenommen wurde.

Status praesens: Mittelgroße Statur, regelmäßiger Skelettbau, guter Ernährungszustand. Subkutanes Fettpolster regelmäßig, Schilddrüse normal, nichts Bemerkenswertes am Abdomen und Thorax. Äußere Geschlechtsorgane normal, nichts Besonderes im Urin.

Aus der speziellen Untersuchung der Schädelnerven geht hervor:

I. Geruchsinn auf beiden Seiten gut erhalten.

II. Das Visus am rechten Auge ist auf die Wahrnehmung des Lichtes herabgesetzt.. Links !/,.. Überdies befindet sich links noch eine reine temporale Hemianopsie, wie man aus dem beigefügten Gesichtsfelde sieht. Aus der ophthalmoskopischen Untersuchung ersieht man, daß die Papille des rechten Sehnerven infolge einfacher Atrophie zweiten Grades erblaßt ist. Die Papille des linken Sehnerven ist beinahe normal. (Dieser Befund ist uns von Prof. Ovio, Direktor der Augenklinik an hiesiger Uni- versität, zugegangen.)

II, IV, VI. Die Augenbewegungen sind normal, es gibt weder Doppelsehen noch Nystagmus. Die Pupillen sind weit und reagieren wenig, links das | Phänomen Wernickes.

V. Der Trigeminus ist intakt sowohl in seiner Funktion des Sinnes wie der Bewegung. Geschmack normal.

VII. Nichts Nennenswertes.

VIII. Gehörsinn gut erhalten.

‚IX, X, XI. Gaumen gut beweglich. Der pha- ringeale Reflex ist gut erhalten, es gibt weder eine Störung der Stimmbildung, noch im Schluckakt..

VII. Die Zunge kann gerade ausgestreckt wer- den. Es gibt weder Zittern noch Atrophie. Geistes- vermögen gut, Intelligenz geweckt, Ideengang klar. und das Gedächtnis sowohl für Vergangenes als für kürzlich Geschehenes gut. Die im radiologischen Institute unter der Leitung Prof. Dr. Vittorio Maraglianos gemachte radiologische Untersuchung zeigt uns den Türkensattel bedeutend erweitert (mehr als das Doppelte des normalen). Der Dorsum sellae turgicae ist viel dünner geworden und in vertikaler Richtung. Der Boden des Sattels scheint gut erhalten:

Die Diagnose des Hypophysentumors, die sich in unserem Falle auf einem ziemlich charakteristischen Symptomenkomplex basieren konnte, und zwar auf die Kompression des Chiasma und die Mißgestaltung des Türkensattels, war verhältnismäßig leicht. Die temporale Hemianopsie, obwohl sie an und für sich als kein pathognomonisches Symptom gelten kann, muß doch für das wichtigste bei diesen Tumoren gelten (das klassische Symptom von Fuchs). In der Tat können andere neoplastische oder entzündliche Prozesse in der Nachbarschaft des Chiasma durch ihren Sitz und ihre Entwicklung solche chiasmatischen Verletzungen erzeugen; es geschieht dies jedoch nur ausnahmsweise.

Es ist ein Fall von W. Mitschell bekannt, bei welchem die Hemianopsie durch ein Aneurysma bestimmt war, das sich am Niveau des Türkensattels entwickelt hatte, und ein anderer von Parcksut, bei welchem die Ursache in einer Cyste, die sich in der vorderen Kommissur entwickelt hatte, zu suchen war. Oppenheim hat bewiesen, daß man eine bitemporale Hemianopsie auch bei Hirnhaut- entzündung der Basis haben kann, und Galezowski sah sie sogar bei Tabeskranken auftreten.

In unserem Falle hat die Differenzialdiagnose zwischen Wasserkopf, Meningitis basilaris, Hirntumor, Abszeß und Hysterismus eine leichte Lösung im radiologischen Befunde gefunden, der heute wegen der Sicherheit der Diagnose als notwendig und als Hinweis zu einem operativen Eingriff als unerläßlich an- erkannt ist, und wir haben in dieser Beziehung das Glück gehabt, einen außerordentlich deutlichen Befund zu bekommen:

Über die Natur des Tumors konnten wir nur Vermutungen haben, wir mußten eine syphilitische Läsion für höchst unwahrscheinlich halten (die Anamnese ist gegen eine solche Hypothese und die anti-

syphilitische Kur blieb erfolglos) und statt dessen annehmen, daß es sich hier mit größter Wahrschein- lichkeit um einen bösartigen Tumor handelt, besonders, wenn man den so rapiden Verlauf der Sympto- matologie und die schweren Veränderungen des Türkensattels bedenkt. Das Fehlen funktioneller Stö- rungen ließ uns vermuten, daß noch ein genügender Teil Drüsengewebes vorhanden sein müßte.

~

eT Te m Re U m ne nn = hi ' - - ~ - - ` . m $ - un .

u u A a

d 4 4 ye i i ‘a i 1. i ! t E

ære mn.

4 bar 36

; 7 r Ree ay TO pape a e <p ee ur OAT

bi. ~~.

48 Canestro. XXIII, 1.

Was den Typus des Tumors anbelangt, konnten wir, gestützt auf den radiologischen Befund und den vorgewiesenen Symptomkomplex, auf eine Form mit Mischentwicklung innerhalb und außerhalb des Sattels schließen.

Die Prognose des Übels, sich selbst überlassen, konnte nur eine verhängnisvolle, mit kürzerer oder längerer Frist sein, sowohl bezüglich des Sehvermögens, als des Lebens selbst.

Folgende ophthalmoskopische Untersuchung, die 20 Tage nach der ersten gemacht wurde, zeigt den rapiden Verlauf des Übels:

Rechtes Auge = Visus: sehr dürftig: Lichtwahrnehmung. Linkes Auge = Visus !],je-

Man beobachtet eine vermehrte Abblassung der Papille und Verminderung der Arterien.

Was die Kur anbe- langt, wenn wir die ephe- meren Vorteile, die wir durch die Opotherapie, durch Röntgenstrahlen und mit Radium gewonnen haben, betrachten, so bleibt uns nur der chi- rurgische Eingriff.

Ich will hier nicht über die Geschichte der Hypophysenchirurgie schreiben, die ja schon so gut und ausgebreitet in schönen italienischen Mo- nographien gesammelt wurde (Verga, Austoni Dialti), sondern will nur über die von Prof. Bozzi angewendete Methode be- richten und einige Worte zur Rechtfertigung dieses

Vorgehens hinzufügen.

Unser Verfahren war folgendes:

Vor allem versicherten wir uns in den Tagen vor der Operation mittels wie- derholter rhinoskopischer Untersuchungen, daß der Zustand der Nasenschleim- haut normal sei, da uns bekannt ist, daß die Kran-

ken Eiselsbergs, die eine Meningitis bekommen sollen, von Nasenkatarrh befallen werden. Da in unserem Falle der Zustand der Nase vollkommen normal war, hielten wir für überflüssig, der Operation Ausspülungen mit pul- verisierten Antiseptika vorauszuschicken. Der Kranke wurde in die Rasésche Lage gebracht, denn sie gestattet eine gute Beleuchtung und vermindert gleichzeitig das Eindringen des Blutes in die Luftwege, es sind dies Vorteile, die reichlich das Unangenehme der venösen Kongestion, die durch diese Lage ent- steht, aufheben. Wir haben der größeren Sicherheit halber noch eine vorübergehende Tamponierung des Nasenrachenraumes gemacht.

Die Beleuchtung des operativen Feldes geschah mittels einer Stirnlampe (Brünning), die wir bei derartigen Operationen für unentbehrlich halten, um immer unter der Direktion des Lichtes arbeiten zu können. Die Anästhesie bestand aus Morphium-Chloroformnarkose.

Behufs Demonstration habe ich hier den Durchschnitt eines auf der Mittellinie längs nach durch- sägten Schädels beigefügt. |

In Fig. A kann man die vom Schnitt befolgte Linie der Nasenhaut sehen, überdies noch die Nasenscheidewand, aus welcher ein großes dreieckiges Stück entfernt wurde, welches eine große Öffnung zurückließ, durch die man. die linke Nasenhöhle sieht. Der obere Teil der Nasenscheidewand wurde durch ‘einen horizontalen Einschnitt freigelegt, damit man sie mit dem übrigen Teil der Nase nach links

.

\

XXIII, 1. Uber die Hypophysektomie. 49

schieben kann, um so ein freies Sehfeld zu bekommen. Oben sieht man die Keilbeinhöhle noch mit ihrer vorderen Wand und die Hypophyse.

In Fig. B sieht man die Stirnhöhle, welche unserem operativen Felde fern blieb, dann die rechte Nasenhöhle, aus der die mittlere und obere Nasenmuschel, die Keilbeinhöhle und die Hypophyse heraus- geschnitten wurden.

Fig. A. 1==Hypophysis. Fig. B. 1==Hypophyse. 2 = Sinus sphenoidalis. 2 = Keilbeinhöhle. 3 = Septum. 3 = Stirnhöhle. 4= Processus falciformis. 4= Untere Nasenmuschel.

Der Schnitt in die Weichteile wurde nach dem Schnitt Bruns, bei welchem man die Nase auf eine Seite stülpen kann, nach- . dem man mit dem MeiBel die 9 1 Nasenknochen an der Basis durch- schnitten hat, gemacht. Dann schneidet man die Nasenscheide- wand auf die in Fig. A ange- gebene Weise und mit einer Struykenschen Zange werden dann die mittleren und oberen Muscheln entfernt. Man kommt so zur Keilbeinhöhle, ohne die Stirnbeinhöhle und die vorderen Siebbeinzellen verletzt zu haben, bloß die mittleren und binteren Siebbeinzellen werden zum großen Teile geopfert. In diesem Momente muß man vorsichtig sein, sich nicht zu irren und nicht eventuell eine hintere, ab- normal ausgedehnteSiebbeinzelle mit der Keilbeinzelle zu ver- wechseln. Die im Anfang sehr - heftige Blutung konnte mittels Tamponierung sehr leicht ge- stillt werden. Man führt dann eine Sonde in die Mündung der Keilbeinhöhle” ein und geht mittels einer Grünewaldschen Zange und einigen Hohlmeißel- schlägen zu ihrer Öffnung über. Wenn die Keilbeinhöhlen gut freigelegt sind und die Scheide- wand, die sie trennt, zerstört ist, tut man gut, einen Augen- blick inne zu halten, um das Feld zu säubern und sich gut zu orientieren, was leicht ist, wenn man nicht zu eilig vorgeht und eine gute Beleuchtung hat. Dies ist nun der heikelste Moment der Operation, wo man nämlich den hervortretenden Punkt, den der Boden des Türkensattels bezeichnet, er-

kennen und die zu öffnende Stelle bestimmen soll. Und in der Tat, wenn man den Hohlmeißel zu tief hineinführt, so stößt man gegen das Massive des Keilbeines oder gegen die mittlere Schädelgrube, stößt man zu sehr nach vorne, läuft man Gefahr, das Chiasma zu verletzen, weicht man aber von der mittleren Linie ab, so kann man die Sinus cavernosi und die Halsschlagadern verletzen. In unserem Falle, wie übri- gens bei den meisten Fällen, war die Orientierung ziemlich leicht. Die vom Sattel bestimmte Hervor- ragung war, obschon nicht sehr erheblich, doch deutlich genug ersichtlich und brauchten wir nicht, wie geraten wird, auf Radiographie gestützte Bemessungen zu Hilfe nehmen.

Mit einem langen und dünnen Hohlmeißel wurde der Boden des Türkensattels auf ein beinahe kreisrundes Stück von zirka 1'/, cm Durchschnitt gesprengt. Er erwies sich wenig widerstandsfähig, wahrscheinlich dünner geworden. Man sieht nun einen bläulichen, rundlichen, nicht pulsierenden Tumor durchscheinen. Mit einem kleinen, median longitudinalen Einschnitt Öffnet man die intrakranielle Be- kleidung und erweitert die gemachte Öffnung. Dann führt man einen langstieligen Löffel in die Öffnung des Türkensattels und entnimmt ihm ein weiches, zerreibbares Gewebe von encephaloidem Aussehen,

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. l 7

'r > f va My « 4

ra % | Me i i > ; ~ 5 3 EA 4: Se E = A %

“rs Sa .

$

0s

Da 4 ane =

` : ` » à a r rein. >a :

.- = we - -

- -+a vron

oo. .- nn. rn nn non. A

; 4 1 } aA

ms.

he ee 4 ee ee | ar RS f : at a T eR ww ew em gee wu.

we

50 Canestro. XXIL 1.

welches sich, mit Blut vermischt, zum Teil in der Nasenhöhle verliert und zum Teil für die histologische Untersuchung aufgehoben wird.

Da wir uns in diesem Augenblicke vor einem weichen Tumor der Hypophyse mit großer Aus- dehnung des Türkensattels befinden und nachdem wir mit dem auf 2 cm vorgeschobenen Löffel keiner Resistenz begegnen und daher voraussetzen, daß eine Abnützung des überstehenden Zwerchfelles statt- gefunden haben könnte, so halten wir es für ange- zeigt, wie übrigens übereinstimmend geraten wird, auf die totale Exstirpation des Tumores zu verzichten und uns mit der teilweisen Entfernung desselben und der fast kompletten Zerstörung des Türkensattelbodens zu begnügen, da wir damit erreichen, den intrakraniellen Druck um sehr viel zu vermindern.

Man nimmt dann die sorgfältige Drainierung durch die Nasenlöcher vor und schließt die äußere Wunde mit Seidennähten. Das Erwachen des Kranken ging normal vor sich, der postoperative Verlauf war ausgezeichnet. Bloß am 3. Tage klagte Patient über leichten Kopfschmerz, der aufhörte, so wie die intra- nasale Behandlung gemacht wurde. Es gab keinen Temperaturaufstieg über 37,5.

Während der ersten Wochen nach der Operation wurden ihm 1,50 g Urotropin täglich verabreicht, weil nach den Forschungen Crowes das Urotropin eine so große Diffusionsfähigkeit besitzt, daß es sich (als For- maldehyl) 30—60 Minuten nach der Verabreichung per os in der zerebrospinalen Flüssigkeit befindet.

Skizze I, Nach 8 Tagen hört man mit der Drainierung auf und entfernt die Nähte. Nach weiteren 14 Tagen steht der Patient auf und geht allein herum. Der Kopfschmerz ist total . verschwunden. Nach 10 Tagen wird die Prüfung des Sehvermögens wiederholt und zeigt sich dabei eine leichte Besserung. Das heißt, rechts sind die Konditionen unverändert.

Links Visus !/,.. Die Atrophie der Papille ist weniger markiert. Die Sehschärfe gebessert. Die Hemianopsie dauert an.

Gegenwärtig, zirka 3 Monate nach der Operation, hält die Besserung noch unverändert an.

Die histologische Prüfung der exstirpierten Stücke ergibt, daß es sich hier um einen Tumor handelt, der aus kleinen Zellen besteht, die aneinander gedrängt sind, rundlich, mit einem relativ großen Kern und wenig Protoplasma und nicht sehr deutlichen Konturen. Sehr dürftig ist das Stützgewebe und zahl- reich die Gefäße mit zarten Wänden.

Was die Diagnose anbelangt, so hätte man auf den ersten Blick versucht sein können, ohne weiteres an eine sarkomatöse Forn mit runden Zellen zu denken.

Es wurden jedoch auch Fälle von Struma der Hypophysendrüse beschrieben, bei welchen man beinahe identische Zellen wie in unserem Falle beobachtet hatte. In manchen Fällen hätte man sogar alle Übergangsformen von den normalen Zellen bis zu diesen kleinen Elementen gefunden.

Der rapide klinische Verlauf, ohne jedwede Hypophysen-Funktionsstörung, wie wir ihn in diesem Falle beobachtet haben, die Rapidität, mit welcher die Sehstörungen auftraten, die

i | Skizze II.

XXIIT, 1. | Über die Hypophysektomie. 51

Weichheit und der Gefäßreichtum des Tumores, all das läßt uns annehmen, daß es sich hier mit aller Wahrscheinlichkeit um eine bösartige sarkomatöse Form handelt, die wenigstens einen Teil des funktionellen Drüsengewebes verschonte. Nach dem, was ich berichtet habe, resul- tiert, daß die Operation technischerseits vollkommen gelungen ist und auch klinisch ziemlich befriedigend, so weit eben die bösartige Natur und der weit vorgeschrittene Zustand des bewußten Tumores es zulassen.

Es genügt, einen betrachtenden Blick auf den folgenden Auszug zu werfen, um sich eine Idee zu bilden von den vielen Wegen, die die Chirurgen einschlagen mußten, um zur Hypo- physe zu gelangen.

A. Intrakranielle Methoden.

a) intradurale. Temporaler Prozeß von Caselli und Horsley, tempora-frontaler von Caton und Paul, frontaler Prozeß von Killiani, tempora-sphenoidaler von Nasetti.

b) extraduraler Stirnprozeß von Krause,

Stirnprozeß mit Augenhöhlung, Entleerung von Schloffer.

B. Transsphenoidale Methoden.

a) Transpharingealer Prozeß von Löwe,

b) transpalatiner von Durante, König, Krogius, |

c) transmaxillarer von Kocher, Hertle, Broechaert, Ruggi,

d) transnasaler Stirnsiebbein und Nasensiebbein, Prozesse von Gior- dano, Schloffer, -Eiselsberg, Hochenegg, Proust, Dialtı, Kocher, Moszkowicz, Cushing, Marschik, Kannarel. bucconasale Prozesse von Löwe, Halstead,

e) endonasale Prozesse von Hirsch, West und Citelli.

Ich glaube wirklich, daß in der Chirurgie keines anderen Organes in so verhältnismäßig kurzer Zeit so viele operative Methoden erdacht wurden. Alle Wege, die schwersten und die leichtesten, die schädigendsten und die unblutigsten, die kühnsten und die vorsichtigsten, alle sind versucht und mit den verschiedenartigsten Erfolgen bearbeitet worden.

Die Chirurgie dieses Organes, deren Bestehen zwei Lustrum noch nicht überschritten hat, ist ein unfehlbares, stehendes Argument in jedem Kongresse für Chirurgie und Rhino-Laryn- gologie der letzten Zeit.

Die Eingriffe in die Hypophyse vermehren sich von Jahr zu Jahr. Und während sie noch nicht das erste Hundert erreicht haben, sehn wir schon Chirurgen, die eine imponierende persönliche Statistik aufweisen. Eiselsberg allein hat schon über 16 eigene Fälle berichtet und Hirsch gar über 26.

Die Wahl des einzuschlagenden Weges, um zur Hypophyse zu gelangen, ist immer eine Frage höchster Aktualität und Meinungsverschiedenheit. Wir sehn jedoch aus diesem ganzen Chaos von Methoden sich zwei Hauptzüge abheben. Es scheint, daß die intrakraniellen Me- thoden langsam den transsphenoidalen Platz machen müssen.

Der intrakranielle Weg, der hauptsächlich von der Annahme gestützt wurde, die Hypo-

physektomie in einem aseptischen Milieu auszuführen, hat sich dann in der Praxis nicht 7%

Skizze III.

ee ern ne mn mn ere ni : . vee a a eo

meer Pre ER

! i | ii

52 | | Canestro. XXI, 1.

weniger gefährlich, aber technisch viel schwieriger als der extrakranielle Weg erwiesen. Es gelingt bei ihm nicht, einen guten Einblick auf die Region der Hypophyse zu bekommen, da man nur das Chiasma und das Pedunculus pituitari gut freilegen kann. Die Hypophyse bleibt in der Tat in der Türkensattelgrube verborgen, und die chirurgischen Handgriffe für ihre Exstirpation sind mit nicht geringen Schwierigkeiten verbunden, nicht allein wegen der bekannten Tiefe, in welcher man arbeiten muß, sondern auch, weil man sich zwischen Organen befindet, deren Verletzung zu fürchten ist, und zwar die Karotis der Sinus cavernosi (wenn man. den temporalen Weg einschlägt), der Sinus coronarius und das Chiasma (wenn man den Stirnweg nimmt). Überdies, sei es nun die intra oder extradurale Methode, die Gehirnmasse muß während dieser ganzen Prozedur mit den Instrumenten oder den Händen stark gehoben werden, so daß sie einen bedeutenden Druck aushalten muß, der Grund zu gefährlichen Komplikationen werden kann.

Bei der Exstirpation der Hypophyse auf transsphenoidalem Wege erhebt man gewöhnlich den Einwand, daß man durch die Öffnung des Türkensattels eine unausweichliche Kommuni- kation zwischen den Nasenhöhlen und der Schädelgrube läßt und folglich einer schweren In- fektion eine Türe offen läßt.

In Wirklichkeit ist diese theoretische Gefahr in der Praxis nicht so groß, wie man hätte meinen können. Im Falle Eiselsberg, wo der Tod 48 Stunden später infolge akuter Menin- gitis eingetreten ist, ging dem chirurgischen Eingriff eine katarrhalische Rhinitis voraus, die als eine zeitweilige Gegenindikation des Eingriffes anzusehen ist. Die Gefahr der postoperativen Leptomeningitis wäre gewiß größer, wenn man die subarachnoidalen Höhlen öffnen würde (davon haben wir einen Beweis durch den Ausfluß der zerebrospinalen Flüssigkeit).

Aber die Öffnung der subarachnoidalen Räume ist bei der subtotalen Hypophysektomie nicht notwendig und ist sie bei einiger Vorsicht nur ein einfacher, vermeidlicher Unfall.

Man hat übrigens Operationen von Hypophysektomie gesehen (Schloffer, Gutsche, Körner), wo es lange Zeit (2—4 Monate) einen Abstoß von zerebrospinaler Flüssigkeit gab, ohne daß dabei meningitische Komplikationen hinzugetreten wären.

Gewiß, nicht alle transsphenoidalen Methoden sind gleich gut, und wir können sehen, daß die transpalatinen, transpharingealen und transmaximillären immer mehr an Terrain verlieren, sei es, weil sie übermäßig komplizierte und verstümmelnde Methoden haben, oder weil durch sie die Gefahr einer Entstehung von Komplikationen in der Lunge verursacht wird.

Die Sterblichkeit bei diesen Methoden, sowie bei den intrakraniellen ist in der Tat eine hohe (schwankend zwischen 100°/,—70°/,) und übersteigt die der transnasalen und endonasalen (deren Sterblichkeit zwischen 40°/, und 18°/, liegt). Es bleiben nun nur noch die endonasalen und transnasalen Wege, die sich den Platz streitig machen. Es ist dies ein Kampf, der in den Grenzgebieten der Chirurgie und der Rhinologie ausgefochten wird. Der erste Weg wird von den Rhinologen, Hirsch an der Spitze, angeführt, der zweite von den von Eiselsberg angeführten Chirurgen beide aus Wien.

Anbei ein kurzer Vergleich beider Methoden.

Die transnasale Methode

braucht eine Narkose von der Dauer zirka einer Stunde, läßt eine Verunstaltung des Gesichtes zurück, verursacht einen ziemlichen Blutverlust, erlaubt eine größere Übersicht, 5. hat eine Sterblichkeit, die je nach dem vollführten Prozesse variiert (Eiselsberg von 28,7°/, auf Corley 13,7°/,).

ee ee

Die endonasale Methode

1. kann mit der einfachen lokal Anästhesie gemacht werden, 2. läßt keine Verunstaltung des Gesichtes zurück,

XXIII, 1. Uber die Hypophysektomie. 53

8. verursacht eine sehr kleine Hämorrhagie, 4. gibt nur eine beengte Übersicht, 5. hat eine Sterblichkeit von 13°/,.

Betrachtungen.

1. Die Frage der Anästhesie, sei sie nun lokal oder allgemein, ist nicht sehr wichtig. Wenn die erstere den Vorteil besitzt, unschädlich zu sein, so hat sie dafür den Nachteil, den Patienten wach zu erhalten, und daher wenig fügsam und ruhig; es ist dies durchaus nicht günstig, wenn man heikle Eingriffe im Türkensattel und der Hypophyse machen soll, und wo das geringste Abweichen von der Mittellinie die unheilvollsten Konsequenzen herbeiführen kann.

2. Die bei der transnasalen Methode zurückbleibende Verunstaltung ist bei den stirn- nasalen Prozessen bedeutend, während sie bei den inferioren Nasenprozessen, wie die von uns ausgeführte, ganz gering ist. Die äußere Skelettstütze der Nase wird bei einiger Vorsicht kaum alteriert und die kleine Narbe, die entsteht, hat gewöhnlich bei den meisten, von schweren Verletzungen der Hypophyse heimgesuchten, keine Bedeutung.

8. Obschon die Hämorrhagie bei der transnasalen Methode reichlicher ist, als bei der endonasalen, so ist sie doch immerhin leicht stillbar und nicht beunruhigend, besonders, wenn die Stirnhöhle und die vorderen Siebbeinzellen geschont bleiben.

4. Obschon es wohl anzunehmen ist, daß ein tüchtiger Rhinologe auch auf natürlichem Wege imstande ist, sich ein genügendes Gesichtsfeld zu schaffen, um klar zu sehen und in die Hypophyse eingreifen zu können, so ist es doch evident, daß bei der transnasalen Methode das Operationsfeld weiter ist und das Licht ausstrahlender eindringen kann, ohne durch die eingeführten Instrumente gestört und unterbrochen zu werden. Die Handgriffe sind freier und die Exstirpation solider, selbst ziemlich umfangreicher Tumore wird möglich.

5. Die operative Sterblichkeit basiert noch auf zu wenig Fällen und zu wenig Operationen, um einen absoluten Wert zu haben.

Als Schlußergebnis sehen wir, daß, während man früher (man verzeihe mir den derben Ausdruck) eine wahre Schlächterei anrichtete unter allem, was man am Wege zur Hypophyse fand, man heute imstande ist, die Hypophyse auf natürlichem Wege und auf fast unblutige Weise anzugreifen. Wenn wir nun auch glauben, daß man ohne weiteres die intrakraniellen, transpharingealen, transpalatinen und transmaxillären Methoden ausschalten kann, und daß man alle transnasalen Methoden mit zu sehr schädigenden Eingriffen, wie solche, die das unnötige Opfer der Stirnhöhlen, der vorderen Siebbeinzellen, der mittleren Wand der Augenhöhle und der Nasenprozesse des oberen Kieferheines forderten, vermeiden kann, erachten wir es doch für notwendig, einige Bemerkungen zu machen, bevor wir die intranasale Methode als die beste annehmen.

Wenn diese letztere Methode, die gewiß eine suggestive Anziehungskraft für den Rhino- logen hat und einem natürlichen Widerwillen beim Chirurgen begegnet, wirklich die beste sein sollte, so müßte die Chirurgie der Hypophyse ausschließlich in das Gebiet der rhinologischen Spezialität übertreten. Die Frage ist sehr wichtig, der Verzicht, den die Chirurgen, die doch die Gründer der Hypophysen-Chirurgie waren, leisten müßten, wäre, wenn auch gewiß sehr peinlich, dennoch gerechtfertigt, ja, er wäre sogar Pflicht.

Ich selbst, der ich mich außer mit der allgemeinen Chirurgie noch besonders der der Nase und des Halses widme, wollte an der Leiche die Methode Hirsch, sowohl auf submukösem, als auch auf nicht submukösem Wege versuchen, und war in der Tat befriedigt. Ja, bei einigen Kadavern, die sich durch ihre Nasenhöhlenbildung besser für diesen Eingriff eigneten, fand ich die Methode weder schwierig noch schwer erforschlich. Trotz alledem, und wie ver- führerisch die Methode des natürlichen Weges auch sei, dürfen wir doch nicht vergessen, daß die Wahl des Vorgehens nicht hauptsächlich auf das Kriterium der Ästhetik oder auf über- mäßiger Konservierung beruhen darf, sondern vor allem trachten muß, sich in die beste Position

Yom

uni Tu a eg: -a = RR $

54 Canestro. XXIII, 1.

zu bringen, nicht bloß, um zur Hypophyse zu gelangen, sondern hauptsächlich, um in dieser Tiefe mit vollster Sicherheit der Orientierung und Bewegungsfreiheit arbeiten zu können.

Wir sind nun der Meinung, daß die transnasale Methode (mit nicht zu sehr demolierenden Prozessen) diesen Anforderungen am besten entspricht, wenigstens in den meisten Fällen, immer aber mit dem Vorbehalt, daß man unter speziellen Umständen der endonasalen Methode den Vorzug geben soll, die schon in 29 klinischen Fällen ausgeführt worden ist. 26 mal von Hirsch, einmal von Spieß!), einmal von Holmgren?) und einmal von Minter und Quackenboss®). Hirsch hatte bei 26 Operationen bloß 3 Todesfälle, die man dem operativen Eingriff zu Lasten legen könnte. Ein Fall wegen Meningitis am 20. Tag, ein anderer wegen Lungenentzündung und der letzte wegen Hämorrhagie des dritten Ventrikels. Diese Statistik ist wirklich trostreich, aber sie ist streng persönlich und hat deshalb nur einen sehr rela- tiven Wert.

Hirsch kann sich heute als einen Virtuosen dieser Art Operationen betrachten, die all- mählich immer weniger selten werden; aber obschon die byperphysären Läsionen gegenwärtig häufiger diagnostiziert werden, bleibt die Indikation zum operativen Eingriff immerhin auf eine sehr begrenzte Zahl beschränkt, es ist daher anzunehmen, daß es immer schwer sein wird, per- sönlich hohe Statistiken zu erreichen.

Übrigens hat sich sogar unter den Händen Hirschs die intranasale Methode manchmal voll Schwierigkeiten gezeigt. In der Bemerkung Ill fand er die submuköse Resektion be- sonders mühsam und schwierig, und kostete es ihm viel Mühe, zwei kleine Breschen in das Dach der Siebbeinhöhle zu schlagen, durch welche es ihm unmöglich war, den Hypophysen- tumor auch nur teilweise herauszubekommen.

In Bemerkung XI war die Lage des Türkensattels derart, daß es ihm nicht möglich war, die Hypophyse anzugreifen. In Bemerkung XXIII gestattete ihm der intranasale Weg nicht, die Operation zu Ende zu führen, und zwar wegen eines sehr gefäßreichen Adenoms, und mußte er später mit besserem Erfolge den transnasalen Weg einschlagen.

Die endonasale Prozedur ist unserer Meinung nach eine zweifellos ingeniöse Methode, die wegen ihrer besonderen Technik bestimmt ist, in den Händen des Rhinologen zu bleiben, der sie aber nicht am lebenden Menschen versuchen darf, bevor er sich nicht am Kadaver gut eingeübt hat und bevor er sich nicht die notwendige Ausrüstung für diese Operationen der Hypophyse verschafft hat. (Hirsch hat kürzlich für diese Operationen eine Ausrüstung in den Handel gebracht, die aus 15 Instrumenten zusammengesetzt ist, Zangen, Hohlmeißel, Hebemeißel usw.) |

Die Vorzüge, die diese Methode gegenüber der von uns befolgten transnasalen hat, und die sich auf gesunde konservierende und wenig deformierende Normen stützt, sind wenn auch nicht vorzuziehen, so doch unserer ganzen Wertschätzung würdig, und halten wir diese Me- thode in folgenden Fällen für angezeigt:

1. Wenn eine allgemeine Anästhesie nicht angezeigt erscheint.

2. Wenn sich der Patient absolut dem Eingriff auf äußerem Wege widersetzt, und wenn

sich der Tumor vorwiegend intrasellar entwickelt und vorwiegend zystisch.

3. Wenn der allgemeine Zustand des Patienten ein schlechter ist.

4. Wenn Glykosurie besteht.

Bibliographie. 1. Austoni, A., Ipofisiectomia. Padova 1912.

la. Broechaert, Traitement Chirurgical Sistumency de l’Hypophyse. Le Laieux. Nr. 1, 1913.

1) Spieß, Münch. Med. Woch. Nr. 47, 1911, S. 2503. 23) Holmgren, Oto-laryng. meladianders. 1912, Bd. 1, S. 111. Minter u. Quackenboss, Ann. of Surgery. DLII, 1910, S. 15.

XXIII, 1. Uber die Hypophysektomie. 55

2. Caselli, Stud. anat. e specmentali sull, fisiopatologia della ghiandola pituitania. Roma 1901.

3. Caton u. Paul, Notes of a case of acromegaly treated by operation. British Medic. Journ. 2. 1421. 1893.

4. Orocke, On the Excretion of Exametylenamene in the cerebrospinal Fluid. The Johns Hopkins Hospital Bulletin 1909. Bd. XX, 102.

5. Cushing, Partial hypophysiectomy for acromegaly. Ann. of Surg. 1910.

6. Dialti, Patologia e chirurgia dell’ipofisi. Siena. S. Bernardo 1913.

7. v. Eiselsberg, Operierte Tumoren der Hypophyse. K. k. Gesellsch. d. Ärzte in Wien, Sitz. vom 19. Febr. 1909. Wiener kl. Woch. 1908. S. 8.

8. v. Eiselsberg, Operations upon the hypophysis. Ann. of Surgery 52, 1910.

9. v. Eiselsberg u. v. Frankl Hochwait, Über operative Behandlung der Hypophysistumoren. Wiener med. Woch. 1907. 1341.

10. v. Eiselsberg, Ein neuer Fall von Hypophysenoperation bei Degeneratio ad iposo-genitalis. Wiener klin. Wochenschr. 1903. Nr. 31.

11. Durante, Nuovo. processo operativo per la ipofisiectomia. Ann. R. Istit. Clin. di Roma 1910.

12. Halstead, The operative treatement of tumor of the hypophysis. Ref. Zentralblatt fiir Chirurgie 1910. Nr. 38. 1268.

13. Hertle, Langenbecks Archiv 78, 76. 1904.

14. Hirsch, Endonasale Operation von Hypophysentumoren. Wiener med. Wochenschr. 12, 635. 1909.

15. Hirsch, Demonstration eines nach einer neuen Methode operierten Hypophysentumors. Wiener klin. Woch. 1909. 473. 39. Chirurgenkongreß 1; 51. 1910.

16. Hirsch, Operierte Hypophysentumoren. K. k. Gesellsch. d. Ärzte in Wien, 28. Okt. 1910. Wiener klin. Woch. 1910. 1578.

17. Hirsch, Über Methoden der operativen Behandlung von Hypophysentumoren auf endonasalem Wege. Archiv für Laryngologie 1910. 24. Heft.

18. Hirsch, Drei weitere Fälle von Hypophysentumoren. Wiener klin. Wochenschr. 1911. Nr. 13.

19. Hochenegg, Operativ geheilte Akromegalie bei Hypophysentumor. Verhandl. d. deutsch. Gesellsch. f. Chirurgie 37, 1. 80. 1908.

20. Horsley, V., Diseases of the pituitary gland. Brit. med. Journ. 1. 323. 1906.

21. Horsley, V., On the technique of operations on the central nervous system. Brit. med. Journ. Aug. 25. 1906. 411..

22. Kanavel, The removal of tumors of the pituitary body by an intranasal route. Journ. of the Americ. Med. Association 53. 1704. Nov. 20. 1909.

23. Kanakele Grinker, Removal of the pituitary gland. Surg., Gynec. and Okstet. 1910. Avril.

24. Killiani, Some remarks on tumors of the chiasm withe a propose: how to reach the same by ope- ration, Annals of Surg. 40. Nr. 1. 35. 1904.

25. Kocher, Ein Fall von Hypophysistumor mit operativer Heilung. Deutsche Zeitschr. f. Chir. 1C0. 13. 1909.

26. Krause, Freilegung der Hypophysis, Die deutsche Klinik am Eingange des 20. Jahrhunderts 8. 1004. 1905.

27. Krogius, Neue Methode, deu Nasopharingealraum fir die Operation ven Basalfibromen und Hypo- physengeschwülste frei zu legen. Zentralbl. für Chirurgie 1909. 1420.

28. Löwe, Weitere Mitteilung zur Freileguug der Hypophysis. Berl. klin. Wochenschr. 1909. 46. 9. Zentralbl. für Chirurg. 1909. 15. April. i

29. Marschik, Associat med. d. Vienna Sed. 8. Apr. 1910. Wiener klin. Woch. 1910. 568.

80. Moszkowiz, Methode zur Bloßlegung u. Entfernung von Hypophysentumoren. Wiener klinische Wochenschr. 1907.

81. Nasetti, Alcune ricerche sul metodo nasale per aggredire l'ipofisi. Policl. Sez. Prat. 1900. 8.405. Clin. Chir. 1911. Nr. 8.

82. Nicolai, XII. Congresso Soc. Ital. Laringo-oto-rinologia. Archivio Ital. Otorinolaring. 1909. 8. 141.

33. Proust, La Chirurgie de l’hypophyse. Journ. de Chirurg. 1908. 7. 665.

34. Schloffer, Zur Frage der Operationen an den Hypophysen. Burns Beitr. 50. 767. 1906.

85. Schloffer, Erfolgreiche Operation eines Hypophysentumors auf nasalem Wege. Wiener klin. Wochenschr. 1907. 21. 617.

36. Schloffer, Weiterer Bericht über einen Fall von operiertem Hypophysentumor. Wiener klin. Wochenschr. 1907. 36. 1075.

37. Verga, La patologia chirurgica dell’ipofisi. Parma 1911.

38. West, Archiv für Laryngologie. 1910. Bd. 23, S. 288.

nn m a

+

OORL Es Tiag. e m TA- ae

t+

56 Bles. XXIII, 1.

Echinokokkus der Lunge. Von Dr. Ch. Bles, Arzt in Amsterdam.

Die Echinokokkuskrankheit kommt zwar in allen Ländern der Welt vor, jedoch ist sie in einzelnen Gegenden. besonders frequent. Island, Australien, Mecklenburg, Pommern, Dal- matien und Argentinien sind als Hauptsitze berüchtigt; Rosselt, der 147 beschriebene Fälle dieser Krankheit zusammenbringen konnte, weist auf ihr relativ häufiges Vorkommen an den Ufern der Bergseen hin. Der Verband zwischen diesem örtlich so frequenten Auftreten und Hundezüchterei (Viehzucht) ist längst nicht immer deutlich.

Die Echinokokkuskrankheit kann fast alle Organe des menschlichen Körpers zum Sitze wählen, aber nicht alle Organe werden gleich frequent befallen. Am häufigsten wird die Leber der Sitz des Echinokokkus, dann folgen die Lungen und darauf die Nieren, das Gehirn und andere Organe. Die Zahlen, welche verschiedene Autoren angeben, laufen ziemlich weit auseinander. Laut verschiedenen Statistiken ist die Leber in 40—70°/, der Fälle der Sitz der Krankheit, die Lungen in 2—12°/,.

Wenn auch von allen Autoren nächst der Leber die Lungen als bevorzugter Platz genannt werden, so ist doch ein Echinokokkus der Lunge nicht allein eine schwer zu erken- nende, sondern auch eine seltene Krankheit. Sogar in den letzten Jahren, die uns bessere, neuere Methoden für die Echinokokkusdiagnose brachten, ist die Anzahl publizierter Fälle | gering. |

Die klinischen Erscheinungen des Lungenechinokokkus sind so vage und so wenig charakteristisch, daß stets an häufiger vorkommende Krankheiten (an Lungentumor und besonders weil auch bei dieser Krankheit oft Hämopto& auftritt an Lungentuberkulose) gedacht wird. Der Lungenechinokokkus wird nur in höchst seltenen Ausnahmefallen erkannt, und diese Ausnahmen sind Fälle, ın welchen Blasen, Teile der Blasenwand oder Haken ent- haltender Inhalt ausgehustet wurden.

Es wird von Nutzen sein, die Aufmerksamkeit auf neuere Untersuchungsmethoden hin- zulenken, die uns, besser als die früheren, befähigen, den Lungenechinokokkus zu erkennen, auch ohne das Expektorieren von Blasen erfolgt usw. Diese neueren Methoden sind: die Komplementsbindung, die Untersuchung auf Eosinophilzellen und die Röntgen- untersuchung. :

Die Komplementsbindungsmethode und die Untersuchung auf Eosinophilie können an- zeigen, daß ein Patient einen Echinokokkus beherbergt, während die Röntgenuntersuchung lokalisiert; auch in umgekehrter Reihenfolge kann die Komplementsbindungsmethode und die Untersuchung auf Eosinophilie anzeigen, daß die Abweichung, welche die Röntgenuntersuchung anweist, durch einen Echinokokkus verursacht wird oder nicht. |

Insgesamt sind nur wenige Publikationen erschienen über Fälle von Lungenechinokokken, die durch Röntgenuntersuchung nachgewiesen wurden. Obwohl ihre Anzahl nicht groß ist, spricht man gewöhnlich von dem „typischen“ Röntgenbild des Lungenechinokokkus. Die ge- füllte Blase zeigt sich in dem Röntgenbild als ein scharf begrenzter, gleichmäßig dunkler und ziemlich starker Schatten (Fig. 1). Im Gegensatze zu dem Bilde eines infiltrierenden Tumors sind die Grenzen der Blasen immer scharf und abgerundet. Eine leere, d. h. eine mit Luft gefüllte Blase, zeigt sich in dem Röntgenbild als ein mehr oder weniger breiter dunkler Ring mit einem hellen Zentrum (Fig. 2). Der ringförmige Schatten wird von der Blasenwand ver- ursacht. So kann es vorkommen, daß eine Blase, deren Inhalt expektoriert wurde, und die danach einen neuen, flüssigen Inhalt erhielt, ein veränderliches Röntgenbild ergibt. Derartige

XXIII, 1. Echinokokkus der Lunge. 57

Wahrnehmungen sprechen gegen die von Hampeln!) geäußerte Auffassung, daß der Lungen- echinokokkus in zwei „Formen“ vorkommen sollte, einer Ringform und einer Scheibenform, abhängig von der. Größe. | |

Paul Krause?), der den von ihm beobachteten Fall nur unter Reserve mitteilt, hat mit Echinokokkusblasen und Lungengewebe experimentiert, Er brachte gefüllte Echinokokkusblasen in aufgeblasene Lungen von Leichen und machte davon Röntgenphotos. Wie zu erwarten war, fand Krause, daß die Echinokokkusflüssigkeit als solche nur wenig Röntgenstrahlen absorbiert; eine mit Eiter gefüllte Blase. hob sich viel deutlicher von dem Lungengewebe ab und in noch höherem Maße war dies der Fall mit verkalkten Blasenwänden.

Besonders erwähnenswert ist der von Levy Dorn und Zadek?) beschriebene Fall von doppelseitigem Lungenechinokokkus (s. Fig. 2). Der Schatten in der rechten Lunge stand durch ein kurzes Band mit dem Zwerchfell in Verbindung, woraus die Autoren die Folgerung ziehen durften, daß dieser Echinokokkus von der konvexen Leberoberfläche nach der, Lunge durchgebrochen war und einen Teil der Lunge durchbohrt hatte; bis er sich irgendwo fest- setzte und wuchs. Bei tiefer Einatmung wurde der rechte Teil des Zwerchfelles durch das

"Fig. 1. Fig. 2.

nach der Blase laufende Band fixiert. Die Diagnose: „Lungenechinokokkus* war bereits durch das Aushusten von Haken gestellt worden, ehe die Röntgenuntersuchung stattfand. In den meisten andern der in den kasuistischen | Mitteilungen erwähnten Fälle war dies auch der Fall.

Albers-Schönberg‘) fand ganz zufällig bei einem Patienten mit Leberechinokokkus einen doppelseitigen Lungenechinokokkus, obwohl weder subjektiv noch objektiv Erscheinungen vorhanden waren, die auf kranke Lungen wiesen. (S. Fig. 1.) |

Mollow5) erwähnt zwei Fälle von Lungenechinokokkus und einen Fall von Leber- echinokokkus mit Durchbruch nach der Pleurahéhle. Weber®) sah einen Fall spontan ge- nesen, und Behrenroth‘) beobachtete 4 Fälle, alle jedoch bei Patienten, die Blut, blutig ge-

färbtes Sputum usw. aufgaben.

1) P. Hampeln, „Zur Diagnose des Lungenechinokokkus®. Berliner Klin. Wochenschr. 1912. S. 1181. 2) In: Röntgendiagnostik in der inneren Medizin. Lehmanns Atlanten, *) Levy Dorn und Zadek, Zur Untersuchung mit Röntgenstrahlen des Tungen nkol kis.

Berliner Klinische Wochenschrift 1899. Nr. 20. 4 Albers-Schönberg, Beitrag zur Kasuistik des Lungenechinokokkus. Fortschritte auf dem

Gebiete der Röntgenstrahlen. Bd. XVI. S..280. 5) W. Mollow, Beitrag zur Röntgendiagnostik des Lungen- und Leberechinokokkus. Id. Band. XV.

8. 167. | 6) E. Weber, Zwei kasuistische Beiträge. (Echinokokkus und Aktinomykose der Lunge.) Id.

Band XVII, S. 327. | ”) Behrenroth, Verschiedene Röntgenaufnahmen von Echinokokkus der Lunge. Verhandlungen

der Deutschen Röntgen-Gesellschaft. Band VIII. Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrablen. XXIII, 8

. To eee nn ees ee. = =o iy

i pei i; 4

TO RD: ge rue An a An x - . SN NN Og a nn Dem er Coe. x Fr u . Ri ar T aD: EE ang ee g a : - - = Pa ae F A . 7 k. $ - -- -= .. ~. = ya = ` rs A T ze ii = = . - . a . re = 4 ee - - oe 2 ee - - ~ a ., PE i m Å z u 2 . .

Se 8 eee y oe D we

re eo ~ j ki a s N ` Xa

TE Trage ann e y =

58 Bles. XXIII, 1.

Eigenartig ist eine Mitteilung von P. Hampeln. Im Jahre 1900 hatte er einen Patienten demonstriert in der „Ärztlichen Gesellschaft in Riga“, als an Aneurysma aortae leidend. 1912 teilte er in der „Berliner klinischen Wochenschrift“ mit, daß dieser Patient den er seit jener Zeit nicht gesehen hatte vielleicht doch an einem Echinokokkus leide, wie der Rönt- genolog v. Sengbusch, der den Patienten 1899 untersuchte, damals bereits vermutete. Sengbusch fand einen großen, runden, scharf begrenzten Tumor von 14 cm Durchmesser, welcher Tumor nicht pulsierte und dessen mediale Grenze in den Schatten der Aorta überging. Mit Recht hat Sengbusch, da Pulsationen fehlten, nicht die übrigens vor der Hand liegende Diagnose Aneurysma gestellt. |

Vor einigen Monaten wurde von mir eine Röntgenuntersuchung der Brustorgane einer 51 jährigen Patientin vorgenommen. 5

Anamnese. Patientin hat dann und wann Schmerzen auf der Brust, ist einigermaßen kurzatmig und fühlt starke Beklemmtheit bei körperlicher Anstrengung. Sie hustet wenig, fiebert niemals, gibt nie

Fig. 8.

auf. Ihre Beschwerden, die wenigstens 4 Jahre bestehen, sind allmählich schlimmer geworden, so daß sich das Gefühl der Beklemmtheit in immer kürzerer Zeit beim Gehen einstellt. Wenn sie ruht, fühlt sie sich sehr wohl. Patientin ist früher niemals krank oder bettlägerig gewesen, ihr Appetit und ihr Schlaf sind ziemlich gut. Sie stammt aus gesunder Familie, hat drei gesunde Kinder. Sie ist nicht ‘ab- gemagert, hat niemals Blut aufgegeben; kein NachtschweiB. Sie hat lange in Chile gewohnt.

Verschiedene Ärzte, welche die Patientin auf ihren Reisen behandelten, meinten, daß sie an Pleu- ritis leide. Bei Probepunktion war jedoch keine Flüssigkeit zutage getreten.

Status praesens. Patientin ist eine gut eniwickelte, blasse, aber nicht magere Frau; ihr Puls ist etwas schnell, regelmäßig, äqual, gut gefüllt; Atmung ist frequent (24), bei Inspektion ergibt sich, daß die rechte Thoraxhälfte still steht, der Spitzenstoß ist nach außen verlegt; rechts hinten buchtet der Thorax ein wenig aus, |

Bei Perkussion hört man rechts oben, sowohl an der Vorder-, als an der Hinterseite gedämpften timpanitischen Perkussionston, unter dem Schlüsselbein und unter der Spina scapulae ist der Perkussions- ton gedämpft, rechts unten hinten absolut matt. Atmungsgeräusche sind an der Dämpfungsstelle nicht zu hören; Bronchophonie und Pektoralfremitus sind geschwächt, Auf den Stellen des tympanitischen

XXIII, 1. Echinokokkus der Lunge. 56

Perkussionstons ist Bronchialatmen ohne Rhonchi zu hören. Weitere Abweichungen werden nicht gefunden. Die Temperatur war immer subfebril; in dem mit einiger Mühe erhaltenen Sputum wurden keine Tu- berkelbazillen gefunden.

Röntgenuntersuchung. Bei der röntgenoskopischen Untersuchung wird das folgende wahr: genommen (s. Fig. 3): Der Medianschatten und das Herz sind nach der linken Seite verlagert, das linke laterale oder Lungenfeld ist bedeutend verkleinert, die Wirbelsäule ist nach links. also nach der gesunden Seite, verbogen. In dorsoventraler Richtung ist das ganze rechte Lungenfeld förmlich eine einzige Schattenmasse. In ventrodorsaler Richtung bemerkt man etwas Helligkeit in der rechten Lungenspitze, darunter sieht man einen nach oben konvexen Schatten das ganze Lungenfeld einnehmen. In der Höhe der sechsten Rippe sieht man diesen Schatten mit einem scharfen, auch nach oben konvexen Rand viel dunkler werden; nach unten wird er wieder heller. Eine Untersuchung in querer und schräger Richtung ergibt, daß die den Schatten verursachende Masse den ganzen rechten Thoraxraum einnimmt, also nicht wandständig ist.

Einfluß von Aus- und Einatmung auf diesen Teil des Röntgenbildes ist nicht wahrzunehmen.

Wenn es unmöglich war, allein aus den klinischen Erscheinungen eine Diagnose zu stellen, so war das Interpretieren des Röntgenbildes nicht sehr lästig. Für die Differenzialdiagnose brauchten wir nur zu denken an: |

Lungentuberkulose; Mediastinaltumor; Pleuritis exsudativa; Lungentumor und Pleura- tumor. |

Die Diagnose Lungentuberkulose mußte verworfen werden, weil diese mit den kli- nischen Erscheinungen in Widerspruch stand. Ein derartig ausgedehnter Prozeß, der viele Jahre besteht, würde sicherlich zum Auftreten von Fieber, Kachexie, Expektoration von Tuberkelbazillen enthaltendem Sputum usw. Veranlassung gegeben haben. Durch das Stellen der Diagnose: „Lungentuberkulose“, würden wir uns nicht nur mit dem Axiom, daß die Rönt- gendiagnose dem klinischen Befunde nicht widerstreiten darf, in Widerspruch setzen, sondern

würden auch die bei der Röntgenuntersuchung konstatierten Verdrängungserscheinungen nicht erklärt sein.

Dasselbe gilt von einem Mediastinaltumor. Dieser sollte dann ausschließlich nach einer Seite hin ausgewachsen sein, selbst; die ganze rechte Lunge einnehmen, die Mediastinal- organe nach der andern Seite verdrängen, ohne Druckerscheinungen auf den Ösophagus, Ge- fäße oder Nerven zu verursachen, die linke Lunge frei lassend.

Pleuritis exsudativa, wogegen mehrere klinische Erscheinungen sprechen, ergibt ein ganz anderes Réntgenbild. Der von einem großen Exsudat verursachte Schatten ist gleich- mäßig, geht unmerklich in den Schatten der Bauchorgane über (angefüllte Komplementärräume) und ist, was ihn besonders charakterisiert, nach der Lungenspitze konkav begrenzt. Die Unter- suchung in der Querrichtung zeigte, daß kein umkapseltes Exsudat, noch eine Schwarte bestand (wandständig). An ein Exsudat, das einen nach oben geraden Schatten ergibt (ein schweres Exsudat, ein Empyem), war absolut nicht zu denken.

Hinzu kommt, daß das gefundene Réntgenbild vollkommen demjenigen eines Lungen tumors entspricht. |

Ein infiltrierender Lungentumor würde sicher in diesem Fall zu anderen klinischen Erscheinungen, z. B. Fieber, Kachexie, Expektoration, blutigen Sputa, Hämoptoe usw. Veran- lassung geben. Von einem länger als vier Jahre bestehenden Karzinom oder Sarkom der Pleura costalis, das derartige Veränderungserscheinungen zustande bringt, ist dasselbe zu sagen; außerdem war von freier Flüssigkeit in der Pleurahöhle nichts zu spüren.

Da das Röntgenbild vollständig demjenigen eines Lungentumors entspricht, und es doch kein infiltrierender Tumor sein konnte, mußte also an einen Tumor gedacht werden, der nicht infiltrierte, der nicht mit den Luftwegen kommunizierte, an einen umkapselten Tumor oder eine Zyste, deren Inhalt entweder nicht resorbiert wurde oder keine nachteilige Wirkung auf die Konstitution des Patienten ausübte, also an eine Echinokokkuszyste. Um näher verifizieren zu können, ob die Diagnose Lungenechinokokkus richtig sei, wurde Patientin in eines

der Krankenhäuser aufgenommen, wo sie von Prof. Ruitinga behandelt wurde. | m

KIEL, Din. ct o aa a a a

D B ae a mee rage

p

60 Bles. XXIII, 1.

Prof. Ruitinga!) war so freundlich, mir die folgenden Tatsachen zur Verfügung zu stellen. In dem 8. Interkostalraum, etwas auswärts von der Skapulärlinie, an jener Stelle also, wo absolute Mattheit mit aufgehobenem Atmungsgeräusch bestand und wo Stimmfremitus und Bronchophonie sehr verschwächt waren, wurde eine Probepunktion ausgeführt. |

Bei dieser Punktion kam typische, wasserhelle Flüssigkeit zum Vorschein, die aus der Pleura- höhle herrührend pathognomonisch ist für Echinokokkus. Außerdem wurden in dieser Flüssigkeit Haken gefunden und die Anwesenheit von Bernsteinsäure festgestellt. Auch enthielt die Flüssigkeit kleine Spuren Eiweiß. Zu Unrecht wird also häufig behauptet, daß Echinokokkusflüssigkeit eiweißfrei sei.

Nach dieser Probepunktion entstand bei Patientin eine Urtikaria, was auf eine Resorption der Flüssigkeit weist und evakuierte sie Zysteflüssigkeit per bronchos. Insgesamt wurden ungefähr 8 Liter Flüssigkeit entfernt.

Die Blutuntersuchung ergab 2°/, Eosinophilie. Als diese Untersuchung nach der Probepunktion wiederholt ward, wurden keine eosinophilen Zellen mehr gefunden.

Einige Tage später wurde Patientin von Prof. Rotgaus!) operiert. Die Operation wurde sehr durch die heftige Dyspnoe erschwert. Patientin war nämlich gezwungen, eine Seitenlage einzunehmen, da sonst Husten auftrat, vermutlich dadurch, daß der Echinokokkusinhalt in eine der Bronchien hinein- lief. Dies wurde allgemach besser (durch das Sinken des Flüssigkeitsniveaus), und als Patientin so weit war, daß sie, ohne heftige Hustenanfälle zu bekommen, aufrecht sitzen konnte (von Liegen auf der ge- sunden Seite konnte noch keine Rede sein), wurde die Operation bei der aufrechtsitzenden Patientin unter Lokalanästhesie vorgenommen. Die Ausführung der Operation wurde außerdem noch dadurch er- schwert, daß Patientin immer Bedürfnis bekam, nach der kranken Seite hin umzubiegen.

Die Lunge war glücklicherweise mit der Pleura verwachsen und nach Spaltung einer etwa 6—7 mm dicken Bindegewebeschicht wurde eine kleine Höhle getroffen, aus welcher sich 1 ccm Flüssigkeit auf einmal ergoB. Diese Flüssigkeit war trübe und enthielt Echinokokkushaken. Der Finger wurde in die Inzisionswunde eingeführt und dort nur eine kleine Höhle gefunden, da sehr weiches Gewebe (Mem- branen?) weiteres Eindringen verhinderte. Da die Patientin erschöpft war, wurde eine nähere Unter- suchung aufgeschoben.

Zwei Tage nach dieser Operation wurde die dicke Dränageröhre entfernt, die Untersuchung mit Finger und Sonde wiederholt und eine mit steifen Wänden versehene Höhlung gefunden, deren Ende nicht zu erreichen war. Es strömte viel trübe Flüssigkeit mit Blasen hervor; ab und zu erschien ein Stück der Mutterblase vor der Wundöffnung.

Von nun an wurden jeden Tag ziemlich viel Tochterblasen losgelöst. Das Allgemeinbefinden besserte sich sehr; es entstand keine nennenswerte Temperaturerhöhung, der Hustenreiz verminderte und Patientin konnte jede beliebige Haltung annehmen.

Am 20. Tage nach der Operation stieg die Temperatur bis über 39° und fand Eiterabsonderung statt. Die Röhre wurde dann aus der Wunde genommen und darauf wurde Patientin mit nach unten gekehrter Wunde und nach oben gekehrtem Becken aufgehoben. Unter die Wunde wurde ein Eiter- becken gehalten und Patientin ersucht, zu husten. Durch dieses Husten wurde ein Stück der Mutter- blase geboren. Mit Hilfe einer mit Gaze umwickelten Hand wurde die Blase in ihrem ganzen Umfange entfernt. Diese war größer, als jemals früher beobachtet wurde. Sie füllte das ganze Eiterbecken.

Nun trat wieder Euphorie ein, obwohl jeden Abend die Temperatur etwas stieg, doch selten bis 38°. Das Husten und Aufgeben verschwand völlig, die Kräfte nahmen zu, ebenso auch das Körpergewicht (1,2 kg in einer Woche). Subjektiv fühlte Patientin sich vollkommen wohl, sie konnte sich normal bewegen.

Die Höhlung war ursprünglich zu groß, um mit einer Sonde von 20 cm gemessen zu werden. Der Versuch, ihre Größe durch Eingießen von Wasser zu messen, miBlang. Zwar verschwand 1 Liter Wasser bequem in der Höhlung, doch Hinzufügung von mehr Wasser war unmöglich, da dann Hustenreiz folgte und alles Wasser wieder herausgebracht wurde.

5 Wochen nach der Operation, ist die Höhlung in einer Richtung (von vorn außen nach hinten innen) noch 20 cm lang, aber in anderer Richtung bedeutend kleiner geworden (siehe Fig. 4). Membranen gibt Patientin seit langem nicht mehr ab; die dicke Dränageröhre ist durch eine dünnere ersetzt worden.

Patientin war während 8 Monaten die Trägerin einer Thoraxhöhlung und einer Thoraxfistel. Der Thorax verkleinerte sich und die Höhlung ist spontan genesen.

Der Sitz des Echinokokkus muß in der Lunge angenommen werden, weil bei Palpation

ziemlich deutlich die Wand der Zyste zu weit von der Thoraxwand erachtet wurde, um als Sitz des Echinokokkus die Pleurahöhle sich denken zu können. Fünf Wochen nach der Ope-

1) Gerne bezeuge ich auch an dieser Stelle den Herren Professoren Ruitinga und Rotgans meinen Dank für die wohlwollend gegebenen Auskünfte.

XXIII, 1. | Echinokokkus der Lunge. | 61

ration für deren Beschreibung mir Prof. Rotgans in freundlichster Weise die Details ver- schaffte wurde wieder eine Röntgenuntersuchung vorgenommen (siehe Fig. 4). Die Mediasti- nalorgane liegen wieder an ihrem normalen Orte, das linke Lungenfeld ist normal groß, sogar die Biegung der Wirbelsäule ist verschwunden. Die rechte Lunge hat sich, was ihren oberen Teil betrifft, in günstiger Weise entfaltet; der untere Teil des rechten Lungen- oder lateralen Feldes wird von einer Luft enthaltenden Höhlung eingenommen. Diese Höhlung hat nach oben zwei Grenzen, eine scharfe hintere Grenze, die am höchsten liegt, und eine weniger scharfe, vordere und niedriger gelegene Grenze (die von der Platte am weitesten entfernte Grenze ist am wenigsten scharf). Die rechte Lunge bewegt sich jetzt bei Atmung; aber diese Bewegung ist mit der Thoraxbewegung verknüpft. |

Das Resultat der Operation ist also nicht allein sehr befriedigend, was die subjektiven Erscheinungen betrifft, sondern auch die anatomische Genesung ist in einigen Wochen viel

Fig. 4.

weiter fortgeschritten, als man anfänglich erwartet hatte. Nun sich gezeigt hat, daß die röntgenologische Diagnose „Lungenechinokokkus“ per exelusionem gestellt richtig ist, ergeben sich noch einige Fragen. | ‘Die erste Frage betrifft die Interpretation des Réntgenbildes. Wie muß es erklärt werden, daß der Schatten einen mehr foncierten Teil aufweist?. Die einfachste Erklärung würde sein, daß der foncierteste Teil des Schattens von der Echinokokkusblase verursacht wird, der hellere Teil von komprimiertem Lungengewebe. Es sollte dann jedoch eine verhältnismäßig kleine Blase bestanden haben, welche viel Lungengewebe bedeutend komprimierte und auch Ver- drängungserscheinungen verursachte. Dies ist nicht wahrscheinlich, und wir wissen obendrein, daß die Blase 3 Liter Flüssigkeit enthielt, also nicht klein sein konnte. Wie die Erklärung wohl lauten muß, ergibt sich aus Fig. 5, einer schematischen Vorstellung des beobachteten

Falles, Der Echinokokkus, ursprünglich vielleicht zentral in dem Lungengewebe liegend, ist aus-

: \ t ., iy

-

- -

en De en Oe er

um m"

moe

.

Se ER ae ee On ee nn ina P SS - > os r

ee Be e, -i E - - EERE nn eee ee r o a aoe.

a ee ee eee eo d $ - = = 3 * x

. oe)

el

x

r

A -

Kaum. ee - a BES

nme non.

Ti pee em en 5 b r T ANIT ome eo er aE- oe. ste

ys n f l 7 u

62 Bles. l XXIII, 1.

gewachsen und zwar derartig, daß an einer bestimmten Stelle die Thoraxwände erreicht wurden, während an anderen Stellen zwischen der Thoraxwand und der Blase noch komprimiertes Lungen- gewebe anwesend war.

Die Stelle im Thorax, wo alles Lungengewebe verdrängt war, und der Inhalt also nur aus Zyste und ihrem Inhalt bestand, ließ den sehr dunklen Schatten entstehen, wurde der Ort absoluter Mattheit mit völlig aufgehobenem Atemgeräusch usw.

Die zweite Frage ist: Zeigt sich vielleicht nachträglich, daß die klinischen Erscheinungen hinreichend waren, die Diagnose zu stellen.

Verfolgen wir hierfür den lehrreichen Artikel von Eberson’, dann zeigt sich, daß unsere Patientin tatsächlich eine Reihe Erscheinungen hatte, die bei den meisten Fällen wahrgenommen sind. Hierzu gehören: trockener Husten, Schmerzen auf der Brust mit wie sich uns später zeigt Parästhesien in der Brustgegend, Dyspnoe, welche im Grade sehr wechselt; eine lokale, scharf umschriebene Ausbuchtung der Thoraxwand mit absoluter Mattheit bei Perkussion und aufgehobenem Atmungsgeräusch (bei Pleuritis exsud. würde man geschwächtes Atmungsgeräusch

Fig. 5. Schematische Skizze des von mir beobachteten Falles. v. T. und a. T. = vordere und hintere Thoraxwand. d. d. = Diaphragma. c. 1. = komprimiertes Lungengewebe.

Die schwarze Masse stellt den Echinokokkus vor, welcher das Diaphragma nach innen drückt und die Thoraxwand ausbuchtet, Geröntgent von vorne nach hinten, entsteht der Schatten 1-4, welcher nicht überall gleich dunkel ist. Teil 1—2 ist am hellsten; dann folgt 3—4; Teil 2—3 ist am schwärzesten.

oder Bronchialatmen in der Ferne gehört haben); geschwächter Fremitus und geschwächte Bronchophonie über der Dämpfungsstelle (bei einer Tuberkulose würde die Bronchophonie

‚verstärkt sein).

Ohne Zweifel setzen diese Erscheinungen uns nicht instand, die Diagnose zu stellen, um so mehr, weil Patientin niemals Blut aufgegeben hat und also auch nicht die für Lungen- echinokokkus so eigentümliche, kleine, stets sich wiederholende Lungenblutungen aufwies.

Auch Eberson, der deutlich auf die Unterschiede zwischen Lungenechinokokkus und Tuberkulose oder Pleuritis hinwies, ist der Meinung, daß die Diagnose Lungenechinokokkus erst gestellt werden kann, wenn typische Membranen, Haken oder kleine Tochterblasen in dem Sputum angetroffen werden.

Eine andere Frage ist: Wie kommt es, daß bei früheren Probepunktionen keine Flüssig- keit entleert wurde?

Verschiedene Faktoren können Ben beigetragen haben. In erster Linie ist es möglich, daß der Echinokokkus damals noch mehr zentral in dem Lungengewebe lag. Zweitens ist es möglich, daß man eine Pleuritis voraussetzend nicht tief genug eingestochen hat. Und drittens ist bei der Probepunktion, die in Amsterdam stattfand, mit dem Resultat der ausgeführten Untersuchung Rechnung gehalten worden, d. h., die Probepunktion geschah, wie oben gesagt, an der Stelle des sehr dunklen Schattens, wo absolute Mattheit mit aufgehobenem Atemgeräusch bestand usw.

1) J.H. Eberson: „Over Echinococcus der longen“. Ned. Tydschrift voor Geneeskunde, 1897. Deel I, pag. 331.

XXIII, 1. Uber die Schlattersche Krankheit (partielle Fraktur der Tuberosität der Tibia). 63

Schließlich noch die Frage: Auf welche Weise hat hier die Infektion stattgefunden?

Patientin wohnte lange in Valparaiso. Dort ist eine ungewöhnlich große Anzahl Hunde anzutreffen, so daß die Straßen in hohem Maße durch Hundefäkalien verunreinigt sind, welche dort eintrocknen und durch den meistens kräftigen Wind verstäuben, wodurch dort eine gute Gelegenheit für Infektion durch Inhalation besteht. Es gibt jedoch noch eine zweite Mög- lichkeit. Während des Erdbebens im Jahre 1906 fiel Patientin in Valparaiso vornüber auf die Straße mit dem Gesicht in den Schmutz. Sie geriet dann unter eine umstürzende Mauer und mußte ungefähr zwei Stunden liegen bleiben. Es hätte nun möglicherweise sein können, daß Patientin bei dieser Gelegenheit etwas von dem schlammigen Schmutz hinuntergeschluckt hätte, so daß eine Infektion von dem Darmkanal aus auch sehr gut möglich ware. Der Weg, wel- chen ein Embryo zurücklegen müßte, um von dem Darnıkanal aus in die Lungen zu kommen (längs Lymphe- oder Blutbahn), ist sehr viel komplizierter als der Weg durch Inhalation; daß jedoch derartige Wege von Embryonen durchwandelt werden können, beweisen die Echino- kokken im Gehirn und anderen Organen.

Publikation dieses Falles erachte ich aus mehreren Gründen gerechtfertigt: Der Lungen- echinokokkus ist eine seltene Krankheit; das typische Röntgenbild wurde hier nicht gefunden; die Fälle, in welchen die Röntgenuntersuchung imstande war, die Diagnose zu stellen, sowohl bei Abwesenheit eines bereits erkannten Leberechinokokkus als bei dem Fehlen charakteristischer Erscheinungen, sind ganz besonders selten.

(Mitteilung aus dem Röntgenlaboratorium der 'mit dem Budapester Stefanie-Kinderhospital verbundenen Universitäts-Kinderklinik. Direktor: Dr. Johann v. Bökay, o. ö. Universitäts- professor, Königl. ung. Hofrat.)

Uber die Schlattersche Krankheit (partielle Fraktur der Tuberosität der Tibia). | Von Dr. Ignácz Péteri, Leiter des Réntgenlaboratoriums. (Hierzu Tafel III, Fig. a, b und c.)

Im Jahre 1908 beschrieb C. Schlatter und gleichzeitig mit ihm Osgood ein bis dahin unbekanntes und selten beobachtetes Krankheitsbild; der Ursprung der Krankheit obwohl sich mit derselben die Publikationen mehrerer Autoren befaßten ist auch heute noch nicht geklärt und bezüglich ihres Entstehens divergieren die Ansichten der Autoren.

Die Schlattersche Krankheit besitzt vom Standpunkte der pathologischen Bezeichnung keine geringe Bedeutung, zumal es sich um typische, einander ähnliche, in ihren Symptomen gleiche Fälle handelt. Das Wesen des pathologischen Prozesses besteht in einer, meistens bei Knaben im Pubertätsalter ein- oder beiderseitig auftretenden Verdickung der Tuberositas tibiae, deren Ursache nach Schlatter auf einen unvolkommenen Abriß des Epiphysenfortsatzes zurückzuführen ist. Es sind dies Fälle so sagt Schlatter —, in welchen die Kranken nach einer Verletzung, Schlag oder Sprung, oft aber auch ohne nachweisbare Ursache, spontan auftretende Schmerzen im Knie empfinden, ohne daß außer einem durch den auf die Tuberositas tibiae geübten Druck sich einstellenden Schmerze auch noch ein anderes Symptom vorhanden wäre. Dieses Krankheitsbild darf nicht verwechselt werden mit der totalen Fraktur der Tube- rositas tibiae, welche bekanntlich dann zustande kommt, wenn durch einen Fall aufs Knie und durch starke Flexion oder infolge zu starker Kontraktion des M. quadriceps die ganze Tubero- sität abbricht, wodurch auf der kranken Seite die Patella, ebenso auch die Tuberositas tibiae vom Normalen höher zu stehen kommt und als mobiles Gebilde in Begleitung von starken Schmerzen, Bluterguß und vollständiger Funktionsstörung palpierbar ist.

Die Umstände der partiellen Fraktur, ihr Auftreten lassen nach Schlatter sich in fol- gendem zusammenfassen:

64 Peteri. ZXIH, 1.

Das Leiden betrifft mit wenigen Ausnahmen das männliche Geschlecht und zwar zwischen 12—20 Jahren, gewöhnlich aber 13—14jährige Knaben in der Pubertät, welche nach einem Fall aufs Knie oder einen Schlag auf dasselbe oder infolge einer stärkeren Kontraktion des M. quadriceps, also oft nach einem bedeutungslosen Trauma, keinen intensiven, jedoch aber lange anhaltenden Schmerz im Knie empfinden. Dieser Schmerz kann so gering sein, daß die Kranken den Ursprung und den Zeitpunkt des Entstehens ihres Leidens gar nicht zu bestimmen wissen. Die Funktionsstörungen des kranken Fußes sind unbedeutende, maximale Flexion und Extension sind leicht ausführbar, und die Schmerzen erneuern sich, resp. werden nur dann stärker, wenn der Fuß in ‘seiner Tätigkeit intensiver in Anspruch genommen wird. Typisch ist der intensive Schmerz, welcher durch den auf die Tuberositas tibiae ausgeführten Druck verursacht wird; das Schmerzgebiet kann mittelst Finger bedeckt werden, liegt ungefähr 2!/, cm unterhalb der Kniegelenksgrube und an derselben Stelle ist auch die knécherne_Verdickung palpierbar. In frischen Fällen ist überdies noch unter der Patella eine sich teigig anfühlende Schwellung fühlbar. Als Begleitsymptom ist an der kranken Extremität eine Atrophie des inaktiven Muskels (Quadriceps-atrophie) vorhanden. Der Krankheitsverlauf ist eher chronisch, denn das Leiden hält Monate, oft 1—2 Jahre an, bis es endlich, ohne Veränderungen zurück- zulassen, zur Heilung kommt. |

Um die auf den Ursprung der Erkrankung bezüglichen Anschauungen zur Genüge vor- zuführen, erscheint es mir notwendig, vorerst den Verknöcherungsprozeß des tibialen Epiphysen- fortsatzes ein wenig zu beleuchten. Wir finden über diese Frage recht wertvolle Angaben in einer Studie von W. Bergemann, welcher auf Grund zahlreicher Röntgenaufnahmen zu dem Schlusse kommt, daß die Verknöcherung der knorpelig präformierten Tuberositas tibiae mit dem Pubertätsalter zusammenfällt, jedoch dieser Zeitpunkt nach Konstitution und Rasse Schwankungen unterliegt. Die überwiegende Mehrzahl der Autoren beobachtete die Ossifikation im Alter von 12—13 Jahren, doch gab es auch Fälle, in welchen der Ossifikationsproze8 im 8.—10. Jahre, hingegen andere, in welchen dieser im 15.—16. Lebensjahre begann. Das Ende der Ossifikation fällt auf das 18.—20., seltener auf das 25. Lebensjahr.

Auf 20 vom Knie 18—14jähriger Knaben durch Bergemann aufgenommenen Radio- grammen konnte man mit Ausnahme von 2 Fällen sehen, daß der Ossifikationsprozeß bereits begonnen und sein Grad zur allgemeinen Entwicklung in geradem Verhältnisse stand. Der Verknöcherungsvorgang geht nach den Beschreibungen von Bergemann, Schlatter, Kienböck usw. in der Weise vor sich, daß die Tuberositas tibiae im 18.—14.—15. Lebens- jahre aus einem Fortsatz besteht, welcher von der oberen scheibenartigen Tibiaepiphyse aus nach vorne quasi als Überbrückung zur Diaphyse der Tibia übergeht; in der Mitte dieses im ganzen knorpeligen schnabel- oder zungenartigen Fortsatzes erscheint ein aus mehreren Teilen zusammengesetzter Knochenkern, welcher nach unten, oben, rechts und links wächst. Gleich- zeitig mit demselben wächst auch aus der unteren Epiphysenscheibe ein zungenförmiger Knochen- kern nach unten, welcher schließlich auch mit dem vorherigen zusammentrifft und sich mit demselben vereinigt.

Jedoch zeigt dieser Typus des Ossifikationsprozesses große Variationen, indem sich Neben- knochenkerne zeigen, Einziehungen, Verdickungen usw. auftreten können.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß das Auftreten der Schlatterschen Krankheit mit dem Zeitpunkte der Verknöcherung zusammenfällt und gerade Schlatter war es, der den Ursprung des Leidens mit dem oben beschriebenen Ossifikationsproze8 in Zusammenhang brachte, indem seiner Ansicht nach der Treffpunkt der von oben nach unten und von unten nach oben wachsenden Knochenkerne einem jeden Trauma gegenüber als „locus minoris re- sistentiae“ gilt; dies ist jene Stelle, an welcher das Ligamentum patellae sich anheftet und so können abgesehen von direkten Traumen auch indirekt, z. B. infolge starker Kontraktion des Musc. quadriceps, Läsionen zustande kommen. Die Stelle der Läsion wird also die Spitze des den Knochenkern in sich schließenden Epiphysenfortsatzes sein und diese erscheint ent-

XXIII, 1. Über die Schlattersche Krankheit (partielle Fraktur der Tuberosität der Tibia). 65

weder in todeten abgehobener Lage oder bei späteren Röntgenaufnahmen kallös ver- dickt.

‘Dem lockeren Zusammenkleben der Knochenkerne, gerade dem „locus minoris resistentiae“, ist es zuzuschreiben, sagt Schlatter, daß schon ein unbedeutendes Trauma (hierher zählt auch eine starke Kontraktion des M. quadriceps) eine partielle Fraktur der Tuberositas tibiae her- vorrufen kann und dieser Umstand erklärt auch den Zeitpunkt des Auftretens der Krank- heit (13.—15. Lebensjahr). Daß die Krankheit zumeist bei Knaben auftritt, ist damit zu er- klären, daß Knaben eine größere Muskelkraft besitzen, größere Muskelarbeiten leisten als _ Madchen.

Dieser Schlatterschen Erklärung gegenüber negiert Jakobsthal überhaupt, daß es sich hier um Frakturen handeln sollte, denn hierzu bieten weder die Anamnese, noch der Krank- heitsverlauf, noch das Röntgenbild genügende Grundlagen, sondern es erscheint viel wahr- scheinlicher, daß auf der Tuberositas tibiae im Pubertätsalter spontan auftretende schmerzhafte Schwellungen (uni- oder bilateral) auf Störungen in der Knochenbildung zurückzuführen sind und statt des typischen Ossifikationsprozesses erscheinen auf der Röntgenplatte in den ossifi- zierenden Gebilden Unregelmäßigkeiten, und zwar die vom normalen abweichende Begrenztheit des schnabelartigen Fortsatzes sowohl gegen die knorpeligen Teile, wie gegen das Periost (pathologische Prozesse an der Knorpelgrenze) und so können diese Prozesse mit der späteren Rachitis in Relation gebracht werden.

Auf den durch Bergemann von gesunden Knaben gemachten, die Ossifikation der Tube- rositas tibiae zeigenden Röntgenaufnahmen, bei einem großen Teil derselben schien es, als hätte der schnabelförmige Fortsatz eine Infraktion erlitten, zumal abgesprungene oder ausgerissene Knochenteilchen, ohne jedes äußere klinische Symptom oder Funktionsstörung, sichtbar waren. Dies vorausschickend, führt er auch die „Schlatterschen Fälle“ auf eine unregelmäßige Knochenbildung zurück, denn so sagt er-— es ist ja bekannt, daß die Knochenbildungs- stätten in den Epiphysenlinien zu suchen sind; diese üben auf allerlei Reize eine stärkere Reaktion aus, welche mit einer bald stärkeren, bald schwächeren Knochenbildung antworten und bezieht sich dies hauptsächlich auf Epiphysen, welche traumatischen Reizen leichter zu- gänglich sind. An der Tuberositas tibiae wird vom Trauma nicht der geschützt liegende Knochenkern oder der schnabelartige Fortsatz getroffen, sondern in erster Reihe die Knorpel- schichte, welche den Keim der Knochenbildung in sich birgt. Auch die Röntgenplatten weisen darauf hin, daß die klinisch beobachtbare Schwellung nicht vom Knochen, sondern vom Knorpel bedingt ist. Es muß also vorausgesetzt werden, daß diese Art der physiologischen Produktions- steigerung den erwähnten pathologischen Prozeß im Epiphysenknorpel hervorruft. Die Frage, ob dies ein Entzündungs- oder der späten Rachitis ähnlicher Prozeß sei, ist vorläufig noch unentschieden, es unterliegt jedoch keinem Zweifel, daß man auch mit der individuellen Dis- position des Kranken rechnen muß.

Auf den Röntgenplatten Kienböcks, der ebenfalls über « einige „Schlatter“-Fälle be- richtet, war einerseits ein verwischtes Aufhellen der Konturen, andererseits ein verwischtes fleckiges Aufhellen des Innern des Epiphysenzungen- und Tuberositätskernes, teilweise dessen Zerfall oder Zerreißen sichtbar. Auf dem Bilde nämlich findet man in erster Reihe eine Knochendestruktion und bloß stellenweise eventuelle Zeichen von Knochenbildung, denn ein Hellerwerden des Knochenschattens oder ein Blaßwerden desselben bedeutet eine Destruktion, andererseits aber weisen verwischte Konturen und verwischtes Strukturbild auf eine noch vor- handene, also floride Destruktion, auf eine Ostitis hin. Kienböck bringt also die Schlatter- schen Fälle mit einer Osteochondritis in Zusammenhang, oder er supponiert eine mit der Ent- zündung der Bursa praetibialis verbundene Chondritis. Bei einem seiner Fälle wurde ein operativer Eingriff vorgenommen, wobei unter der Haut ein Abszeß mit bröckeligem Inhalt und unter demselben ein erweichter Knochenherd gefunden wurde, dessen Inhalt Tuberkulose-

bazillen in sich barg. Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 9

>.

66 Péteri. XXIII, 1.

Wertvolle Angaben finden wir in Schultzes Publikationen; in seinen acht Fallen betraf die Krankheit beiderseits das Knie, wahrend nach den Beobachtungen Schlatters das Leiden eher bloß auf der rechten Extremität auftrat. Von Schultzes Patienten konnten sich bloß zwei an ein geringes Trauma erinnern und er hält es für wahrscheinlich, daß ein solch ge- lindes Trauma bloß in hierzu prädisponiertem, krankhaft entwickeltem Knochensystem eine Verletzung herbeiführen kann, die Krankheit konnte also dadurch zustande kommen, daß der Epiphysenknorpel krank, resp. lose war, d. h. es herrschen hier dieselben oder wenigstens ähn- liche Verhältnisse, wie bei der Coxa vara: auch hier und auch dort ist in der Epiphysenlinie eine Dislokation vorhanden. Nach Schultze ist gegenüber der Theorie, als handelte es sich, hier um einen osteomyelitischen Entzündungsprozeß, die Tatsache als Hauptargument zu be- trachten, daß der Knochen niemals das Bild eines osteoporösen Knochens bietet, daß ferner die Veränderungen eher rings um den Knochenkern als im Knochenkern selbst auftreten und daß der Knochenkern seine Struktur stets bewahrt. Die Réntgenbilder Schultzes zeigen an den Epiphysen ausgesprochene Frakturen und es erscheint ihm wahrscheinlich, daß Entwick- lungsanomalien vorausgingen, welche im Periost oder in der mangelhaften Klebefähigkeit desselben zu suchen sind. Deshalb erstreckten sich seine Untersuchungen auch auf die Muskel- ansatzstellen der übrigen Knochen und er fand ähnliche Veränderungen an der Ulna, am Radius und auch am Trochanter der Fibula, welche sich als periostale Verdickungen, Beinhautverdik- kungen, sozusagen als Reaktionen infolge des Muskeltonus präsentierten. Schultze nimmt also an, daß die Schlattersche Krankheit bei solchen im Pubertätsalter stehenden Personen auftritt, welche auf normale Reize in abnormer Weise reagieren und bei denen in dieser Periode des Längswachstums eine gesteigerte Disposition zu Periostabrissen besteht; diese Disposition präsentiert sich in einer schwachen Klebefähigkeit der Beinhaut, welche auf ihrem Grunde leicht nachgibt, wodurch die knöchern-knorpelige Schichte der Tuberosität gelockert wird. Nun wird bei stärkerer Inanspruchnahme der Tuberosität der Knorpel ganz oder bloß dessen unteres Ende abgehoben, wodurch infolge kleinerer Blutungen die Bindeteile locker werden und die Tuberositas tibiae spontan abbricht.

Wir haben also fünf verschiedene Erklärungen für die Schlattersche Krankheit, doch konnte noch immer nicht festgestellt werden, welche von diesen als die richtige betrachtet werden kann.

Auch in seiner zweiten diesbezüglichen Publikation bleibt Schlatter bei seiner Ansicht und betont, daß gerade der nicht starke, jedoch anhaltende Schmerz, welcher nach einem Fall aufs Knie oder nach starker Anspannung des M. quadriceps sich einstellt, den Verdacht auf eine partielle Fraktur der Tuberositis tibiae erweckt, und nach Jahren wird eine wiederholte Kontraktion oder ein kleinerer Schlag wieder Schmerz und Schwellung hervorzurufen fähig sein. Es erscheint viel plausibler als Ursache solcher rezidivierender Schmerzen ein Trauma oder eine Fraktur, als eine Periostitis oder Entwicklungsabnormität anzunehmen. Gegen eine Un- regelmäßigkeit in der Ossifikation spricht auch der Umstand, sagt Schlatter, daß das Leiden zumeist bei stark entwickelten Knaben und eher bloß im rechten Knie auftritt.

In der Röntgenambulanz der mit dem „Stephanie“-Kinderhospital verbundenen pädiatrischen Universitätsklinik meldeten sich innerhalb kurzer Zeit zwei Fälle mit Symptomen der Schlatterschen Krankheit, deren Mitteilung um so eher wünschenswert erscheint, zumal das Leiden selten vorkommt und bei uns noch wenig bekannt ist.

F. H., 16jähriger Knabe, weiß es wohl nicht bestimmt, doch glaubt er sich erinnern zu können, daß vor ungefähr drei Jahren sein linkes Knie, vielleicht infolge eines Schlages, zu schmerzen anfing. Vor zwei Jahren fühlte er zum erstenmal eine Anschwellung unter dem linken Knie, welche auf Druck stärkeren Schmerz verursacht; Patient klagt ferner, daß er nach längerem Gehen sehr ermüdet. Infolge der Knieschmerzen war Patient, der intensiv Sport (Fußball, Radfahren usw.) betrieb, genötigt, den Sport einzuschränken, ja sogar sich auch in der Schule vom Turnen entheben zu lassen. Die Schmerzen sind

übrigens nicht so groß, daß sie ihm beim Gehen hinderlich wären. Sein rechtes Knie gab niemals zu Klagen Veranlassung.

XXIII, 1. Über die Schlattersche Krankheit (partielle Fraktur der Tuberosität der Tibia). 67

| Patient ist im Verhältnis zu seinem Alter kräftig entwickelt, und, abgesehen von der Difformität

der rechten Ohrmuschel und der Mißbildung des äußeren und inneren Gehörganges (auf diesem Ohre ist er ganz taub), ist bei ihm nichts Abnormes vorhanden. Unter dem linken Knie 3 cm von der Gelenk- grube, oberhalb der Tuberositas tibiae ist eine starke Schwellung palpierbar, ungefähr in gleichem Niveau mit der Patella. Im Vergleich zu der anderseitigen erscheint die Tuberositas tibiae nicht disloziert. Oberhalb der Geschwulst ist die Haut intakt und von normaler Farbe; keine Fluktuation. Bei Flexion des Knies über 90° klagt der Patient über Knieschmerz. Das Röntgenbild des linken Knies zeigt fol- gende Veränderungen: Die Tuberositas tibiae zeigt scharfe Konturen, die Ossifikation des schnabelartigen Fortsatzes ist noch nicht beendet, ein Knochenkern der Tuberositas tibiae liegt frei. Das untere Ende der Tuberositas tibiae, welches mit der Diaphyse im Kontakt steht, erscheint wie abgehoben, quasi wie ausgebrochen vom Periost der Diaphyse, unter der Tuberositas tibiae ist die kleine Bucht, aus welcher die Tuberositas ausgebrochen, klar sichtbar. (Fig. a.)

M. N., 13jähriges Mädchen, fühlte seit ungefähr einem Jahre Schmerzen im rechten Knie, welche manchmal kaum fühlbar, ein anderes Mal intensiver auftraten, jedoch seit einem Jahre niemals ganz ausblieben. Auf einen Schlag oder Fall kann sich Patientin nicht erinnern. Vor vier Monaten trat unter dem Knie eine auf Druck schmerzhafte Geschwulst auf.

Im Organismus der zu ihrem Alter gut entwickelten Patientin ist abgesehen von den Verände- rungen im rechten Knie nichts Abnormes zu finden. An der Vorderfläche des rechten Knies an der Grenze der Epi- und Diaphyse ist eine haselnußgroße, auf Druck empfindliche Geschwulst palpierbar, über welcher die Haut intakt, frei beweglich ist. Die Röntgenplatte des rechten Knies zeigt, daß die untere, schon an der Diaphyse haftende Spitze der Tuberositas tibiae abgehoben und aus der Beinhaut gerissen ist, die Scheidungsflächen sind uneben. Vor dem schnabelförmigen Fortsatz liegt der unklar sichtbare und granuliert erscheinende Knochenkern. Die Konturen sind aber verwischt. (Fig. b.) Operation (aus- geführt durch Professor Dr. Tiberius v. Verebély) an der Außenseite der Tuberositas tibiae ein Bogenschnitt; nach Durchschneiden der Fascia wird ein mit schleimigem Sekret gefüllter straffer Sack eröffnet, welcher sich in den erwähnten abgehobenen Teil der Tuberosität und zwischen den M. quadri- ceps hinzieht. Der zwischen den beiden Knochenoberflächen befindliche Raum ist mit lockeren blutreichen Bindegewebsgranulationen gefüllt, von welchen dieser gereinigt und der abgeschiedene osteoperiostale Lappen auf die Tibia zurückgenäht und die erwähnte Bursa in ihrem Ganzen extirpiert wird.

Der erste Fall betraf also einen 16jährigen Knaben, der vor drei Jahren im Knie zum erstenmal Schmerzen verspürte, ohne sich mit Bestimmtheit an ein Trauma erinnern zu können. Der Schmerz ist bald stärker, bald schwächer, besteht jedoch ununterbrochen. Die Tuberositas tibiae ist’ druckempfindlich, im Vergleich zur andersseitigen stark angeschwollen, jedoch nicht

disloziert und fluktuiert nicht. Die Röntgenplatte zeigt, daß es sich hier um einen wirklichen -

„Schlatterschen Fall“ handelt, indem eine partielle Fraktur der Tuberositas tibiae, resp. deren Abriß außer Zweifel besteht. Daß der Ursprung der Krankheit auf ein Trauma zurückzuführen ist, läßt sich aus der Anamnese nur ahnen; meiner Ansicht nach dürfte es kaum ein größeres Trauma gewesen sein, worauf ein älterer Knabe sich nicht erinnern könnte, es muß also viel- mehr angenommen werden, daß die beschriebenen Veränderungen durch ein kleines, jedoch wiederholt einwirkendes Trauma an der Entwicklung und in der Össifikationsperiode stehenden Tuberositas tibiae hervorgerufen wurden. Es erscheint mir ferner auch als wahrscheinlich, daß nicht nur der normale Össifikationsprozeß die Disposition für das Leiden geboten hat, sondern nach den Erklärungen von Bergemann und Schultze auch eine Unregelmäßigkeit in der Ossifikation und. ein lockeres Anhaften des Periostes. Diese Supposition wird vielleicht auch dadurch erhärtet, daß in der Familie der Patientin außer ihr noch bei zwei Angehörigen unregelmäßige Ossifikationen nachweisbar sind, so sind bei einem jüngeren Bruder beiderseits die Olekranon-Epiphysenkerne in zwei geteilt (Fig. c.), ebenso wurde dieser im Alter von 12 Jahren wegen einer Exostose am Humerus operiert, ferner bei einer Schwester, die im Alter von 14 Jahren infolge eines Traumas im rechten Knie lange Schmerzen litt, auf welche damals ein Fixationsverband angelegt wurde; rechts promeniert auch heute noch ein wenig die Tube- rositas tibiae und auf der Röntgenplatte erscheint das Periosteum oberhalb der Tuberositas tibiae verdickt. Bei diesem Falle haben meiner Ansicht nach nicht nur das Trauma und das

mit der Ossifikation zusammenfallende Alter für das Entstehen des Leidens eine Disposition 9%

ee Ze en =

68 Péteri. XXII, 1.

gebildet, sondern nach Bergemann und Schultze auch die Abnormität der Ossifikation und des Periostes, welche Umstände alle miteinander dazu beitrugen, daß die Tuberositas tibiae eine im Vergleich zum unbedeutenden Trauma hochgradige Verletzung erlitt.

In meinem zweiten Fall handelt es sich um ein 13jähriges Mädchen, welches nach län- gerem Spaziergang im rechten Knie die ersten Schmerzen verspürte, welche ungefähr seit einem Jahr mit kleinen Unterbrechungen bestehen, die klinischen Symptome entsprechen jenen des ersten Falles und auf der Röntgenplatte erwies sich auch dieser als ein „Schlatterscher Fall“. Bei diesem Falle zeigt die Tuberositas tibiae gelegentlich der Operation eher entzünd- liche Veränderungen. Zwischen der abgeschiedenen Tuberosität und der Quadrizepssehne näm- lich befindet sich eine mit Granulationen ausgefüllte Bursa, Der Inhalt derselben wurde leider nicht mikroskopisch untersucht, doch läßt sich aus dem makroskopischen Bilde der Schluß ziehen, daß es hier einen pathologischen Prozeß (Tbe., Ostitis, Osteomyelitis) gab, durch welchen das Periosteum gelockert und in seinem intensiven Anhaften verhindert wurde. Für diesen Fall ließe sich eher der Standpunkt von Kienböck und Winslow akzeptieren, die den ganzen Prozeß als eine Entzündung, Ostitis, ossifizierende Periostitis, Osteochondritis oder als gut- artige Osteomyelitis ansprechen.

Soweit man aus zwei Fällen konkludieren kann, kommen als Disposition für die Schlattersche Krankheit folgende drei Umstände in Betracht:

1. im 13—16jährigen Alter normaler Össifikationsprozeß und intensiveres Trauma,

2. bei unregelmäßigem Ossifikationsproze8 kann auch schon ein kleineres Trauma die erwähnten Veränderungen hervorrufen,

8. es kann infolge eines pathologischen (Entzündungs-) Prozesses das Periosteum ge- lockert, also auch schon durch eine stärkere Kontraktion des M. quadriceps von seiner An- haftungsstelle abgehoben werden.

Literatur.

C. Schlatter, Verletzungen des schnabelförmigen Fortsatzes der oberen Tibiaepiphyse. Beiträge zur klinischen Chirurgie. XXXVIII. Bd. S. 874. 1903.

C. Schlatter, Unvollständige Abrißfrakturen der Tuberositas tibiae oder Wachstumsanomalien. Beiträge zur klinischen Chirurgie. 59. Bd. S. 518. 1908.

E. Schultze, Zur Schlatterschen Krankheit. Symptom einer Systemerkrankung. Arch. f. klin. Chirurgie. 100. Bd. 2. H. S. 458.

W. Bergemann, Über die Entwicklung der Tuberositas tibiae und ihre typische Erkrankung in der Adoleszenz. Arch. f. klin. Chirurgie. 89. Bd. S. 477. 1909.

H. Jakobsthal, Über die in der Adoleszenz auftretende Verdickung der Tuberositas tibiae. Deutsche Zeitsch.ıft für Chirurgie. 86. Bd. S. 493. 1907.

R. Kienböck, Über Osteochondritis an der Tuberositas tibiae und die sogenannte Osgood-Schlattersche Erkrankung. Fortschritte auf dem Geb. d. Réntgenstrahlen. XV. Bd. S. 135. 1910.

Winslow, Cit. nach Bergemann.

ql

XXIII, 1. Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. 69

Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich’) der

` Deutschen Röntgengesellschaft.

Redigiert vom Vorsitzenden der Kommission. I. Gruppe, abgeschlossen im April 1915. Der Sitzung des Ausschusses der Deutschen Röntgengesellschaft vom 18. April 1914 lag unter anderem der Antrag (Nr. 6) von Levy-Dorn vor: Eine Sonderkommission zu ernennen, welche Vergleichstabellen aller einigermaßen zuverlässigen Dosimeter in die Wege

leitet. Der Antrag wurde von Levy-Dorn mündlich mit den diesbezüglichen Unstimmigkeiten

und ihren üblen praktischen Folgen eingehend begründet und im Schoße des Ausschusses von verschiedenen Gesichtspunkten aus diskutiert. Diese Diskussion ergab neben der Notwendigkeit, ja Dringlichkeit des Themas auch schon einen Teil der näher- und fernerliegenden Hindernisse und Schwierigkeiten, welche diesem Ziele entgegenstehen, aber auch die Wahrscheinlichkeit, ihrer in vermehrter und gemeinsamer Arbeit, die gerade auf dem Boden der Organisation der Gesell- schaft aufgebracht werden könne, Herr zu werden. Die Einsetzung der Kommission wurde einstimmig beschlossen. Als Bezeichnung derselben wurde: „Sonderkommission für Dosimeter- vergleich“ (S.-K. f. D.-V.) gewählt.

Als Mitglieder wurden gewählt die Herren Albers-Schönberg (Hamburg), Bauer (Jena), Christen (Bern), Dessauer (Frankfurt), Fürstenau (Berlin, Grossmann (Berlin), Holz- knecht (Wien), Janus (Freiburg), Kienböck (Wien), Klingelfuß (Basel), Levy-Dorn (Berlin), H. Meyer (Kiel), Walter (Hamburg), Wertheim-Salomonson (Amsterdam), v. Wieser (Wien). Als Vorsitzender wurde Holzknecht (Wien) gewählt.

Nach der Ausschußsitzung richtete der Vorsitzende der Kommission an alle Mitglieder folgendes

e

I. Rundschreiben der Sonderkommission für Dosimetervergleich.

Die deutsche Röntgengesellschaft hat die obige Kommission über Vorschlag von Professor Levy-Dorn, Berlin, eingesetzt und sowohl das von ihm bezeichnete Ziel ihrer Tätigkeit, als auch die von ihm gegebene Motivierung seines Vorschlages akzeptiert. a

Die letztere enthielt im wesentlichen die Tatsache, daß mit den jetzt im Zuge befind- lichen Veränderungen unserer Bestrahlungstechnik eine Zunahme der Inkongruenz in den An- gaben der gebräuchlichen Dosimeter auftritt, was zur Folge hat, daß dieselben ihre Eigenschaft als Maßstab sowohl der applizierten Lichtmengen, als auch der Leistungen der Apparate zu verlieren drohen. Anderseits wird infolge der mitgeteilten, zum Teil phantastisch hohen Zahlen der Eindruck erweckt, daß vielfach, insbesondere auf Seite der Fabrikation, Phantasie und Wunsch einen unerlaubt großen Anteil an den mitgeteilten Apparatleistungen habe. Die Tatsache, dab die Zahlen der Dosimeter außerdem in verschiedenem Ausmaße an Bedeutung verlieren, wenn man sie nicht bei jener Strahlenhärte und wohl auch bei jenem Strahlengemisch ermittelt, bei

1) Gemäß einem Beschluß der Kommission werden die wissenschaftlichen Teilarbeiten der einzelnen Mitglieder unverzüglich publiziert. Begründung siehe unten 8. 71, Beschluß siehe S. 72. Die von ein- zelnen Mitgliedern gezeichneten Arbeiten sind daher nicht als Enunziationen des Gesamtausschusses zu betrachten, sondern als Diskussionsbeiträge. Äußerungen des Gesamtausschusses werden ausdrücklich als solche bezeichnet werden.

70 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 1.

welchem das betreffende Dosimeter geeicht wurde, und der Umstand, daß Eichungen der Dosi- meter für einzelne höhere Strahlenhärten offenbar deshalb nicht hergestellt wurden, weil die Industrie fast täglich Apparatanordnungen bringt, welche die jeweils erreichte obere Härte- grenze beständig nach oben verschiebt und weil der praktische Betrieb notwendigerweise inner- halb großer Härtebereiche schwankt, bringen es mit sich, daß alle Dosimeter in verschiedenem Maße unterdosieren, wenn verschiedene höhere als die mittleren Härten angewandt werden. Dazu kommt noch, daß die verschiedenen Dosimeter unter sich bei Härtedifferenzen keines- wegs'in gleichen Maße unterdosieren, sondern gerade darin die allergrößten Differenzen auf- weisen. Und so kommt es, daß man mit Recht von einer krassen Verwirrung in der gegen- wärtigen Dosimetrie der Röntgenstrahlen reden kann.

Glücklicherweise scheint dieselbe die praktische Ausübung des Verfahrens nicht allzusehr zu beeinträchtigen, was offenbar seine Gründe darin hat, daß die obere quantitative Grenze durch das Hauterythem gegeben und durch prubeweise Steigerung der applizierten Mengen von jedem einzelnen Arbeiter an der Hand seines Dosimeters um so leichter ermittelt werden kann, als die durch Überschreitung entstehenden Erytheme mit wachsender Strahlenhärte wesentlich an Gefährlichkeit verloren haben, während in qualitativer Hinsicht jede Steigerung bisher bloß eine Verbesserung der Effekte hervorgerufen und die Erwartung gerechtfertigt hat, daß in dieser Richtung eine Einschränkung nie notwendig sein wird.

Nichtsdestoweniger wäre es schon in praktischer Hinsicht von Wichtigkeit, Resultate, welche mit dem einen Dosimeter kontrolliert wurden, an der Hand eines anderen reproduzieren zu können, was jetzt keineswegs möglich ist. Mit wissenschaftlicher Vollständigkeit durch- geführte Arbeiten auf dem Gebiete der speziellen Dosierung bei den verschiedenen Affektionen vollends sind gegenwärtig unmöglich, wären aber an sich und mit Rücksicht auf ihre Rück- wirkung auf die praktische Tätigkeit von größter Bedeutung.

Die Aufgabe, die Dosimeterangaben für die Reproduktion verwertbar zu machen, also Vergleichstabellen für die verschiedenen Dosimeter und für verschiedene Härtestufen herzu- stellen, ist eine ziemlich umfangreiche, und es erscheint daher zweckmäßig, sie im Sinne der Arbeitsteilung auf die Kommissionsmitglieder aufzuteilen. Bevor aber über Vorschläge hierzu beraten werden konnte, haben sich innerhalb der Kommission Stimmen erhoben, welche diesen immerhin relativ einfachen Weg als unzulänglich bezeichnen, weil, wie sie behaupteten, schon vom gleichen Apparat bei verschiedenen Schaltungen, nun erst bei verschiedenen Apparaten, verschiedene Lichtgemische produziert werden, so daß die ermittelten Tabellen wieder nur für jenen Apparat und jene Schaltung desselben gelten würden, bei welcher sie hergestellt wurden. Es sei also ein Zurückgehen auf das Strahlengemisch, eine in erste Reihe zu stellende Fixie- rung der Qualimetrie notwendig und diese gleichsam eine Vorfrage für eine gedeihliche Dosi- meterregulierung. Aber auch bezüglich des Vergleiches der Dosimeter selbst müßte als Kon- trollmittel zu exakten Verfahren der Messung gegriffen werden, welche zwar bisher nicht in der Praxis angewendet wurden, aber in physikalischen und photographischen Laboratorien Ein- tritt gefunden haben. Mit ihnen seien die Dosimeter des Praktikers zu vergleichen, nach ihnen sozusagen zu eichen. Während nun viele Kommissionsmitglieder darin einig sind, daß dies so sei, differieren doch die meisten bezüglich der Frage, welche qualitativen und quantitativen Laboratoriumsverfahren diesen Bestimmungen zugrunde zu legen sind, so daß die Vorfrage, welche Wege zur Erreichung unseres Zieles einzuschlagen sind, schon an und für sich um- fangreiche Erörterungen mit sich bringt und auch wohl nicht ohne darauf gerichtete Unter- suchungen erledigt werden kann. Unter diesen Umständen fühle ich mich keineswegs berufen, selbst ein Programm der Kommissionstätigkeit zu entwerfen, nicht einmal ein solches, das bloß als Grundlage weiterer Besprechungen dienen könnte, denn ich setze wie gesagt weitgehende Differenzen selbst bezüglich des Arbeitsprogrammes unter den einzelnen Mitgliedern voraus, glaube vielmehr recht zu tun, wenn ich vorläufig die Frage des einzuschlagenden Weges als einzigen Programmpunkt aufwerfe. Ä

XXIII, 1. Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. 71

Ich glaube Sie auch mit mir einig, wenn ich nicht viel Gutes von einer mündlichen Be-. sprechung des Arbeitsprogrammes halte, weil schon die Formulierungen der Standpunkte der einzelnen nicht nur ungemein zeitraubend, sondern auch eingehenden Studiums und teilweiser Nachprüfung bedürftig sind. Als Beispiel einer solchen Standpunktsdarlegung verweise ich auf den Artikel von Grossmann im Band XXII der „Fortschritte a. d. Geb. d. R.“, der in seinen 42 Seiten zum größten Teil nichts anderes enthält, als eine Begründung seines Vorschlages, ein bestimmtes Laboratoriumsverfahren, die Ionometrie, zugrunde zu legen. Mindestens ebenso eingehend dürften die Begründungen für die Wahl photographischer Methoden und anderer mehr ausfallen.

Weil nun diese Äußerungen der Kommissionsmitglieder an sich schon wissenschaftliche Arbeiten sind, an denen die Autoren volles Eigentumsrecht haben, weil sie ferner den anderen Kommissionsmitgliedern unter Wahrung des letzteren zugänglich gemacht werden sollen, weil endlich der einzelne in ihr häufig schon eine endgültige Lösung erblickt und mit einer längeren publizistischen Zurückhaltung derselben, etwa bis die übrigen Arbeiten der Kommission zu einem publikationsreifen Zustand gediehen sind, nicht einverstanden sein kann, und weil schließ- lich die Kommission einen Teil ihres Zieles darin erblicken darf, schon durch ihre vorläufigen Leistungen Arbeiter, welche ihr nicht angehören, anzuregen, so glaube ich auf Ihr Einver- ständnis rechnen zu dürfen, wenn ich vorschlage: Daß die Arbeiten der Kommission sozu- sagen Öffentlich vor sich gehen, das heißt also, daß ihre Einzelprodukte unverzüglich publiziert werden. Für den Fall der Zustimmung hat Herr Professor Albers-Schönberg über mein Ersuchen die Zusicherung gegeben, die Arbeiten der Kommission unverzüglich unter einem Sammeltitel in den „Fortschritten a. d. Geb. d. R.“ zu publizieren und vorgeschlagen, dieselben nach einiger Zeit in einem separaten Band zu sammeln. Ihre Zustimmung voraus- gesetzt, gehe ich weiter und schlage vor, daß möglichst viele Kommissionsmitglieder, jedes für sich, eine Art schriftliches Expose über die oben erörterte Vorfrage verfassen. Das Tbema würde etwa durch die Fragestellung: „Welcher Weg führt uns am besten zur Lösung unserer Auf- gabe, welche Schwierigkeiten stehen entgegen, welche Mittel zur Überwindung werden vor- geschlagen“, charakterisiert sein. Auch kurze Mitteilungen, zum Beispiel: „Ich halte einfache Vergleichsproben der nebeneinander bestrahlten Dosimeter für ausreichend“ oder: „Ich halte die ganze Aufgabe für unlösbar“ wären natürlich mit und ohne Begründung den großen Ar- beiten gleichberechtigt.

Es ist selbstverständlich, daß man aus der bisherigen Literatur bereits teilweise erkennen kann, in welcher Richtung sich die einzelnen Vorschläge wahrscheinlich bewegen werden, allein es ist wichtig, auch in diesem Falle die ausführliche Begründung dieser Vorschläge dem heuti- gen Stande unserer Erkenntnis und den neuerlichen Erfahrungen des einzelnen entsprechend kennen zu lernen. Naturgemäß werden im Falle der Formulierung eines konkreten Vorschlages schon bekannte Vorschläge anderer Autoren bekämpft und ihre Ablehnung begründet werden müssen. Wer darin etwa einen vermeidenswerten Anschein der Uneinigkeit der Kommission sehen würde, dürfte auch nach Ihrer Ansicht unrecht haben. Ich schlage 3. vor: Nach Studium dieser Gruppe von Arbeiten eine mündliche Besprechung gelegentlich einer Hauptausschußsitzung abzuhalten, in der wir über die weiteren Schritte schlüssig werden könnten.

Nun bitte ich unter Benützung des beiliegenden Formulars um freundliche Mitteilung bezüglich Ihres Einverständnisses: 1. mit dem vorwiegend schriftlichen Arbeitsmodus der Kom- mission, 2. mit der Publikation der Einzelleistungen, 3. mit dem Publikationsort, 4. mit dem Thema der ersten Arbeitsstufe. Endlich erbitte ich Ihre Zustimmung zu 1—4 vorausgesetzt Ihre Zusage einer in kurzem zu gewärtigenden Arbeit Ihrerseits, welche, wie ich glaube, um so wertvoller sein wird, je schärfer Sie Ihren individuellen gegenwärtigen Standpunkt bezüglich des einzuschlagenden Weges hervorkehren, weil wir dadurch in zweckmäßiger Weise zuerst die weitestgehenden Vorschläge zu hören bekommen, von welchem aus die einigende Einengung

sich weiterhin relativ leicht vollziehen wird. Das Ergebnis dieser Umfrage inklusive die Arbeits-

—- ~ Å | PRENE

eo amame nn am

72 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIIT, 1.

zusagen werde ich binnen kurzem koramieren. Letztens bitte ich um Ihre Ansicht, ob Sie die Vorschläge akzeptabel finden, daß die Korrekturen der Einzelarbeiten den anderen Kommissionsmitgliedern zugehen und daß auch Mitarbeiterleistungen von Nichtmit-

gliedern der Kommission quasi als Gäste in die Kommissionspublikationen Aufnahme finden

können: dadurch würden gewisse Arbeiten, welche die Mitarbeit technischer Spezialisten und jüngerer Kollegen erheischen, erleichtert werden.

Neben der ersten Gruppe programmatischer Arbeiten könnten schon jetzt kleine und größere Mitteilungen über einzelne Punkte, direkte praktische Vergleiche der Dosimeter unter möglichst genauer Feststellung der Art der verwendeten Strahlen, Beschreibungen neuer Meß- anordnungen und sonstige Schilderungen von Einzelerfahrungen unter den Kommissionsarbeiten Platz finden; insbesondere dürften alle einigermaßen genauen Angaben über Dosen, welche bei verschiedenartigem Licht und in verschiedenen Regionen und Altersstufen usw. tatsächlich zu Erythemen geführt haben, von größtem Werte sein. Der Grund dieses Vorschlages ist die Absicht, zu verhindern, daß Arbeiten auf diesem Gebiete zersplittert werden und zu bewirken, daß mehr derartige gemacht werden, als das ohne die Existenz der Kommission der Fall wäre.

Mit der Bitte um baldige Nachricht und eventuelle weitere Vorschläge .. .

Holzknecht mp.

Auf das I. Rundschreiben gingen Antworten aller Mitglieder ein, welche fast durchweg zustimmend waren. Nach Fallenlassen des Vorschlages der Kurrendierung der Korrekturbogen der Einzelarbeiten und nach Klarstellung eines Punktes dahin, daß natürlich jedes Mitglied Arbeiten zum Thema der Kom- mission auch außerhalb der Kommissionsberichte publizieren kann, wurde Einhelligkeit für alle Punkte erzielt und nur der Vorschlag eines einzigen bestimmten Publikationsortes wurde mit 13 gegen 1 Stimme zum Beschluß erhoben. Exposés im Sinne des ersten Rundschreibens haben 9 Mitglieder zugesagt. Die Publikation der eingegangenen beginnt unten. Sie wurde durch die allgemeine Lage und ihre Kon- sequenzen verzögert.

Angesichts derselben hat der Vorsitzende an die Mitglieder am 22. X. das folgende II. Rund- schreiben gerichtet.

II. Rundschreiben des Vorsitzenden der S.-K. f. D.-V. an die Mitglieder der Kommission.

Die Deutsche Röntgengesellschaft hat die Herbstausschußsitzung in Berlin entfallen lassen. Damit ist jedoch keineswegs präjudiziert, daß die Kommissionen ihre Tätigkeit einstellen, wenn eine gentigende Zahl von Mitgliedern Kommissionsarbeit zu leisten ganz oder teilweise im- stande sind. Zur vorläufigen Orientierung bitte ich um Mitteilung über das Maß Ihrer dies- bezüglichen Möglichkeit. Es wäre recht erfreulich, wenn die Dosimeterkommission nach dem Kriege mit den erreichbaren Resultaten hervortreten würde, die wir Daheimgebliebenen unter dem Schutze unserer mächtigen Heeresorganisationen fast wie im Frieden leisten könnten.

Es würde sich zunächst bloß darum handeln, daß diejenigen Mitglieder, welche zur Frage: „Auf welchem Versuchswege ist Ihrer Ansicht nach ein Vergleich der Dosimeter anzubahnen* einen Beitrag zugesagt, aber noch nicht abgeliefert haben, denselben schrift- lich niederlegen und einschicken. 5 Beiträge liegen druckfertig vor.

gez. Holzknecht,

Die Antworten ergaben, daß 9 Mitglieder in der Lage sind, wenn auch nicht im Friedensausmaß, die Arbeit der Kommission zu fördern.

XXIII, 1. Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. 73

Die eingelangten 8 Beiträge zur Frage des einzuschlagenden Weges.

Beitrag von Levy-Dorn (Berlin).

Ich schlage folgenden Arbeitsplan für den Sonderausschuß f. D.-V. vor:

1. Jedes Dosimeter soll von 3 verschiedenen Mitgliedern geprüft werden. 2. Einer der Prüfenden soll womöglich der Erfinder sein. 3. Zum Vergleich sollen herangezogen werden a) das Radiometre X de Sabouraud et Noiré mit und ohne Modifikation nach Holzknecht, b) das Quantimeter von Kienböck. 4. Der Vergleich soll bei den verschiedenen Härtestufen der Benoistskala (photographisch bestimmt) erfolgen, und zwar soll sowohl ohne Filter als auch wenigstens ab Benoist bei einem Filter von 8 mm Aluminium gearbeitet werden. | 5. Die Versuche sollen an verschiedenen Hauptinstrumentartypen vorgenommen werden.

Beitrag von Kienbock (Wien).

Jedes Mitglied soll behufs Ermittlung der durchschnittlichen Erythemdosen bei verschiedenen Rontgenlichtarten eingeladen werden, die norsence Serie von Versuchen anzu- stellen und dartiber zu berichten:

Die Bestrahlung soll durchweg an der Rückenhaut von Erwachsenen (gesunden Personen) stattfinden.

Versuch 1 mit weichem Licht, Versuch 2 mit mittelweichem Licht, Versuch 3 mit mittelweichem Licht und 1-mm-Aluminiumfilter, Versuch 4 mit mittelweichem Licht und 3-mm-Aluminiumfilter.

Die Bestimmung des Härtegrades hat zunächst mit der Benoistskala (oder mit der Modifikation von Benoist- Walter oder Wehnelt) zu erfolgen (natürlich kann außerdem noch als Zugabe ein anderer Härtemesser, z. B. Bauer, Christen, Klingelfuß- verwendet werden). Die Dosierung soll vor allem mit dem Radiometer von Sabouraud-Noiré-Holzknecht vorgenommen werden (frische Pastillen, nach je 5 H austauschen!).

Die genaue Analyse des Härtegrades (Strahlengemisches) soll mit einem Paar Quantimeterstreifen vorgenommen werden, welche bei dem Versuch auf der Haut liegen und senkrecht (!) von den Strahlen getroffen werden sollen. Der eine Streifen trägt halbseitig ein 1 mm dickes Aluminiumblätt- chen, der zweite Streifen einen 10 mm dicken Aluminiumblock. Dementsprechend werden abgelesen: die Oberflächendose, die 1 cm-Wassertiefendose und 10 cm-Wassertiefendose; diese beiden werden auf °/, der Oberflächendose umgerechnet.

Die Sitzungen sollen mit möglichst konstantem Licht so lange fortgesetzt werden, bis man nach Vorversuchen vermutet, ein Erythem zu erzeugen.

Eine möglichst genaue Angabe über Instrumentarium, Stromschaltung, Milliampere ist zu geben.

Die Versuche sollen mit großer Vorsicht vorgenommen werden, damit nicht Versehen unterlaufen wie ganz ungleichmäßiges Funktionieren der Röhre, Messung in einer mehr oder minder wirksamen Strahlenregion, Vergessen des Filters auf der Sabouraudpastille oder umgekehrt Auflegen desselben direkt auf die Sabouraudpastille (ohne Papierzwischenlage usw.).

Beitrag von Klingelfuß (Basel)').

Eine Darlegung meines Standpunktes zu wiederholen, halte ich für überflüssig, da ich denselben in bezug auf das Meßverfahren in der Röntgenstrahlentechnik seit dem Jahre 1908 in jährlichen Publikationen veröffentlicht habe, zuletzt in einer Sammelschrift in der „Strahlen- therapie“, Bd. 3, 1913, Seite 772—838. In einer Göttinger Dissertation von Kröncke, die vor einigen Monaten in den Annalen der Physik (Bd. 43, S. 687, 1914) publiziert ist, kommt der Verfasser zu Resultaten, die in den springenden Punkten auf Grund von experimentellen Unter- suchungen in meinen verschiedenen Publikationen veröffentlicht waren.

1) Der Beitrag lehrt, daß auch kleinere und kleinste Beiträge hier durch Literaturhinweise, ein

andermal durch unverarbeitete Tatsachen die Kommissionsarbeit sehr zu fördern imstande sind. Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XXIII. 10

74 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXI, 1.

Beitrag von Wertheim-Salomonson (Amsterdam).

Sind Vergleichstabellen der üblichen Dosimeter von allgemein gültigem Wert überhaupt zurzeit möglich?

Eine eindeutige Antwort ist schon theoretisch nicht möglich. Die Frage umfaßt einen vorwiegend physikalischen Teil und einen zweiten Teil vorwiegend physiologischen Inhalts.

Nur der erste physikalische Teil der Frage läßt sich mutmaßlich bejahend beantworten.

Wir dürfen wohl ohne weiteres annehmen, daß die gewöhnlich gebrauchte Röntgenlampe ein Gemisch von Strahlen verschiedener äquivalenter Strahlenlänge aussendet. In dieser Hin- sicht bildet sie ein vollkommenes Analogon einer beliebigen künstlichen Lichtquelle, die auch ein Strahlengemisch von verschiedener Wellenlänge produziert. Nun liegt kein einziges Be- denken vor, ein derartiges Strahlengemisch als Ganzes zu betrachten und zu messen. Hierbei wird es immer möglich sein, Resultate der verschiedenen angewandten Meßverfahren auf das Resultat eines möglichst einwandfreien Meßverfahrens zurückzuführen, resp. mit demselben zu ver- gleichen.

Für die Réntgenstrahlen kommen als einwandfreie Meßmethoden z. B. die Bolometer- methode, die Ladungsmessung isolierter Leiter usw. in Betracht. Es scheint mir, daß vielleicht auch die Ionisierungsmessung und die photographische Messung dazu gehören dürften. Mit diesem physikalischen Meßverfahren wären dann die sämtlichen sonst noch üblichen Verfahren zu vergleichen. Zu letzterer Arbeit gehört u. a. auch eine genaue Untersuchung sämtlicher Faktoren, welche die Richtigkeit oder Genauigkeit der verschiedenen dosimetrischen Messungen bestimmen.

Der Wert einer derartigen Arbeit ist außerordentlich groß; doch leider sind die bis jetzt vorliegenden Daten völlig ungenügend.

Zu dem physikalischen Teil der Frage gehört schließlich eine genaue Untersuchung über die quantitative Zusammenstellung des Strahlengemisches, wobei insbesondere die neueren Arbeiten von Bragg, Barkla, Laue, de Broglie usw. zu berücksichtigen wären.

Gegenüber diesem rein physikalischen Abschnitt der ersten Frage steht ein physiologischer Abschnitt, der etwa wie folgt formuliert werden könnte: welche ist die dynamische Wirkung eines physikalisch qualitativ und quantitativ genau erkannten Röntgenstrahlengemisches auf die lebendige Zelle?

Auch hier sind die bis jetzt bekannten Daten völlig ungenügend; erstens, weil die physi- kalische Definition noch so mangelhaft ist und zweitens, weil eine physiologische Toleranz be- steht, deren Breite noch nicht genügend bekannt ist, während auch nähere Kenntnisse etwaiger Gewebeidiosynkrasien vollständig fehlen.

Der Fehler der bis jetzt getibten Dosimetrie ist hauptsächlich eine unmittelbare Folge einer unlogischen Denkweise, die sich immer stärker zu rächen droht. In der Medizin war es bis jetzt (bis auf einige unbedeutende Ausnahmen) immer gebräuchlich, die Dosierung in rein physikalischer Weise vorzunehmen. In der Röntgenologie ist man umgekehrt vorgegangen und, wohl in Mangel eines guten physikalischen Dosierungsverfahrens hat sich das Übel ein- gebürgert, die Konsequenzen einer Dose, statt der Dose selbst, als Maß zu betrachten.

Eine „Erythemdosis* ist sowohl physikalisch als medizinisch ein nicht zulässiger Aus- druck ebensowenig als z. B. eine „Narkosedosis“. Ebenso wie ein bestimmtes Gewicht Chloroform einen Menschen vollständig narkotisieren wird, während es einen anderen kaum in das Erregungsstadium bringt, so genügt ein bestimmtes Quantum von einer bestimmten Art Röntgenstrahlenenergie das eine Mal, um eine leichte Röntgenverbrennung zu bewirken, während es unter anderen Umständen kaum ein Erythem hervorzurufen imstande wäre: die Haut braucht nur mehr sensibilisiert oder umgekehrt desensibilisiert zu werden; vielleicht genügt der Unter- schied in der Empfindlichkeit verschiedener Hautpartien, um solche Unterschiede entstehen

XXIII, 1. Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. 75

zu lassen, während es kaum denkbar ist, daß keine erhebliche individuelle Unterschiede be- stehen sollten, obgleich wir fast noch keine Anhaltspunkte besitzen, um die individuelle Emp- findlichkeit auch nur einigernraßen zu schätzen.

Zusammenfassend können wir daher sagen, daß die erste Frage nur dann bejaht werden kann, wenn dieselbe beschränkt bleibt auf dem physikalischen Teil. Sobald der physiologische Teil mit einbezogen wird, und das Resultat nach der üblichen Erythemdosis bestimmt wird, so kann die Frage wohl mit der größten Bestimmtheit verneint werden.

Die zweite Frage lautet: Welcher Weg führt wohl am besten zu denselben und warum?

Eine Übereinstimmung auf der Basis der Erythemdosis ist nicht zu erwarten. Eben- sowenig ein Vergleich der üblichen Radiometer untereinander. Ich schlage daher vor: Zuerst Übereinstimmung über eine rein physikalische einwandfreie Messung: Nachher Vergleichung der üblichen Dosimetermethoden mit jener.

Beitrag von Privatdoz. Dr. Meyer (Kiel)

(nach gemeinsam mit Dr. Lübken und Marineassistenzarzt Dr. Brock angestellten Versuchen).

Ein Vergleich der Dosimeter nach Kienböck und Sabouraud.

Es wurden von uns eine große Reihe von Versuchen angestellt, um die Dosimeter von Kienböck und Sabouraud in ihren Angaben bei wechselnder Strahlenqualität zu vergleichen.

Um die Quantimeterstreifen exakt ablesen zu können, was bekanntlich nur bei kleinen Dosen möglich ist, wurde die Versuchsanordnung immer so gewählt, daß die Sabouraudpastille nicht in der Mitte zwischen Focus und Quantimeterstreifen angebracht wurde, sondern die Pastille wurde in 9 cm Entfernung vom Focus befestigt die Quantimeterstreifen in 30 cm ‚Focusdistanz.

Bestrahlt man nun bis zur Teinte B des Sabouraud und liest man dann den auf dem Kienböckstreifen registrierten Schwärzungsgrad ab, so erhält man ungefähr 8 x, d. i. eine Dosis, die sich mit dem Kienböckschen Quantimeter gut ablesen läßt, so daß auch geringe Unterschiede nach oben und unten leicht festzustellen sind.

Es wurden nun sechs Serien von Versuchen angestellt mit sechs verschiedenen Strahlen-

qualitäten.

1. Versuchserie: Strahlenqualität BW 4

2. : , BW 5

8. ss ; BW 6

4, 5 ` BW 6+ 1 mm Alummfilter | 5. 5 Š BW 6+ 4mm ,

6. 5 BW 6 + 0,8 mm Kupferfilter.

Die Versuche ergaben das sehr auffällige Resultat, daß in allen Fällen bei Bestrahlung bis zur Teinte B des Sabouraud der Kienböckstreifen immer dieselbe Schwärzung zeigte. Die Unterschiede bei den einzelnen Versuchen waren so gering, daß sie praktisch nicht in Betracht kommen. Trotzdem also die Strahlenqualität sich änderte zwischen extrem weichen und sogenannten radiumähnlichen ultraharten Strahlen, gingen die Dosimeter nach Kienböck und Sabouraud in ihren Angaben vollkommen parallel.

Von besonderem Interesse war es, den Vergleich auch an verschiedenartigen Röntgen- _ instrumentarien, einem unterbrecherlosen und einem Instrumentarium mit Unterbrecher also mit verschiedenem Strahlengemisch durchzuführen. Das Resultat war stets dasselbe: Parallelismus der Kienböck- und Sabourauddosen.

Aus diesen Untersuchungen, die von mehreren Untersuchern immer wieder mit demselben

Ergebnis wiederholt wurden, kann ich nur den einen Schluß ziehen, daß die beiden Meß- 10*

76 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXII, 1.

instrumente Sabourand und Kienböck bei wechselnden Strahlenqualitäten gar nicht so ver- schieden anzeigen, wie auf Grund theoretischer Überlegungen (Grossmann) und anderweitiger Mitteilungen (Heinz Bauer u. a.) das anzunehmen war. Dieses Ergebnis ist nun deshalb praktisch sehr wichtig, als es uns die Möglichkeit gibt, das Dosimeter nach Kienböck stets d. h. bei Verwendung jeder beliebigen Strahlenqualität nach dem Sabouraud zu orientieren.

Es sind in letzter Zeit vielfach, namentlich von Gynäkologen, Mitteilungen erfolgt über ganz exorbitent hohe Dosen harter Strahlen, die ohne Schaden der Haut zugemutet werden könnten. Die Dosierung wurde in allen diesen Fällen mit dem Kienböckschen Quantimeter vorgenommen. Drei Möglichkeiten liegen vor, um diese mit früheren Unternehmungen im Widerspruch stehenden Angaben zu erklären:

1. Eine Hartstrahlenläsion der Haut ist etwas prinzipiell ganz anderes und verläuft ganz anders als eine Weichstrahlenläsion. Diese Annahme ist durch die in der „Strahlen- therapie“, Bd. VI, publizierten eingehenden histologischen Untersuchungen der Haut von Rost- Kiel widerlegt. |

2. Das Kienböcksche Quantimeter zeigt bei Anwendung extrem harter Strahlen viel zu hohe Dosen an verglichen mit dem Sabouraud. Diese Annahme ist durch die von mir soeben mitgeteilten Untersuchungen widerlegt. Bleibt als einzige Möglichkeit:

8. Die hohen Dosen sind in einer fehlerhaften Anwendung des Kienböckschen Quanti- meters selbst begründet. Jeder der dieses Instrument kennt, weiß, welche enorme Fehler- quellen bei seiner Anwendung möglich sind. Wir selbst haben gesehen, daß, kon- trolliert am Sabouraud, Unterschiede in der Sensibilität des Quantimeterpapiers wie 1 zu 10 vorkommen können. Wer also ohne Kritik und ohne die ständige Ver. wendung der von Kienböck selbst stets empfohlenen Sensibilitätsproben das Quantimeter be- nutzt, kann leicht enorme Fehler begehen.

Würde man stets das Kienböcksche Quantimeter mit dem Sabouraud orientieren, d. h. würde man immer feststellen, wieriel die mit dem von Kienböck abgemessene Dosis mit Sabouraud bedeutet (was von Kienböck selbst wiederholt empfohlen ist!), so wären die enormen Unterschiede in der Dosenangabe ganz unmöglich und die Riesendosen mancher Autoren würden sofort verschwinden.

Das Wesentliche an den mitgeteilten Untersuchungen ist nur, daß man diesen Vergleich zwischen beiden Dosimetern in allen Fällen, d. h. bei jeder beliebigen Strahlenqualität vornehmen kann, da, wie wir gefunden haben, abgesehen von geringen praktisch zu vernachlässigenden Abweichungen, beide Dosimeter in ihren Angaben bei wechselndem Härtegrad und bei wechselndem Strahlengemisch parallel gehen.

Beitrag von Wolfgang Freiherr von Wieser (Wien).

Man kann die vorhandenen Dosierungsinstrumente untereinander vergleichen oder jedes einzelne mit einem, wenn auch komplizierten besseren.

Ferner wird man trachten müssen, die ersteren nicht unzweckmäßig, also nicht unter ver- schiedenen, und daher auf sie verschieden wirkenden Bedingungen zu verwenden. Dadurch wird man vermeiden, von ihnen Ungebührliches zu verlangen, und dann werden ihre Anzeigen maßgebend sein.

Für bessere Instrumente scheinen mir zwei Wege offen. Entweder wir schaffen ein Instrument, das unabhängig von jeder biologischen Reaktion physikalisch die Menge Röntgen- strahlen jeder Qualität mißt, die von einer Röhre ausgehen. Um solche Instrumente richtig anwenden zu können, müßten wir dann Tabellen herstellen, die uns angeben, das dieses oder jenes Gewebe gegen eine Strahlung bestimmter Härte eine Empfindlichkeit eines bestimmten

XXIII, 1. Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. 77

Grades hat und wir daher soundso viel dieser Strahlung. an eine Stelle bringen müssen, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Oder aber wir erfinden ein Quantimeter, das gegen jede Art der Strahlung die gleiche Empfindlichkeit hat, wie ein bestimmtes Gewebe. Dieses In- strument müßte uns dann unabhängig von einem absoluten Maß einen Wert angeben, den wir auf ein Gewebe anderer Radiosensibilität anwenden können. Ich will mit der näheren Erkl&- rung dieses letzteren Instrumentes beginnen. Das Instrament müßte folgendermaßen arbeiten- Ob ich eine homogene Strahlung irgendeiner Härte oder ein Strahlungsgemisch verwende, zeigt das Instrument, sobald eine bestimmte biologische Reaktion erreicht würde, den gleichen Aus- schlag. Wenn also das Testobjekt sensibler gegen harte Strahlung ist, so müßte auch das Instrument empfindlicher gegen diese Strahlung sein. Wir haben dasselbe z.B. für die Haut am Abdomen geeicht und wollen damit eine Bestrahlung der Gesichtshaut, die gegen mittel- weiche Strahlung, sagen wir der Einfachheit halber, doppelt so empfindlich ist, als die Ab- dominalhaut kontrollieren. Wir dürfen wegen der vorhandenen Empfindlichkeit gegen Röntgen- strahlen also nur solange bestrahlen, bis das Instrument den halben Ausschlag zeigt als früher. Wenn ein zu bestrahlender Tumor z. B. aber in der Tiefe liegt, kann ich keine mittelweiche Strahlung benützen, sondern eine harte. Hat die Gesichtshaut auch gegen harte Strahlen genau die doppelte Empfindlichkeit, auch gegen die allerweichsten? Anders gestellt heißt die Frage, wenn alle Gewebe für alle Strahlungsqualitäten immer die gleiche höhere oder niedere Emp- findlichkeit zeigen, dann kann man das Instrument wirklich als besser gegenüber den alten bezeichnen und es mit den alten Qualimetern und einer Sensibilitätstabelle zusammen als voll- ständig hinreichend erachten, um auch die feinste Dosierung durchzuführen. Man darf frei- lich keine Kontrolle über die Tiefenleistung der verwendeten Röntgenstrahlen verlangen. Die nächsten Fragen, die die Kommission dann zu beantworten hätte, wären: besitzen wirklich alle Gewebe eine gleichartige Über-, Unter- oder Normalempfindlichkeit gegenüber verschiedenen Strahlenqualitäten? Besitzen wir überhaupt eine Sensibilitätstabelle, die halbwegs einen Anspruch auf Genauigkeit erheben darf?

Wir wollen uns zunächst mit der Frage befassen, was die Folge wäre, wenn nicht alle Gewebe eine gleichartige Über- oder Unterempfindlichkeit gegen jede Strahlenqualität besitzen. Ist die Gesichtshaut, die wir vorhin als Beispiel benutzt haben, nicht zweimal, sondern drei- mal so empfindlich gegen harte Strahlen als gegen mittelweiche und vielleicht ebenso empfind- lich gegen weiche, so wird der Effekt bei verschiedenen Strahlungsgemischen folgender sein: Ist in diesem Gemisch ein größerer Anteil harter Strahlen bei derselben mittleren Härte, so er- zeugen wir, wenn wir uns auf das Instrument verlassen, ein Erythem, ist dagegen ein größerer weicher Anteil vorhanden, so erzeugen wir nicht den gewünschten therapeutischen Effekt, wenn wir uns auf die Angabe, daß diese Haut zweimal so empfindlich sei, wie die Abdominalhaut und den Ausschlag des Instruments verlassen. Wir haben dann absolut keinen Vorteil, gegen- über unseren alten Instrumenten und brauchen wie bei diesen Sensibilitätstabellen für alle

Strahlenqualitäten und einen Aufschluß über die Zusammensetzung des verwendeten Strahlen-

komplexes, wie ich es weiter unten angeben werde.

Das zweite Meßinstrument sollte uns ein absolutes Maß für die vorhandene Strahlen- menge geben. Wie ich im folgenden zeigen werde, wäre dies gar kein Vorteil gegenüber den alten Instrumenten, die auch ein absolutes Maß angeben. Das uns doch nichts sagt, weil es falsch angewendet wird. Es kommt nicht nur auf die vorhandene Menge an, sondern auf die Transformation dieser Menge im Gewebe, im Gegensatz zur Transformation derselben im Meß- instrument. Um das zu verstehen, müssen wir zunächst einiges über das Wesen der Röntgen- strahlen überlegen und ferner was das Wesen ihrer Leistung ist. Welcher Theorie über das

Wesen der Röntgenstrahlen wir auch huldigen wollen, eines bleibt dabei immer konstant: die’

Energie. Was wir bei unserer Therapie wissen müssen, ist die nutzbare Transformation dieser

Energie. Wir haben also nichts davon, wenn wir diese Energie in absoluten Maßen aus-

drücken, so lange wir nicht wissen, wie diese in den Zellen des Körpers umgesetzt wird. Wir

ET

78 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 1.

können es auch gar nicht, denn zur Erkenntnis derselben gehört die Kenntnis des Umsatzes von einer Energieform in die andere, und die wird verschieden sein, je nach der verwendeten Maschine. Wenn wir einen Aufschluß haben wollen, so müssen wir die Leistung einer be- kannten Maschine mit der von uns verwendeten vergleichen, und zwar unter genau bemessenen Bedingungen. D. h. wir müssen so vorgehen, wie wir sonst in der Physik und Technik eine Energietransformation definieren und messen.

Nehmen wir als Beispiel einer Energie die Elektrizität. Wenn wir uns in der Elektro- technik über- einen Effekt Klarheit schaffen wollen, und schließlich interessiert uns dieser tat- sächliche Effekt auch in der Röntgenologie und nicht der etwa mögliche, so bestimmen wir die Spannung und die Menge des vorhandenen Stromes an uns bekannten Maschinen aber auch die Transformationsfähigkeit der betreffenden Maschinen, mit der wir Energie umwandeln, z.B. einer Glühlampe. Wir wissen, daß ein bekannter Strom bei bekannter Spannung in einer Glühlampe aus bekanntem Material eine bestimmte Arbeit leisten wird. Wir werden aber nie behaupten, über diesen Effekt einen Aufschluß geben zu können, wenn uns nur die Ampére- zahl bekannt ist, oder uns die Transformationsfähigkeit des Glühfadens nicht bekannt ist, wir diesen Effekt nicht schon gemessen haben, und zwar nicht aus dem Volt- und Ampéremeter- ausschlag, sondern aus dem Vergleich mit einer anderen uns in ihrer Leistung bekannten Lampe. Wir werden auch nie aus dem Verhalten einer Glühlampe auf das Verhalten einer anderen, deren Faden aus einem anderen Material besteht, wenn wir ihre Leistung nicht schon gemessen haben, und zwar unter den bestehenden Verhältnissen, einen Schluß -ziehen, wenn wir nur wissen, daß der vorhandene elektrische Strom in der ersten Lampe eine Lichtstärke von 16 Kerzen erzeugt.

Es wird uns auch gar nicht wundern, wenn ein elektrischer Strom bei einer bestimmten Spannung in einer Kohlenfadenlampe eine Lichtstärke von 16 Kerzen erzeugt, in einer Metall- fadenlampe aber ein Vielfaches davon. |

Wir werden auch nicht erstaunt darüber sein, wenn ein elektrischer Strom bei 110 Volt in einer bestimmten Lampe eine Lichtstärke von 16 Kerzen hervorruft und ein anderer Strom bei 220 Volt bei derselben Lampe einen weit höberen Effekt erzielt. Es wird uns auch gar nicht einfallen, aus dem Effekt dieser Glühlampe bei einer Spannung von 110 Volt einen Schluß über den zu erwartenden Effekt bei einer Spannung von 220 Volt abzuleiten, wenn wir nicht das Transformationsgesetz für beide Teile kennen.

Wir können den Effekt „Licht“ in absoluten Maßen ausdrücken, wir können aber nie- mals aus diesen absoluten Maßen des Effekts der einen Maschine ein Bild über die Leistung einer anderen Maschine ziehen, wenn wir nicht wissen, in welchem Maße sie mit der ersten verglichen, transformiert und dies noch weniger, wenn sich die Grundbedingung in einem uns unbekanntem Maß ändert.

Wenn uns die photochemischen Eigenschaften des Lichtes interessieren und wenn wir den gefundenen Effekt ausdrücken sollen, oder jemanden andern die Möglichkeit geben wollen, denselben Effekt wieder zu erzielen, so wird es uns nicht einfallen zu sagen, daß die ver- wendete Lampe 16 Kerzen gehabt hat, ob es nun eine Quarzlampe, eine Glühlampe oder eine Bogenlampe war, sondern wir werden einen entsprechenden photochemischen Effekt angeben, oder das Spektrum dieses Lichtes. Wenn wir eine Plattensorte verwenden und nicht herum- probieren wollen, werden wir in einer entsprechenden Tabelle nachsehen, wie hoch die Emp- findlichkeit dieser Platte gegenüber der anderen ist.

Was tun wir aber in der Röntgenologie? Wir wollen aus dem meßbaren absoluten Maße, der Verfärbung eines bestimmten Stückchens Bromsilber oder Bariumplatinzyanür ein Bild über den Effekt der Transformation der Röntgenstrahlen in der Haut, vielleicht noch in einem zweiten anderen und dritten Gewebe erhalten, ohne diese beiden Effekte unter allen Bedingungen verglichen zu haben, ohne uns über diese Bedingungen orientieren zu müssen, und wollen, daß dieser Effekt immer der gleiche sei in allen Fällen, auch wenn die Voraussetzungen sich ändern.

XXII, 1. Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission fiir Dosimetervergleich. 79

Wir wollen aus der einen Angabe, nämlich der Milliampérezahl oder Spannung im Sekundärstromkreis wieder denselben Effekt herstellen, obwohl vielleicht alle Bedingungen andere sind, mit Ausnahme der einen, daß wir einen Röntgenapparat und eine Réntgen- röhre en

Wir können aus Angaben, wie Milliampérezahl und Spannung, wieder dasselbe reprodu- zieren, wenn wir noch anderes wissen, nämlich was für ein Apparat verwendet wurde, was für eine Schaltung, was für eine Röhre. Wir könnten uns Tabellen anlegen und aus diesen den zu erreichenden Effekt ausrechnen. Ebenso wie man rechnerisch irgendeine Maschine auf eine bestimmte Leistung hin konstruieren und bauen kann. Aber dazu brauchten wir ein ungeheures Tabellenmaterial und jedesmal zur Bestimmung der gewünschten Leistung eine ungebührlich lange Zeit. |

Darum ist es einfacher, den Effekt selber zu messen, wie wir es ja auch tatsächlich mit unseren Dosimetern tun. Das Dosimeter gibt ein absolutes Maß der Röntgenstrahlenmenge. Aber das Dosimeter ist eben allein nicht ausreichend. Es leistet uns jetzt nicht mehr, als uns bei dem photochemischen Effekt der Glühlampe die Angabe der Kerzenstärke gegeben hat. Wir haben zu viel vom Quantimeter verlangt. Réntgenstrahlen der einen Röhre und Maschine sind eben nicht dasselbe, wie Röntgenstrahlen einer anderen Röhre und anderen Maschinen, ebenso wie das Licht einer Glühlampe nicht dasselbe ist, wie das einer Bogenlampe. Der Unterschied ist nur ein viel weitergehende. Wir müssen bei der Glühlampe das Spek- trum kennen, also auch das Spektrum der Röntgenröhre, die wir verwenden. Haben wir dieses und eine Quantitätsangabe, dann können wir mit wenigen Tabellen leicht das erreichen, was wir wollen, nämlich eine richtige Dosierung. |

Den Aufschluß über das Spektrum soll uns das Qualimeter geben. Die jetzigen Instru- mente dafür können uns aber nicht mehr leisten, als einen Mittelwert anzugeben, entsprechend ihrer Konstruktion. Der Fehler unserer bisherigen Technik liegt wohl mehr am Qualimeter, wie am Quantimeter. Wir müßten uns daher zunächst dem Qualimeter zuwenden. Bevor ich aber weiter darauf eingehe, möchte ich auf das Ursprungsthema zurück- kommen, weil sich damit der Fehler unserer Qualimetrie am leichtesten darstellen läßt.

Um den Dosimetervergleich durchzuführen, wäre es wohl das natürlichste, so wie es ja auch tatsächlich im ersten Zirkularschreiben des Vorsitzenden geschehen ist, vorzuschlagen, die verschiedenen Dosimeter nebeneinander zu exponieren und so Vergleichstabellen zu erhalten. Was wäre aber das Resultat einer solchen Arbeit?

Wir wissen heute, daß die verschiedenen Dosimeter gegenüber verschieden harten Strahlen verschiedene Empfindlichkeit zeigen. Wir wissen aber auch, daß die Resultate, die unsere heutigen Qualimeter uns geben, nicht etwas Einheitliches sind. Wenn z. B. eine Benoistskala uns anzeigt, so können diese das arithmetische Mittel aus den gleichen Anteilen 5°, und 13° harter Strahlung sein. Diese können ebensogut aus den gleichen Anteilen 6°, 7°, 11° und 12° harter Strahlung entstanden sein. Auch ihr arithmetisches Mittel wäre wieder 9°. Es müssen aber nicht einmal gleiche Anteile sein, die dasselbe arithmetische Mittel geben, sie werden es auch in den meisten Fällen gar nicht sein. Wir eruieren mit unseren Instrumenten das arithmetische Mittel eines Strahlenkomplexes. Jeder der heutigen Röntgenapparate liefert eine komplexe Strahlung, die aber ganz anders zusammengesetzt ist, als bei einem anderen Apparat und auch beim selben Apparat anders gemischt ist, wenn wir ihn mit einer anderen ‚Unterbrecherzahl, anderen Schaltung oder mit einer anderen Röhre laufen lassen. Ja, sie wird nach Dessauer auch anders, wenn die Antikathodentemperatur sich ändert.

Ein Quantimeter wird sich, wenn es sich bei Verschiedenheit der Strahlung varanhieden verhält, auch anders verhalten, wenn andere Quantitäten der gleichen Qualität in einem Strah- lungsgemisch bei gleichem arithmetischen Mittel enthalten sind. Wenn also z. B. in einer komplexen Strahlung ein größerer Anteil harter Strahlen enthalten ist, wie in einer anderen, so kann das Qualimeter noch immer die gleiche Härte anzeigen, wenn nur das arithmetische

80 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 1.

Mittel dasselbe ist, aber das Quantimeter wird einen um so größeren Ausschlag geben, je empfindlicher es für harte Strahlen ist, oder einen um so kleineren, je unempfindlicher es gegen diese Strahlung ist. Auch die Haut und alle übrigen Gewebe werden gegen diese Strahlung eine ganz andere Empfindlichkeit zeigen, als gegen eine andere derselben Härte mit geringeren harten Anteilen, dafür um so größeren Anteilen weicher Strahlen. Die Haut wird sogar gegen diese Strahlung empfindlicher sein, weil eben größere Anteile weicher Strahlung enthalten sind, je unempfindlicher das Quantimeter gegen diese Strahlung ist.

Wenn wir also dem Vorschlag, Dosimeter bei verschiedenen Härtegraden zu vergleichen, nachkommen wollen, so müssen wir alle die unendlich vielen Möglichkeiten für jeden Apparat, für jede Röhre und jede Apparattype durchprobieren, um einen Aufschluß darüber zu erlangen, wie in jedem Fall sich das verwendete Quantimeter verhalten würde. Trotz dieser ungeheuren Arbeit wäre aber unsere Tabelle unvollständig, sobald eine andere Apparattype oder Röhrentype erscheinen würde, und vor allen Dingen wüßten wir ja nie, mit welcher von den unendlich vielen Möglichkeiten wir es in diesem Falle gerade zu tun haben.

Einfach läge die Sache freilich dann, wenn wir es nicht mit einer komplexen, sondern einer homogenen oder so gut wie bomogenen Strahlung zu tun haben. Da können wir einfach vergleichen. Für homogene Strahlung reichen unsere Instrumente vollkommen zu, z. B. irgend- ein Dosimeter und der Christensche Halbwertschichtmesser. Auch viel einfachere Verfahren sind denkbar. Annähernd homogene Strahlung haben wir aber nur durch Filtration durch sehr dicke Filter zur Verfügung. Wir müssen uns daher überlegen, ob wir auch nicht einen Weg finden können, wo wir komplexe Strahlung richtig messen und richtige Vergleichstabellen herstellen können.

Bei komplexer Strahlung direkt die Dosimeter zu vergleichen, hat, wie ich oben gezeigt habe, wenig Wert. Wir können aber jede komplexe Strahlung in ihre Komponenten homo- gener Strahlen zerlegen, die wir dann untersuchen und vergleichen können. Wir müssen also zunächst auch homogene Strahlung größerer Absorptionskoeffizienten als der hochfiltrierten Strahlung erzeugen. Haben wir diese einmal, so bestimmen wir die Erythemdosis verschiedener homogener Strahlungen unter Vergleich der verschiedenen Dosimeter. Haben wir dann eine komplexe Strahlung vor uns, so müssen wir diese zerlegen und untersuchen, welche Anteile wir in ihr haben, und wieviel von jedem Anteil. Die Schwierigkeit liegt eben immer an den Qualimetern und nicht an den Quantimetern, da uns erstere eben gar keinen Aufschluß über die Zusammensetzung einer Strahlung geben. |

Ich schlage daher zunächst folgendes vor: 1. Vergleich der Dosimeter unter homogener Strahlung. 2. Bestimmung der Erythemdosen für homogene Strahlung verschiedener Penetrationsgrade. Einführung einer neuen zweckmäßigeren Qualimetrie. |

Ich halte diesen Teil der Arbeit der Kommission, nämlich die Schaffung einer rich- tigen Qualimetrie, für wichtiger als alle vorläufigen Vergleiche der Dosimeter, die doch so lange zu keinem Resultat führen können, als wir nicht wissen, unter welchen qualitativen Voraussetzungen wir untersucht haben.

Mit einem derartigen, die verschiedenen Anteile des Strahlungsgemisches differenzierenden Qualimeter und einer Vergleichstabelle haben wir die Möglichkeit, mag die Strahlung noch so komplex sein, die Erythemdosis zu finden, indem wir am Qualimeter ablesen, daß die verwendete Strahlung z. B. 50°/, Strahlung des ersten Grades, 35°/, des zweiten, 20°/, des dritten usw. enthält und in unserer Tabelle nachsehen, wann die Erythemdose erreicht ist. Wir sind aber auch in die Lage versetzt, eine bestimmte therapeutische Leistung eines anderen zu imitieren, und so denselben Effekt zu erhalten. Diesen Umstand halte ich für sehr wichtig. Was sagt mir heute eine Angabe, wie 100 x mit einer Be. harten Röhre unter 3 mm Al? Nicht sehr viel, wenn ich nicht zufällig denselben Apparat, der ebenso gut oder ebenso schlecht geht, habe, und weiß, mit welcher Röhre und bei welcher Schaltung der Effekt erzielt

XXIII, 1. Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. 81

wurde. Ich kann, wenn ich das nicht wei8, noch immer ein Erythem und lange nicht denselben Effekt erzielen, wenn mein Apparat oder meine Röhre oder meine Schaltung einen größeren weichen Anteil bei derselben mittleren Härte hat. Wenn ich aber das Gemisch genau kenne, kann ich mit meinem Apparat versuchen, dieselbe Strahlung zu erzielen oder wenn das nicht möglich ist, wenigstens das Optimum unter den gegebenen Umständen zu erreichen. Es wird aber dann auch z. B. den Firmen nicht so leicht möglich sein, mit ungeheuren Öberflächendosen einen Apparat für Tiefentherapie anzupreisen und auch an den Mann zu bringen, der dabei, weil er fast gar keine oder nur sehr wenige penetrierende Strahlen erzeugt, trotz seiner großen Oberflächendose kaum eine Tiefenwirkung entfalten kann.

Was die Zusammensetzung des Strahlengemisches ausmacht, wenn man nur eine anders konstruierte Röhre wählt, möchte ich am folgenden Beispiele zeigen: 2 Röhren, die die gleiche mittlere Härte hatten, wurden am selben Apparat gleichzeitig mit derselben Schaltung derselben primären und sekundären Belastung betrieben. Die eine Röhre gab 40 x ohne Filter in der- selben Zeit, in der die andere 20,5 x gab. Das Leistungsverhältnis der beiden Röhren ist also etwa 4:2. Nehmen wir aber die Messung, unter sonst gleichen Umständen, unter 1 mm Alu- minium vor, so ergibt die erste Röhre 12,5 x, die zweite dagegen 9x. Das Verhältnis ist also nun etwa 4:3. Nimmt man noch mehr Aluminium, so wird die Leistung der zweiten Röhre immer besser und besser, bis sie die erste sogar weit übertrifft. Verbreitung findet jetzt natürlich bei entsprechender Reklame, die erste obwohl sie viel weniger penetrierende Strahlen erzeugt. Das wäre natürlich nicht möglich, wenn man das Spektrum dieser beiden Röhren sehen könnte.

Ich möchte nun meine Vorschläge nochmals zusammenfassen. Erstens: Keine neuen Quantimeter, sondern Ausbau der bestehenden, womöglich der auf objektiver Ab- lesung beruhenden. Zweitens: Trennung der Dosimetrie für homogene und kom- plexe Strahlung, da uns für die homogene ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, der für die komplexe nicht zu verwenden ist. Drittens: Vergleichs- tabellen der Dosimeter, unter homogener Strahlung hergestellt. Viertens: Schaffung einer neuen gemischauflösenden Qualimetrie. Fünftens: Brauchbare und wissenschaftlich begründete Sensibilitätstabellen.

Beitrag von Fürstenau (Berlin). Wege und Ziele in der Dosierungsfrage.

Es erscheint mir wünschenswert, daß zunächst die wirkliche Aufgabe eines Röntgen- dosimeters scharf umgrenzt und definiert wird, bevor man sich mit der Frage, auf welche Weise die Messungen physikalisch einwandfrei erfolgen können, beschäftigt. Nun hat: bereits Christen den Begriff der Dosis in sehr anschaulicher und exakter Weise definiert*), indem er eine „biologische (wirksame) Dosis‘ und eine „physikalische (rohe) Dosis“ unterscheidet. Unter der biologischen Dosis versteht er den Anteil der im Gewebe absorbierten Strahlung, welcher jene chemischen oder sonstigen Reaktionen auslöst, in denen die Ursache der sogenannten Röntgenwirkung zu erblicken ist. Diese biologische Dosis wird in der Regel nur gleich einem je nach den Verhältnissen größeren oder geringeren Bruchteil der physikalischen Dosis sein; Christen bezeichnet den Betrag dieses Bruchteils als den „Sensibilitätskoeffizienten“. Es ist also die biologische Dosis gleich der physikalischen Dosis, multipliziert mit dem Sensibilitäts- koeffizienten.

Welche von beiden Dosen ist nun der physikalischen Messung zugänglich? Ohne weiteres leuchtet ein, daß dies sicher nicht die biologische Dosis sein kann, da wir nicht in der Lage sind, innerhalb des Gewebes festzustellen, welcher Anteil der das Gewebe durchdringenden

1) Christen, Messung und Dosierung der Röntgenstrahlen. S. 69 u. f. Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII, 11

>.

82 = Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXII, 1.

Strahlung sich an der Auslösung von Reaktionen beteiligt. Gewisse qualitative Anhaltspunkte ergeben sich ja freilich aus der Beobachtung der verschiedenen ,Réntgenempfindlichkeit* der unterschiedlichen Gewebsarten, doch wird man aus solchen natürlich niemals quantitativ den Sensibilitätskoeffizienten und damit die biologische Dosis aus der physikalischen Dosis ermitteln können. Denn wenn man versuchen wollte, zahlenmäßige Beziehungen aus solchen Beobach- tungen herzuleiten, so müßte man als Grundlage hierfür stets von der Annahme ausgehen, daß die hervorgerufene Reaktion ihrer Stärke nach in einem bestimmten zahlenmäßigen Ver- hältnis zur Strahlenmenge, welche zur Auslösung dieser Reaktion aufgewandt wurde, steht, beispielsweise ihr im einfachsten Fall direkt proportional ist. Nur auf Grund einer solchen, wie hier betont sei, durchaus hypothetischen und unwahrscheinlichen Voraussetzung könnte man zu Werten für den Sensibilitätskoeffizienten kommen. Für die Zulässigkeit einer solchen hypothetischen Annahme spricht aber vorläufig noch nichts. Wir wissen nicht, ob die Röntgenstrahlen Reaktionen auslösen, bei welchen eine einfache Energieumwandlung statt- findet, bei welchen also die zur Hervorrufung der Reaktion verbrauchte Strahlenenergie gleich ist dem in der vollzogenen Reaktion erscheinenden Energiezuwachs anderer Form. Oder ob etwa die Röntgenstrahlen in der Weise „auslösend“ wirken, daß eine relativ kleine Strahlen- energie dazu ausreicht, einen vorher labilen Gleichgewichtszustand in den Zellen zu stören und Reaktionen auszulösen, bei welchen unter Umständen außerordentlich hohe, vorher potentielle Energiemengen sich umsetzen und in die kinetische Form übergehen, ein Vorgang, wie er z.B. bei der Auslösung von Sprengwirkungen hervorgerufen wird. Bei der Unmöglichkeit, diese prinzipielle Frage mit Sicherheit zu entscheiden, entfällt uns aber die Möglichkeit, den Sen- sibilitätskoeffizienten oder die biologische Dosis zu ermitteln, und wir sind in die Notwendig- keit versetzt, uns bei den Messungen an die physikalische Dosis zu halten.

Die physikalische Dosis ist identisch mit derjenigen Strahlenmenge, welche innerhalb einer bestimmten Zeit in dem durchstrahlten Gewebe zur Absorption gebracht wird, bezogen auf die Volumeneinheit des betreffenden Gewebes. Diese Größe hat Christen bekanntlich in zahlenmäßige Beziehungen zur Flächenenergie und zur Halbwertschicht gebracht, indem er

- nachwies, daß, wenn man die mit dem Strahlendurchgang nach dem Röntgenschen Absorptions-

gesetz verknüpfte Härtung der Strahlen außer acht läßt, die physikalische Dosis proportional der Flächenenergie und umgekehrt proportional der Halbwertschicht der Strahlung ist. Bei diesem Modus hat man also zwei Größen zu ermitteln, die Flächenenergie und die Halbwert- schicht und kann dann aus beiden die physikalische Dosis ihrem Betrage nach berechnen. Man kann aber auch auf eine andere Weise vorgehen; man kann nämlich die Flächen- _

energie F, oberhalb und F, unterhalb des durchstrahlten Gewebes messen und die physikalische Dosis als Differenz dieser beiden Flächenenergien ausdrücken:

D=F—F,. Da nun wieder die Flächenenergie gleich dem Produkt aus Intensität der Strahlung und der Zeit ist, also:

F, = L -T und

Psdr, so reduziert sich die Messung der physikalischen Dosis darauf, die Intensität an zwei Stellen, nämlich unter und über der betreffenden Gewebsschicht festzustellen:

D= (J, Ba L) T. Voraussetzung für die Auflösung der Flächenenergie in das einfache Produkt aus Intensität und Zeit ist natürlich die Konstanz der Intensität, da andernfalls an die Stelle des Ausdrucks

F=I.T der Ausdruck

T

F= fl. aT 0 tritt.

XXIII, 1. Arbeiten und Verhandluugen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. 83

Aber die Konstanz der Verhältnisse ist, wie ich betonen möchte, eine ganz allgemeine Forderung, die unter allen Umständen in ihre Rechte zu treten hat; auch dann also, wenn man die physikalische Dosis durch Flachenenergie und Halbwertschicht definiert. Es muß dann nämlich die letztere während der Dauer der Bestrahlung konstant bleiben, da auch sonst die Gleichung: | |

wo a die Halbwertschicht bedeutet, nicht mehr Gültigkeit besitzt. Diese Forderung kommt im Prinzip auf genau dasselbe beraus wie die geforderte Konstanz der Intensität während der Bestrahlungsdauer; denn wenn die Halbwertschicht a sich ändert, etwa durch Weicherwerden der Röhren, dann wissen wir ja ganz genau, daß gleichzeitig sich sowohl die Intensität J, als auch infolge der nunmehr veränderten Absorptionsverhältnisse auch die Intensität J, sich ändert. Es ist ja aber auch von ganz allgemeinen Gesichtspunkten aus absolut erforderlich, daß zum mindesten die Halbwertschicht während der ganzen Dauer einer Bestrahlung praktisch konstant bleibt und sich nicht ändert. Denn wir können die Halbwertschicht der Strah- lung etwa vergleichen mit der Konzentration einer medikamentösen Lösung, während die Flächenenergie der Menge des Medikamentes entspricht. Wenn wir durch Einführung dieses Medikamentes in der bezeichneten Konzentration therapeutische Wirkungen hervorrufen wollen, so ist es ganz selbstverständlich, daß die ganze vorgeschriebene Menge eben in dieser unveränderten Konzentration appliziert wird und daß nicht etwa das Konzentrations- verhältnis willkürlich während der Applikationsdauer schwankt. Letztere Eventualität erscheint uns deshalb so fernliegend, weil es uns keinerlei praktische Schwierigkeiten jemals bereitet hat, Medikamente in bestimmter Konzentration herzustellen und letztere auch dauernd konstant zu erhalten. Bei den Röntgenstrahlen neigt aber diejenige Größe, welche jenem Konzentrations- grad entspricht, zu Schwankungen, und es ist daher die grundlegende Forderung für die Er- möglichung einer Dosierung in der Konstanterhaltung dieser Größe, also des Härtegrades der Strahlen, zu sehen. Das ist ja eine Forderung, die uns in praxi längst in Fleisch und Blut übergegangen ist und deren Erfüllung wir im praktischen Betrieb unsere ganze Aufmerksam- keit zuwenden. Wir wissen gleichzeitig, daß, wenn wir durch die nötigen Kautelen für die Unveränderlichkeit der Strahlenqualität Vorsorge getroffen haben, auch die Strahlenmenge praktisch keinen Schwankungen während der Dauer der Bestrahlungen ausgesetzt ist, sondern dieselbe ebenfalls konstant bleibt.

Das führt uns wieder darauf, die Dosis als Differenz der beiden Intensitäten J, und J, durch Multiplikation mit der Zeit zu ermitteln, .und damit reduziert sich die Messung der Dosis neben der Zeitmessung auf die Ermittlung der Strahlenintensität an zwei Stellen. Das erfordert die Anwendung von Instrumenten, welche die Strahlenintensität messen, und ich erblicke den eminenten praktischen Vorzug solcher Instrumente darin, daß die Ablesung der Intensität als einer pro Zeiteinheit rechnenden Größe in wenigen Sekunden erfolgen kann, und ferner darin, daß es ein relativ einfaches physikalisches Kriterium für die Richtigkeit ihrer Angaben gibt. Die Intensität gehorcht nämlich bekanntlich dem Gesetz, daß ihr Wert umgekehrt pro- portional zum Quadrat des Abstandes von der Strahlungsquelle sich ändert. Wir sind daher jederzeit in der Lage, eben durch Prüfung auf die Erfüllung dieses Kriteriums solche Instru- mente auf die Richtigkeit ihrer Angaben nachzukontrollieren. Nehmen die Angaben bei allen praktisch vorkommenden Härtegraden mit dem Quadrat des Abstandes zu oder ab, so ist das ein völlig hinreichendes Beweismittel dafür, daß wir die Intensität der Röntgenstrahlen wirklich messen. Auf welcher physikalischen Basis im übrigen solche Instrumente aufgebaut sind, ist letzten Endes vollkommen gleichgültig wenn nur das genannte Kriterium erfüllt ist. Der gleichen Prüfung sind natürlich auch diejenigen Methoden zugänglich, welche an Stelle der Intensität die Flächenenergie messen, denn die Intensität ist ja nichts weiter, als die Flächen-

energie pro Zeiteinheit. Man sollte also die Dosierungsinstrumente, welche man in der Praxis 11*

84 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIV, 1.

benutzt und benutzen will, einer Priifung daraufhin unterziehen, ob sie bei jeder Strahlen- qualität die Strahlenintensität anzeigen, durch Nachkontrolle des Gesetzes von der quadratischen Intensitätsänderung mit der Entfernung und sollte für die so kontrollierten Instrumente durch Vergleichung derselben untereinander Tabellen aufstellen, dann werden sich die Angaben des einen Instrumentes durch die Angaben des anderen ausdrücken und sich bestimmte Strahlen- mengen, die unter bestimmten Apparateverhältnissen erhalten worden sind, unter anderen Ver- hältnissen mit praktisch hinreichender Genauigkeit reproduzieren lassen.

Mit Instrumenten, die entsprechend vorstehenden Ausführungen die Strahlenintensität an- zeigen, kann man jederzeit auch, wie oben ausgeführt, die physikalische Dosis als Differenz der beiden Intensitäten vor und hinter der betreffenden Gewebsschicht ermitteln. Ich bin jedoch der Meinung, daß die Aufgabe der Röntgendosimetrie gar nicht darin liegt, die physikalische Dosis zu ermitteln, sondern daß ihre Aufgabe darin besteht, einfach die Strahlenintensität und durch Multiplikation mit der Zeit die Flächenenergie zu bestimmen, also genau dieselbe Größe, welche wir auch in der medikamentösen Therapie unserer Dosierung zu- grunde legen. Von einem Medikament bestimmter Qualität (Konzentration usw.) führen wir zur Erreichung einer beabsichtigten therapeutischen Wirkung eine ganz bestimmte, in gr oder ccm ausdrückbare Menge in den Organismus ein, indem wir durchaus nicht etwa durch Analyse der Ausscheidungen kontrollieren, welcher Bruchteil der zugeführten Menge im Körper absorbiert worden ist und diesen Bruchteil als sogenannte Dosis bezeichnen. Wir können ja auch gar nicht wissen, ob der nicht absorbierte Anteil, der den Körper also unverändert wieder verläßt, nicht doch beim Passieren des Körpers gewisse katalytische Wirkungen ausgelöst hat, ein Um- stand, auf den übrigens auch schon Christen aufmerksam gemacht hat. Wir messen also in. diesem Falle bei der Dosierung die zugeführte Menge und nicht die absorbierte Menge.

Ich erblicke also die Aufgabe der Röntgendosimetrie darin, ihre Meßmethoden so zu ent- wickeln, daß man einerseits die Strahlenqualität, also die Härte, andererseits die Strablenmenge in physikalisch einwandfreien Maßen festzulegen vermag und sich um die Dosis im Sinne der absorbierten Strahlenmenge erst in zweiter Linie kümmert. Wenn wir eine bestimmte reprodu- zierbare Strahlenmenge ebenso bestimmter Qualität applizieren, so werden wir aus der Erfah- rung ganz genau lernen und wissen, welchen therapeutischen Effekt wir hierdurch hervorrufen, genau so, wie wir es in der inneren Medizin machen, ohne daß wir uns dabei den Kopf zu zerbrechen brauchen darüber, welcher Bruchteil der Strahlung denn nun wirklich in bestimmten Gewebsschichten zur Absorption gelangt ist.

Beitrag von Dr. med. et phil. Th. Christen (Bern).

Strahlenmessung.

Mit Absicht setze ich als Überschrift nicht „Dosimetervergleich“, sondern „Strahlen- messung“, um damit anzudeuten, daß es in der vorliegenden großen Aufgabe nicht mit der Bestimmung von Dosen getan ist, sondern daß es sich um die Messung von verschiedenen Eigenschaften der Strahlen handelt. All die vielen, gegenwärtig der Lösung harrenden Probleme verlangen eine Menge experimenteller Arbeiten über die Bestimmung gewisser, physikalisch wohl definierter Größen: Härtegrad, Flächenenergie, Dosis. Nur wer diese Fragen im Zusammen- hang studiert, kann sich ein vollständiges Bild von dem in unserer Frage Erreichten und dem Erreichbaren schaffen.

Das hat auch der Präsident unserer Sonderkommission wohl erkannt, als er ausführte, wie sehr das Problem der Dosierung heute mehr als je und in Zukunft mit wachsender Strahlenhärte immer mehr von der Frage des Härtegrades abhängig ist.

Zudem ist der „Härtegrad“ etwas grundsätzlich Verschiedenes, je nachdem man mit einer annähernd homogenen Strahlung oder mit einem Strahlengemisch zu tun hat. Um für die

XXIII, 1. Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. 85

folgenden Uberlegungen Klarheit zu schaffen, ist daher in erster Linie die Frage nach dem Strahlengemisch zu behandeln,

A. Homogene Strahlung oder Strahlengemisch.

Hier sei vorausgeschickt, daß wir aus zwei grundsätzlich verschiedenen Motiven Interesse an einer -möglichst homogenen Strahlung haben:

1. Für bestimmte therapeutische Aufgaben sind stets bestimmte Härtegrade angezeigt. Entstehen aber gleichzeitig noch Strahlen anderen Härtegrades, die man erst mit Hilfe soge- nannter „Filter“ fernhalten muß, so bedeutet dies nicbt nur eine unerwünschte Komplikation des therapeutischen Röntgenbetriebes, sondern auch eine unzweckmäßige Verschwendung von Röntgenenergie.

2. Sobald die Strahlung nicht homogen ist, fällt es außerordentlich viel schwerer, sich über ihre physikalischen Eigenschaften und therapeutischen Wirkungen exakt Rechenschaft zu geben. |

Läßt sich einerseits der Härtegrad einer homogenen Strahlung unzweideutig durch ihre Halbwertschicht oder durch ihren Absorptionskoeffizienten bestimmen, so erfordert schon eine nur aus zwei Komponenten zusammengesetzte Strahlung die Bestimmung nicht etwa nur von zwei, sondern von drei Konstanten: nämlich zwei Absorptionskoeffizienten und einem Verteilungsfaktor. Bei drei Komponenten müßte man fünf Konstanten, nämlich drei Ab- sorptionskoeffizienten und zwei Verteilungsfaktoren kennen usw.

Dazu kommt noch eine weitere Schwierigkeit, auf die Walter schon vor Jahren auf- merksam gemacht hat. Man kann das Röntgensche Absorptionsgesetz auf Grund eines Strahlengemisches erklären, von welchem die weichen Komponenten stärker absorbiert werden, als die harten, man muß es aber nicht‘). Möglich ist auch eine Erhöhung des Härtegrades durch Beimischung harter Sekundärstrahlen, die in dem „Filter“ entstehen oder überhaupt eine Strahlentransformation irgendwelcher Art, die uns zurzeit noch unbekannt ist.

Richtig ist aber auf jeden Fall folgendes: Wenn ein Strahlengemisch vorhanden ist, d. h wenn eine Strahlung beträchtlich von der Homogenität abweicht, dann ist ihre Zusammen- setzung nimmermehr durch die Angabe einer einzigen Zahl für den „Härtegrad“ zu bestimmen. Es wurde diesbezüglich von dem Präsidenten bereits bervorgehoben, daß möglicherweise bei Verwendung verschiedener Apparate, ja selbst bei verschiedenen Schaltungen des gleichen Appa- rates, trotz gleichem Härtegrad verschiedene Reaktionen auf die Dosimeter zustande kämen. Wer das anerkennt, muß der Forderung beipflichten, daß die Dosierungskommission sich auch mit der Härtebestimmung zu befassen habe. Ich halte meinerseits diese Vermutung des Kommissionsprasidenten für durchaus gerechtfertigt.

Um die Heterogenität eines Strahlengemisches zu bestimmen, kann man auf verschiedene Art verfahren. Das eleganteste Maß für die Heterogenität ist der Quotient zweier aufeinander- folgender Halbwertschichten. Das ist so zu verstehen: Man bestimmt die Schicht Wasser, welche die Strahlung auf die Hälfte reduziert; sie sei gleich a. Dann fügt man eine weitere Schicht an, welche die Intensität wieder auf die Hälfte reduziert, also auf ein Viertel des ursprünglichen

Wertes; diese folgende Schicht sei gleich a*. Dann ist der Quotient x das Maß für die

Heterogenität. Für homogene Strahlen ist er gleich 1, mit zunehmender Heterogenität wächst er.

Etwas leichter verständlich ist vielleicht folgende Filtermethode: Man bestimmt den Grad der Härtung unter einem gegebenen Filter, wobei man zum voraus weiß, daß, je homogener die Strablung ist, desto weniger eine Härtung durch die „Filtrierung“ stattfinden kann.

1) Anmerkung bei der Korrektur. Unterdessen hat sich, dank dem Immelmann-Schütze- schen Absorptionsversuch, die bisher allgemein gültige Erklärung des Röntgenschen Absorptionsgesetzes als unzureichend erwiesen. Ich werde in einer demnächst erscheinenden Abhandlung den exakten Be- weis hiefür erbringen.

86 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXII, 1.

Auf Einzelheiten der Methodik einzutreten, hätte in diesem vorläufigen Exposé keinen Zweck.

Von grundlegender Bedeutung ist weiter die Frage, mit welcherlei Instrumenten der Härtegrad bestimmt werde. Bevor wir genau darüber orientiert sind, wie sich die Halbwert- schichten des Aluminiums gegenüber Wasser auch für sehr harte, aluminiumfiltrierte Strahlen verhalten, dürfen wir zu unsern Härtemessungen nicht ohne weiteres solche Instrumente ver- wenden, die als absorbierende Substanz Aluminium enthalten. Ich erwähne diese Frage nur andeutungsweise, um zu zeigen, wie ausgedehnte Untersuchungen über die Absorptionsvermögen verschiedener Substanzen als Vorarbeit zu unserer Hauptaufgabe notwendig sind.

B. Härtemessung.

Wichtig ist ferner, daß die Härtemessung in absolutem Maße stattfinde, also entweder durch Angabe des Absorptionskoeffizienten ausgedrückt in cm! oder was für viele ver- ständlicher und dabei genau gleich exakt ist durch Bestimmung der Halbwertschicht, aus- gedrückt in cm, beide Größen für Wasser als absorbierende Substanz oder einen andern Körper gleichen Absorptionsvermögens,

Eine weitere Frage von grundlegender Bedeutung, die noch der Bearbeitung harrt, ist die Auswahl des Meßprinzipes: Photographie, Fluoreszenz, Ionisation u. a. m. Bezüglich dieser Frage hat die vom Präsidenten unserer Sonderkommission angeführte Arbeit von Grossmann das Verdienst, den Fehler klargelegt zu haben, der zu den maßlos aufgebauschten Kienböck- zahlen geführt hat: Es ist das in den photographischen Streifen enthaltene Silber, dessen kritische Phase gerade diesen Strahlenqualitäten entspricht. Wenn an einer bestimmten Stelle des Röntgenspektrums die Halbwertschicht des Wassers wächst, während gleichzeitig diejenige des Silbers abnimmt, so muß selbstverständlich an dieser Stelle das Silberreagens als über- empfindlich erscheinen.

Wir müssen daher auch für unsere Härteskalen ähnliche Störungen von seiten des Silbers argwöhnen und sollten jedenfalls solche Instrumente vermeiden, die als absorbierende Substanz Silber enthalten. Aus dem gleichen Grunde ist bei allen photographischen Verfabren beson- dere Vorsicht am Platze, denn sie alle beruhen auf der Lockerung silberbaltiger Moleküle.

Sicherer in dieser Hinsicht sind daher fluorometrische und iontometrische Messungen. Vergleiche dieser beiden unter sich und gegenüber der Photographie sind noch zu wenig durchgearbeitet, um ein endgültiges Urteil zu gestatten, bauptsächlich deshalb, weil die ionto- metrischen Methoden sich noch kaum über das Vorstadium der Laboratoriumsversuche erhoben haben. Das ist der Grund, warum ich bisher die Messung der Halbwertschicht nur auf fluoro- metrischem Wege ausgeführt habe. Ich gebe aber gerne zu, daß die iontometrische Messung, sobald sie sicher arbeitet, gewisse Vorzüge hat, namentlich die Möglichkeit feinerer Teilung und den Wegfall von Helligkeitsvergleichen, die ja stets ein subjektives Moment einschließen.

Dagegen ist auf einen Fehler der bisherigen iontometrischen Härtemesser hinzuweisen: Die beiden Ionisationskammern, deren verschiedene Ionisation den Rückschluß auf die Härte gestattet, stehen nicht in der gleichen Fokaldistanz. Dadurch ist z, B. Grossmann zu dem Fehlschluß verleitet worden, es sei die Halbwertschicht von der Fokaldistanz abhängig. Das ist selbstverständlich eine Contradictio in adjecto. Allerdings entspricht das „Universaliono- meter“ der Siemens & Halske A.-G. dem Grossmannschen Modell mit zwei Kugelschalen von verschiedenem Radius, weil eben die beiden Kammern im Strahlengang hintereinander ge- schaltet sind.

Den gleichen Fehler zeigt auch der Villardsche Härtemesser. Auch hier muß man den Härtegrad um so niedriger finden, je mehr man das Instrument der Strahlenquelle nähert. Allerdings sind die Differenzen in Wirklichkeit nicht groß. Daß die Abweichung aber theo- retisch bestehen muß, das liegt an der Konstruktion der Apparate, dagegen niemals an dem Begriff der Halbwertschicht, der selbstverständlich nichts mit der Fokuldistanz zu tun hat.

XXIII, 1. Arbeiten und Verhandlungen ‘der Sonderkommission fiir Dosimetervergleich. 87

Bei dem fluorometrischen Halbwertmesser stehen die beiden Vergleichsfelder in der gleichen Fokaldistanz und damit fällt auch der genannte Fehler fort.

C. Feldhomogenität.

Auf einen Punkt ist noch besonders hinzuweisen: Bis jetzt hat man die Erfahrung ge- macht, daß die Erfolge der Tiefentherapie um so besser wurden, je härtere Strahlen angewendet wurden. Man könnte versucht sein, daraus den Schluß zu ziehen, die Wirkung sei um so besser, je homogener das Feld der Strahlung sei. Das stünde in Widerspruch mit meiner Do- sierungsformel, wonach die beste Tiefenwirkung an eine bestimmte Härte gebunden ist. Der scheinbare Widerspruch rührt daher, daß diejenigen Härtegrade, die das Optimum meiner Formel merklich überschreiten würden, technisch noch gar nicht erreicht werden konnten. Man darf sich aber dadurch nicht irremachen lassen. Der Tag ist vielleicht nicht fern, da uns die Technik Strahlen von beliebiger Härte liefert. Ich hoffe, dieses Problem sei mit der Lilienfeldröhre oder der Coolidgeschen Konstruktion bereits gelöst oder noch lösbar. Wenn zugleich die zweite Behauptung des Erfinders der letzteren richtig ist, daß die Röhre homogene Strahlen aussende, so müßten wir ihm doppelt dankbar sein.

Können wir aber einmal die Härte beliebig steigern, so werden wir es sicher erleben, daß mit allzu großer Strahlenhärte die Tiefenwirkung wieder abnimmt, daß wir also nicht ein homogenes Feld anstreben dürfen, eine Forderung, die wir streng von der dringend wünschbaren Homogenität der Strahlung scheiden müssen.

D. Dosierung.

Als obersten Grundsatz für die Dosierung möchte ich aufstellen, daß womöglich, wie bei der Härtebestimmung, in absoluten Einheiten gemessen werde. Wir müssen versuchen festzustellen, wieviel Röntgenenergie in einem Volumteil absorbiert wird. Erst wenn sich dies nicht erreichen ließe, dürften wir mit mehr oder weniger arbiträren Maßeinheiten vorlieb- nehmen.

Einen Weg zu dieser Messung hat uns Szillard gewiesen. In seiner Arbeit „On the absolute measurement of the biological action of the X-rays and gamma-rays‘ (Juniheft der Arch. of the Roentgen-ray) schlägt er vor, als Einheit diejenige Röntgenenergiemenge zu wählen, deren Absorption in 1 com Luft ein Mega-Mega-Ion, d. h, 101% Ion freimacht.

Dieser Gedanke ist ausgezeichnet und man wird sich nur fragen, ob man nicht lieber gleich die dieser lonisation entsprechende Arbeit in „erg“ angeben will.

Nach Szillard ist für eine 1,3 bis 1,4-cm-Strahlung die Sabouraud-Dosis gleich 5 bis 6 Mega-Mega-Ion. | |

Um aber hieraus die Dosis für das Körpergewebe abzuleiten, bedürfen wir vorerst ge- nauer Kenntnisse über die Verhältnisse der Halbwertschichten zwischen Wasser und Luft. Die Lösung dieser Aufgabe sollte nicht allzu schwierig sein. Auf Grund ihrer Ergebnisse und mit Rücksicht auf die bereits bekannten biologischen Befunde wird dann zu entscheiden sein, ob ‚das Mega-Mega-Ion (dem man vielleicht den Namen „1 Szillard“ geben wird) für sich allein oder in Kombination mit dem Härtegrad als Maß für die Dosis gelten darf.

Einen anderen Vorschlag bringt Fürstenau. Die seinerzeit von Forster zuerst be- schriebene und damals als unzuverlässig taxierte Einwirkung der Röntgenstrahlen auf die Selen- zelle wird neuerdings zur Messung der Intensität (Flächenenergie in der Zeiteinheit) verwendet. Immelmann (Röntgentaschenbuch 1914) erklärt das Fürstenausche „Intensimeter* für durch- aus zuverlässig. |

Da die Selenzelle vermutlich alle auffallenden Strahlen unabhängig von ihrem Härtegrad absorbiert?), so mißt dieses Instrument nicht, wie diejenigen von Szillard oder von Grossmann,

1) Anmerkung bei der Korrektur. Diese meine ursprüngliche Vermutung hat sich als un-

88 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 1.

die Dosis, sondern die Intensität (daher der Name ,Intensimeter‘) oder wenn man mit der Bestrahlungszeit multipliziert, die Flächenenergie, wie Immelmann richtig angibt.

Nun haben wir aber ein einfaches Kriterinm, um zu entscheiden, ob von zwei Instru- menten das eine die Flächenenergie und das andere die Dosis angibt: Wir brauchen nur ihre Angaben für ein und dieselbe Röhre zu dividieren und müssen so die Halbwertschicht der Strahlung erhalten.

Auf einen Punkt möchte ich an dieser Stelle noch besonders hinweisen. Fürstenau hat für die Flächenenergie eine Einheit eingeführt, die er mit F bezeichnet. Ich bedaure dies aus zwei Gründen. Erstens haben wir wahrhaftig arbiträre Einheiten genug und übergenug in der Röntgentechnik. Wenn neue Einheiten eingeführt werden, so muß ihre Wahl peinlich genau begründet werden. Zweitens darf man nicht für zwei grundsätzlich verschiedene Dinge den gleichen Buchstaben gebrauchen. Bisher wurde mit F stets die Flächenenergie als Variable bezeichnet. Man darf deshalb nicht auch die Einheit, in der die Flächenenergie gemessen wird, mit dem gleichen Buchstaben, F, bezeichnen, sonst bekommt man Gleichungen, wie etwa die folgende, die aussagen soll, daß die Flächenenergie gleich 3 Einheiten sei: F = 8F, was natürlich ein Unsinn ist.

Für alle diese Fälle ist eine Regelung auf gemeinsamer Grundlage dringend und der Vorschlag zur Begründung einer Sonderkommission durch Herrn Prof. Levy-Dorn ist deshalb als höchst zeitgemäß und sehr verdienstvoll zu begrüßen.

E. Praktische Lösung der schwebenden Fragen.

Alle die im vorigen kurz angeführten Fragen müssen gründlich studiert und experimentell durchgearbeitet werden. Und je mehr Fortschritte auf dem Gebiete der Strahlentechnik ge- macht werden, desto größer wird diese Arbeit werden. Sie übersteigt schon heute die Kräfte derer, die sie nur im Nebenamt betreiben.

Gewiß wird durch geeignete Arbeitsteilung, wie sie unser Kommissionspräsident vor- schlägt, schon viel erreicht, aber die Arbeit wird nicht aus einem Guß ausgeführt werden und, was von größter Bedeutung ist, sie wird nicht ohne weiteres universelle Anerkennung finden, wenn wir sie nicht auf viel breiterer Basis organisieren, wie ich im folgenden vor- schlagen möchte.

Mein Vorschlag geht dahin, eine Zentralstelle zu schaffen und eine Anzahl von Arbeits- kräften an sie zu binden, welche ihre ganze Kraft diesem Institut zu widmen haben. Der Wichtigkeit der Sache entsprechend, sollte diese Angelegenheit, sobald als die äußeren Ver- bältnisse dies gestatten, international geregelt werden, nach dem vorzüglichen Muster des internationalen Bureaus für Maß und Gewicht in Sévres. Für die deutsche Röntgengesellschaft wird es eine Ehre sein, zu dieser Gründung, die unserm Fache weit und breit Anerkennung sichern wird, die Anregung gegeben zu haben, Ich glaube bestimmt, daß man hier unrecht täte, wollte man nicht den Blick weit über die Grenzen des eigenen Vaterlandes hinaus lenken.

Ich stelle daher den formellen Antrag, es seien, sobald die Bedingungen dafür gegeben sind, bei den zuständigen Stellen die geeigneten Schritte zu unternehmen, um eine internatio- nale, von allen Kulturstaaten beschickte Kommission aus Ärzten, Physikern und Technikern einzusetzen, welche über die Schaffung eines internationalen Amtes für Strahlenmessung

zu beraten und den Regierungen darüber beförderlichst Bericht zu erstatten habe, selbstver- ‚ständlich unter Begrüßung aller hervorragenden Forscher im Auslande.

Diese Maßnahme bietet zwei Vorteile:

richtig erwiesen. Herr Prof Holzknecht hatte die Güte, mir zwei Radiogramme von Fürstenauschen

‚Selenzellen zur Einsicht zu unterbreiten. Diese zeigen, daß die absorbierenden Selenschichten sehr dünn

sind, so daß die von ihnen absorbierte Röntgenenergie der Halbwertschicht in Selen umgekehrt pro- portional sein muß, also nicht eine vom Härtegrad unabhängige Konstante sein kann.

XXIII, 1. Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. 89

1. Alle die genannten wichtigen Fragen werden von Anfang an international geregelt, ein Erfolg, der sich sowohl beim Metersystem, als bei der Festsetzung der elektrischen Ein- heiten glänzend bewährt hat.

2. Durch Beteiligung einer größeren Anzahl von Subventionsstaaten ‘können mit Leichtig- keit die nötigen Mittel beschafft werden, um das Institut von Anfang an auf genügend breiter Basis aufzubauen.

Es braucht kaum noch besonders angeführt zu werden, wie wichtig auch für den ein-.

zelnen Radiologen das Bestehen eines solchen Institutes ist: Anstatt die mehr oder weniger schön gefärbten Angaben der Fabrikanten für bare Münze nehmen zu müssen, kann er ver- langen, daß ihm ein Gutachten des internationalen Amtes vorgelegt wird. Es wird dann auch nicht mehr möglich sein, daß ein jeder, der ein neues Instrument erfindet, gleich auch die Welt mit einer neuen MeBeinheit beglückt, wie dies bis heute beinahe die Regel war. Sondern es werden die Einheiten ein für allemal von der internationalen Kommission bestimmt und von dem Institut experimentell festgelegt. Es werden ferner alle neuen Erfindungen hier ge- prüft und mit Bezug auf ihre Brauchbarkeit für quantitative Arbeiten begutachtet.

Die internationale Regelung dieser Sache wird voraussichtlich etwas mehr Zeit in An- spruch nehmen als ein Unternehmen, das allein von der deutschen Röntgengesellschaft ausginge. Aber wenn die Gründung einmal Tatsache ist, so wird hernach rascher, gründlicher und nament- lich einheitlicher gearbeitet werden, als wenn die zurzeit in Aussicht genommene Arbeitsteilung durchgeführt oder vielleicht mit den Kräften unserer Gesellschaft ein kleineres Zentralinstitut in Betrieb gesetzt würde. |

Ich bin überzeugt, daß nur eine großzügige Lösung unserer Aufgabe einen vollen Erfolg bringen und alle auf die Dauer befriedigen kann.

Ein bloßes Vergleichen der heute vorhandenen und vielleicht bald um einige vermehrten Dosimeter wäre keine gründliche wissenschaftliche Lösung unserer Aufgabe. Ich schlage vor, daß in der Sache, die nun doch einmal energisch an die Hand genommen werden soll, gleich ganze Arbeit getan wird, damit wir für die weitere Entwicklung unseres Gebietes ein blei- bendes Fundament schaffen und unser Werk auch vor dem Forum einer späten Nachwelt bestehen kann.

Daß aber die allgemeine Verwirrung von Tag zu Tag größer wird, wenn wir nicht gründlich Abhilfe schaffen, das hat unser Kommissionspräsident mit aller wünschbaren Deutlich- keit ausgesprochen.

Darum begrüße ich seine Anregung auf das lebhafteste und danke ihm dafür, daß er uns Gelegenheit gab, unsere Vorschläge der Öffentlichkeit zu unterbreiten. Daß aber Vor- arbeiten von bleibendem Werte auch von unserer Kommission geschaffen werden können, ist sicher und soll nicht in Zweifel gezogen werden.

Resümee des Vorsitzenden.

Aus den vorstehenden Beiträgen glaube ich eine Reihe von allgemeinen Ergebnissen entnehmen zu können. Zunächst, daß die Ansichten über die Wege zur Erlangung von Vergleichstabellen recht weit divergieren und zwar, daß hauptsächlich zwei Wege in Vorschlag gebracht wurden, die sich in erster Linie durch den Aufwand an Mitteln unterscheiden, ein recht einfacher und ein sehr komplizierter, wobei die Vertreter des einfachen den andern nicht in Betracht gezogen haben, während die Vertreter des komplizierten den einfachen für ungenügend erachten. Diese sind der Ansicht, daß der einfache ‘Vergleichsweg keine für alle Apparatenanordnungen zutreffenden Resultate geben würde und sie dürften z. B. den Beitrag von H. Meyer für einen möglichen Zufallsbefund halten, der an anderen Stellen anders ausfallen würde. | š

Angesichts dieser beiden vorgeschlagenen Hauptwege könnte die Forderung aufgestellt werden, daß die Kommission durch weitere Beratung und schließliche Beschlußfassung sich für den einen oder anderen entscheidet und im Falle der Annahme des komplizierteren Weges sich darüber einigt, ob sie sich berufen fühlt, in Gemeinsamkeit an dem zu suchenden exakten Verfahren zu arbeiten, oder ob sie

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen, XXIII. 12

NT TREE o

æ a Woo

90 Bücherbesprechungen. XXIII, 1.

der Ansicht ist, daß das nur Gegenstand weiterer Einzelarbeiten sein kann und daß ihre Aufgabe mit der Feststellung beendet ist, daß eine verläßliche Vergleichstabelle der existierenden Radiometer unmög- lich ist, etwa mit der Motivierung, daß jedes derselben gleichsam etwas anderes mißt und keines exakt ist.

Die Mehrzahl der Mitglieder dürfte aber der Ansicht sein, daß eine andere Konsequenz zunächst das Richtige trifft, und zwar die, die Kommissionsarbeit im Sinne der Förderung aller derjenigen Bestrebungen fortzusetzen, welche die Unstimmigkeit der Dosimeterangaben zu beseitigen vermag. Denn mit dem Vorschlag der Einsetzung der Kommission hat ja Levy-Dorn zwei verschiedene Dinge angeregt und hat mit beiden die Zustimmung der Gesellschaft gefunden: Erstens gemeinsame Arbeit an der Beseitigung der praktisch und wissenschaftlich nachteiligen Unstimmigkeit der Dosimeter- angaben, zweitens, einen bestimmten Weg zur Beseitigung dieser Unstimmigkeit. Die Ungangbarkeit des letzteren Weges, selbst wenn sie bewiesen wäre, hebt wohl nicht den Beschluß der ersteren auf.

Wenn ich noch die derzeitige Schwierigkeit der Verständigung und Beschlußfassung, welche auch den Vorschlag Christen, ein internationales Institut für Strahlenmessung anzuregen, heranziehen müßte, bedenke, so glaube ich auf die vorläufige Zustimmung der Mitglieder rechnen zu können, wenn ich bei der Führung der Geschäfte. der Kommission den Hauptzweck derselben im Auge behielt und die Mitglieder aufforderte, die Arbeiten nach Maßgabe der gegenwärtigen Möglichkeit fortzusetzen. Eine Anzahl derselben haben bereits zugestimmt, indem sie weitere Beiträge teils angekündigt, teils ein- gesandt haben.

Gegenstand der weiteren Beiträge wäre also alles, was geeignet ist, den bestehenden nachteiligen Zustand der Dosierung zu verbessern. Da aber eine Messung der applizierten oder absorbierten Quantitäten nicht ohne Messung der Härte oder Qualität möglich ist, so ist damit das ganze Feld der Messung der Röntgenstraklen, sowohl mittels handlicher, für die Praxis bestimmter Methoden und deren Verbesserungen, ala auch mittels komplizierter Laboratoriumsmethoden, die als Maßstäbe für die Beurteilung und Eichung der handlichen Verfahren in Frage kommen, Gegenstand der Kommissionsarbeit. Auch weitere Versuche über direkten Vergleich der praktischen Dosimeter können noch nützlich werden. Als Autoren kommen außer den Mitgliedern nach dem S. 72 referierten Beschluß auch von den Mitgliedern eingeführte Gäste in Betracht. In dieser Richtung dürfte in Hin- blick auf die physikalische Seite des Gegenstandes, wie sie in den obigen Beiträgen mehrfach zum Aus- druck kommt, auch die Heranziehung der Physik und Mathematik in Betracht kommen. Gegenüber dem Gedanken, die Kommissionstätigkeit einzustellen, dürfte es nicht zu verkennen sein, daß durch den Zusammenschluß der Arbeiter sowohl, als der Publikationen der Zweck nur gefördert werden kann. Werden dadurch ja alle Berufenen zur Betätigung auf diesem Gebiete angespornt und die übrigen Fach- genossen über die gegenwärtige Unstimmigkeit, die Schwierigkeit und die jeweiligen Fortschritte dieser nicht im Handumdrehen lösbaren Frage am Laufenden erhalten. Es wird eine sekundäre Frage sein, ob der Name der Kommission, der ja auch für die erweiterte, aber doch dem alten Ziele zustrebende Aufgabe in gewissem Sinne zutreffend ist, beibehalten wird oder nicht. Die Beiträge werden von der Redaktion der Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen in entgegenkommender Weise unver- züglich publiziert. Die Autoren genießen sonst die gleichen Rechte wie diejenigen der übrigen Arbeiten dieser Zeitschrift.

Bücherbesprechungen.

H. E. Schmidt: Rontgentherapie. 1V. Auflage. Berlin 1915. Aug. Hirschwald.

Nachdem innerhalb Jahresfrist die III. Auflage des „Compendium der Röntgentherapie® vergriffen war, hat sich Verfasser in dankenswerter Weise veranlaßt gesehen, unter Berücksichtigung aller Neue- rungen des Röntgeninstrumentariums und der damit Hand in Hand gehenden Fortschritte auf dem Ge- biete der Röntgentherapie sein Buch neu zu bearbeiten. DaB das Buch hierdurch nur gewonnen hat, braucht nicht erst besonders erwähnt zu werden. Es sei z. B. auf das gerade für den Anfänger wichtige Kapitel „Dosierung der Röntgenstrahlen“ hingewiesen, welches Referent in seiner jetzigen Form leichter faBlich erscheint. In dem Kapitel „Karzinome innerer Organe* haben die Behandlungsmethoden der Freiburger Schule eingehende Würdigung gefunden. Daß Verfasser den optimistischen Standpunkt der Gynäkologen nicht teilt, sei hervorgehoben.

Berichtigend sei erwähnt, daß das Lambertz-Stativ (vgl. S. 131) neuerdings mit gut funktionierendem Kugelgelenk versehen ist.

Trotz Umarbeitung und Neuhinzugefügtem hat die Neuauflage an Umfang nicht wesentlich zu- genommen; sie wird ebenso, wie die bisherigen Auflagen eine „freundliche Aufnahme finden‘.

Metzger (Frankfurt a. M.).

XXIII, 1. Bücherbesprechungen. 91

Weingärtner: Das Röntgenverfahren in der Laryngologie. Bibliothek der physikalisch- medizinischen Techniken. Bd. 8. Berlin 1914. Herm. Meusser.

Der neueste Band der von Heinz Bauer herausgegebenen Bibliothek will entsprechend der an den Anfang des Buches gestellten Frage: Was hat das Réntgenverfahren in der Laryngologie geleistet? eine kritische Übersicht und Zusammenstellung der zahlreichen Einzelpublikationen bringen.

Beginnend mit den Arbeiten, welche die Anatomie (Entwicklung, Topographie usf.) betreffen, be- spricht Verfasser weiterhin eingehend die mittels Röntgenverfahren angestellten Untersuchungen der Physiologen, durch welche unsere Kenntnisse über Phonetik und den Schluckakt wesentliche Bereicherung gefunden haben. In den nun folgenden Kapiteln finden die Tumoren und Fremdkörper eingehende Be- riicksichtigung. Den Schluß des Buches bildet die Röntgentherapie in der Laryngologie,. welche, wie Verfasser angibt, z.Z. nur geringe Verbreitung gefunden hat, weil die meisten Erkrankungen des Larynx von den Röntgenstrahlen unbeeioflußt bleiben und andrerseits technische Schwierigkeiten die volle Aus- nutzung der Strahlen verhindern.

Die bekannte gute Ausstattung der Heinz Bauerschen Bibliothek ist auch dem vorliegenden Band zuteil geworden; instruktive Abbildungen und stereoskopische Tafeln sind auch diesem Bande beigegeben.

Metzger (Frankfurt a. M.).

E. Hupka: Die Interferenz der Röntgenstrahlen. Sammlung Vieweg. Heft 18. Braun- schweig 1914. 68 Seiten, mit 33 Abbildungen und einer Doppeltafel. Preis M..2,60.

Der Verfasser gibt hier zunächst eine Schilderung der Impulstheorie der Röntgenstrahlen, worauf eine ausführliche Darlegung der Laueschen Theorie der Beugung dieser Strahlen an dem Raumgitter eines Kristalles folgt. Sodann wird auch die Braggsche Form dieser Theorie auseinandergesetzt, die sich bekanntlich auf die am Kristall reflektierte Strahlung bezog, während Laue vorzugsweise die von dem Kristall durchgelassenen Wellen im Auge hatte Weiter folgt eine Darlegung der Verschmel- zung beider Theorien durch Wulff und Terada. Dann findet man eine Beschreibung der Reflexions- versuche von Bragg und von Moseley und Darwin und daran anschließend die Schilderung der sich daraus ergebenden Molekularstruktur einer Reihe von Kristallen Schließlich wird auch noch den Beugungserscheinungen der Röntgenstrahlen an amorphen Körpern sowie der Beugung der y-Strahlen je ein Kapitel gewidmet. Das Buch erfordert einen sowohl mathematisch wie kristallographisch geschulten Leser. ; Walter (Hamburg).

v. Schroeder: In welcher Weise wird das Uterusmyom durch Rontgenstrahlen be- einflußt? (Aus der Univers.-Frauenklinik zu Jena.) Preisgekrönte I.-D. der Medizinischen Fakultät zu Jena. 72 Seiten, 5 Abbildungen.

Verfasser charakterisiert das Uterusmyom nach Bau, Häufigkeit, Komplikationen und Behandlungs- methoden, bespricht die biologische Wirkung der Röntgenstrahlen im allgemeinen und in bezug auf das Myom und gibt endlich seine eigenen Untersuchungen über die Röntgenstrahlenwirkung auf die glatte Muskulatur bekannt. Er machte seine Versuche an 20 kleinen Säugern (Kaninchen, Meerschweinchen und Hunden), da die Gebärmutter dieser Tiere histologisch dem Bau des menschlichen Uterus entspricht und auch die Myome dieser Tiere aus glatter Muskulatur und Bindegewebe bestehen. Die Versuche um- faßten mehrere Gruppen, die in verschiedenartiger Weise bestrahlt wurden. So wurde der Uterus nach Laparatomie direkt bestrahlt; in anderen Fällen erfolgte die Bestrahlung durch die Bauchdecke, in wieder anderen Fällen wurden nur die Ovarien, in einem Falle nur die Bauchschlagader bestrahlt. Bei der Be- strahlung des Uterus wurde nur das rechte Horn den Strahlen ausgesetzt, während das linke sorgfältig geschützt wurde. Auch die verabreichte Strahlendosis war in den verschiedenen Versuchsreihen ver- schieden. v. Sch. kommt zu dem Schlusse, daß die Röntgenstrahlen bei genügend großer Dosis einen nachweisbaren Einfluß auf den Uterus haben und zu allgemeiner Schrumpfung des Organes infolge Schädigung der zelligen Elemente führen. In erster Linie werden die Zellen des Bindegewebes und der Muskulatur geschädigt, von welch letzterer wieder die Fasern der äußeren longitudinalen Muskelschicht durch fettige Entartung des Protoplasma und Kernschwund infolge Chromatolysis zunächst zugrunde gehen. Die Röntgenstrahlen greifen also das Uterusmyom nicht allein auf dem Umwege über das Ova- rium an, sondern sie üben vor allem einen direkten und spezifischen Einfluß auf die Muskelzellen des Uterus oder der Myome selbst aus. F. Winkler (Ingolstadt).

12*

92 Internationale Fachliteratur. XXII, 1.

Hida: Die Radiotherapie der chirurgischen Tuberkulose. (Aus der Réntgenabteilung der kaiserl. japan. militärärztl. Akademie.) 2. Sonderband zur japan. militärärztl. Zeit- schrift. 27 Tafeln. |

Verfasser bat in der Röntgenabteilung der militärärztlichen Akademie in Tokio vom Jahre 1910 an an einem sehr großen Krankenmaterial dieser Art die Röntgenstrahlenwirkung studiert; so hat er in 101 Fällen Lympdhrüsentuberkulose hauptsächlich am Halse behandelt und in 63 Fällen Heilung, in 33 Besserung erzielt. Diese Erfolge erreichte er sowohl bei einfachen Lymphomen als bei verkästen oder vereiterten und bereits geschwürig zerfallenen Geschwülsten. Als hauptsächlich histologische Ver- änderung erwähnt H. einerseits die Zertrimmerung des Lymphdrüsen- und Granulationsgewebes in den tuberkulösen Herden, andererseits die narbige Abkapselung der letzteren durch neugebildetes Bindegewebe. Hautschädigungen wurden nicht beobachtet, da die Radiosensibilität der tuberkulösen Lymphome die der Haut wesentlich übertrifft. Resorptionsfieber trat auf. Rückfälle kamen bei ausgeheilter Lymphdrüsen- tuberkulose kaum vor. Das kosmetische Resultat ist gut. Tuberkulose der Knochen und Ge- lenke behandelte H. in 12 Fällen, 9 mal mit Heil-, 3 mal mit Besserungserfolg. Schon frühzeitig ver- schwinden die Schmerzen; die von der Gelenkkapsel ausgehende Tuberkulose heilt rascher als die ostale, der kalte Abszeß rascher als der heiße. Gesunder Knochen wird durch die Röntgenstrahlen nicht beein- flußt. Nebenhodentuberkulose wurde 6 mal behandelt und in 2 Fällen geheilt, in 3 gebessert. Der eigentliche Hoden wird mitbestrahlt, weshalb in diesem Azoospermie eintritt. Der histologische Befund im erkrankten Nebenhoden nach der Bestrahlung ist ähnlich dem in den bestrahlten Lymphomen. Es folgt noch eine kurze Schilderung der Bestrahlungstechnik und der subjektiven Symptome bei der Bestrahlung. Verfasser führt Wärmegefühl im bestrahiten Bezirke an, worauf er eine von ihm besonders bei Kindern beobachtete „hypnotische“ Wirkung der Röntgenstrahlen zurückführt; auch der sogenannte Röntgenkater wird erwähnt, dessen Entstehen Verfasser nicht nur der photochemischen Strahlenwirkung, sondern auch dem „elektrostatischen Reiz“ zuschreibt. F. Winkler (Ingolstadt).

F. Groedel: Grundriß und Atlas der Röntgendiagnostik in der inneren Medizin. IJ. Auflage. Lehmanns Medizin. Atlanten. Band 7, München, Lehmanns Verlag, 1914. Das Werk hat an Umfang so bedeutend zugenommen, daß der Grundriß und der Atlas je einen besonderen Band bilden. Der Text des Grundrisses ist von 311 Seiten der ersten Auflage auf 513 Seiten angewachsen. Der Atlas bringt 137 Seiten Text mit 12 photographischen und 44 autoptischen Tafeln, auf denen 297 Abbildungen.

Von den Mitarbeitern der ersten Auflage ist Carl Beck-Neuyork durch Tod ausgeschieden. Neue Mitarbeiter zu neuen Kapiteln sind: M. Otten: Die Röntgenuntersuchung bei Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks und der peripheren Nerven. Schnaudigel: Röntgendiagnostik in der Augenheil- kunde. W. Pfeiffer: Röntgenuntersuchung des Gehörorgans. E. Finckh: Die Röntgenuntersuchung der Kiefer und Zähne. Immelmann: Die Röntgenuntersuchung der Leber und der Gallenblase. Ferner kam von Brauer ein neues Kapitel dazu: Die Röntgenstrahlen als Hılfsmittel bei der Auswahl der chirurgisch zu behandelnden Lungenfälle und der Kontrolle der Operationserfolge.

Die Ausstattung der neuen Auflage ist eine in jeder Beziehung mustergültige.

Alban Köhler (Wiesbaden).

Internationale Fachliteratur. a) Vereine und Kongresse.

Röntgen-Vereinigung zu Berlin. Sitzung vom 5. Februar 1915. Referent: Immelmann.

H. E. Schmidt-Berlin: Über Versuche mit der Coolidge-Réhre.

Die Coolidge-Röhre soll nach den bisher vorliegenden Publikationen erhebliche Vorzüge vor allen anderen Röhrentypen besitzen; sie soll sich 1. auf jeden beliebigen Härtegrad ein- stellen, 2. bei jedem beliebigen Härtegrad beliebig lange konstant halten lassen, 3. eine stärkere Belastung vertragen als irgend eine andere Röhre und 4. Strahlen von größerer Pene- trationsfähigkeit liefern.

XXIII, 1. Internationale Fachliteratur. 93

Durch das liebenswürdige Entgegenkommen der A.-E.-G., die das Herstellungsrecht für die meisten europäischen Staaten besitzt, war ich in der Lage, die erwähnten Behauptungen auf ihre Richtigkeit nachprüfen zu können, und möchte ihnen über das Ergebnis meiner Versuche kurz berichten.

Bekanntlich unterscheidet sich die Coolidge-Röhre von allen bisher gebräuchlichen Röhren- typen dadurch, daß sie ad maximum evacuiert ist, so daß kaum noch nennenswerte Gasreste in der Röhre vorhanden sind. Daher ist ihr Widerstand gegenüber dem Hochspannungsstrom so groß, daß sie ohne weiteres überhaupt nicht anspricht.

Die „Leitfähigkeit“ der Röhre wird erst hergestellt durch einen „Heizstrom“, der die Kathode zum Glühen bringt.

Man braucht also zunächst zum Betriebe zwei Elektrizitätsquellen: 1. Den üblichen Apparat zur Erzeugung des Hochspannungsstromes (Induktor-Unterbrecher oder Gleichrichter- Instrumentarium) und 2. eine Akkumulatoren-Batterie, welche den Heizstrom liefert.

Ohne auf die sehr komplizierten physikalischen Vorgänge im Röhreninnern näher einzu- gehen, will ich hier nur soviel sagen, daß die Abschwächung des Heizstromes die Röhre härter, die Verstärkung des Heizstromes die Röhre weicher macht.

Der Härtegrad wird außerdem noch durch die Belastung der Röhre beeinflußt; er eg

mit der Spannung des Sekundärstromes.

Durch eine große Anzahl von Versuchen habe ich mich davon überzeugt, daß es in der Tat lediglich durch Abschwächung oder Verstärkung des Heizstromes gelingt, die Röhre härter oder weicher zu machen und auf jeden Härtegrad von 1—12 We. einzustellen.

Auch bleibt der einmal eingestellte Härtegrad konstant, wenn an dem Heizstrom und der Belastung der Röhre nichts geändert wird.

Fernerhin ist es möglich, die Röhre in weichem und mittelweichem Zustande sehr viel stärker zu belasten als andere Röhren; ich konnte bei 4—6 We. stundenlang 20—30 M.-A. hindurchschicken, ohne daß sich der Härtegrad änderte.

Eine andere Frage ist es, ob dieser stärkeren Belastungsmöglichkeit auch eine größere Ausbeute an Röntgenstrahlen entspricht. Nach meinen Versuchen ist das nicht der Fall. Eine gewöhnliche Röntgenröhre gibt bei etwa 5—7 We. und 1 M.-A. eine ebenso gute Bildwirkung auf dem Leuchtschirm wie die Coolidge-Röhre bei demselben Härtegrad bei 10 oder 20 M.-A.

Es scheint, daß bei steigender Belastung der größte, oder jedenfalls ein sehr beträchtlicher Teil der elektrischen Energie nicht mehr in Röntgenstrahlen, sondern in Wärme und Licht transformiert wird.

Während des Betriebes glüht nämlich nicht nur die Kathode, sondern auch der Wolfram- klotz der Antikathode, und zwar um so mehr, je stärker die Röhre belastet wird. Der glühende Wolframklotz sendet im übrigen ein so helles Licht aus, daß Durchleuchtungen mit der Coolidge-Röhre nur möglich sind, wenn man sie mit einem schwarzen Tuche umhüllt oder in einen lichtdichten Kasten einschließt.

Während also in weichem und mittelweichem Zustande der Nutzen einer größeren Be-

lastungsfähigkeit nicht besonders groß zu sein scheint, ist in hartem Zustande die Belastungs- möglichkeit überhaupt nicht größer als bei anderen guten Röhren. Bei 10—12 We. liegt das Optimum etwa bei 3—4 M.-A.; sowie man mit 5 M.-A. belastet, beginnen die Funken um die Röhre herumzuspringen, so daß dann schon die Gefahr des Durchschlagens besteht. Und in der Tat sind mir zwei Coolidge-Röhren auf diese Weise durchgeschlagen.

Was nun die Erzeugung härterer Strahlen anbetrifft, so kommen wir mit der Coolidge- Röhre auch nicht weiter. Bei maximaler Verringerung des Heizstromes und maximaler Steigerung der Belastung können wir keine Strahlen produzieren, die härter sind als 11—12 We

Was nun die Wirkung der emittierten Strahlen auf die S.-N. Tablette anbetrifft, so habe ich `

bei gleichem Härtegrad und gleicher Belastung keinen nennenswerten Unterschied "gegenüber anderen Röhren, z. B. den Müllerschen Wasserkühlröhren feststellen können.

£E- Ir =z.

‚mM

94 Internationale Fachliteratur. XXIII, 1.

Auch bei verschiedener Belastung der Coolidge-Röhre, z. B. bei 2, 3 oder 5 M.-A., aber gleichbleibendem Härtegrade, z. B. von 11 We., habe ich keinen Unterschied in der Wirkung auf die S.-N.-Tablette feststellen können; die Teinte B wurde immer in der gleichen Zeit er- reicht. Das spricht ebenfalls dafür, daß die Steigerung der Belastung nicht auch eine Steigerung der Röntgenstrahlenquantität bedingt, wie das schon gelegentlich der Bildwirkung bei ver- schiedener Belastung erörtert wurde.

Der Hauptvorteil der Coolidge-Röhre besteht also in der Möglichkeit, jeden beliebigen Härtegrad einstellen und die Röhre bei jedem beliebigen Härtegrad ohne weiteres konstant halten zu können.

Sie dürfte also besonders für die Diagnostik einen sehr wesentlichen Fortschritt bedeuten, nicht so sehr für die Therapie.

Härtere Strahlen als mit anderen Röhren können wir nicht erzeugen, stärker belasten auch nicht. Außerdem ist die Durchschlagsgefahr bei 10—12 We. mindestens ebenso groß wie bei anderen Röhren. Nur läßt sich die durchgeschlagene Coolidge-Röhre nicht mehr weiter verwenden, während andere Röhren nach Zuschmelzung der Durchschlagsstelle meist für weniges Geld wieder neu evacuiert und damit für lange Zeit wieder brauchbar werden können.

Da nun der Preis der Coolidge-Röhre auf 400 Mk. festgesetzt ist, und dazu noch die Kosten für die Heizbatterie in Höhe von 250 Mk. kommen, so dürfte für tiefentherapeutische Zwecke von der Anschaffung der Coolidge-Röhre direkt abzuraten sein, da man für denselben Preis 2—3 andere Röhren bekomnit, die sich ebenfalls sehr leicht konstant halten lassen, wie das ,Stabilrohr“ der „Radiologie“ und neuere Typen von Müller, ohne daß komplizierte Kühl- vorrichtungen erforderlich sind.

Diskussion:

l. Bucky: Durch das Entgegenkommen der A. I5.-G. war ich in der Lage mit etwa 6 Coolidge-Röhren zu arbeiten. Wenngleich sich meine Untersuchungen mit der Röhre im wesentlichen auf die diagnostische Röntgenologie bezogen, so stimme ich doch in Hauptpunkten durchaus mit den Erfahrungen Schmidts überein. Ich muß sagen, daß mich in der Röntgenologie selten ein Gegenstand so gepackt hat, wie ge- rade das neue Prinzip dieser Röhre Es scheint berufen zu sein, eine gewaltige Umwälzung auf dem ge- samten Gebiete der Röntgenologie zu bewirken. Ich glaube, wir müssen alle umlernen was Röhrentechnik und Röhrenhandhabung anlangt. Das gilt insbesondere auch für die Belastung der Röhren. Die Coolidge- Röhre hält ja bekenntlich enorme Belastungen aus. Wir werden also in diesem Punkte nicht mehr so ängstlich sein, wie bisher. Die höhere Belastbarkeit dürfte auch imstande sein, die längere Expositions- zeit, die die Coolidge-Röhre verlangt, auszugleichen. In diesem Punkte werden wir unsere Anschau- ungen über Expositionsbedingungen ändern müssen. Diese Beobachtungen stimmen mit den Angaben Schmidts über die erzielbaren Dosen überein. Es ist aber wohl anzunehmen, daß später die Ausbeute an Röntgenstrahlen bei der Coolidge-Röhre besser sein wird, wenn sie erst die Kinderkrankheiten über- wunden haben wird. Denn ich bin der Überzeugung, daß im Punkte der Fabrikation und der Gestaltung der Röhre noch lange nicht das letzte Wort gesprochen sein dürfte. So einfach auch die Härteeinstellung erscheinen mag, so ist sie vorläufig doch mit Schwierigkeiten bei exakterem Arbeiten, wie es die Dia- gnostik verlangt, verknüpft. Man darf es sich nicht so vorstellen, daß es für jedermann möglich ist, an Hand der Gebrauchsanweisung sofort ideale Aufnahmen herzustellen. Es gehört zurzeit ein nicht un- beträchtliches Maß von Übung dazu, um eine wirklich gute Aufnahme zu erzielen. Zum Teil ist das darin begründet, daß das Meßinstrument für den Heizstrom nach meiner Meinung noch nicht richtig durchgebildet ist. Gerade bei der mittleren Härte muß eine recht exakte Regulierung des Heizstromes statthaben, hier kommt es auf !/io Ampere an. Ich glaube aber, daß es wohl möglich sein dürfte, später, wenn diese Punkte behoben sein werden, !/,, Wehneltgrade sicher einzustellen. Die Ausblicke, die sich in diesem Falle für exakte experimentelle Arbeiten ergeben, sind von weittragendster Bedeutung. Vor- läufig halte ich es für besser, wenn die Firma das Rohr noch nicht in den Handel brächte, da sonst mancher Rückschlag eintreten würde, der vielleicht mit Unrecht manch ablehnendes Urteil zur Folge haben würde. Ich würde das um so mehr bedauern, als ich auf das Coolidge-Rohr die größten Hoff- nungen setze. Bereits jetzt ist es bei genügender Übung und Geduld möglich, alle Aufnahmen zu be-

_werkstelligen, die wir mit den alten Röhren erzielt haben (z. B. Herz 1 m Entfernung 80 Milliampére

1] Sekunde; Magen 60 cm Entfernung 30 Milliamptre 1 Sekunde). Was die größte erreichbare Härte anlangt, so bin ich zu den gleichen Resultaten gelangt, die Schmidt mitgeteilt hat. Auch ich habe maximal 11—12 Wehnelt ablesen können. Darüber hinaus

XXIII, 1. Internationale Fachliteratur. 95

treten starke Gleitfunken an der Kathode auf, die die Röhre gefährden und die Ausbeute an Strahlen auf ein Minimum reduzieren. Ich setze diesen Umstand aber nicht auf Konto des Röhrenprinzips, son- dern der jetzigen Röhrenform und glaube, daß wir in kurzer Zeit tatsächlich höhere Härtegrade erreichen werden, zumal da physikalisch diese Annahme völlig berechtigt erscheint.

Ganz Vorzügliches leistet die Röhre bereits heute bei Durchleuchtungen. Es ist erstaunlich, wie schnell und bequem sich der Härtegrad dem Objekt anpassen läßt. Sei es Lunge, sei es Magen, ob dicker oder dünner Patient, stets erreicht man mühelos ein ideales Durchleuchtungsbild. Wir sehen durch Variationen der Härte während der Durchleuchtung namentlich bei der Lunge Feinheiten in den Schattendifferenzen, die uns sicher früher entgangen sind. Dabei ist es gleichgültig, wie gerade das

Objekt beschaffen ist, das sich hinter dem Schirm befindet. Ob erst ein starker Patient zur Durch- |

leuchtung des Magens kam und dann ein schmächtiger zur Lungendurchleuchtung oder umgekehrt, immer tut das Rohr seine erstaunlichen Dienste, selbst stundenlang.

Wer könnte wohl einem unserer gebräuchlichen Röhrentypen stets veränderte Betriebsbedingungen zumuten. Dem Coolidge-Rohr ist es aber völlig gleichgültig, ob es mit 1 Milliampére -oder mit 100 Milli- ampère belastet wird. Selbst nach kurzzeitigen Aufnahmen bei höchster Belastung läuft es kurz darauf bei geringster Belastung eben so ruhig wie vorher.

Da die übrigen angeführten Mängel sämtlich in der Fabrikation behoben werden können, hoffe ich, daß wir in kurzer Zeit ein Rohr erhalten werden, das dem Ideal näher gerückt ist.

2. Mey: Redner stellte zunächst die Ansicht richtig, daß die Coolidge-Röhre bereits im Handel zu haben sei. Es sei bisher nur eine kleine Anzahl Röhren an einige Ärzte zur Erprobung ge- geben worden. Abgesehen von kleinen Wünschen, habe sich bei diesen Erprobungen gezeigt, daß alle Angaben der A. E.-G. über das, was an der Röhre grundlegend und neu sei, sich voll bestätigt hätten. Dies sei vor allem die vollständige Regulierung der Härte und die Einstellung der Belastung in weiten Grenzen. Ferner die Unveränderbarkeit der Röhre bei langem Betriebe. Das hätten auch die dankens- werten Mitteilungen von Schmidt bestätigt.

Uber die Ausbeute an Röntgenstrahlen bei einer bestimmten Milliampérezahl sei die Ansicht der Vorredner verschieden gewesen, indem der eine eine etwas größere, der andere unter Umständen eine etwas geringere als bei gewöhnlichen Röhren gefunden zu haben glaubte. Mey hält in dieser Beziehung einen Unterschied gegenüber den gewöhnlichen Röhren für nicht vorhanden. Selbst wenn aber die Ausbeute um ein weniges geringer wäre, hätte das für die Praxis nichts zu bedeuten, da ja die Röhren hohe Belastungen lange Zeit vertrügen, und die gebräuchlichen größeren Apparate und Gleichrichter meist eine höhere Energie zur Verfügung stellten als eine Röntgenröhre aufnehmen könne.

Die physikalischen Grundlagen der Röhre seien außerordentlich einfach, so daß aus ihnen alle wesentlichen Eigenschaften der Röhre mit Sicherheit gefolgert werden können, insbesondere auch die Möglichkeit, Strahlen von sehr großer Härte herzustellen. Natürlich sei der Entladevorgang ein anderer, als bei gewöhnlichen Röhren, da die Röhre immer leitend sei, infolgedessen die Erscheinungen der so- genannten Durchbrechspannungen wegfielen und der Spannungsverlauf von dem bei gewöhnlichen Röhren abweicht. Daher sei es auch wahrscheinlich, daß sich mit besonders konstruierten Apparaten noch ganz andere Leistungen erzielen lassen, besonders auch Röntgenstrahlen von sehr großer Härte in erheb- licher Menge.

3. Nienhold: Der Vortragende berichtete, daß er bei seinen Versuchen den Härtegrad der Röhre durch Variieren des Heizstromes verändert habe. Die bis jetzt auf dem Markte erhältlichen Regulier- widerstände hätten sich dabei als unzureichend erwiesen, da ihre Widerstandsstufen noch zu groß seien; man müßte einen Regulierwiderstand haben, der vollkommen kontinuierlich verändert werden kann.

Dieser Mangel ist allerdings vorhanden, er wird auch demnächst durch kontinuierlich veränderbare

Widerstände, die genau den Strombedingungen der Coolidge-Röhre angepaßt sind, von der A. E.-G. be- hoben werden.

Hier muß ich jedoch betonen, daß ja die Regulierung des Heizstromes gar nicht die einzige Mög- lichkeit ist, um den Härtegrad der Röhre zu verändern, sondern in den meisten Fällen wird man eine Änderung der Härte durch Veränderung der Sekundärspannung des Induktors, und diese wiederum durch Einschalten oder Ausschalten von Widerstand in den primären Stromkreis des Induktors erreichen. Rein physikalisch betrachtet, ist die Härte der Röntgenstrahlen nur abhängig von der Wucht, mit der die Elektronen auf die Antikathode aufprasseln, d. h. von der Größe der an die Röhre gelegten Spannung. Die Intensität der Röntgenstrahlen dagegen ist nur abhängig von der Anzahl der aus dem Glüh- draht emittierten Elektronen, d. h. von der Stärke des Heizstromes der Glühkathode.

Daß nun trotz dieser physikalischen Gesetzmäßigkeiten bei Verwendung eines technischen Induk- toriums die Härte der Röntgenstrahlen auch von der Stärke des Heizstromes abhängt, will ich an einem Beispiel veranschaulichen:

Wenn ich eine kleine Batterie von galvanischen Elementen habe, z. B. die Batterie einer Taschen- lampe, und an diese eine kleine Glühlampe anschließe, so brennt dieselbe mit einer bestimmten Hellig-

: i

96 Internationale Fachliteratur. XXIII, 1.

keit. Schließe ich nun parallel zur ersten Lampe noch eine zweite Lampe derselben Größe an, so wird die Helligkeit der ersten Lampe sofort geringer werden, schalte ich die zweite Lampe wieder aus, so brennt die erste sofort wieder mit der alten Helligkeit. Das heißt aber, die Klemmenspannung der Batterie ist stark abhängig von ihrer Belastung; je stärker der Strom ist, den ich aus der Batterie ent- nehme, desto mehr sinkt die Klemmenspannung der Batterie. Genau dieselben Verhältnisse finden wir bei unserem Induktorium. Verstärke ich den Heizstrom der an den Induktor angeschlossenen Coolidge- Röhre, so werden von der Kathode mehr Elektronen emittiert, d. h. der durch die Röhre fließende Hoch- spannungsstrom wird stärker. Das Induktorium wird also stärker belastet, es muß daher seine Klemmen- spannung sinken und die Härte der Röhre abnehmen. So kommt es, daß man allerdings in bescheidenen Grenzen durch Veränderung des Kathodenheizstromes die Härte der Röntgenstrahlen beeinflussen kann. Man verändert aber hierdurch immer auch die Intensität der Strahlen. Viel einfacher und naheliegender erscheint es mir, ohne die Strahlenintensität zu verändern, die Härte der Röhre durch die angelegte Hochspannung zu verändern. Diese läßt sich aber durch Regulieren des primären Induktorstromes kon- tinuierlich und ganz beliebig ändern. Dies bat auch noch den Vorteil, daß man dabei in keiner Weise in unangenehme Berührung mit der Hochspannung kommen kann.

Ferner möchte ich noch etwas allgemeines über die Coolidge-köhre sagen. Die einzige Schwierig- keit der Röhre liegt in dem hohen Vakuum. Die Röhre so zu bauen, daß sie dauernd das ungeheuer hohe Vakuum behält, hat sicher viel Mühe gekostet und berechtigt auch den höheren Preis. Es wird aber bald möglich sein, eine Coolidge-Röhremit nur !/,ooooo Dis °/:9999 mm Druck zu bauen, die dieselben Eigenschaften hat, wie die Coolidge-Röhre mit ungeheuer hohem Vakuum. Versuche darüber sind bereits

von mir begonnen worden. So scheint auch mir in der Tat die Coolidge-Röhre die Röntgenröhre der Zukunft zu sein.

Grisson-Berlin: Einfaches Verfahren und Vorrichtungen zur Feststellung des Sitzes von Fremdkorpern, insbesondere von Geschossen u. dergl. mit Röntgenstrahlen.

Mittels Durchleuchtung wird das Vorhandensein eines Geschosses oder dergl. festgestellt, das Geschoß in die Richtung des Zentralstrahles gebracht und die Eintritts- und Austrittsstelle des Zentralstrahles auf der Haut gekennzeichnet.

Anstatt der Durchleuchtung macht man im gegebenen Falle eine Ubersichtsaufnahme in entsprechender Weise.

Die Tiefenbestimmung erfolgt mittels stereoskopischer Aufnahme. Vor der Aufnahme werden auf der auf der Platte liegenden Hautstelle zwei Schrotkörner befestigt und der Fokus der Röhre senkrecht über dem Zentralstrahlpunkt eingestellt, auf welchen ein kleiner Bleiring gelegt wird. Die erste Aufnahme erfolgt senkrecht zum Geschoß, die zweite Aufnahme mit seitlicher Verschiebung des Focus um 6,5 cm, beides im Abstande von 60 cm.

Für die Tiefenbestimmung allein genügt die Anfertigung beider Aufnahmen auf einer Platte, doch ist die Anfertigung getrennter Bilder unbedingt vorzuziehen zwecks stereoskopischer Betrachtung.

Die Tiefenbestimmung erfolgt mittels eines, durch zwei senkrecht zueinander angeordnete Millimetermaße und einen oberhalb der Maße befestigten und seitlich verschiebbaren Meßfaden, gebildeten Apparates. Der Tiefenmesser entspricht den bei der stereoskopischen Aufnahme zugrunde liegenden Abmessungen.

Die Röntgenplatten werden so aufeinander gelegt, daß sich die Schrotschatten decken; der Abstand der Geschoßschatten wird mit Millimetermaß gemessen, der Meßfaden auf der wagerechten Skala auf das gleiche Maß eingestellt und die Tiefe des Geschosses an dem Schnitt- punkt des Meßfadens mit der senkrechten Skala abgelesen.

Läßt das erste Röntgenbild eine Verlagerung des Geschoßschatten zum Zentralstrahl er- kennen, so kann der zugehörige Hautpunkt, unter welchem das Geschoß liegt, von dem Bilde mittels Pauspapier auf die Haut übertragen werden.

Da uns die Tiefenbestimmung allein aber keine Kenntnis gibt über die Lage des Ge- schosses zu seiner Umgebung (z. B..Sitz vor oder hinter der Scapula), so gestattet die Stereo- aufnahme auf getrennten Platten die stereoskopische Betrachtung, auf deren Anwendung ganz besonderer Wert zu legen ist, um dem Arzte die operative Entfernung bei größter Schonung des Patienten zu erleichtern.

XXII, 1. Internationale Fachliteratur. 97

Wesentlich ist es, daß bei diesem Verfahren weder geometrische Konstruktionen noch arithmetische Berechnungen Anwendung finden, und daß die angefertigten zwei Negativplatten sowohl der Tiefenmessung, als auch der steroskopischen Betrachtung dienen.

Die Ausführung des Tiefenmessers und eines das stereoskopische Sehen besonders er- leichternden Einspiegel-Stereoskops erfolgt durch die Firma Ehrich & Graetz, Berlin SO.

Diskussion.

1. Fürstenau: Die Art und Weise, auf welche der Vortragende die Tiefenlage des Geschosses ermittelt, ist durchaus identisch mit dem Verfahren von Mackenzie und Davidson, das ja bekannt- lich die Grundlage für die Tiefenbestimmung bei fast sämtlichen existierenden Lokalisationsverfahren bildet. Die genannten Autoren verwendeten zwei sich kreuzende Bindfäden, jedoch auch. die Modifikation mit einem Bindfaden und einer Skala, welche von dem Bindfaden gekreuzt wird, findet sich in: Albers- Schönberg, Röntgentechnik, 4. Auflage, Seite 686. Bezüglich der Auffindung desjenigen Hautpunktes, unter welchem senkrecht der Fremdkörper gelegen ist, ist es mir nicht klar, auf welche Weise der Vor- tragende ohne besondere Hilfsapparate eine Zentrierung des Fokus auf den Fremdkörper, dessen Lage ja gerade erst festgestellt werden soll, vornimmt. Um das auszuführen, müßte man etwa einen Ortho- diagraphen verwenden, wie dies von Moritz auch zur Fremdkörperlokalisation vorgeschlagen worden ist. Wenn es so einfach wäre, den Fremdkörper in den Zentralstrahl hineinzubekommen, dann brauchte man ja gar nicht erst mehr zu lokalisieren,. sondern hätte damit ja ohne weiteres den gesuchten Haut- punkt, unter welchem senkrecht der Fremdkörper liegt, gefunden. Aber darin liegt ja gerade die Auf- gabe der Lokalisation, diejenige Linie zu finden, welche vom Fremdkörper aus senkrecht auf die Pro- jektionsebene zu fällen ist und welche mithin zusammenfällt mit der Richtung des Zentralstrahls, wenn derselbe auf das gesuchte Projektil eingestellt ist. Der Vortragende macht daher das erst zu ermittelnde Resultat der Lokalisation zur Voraussetzung bei seiner Methode. Bringt er aber den Zentralstrahl nicht zur Deckung mit der, wie oben erwähnt, erst durch die Vornahme der Lokalisation bestimmbaren Linie, so wird das Geschoß durch irgendeinen beliebigen, schräg zur Unterlage verlaufenden Strahl seit- wärts fortprojiziert, und der Fremdkörper liegt dann durchaus nicht senkrecht unter demjenigen Punkt, welchen der Vortragende durch Durchpausen der beiden Bilder der Metallmarken des Geschoßschattens und Übertragung derselben auf die Körperoberfläche des Patienten findet, sondern an einer ganz anderen Stelle.

2. Weski: Der Vortragende hat vergessen, auf einen Punkt einzugehen, der bei der Frage der Lagebestimmung von Geschossen von größter Wichtigkeit ist: die Festlegung der Stellung des Patienten; denn jede Methode, die sich wie die des Vortragenden auf einen bestimmten Hautpunkt bezieht, unterhalb welches in vertikaler Richtung das Geschoß gefunden werden soll, macht eine ganz bestimmte Lagerung des Patienten während der Aufnahme, wie zu Beginn der Operation, in diesem Falle zur Orientierung für den Chirurgen, notwendig, d. h. basiert auf der Möglichkeit, den Patienten beliebig oft in die gleiche Stellung bringen zu können. Das ist unmöglich, wenn Durchleuchtung und Aufnahme alternierend zur Anwendung gelangen. Wie es mit Hilfe von Höhenmarken gelingt, die gleiche Lage für den Patienten herzustellen, habe ich an dieser Stelle in meinem Vortrag demonstriert.

Der Vortragende schlägt weiter vor, und betont es als Vorteil seiner Methode, mit Hilfe der durch sie gewonnenen zwei Platten auf stereoskopischem Wege die anatomische Rekonstruktion der Geschoß- lage vorzunehmen. Ich erlaube mir, auf Albers-Schönbergs diesbezügliche Erfahrungen hinzuweisen, welcher dartut, daß zum stereoskopischen Sehen gewisse Vorbedingungen erfüllt sein müssen, wie zwei absolut gleichwertig funktionierende Augen, große Übung im Stereo-Sehen usw. und daß es selbst unter diesen günstigen Umständen sehr schwierig ist, die Lage des Geschosses wirklich in ihren relativen Be- ziehungen zu benachbarten Organen festzulegen.

Es sei mir gestattet, auf den Wert des Fürstenauschen Tiefenmesserverfahrens auch für diesen Zweck hinzuweisen. Ebenso, wie das Geschoß einen doppelten Schatten wirft, zeigt die Platte auch einen solchen von benachbarten Knochenteilen, so daß sich mit dem Fürstenau-Zirkel aus der Verschie- bung beider Schatten sehr leicht die relative Lage der benachbarten Knochenteile zu dem Geschoß bestimmen läßt. |

3. Bourwieg: Wir besitzen gegenwärtig bereits eine Reihe von Methoden, durch welche man die Lage eines Fremdkörpers mehr oder weniger exakt bestimmen kann. Mit mathematischer Genauigkeit geschieht dies mittels des Fürstenauschen Apparates, welcher letzthin durch den Weskyschen Rekon- struktor eine wertvolle Ergänzung gefunden hat. Trotzdem ist bei der Schwierigkeit, welche das Auf- finden besonders kleinerer Geschoßsplitter dem Operateure bietet, jede neue Anregung dankbar zu be- grüßen, und so glaube ich, daß auch das Grissonsche Vorgehen dem Chirurgen gute Anhaltepunkte geben kann. Man darf nur nicht wähnen, daß auch bei genauester Bestimmung des Sitzes eines Fremd- körpers dieser sich später im Augenblicke der Operation immer wirklich da finden muß, wo ihn die

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 13

98 Internationale Fachliteratur. XXIII, 1.

Platte zeigt und die Berechnung erwarten läßt. Besonders ist das zu beachten, wo es sich um Geschosse im Bauch- oder Brustraume handelt. Die Eigenschwere des Projektils, verschiedene Füllung der Därme, Gasauftreibungen, die Peristaltik u. a. m. bedingen häufig Verlagerungen; der jeweilige Zwerchfellstand, die Luftfüllung der Bronchien, entzündliche Vorgänge im Lungenparenchym usw. können ebenso Lage- veränderungen im Gefolge haben. Aber auch, wenn die Kugel im Muskel sitzt, ist ihr Sitz nicht immer der gleiche das ist nur der Fall, wo sie fest im Knochen haftet. Erst heute hatte ich z. B. eine Kugel aus der Achselhöhle eines Verwundeten zu entfernen, welche bei der ersten ventrodorsalen Aufnahme nach Fürstenau dicht dem äußeren Schulterblattrande etwas unterhalb der cavitas glenoidalis auflag. Eine zweite Untersuchung bei möglichst elevirtem Arme ergab, daß die Kugel sich dabei vom Schulter- blatte entfernte. Die Berechnung ließ es zweifelhaft erscheinen, ob das Projektil vor oder hinter der Scapula seinen Sitz hatte; das war aber wegen der Nähe der großen Gefäße und Nerven wichtig zu wissen. Den erwünschten Aufschluß erhielt ich sodann durch eine dritte Aufnahme, welche ich in Seitenlage des Patienten Platte der Seitenwand des Körpers unterhalb der Achselhöhle anliegend, Röhrenfokus auf der anderen Seite hinter dem Kopf oben anfertigen ließ. Ich fand darauf die Kugel, wo ich sie er- wartete, im musculus teres minor.

Nicht immer ist zudem der Chirurg in der Lage, genau in der Stellung zu operieren, welche sich bei der Röntgenphotographie als die günstigste erwies, er ist mitunter genötigt, während der Operation die Lage des Patienten zu ändern, und das erklärt nicht selten den MiBerfolg. Aus diesen und anderen Erwägungen heraus möchte ich zum Schlusse noch ganz besonders betonen, daß selbst die genaueste mathematische Berechnung nur einen relativen Wert hat; ich bin vielmehr ebenso wie Albers-Schön- berg der Ansicht, daß es für den Operateur viel wichtiger ist, sich vor der Operation auf dem einen . oder anderen Wege eine genaue topographisch-anatomische Vorstellung von dem Sitze des Fremdkörpers zu verschaffen, als sich nur auf Berechnungen zu verlassen.

b) Journalliteratur.

Schweizer Rundschau für Medizin. 11. Juli 1914. Christen: Ein neues Experiment zum Réntgen-Absurptionsgesetz, Das Röntgensche Absorp- tionsgesetz, welches besagt, daB beim Durchgang einer Strahlung durch aufeinanderfolgende absorbierende

Schichten die Durchdringungsfähigkeit von jeder Schicht zur folgenden zunimmt, wird durch die An-

nahme der Filterung nicht ausreichend erklärt. Experimentell läßt sich beweisen, daß eine unveränderte Strahlung in 1 mm Aluminium ebenso stark absorbiert wird wie in 10,5 mm Bakelit während die durch Aluminium filtrierte Strahlung schon von 7,5 mm Bakelit gleich absorbiert wird, wie von 1mm Alu- minium. Für die Praxis, wo es sich darum handelt, zu erfahren, wie eine Strahlung sich den Körper- geweben gegenüber verhält (und nicht dem Aluminium), ergibt sich aus diesen Experimenten der Schluß, daß alle Instrumente, welche die Strahlenhärte messen sollen, zu verwerfen sind, falls sie als absorbierende Substanz Aluminium enthalten.

Lancet-Clinic, 6. XII. 13.

Sidney Lange: Die Genauigkeit des Herz-Röntgenbildes. Die Röntgenuntersuchung des Herzens stellt noch nicht das gewünschte Ideal dar, denn die Réntgensilhouette des Herzens gibt uns nur die Kon- turen des Herzens; sie zeigt aber nicht das ganze Volumen des Herzens au; weiterhin läßt das Orthodia- gramm häufig weder den Übergang des Herzens zu den großen Gefäßen noch den unteren Kand erkennen. Dagegen gibt das Röntgenbild im Vergleich zur Perkussion bedeutend genauere Verhältnisse.

Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. Bd. 45.

Brauer: Periostale Wucherungen an den Knochen der Unterschenkel. Ein 63jähriger Mann litt seit vielen Jahren an sehr heftigen Schmerzen in beiden Unterschenkeln, besonders in den Waden, welche ebenso in der Ruhe, wie nach Bewegungen auftraten. Die objektive Untersuchung ergab symmetrisch an beiden Unterschenkeln zwischen oberem und mittlerem Drittel der Tibia eine druckempfindliche

` Resistenz in der Tiefe der Tibia, welche an eine lokalisierte Myositis denken ließ. Bei der Röntgen-

untersuchung fanden sich an den beschriebenen Stellen beiderseits an Tibia und Fibula periostale Wucherungen. Verf. glaubt, daß es sich um einen vom Periost ausgehenden Verknöcherungsprozeß in den intermuskulären Septen handle.

Journal of American Medical Association. 4. April 1914.

George u. Gerber: Der Wert der Röntgenuntersuchung bei Magen- und Duodenalerkrankungen. Für die Diagnose des Ulcus ventriculi rotundum (simplex) ist die Röntgenuntersuchung von geringer Be- deutung; denn die häuflg hierbei beobachteten Spasmen der Magenmuskulatur finden sich auch bei vielen anderen Erkrankungen. Auch der Sechsstundenrest ist nicht als ausschlaggebend zu bezeichnen. Im Gegensatz hierzu sind die beim chronischen Ulcus gefundenen Nischenbildungen und der Sanduhrmagen-

XXIII, 1. | Internationale Fachliteratur. _ 99

Bilder, welche auf Narben und Verwachsungen zurückzuführen sind als charakteristisch zu bezeichnen Von groBem Wert ist die Röntgenuntersuchung bei beginnendem Karzinom. Speziell Funduskarzinome, welche ja keine Stenosenerscheinungen zunächst verursachen, zeigen häufig, noch bevor deutliche klinische Symptome sich finden, im Röntgenbilde Füllungsdefekte und abnorme Peristaltik. Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren halten die Verfasser die Röntgendiagnose des Ulcus duodeni für leicht zu stellen. Bei richtiger Technik gelingt es bei jedem Gesunden die Pars horizontalis superior des Duodenum in Form der bekannten Kappe darzustellen. Ein konstant sich findender Defekt in diesem Bilde weist auf eine pathologische Veränderung hin, während man umgekehrt beim Vorhandensein der Kappe tiefgehende krankhafte Veränderungen auszuschließen berechtigt ist. Metzger (Frankfurt a. M.).

Annalen der Physik. Bd. 46, 8.868. 1915.

E. Wagner: Spektraluntersuchungen von Röntgenstrahlen. I. Die photographischen Spektral- aufnahmen mit Röntgenstrahlen, wie sie zuerst von de Broglie (s. Fortschr. Bd. 22, S. 149 u. S. 152) erhalten wurden, zeigten außer dem Linienspektrum des Antikathodenmetalles auch ein aus zwei Banden bestehendes kurzwelligeres Spektrum, dessen beide Enden nach der Seite der langen Wellen hin scharfe Kanten besaßen. Schon in einer späteren Arbeit von de Broglie (s. Fortschr. Bd. 22, S. 471) war die Vermutung ausgesprochen, daß die eine dieser beiden Banden dem Silberatom und die andere dem Brom- atom des Bromsilbermoleküls der photographischen Schicht zuzuschreiben sei. Verf. teilt nun eine Reibe von Versuchen mit, welche diese Vermutung bestätigen; so z.B. entsteht, wenn man bei diesen Spektral- aufnahmen die photographische Platte umdreht, so daß das Spektrum durch das Glas derselben hindurch auf die empfindliche Schicht fällt und dann hinter diese eine Zinnfolie legt, neben der Silberbande des . Spektrums noch eine Zinnbande, deren Kante gegen die der ersteren ein wenig nach der Seite der kurzen Wellen hin verschoben ist. Ferner zeigt sich, daB dünne Schichten der betreffenden Metalle gerade die ihnen zugehörigen Banden stark absorbieren. Die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf die photogra- phische Platte ist demnach in der Hauptsache keine direkte, sondern kommt erst dadurch zustande, daß die primären Strahlen in den Silber- und Bromatomen der empfindlichen Schicht eine sekundäre, d. h. die sogenannte homogene oder Fluoreszenzstrahlung dieser Elemente erzeugen.

The Physical Review. Bd. 5, 8.185, 1915.

E C. Mayer: Durchgang von Gasen durch Quarzröhren. Eine zylindrische, an einem Ende geschlossene Quarzröhre von 111 qem innerer Oberfläche, die durch einen elektrischen Ofen geheizt wurde, zeigte sich für Wasserstoff bei Temperaturen über 330° C. und für Stickstoff bei solchen über 430° C. durchlässig. Von ersterem Gase z. B. gingen bei 760 mm Druck und 430° C. in 20 Minuten etwa 0,2 ccm bezogen auf Normaldruck und Temperatur durch die Röhre hindurch. Bei konstanter Temperatur zeigte sich für alle Gase mit zunehmendem Druck eine beträchtliche Vermehrung der durch- gegangenen Gasmenge. Unter gleichen Bedingungen diffundierte Wasserstoff am leichtesten, Stickstoff am wenigsten. Walter (Hamburg).

Deutsches Archiv f. klin. Medizin. 115. Bd., 5. u. 6. Heft.

Achelis: Über adhäsive Pericarditis und über den Verlust der beim Übergang aus der hori- zontalen zur aufrechten Körperhaltung normalerweise eintretenden Vertikalverschiebung des Herzens. Die°klinische Diagnostik der Herzbeutelverwachsungen hat durch das Réntgenverfahren eine wesentliche Bereicherung erfahren, doch haben eingehendere und an größerem Material vorgenommene Untersuchungen bisher nicht vorgelegen. A. teilt jetzt seine an 38 Kranken gewonnenen Resultate mit. Er hat es sich dabei zur Aufgabe gestellt, nicht nur bei ausgesprochener Pericarditis adhaesiva den Nachweis mangelnder Verschieblichkeit des Herzens zu führen, sondern auch die Verschieblichkeit des Herzens in allen Fällen zu prüfen, die sicher eine Pericarditis überstanden haben. Als Methode wurde das orthodiagraphische Verfahren angewandt, wie es Moritz bei der Prüfung der Lageveränderungen des normalen Herzens angewandt hat. Bei 21 Leuten, die in Bezug auf das Perikard als „normal“ gelten konnten, trat die Herzspitze beim Übergang zum Stehen zum mindesten einen Interkostalraum tiefer. Von 17 Kranken dagegen, die vor kürzerer oder längerer Zeit eine Perikarditis überstanden hatten, zeigten nur drei ein deut- liches und allgemeines Tieferrücken des Herzens beim Übergang vom Liegen zum Stehen, zwei davon hatten ihre Krankheit erst vor kurzer Zeit durchgemacht, so daß sich noch nicht genügend Verwach- sungen zur Fixierung des Herzens hatten bilden können, beim dritten war die Erkrankung leichter Natur. Die Hauptursache für den Verlust der normalen Verschieblichkeit des Herzens sucht A. nicht in den äußeren, sondern in den inneren Verwachsungen des Herzbeutels. Auch réntgenphotographisch kann der Nachweis der mangelnden Vertikalverschiebung geführt werden, besser ist jedoch die orthodiagraphische Methode. Gemessen wurde die Ortsveränderung an vier Punkten: an der Herzbasis links (Gefäßwurzel), Herzbasis rechts (Vorhof-Cava-Winkel), links unten am tiefsten Punkt der Herzsilhouette, rechts unten am Übergang des rechten Herzrandes in den unteren.

‚Zeitschrift f. klin. Med. 80. Bd., 3. u. 4. Heft.

"A. Roth: Über isolierte linksseitige Vorhofstachysystolie (linksseitiges Vorhofsflattern). Verf. hat 13°

100 Internationale Fachliteratur. XXIII, 1.

durch Röntgenuntersuchungen zwei Fälle feststellen können, in denen die Pulsationsphänomene der vom rechten und linken Vorhof sichtbaren Teile des Herzens ganz verschieden waren. Im Fall I handelt es sich wahrscheinlich um ein Aorteninsuffizienz, Klinisch bestand hochgradige Arhythmia perpetua. Auf der Röntgenplatte Vergrößerung des rechten und linken unteren Bogens, rechter und linker oberer Bogen stark ausgeprägt. Aortenschatten etwas verbreitert. Die Durchleuchtung bestätigte den Befund, die pulsatorischen Bewegungen an Herz und Aorta waren nicht sehr ausgiebig, nur in dem dem linken Herzohr entsprechenden Teil des linken Bogens war eine auffallend schnelle, auf 300—400 geschätzte Pulsation gesehen. Der Befund konnte einmal nachkontrolliert werden, spätere Untersuchungen waren nicht mehr möglich. Im Fall II bestand eine arteriosklerotische Herzinsuffizienz. Auf der Röntgenplatte Herz in rechter und linker unterer Lage deutlich vergrößert, Gefäßband etwas breit. Bei Durchleuchtung fanden sich sehr deutliche Pulsationen aller Herzteile, in der Gegend des unteren Teils des linken mitt- leren Bogens auffallend deutliche nnd sehr frequente Pulsation, die mit dem Herzen selbst anscheinend in keinem Zusammenhang stand. Der Befund konnte mehrfach, auch im queren Durchmesser, nach- kontrolliert werden. Zählungen ergaben eine linksseitige Vorhofsfrequenz von 240—850. Auch ein graphischer Nachweis mittels des Ösophagogramms von Rautenberg ist gelungen. Wiens,

Arch. d’Electr. med. Nr. 379.

René Chaperon: Elektrotherapie bei der Behandlung des Lupus vulgaris. Für die Behand- lung des Lupus kommt die statische Elektrizität nicht in Frage. Die Hochfrequenzbehandlung ist schmerzhaft, dabei von ungenügender Wirkung. Die Fulguration neben dem Kürettement veranlaßt eine beschleunigte Narbenbildung, zerstört aber nicht das pathologische Gewebe so vollständig wie die Ver- kohlung durch Hitze. Auch die Elektrokoagulation wirkt bei Gesichtslupus ungenügend. Die negative Elektrolyse gibt von allen elektrischen Methoden, vorausgesetzt, daß man isolierte Tuberkel angreifen kann, die kosmetisch besten Resultate. Es spielt aber im ganzen die Elektrotherapie in der Lupus- behandlung, insbesondere gegenüber der Skarifikation, Finsenbehandlung und Radiotherapie nur eine untergeordnete Rolle.

- R. Ledoux-Lebard: Radiodiagnostik, Radio- und Radiumtherapie der Ankylosen, Ankylosen sind durch Gelenkaffektionen (Epiphyse, Knorpel, Synovia, Bandapparat) oder durch periartikuläre Ver- änderungen (Bursitis calcificans, Synovitis, Tendinitis, Myositis ossificans, Exostosen) bedingt Die zur Ankylose führenden Veränderungen können nur durch die Radiographie erkannt werden. Diese läßt auch die Phase der Ankylose (Gelenkspalt, Rarefikation, Neubildungen usw.) erkennen und genauer zeit- lich studieren. Die Radiographie erlaubt auch differential-diagnostische Schlüsse: Traumatische Ankylosen, (Tuberkulose, gonorrhoische, arthritische, gichtische, nervöse Ätiologie, Ankylosen durch Tumoren usw.) Natürlich müssen Radiographien in zwei zueinander senkrechten Richtungen vorliegen. Die radio- graphische Darstellung ist naturgemäß nicht nur diagnostisch, sondern auch prognostisch bedeutungsvoll. Die Radiotherapie beeinflußt den Ankylosenschmerz (bei Tuberkulose wirkt fortgesetzte Radiotherapie heilend), Für die Gicht ist die Radiumtherapie von Wichtigkeit. Im wesentlichen allerdings ist die Behandlung der Ankylosen-Domäne der orthopädischen Chirurgie und vonseiten der Röntgenexperten steht die diagnostische Verwertung der Röntgenstrahlen in erster Linie.

J. Belot und L. Nahan: Radiotherapic und Radiumtherapie bei der Behandlung des gemeinen Lupus. Bei der Radiotherapie des Lupus ist jede Gewaltmethodik (schwere Reaktionen mit Ulzeration) gänzlich auszuschalten. Man soll mäßige Dosen in Intervallen applizieren. So veranlaßt die Radio- therapie eine Besserung ohne die lupösen Knoten selbst zu zerstören. Neben der Radiotherapie muß man andere Methoden (Finsen, Skarifikation, negative Elektrolyse) anwenden. Bei Lupus planus ohne Ulze- ration ist die Radiotherapie nicht indiziert, während sie beim Lupus der Orifizien, zumal in Kombination mit der Skarifikation, ausgezeichnete Resultate gibt Die Anwendung der Radiotherapie verbessert die Resultate der Behandlung des Lupus serpiginosus. Schleimhautlupus läßt sich nur schwierig mit Röntgen- strahlen behandeln. Sehr empfehlenswert ist die Röntgenbehandlung des sekundären Lupus bei Ostitis und Adenitis, Die Röntgenstrahlen veranlassen keine Karzinomentwicklung beim Lupus. (Ref.?) Die Radiumtherapie verdient den Vorzug bei wenig ausgedehnten lupösen Affektionen, insbesondere aber beim Schleimhautlupus. |

Nr. 380. Nuytten: Elektrotherapie der Gicht. Abgesehen von dem die wichtigste Rolle in der Gichtbehandlung spielenden diätetischen und hygienischen Regime verdient die elektrotherapeutische Medikation die größte Bedeutung. Es kommt lokale galvanische (Iontophorese) oder Hochfrequenz- behandlung, besonders aber allgemeine Hochfrequenzbehandlung (Beschleunigung des Stickstoff-Stoff- wechsels) in Betracht.

F. Sandoz: Hydrotherapie und Thermotherapie der Gicht. Für die Behandlung kommt ther- mische Energie (Wasser, Luft, Strahlungen, Wärme- bzw. Kälteträger) lokal und allgemein (Beeinflussung der gichtischen Diathese) in Betracht. Anwendung lokaler Hitze oder Kälte ist seit den ältesten Zeiten gebräuchlich. Die moderne Wärmebehandlung wird von S. als Mode der Jetztzeit bezeichnet. Die An- wendung thermischer Energie datiert erst seit Prießnitz (Systematisierung, Kuren).

XXIII, 1. Internationale Fachliteratur. 101

Nr. 881. P. Frangois: Phototherapie in der Lupusbehandlung. Die Finsentherapie ist jeder andern therapeutischen Methode des Lupus non exedens. überlegen. Einerlei ob es sich um Lupus planus oder hypertrophicus handelt. Bei größerer Ausbreitung des Lupus kann neben der Finsentherapie - noch Radio- oder Radiumbehandlung in Frage kommen. Abgesehen davon, daß die lupösen Affektionen unter der Lichtbehandlung anı schnellsten heilen, gibt dies Verfahren auch die besten kosmetischen Resultate. Gelegentlich kann als unterstützendes Mittel Pyrogallussalbenbehandlung, oberflächliche Kürettage in Betracht kommen. F. hat im Kraukenhause Nottebohm (Antwerpen) in den letzten 12 Jahren 553 Lupusfälle mit 192 Heilungen (54,6°/,) behandelt. Die Finsenbehandlung des Lupus verlangt aller- dings längerdauernde Behandlung und ist recht kostspielig. F. bevorzugt übrigens für die Finsen- sitzungen manuell geleitete Kompression. Das Instrumentarium (Bogenlampe mit Kühlung, Quarzlinsen usw.) entspricht den Vorschriften von Finsen.

Phil. Josef Rosenthal: Zur Frage der Tiefentherapie. Wenn man radioaktive Substanzen in eine Platinkapsel von 1 mm Dicke einschließt und annimmt, daß sich keine Sekundärstrahlen bilden, so werden die der Kapsel zunächst liegenden Zellen von einer 10000 mal größeren Strahlendosis getroffen, als Zellen, die 10 cm fern der Kapsel sich befinden. Da bei dieser Versuchsordnung nur y-Strahlen wirksam sind, ist die Tiefentherapie der radioaktiven Substanzen praktisch bedeutungslos. Die Röntgen- tiefentherapie mit ihrer Konzentrationsfähigkeit und Massenwirkung ist der radioaktiven Tiefenbestrah- ‚lung enorm überlegen. Das Problem der Röntgentiefenbestrahlung bedeutet ausreichende Produktion ultrapenetranter Strahlen (Erhöhung der elektrischen Spannung, Antikathodenabkühlung). (Die pene- tranten Strahlungen wirken durch Sekundärstrahlenbildung.) (Es wirken ja nur absorbierte Strahlungen.) Jede Apparatur und jede Röhre muß besonders geeicht sein. Vergleiche verschiedener Instrumentarien etwa mit Messung der erreichten Kienböck-Einheiten usw. sind unzulässig. Die Messungen müssen über dem Filter erfolgen.

Nr. 382. Ernst von Seuffert: Radio- und Radiumtherapie des Krebses. S. legt seiner Be- sprechung im besonderen die Erfahrungen bei der Behandlung des Uteruskrebses zugrunde. Die Radio- therapie muß bei inoperablen Fällen versucht werden. Für den Erfolg der Radiumtherapie ist die Tiefen- wirkung maßgebend. Es gelingt bei geeigneter Technik, die tiefst gelegenen Karzinomkeime durch Strahlenwirkung zu erreichen. Die bleibenden Erfolge der Strahlen- und der Operationsbehandlung sind analog. Für eine zweckmäßige Tiefentherapie kommt die Gefahr der Verbrennung nicht mehr in Be- tracht, vorausgesetzt, daß man das Instrumentarium kennt. Es kommt nicht auf die Erythemdosen- leistung, sondern mehr auf den Nachweis der biologischen Wirkung der erzeugten Strahlung an. Ge- fährdet sind Patienten mit lokaler erworbener Überempfindlichkeit, sowie Patienten mit verminderter Restitutionsfähigkeit der Haut. Bestrahlungen von Regionen, deren Haut eine radiologische Schädigung zeigt, sind besonders gefährlich. Die Bestrahlung von jungen Personen ist deshalb gefährlicher, weil auch die gesunden Zellen radiosensibler sind. Die Röntgenwirkung ist übrigens eine rein lokale (pene- trierende Strahlen und y-Strahlen). Ob die anderen Strahlungen besondere Tiefenwirkungen ausüben können, ist zweifelhaft. Diese Frage spielt übrigens für die Krebsbehandlung keine Rolle. Es ist noch nicht entschieden, ob die biologische Wirkung der harten Strahlen eine primäre ist oder durch Sekun- därstrahlen vermittelt wird. Den Wert der Sensibilisation hält S. für zweifelhaft, die berichteten Wir- kungen und die Abstufbarkeit für unsicher. Die verabfolgte Energiegröße hängt ab von der Absorption und dem Verhältnis der für die Oberfläche und Tiefe zur Wirkung kommenden Strahlung (Härtungs- größe). Eine Wirkung in 8 cm Tiefe wird am besten erreicht, wenn die Absorption durch die Zwischen- schicht !/, beträgt. Für die Behandlung des Krebses kommt zunächst in Betracht, daß 50—100 mmg Mesothorium z. B. die Krebszellen bis zu einer Tiefe von 4 cm vernichten (Bumm). Dabei ist zu be- rücksichtigen, daß bei ungenügender Filterung gesundes Gewebe einer zu starken Strahlung ausgesetzt werden kann. Bei zu ausgedehnten, bzw. zu tief eingehenden Neubildungen müssen chirurgische Ein- griffe (Einführung von Radiumträgern usw.) unterstützen. Für die Behandlung des Uteruskrebses sind Mesothorium-, Radium- und X-Strahlen einander gleichwertig. Für andere Krebse setzt die Strahlen- behandlung chirurgische Eingriffe voraus, schon um den Transport der Zerfallsprodukte durch Blut- und Lymphbahnen zu hindern. Ganz abgesehen davon, daß die massive Bestrahlung durch gesundes Gewebe in größere Tiefe nicht möglich ist.

E. Spéder und E. Dubourg (Bordeaux): Adenopathia tracheobronchialis. Die Adenopathia tracheobronchialis tuberculosa ist eine der häufigsten Erkrankungen des Kindesalters. Die frühzeitige Erkennung ist schwierig, sie ist durch die Röntgenuntersuchung ganz erheblich gefördert worden. Für die Diagnose ist die Schirmuntersuchung bedeutungslos. In Betracht kommen nur Moment- oder Schnell- röntgenographien (*/,, bis '/ioo Sekunde). Die besten Aufnahmen erzielt man bei schluchzenden Kindern im Moment der Einatmung. Notwendig sind dorso-ventrale Aufnahmen, wobei die Rippenschatten weiter auseinander treten, die Herzprojektion kleiner und die Lungenfelder größer erscheinen. Die Hiluspro- jektion wird durch die Strahleneintrittsebene nicht geändert. Schrägaufnahmen sind wertlos. Die Radio- graphie zeigt, daß Hilusdrüsen gewöhnlich beiderseitig vorhanden sind, wenn auch mitunter die eine Seite

ed „u m- moi

102 Internationale Fachliteratur. XXI, 1.

prävaliert. Die Drüsen finden sich immer in der Anordnung des Bronchialbaums. Von klinischen Zeichen der prävertebralen Adenopathie haben die Zeichen von Espine (Widerhall und Bronchophonie der hohen Stimme bei Auskultation im Dorsalteil der Wirbelsäule) und die Zeichen von Martin du Magny (Abschwächung der Stimme oder des Hustens bei Auskultation der Lungenbasis) noch die größte Wertigkeit. Gemeinhin wird ja die Adenopathie klinisch, d. h. ohne Zuhilfenahme des Röntgenverfahrens nicht diagnostiziert. Jedenfalls bei sicherem Vorhandensein klinischer Zeichen ist der Ausfall der Röntgenuntersuchung immer positiv. Bei der Röntgenuntersuchung der Adenopathie übrigens findet man, daß in der Regel neben den Hilusganglien intrapulmonale Ganglien vorhanden sind.

Nr. 384. Bégouin: Zwei Fälle von Lymphosarkom des Halses. Kasuistische Mitteilung: Zu- nächst chirurgischer Eingriff, z. T. unvollständig. Im Anschluß daran intensive Radiotherapie und Radium- behandlung. Mit dem Erfolg zunächst, daß zu einer Zeit, wo sonst bei unvollständigem chirurgischem Eingriff große Rezidivierung statthat, anscheinende Gesundheit Platz greift.

Abbe: Radium bei der Behandlung maligner Neubildung. Exakte Anwendung entsprechender Mengen von y-Strahlen bringt die Zellen maligner Neubildungen zur Degeneration und Resorption. Für die Wirksamkeit der Radiumbestrahlung ist es erforderlich, die Dosierung so hoch zu wählen, daß Reizwirkungen vermieden werden. A. empfiehlt Bleifilterung, um die «- und f-Strahlen völlig zu eli- minieren. Kreuzfeuer ist unentbehrlich. Nach A. wirkt das Radium elektiv, da normales Gewebe sich widerstandsfähiger gegenüber den Strahlungen verhält als pathologisches Gewebe.

Aubry und Viallet: Osophaguskrebs und Perforation in die Luftwege. Im Anschluß an eine kasuistische Mitteilung (der 3.), bei der es A. und V. gelang Wismutdurchtritt in die Luftwege nach- zuweisen, Besprechung der Röntgensymptomatologie der Krebsperforation von den Speisewegen in die Luft- wege. Es halten übrigens A. und V. diese Komplikation für häufiger, als andere Autoren (Makenzie: 33°/,) angeben, Die Perforation in die Luftwege macht nur bei großen Perforationen markante Symptome. Anfallsweise auftretender Husten im Anschluß an die Nahrungsaufnahme muß stets den Verdacht der Perforation erwecken. In solchen Fällen muß man zunächst in geradem und schrägem Durchmesser durch- leuchten, auf Flecken in den Luftwegen, auf Verschattungen im Retrokardialraum genau achten. Nächst- dem soll man bei dorso-ventraler Durchleuchtung die Passage einiger ccm Wismutmilch beobachten, even- tuell diese auch noch in Schrägdurchleuchtung kontrollieren. Bei Perforation wird man, abgesehen von dem gleich auftretenden Husten, Wismutinjektion im Bronchialbaum erkennen. Fehlerhaft ist es, zu viel Wismutmilch zu verabfolgen (Erstickung bei großer Perforation!), sowie zunächst im Schrägdurch- messer (übersehen der Injektion des Bronchialbaums!) zu durchleuchten.

H. Bordier: Diathermie bei Neuritis und Polyomyelitis, Die Anwendung der Diathermie gegen- über der Temperatursenkung bei peripherer Neuritis und Polyomyelitis ist Methode der Wahl. Beson- ders zweckmäßig erweist sich die Diathermie bei der Behandlung der Ischias, der Kinderlähmung und der progressiven Muskelatrophie. B. verwendet für die Lumbalgegend eine spongiöse Elektrode von 200 qcm Fläche, während als aktive Elektrode eine Rolle benutzt wird. Mittels dieser kann man bei starken Druck 800—800 Milliampére anwenden. Die Sitzungen dauern 10—15 Minuten und rufen ein angenehmes Wärmegefühl hervor, daß auch nach Abschluß der Sitzung anhält und die Heilung be- schleunigt. B. bevorzugt die stärkeren Stromintensitäten für die Behandlung der Ischias. Bei der Therapie der spinalen Affektionen (Arand-Duchenne) erscheinen neben der Diathermie noch Röntgen- tiefenbestrahlungen (alle 5 Wochen 5 H) zweckmäßig. B. will bei solchem Vorgehen bessere Zeiterfolge als sonst erzielt haben.

Nr. 385. J. Bergonié: Elektrotherapie. Erfolgreiche Therapie setzt eine gute Technik voraus. Abgesehen von zweckmäßigem Instrumentarium und geeigneten Räumlichkeiten, bedarf es eines gut und lange ausgebildeten Personals. B. bevorzugt eine zentrale Verteilungsstelle, von der aus galvanische Ströme (20 Volt, 45 Volt, 60 Volt und mehr) und faradische Ströme (niedere und hohe Spannung) aus- und eingeschaltet werden können. Konstanter galvanischer oder faradischer Strom mit der Möglichkeit der Umkehr und rhythmisch undulierender Strom ist erforderlich, Ein Verteilungsschalter gestattet die gleichzeitige Behandlung von 12 Kranken.

Nr. 386. Arcelin: Die Radiologie bei der Behandlung der Lungentuberkulose. Die Pneumo- thoraxbehandlung ohne Radiographie ist undenkbar. Die Radiologie gestattet die präzise Indikation, da sie über die Ausbreitung des Krankheitsprozesses, über Affektionen der anscheinend gesunden Seite, über Pleura-Adhäsionen ausgezeichnet unterrichtet. Im Verlauf der Pueumothoraxbehandlung orientiert das Röntgenverfahren über Komplikationen usw. (Modifikationen des Zwerchfells, des Mediastinums, Größe von Ergüssen, Veränderungen des Luftraums, Störungen der gesunden Lunge.) Die Röntgenuntersuchung gibt sicherere und genauere Details als die klinische Untersuchung, ohne daß natürlich diese entbehrt werden kann. Die klinische und Röntgenuntersuchung zusammen geben bestimmte Indikationen für die Anwendung und die Ausdehnung des Verfahrens von Forlanini und bieten damit für den Kranken die größtmögliche Sicherheit des Heilverfahrens.

XXIII, 1. Internationale Fachliteratur. | 108

Bull, et mém. de la soc, de Radiologie, März 1914.

L. Jacqué und F. Sluys: 3 Fälle von Schornsteinfegerkrebs. 2 Fälle von Skrotralkrebs, ein Gesichtsepitheliom bei Brikettarbeitern. 2 Patienten wurden erfolgreich mit Röntgenstrahlen behandelt.

Matagne: Lupusbehandlung mit Radium. Die Radiumbehandlung des Lupus ist anderen thera- peutischen Methoden überlegen. Die Phototherapie, die ähnlich gute Erfolge zeitigt, ist teuer, zeit- raubender und kostspieliger. In der Diskussion (Degrais, Francois, Belot) wird die Überlegenheit der Radiumtherapie gegenüber der Lichttherapie völlig bestritten.

Etienne Henrard: Die Radiodiagnostik von Fremdkörpern. Radioskopie und Radiographie gestatten in der Regel die Diagnose der Fremdkörper ohne Anästhesie und Unbequemlichkeiten für den Kranken. Die Fremdkörperlokalisation gelingt sicher, falls man nach 2 Aufnahmen unter verschiedenem

Einfallswinkel die Lage des Fremdkörpers geometrisch berechnet (ähnliche Dreiecke) oder die Lage

stereoskopisch fixiert (Marke). Für die Extraktion empfiehlt H. ein Nadeltelephon.

A. Bayet: Die Radiumtherapie bei der Tiefentherapie des Krebses. Die radioaktiven Substanzen sind in ihrer Wirkung beschränkt nach 4 verschiedenen Richtungen: Erstens Grenzen, die durch die Widerstandsfähigkeit gewisser Tumoren nach Struktur, Biologie, Lokalisation, Wachstum bestehen, zweitens Grenzen, die durch die Insuffizienz der Strahlen gegenüber großen und tiefgelegenen Verände- rungen gegeben sind, drittens Grenzen, die durch die Unmöglichkeit, die Strahlendosis unbegrenzt zu erhöhen, bedingt sind, schließlich Grenzen durch Konkurrenzfähigkeit anderer Behandlungsmethoden. Refraktär gegen die Strahlungen sind besonders gewisse Hautkrebse, Lupuskrebse, Zungenkrebs, Drüsen- metastasen usw. Die Strahlung reicht höchstens in 10 cm Tiefe und die Erhöhung der Tiefendosen bringt die Gefahr schwerer Schädigung der Oberfläche trotz starker Filtrierung. Endlich riskiert man durch die Radiumbehandlung gewisser Krebse, sie für chirurgisches Eingreifen ungeeignet zu machen. Chirurgie und Radiumtherapie müssen sich ergänzen, dürfen aber nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Zimmern und Cottenot: Ovarialinsuffizienz bei Radiotherapie, Die Ansicht, daß die Röntgen- strahlen die innere Sekretion von Ovarien nicht schädigen, ist irrig. Gelegentlich kann elektrische Be- handlung, wenn die Organtherapie versagt (konstanter elektrischer Strom), erfolgreich sein.

Matagne: Radium in der Ophthalmologie. Die Radiumbehandlung bei Limbus-Epitheliom, Konjunktiva-Papillom, Angiom der Konjunktiva hat völlige Heilung herbeigeführt.

F. Sluys: Makrocheiiie. Kasuistische Mitteilung: Lymphangiom der Oberlippe bei einer 54 jähr. Patientin, das durch Radiumanwendung zur Heilung gebracht wurde.

Laquerriére und Delherm: Nierensteine. Kasuistische Mitteilung über 2 Fälle mit abnorm großen Nierensteinen. |

Delherm und Laquerriére: Os tibiale externum, Das Os tibiale kann gelegentlich den Ver- dacht der Fraktur erregen. Es ist die häufige Ursache von Tarsalgie.

Paul Aubourg: Gallensteine. Aubourg hat bei vielfachen Aufnahmen nur zweimal Gallensteine radiographisch darstellen können. Die Gallenblase stellt sich über dem Pylorus im Niveau des ersten oder zweiten Teils des Duodenums ein. Adhäsionen, besonders mit dem Magen, sind diagnostisch bedeu- tungsvoll und leicht erkennbar.

April 1914. Arcelin: Zur Pyelographie. Nach der Pyelographie haben die meisten Kranken keinerlei besondere Empfindung. Manchmal bestehen mehr weniger lebhafte Schmerzen von der Art der Nieren- koliken. Die Pyelographie schädigt nicht mehr als eine Nierenbeckenspülung. Ganz abgesehen davon, daß sie nicht anders zu gewinnende Aufschlüsse über Veränderungen der oberen Harnwege, Verhalten des Nierenbeckens und der Nierenkelche gibt. Die Radiographie nach Kollargolfüllung gibt vollständige topographische Aufschliisse. (Erweiterung des Beckens, Erweiterung einzelner oder mehrerer Kelche.) Die Pyelographie präzisiert eventuell notwendige chirurgische Eingriffe. In der Diskussion erklärt Aubourg die Methodik für nicht ungefährlich. (Nierenkoliken, mitunter Anurie, gelegentliche Todesfälle.) Francis Biraud betont, daß die Ureterensondierung allein Nierenkoliken hervorrufen könne. Belot hält stärkere Kollargolkonzentrationen als 5°/, für bedenklich und empfiehlt Injektionen überhaupt nur in einen Ureter zu machen, um sich gegen mögliche Zwischenfälle besser zu schützen, Im Schlußwort meint Arcelin, daß das wichtigste bei der Pyelographie die Schnelligkeit sei (30 Se- kunden für die Injektion, Kollargelentfernung nach der Radiographie und Nierenbeckenspülung mit sterilem Wasser). Allerdings sei es besser, die Kollargoluntersuchung auf besonders komplexe Krankheits- bilder zu beschränken.

H. Broglier: X-Strahlen und Spektrum. Zu den wichtigsten Untersuchungen über die Natur der Röntgenstrahlen gehören die von Friedrich, Knipping und Laue 1912 in München angestellten. Danach zeigen die Röntgenstrahlen Beugungserscheinungen, wie andere Lichtstrahlen. Die auf eine Kristallflache auffallenden Röntgenstrahlen werden reflektiert entsprechend der Wellenlänge. Ein Röntgen- strahlenbündel repräsentiert ein komplexes Spektrum, das durch ein Steinsalzkristall analysiert werden kann. Abgesehen davon, daß die Wellenlänge der Röntgenstrahlen wesentlich schwächer ist, bestehen unerwartet große Analogien zwischen Röntgen- und Lichtstrahlen.

104 Internationale Fachliteratur. XXIII, 1.

Paul Aubourg: Pylorusinsaffizienz, Kasuistische Mitteilung: Bei der chirurgischen Autopsie fand sich ein faustgroßer Pylorustumor, der nicht operabel war und der die Pylorusregion nicht deformierte.

Jechevassu und Aubourg: Prostata-Hypertrophie. Die Blasenradiographie nach Kollargol- füllung zeigt deutlicher die Prostataveränderungen, als die Palpation es zuläßt. (Füllung mit 60 ccm 5°], Kollargol.) Die Radiographie orientiert über das Verhalten der in die Blase einspringenden Prostata, (Mittellappen, seitliche Verbuchtungen usw.) In der Diskussion betont Belot, daß die Kollargolinjektionen zu störenden, mehr oder weniger ernsten Zwischenfällen führen können, was Aubourg bestätigt.

R. Ledoux-Lebard: Zur radiologischen Untersuchung der Tuberkulose. L. erklärt die syste- matische, radiologische Untersuchung für eine unentbehrliche Ergäuzung der Auskultation bei der Tuber- kulose. Er belegt diese These durch Demonstrationen einer Thoraxradiographie eines jungen Mannes, die Auskultation hatte nur eine Tuberkulose ersten Grades annehmen lassen, während die Réntgenunter- suchung u. a. den Nachweis einer großen solitären Kaverne erbrachte.

Letulle und Aubourg: Tumor der Regio pancreatica. Bei einer 38jährigen Dame fand sich ein Tumor der Regio epigastrica; bei der Wismutuntersuchung erwies sich der Magen als normal. Es fand sich eine erhebliche Verlängerung der Duodenalsegmente, mit Duodenalerweiterung. Bei der chirurgischen Autopsie erwies sich die Regio pylorica, die bei der Röntgenuntersuchung ein verwischtes Aussehen hatte, normal. Es bestand ein zystischer, tuberkulöser Drüsentumor in der Gegend des Pankreaskopfes. Es können also Tumoren der Pankreasgegend zu verwaschen sein der Pylorusregion und zur Erweiterung des Duodenalrings führen, und damit das gleiche Bild bedingen, wie eine geschwürige oder krebsige Ver- änderung der Pyloruswand. |

Paul Aubourg: Radiologische Täuschung. Bei der radiologischen Untersuchung fand sich in der Gallenblasengegend ein Schatten im unmittelbaren Zusammenhang mit dem unteren Leberrand. Wie bei der Operation erkannt wurde, handelte es sich nicht um die Gallenblase, sondern um eine auf der Leberoberfläche zwischen den beiden Blättern des Ligamentum suspensorium über dem Ligamentum rotundum entwickelte Zyste.

M. Pierre Meugé: Situs inversus. Radiographische Demonstrationen eines Situs inversus totalis. In der Diskussion berichten d’Halluin und Bouchacourt über einen analogen Fall, Michaud und Lejeune über je drei analoge Beobachtungen.

Juni 1914. Picot und P. Aubourg: Ureterstein. Kasuistische Mitteilung: Die Radiographie zeigte 3 abnorme Schatten im Becken. Zur Entscheidung fand Ureterensondierung statt mit dem Ergebnis, daß die 3 Schatten dem Ureter angehörten. |

Josué Delherm und Laquerriére: Universalstativ. Neues Stativ für Radioskopie, Radiographie und Teleradiographie mit der Neuerung, daß der auf einem Halbkreisfuß stehende Patient so gedreht werden kann, daß jegliche Winkelablesung möglich ist, und daß der unbeweglich stehende, an die Schutz- wand gelehnte Patient im Stativrahmen drehbar ist.

Lejeune: Ulcus callosum. Kasuistische Mitteilung: Ulkusanamnese, seit Jahren Blutungen und Schmerzen. Nach Wismutmahlzeit Divertikel der kleinen Kurvatur ohne Luftblase. Die Operation ergab, daß ein Ulkus der kleinen Kurvatur, nach Pankreas und Leber zu adhärent, vorlag.

G. Barret: Geräuschlose Luftpumpe zur Regeneration der Röntgenröhre. Modifizierte Gaiffe- sche Rotationspumpe.

Zur Radiotherapie des Fibroms. Kasuistische Mitteilung: Nach wiederholter Röntgenbestrahlung bei schwankender Diagnose (zunächst maligner Tumor, dann gut beeinflußtes Fibrom, weiter Schwangerschaft, schließlich Sarkom) ergab die Operation (Konsilium des Internen, des Gynäkologen, des Chirurgen und des Réntgenologen!!) das Vorhandensein eines Fibroms mit zystischer, sarkomatöser Degeneration.

Paul Aubourg: Abnorme Schatten im Nierenbecken. Kasuistische Mitteilung: Einige Flecken, übereinanderliegend und durch Aufhellungen voneinander getrennt, fanden sich in der Gegend des Nierenbeckens. Wie der chirurgische Eingrifi ergab, hatten sich nicht Steine, sondern tuberkulöse Ver- änderungen der Kelche und des Beckens abgebildet. Nach A. soll der Radiologe die Interpretation der Aufnahmen dem Fachspezialisten überlassen, da die Röntgenaufnahme gerade der Nieren die ätiologische Deutung häufig nicht zuläßt. |

R. Ledoux-Lebard: Schutz bei Radioskopie und Radiographie. L. empfiehlt Metallfilter, etwa 0,5 mm Aluminium, zwischen Leuchtschirm und Untersucher usw. zu schalten, damit ständig ein im übrigen nicht hindernder Schutz garantiert sei.

J. Belot: Pleuritis mediastinalis. Bei einer 60jährigen Dame trat im Anschluß an eine Pneumonie Eiterfieber auf. Röntgenographisch fand sich Hochstand des rechten Diaphragmas und ein Schatten von regelmäßiger Gestalt im Anschluß an den rechten Herzschatten. Bei Schrägdurchleuchtung sah man im Mediastinalraum einen abgerundeten Schatten, nach Form und Beschaffenheit eine Zyste des Mediastinums. Die Röntgendiagnose, „abgesackte eitrige Pleuritis mediastinalis“, wurde durch den Verlauf verifiziert. Es wurde unter Temperaturabfall eine große Menge Eiter ausgehustet. In der Folge schloß sich eine einfache eitrige Pleuritis an. (Die Differentialdiagnose gegenüber Lungenabszeß usw. ist nicht gestellt. Ref.)

XXI, 1. Internationale Fachliteratur. 105

Lejeune: Gallensteindemonstration. Der photographierte Gallenblasenstein war bei der Durch- leuchtung sichtbar.

Journ. de Radiologie. Dezember 1913.

Matagne: Parotistumor. Kasuistische Mitteilung: Bei einer 34jährigen Patientin hatten sich im Laufe der Jahre doppelseitige Parotistumoren herausgebildet. Radiumbestrahlung hatte völlige Heilung zur Folge. P

H. Lamarche: Verstümmelung bei einer Hysterika. Ein junges Mädchen von 20 Jahren hatte nach dem Befund der Radiographie sich 64 Nadeln und Nadelfragmente in die Hand, Unterarm und den Ellbogen versenkt. Die Wunden infizierten sich so, daß eine Radikaloperation in Frage kam.

Dubois-Verburgghen: Gallensteindiagnostik. Kasuistische Mitteilung: Bei einer 38jährigen Patientin, die lange Jahre wegen Unterleibsbeschwerden behandelt war, wies die Radiographie das Vor- handensein von 7 Steinen nach, die operativ entfernt werden konnten.

Journ. de Radiologie, 8, 2.

A. Kaisin-Loslever: Fremdkörperextraktion aus dem Ösophagus bei Leuchtschirmkontrolle. Die Extraktion eines Gebisses (2 Schneidezähne) gelang mit ‘der Henrardschen Pinzette nicht, dagegen leicht mit einer Terrierschen Pinzette.

E. Stiénen-Huyberechts: Atheromatose. Radiographien der Arteria tibialis postica eines 70 jährigen Mannes: Der Patient war wegen des Verdachts einer Exostose unterhalb des Kalkaneus dem Röntgenologen überwiesen worden. Die Radiographie ergab, daß tatsächlich unter dem Kalkaneus an der Stelle des Achilessehnenansatzes eine Kalkinkrustation bestand. Offenbar handelte es sich um gich- tische Veränderungen. Bei der Aufnahme zeigten sich Kalkplatten im ganzen Verlauf der Arteria tibialis postica. Solche Befunde mahnen zur Vorsicht bei chirurgischen Eingriffen. (Gangrän usw.)

J. de Nobele: Spätreaktion nach Radiotherapie. Kasuistische Mitteilung: Im Anschluß an ein Trauma entstand am Elibogen ein Tumor, der zunächst flach exstirpiert, endlich 2 Jahre lang bestrahlt wurde. Die Diagnose lautete Osteosarkom. Bei einer nunmehr erfolgenden Probeexzision erwies sich der Tumor als Osteofibrom und wurde auf Grund der mikroskopischen Untersuchung radikal entfernt. Der Patient hat in 600 Tagen 33 mal 5 H, insgesamt 165 H erhalten. N. glaubt, daß es sich hier um eine Röntgenspätschädigung handelt.

Paul Francois: Radiotherapie von Hautkrankheiten. Bei Ekzem, Psoriasis und Lichen erzielt man mit harter Strahlung bei einer einzigen Applikation von 3—5 H mitunter ausgezeichnete Resultate, Die Tumoren der Mycosis fungoides schmelzen gewöhnlich, wie Schnee unter der Sonne so unter der Bestrahlung. Die Heilerfolge bei Skrofulodermie, Tuberculosis verrucosa und Tuberculosis lympho- glandularum sind ausgezeichnet. Lupus erythematosus wird gewöhnlich, Warzen, Kondylome regelmäßig (5—7 H ohne Filter), Keloide meist nach vorausgegangener Exstirpation gut beeinflußt. Bei Lupus vul- garis ist die Radiotherapie nur ein Hilfsverfabren, Naevi vasculosi (4--7 H, Filter von '/,—2 mm) werden ausgezeichnet durch die Radiotherapie beeinflußt. Alle Hautkankroide (Kontraindikation rasches Wachs- tum, Drüsenmetastasen, zu große Ausdehnung) werden erfolgreich mit harten Strahlen, dichter Filterung behandelt. Für die Bestrahlung ungeeignet sind Kankroide der Schleimhäute, geeignet sind Karzinom- rezidive. Es empfiehlt sich Operationsnarben früh zu bestrahlen, um Rezidive hintan zu halten.

Klynens: Maximumröhre von Amrhein: Bericht über die Amrheinröhre der Veifa-Werke, bei der die Antikathodenkühlung durch Verdampfung von mit großer Kraft gegen das Antikathodenmetall geschleuderten Wasserdampfes erfolgt. Die Warmeentziehung durch verdampfendes Wasser ist be- sonders groß. _

Hans Meyer: Kreuzfeuer bei der gynäkologischen Radiotherapie. Die Vielfelderbestrahlung nach Krönig ist in ihrer Dosierung mit der Albers-Schönberg-Methode nicht vergleichbar, da jene kleine, diese große Felder bestrahlt, also offenbar ganz verschiedene Strahlenmengen zur Absorption gelangen. M. empfiehlt Bestrahlung mit mechanisch hin und her bewegter Röhre.

Kaisin-Loslever: Pfannenverschiebung infolge Trauma. Kasuistische Mitteilung: Bei einem 12 jährigen Kind erfolgte im Anschluß an einen heftigen StoB eine Entzündung und AbszeBbildung der Hinterbacke. Operativ wurde ein Teil des Os ischii entfernt, Die Radiographie ergab Verschiebung der Hüftpfanne nach oben und hinten. Tuberkulose lag nicht vor.

American. Journ. of Roentgenology, Februar 1914.

A. W. George (Boston): Röntgendiagnostik. Kasuistische Mitteilung: Die klinische Diagnose hatte Magenkarzinom gelautet, röntgenographisch fand sich ein Duodenalhindernis und es wurde die Wahrscheinlichkeitsdiagnose Adhäsionen gestellt. Bei der Operation fand sich jejunale Dilatation als Folge von in ihrer Ätiologie unklaren Verwachsungen. Der Operierte starb vier Tage nach der Operation an Lungenembolie.

Geo. C. Johnston (Pittsburg): Radiographie der Hypophyse und Epilepsie. J. fand Verände- rungen der Hypophysenregion bei Epileptikern zur Zeit des ersten Auftretens der Anfälle. Es fanden Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XXIII. 14

106 Internationale Fachliteratur. XXI, 1.

sich Veränderungen der Processus clinoidei, Veränderungen in der Größe der Sella in der Dichtigkeit der Augenhöhlen, des Keilbeins und der Cellulae ethmoidales gegenüber der Norm. Bei 100 untersuchten Fällen fanden sich regelmäßig einzelne oder sämtliche geschilderte Veränderungen. Diese Läsionen könnten für Störungen in der inneren Sekretion der Hypophyse als Ursache der Epilepsie sprechen. Es bedarf natürlich einer größeren kritischen Kasuistik. Wichtig ist es nach J. in den ersten Anfängen der epileptischen Veränderung zu untersuchen, da später die Knochenstörungen uncharakteristisch werden.

Adolph Hartung (Chicago): Ungewöhnliche Knochenveränderungen. Die bessere Benennung des Themas würde gewöhnliche Knochenveränderungen bei ungewöhnlichen Krankheiten lauten. Von primären Knochenveränderungen berichtet H. zunächst über einige Fälle von Ostitis fibrosa. Zweimal handelte es sich dabei um typische Pagetsche Erkrankung (Ostitis deformans), bei denen insbesondere Erscheinungen von Porose und Sklerose nebeneinander bestanden. Weiter beschreibt H. einen Fall von Recklinghausenscher Erkrankung (multiple Knochenzysten). Endlich berichtet er über eine Reihe von Marieschen Erkrankungen (Osteo-Arthropathia hypertrophica). Bei dieser Erkrankungsform prävalieren die periostalen Veränderungen. Eine bestimmtere Gruppierung aller dieser Fälle, angesichts des negativen Ausfalls der Tuberkulose- und Syphilisprüfungen, ist noch nicht möglich. Derartige Krankheitsfälle sind noch immer recht selten. Das Ergebnis der Röntgenuntersuchung ist charakteristisch und eindeutig, deshalb unerläßlich.

März 1914. Lewes Gregory Cole: Réntgenkinematographie des Magens und Duodenums. Nach C. sind Serienröntgenaufnahmen ebenso wichtig wie Röntgenkinematographische Aufnahmen und erfordern eine weniger minutiöse Apparatur. Die Röntgenkinematographie setzt die Aufnahme von vier Röntgenogrammen in der Sekunde (im Minimum) voraus. (Apparatur von Charles E. Dreßler.) C. be- obachtet den Ablauf der Peristaltik und nimmt jedesmal, wenn es erforderlich ist, eine Serie von vier Röntgenogrammen auf. Die Dreßlersche Apparatur gestattet gleichzeitig zu durchleuchten, Serien von 4 Bildern aufzunehmen oder wirklich zu kinematographieren. Diese Art des Vorgehens vertieft die Dia- gnostik. Am brauchbarsten erschienen Coolidgeröhren.

1914, Mai. George C. Shattuck (Massachusetts): Die Kontrolle der Perkussion durch die Rintgen- strahlen. In der Überschrift ist der ganze Inhalt der Vorlesung bereits ausreichend wiedergegeben. Ch. empfiehlt besonders dem Perkussionslehrer seine Methodik durch die Röntgenuntersuchung zu kontrollieren.

Arch. of the Roentgen Ray, April 1914.

O. Pasteau und Degrais: Radiumbehandlung des Prostatakarzinoms. Die Radiumbehandlung des Prostatakarzinoms Kasuistik von 6 Fällen wird warm empfohlen. Je nach der Lage des Falles muß der Radiumbehandlung ein chirurgischer Eingriff (vom Perineum oder der Blase aus) vorausgehen, oder das Radium wird direkt vom Rektum oder der Urethra eingeführt. Es wurden 25—50 mmg Radium angewandt. Der Radiumapparat wird gewöhnlich, bei Platinfilterung, in einem Katheter eingeführt. Am geeignetsten sind die Fälle, bei denen die Prostata wenig vergrößert und der Tumor klein ist. Anästhesie empfiehlt sich nicht. Am besten bestrahlt man alle 3—6 Tage 2—4 Stunden und setzt nach 5—6 Sitzungen einige Wochen aus.

Fedor Haenisch (Hamburg): Magenbliihung in der Röntgendiagnostik. H. empfiehlt wieder die älteste und einfachste Methode der Magenuntersuchung durch Gasblähung, wie sie 1897 zuerst angewandt wurde. Er betont den Wert der Methode für die Untersuchung von Magenspasmen, Geschwürsnarben, Sanduhrmagen. Gelegentlich wird durch die Luftblähung die Karzinomdiagnose gefördert.

May 1914. Ofe Strandberg (Kopenhagen): Die Anwendung von Reyns elektrolytischem Verfahren bei der Tuberkulose des Nasen-Rachen-Kehlkopfraums. In dem Finseninstitut zu Kopenhagen wird bei der Haut-Schleimhauttuberkulose zunächst 5 g Jodnatrium verabfolgt, nächstdem elektrolysiert. (Anode als differenter Pol, deren Platin-Iridiumspitzen möglichst tief in das kranke Gewebe eingeführt werden, 3—5 M.-A., 10 Sitzungen à 3 Minuten mit wechselnder Applikationsstelle) Die Lupusbehandlung dauert lange, bis 27 Sitzungen, wobei in jeder Sitzung 10 Felder behandelt werden. Die Resultate sind gut.

Dudley Corbett (St. Thomas’ Hospital): Nenes Radiometer. C. empfiehlt für die Benutzung der Sabouraudpastillen ein neues Radiometer, das genaue Ablesung bei Tages- oder elektrischem Lichte ge- stattet. Die Neuerung beruht auf der Verwendung gefärbten spektroskopisch eingestellten Glases. Die Farbenvergleichung wird durch die Betrachtung der Pastillen durch gefärbtes Glas sicherer, ohne duß das Verfahren sich kompliziert.

Reginald Morton (London): Kongenitale Abnormitäten. In seiner Kürze und Reichhaltigkeit wohltuend anmutender Bericht über eine Reihe von Abnormitäten, die durch 2 gute Tafeln erläutert werden. Mangel des rechten Daumens, Mißbildung der 3 Mittelfinger der linken Hand, sogenannte in- trauterine Amputation des linken Unterarms, Dysplasie des Humerusendes zusammen mit Deformitäten der rechten Hand, des linken Arms usw. Verdoppelung des Phalangealteils des Daumens, des Endgliedes der großen Zehe, Deformität der Zervikal- und Dorsalwirbelsäule, endlich ein Fall mit Zervikalrippen.

Leopold Freund (Wien): Badiolymphe. Die Heilwirkung der Röntgen- und Radiumstrahlen hängt hauptsächlich von den chemischen Produkten ab, die im lebenden Gewebe durch die Bestrahlung

XXII, 1. Internationale Fachliteratur. 107

frei gemacht werden. (Gefäßreiche Bezirke, kongestionierte Flächen, entzündete oder blutende Bezirke sind besonders strahlenempfindlich, während anämische Haut relativ unempfindlich ist.) Die Radio- lymphe stellt einen Glyzerinextrakt bestrahlten lebenden Gewebes (Blut- oder Karzinomgewebe des Menschen, verschiedenartiges Gewebe des Versuchtiers) dar. Die Injektion solcher Radiolymphe im Gegensatz zu der Einwirkung eines Extraktes analogen, aber nicht bestrahlten Gewebes bedingt erheb- liche Entzündungserscheinungen (Röte, Schwellung, Schmerz). Die Injektion der Radiolymphe, ebenso wie die äußerliche Applikation bei Karzinom bedingte vorübergehende Heilerfolge. F. hält es für möglich, die Aktivität der Radiolymphe durch länger fortgesetzte Bestrahlung zu erhöhen, insbesondere hält F. Blutbestrahlung für geeignet zur Erzeugung von Radiolymphe.

Juni 1914. Hall-Edwards: Radiographie von Blumen. Die Radiographie von Blumen, Insekten und ähnlichen zarten Objekten mittels weicher Strahlungen vertieft die Untersuchung. Stereoskop- aufnahmen sind empfehlenswert. Die Bildschärfe verlangt hinreichende Entfernung der Röhre. Blumen und Blätter müssen 4—5 Zoll plattenfern bleiben. Für die Aufnahmen wurden alte Röhren mit einer Funkenschlagweite von 2 Zoll bei einem Vakuum, daß Kathodenstrahlen eben sichtbar sind, verwandt.

Seymour Barling (Birmingham): Fremdkörper der Leber. Kasuistische Mitteilung: Bei einer 26 jährigen Dame, die über reißende Schmerzen im rechten Unterleib mit Ausstrahlungen in die Leisten- gegend klagte, wurde zunächst chronische Appendizitis angenommen und Appendektomie ausgeführt. Ohne Erfolg. Die Radiographie zeigte einen Fremdkörper zwischen erster und zweiter Rippe außen und oben der rechten Niere. Bei der Laparatomie fand sich eine Zyste zwischen Leber und Zwerchfell mit Adhäsionen, Gerinseln usw., in deren Grunde sich ein dreiekiges Stück Glas fand, das offenbar vor 23 Jahren durch Sturz und Verletzung mit einer Bierflasche eingedrungen war. |

B. Szilard: Absolute MaSbestimmung der biologischen Wirkung der x- und y-Strahlen. Die einzige genügende Methode der biologischen Messung der x- und y-Strahlen ist die der Ionenwirkung. Alle elektrische Strahlungen sind physischer Natur. Die verschiedenen biologischen Wirkungen lassen sich auf quantitative, physikalische Verschiedenheiten zurückführen, wenn man gewisse Nebenwirkungen (Erzeugung von Sekundärstrahlen) berücksichtigt. Wenn man die Ionenwirkung als Voraussetzung der biologischen Wirkung bestimmt, lassen sich die Strahlungseffekte nach absoluten elektrischen Einheiten berechnen. Voraussetzung für praktisch brauchbare Meßinstrumente ist Messung der Gesamtstrahlung, Angabe von Bruchteilen einer Einheit, genaue Ablesung mittels Skala, Reaktion der Skala auf jede be- liebige Röntgeneinrichtung. Als Einheit schlägt Sz. die Strahlenmenge vor, die in der Luft ein einziges Ion bei normalem Druck und Temperatur in Freiheit setzt (absolute Einheit). Das MaBinstrument ist ein Iontoquantimeter, ein Elektrometer, das den durch Ionisation entstehenden Elektrizitätsverlust im Raum mißt. Der Nadelausschlag entspricht der Ladung und der Voltspannung.

International Journ. of Churgery, Dezember 1913.

A. Judson Quimby (New-York): Abnorme Kolonwindungen. Abnorme Winkelbildungen im Verlauf des Kolon kann ernste Darmstörungen hervorrufen. Derartige angeborene Anomalien (Adhäsionen, Mesenterialanomalieusw.) können bereits im frühen Kindesalter Störungen hervorrufen und radiographisch festgestellt werden. Häufig sind solche Unregelmäßigkeiten mit Querkolonptose verknüpft oder durch sie bedingt. Daß sie in allen Teilen des Kolons vorkommen und die mechanischen Phänomene von der Geburt an beeinflussen können, wird durch eine Reihe von Röntgenaufnahmen erläutert.

Liverpool medico chirurg. Journ., Januar 1914.

C. Thurstan Holland (Liverpool): Sanduhrmagen. Gewöhnlich ist die Röntgenuntersuchung eine Hilfsmethode, manchmal, und das gilt für die Diagnose des Sanduhrmagens, ist das Röntgenverfahren die Methode. H. bringt eine Kasuistik von 34 Fällen mit entsprechenden, charakteristischen Abbildungen. Bei der Röntgenuntersuchung ist auf die Größe der beiden Magensäcke, auf den Füllungsmechanismus, auf die Größe und das Verhalten der Konstriktionszone, auf Vorhandensein einer Ulzeration (penetrie- rendes Ulkus, Adhäsionen) auf Pylorushindernisse zu achten. Jedesmal ist der Frage der etwaigen bös- artigen Neubildung nachzugehen. Täuschungen kommen bei Gastroptose, bei Neubildungen (Schatten- studien), bei Druck von erweiterten Darmschlingen, bei Vorhandensein von Spasmen und kleinen Ge- schwüren der kleinen Kurvatur vor. Von den 34 Fällen betrafen nur 2 männliche Personen. Meistens handelte es sich bei allen um seit Jahren bestehende chronische Geschwürsbildung. Nur ein einziges Mal fand sich karzinomatöse Degeneration. Danach ist der Eindruck H.’s, daß das chronische Geschwür nicht besonders zu Magenkrebs disponiere, zumal, da im allgemeinen Männer häufiger an Magenkrebs leiden als Frauen, während diese zu Ulkus-Sanduhrmagen prädisponiert erscheinen. Berücksichtigt man, daß die 34 Fälle im Lauf von 3 Jahren zur Beobachtung kamen, so muß man das Vorkommen des Sand- uhrmagens als recht häufig bezeichnen. Nur 4mal wurde klinisch die Diagnose gestellt oder vermutet.

Journ. of the American mod. Assoc., August 1913.

George E. Pfahler (Philadelphia): Osteosarkom und Röntgenbestrahlung. Bericht über 12 zum Teil inoperable und rezidivierende Fälle: In 58°), wurde durch Röntgentiefentherapie Heilung er-

14*

108 Internationale Fachliteratur. XXII, 1.

zielt. Vorausgesetzt, daß der operative Eingriff eine Deformität oder ernsten Knochenverlust bedingen sollte, ist versuchsweise Röntgentherapie, mindestens 1 Monat, indiziert. Die Heilung fand, nach den Radiogrammen, dadurch statt, daß sich im Tumorbezirk zunehmende Mengen von Kalksalzen ablagern.

Surgery, Gynecology and Obstetricis, November 1913.

George E. Pfahler (Philadelphia): Erkrankung des Navikulare. Die isolierte Erkrankung des Navikulare radiographische Erkennung ist zuerst von Alban Köhler beschrieben. Neue kasuistische Mitteilung. Der Autor führt die charakteristische Sklerose auf einen entzündlichen Prozeß zurück. Es scheint sich stets um eine Erkrankung des Kindesalters zu handeln. Von dem Gesichtspunkt, daß es sich ursächlich um rein traumatische Ostitis handelt, bzw. eine Kompressions-Fraktur, ist die Behandlung im Gipsverband ratsam.

Februar 1914. Lewes Gregory Cole: Die Röntgendiagnose der Gallensteine und der Chole- zystitis, Die Réntgendiagnostik der Gallensteine ist eine direkte (Steinabbildung) oder eine indirekte (Verlagerung von Eingeweiden durch Adhäsionen infolge von Cholezystitis). Diese ist die wichtigere Methodik. Besonders bedeutungsvoll ist die Deformierung des Anfangsteils des Duodenums „the cap“ und der Pars pylorica. Photographierte Gallensteine müssen gegenüber Nierensteinen und anderen Ver- kalkungen (Rippenknorpel!) differenziert werden. Die Gallensteinradiographie setzt die Verwendung weicher Röhren und Momentaufnahmen (nach guter Darmentleerung) voraus. Mitunter sind wiederholte Auf- nahmen und Stereoskopaufnahmen erforderlich. Gallensteine erscheinen deutlicher bei dorso-ventraler Aufnahme (im Gegensatz zum Nierenstein). Sie stellen Ringbilder dar (Cholesterinkern), sind facettiert. Röhrenverschiebung ändert die Steinlage zur Niere bei Gallensteinen stets, bei Nierensteinen nie. Es ist übrigens praktisch kaum möglich, zwischen Adhäsionen infolge von Cholezystitis und Duodenalulkus zu differenzieren. Die Röntgenfeststellung von Gallensteinen und Cholezystitis ist so häufig, daß eine Röntgenuntersuchung sich immer empfiehlt. Der negative Ausfall der Röntgenuntersuchung rechtfertigt bei entsprechender Anamnese nicht die Ablehnung chirurgischen Eingriffs. (Kasuistik von 20 Fällen mit guten Abbildungen.)

New York. Med. Journ., Februar 1914.

Lewes Gregory Cole: Die Diagnose des Magenkrebses mittels der Serienröntgenographie. C. ist der Meinung, daß die negative oder positive Magenkarzinomdiagnose bei Verwendung der Serien- röntgenographie ebenso sichergestellt werden könne, wie bei Probelaparatomie. (Kasuistik von 616 Fällen.) Kleine verhärtete Geschwüre oder beginnende Karzinome können bei sorgfältiger Untersuchung (im Liegen und Stehen) von Serienröntgenogrammen erkannt werden. Erforderlich sind 40—80 Aufnahmen, die nach Verkleinerung eventuell kinematographisch untersucht werden müssen. Es kommt für die Diagnose der Nachweis konstanter Magenwandveränderung in der Systole oder Diastole in Betracht, sowie Störungen im Ablauf der peristaltischen Wellen. Freilich die Differentialdiagnose zwischen Karzinom, Adenom, Myom, Sarkom und verhärtetem Geschwür ist nicht möglich. Syphilitische Veränderungen des Magens sind beginnendem Karzinom mitunter zum Verwechseln ähnlich (Wassermannreaktion). Das vor- geschrittene Karzinome sich röntgenographisch immer abbilden, ist bekannt. Die Röntgenuntersuchung sicherer Tumoren erscheint wichtig, um die Frage der Operabilität und der einzuschlagenden operativen Maßnahmen zu klären. Es sollte jede zweifelhafte Magenerkrankung genau röntgenologisch studiert werden. (Kasuistik von 21 Fällen mit ausgezeichneten Abbildungen.)

Journ. of the Roentgen Society, April 1914.

Jean Clunet: Wirkungen der X-Strahlen auf tierisches Gewebe. Demonstrationen: Zerstörung der Hodenzellen der Ratte durch filtrierte Strahlung und zwar ausschließlich der spermatozoenbildenden Zellen. Massive Dosen zerstören beim Meerschwein das Stratum Malpighi, während kleine Dosen bei wiederholter Applikation Sklerose, Atrophie, Papillenschwund hervorrufen. Bestrahlung eines Haut- karzinoms hatte Zerstörung der Mehrzahl der. epithelialen Zellen zur Folge; endlich Demonstration ver- schiedener Arten von Dermatitis. Die chronische, hypertrophische Radiodermatitis ist öfters der Anfang maligner Degeneration. Man kann experimentell durch konsekutive Bestrahlung der Ratte Spindelzellen- sarkom der Haut hervorrufen. Dem gegenüber ist es auffallend, daß beim Menschen als Folge der Röntgendermatitis Krebs auftritt. Es lassen sich diese Schädigungen nicht direkt miteinander vergleichen, weil Tumorbildung beim Menschen erst nach 10—12 Jahren, bei der Ratte schon nach ebenso viel Monaten auftrat. Daß bei der Ratte Sarkome, beim Menschen Karzinome entstehen, ist vielleicht individuelle Eigentümlichkeit.

Arch, d’Electr. méd., Nr. 386.

Bergonié und Béchou: Kinematographie in der Physiotherapie. Die Kinematographie leistet ausgezeichnete Dienste für Lehrzwecke (Elektrotherapie, Elektrodiagnostik). Sie gestattet objektiv die Wirksamkeit der Behandlung von Lähmungen usw. zu beurteilen, wenn Films zu verschiedenen Zeiten aufgenommen werden. Sie orientiert ausgezeichnet über neue Behandlungsmethoden und ersetzt die An- weseuheit und die Demonstration des Lehrers. C. Klieneberger (Zittau).

Druck von Hesse & Becker in Leipzig.

Fortschritte a. d. Gebiete der Rontgenstr. XXII. | | , 2 | N | | ; po

2 -..n. S k a

e i U l b an } L i r , 4 t i » $ nn į & , ett : ' è i] ies > td a w o . y t ; N f : % z ! r t = i ` cs t i i i i ) ! Zn ' N | t t + 4 ' ¢ ` i d \ ` 1 i Y , 4 J l t + Ne

Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg... py A Jai

Neue Photographische Gesellschaft A-G. Steglitz-Berlin.

wtf

——

Fortschritte a. d. Gebiete der Rontgenstr. XXIII.

Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Steglitz-Berlin.

Tafel Il.

Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg:

Ve ete ee -a AEA

ee

' ? i Hi l. ? ‘pe :

- w e e. waa

| e.. gyo

á „ern ._

7 4 4 - ~t mad - me un ame O o a

a

en Er ip .. ren. ao w oraa e T M = - -` = a TaT u : 2 ee a - Ba Fe = a

Tr

are. Fi

te eo ep.

(Aus dem medizinischen Röntgenlaboratorium des Krankenhauses München 1. d. I.)

Röntgenologische Beobachtungen bei Gastrocele skrotalis. (Mit 15 Textfiguren.) Von Prof. H. Rieder.

Bei Brüchen des Zwerchfelles, sowie bei Bauchwand- und Nabelhernien, hat man schon öfters Teile des Magens im Bruchsacke gefunden, außerordentlich selten aber in Inquinal-, bzw. Skrotalhernien und in Schenkelhernien.

Über das Vorkommen des Magens in den letztgenannten Brüchen erhielt man früher, d. h. vor der diagnostischen Verwendung der Röntgenstrahlen, meist nur Aufschluß durch diesbezügliche Befunde am Sektionstisch.

Indessen ist meines Wissens auch in der Röntgenliteratur ein derartiger Hernienbefund bis jetzt noch nicht verzeichnet, obwohl die Bestimmung von Lage, Größe und Form des Magens beim Lebenden keine Schwierigkeiten mehr bietet.

Da sich mir Gelegenheit bot, einen Patienten zu beobachten, bei dem das allmähliche Herabtreten des Magens in eine Skrotalhernie im Laufe von 81/, Jahren, sowie seine topo- graphischen Beziehungen zu den einzelnen Darmabschnitten auf röntgenologischem Wege gut zu verfolgen waren, so soll hier über diesen Befund nähere Mitteilung gemacht werden. Die zu schildernde Beobachtung gewinnt um so mehr Interesse, als das motorische Verhalten des Magens und Darmes während der Verdauung mehrmals geprüft werden konnte.

Johann A., 65 Jahre alt, z. Z. Pfründner des St. Martin-Spitales in München, erlitt im Alter von 8—10 Jahren einen Schlag in die linke Weiche, doch achtete er zunächst nicht auf den Unfall. Bald aber stellten sich in der genannten Gegend Schmerzen ein, die von Zeit zu Zeit wiederkehrten. Dieselben dauerten verschieden lang und konnten durch Gegen- druck von außen, d. h. durch festes Anlegen der flachen Hand an die schmerzhafte Stelle, stets gelindert werden. In der Folge verrichtete Patient als Metallformer schwere Arbeit, obwohl er ab und zu Schmerzen in der linken Weiche verspürte, will aber von einem Bruch nichts bemerkt haben. Erst im Jahre 1890 beobachtete er, daß der linke Hodensack allmählich bis zu Faustgröße anschwoll. Diese Größe blieb angeblich bestehen bis 1891; von da ab soll die Geschwulst so rasch gewachsen sein, daß sie in einem halben Jahre nahezu die jetzige Größe erreichte.

Nach Aussage des Patienten wurde der Bruch nie künstlich zurückgehalten, und auch die in den letzten Jahren empfohlene Stützvorrichtung (Tragbeutel) wurde als zu unbequem seitens des Patienten verworfen.

Mai 1910 stellten sich beim Patienten ohne erkennbare Ursache fast alle Tage „Schwindel- anfälle“ ein; es war ihm, als wenn er in einen dichten Nebel blickte, so daß er beim Gehen auf der Straße öfters stehenbleiben mußte. Appetit sehr schlecht, Stuhl unregelmäßig; kein Erbrechen, kein Aufstoßen.

Am 7. Juli 1910 trat plötzlich ein so heftiger Schwindelanfall auf, daß Patient zu Boden stürzte; er wurde bewußtlos, kam aber nach etwa 10 Minuten wieder zu sich, hatte sofort klares Bewußtsein und Erinnerungsvermögen, wurde dann nach Hause geschafft und erbrach hier viel hellrotes, flüssiges Blut. Auf medikamentöse Behandlung hin blieb weiteres

Rieder. XXIII, 2.

110

\ d } t H š _._ -mİ 2 Ta: 2 % \ ; I i $ i 1 s i Pe nae ° : mr ee s / = :

i Fig. 1. Fig. 2. 6. UI. 1911. Sofort nach der Mahlzeit. _ 18. III 1911. Sofort nach der Mahlzeit.

u ing ETA > à a aae Ble Angad 5

¥ ber,

I I ! | ee | | ! bo ; =! N j ! | \ j i Li E l Fig. 8. Fig. á. 18. ITI. 1911. 15 Minuten nach der Mahlzeit. 1. VII. 1912. 5 Minuten nach der Mahlzeit.

XXIII, 2. Röntgenologische Beobachtungen bei Gastrocele skrotalis. 111

Bluterbrechen aus und trat auch in der Folgezeit nie mehr auf. Doch stellten sich in den nächsten 8 Tagen mehrere schwarze, kaffeesatzartige Stühle sowie Fröste ein. Patient lag dann mehrere Monate zu Hause, war sehr matt, appetitlos, hatte Schwindel, Kopfschmerzen und Frostgefühl und nahm an Körpergewicht ab. Da keine Änderung des Krankheitszustandes eintrat, begab er sich Januar 1911 ins Krankenhaus, Nach achttägigem Aufenthalt daselbst (Klinik Prof. v. Bauer) stellte sich wieder Appetit ein. Schwindel und Kopfschmerzen, sowie Frostgefühl blieben jedoch bestehen.

Status praesens vom 20.1. 11: Stark reduzierter Ernährungszustand, Hautfarbe blaß. An den Thoraxorganen kein besonderer Befund. Linkerseits ein Hodenbruch von großem Umfang. Blut: HbG. 50°/,, Erythrozyten 3,5 Millionen. Mageninhalt: Kongo und Günzburg positiv. Im Stuhl Sanquis. Rektalbefund negativ.

Am 6.11.1911 wurde der sehr hinfällige Kranke einer Röntgenuntersuchung unter- zogen: Große Magenblase. Erheblicher, mit Atonie einhergehender Tiefstand des Magens. Am unteren Rand der großen Kurvatur eine konische, kephalwärts gerichtete Schattenaussparung mit unscharfer und verwaschener Begrenzung (Fig. 1). In dieser Gegend ist keine peristalische Bewegung sichtbar, doch geht die Antrumbewegung in regulärer Weise von statten. Bei wieder- holter Untersuchung fand sich dieselbe eigentümliche Beschaffenheit des Fillungsdefektes. Es bestand also begründeter Verdacht auf Karzinom der großen Kurvatur des Magens.

In der Folge besserten sich aber Aussehen und Kräftezustand des Patienten in auffallender Weise, das Körpergewicht nahm im Verlauf von 6 Monaten um 18 Kilo zu, die Anämie ging erheblich zurück.

Bei einer am 18. III. 11 vorgenommenen Röntgenuntersuchung war auffallenderweise die genannte Schattenaussparung des Magens nicht mehr vorhanden. Der kaudale Magenpol zeigt jetzt eine konische Verlängerung nach unten, auch besteht rege Antrumperistaltik (Fig. 2). Die ursprüngliche Diagnose „Magenkarzinom® ließ sich nicht mehr aufrechterhalten; man dachte an Ulcus ventriculi und brachte dasselbe in ursächlichen Zusammenhang mit dem be-

stehenden Bruchleiden, insofern durch die in die Hernie herabgesunkenen Darmschlingen ein

Zug auf die untersten Partien des Magens ausgeübt wurde. Zeigte sich doch bei der Durch- leuchtung, daß schon bald -nach der Nahrungsaufnahme (Wismutmehlbrei) der Chymus ins Duodenum und von da ins Jejunum übertrat, dessen Schlingen sich größtenteils in der Skrotalhernie befanden und dort sich lebhaft bewegten (Fig. 3). Dabei fanden sich ziemlich viele Gasblasen (auf der Zeichnung hell, von gestrichelten Linien engen) im Gebiet der Dünndarmschlingen.

Bei späteren, d. h. im Verlaufe der nächsten 3 Jahre vorgenommenen Röntgenunter-

suchungen ergaben sich merkwürdige Veränderungen des Magenbildes, auf die sogleich .

näher eingegangen werden soll.

Am 1. VII. 12 zeigte sich bei der Durchleuchtung, daß der Magen erheblich nach abwärts gerückt und der unterste, stark verschmälerte Teil des schlauchförmigen Organes bereits in den Leistenkanal eingetreten war (Fig. 4). Eine Pylorusaussparung ließ sich nicht nachweisen. Schon bald nach der Nahrungsaufnahme sah man irregulär verteilten Dünndarminhalt median- wärts vom Magen, also noch innerhalb der Bauchhöhle, und nach kurzer Zeit auch innerhalb des Skrotums auftreten. Ä

Bei der am 11. III. 18 wiederholten Untersuchung ergab sich, daß der Magen Sanduhrform angenommen hatte, indem sein unterer Teil in den Bruchsack eingetreten war, woselbst er einen rundlichen, ballonartigen Sack bildete (Fig, 5), der durch eine schmale, im Leistenkanal befindliche Einschnürung von dem oberen, länglich gestalteten Teile getrennt war. Der Inhalt dieses unteren Magensackes ließ sich palpatorisch zum größten Teile nach dem oberen Magen- abschnitte verdrängen, um bei Nachlassen des Fingerdruckes sogleich wieder nach abwärts zu treten. Der Pylorusteil des Magens war nicht sichtbar, die Füllung der Dünndärme (Fig. 6) _ erfolgte in derselben Art und Weise wie bei der vorjährigen Untersuchung,

a ; i

i

i

T

80 Minuten nach der Mahlzeit.

„en sme he Pa ae ee & ò Eo dii yi Fi = | li it oh vA ; An... es

20 Minuten nach der Mahlzeit.

x , oe o> / o> Ta tA . I R a l \ = > \ os ` . o \ = N \ = bs © ge) Q om a ER, +> or + © om : = m o3 < 3 el = tnt oS © Oo ct eo 3 & S =} A st 7.1 e 3 A 3 st u om a Ee = o lar] au ; eo A = = a o> = y = l | es a f \ Pd ae N tua ry = \ Ae GE 1 = m \ ir „) A . "Ss, y 4 BEE -= > NI Pr og —_

XXIII, 2. | Röntgenologische Beobachtungen bei Gastrocele skrotalis. 118

Am 17. XII. 13 konnte konstatiert werden, daß die in der Leistengegend befindliche Verbindungsstrecke zwischen oberem und unterem Magensack schmal und langgezogen war (Fig. 7) und daß die Regio praepylorica in Form eines gegen die Bruchpforte gerichteten Zapfens ihren Inhalt nach dem noch im Bauchraume befindlichen Duodenum entleerte. Der Pförtner befand sich also z. Z. zweifellos im Leistenkanal. Schon !/, Stunde nach der Nah- rungsaufnahme sah man zahlreiche Dünndarmschlingen im Skrotum sich bewegen.

Ein ähnlicher Befund wie am 17. XII. 13 ergab sich am 29, VII. 14 (Fig. 8). Sowohl im Gebiet der Bauchhöhle als auch in dem der Hernia skrotalis fanden sich viele Gasblasen.

Die Skrotalhernie, welche mehr und mehr unser Interesse erregte, wurde nun auch einer genaueren Inspektion und Palpation unterzogen. Durch Repositionsversuche bei gefülltem Magen läßt sich nur ihr innerhalb des Bauchraumes befindlicher Inhalt nach oben gegen die Cardia drängen, dagegen das im Bruchsack liegende Magendivertikel palpatorisch nur relativ wenig beeinflussen. Wohl aber ist es möglich, wenn man mit beiden Händen auf die Geschwulst drückt, unter gurrenden und quatschenden Geräuschen einen Teil des übrigen Bruchinhaltes (Darm) in die Bauchhöhle zu reponieren. | Die Haut des stark erweiterten Skrotums ist nicht wesentlich verdünnt, sie ist leicht verschieblich und von zahlreichen erweiterten Venen durchzogen (Fig. 9). Die Haut des Penis ist eingezogen und teilweise in der Geschwulst aufgegangen. Der rechte Hoden springt rechts vom zurückgezogenen Penis als etwa taubeneigroße, geringgradige Vorwölbung in die Augen. Der linke Hoden ist größer als der rechte und am unteren konisch geformten Ende des Bruches fühlbar. Beide Hoden sind gegen Fingerdruck empfindlich. Die bis auf den Grund des Hodensackes vorgedrungene Hernie ist also vollständig von den Hoden getrennt.

Wenn man den Patienten Wasser oder Milch trinken läßt und dabei auskultiert, hört man ein gurgelndes, polterndes Geräusch und die aufgelegte Hand fühlt deutlich das Ein- strömen der Flüssigkeit in die Skrotalhernie. Läßt man mehr Wasser trinken, so macht der tiefe, tympanitische Perkussionsschall im oberen Teile der Geschwulst einem gedämpften Schalle Platz und es tritt eine rundliche, mannsfaustgroße Hervorwölbung in der Inquinalgegend und unterhalb derselben auf. Nach Darreichung von Brausepulver oder Selterswasser sieht man den dem Magen entsprechenden Teil der Hernie noch schärfer hervortreten. Nach dem Genuß einer gewöhnlichen Mahlzeit fand sich wie nach Trinken einer größeren Menge Wassers ge- dämpfter Schall über der Hernie; auch war schon äußerlich eine stärkere Anfüllung der Ge- schwulst, besonders eine Erweiterung der oberen Partie der Hernie, sichtbar (Fig. 10).

Solche und ähnliche Befunde, wie sie hier erhoben wurden, haben übrigens schon in früheren Zeiten gelegentlich der Untersuchung Bruchleidender bisweilen zur Annabme geführt daß der Magen einen Teil des Hernieninhaltes bilden müsse.

Um eine Gesamtübersicht der Verdauungsvorgänge am Magendarmkanal des Bruchleidenden zu gewinnen, wurde sowohl am 26. XI. 13, als auch am 29. VII. 14 eine systematische Prüfung der Magendarmpassage vorgenommen. Dabei wurde auch auf Lage und Bewegung des Dickdarmes genauer geachtet. Es sei vorausgeschickt, daß das Untersuchungsresultat beider Untersuchungen vollkommene Übereinstimmung ergab.

Patient erhielt jedesmal morgens 8 Uhr 400 g Wismutmehlbrei, dem 70 g Bismutum carbonicum beigemischt waren. Während der Zufuhr desselben wird auf dem Leuchtschirme die Entfaltung des Magens verfolgt. An die Füllung des Fundus schließt sich rasch die der Pars media an. Bald drängt sich etwas Mageninhalt durch die Bruchpforte in den Bruchsack bzw. den im Skrotum liegenden Magensack, von dem die Regio praepylorica nach der Bruch- pforte abbiegt und zwar in Form eines mit der Pars media des Magens parallel laufenden konischen Zapfens (wie in Fig. 7 bereits zur Darstellung gekommen ist).

81/, Uhr, d. h. ?/, Std. p. c.: Unterhalb der langgestreckten ovalen Magenblase findet sich

‚eine nicht unerhebliche Saftschichte, unterhalb dieser eine kleinere Schichte Kontrastbrei Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 15

\

114 Rieder. | XXIII, 2.

während der im Skrotum befindliche Magensack stark gefüllt ist. An letzterem finden sich zwei Schenkel, d. h. ein zuführender sowie ein abführender, welch letzterer der regio prae- pylorica angehört. Duodenum, dessen Abteilungen nicht deutlich zu differenzieren sind, und erste Jejunumschlingen im Hypogastrium rechts von der Bruchpforte sind gefüllt und in leb-

Fig. 9. Vor der Mahlzeit. | Fig. 10. Nach der Mahlzeit.

hafter Bewegung befindlich. Bald zeigen sich auch kleine Chymuspartikel in den Jejunum- schlingen innerhalb des Skrotums. Eine Viertelstunde später finden sich bereits zahlreiche gefüllte Dünndarmschlingen innerhalb des Skrotums.

9 Uhr, d. h. 1 Std. p. c.: Magensack bedeutend kleiner. Dünndarmschlingen in der Bauch- höhle und innerhalb des Skrotums, d. h, Duodenum und Anfangsteil des Jejunums sind teilweise

gefüllt, in lebhafter Bewegung.

XXIII, 2.

Röntgenologische Beobachtungen bei Gastrocele skrotalis.

115 10 Uhr, d. h. 2 Std. p. c.: Mageninhalt hat weiter abgenommen, bildet einen halbmond- förmigen Rest am Magengrunde.

Zwei in der Bauchhöhle gelegene Dünndarmschlingen sind prall gefüllt, wurstförmig. Von Zeit zu Zeit wird aus ihnen etwas Chymus rasch durch die

Bruchpforte in die Skrotalhernie befördert. In dieser viele Diinndarmschlingen, die z. T. über- einander gelagert sind und in reger Bewegung sich befinden.

miteinander ab.

11 Uhr, d. h. 3 Std. p. c.: Kleiner Magenrest, von dem eine Fortsetzung nach einer stark gefüllten Dünndarmschlinge (Duodenum) sich erstreckt. Innerhalb des Skrotums zahlreiche Dünndarmschlingen in lebhafter Bewegung. Förderungs- und Mischbewegungen wechseln

111/, Uhr, d. h. 3/, Std. p. c., findet sich noch ein minimaler Magenrest, nur in den unteren Partien der Skrotalhernie gefüllte Dünndarmschlingen; beginnende Coecum-Ascendens- Füllung. |

AP l de

B ES A

os

Pl) RS Na > ‘\ ~~) man” y es

I! IM y Up

f Nh) i

IN

|

|

}

|

: > %

Fig. 11. Fig. 12. 6 Stunden nach der Mahlzeit. 10 Stunden nach der Mahlzeit. 12 Uhr, d.h. 4 Std. p. c.: Magen leer.

abschnitte kaum zu unterscheiden ist.

Im Bauchraume vereinzelte Chymuspartikel in den. dort befindlichen Dünndarmschlingen. Skrotum voll von Dünndarmschlingen, deren Inhalt zusammengeballt erscheint und von dem der in Füllung begriffenen proximalen Dickdarm-

2 Uhr, d.h. 6 Std. p. c.: Im untersten Teile des Skrotums liegen noch einige, strecken weise mit Chymus gefüllte Dünndarm(lleum)schlingen (Fig. 11), ferner das gefüllte Coecum- Ascendens und das girlandenartig gewundene Transversum (die Haustren teilweise mit Gas gefüllt), dessen distale Partien am lateralen linken Rande des Hodensackes der Bruchpforte zu- streben. In der Bauchhöhle lassen sich nur größere, gefüllte Dickdarmpartien, welche in der Hauptsache wohl dem Sigmoideum angehören, sowie vereinzelte Dünndarmschatten (Jejunum) nachweisen.

6 Uhr, d. h. 10 Std. p. c.: Auch die tiefstehende L-Flexur und z. T. auch Descendens und Sigmoideum sind gefüllt.

Von den im Skrotum liegenden Darmteilen ist nur noch das

15*

-y

ea

116 Rieder. XXIII, 2.

Coecum-Ascendens und das Transversum, und zwar in mäßigem Grade gefüllt (Fig. 12). Letzteres durchzieht in breiten Windungen die Hernie, verschmälert sich in der Gegend der Bruchpforte zu einem dünnen Strang, welcher jenseits des Inquinalkanales zur linken Flexur ansteigt und sich allmählich wieder verbreitert. Die noch im Bauchraume liegenden gewundenen und z. T. über- einander gelagerten Darmschlingen gehören offenbar nicht bloß dem Descendens und der Flexura sigmoidea, sondern auch dem Rektum an.

8 Uhr abends, d. h. 12 Std. p. c.: Befund nur wenig verändert. Haustrenbildung und Füllung des Trausversum geringer als bei der letzten Untersuchung, Füllung der unteren Dickdarmpartien hat zugenommen.

Am nächsten Tage morgens 8 Uhr, d. h. 24 Std. p. c.: Die Dickdarmfüllung weicht nicht wesentlich ab von dem gestern abend, d. h. 12 Std. p. c., erhobenen Befunde. Die ge- füllten Kolonschlingen zeigen fast keine Haustrenbildung; sie durchziehen den Bruchsack, ver-

Fig. 18. Fig. 14. Doppelmahlzeit. 6 Stunden nach der ersten und Doppelmahlzeit. 7 Stunden nach der ersten und 2 Stunden nach der zweiten Mahlzeit. 3 Stunden nach der zweiten Mahlzeit.

schmälern sich gegen die Bruchpforte zu und setzen sich nach dem Bauchraume fort bis zur linken Flexur; auch Descendens, Sigmoideum und Rektum gefüllt.

Abends 8 Uhr, d. h. 36 Std. p. c.: Coecum-Ascendens leer, Transversum und Descendens wenig, Sigmoideum und Rektum stärker gefüllt.

Morgens 8 Uhr, d. h. 48 Std. p. c.: Nur die Ampulla recti ist stark gefüllt, die übrigen Darmpartien sind vollständig frei von wismuthaltigem Inhalt.

Um eine gleichzeitige Füllung des Magens und Darmes zu erzielen und die Beziehungen dieser Organe zur Bruchpforte besser übersehen zu können, erhält Patient am 12. IX. 14 eine Doppelmahlzeit verabreicht, d. h. 4 Stunden nach der ersten Wismutmahl- zeit eine zweite.

a) 6 Stunden nach der ersten und 2 Stunden nach der zweiten Mahlzeit (Fig. 18); Unterer

XXIII, 2. Röntgenologische Beobachtungen bei Gastrocele skrotalis. 117

Magenabschnitt noch größtenteils gefüllt, zuführender und abführender Schenkel des Magen- schlauches durchziehen die Bruchpforte. Die in der Bauchhöhle liegenden Schlingen des Duo- denums und Jejunums sind gefüllt, von letzterem sieht man eine Schlinge durch den Bruch- sack in die Hernie sich erstrecken. In letzterer sind die im oberen Teile der Hernie befind- lichen Jejunumschlingen in morphologischer Beziehung deutlich unterschieden von den im unteren Teile der Hernie gelegenen Jleumschlingen. Zwischen beiden sind die bereits teilweise gefüllten Schlingen des Coecum-Ascendens und Transversun sichtbar.

b) 7 Stunden nach der ersten und 8 Stunden nach der zweiten Mahlzeit (Fig. 14): Der Mageninhalt hat etwas abgenommen und ist zum Teil (durch Anpressen des Skrotums an die photographische Platte) in den oberen Magenabschnitt übergetreten. Eine Duodenalschlinge stark gefüllt, ebenso die in der Bauchhöhle befindlichen Jejunumschlingen, hingegen enthalten die in der Hernie liegenden Jejunumschlingen nur wenig Inhalt. Außer dem Ileum ist auch Coecum-Ascendens und Transversum stärker gefüllt, der Inhalt des letzteren läßt sich lateral- wärts von der linksseitigen Magengrenze bis zur Bruchpforte verfolgen.

Es sei noch ergänzend hervorgehoben, daß bei stereoskopischer Aufnahme ersichtlich wurde, daß in der wismutgefüllten Hernia skrotalis die Schlingen des Colon ascendens und Transversum nach rückwärts von dem im Bruchsack befindlichen unteren Magenabschnitt gelagert waren. ;

Zur Kontrolle und vollständigen Klarstellung der topographischen Verhältnisse des Dickdarmes wurde auch die Einverleibung eines Kontrastmittels per rektum vorgenommen. Nach Verabreichung eines Bariumeinlaufes (Fig.15) fanden sich innerhalb des Skrotums (abgesehen von Gasblasen im Dünndarm) das Coecum-Ascendens sowie der größte Teil des

haustrale Segmentation zeigenden Transver- eu sums. Letzteres verengt sich in der Gegend i |

der Bruchpforte, um gegen die ziemlich tief- acs S stehende linke Flexur zu wieder mächtig anzu- S izim N

4 ee (-

schwellen. Hierauf folgt das Descendens, / u während die Schatten des Sigmoideum und des Er 5 Rektum so übereinander projiziert sind, daß sie nicht voneinander unterschieden werden

können.

In dem oben beschriebenen Krankheits- falle besteht, wie die nähere Untersuchung ergeben hat, ein sogenannter Doppelbruch, d.h. Dünndarmbruch in Kombination mit Dick- darmbruch, der noch dazu durch Verlagerung des Magens kompliziert ist. Bei der Größe der Geschwulst und .ihrem reichlichen Inhalt an Baucheingeweiden kann man hier füglich von einer Eventration sprechen.

Die Ursache für die Entstehung des Bruches war nicht mit Sicherheit zu eruieren. Eine abnorme Länge des Mesenteriums kann hier wohl nicht als ursächliches Moment ange- E w schuldigt werden. Es ist nicht unwahrschein- N ee

ach Darmeinlauf.

lich, daß das (in der Kindheit) stattgehabte Trauma des Unterleibes die Gelegenheitsursache für die Entstehung des Bruches war. Während anfänglich das Lumen des im Bruche liegenden Magenabschnittes erheblich

kleiner war als das des innerhalb des Bauchraumes liegenden, trat mit dem Tiefertreten des

, = =."

eee ee -— aw

118 Rieder. XXIII, 2.

Magens, bzw. nach seinem Durchtritt durch den Leistenkanal insofern eine Anderung in bezug auf die räumliche Ausdehnung des unteren Magenabschnittes ein, als derselbe mit seinem Eintritt in den Hodensack an Größe erheblich zunahm und außerdem eine rundliche Gestalt zeigte.

Wie schon in einigen anderen Beobachtungen von Inquinal- und Schenkelhernien mit Mageninhalt aus früherer Zeit (als das Röntgenverfahren der Diagnostik noch nicht zur Verfügung stand), trat auch hier eines Tages spontan eine lebensgefährliche Hämatemese auf, welche durch ein Ulkus oder Karzinom bedingt zu sein schien. Wäre schon damals, als die Magenblutung auftrat, eine fortlaufende Verdauungskontrolle des Magendarmkanales vor- genommen worden, so würde zweifellos die Ursache der Magenstörungen schon zu dieser Zeit richtig, d. h. als auf Ulkus beruhend, gedeutet worden sein. Chronische Ulzerationen des Magens entstehen offenbar bei Gastrocele in derselben Weise, wie sie von Kienböck bei der Hernia diaphragmatica so überzeugend geschildert wurde, nämlich auf mechanischem Wege, d. h. durch Zerrung, Knickung und Drehung zirkumskripter Magenpartien, speziell der Blutgefäße, und die hierdurch bedingte Ernährungsstörung der Magenwand. Daß das Bluterbrechen wahrscheinlich eine regelmäßige Begleiterscheinung der Gastrocele ist, geht daraus hervor, daß man bei Sek- tionen von Personen, die daran litten, schon wiederholt bei Druck auf die Hernie hämorrha- gische Flüssigkeit aus dem Munde hervorquellen sah.

Der in der vertikalen Richtung stark vergrößerte Magen zeigte ursprünglich nur Längs- dehnung, nach seinem Eintritt in den Leistenkanal aber eine Sanduhrform, indem der obere verschmälerte Teil mit dem unteren rundlichen, divertikelartigen Teile durch eine in der Bruch- pforte liegende, verengte Partie zusammenhing (Fig. 5), während Kardia und Fundus an nor- maler Stelle sich befinden.

Die Länge des Magens, gemessen an mehreren der oben skizzierten Röntgenogramme (die sämtlich bei 60 cm Fokusdistanz aufgenommen wurden), betrug am 6. II. 11 (Fig. 1) 25 cm, am 1. VII. 12 (Fig. 4) 83 cm, am 11. III. 13 (Fig. 5) 42 cm, am 29. VII. 14 (Fig. 8) sogar 44 cm.

Im Laufe der mehrjährigen Beobachtung wurde die Bruchpforte immer weiter und der Bruchinhalt immer ausgedehnter, während die Bauchhöhle sich verkleinerte, so daß die Bauch- decken schließlich eine Abflachung und seitlich sogar eine deutliche Einsenkung zeigten. Die über mannskopfgroße Skrotalhernie reichte schließlich bis zum unteren Drittel des Oberschenkels herab (Fig. 9 und 10).

Interessante Ergebnisse lieferte, wie oben schon näher ausgeführt ist, ein Vergleich der perkutorisch-auskultatorischen und palpatorischen Befunde vor und nach der Zufuhr von Speisen und Getränken.

Die Motilität bzw. Austreibungszeit des Magens war merkwürdigerweise trotz seiner hochgradigen Verlagerung und Zerrung sowie der hierdurch bedingten großen mecha- nischen Hindernisse nicht gestört.

Auch am Darm war abgesehen von einer in den ersten Stunden nach der Nahrungs- aufnahme sich geltend machenden Hypermotilität kein erheblich von der Norm abwei- chendes Verhalten zu konstatieren.

In der oben beschriebenen Skrotalhernie fand sich außer dem unteren Magenabschnitte der größte Teil des Jejunums, das ganze Ileum und Colon ascendens, sowie der größte Teil des Transversums.

Was die schon von alters her bekannte Einlagerung von Verdauungsorganen oder von Teilen derselben in Inquinal- bzw. Skrotalhernien anlangt, so liegen hierüber bereits eingehende Erfahrungen vor. Und zwar finden sich in denselben die leichtest beweglichen Teile des Magendarmkanales, d. h. das Netz, sowie das an seinem fächerförmigen Mesenterium aufgehängte Jejunum und Ileum, am häufigsten, dagegen am seltensten Teile des Duodenums, welch letzteres, abgesehen vom Pankreas, wohl am festesten unter allen Ein- geweiden in der Bauchhöhle fixiert ist.

XXIII, 2. Röntgenologische Beobachtungen bei Gastrocele skrotalis. 119

Während kleine Leistenbrüche gewöhnlich nur eine meist dem Ileum angehörige Dünn- darmschlinge enthalten, an welcher ein zu- und abführender Schenkel zu erkennen ist, trifft man bekanntlich in umfangreichen Brüchen den größten Teil des Dünndarmes und eine ent- sprechend große Partie des Mesenteriums an. Die Dünndarmschlingen besitzen ja ein langes Gekrése, das nach Linhart 85 cm lang ist und bei tiefstehenden Brüchen sich sehr erheblich verlängert.

In großen Brüchen findet man auch das Colon transversum, das wie der Dünndarm ein Gekröse (Mesokolon) besitzt, welches allerdings nicht so lang ist (Maximalmaß 10—16 cm) wie das Dünndarmmesenterium, dessen Länge nach Treves durchschnittlich 20—23 cm beträgt. Selbst die Flexura sigmoidea, deren Mesokolon nach Corning 9 cm beträgt, so- wie das Coecum mit Wurmfortsatz, das auch ein kleines Gekröse (Mesotyphlon) besitzt und gleich dem Ascendens ziemlich stark fixiert ist, kann in den Bruchsack eintreten. Ja man trifft das Coecum sogar ziemlich häufig in großen Leisten- bzw. Skrotalbrüchen an. Die letzte unterste Partie des Ileum findet sich aber nur dann im Bruchsack, wenn auch das Coecum tiefer getreten ist.

Das Transversum ist nur in solchen Brüchen anzutreffen, in die bereits das Coecum- Ascendens eingelagert ist. Das zugehörige Mesenterium, welches mit dem großen Netz ver- klebt ist, verleiht dem Transversum ja eine große Beweglichkeit. Wie das Descendens und Sigmoideum, findet es sich in großen rechts- und linksseitigen Leisten- und Schenkelbrüchen nur im Anschluß an Netzverlagerung.

Das Pankreas wurde, wie es scheint, noch nie als Inhalt eines Bruchsackes gefunden, das Duodenum fast nie.

Auch der Magen wird nur selten in Inquinalbrüchen gefunden, weil Pylorus und beson- ders Kardia gut fixiert sind. Er ist deshalb auch stets nur zum Teile in Brüchen zu finden, der übrige (gewöhnlich größere) Teil desselben bleibt stets in der Bauchhöhle, und zwar kardialwärts fixiert.

Wie bei Zwerchfellhernien der Magen weit nach oben, d. h. in den Brustraum verlagert ist, so reicht er bei Skrotalhernien weit nach unten, d. h. bis zur Symphyse und tiefer.

Wenn der Magen in eine linksseitige Leistenhernie eingelagert ist, verläuft derselbe naturgemäß senkrecht von der Kardia gegen den Leistenkanal. Dabei ist derselbe stets so gelagert, daß wie in der Norm die kleine Kurvatur nach oben, die große nach unten sieht.

Die bisherigen Erfahrungen sprechen dafür, daß die Verlagerung des Magens in den Bruchsack erst stattfindet, wenn bereits das Coecum-Ascendens und Transversum mitsamt seinem parietalen Peritoneum in den Bruchsack herabgetreten ist.

Auch bei unserm Patienten bestand ursprünglich zweifellos eine erworbene Leistenhernie

(Dünndarmhernie), in die Teile des Ileums oder Jejunums, vielleicht auch großes Netz (das ja röntgenologisch nicht darstellbar ist), eingelagert waren, und erst später gesellte sich hierzu unter erheblicher Erweiterung der Bruchpforte der übrige Dünndarm (mit Ausnahme des Duo- denums). Durch den langdauernden und starken Dünndarmzug (auf die noch in der Bauch- höhle liegenden Eingeweide) folgte auch der Dickdarm, und schließlich selbst der Magen den vorgelagerten Eingeweiden. Dabei kam es zu einer enormen Verlängerung des Magens (bis zu 44 cm), wobei die untere Abteilung desselben eine Art Divertikel bildet, welches im Bruch- sacke liegt, während der Fundusteil des Magens und die Kardia in unveränderter Lage sich befinden.

In der Bruchpforte sind Dünndarm, Dickdarm und Magen eng zusammengedrängt. Und zwar liegt der Pförtner genau im Bruchring, so daß sowohl dieser als auch die kleine Kurvatur stark in die Länge gezogen ist. Jedenfalls hat, wie aus den beigegebenen Konturpausen der einzelnen Röntgenogramme zu ersehen ist, auch das sonst so fest i in der Bauchhöhle verankerte Duodenum sich der Bruchpforte stark genähert.

a ae ee

a =

120 Rieder. | XXIII, 2.

Durch den Leistenkanal des Patienten führen, wie auf Grund der oben skizzierten Röntgen- untersuchungen zu erkennen ist und namentlich auch an diesbezüglichen Stereogrammen klar zu ersehen war, vier Verdauungsschläuche, nämlich:

1. Der der Pars media des Magens entsprechende, welcher nach abwärts führt (Fig. 5—8).

2. Der der Regio praepylorica entsprechende, welcher nach aufwärts zum Duodenum

führt (Fig. 7).

Das Duodenum ist hier nicht, wie bei normaler Lage der Verdauungsorgane, an seinem charakteristischen Verlaufe und seiner anatomischen Beschaffenheit zu er- kennen, sondern seine Lage in der Bauchhöhle kann nur aus der Lage seiner proxi- malen und distalen Nachbarn (Pylorus, Jejunum) erschlossen werden.

. Der des Jejunums, welcher nach abwärts führt (Fig. 18).

Diese Darmpartie, welche größtenteils innerhalb des Skrotums sich befindet, liegt in der Bruchpforte offenbar hinter dem abführenden Magenschlauche und konnte deshalb in diesem Gebiete röntgenographisch meist nicht deutlich zur Darstellung gebracht werden. Im Bauchraume befinden sich zweifellos nur wenige Schlingen des Jejunums, weshalb auch der Wismutbrei schon sehr bald im Skrotum erscheint.

4. Der des Colon transversum, welcher wieder nach aufwärts führt (Fig.12, 14, 15)

und lateralwärts vom absteigenden Magenschlauche liegt (Fig. 14).

Die äußeren Leistenhernien, bei denen die Bruchpforte dem Leistenring entspricht und der Bruchsack dem Bauchfell angehört, gelangen erfahrungsgemäß bei ihrer allmählichen Vergrößerung stets dem Verlauf des Samenstranges folgend in den Hodensack (Hernia skrotalis). Das dehnbare Skrotum setzt der Vergrößerung keinen Widerstand entgegen, und so kann, wie auch in dem vorliegenden Falle, unter Umständen eine Hernie von so enormer Größe sich bilden, daß sie fast den ganzen Darm samt dem Netz enthält und bis zum Knie herunterhängt. Die Gestalt derartiger „Skrotalhernien“ ist wie die der übrigen äußeren Leistenhernien (so lange sie nicht exzessiv groß sind) birnförmig, wobei ihr Stiel nach oben gegen den Leistenkanal gerichtet ist.

cu

Die Röntgenuntersuchung der Hernien ist bis jetzt, abgesehen von der Hernia diaphragmatica, nur sehr selten zur praktischen Verwendung gekommen. Morestin sowohl als Sprengel erwähnen aber bereits, daß man bei „Gleitbrüchen“ mit Hilfe des Wismut- einlaufes den Bruchinhalt bestimmen kann, während Pirie bei innerlicher Wismutdar- reichung den Inhalt von Inquinalhernien genauer verfolgt hat.

Eine systematische Röntgenuntersuchung der Hernien ist meines Wissens bis jetzt nur von Bäron und Bärsony durchgeführt worden. Sie empfehlen das Röntgenverfahren nicht nur zu der oft sehr wichtigen Inhaltsbestimmung bereits diagnostizierter Hernien, sondern auch zum Nachweis okkulter Hernien, d. h. bei der Hernia obturatoria und ischiadica, sowie der intraabdominellen Hernie und der Hernia diaphragmatica, wenn also die übrigen klinischen Untersuchungsmethoden für die Diagnostik nicht ausreichen. Zur Diagnose der Hernia (und Eventratio) diaphragmatica hat sich übrigens, wie bekannt, das Röntgenverfahren längst ein- gebürgert. |

Ebenso wie für die so seltene Gastrocele scrotalis, ist auch für Hernien, welche nur Darmschlingen und Netz enthalten, die Röntgenuntersuchung von großem praktischen Werte.

Die Darreichung eines Kontrastmittels und die daran anschließende Verfolgung seines Durchganges durch den Darm eignet sich sowohl für Dünndarm- als auch für Dickdarmhernien, bei letzteren kann außerdem der Darmeinlauf zur Klärung der Befunde benützt werden.

So läßt sich namentlich feststellen, ob der Bruchsackinhalt Darmschlingen enthält (Entero- cele) oder nicht. Befindet sich Dünndarm in einer reponiblen Hernia inquinalis, so füllt sich die betreffende Darmschlinge schon bald, d.h. ca. '/,—1 Stunde post coenam, und präsentiert sich auf

XXIII, 2. Röntgenologische Beobachtungen bei Gastrocele skrotalis. 121

dem Leuchtschirme gewöhnlich als zapfenförmiger, von den tibrigen gefüllten Dünndarmschlingen des Bauchraumes vertikal nach unten abzweigender Fortsatz. Durch Palpation ist der zu- und abführende Schenkel der Darmschlinge gut zu differenzieren; auch sind die in dieser Schlinge sich abspielenden Förderungs- und Mischbewegungen des wismuthaltigen Bruchinhaltes aufs schönste zu verfolgen. Bei Dünndarmbrüchen läßt sich übrigens auch eine genauere Analyse ihres Inhaltes durch Zuhilfenahme der Bauchpresse und wechselweise Reposition der Hernie vornehmen. Es zeigt sich, daß immer dieselbe Darmschlinge, so oft sie auch reponiert wird, sich vorlagert und, wenn sie zurückgebracht wird, sich nicht aus der Nähe der Bruchpforte entfernt, sondern in die benachbarten Abschnitte der Bauchhöhle zurücktritt und hierauf wieder spontan vorfällt. Man sieht also bei der Reposition eines solchen Bruches genau, wohin der wismuthaltige Chymus entweicht und welchem Darmstücke er angehört.

Die röntgenologische Untersuchungsmethode kann unter Umständen dem Chirurgen auch für die Wahl des Operationsplanes bei Herniotomien gute Anhaltspunkte geben. So lassen sich beispielsweise Adhäsionen des Dickdarmes feststellen, und zwar sowohl durch die ungenügende Füllung desselben beim Einlauf, als auch durch seine abnorme Forn (Verlängerung und Ver- schmälerung einzelner Abschnitte), und besonders auch durch sein Verhalten bei der Palpation.

Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß der Bruchinhalt, soweit er aus Darm- schlingen besteht, für das Studium der intestinalen Bewegungsvorgänge insofern be- sonders geeignet ist, als in dem Bruchsack Dünn- und Dickdarmschlingen häufig isoliert gelagert sind und deshalb der Beobachtung viel leichter zugänglich sind als unter normalen topographischen Verhältnissen. Diesbezügliche Kinematogramme (wie solche auch in vorliegen- dem Falle aufgenommen wurden) liefern infolgedessen besonders klare und deutliche Ergebnisse.

Aber auch andere physiologische sowie morphologische Merkmale lassen sich an den vor- gefallenen Darmschlingen auf röntgenologischem Wege feststellen. So zeigte sich bei unseren Beobachtungen, daß die Dünndärme während der Verdauung viel mehr Gas enthalten, als auf Grund der bisherigen röntgenologischen Beobachtungen gewöhnlich angenommen wird. Auch sind innerhalb eines Bruches die Jejunum- und Ileumschlingen wegen ihrer übersichtlichen Anordnung viel besser zu unterscheiden, als dies im allgemeinen bei den innerhalb des Abdomens gelegenen Dünndarmschlingen normaler Personen möglich ist. So sieht man, daß die in den oberen Partien der beschriebenen Skrotalhernie befindlichen Jejunumschlingen verhältnis- mäßig wenig gefüllt sind und durch zahlreiche, parallel zueinander gestellte Kerkringsche Fältchen sich zu erkennen geben (Fig. 13), während die in den unteren Partien der Hernie angehäuften Ileumschlingen stärker gefüllt und außerdem durch ihre typische Segmentation deutlich gekennzeichnet sind.

Literatur.

A. Bäron und Th. Bärsony. Über die Röntgenuntersuchung der Hernien. Beiträge zur klinischen Chirurgie, 84. Band, 1913, S. 265. |

H. Ohiari. Über einen Fall von Eventration in einer rechtsseitigen Skrotalhernie mit Einlagerung der Pars pylorica ventriculi und eines Teiles des Duodenums in den Bruchsack. Prager medizinische Wochenschrift 1888, Nr. 14.

L. Fogt. Über Verlagerung des Magens in Skrotalhernien nebst Mitteilung eines neuen Falles. Arztl. Intelligenzblatt (M. m. W.) 1884, Nr. 26.

O. Keller. Schenkelhernie mit Magen als Inhalt. Inaugural-Dissertation. Zürich 1885.

R. Kienböck. Über Magengeschwüre bei Hernia und Eventratio diaphragmatica. Fortschr. auf d. Geb. d. Röntgenstrahlen, Bd. XXI (1913), S. 322.

G. A. Pirie. The diagnosis of the Contents of a hernial sac by X-ray examination. Edinb. med. journ. Vol. VIII. 2, 1912 Febr. (Ref. im Zentralblatt für Chirurgie 1912, Nr. 17).

M. Schmidt. Ein Fall von Gastrocele scrotalis. Berliner klin. Wochenschr. 1885, Nr. 1.

E. Thoman. Der Magenbruch. Wiener medizinische Jahrbücher 1885, S 39.

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrablen. XXIII. 16

122 Kienböck. XXIH, 2.

Aus der Radiologischen Abteilung der Allgemeinen Poliklinik und dem Röntgeninstitute im Sanatorium Fürth in Wien.

Über infantile Osteopsathyrose. Von Professor Dr. Robert Kienböck. (Hierzu Tafel IV und V.)

Die idiopathische Osteopsathyrose ist eine seltene Erkrankung, die Zahl der bekannten Fälle ist noch gering, namentlich was die infantile Form im engeren Sinne betrifft (d. h. mit Ausschluß der mit zahlreichen Brüchen zur Welt kommenden Kinder). So ist auch die Sym- ptomatologie des Leidens noch wenig bekannt und vielfach kontrovers, auch ist die Pathogenese des Leidens noch unerforscht.

Es sollen daher im folgenden nach einem kritischen Überblick über die Literatur, namentlich über die Casuistik der letzten Jahre, mehrere eigene Fälle beschrieben werden; dann soll die Symptomatologie der Affektion ausführlich besprochen werden, speziell die radiologischen Be- funde mit Erörterung des Zusammenhanges der einzelnen Erscheinungen untereinander. Auch die Arten des Verlaufes des Leidens und die Pathogenese sollen behandelt werden, schließlich soll die Unterscheidung des Leidens von der infantilen Osteomalazie und die Differenzialdiagnose überhaupt besprochen werden.

1. Bisherige Casuistik.

(Von den älteren Fällen sind nur einige wenige angeführt.)

Barwell 1882. 17jähriges Mädchen, zwischen 9. u. 13. Jahre wiederholte Frakturen mit Hei- lung in sehr schlechten Stellungen. Gehunfähigkeit, infantiles Aussehen, sehr bedeutende Verbiegungen und Deformitäten der Glieder, die Epiphysen nicht verdickt. B. welcher den Fall seit längerer Zeit kennt und in den letzten Jahren nicht viel Veränderung des Zustandes beobachtet hat, betitelt die Mit- teilung als „rachitic osteomalacia“, bemerkt aber weiter unten, „daß es sich weder um Rachitis, noch um Osteomalazie handelt“, ohne eine eigentliche Diagnose zu stellen.

Schultze 1894. 13jähriges Mädchen. Im 9. Monate Bruch des rechten Femur, mit 1!/, Jahren neuerdings, dann noch wiederholt Bruch dieses Knochens, ferner Frakturen der linken Tibia und des rechten Femur. Bisher fanden 23 Knochenbrüche statt. Vom 6. Jahr an wurde das Gehen infolge von Verkrümmung der Beine allmählich unmöglich.

Derzeit sind die Beine hochgradig verkrümmt, sowohl die Ober- als auch die Unterschenkel. Auch die Arme sind deformiert. Es ist ein blasses Mädchen mit sehr zartem Skelett, keine weiteren Knochen- verdickungen. Bei Osteotomie der Unterschenkel zeigt sich der Knochen an den entsprechenden Stellen fest, eine Markhöhle fehlt hier. (Familie gesund.)

Bruck 1897 (vielbesprochener Fall). 31jähriger Mann, seit Geburt schwach und mager, seit dem 14. Jahr zunehmende Schwäche der Beine, wiederholt Infraktionen an denselben und zunehmende Verbiegungen; er konnte sich bereits ein Jahr nach Beginn der Erkrankung nur mit Stöcken und Krücken fortbewegen. (In der Familie keine ähnliche Erkrankung.) Später verbogen sich auch die langen Röhren- knochen der Arme immer mehr, ohne Eintritt von Frakturen. Auch Wirbelsäule und Brustkorb wurden stark deformiert und es bestanden bohrende Schmerzen in der Tiefe. Vom 18. Jahre an stellten sich allmählich Ankylosen der Ellbogengelenke, später auch anderer Gelenke ein, unter Bildung von Knochen- wucherungen an den Gelenksenden ohne Schmerzen. Die Gliedmaßen wurden besonders während der letzten 5 Jahre durch Muskelschwund ungemein dünn. Vom 22. Jahre an ist Patient bettlägerig und treten keine Frakturen mehr ein. Die Versteifung der Gelenke ist im 31. Jahre noch immer im Zu-

XXIII, 2. | Uber infantile Osteopsathyrose. 123

nehmen, seit einem Jahre sind auch die Kiefergelenke schwer beweglich, die Zähne sind kariös ge- worden, und zuweilen treten Atembeschwerden auf. Dabei ist das subjektive Befinden verhältnismäßig wenig gestört. _

Der Mann wiegt nur 64 Pfund und zeigt eine monströse Deformität des zusammengekauerten Körpers. Rumpf sehr verkleinert, Wirbelsäule und Brustkorb stark verunstaltet, Arme und Beine hoch- gradig verbogen und verdünnt, am rechten Oberschenkel ist die vor 9 Jahren entstandene Fraktur ober- halb des Kniegelenkes noch immer schmerzhaft.

Bruck sprach hier einfach von einer „seltenen Form der Erkrankung der Knochen und Ge- lenke“, wobei erstere primär, letztere nur sekundär befallen wurden. „Es liegt keine Rachitis und keine Osteomalazie vor, noch weniger wird man die Diagnose auf Osteoporose stellen können, denn diese durch abnorme Sprödigkeit und Gebrechigkeit der Knochen sich charakterisierende Affektion tritt stets erst in höheren Jahren, vielfach sogar erst im Greisenalter auf.“

Die meisten Autoren rechnen den Fall mit Recht zur idiopathischen Osteopsathyrose.

Schuchardt 1899. „Fall von periostaler Dysplasie der Knochen, identisch mit id. Osteopsathyrose.“ Yjähriges Mädchen, seit dem 7. Lebensjahre sechs Spontanfrakturen des rechten Unterschenkels, eine Fraktur des rechten Oberschenkels, Becken ungewöhnlich weich.

Röntgenbefund: ,Tibia stark gebogen, Diaphyse erheblich verdünnt, Fibula in ihrem mittleren Teile nur einen ganz schmalen und schwachen Schatten werfend.* Unter Thyroidin im Laufe eines Jahres Besserung.

Lange 1900. 5jähriger Knabe, der seit dem 2. Lebensjahre 22 Frakturen erlitten hatte (Oberschenkel, Unterschenkel, Oberarme, Vorderarme und Schlüsselbeine); bei der ersten Röntgen- untersuchung fand sich die Durchsichtigkeit der Knochen und Dicke der Kortikalis normal, bei späteren Untersuchungen aber Knochenatrophie und abnorme Dinnheit.

0. Schmidt 1901 beschreibt 7 Fälle von ,,idiopathischer Osteopsathyrose‘, von denen die drei ersten ein und dieselbe Familie betreffen; hier seien Fall IV und Fall VI erwähnt.

Fall IV: 17jähriger Bursch, seit dem Alter von 1'/, Jahren zahlreiche Frakturen. Die Ober- - und Unterschenkel brachen ungefähr 40 mal, die Oberarme je einmal, einmal auch das rechte Schlüssel- bein. Sehr häufig gab es „Knaxe“, Infraktionen an allen Knochen, öfters auch an den Rippen. Patient kann seit 3 Jahren nicht mehr gehen. Die Photographie des Patienten zeigt eine rechtsseitige Kypho- skoliose, einen faßförmigen Thorax und vor allem eine hochgradige Deformität der Beine. Diese wurden dann im unteren Drittel der Oberschenkel amputiert.

Die Röntgenbilder zeigen eine „korkzieherartige Verdrehung des Femurs und winkelige Knickung der Tibia, welche einen schmalen gleichmäßigen Schatten gibt, kaum sichtbar ist der Schatten der Fi- bula“, die Knochen sind bedeutend abgeflacht. Der Fall wurde auch von Looser beschrieben. (Auch der 6jährige Bruder war mit Knochenbrüchigkeit behaftet.)

Fall Vi: 25jähriger Bursch, seit dem 3, Lebensjahre Brüche, besonders an den Unterextremitäten. Die Photographie zeigt ein kleines mißgestaltetes Individuum mit verkrümmter Wirbelsäule und de- formiertem Brustkorb.

Rebbeling 1902. 9jihriger Knabe aus einer mit der Krankheit belasteten Familie (auch die Mutter und 4 Geschwister betroffen). Schon am Tage nach der Geburt wurde ein Oberschenkelbruch bemerkt. Weiterhin erfolgten 25 Spontanfrakturen; sie heilten prompt. Keine Erscheinungen von Rachitis. Alle langen Röhrenknochen auffallend zart und mit Folgen von Briichen: am rechten Radius, an beiden Femurknochen und an anderen Stellen; die Unterschenkelknochen verunstaltet und abgeplattet.

Röntgenaufnahmen der Vorderarme: links „keine Deformität, ein starker Kalkmangel besteht offenbar nicht, die Kortikalis ist von normaler Stärke, beide Knochen, besonders der Radius auf- fallend zart gebaut”; rechter Vorderarm ähnlich aussehend, Knochen ebenfalls schlank, aber Radius geknickt.

Linker.Femur sehr schlank, „Kortikalis auffallend schwach‘, mit Zeichen von Frakturen. Das Bild beider Unterschenkel (reproduziert) zeigt sehr schlanke Knochen; rechts ist die Tibia an einer Stelle etwas geknickt, die Fibula sehr dünn und etwas verkrümmt; links sind die beiden Knochen sehr stark bogig verkrümmt mit Konvexität nach innen und erscheinen durch Abplattung breit, die Kortikalis verdünnt.

His 1902. Kurze Mitteilung über „einen jungen Mann, der seit dem Alter von 21/, Jahren krank ist“. (Auch ein Bruder an Knochenbrüchigkeit leidend.) Sehr blasses, mageres, mißgestaltetes kleines

Individuum, multiple Knochenbrüche an allen Extremitäten, starke Verunstaltung derselben, Rippen-

brüche und Deformation des Thorax. Keine rachitischen Verdickungen an den Extremitäten. Diagnose: „Typische (infantile) Osteomalazie.“ 16*

124 Kienböck. XXIII, 2.

Anschütz 1902, Fall I. 11jähriger Knabe, seit dem 7. Lebensjahre krank, zuerst durch 14 Tage Schmerzen in den Hüftgelenken, später Beugeankylose in denselben, dann auch Kontrakturen in den oberen Extremitäten.

Patient liegt immer im Rollstuhl, die langen Röhrenknochen sind verbogen, die Wirbelsäule ist verkrümmt.

Röntgenbefund: Diaphysen sehr dünn, zum Teile ohne Verkrümmung, die Enden porotisch, die Epiphysenfugen nicht verbreitert, keine Defekte an den Gelenksenden.

Anschütz betont die Ähnlichkeit dieses Falles mit der Beobachtung von Bruck und beschränkt sich ebenfalls auf die Diagnose „einer seltenen Erkrankung der Knochen und Gelenke‘. .

Fall II. 10jähriges Mädchen, das seit dem 2. Lebensjahre wiederholt Knochenbrüche erlitten hatte (stets mit guter Heilung derselben. Radiologisch sind an den Knochen der Ober- extremitäten „nur ganz geringe Abweichungen vom Normalen’ zu finden, die Knochen sind etwas zu schlank und die Kompakta ist etwas zu dünn.

„Auch an den Knochen der Unterextremitäten ist eine erhebliche Veränderung nicht zu finden. Am Femur ist die Kompakta vielleicht etwas in der Dicke vermindert, wodurch die Markhöhle erweitert erscheint. An den Unterschenkeln sind die Tibiae ganz ohne pathologischen Befund; die Fibulae sind zu dünn. An den Epiphysenenden der Knochen und Gelenke sind keine Veränderungen zu finden.“ (Radiogramm nicht abgebildet.)

Diagnose: ,periostale Dysplasie, i. e. id. Osteopsathyrose.“

Roos 1903. 9jähriges Mädchen (Geschwister normal). Als Frühgeburt von 8 Monaten zur Welt gekommen, von Geburt an sehr schwächlich, konnte mit 1 Jahre gehen, damals waren die Beine gerade. Mit 14 Monaten Fraktur des rechten Oberschenkels, bis zum 8. Jahre trat jedes Jahr an den unteren Extremitäten ein Bruch ein. Heilung im Verband innerhalb 1—2 Monaten. „Das Gehen machte immer größere Schwierigkeiten, weil das Kind viele und heftige Schmerzen in den Beinen und im Rücken, manchesmal auch in den Armen hatte.“ Zunehmende Verkrümmung der Beine und der Wirbelsäule, niemals Epiphysenverdickungen, seit einem Jahre kein Bruch und keine Zunahme der Verkrimmungen.

Röntgenbilder: „Am Becken ist die Symphyse ziemlich stark vorspringend, die horizontalen Schambeinäste entsprechend etwas eingebuchtet‘; beide Femura hochgradig nach außen und vorne ver- krümmt mit Zeichen von mehreren Frakturen und Infraktionen, ebenso Fibula und Tibia stark ver- krümmt und sehr dünn, auch Armknochen etwas verbogen und etwas dünn. Die Gelenke erweisen sich klinisch und radiologisch normal.

Die Photographie zeigt außer der Verkrümmung der Vorderarme und der sehr starken Verunstal- tung der Ober-, besonders Unterschenkel auch eine sehr schwere Verkrümmung der Wirbelsäule,

Roos betitelt seine Mitteilung als „schwere Erkrankung im Kindesalter, Osteomalazie? Rachitis?“ und eıwähnt den Ausdruck Osteopsathyrose nirgends.

Glöye 1904. 16jähriger Bursch, mit 3 Jahren Bruch des rechten Oberschenkels, bald geheilt, mit 12 und 14 Jahren und auch später noch zweimal an derselben Stelle gebrochen. Einmal Fraktur des linken Oberschenkels und zuletzt des rechten Unterschenkels, an dem der Kallus zum Teil noch nachweisbar ist. „Alle Knochen des Individuums erscheinen dünn und schwächlich.* „Die Röntgen- untersuchung ergibt hochgradige Atrophie des Knochengewebes, die Kortikalis der Knochen fehlt fast vollständig, sie bestehen ganz aus Spongiosa.‘

Doering 1905, „Fall von idiopathischer Osteopsathyrose‘.

15jähriger Bursch, seit dem 4. Lebensjahre Spontanfrakturen an den unteren und oberen Extremitäten und Rippen, 16 an Zahl; prompte Heilung der Brüche, aber „weil nicht behandelt”, zu Deformitäten führend.

Röntgenbefund: Knochen sehr dünn, rechter Unterschenkel stark verbogen, beide Femora in der oberen Hälfte stark nach außen konvex gebogen, Schnabelbecken.

Osteotomie an der rechten Tibia wegen Verkrümmung; Heilung erst nach 5 Monaten.

Axhausen 1906. 12jähriges Mädchen (Mutter, Tante und Bruder ebenfalls in der Kindheit mit Knochenbriichigkeit behaftet), im 8. Lebensjahre Bruch des rechten Oberschenkels, in den folgenden Jahren 12 Spontanfrakturen. Druckempfindlichkeit und zunehmende Verkrümmung der Beine. Seit 7 Jahren Gehunfähigkeit. Langsames Zusammensinken des Rumpfes, bei gutem Ernährungszustande. Starke Verkrimmung der Wirbelsäule, Brustkorb ausammengedrückt, kein rachitischer Rosenkranz; linker Oberarm verbogen, Vorderarm gerade, aber federnd. Beide Oberschenkel verbogen, Unterschenkel verbogen und biegsam, Gelenke in den Bewegungen eingeschränkt, Becken ohne Formveränderung.

XXIII, 2. Über infantile Osteopsathyrose. 125

„Die Röntgenbilder zeigen die gleichmäßigen Verbiegungen sehr deutlich, Schatten schwach und diffus, nur hie und da Andeutung einer Kortikalis, Fibulaschatten teilweise nicht sichtbar, in der Tibiaspongiosa umschriebene Partien von noch größerer Durchlässigkeit für die Strahlen, ähnlich wie bei Knochenzysten.“ /

A. diagnostiziert tibereinstimmend mit Helferich (der die Patientin in einer klinischen Vorlesung demonstrierte): ,infantile Osteomalazie*. `

Pfeiffer 1907. Fall 1. 2!/,jähriger Knabe. Anamnese: Seit kurzer Zeit ohne bekannte Ver- anlassung Schmerzen im linken Oberschenkel. Das Bein ist an dieser Stelle nicht geschwollen, es scheint infrakturiert, Schienenverband.

Verlauf. Nach einem Monat schmerzfrei entlassen. Einige Monate später kann der Knabe noch immer nicht gehen, weil er seit einigen Tagen angeblich den rechten Oberschenkel unten gebrochen habe, hier Schmerzen, Verdickung. Auch einige weitere Monate später (im Alter von 3?/, Jahren) kann er noch immer nicht gehen und hat seit einiger Zeit wieder an den unteren Enden der Ober- schenkel Schmerzen. |

Befund: Kräftiger, etwas blasser Knabe, keine Zeichen von Lues oder Rachitis.

Blutbefund: Hb. 80%), E. 4400000, L. 16400, Neutrophile, L. 57°/,, Eosinophile 3°],.

Röntgenbefund: Gesamtaufnahme der Beine samt dem Becken (abgebildet), Rechter Femur. „Die Struktur des Knochens ist im unteren Teil der Diaphyse sehr stark verändert durch zahlreiche, dicht aneinandergrenzende, ziemlich scharf umschriebene, anscheinend miteinander kommunizierende Auf- hellungen; der Knochen außerordentlich kalkarm. Die im ganzen gut hühnereigroße schwammähnliche Auftreibung setzt sich bis weit nach oben fort in Gestalt schmaler Periostauflagerungen.* Die Epi- physenlinie ist zackig unregelmäßig. Das linke Bein ist nach außen rotiert, der Femur zeigt ein Stück oberhalb der unteren Epiphysenlinie eine nach vorne konvex geheilte Winkelfraktur. „Der Knochen ist hier fast in derselben Weise verändert, wie der rechte Femur. Epiphysenlinie scharf, gerade, ohne Un- regelmäßigkeiten.“ „Beide Ober- und Unterschenkelknochen zeigen außerordentlich schmale Kortikalis und feine Struktur.* Veränderungen am übrigen Skelett sind im Röntgenbild nicht nachzuweisen.

Diagnose: „Ostitis fibrosa mit Bildung kleiner fibröser Herdchen und Zysten im unteren Drittel bei der Femora.“

Operation am linken Bein, blutige Refraktur. „Der Knochen ist aufgetrieben, sein Gewebe

sehr blaß, weich, brüchig‘“, so daß sich an der Stelle der Knickung leicht ein kleiner Keil heraus- schneiden läßt.

Die histologische Untersuchung desselben (Befund weiter unten referiert) führte zur Diagnose: „typische Ostitis fibrosa.” |

Doch berechtigen wie in unserer Arbeit gezeigt werden soll die von Pfeiffer erhobenen klinischen, radiologischen, anatomischen und histologischen Befunde keineswegs, die klinische Diagnose mit diesem Namen zu stellen. Es handelt sich vielmehr um eine typische idiopathische Osteo- psathyrose im Beginn.

Axhausen 1908. 16jähriger Bursch „mit Erscheinungen ähnlich wie Fall I‘, viele Spontan- grakturen (Beginn nicht angegeben), allmählich Verkrümmungen, besonders der rechten Unterextremität.

Die anatomische und mikroskopische Untersuchung der Knochen des amputierten Beines ergab einen Befund ‚ähnlich wie bei puerperaler Osteomalazie‘.

Lipschütz 1908. „Fall von idiopathischer Osteopsathyrose.*

41jahriger Mann (auch Vater und eine Schwester erlitten je zwei Brüche).

Anamnese. Im ersten Lebensjahre erste Spontanfraktur, dann bis zum 9. Jahre 9 Brüche der Unterextremitäten, im 15. Jahre Fraktur des rechten Vorderarmes, im 19. Jahre des rechten Unter- schenkels. Dann trat eine lange Pause ein. Im 39. Jahre brach der linke Vorderarm.

Befund: Mäßige Verkrimmung der Wirbelsäule, rechtes Schultergelenk in den Bewegungen ein- geschränkt, schmerzhaft, Humerus sehr dünn, Olekranon deformiert, Ellbogengelenke in den Bewegungen eingeschränkt, Vorderarm verbogen, Knochen sehr dünn. An den Füßen Heberdensche Knötchen, Knochen des linken Armes sehr dünn, nicht deformiert. Becken anscheinend normal. Rechtes Hüftgelenk etwas eingeschränkt und schmerzhaft, Femur mäßig verbogen, rechter Femurhals wahrscheinlich deformiert, ober- halb des rechten Kniegelenkes eine kallöse Verdickung und dis Kniegelenk nicht ganz streckbar, rechte Tibia etwas verbogen, säbelscheidenförmig, keine Fraktur erkennbar, rechter Fuß normal. Linker Femur mäßig verbogen, Fußgelenk und Mittelfußknochen „von früheren Frakturen“ deformiert.

Röntgenbefund: „Schatten der Knochen der Oberextremitäten vielleicht etwas grazil“, „Corticalis normal dick“, die „Epiphysen der Radii erscheinen wie aufgetrieben, die Knochenbälkchen erscheinen

126 Kienböck. XXIII, 2.

nicht scharf und sind vermindert“; auch die spongiösen Knochen sind rarefiziert, die Kortikalis der Röhrenknochen aufgefasert, „Tibia und Fibula beiderseits weisen in bezug auf Dicke und Kompaktheit der Kortikalis keine Abnormität auf. Die rechte Tibia zeigt im unteren Drittel in ihrem spongiösen Bezirk einige quere weiße Linien, von denen zwei besonders scharf gezeichnet sind, von früheren Frak- turen.“ Solche Stellen sind auch im unteren Drittel der linken Tibia vorhanden. An den Unter- extremitäten Spongiosen rarefiziert, Epiphysen verhältnismäßig breit, die Kortikalis ohne nennenswerte Veränderung.

Dreesmann 1908. 14'/,j&hriges Mädchen. „Von der wenig intelligenten Mutter konnte nur eine sehr dürftige Anamnese aufgenommen werden.“ Das Kind lernte mit 11 Monaten laufen, litt an- geblich im 2. Lebensjahre an Rachitis. „Im Alter von 6 Jahren .schwollen plötzlich unter starken Schmerzen die Knie und Füße an; nach 5 Tagen war dem Kinde das Gehen unmöglich geworden. Allmählich breitete sich die Erkrankung auch auf die Arme, den Kopf und die Wirbelsäule aus und wurden die Gelenke ganz steif. Das Kind konnte nur liegen. Fieber war während des ganzen Krankheitsverlaufes anscheinend niemals vorhanden gewesen. Vor 2 Jahren hat das Kind den linken Oberarm und den linken Unterarm gebrochen.

Befund: Sehr schlecht entwickeltes Kind, Habitus eines lOjährigen Mädchens, sehr starke Abmagerung. „Das Kind liegt, beziehungsweise sitzt in hockender, vollkommen hilfloser Stellung, den Kopf ein wenig nach rechts geneigt und stark nach links gedreht gehalten. Bewegungen des Kopfes sind nach keiner Richtung hin möglich. Auch die Brust- und Lendenwirbelsäule ist vollständig ankylotisch, dabei besteht eine sehr starke Kypboskoliose im Brustteil nach rechts.* An den Armen sind die Schulter-, Ellbogen- und Handgelenke ankylotisch, letztere in Streckstellung. „Die Mittel- und Nagelgelenke sämtlicher Finger sind verdickt, in ihrer Beweglichkeit aber kaum eingeschränkt, in der Mitte des linken Oberarmes ist eine leichte Knochenverdickung zu tasten. Der linke Vorderarm zeigt zwischen mittlerem und unterm Drittel eine fast rechtwinklige Abknickung*.

An den Beinen sind die Fuß- und Kniegelenke beugeankylotisch, letztere auch verdickt. Die Fußgelenke stehen in Klumpstellung, „auch die kleineren Gelenke zwischen den Fußwurzelknochen sind anscheinend knöchern verwachsen. Die Gelenke der Zehen, die verkürzt erscheinen, sind frei be- weglich.“ Der rechte Oberschenkel zeigt zwischen mittlerem und unterem Drittel eine starke Ab- knickung. Der Unterschenkel zeigt in der oberen Epiphysengegend eine geringe Ausbiegung medianwärts.

„Die Kiefergelenke sind in ihrer Beweglichkeit nicht behindert.“ Innerhalb einer einjährigen Beobachtung keine Verschlimmerung. Periode bereits eingetreten.

Die Photographie des Kindes zeigt hochgradige Deformation des Rumpfskelettes und der Extremitäten, eine Knickung beider Vorderarme, ganz besonders des linken, Beugestellung in den Hüft- und Kniegelenken, ferner Verdrehung des Kopfes, hochgradige allgemeine Abmagerung, aber ent- sprechend entwickelte Brüste. Deformation des Ober- und Unterschenkels in der Nähe des Kniegelenkes,.

Die sehr schlecht wiedergegebenen Röntgenbilder lassen z. B. am linken Arm sehr schlanke, sehr stark bogig verlaufende Vorderarmknochen und am rechten Bein eine Abknickung des unteren Femurschaftes, sowie Deformation des Tibiaschaftes unterhalb der Epiphyse mit abnormer Schlankheit erkennen,

Dreesmann diagnostiziert „chronische Polyarthritis* und zwar mit „knöchernen An- kylosen®. InWirklichkeithandeltessichaberum einen typischen Fall von idiopathischer Osteopsathyrose. Die Schmerzen, welche im Alter von 6 Jahren plötzlich in den Knien und Füßen auftraten und nach einigen Tagen zu Gehunfähigkeit führten, beruhten offenbar nicht auf Gelenksentzündung, sondern auf Frakturen (Spontanfrakturen), sowie auch später Frakturen an den Extremitäten auftraten, die dann als solche erkannt wurden. Die hochgradige Deformation des Rumpfskelettes speziell der Halswirbelsäule ist auf Erweichung und Infraktion der spongiösen Knochen- teile zurückzuführen.

Dreesmann sieht in den Röntgenbildern der Elibogengelenke „kaum mehr eine Andeutung einer Gelenkslinie‘, „die Knochenstruktur geht ohne Unterbrechung aus dem einen Knochen in den anderen Knochen über; die Deutung der Bilder „knöcherne Ankylose“ ist aber wohl vollkommen irrtümlich, ebenso wie seine Vermutung, daß die Fingerknochen verdickt und die Tarsalgelenke verknöchert seien.

Wenn der Autor hinzufügt, daß „auch die Epiphysenlinien vollkommen geschwunden“ seien, so handelt es sich offenbar nur um schmale Fugen, was eben dem Alter des Kindes bzw. einer etwas zu weit vorgeschrittenen Ossifikation entspricht.

Mit Recht findet der Autor in seinem Fall eine Analogie zu dem Fall von Bruck vor, welcher wie man heute weiß ebenfalls ein Fall von Psathyrose ist; auch dort waren Gelenksankylosen vor- handen, sie sind wohl auf dauernde Inaktivität infolge der wiederholten schmerzhaften Frakturen entstanden.

XXIII, 2. Uber infantile: Osteopsathyrose. 127

Matsuoka 1909. 6jähriges Madchen, Japanerin (auch Schwester leidet an Knochenbrüchig- keit), lernte mit 4 Jahren laufen, damals Bruch des rechten Femur, bald auch des linken, dann noch wiederholt Brüche dieser Knochen, mit baldiger Heilung. „Die Knochen sind zierlich gebaut, aber fest und nicht biegsam*, Muskulatur schwach; Schädel ziemlich groß, Thorax: mäßig deformiert, Wirbelsäule etwas verkrümmt, Schlüsselbein geknickt und dünn, Becken deformiert, lange Röhrenknochen etwas verkrimmt, Hüftgelenke abduziert und außen rotiert, Tibien etwas verkriimmt, plattgedrückt, beider- seits pes valgus, bi

Röntgenbilder: „Sämtliche Knochen sind durchlässig, dünn und atrophisch, die Kompakta gibt relativ schwachen Schatten, die Spongiosa zeigt eine hochgradige Durchlässigkeit, die Spongiosabälkchen lassen sich gut erkennen. In den nicht gebrochenen Partien der Knochen ist die Markhöhle ziemlich breit, sie gibt einen hellen Schatten. Deform geheilte Knochenbrüche an vielen Stellen der oberen und unteren Extremitäten, die Kallusmassen sind teils mäßig, teils stark entwickelt. Die Epiphysen zeigen keine Veränderungen. Die Epiphysenlinien sind nicht verbreitert.“ Becken seitlich zusammengedrückt.

In den nächsten Monaten neuerdings Frakturen am linken Femur, welche im Röntgenbild lange Zeit als helle Zonen ohne Kallus erscheinen.

Matsuoka diagnostiziert idiopathische Osteopsathyrose und meint, daß infantile Osteo- malazie auszuschließen sei.

; Maier 1910. 6jähriges Mädchen, mit 1, Jahren Schmerzen in beiden Armen, lernte zwischen 2. und 3. Jahr laufen, mit 3 Jahren Verletzung des rechten Oberscheukels, mit 4 Jahren ‘Bruch

des linken; stetsim Verband Heilung. Dann noch wiederholt Brüche der Oberschenkel, später des rechten

Unterschenkels.

| Thorax schmal zusammengedrückt und verschoben, Wirbelsäule skoliotisch, Becken zusammen-

drückbar.

Röntgenbefund: Vorderarmknochen deutlich verdünnt, besonders die Schäfte der Ulnae, Kom- pakta gut ausgebildet, an beiden Ulnae an der Grenze zwischen oberen und mittleren Drittel, eine Fraktur mit kugeliger Verdickung des Knochens und heller Zone im Inneren. Humeruskompakta an- scheinend normal dick. Alle Epiphysenfugen normal, Osifikationsstadium normal, Rippen der linken Seite stellenweise mit geheilten Frakturen. Becken schnabelförmig, besonders linke Pfanne ein- gedrückt, beide Femora stark verdünnt, und durch Frakturen winkelig und wellig verbogen, noch mehr sind die Tibien und Fibulen verdickt und durch Brüche geknickt, meist mit geringem Kallus. Spongiosa- struktur rarefiziert und verwaschen.

Eine spätere, drei Monate nach einer Fraktur vorgenommene Aufnahme des linken Oberschenkels zeigt die Fraktur ohne Periostkallus geheilt und den Knochen hier auffallend porös.

Diagnose: Idiopathische Osteopsathyrose.

Miura 1911. 10jähriges Mädchen, Japanerin, (Eltern und Geschwister gesund); vom ersten Lebensjahre an Knochenbrüche, 19 an Zahl. Bedeutende Deformität der Unterextremitäten durch Brüche und Verbiegungen, Knochen weich.

Röntgenbefund: Am rechten Oberarm die Kompakta relativ dünn, 21 Tage nach Fraktur des Humerus wenig Kallus zu sehen. Becken mäßig verengt, Knochen der Unterextremitäten sehr dünn, zum Teil verbogen und zeigen Frakturen. Am linken Femur Pseudarthrose ein Stück oberhalb des Kniegelenkes, Epiphysenknorpel normal.

Diagnose: Idiopathische Osteopsathyrose,

Hartmann 1911. Beschrieb zunächst ein Geschwisterpaar mit Knochenbrichigkeit und dann noch einen solitären Fall, diesen unter anderer Diagnose.

2ljähriges Mädchen, seit dem Alter von 11), Jahren Knochenbrüche, mit 17 Jahren Gelenkrheumatismus.

Befund: Zwerghaftes gut genährtes Individuum, Kopfumfang 59 cm, Thorax kurz, faßförmig, Becken deformiert, Femora und Tibien beträchtlich nach vorne konvex gekrümmt, Epiphysen nicht verdickt, Abduktion in den Hüftgelenken sehr behindert.

Röntgenbefund: Knochen der oberen Extremitäten normal oder nahezu normal, der Unter- extremitäten verkrümmt und mit Brüchen, Kortikalis verdünnt. Coxa vara, auch die Knochen der Knie- gelenke und Füße zu durchsichtig. Becken: Hüftpfannen etwas eingedrückt und eine Fraktur tragend mit Kallus.

19jähriger Bursch, Bruder der vorigen, erster Bruch mit 11 Jahren, dann noch einige Frakturen, namentlich seit 2 Jahren.

Befund: „Kopf rund, breit“, Umfang 55!/, cm, Knochen der Unterextremitäten mäßig verkrümmt, Thorax faßförmig, auch Becken deformiert. Röntgenbefund ganz ähnlich wie bei der Schwester.

Diagnose: Idiopathische Osteopsathyrose.

128 Kienböck. XXIII, 2.

Fall II. 9',jähriger Knabe, Familie gesund, seit dem 5. Lebensjahre, Brüche der Ober- und Unterschenkel, „mit 8*/, Jahren Rheumatismus‘.

Befund: 80 cm Körperlänge, 51 cm Kopfumfang, Wirbelsäule und Thorax verbogen, Auftreibung der Enden der mittleren Rippen, an den Extremitäten keine Epiphysenverdickung.

Die sehr schönen Röntgenbilder des Beckens und der Unterextremitäten zeigen die Hüftgelenks- pfannen etwas eingetrieben, die langen Röhrenknochen sehr verdünnt, aber guten Schatten gebend, die Spongiosen etwas weitmaschig; der linke Femur ist zwischen oberem und mittlerem Drittel stark ver- krümmt. Der rechte Femur ist etwas weiter unten (im mittleren Teile) sehr stark nach außen konvex gebogen, mit Querfraktur an der Stelle der größten Krümmung. Hier zieht eine helle Zone quer durch den Knochenschatten Unterschenkelknochen cbenfalls im mittleren Teile sehr stark nach vorne konvex gebogen, mit einigen Frakturen und Infraktionen, Epiphysenlinien normal.

H. meint, es handle sich hier „wahrscheinlich um juvenile Osteomalazie‘, doch findet man hier in Wirklichkeit einen typischen Fall von Osteopsathyrose vor.

De Cortes 1911. 13jähriger Bursch; in der Familie multiple Frakturen. Mit 4 Jahren Fraktur des linken Unterschenkels, rasche Heilung, bald darauf hier 2. Fraktur, 1 Jahr später noch einmal. Mit 6 Jahren Bruch des linken Oberschenkels, dann 2 Jahre Pause. Im 8., 9. und 10. Jahre neuerlich Brüche im linken Unterschenkel. Mit 11 Jahren Bruch am rechten Oberschenkel, bald darauf Bruch beider Unterschenkel und Oberschenkel.

Befund: Schädelhöcker stark ausgeprägt, Unterkiefer groß. Epiphysen leicht verdickt, lange Röhrenknochen etwas verkrimmt. Allgemeinzustand gut.

Diagnose: Lobsteinsche Osteopsathyrose.

Zur Korrektur der linken Tibia wird Osteomie gemacht. Die Knochen erscheinen dabei weich, „ähnlich der elastischen Zähigkeit des grünen Holzes, welche das Brechen hindert‘.

Mikroskopische Untersuchung: Haverssche Kanüle dilatiert.

(Photographie des Kranken, keine Röntgenbilder beigegeben.)

Scholz 1912, Fall 1. 1! Jahre alter Knabe, linker Femur gebrochen, Heilung verzögert, einige Monate später neue Fraktur des Knochens. Die Röntgenuntersuchung (Bilder) zeigt den einen Femur an 2 Stellen gebrochen, stellenweise mit querer heller Zone und starkem Periostkallus, Korti- kalis etwas dünn, Epiphyse porotisch, Fuge etwas uneben (begleitende Rachitis!).

Strontiumbehandlung ohne Erfolg, im Gegenteil, es traten dann noch zahlreiche Frakturen des linken und des rechten Femur auf.

Diagnose: Osteopsathyrosis.

Preiswerk 1912. Fast 2 Jahre altes Mädchen, schon bei der Geburt mehrere Frak- turen. Schädel so weich wie ein mit Wasser gefüllter Gummiballon. Dann Heilung der Frakturen, aber bald neuerdings Brüche und auch bald Verkriimmungen.

Befund: Schädel haıt, Nähte geschlossen. Stirnbeinhöcker vorspringend, Hinterhaupt abgeplattet, Gesicht groß, viereckig. Linker Oberarm geknickt, Hände auffallend zart; rechter Oberschenkel gerade, aber mit dicken Kallusmassen, rechter Unterschenkel gleichmäßig verkrimmt, Bewegung behindert, linker Unterschenkel in halber Höhe fast rechtwinklig abgebogen, Füße zart.

Photographie des Kindes: Oberarmknochen zum Teil bedeutend deformiert und gekrümmt nach schlecht geheilten Frakturen; Vorderarmknochen wenig verkriimmt; Oberschenkel- und Unterschenkel- kuochen stark verkrümmt. Röntgenbilder der Extremitäten: Alle Knochen auch sehr schlank, dabei ziemlich durchsichtig, Kortikalis verdünnt, Epiphysenfugen normal. Ossifikation von Hand und Fuß- wurzel normal beziehungsweise dem Alter etwas vorausgeeilt.

Ewald 1918, Fall I. 2ljähriger Mann, Familie gesund. Erster Knochenbruch im 2. Lebens- jahre und zwar am Schlüsselbein, später Brüche an den Oberschenkeln, die ersten Jahre dadurch wenig Schmerzen und geringe Verschiebungen, Heilungsdauer meist mehrere Monate. Bis zum 14, Lebens- jahre zahlreiche Brüche, fast stets an den Beinen.

Im 8. Lebensjahre Beginn von Verkrümmung der Unter- und Oberschenkel, Zusammen- sinken des Rumpfes, der Gang wird mit 8 Jahren schwierig, mit 10 Jahren unmöglich „durch all- mählich stärker werdende Verbiegung der Knochen, nicht durch schlechte Bruchheilung*. Geschlechts- entwicklung normal.

Abbildung des Zustandes im 14. Lebensjahr: hochgradige Deformation des Rumpfes und der Beine. Becken im Wachsen zurückgeblieben.

Röntgenbefund: An den oberen Extremitäten nur eine gewisse Schlankheit der Knochen. Becken kartenherzförmig, Ober- und Unterschenkelknochen, noch mehr die Unterschenkelknochen sehr stark bogig verkrimmt, Kortikalis schmal, Epiphysen verhältnismäßig groß, aber porotisch.

Diagnose: idiopathische Osteopsathyrose.

XXIII; 2. Über infantile Osteopsathyrose. 129

Therapie: Osteotomien an den Unterextremitäten, die Knochen erscheinen sehr fest. Heilung aber erst nach 6—7 Monaten Der Kranke lernt allmählich ohne Stock gehen.

Fall DO. 10jahriges Mädchen, Familie gesund. Schon bei der Geburt ein großer Schädel, dieser bildete sich später zu einem Wasserkopf aus. Umfang 55 cm, mit 6 Jahren Fontanelle noch offen, Nähte weit, Intelligenz normal. FR

Vom 7. Monate an Brüche, zuerst an den Arien, später an den Beinen, im ganzen etwa 1 Dutzend Brüche. Trotz der Behandlung Entstehung von Kiiekungen an den Oberschenkeln und am rechten Vorderarm. Außerdem entstanden allmählich zunehmende Verbiegungen an den beiden Unter- schenkeln und an dem Becken.

Das Kind lernte im 3. Lebensjahre stehen, lernte aber nie i gehen, Längere Phosphor- und Kalkbehandlung ohne Erfolg.

Seit 4 Jahren keine Frakturen, abgesehen vom Bruch des rechten Oberarmes Hash Sturz vom Stuhl, aber noch immer Zunahme der Verbiegünzen:

Photographie des Mädchens: hochgradige Verbildung des Rumpfes und der Beine, auch des rechten Vorderarmes. Rumpf vollkommen zusammengesunken, Körperlänge gering, wie bei einem 3jährigen Kind. Kopf groß, Wirbelsäule sehr stark verkrimmt. Thorax deformiert, Becken von osteomalazischer Form. .

Röntgenbilder: die Extremitätenknochen sehr schlank, an den Armen im allgemeinen gerade, aber mit Knickungsfrakturen und schlechter Heilung. Am Unterschenkel ziemlich starke Verkrümmung, starke Verdünnung der Knochen. |

Eine Untersuchung im 6. und 10. Jahre zeigt nur eine geringe Veränderung, speziell auch nur geringes Wachstum an den Beinen. Die Knochen federn jetzt, brechen aber nicht.

Diagnose: idiopathische Osteopsathyrose,

Klose 1914, Fall I. 16 jähriger Bursch. Lernte erst mit 3 Jahren laufen, „wegen Rachitis“. Mit 11), Jahren Fraktur des rechten Oberschenkels, seitdem 19 Frakturen und zwar mit Ausnahme einer Armfraktur stets Brüche an den Beinen, bei ganz geringen Anlässen. Letzter Bruch vor !/, Jahr. Mit 4—5 Jahren trat eine Verkrimmung der Unterschenkel ein, seit dem 10. Jahre kann Pat. nieht mehr gehen.

Photographie: Rumpf und Arme anscheinend normal, aber Unterschenkel stark nach vorne ver- krümmt und verschmälert; an den Beinen Muskelatrophie bis hinauf, Gesicht auffallend schmal, nament- lich der Unterkiefer.

Röntgenuntersuchung: Unterschenkelknochen bogig verkrümmt, ungemein stark verdünnt, ganz besonders Fibulae, Epiphysen verhältnismäßig groß, porös, PlattfuB. An mehreren Stellen Zeichen von alten gutgeheilten Frakturen mit geringer Verschiebung. Kortikalis dünn, Becken deformiert.

Fall II. 14jähriger Bursch. Seit frühester Jugend Frakturen, mit 8 Jahren in die Anstalt eingetreten mit außerordentlich starken Verkrümmungen der Unterschenkel, so daß Patient nicht gehen konnte, auch in den letzten Jahren mehrere Brüche an Armen und Beinen.

Photographie: hochgradige Deformität des ganzen Körpers, Kopf breit, namentlich die Schädel- höcker stark vorspringend.. Starke Verkrümmung der Wirbelsäule mit kurzem Hals und Verunstaltung des Thorax und Beckens, Arme und Beine besonders stark deformiert. Körperlänge 100 cm, schlechter Ernährungszustand.

- Röntgenuntersuchung: Skelett an verschiedenen Teilen sehr verunstaltet durch Frakturen und Verbiegungen, überall Knochenschatten ziemlich schlank, porös, Kortikalis dünn, Becken seitlich zu- sammengedrückt, Plattfuß.

Fall III. 10jähriges Mädchen. Der Vater litt bis zum 10. Jahre an wiederholten Knochen- brüchen, Geschwister gesund. Seit dem Alter von 11/, Jahren 18 Brüche, zuerst Fraktur des rechten Armes, später Brüche an Armen und Beinen bis in die letzte Zeit.

Blasses Mädchen in mäßigem Ernährungszustand. Beine durch Verkriimmungen stark deformiert, namentlich das linke Bein: Unterschenkel nach vorne gekrümmt, seitlich zusammengedrückt, auch Arm etwas gebogen; alle Gelenke frei beweglich.

Röntgenbefund: Skelett sehr schmächtig, Schatten deutlich herabgesetzt, namentlich an den Beinen, Kortikalis verdünnt, Spongiosa porotisch. An den Epiphysenfugen keine Besonderheit, Becken nicht sandre

Diagnose in allen 3 Fällen: idiopathische Osteopsathyrose.

l

Nicht hierher gehöriger Fall.

Fränkel 1913. 2';,jihriger Knabe, bleich, schlecht genährt, Stirne niedrig: gemölbt, Nase platt, infolge von Septumdefekt durch Eiterungen; Oberarmknochen gebogen, rechts auch in der Mitte aufgetrieben. Enden der langen Röhrenknochen etwas verdickt. - !

Fortschritte a, d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XXIII. 17

130 Kienböck. l XXTH, 2.

Photographie: Nur stellenweise Deformationen sichtbar, Beine nicht verkrimmt.

Röntgenbefund: Skelett nur wenig von der Norm abweichend, „Strahlendurchlässigkeit normal‘, Epiphysenkerne normal, Epiphysenspalten normal. „Die Knochen der Extremitäten erscheinen nicht ver- kürzt trotz der vielfachen meist in der Mitte der Diaphysen gelegenen Frakturen mit mehr oder weniger starker Kallusbildung*; am Unterkiefer mehrere Frakturen mit starker Dislokation der Fragmente; ein Schlüsselbein verbogen und an einigen Rippen an den Enden Verdickungen, anscheinend durch Frakturen.

Bei Betrachtung der reproduzierten Röntgenbilder zeigen sich am Skelett im ganzen nur einige wenige Frakturen, auch erscheint das Skelett weder porotisch, noch schlank. Es dürfte sich also gar nicht um idiopathische Osteopsathyrose, sondern um Syphilis handeln. Der Autor erwähnt nur hinsichtlich des Befundes einer langgestreckten periostalen Knochenauflagerung auf einer Tibia, daß hier Verdacht auf Lues bestehe,

2. Eigene Beobachtungen.

Fall I mit Dr. O. Willner beobachtet.

Marianne R., geboren 3. II. 1909 in Teplitz-Schönau, aus wohlhabendem Hause; am 29. X. 1910 von Professor Knöpfelmacher ins Röntgeninstitut im Sanatorium Fürth geschickt.

Untersuchung am 29. Oktober 1910.

Anamnese.

Das Kind ist jetzt 20 Monate alt. In der Familie keine ähnliche Knochenerkrankung vor- gekommen. Die Eltern (Geschwisterkinder) sind vollkommen gesund, ebenso der ältere Bruder unserer Patientin. Pat. ist das zweite Kind und kam am normalen Schwangerschaftsende gesund zur Welt, die Geburt verlief ohne Störung. Das Kind entwickelte sich zuerst ganz normal.

Im Alter von 9 Monaten trat ohne bekannten AnlaB eine Fraktur des rechten Oberschenkels im oberen Drittel ein, mit 12 Monaten brach der linke Oberarm in seiner oberen Hälfte, mit 13 Monaten der linke Oberschenkel im oberen Drittel. Mit 15 Monaten bildete sich eine Infraktion des rechten Oberschenkels im unteren Drittel, mit 18 Monaten eine Fraktur des rechten Oberarmes in seiner oberen Hälfte. 8 Tage darauf (am 23. VIII. 1910) brach der rechte Oberschenkel abermals.

Die Brüche schmerzten in der Regel nur wenige Tage. Die Behandlung durch Verbände seitens mehrerer Chirurgen war eine sorgfältige, die Heilungsdauer war annähernd normal, vielleicht etwas verkürzt.

Niemals wurden Fiebererscheinungen oder Zahnfleischveränderungen beobachtet, von einer vorüber- gehenden Stomatitis aphthosa abgesehen.

Klinischer Befund.

Körperlänge 78 cm, also dem Alter entsprechend. Auffallend schlanker Knochenbau, ent- sprechend gute Heilung der Brüche. Keine Deformation; die meisten Frakturen sind durch Palpation nicht mehr nachzuweisen, nur der rechte Oberschenkelknochen ist in seinem oberen Diaphysenteile etwas verdickt und schmerzhaft. Die langen Röhrenknochen zeigen keine abnorme Biegsamkeit. Die Gelenke sind nicht verdickt, sie sind sehr schlaff und daher stark überstreckbar. Am Schädel sind ganz leichte Veränderungen wie bei Rachitis zu finden. Die Zahnformel ist normal. Die Muskulatur ist grazil, Lähmungen und Spasmen fehlen. Im Harn sind ab und zu Spuren von Eiweiß zu finden, kein Bence- Jonesscher Körper.

Blutbefund (Dr. Lehndorff, Ende August 1910): bis auf leichte Anämie und geringe Lympho- cytose normal. Wassermannsche Reaktion negativ.

Die geistige Entwicklung entspricht dem Alter des Kindes, es ist sehr lebhaft, leicht reizbar und spricht viel.

Radiologischer Befund.

In leichter Narkose werden zahlreiche Körperteile radiographisch aufgenommen. Einige Radio- gramme sind auf Tafel IV in Figur 1 bis 5 reproduziert: die antero-posteriore Aufnahme der oberen Rumpfhälfte, die Aufnahme eines großen Teiles des rechten Armes, des rechten Oberschenkels und des rechten Unterschenkels.

. Am linken Humerus ist an der Grenze des oberen und mittleren Drittels des Schaftes eine leichte Knickung zu sehen (geheilte Fraktur oder Infraktion); am rechten Humerus (Figur 1 auf Tafel IV) ist im gleichen Niveau eine geheilte Schrägfraktur zu erkennen, an der Knickungsstelle ist

XXIII, 2. Uber infantile Osteopsathyrose. 181

periostaler Kallus sichtbar, dieser ist an der konkaven Knochenseite noch durch eine unverkalkte helle Zone von der Diaphysenkortikalis getrennt, die Frakturlinie ist hier als schrägverlaufende dunklere Zone noch sichtbar.

Der rechte Femur (Figur 2 auf Tafel IV) ist durch die Anwesenheit yon 8 Knickungen schlangenförmig verkrümmt; eine Bruchstelle sitzt an der Grenze zwischem oberem und mittlerem Drittel der Diaphyse (vorne ist die Trennung der Kortikalis und im einspringenden Winkel der noch nicht fest angeheilte periostale Kallus sichtbar), die zweite Bruchstelle liegt ca. 2 cm höher, die dritte Verletzung besteht in einer Knickung etwa zwischem mittlerem und unterem Drittel der Diaphyse nach Infraktion (kein Kallus vorhanden). [Im Radiogramm sieht man en’sprechend der schrägseitlichen Projektionsrichtung den lateralen und medialen Teil des unteren Diaphysenendes voneinander getrennt projiziert, ebenso decken sich lateraler und medialer Kondyl nicht vollkommen.]

Der linke Femur (Figur 3 auf Tafel IV) erscheint im Seitenbild bedeutend schmäler als der rechte und zeigt kein Zeichen der stattgefundenen Verletzung mehr.

An der Wirbelsänle, den Rippen, Schlüsselbeinen und Schulterblättern, sowie an den Vordorarmen

und Unterschenkeln, Händen und Füßen, sind keine Verletzungen zu finden.

Im Thoraxbild (Figur 4 auf Tafel IV) hat der durch das Herz und die großen Gefäße ge-

bildete Mittelschatten normale Größe, Form und Lage; die Rippen zeigen keine Fraktur.

| Die langen Röhrenknochen erscheinen durchwegs zu grazil, namentlich sind linker Femur, beide Tibien und am allermeisten beide Fibulen viel zu schlank, die Epiphysen sowie das FuB- skelett passen in ihrer Form und Größe zu den schlanken Diaphysen (rechter Unterschenkel: Figur 5 auf Tafel IV). Viel weniger ist die abnorme Dünnheit an den langen Röhrenknochen der oberen Extremitäten ausgesprochen, am meisten noch an den Ulnen. Auch die Rippen und noch mehr die Schlüsselbeine sind zu schlank. Zwischen rechter und linker Körperseite besteht plespesneuen voll- kommene Symmetrie, nur erscheint der rechte Femur weniger schlank als der linke.

Die Diaphysen, welche keine Frakturen erlitten haben, sind nicht im geringsten verbogen, auch Thorax und Becken sind nicht deformiert.

Am ganzen Skelett ist Osteoporose geringen bis mittleren Grades nachweisbar, und zwar an- scheinend über das Skelett gleichmäßig verteilt. Die Knochenschatten sind etwas zu wenig dunkel, die Spongiosen an den Diaphysenenden, Epiphysen und kurzen Knochen ungemein fein gezeichnet und von ganz dünnen Corticales umzogen. Die Corticales der Diaphysen erscheinen an den langen Röhrenknochen der Unterextremitäten viel zu dünn, dagegen an Humerus, Ulna und Radius etwa normal dick.

Die oberen Diaphysenabschnitte der beiden Humeri und des rechten Femur zeigen oberhalb der Bruchstellen eine Spur von Verschwommenheit und von Fleckung; dies dürfte auf ungleichmäßiger Osteoporose bezw. Halisterese des Knochens beruhen und stellt keineswegs echte Cystenbildung, Ostitis fibrosa dar. Auch Knochentumoren und Zeichen von entzündlicher Knochenerkrankung sind nirgends zu finden.

Die knorpeligen Epiphysen der langen Röhrenknochen erscheinen normal breit, die Diaphysenenden bilden sich durch normale dunkle Zonen ab (an den Ellbogengelenken fehlen bekanntlich immer solche Zonen); an den Knie- und Sprunggelenken besitzen die dunklen Bänder eine beträchtliche Breite.

Die Epiphysengrenzen verlaufen geradlinig, es ist keine Spur von Rachitis oder Barlowscher Krankheit zu finden. Die Epipbysen sind, wie erwähnt, nicht vergrößert.

In den Diaphysen sind in der Nähe der Epiphysengrenzen und auch noch weiter gegen die Mitte des Knochens hin ab und zu gerade oder wellig verlaufende dünne Schattenstreifen zu finden, so zum Beispiel am unterer und oberen Ende der Tibiadiaphyse und im unteren Drittel der Femurdiaphyse. Es handelt sich hier um „Epiphysenmarken“, wie sie in atrophischen Knochen nicht selten anzutreffen sind.

Der Ossifikationszustand des Skelettes entspricht dem Alter des Kindes.

- Ebenso ist die Länge der Knochen eine normale; so zeigen die langen Röhrenknochen der “Extremitäten der rechten Körperseite die folgenden Maße (die Knochen der linken Seite sind, soweit sie untersucht wurden, gleichlang): |

Maße der langen Réhrenknochen im Radiogramm.

Diapbyse samt | Diaphyse . Epiphysen

Humerus | Ulna ca. 10 Radius ca. 91, Femur 171]; Tibia 131), Fibula 121],

17*

132 Kienböck. XXIII, 2.

Die Muskulatur der Extremitäten ist ebenfalls sehr grazil; ihr Schatten ist auch auffallend hell und von besonders hellen Streifen durchzogen, die Muskulatur ist also atrophisch und speziell verfettet. Das Fettpolster ist von bedeutender Dicke.

Epikrise zum Befund im Oktober 1910.

Bei einem fast 2 Jahre alten Mädchen aus gesunder Familie, in welcher bisher keine ähnliche Erkrankung vorkam, traten bei anscheinend voller Gesundheit vom 9. Lebensmonat an etwa ein Dutzend Spontanfrakturen ein, und zwar ausschließlich an beiden Hu- merus- und Femurknochen. Meist lagen die Bruchstellen im oberen Drittel der Diaphyse, und beim Vergleiche beider Körperseiten ist eine beträchtliche Symmetrie der Affektion unver- kennbar, der rechte Femur frakturierte aber 3mal (die zwei Bruchstellen im oberen Teile des Schaftes liegen nahe beieinander), während der linke Femur nur einmal eine Infraktion erlitt. Die Brüche schmerzten in der Regel nur wenige Tage. Die Behandlung durch Verbände war eine sorgfältige, die Heilungsdauer erschien klinisch annähernd normal, eher etwas verkürzt.

Andere Erscheinungen am Kind waren nicht zu finden, nur war ein besonders schlanker Knochenbau auffallend. Entsprechend der verhältnismäßig kurzen Krankheitsdauer und guten Bruchheilung war das Kind nicht deformiert. Abgesehen von den Frakturstellen keine Ver- biegungen, keine Schmerzen.

Die radiologische Untersuchung ergibt, abgesehen von einer genauen Darstellung der multiplen Frakturen und Infraktionen an den beiden Humerus- und Femurknochen, die zumeist solid geheilt erscheinen, ein Fehlen weiterer Verletzungen, ferner eine abnorme Schlankheit des ganzen Skelettes, vor allem der langen Röhrenknochen der Extremitäten, des Schlüsselbeines und der Rippen, und einen mittleren Grad von Osteoporose. Abgesehen von den Bruchstellen keine Verbiegungen der Knochen, Epiphysen nicht verändert.

Berücksichtigt man die Anamnese und den Verlauf, den klinischen und radiologischen Befund, vor allem die Knochenbrüchigkeit mit multiplen Spontanfrakturen, die zum Teil rasch heilen, die allgemeine Knochenatrophie, die sich in periostaler Hypo- plasie und Osteoporose zeigt, ferner das Fehlen anderer diffuser oder herd- förmiger Veränderungen an den Knochen, speziell das Vorhandensein einer nor- malen Längenentwicklung und normaler Epiphysen, so gelangt man zur Diagnose der idiopathischen Osteopsatbyrose.

Das Kind war vorher von zahlreichen Kinderärzten (Professoren ersten Ranges in Wien und Berlin) untersucht worden, die Diagnose wurde meist unrichtig gestellt, manche diagnostizierten Barlowsche Krankheit, andere Zystenbildung, andere infantile Osteomalazie.

Verlauf.

Schon während der folgenden Monate trat eine bedeutende Verschlimmerung ein, namentlich was den Zustand an den Oberschenkeln betrifft. Die sorgfältigste Pflege und Be- handlung konnte das Eintreten von Frakturen nicht hindern und eine Heilung in guter Stellung nicht mehr bewirken. Die Behandlung mit Phosphor, Thymus, Strontium- und Kalkpräparaten blieb ohne jeden Erfolg.

So wurde Patientin im Jänner 1911 auf Rat eines Arztes mit einem Gipsverband versehen; bei Ab- nahme desselben erfolgte sofort Bruch des rechten Oberschenkels im oberen Drittel. Einige Monate später brach der rechte Oberschenkel noch einmal und bald darauf, im April 1911 auch der linke. Häufig wurden an den Extremitäten vorübergehende Bewegungsstörungen bemerkt (Infraktionen?).

Am 11. Mai 1911 wurde der Fall von Kollegen Willner und Verfasser unter Demonstration der Radiogramme in der k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien besprochen!); das Kind war nun 2!/, Jahre alt und hatte sich trotz sorgfältiger Pflege und Bewachung noch weitere Frakturen zugezogen; sie betrafen dieselben Knochen, gingen aber nicht mehr in prompte Heilung über.

1) Wiener klinische Wochenschrift 1911, Nr. 19.

XXIII, 2. . Über infantile Osteopsathyrose. 138

Nachher kam Patientin in Behandlung der Herren Bamberg und Huldschinsky und wurde von ihnen am 26. VI. 1911 in dem Verein für innere Medizin und Kinderheilkunde in Berlin besprochen („Fall III“) und zwar unter der richtigen Diagnose einer id. Osteopsathyrose; in einer darauffolgenden Publikation wurden auch mehrere der vom Verfasser dargestellten Röntgenbilder abgebildet.

Am 10. Dezember 1911 wurde von Kollegen Holzknecht eine Röntgenuntersuchung des Mädchens vorgenommen die Aufnahmen wurden mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Der Zustand hatte sich sehr verschlechtert, die Knochen waren viel durchsichtiger geworden, neue Frakturen waren aufgetreten mit schlechter Heilung und hochgradiger Deformation der Skeletteile.

Das Körperwachstum hatte nur wenig zugenommen, das Körpergewicht hatte seit 9 Monaten gar nicht zu- -

genommen, es hatten nur starke Schwankungen um einen Mittelwert stattgefunden, wobei die Ursache der Schwankungen nicht ergründet werden konnte.

Aufnahme der rechten Unterextremität (Figur 6 auf Tafel IV). Der Femur erscheint nun im ganzen stark bogig deformiert, dabei entsprechend mehreren schlechtgeheilten Frakturen in der oberen Hälfte wellig und knotig verlaufend. Abnorme Durchsichtigkeit, fleckige Beschaffenheit, Dia- physenkortikalis kaum erkennbar. Durch die starke Verbiegung und auch zufolge dem geringen Längen- wachstum ist der Femur etwas kürzer als vor 14 Monaten. Im Hüftgelenk besteht starke Abduktion.

Die Beckenknochen, die Epiphysen der großen Röhrenknochen am Kniegelenk sind sehr durch- sichtig, die Tibia ist insgesamt sehr durchsichtig, sie ist gegen früher etwas gewachsen.

Linke Unterextremität. (Figur 7 auf Tafel IV.) Der Femur ist nun in der oboro Hälfte stark deformiert, durch 2 Brüche: unterhalb des Trochanter eine quere Infraktion mit Winkel-

stellung; weiter unten eine Schrägfraktur mit leichter Verbiegung ad latus. Der entsprechende (obere) |

Teil des Femur ist verdickt, sehr durchsichtig, verschwommen fleckig strukturiert, Kortikalis äußerst ver- dünnt, der Kallusknochen ist offenbar ebenso kalkarm wie die benachbarte Knochensubstanz. Abduktion im Hiiftgelenk. Untere Hälfte des Femur schlank, dichte, dünne Kortikalis vorhanden, oberhalb der Knieepiphysenfugen leichte Knickung (längst geheilte Infraktion). Auch die Tibia zeigt nahe der oberen Epiphysenfuge eine geringe Deformation durch eine geheilte quere Infraktion.

Die Muskulatur ist wenig umfangreich, hell streifig: Muskelatrophie.

An anderen Knochen, speziell an den Armen keine neuerlichen Verletzungen.

Auf meine Anfrage teilte mir die Mutter der Patientin am 26. IX. 1914 brieflich folgendes mit: „Im Jahre 1912 wurde von Dr. Semeleder (Wien) ein Apparat konstruiert, auf dem Pat. nun schon seit über 2 Jahren liegt, die Beine nach oben in Extension. Sie fühlt sich sehr wohl, ist lustig, hat selten Schmerzen.“ Ab und zu treten also doch Fissuren, Infraktionen an den Beinen und seltener auch an den Armen auf, die übrigens gut bewegt werden. Im Sommer 1912 wurde Pat. nach Grado gebracht, jedoch ohne bemerkenswerten Erfolg. Seither ist sie stets zu Hause. Sie hat sich geistig „weit über ihr Alter® entwickelt. 2 #7

Wenn man den Verlauf betrachtet, erkennt man eine zunehmende Verschlechterung; insbesondere zeigt ein Vergleich der zuerst und 14 Monate später aufgenommenen Röntgenbilder eine hochgradige Zunahme der Osteoporose, neue Brüche und eine Hemmung der normalen Bruchheilung an den Unterextremitäten mit starker Deformation der Knochen; insbesondere sind beide Femora stark nach außen verkrümmt, dementsprechend im Hüftgelenk abduziert, dabei mit mehreren deform geheilten Brüchen versehen, namentlich trägt der rechte Femur viele Frakturen, er ist dementsprechend auch knotig deformiert und zeigt eine eigen- tümliche Struktur mit unregelmäßigen, verschwommenen, zum Teil rundlichen, atrophischen (hellen) Herden. Auch 4 Jahre nach der ersten Untersuchung treten, obwohl Patientin be- reits 2 Jahre ruhig liegt, noch immer Frakturen und zwar besonders Fissuren und Infraktionen an den Beinen und Armen auf. |

Fall I.

Josef B. 2%/, Jahre alt, wird wegen Gehunfähigkeit von der Mutter an die chirurgische Abteilung der Poliklinik (Professor A. Fränkel) gebracht und uns von dort zur Röntgenuntersuchung überwiesen.

Erste Untersuchung, 23. April 1910,

Anamnese. Weder an Vater noch an Mutter noch in der Aszendenz eine ähnliche Erkrankung bekannt. Patient ist das erste Kind, wurde zur rechten Zeit geboren, Zangengeburt. Gleich bei der Geburt wurde eine Fraktur des rechten Unterschenkels bemerkt, die Verletzung wurde im Verband behandelt. Das Kind litt in der Folge niemals an englischer Krankheit. 6 bis 7 Monate

134 Kienböck. XXIII, 2.

alt, brach es den linken Vorderarm. Mit 8 Monaten fing es an zu stehen und wurden Gehversuche gemacht, dabei (mit 8 Monaten) brach der linke Oberschenkel, mit 11/, Jahren der rechte Ober- schenkel; um diese Zeit fing angeblich ohne Bruch der linke Unterschenkel sich zu verbiegen an. Die Frakturen wurden stets vom Arzt im Verband behandelt und sollen nach mehreren Wochen geheilt sein. Die Mutter gibt auch an, daß später noch wiederholt Brüche eingetreten seien, und zwar am rechten Unterschenkel und an beiden Oberschenkeln; alle diese Knochen sollen also etwa viermal gebrochen sein. Der letzte Bruch geschah vor einigen Tagen und zwar am linken Oberschenkel und wie die früheren Frakturen durch geringe Veranlassung, z. B. beim Herabgleiten vom Divan.

Klinischer Befund. Das Kind sieht nicht ausgesprochen krank aus, ist nur ein wenig blaß und hat keine sicheren Zeichen von Rachitis, Der linke Vorderarm ist im oberen Drittel geknickt und mäßig stark verbogen, die beiden Oberschenkelknochen sind stark nach vorne außen konvex gebogen, am linken Oberschenkel ist an einer Stelle abnorme Beweglichkeit mit Schmerzhaftigkeit nachweisbar. Die Unterschenkel sind in symmetrischer Weise deformiert: an der Grenze zwischen mittlerem und unterem Drittel nach hinten abgeknickt, beziehungsweise entsprechend verbogen, und seitlich stark ab- geplattet. Die Unterextremitäten werden im Kniegelenke gebeugt gehalten, Muskulatur und Fettpolster normal entwickelt.

Radiologischer Befund. (Tafel V, Figur 8 bis 10.)

Aufnahme des linken Vorderarmes samt Hand (13:18 cm). (Figur 8 auf Tafel Y.) Unterarm stark verkriimmt, Muskulatur entsprechend entwickelt, Hand wohlgeformt. Alle Knochen zu durchsichtig, besonders deutlich an den Handknochen; die Diaphysenkortikalis und die den Epiphysen- knorpel tragende Diaphysenrandzone als feine dunkle Striche abgebildet, Spongiosen weitmaschig, fein- strichig; im Capitatum und Hamatum je ein groBer Knochenkern. An Radius- und Ulnadiaphyse die epiphysären Randzonen fast gerade verlaufend, und zwar als ziemlich dicke, dunkle Schattenbänder. Ulnadiaphyse fast in ganzer Ausdehnung stark bogig verkrimmt mit Konvexität nach außen, 2 cm oberhalb der unteren Epiphysengrenze eine geheilte Querfraktur ohne Dislokation mit leichter Ver- dickung des Knochens. Die Radiusdiaphyse zeigt 3 cm unterhalb des oberen Endes eine Infrak- tion und in der Mitte einen Querbruch mit starker Knickung und dickem Periostkallusknochen an der Konkavität, hier ist auch eine quere Aufhellungszone vorhanden.

Aufnahme des Beckens samt Oberschenkeln (18:24 cm) (Figur 9 auf Tafel VY). Alle Knochen zu durchsichtig, ganz besonders das untere Ende der Femurdiaphyse samt Epiphyse und das obere Ende der Tibiadiaphyse samt Epiphyse. Femurdiaphysenkortikalis stellenweise dick, aber auf-

gefasert, Spongiosa weitmaschig und unregelmäßig strukturiert, besonders deutlich an den unteren Dia-

physenenden. Becken etwas quer verengt. Linker Femur: Coxa vara, Schaft fast gerade, mehrere Zentimeter oberhalb der unteren Epiphysenfuge eine Infraktion undeutlich sichtbar. Rechter Femur: Schaft in toto stark nach außen konvex, 5 cm unterhalb des großen Trochanters eine ältere Querfraktur mit geringer Dislokation, periostalem Knochenkallus und heller Querzone; 6 cm oberhalb der unteren Epiphyse eine frische Fraktur: reine Querfraktur mit geringer Dislokation ad Jatus. Epiphysenfugen nicht oder nur undeutlich zackig, gegen die Diaphyse hin, hier keine dunklere Begrenzungszone.

Die Seitenaufnahme des rechten Kniegelenkes (9:12 cm) zeigt ebenfalls an der unteren Femur- diaphysehfraktur eine mäßige Dislokation.

Seitenaufnahme des linken Unterschenkels (18:24 cm) (Figur 10 auf Tafel V). Beide Unterschenkelknochen fast gerade, durchwegs atrophisch.

Zweite Untersuchung, 1!/, Jahr später.

Klinischer Befund am 12. Oktober 1911. Das Kind ist gegenwärtig 3°], Jahre alt, der Ober- schenkelbruch vom April 1910 ist allerdings mit beträchtlicher Krümmung geheilt. Patient hat sich seitdem angeblich (!) keine neuen Frakturen zugezogen. Die Knochen sind auf Berührung nicht schmerz- haft, sie sind auch nicht biegsam, das Becken ist nicht zusammendrückbar. Das Kind soll nach Angabe der Mutter beim Versuch zu stehen schon lange Schmerzen im linken Unterschenkel haben.

Ober- und Unterschenkel sind noch stärker verkrümmt als vor 1!/, Jahr; Wirbel- säule gerade, Becken äußerlich nicht deformiert, Stehen und Gehen unmöglich. Das Kind kann sich nur am Boden sitzend fortbewegen, indem es den Rumpf durch Aufstützen der Arme hebt und die Beine nachschleift, so kriecht es seitlich am Boden weiter. Die Körperlänge läßt sich nicht bestimmen, weil die Unterschenkel stark verkrümmt sind. Das Kind hält die Beine in den Hüft- und Kniegelenken stets gebeugt, doch kann man diese Gelenke strecken, mit Überwindung eines geringen Widerstandes; in den Sprunggelenken sind die Bewegungen eingeschränkt, entsprechend der Deformation der Unter- schenkel. oe

Der Schädel ist im Verhältnis zum Gesichte auffallend groß, Kopfumfang 51 cm, Stirne und

XXIII, 2. Über infantile Osteopsathyrose. 135

Stirnhöcker VORPEIDERDE Das Gesicht ist schmal, die Nase wohlgeformt, die Zähne sind gut ent- wickelt.

Die Enden der langen Röhrenknochen sind gar nicht verdickt, nur einige Rippenenden sind auf- getrieben. Bauch nicht ausgedehnt. Das Kind ist normal intelligent und lebhaft, es weint und schreit während der ganzen Untersuchung.

(Die jüngere Schwester, 15 Monate alt, leidet an Sie lisäher Krankheit mäßigen Grades; ist blaB und kann noch nicht gehen.) |

Radiologischer Befund. (Tafel V, Figur 11 bis 14.)

Die Aufnahme des linken Vorderarmes (18:18 cm) (Figur 11 auf Tafel V) zeigt fast das- selbe Bild wie vor 1'/, Jahr, nur sind die Knochen länger und dicker geworden, auch ist die Ossifikation der Handwurzel entsprechend fortgeschritten. |

. Aufnahme des rechten Vorderarmes (13:18 cm) (Figur 12 auf Tafel Y). . Ulna nd Radius etwas verbogen, außerdem zwischen .mittlerem und unterem Drittel je eine geheilte Infraktion mit ge- ringer Abknickung der Knochen gegen die Kleinfingerseite hin, Knochenatrophie.

Aufnahme des Beckens samt den nach außen rotierten Oberschenkeln und Knien (24 ::30 cm) (Figur 13 auf Tafel V). Alle Knochen seit 1!/, Jahr entsprechend gewachsen, aber noch immer zu -durchsichtig, Kortikalis an den langen Röhrenknochen sehr dünn, Spongiosa überall weit- maschig, Sitzbeine samt Hüftgelenkspfannen etwas nach innen Torspringend , dadurch das Becken quer verengt, Beckenschaufeln seitlich normal ausladend. Beide Femurdiaphysen in symmetrischer Weise deformiert, in den zwei mittleren Vierteln sehr stark nach vorne konvex gebogen.

Rechter Femur: Oberer Bruch kaum mehr sichtbar, anscheinend verheilt, die untere Bruchstelle zeigt an der Konkavität einen periostalen Kallusknochen, aber in der Markregion noch immer eine quer verlaufende helle Zone. |

Linker Femur: Jetzt durch Brüche sehr stark deformiert, zwischen oberen und mittlerem Drittel eine Schrägfraktur mit breiter heller Zone durch die Markregion und unregelmäßigen, durch- sichtigen Periostkalluszügen. Das mittlere Drittel enorm deformiert: vorne ein mehrfach unterbrochener dünner Schaft sichtbar, hinten ein breiter etwas streifiger und verschwommener ziemlich dunkler Periost- kallusknochen, der die Konkavität der Krümmung ausfüllt. Zwischen mittlerem und unterem Drittel (dort, wo vor 1!j, Jahr als einzige Verletzung des Knochens eine leichte Infraktion vorhanden war) eine Querfraktur mit heller, querer Zone und mächtigem, mäßig dichten, zirkulären, knöchernen Periostkallus. Schatten der Oberschenkelmuskulatur aus mehreren breiten Zonen bestehend, Fettpolster entsprechend dick.

Aufnahme beider Unterschenkel in Außenrotation samt Knien und Füßen (24:30 cm) (Figur auf 14 Tafel V). Beide Unterschenkel zeigen symmetrische Formveränderungen. Alle Knochen zu durchsichtig wie vor 1!/, Jahr, aber entsprechend gewachsen, Kortikalis der langen Röhren- knochen verdünnt, Spongiosen weitmaschig, Epiphysenfugen normal gestaltet, Diaphysenendzonen dunkel. Beide Kniegelenke überstreckt; Tibien im mittleren und unteren Drittel sehr stark gebogen mit vorderer Konvexität und außerdem mit Querfissur an der Kuppe des Bogens, nur wenig Periost- kallusknochen vorhanden, durch den Knochenschatten zieht hier quer eine unregelmäßige helle Zone. Wenn diese Knochenteile breit erscheinen, so entspricht dies der seitlichen Abplattung der Knochen, „Säbelscheidenform*; Fibulen stark verdünnt und sehr verbogen, ungemein durchsichtig. Schatten der Wadenmuskulatur breit, Fettpolster normal.

'Epikrise.

‚Es: handelt sich um einen 2!/, Jahre alten Knaben, in dessen Familie keine ähnliche Erkrankung vorgekommen ist. Schon bei der Geburt erlitt er einen Schenkelbruch, wahr- scheinlich war also schon damals eine Knochenatrophie vorhanden. Es erscheint dies um so wahrscheinlicher, als das Kind bereits mit 6 oder 7 Monaten neuerdings eine Fraktur erlitt, und zwar am linken Vorderarm. Mit 8 Monaten fing es an zu stehen und zu gehen, doch brach es sofort den linken Oberschenkel. Später erlitt das Kind noch wiederholt Brüche an den Oberschenkeln, auch noch einige Tage vor der Untersuchung. |

‚Bei der Untersuchung zeigt sich ein blasses, im übrigen gesund cassensaiion Kind ohne Zeichen von Rachitis, doch besteht Unfähigkeit zu stehen und zu gehen wegen starken Schmerzen in den Beinen. Mehrere Knochen sind stark deformiert, so ist der linke Vor- derarm verbogen und es sind beide Oberschenkel geknickt und gebogen. Am linken Ober- schenkel ist noch eine unverheilte Fraktur nachweisbar. In den Hüft- und Kniegelenken be- stehen spastische Beugekontrakturen.

e miee

186 Kienböck. XXIII, 2.

Die Röntgenuntersuchung ergibt ein atrophisches Skelett, und zwar im Sinne der Porose, nicht etwa im Sinne einer Schlankheit der Knochen. Am linken Vorderarm sind Radius und Ulna gebogen und tragen je eine Fraktur. Der Radius zeigt auch an einer Stelle eine Fissur mit hellem Querband. Das Becken ist etwas quer verengt, der linke Femur trägt am unteren Teil des Schaftes eine Infraktion; der rechte Femur ist stark ver- bogen, zeigt eine Fraktur und außerdem eine Fissur in Form eines hellen Querbandes, Die Unterschenkelknochen sind fast gerade. Die Epiphysenfugen erscheinen normal, auch ist der Ossifikationszustand des Skelettes ein entsprechender.

Auch in diesem Falle konnte der Verlauf des Leidens studiert werden, speziell die Art, wie sich bei der Krankheit stärkere Deformationen der Knochen bilden, und zwar wurde das Kind 1'/, Jahr später neuerdings untersucht. Es war entsprechend größer geworden, was sowohl die äußere als auch die Röntgenuntersuchung ergab. Das Kind kann aber noch immer nicht stehen, vielmehr nur am Boden seitlich weiter kriechen mit aus- schließlicher Benützung der Arme als Stütze. Die Beine sind noch immer schmerzhaft, es ist sogar eine Verschlechterung eingetreten, indem nun auch die Unterschenkel ver- kriimmt und schmerzhaft sind. Die Kontrakturen an den Hüft- und Kniegelenken sind noch stärker ausgesprochen als früher. Die Ursache liegt offenbar im Vorhandensein noch immer nicht geheilter schmerzhafter Brüche und in dem mangelhaften Gebrauch der Beine, die Knochen sind überdies stark verkrümmt, schon die starke Abduktion in den Hüftgelenken hindert am Stehen und Gehen.

Die Röntgenuntersuchung zeigt, abgesehen von der bedeutenden Größenzunahme der Knochen, eine noch stärkere Verkrümmung der Oberschenkel mit neuen Frakturen, ferner auch die Unterschenkel im unteren Teil stark bogig verkrümmt, und zwar ganz besonders die Tibien, welche rechter- und linkerseits in symmetrischer Weise im unteren Teil verbogen sind und an der Kuppe des Bogens Querfissuren mit hellen Zonen zeigen; es handelt sich wahrscheinlich ursprünglich um Verletzungen leichteren Grades, konsekutive Verbiegungen und dann neuerliche Sprünge in der Knochensubstanz an der prominentesten Stelle mit einer schweren Störung in der Bruchheilung. Auch der linke Vorderarm zeigt die alte Fraktur schlecht geheilt und eine neuerliche Verletzung mit starker Verbiegung der Knochen. Hier, sowie an den Unter- und Oberschenkeln sind es die starken bogigen Verkriimmungen der porösen Knochen und der in der Achse der Extremität wirkende Druck bei der Belastung beim Stehen und Kriechen, welche immer wieder zu neuen Brüchen führen.

3. Klinisches Symptomenbild der infantilen Psathyrose.

Definition. Unter infantiler Osteopsathyrose ist jene Gruppe von Fällen von Psathyrose gemeint, in welchen die Kinder ohne Frakturen zur Welt kommen und den ersten Bruch erst später erleiden; am häufigsten tritt er etwa mit 11/,—2 Jahren auf, zuweilen allerdings schon während des Geburtsaktes, manchmal umgekehrt erst in viel späteren Jahren (Jünglingsalter). Es sind hier weder die Fälle mit angeborenen Brüchen durch hochgradige foetale Osteopsathyrose (typische Osteogenesis imperfecta) verstanden, noch die Fälle, in denen die Brüche erst am erwachsenen Individuum auftreten (Osteopsathyrose der Erwachsenen).

Im klinischen Symptomenbild sind im ersten Stadium der Krankheit, während der ersten Jahre ausschließlich Spontanfrakturen der langen Röhrenknochen vor- handen. Die Frakturen treten bei ganz unbedeutenden Anlässen (bei Fallam Fußboden, Anschlagen, selbst bei täglichen Verrichtungen) auf, sie kommen offenbar durch eine abnorme, zum Teil hochgradige Brüchigkeit der Knochen zustande. Abgesehen von Knickungen, kallösen Auf- treibungen und dergleichen durch frische oder geheilte Frakturen sind die langen Röhren- knochen zunächst gar nicht verunstaltet, nicht verdünnt oder abgeplattet, auch nicht

XXIII, 2. Über infantile Osteopsathyrose. | 137

gleichmäßigbogig verkrümmt. Erst später und allmählich treten bei fortschreitendem Älter- werden und Heranwachsen der Kinder auch derartige Formveränderungen der Knochen ein. Da die Affektion an sich nicht mit Schmerzen verbunden ist und die Brüche in der ersten Zeit solide heilen, bewegen sich die Kinder in den Zwischenzeiten zwischen den Brüchen oft fast wie normale, sie ziehen sich daher auch immer wieder Brüche zu.

Die Brüche sind wie bei Gesunden mit Schmerzen verbunden. Ohne Anwesenheit von Brüchen bestehen keine Schmerzen, wenn auch die Ursachen der Schmerzen vom Patienten, von der Umgebung und selbst vom Arzt nicht immer richtig er- kannt werden; manchmal sind es nämlich nur Infraktionen, dann sind die Schmerzen auch nur gering, beziehungsweise nur bei gewissen Bewegungen vorhanden.

In manchen Fällen der Literatur heißt es, daß „an der Bruchstelle bereits einige Wochen vor Eintreten des Bruches Schmerzen vorhanden waren“; man nahm dabei meist an (z. B. kürzlich auch Ewald), daß der Knochen an dieser Stelle bereits herdförmig er- krankt war, was eine Disposition für Frakturen abgab; dies würde für ein ungleichmäßiges, herdförmiges Befallensein des Skelettes von der Krankheit sprechen. In Wirklichkeit hat aber in diesen Fällen einfach zuerst eine Infraktion und erst später ein vollkommener Bruch stattgefunden, von einer herdförmigen Erkrankung kann gar keine Rede sein.

.Der Allgemeinzustand des Kindes ist, abgesehen von den Bruchschmerzen, normal, die Kinder sehen auch meist gesund aus; wenn dies ausnahmsweise nicht der Fall ist, so liegt der Grund offenbar in hinzugekommenen Affektionen, welche mit der eigentlichen Krankheit nichts zu tun haben, z. B. Rachitis. |

„Von Frakturen unabhängige“ arkuäre Verbiegungen der langen Röhren- knochen. In späteren Stadien werden auch gleichmäßigbogige Verkrimmungen der Extre- mitätenknochen bemerkt, ohne daß an diesen Stellen Zeichen von Frakturen nachweisbar wären. Es ist dies schon Griffith, Schuchardt, Looser, Axhausen, Ewald u. a. aufgefallen.

Looser bemerkt ausdrücklich, „daß sich zu den durch Frakturen und Infraktionen bedingten Ver- krümmungen stets noch eine davon unabhängige, langsam fortschreitende Deformierung der am meisten in Anspruch genommenen Knochen gesellt, welche die früher erwähnten Verkrümmungen verstärkt und kompliziert, auch an den Knochen, die frei von Frakturen geblieben sind, einsetzt“.

Die bogigen Verkrümmungen der langen Röhrenknochen entstehen aber wahrscheinlich doch zum größten Teil auf der Basis von vorausgegangenen leichteren (Fissuren und Infrak- tionen) oder schwereren Verletzungen, und zwar ganz allmählich mit dem fortschreiten- den Wachstum des Kindes („Wachstumsanomalien* der Knochen). Nur zum kleinen Teil entstehen sie ohne vorausgegangene Frakturen, einfach durch Gebrauch der Glieder in abnor- mer Weise, bzw. durch lange Ruhelage derselben in gewissen Stellungen (wegen ungeheilten Frakturen an anderen Knochen); mikroskopische Knochenverletzungen sind dabei natür- lich keineswegs auszuschließen, im Gegenteil als wahrscheinliche Basis anzunehmen; die Ver- biegung wird übrigens auf diesem Wege nicht hochgradig. Bei allen diesen Wachstums- anomalien dürften sowohl die Muskel- und Knochenatrophie, als auch das zunehmende Gewicht des Kindes eine wichtige Rolle spielen.

Wenn zu den Brüchen und Winkelstellungen derartige arkuäre Verbiegungen der Extre- mitätenknochen hinzugekommen sind, so kann darin ein Übergang aus dem ersten Haupt- stadium der Krankheit zum nun zu beschreibenden zweiten Hauptstadium gesehen werden.

Stadium der osteomalaziformen (pseudoosteomalazischen) Deformation des Skelettes.

Wenn die Individuen mit Knochenbrüchigkeit älter werden, so verändert sich das Sym- ptomenbild, speziell der Knochenbefund immer mehr, wie sich klinisch und genauer durch die Röntgenuntersuchung zeigt; das ursprünglich „reine“ Krankheitsbild mit ausschließlichem Vor-

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII, 18

138 Kienböck. XXIII, 2.

handensein von Fissuren, Infraktionen und ausgesprochenen Frakturen und entsprechenden Winkelstellungen der Knochen wird durch „Wachstumsanomalien“ im Gefolge der vielen schlechtgeheilten Brüche und begtinstigt von der konsekutiven Inaktivität bzw. von dem ein- seitigen Gebrauche der Glieder immer mehr getrübt. Die Kinder werden durch die Brüche und die darauffolgenden Verbiegungen der Knochen immer mehr deformiert, schließlich hoch- gradig verkrüppelt; sie werden durch die schlecht geheilten Frakturen und Verunstaltangen der Beine mit stärkster Abduktion im Hüftgelenk am Gehen, durch die Verletzungen der Arme auch an den gewöhnlichen Verrichtungen gehindert. Dazu kommt durch fortschreitende Er- weichung der spongiösen Rumpfknochen und Knochenteile bei zunehmendem Gewicht des Kindes eine schwere Deformation des Rumpfskelettes (Becken, Wirbelsäule und Thorax), welche morphologisch vollkommen der Osteomalazie gleicht. Man kann daher nur von einer osteomalaziformen oder pseudoosteomalazischen Deformation des ganzen Skelettes sprechen.

So bleibt schließlich auch die ganze Körperentwicklung zurück, es kommt zu einer Verminderung des allseitigen Größenwachstums der spongiösen Knochen (und spongiösen Knochenteile) und auch zu einer Verminderung des Längenwachstums der langen Röhren- knochen, wodurch ein für die Krankheit als solche typisch negativer Befund, nämlich das ungestörte Längenwachstum in den ersten Jahren durch Verschontbleiben der Epiphysen- fugen von der Krankheit verloren geht.

Es bleiben namentlich die von vielen Brüchen und Inaktivität stark betroffenen Unter- extremitäten, aber auch Becken, Thorax und Oberextremitäten im Wachstum zurück, was in gewissem Sinne einen infantilen Zustand des Skelettes darstellt. Dabei vollzieht sich die Geschlechtsentwicklung, das Wachstum des Genitales, die Ausbildung der sekundären Geschlechtscharaktere meist normal ganz besonders schwere Fälle ausgenommen.

| _ * i So hebt Ewald hervor, daB bei seinem Fall I, einem 21 jährigen Mann mit starken Deformitäten

| der Beine nach wiederholten Brüchen, das Becken im Wachstum zurückgeblieben, aber die Geschlechts- entwicklung vollkommen normal war, ferner, daß in dem Fall II, bei einem 10 jährigen Mädchen, welches wiederholt die Beine gebrochen (übrigens seit dem 6. Jahr keine Fraktur mehr erlitten hatte), in dem letzten Jahre nur ein geringes Wachstum des Beckens und der Unterextremitäten stattgefunden habe, so daß ein Mißverhältnis zwischen der Größe des Ober- und Unterkörpers vorhanden war.

Dabei bleibt die Reifung des Skelettes nicht zurück, im Gegenteil: die Ossifikation des Skelettes, z. B. an Händen und Füßen, vollzieht sich zunächst normal und eilt später sogar voraus, so daß sie an älteren Kindern etwas zu weit vorgeschritten gefunden wird.

Es sei hier eine Tabelle mit den Fällen, in denen nach der Beschreibung der Autoren meines Erachtens bereits das pseudoosteomalazische Stadium erreicht war, zusammen- gestellt. In die Tabelle konnten alle Fälle mit längerem Bestand des Leidens eingereiht werden. Die eigentümliche Deformation tritt also bei allen Fällen auf, in welchen sich die Knochenbrüche bis in das höhere Kindesalter häufig wiederholen.

Fälle mit Ausbildung der pseudoosteomalazischen Deformation des Skelettes.

Autor Alter ER a Periode der Brüohe Pseudoosteomalazisches Stadium ai Sen [mn du non des Autors

Barwell. 9.—13. Jahr bedeutende Deformation, kann nicht rachitische gehen, Organismus infantil Osteomalazie Schultze seit Alter von 9 Monaten|Ober- und Unterschenkel stark ver-| Osteopsathyrose 23 Brüche krimmt, torquiert, kann vom 6. Jahr an allmählich nicht mehr gehen Schuchardt . seit 7. Jahr 6 Brüche |Becken weich, ganzer Körper infantil| Knochenatro-

phie mit peri- ostaler Dysplasie

XX)U, 2. Über infantile Osteopsathyrose. 189 | A

Autor Alter a Periode der Brüche Pseudoosteomalazisches Stadium Diagnose des Autors

O. Schmidt IV|| 17 m. |seit Alter von 1!/, Jahr |sehr zahlreiche Brüche, Wirbelsäule,| Osteopsathyrose _ * —_ Brust, namentlich Beine sehr deformiert, kann vom 14. Jahr nicht mehr gehen

O. Schmidt VI|| 25 | m. vom 8, Jahr an auch Wirbelsäule und Brust deformiert,| Osteopsathyrose Individuum klein

His . . . .|junger Mann |seit Alter von 2!/, Jahren] Extremitäten und Brust deformiert, | Osteomalazie ' | Individuum klein, blaß

w. |seit Alter von 14 Monaten|Extremitäten und Becken deformiert,| Osteomalazie konnteinletztenJahrenimmerschlechter| oder Rachitis gehen, dabei Schmerzen

Doering . .|| 15 m. | seit 4. Jahr 16 Brüche | Extremitäten und Becken deformiert Osteopsathyrose

Axhausen. .|| 12 W. seit 3. Jahr 12 Brüche |Wirbelsäule, Brust und Extremitäten] Osteomalazie deformiert, kann vom 5. Jahr nicht

>

Boos :

mehr gehen Axhausen. .|| 16 | m. Viele Brüche besonders Extremitäten deformiert | Osteomalazie Lipschütz. .|| 41 m. |1.—9. Jahr 9 Brüche, aber|Wirbelsäule und Extremitäten defor-| Osteopsathyrose auch später biszum 19. Jahr miert, Gelenke verändert

Brüche, mit 39 Jahren wie- der ein Bruch l Dreesmann .| 144, | w. 6.—14. Jahr Brüche |Wirbelsäule stark deformiert, Extremi-| chronische täten weniger, der ganze Körper im| Polyarthritis Wachstum zurückgeblieben

Matsuoka . 6 wW. seit 4. Jahr mehrere |Wirbelsäule, Brust, Becken und Ex-|Osteopsathyrose Brüche tremitäten deformiert Maier. 6 w. |seit Alter von 11/, Jahren| Wirbelsäule u. Brust deformiert, Becken| Osteopsathyrose Schmerzen und mehrerelschnabelförmig zusammendrückbar, Ex- Brüche tremitäten verunstaltet Miura .. .| 10 w. seit Alter von 1 Jahr | besonders Extremitäten deformiert, | Osteopsathyrose

19 Brüche weich

Hartmann I .|| 21 w. jseit Alter von 1?/, Jahren|Wirbelsäule, Brustkorb, Becken und|Osteopsathyrose bis zuletzt Brüche Extremitäten deformiert, Gelenke ver- ändert, Wuchs „zwerghaft“

Hartmann JI.|| 19 m. |seit11.JahrmehrereBriiche|Brustkorb, Becken, Extremitäten defor-| Osteopsathyrose

miert Hartmann II|| 92), | m. seit 5. Jahr Brüche |Wirbelsäule, Brustkorb, Extremitäten, wahrscheinlich deformiert, Gelenke verändert Osteomalazie

Ewald I. . .| 21 m. |vom 2.—14. Jahr Brüche |Extremitäten stark verbogen, Rumpf| OÖsteopsathyrose zusammengesunken, Becken kartenherz- förmig, kann seit dem 10. Jahr nicht mehr gehen, Becken und Beine im achsen zuriickgeblieben

Ewald It:. .|| 10 w. |! Jahr bis 6. Jahr Briichejallmahliches Eintreten von Verbie-| Osteopsathyrose gungen der Extremitäten, Rumpf zu- sammengesunken, Wirbelsäulesehrstark

verbogen, Becken kartenherzförmig

Klose I. . .| 16 | m. {Alter von 11/, Jahren bis) Unterschenkel verbogen, kann vom |Osteopsathyrose jetzt 10. Jahr nicht mehr gehen Klose II . .| 14 m. seit frühester Jugend |Außer den Extremitäten auch Wirbel-| Osteopsathyrose Brüche säule, Thorax, Becken deformiert, schon

vor dem 8. Jahr Beginn von Verkrüm- mungen und Unfähigkeit zu gehen, Körperlänge 100 cm

Klose II . .| 10 w. |Alter von 1?/, Jahr bis jetzt besonders Beine verkriimmt | Osteopsathyrose

Kopf und Gesicht.

Wenn man die Abbildungen der von der Krankheit betroffenen Individuen betrachtet, so fällt eine abnorme Kopf- und Gesichtsform: großer Schädel mit vorspringenden Höckern

und schmalem Gesicht und ein eigentümlicher schlaffer Gesichtsausdruck auf. 18*

L

140 Kienböck. XXIII, 2.

Es entging dies den meisten Autoren, Hartmann bemerkt aber bei dem von ihm beschriebenen Geschwisterpaar: ,Sehr auffallend ist die frappante Ahnlichkeit beider Geschwister, nicht nur in der Körperform, sondern auch im Gesichtsausdruck, sie sehen sich in der Tat so ähnlich, wie man es sonst nur bei eineiigen Zwillingen zu sehen gewohnt ist. Bei beiden finden wir den runden plumpen Kopf mit niedriger Stirne, die breite Nase und den breiten unschönen Mund.“ Da es sich hier um ein Ge- schwisterpaar handelt, ist allerdings die Beobachtung minder wertvoll.

Klose fand in seinem ersten Falle das Gesicht schmal, besonders den Unterkiefer.

Auch in meinen Fällen war der Schädel groß und der Gesichtsausdruck ein eigentümlich schlaffer, namentlich im Fall 1.

Es dürfte die plumpe Kopfform der Krankheit eigentümlich sein und der Befund am Gesicht auf einer geringen Entwicklung des Skelettes und besonders der Muskulatur beruhen; Kinder, welche niemals kräftige Bewegungen mit ihren Körperteilen machen, namentlich wenn sie immerfort liegen, dürften häufig schon deswegen nur eine schwache Gesichtsmuskulatur akquirieren.

Gelenksankylosen.

In Verbindung mit den nur sehr langsam heilenden Brüchen und der entsprechenden Verurteilung der Glieder zu längerer oder dauernder Ruhe, also nicht etwa nur bei Lage der Frakturstelle in der Nachbarschaft von Gelenken, entstehen manchmal schließlich auch Gelenks- ankylosen, z.B. in den Fällen von Bruck, Anschütz, Dreesmann, Hartmann. Es sind zunächst nur spastische, später aber, nach langer Immobilität durch Schrumpfung der Gelenks- kapsel, echte Gelenkskontrakturen. Auch in meinem Falle II waren bedeutende spastische Kontrakturen an den Beinen vorhanden. Es handelt sich natürlich dabei nicht um eine Kom- bination mit Gelenksrheumatismus; noch weniger darf wie es Dreesmann passierte geradezu der ganze Krankheitsfall für Gelenksrheumatismus erklärt werden.

Bamberg und Huldschinsky möchten 3 Arten der Osteopsathyrose unterscheiden:

1. Erste Gruppe von Fällen: ausschließlich mit Knochenbrüchen.

2. Zweite Gruppe: vor allem mit bogigen Verbiegungen der Knochen. 3. Dritte Gruppe: mit Gelenksankylosen.

Es geht sicher nicht an, auf diese Weise mehrere Arten von idiopathischer Osteo- psathyrose aufzustellen. Die genannten Autoren fügen übrigens selbst hinzu, daß es sich hier „vielleicht* nur um graduelle Unterschiede derselben Krankheit handelt. Wenn sie ferner meinen, daß übrigens bei Form 2 oft eine ganz andere Affektion, nämlich Spätrachitis (infantile Osteomalazie) vorliege, so ist dies auch nicht richtig.

Verlauf.

Der Beginn der Erkrankung läßt sich bei der von uns studierten Gruppe der Fälle von Osteopsathyrose, nämlich bei der infantilen Osteopsathyrose in engerem Sinne (d. h. mit Ausschluß der Fälle, welche mit zahlreichen Knochenbrüchen geboren werden, also sicher eine fötale Erkrankung darstellen) meist nicht bestimmen, denn der Zeitpunkt des ersten Bruches fällt offenbar nicht mit dem Beginn der Erkrankung zusammen, vielmehr hat dann die Krankheit bereits eine Zeitlang gedauert; zuweilen stammt sie allerdings schon aus der Embryonalzeit.

Wir sind aber nicht auch weiterhin berechtigt, alle oder auch nur die meisten Fälle von infantiler Osteopsathyrose als eine bereits in der Fötalzeit beginnende, also vor allem fötale Erkrankung anzusehen wie manche Autoren meinen (vergleiche S. 151), vielmehr handelt es sich in der Regel offenbar um postnatale Erkrankungen.

Was als Zeitpunkt des ersten Knochenbruches in der Anamnese angegeben wird, ergibt sich aus der Aufzählung folgender Fälle:

Kienböck II: während der Geburt Ewald II: 6 Monate alt Schultze und Kienböck I: 9 Monate

\

XXIII, 2. Uber infantile Osteopsathyrose. 141

Lipschitz: tiber 1 Jahr Miura: 1 Jahr Graham, O. Schmidt (einer der Fälle), Roos, Maier, Hartmann (1 Fall), Klose I und IT:

1"), Jahr Axmann (2 Fälle), Howell, Lange, Anschütz II: 2 Jahre Pfeiffer, Ewald I, His: 2'/, Jahre QO. Schmidt (1 Fall), Glöye, Axhausen (1 Fall): 3 Jahre Doering, Matsuoka, de Cortes: 4 Jahre Hartmann (1 Fall): 5 Jahre ` Dreesmann: 6 Jahre

Greenish (1 Fall) und Schuchardt: 7 Jahre

Hartmann (1 Fall): 11 Jahre

Greenish (1 Fall): 12 Jahre alt.

Also erfolgte der erste Knochenbruch zumeist im Alter von 1—2 Jahren, nur selten früher (die Fälle mit typischer angeborener Osteogenesis imperfecta sind, auch wenn die Kinder noch länger am Leben blieben, hier nicht berücksichtigt) und auch ziemlich selten später, namentlich selten nach dem 4. Jahre.

Es treten im weiteren Verlauf der Zeit, meist durch viele Jahre, immer wieder Knochen- brüche ein, aber keineswegs in ziemlich gleichen Zeitabständen. Es ist zwar zunächst selbst- verständlich, daß die Brüche nicht in gleichen Zeitintervallen erfolgen, denn sie entstehen zwar als Spontanfrakturen meist bei alltäglichen Bewegungen, aber doch zuweilen besonders bei mäßiger Brüchigkeit erst durch „kleine Unfälle“, die nur ab und zu eintreten; ferner haben auch Wachstumsschübe, wobei das Kind schnell schwerer wird, einen Einfluß. Aber sogar abgesehen davon, sind bedeutende Unregelmäßigkeiten im Verlaufe zu be- obachten, indem aus unbekannter Ursache innerhalb mehrerer Monate wiederholt Knochen- brüche eintreten, dann jahrelang nicht und dann wieder mehrere Brüche nacheinander, und diese heilen dann meist nur langsam und schlecht. Diese Pausen im Auftreten der Brüche entsprechen wohl zum großen Teil einer verhältnismäßigen Konsolidation des Skelettes, also Remissionen des Grundleidens (Zentralorgan!), worauf wieder schubweise Exazerbationen folgen. |

Ein Fall, bei din die Schwankungen im Verlauf sehr deutlich sind, indem wiederholt jahrelang keine Brüche eintraten, ist der Fall von 0. Schmidt (Fall I), betreffend einen 69 jährigen Mann, der vom 3. Lebensjahre an viele Frakturen erlitt; er hatte zu Anfang des 8. Jahres Bruch des linken Oberschenkels mit guter Heilung, aber bald darauf Bruch desselben Knochens weiter oben, dann zu- nehmende Verkrümmung dieses Körperteils. Im 8. Jahre Bruch des rechten Oberarmes und bald des

rechten Schlüsselbeines. Nach 3jähriger Pause Bruch des rechten Oberschenkels, Mit 18 Jahren beiderseits Oberarm-

fraktur, bald darauf Bruch des rechten Oberschenkels oberhalb des Knies, dann zunehmende Verkrüm- ©

mung des Knochens, nun erscheinen die Beine sehr kurz, das linke noch viel kürzer als das rechte, und Patient kann kaum mehr mit dem Stock gehen.

8 Jahre später, also nach einer zweiten Pause, wieder Bruch des linken, ein Jahr darauf Bruch des rechten Oberschenkels; nur langsame Heilung. Von diesem Zeitpunkt an (20. Jahr) traten keine Brüche mehr ein: Heilung der Krankheit.

Wie aus dem langen Bestehenbleiben, bzw. allmählichen Fortschreiten der Osteoporose und den immer zahlreicheren Brüchen leicht zu verstehen ist, entwickelt sich allmählich eine immer größere Deformation des Körpers, die Kinder treten schließlich ins pseudoosteo- malazische Stadium ein.

Der Zeitpunkt, in welchem der De aus dem ersten Stadium der Krankheit mit vielfach gebrochenen, geknickten und gebogenen Extremitätenknochen in das pseudoosteo- malazische Stadium erfolgt, wobei fast der ganze Körper schwer deformiert ist, ist kein ganz bestimmter; auch abgesehen davon, daß der Übergang ganz allmählich erfolgt und daher nicht genau bestimmt werden kann, dürften Schwankungen um verschiedene Alter zu beobachten sein; im allgemeinen dürfte jenes vorgeschrittene Stadiam zur Zeit des siebenten Lebens-

143% Kienböck. XXIII, 2.

jahres, also zu Beginn des sogenannten „zweiten Kindesalters“ ausgebildet BERND, bei sehr schweren Fällen früher, bei leichteren Fällen später.

Wenn man die durch längere Zeit beobachteten, beziehungsweise in einem fortgeschrittenen Alter untersuchten Fälle überblickt, so erkennt man, daß eine Heilung der Krankheit ein- treten kann, indem schließlich keine Brüche mehr auftreten; am häufigsten kommt die Heilung zur Zeit der erreichten Pubertät zustande, also etwa mit 18—20 Jahren, manchmal übrigens bereits früher. Doch erreichen nur wenige Individuen dieses Alter, sie gehen offenbar zufolge der Rumpfdeformation meist früher an Lungen-, Herz- oder Nierenkrankheiten zugrunde.

In der folgenden Zusammenstellung ist ersichtlich, zu welchem Zeitpunkt eine Kon- solidation des Skelettes mit Aufhören der Brüche eintreten kann.

Zeitpunkt der Heilung der Brüchigkeit.

Fall von Ewald II: | 10jähriges Mädchen letzter Bruch im 6, Jahr » »„» Barwell: 17 , = A PE E 55 Ewald I: 21jähriger Mann i j „1 , jetzt Knochen fest Graham: 33jähriger Mann j j 18. 5; 3 Fälle von O. Schmidt: Mitglieder einer Familie Vater (Fall 1) bereits 69 Jahre alt 5 » 18., 19., 20. Jahr 2 Fälle von Axmann: 19. Jahr Fall von Bruck: 81 jahriger Mann ‘i j 22. y

Ferner gibt es Fälle, in denen die Heilung zur Pubertätszeit oder früher nur eine scheinbare ist, indem später neuerlich Brüche auftreten.

Bei dem Fall von Lipschütz (4ljähriger Mann) zeigten sich Frakturen vom 1.—19. Jahr, daun war Stillstand vorhanden, im 39. Jahr trat wieder eine Spontanfraktur ein.

In anderen Fällen findet um die Pubertätszeit nicht einmal eine Pause in den Brüchen statt, es treten vielmehr auch weiterhin immer neue auf.

So erlitt der von Howell beobachtete 28jahrige Mann, der bereits als 2jähriges Kind den ersten Knochenbruch hatte, zuletzt noch immer Frakturen; auch im Falle von Mettauer (70jähriger Mann) traten von Jugend auf durch das ganze Leben hindurch Brüche ein, sowohl an den Extremitäten als auch an den Rippen und Schlüsselbeinen.

, In anderen Fällen kommen wie früher erwähnt umgekehrt die ersten Brüche erst im späten Kindesalter zum Vorschein, sie wiederholen sich dann mit zwischenliegenden Perioden von Stillstand das ganze Leben hindurch.

So zum Beispiel traten bei einem Fall von Jacquinelle (erwachsener Mann) seit dem 12. Jahr wiederholt Frakturen an den Armen und Beinen auf. Bei einem vom Verfasser beschriebenen Fall (59jähriger Patient) traten seit dem 15. Jahr bis in die letzte Zeit Brüche ein. Im Fall von Biggs (85jähriger Mann) kamen vom 20. Jahr an 22 Frakturen an den Oberschenkeln und Oberarmen zustande.

Von einer strengen Regel im zeitlichen Verhalten der Krankheit kann also nicht ge- sprochen werden.

Wenn man bei der Krankheit leichte, mittlere und schwere Fälle unterscheiden will, so wird man dies zum Beispiel nach der pro Jahr durchschnittlich erfolgten Zahl der Brüche (allerdings auch von den äußeren Umständen abhängig), nach der Dauer der Krankheit, nach der durchschnittlichen Heilungsdauer der Brüche und wenn das Kind ein höheres Alter erreicht hat auch nach dem Grad der schließlichen Deformation bestimmen.

Wichtiger ist es in der Praxis, im einzelnen Falle zu berücksichtigen, ob der Prozeß florid ist oder nicht, was aus dem eben vorhandenen Grad der Brüchigkeit des Skelettes

und besonders aus dem Grad der Verzögerung der Bruchheilung hervorgeht; so kann man

einen schweren Fall mit zahlreichen überstandenen Frakturen und bedeutenden Deformationen

XXIII, 2. Ä Über infantile Osteopsathyrose. 148 `

vor sich haben, in welchem aber das Skelett bereits fest geworden ist, was sich aus dem Ausbleiben von Knochenbrüchen in den letzten Jahren und aus dem Röntgenbefund an den Frakturstellen ergibt. Die Prophylaxe der neuerlichen Frakturen wird dann nicht so strenge zu handhaben sein.

Zusammenfassung. Im Verlaufe der Krankheit ist also wenn man von den ge- nannten Schwankungen absieht im allgemeinen zu beobachten, daß sich das Symptomenbild allmählich ändert und zunehmend schwerer wird; es hängt dies mit der lange Zeit bestehen- bleibenden, zuweilen sogar fortschreitenden Osteoporose, mit dem Auftreten immer neuer Brüche, mit der sehr verzögerten und schlechten Bruchheilung und mit beträchtlichen Wachstums- störungen zusammen, Man könnte im Verlaufe der Krankheit etwa folgende Stadien unter- scheiden: | 1. Stadium vor dem ersten Bruch: Latenzstadium.

2. Stadium mit den ersten Brüchen: erstes Hauptstadium.

` 8. Stadium mit zunehmenden sekundären Veränderungen an den Knochen: Übergangs- stadium.

4. Stadium der osteomalaziformen Deformation des größten Teiles des Skelettes: zweites

Hauptstadium. |

5. Eventuell: Stadium der Heilung.

Abgesehen davon kann die Krankheit in dieser ganzen Zeit wiederholt florid sein und auch wieder zurückgehen und auf diese Weise wiederholte unregelmäßige Schwankungen zeigen; ferner kommen zuweilen nach scheinbarer Heilung selbst nach vielen Jahren Rezidive vor.

4. Radiologischer Befund.

Porose und Grazilitit.

Im ersten Stadium (Latenzstadium) erscheinen die Kinder äußerlich vollkommen normal, die Krankheit könnte nur durch Röntgenuntersuchung erkannt werden, und zwar an einem gewissen Grad von Osteoporose. Da aber die Kinder als gesund gelten und schmerz- frei sind, besteht keine Veranlassung, eine Untersuchung vornehmen zu lassen.

Der radiologische Befund in den ersten Jahren (im ersten Hauptstadium) ist ein- fach der einer gering oder mäßig erscheinenden Osteoporose, und zwar in gleichmäßiger Verteilung auf das ganze Skelett, mit einigen frischen oder alten Brüchen an den langen Röhrenknochen der Extremitäten (über die Brüche siehe weiter unten).

Die Porosität des Skelettes zeigt sich in Dünnheit der Kortikalis der Diaphysen der langen Röhrenknochen und in einer besonderen Zartheit der Knochenbälkchen aller a gree wodurch der ganze Schatten der Knochen in seiner Dichte etwas herabgesetzt ist.

Die Porosität des Skelettes erklärt die Brüchigkeit, so entstehen die I tanfrakturen; die Porosität und Brüchigkeit ist bei unserer Gruppe von Fällen keine exzessive, daher kommt es nicht schon zu Beginn der Krankheit zu Brüchen, sondern erst, wenn die Kinder etwas älter und schwerer geworden und die all- täglichen mechanischen Einwirkungen bedeutender sind.

Die Porose der Knochen ist übrigens im algan aei im Röntgenbild so wenig auffallend, daß sie nur von einem diesbezüglich geübten Radiologen, allenfalls nach Vergleich mit Aufnahmen gesunder Kinder gleichen Alters erkannt werden kann, insbesondere ist die Herabsetzung der Schattenintensität nur schwer festzustellen; bei der diesbezüglichen Beurteilung der Aufnahmen stört der Umstand sehr, daß wir einmal weicheres, das andere Mal härteres Röntgenlicht zur Verfügung haben, und daß schon kleine und unkontrollier- bare Schwankungen im Härtegrade für den Kontrast der Bilder viel bedeuten. :

a}

144 Kienböck. XXIII, 2.

Der Vergleich der scheinbaren Grade der Porose der Knochen im Réntgenbild und der offenbar wirklich zugrunde liegenden Veränderungen könnte etwa wie folgt dargestellt werden:

Grade der Porose.

anatomische Réntgenbefund Veränderung nicht erkennbar leichtest kaum erkennbar leicht anscheinend leicht mittel

anscheinend mittel schwer anscheinend schwer schwerst

Der wirkliche Grad der Osteoporose ist also stets beträchtlich größer als er zunächst im Röntgenbild erscheint.

Der anatomische Befund aus diesem ersten Stadium der Affektion wurde noch nie erhoben, es würde sich einfach mäßige Osteoporose zeigen und mehrere Brüche, hie und da mit verzögerter Heilung; auch die mikroskopische Untersuchung würde im wesentlichen bloß Porose ergeben: dünne und porotische Kortikalis, sehr dünne Spongiosabälkchen.

Was die Verteilung der Osteoporose auf das Skelett betrifft, so wird sie im Über- gangsstadium mit zunehmenden Jahren immer mehr eine ungleichmäßige, meist an den Beinen hochgradiger als an den Armen, da die Beine entsprechend ihrer stärkeren Inanspruch- nahme vor allem von Brüchen betroffen werden und durch Inaktivität unter Mitwirkung reflektorischer Vorgänge die Osteoporose verschlimmert wird. Es tritt ferner an diesen Knochen, und zwar ebenfalls durch Inaktivität eine periostale Hypoplasie, eine abnorme Schlankheit, ferner durch andere Wachstumsstörungen eine Abplattung und bogige Verkrümmung der Diaphysen zutage; auch diese Veränderungen sind vor allem an den Knochen der Unterextremitäten lokalisiert. |

Die Epiphysen entsprechen ursprünglich in der Größe vollkommen den Diaphysen, in den späteren Jahren aber, wo an den Diaphysen eine periostale Wachstumshemmung eintritt, sind die Epiphysen im Verhältnis zu den Diaphysen zu groß, in Wirklichkeit nämlich im Wachs- tum viel weniger zariickgeblieben als die Diaphysen. Es entspricht dies dem gewöhnlichen- morphologischen Typus der Inaktivitätsatrophie, Inaktivitätshypoplasie über- haupt, wie er auch bei anderen mit Ruhigstellung der Glieder einhergehenden Erkrankungen in der Kindheit vorkommt.

Wenn Lange meint, daß man aus dem Grade der Schlankheit der langen Röhrenknochen einen Schluß auf die Dauer der Erkrankung ziehen könne, indem sehr dünne Knochen auf sehr frühen Beginn hinweisen, so ist dem noch hinzuzufügen, daß auch die Art der Bruchheilung und die entsprechende Dauer und der Grad der Bewegungs- störung in Betracht kommen; nach verzögerten Heilungen, namentlich in schlechten Stellungen, ferner nach multiplen Brüchen an demselben Kuochen wenn es auch nur Fissuren und In- fraktionen sind wachsen die Knochen nicht mehr beträchtlich in die Dicke.

Dauert die Krankheit längere Zeit an, so wird wie gesagt ein pseudoosteomala- zisches Stadium erreicht; die Osteoporose wird eine stärkere und es werden nicht nur die Extremitäten immer mehr deformiert, sondern es verändert auch das Rumpfskelett seine Form. Die Kinder mit schweren Deformitäten der Beine werden nicht nur zu einer ziemlichen oder vollständigen Ruhelage verurteilt, sie werden auch im Laufe der Jahre immer schwerer, und so werden auch alle Teile des Rumpfskelettes durch Belastung allmählich stärker um- geformt, wobei auch das gestörte Wachstum zu abnormen Formen führt. Das Becken erhält eine Kartenherzform wie bei Osteomalazie, man kann nun von einem pseudoosteo- malazischen Becken sprechen; ebenso wird die Wirbelsäule und der Thorax in charak-

XXIII, 2. Über infantile Osteopsathyrose. 145

teristischer Weise deformiert entsprechend einer Kyphoskoliose. Alle diese Veränderungen zeigen sich natürlich besonders deutlich bei der Röntgenuntersuchung.

Brüche.

Die Art der Knochenverletzungen, welche bei leichten und leichtesten Gewalteinwirkungen als „Spontanfrakturen“ eintreten, sind vor allem Fissuren und Infraktionen, ferner echte (voll-

ständige) Brüche, besonders Querfrakturen, aber auch Schrägbrüche. Die Fissuren und In-

fraktionen erklären sich durch die Brüchigkeit der Knochen. Daß diese Verletzungen viel häufiger als vollkommene Brüche sind, ist durch die Tatsache zu erklären, daß es geringe

Gewalteinwirkungen sind, welche eben nur zufolge der Brüchigkeit der Knochen eine Verletzung derselben erzeugen; die Verschiebung der Fragmente ist dem kleinen Trauma entsprechend auch nur eine geringe. Auch das häufige Vorhandensein von Querfrakturen statt der sonst so gewöhnlichen Schrägfrakturen bei älteren Kindern entspricht einer Brüchigkeit der Knochen. Auch bei den Quer- und Schrägfrakturen ist wahrscheinlich zumeist die Verschie- bung der Fragmente zunächst nur gering, aus dem genannten Grunde der Geringfügigkeit des kleinen Traumas; selbst wenn übrigens die Dislokation größer ist, kann leicht eine Reposition vorgenommen werden; aber später erfolgt häufig eine schwere Deformation des Knochens, und zwar durch die weiter unten zu besprechende Störung der Bruchheilung. Die Verletzungen der Knochen sind meist indirekte, insbesonders wenn sie an bereits ver- kriimmten Extremitäten stattfinden, wo durch plötzlichen axialen Druck leicht Biegungsbrüche entstehen.

Mit der Röntgenuntersuchung allein ist man imstande, annähernd die tatsächliche Zahl der Verletzungen zu ermitteln; es sind dadurch meist viel mehr Brüche nachweisbar, als nach Angabe der Patienten, bzw. der Familie erwartet werden und nach der Betrachtung und Betastung der Glieder zu finden sind, wobei ja vor allem die vollkommenen Brüche erkannt werden; übrigens deckt wohl auch die Röntgenuntersuchung nicht alle alten Verletzungen auf, da die meisten Fissuren, übrigens auch manche Infraktionen spurlos heilen. Die Zahl der Frakturen ist bei den einzelnen Individuen auch wenn man gleichaltrige ältere Kinder vergleicht eine sehr verschiedene; so gibt es Fälle mit nur einigen wenigen klinisch erkannten Brüchen und andere Fälle mit 2 Dutzend und noch mehr offenbaren Frakturen. Fälle letzterer Art wurden viel häufiger beschrieben als Fälle ersterer Art, bei denen wohl die Krankheit meist gar nicht erkannt wurde.

Die Verteilung der Brüche auf das Skelett zeigt meist insofern eine Symmetrie, als beiderseits die korrespondierenden Skeletteile am stärksten befallen werden, aber nur selten ist die Symmetrie so weit gehend, daß auch die entsprechenden Stellen an den Knochen brechen.

Wie aus der Form, Länge und Funktion der Teile leicht erklärlich ist, werden vor allem die langen Röhrenknochen der unteren Extremitäten, die Ober- und Unterschenkel betroffen, und zwar bei den ersten Gehversuchen, und demnächst die langen Röhrenknochen der oberen Extremitäten, Oberarm und Vorderarm, viel seltener die Schlüsselbeine und andere Knochen. (Es liegt darin ein Gegensatz zu der schweren fötalen Osteopsathyrose, bei welcher die Verteilung der Brüche über das Skelett eine gleichmäßige ist und oft fast alle Knochen mehrmals gebrochen sind.)

Es gibt Fälle mit merkwürdiger Lokalisation der Brüche. So wurde von Atherton über einen 13 jährigen Knaben (aus einer mit Brüchigkeit behafteten Familie) berichtet, welcher das rechte und das linke Olekranon je 2 mal brach. Ein ähnlicher Fall ist der von mir vor einigen Jahren mit- geteilte, betreffend einen 59 jährigen Mann, welcher im 15. Jahr die rechte und bald darauf die linke Patella, später beide Olekranon brach und sich seitdem dieselben Knochenteile noch wiederholt verletzte. (Der Fall ist auch weiter unten, auf S. 152 referiert.) Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrablen. XXIII. 19

146 Kienböck. XXIII, 2.

Über die Heilungsdauer der Knochenbrüche bei unserer Krankheit ist viel geschrieben worden. Früher gab man meist an, daß die Knochenbrüche auffallend rasch heilen, namentlich in den ersten Jahren. In Wirklichkeit ist die Heilungsdauer im allgemeinen sehr verlängert, und zwar ist der Grad der Verzögerung offenbar von der Floridität der Krankheit, also vom Grade der Störung der Osteoplastik abhängig; ob die Heilungsdauer auch nennenswert mit dem Grad der Verletzung, speziell der Verschiebung der Fragmente zusammen- hängt, erscheint fraglich. Die Angabe der häufigen raschen Heilung der Frakturen rührt wohl vor allen daher, daß was man vor der Röntgenära nicht wußte häufig nur Fissuren, Infraktionen und ähnlich nur subperiostale Frakturen vorhanden sind, diese heilen natürlich im Vergleich mit vollkommenen Frakturen anscheinend rasch, Aber auch bei beträchtlichen Verschiebungen kann die Heilung nach dem Befund der äußeren Untersuchung in normaler Zeit zu erfolgen scheinen. Nur ausnahmsweise ist das aber tatsächlich der Fall, und zwar offenbar dann, wenn der Grad der osteoplastischen Funktionsstörung zurzeit gering ist, es werden wie erwähnt diesbezüglich im Verlauf der Krankheit große Schwankungen beobachtet.

Man kann meines Erachtens geradezu als charakteristisch für die Krankheit hinstellen, daß die Heilung der Brüche eine verzögerte, oft sogar sehr ver- zögerte ist; dies ergibt sich zwar schon aus manchen klinischen Beobachtungen, vor allem aber aus den Réntgenuntersuchungen. Noch lange nach der normalen Zeit finden wir im Röntgenbild eine Konsolidation des Bruches ausgeblieben.

Ich möchte dies hier an zwei Arten von Verletzung: Querfissuren und vollkommenen Frakturen der Diaphysen der langen Röhrenknochen ausführen.

Bei den Querfissuren, also bei den bei unserer Krankheit so häufig vorkommenden leichten, subperiostalen Läsionen der Diaphysen findet man selbst nach Wochen oder sogar nach Monaten nicht nur keine Heilung eingetreten, sondern umgekehrt eine lokale Resorption der Bruchenden; es ist eine streng quer verlaufende, schmale, parallelrandige, scharfumschriebene helle Zone durch die ganze Dicke des Knochenschattens vorhanden, welche anzeigt, daß hier die Kortikalis zirkulär entkalkt und zum Teil resorbiert ist, daß der Knochen also eine bandförmige, bzw. ringförmige Resorptionszone besitzt. Manche Knochen tragen an der Diaphyse mehrere solche Herde. Bei den seltneren Schrägfissuren sind die analogen Verände- rungen zu finden.

Derartige Röntgenbefunde liegen in unserem Falle II multipel vor und wurden auch von anderen Autoren bereits wiederholt beschrieben (Preiser, Matsuoka, Hartmann, Scholz); man sprach dabei meist von einer „Diastase“ der Knochenenden, doch möchte ich dafür die besser entsprechenden Bezeichnungen: „ringförmige Resorption“ der Kortikalis nach Querfissur bzw. „Resorptionsringe“ vorschlagen.

In späteren Stadien findet man einen sehr beträchtlichen zuerst kalkarmen, dann kalk- reichen Periostkallus vor; die helle Zone ist aber dann noch immer lange Zeit nachweisbar. Der Periostkallus ist oft geradezu hypertrophisch, er heilt aber an die Diaphyse verspätet an, denn man findet zur Zeit, wo die helle Querzone bereits verschwunden, also die Kortikalis wieder konsolidiert ist, noch zwischen dem außen aufgelagerten und im Bogen ziehenden Schattenstreifen und der Diaphyse eine schmale helle Zone, entsprechend der untersten, noch kalklosen Periostschichte. (Dieselben Befunde sind bei Infraktionen der Knochen am Periostkallus zu finden, also vor allem an der konkaven Seite der Knickung.)

Es kann bei diesen Stadien des Knochenbruches selbst bei Vorhandensein ziemlich breiter Resorptionsringe das Glied bereits ziemlich gut gebrauchsfähig sein, offenbar zufolge der (sekundären) Ausbildung eines hypertrophischen Periostkallus und der Schmerzlosigkeit der Bruchstelle (bei einer genauen manuellen Untersuchung findet man allerdings noch Biegsamkeit

des Knochens vor). So erklärt sich auch die früher genannte, so häufige Angabe der Autoren, daß bei unserer Krankheit die Brüche meist „prompt heilen“,

XXIII, 2. | Über infantile Osteopsathyrose. 147

Es ist also in Wirklichkeit zunächst nur eine Scheinheilung vorhanden, und zwar ist vor allem die endostale Kallusbildung verringert und verzögert, die periostale Kallusbildung dagegen vermehrt, man

könnte daher auch von einer Dissoziation der.

Kailusbildung sprechen.

Wodurch die hellen Zonen gebildet werden, läßt sich durch Röntgenlicht nicht bestimmen, offen- bar ist dort die Knochensubstanz dekalziniert und zum Teil resorbiert; dann ist an dieser Stelle offen- bar vorwiegend Markgewebe vorhanden. Erst später, kurz vor der Heilung, ist wieder mehr osteoides Gewebe (vgl. auch die mikroskopischen Befunde von Axhausen und von Recklinghausen) und schließ- lich unter Verschwinden der hellen Zonen voll- kommenes Knochengewebe vorhanden. In dieser Er- scheinung ist eine schwere trophische Störung zu sehen; an normalen Individuen gehen zwar bei Knochenbrüchen an der Frakturstelle ebenfalls Ent- kalkungs- und Resorptionsvorgänge vor sich; aber gleichzeitig, den genannten Prozeß durchdringend, kommt es zur Neubildung von Knochensubstanz. Resorptions- und Appositionsvorgänge halten sich beiläufig die Wage. Bei unserer Krankheit besteht die Störung darin, daß die Erweichungs- und Re- sorptionsvorgänge sehr ausgiebig und isoliert zu- tage treten, während die Appositionsvorgänge nach- hinken abermals eine Dissoziation der zu- sammengehörigen Vorgänge.

Bei den echten Brüchen der Diaphysen mit Dislokation der Fragmente finden wir eine ähnliche Störung der Bruchheilung vor, und zwar mit noch viel weiter ausgedehn- teren Veränderungen. Wir sehen im Röntgen- bild die Diaphyse an der Bruchstelle auf langere Ausdehnung hin hell und verwaschen, die Grenzen des Gebietes nach oben und unten sind verschwommen. Es entspricht dies einer Massenentkalkung bzw. Massenresorption des Knochens an der Bruchstelle. Da der Bruch, wenn der Verband nach einigen Wochen ab- genommen wird, bei der äußeren Untersuchung oft geheilt erscheint, es in Wirklichkeit aber nicht ist, weil das weiche Gewebe zwar oft schmerzlos ist, aber noch persistiert, verstehen wir, daß sich der Knochen bald biegt und daß daher schließlich bei endlichem Eintreten von Festwerden der Bruchstelle ein ganz deformierter Knochen resultiert. Selbst sorgfältige Behandlung mit wiederholt erneuten Ver- bänden ist dagegen meist machtlos, da es sich auch

Fig. 1.

Radiologische Befunde bei Querfissur an einer Diaphyse, halbschematische Dar- stellung.

a frische Verletzung,

6 einige Wochen später: Resorptions- ring gebildet,

c noch einige Monate später: periostaler Kallus vorhanden, aber Resorptionszone noch

. persistierend.

197

a CEOL

Fig. 2. ° Analoge Befunde bei Schrägfissuren (Vgl. die Humerusfraktur bei dem vom Ver-

fasser beschriebenen 59jährigen Mann.)

Fig. 8.

Massenresorption von Knochensubstanz bei ausge- sprochenem Knochenbruch. Das Persistieren der weichen Masse führt dazu, daß auch nach sorgfältiger Behandlung des Bruches hochgradige Ver- biegungen der Diaphyse auf- treten.

148 Kienböck. XXIII. 2.

nach Abnahme des letzten Verbandes gar oft nur um eine Scheinheilung handelt. Es bildet sich dadurch manchmal eine hochgradige schlangenförmige Deformation mit Torsion des Knochens, namentlich wenn an demselben Skeletteile multiple Brüche mit Massenresorption von Knochen- substanz und hypertrophischem Periostkallus aufgetreten sind. Nur ausnahmsweise dürfte eine echte Pseudarthrose mit überknorpelten Knochenenden entstehen.

Der naclı einer Massenresorption neu gebildete Knochen kann lange Zeit atrophisch bleiben, teils durch die der Krankheit eigentümlichen Ernährungsstörung, teils durch die Inaktivität des Körperteiles; dadurch können die geheilten Bruchstellen noch durch längere Zeit wiederholt neue Biegungen, bzw. Brüche erfahren. Man findet auch tatsächlich nicht selten auf Grund klinischer Beobachtungen angegeben, daß ein Bruch an derselben Stelle 2 oder 3 mal aufgetreten sei. Die Frakturen geben also durch ihre Folgezustände eine Disposition zu neuen Brüchen ein ganzer Circulus vitiosus. Übrigens könnten sich zuweilen in Wirklichkeit neben der alten Bruchstelle unabhängig von derselben neue Frakturen gebildet haben.

Manchmal findet man zu einer gewissen Zeit bei der äußerlichen Untersuchung den Knochen bereits ganz fest, später tritt aber neuerlich Lockerung auf; so fand z.B. Greenish bei einem 18 jährigen Burschen mit Brüchen seit Kindheit, daß der vor einiger Zeit gebrochene und festgewordene Oberschenkel später wieder brach und nun an derselben Stelle sogar weich wurde. So dürfte also zuweilen bereits gebildeter und verkalkter endostaler Kallus wieder halisteretisch werden und zum Teil schwinden. In anderen Fällen tritt im Periostkallus um einen Resorptionsring neuerdings ein Bruch ein; ich erinnere diesbezüglich an die Humerusfraktur bei dem von mir seinerzeit beschriebenen 59 jährigen Mann.

Die eben geschilderte Art von Störung der Bruchheilung mit Resorptionsringen und Massen- resorptionen von Knochensubstanz kommt nicht nur bei der infantilen Psathyrose sondern auch bei der schweren fötalen Psathyrose oft vor (vgl.S.150), ferner auch bei der Psathyrose der Erwachsenen (S. 152), weiterhin bei der seltenen, mit Basedowscher Krankheit verbundenen Knochenbrüchigkeit (Fall

von Jaksch und Rotky), endlich bei der schweren Rachitis (infantilen Osteomalazie) und bei der Osteomalazie der Erwachsenen (Fall von Beckmann, Beobachtungen von Latzko und Verfasser).

5. Anatomischer und mikroskopischer Befund.

Anatomische und mikroskopische Untersuchungen der Knochen wurden bei der infantilen Psathyrose, und zwar an den Unterextremitäten, wo starke Deformationen eine Amputation veranlaßten, von mehreren Autoren vorgenommen: von Looser, Ax- hausen, de Cortes. Es fanden sich vor allem Osteoporose und mit den Brüchen in Be- ziehung stehende Veränderungen; die Epiphysenzonen waren intakt.

Wir verdanken Looser (1906) den ersten histologischen Befund bei infantiler Osteopsathyrose.

Es handelt sich um den bereits von O. Schmidt beschriebenen 17 j&hrigen Burschen, der seit dem Alter von 11/, Jahren etwa 50 Frakturen erlitten hatte und bei dem die Beine wegen Verkrimmung amputiert worden waren. Die anatomische Untersuchung der Unterschenkelknochen ergab Osteoporose und abnorme Schlankheit bei normaler Linge. Die mikroskopische Untersuchung zeigte dabei ,,als den wesentlichsten Befund eine ungenügende, weit hinter dem Normalen zurückbleibende Tätigkeit aller knochenbildenden Zellen des Periosts und des Knochenmarks; die dieser mangelhaften Knochenapposition entgegenstehende Resorption geht fast ausschließlich nach dem für den normalen Knochen als Norm geltenden lakunären Typus durch Osteoklasten vor sich“. Blutungen im Knochen und osteoide Herde sind nur als Begleiterscheinungen von Brüchen und Infraktionen vorhanden.

Axhauscn und de Cortes fanden in ihren Fällen dieselben Veränderungen.

Pfeiffer (1907), der bei seinem Patienten, einem 3?/, jährigen Knaben, am Oberschenkel eine blutige Reposition der schlecht gebeilten Fragmente vornahm und einen Knochenkeil exzidierte, erhob mikroskopisch folgenden Befund.

XXIII, 2. Uber infantile Osteopsathyrose. 149

„Der Knochen wird gebildet von zarten, schmalen Knochenbälkchen, an denen sich zahl- reiche Osteoklasten, in Lakunen liegend, erkennen lassen; der Rand der Knochenbälkchen zeigt großen- teils wohlerhaltene Säume von Osteoblasten. Zwischen den einzelnen Knochenbälkchen findet sich nur an einzelnen Stellen normales Lymphmark, der größte Teil desselben ist ersetzt durch mehr oder weniger zellreiches, sich allseitig durchflechtendes Bindegewebe, durch Fasermark, zwischen dessen Maschen einzelne freie Riesenzellen liegen. Das Fasermark ist an einzelnen Stellen sehr kernreich. Blutungen oder schleimige Entartung läßt sich an dem mäßig blutgefäßreichen Gewebe nicht erkennen. Der Knochen besteht überall aus guten Knochenkörpercher ohne Besonderheiten.“

Pfeiffers Diagnose des Falles: „typische Ostitis fibrosa“ ist wie früher er- wähnt eine irrige; man vergleiche mit Pfeiffers Befunden von Fasermark die analogen Befunde anderer Forscher bei der foetalen Form der Erkrankung (auf dieser Seite weiter unten).

6. Beziehungen zur „Osteogenesis imperfecta“,

Man weiß jetzt allgemein, daß die unter den Namen „Rachitis foetalis“, „Rachitis an- nullaris“ und ,Osteomalacia congenita“ beschriebenen Fälle von Knochenbrüchigkeit bei Neu- geborenen mit der ,Osteogenesis imperfecta“ von Vrolik 1849 identisch sind. Um die- selbe Krankheit handelt es sich ferner wie hier nicht näher ausgeführt zu werden braucht bei der „Osteoporosis congenita“, der „Dysplasia periostalis foetalis“ und wie hier neuer- dings hervorgehoben werden soll bei der ,,Osteopsathyrosis foetalis“.

Bei der angeborenen Knochenbrüchigkeit kommen die Kinder es handelt sich dabei meist um Frühgeburten aus dem 7. und 8. Schwangerschaftsmonate in der Regel

mit zahlreichen Frakturen zur Welt, die zum Teil in einer frühen Periode des intra- |

uterinen Lebens entstanden und nur zum Teil bereits geheilt sind (Kallus vorhanden); ferner entstehen Frakturen auch während der Geburt und auch später noch. Meist gehen aber die Kinder in den ersten Tagen nach der Geburt zugrunde, andere kommen bereits tot zur Welt, andere, seltenere Fälle können noch mehrere Wochen und Monate, selbst ein Jahr oder länger am Leben bleiben. |

Buday, welcher im pathologisch-anatomischen Institut in Wien (Vorstand Professor Weichselbaum) im Jahre 1895 mehrere, einige Wochen nach der Geburt gestorbene Kinder mit typischer angeborener Knochenbrüchigkeit anatomisch und mikroskopisch genau unter- suchte, gibt eine besonders wertvolle Charakterisierung des anatomischen Substrates der Krankheit.

„Der ganze Bau der Knochen, ihre plumpe Form und die exzessive Markraumbildung läßt sich nach den Ergebnissen der histologischen Untersuchung als Folge einer mangelhaften Ent- wicklung der Knochensubstanz und einer innen gesteigerten, außen gestörten Resorption derselben auffassen.* Die Knochen sind dadurch hochgradig porös.

„Es ist eine Verdickung der Diaphysen besonders in ihrer Mitte vorhanden, sie ist im Vergleich mit dem Maße von gesunden Kindern sehr bedeutend, zum Teil scheint sie durch Kallus nach Brüchen entstanden zu sein, denn man findet die Diaphysenmitte kallusartig aufgetrieben . . . zum Teil aber ist die plumpe dicke Form auf Abnormitäten in der äußeren Resorption zurückzuführen.“

„Das Längenwachstum der Knochen ist nicht wesentlich gestört, die Epiphysen- knorpel wachsen normal (die Epiphysen sind auch nicht aufgetrieben), auch die Verkalkung an der Epiphysenfuge erfolgt normal, und die verkalkten Knorpelreste verschwinden bald. Die Osteoblasten sind sehr zahlreich, die Osteoklasten stark vermehrt.“

„Das Knochenmark zeigt eine blutarme fibröse Beschaffenheit, die Osteoblasten be- sitzen eine polygonale niedrige Form; es legt dies die Vermutung nahe, daß das schlecht ernährte Knochenmark nicht imstande ist, normal funktionierende Osteoblasten zu bilden; ein Teil der gebildeten Zellen wandelt sich dabei in Osteoklasten um.‘

„Jedenfalls ist nur die Bildung der osteoiden Grundsubstanz herabgesetzt, die Ver- kalkung der spärlich gebildeten Knochengrundsubstanz geht normal vor sich.* |

„Durch den Reiz traumatischer Einwirkungen wird die schlummernde, knochenbildende Tätigkeit des Periosts und des Knochenmarks wachgerufen.‘

h,

k) j

150 | Kienböck. XXIII, 2.

Auch v. Recklinghausens Ausführungen 1910 sollen hier angeführt werden.

„Es ist überall eine relative Zunahme des Markgewebes, ein Übermaß von Lymphoidmark vorhanden, speziell an allen Wachstumstellen, an den Knochenkernen und in der Ossifikationszone der Epiphysen, obwohl die zu Knochenneubildung erforderlichen Akte der Erweichung des Knorpel- und Bindegewebes anfänglich verzögert sein können.“

Man soll daher von einer „myeloplastischen Malazie“ sprechen.

„Anstatt des Lymphoidmarkes findet man ein Faser- oder ein Gallert-, sogar ein Fettmark, ein neues Knorpelgewebe und besonders ein neues Knochengewebe, welches gut kalkhältig, aber nur schwach lamellär gebaut ist, und zwar erhebt man dieselben Befunde im Bereiche der Frakturen, im Innern und an der Oberfläche der Kallusmassen.*“

„Es findet sich an den Bruchstellen nicht immer ein richtiger Knochenkallus vor, sondern eher zu wenig feste Knochensubstanz.* „An den kallusartigen Stellen hat die Ossifikation durchschnittlich eine höhere Stufe erreicht, wenn auch nicht die Vollkommenheit des lamellären Knochengewebes, wenigstens nicht überall. Andererseits ist ein gewisser Stillstand in der Knochen- bildung eingetreten, indem das dazugehörige Markgewebe weniger differenziert wurde als unter normalen Verhältnissen, nur ein entschiedenes Minus an Osteoblasten und Osteoklasten aufbrachte, dagegen eine fibröse Umwandlung erfuhr. Daneben tritt hyalines Material auf, aber auch Sklerose dieses Faser- markes selbst, von einer hyalinen Degeneration und einer Obliteration seiner Blutgefäße begleitet.“ „An

das fibröse Mark von der derben Sorte schließen sich in den Markabschnitten, welche Kallus oder skle- .

rotische Knochen enthalten, knorpelige Einschlüsse an.‘

Die infantile, d. h. erst nach der Geburt zum Vorschein kommende Osteopsathyrose und die fötale Osteogenesis imperfecta stellen offenbar dieselbe Krankheit dar; Griffith und M. Sternberg erklärten sie als verwandte Erkrankungen, Looser sprach sich mit Entschieden- heit für eine Identität aus, was auch in den letzten Jahren fast allgemein angenommen wird.

Der wesentliche Befund am Skelett ist bei beiden Formen der Krankheit eine mit Brüchigkeit einhergehende Knochenatrophie; auch das Auftreten von eigentiimlichen Er- nährungsstörungen an den Bruchstellen mit Bildung von Resorptionszonen an den Bruch- enden und die dadurch verzögerte Bruchheilung sind beiden Formen gemeinsam. Endlich sind auch die histologischen Veränderungen beide Male dieselben.

Bei Vergleich der anatomischen und der Röntgenbefunde an beiden Gruppen von Fällen sind allerdings zahlreiche Unterschiede in den Knochenveränderungen zu bemerken; so äußert sich z. B. Maier, daß die Osteogenesis imperfecta und die infantile Osteopsathyrose einander nach den Röntgenbefunden nicht besonders nahe zu stehen scheinen, „nicht so nahe als die infantile Osteopsathyrose und die infantile Osteomalazie“. Bei der Osteogenesis sind die Knochen zu kurz, zu plump, knotig verdickt und ganz abnorm strukturiert. Es erklären sich aber diese Unterschiede vollkommen durch den verschiedenen Zeitpunkt der Erkrankung bzw. der Untersuchung das eine Mal handelt es sich um Embryomen, das andere Mal um Kinder und durch den offenbar davon abhängenden verschiedenen Grad der Erkrankung, welcher bei Embryomen besonders schwer ist. Die meisten der jüngeren Forscher, auch Maier inbegriffen, sind dieser Ansicht.

Bei der Osteogenesis imperfecta ist die Osteoporose besonders hochgradig, die Brüche sind im allgemeinen sehr zahlreich und über das ganze Skelett nahezu gleichmäßig verteilt. An den Frakturstellen schiebt sich der Knochen zusammen, wahrscheinlich infolge einer Bildung von lokalen Resorptionszonen und eines in utero axial wirkenden Druckes auf die langen Röhrenknochen; dadurch tritt eine Verkürzung und unter Mitwirkung eines mächtigen, übrigens längere Zeit kalklos bleibenden Periostkallus auch eine starke lokale Ver- dickung des Knochens ein („Ringwulst“). Bei den infantilen Fällen ist die Porose lange nicht so bedeutend, daher sind auch die Brüche viel spärlicher und vor allem an den Extremitäten, besonders Unterextremitäten lokalisiert; die Brüche sind trotz der Bildung von Entkalkungs- und Resorptionszonen offenbar zufolge der nicht unbedeutenden Konsistenz des Gewebes an diesen Stellen und zufolge der Schonung der Glieder wegen Schmerzen nicht von Zusammenschiebung des Knochens gefolgt. Ferner bleiben die Diaphysen im periostalen Wachstum zurück und es bilden sich zwar lange, aber abnorm schlanke und geschwungene

XXIII, 2. Über infantile Osteopsathyrose. 151

Knochen, besonders an den Unterextremitäten; aber dies ist, wie oben gesagt, nur eine sekun- däre Erscheinung, durch Inaktivität bzw. abnorme Funktion zufolge der Knochenatrophie und der nach Brüchen zurückbleibenden Deformationen. Bei der Osteogenesis imperfecta kann es zu äußerer Wachstumsstörung der Knochen nicht kommen, da hier Inaktivität keine Rolle spielt.

Vergleich der fötalen und der infantilen Osteopsathyrose.

Befund am Skelett

Gewöhnlich angetroffener Grad der Osteoporose

Lokalisierung und Zahl der Brüche

Art der Brüche und der Dislokation

Länge der langen Röhren-

Fötale Osteopsathyrose (Osteogenesis imperfeota)

mittel

fast an allen Knochen mehrere Brüche, im ganzen daher sehr zahlreich

Fissuren, Infraktionen, Querfrak- turen; häufig Zusammenschiebung der Stücke (Ringwülste)

an sich normal, nur durch Zusam-

Infantile Osteopsathyrose

höchstgradig

im Laufe der Monate und Jahre

allmählich zunehmende Zahl der

Brüche, besonders an den langen

Röhrenknochen der Beine und bereits weniger der Arme

Fissuren, Infraktionen, Querfrak-

turen, Schrägbrüche; mit Disloka- tion vor allem ad axim

im allgemeinen normal

knochen menschiebung an den Bruchstellen verkürzt Dicke und allgemeine Ge- plump mit zunehmenden Jahren immer stalt derselben von den schlanker werdend, zum Teil abge- Brüchen abgesehen plattet und geschwungen (sekundäre

Erscheinungen)

Manche Autoren, z. B. Looser, Bamberg und Huldschinsky gehen so weit, zu meinen, daß die infantile Osteopsathyrose immer bereits angeboren sei, sogar in den Fällen, in denen die ersten Knochenbrüche bei bereits mehrere Jahre alten Kindern entstehen. Sie sprechen daher auch bei unserer Gruppe von Fällen von einer Osteogenesis imperfecta, und zwar „Osteogenesis imperfecta tarda“, bzw. „Osteopsathyrosis foetalis tarda“. Dies ist aber, wie bereits manche Autoren, auch v. Recklinghausen, bemerkten, nicht be- rechtigt, weder in den Fällen, in denen die ersten Brüche bei den ersten Gehversuchen mit etwa 11/,—2 Jahren auftreten (postnatale Erkrankungen), noch weniger bei späterem Mani- festwerden der Brüchigkeit, z. B. mit 6 oder gar 12 Jahren. Auch das Vorkommen von fami- liärem Auftreten der Erkrankung gibt keinen Hinweis darauf; gerade in den fötalen Fällen von typischer Osteogenesis imperfecta zeigt sich kein multiples Auftreten in der Familie, speziell auch keine Erkrankung von Geschwistern.

Nur ausnahmsweise gibt es Fälle, welche einerseits keine typische Osteogenesis imper- fecta darstellen, da die Individuen ohne intrauterine Brüche zur Welt kommen, andererseits aber sehr bald nach der Geburt oder intra partum (unsere Beobachtung II) die ersten Brüche er- leiden. Hier handelt es sich wirklich um leichtere Fälle von Osteogenesis imper- fecta congenita. Diese Fälle stellen einen Übergang von der Osteogenesis imperfecta zur infantilen Osteopsathyrose dar, wir wollen sie untere Übergangsfälle der infantilen Osteopsa- thyrose nennen. Hierher gehören auch die Fälle, welche mit einigen wenigen Brüchen zur Welt kommen. |

7. Beziehungen zur Psathyrose der Erwachsenen.

Auch die infantile Osteopsathyrose und die Osteopsathyrose der Erwachsenen sind dieselbe Krankheit, es können keine wesentlichen Unterschiede gefunden werden. Die für infantile

152 Kienböck. XXIII, 2.

Psathyrose charakteristische Wachstumsstörung (mit dünnen, abgeplatteten, zum Teil regelmäßig gebogenen langen Röhrenknochen) fällt natürlich bei der Osteopsathyrose der Erwachsenen weg. Hier ist wie die Röntgenuntersuchung ergibt nur Osteoporose (vor allem dünne Kortikalis der langen Röhrenknochen) und entsprechende Brüchigkeit, ferner eine Störung der Bruchheilung wie bei der infantilen Psathyrose vorhanden. Die Herabsetzung des Schattentones des Knochens ist sowie bei den meisten infantilen Fällen meist minder deutlich zu erkennen.

Biggs 1908. 35jähriger Mann (Familie gesund), mit 20 Jahren Beginn von Schwäche in den Beinen mit rascher Ermüdung, aber zunächst keine Schmerzen, bald darauf (noch im 20. Jahr) Spontan- fraktur des rechten Oberarmes, wenig Schmerzen, erst nach mehreren Monaten Heilung. Noch im gleichen

Jahr Fraktur des linken Oberarmes. Mit 21 Jahren Bruch des rechten Oberschenkels „mit wenig Neigung zu Heilung*, auch nach

8 Monaten nicht fix verheilt. Bald darauf Bruch des linken Femur (beide Male Querfraktur mit

wenig Schmerzen), Heilung erst nach 4 Monaten; später wiederholt Brüche, so z. B. mit 30 Jahren Bruch des linken Humerus. Es betrafen die Brüche stets Humerus und Femur, nur einmal eine Rippe. Seit 5 Jahren war kein Bruch mehr erfolgt. Im Laufe der 10 Jahre waren 22 Brüche vorgekommen.

Befund. Patient ist 4 Fuß 7 Zoll hoch, die Photographie des Kranken zeigt eine starke Ver- krümmung der Arme und Beine mit eigentümlicher Haltung des Körpers. Schilddrüse nicht vergrößert, Herz und Lunge normal, ebenso Befund am Abdomen normal. Linker und rechter Femur stark verbogen, ebenso der rechte Oberarm, Bewegung in dem rechten Hüftgelenk eingeschränkt. Füße und Hände normal.

Röntgenbilder: Der linke Femur ist in der oberen Hälfte stark nach außen konvex verbogen, an der Konvexität sehr durchsichtig, er ist auch weiter unten nicht ganz gerade. Der rechte Femur- schaft ist enorm verunstaltet und geknickt, die Kortikalis verdünnt, die Spongiosen am Knie weitmaschig, durchsichtig. Der linke Humerus ist in der Mitte geknickt und durchsichtig, weiter unten besonders stark porotisch. Der rechte Humerusschaft ist etwas wellig gebogen infolge von mehreren Brüchen, be- ziehungsweise Infraktionen, auch Radius und Ulna zeigen Infraktionen.

Diagnose: Osteopsathyrose.

Schon in der Anamnese’ wird die stark verzögerte Bruchheilung angegeben, außerdem weisen die sehr starken Verkrümmungen der Extremitäten auf die lokalen Knochenerwei- chungen nach den Brüchen hin und endlich auch die durchsichtigen Stellen im Röntgenbild; der Periostkallus ist dagegen vermehrt.

Kienböck 1910. 59jähriger Mann, seit dem 15. Jahre wiederholt Brüche bei geringen Anlässen, zuerst an beiden Patellen und bald darauf an beiden Olekranon, später wieder- holt an diesen Knochenteilen, weiterhin am linken Oberschenkel und am linken Unter- schenkel. Der linke Humerus ist erst vor 5 Monaten gebrochen.

Röntgenbefund: Osteoporose, gut geheilte Fraktur am Femur; am Humerusschaft ist ein Bruch mit mächtigem periostalen Kallus vorhanden, durch den Knochen zieht eine schmale helle Zone, auch der Periostkallus scheint neuerdings frakturiert zu sein. Beide Olekranon zeigen mehrere Querfrakturen mit Diastase, auch beide Patellen tragen eine Querfraktur mit starker Diastase der Fragmente.

In diesem Falle ist zunächst der Befund am linken Humerus 5 Monate nach der Schrägfissur sehr charakteristisch, mit Auftreten einer Resorptionszone und Ausbleiben der endostalen Kallusbildung, mit bloßer Bildung eines periostalen Kallus und weiterhin mit Wieder- bruch desselben (trotzdem gute Gebrauchsfähigkeit des Armes). Es zeigten sich außerdem an beiden Patellen und beiden Olekranon mehrere unverheilte Frakturen mit einer starken Diastase der Bruchstücke, was ebenfalls auf eine bedeutende Erweichung der Knochenenden mit Fehlen eines endostalen Kallus hinweist. Ferner fand sich eine poröse und oberflächlich defekte Beschaffenheit der Kortikalis der Ulnen, unmittelbar an die Olekranonfrakturen an- schließend, ein weiteres Zeichen von ausgedehnter Ernährungsstörung des Skelettes.

Schon damals wurde von mir darauf aufmerksam gemacht, es dürfte sich in dem Falle um zahl- reiche lokale atrophische bzw. osteomalazische Prozesse handeln; bekanntlich können die einfach atro- phischen und die osteomalazischen Herde durch die Röntgenuntersuchung nicht unterschieden werden.

Die Diagnose des Falles als Osteopsathyrose wird wie ich in der vorliegenden Arbeit zeige auch bei Vorhandensein von osteomalazischen Stellen keineswegs zweifelhaft.

XXIII, 2. Über infantile Osteopsathyrose. 158

Ein Fall mit typischem Röntgenbefund, speziell mit scharfbegrenzten, schmalen, queren Resorptionszonen an den Bruchstellen der langen Röhrenknochen, ist auch der Fall von Zesas.

Zesas 1913. 57jährige Frau, keine Kinderkrankheiten, auch später nicht krank gewesen. Seit 4 Jahren Schwäche im linken Arm, bald rasche Ermüdung beider Arme, keine Schmerzen.

Befund: Körperlänge 133 cm bei starker Kyphoskoliose. Allgemeinzustand gut, Knochen fest, Arme sehr atrophisch, an der Haut an mehreren Stellen Pigmentflecken. Schilddrüse nicht palpabel. Am rechten Arm an Humerus, Radius und Ulna je eine Auftreibung, ferner auch an der linken Ulna. Becken normal, Beine normal.

Die Röntgenbilder der Vorderarme zeigen an jenen Stellen der Diaphysen Querfissuren mit durchlaufender heller Zone und stellenweise Periostkallus. An den Röhrenknochendiaphysen die Kortikalis überall verdünnt, Knochen zu durchsichtig, keine Zysten.

Diagnose: „Idiopathische Osteopsathyrose.“

Ein Fall, der bisher nicht zur idiopathischen Psathyrose gezählt wurde, vielleicht aber doch hiehergehört, ist der Fall von Levy u. Ludloff.

Levy u. Ludloff 1909. Fall 12. 46jährige Frau, seit 11 Jahren Spontanbrüche an rechtem Schlüsselbein, rechtem Oberarm (dann Pseudarthrose), mittlerer Brustwirbelsäule (dann 1*/, Jahre gelähmt), linkem Oberschenkel (2mal an derselben Stelle); vor den Brüchen bestanden heftige Schmerzen an den Stellen.

Es ist eine sehr magere schwache Frau; der Nervenbefund ist genau erhoben: die Pupillen sind eng, es besteht keine Reaktion auf Licht, die Patellarreflexe fehlen. Es besteht aber keine Optikus- atrophie, keine Sensibilitätsstörung, keine Ataxie.

Die Autoren stellten die Diagnose Tabes, bei welcher Krankheit auch oft Brüchigkeit des Skeletts, zuweilen mit zahlreichen Spontanfrakturen beobachtet wird; doch dürfte es sich eher um idiopathische Osteopsathyrose handeln, für Tabes bestehen nicht genügende Anhaltspunkte, die Patellarreflexe können ja zufolge der Brüche und entsprechender Motilitätsstörung „fehlen“, es bleibt also nur die Pupillenstarre übrig. Was die „bereits vor den Brüchen an den Bruchstellen bestehenden heftigen Schmerzen“ betrifft, so darf man deswegen nicht etwa eine dritte Diagnose stellen und annehmen, daß es sich um eine multiple Herderkrankung des Skeletts handle; es erfolgten vielmehr an den Diaphysen offenbar zuerst bloße Fissuren und Infraktionen, dann erst vollständige Brüche mit Dislokation.

Ein anatomischer und mikroskopischer Befund der Knochen, speziell der Frak- turstellen bei adulter Osteopsathyrose, liegt im bekannten Falle von Enderlen vor; man darf auch aus diesen Befunden keineswegs auf die Anwesenheit einer multiplen Herderkrankung des Skeletts, speziell von Knochentumoren schließen wie es besonders bei Unkenntnis der für Psathyrose charakteristischen Störung der Bruchheilung passieren könnte. Enderlen selbst sieht an den deformierten Stellen der langen Röhrenknochen mit Recht nur deform geheilte Brüche und diagnostiziert idiopathische Osteopsathyrose. Die starke Deformation der Knochen läßt auf bedeutende Verschiebung der Fragmente, hypertrophische Periostkallusbildung und bedeutende Verzögerung der Konsolidation der Bruchstellen seinerzeit schließen.

Enderlen 1893. 6ljähriger Mann. In der Familie keine Knochenbrichigkeit. Am rechten und am linken Femur je 3 Frakturen, der erste Bruch vor 11 Jahren, „stets rasche Heilung“.

Sektionsbefund: Knochenbrüchigkeit, mit starker Hyperostose geheilte Frakturen der Schenkel- knochen, allgemeine Fetisucht. Der rechte Femur (der Knochen ist 1. c. als solcher und im Durchschnitt abgebildet) ist mit mehreren großen birnförmigen Auftreibungen behaftet; dieselben sind offenbar nach Frakturen durch große Kallusmassen bei bedeutend verschobenen Bruchstücken entstanden; stellen- weise schneidet sich der Knochen sehr weich. An jenen Stellen sind im Innern des Knochens mit- einander kommunizierende Hohlräume vorhanden. Das Mark ist vorwiegend Fettmark mit eingestreuten Haufen von lymphoidem Mark. Die mikroskopische Untersuchung ergibt hier und da schmale Zonen von osteoidem Gewebe.

„Die Wirbelsäule erinnert beim Einschneiden wegen ihrer Weichheit an senile Osteomalazie;* auch hier sind an den Knochenbälkchen mikroskopisch osteoide Säume zu finden, das Mark ist ein aus- gesprochenes Fettmark.

Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XXIII. 20

154 Kienböck. XXIII, 2.

Enderlen diagnostiziert mit Recht ,Osteopsathyrose* und hebt speziell hervor, es sei weder Skorbut, noch Rachitis oder Osteomalazie, noch Tabes oder eine andere Spinalerkrankung vor- handen.

Sowie es bei der infantilen Osteopsathyrose untere Übergangsfälle gibt, kommen auch obere Übergangsfälle vor, i. e. Fälle, welche einen Übergang zur adulten Psathyrose darstellen; das sind die Fälle mit Beginn der Brüchigkeit zur Zeit der Pubertät; die Individuen zeigen am Skelett keine oder nur ganz geringe Wachstumsstörungen. Hieher können auch die oben referierten Fälle von Biggs und Verfasser gerechnet werden.

8. Diagnose und Differenzialdiagnose.

Die Diagnose der idiopathischen Osteopsathyrose, speziell der infantilen Form kann meist schon auf Grund des klinischen Befundes gestellt werden. Für die Krankheit ist in den ersten Jahren (im ersten Hauptstadium) charakteristisch, daß es sich um sonst nicht leidende, gesund aussehende Kinder handelt, welche sich bei unscheinbaren Anlässen wiederholt an den Beinen und Armen Frakturen zugezogen haben, Frakturen, die bald sehr schnell, bald in der gewöhnlichen Zeit, bald nur langsanı zu heilen scheinen, im letzteren Falle gewöhnlich mit Übergang in Winkelstellung; zuweilen sind vorübergehende oder anhaltende Schmerzen vorhanden, die nach der äußeren Untersuchung des Kindes nicht zu erklären sind.

In späteren Jahren (im zweiten Hauptstadium) ist in schweren Fällen das ganze Skelett sehr deformiert, und zwar sowohl mit vielen deform geheilten Brüchen versehen, als auch mit mehr gleichmäßigen Verbiegungen wie bei infantiler Osteomalazie; die langen Röhren- knochen sind zum Teil mehrfach verdickt, geknickt und torquiert, zum Teil aber gleichmäßig gebogen; die Knochen sind abnorm schlank und entweder normal lang oder vor allem in- folge der Deformation verkürzt. Das Rumpfskelett zeigt dabei eine charakteristische osteoma- laziforme Verunstaltung. Der Allgemeinzustand ist dann meist schlecht. Verdickungen und Schmerzen an den Epiphysen fehlen aber.

Uber zahlreiche Details gibt erst die Rontgenuntersuchung AufschluB.

Im ersten Hauptstadium der Krankheit, also in den ersten Jahren zeigt sich der folgende Befund. Es sind an den Diaphysen sowohl gut, ungenügend oder gar nicht verheilte ältere Brüche (in guter oder schlechier Stellung) als auch frische Brüche vorhanden (Schräg- fraktur, Querfraktur, oder bloß Fissur, Infraktion). An den frischen Bruchstellen sind keine anderweitigen Veränderungen des Knochens vorhanden, weder eine Auftreibung mit zentraler Aufhellung, noch eine lokale Auf hellung des Knochens überhaupt, die Brüche bieten vielmehr das gewöhnliche Aussehen es sei denn, daß die Stelle schon früher einmal gebrochen war. Das ganze Skelett zeigt dabei eine anscheinend „leichte“ oder „mäßige“ Knochenatrophie im Sinne der Porose (zu dünne Kortikalis der Diaphysen, zu feinmaschiges Spongiosanetz), eine Atrophie, die übrigens leicht übersehen werden kann; vor allem ist es oft kaum zu entscheiden, ob der Knochenschatten heller als normal sei.

In vielen Fällen die Erscheinung ist für unsere Krankheit geradezu charakteristisch, aber bei Unkenntnis derselben könnte man sich leicht versucht fühlen, eine falsche Diagnose zu stellen findet man außer den frischen und den festgeheilten Frakturen noch Brüche mehrmonatlichen Datums, die man nach dem äußeren Befund und der Schmerz- losigkeit zum Teil (nicht immer!) bereits für geheilt gehalten hatte, noch unver- heilt, u. zw. mit einer eigentümlichen Störung der Bruchheilung versehen. Man findet entweder an einer Stelle, durch den ganzen Diaphysenschatten ziehend, eine gleichmäßige und ziemlich scharf abgegrenzte, schmale, quere, helle Zone; es ist dies das Bild der Querfissur mit transversaler Resorption („Resorptionsring“) und mit entsprechend ver- zögerter Heilung; dabei kann bereits ein kalkhältiger periostaler Kallus vorhanden sein.

XXIII, 2. Über infantile Osteopsathyrose. | | 155

Oder man findet die Diaphyse an der Stelle eines ausgesprochenen Bruches auf eine längere Strecke hin in eine sehr durchsichtige, fast strukturlose und etwas verschwommen erscheinende Masse umgewandelt: das Bild der Massen- resorption von Knochensubstanz. |

Die sehr alten Brüche erweisen sich meist zwar als fest, jedoch als deform verheilt, mit Knickung des Knochens und hypertrophischem Kallus,

Bei Kindern mit zunehmenden Jahren (im „Übergangsstadium“ der Krankheit) findet man außer den zahlreichen alten und frischen Frakturen mit entsprechenden Deforma- tionen der Knochen und der allgemeinen Osteoporose noch eine abnorme Schlankheit, bogige Verkrümmung und Abplattung der langen Röhrenknochen, namentlich der Diaphysen vor. In späteren Jahren (im „zweiten Hauptstadium“ der Krankheit) zeigt sich eine noch stärkere Deformation der Extremitäten, ferner eine hochgradige Defor- mation des Rumpfskelettes: des Beckens, der Wirbelsäule und der Rippen welche ganz an Osteomalazie erinnert. | Die Differenzialdiagnose gegen infantile Osteomalazie ist in solchen Fällen nur dadurch möglich, daß die Epiphysengrenzen normal sind und der Ossifikationszustand des Skelettes normal oder etwas vorausgeeilt ist (vgl. die Ausführungen weiter unten).

Osteopsathyrose infolge von Riickenmarkserkrankung, Tabes und Syringomyelie kommt bei Kindern anscheinend nicht vor, trotzdem werden es manche Ärzte vorziehen, bie multiplen Frakturen auch eine Untersuchung des Nervensystems vorzunehmen.

Die Differenzialdiagnose gegen eine multiple Herderkrankung des Skelettes, multiple Tumoren beziehungsweise Zysten wird dadurch ermöglicht, daß bei unserer Krankheit im Röntgenbilde abgesehen von den als Fissuren oder deforme Brüche zu erkennen- den Stellen keine anderweitigen abnormen Herde vorhanden sind, vor allem keine scharfbegrenzten rundlichen Aufhellungsherde (Zysten) an äußerlich nicht ge- knickten oder sonst deformierten Stellen der Diaphysen.

Die Resorptionszonen an den Bruchstellen, sowohl die queren Zonen als auch die Massen- resorptionen, ferner die deform geheilten Frakturstellen könnten, wenn man diese Befunde bei der Psathyrose nicht kennt, allerdings auch Herderkrankungen des Knochens vortäuschen, z. B. an Knochenzysten („Ostitis fibrosa), an Ostitis deformans mit Tumoren und Zysten (v. Recklinghausens Knochenkrankheit) oder an Knochenmetastasen eines malignen Tumors, besonders Karzinome denken lassen, welch letztere allerdings bei Kindern kaum vorkommen. Man darf also die sekundären Erweichungsherde, atrophischen Stellen und Zysten nach Fraktur nicht umgekehrt für primäre Krankheitsherde mit konsekutiver Fraktur halten.

Es sei hier an den Fall von Pfeiffer erinnert, wo sich der Autor sowohl nach dem Röntgenbefunde von „zahlreichen aneinandergrenzenden Aufhellungsherden* an den Fraktur- stellen wobei es sich in Wirklichkeit nur um atrophische Herde handelte als auch nach dem mikroskopischen Befunde von Fasermark an dem exzidierten Knochenstück verleiten ließ, die klinische Diagnose „Ostitis fibrosa“ zu stellen. Auch in meinem Fall I war bei der zweiten Röntgenuntersuchung am rechten Femur ein Bild vorhanden, daß multiple Knochen- zysten leicht vortäuschen kann. Auch im Falle von adulter Psathyrose von Enderlen hätten die birnförmigen Auftreibungen und zentralen Hohlräume an den längst geheilten Fraktur- stellen des Femur leicht zu einer falschen Diagnose Veranlassung geben können.

Schließlich kann es bei ungenügender Kenntnis der Symptomatologie der Psathyrose vor- kommen, daß ein Fall von Psathyrose mit spastischen oder bereits festen Gelenkskontrakturen (nach Frakturen) für chronischen Gelenksrheumatismus gehalten wird, wie es Drees- mann passierte.

Die Differenzialdiagnose unserer Krankheit gegen Rachitis tarda bzw. infantile Osteo-

malazie bedarf einer gesonderten, ausführlichen Besprechung. ; 20°

156 Kienböck. XXIII, 2.

9. Vergleich der infantilen Osteopsathyrose und infantilen Osteomalazie (Rachitis tarda).

Gemeinsame Merkmale.

Während die Fälle von Osteogenesis imperfecta in der letzten Zeit stets richtig dia- gnostiziert wurden und ferner auch die enge Beziehung dieser Krankheit zur infantilen Osteo- psathyrose im allgemeinen richtig erkannt wurde, werden die Fälle von infantiler Psathyrose häufig mit falscher Diagnose versehen und es wird wenigstens in den letzten Jahren die Stellung der infantilen Osteopsathyrose zur infantilen Osteomalazie (Rachitis tarda) noch vielfach verkannt, die Affektionen werden sogar miteinander verwechselt, obwohl bereits frühere Autoren ihre vollkommene Verschiedenheit richtig erkannt hatten.

Es sei gleich hier bemerkt, daß bei beiden Affektionen allgemeine Osteoporose mit Spontanfrakturen vorkommt; bei der Osteomalazie entstehen Brüche allerdings nur in schweren Fällen, und zwar kommen viele Brüche nur in den allerschwersten Fällen vor. Ferner kommt es bei beiden Affektionen zu einer eigentümlichen Deformation des Skelettes mit zum Teil gleichmäßigbogigen Verkrümmungen der langen Röhren- knochen und Verunstaltung des Rumpfskelettes, entsprechend einer allgemeinen Weich- heit der Knochensubstanz. Auch Schmerzen sind bei beiden Affektionen vorhanden, aller- dings verschiedener Art: bei der Malazie vor allem an den Gelenksenden der langen Röhren- knochen und zuweilen kontinuierlich, bei der Psathyrose dagegen uur, wenn frische oder unverheilte ältere Frakturen vorhanden sind, die Schmerzen sind hier auf jene Stellen der Diaphysen beschränkt und von gewissen Bewegungen abhängig. Ferner sei gleich her- vorgehoben, daß bei der Psathyrose die Epiphysen zunächst äußerlich normal, bei der Malazie aber verdickt und schmerzhaft sind. Bei der Röntgenuntersuchung (und noch genauer wäre dies bei der mikroskopischen Untersuchung der Fall) zeigen sich die Epiphysenfugen bei der Psathyrose vollkommen normal, bei der Malazie in typischer Weise verändert. Die Knochen erscheinen im übrigen bei der Röntgenuntersuchung bei beiden Krankheiten in ähn- licher Weise verändert, nämlich porotisch; und zwar zeigt sich bei Psathyrose die Kortikalis der langen Röhrenknochen vor allem verdünnt, bei Malazie meist nur aufgefasert (bei der mikroskopischen Untersuchung zeigen sich bei der Malazie die Knochenbälkchen malazisch, d. h. zum größten Teil aus osteoidem Gewebe bestehend, bei der Psathyrose im allgemeinen einfach atrophisch, nur hie und da an Bruchstellen entkalket oder osteoid; näheres darüber siehe weiter unten!).

Das Vorkommen von Kombinationen, wobei die Psathyrose mit geringen rachitischen Symptomen vereinigt ist, ändert an der Erkenntnis einer totalen Verschiedenheit der beiden Krankheiten nichts.

Roos, Axhausen und Hartmann ließen sich verleiten, Fälle von Osteopsathyrose mit zum Teil gleichmäßigbogiger Verkrümmung der Extremitäten und osteomalaziformer Deformation des Rumpfes, wobei an vielen Stellen des Körpers Schmerzen vorhanden waren, als Osteomalazie anzusprechen; die Fälle wurden dann auch von späteren Autoren, wie Maier, zur Malazie gerechnet. Auch Bruck erkannte in seinem, mit hochgradiger Deformation des Körpers einhergehenden Fall die Krankheit nicht; in der späteren Literatur wiesen zwar manche Autoren auf die richtige Diagnose des Falles hin, doch wurde diese Auffassung nicht von allen akzeptiert. Bei der Seltenheit der Fälle ist dies übrigens nicht weiter auffallend, wurde doch wie bereits oben erwähnt wurde ein ähnlicher Fall von Drees- mann geradezu als chronische Polyarthritis beschrieben.

So finden wir nun in mehreren Arbeiten als „infantile Osteomalazie‘ gemeinsam besprochen die Fälle von Meslay, Broca, Sauerbruch und Anschütz (Fall III), welche tatsächlich Osteomalazie sind, und die Fälle von Bruck, Schuchardt, Roos, Döring, Axhausen, Hartmann (Fall 8), welche in Wirklichkeit Osteopsathyrose sind.

Mit Unrecht bemerkt Axhausen zu seinen und ähnlichen älteren Fällen, die wir als Psathyrose erkennen, „daß bei infantiler Osteomalazie in den ersten Jahren des Leidens zuweilen ein Zustand ab-

XXIII, 2. Über infantile Osteopsathyrose. 157

normer Knochenbrüchigkeit bestanden hat, erst später und ganz allmählich entwickeln sich die Zeichen zunehmender Knochenweichheit, die nun eine osteomalazische Veränderung des Skelettes als Ursache erkennen lassen.“ Dies führt den genannten Autor zur Vermutung, „daß so manche der als idiopathische Osteopsathyrose beschriebenen Fälle eigentlich als Fälle von infantiler Osteomalazie aufzufassen seien, bei denen sich die Krankheit entweder noch in diesem Stadium (Stadium der abnormen Knochenbrüchig- keit) befand, oder bei denen bei schon vorhandener erkennbarer Weichheit der Knochen plötzlich sich ausbildende Knickungen als Frakturen gedeutet wurden.“ |

Axhausen schließt nämlich in jenen Fällen aus den stellenweise gleichmäßigen Verbiegungen der langen Röhrenknochen, sowie aus der eigentümlichen Formveränderung des Beckens, der Wirbelsäule und des Thorax geradezu auf die Krankheit ,Osteomalazie‘.

Die Auffassung der arkuären Totalverkrimmungen der langen Röhren-

knochen und der eigentümlichen Deformation des Rumpfskelettes als Zeichen von ,Osteomalazie“ als klinischem Krankheitsbegriff ist aber ganz irrig, diese .

Formveränderungen können vielmehr nicht nur bei Osteomalazie (bzw. Rachitis tarda), sondern wie oben gezeigt wurde auch bei Osteopsathyrose entstehen und zwar auf dieselbe Weise, nämlich auf dem Boden einer herabgesetzten Konsistenz den Knochen durch kleine Ver- letzungen, Scherungen und Infraktionen der spongiösen Teile, Fissuren und Infrak- tionen der Diaphysen vielleicht auch Verletzungen an den Wachstumszonen, ferner nach ausgesprochenen Frakturen mit Heilung in Winkelstellung, worauf die Knochen bogig weiter- wachsen. Dabei spielt auch eine lange Inanspruchnahme der Glieder in einseitiger Weise, bezw. lange Immobilität in bestimmten Stellungen für die spätere abnorme Form eine wichtige Rolle. Dieselbe Art von Verletzung und allmählicher Formveränderung entsteht sei es daß die Knochenbälkchen atrophisch (Osteopsathyrose), sei es daß sie z. T. halisteretisch und osteoid (Osteomalazie) sind; in beiden Fällen sind die Skeletteile arm an festem und reich an weichem Gewebe, die Diaphysen sind brüchig, die spongiösen Knochen und Knochenteile weich. Allerdings ist die Brüchigkeit der Diaphysen bei Atrophie (Osteopsathyrose) größer, da hier. neben dünnen Knochenbälkchen fast nur Knochenmark vorhanden ist, bei Osteomalazie geringer, da hier auch noch halisteretisches und osteoides Gewebe vorhanden ist, das fester als Mark und dabei elastisch ist; bei den spongiösen Knochen dürfte der Grad der Weichheit bei beiden Affektionen derselbe sein und daher dieselben primären Formverände- rungen und entsprechenden Wachstumsdeformitäten zur Folge haben. Man darf auch nicht glauben, daß bei der Osteomalazie die arkuären Verbiegungen der langen Röhrenknochen da- durch zustande kommen, daß die Knochen plötzlich so stark gebogen werden, auch hier sind es teils Scherungen und kleine Verletzungen anderer Art, teils ausgesprochene Frakturen mit konsekutiven Wachstumsanomalien; eine so hochgradige Weichheit der langen Röhren- knochen, daß sie sich einfach biegen lassen, kommt ja ‚nur in den allerschwersten Fällen vor.

Bei allen infantilen, mit Störung der Motilität einhergehenden Erkrankungen, bei spinalen und zerebralen Muskelatrophien, sowie bei arthritischen Gelenkskontrakturen entstehen durch die immerwährende Ruhelage der Glieder in gewissen Stellungen, durch Ernährungs- störungen und abnorme „statische“ Einflüsse allmählich dieselben Deformationen des Skeletts und zwar zu schlanke und geschwungene lange Röhrenknochen und Deformationen des Rumpf- skeletts, wobei also pathogenetisch Knochenatrophie und abnorme Funktion zusammentreffen. Hier erreichen aber die Verbiegungen der Extremitäten- und Rumpfknochen entsprechend der geringeren Ernährungsstörung in den Knochen und dem Fehlen von (verlangsamt heilenden!) Frakturen viel ge- ringere Grade als bei den oben besprochenen zwei Erkrankungen.

Sowie starke osteomalaziforme Verbiegungen der Extremitätenknochen und charakteristische osteo- malaziforme Deformation des Rumpfskelettes bei beiden Krankheiten vorkommen, so kommen auch Spontanfrakturen bei beiden Krankheiten vor.

Ein Zusammenvorkommen von Knochenbrüchen einerseits und bogigen Totalverbiegungen der langen Röhrenknochen und eigeutiimlichen Deformationen der spongiösen Knochen (speziell Becken, Wirbel- säule und Thorax) anderseits wird in ähnlicher Weise bei der schweren Osteomalazie der Erwachsenen beobachtet, sowohl bei der puerperalen Erkrankung, als auch bei den anderen Formen, z. B. bei der senilen Osteomalazie, ferner auch bei Knochenatrophie bei schweren Geisteskrank- heiten usw. Es kommt wie gesagt auf die Gestalt und Struktur des Knochens (Knochenröhre oder

158 Kienböck. | XXIII, 2.

Spongiosa) und die die Art der Gewaltseinwirkung, bezw. Belastung an, ob der Knochen geradezu bricht oder nur geringe, z. B. mikroskopische Läsionen erfährt, die dann zu Verbiegungen führen.

Diesbezüglich sei auch Volkmann zitiert (Handbuch 1882, pag. 346): „Die bei Osteomalazie eintretenden Deformitäten des Skeletts sind die Folgen teils einfacher Verbiegungen, teils kompletter und inkompletter Frakturen.“ „Ob der Knochen in einem bestimmten Falle bricht oder sich biegt, dies wird teils von der physikalischen Beschaffenheit des erkrankten Gewebes, teils davon ab- hängen, von welcher Art die Gewalt ist, welche den Knochen trifft, ob dieselbe also z. B. stetig und langsam einwirkt wie die Last des Körpers, Lagerung im Bett usw. oder momentan wie rasche Körperbewegungen, Traumen leichtester Art usw. In den schlimmsten Fällen sind bei einem und demselben Individuum fast immer Verbiegungen einerseits und Frakturen und Infraktionen anderer- seits gleichzeitig vorhanden.“ Es ist noch hinzuzufügen, daß die Verbiegungen durch ungleichmäßiges _ Wachstum entstehen, also Wachstumsanomalien sind und daher vor allem bei Erkrankungen in der Kindheit, seltener bei Erwachsenen vorkommen und nur bei ersteren hohe Grade erreichen. Volk- mann spricht von „Schrumpfungen und Verkleinerungen der Knochen, die hinzukommen“, ohne her- vorzuheben, daB es sich dabei vor allem um Beginn der Erkrankung in der Kindheit und Wachstums- hemmungen handelt.

Auch Schuchardt bespricht in seinem bekannten Werk 1899 das Zusammentreffen von Biegsamkeit und Brüchigkeit bei denselben Individuen, sowohl bei Osteomalazie der Schwangeren, als auch bei „neurotischer und seniler Osteomalazie“ (pag. 120, Kapitel Osteomalazie der Schwangeren und Wöchnerinnen). „Es zeigen die Knochen eine weiche biegsame Beschaffenheit oder eine hochgradige porotische Atrophie.“ |

„Warum die neurotische Störung einmal zur Bildung porotischer und brüchiger, das anderemal kalkarmer und biegsamer Knochen führt, ist unbekannt. Sehr häufig kombinieren sich übrigens beide Prozesse, indem z. B. im Becken der osteomalazische Charakter der Erkrankung mehr hervortritt, während Wirbelsäule, Brustkorb und Extremitäten das Bild der poro- tischen Atrophie darbieten. Solche, meist mit porotischer Atrophie gemischte Osteomalazie wird beim männlichen wie beim weiblichen Geschlecht bei den verschiedensten chronischen Leiden des Zentral- nervensystems und namentlich auch bei Geisteskrankheiten beobachtet.“

Mit Unrecht spricht Schuchardt von einer Kombination der beiden Affektionen, es ist nicht richtig, daß die Verbiegungen der Knochen nur durch Osteomalazie entstehen und die Brüche stets durch Knochenatrophie; in den einen Fällen (namentlich bel Frauen) handelt es sich um Malazie, in den anderen Fällen (besonders bei Greisen und Geisteskranken) um Knochenatrophie bezw. Psathyrose, während eine Kombination beider Krankheiten nicht vorkommen dürfte. Das klinische Symptomenbild, speziell die Art der Skelettdeformation kann täuschen, erst die mikroskopische Untersuchung würde Aufschluß geben; doch werden auch hier dadurch Schwierigkeiten entstehen, daß bei sehr rasch auftretender Knochenatrophie, ferner an unverheilten Frakturstellen viel kalkloses Knochengewebe und Osteoid an- zutreffen ist,

So dürfte es sich auch erklären, daß in der bekannten, von Ekmann 1788 beschriebenen Familie, welche in 4 Generationen Knochenerkrankungen zeigte, manche Individuen nur Verbiegungen, andere nur multiple Frakturen gezeigt haben sollen. Es ist hier wohl nicht, wie Ekmann annahm und wie es später z. B. Gurlt, Griffith akzeptierten, ein Zusammenvorkommen von Osteomalazie und Osteopsathyrose in derselben Familie anzunehmen, sondern überhaupt nur Osteopsathyrose, wobei in den leichteren Fällen Verbiegungen der Knochen in den Vordergrund traten.

Sowohl Fragilität des Skeletts mit multiplen Frakturen als auch osteomalaziforme Ver- biegungen der langen Röhrenknochen und osteomalaziforme Deformation des Rumpfskelettes, als auch drittens eine schwere Störung der Bruchheilung durch lokale Entkalkung bezw. Resorption von Knochensubstanz und Ausbleiben von innerer Knochenapposition (Dissoziation der normalen Vorgänge) kommen wie gesagt durchwegs sowohl bei der Psathyrose, als auch bei der Malazie vor; denn obwohl es sich um ganz verschiedene Krankheiten handelt, liegt beide Male eine schwere Ernährungsstörung des Skeletts mit Porosität und entsprechender . Weichheit des Knochens und Unfähigkeit eines prompten Knochenersatzes bei Brüchen vor. Die gesamten Erscheinungen sind also insgesamt bei den Erkrankungen gemeinsam.

Es kommen somit folgende Fälle vor:

1. Vorhandensein von multiplen Knochenbrüchen ohne oder mit Verbiegungen von Knochen a. durch porotische, atrophische Fragilität bei Psathyrose und b. durch malazische Fragilität bei Malazie,

XXIII. 2. Uber infantile Osteopsathyrose. 159

2. a. osteomalaziforme Deformität des Skelettes bei Psathyrose und b. osteo- malazische Deformität bei Malazie,

3. Störung der Bruchheilung durch lokale Entkalkung bezw. Resorption von Knochensubstanz und Ausbleiben eines festen inneren Kallus a. bei Psathyrose und b. bei Malazie: psathyrotischer und malazischer innerer Kallusdefekt.

Es gilt dies sowohl von den infantilen als auch von den adulten Erkrankungen.

Unterschiede.

Die klinischen Erscheinungen in der ersten Zeit der Erkrankung sind bei der in- fantilen Osteopsathyrose Spontanfrakturen an den Extremitäten (meist zuerst an den Beinen)

und davon abhängige Gebrauchsstörungen und Schmerzen; allerdings wird wie früher er- wähnt zuweilen die Ursache der Schmerzen bei der äußeren Untersuchung verkannt (sie

würde erst bei der Röntgenuntersuchung in einer Fissur oder Infraktion gefunden werden). - Die Schmerzen sind wohl stets an umschriebenen Stellen vorhanden und zwar meist an den Diaphysen, sie erscheinen meist plötzlich allerdings oft ohne bekannte Veranlassung —, zuweilen aber allmählich, wenn es sich nämlich nur um Fissuren mit späterer Winkelbildung handelt; die Beschwerden treten auch weiterhin oft nur bei gewissen Bewegungen auf. Die Schmerzen gehen meist nach einigen Wochen, allerdings manchmal erst nach vielen Monaten zurück Verzögerung bei Störung der Bruchheilung. Meist treten im Laufe von Monaten und Jahren an mehreren, zuweilen sogar zahlreichen Stellen ähnliche Erscheinungen auf, welche von unvollkommenen oder ganz ausgebildeten Frakturen herrühren. Durch das Auftreten immer neuer, deform und schlecht heilender Frakturen werden die Glieder, besonders die Beine immer mehr verunstaltet.

Bei der Osteomalazie entstehen allmählich ziehende Schmerzen in den Beinen, namentlich in den Knien und Knöcheln, so wird auch das Gehen beschwerlich, es bilden sich bald x- oder o-Beine und zugleich kommen Verdickungen der Gelenksenden der langen Röhren- knochen zum Vorschein; nur in schweren Fällen treten Frakturen ein, multiple Brüche sogar nur in sehr schweren Fällen. Die Beschwerden nehmen gewöhnlich im Laufe von Monaten allmählich immer mehr zu.

Bei der Osteopsathyrose können die Kinder in den ersten Jahren in der Zwischenzeit zwischen den mehrwöchentlichen oder mehrmonatlichen Perioden von Immobilität infolge von Schmerzen durch Frakturen der Beine herumgehen, entsprechend einer Heilung der Brüche; daher ist der Verlauf bezüglich der Gehfähigkeit ein unregelmäßiger. Bei der Osteomalazie ist der Verlauf mehr gleichmäßig, allerdings der Zustand oft im Winter schlechter, im Sommer besser. Bei der Psathyrose tritt meist in späteren Jahren zufolge schlechter Heilung der Brüche und durch Verunstaltungen der Beine durch zahlreiche, in schlechter Stellung geheilte Frakturen dauernde Gehunfähigkeit ein. Bei Malazie kommt es nur in sehr schweren Fällen zu völliger Immobilität. |

Die Struktur der Knochen erscheint bei der Röntgenuntersuchung bei der Psa- thyrose und bei der Malazie ziemlich dieselbe, nämlich als Osteoporose; nur zeigt sich zu- weilen bei Malazie eine Auffaserung der Kortikalis, die bei der Psathyrose fehlt. Daß die Ver-

ringerung der kalkhältigen Knochensubstanz bei der Malazie nicht so oft zu Spontanfrakturen

führt, beruht wie früher erwähnt darauf, daß erstens die Knochen durch das außerdem vorhandene dekalzinierte und osteoide Gewebe widerstandsfähiger sind und zweitens darauf, daß die Kinder zufolge der Schmerzhaftigkeit auch nicht gebrochener Teile heftige Bewegungen vermeiden.

Die mikroskopische Untersuchung der Knochen ergibt nämlich bei Malazie das reichliche Vorkommen von halisteretischen und osteoiden Säumen an den Bälkchen allenthalben,

a

160 Kienböck. XXIII, 2.

bei der Psathyrose im wesentlichen einfache Knochenatrophie, d. h. poröse und zu dünne Knochenbälkchen. Es kommt allerdings auch bei der Osteopsathyrose vor, daß die Knochen entkalktes und osteoides Gewebe enthalten, also osteomalazisch aussehen solche Befunde wurden an amputierten Unterextremitäten bei hochgradiger Deformation und totaler Gebrauchs- unfähigkeit der Beine erhoben doch sind solche Stellen nur spärlich anzutreffen, vor allem an schlecht geheilten Frakturen. Natürlich berechtigt dieser Befund nicht, den Fall nun klinisch als „Osteomalazie* anzusprechen oder gar die beiden Affektionen Psathyrose und Malazie über- haupt zusammenzuwerfen.

So fand Looser bei der mikroskopischen Untersuchung der Knochen von amputierten Unter- extremitäten bei Osteopsathyrose an einigen Stellen osteoides Gewebe, doch nur an ganz umschrie- benen Stellen, z. B. „an einigen Bälkchen im Bereiche von Markblutungen an beiden Enden des Diaphysen-Markraumes der linken Tibia, sowie in der nächsten Umgebung der eingekeilten Fraktur am unteren Ende des rechten Tibiaschaftes“. Looser sah sich deshalb durchaus nicht berechtigt, den Fall nunmehr als Osteomalazie aufzufassen.

Axhausen konnte dagegen in seinem Fall III bei der mikroskopischen Untersuchung der Knochen der Unterextremität mehr unverkalktes Knochengewebe vorfinden; er schließt daraus geradezu, daß es sich in dem Falle nicht um einfache Knochenatrophie, bzw. Osteopsathyrose, sondern um Osteomalazie (im . klinischen Sinne) handle was aber gewiß ganz unberechtigt ist.

Auch Enderlen entdeckte bei der mikroskopischen Untersuchung der Oberschenkelbrüche in einem Falle von adulter Psathyrose hie und da osteoides Gewebe.

Bei der Osteopsathyrose bleiben die langen Röhrenknochen im Dickenwachstum sehr zurück, namentlich die Diaphysen, weniger die Epiphysen, die Knochen wachsen aber im all- gemeinen normal in die Länge. Bei älteren Kindern ist dadurch ein charakteristischer Be- fund von Schlankheit vorhanden; es handelt sich dabei übrigens wie gesagt um eine sekundäre, durch Inaktivität hervorgerufene Erscheinung. Nur bei sehr schweren Fällen bleibt schließlich auch die Längenentwicklung der Knochen zurück.

Bei der Osteomalazie bleibt, wenn sie früh beginnt, das Skelett ziemlich gleich- mäßig im Wachstum zurück, also nicht nur im Dickenwachstum, sondern auch im Längen- wachstum, u. zw. in bedeutendem Grade, bei sehr schweren Fällen sogar unter Bildung von ausgewachsenem Zwergwuchs. |

Allgemeine Hemmung der Körperentwicklung und speziell Zurückbleiben der Sexualentwicklung findet bei Psathyrose nicht statt, dagegen bei Malazie es sei denn, daß diese Krankheit erst zu Ende der Pubertätszeit (was sehr häufig ist) eintritt. Bei früher beginnender und schwerer Malazie stritt sogar hochgradiger Infantilismus ein.

Der Ossifikationszustand des Skelettes (Röntgenuntersuchung der Gelenke) erweist sich bei der Psathyrose im allgemeinen normal oder etwas voraus, bei der Malazie wenn sie vor Abschluß des Körperwachstums und der Epiphysenverschmelzung auftritt retardiert, bei schweren Graden der Krankheit sogar außerordentlich stark retardiert.

Die Gelenksenden der langen Röhrenknochen schwellen bei der infantilen Osteomalazie an und werden auf Druck empfindlich, bei der Osteopsathyrose bleiben die Knochenenden normal. Es zeigt sich der Unterschied deutlich bei der Röntgenuntersuchung; es findet sich bei der Osteomalazie eine charakteristische rachitische Veränderung der Epiphysen, die Dia- physenenden erscheinen an der Epiphysenzone verschwommen zackig, die Knorpelzone ist breit, das Epiphysenperiost ist verdickt. Dagegen erscheinen die Epiphysen und Epiphysenzonen bei der Psathyrose vollkommen normal, das Epiphysenperiost nicht verdickt; der Umstand, daß auch hier bei älteren Kindern im Röntgenbild die Epiphysen im Verhältnis zu den Diaphysen dick erscheinen, darf nicht täuschen; die Diaphysen sind dann ganz besonders dünn, im Wachs- tumsalter ganz besonders stark zurückgeblieben.

Allerdings kommen bei manchen, im übrigen typischen Fällen von Osteopsathyrose zuweilen rachitische Verdickungen der Gelenksenden vor, und auf dem Röntgenbild zeigen sich rachitische Veränderungen an den Epiphysenzonen; auch allgemeine Störungen wie

XXII, 2. Uber infantile Osteopsathyrose. 161

bei Rachitis kénnen vorkommen, nach O. Schmidt zu Beginn der Krankheit. Doch sind diese Erscheinungen als nicht zur Krankheit gehörig anzusehen; in den Fällen handelte es sich eben um Komplikationen. Schon durch die Berücksichtigung des geringen Grades der Epi- physenveränderungen und der bedeutenden an des Skelettes kann die richtige Diagnose gestellt werden.

Maier, Frankel und andere neue Autoren geben irrtümlich an, daß bei der Osteo- psathyrose als solcher die Epiphysenfugen verbreitert und unscharf sein können, sowie sie auch andererseits meinen, daß bei der Osteomalazie die Fugen unverändert sein können; das letztere bezieht sich offenbar auf die Fälle von Axhausen, welche vom Autor irrtümlich als Osteo- malazie hingestellt wurden, in Wirklichkeit aber Osteopsathyrose sind. Diese Bemerkungen von Maier, Fränkel u. a. sind also ganz unberechtigt, der Unterschied in der Sympto- matologie beider Affektionen ist diesbezüglich keineswegs verschwommen.

Begleiterscheinungen. Im Krankheitsbild der Psathyrose kommen zu der Skelett- affektion keine Begleiterscheinungen vor; bei Malazie dagegen Mattigkeit, Blässe, Abmagerung, nicht selten auch Diarrhöen, Tetanie.

Die Dauer des Leidens beträgt bei der Psathyrose in der Regel viele Jahre, die Krank- heit zieht sich z. B. nicht selten vom 2. bis 20. Jahr; bei der Malazie pflegt die Krankheit nur wenige Jahre zu dauern, sowohl bei leichteren als auch bei schweren Fällen.

Der Verlauf des Leidens zeigt bei der Psathyrose unregelmäßige Schwankungen; bei der Malazie ist er wenigstens bei leichteren Fällen ziemlich gleichmäßig, von Verschlechterung zur kalten Jahreszeit abgesehen, bei schweren Fällen von Malazie ist der Verlauf rasch progredient.

Ausgang. Der Ausgang der Krankheit ist bei der Psathyrose wenn keine Komplikationen hinzutreten meist Heilung; zuweilen allerdings tritt nach vielen Jahren

oder Jahrzehnten Rezidive ein. Die Krankheit selbst; betrifft keine lebenswichtigen Organe.

Aber es sterben die Patienten mit schwerer Deformation des Körpers gewöhnlich vor erreichter Pubertät an Herz-, Nieren- oder Lungenaffektionen es sind wenigstens nur wenige ältere Individuen mit infantiler Psathyrose bekannt (Fälle von Bruck, O. Schmidt). Bei Malazie tritt bei leichten Fällen schon nach Monaten Heilung ein, bei schweren Fällen tritt meist nach einigen Jahren unter zunehmender Blässe und Abmagerung durch allgemeine Ernährungs- störung der Tod ein.

Therapie, Während man gegen Psathyrose noch keine wirksame Therapie kennt, wirkt bei Malazıe, namentlich wenn die Krankheit das Höhestadium überschritten hat, Lebertran und Phosphor günstig ein.

Gegenüberstellung der infantilen Osteopsathyrose und nfantilen Osteomalazie.

| Infantile Osteopsathyrose Infantile Osteomalazie

Familiär? | oft familiär | fast nie familiär betroffenes Geschlecht: beide Geschlechter gleich häufig |anscheinend häufiger weibliches Ge- schlecht

Zeitpunkt des Beginnes

Wichtigste Erscheinungen

ersteBrüche meist bei den ersten Geh- versuchen mit 11/,—2 Jahren, aber auch später, selten zu Beginn der Puber- tät, Krankheit zuweilen angeboren

Brüche, meist an den Beinen, seltener Armen, abgesehen davon keine Schmer- zen (die Fissuren u. Infraktionen werden allerdings oft nicht als solche erkannt), Schmerzen dementsprechend plötzlich an einem Punkte einer Diaphyse auf- tretend, durch gewisse Bewegungen stets provozierbar, schließlich ganz

schwindend, später an anderen Stellen

ähnliche Beschwerden

Fortschritte a. d. Gebiete d. Rontgenstrahlen. XXIII,

meist zu Beginn der Pubertät, aber auch früher vorkommend, Krankheit nie angeboren

allmählich auftretende, fast konti-

nuierliche Schmerzen in den Beinen,

besonders an den Gelenksenden, Druckempfindlichkeit daselbst

2l

|

162

Kienböck.

XXII, 2.

| Infantile Osteopsathyrose | Infantile Osteomalazie

Familiär?

Brüche (Zahl, Art, Hei- lung)

arkuäre Verbiegungen

der langen Röhren-

knochen, Deformation

von Wirbelsäule, Tho- rax, Becken

Dicke, Länge, Struktur der Knochen

Gelenksenden der lan- gen Röhrenknochen, Epiphysenzonen

m besten durch Röntgenuntersuchung nachweisbar

Ossifikationsstadium allgemeiner Infantilismus? Begleiterscheinungen Dauer Verlauf

Ausgang

Therapie

oft familiär

häufig zahlreiche Brüche, z. B. 2 Dtzd., häufigInfraktionen und periostale Quer- frakturen; Heilung verzögert

bogige Krümmungen der langen Röhren-

knochen erst nach Jahren, stärkere

Deformationen am Rumpfskelett erst

im 2. Stadium der Erkrankung, z. B. mit 6 Jahren

lange Röhrenknochen im Dickenwachs- tum allmählich stark zurückbleibend, und zwar die Diaphysen mehr als die Epiphysen betreffend, Längenwachstum nur bei schweren Deformationen im 2. Stadium der Krankheit zurück- bleibend, dann auch Rumpfskelett im Wachstum gehemmt; Struktur im Rönt- genbild porotisch (mikroskopisch: im wesentlichen atrophisch)

Epiphysenperiost nicht verdickt, Epi- physenzonen normal normal, zuweilen sogar etwas voraus nicht vorhanden keine; gutes Aussehen, Wohlbefinden in der Regel viele Jahre, z. B. vom 2.—20. Jahr

unregelmäßige Schwankungen

zuweilen Heilung, z. B. zur Zeit der

Pubertät; die meisten Individuen gehen

aber schon vorher an Komplikationen

zugrunde; manchmal noch Jahrzehnte später Rezidive

noch nicht gefunden

10. Pathogenese.

fast nie familiär

Brüche nur in den sehrfortgeschrittenen

Fällen, nur in sehr schweren Fällen

zahlreiche Brüche; meist Infraktionen

und subfr. Querfrakturen; Heilung verzögert

meist einfach X-Beine oder O-Beine,

zuweilen aber starke Verkrümmung der

Extremitäten, ferner Deformation der

Rumpfknochen, u. zw. bei fortgeschrit- tenen schweren Fällen

bei frühem Beginn des Leidens stark zurückbleibendesDicken-undLängen- wachstum an den langen Röhren- knochen, Diaphysen und Epiphysen in gleichem Maße betreffend; Struktur im Röntgenbild porotisch (mikroskopisch: osteomalazisch)

Epiphysenperiost stark verdickt, Epi- physenzonen oft schwer rachitisch verändert

retardiert, bei frühzeitiger schwerer Erkrankung stark retardiert

vorhanden, bei schweren Fällen mit frühem Beginn starker Infantilismus

Mattigkeit, Blässe und Abmagerung, nicht selten Tetanie, Diarrhöen

meist nur wenige Jahre, nur ausnahms- weise viele Jahre

meist ziemlich gleichmäßig, bei schwe- ren Fällen progredient

Heilung meist nach wenigen Jahren,

bei früh entstandenen, schweren Fällen

nach einigen Jahren Tod an der Krank- heit selbst, an „Erschöpfung“

Lebertran und Phosphor günstig wir- kend, namentlich nach Überschreitung des Höhestadiums

Der Umstand, daß bei der idiopathischen Osteopsathyrose die Knochenaffektion in einer

allgemeinen Atrophie des ganzen Skeletts besteht, weist darauf hin, daß die Krankheit keine primäre Knochenerkrankung darstellt, sondern daß sie auf Erkrankung eines anderen Organes, eines Zentralorganes, speziell einer Blutdrüse beruht, welche einen zur normalen Bildung und Ernährung des Knochensystems notwendigen Stoff erzeugt, eine An- nahme, die übrigens bereits von allen neuen Autoren, z. B. Hartmann, Zesas, Ewald, Bamberg und Huldschinsky ausgesprochen wurde. Auch die Art der Störung der Knochen- bruchheilung spricht deutlich in diesem Sinne. Dem ist noch hinzuzufügen, daß jener Stoff normalerweise dem Knochensystem entweder direkt durch die Blutbahn zugeführt werden könnte

XxII,2. | Uber infantile Osteopsathyrose. 163

oder was wahrscheinlicher ist daß er von einem Teile des Nervensystems benötigt wird, welches dann seinerseits auf dem Wege von trophischen Nerven die Vorgänge im Knochensystem regelt. Allerdings weiß man noch nicht, welche Drüse betroffen ist und ob neben der vor allem und „primär“ erkrankten Drüse noch andere Blutdrüsen mehr oder weniger in Mitleidenschaft gezogen sind. Man besitzt zwar viele Sektionen von Kindern mit angeborener schwerer Knochenbrüchigkeit, welche tot zur Welt kamen oder bald nach der Geburt starben; es zeigten sich aber dabei an keinem der zahlreichen untersuchten Organe Veränderungen, weder an Schilddrüse und Epithelkörperchen, noch an Thymus, Nebennieren, Hypophyse und Zirbeldriise. |

Obwohl wir das Zentralorgan nicht kennen, wäre es doch angezeigt, einen Namen dafür zu schaffen; ich möchte vorschlagen, es „osteotrophisches Organ“ zu nennen; mit dem Aus- druck soll in Zukunft eine Handhabe für die Besprechung der Pathogenese der Krankheit und ein Antrieb zur weiteren Forschung gegeben werden. Da die Individuen weder an Tuberku- lose, noch an Syphilis, noch an andern bekannten Infektionskrankheiten leiden, ist natürlich auch die Natur der Erkrankung des supponierten Organes noch ganz unbekannt.

Dabei kann man nur noch sagen, daß eine Herabsetzung der Funktion, eine Hypo- funktion des osteotrophischen Organes wahrscheinlicher ist als eine Hyperfunktion; denn die Knochenaffektion besteht in einer Atrophie. : i

Überdies kann unsere Erkrankung in mehrfacher Hinsicht, vor allem bezüglich der ver- schiedenen Formen nach dem wechselnden Zeitpunkt des Auftretens, dem verschiedenen Grad und Verlauf, wobei z. T. ein familiäres Vorkommen beobachtet wird, mit dem Myxödem in Parallele gesetzt werden, welches allgemein auf die Erkrankung einer Blutdrüse, u. zw. auf eine Hypofunktion derselben bekanntlich der Schilddrüse zurückgeführt wird.

Gegenüberstellung der nach dem wechselnden Zeitpunkt des Auftretens ver- schiedenen Formen der Psathyrose und des Myxödems (beziehungsweise Kretinismus).

schwerstes angeborenes Myxö- schwerste angeborene Knochenbrüchig- |

dem (kurze Lebensdauer) keit (Totgeburten mit vielen Frakturen oder über lebende Kinder mit vielen Brüchen und kurzer Lebensdauer)

fötale Zeit

schwerster nicht familiär

Säuglings- und frühes Kindes- alter

frühinfantiles Myxödem mit den | gewöhnliche Form der infantilen Psa- ersten Erscheinungen im ersten | thyrose (mit den ersten Brüchen zur Kindesalter Zeit der ersten Gehversuche mit 1*),

bis 2 Jahren)

mittel- und spätinfantiles Myxö- | Psathyrose im mittleren oder späteren dem Kindesalter

zweites Kindes- alter

Erwachsene

meist leichtere Formen inclusive forme fruste

Myxödem der Erwachsenen Psathyrose der Erwachsenen

; os häufig nicht amis familiar |

Wie bereits früher gesagt, erscheint es nicht berechtigt, die Fälle von infantiler Psathy- rose, so wie es Looser, Bamberg und Huldschinsky und andere tun, insgesamt auf eine fötale Erkrankung zurückzuführen und sie dementsprechend als „Spätform der, angeborenen Brüchigkeit“ zu bezeichnen. Kein hinreichender Grund spricht dafür daß alle Fälle mit dem ersten Bruch mit 11/.—2 Jahren angeborene Erkrankungen darstellen sollen; auch wäre es unverständlich, daß es einerseits eine fötale Erkrankung gibt, andererseits

Ä 21*

ur

164 Kienböck. - XXII, 2.

Erkrankungen z. B. bei 12jährigen und Erwachsenen, und daß gerade die nicht angeborenen postnatalen bzw. frühinfantilen Fälle fehlen sollten. Daß bei der infantilen Psathyrose nicht selten ein familiäres Auftreten beobachtet wird mit Erkrankung von Geschwistern oder in der Aszendenz (Fälle von Ekmann, Axmann, Greenish, Graham, His, O. Schmidt, Rebbeling, Axhausen, Lipschütz, Hartmann, Klose), bildet keinen Beweis für den fötalen Beginn der Erkrankung; gerade bei der typischen schweren Osteogenesis imperfecta ist keine multiple Erkrankung von Familienmitgliedern, speziel von Geschwistern, zu bemerken?).

Andere Störungen, welche auf Erkrankung von Blutdrüsen hinweisen würden, werden allerdings bei den Patienten gewöhnlich nicht beobachtet.

Die Kinder zeigen keine allgemeine Entwicklungshemmung, keinen allgemeinen „Infantilismus®, nach der Röntgenuntersuchung ist Ossifikationszustand des Skelettes normal oder sogar etwas zu weit vorgeschritten; nur bei älteren Kindern mit bedeutender Deformation des Körpers und Verurteilung zur Ruhe tritt ein gewisser Grad von Wachs- tumshemmung zutage, vor allem an den Beinen und am Becken, dies hat aber lokale (reflektorische) Gründe. Auch bleibt die Ausbildung des Genitales und der sekun- dären Geschlechtscharaktere nicht zurück.

Ebenso vollzieht sich die geistige Entwicklung des Kindes vollkommen entsprechend.

Die Abwesenheit von Symptomen, welche auf eine gleichzeitige Affektion einer anderen Blutdrüse zu beziehen wären, ist insofern auffallend, als bei Blutdrüsenerkrankungen wie Myxödem, Basedow, Akromegalie meist neben der am meisten (primär) erkrankten Drüse auch andere Drüsen in Mitleidenschaft gezogen zu sein pflegen. Nur Rachitis kommt bei Psathyrose zuweilen vor, doch kann dies nicht weiter verwertet werden.

Ob Hoden und Ovarien auf die Osteopsathyrose einen Einfluß auszuüben imstande sind, ist zweifelhaft; jedenfalls kommt zur Zeit der erreichten Pubertät die Krankheit in manchen Fällen zur Heilung. In anderen Fällen tritt die Psathyrose umgekehrt gerade um die Zeit der beginnenden Pubertät ein.

Eine wirksame Therapie ist für die Erkrankung noch nicht gefunden; daran ist übrigens nicht nur das Dunkel bezüglich der Pathogenese schuld, denn bei Rachitis besitzt man wirk- same Mittel, ohne das Wesen der Krankheit zu kennen. Behandlungen mit Phosphor, Thyreoidin, Thymusextrakt, Pituitrin wurden wiederholt versucht, erwiesen sich aber als erfolglos.

11. Gesamtcharakterisierung der Psathyrose.

Die idiopathische Osteopsathyrose stellt offenbar eine Erkrankung des die normale Er- nährung des Knochensystems regelnden Zentralorganes, des zu supponierenden osteotrophi- schen Organes (wahrscheinlich einer Blutdrüse) vor und zwar eine isolierte Erkrankung des- selben, ohne etwaige gleichzeitige Affektion anderer gleichgeordneter Organe; die Erkrankung dürfte mit einer Herabsetzung der Funktion einhergehen. Es entsteht dadurch am Organismus einfach allgemeine Knochenatrophie und entsprechende Brüchigkeit des Ske- lettes ohne koordinierte Erscheinungen anderer Art. Die Bruchheilung ist in eigentün- licher Weise gestört und verzögert. In dem Mechanismus der Entstehung des Leidens spielt wahrscheinlich zwischen osteophischem Organ und Skelett ein Teil des Nervensystems eine Rolle.

1) Ebenso kommen beim angeborenen Myxödem keine familiären Erkrankungen vor. Selbst wenn es sich um Zwillinge handelt, ist nur der eine mit Myxödem behaftet, der andere aber gesund, wie z.B. der Fall von B. Schick lehrt (Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien, 12. XI. 1914, Wiener klinische Wochenschrift 1915, Seite 23).

XXIII, 2. Uber infantile Osteopsathyrose. 165

Am häufigsten tritt die Krankheit in der Fötalzeit auf, seltener später und zwar um so seltener, je älter die Individuen sind, also demnächst bei Säuglingen und kleinen Kindern überhaupt, wobei die ersten Erscheinungen meist mit 11/,—2 Jahren auf- treten, seltener in der mittleren und späteren Kinderzeit, ganz besonders selten bei Erwach- senen. Ferner erreicht die Krankheit um so höhere Grade, je früher sie auftritt. Tritt sie schon in der Fötalzeit auf („Osteogenesis imperfecta“, ,Osteopsathyrosis foetalis“), so erreicht die Knochenatrophie (Osteoporose) mit entsprechender Brüchigkeit einen ganz besonders hohen Grad, die Individuen sterben schon in utero oder bald nach der Geburt. Tritt die Krankheit aber bei Kindern in frühen oder späteren Kinderjahren oder gar bei Erwachsenen auf, so erreicht die Knochenveränderung, die Zahl der Brüche und allmähliche Deformation des Skeletts einen um so geringeren Grad, je älter das Individuum zur Zeit der Er- krankung war. | |

Bei der Osteopsathyrose der Erwachsenen (mit Beginn zu irgendeiner Zeit nach der Pubertät) ist am Skelett ausschließlich Osteoporose, Brüchigkeit und Störung der Bruchheilung vorhanden. Bei Beginn der Krankheit in der Kindheit (oder Fötalzeit) stellt sich mit zu- nehmendem Alter des Kindes auch noch 2. an den langen Röhrenknochen eine Hemmung im periostalen Wachstum, also im, Dickenwachstum (periostale Hypoplasie) ein; ferner entstehen 8. bogige Verkrümmungen und Abplattungen dieser Knochen und 4. zufolge Atrophie (Weich- heit) der Spongiosen auch Deformationen der Rumpfknochen (Becken, Wirbelsäule, Brustkorb), die ganz an Osteomalazie erinnern, osteomalaziforme Deformationen, wobei diese Knochen auch im Wachstum zurückbleiben. Während mit zunehmenden Jahren die Schlankheit der langen Röhrenknochen immer auffallender wird, bleiben dieselben erst spät und nur wenig ım Längenwachstum zurück (enchondrale Hypoplasie des Skelettes). Diese Wachstumshemmungen und -Störungen an den langen Röhrenknochen und am Rumpfskelett sind als sekundär an- zusehen, als die Folgen der Inaktivität oder wenigstens herabgesetzten Beweglichkeit, bzw. des einseitigen Gebrauches und der einseitigen Belastung oder des andauernden Liegens in fixen Stellungen des Körpers; diese sekundären Veränderungen werden um so hochgradiger, als sie an ohnehin durch die Krankheit selbst in der Ernährung gestörfen Knochen stattfinden. Ursprünglich und im wesentlichen handelt es sich bei der Krankheit bloß um innere, endostale Knochenatrophie (Osteoporose) und zwar wenn es sich um Kinder handelt, um eine endostale Hypoplasie des Skelettes; die epiphysären Wachstums- zonen werden von der Krankheit nicht geschädigt.

Charakteristisch ist, daß die Osteoporose und entsprechende Brüchigkeit des Skelettes bei der fötalen Osteopsathyrose fast alle Knochen gleichmäßig befällt. Bei der infantilen Psathyrose werden begreiflicherweise die langen Röhrenknochen der Beine, dann der Arme am meisten von Brüchen befallen, es treten hier im Laufe von etwa 2 Jahrzehnten mehrere Dutzend Frakturen auf. Die Bruchheilung ist dabei sehr gestört; durch lokale Resorption von Knochensubstanz an den Bruchstellen der Knochen in Form von Resorptions- ringen und Massenresorption und das lange Ausbleiben von festem inneren Kallusknochen kommt es erst sehr spät zu einer Bruchheilung, es ist eine Dis- soziation der normalen reparatorischen Vorgänge zu beobachten. Es bildet sich zwar umfangreicher Periostkallus, dieser genügt aber nicht für die Festigung des Knochens; der Knochen bleibt auch nach scheinbarer Heilung (Scheinheilung) und Abnahme des Ver- bandes weich und verbiegt sich bald wieder. So erfolgt daher auch nach Monaten Heilung unter starker Winkelstellung und Rotation der Teile mit schließlicher bedeutender Deformität der langen Röhrenknochen; diese werden dadurch immer mehr atrophisch und erleiden dann um so leichter neue Frakturen (circulus vitiosus). Dazu kommt noch bei älter werdenden Kindern mit zunehmendem Körpergewicht noch eine osteomalaziforme Verunstaltung des ganzen Rumpfskelettes, so daß die Individuen schließlich oft das Bild äußerster Verunstaltung des Körpers bieten mit bloßer Verschonung des Kopfes, der Hände und Füße.

a Fi

166 Kienböck. XXII, 2.

12. Nomenklatur.

Das Leiden hat bekanntlich viele Namen erhalten, davon ist nur einer und zwar der Terminus „idiopathische Osteopsathyrose“ (Lobstein 1833) anzuempfehlen; Psathyrose heißt Brüchigkeit, Fragilität, hier wird also das klinisch wichtigste Merkmal der Krankheit im Namen hervorgehoben. Der Ausdruck hat sich auch allgemein. eingebürgert, das Wort „Fragilität“ wird im nosologiertem Sinne weniger gebraucht. Die von Vrolik 1849 ein- geführte Bezeichnung ,,Osteogenesis imperfecta“ bezog sich zunächst nur auf die fötale Osteo- psathyrose, der Name ist derzeit unnötig, ebenso wie der Ausdruck ,,Osteogenesis imperfecta tarda“ (Looser 1906) für infantile und erwachsene Fälle unnötig erscheint; noch dazu führt diese Bezeichnung insoferne irre, als damit gesagt werden sollte, daß auch hier wie bei der typischen Osteogenesis imperfecta eine fötale Erkrankung vorliege, was gar nichb zutrifft.

Wenn man in dem Krankheitsnamen die Hemmung des Dickenwachstums der Knochen hervorheben und von „periostaler Dysplasie“ (Schuchardt), „periostaler Dystrophie“ (Porak u. Durante) sprechen wollte (vergleiche „Dysplasia periostalis foetalis“ von Klebs für Osteogenesis imperfecta), so ist dies abzuweisen, da im wesentlichen und primär umgekehrt nur eine endostale Dysplasie vorhanden ist.

Von v. Recklinghausen wurden abermals neue Namen vorgeschlagen: „myeloplastische Malazie* und „hypostotische Malazie der Knochen“, sie sollen den Reichtum des Knochens an Markgewebe auf Kosten der Knochensubstanz hervorheben, doch ist die Markvermehrung auch nach v. Recklinghausen selbst nur eine sekundäre, indem das Mark einfach die großen Räume im porösen Knochen ausfüllt und nicht etwa die Knochensubstanz verdrängt; das Wort Malazie ist aber hier nicht recht am Platze und die neuen Termini dürften daher trotz der

hohen Verdienste von v. Recklinghausen um die Osteologie kaum weitere Verbreitung finden.

Bemerkungen zu den Tafelfiguren,

Tafel IV: Fall I.

Figur 1—5: erste Untersuchung, Figur 6—7: zweite Untersuchung, 14 Monate später.

Tafel V: Fall II.

Figur 8—10: erste Untersuchung, Figur 11—14: zweite Untersuchung, 18 Monate später.

Literatur. W. Anschütz: Über einige seltene Formen der | Axhausen: Zur Frage der Osteomalazie im Kin- Knochenatrophie und Osteomalazie. Mitteil. a. desalter. V. Leuthold-Gedenkschrift II, 1906, d. Grenzgebieten d. Med. u. Chir., Bd. 9, 1902, p. 528. ` p. 361.

Axhhausen: Osteogenesis imperfecta oder frühe Atherthon. Dominion med. Monthly. 1894, II., Osteomalazie als Grundlage der idiopathischen p. 1 (ref. bei Griffith). Osteopsathyrose? D. Zeitschrift f. Chirurgie, Axmann. Annalen f. d. ges. Heilkunde, IV, 1831, Bd. 92, 1908, p. 42. p. 58 (ref. bei Gurlt).

XXIII, 2. Über infantile Osteopsathyrose. 167

K. Bamberg u. K. Huldschinsky: Uber angebo- rene Knochenbrüchigkeit. Jahrbuch f. Kinder- heilkunde, Bd. 78, 1913, zweiter Teil, p. 214. (Nach einem Vortrage im Verein f. innere Medizin u. Kinderheilkunde. Berlin 26. VI. 1911.)

R. Barwell: Extreme deformity from rhachitic osteomalacia. British med. Journal 1882, IL, p. 1155.

M. H. Biggs: Osteopsathyrosis; with review of a case having sustained 22 fractures in a period of ten years. University of Pennsylvania me- dical Bulletin XV. 1903, p. 488.

A. Bruck: Über eine seltene Form der Erkrankung der Knochen und Gelenke. D. med. Woch. 1897, Nr. 10,

K. Buday: Beiträge zur Lehre von der Osteogenesis imperfecta. Sitz.-Berichte der K. Akademie der Wissenschaften, Wien.Mathem.-naturwiss.Klasse. Bd. 104 (1895), Abteil. IH, Heft 1—10, p. 61.

J. S. Bury: A case of osteomalacia in a child. Bri- tish med. Journal, 1884, I., p. 213.

A.de Cortes: Zur Lobstein’schen Osteopsathyrosis. Zeitschrift für orthopädische Chirurgie, Bd. 29, 1911, p. 402. .

H. Doering: Beitrag zur Lebre von der idiopath. Osteopsathyrose. D. Zeitschrift f. Chirurgie, Bd. 77, 1905, p. 284.

Dreesmann: Über chronische Polyarthritis im Kindesalter. Mitteil. aus den Grenzgebieten der Mediz. und Chirurgie, Bd. 18, 1908, p. 829.

Ekmann: Descriptio et casus aliquot osteomalaciae sistens. Dissertatio medica. Upsalae 1788 (ref. bei Gurlt).

E. Enderlen: Zur Kenntnis der Osteopsathyrose. Virchow’s Archiv, Bd. 131, 1893, p. 223.

J. Glöye: Ein Fall von multipler Knochenbrichig- keit. In.-Dissertat. Kiel, 1904.

P. Ewald: Osteopsathyrosis idiopathica. Zeit- schrift für orthopädische Chirurgie, Band 33, 1913, Seite 634.

E. Fränkel: Röntgenologische Untersuchungen bei einem Fall von Osteogenesis imperfecta. Zeit- schrift f. Röntgenkunde und Radiumforschung, Bd. XV, 1913, Seite 179.

D. Graham: Brittle bones. Boston med. and sur- gical, Journal, 1884, I., vol. 110 p. 467 (ref. bei Griffith).

R. W. Greenish: A case of hereditary tendancy to fragilitas ossium. Brit. med. Journal 1880, I, p. 966.

Cr. Griffith: Idiopathic Osteopsathyrosis in in- fancy and childhood. Amer. Journal of med. sciences. vol. 113, 1897, I., p. 426.

Gurlt. Handbuch der Lehre von den Knochen- brüchen. I. Teil, Berlin 1862.

J. Hartmann: Zur Frage der Osteopsathyrosis idiopathica. D. Zeitschrift für Chirurgie, Bd. 111, 1911, p. 383.

K. Hochsinger: Über Osteopsathyrosis foetalis. Wiener klin. Wochenschrift, 1908, Nr. 46, P. 1617, l

Howell. Atlanta med. and. surg. Journal XXV, 1884, p. 82 (ref. bei Griffith).

Jacquinelle. Journal de Méd., Chir., Pharm. etc., vol. 77, 1788, p. 267 (ref. bei Gurit etc.).

R. Kienböck: Ein Fall von Fragilitas ossium uni- versalis. Fortschritte Röntgenstrahlen, Bd. XV, 1910, p. 143.

E Klebs. Allg. Pathologie. Jena 1889.

E. Klose: Zur Kenntnis der Osteopsathyrosis idio- pathica. Monatsschrift für Kinderheilkunde, Bd. 12, 1914, S. 347.

L. Lange: Idiopathische Osteopsathyrose. Münchner medizin. Wochenschrift 1900, Nr. 25.

R. Levy u. K. Ludloff: Die neuropathischen Ge- lenkerkrankungen und ihre Diagnose durch das Röntgenbild. Beiträge zur klin. Chirurgie, Bd.63, 1909, p. 399 (Fall 12 wahrscheinlich nicht Tabes, sondern Osteopsathyrosis).

A.Lipschütz: Über idiopathische Osteopsathyrose. Berliner klin. Wochenschrift, 1908, p. 866.

E. Looser: Zur Kenntnis der Osteogenesis imper- fecta congenita et tarda (sogen. idiopathische Osteopsathyrosis). Mitteilungen a. d. Grenz- gebieten d. Med. u. Chir., Bd. XV, 1906, p. 161.

R. Maier: Die röntgenologischen Grundlagen der

idiopathischen Osteopsathyrose. Zeitschrift f.

orthopädische Chirurgie, Bd. 27, 1910, p. 145.

M. Matsuoka: Ein Beitrag zur Lehre von der idiopathischen Osteopsathyrose. D. Zeitschrift f. Chirurgie, Bd. 98, 1909, p. 407.

E. Mayerhofer: Osteopsathyrosis foetalis bei einem Neugeborenen. Gesellschaft f. innere Medizin u. Kinderheilkunde, Wien, 8.Mai 1913.

R. Meslay: Osteomalacie infantile. Revue men- suelle des maladies de l’infance, XV, 1897, p. 49.

S. Miura: Beitrag zur Kenntnis der Osteopsathy- rosis idiopathica. Jahrbuch f. Kinderheilkunde, XXIII, 1911, p. 545. |

Peiser: Demonstration mehrerer Fälle von Osteo- psathyrosis idiopathica. Vers. d. Naturf. u. Arzte 1907. |

Peiser: Über Osteopsathyrose im Kindesalter. Verh. d. Ges. f. Kinderheilkunde, Dresden 1908,

168

K. Pfeiffer: Über die Ostitis fibrosa, Genese und Therapie der Knochencysten. Beiträge zur klin. Chirurgie, Bd. 53, 1907, Seite 473.

C. Porak u. G. Durante: Les micromélies con- genitales (Achondroplasie vraie et dystrophie périostale). N. Iconographie d. 1. Salpêtrière XVIII., 1905, p. 481.

R. Preiswerk: Ein Beitrag zur Kenntnis der Osteogenesis imperfecta. Jahrbuch f. Kinder- heilkunde, Bd. 76, 1912, S. 40.

A. Rebbeling: Uber idiopath. Osteopsathyrose. In.- Dissert. Leipzig 1902.

E. Roos: Schwere Erkrankung im Kindesalter, Osteomalacie? Rachitis? Zeitschrift f. klin. Me- dizin, Bd. 50, 1903, p. 74.

O. Schmidt: Ein Beitrag zur Kenntnis der sog. Osteopsathyrosis idiopathica. In Dissert. Leip- zig 1901.

Schönfeld und Friedl.

XXIII, 2.

K. Schuchardt: Die Krankheiten der Knochen und Gelenke. Deutsche Chirurgie, XXVIII, 1899.

F. Schultze: Beitrag zur idiopathischen Osteo- psathyrose. Archiv f. klin. Chirurgie, Bd. 47, 1894, p. 327.

M. Sternberg: Vegetationsstörungen u. System- erkrankungen der Knochen. Nothnagels Hand- buch, Bd. VII, II. Teil, 2. Abteilung, 1899.

M. Sumita: Beiträge zur Lehre von der Chondro- dystrophia foetalis (Kaufmann) und Osteo- genesis imperfecta (Vrolik) mit Berücksich- tigung der anatomischen und klinischen Diffe- rentialdiagnose. D. Zeitschrift f. Chirurgie, Bd. 107, 1910, p. 1.

D. G. Zesas: Beitrag zur Pathologie der idiopathi- schen Osteopsathyrose. D. Zeitschrift f. Ohi- rurgie, Bd. 123, 1913, S. 380.

L. Scholz: Über Osteopsathyrosis. Jahrbuch für Kinderheilkunde, Bd. 76, 1912, S. 30.

Aus dem Zentral-Röntgeninstitute des Kaiser-Jubiläumsspitales der Stadt Wien. Vorstand: Dr. August Schönfeld.

Zur Pyelographie der kompletten Doppelniere, in einem Falle mit Hydronephrose kombiniert. Von Dr. Schönfeld und Dr. Friedl. (Hierzu Tafel VI.)

Während von pathologisch-anatomischer Seite die komplette Doppelniere schon des öfteren einer genaueren Untersuchung unterzogen wurde, finden wir in der röntgenologischen Literatur nur spärliche Angaben über diesen Gegenstand,

Unsere mit Kollargollösung vorgenommenen Füllungen des Nierenbeckens haben uns die . Überzeugung gebracht, daß gerade bei päthologisch verändertem Becken durch die Kollargolinjektion keine Gefahr für die Niere entsteht. Wir sind ferner zur Erkenntnis ge- kommen, daß das Kollargol auch dem normalen Nierenbecken bei einigermaßen vorsich- tigem Einspritzen und sofortiger Sistierung desselben beim Auftreten des geringsten Spannungs- gefühles in der Nierengegend vollkommen ungefährlich ist.

Diese Methode vertieft aber wesentlich unsere Kenntnisse von den pathologischen Ver- änderungen des Nierenbeckens und -parenchyms und gibt ein vollständiges, äußerst sinnfälliges Bild des erkrankten Organes schon vor der Inangriffnahme der Operation.

Im folgenden möge über zwei instruktive Fälle von kompletter Nieren- und Ureteren- verdopplung berichtet werden, von denen der zweite Fall eine röntgenologisch in der Literatur noch nicht beschriebene Kombination mit Hydronephrose des unteren Nierenbeckens aufweist. Besonders dieser letztere Fall zeigt, mit welcher Exaktheit die Pyelographie im Zusammen- arbeiten mit den modernen urologischen Untersuchungsmethoden diagnostisch schwer. zugäng- liche Probleme glatt zu lösen imstande ist. |

XXIII, 2. Zur Pyelographie d. kompl. Doppelniere, in einem Falle mit Hydronephrose kombiniert. 169

L Fall. Am 20. X. 1913 wurde auf die urologische Abteilung des Kaiser- Jubiläums- spitales (Vorstand: Dr. Kroiß) der 29jährige K. Sch. mit zystitischen Krankheitserscheinungen aufgenommen.

Gelegentlich der Zystoskopie fand man linksseitig zwei knapp nebeneinander liegende schlitzförmige Ureterostien, die abwechselnd funktionierten und einen klaren Urin entleerten. Rechts fand man ein zartes schlitzförmiges, normal funktionierendes Ureterostium.

Zur weiteren Klarstellung des Falles und zur Entscheidung, ob nur eine einfache Uretern- doppelbildung oder auch eine Doppelniere vorhanden sei, und ob pathologische Veränderungen am Nierenbecken oder -parenchym nachweisbar seien, wurde der Patient ins Röntgeninstitut gewiesen, um an ihm die Pyelographie vorzunehmen.

Zu diesem Zwecke wurde der Kranke durch Abführmittel und Irrigationen gut entleert und zwei Tage auf blande Diät gesetzt.

Am 2. XII. 1913 wurde unter der Leitung des Zystoskops auf der urologischen Abteilung in das mediale Ostium der linken Blasenseite ein homogener Bleikatheter, in das laterale ein graduierter Wismutkatheter eingeführt. Nach Entfernung des Zystoskops wurden die beiden Katheterenden durch Heftpflasterstreifen in ihrer Lage fixiert.

So vorbereitet wurde der Patient ins Röntgeninstitut gebracht und mit Hilfe der Albers- Schönbergschen Kompressionsblende die Nieren- und Uretergegend eingestellt. Zur Kom- pression des Abdomens, zur Wegdrängung des Darminhaltes und zur Fixierung der Niere wurde zwischen den Patienten und die untere Apertur des Kompressionsblendenrohres von 13 cm Durchmesser eine dicke Luffaschwammpelotte eingepreßt. Bei geringer kaudaler Neigung des Blendenrohres wurde nun mit dem Hochspannungsgleichrichter mit weicher Röhre bei einer Belastung von 24 Milliampere in 1'/, Sekunden in Atemstillstand diese, wie auch die folgen- den Aufnahmen gemacht.

Auf dem Röntgenbilde (Fig. 1) wir den linken, unteren Nierenpol in der Höhe des III. Lendenwirbelquerfortsatzes projiziert. Der Nierenschatten ist ca. 6 cm breit, die Konturen sind regelmäßig und infolge der kurzzeitigen Aufnahme scharf. Der Parenchymschatten ist durchaus homogen.

Die beiden Ureterensonden sieht man bis zum Nierenhilus vorgeschoben.

Das obere Ende des homogenen Bleikatheters projiziert sich in dem Schatten der XII. Rippe zirka 1 cm oberhalb des Querfortsatzes des I. Lendenwirbels in die Paravertebrallinie. Das Ende des graduierten Wismutkatheters liegt zirka 1 cm lateral und kranial vom II. Lenden- wirbelquerfortsatze. Die Distanz beider Katheterenden beträgt ungefähr 3 cm.

Der Bleikatheter verläuft in einem leicht medial konvexen Bogen nach unten, über- schneidet in der Höhe des I. Lendenwirbelquerfortsatzes den Psoasrand, zieht dann, die Quer- fortsätze der Lendenwirbel überkreuzend, über die Synchondrosis sacroiliaca hinweg fast sagittal ins kleine Becken und biegt in einer steileren, lateral konvexen Kurve vom unteren Ende der Synchondrosis gegen die Blase zu ab.

In einer Distanz von 1 cm lateral vom Bleikatheter liegt der Wismutkatheter, der in der Höhe des lI. Lendenwirbelquerfortsatzes den Psoasrand schneidet und konvergierend zum anderen Katheterschatten verläuft, um dann knapp neben diesem ins kleine Becken hinabzu- ziehen. Hierauf entfernt er sich wieder vom Bleikatheter, um 1 cm lateral von diesem in die Blase zu münden.

Nirgends sieht man eine Kreuzung der beiden Katheterschatten. Die Länge des ein- geführten, graduierten Wismutkatheters beträgt vom Blasenostium bis zur Spitze im Hilus 20 cm.

Hierauf wurden durch den graduierten Katheter 30 cm? einer 5 *foigen Kollargollösung injiziert und abermals eine Aufnahme gemacht.

Auf dieser (Fig. 2) sieht man das untere Nierenbecken mit Kollargol gefüllt. Dieses ist

schlank und teilt sich in einen aufsteigenden Ast von zirka 2 cm Länge und 0,8 cm Breite und Fortschritte a. d. Gebiete d. Rintgenstrahlen. XXIII. 22

170 Schönfeld und Friedl. XXII, 2.

einen absteigenden Ast von etwa 2,5 cm Länge und 1 cm Breite Die Einmündungsstelle des Ureters ins Nierenbecken projiziert sich in den Schatten der XII. Rippe, in der Höhe der Band- scheibe zwischen I. und II. Lendenwirbel. Seine Breite beträgt 0,8 cm. Die Kalizes lassen normale Gestalt erkennen und zeigen deutlich die Form der hineinragenden Papillen als napf- formige Schattenaussparung.

Jetzt wurde die Kollargollösung abgelassen und durch den Bleikatheter 4 cm® der 5°/,igen Kollargollösung eingespritzt, wobei sofort spannende Schmerzen in der Nierengegend auftraten.

Das in Fig. 3 wiedergegebene Bild zeigt das kollargolgefüllte obere Becken der Niere. Die Einmündungsstelle des Ureters ins Nierenbecken ist 0,5 cm breit und liegt 1 cm lateral vom Querfortsatze des XII. Brustwirbels. Die Papillen münden mit einem ganz kurzen Teil in das ziemlich kleine Becken, das von dem etwa 1 cm breiten Schatten der XI. Rippe fast ganz überdeckt wird.

Eine Kommunikation zwischen den beiden Nierenbecken besteht nirgends.

Der am weitesten kranial gelegene Nierenkelch des unteren Nierenbeckens liegt in der Höhe des oberen Wirbelkörperrandes des I. Lendenwirbels. Der am tiefsten kaudal gelegene Kalix des oberen Nierenbeckens liegt in der Höhe des unteren Randes des XII. Brustwirbel- körpers. Die Distanz beider beträgt ungefähr 0,6 cm. Das untere Nierenbecken ist etwa fünf- mal größer als das obere, beurteilt nach der Größe der Kollargolschatten und der in beide Becken eingeführten Kollargolmenge. Es handelt sich in diesem Falle um eine komplette Doppelniere mit zwei getrennten Nierenbecken von normaler Größe.

Der II. Fall J. Pl. wurde ebenfalls von der urologischen Abteilung dem Réntgeninstitute wegen Harnbeschwerden pyelozystischer Natur zur Untersuchung zugewiesen. Auch in diesem Falle ergab die auf der urologischen Abteilung vorgenommene Zystoskopie rechts ein zweites akzessorisches Ureterostium. Zirka 3 mm nach oben und außen vom normalen rechten Ostium lag eine kraterförmige Öffnung von etwa */, cm Durchmesser, die sich rhythmisch verkleinerte und in Intervallen von 1—3 Minuten einen trüben Flüssigkeitsstrahl entleerte. Das zweite rechte und das linke Ostium funktionierten normal und entleerten einen klaren Urin.

Um über den Verlauf der Ureteren, über die Form und Größe der Niere und insbesondere über die pathologischen Verhältnisse des unteren Nierenbeckens der anscheinend vorhandenen Doppelniere näheren Aufschluß zu erhalten, wurde bei dem Patienten die Pyelographie aus- geführt. Es wurde ähnlich wie im vorigen Falle am 4. XII. 1913 in die beiden rechtsseitigen Ureterenostien, u. zw. ins laterale Ostium ein homogener Bleikatheter, ins mediale ein graduierter Wismutkatheter eingeführt, worauf die erste Aufuahme gemacht wurde.

Der untere Nierenpol wird in Fig. 4 durch das gasgefüllte Kolon gedeckt. Ganz auf- fallend ist auf diesem Bilde der Verlauf der Ureterenkatheter. Verfolgen wir zuerst den medial verlaufenden graduierten Wismutkatheter. Sein oberes Ende sieht man in der Höhe des I. Lendenwirbels 27/, cm lateral und 1 cm oberhalb seines Querfortsatzes; er zieht dann in flachem, lateral konvexem Bogen abwärts, schneidet in der Höhe des Querfortsatzes des lI. Lendenwirbels den Psoasrand und verläuft in flacher Kurve über die Wirbelkörper des IV. und V. Lendenwirbels sowie über die Massae laterales der rechtsseitigen Hälfte des Kreuz- beins und wendet sich dann wieder medialwärts gegen die Blase zu. Seine Länge beträgt bis zum Blasenostium 28 cm.

Ganz anders verläuft der lateral gelegene Bleikatheter. Sein oberes Ende sieht man an ganz abnormer Stelle 6 cm lateral vom Querfortsatze des IV. Lendenwirbels, also sehr tief liegend, nur 1,5 cm oberhalb des Darmbeinkammes; er zieht dann in flachem, kranial konvexem Bogen medialwärts, schneidet in der Höhe der Bandscheibe des IlI. und IV. Lendenwirbel den Psoasrand, sich dem Wismutkatheter bis auf 1 cm nähernd, und geht nun, einen ähnlichen Verlauf wie dieser einschlagend, über den Wirbelkörper des V. Lendenwirbels und die lateralen

XXIII, 2. Zur Pyelographie d. kompl. Doppelniere, in einem Falle mit Hydronephrose kombiniert. 171

Partien des Kreuzbeines hinab ins kleine Becken. Die Distanz zwischen beiden Kathetern be- trägt maximal 27/, cm.

_ Der Bleikatheter nähert sich nun immer mehr dem Wismutkatheter, je tiefer er ins kleine Becken eintritt und berührt diesen fast in der Gegend des II. Kreuzbeinloches. Hier biegt der Bleikatheter nach außen ab, zieht in flachem Bogen gegen die Blase und mündet lateral vom Wismutkatheter in dieselbe ein. Eine Kreuzung wird nirgends beobachtet.

Hierauf wurden durch den Wismutkatheter 18 cm? einer 5°/,igen Kollargollösung ein- gespritzt und eine zweite Aufnahme gemacht,

Auf diesem Bilde (Fig. 5) ist das obere Nierenbecken durch Kollargolfüllung zur Dar- stellung gebracht. Die Einmündungsstelle des Ureters ins Nierenbecken liegt in der Höhe des I. Lendenwirbelquerfortsatzes. 1*/, cm lateral von demselben. Das etwa 11/, cm breite, schlanke Becken teilt sich in einen 1 cm breiten kraniomedial und einen ebenso breiten horizontal nach außen verlaufenden Ast von je 2 cm Länge. Kalizes und Papillen sind normal geformt. Der aus dem Nierenbecken austretende Ureter ist bis zu seiner Knickungsstelle in der Gegend des I. Lendenzwischenwirbelraumes breit mit Kollargol gefüllt, so daß man den Eindruck gewinnt, als ob auch bei diesem Ureter, der die Knickung des zweiten bedingende pathologische Prozeß zu einer allerdings nur geringgradigen Verengerung dieses Lumens geführt habe. Von hier ab verschmälert sich der Schatten des neben dem Katheter in die Blase herabgeflossenen Kollargols, erscheint aber immerhin in seinem ganzen weiteren Verlaufe breiter als normal. Es scheint sich offenbar um eine, wenn auch nicht hochgradige Erweiterung des ganzen Ureters zu han- deln. Dieser Befund kontrastiert mit dem relativ kleinen Nierenbecken.

Jetzt ließ man das Kollargol aus dem oberen Nierenbecken abfließen, worauf 70 cm® einer 5°/, gen Kollargollösung durch den Bleikatheter ohne irgendwelche Schmerzen auszulösen injiziert wurden. Hierauf wurde wieder röntgenographiert. |

Fig. 6 zeigt das obere Nierenbecken bis auf einen kleinen Kollargolrest entleert. Das jetzt durch Kollargollösung zur Darstellung gebrachte untere Nierenbecken zeigt eine abnorme pathologische Vergrößerung und ist in einen Sack von etwa 11 cm Länge und 6 cm Breite umgewandelt. Medial reicht dieser Sack knapp bis zum Wismutkatheter; lateral ist er hand- breit von der Mittellinie entfernt. Nach oben reicht er bis zum I. Lendenwirbelquerfortsatz, nach unten 1'/, cm proximal vom Darmbeinkamm. An der kranial lateralen Seite ist der dichte homogene Kollargolschatten in vier fast parallel zueinander liegende, zapfenförmig nach außen und oben vorspringende Schattenherde aufgelöst. Die Länge derselben beträgt zirka 21], cm, die Breite schwankt zwischen 0,7 cm bis fast 3 cm. Die zwischengelagerten Schatten- aussparungen sind 2—4 mm breit. Die Deutung dieses Befundes ist klar. Es handelt sich um mächtig dilatierte Kalizes, die in einen weiten, hydro-nephrotischen Sack münden. Das Parenchym der Niere und der Papillen ist geschwunden und es bestehen nur mehr die binde- gewebigen Septen. Der untere Teil der Doppelniere ist auf einen kleinen Rest zusammen- geschrumpft. Ferner sieht man auf diesem Bilde genau den merkwürdigen Verlauf des zu- gehörigen, ebenfalls mit Kollargol gefüllten, Ureters. Derselbe ist stark dilatiert, 6—8 mm breit und beginnt an der kaudal lateralen Seite des bydronephrotischen Sackes. Er liegt scharf nach der medialen Seite in beinahe rechtem Winkel umbiegend, zieht sich dann längs der unteren Wand des Sackes medialwärts und erscheint nochmals nach unten in einen Winkel von mehr als 90° abgeknickt. In seinem weiteren Verlaufe findet sich unterhalb des IV. Len- denwirbelquerfortsatzes noch eine dritte, leicht geknickte Stelle. Dadurch ist natürlich auch der Verlauf des Bleikatheters auf Fig. 4 erklärt. Infolge der Erweiterung des Ureters hat er die unteren Knickungsstellen überwunden, mußte sich aber an der Austrittsstelle des Ureters aus dem hydronephrotischen Sack verspießen. Durch die scharfe Abknickung an dieser Stelle gelang es auch dem Urologen nicht, trotz einiger Kraftanwendung, den Katheter noch weiter vorzuschieben.

Da es sich nach diesem von uns abgegebenen Befunde um eine Pyonephrose mit bei- 22*

172 Schönfeld und Friedl. XXII, 2.

nahe vollständiger Zerstörung des Nierenparenchyms handelte, wurde am 6. XII. 1913 auf der urologischen Abteilung von Primarius Dr. Kroiß die erkrankte Niere exstirpiert.

Das Präparat wurde ebenfalls röntgenographisch aufgenommen. Es bestätigt, wie in Fig. 6 zu sehen ist, vollkommen den röntgenologischen Befund. Die obere Nierenhälfte der Doppelniere hat das Aussehen einer normalen Niere und zeigt ein normal breites Parenchym mit einem relativ kleinen Nierenbecken, genau entsprechend der Form, die schon das Pyelo- gramm erkennen ließ. Der Ureter ist verbreitert, insbesondere unmittelbar nach seinem Aus- tritt aus dem Nierenbecken. Kaudal und lateral von der oberen Nierenbälfte sieht man die vier dilatierten Kalizes, die in den hydronephrotischen Sack münden und nur mehr durch dünne, bindegewebige Septen voneinander getrennt sind. Das Parenchym der Niere ist nahezu vollständig geschwunden. Der zugehörige Ureter zeigt genau die aus dem früheren, vor der Operation aufgenommenen Röntgenbilde erschlossenen Verhältnisse, insbesondere auch die ge- knickten Stellen.

Die Annahme ist nun naheliegend, daß die Knickungen des Ureters die Ursache der hydronephrotischen Entartung der unteren Nierenhälfte waren, denn sie müssen schon vor- handen gewesen sein, bevor es zur Hydronephrose kam. Es entsteht nun die Frage, wo ur- sprünglich der untere Ureter ins Nierenbecken einmündete? Das Operationspräparat zeigt, daß die Gefäßversorgung von einem gemeinsamen Stiel aus erfolgte, und daß der zur unteren Nierenhälfte ziehende, dünne, arterielle Ast vom gemeinsamen Stiel in der Höhe des oberen . Nierenhilus abzweigte. Man kann nun annehmen, daß die Einmündungsstelle des unteren Ureters ursprünglich, ähnlich dem oberen Ureter, auch an der medialen Seite der Niere er- folgte und daß die jetzige Mündungsstelle etwas Sekundäres, durch die Hydronephrose Bedingtes ist. Auch die vier Kalixreste weisen auf diese ursprüngliche Lage des Beckens hin. Nehmen wir nun an, wir hätten ähnlich wie im zuerst beschriebenen Falle eine Doppelniere mit nor- mal großem Becken vor uns, nur mit dem Unterschiede, daß der untere Ureter knapp an seiner Einmündungsstelle ins Nierenbecken abgeknickt wird, so muß, wenn es infolge dieser Abknickung zur Harnstauung im Nierenbecken kommt, sich das Nierenbecken dilatieren, und zwar nach der Seite des geringsten Widerstandes hin, also medialwärts, da hier der Paren- chymmantel ganz dünn ist, teilweise sogar fehlt. Die Ureterenmündung selbst wurde in die Auf- weitung der Nierenbeckenwand nicht mit aufgenommen, wohl deshalb, weil die geknickte Partie derselben fest mit der Nierenbeckenwand verwachsen war, und der Dilatation bedeutenderen Widerstand leistete, als die anderen Wandpartien. Die Folge war, daß entsprechend der Aus- dehnung des Nierenbeckens an der medialen Seite die Uretermündung immer mehr kaudalwärts rückte. Die einzelnen Knickungen markieren sozusagen die einzelnen Etappen dieses Tiefer- rückens. Gleicht man alle Knickungen aus, so sieht man, daß der supponierte Ureter genau dieselbe Richtung nach oben einschlägt, wie der obere Ureter. Rückt der Ureter tiefer, indem die Nierenbeckenwand sich dehnt, so muß derselbe, da er in die Ausweitung des Beckens nicht mit aufgenommen wurde, sich in einer mehrfach gebrochenen Linie nach unten außen wenden. Je mehr sich das Becken ausdehnt, um so mehr weicht der Ureter lateral, bis er schließlich an dem tiefsten Punkte angelangt ist. Die Knickungsstelle, wo der Bleikatheter sich verspießt, wäre nach unserer Meinung als die ursprüngliche Abknickungsstelle und Ursache der Stauung anzusehen,

Vergleicht man unsere beiden in vivo diagnostizierten Fälle mit den in der pathologisch anatomischen Literatur beschriebenen, so findet man, daß in diesen, ebenso wie in unseren Fällen gewisse Erscheinungen immer wiederkehren, und zwar zunächst die eine Tatsache, daß das obere Nierenbecken in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle bei uns in beiden kleiner ist als das untere. In den elf von Wimmer genauer beschriebenen Doppelnieren war dies bei neun der Fall; nur bei zwei Fällen waren die Nierenbecken der Doppelniere an- nähernd gleich groß. Eine Erklärung für diese Erscheinung hat man bis jetzt noch nicht gefunden.

XXIII, 2. Zur Pyelographie d. kompl. Doppelniere, in einem Falle mit Hydronephrose kombiniert. 178

Desgleichen hat es den Anschein, daß das untere Nierenbecken mehr Tendenz zeigt, hydronephrotisch zu entarten, vorausgesetzt, daß beide Ureteren annähernd normale Mündungs- verbältnisse in der Blase aufweisen. So berichtet Wimmer über zwei Fälle von Hydrone- phrose des unteren Beckens; Sternberg beschreibt einen ähnlichen Fall, ebenso Steiner.

Diejenigen in der Literatur beschriebenen Fälle, bei denen eine Hydronephrose des oberen Nierenbeckens vorlag, zeigen alle ein abnorm weit kaudalwärts gewandertes Blasenostium des oberen Ureters. In diesen Fällen gelangte das Ostium in den Wirkungsbereich des Sphincter vesicae, der das Ostium bei der Kontraktion verschließt, was natürlich zur Harnstauung mit kon- sekutiver Hydronephrose des oberen Nierenbeckens führen mußte. (Fälle von Kolisko, Rein- feldner, Weigert, Tangl.)

Die viel diskutierte Ureterenkreuzung, der nach der Meinung Meyers keine besondere Bedeutung zukommt, fehlte in unseren beiden Fällen. Sie ist jedenfalls eine inkonstante Er- scheinung und zeigt, wo sie auftritt, auch kein konstantes Verhalten. Weit regelmäßiger und dem klinischen Nachweis mittels der Zystoskopie relativ leicht zugänglich, ist die Lage der Ureterenostien in der Blase zueinander.

Fast immer, und auch so in unseren Fällen, findet man die folgenden zwei von Weigert und Meyer aufgestellten Regeln bestätigt: 1. Der tiefer mündende Ureter kommt vom oberen Nierenbecken. 2. Von zwei nebeneinander liegenden Ureterenmündungen gehört die mediale dem oberen Ureter an.

Diese Erscheinung erklärt sich auch entwicklungsgeschichtlich in ganz einfacher Weise,

Da nach Pohlmann-Meyer ursprünglich die beiden Ureteren kaudal kranial voneinander in den primären Harnleiter, den Wolffschen Gang, einmünden und sich zunächst an der dor- salen Wand befinden, im weiteren Wachstum aber an die laterale Wand desselben rücken, so daß der vom unteren Nierenbecken kommende Ureter kaudal, der vom oberen Nierenbecken kommende kranial liegt, so nimmt Meyer eine Drehung dieses Mündungsgebietes um eine sagittale Achse an, so daß dann das ursprünglich kaudal gelegene Ostium des unteren Ureters lateral von dem des oberen zu liegen kommt, womit eigentlich noch nicht erklärt ist, warum das Ostium des oberen Ureters oft kaudal von dem des unteren liegt.

Wimmer gibt folgende viel plausiblere Erklärung dieser Verhältnisse. Der primäre Harnleiter (Wolffscher Gang), der zum Trigonum wird, weitet sich auf, indem sein Ostium in die sich ausdehnende Seitenwand des Sinus urogenitalis aufgenommen wird. Da diese Auf- weitung des primären Harnleiters bis über die Einmündungsstelle der beiden Ureteren in den- selben geht, so wird der kaudal mündende Ureter des unteren Nierenbeckens sich früher an diesem Prozeß beteiligen, als der kranial davon mündende obere Ureter. Die Folge ist, daß der untere Ureter bereits seitwärts in die Sinuswand übergewandert ist, während der obere Ureter noch immer median in den Sinus mündet. Dieses Verhältnis bleibt auch später be- stehen, wenn der obere Ureter in die Sinuswand aufgenommen wird. Am Ende der Ent- wieklung mündet dann der aus dem oberen Nierenbecken kommende Ureter medial vom unteren Ureter in die Blase. Nun entwickelt sich der Sinus nicht nur nach der lateralen, sondern auch nach der kranial ventralen Seite hin, so daß also der zuerst in die Sinuswand über- gehende untere Ureter nicht nur lateral, sondern auch oft kranial von dem oberen mündet.

174 Albers-Schönberg. XXIII, 2.

Aus dem Röntgeninstitut des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg, Hamburg. I. Eine seltene, bisher nicht bekannte Strukturanomalie des Skelettes’). Von Prof. Albers-Schönberg. (Hierzu Tafel VII, Fig. 1—4.)

Die in folgendem beschriebene eigentümliche Anomalie des Skelettes wurde zufällig bei der Röngenuntersuchung eines gesunden Soldaten gefunden. Meines Wissens ist ein ähnlicher oder gleicher Fall bisher nicht bekannt geworden.

Soldat K., 22 Jahre alt, im Zivilberuf Emaillebrenner. Der Vater lebt, die Mutter ist im Wochen- bett gestorben. 6 Geschwister leben und sind gesund, 2 Geschwister sind als kleine Kinder ver- storben.

Patient ist 1910 von einem Pferde gegen Brust und rechte Schulter gequetscht worden und hat infolgedessen eine Lungenentzündung durchgemacht, sonst war er in seinem Zivilleben stets gesund.

Er kam 1912 zum Militär und mußte im ersten Dienstjahr wegen Sehnenscheidenentzündung in der rechten Schultergegend im Garnisonlazarett Hagenau behandelt werden. Im zweiten Dienstjahre, bei der Feldbäckerei tätig, hatte er wiederum Schmerzen in der rechten Schulter und bedurfte abermals der Lazarettbehandlung.

Während des Krieges hat er bis zum heutigen Tage alle Strapazen gut überstehen können. Zur- zeit ist er ins Lazarett geschickt wegen rechtsseitiger Schulterschmerzen, die so stark sind, daß er den Arm nicht ordentlich heben kann. Ferner wegen Schmerzen und Schwellung des linken Fußes,

Patient hat 2'/, Monate Schützengrabendienst getan und sehr unter der Nässe gelitten.

Die äußere Untersuchung ergibt eine mäßige Schwellung der erkrankten Schultergegend.

Bei der Röntgenuntersuchung des Schultergelenks und Fußgelenks ergab sich kein patho- logischer Befund, dagegen fiel sofort folgende Skeletteigentümlichkeit auf:

Verteilt über die gesamten Fußknochen, mit Einschluß des unteren Teiles von Tibia und Fibula, finden sich etwa linsengroße Verdichtungsherde, ähnlich den bekannten Kompaktainseln. Diese Flecke stehen mit ihrer Längsachse stets in der Längsachse des betreffenden Skelett- teils. Am Kalkaneus kann man deutlich erkennen, wie sie dem Knochenbälkchenzug der Struktur folgen. An den übrigen Fußwurzelknochen ist ein gleiches Verhalten zu beachten. An der Tibia und Fibula stehen sie ausgesprochen in der Längsachse dieser beiden Knochen. Die Zahl der Verdichtungsherde ist so groß, daß das gesamte Röntgenbild gesprenkelt aussieht. Die Größe der einzelnen Herde ist verschieden; sie schwankt zwischen 4—5 cm und 2—3 mm in der Längsrichtung. Stellenweise, namentlich aın unteren Teil der Tibia und des Femur, treten größere Schatten auf, die auch konfluieren und zu leistenartigen Gebilden werden. Die Knochenverdichtung ist vorwiegend in der Spongiosa lokalisiert, jedoch tritt sie stellenweise auch scheinbar in die Kortikalis ein. Sie überschreitet jedoch nirgends die Oberfläche, da die Knochenprofile durchaus scharfrandig erscheinen. Die Diaphyse der Tibien ist größten- teils frei von diesen Verdichtungen, jedoch greifen sie in das obere und untere Drittel über. Stellenweise finden sich auch unregelmäßige Flecken, die nicht den spindelförmigen Charakter der übrigen Herde innehalten, aber trotzdem keinen diffusen Charakter zeigen, son- dern scharfrandige Begrenzungen haben. Am ausgesprochensten sind die beiderseitigen Knie- gelenke betroffen. Besonders im distalen Ende des Femur sind zahlreiche, auch leistenartige Flecke vorhanden. Diese sind im zentralen Ende der Tibia kürzer. Die Patella ist völlig

1) Vorgestellt auf dem wissenschaftlichen Demonstrationsabend im Krankenhause St. Georg, Ham- burg, am 19. III. 1915.

XXIII, 2. Skelettanomalie von atavistischem Interesse usw. 175

frei und zeigt normale Struktur. Die Femurdiaphyse ist ebenso wie die Tibiadiaphyse: frei. Der Femur zeigt vom Trochanter minor an wiederum eine ausgeprägte Fleckung, die genau dem Bälkchenzug des Collum femoris folgt und sich bis hinein in den Kopf erstreckt. Im Femurkopf selber finden sich auch rundliche Flecken, während an den übrigen Skeletteilen die Linsenform überwiegt. |

Die Hüftgelenkspfanne ist umgeben von Flecken, die sich indessen nicht weit in das Deum resp. Os ischü erstrecken. Die Beckenschaufeln sind frei, doch finden sich am äußeren Rande des Ileum einzelne Verdichtungsherde.

Sehr ahflich ist der Befund im Schultergelenk. Auch hier treten die Flecke im distalen Einde der Diaphyse und besonders auf der Epiphyse auf. Sie liegen am dichtesten in der Gegend der Epiphysenlinie. Auffallend ist das starke Prominieren des Tuberculum minus am linken Hamerus. Die Affektion überschreitet das Schultergelenk nur in geringem Maße, die Gelenkpfanne, sowie der Proc. coracoid. sind gefleckt, die Skapula und die Klavikula sind frei. |

Besonders markant, auch schon wegen der besseren Durchleuchtungsmöglichkeit, sind die Flecke im Handgelenk und auf den Handknochen. Sie gruppieren sich an der Epiphyse von Radius und Ulna und auch im distalen Drittel des Radiusschaftes. In den Handwurzelknochen sind sie deutlich zu erkennen, ganz besonders aber heben sie sich auf den Mittelhandknochen heraus. Hier sieht man sie größtenteils in der Spongiosa liegen, aber auch scharf an die Kortikalis, scheinbar mit ihr zusammenhängend, herantreten. Die Form ist meist linsen- oder lanzettförmig, oder an den Köpfchen der Metakarpen rund. Sie unterscheiden sich aber von den Sesambeinen deutlich. Nicht alle Flecke sind kompakt, sondern, was besonders an der linken Phalanx des Daumens zu erkennen ist, auch kreisförmig, mit helleren Zentren. Die Phalangen sind beiderseits annähernd gleichmäßig gesprenkelt. Bis hinauf zu den Endphalangen sind die Herde erkennbar. Völlig frei scheinen die Wirbelsäule, Schädelknochen, Schulterblatt, Klavikula und die Patella zu sein.

Aus der Anamnese ergibt sich kein Anhaltspunkt für die Affektion. Lues und Tuberku- lose sind auszuschließen. Ob der Beruf als Emaillebrenner zu der Anomalie in Beziehung steht, läßt sich nicht entscheiden.

Die epiphysäre Lokalisation spricht, wie auch Grashey, mit dem ich über den Fall korrespondierte, meint, für einen Prozeß der Wachstumsperiode, allerdings erstrecken sich einige Inseln ziemlich weit hinauf in die Diaphysen, wie dieses auch bei kartilaginären Exostosen vorkommt. Die Anschwellung des Tuberc. minus am Humerus erinnert an eine Exostose.

Es handelt sich wohl um eine belanglose Erscheinung, die jedenfalls niemals klinische Bedeutung gewonnen zu haben scheint. Eine Brüchigkeit der Knochen liegt trotz des ver- mehrten Kompaktasubstrates nicht vor, denn Patient hat heftige Traumen erlitten, ohne daß es jemals zu einem Knochenbruch gekommen wäre.

Il.

Bualotanpane von atavistischem Interesse, Proc. supra- condyloideus oder entepicondyloideus. (Hierzu Tafel VII, Fig. 5—6.)

Fig. 5, Tafel VII zeigt den selten vorkommenden Proc. entepicondyloideus. Die Auf-

nahme stammt von einem 28jährigen Stationsmädchen P. L. Sie wurde vor ihrer Anstellung `

im Krankenhause ärztlich untersucht und gesund befunden. Das einzige von der Norm Ab- weichende war eine scheinbare Exostose, die an der medialen Seite des linken Humerus deutlich zu fühlen war. Patientin selber wußte hiervon nichts, da sie ihr niemals Beschwerden verur- sacht hatte. An der entsprechenden Seite des anderen Armes war nichts zu fühlen. Das

176 Albers-Schönberg. XXIII, 2.

Mädchen ist stets völlig gesund gewesen, bis auf einen als Kind durchgemachten Typhus. Die Mutter lebt, der Vater starb an Herzleiden, 2 Schwestern leben und sind gesund.

Bei der Röntgenuntersuchung fand sich eine zunächst als Exostose angesprochene Zacke an der medialen Seite des Humerus, etwa 7 cm oberhalb des Ellenbogengelenks. Die Korti- kalis ist an dieser Stelle nicht verändert, der nach unten gedrehte Knochenhaken zeigt deut- liche Strukturzeichnung. Er hat an seinem oberen Rande einen kortikalisähnlichen schmalen Saum, an seiner Spitze ist die Struktur aufgehellt. Dieser Processus findet sich bei niederen Menschenrassen, vielen Säugetieren, Reptilien und Amphibien. Ihm kommt nach Plate-Jena atavistische Bedeutung zu. l

Ein zweiter Fall vom Proc. entepicondyloideus wurde von Grashey beobachtet und in seinem Atlas publiziert. Auch hier fand sich ein fülılbarer kleiner Höker am Humerus, der sehr druckempfindlich war. Die Röntgenuntersuchung ergab indessen, daß es sich aller Wahr- scheinlichkeit nach um einen solchen atavistischen Knochenfortsatz handelte.

Inzwischen habe ich drei weitere dem beschriebenen gleiche Fälle beobachtet (Fig. 6).

Über den Proc. entepicondyloideus schreibt H. Bluntschli, mit dem ich über diesen Atavismus korrespondierte, das Folgende:

„Processus supracondyloideus, im wissensch. Sprachgebrauch der vergleichenden Anatomie Processus entepicondyloideus. Er ist ein Rest einer Knochenbrücke, die vom Innenrande am unteren Ende des Humerusschaftes zum Epicondylus medialis tritt und so einen Knochen- kanal bildet, der bei sehr vielen Säugetieren!) angetroffen wird. Eine volle Ausbildung dieser Knochenbrücke ist beim Menschen meines Wissens nie beobachtet. Dagegen ist der Ausbildungsgrad des Fortsatzes sehr wechselnd. Geringe Bildungen sind nicht selten. Volle Ausbildung wird angeblich in etwa 1—2°/, angetroffen. In letzteren Fällen findet sich stets ein Ligament zum medialen Epikondylus, von dem, häufig auch vom Knochen- vorsprung, der Pronator teres entspringt und unter dem der N. medianus und die Art. brachi- alis [wenn die normale Brachialis und nicht ein oberflächlicher Verlauf vorliegt] durchtritt. Es liegen also streng charakterisierte morphologische Befunde vor, ganz analog zu den Ver- hältnissen bei niederen Säugetieren mit ausgebildetem Knochenkanal. Da sich funktionelle Faktoren, die eine Neuausbildung herbeigeführt haben könnten, nicht aufdecken ließen, sieht man den Fortsatz als Atavismus an. Sicher ist ferner, daß die Bildung im Knorpelstadium der Ontogenie nicht regelmäßig besteht, was nicht ausschließt, daß man dieselbe Varietät viel- leicht auch einmal bei einem Embryo aufdecken wird. Wie bei vielen atavistischen Varietäten, die nur noch singulär auftreten, ist es auch hier möglich, daß schon die Anlage in der Regel unterdrückt wird und daß, wo die Anlage sich findet, sich wohl auch der Fortsatz später knöchern gezeigt haben würde. Es ist hier auf dem Präpariersaal (ich babe jetzt 14 Jahre Praxis) aufgefallen, daß schwache, oft kaum merkliche Ausbildungsgrade gar nicht selten sind. Man findet dann nur eine schwache Knochenkante von kurzem Verlauf. Ich schätze deren Vorkommen auf mindestens 10°/,. Ob Rassenunterschiede auch in Europa vorkommen, ist fraglich, aber nicht unmöglich. In Zürich sah ich zahlreichere Fälle als in Heidelberg. Das kann aber auch Zufall sein. Die Angaben über häufiges Vorkommen bei niederen Rassen sind sehr mit Vorsicht aufzunehmen. Es gibt viele ähnliche Angaben, die bei genauerer Prüfung sich als nicht stichhaltig erwiesen. Die exakte Anthropologie des Gliedmaßenskelettes steckt noch in den Kinderschuhen. Wenn Sie wieder Fälle des Fortsatzes am Lebenden nachweisen, wäre familiäre Untersuchung von hohem Interesse und würde wahrscheinlich gehäuftes Vor- kommen ergeben. Wir wissen z. B. von Über- resp. Unterzahl der Rippen, daß diese Zustände, wenn auch nicht genau, im gleichen Ausbildungsgrad familiär vererbt werden. Ob Mendelismus mitspricbt, ist ungewiß. Nach der Richtung dieser familiären Forschung wäre sicher Wert- volles zu ergründen und der Kreis der zu Untersuchenden auf die weitere Familie zu ziehen,

1) Z. B. Katze, Igel usw.

XXIII, 2. Uber Strahlen, die bei der Funkenentladung in atmosphärischer Luft entstehen. 177

d. h. nicht nur auf die direkten Aszendenten und Deszendenten zu beschränken. Möglich ist

- auch, daß bei männlichen Individuen die Häufigkeit des Vorkommens größer wäre, da die ©

stärkere Ausbildung der Muskeln, damit auch des Pronator teres, die Veranlassung zu zäherem Bewahren des alten Erbteiles sein könnte.“

Über Strahlen, die bei der Funkenentladung in atmosphärischer Luft entstehen. . Von Prof. Dr. med. Max Levy-Dorn (Berlin) und Dr. phil. Baxmann (Berlin) ?).

Wiedemann?) hat vor Entdeckung der X-Strahlen im Jahre 1895 gefunden, daß ein elektrischer Funken in atmosphärischer Luft ein „Etwas aussendet, das sich geradlinig fort- pflanzt, durch alle festen und flüssigen Körper aufgehalten wird, sich von den bis dahin bekannten Strahlenarten unterscheidet und durch die Fähigkeit, Thermolumineszenz auf geeignete Körper zu.erzeugen, erkannt werden kann“. Wiedemann nannte diese Strahlen, die von Funken ausgehen, Entladungsstrahlen!

Willibald Hoffmann?) brachte 1897 eine ausführliche Studie darüber, in der er die Beobachtungen Wiedemanns wesentlich bereicherte. Auch Hoffmann bediente sich zum Nachweis der Entladungsstrahlen der Thermolumineszenz, Er empfiehlt am meisten Gips (CaSO,), dem ein wenig NaSO, beigefügt ist, als Reagenz zu benutzen. Diese Mischung leuchtet beim Erwärmen unter dem Einflusse ultravioletten Lichtes schwach, unter dem der Entladungsstrahlen stark grün. |

Die Entladungsstrahlen gehen nach Hoffmann von allen Stellen der Funkenbahn, etwas stärker aber von der Kathode aus. Die Natur der Elektrodensubstanz hat keinen Einfluß auf sie, in Büscheientladungen entstehen sie nicht. Sie lassen sich auch bei niedrigem Druck gewinnen, nehmen aber dann allmählich die Fähigkeit an, die Körper gemäß ihrer Dichte zu durchdringen und nähern sich dann den Röntgenstrahlen. Auch Hoffmann hebt als wesent- liche Eigenschaft der Entladungsstrahlen ihre leichte Absorbierbarkeit hervor, selbst ultra- violettes Licht durchlassende Körper halten die Entladungsstrahlen zurück. Sie werden von einem Magneten nicht abgelenkt, durch Kohlensäure erheblich stärker als durch Sauerstoff absorbiert.

J. J. Thompson‘) studierte das Verhalten der Entladungsstrahlen beim Durchgang durch Gase mittels einer Ionisationskammer. Auch Thompson stellt fest, daß die Entladungsstrahlen bereits durch atmosphärische Luft stark, durch Wasserstoff weniger, durch Kohlensäure in noch höherem Grade absorbiert werden. Geht der Funke zwischen dünnen Elektroden über, welche dabei in Weißgluht geraten, so werden die Entladungsstrahlen reichlicher ausgesandt als bei dicken Elektroden. Ein kontinuierlicher weißglühender Platindraht (also ohne Funken) erzeugt dagegen keine Entladungsstrahlen. Die Strahlung wird durch einen Luftstrom nicht beeinflußt.

Aus einer Arbeit von E. R. Laird’) sei hier angeführt: Die Strahlung geht von der ganzen Länge der Funkenstrecke aus. Aluminium von 0,004 mm; sehr dünne Platten aus Glas oder Glimmer heben die Wirkung auf die Ionisationskammer vollständig auf; dünnste Celluloidfolie läßt die Strahlung durch. Ihr Einfluß auf die Ionisation und die Thermolumines-

1) Da die Versuche seit Februar vorigen Jahres aus äußeren Gründen nicht fortgesetzt werden konnten, haben wir uns entschlossen, die bisherigen Ergebnisse zusammenzustellen,

*) Zeitschrift für Elektrochemie. 1895. S. 159.

5) W. Hoffmann: Uber Entladungsstrahlen und einige Beziehungen derselben zu den Kathoden- und Röntgenstrahlen. Annalen der Phys. u. Chem. N. T. Bd. 60. 1897.

4) J. J. Thompson. Proceeding, Cambridge, Philosophical. Ser. 10, pag. 74. 1899. „On the conductivity of Gases exposed to Entladungsstrahlen.*

5) Laird: Ionisation produced by Entladungsstrahlen etc. Phys. Review XXX. 1910, p. 293.

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 23

178 Levy-Dorn und Baxmann. XXIII, 2.

zenz gehen parallel. Es bewirkt keinen Unterschied, ob man Elektroden aus Messing oder Aluminium anwendet. Eine Luftsäule von 6 cm absorbiert die Hälfte der Strahlung.

Thompson!) erklärt die Wiedemannschen Entladungsstrahlen als Folge starker Be- schleunigung von Elektronen durch die elektrische Spannung und sieht in ihnen ein Analogon der Röntgenstrahlen.

Die Versuche von Thomas Tomasius?), welche für eine „Pyroradioaktivität® sprechen sollen, sind nicht einwandfrei.

Alle genannten bei der Funkenentladung in atmosphärischer Luft entstandenen Strahlen besitzen eine ungemein kleine Durchdringungsfähigkeit und werden daher leicht von allen Körpern, selbst der Luft, absorbiert. Hierdurch unterscheiden sich die Strahlen wesentlich von denen, welche der eine von uns?) kürzlich beschrieben hat, deren Durchdringungsfähigkeit derjenigen der Röntgenstrahlen nahe kam. In den Versuchen, deren Ergebnisse dort beschrieben sind, hatte sich eine Fehlerquelle eingeschlichen. Nach deren Beseitigung blieben aber nur noch so geringe Mengen von den Strahlen übrig, daß wir keine genaue Analyse mehr an- stellen konnten. |

Die bisherigen Mitteilungen können daher erst genauer nachgeprüft werden, wenn es gelungen ist, die Strahlenquelle genügend zu verstärken.

Wir wollen nunmehr die uns einwandsfrei scheinende Versuchsordnung und die hierbei erhaltenen Ergebnisse wiedergeben.

Für den Nachweis der vom Funken ausgehenden Strahlung diente ein Elektrometer mit aufgesetzter Ionisationskammer. Die elektrometrische Methode hat vor der photographischen den Vorteil größerer Genauigkeit und Schnelligkeit der Messung. Das benutzte Elektrometer war ein Wulffsches Zweifadenelektrometer mit Mikroablesung. Die Aufladung der Fäden geschah mittels der städtischen Netzspannung.

Bei den Vorversuchen ergaben sich eine Reihe von Störungen infolge der Einwirkung von Hochspannung und Hochfrequenz auf das Elektrometersystem. Da die Funkenstrecke sich in einer Entfernung von etwa 15 cm von der Zerstreuungskammer befand und die Zuleitungen und die Funkenstrecke selbst unter einer Spannung von etwa 100000 Volt standen, so war es nötig, die statischen Wirkungen der Hochspannung auf das Elektrometer durch sorgfältige Erdung zu beseitigen. Als Erde wurde der Nulleiter der Lichtleitung und die Gasleitung benutzt. Weit schwieriger waren die Störungen durch hochfrequente Schwingungen zu be- heben. Bekanntlich stellt die Sekundärspule eines Induktors oder Transformators und die Funkenstrecke selbst nebst Zuleitungen ein schwingungsfähiges System dar, dessen Schwingungs- zahl nach anderweitig vorgenommenen Messungen von der Größenordnung von 10000000 pro Sekunde ist. Es zeigte sich nun, daß trotz sorgfältiger Erdung des Elektrometers, und ob- wohl das elektrometrische System mit Ausnahme der zur Ablesung der Fadenstellung nötigen Öffnung metallisch abgeschlossen war, beim Einsetzen des Funkens erhebliche Schwankungen der Elektrometerausschläge zu verzeichnen waren. Nach einigem Probieren wurde folgende Versuchsanordnung, die nachstehend skizziert ist, als vollkommen einwandsfrei befunden: Der Zerstreuungsstift Z des Elektrometers E wurde mit einem feinmaschigen Metallnetz N um- geben. Über das Elektrometer wurde ein Kasten aus Eisenblech gestülpt. Die unteren Kanten des Kastens tauchten in eine mit Quecksilber gefüllte Rinne ein, die auf ein als Boden dienen- des Eisenblech aufgenietet war. In den Deckel war eine Öffnung eingelassen, die mit Alu-

1) J. J. Thompson: Elektrizitätsdurchgang in Gasen (übersetzt von Dr. E. Marx). Leipzig. B. G. Teubner. 1906, p. 508.

*) Thomas Tomasius: Constation d’une radioactivité induite sur les corps par l’emanation des fils métalliques incomdescents. Compte rendu, séance du 9. mai 1904, S. 1157 et Bibliothèque uni- verselle, Arch. des sciences phys. et natur. Bd. 17. Genéve 1904.

*) Max Levy-Dorn: Erzeugung von Radioaktivität aus nicht radioaktiven Elementen. Berliner klin. Woch. 1913. Nr. 35 u. 45.

XXIII, 2. Über Strahlen, die bei der Funkenentladung in atmosphärischer Luft entstehen. 179

miniumfolie von 0,15 mm Stärke abgedeckt wurde, so daß also das elektrometrische System nochmals durch eine vollkommen geschlossene metallische Hülle geschützt war. Der Eisen- kasten war mit dem Nulleiter und der Gasleitung verbunden. In die eine Erdleitung wurde außerdem ein Kondensator C eingeschaltet, um das schwingungsfähige System „Erdleitung- Kasten“ gegen das System ,,[nduktor-Funkenstrecke-Zuleitungen* völlig zu verstimmen. Auf diese Weise war es möglich, die elektrometrischen Absehungen trotz unmittelbarer Nähe der

z.Nullleiter A 2.6asleiter

Fig. 1.

Funkenstrecke mit einer Genauigkeit von 1°/, zu machen. Der Gang der Versuche war folgender: Die Funkenstrecke F wurde passend eingestellt und durch Regulierung des Primär- stromes des Induktors I eine bestimmte Funkenfolge und Milliamperezahl gewählt. Dann wurde der Eisenkasten vom Elektrometer abgehoben und der Faden nebst Zerstreuungsstift mittels der Netzspannung aufgeladen. Nach Ablesung der Fadenstellung wurde der Kasten wieder aufgesetzt und der durch die natürliche Ionisation der Luft bedingte Zusammenfall der Elektrometerfäden eine bestimmte Zeitlang beobachtet. Dieselbe Beobachtung wurde nach

z.Netz EN i i Ö N 5.0 0 z.Netz

Amperemeter J

F Milliamperemeter

Fig. 2.

Neuaufladung des Elektrometers gemacht, während gleichzeitig die Funkenstrecke lief. Eine dritte Beobachtung zur Kontrolle der Störungsfreiheit wurde gemacht, indem der Deckel des Kastens nebst der mit Aluminium bedeckten Öffnung mit ca. 5 mm Blei sorgfältig abgedeckt wurde und die Funkenstrecke wie bei der zweiten Beobachtung betrieben wurde. Diese drei Beobachtungen wurden einige Male wiederholt und dann die Versuchsbedingungen geändert. Variiert wurde der Abstand der Funkenstrecke vom Elektrometer, die Länge der Funken- strecke, die Milliampérezahl und das Material der Funkenelektroden. Wie schon oben erwähnt, war die gemessene lonisationswirkung so gering, daß die Unterschiede bei den einzelnen Ver- suchen hart an der Grenze der Versuchsfehler liegen. Zur Erläuterung diene das folgende Protokoll:

I. II. III. IV. vV. VI. Natiirliche Neturliche Differenz Wie III., aber Beobachtungszeit RR Ionisation u. Abdeckung Bemerkungen Ionisation IL.. Funkenstrahlung mit Pl.

5 Minuten 29,8 33,3 3,5 32,4 en i i ntfernung der Funkenstrecke á 29,7 32,8 3,1 30,6 vom Elektrometer 14,5 cm. k 80,2 83, 2,8 32,1 Länge der Funkenstrecke 12 cm.

Skalenteile des Elektrometers. 23*

180 Stoppel. XXII, 2.

Wie aus dem Protokolle ersichtlich, sind die Differenzen zwischen Spalte II und Spalte III sehr gering. Die vermehrte Ionisation unter der Einwirkung der Funkenstrahlung beträgt maximal etwa 10°), der natürlichen Ionisation und war in anderen Protokollen noch geringer. Jedenfalls war es nicht möglich, regelrechte Absorptionsversuche durchzuführen. Ebenso ließen sich die oben angeführten Variationen nicht einwandsfrei diskutieren.

Aus dem Knappschaftskrankenhaus im Fischbachtal (Chefarzt Dr. Drüner).

Uber einen Fall von beiderseitiger Fraktur der I. Rippe. Von Dr. Stoppel, Medizinalpraktikant. (Hierzu Tafel VIII.)

Bei den äußeren Gewalten am meisten ausgesetzten Rippen, nämlich der 5., 6., 7., ist eine Fraktur recht häufig, nach Helferich 10°/, aller Frakturen überhaupt. Dagegen finden wir bei den untersten sehr beweglichen und bei den obersten, durch ihre Lage geschützten Rippen nur selten eine Fraktur.

Vor einiger Zeit konnten wir einen Fall beobachten, der mir wegen seiner großen Selten- heit in der mir zur Verfügung stehenden Literatur fand ich keinen derartigen der Ver- öffentlichung wert erschien. Es handelte sich um eine beiderseitige Fraktur der 1. Rippe, von denen die eine noch eine Doppelfraktur zeigte.

Ich lasse zunächst das wichtigste aus der Krankengeschichte folgen:

Am 20. Mai abends wurde hier ein Bergmann (F. S., 30 Jahre) eingeliefert, der vor zwei Stunden verunglückt war. Der Mann, ein Hauer, gab betr. der Anamnese folgende Auskunft. Er sei 20 Minuten vom Hauptschacht in einem Bremsschacht beim Verbauen beschäftigt gewesen. Beim Legen einer Firstenbank (große Holzklötze, die dazu dienen, die hangende Kohlendecke zu stützen) sei er ausgerutscht und die 2 m hohe Stroß (in Kohlen oder Felsen gehauene Tritte) herunter gefallen. Dabei habe er die Holzbank, die, aus Tannenholz be- stehend, etwa 31/, m lang gewesen sei und 25 cm im Durchmesser betragen habe, loslassen müssen, und diese sei ihm auf die linke Schulter und auf die linke Rückenseite gefallen; wie er gefallen sei, wisse er nicht anzugeben, da er bewußtlos geworden sei.

Der Aufnahmebefund war folgender:

Patient ist bei vollem Bewußtsein.

Auf der Stirn einige, etwa 6 cm lange, striemenartige, saggital verlaufende, oberflächliche Hautwunden. |

Die linke Schulter steht etwas tiefer als die rechte, sie hat nicht die Wölbung wie die rechte, es besteht starker Druckschmerz auf dem Akromion. Armbewegungen sind nach allen Richtungen ausführbar, übersteigen sie 45 Grad, so werden sie schmerzhaft.

Es besteht leichte Druckempfindlichheit neben der ganzen Brustwirbelsäule links.

Am linken Rand des Brustbeinkörpers sieht man im Verlauf des 1. bis 3. Rippenknorpels eine Verdickung, die schmerzhaft ist.

Herz und Lungenbefund sind vollständig regelrecht. Der Urin ist frei von Eiweiß, Zucker und Formbestandteilen.

Er klagt über Schmerzen hinten im Rücken beim Atemholen. |

Nach diesem Befunde wurde die Diagnose auf Schulterprellung und Riickenquetschung mit Verdacht auf Rippenfraktur gestellt.

Das angefertigte Röntgenstereogramm (Format 30:40, Fokalabstand 78 cm, Basis 6'/, cm) ergab eine Fraktur der 2. bis 5. Rippe links dicht am Rippenwinkel und, wofür bei der Unter- suchung keine Symptome zu finden gewesen waren, eine Fraktur der 1. Rippe links. dicht am

XXIH, 2. Zwei merkwürdige Schußverletzungen. 181

Rippenknorpel und eine Doppelfraktur der 1. Rippe rechts dicht am Rippenknorpel und unter der Clavicula, zugleich eine Luxation der rechten Clavicula im Sternoclaviculargelenk nach hinten unten. (S. das Réntgenstereogramm; die Verkleinerung ist im Format 9: 12 angefertigt, Basis 6,5 cm, pseudoskopisch.)

Eine darauf vorgenommene nochmalige Untersuchung “ergab besonders rechts Aue einem

geringen Tieferstehen der Clavicula an der Incisura jugularis nichts, keine Schmerzempfindlich-.

keit in der Gegend der 1. rechten Rippe.

Jetzt nach vierwöchentlicher Behandlung fühlt Patient sich so, daß er außer geringen Schmerzen im Rücken beim Atemziehen und einer mäßigen Herabsetzung der Bewegungs- fähigkeit im linken Schultergelenk beschwerdefrei ist; er wird in den nächsten Tagen mit entsprechender Unfallrente entlassen.

Was den Entstehungsmechanismus dieser Fraktur angeht, so läßt er sich wohl auf folgende Weise erklären. Patient rutscht aus, ist dadurch gezwungen, den Holzbalken loszu- lassen; dieser schlägt ihm auf die linke Schulter und auf die linke Rückenseite, frakturiert dort direkt die 2. bis 5. Rippe dicht am Rippenwinkel; der Thorax ist dadurch weniger auf der linken Seite fixiert, oben nur noch durch den Bogen der 1. Rippe; die 1. Rippe links wird indirekt frakturiert an der Stelle ihres geringsten Widerstandes bzw. des größten Biegungs- momentes, d. i. bei den Rippen im vorderen ‚Abschnitt die Gegend, in welche der knöcherne Teil mit dem knorpeligen in Verbindung steht. Dadurch ist die linke Thoraxhälfte mobilisiert, das Brustbein weicht nach links ab; der rechte knöcherne Ring ist an der ersten Rippe am festesten: die Rippe bricht an der Stelle ihrer stärksten Krümmung unter der Clavicula durch, wie bei einem Bogen, dessen Enden durch einen Druck einander genähert werden, wobei dann der mittlere Teil nach außen zerspringt. Mittlerweile ist Patient nach vorn gefallen, schlägt auf die rechte Clavicula ‘auf, diese luxiert nach hinten und zerschlägt den unter ihr liegenden sternalen Teil der Rippe dicht am Knorpelansatz; gleichzeitig zieht Patient sich die Stirn- wunden zu.

Aus der Kriegslazarettabteilung ..... Chefarzt: Generaloberarzt Prof. Kölliker.

Zwei merkwürdige Schußverletzungen. Von Stabsarzt Dr. Winkler, Röntgenologen der Abteilung.

Im folgenden sollen zwei vom röntgenologischen Standpunkte interessante Schußver- letzungen geschildert werden.

1. Bartholomäus Sch... .... erlitt am 17. 12. 14 einen Schrapnellschuß ins Gesicht. Der kleine schlitzförmige Einschuß fand sich an der linken Nasenseite in Höhe des Augenwinkels (siehe Bild); ein Ausschuß war nicht vorhanden. Die Sonde gelangte in den unteren Nasen- gang, doch konnte das GeschoB weder von der Wunde noch vom Naseneingang aus gefühlt werden. Das Nasen- und Tränenbein war zersplittert; das Auge unverletzt; Gehirnerscheinungen bestanden nicht. Es wurden 3 Röntgenaufnahmen gemacht, und zwar okzipito-frontal, dextro- sinistral und kranio-mental; letztere in der Weise, daß auf einem Löffel, wie ihn die Zahnärzte zu Oberkieferabdrücken benützen, der zugeschnittene, in Guttapercha gehüllte Film in den Mund eingeführt und bei geschlossenem Munde fest gegen den harten Gaumen angepreßt wurde. Das Ergebnis war der Nachweis einer Schrapnellkugel zwischen der mittleren und der unteren Muschel in der linken Nasenhälfte. Die Größe des Geschosses steht in starkem Gegensatze zu der kleinen Einschußöffnung. Die Entfernung gelang mühelos durch Erweiterung des Ein- schusses, nachdem Versuche, das Geschoß durch die vordere oder hintere Nasenöffnung zu extrahieren, gescheitert waren (Prof. Kölliker). Ausgang in Heilung.

182 Grossmann. XXIII, 2.

2. Clement M., 83. franz. Linien-Inf.-Regt., wurde am 12. 12. 14 durch Gewehrschuß am Halse verletzt. Der kleine, schlitzförmige Einschuß fand sich an der rechten Halsseite vor dem Kopfnickermuskel; auf der gleichen Höhe an der linken Halsseite wurde unmittelbar unter der Haut ein kleiner, unregelmäßig runder, harter Fremdkörper gefühlt, welcher als das Projektil angesprochen wurde. Keinerlei Schluckbeschwerden, keine Sprechstörung; nur am ersten Tage etwas Blut im Speichel.

Die seitliche Röntgenaufnahme ließ dicht unter dem Zungenbein nahe der vorderen Fläche des entsprechenden Halswirbelkörpers einen erbsengroßen rundlichen Schatten erkennen; das dorso-ventrale Bild zeigte den unregelmäßig geformten Schatten an der linken Halsseite dicht unter der Haut in entsprechender Höhe. Das Projektil muß bei dem vollständigen Fehlen jeglicher Beschwerden von seiten des Kehlkopfes und der Speiseröhre zwischen letzterer und der Halswirbelsäule hindurch seinen Weg von rechts nach links genommen haben, ohne eines dieser wichtigen Organe wesentlich zu verletzen; gewiß ein merkwürdiger Schußkanal! Die Entfernung gelang durch einfachen Hautschnitt, wobei ein deformierter, von einem Infanterie- geschoß herrührender Bleisplitter gefunden wurde. (O.-A. Dr. Basl.) Der Verwundete, welcher gleichzeitig eine Schußverletzung am rechten Schulterblatte erlitten hatte, wobei wohl der Blei- splitter abgesprungen und in den Hals eingedrungen ist, hefindet sich auf dem Wege der Heilung.

Die Röntgenaufnahmen wurden mit der Einrichtung des von der Firma Reiniger, Gebbert & Schall (Erlangen) gelieferten Feldröntgenwagens hergestellt.

Über die Sekundärstrahlen als Gefahrquellen. Von Dr. G. Grossmann-Charlottenburg.

Die Herren Czermak und Dessauer schreiben in ihrem kürzlich erschienenen Artikel „Über das Röntgenstrahlenspektrum“!) folgendes: „Man weiß, daß im Röntgenstrahlenspektrum Gefahrenpunkte liegen, d. h. daß es Strahlen gibt, bei deren Einfall zahlreiche Metalle, die man auch als Filter oder Konstruktionsteile der Röntgenapparate benutzt, in sehr heftige und biologisch sehr wirksame Sekundärstrahlung verfallen.“ Weiter führen die Herren aus, daß im Interesse der Herabsetzung dieser Gefahr „jenes Instrumentarium praktisch am meisten zu bevorzugen sein wird, das ein möglichst gleichmäßiges und reichhaltiges Röntgenstrahlen- spektrum liefert“. Auch teilen die Herren mit, daß der Reformapparat ein solches Gemisch zu liefern, also der genannten Forderung zu genügen scheint.

Die Schlußfolgerungen der beiden Autoren bezüglich der Beschaffenheit der günstigsten Stromquelle leuchteten mir von vornherein so wenig ein, daß ich mich veranlaßt gefühlt habe, über die „gefährliche“ Wirkung der Sekundärstrahlen ähnliche Betrachtungen und Rechnungen anzustellen, wie ich solche über ihre therapeutische Wirkung vor kurzem durchgeführt und in einer Arbeit zusammengestellt habe. Da ich nun meine Annahme, daß die Ausführungen der Autoren nicht stichhaltig sind, bestätigt gefunden habe, so kann ich nicht umhin, diese im folgenden kritisch zu beleuchten, umsomehr als die Gefahr besteht, daß durch den Artikel mancher Röntgenologe zu falschen Anschauungen und zu einer ganz irrigen Be- urteilung der bestehenden 'Therapieapparate verleitet werden könnte.

Die Gefahr einer von der Sekundärstrahlung herrührenden Verbrennung ist dann am größten, wenn die Sekundärstrahlung von den nämlichen Hautpartien aufgefangen wird, durch

die die Primärstrahlung in den Körper eintritt. Wir wollen diesen schlimmsten Fall voraus-

1) Fortschritte, Bd. XXII, S. 337 u. ff.

XXIII, 2. Über die Sekundärstrahlen ala Gefahrquellen. 183

setzen, wie er beispielsweise bei der in der Therapie üblichen Anwendung von Strahlenfiltern vorliegt. Die vom Filter auf dessen Emergenzseite in Richtung der Primärstrahlung aus- gesandte Sekundärstrahlung die wir im folgenden kurz als Emergenzstrahlung bezeichnen wollen dringt in den Patienten durch dieselbe Pforte ein wie die Primärstrahlung, so daß sich die Wirkungen beider einander überlagern.

Die dem Filter entweichende Emergenzstrahlung besteht aus zwei Komponenten: aus der 8-Strahlung und aus der Fluoreszenzröntgenstrahlung (charakteristische Sekundärstrahlung) der Filtersubstanz. Da sich die 6-Strahlen bereits in einer Luftschicht von wenigen Millimetern Dicke und in einer Hautschicht von weniger als ?/,, mm Dicke totlaufen, so lassen sie sich

bereits dadurch unschädlich machen, daß man zwischen den Patienten und das Filter ein '

Blatt Papier fügt oder zwischen ihnen einen kleinen Luftabstand wahrt. Wır wollen daher von den $-Strahlen ganz absehen und unsere Betrachtungen allein auf die zweite Komponente einschränken. Wir wollen im folgenden unter Emergenzstrahlung ausschließlich die Fluoreszenz- röntgenstrahlung des Filters verstehen. |

Wir wollen die von seiten der Emergenzstrahlung drohende Gefahr für den Fall er- forschen, daß die Haut unmittelbar unterhalb des Filters liegt und untersuchen, in welcher Weise sie vom Material und den Dimensionen des Filters, ferner von der Qualität oder der Zusammensetzung der Primärstrahlung abhängt. Den letzteren Punkt betreffend sei erwähnt, daß wir unseren Betrachtungen in erster Linie homogene Primärstrahlen und zwar solche der verschiedenen, in der Tiefentherapie verwendeten Härtegrade zugrunde legen werden. Aus den so gewonnenen Ergebnissen werden wir die bei komplexen Strahlungen eintretenden Ver- hältnisse leicht übersehen können.

Bevor wir in die Materie eindringen, wollen wir noch einiges über Fluoreszenzröntgen- strahlen vorausschicken.

Denken wir uns aus einem bestimmten Stoff, beispielsweise Kupfer, ein winziges Massen- element herausgegriffen und dieses mit homogenen Röntgenstrahlen veränderlicher Härte be- strahlt, wobei die Intensität der Strahlung konstant gehalten werden soll. Gehen wir von einer homogenen Strahlung aus, die wesentlich weicher als die Eigenstrahlung des Kupfers ist (d. h. einer Strahlung, die in bezug auf einen Stoff ganz kleinen Atomgewichtes, wie z. B. Kohle oder Aluminium, weicher als die Cu-Strahlung erscheint), und lassen wir diese Strahlung allmählich härter werden. Dann werden wir feststellen können, daß das Absorptionsvermögen des Kupfers schnell abnimmt, d. h. daß die Strahlung das Massenelement immer leichter durch- dringt. Dies hat aber eine Grenze. Das Absorptionsvermögen von Kupfer erreicht bei einer gewissen Strahlenhärte ein Minimum. Dies ist bei der Strahlung der Fall, die an Härte der Cu-Strahlung gleichkommt. Steigern wir den Härtegrad der Primärstrahlung nur um eine Spur weiter, so können wir ein plötzliches Anwachsen des Absorptionsvermögens feststellen. Das Kupfer verschluckt jetzt die Primärstrahlung in 4mal stärkerem Maße als vorhin. Gleichzeitig werden wir dessen gewahr, daß das Kupferteilchen nach allen Richtungen hin eine intensive Röntgenstrahlung aussendet. Es ist dies die Eigenstrahlung des Kupfers, die bei der vorher- gehenden Bestrahlung mit weicheren Strahlen selbst in geringsten Mengen nicht in die Erscheinung trat, dagegen jetzt, nachdem die allmählich härter werdende Primärstrahlung jenen bestimmten Härtegrad erreicht hat, zum ersten Male und in starkem Maße wachgerufen wird. Lassen

wir die Härte der Primärstrahlung weiter wachsen, so werden wir wahrnehmen können, daß

die Gier des Kupfers, mit der es die Primärstrahlung aufsaugt, allmählich nachläßt. Das

sich wieder stetig verringernde Absorptionsvermögen erreicht alsbald den Minimalwert von .

vorhin und sinkt weiter und weiter, wobei die Intensität der Eigenstrahlung ebenfalls stetig und zwar in noch schnelleren Tempo als das Absorptionsvermögen abnimmt.

Wie wir aus diesen Erscheinungen ohne weiteres erkennen, steht die sprunghafte Ände- rung des Absorptionsvermögens mit dem plötzlichen Auftreten der Eigenstrahlung in ursäch- lichem Zusammenhang. - Unter dem Einflusse der Primärstrahlung, die durch jenen Sprung

184 Grossmann. XXIII, 2.

im Absorptionsvermögen gekennzeichnet ist, tritt nämlich im Kupfer eine Revolution ein. Es lösen sich von den Atomverbänden negative Elektronen in großen Mengen los, d. h. es ent- stehen im Innern des Kupfers intensive f-Strahlen. Ein Teil dieser mit großer Geschwindigkeit beweglichen Elektronen stößt mit Kupferatomen zusammen, erfährt dabei eine plötzliche Ab- bremsung und gibt dadurch zur Entstehung der dem Kupfer charakteristischen Röntgenstrahlung, der Cu-Strahlung, Anlaß. Wohl werden auch durch weichere Primärstrahlen 6-Strahlen erzeugt. Doch diese £-Strahlen besitzen eine zu geringe Geschwindigkeit, als daß sie Fluoreszenzréntgen- strahlen zur Auslösung bringen könnten. Diese entstehen erst, wenn die #-Strahlen eine gewisse Minimalgeschwindigkeit erreicht haben. Diese Geschwindigkeit erlangen aber die #-Strahlen erst bei der kritischen Strahlenhärte, bei der das Absorptionsvermögen sprunghaft ansteigt. Hat also die allmählich härter werdende Primärstrahlung diese Grenze erreicht, so ist da zum ersten Male die Möglichkeit für die Entstehung von Fluoreszenzröntgenstrahlen gegeben. Nun liegen gerade bei dieser Härte der Primärstrahlung für die Loslösung der negativen Elektronen von ibren Atomverbänden besonders günstige Bedingungen vor. Daher entstehen die $-Strahlen gerade bei dieser Strahlenhärte in einer besonders großen Menge, in einer größeren, als sie unter dem Einflusse einer ebenso intensiven Primärstrahlung geringerer oder größerer Harte wachgerufen werden würden. Die Mobilisierung der negativen Elektronen verursacht aber Kosten, d. h. sie bedingt einen gewissen Energieaufwand. Dieser wird durch die Aufnahme primärer Strahlungs- energie gedeckt. So ist es erklärlich, daß die bei der kritischen Strahlenhärte mit einem Schlage eintretende Steigerung der f-Strahlenerzeugung mit einer plötzlichen Vergrößerung des Absorptionsvermögens einhergehen muß.

Umgekehrt muß folgendes gelten: Da die von einem Stoff absorbierte Primärstrahlen- energie in ß-Strahlenenergie und ein Teil von dieser in Fluoreszenzröntgenstrahlenenergie umgewandelt wird, so muß die in einem Massenelement erzeugte Eigenstrahlung um so intensiver sein, je größer die von ihm sekundlich absorbierte Primärstrahlenenergie ist, und je größer derjenige Prozentsatz (k) der von der Primärstrahlung in Bewegung gesetzten Elektronen (#-Strahlen) ist, die von den Atomen des Stoffes plötzlich abgebremst werden und dadurch zur Entstehung der Fluoreszenzröntgenstrahlung Anlaß geben. An einer Reihe von Stoffen ist festgestellt worden und es scheint allgemein zu gelten —, daß jener Prozentsatz k mit zunehmender Härte der Primärstrahluug abnimmt. Mit der Zunahme der Strahlenhärte schreitet (in dem hier allein in Betracht kommenden Spektralgebiet, nämlich im Gebiete solcher Primärstrahlen, die die Eigenstrahlung des betreffenden Stoffes zu erregen imstande sind) auch. eine stetige Abnahme des Absorptionsvermögens einher. Daher muß die Intensität der Eigen- strahlung, die von einem Massenelement unter Annahme einer bestimmten Intensität der Primärstrahlung ausgesandt wird, mit zunehmender Härte der Primärstrahlung aus zwei Gründen abnehmen. Sie ist am stärksten bei derjenigen weichsten Primärstrahlung, die die Eigenstrahlung wachzurufen imstande ist, und die Herr Dessauer die „Gefahrstrahlung“ nennt. Denn bei dieser Strahlenhärte erreicht das Absorptionsvermögen des Stoffes und wahrscheinlich gleichzeitig auch noch & ein Maximum. j

Manche Stoffe sind zur Hergabe von zwei oder mehreren Arten verschieden harter Eigen- strahlungen befähigt. Das Absorptionsvermögen eines solchen Stoffes muß dementsprechend zwei bezw. mehrere sprunghafte Änderungen aufweisen. Für jede Gattung seiner Eigen- strahlungen gilt sodann, daß deren relative Intensität bei derjenigen kritischen Strahlenhärte (bei der „Gefahrstrahlung“), bei der die Eigenstrahlung im Laufe des Uberganges von weicheren zu härteren Strahlen zum ersten Male in die Erscheinung tritt, am größten ist und mit zu- nehmender Härte der Primärstrahlung geringer wird. |

Die in einem Massenelement eines Stoffes durch eine bestimmte Strahlenart wachgerufene Eigenstrahlung ist auch noch von der Intensität der Primärstrahlung abhängig. Je stärker diese ist, um so größer ist auch die vom Massenelement sekundlich absorbierte Menge primärer Strahlenenergie; je größer aber diese ist, um so stärker muß auch die Eigenstrahlung sein.

XXIII, 2. Über die Sekundärstrahlen als Gefahrquellen. 185

Die Intensität der in einem Massenelement irgend eines Stoffes durch homogene Strahlen wachgerufenen Fluoreszenzröntgenstrahlung ist also, von der Art des Materiales abgesehen, von zwei Faktoren abhängig: von der Intensität und der Härte der Primärstrahlung. Sie nimmt mit zunehmender Intensität der Primärstrahlung zu und mit deren zunehmender Härte ab.

Betrachten wir ein im Innern eines von Röntgenstrahlen durchsetzten Filters liegendes Massenelement. Von diesen geht unter der Voraussetzung, daß die Primärstrahlung so hart ist, daß sie in der Filtersubstanz die Eigenstrahlung wachzurufen imstande ist eine Fluoreszenzröntgenstrahlung aus, und zwar gleichmäßig nach allen Richtungen des Raumes. Die eine Hälfte dieser Energie wird nach der Inzidenzseite, die andere nach der Emergenzseite hin gestrahlt. Doch keine der beiden Energiehälften gelangt ungeschwächt nach außen. Von beiden wird je ein Teil von den Filterschichten, die die Strahlen zu durchsetzen haben, um einerseits die Inzidenzseite, andererseits die Emergenzseite des Filters zu erreichen, verschluckt. Liegt das Massenelement von der Emergenzseite des Filters ebensoweit entfernt wie von der Inzidenzseite, so gelangen gleiche Bruchteile der von ihm ausgestrahlten Energie nach den beiden Seiten hin nach außen. Liegt es jedoch näher zur Inzidenzseite als zur Emergenzseite, so liefert es zur Emergenzstrahlung einen kleineren Beitrag als zur Inzidenzstrahlung.

Derjenige Prozentsatz der einem Massenelement des Filters entströmenden Eigenstrahlungs- energie, der durch die Emergenzseite des Filters nach außen tritt, ist um so kleiner, je weiter es von der Emergenzseite entfernt ist und offenbar auch um so kleiner, je größer das Ab- sorptionsvermögen der Filtersubstanz für ihre Eigenstrahlung ist. Da die Fluoreszenzröntgen- strahlungen der meisten Stoffe sehr weich sind, so klingt dieser Prozentsatz mit, von der Emergenzseite aus gerechnet, zunehmender Tiefe sehr schnell ab, d. h. es kommt als Produzent für die Emergenzstrahlung eine nur dünne Oberflachenschicht des Filters in Betracht.

Bezeichnen wir mit a, die Halbwertschicht der Filtersubstanz für ihre Eigenstrahlung. Aus einem Massenelement, das in der Emergenzfläche liegt, gelangen 50°/, seiner Fluoreszenz- röntgenstrahlung verlustlos nach außen. Greifen wir ein Massenelement heraus, das in der Tiefe a, sitzt. Die Hälfte der von ihm ausgestrahlten Fluoreszenzröntgenstrahlenenergie strömt nach der Emergenzseite hin. Diese Strahlung muß aber, bevor sie die Emergenzfläche erreicht, die Grenzschicht von der Dicke a, durchdringen. Würde diese Strahlung senkrecht zur Emer- genzfläche gerichtet sein, so würden (da a, die Halbwertschicht für diese Strahlungsart bedeutet) 50°/, der Energie in der Grenzschicht zurückgehalten werden. Es würden demnach im ganzen 25°/, der im Massenelement insgesamt produzierten Eigenstrahlungsenergie das Filter auf seiner Emergenzseite verlassen. Die Strahlung des Elementes erfolgt aber in Wirklichkeit nicht bloß in der zur Filteroberfläche senkrechten Richtung, sondern auch in allen zur Senkrechten geneigten Richtungen. Dann ist aber die. Wegstrecke, die die Strahlung inner- halb der Grenzschicht im Mittel zurückzulegen hat, länger als a, Somit beträgt die auf der Emergenzseite nach außen gelangende Energie weniger als die Hälfte der nach der Emergenz- fläche hin gesandten Energie, also weniger als ein Viertel der vom Massenelement im ganzen ausgestrahlten Energie. Die Rechnung ergibt?), daß nicht mehr als 12°/, dieser Energie aus dem Filter strömen. Ähnlich erhält man, daß von der Strahlungsenergie, die aus einem in 2a,

1) Setzen wir ein ebenes Filter von unendlich großer Flächenausdehnung und eine im Unendlichen befindliche Quelle homogener Röntgenstrahlen voraus, Nehmen wir im Innern des Filters im Abstande h von der Emergenzfläche ein unendlich kleines Massenelement an. Dieses sendet seine Fluoreszenz- röntgenstrahlenenergie, und zwar sekundlich im ganzen die Energie dH, gleichmäßig nach allen Rich- tungen aus. Denken wir uns zwei konachsiale, mit ihrer Achse zur Emergenzfläche senkrechte Kreiskegel- flächen angenommen, deren gemeinsame Spitze im Massenelement liegen möge und deren halbe Öffnungs- winkel g und -+ dọ seien (Fig. 1). Dann entweicht durch den durch diese beiden Kegelflächen be- grenzten Differentialhohlkegel sekundlich die Energie:

dE a E=

8 . 1 . “ane x sinp-dpo—=— dEs- sing: dg. Ein Teil dieser Energie wird von der Filtersubstanz absorbiert. Der Rest, der durch die Emergenzfläche Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXII. 24

186 Grossmann. XXIII, 2.

bzw. 3a, und 4a, Tiefe unterhalb der Emergenzfläche liegenden Massenelement quillt, durch diese nur 4,3 bzw. 1,7 und 0,6°/, nach außen gelangen.

Würde die pro cm® wachgerufene Eigenstrahlungsenergie innerhalb der ganzen Filter- masse überall gleich sein, so würde ein in a, bzw. 2a,, 3a, und 4a, Tiefe liegendes Element zur Emergenzstrahlung ungefähr nur */, bzw. */,,, "/s, und !/,, von dem betragen, was das Oberflächenelement hergibt. Wie die Rechnung?) weiter ergibt, erhielte man unter jener Vor- aussetzung

von der Oberflächenschicht von der Dicke as... 67,0°/,

» »„ zweiten Schicht a) a % yaar 20,9 1g 3 77 dritten ”? y re 7,7 u » » Vierten M aa a ao arer 2,99],

somit von der Schicht von 4a, Dicke insgesamt: 98,5%, _

der gesamten Emergenzstrahlung geliefert. Es würde demnach für die Erzeugung der Emer- genzstrahlung (von 1,5°/, der Gesamtenergie abgesehen) bloß die Oberflächenschicht von der Dicke 4a, in Betracht kommen.

Die in verschiedenen Tiefen pro Masseneinheit erzeugten Fluoreszenzröntgenstrahlen- energien sind jedoch in Wirklichkeit nicht gleich groß, sondern des Umstandes wegen, daß die Intensität der Primärstrahlung innerhalb des Filters veränderlich ist, von Schicht zu Schicht verschieden. Da sie von der Inzidenzseite nach der Emergenzseite hin stetig abnimmt, so ent- strömt einem in der Nähe der Emergenzseite liegenden Massenelement eine kleinere Menge an Fluoreszenzröntgenstrahlenenergie als einem in der Nähe der Inzidenzseite liegenden gleich großen Massenelement. M.a. W., betrachtet man das Filter von seiner Emergenzseite aus, und rechnet man die Tiefenlage eines Massenelementes von der Emergenzfläche aus, so gilt, daß die

nach außen tritt, ist, wenn « den Absorptionskoeffizienten der Filtersubstanz für seine Eigenstrahlung bedeutet:

h d? E=; dE, sing-e "cp. dp

Somit ist derjenige Teil der Energie d.E,, der das Filter auf der Emergenzseite verläßt:

n

2

h 1) dEn=4E, f Le” "ng. sinp-dp-

0 Wählt man für h die Werte: as, 2as, 3d, ..., wenn as die Halbwertschicht der Filtersubstanz für ihre Eigenstrahlung bedeutet, so geht die zu integrierende Funktion (da was = In 2 0,693 ist) über in:

0,698 : _9 0,698 __,„ 0,698 5 cosg SINY, bzw. e cus yp, È cos p *SING,...

Die auf graphischem Wege durchgeführte Integration hat zum folgenden Ergebnis geführt:

dE, o h= 0. T = 0,5 Se = 0,509 4 FE a 0,215 2 == Mg... == 0,119 —2a,... = 0,043 =3ds... = (0,0165 =4as... = 0,0061

2, Die dieser Rechnung zugrunde liegende Ableitung siehe weiter unten.

XXIII, 2. Uber die Sekundärstrahlen als Gefahrquellen. 187

pro Masseneinheit entstehende EigenstraKlungsenergie mit zunehmender Tiefe wächst. Dem- nach gelangen aus den in a, bzw. 2a,, 3a, ... Tiefe liegenden, gleich großen Massenelementen Energien nach außen, die mehr als !/, bzw. 1/14 "ag... von der Energie betragen, die ein in der Emergenzfläche liegendes gleich großes Massenelement als Beitrag zur Emergenzstrahlung liefert. Als Quelle der Emergenzstrahlung kommt also in Wirklichkeit eine Oberflächenschicht von mehr als 4a, Dicke in Betracht; offenbar eine um so dickere Schicht, je schneller die Intensität der Primärstrahlung mit zunehmender Tiefe wächst, d. h. je weicher die Primär- strablung ist.

Ist die Primärstrahlung so hart, daß ihre Intensität in 4a, Tiefe von derjenigen in der Emergenzfläche nur unwesentlich abweicht, so kann man als Quelle der Emergenzstrahlung eine Oberflächenschicht von etwa 4a, Dicke ansehen. Dies ist bei Aluminium eine Schicht von 0,018 mm Dicke, bei Kupfer eine solche von 0,06 mm, bei Zink eine Schicht von 0,08 mm Dicke. Hingegen kommen bei einer weichen Primärstrahlung wesentlich dickere Grenzschichten als Entstehungsorte der Emergenzstrahlung in Betracht. So ergibt sich für eine homogene Primärstrahlung von 0,75 mm Al-Halbwertschicht (was, auf Wasser oder Weichteile bezogen, ungefähr 0,75 cm Halbwertschicht entspricht) unter der Annahme, daß man wieder von 1,5°/, der Gesamtenergie absieht, als Dicke der wirksamen Schicht:

bei Aluminium 4a, = ca. 0,018 mm, Kupfer = 5: O10 4. 4 Zink 9a, = „018 „.

(Beim Aluminium tritt der Einfluß der Strahlenart auf die Dicke der die Emergenz- strahlung liefernden Schicht erst im Bereiche ganz weicher Strahlen zutage.)

Unsere Betrachtungen führen also zu folgenden Ergebnissen:

1. Die Menge Emergenzstrahlungsenergie, die von einem aus irgend einem bestimmten Stoff gefertigten Filter sekundlich ausgesandt wird, ist um so größer, je weicher und je inten- siver die das Filter verlassende Primärstrahlung ist. Die Intensität der Emergenzstrahlung nimmt bei Abnahme der Härte der Primärstrahlung aus zwei Gründen zu. Einmal wegen der damit verbundenen Zunahme der Absorption der primären Strahlenenergie, das andere Mal, weil zur Erzeugung der Emergenzstrahlung eine um so dickere an die Emergenzfläche grenzende Schicht des Filters herangezogen wird, je weicher die Primärstrahlung ist.

Um die Abhängigkeit der Emergenzstrahlenenergie von der Intensität der Primärstrahlung nicht besonders betonen zu müssen, wollen wir das Verhältnis der Emergenzstrahlenenergie zur Energie der vom Filter hindurchgelassenen Primärstrahlung ins Auge fassen oder, was auf das gleiche hinauskommt, in allen Fällen den gleichen Betrag für die Intensität der gefilterten Primärstrahlung in der Emergenzfläche voraussetzen. Dann können wir das Obige auch dahin formulieren: Die von einem bestimmten Filter ausgesandte Emergenzstrahlenenergie kommt einem um so größeren Prozentsatz der vom Filter hindurchgelassenen Primärstrahlenenergie gleich, je weicher die Primärstrahlung ist. Bedeutet J, die

Intensität der Emergenzstrahlung in der Emergenzfläche und /,, diejenige der Primärstrahlung an der gleichen Stelle, so heißt das, daß E koeffizient œ, der Filtersubstanz für die Primärstrahlung ist.

2. Der Vergleich verschiedenartiger unter dem Einflusse einer und derselben Primär- strahlenart stehender Filter führt zum Ergebnis, daß die vom Filter ausgesandte Emer- genzstrahlenenergie einem um so größeren Prozentsatz der das Filter verlassen- den Primärstrahlenenergie gleichkommt, je stärker die Primärstrahlung von der Filtersubstanz verschluckt wird, und je weniger leicht diese ihre Eigenstrahlung absorbiert. Die starke Absorbierbarkeit der Priwärstrahlung begünstigt die Emergenz- strahlenerzeugung aus den unter 1. genannten beiden Gründen. Die große Härte der Eigen- strahlung ist für die Emergenzstrahlung ebenfalls aus zwei Gründen förderlich. Einmal werden

24*

um so größer ist, je größer der Absorptions-

Se wt to eee | nn ee

188 Grossmann. XXIU, 2.

um so größere Bruchteile der in den einzelnen Schichten wachgerufenen Eigenstrahlungs- energien nach außen dringen, zweitens werden um so dickere Oberflächenschichten an der Er- zeugung der Eimergenzstrahlung mitwirken, je geringer das Absorptionsvermögen des Filter-

I; : stoffes für seine Eigenstrahlung ist. Das Verhältnis I ist also um so größer, je größer pP,

a, und je kleiner der Absorptionskoeffizient a, der Filtersubstanz für ihre Eigen-

strahlung ist, d.h. je kleiner 2 ist.

I. Aus 1. folgt nun, daß nr bei irgendeiner bestimmen Filterart bei deren „Gefahr- Po

strahlung“ den größten Wert erreichen muß, denn diese ist ja die weichste aller der Primär- strahlenarten, die in der betreffenden Filtersubstanz die Eigenstrahlung wachzurufen imstande

Is sind. Wie die Rechnung zeigt, nimmt T bei der „Gefahrstrahlung“ Werte der Größenordnung Po

von 100 und von 1000 an, d. b. die vom Filter gelieferte Emergenzstrahlung ist hundertmal und tausendmal intensiver als die von ihm hindurchgelassene „Gefahrstrahlung“. Dies erweckt auf den ersten Blick den Eindruck, daß die „Gefahrstrahlung“ insofern gefahrbringend ist, als sie zur Entstehung einer hochgradig intensiven Emergenzstrahlung Anlaß gibt. Doch in Wirklichkeit ist das bei Filtern der in der Therapie und insbesondere der in der Tiefen- therapie gebräuchlichen Dicken nicht der Fall. Der Grund dafür, daß das J, bei der ls, Ip, annimmt, liegt nämlich darin, daß das J, verschwindend klein ist. Die „Gefahrstrahlung“

fast aller der in der Tiefentherapie zur Herstellung von Filtern gebrauchter Stoffe ist aus- nehmend weich, so weich, daß sie bereits durch eine dünne Oberflachenschicht des Filters praktisch vollkommen verschluckt wird und in die Schichten, die für die Erzeugung der Emergenzstrahlung in erster Linie in Betracht kommen, gar keine primäre Strahlenenergie gelangt. Ist demzufolge die Intensität J, der vom Filter hindurchgelassenen Primärstrahlung

ein nur winziger Bruchteil, beispielsweise ein Millionstel, der ins Filter sekundlich eindringen- den Primärstrahlenenergie J,,, so ist das Z,» selbst wenn es tausendmal größer als J, ist,

immer noch ein kleiner Bruchteil, ein Tausendstel, von J,,, und die Emergenzstrahlung dem-

zufolge ganz unbeachtlich. Wir wollen dies im folgenden genauer untersuchen.

In der Tiefentherapie werden in der Regel 3 mm dicke Aluminiumfilter angewandt. Legen wir demnach unseren Betrachtungen Filter zugrunde, die einem solchen Aluminiumfilter äqui- valent sind. Wie ich an einer anderen Stelle!) gezeigt habe, kann man aus Stoffen, die sich aus Elementen kleinen Atomgewichtes oder aus solchen sehr großen Atomgewichtes (Atom- gewicht kleiner als 100 bzw. größer als 150) zusammensetzen, Filter herstellen, die in bezug auf ihr Absorptionsvermögen im Spektralbereiche der heutigentags praktisch angewandten Röntgenstrahlen einem Aluminiumfilter bestimmter Dicke annähernd gleichwertig sind. So können wir beispielsweise aus Eisen, Nickel, Kupfer, Zink, Gold und Platin Filter herstellen, die einem 3 mm dicken Aluminiumfilter in bezug auf ihre Wirkung ungefähr gleichkommen. Ihre Dicken d sind in der Tabelle I angegeben. Denken wir uns jedes dieser Filter mit seiner „Gefahrstrahlung“ bestrahlt. Ist a, die auf die Filtersubstanz bezogene Halbwertschicht der „Gefahrstrahlung“, so ist die Intensität der Primärstrahlung in der Tiefe b= 6a,, gemessen von der Inzidenzseite aus, nur mehr ungefähr 1'/,°/, ihrer Intensität J,, in der Inzidenzfläche. Um uns besser vorstellen zu können, wie dünn die Oberflächenschicht ist, in der fast die ge- samte Primärstrahlenenergie verschluckt wird, sind die Werte von b in der Tabelle angegeben. Denken wir uns diese Oberflächenschicht vom Filter abgeschält, so verbleibt eine Schicht von

„Gefahrstrahlung“ trotz der erheblichen Größe von einen nur geringen absoluten Betrag

1) Verhandl, d. Deutsch. Röntgenges., Bd. X, S. 182.

XXIII, 2. Über die Sekundärstrahlen als Gefahrquelien. 189

der Dicke c= d b. Von der Dicke dieser Schicht hängt es ab, ob ein großer Bruchteil der in jener Oberflächenschicht entstehenden Eigenstrahlungsenergie auf der Emergenzseite nach außen gelangt. Die Tabelle enthält die Werte von c. Sie gibt ferner an, das Wievielfache der auf die Filtersubstanz bezogenen Halbwertschicht a, ihrer Eigenstrahlung = ist. Die drei

letzten Kolumnen enthalten die. Werte: = In und Tn Pi Tr Ip,’ | wo J,, die Intensität der in das Filter eintretenden „Gefahrstrahlung“, lp » ` das Filter verlassenden ü und J, » = Hmergenzstrahlung in der Emergenzfläche bedeutet. Die

Werte J, sind für den hypothetischen Fall berechnet, daß die ganze im Filter absorbierte

Primärstrahlenenergie in Fluoreszenzröntgenstrahlenenergie umgeformt wird, d. h. daß k=1 ist. Da k auch bei der „Gefahrstrahlung“ wesentlich kleiner als 1, wahrscheinlich der Größen-

ordnung von 0,5 ist, so dürften die wahren Werte von J,,/J,, nur die Hälfte der in der -

nachfolgenden Tabelle enthaltenen Werte betragen.

Tabelle I.

Al (4) 24 44 |3000 | 2976 675 = = 0 Fe 2,9 17 18,4 148 131 98 |65.10 |4,6.10 "°| 0,00003 Ni 2,9 17 I 1835 100 83 62 |88.10° |4,2.10™ | 0,0004 Cu 8,5 21 14,6 92 71 4,9 | 7600 11,210” | 0,0009 Zn 4,7 28 19,3 104 76 3,9 | 10000 [22.10 | 0,0022 Pt 1,8 10,8 3,0 12,2 14 047 | 21 |0,0091 | 0,019 Au 225 | 18,5 3,4 12,0 1,5 04 | 1,4 10,025 0,035

Ag 11,7 49,4 16,7 | 0,59 | 0,37 0,22

Wie wir aus der Tabelle ersehen, wird bei einem Aluminiumfilter die gesamte „Gefahr- strahlung“ von einer Schicht von !/,, mm Dicke vollkommen verschluckt. Die nach der Emergenzseite hin gestrahlte Hälfte der im Filter entstehenden Eigenstrahlungsenergie hat eine Aluminiumschicht vom 675fachen der Halbwertschicht a, zu durchsetzen, um zur Emer- genzfläche zu gelangen. Diese Schicht läßt von der Eigenstrahlungsenergie nichts hindurch. Selbst wenn wir ein Aluminiumfilter von 0,1 mm Dicke annehmen, gelangen wir zum Ergeb- nis, daß die unter dem Einfluß der „Gefahrstrahlung“ entstehende Emergenzstrahlung = Null ist. Denn dann ist c immer noch = 17 a, und die Emergenzstrahlung beträgt weniger als !/ 00000 der nach der einen Seite gesandten Eigenstrahlungsenergie. Die „Gefahrstrahlung“ des Aluminiums vermag also selbst in ganz dünnen Aluminiumfiltern keine Emergenzstrahlung hervorzurufen; sie ist demnach absolut ungefährlich.

Von den weiteren vier in der Tabelle behandelten Elemeuten geringen Atomgewichtes ist Zink dasjenige, das die relativ stärkste Emergenzstrahlung liefert. Doch auch bei diesem ergibt sich eine vernachlässigbar schwache Emergenzstrahlung; ihre Intensität beträgt weniger als 1/,,, der Energie der „Gefahrstrahlung“. Bei Eisen-, Nickel-, Kupfer- und Zink- filtern, die so dick sind, daß sie einem Aluminiumfilter von 8 mm Dicke an Ab-

sorptionsvermögen gleichkommen, ist somit die durch die „Gefahrstrahlung“

ausgelöste Emergenzstrahlung = Null.

Nur bei den aus schweren Stoffen, wie Platin und Gold, gefertigten Filtern tritt unter dem Einfluß ihrer „Gefahrstrahlung“ eine schwache Emergenzstrahlung zutage. Doch auch diese ist (immer wieder solche Filter vorausgesetzt, die einem 3 mm-Al-Filter äquivalent sind)

190 Grossmann. XXIII, 2.

zu unbedeutend, als daß von einer Gefahr die Rede sein könnte. Die Energie dieser Strah- lung beträgt ja nur 2 bis 4°/, der Primärstrahlenenergie, ist also vernachlässigbar gering. Man könnte somit bei Tiefentherapie von Filtern aus Wolfram, Platin, Gold u.a. m. Gebrauch machen, ohne auch nur die geringste Gefahr zu laufen, unter dem Ein- flusse der „Gefahrstrahlung“ eine einigermaßen beachtenswerte Emergenzstrah- lung zu erhalten.

Nunmehr betrachten wir ein Filter, das aus einem Stoff mittleren Atomgewichtes (Atom- gewicht zwischen 100 und 150), beispielsweise Silber, gefertigt ist. Silber ist imstande, zwei Gattungen von Eigenstrahlungen auszusenden, eine sehr weiche, die einen noch geringeren Härtegrad als die Al-Strahlung hat, und eine harte, deren Aluminium-Halbwertschicht 1,05 mm beträgt. Die dieser härteren Eigenstrahlung zugeordnete ,Gefahrstrahlung* ist die Strahlung von ungefähr 2 mm-Aluminium-Halbwertschicht, ist also eine mittelharte Strahlung, die in den für Tiefentherapie praktisch benutzten Strahlengemischen stets enthalten ist. Bei dieser Strah- lung zeigt die Absorptionskurve von Silber einen Sprung, wobei sie sowohl im Bereiche weicherer Strahlen als auch in demjenigen harter Strahlen einen ähnlichen Verlauf wie die Absorptionskurve des Aluminiums aufweist. Daher kann man einem Al-Filter von beispiels- weise 3mm Dicke zwei verschiedene „äquivalente“ Silberfilter zuordnen. Ein solches, das dem Al-Filter im Bereiche der Strahlen von weniger als 2 mm-Al-Halbwertschicht gleichwertig ist, und ein zweites, das im Bereiche harter Strahlen, d. h. solcher von mehr als 2 mm-Al-Halb- wertschicht, die gleiche Wirkung wie das Al-Filter hat. Uns interessiert bloß das zweite von den beiden Filtern, da für die Therapie, und im besonderen für die Tiefentherapie, nur ein solches Filter brauchbar ist, das die harten Strahlen leicht hindurchläßt. Hingegen scheidet das dem Al-Filter im Bereiche weicher Strahlen äquivalente Silberfilter aus, weil dieses wohl für weiche Strahlen ebenso durchlässig ist wie das Al-Filter, jedoch harte Strahlen in starkem Maße absorbiert.

Betrachten wir also ein Silberfilter, das einem 3 mm dicken Aluminiumfilter im Bereiche der harten Strahlen äquivalent ist. Die Dicke d dieses Silberfilters ergibt sich = 16,7 u. Die auf Silber bezogene Halbwertschicht a, seiner harten (hier allein in Betracht kommenden) Eigenstrahlung beträgt 49 u, also ein Vielfaches seiner Dicke d. Es liegen hier somit ganz andere Verhältnisse vor wie bei den im obigen behandelten Filtern, deren Dicke d stets ein

Is Vielfaches von a, und von a, war. Daher ist auch der Wert von Ty, bei dem Silberfilter von den für die anderen Filter gefundenen wesentlich verschieden. Er beträgt (k= 1 angenommen) 0,22, ist also nicht vernachlässigbar klein.

Es fragt sich nun, besteht in der Emergenzstrablung dieses Filters eine Gefahr? Aus- schlaggebend hierfür ist die Dosis D,, die die unterhalb des Filters befindliche Haut von der Emergenzstrahlung auffingt. Um eine Vorstellung von der Größenordnung von D, zu ge-

D : winnen, berechnen wir das Verhältsnis D worin D, die Oberflächendosis bedeutet, die die Haut P

D I og : von der Primärstrahlung empfängt. D. = á i. , worin f, und fp die Absorptionskoeffizien- i. P p “Po ten der Haut für die Emergenzstrahlung und die „Gefahrstrahlung“ sind. . . Is, . e ß, ER 1890 Die Rechnung ergibt: Az 0,58. Weiter ist B = Im

D sich: a = 1,62 - 0,58 = ca. 0,95, also annähernd = 1. Die oberste Hautschicht fängt also p (k = 1 vorausgesetzt) von der Emergenzstrahlung eine annähernd ebenso große Dosis auf wie von der das Filter durchsetzenden „Gefahrstrahlung“ allein. In diesem Falle liegt also ein starker Einfluß der Emergenzstrahlung vor. Ein ganz ähnliches Resultat ergibt sich für Zinn.

= 1,62. Daraus ergibt

XXII, 2. Über die Sekundärstrahlen als Gefahrquellen. 191

Wie aus diesen Darlegungen hervorgeht, entsteht in einem aus Stoffen kleinen oder sehr großen Atomgewichtes bestehenden Filter {Aluminium-, Eisen-, Kupfer-, Zink-, Messing-, Glas-, Bleifilter), das so dick bemessen ist, daß es für die Zwecke der Therapie brauchbar ist, unter dem Einflusse der ,Gefahrstrahlung* über- haupt keine Emergenzstrahlung. Also stellt diejenige Strahlung, bei deren Einfall die Filtersubstanz in eine sehr starke Eigenstrahlung verfällt, keinen „Gefahrenpunkt“ dar, wie dies die Herren Czermak und Dessauer vermuten. Allein bei einem Silber- oder Zinn- filter kommt unter dem Einflusse der „Gefahrstrablung“ eine Emergenzstrahlung zustande. Doch Silber- und Zinnfilter scheiden von der Verwendung in der Therapie aus, weil diese, wie ich dies an einer anderen Stelle auseinandergesetzt habe, keine genügende Ab- wehr gegen die weichen Strahlenkomponenten bieten.

Nehmen wir an, daß wir auf das Filter, von seiner „Gefahrstrahlung“ ausgehend, eine stetig härter werdende homogene Röntgenstrahlung einwirken lassen, wobei wir die Intensi- tät I„ der ins Filter eintretenden Primärstrahlung nicht verändern. Je härter die Primär-

strahlung ist, um so tiefer dringt sie in das Filter ein; ihre Intensität in der Emergenzfläche, die beim Aluminium-, Eisen-, Nickel-, Kupfer- und Zinkfilter bei der „Gefahrstrahlung“ Null bzw. praktisch Null war, wächst demzufolge schnell an. So erreicht sie beim 3 mm dicken Alu- miniumfilter bei der relativ noch sehr weichen Strahlung von 0,5 mm-Aluminium-Halbwertschicht (ungefähr 0,5 cm-Halbwertschicht in Wasser oder in Weichteilen) bereits den Betrag von 1,5 bis 2 Hundertstel von Zp, und bei der Strahlung von 1,65 mm-Al-Halbwertschicht über-

steigt Sie schon den Wert 0,3 Ip, Dies hat zur Folge, daß auch die näher zur Emergenz-

fläche liegenden Filterpartien, die von der „Gefahrstrahlung“ ganz unberührt geblieben waren, jetzt von der Primärstrahlung durchsetzt werden, von dieser Energie aufnehmen und ebenfalls mit herangezogen werden, einen Beitrag zur Emergenzstrahlung zu liefern.

e e ® e e ds . Wie wir bereits weiter oben auseinandergesetzt haben, nimmt a mit zunehmender Härte Po

der Primärstrahlung ab. Doch das J,, wächst mit der Härte in so gesteigertem Maße an, daß Z,

trotz der Abnahme von T schnell zunimmt. Die auf eine bestimmte Intensität der in das Filter eintretenden Primärstrahlung bezogene Intensität der Emergenzstrah- lung wächst demnach bei Zunahme der Härte der Primärstrahlung an. M.a. W.: eine mittelharte Strahlung bestimmter Intensität ruft eine intensivere Emer- genzstrahlung wach als eine weiche Strahlung gleicher Intensität.

Wie wir nun aber in das Gebiet der harten Strahlen gelangen, verlangsamt sich das An-

wachsen von Ip, Bald erreichen wir einen bestimmten Härtegrad, bei dem sich die Abnahme

I: von I. und die Zunahme von /,, die Wage halten. Bei diesem bestimmten Härtegrad er-

‚reicht J, ein Maximum. steigern wir die Härte weiter, so tritt eine stetige Abnahme von J, ein. Ist die Härte der Primärstrahlung extrem hochgradig geworden, so werden im Filter keine nennbaren Mengen Primärstrahlenenergie verschluckt und das J, wird wieder zu Null.

Es muß demnach eine bestimmte Primärstrahlenart geben, die eine extrem starke Emergenzstrahlung hervorruft. Wie wir aus den weiter unten angegebenen Zahlenwerten ersehen können, ist jene Strahlung im Bereiche der harten Strahlen zu suchen.

Um ein Bild über das Stärkeverhältnis der Emergenzstrahlung und der Primärstrahlung und über dessen Abhängigkeit von der Qualität der Primärstrahlung zu gewinnen, wurden für

: : de Ts | einige Filter die Werte von 7 und ea unter Annahme von vier verschiedenen Arten homo- Po P,

gener Primärstrahlen berechnet. Der Rechnung sind Filter zugrunde gelegt, die eine für die Zwecke der Tiefentherapie

192 Grossmann. XXIII, 2. gentigende Dicke haben, etwa einem 3 mm dicken oder einem beliebig dickeren Aluminium- filter äquivalent sind. Für so dicke Filter kann unter der Voraussetzung, daß Strablen von weniger als 0,5 cm-Halbwertschicht nicht in Betracht gezogen werden, das i auf Grund der folgenden Formel berechnet werden:

eR

wo F die durch Fig. 2 dargestellte Funktion von > ist. Diese Funktion F' ist unter der Annahme eines unendlich dicken Filters berechnet worden. Diese Werte von F gelten unter

der Annahme, daß ms nicht größer als etwa 0,75 ist, ohne weiteres auch für Filter endlicher

DE I HE EEE EEE ER ER TR EN ptt DR te te TE TE TT E ptt tt te EE EEE ER ARRAS RARE SS SR SESE SATE NERZEEREZERENINM SENZERSEBENEANM

AD

=H 02 O04 06 08 10 RR 14 S

Dicke und auch noch für solche, die einem 3 mm dicken Al-Filter äquivalent sind. Auch für

noch dünnere Filter ist die obige Formel anwendbar, falls man für 2 einen niedrigeren

oberen Grenzwert annimmt. Mit dieser Formel sind die in Tabelle II angegebenen Werte von I, T berechnet, mit Ausnahme der für die 0,5 cm-Strahlung geltenden für Zink und Kupfer.

Da für diese beiden Fälle die Formel nicht mehr streng gültig ist, mußten die beiden Werte besonders berechnet werden. (Siehe die weiter unten angegebenen Ableitungen.)

Es sind nur fünf Filterstoffe, und zwar Aluminium, Eisen, Nickel, Kupfer und Zink, und nur vier Strahlenarten herausgegriffen worden, da für diese die Werte von k bekannt sind. Die vier Strahlenarten sind gekennzeichnet als diejenigen von 0,5, 0,75, 1,035 und 1,65 cm- Halbwertschicht. Es ist hierbei, wie auch schon im vorhergehenden, vorausgesetzt, daß die auf Wasser oder die Weichteile bezogene Halbwertschicht irgendeiner Strahlung das Zehnfache der in Aluminium gemessenen Halbwertschicht beträgt.

Auch sind in der Tabelle die Werte von /, und von /, angegeben, die sich dann er- geben, wenn Jp, = 100 ist.

XXIII, 2. Über die Sekundärstrahlen als Gefahrquellen. 193

Tabelle II.

Sn ENTE mm: ee ee I A D | D, D | D; Art der ap T £ r ; ees La wenn D,, —=100x | wenn Ip; = 100 Primärstrahlung as r :

Aluminium IL | 0,5 cm-Str. | 0,0088 0,0020 0,00020; 1,6 10,0003| 113 | 0,023 | 1,6 0,04 x| 2,2 x] 0,05x 0,75 „» » | 0,0059 [0,0013 |o} [0,00013] 6,2 |0,0008] 170 |0,023| 62 10,14 „| 5,7 „| 013, 1,085 | 0,00432 |o,0010| [0,00010] 13,1 10,0013} 282 | 0,023 |13,1 [0,30 „| 88 „| 0,20, 1,65 ,, ,, | 0,00269 |o,0006| ` [0,00006] 31,8 |0,0019] 373 | 0,028]381,8 |0,7 „113,1 „| 0,80,

522 |1,18 x|29,8 x] 0,7 x

0,5 cm-Str. 0,15 [0,029 1,9 10,05 17,3 |0,50 | 19x 13 x 0,75 4, » 0,13 |0,014 6,8 {0,10 | 27,7 | 0,39 | 6,8 2,5 4 1,085 ,, 0,12 |0,0098 | 13,3 |0,13 | 35,5 | 0,35 | 13,3 3,1 1,65 ,, » 0,098 |0,0042 | 31,3 10,13 | 56,3 | 0,24 | 31,3 ,, 3,2

| 31,0 x | 10,1 x

Nickel

| a Wace a Pe 0,5 cm-Str. | 0,765 10,89 !o2ı |0,082 | 1,9 (0,16 |11,6 1095 | 19x| 19x| 26x| 25 x 05 ,, , | 0,595 |0,19 |018 loosa | 68 |0,23 |185 Joe | 68,1 48, | 63,,| 4,0 ,, 1,085 | 0,403 | 0,185 | 0,16 eat 13,3 |0,29 | 23,7 | 0,52 |133,,| 69,,| 8,9 „| 46

1,65 ,, ,, | 0,275 |0,08 |0,14 |0,011 | 31,3 10,85 | 347 | 0,88 [81,3 ,,|121 „1182 „| 5,0 ,, ii | 8B x|25,2x|810 x] 16,1 x,

Kupfer

SS FD OO ES aS SS SS 0,5 cm-Str. | 0,889 (0,535) | 0,28 10,14 1,9 |0,27 9,33 | 1,3 1,9 x| 27x| 26x| 34 x

0,75 u 5 0,589 0,24 0,26 10,062 6,8 10,42 | 14,9 | 0,92 6,8 „| 6,2 „| 6,8 „| 5,8 1,035 » 0,458 0,16 0,23 10,087 13,3 0,49 |19,1 |0,70 |13,3 „I 96 „| 89 „| 62 1,65 , » 0,323 0,10 0,197 |0,020 31,3 10,63 | 30,4 | 0,61 |31,3 „|188 „[132 „| 80

| 53,3 x | 37,3 x | 31,0 x | 23,4 x

Zink

| | 0,5 cm-Str. | 1,062 (0,86) | 0,30 |0,22 1,9 |0,41 7,70 | 1,7 19x| 3,9x| 26x] 44 x

0.75 , , | 0,697 |0,82 | 0,27 |0,086 | 68 |058 |128 |106 | 68,,] 71.,| 68,,] 67 ,, 1,085 ,, | 0,541 |0,21 |0,25 |0,052 | 13,3 [0,69 | 15,8 | 0,82 [13,8 „|11,1 „| 89,,] 73 1,65 | 0,841 | 0,11 | 0,212 10,023 | 31,3 [0,72 | 25,1 | 0,58 ./81,8 ,,|18,0 ,,| 13,2 „| 76

| | | 53,3 x | 40,1 x | 31,0 x | 26,0 x

Aus dieser Tabelle, namentlich aus den Zahlenwerten der Kolumne 7, ersehen wir fol- gendes. Bestrahlen wir das Filter mit homogenen Röntgenstrahlen verschiedener Härte, wobei wir die Intensität J,, der ungefilterten Strahlung in allen Fällen gleich groß wählen, so tritt aus dem Filter eine um so stärkere Emergenzstrahlung aus, je härter die Primärstrahlung ist. Die Emergenzstrahlung ist auch um so intensiver, je größer das Atomgewicht der Filtersubstanz ist. Die Emergenzstrahlung des Aluminiumfilters ist ausnehmend schwach; schon beträchtlich stärker ist diejenige des Eisenfilters, noch stärker ist die Emergenzstrahlung vom Nickelfilter usf.

Wie wir erörtert haben, strebt das J, einem Maximum zu. Dieses ist bei allen fünf Filtern bei, einer Strahlung zu suchen, deren Halbwertschicht größer als 1,65 cm ist.

Uns interessiert letzten Endes die Beantwortung der Frage, ob die dem Filter entströmende Emergenzstrahlung für den unmittelbar unter dem Filter liegenden Patienten gefahrvoll werden kann, bzw. ob es irgendeine bestimmte Primärstrahlenart gibt, die als besonders gefährlich

bezeichnet werden muß. Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen, XXIII. 25

194 Grossmann. XXIII, 2.

Um hierüber Aufschluß zu erhalten, müssen wir die Dosen berechnen, die die Haut des Patienten einerseits von der Emergenzstrahlung, andererseits von der gefilterten Primärstrahlung empfängt. Die erste ist:

D = ße L, die zweite: D, = bp wenn f, und $, die Absorptionskoeffizienten der Haut für die Emergenzstrahlung und für die Primärstrahlung bedeuten.

Betrachten wir vor allem das Verhältnis von D, zu D,. Dieses ist = OL. (Ko- P? o lumne 8 enthält die Werte von = P Wie die in Kolumne 9 enthaltenen Zahlenwerte zeigen, nimmt das > bei allen Filtern

mit zunehmender Härte der Primärstrahlung ab. Die ungewollte Dosis D,, die die Haut von der Emergenzstrahlung aufnimmt, ist im Vergleich zur „Nutzdosis“ D,, die sie von der gefilterten Primärstrahlung empfängt, um so größer, je weicher die Primärstrahlung ist. Lassen wir beispielsweise die durch das Kupferfilter gefilterte Primär- strahlung von 1,65 cm Halbwertschicht solange wirken, bis die Oberflächendosis D, den Be- trag 100 x erreicht, so wird die Haut im Laufe dieser Bestrahlung eine von der Emergenz- strahlung herrührende Oberflächendosis D, von ungefähr 60 x aufnehmen. Würden wir hin- gegen die Dosis D, = 100 x mittels der weichen Primärstrahlung von 0,5 cm Halbwertschicht hervorbringen, so würde die dabei zur Aufnahme gelangende schädliche Sekundärstrahlendosis D,= 180 x betragen.

Bemerkenswert ist es, daß das Dosenverhältnis 4 mit zunehmender Strahlenhärte ab- p

nimmt, trotzdem die Intensität der Emergenzstrahlung im Vergleich zu derjenigen der ge-

filterten Primärstrahlung mit wachsender Strahlenhärte schnell zunimmt. Grund dafür ist der

Umstand, daß das f mit zunehmender Härte der Primärstrahlung langsamer wächst, als das P

Is

L A ® e e —- abnimmt, so daß das Produkt Pe —°, was nichts anderes als ai ist, mit zunehmender Ip, Bp Ip, Dp

Härte kleiner wird.

Doch trotzdem D, im Vergleich zu D, mit zunehmender Strahlenhärte abnimmt, liegen in der Praxis die Verhältnisse in der Regel so, daß zur Entstehung der schädlich wirksamen Emergenzstrahlung in erster Linie die mittelharten und harten Komponenten der komplexen Primarstrahlung und nicht die weichesten Anlaß geben. Die Erklärung hierfür ist darin zu suchen, daß die von den weichen Strahlenkomponenten herrührenden Dosen D, relativ zu den von den harten Komponenten aufgenommenen sehr klein sind, so daß die Anteile der Emergenz- strahlung, die auf Rechnung der weichen Strahlenkomponenten gehen, kleiner sind als jene, die ihren Ursprung den mittelharten oder harten Komponenten verdanken.

Lassen wir auf jedes der fünf Filter die vier im obigen angenommenen homogenen Primärstrahlenarten der Reihe nach einwirken. Wählen wir die Intensitäten dieser Primär- strahlungen so, daß jede von ihnen, wenn sie ungefiltert auf den Patienten einwirken würde, die nämliche Oberflächendosis D,, zeitigen würde. Setzen wir Dp, = 100 x. Die Oberflächen-

dosis Dp der gefilterten Strahlung muß zu Dp, im gleichen Größenverhältnis stehen, wie Jp, I. z

zu Ip, Dp ist also = 100 Fe Wir erhalten also für D, die nämlichen Zahlenwerte, die wir Pi

für /,, unter der Annahme J,,= 100 erhalten haben. Die in der 10. Kolumne enthaltenen

Werte von D, sind demnach den in der 6. Reihe enthaltenen Werten von J,, gleich. Die von der Emergenzstrahlung herrührende Oberflächendosis D, ist = $,- /,, während Dp = fp Ip, ist.

Is Somit ist A =Ê., Da D, und 7, zahlenmäßig gleich sind, so ist D =f I,

°°

XXIII, 2. Uber die Sekundärstrahlen als Gefahrquellen. 195

Wie die so berechneten Werte von D, (s. die 11. Kolumne) zeigen, nimmt der Einfluß der Emergenzstrahlung bei allen fünf Filtern mit wachsender Härte der Primärstrahlung zu.

Lassen wir nun die vier homogenen Strahlungen gleichzeitig einwirken. Dann ergibt sich unter dem Einflusse dieser komplexen Strahlung eine schädliche Dosis D,, die durch die Summe der von den vier Komponenten einzeln hervorgebrachten Dosen gegeben ist. Wie aus obigem hervorgeht, macht sich bei diesem Strahlengemisch ein tiberwiegender Einfluß der härteren Komponenten geltend. So ergibt sich beim Kupferfilter eine schädliche Dosis von 37 x (als Begleiterscheinung zu der von der gefilterten Primärstrahlung herrührenden Dosis D,=53 x), von der etwas mehr als die Hälfte allein der einen Komponente von 1,65 cm- Halbwertschicht zuzuschreiben ist. |

Diesem Beispiele lag die Annahme zugrunde, daß die Intensitäten der einzelnen Kom- ponenten der komplexen Strahlung so abgestuft sind, daß sie die gleiche Dosis liefern würden, wenn man sie auf den Patienten unmittelbar, d. h. ohne Zwischenschaltung eines Filters ein- wirken ließe. Dies heißt m. a. W., daß die Intensitäten der Komponenten ihren Halbwert- schichten proportional sind. In diesem Fall war also die härteste Strahlenkomponente die intensivste, die weichste Komponente die schwächste.

Setzen wir zum zweiten voraus, daß die Intensitäten aller vier Komponenten vor der Filterung gleich sind. Die in diesem Fall resultierenden Werte von D, und D, sind unter der Annahme, daß das J,, von allen Komponenten = 100 ist, in den zwei letzten Kolumnen der

Tabelle II enthalten. Auch in diesem Falle tragen die härteren Strahlenkomponenten zur Emergenzstrahlenerzeugung in größerem Maße bei als die weicheren Komponenten. Aller- dings ist ihr Anteil an der Erzeugung der schädlichen Nebenwirkung lange nicht so groß wie im vorhergehenden Falle,

Wie wir gesehen haben, erreicht die Intensität J, der Emergenzstrahlung dann, wenn die

Härte der gefilterten homogenen Primärstrahlung bei konstant gehaltenem J,, verändert wird, bei einer bestimmten Strahlung ein Maximum. Diese Strahlung gehört in den Bereich der mittelharten oder harten Strahlen, denn ihre Halbwertschicht ist beträchtlich größer als 1,6 cm. Da die Dosis D, proportional J, ist, so strebt auch das D, mit wachsender Strahlenhärte einem Maximum

zu und erreicht dieses bei der gleichen Strahlenhärte, bei der das /, seinen Höchstwert er-

langt. Wählt man als Primärstrahlung nach dem Vorschlage der Herren Czermak und Dessauer eine solche komplexe Strahlung, deren sämtliche Komponenten im ungefilterten Zustande gleich stark sind, so gibt es unter den in den Bereich der mittelharten oder harten Strahlen gehörigen Strahlenkomponenten eine be- stimmte, diean der Emergenzstrahlenerzeugung den relativ größten Anteil hat. Es gibt also eine ungünstigste Strahlung, und zwar igt dies eine Strahlung, die durchaus nicht in den Bereich der weichen Strahlen gehört, oder gar der „Gefahrstrahlung“ qualitativ nahe- kommt, vielmehr im Spektralbereiche der mittelharten oder harten Strahlen zu suchen ist. Auch ist die Fähigkeit, die Emergenzstrahlung hervorzurufen, nicht bloß die selektive Eigen- schaft der Strahlen eines engen Spektralgebietes. Vielmehr nehmen viele, aller Wahrschein- lichkeit nach sogar die meisten und in erster Linie stärksten Komponenten der Strahlung, die von einer mittelharten Röntgenröhre ausgesandt wird, an der Erzeugung der Emergenzstrahlung teil. Das Maximum in der Wirkung ist nicht besonders ausgeprägt; es ist also nicht berechtigt, der vom Standpunkte der Emergenzstrahlenerzeugung wirksamsten Strahlung die Bezeichnung „Gefahrstrahlung“ beizulegen.

Die Art der Energieverteilung im Spektrum einer Röntgenröhre liegt im allgemeinen zwischen den beiden behandelten Grenzfällen. Wie aus den Ergebnissen unserer Untersuchungen hervorgeht, muß es also in der Regel eine in den Bereich der mittelharten oder der harten Strahlen gehörige, „ungünstigste“* Strahlenart geben, die an der Emergenzstrahlung den relativ größten Anteil hat.

25 *

196 Grossmann. XXIII, 2.

Geht man von der Tatsache aus, daß die von der weichen Emergenzstrahlung herrührende schädliche Dosis D, einem um so größeren Prozentsatz der von der gefilterten Primärstrahlung herrührenden Oberflächendosis D, gleichkommt, je weicher die Primärstrahlung ist, so folgt, daß es unser Bestreben sein muß, von vornherein eine solche Primärstrahlung zu benutzen, die bloß aus den harten Strahlenkomponenten besteht, die wir zur Hervorbringung der therapeutischen Wirkungen für wünschenswert oder er- forderlich halten. Daher muß bei Tiefentherapiebetrieb vom Gebrauch eines solchen Instrumentariums, das „ein möglichst gleichmäßiges und möglichst reich- haltiges Röntgenstrahlenspektrum liefert“ abgeraten werden. Es kann nur ein solches Instrumentarium empfohlen werden, das eine selektive Strahlung liefert, und zwar eine solche, die in das für den jeweiligen Zweck am besten geeignete Spektralgebiet gehört. Die Erzeugung von Strahlen, die härter oder weicher als jene Strahlenarten sind, sollte von vorn- herein vermieden werden, da sie erstens an und für sich unerwünscht, gegebenenfalls sogar schädlich sind, und zweitens, weil sie die Emergenzstrahlung unnütz vermehren. Hingegen kann so paradox es auch erscheint gerade diejenige Strahlenart, die die Filtersubstanz zur kräftigsten Eigenstrahlung anregt, mit sehr starker Intensität in der Primärstrahlung ent- halten sein. Denn sie ist vollkommen harmlos; sie vermag weder das Filter zu durchdringen noch eine irgendwie nennenswerte Emergenzstrahlung wachzurufen.

Die Ergebnisse unserer Betrachtungen über die Emergenzstrahlung und ihre schädliche Wirkung vermögen also an unseren bisherigen Anschauungen über die Art der in der Therapie anzuwendenden Primärstrahlung und die Wahl des Instrumentariums nicht zu rütteln. Unsere Studie über die Emergenzstrahlung liefert jedoch insoweit neue Ergebnisse, als sie einen tieferen Einblick in die Wirkung der verschiedenartigen Filter zu gewinnen und deren relative Vor- und Nachteile zu erkennen gestattet.

Wie ich auf dem letzten Röntgenkongreß ausgeführt habe, führt der Vergleich der ver- schiedenartigen Stoffe betreffend ihr Absorptionsvermögen für verschieden harte Röntgenstrahlen zum folgenden Ergebnis:

Zur Herstellung von Filtern eignen sich bloß solche Stoffe, die sich aus Elementen kleinen oder sehr großen Atomgewichtes (Atomgewicht kleiner als 100 oder größer als 180) zusammen- setzen. Filter aus Stoffen mittleren Atomgewichtes, wie Silber- und Zinnfilter, sind dagegen zu verwerfen. Denn ein Silber- oder Zinnfilter, das harten Strahlen in dem gleichen Maße Durchgang gestattet, wie beispielsweise ein Aluminiumfilter, bietet im Vergleich zu diesem keinen genügenden Schutz gegen die weichen Strahlen. Auch konnte gezeigt werden, daß man aus Aluminium, Eisen, Kupfer, Zink und beliebigen anderen leichten und ähnlich auch aus ganz schweren Stoffen Filter herstellen kann, die in ihrer Absorptionswirkung allen gebräuch- lichen Strahlenarten gegenüber einander qualitativ und quantitativ nahezu gleichkommen. Demnach schien es gleichgültig zu sein, ob man ein Aluminium- oder beispielsweise ein Messing- filter entsprechender Dicke anwendet.

Stellt man nun an Hand der Tabelle II einen Vergleich zwischen den da behandelten fünf Filtern an, so gelangt man zum Ergebnis, daß sich das Aluminiumfilter von allen übrigen Filterarten doch wesentlich unterscheidet. Unter der Einwirkung einer Primärstrahlung, die sich aus Strahlen von 0,5 bis 1,6 cm Halbwertschicht zusammensetzt, ergibt sich beim Eisen-, Nickel-, Kupfer-, und beim Zinkfilter eine nicht unbeachtliche Emergenzstrahlung. Diese bringt eine schädliche Oberflächendosis in der Haut des Patienten hervor, die an Größe einem erheblichen Prozentsatz (30 bis 80°/,) der von der gefilterten Primärstrahlung erzeugten Oberflächendosis gleichkommt. Hingegen ist die vom äquivalenten Aluminiumfilter aus- gesandte Emergenzstrahlung so schwach, daß man von ihrer Wirkung vollkommen absehen kann,

Wohl nimmt das Verhältnis der von der Emergenzstrahlung herrührenden schädlichen Dosis (D,) zu der von der Primärstrahlung erzeugten (D,) mit anwacbsender mittlerer Härte

XXIII, 2. 7 Über die Sekundärstrahlen als Gefahrquellen. 197

der Primärstrahlung ab. Dennoch dürfte das Dosenverhältnis > beim Eisen-, Nickel-, P

Kupfer- und Zinkfilter auch bei einer harten Primärstrahlung immer noch er- heblich sein (D, dürfte !/, bis zu !/, der Dosis D, betragen), so daß man bei diesen Filtern die Existenz einer schädlichen Wirkung der Emergenzstrahlung nicht in Abrede stellen kann.

Aller Vorraussicht nach besteht bei den Filtern, die aus schweren Stoffen, wie Wolfram, Blei und dergleichen gefertigt sind, eine noch größere Gefahr.

Mit Rücksicht auf die der Emergenzstrahlung innewohnende Gefahr ist also das Aluminium als der günstigste Filterstoff zu bezeichnen. Das Aluminium- filter verdient volles Vertrauen; es ist ganz und gar ungefährlich. |

Dennoch steht auch der Verwendung von Filtern aus Eisen, Nickel, Kupfer, Zink, Messing oder irgendeinem anderen Stoff größeren Atomgewichtes, beispielsweise Blei, nichts im Wege, da man die Emergenzstrahlung in sehr einfacher Weise unschädlich machen kann. Man er- reicht dies, indem man das Filter auf der dem Patienten zugewendeten Seite mit einer Schutz- schicht versieht, die die dem Filter entweichende weiche Emergenzstrahlung ganz oder zum größten Teil verschluckt. Dieses Schutzmittel muß aus einem Stoff gefertigt sein, der selbst keine oder nur eine vernachlässigbar geringe Emergenzstrahlung aussendet. Hierzu eignen sich die ganz leichten Elemente und Stoffe, die sich aus Elementen kleinen Atomgewichtes zusammensetzen, wie beispielsweise Aluminium, Papier, Leder und Zelluloid. Eine Aluminiumschutzschicht von einigen Zehnteln mm Dicke oder eine Leder- oder Papierschicht von 1—2 mm Dicke bietet ausreichenden Schutz gegen die Wirkung der Emergenzstrahlung von Eisen-, Nickel-, Kupfer- oder Zinkfiltern,

Die heute gangbaren Aluminiumfilter durch solche armierten Eisen-, Kupfer-, Messing- oder Bleifilter zu ersetzen, liegt jedoch keine Veranlassung vor. Denn erstens würde Filter äquivalenter Dicke vorausgesetzt kein andersartiger Effekt erzielt werden; zweitens würde es kein Vorteil sein, das Aluminiumfilter, das sich bei einer Dicke von 8—5 mm sowohl leicht herstellen wie auch bequem handhaben läßt, durch eine Metallfolie von nur wenigen Hundertsteln oder gar nur einigen Tausendsteln mm Dicke zu ersetzen. Wir geben den schweren Stoffen dem Aluminium gegenüber nur dort den Vorzug, wo es gilt, eine Filter- wirkung zu erzielen, die derjenigen eines Aluminiumfilters von etwa 1 cm oder mehreren Zentimetern Dicke gleichkommt.

Den Rechnungen liegt die folgende Ableitung zugrunde.

Betrachten wir ein ebenes Filter von unendlich großer Flächenausdehnung, Ya mit parallel verlaufenden, homogenen Röntgenstrahlen senkrecht bestrahlt ist.

Greifen wir eine in der Tiefe x (gemessen von der Emergenzfläche) lie- gende, zur Emergenzfläche parallel ver- laufende Filterschicht von der Dicke dz und darin ein zu dem auf der Emergenz- fläche willkürlich gewählten Punkt A symmetrisch liegendes, ringförmiges Vo- lumenelement 2rry dy dx heraus. (Fig. 3.)

Unterteilen wir dieses peripherisch in Volumenelemente dritter Ordnung. In einem solchen Element dfdx wird sekundlich die Energie: a, Jp, dfdz absorbiert, wenn /,, die Intensität der Primärstrahlung in der Tiefe x bedeutet. Von dieser Energie wird der Bruchteil: ka, 1p, df in Eigenstrahlung umgewandelt. Diese Strahlung wird gleichförmig nach allen Richtungen des Raumes aus-

Fig. 8.

198 Grossmann. | XXIIT, 2.

gestrahlt. Denken wir uns im Punkte 4 ein innerhalb der Emergenzfläche liegendes Flächen- stück von der Größe 1 angenommen. Dieses Flächenstück empfängt von der aus dem Volumen- element dfdæ strömenden Eigenstrahlungsenergie sekundlich die Energiemenge:

a, VFF

d3], = kap I, dfdzx Tea Dies ist nichts anderes als die zur Emergenzfläche senkrechte Komponente der Intensität der aus dem Volumenelement dfdz strömenden Eigenstrahlung. Integriert man zuerst über das ganze ringförmige Volumenelement und sodann über alle konzentrische Ringelemente der Filterschicht von der Dicke dz, so ergibt sich die Intensität dl, der ganzen aus dieser Filterschicht quellenden Eigenstrahlung im Punkte A:

cos p.

ka 2 u VTE dl, = en Ip, da f2 nI yt cos Q dy. o Da = x y= atgp und dy = cate dep ist, so ergibt sich weiter: z dl, = 5 ap I. da fe“: cosy + SING + dp.

y =o

Also ist die Intensität der gesamten Eigenstrahlung des Filters im Punkte A oder in irgend einem Punkte der Emergenzfläche:

n

d 2 2) I,,= kap T, def 5 sinp e cosp. dg,

z=o 9=o0 worin d die Filterdicke bedeutet.

Setzen wir:

3) A, =U und

n

2

1 . Eu, 4) Ja sinp-e cag-dp—=flu). Dann ist: í a,d Cp 5) Lake f Tp, - f(u) - du. Ferner, da e5 u Tp, g Iy, Zu; ist, so folgt: : a, d Š

6) I, = k=? 1h, f fe) . Fa . du.

I, Das Verhältnis ist also von k, 2 und d abhängig. J, ist im Vergleich zu J, umso Ip, a, o Po

größer, je größer k2 und d sind. 8

Die Funktion f(u) ist identisch mit dem bestimmten Integral in Gleichung 1) auf Seite 186, wenn &,h durch «w ersetzt wird. Nachdem wir die Werte dieses bestimmten Integrales für

XXIII, 2. Über die Sekundärstrahlen als Gefahrquellen. 199

u= 0,4,= 0,698, = 20,0, = 2. 0,693, = 350,4,=3.0,693,... TI, bereits berechnet haben, so ist der Verlauf von f(u) bekannt. Die Werte von T lassen sich Po aus Gleichung 6 durch graphische Integration ermitteln. Ist die Primärstrahlung sehr hart, m. a. W. ist œp sehr klein im Vergleich zu «,, so daß

man e ”””— 1 setzen kann, so gilt: a 7) dl, = ko" Ip fe) du. Setzen wir für x der Reihe nach die Werte 0, a, 2a, 8a,,.. bzw. für u der Reihe nach: 0,

dI, 0a, (= 0,698), 20,0, 3a,0,... ein und berechnen wir aus 7) die Werte von so erhalten wir das Gesetz, das angibt, in welchem Maße verschiedene, gleichdicke Filterschichten, die in den Tiefen a,, 2a, 3a,,...liegen, an der Erzeugung der Emergenzstrahlung beteiligt sind.

Es ergibt sich:

dl], a

a o_ “P gS | BR qu 95 ar &

= lj»... = 0,119 k © a

= 2a,... = 0,043 k= 24

= 38a,... = 0,0165 kE

dL In Wirklichkeit nimmt Tn mit zunehmendem x langsamer ab, u. zw. um so langsamer, je

weicher die Primärstrablung ist. Bei sehr weichen Primärstrahlen ergibt es sich sogar, daß tief liegende Schichten größere Beiträge zur Emergenzstrahlung liefern als solche Schichten, die

in der Nähe der Emergenzfläche liegen. Dieser Fall tritt ein, sobald ae mit dem zuneh-

menden u schneller wächst als T Dies trifft beispielsweise für die „Gefahrstrahlung“ zu.

Sehen wir von solchen ausnehmend weichen Strahlen ab. Bei harten, mittelharten und selbst bei weichen Primärstrahlungen von nicht weniger als 0,75 cm Halbwertschicht ergibt sich, daß die Oberflächenschichten des Filters, die als Quellen der Emergenzstrahlung anzusehen sind, im Vergleich zu der Dicke der in der Tiefentherapie gebräuchlichen Filter gering bzw. kleiner als diese sind, so daß es gleich ist, ob man als obere Grenze des bestimmten Integrales in Gleichung 6) den Betrag a,d oder aber œ setzt. Wir können also in solchen Fällen schreiben:

L, o, P Be 8) L flu) -e a, * du. o

Das in diesem Ausdruck enthaltene bestimmte Integral ist nur von 2 abhängig. Wir

setzen: o0 Q , a, nry 9) > (fie =" du= FP. s o Dann ist: i 1, 10) —_—kF

200 Heinz Bauer f. XXIII, 2.

Den Verlauf von F als Funktion von ma zeigt Fig. 2. (Die Berechnung der Werte von F erfolgte durch Flächenausmessung.)

Die in Tabelle II enthaltenen Werte von T sind nach Gleichung 10) unter Benutzung Po

der Fig. 2 berechnet worden. Nur in zwei Fällen war die Anwendung der Gleichung 10) un- zulässig, und es mußte die Gleichung 6) der Berechnung zugrunde gelegt werden.

Heinz Bauer 7.

Am 9. Juni 1915 starb Heinz Bauer in Jena an den Folgen einer Diphtherie. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf die Nachricht von dem Hinscheiden des prächtigen Menschen seine zahlreichen Freunde. Gibt es doch nur wenige, die so aus dem Vollen zu schöpfen ver- mögen und denen so unverwüstliche Lebenskraft innewohnt, wie sie unser Freund besaß. Den Sinn auf die höchsten Ziele im Sozialen, in Kunst und Wissenschaft gerichtet, mit vorzüglichen Anlagen ausgestattet, vom Glück begünstigt und beglückend ging er im 37. Lebensjahre dahin, wie die Glücklichen im Altertum, die dem Neid der Götter ihren Tribut zollen mußten.

Heinz Bauer wurde am 23. Jan. 1879 zu Berlin geboren. Hier besuchte er das Fried- richs-Gymnasium und später zu Eberswalde das Wilhelms-Gymnasium. Seine Studien betrieb B. an der Technischen Hochschule zu Charlottenburg und an der Universität zu Berlin unter besonderer Berücksichtigung der Elektro-Physik. Seit 1905 widmete er sich vornämlich der Röntgenologie, erweiterte aber im nächsten Jahre seine Bemühungen auf die gesamte medi- zinische Physik, wobei ihm allerdings die Röntgenologie die Hauptsache blieb.

Bauer stellte seine Aufgaben auf breite Grundlagen und scheute kein brauchbares Mittel sie zu fördern. Seine Fabrik, die mit der Herstellung der nach ihm benannten Röntgenröhre mit Luftkühlung begann und später zu den „Radiotechnischen Werken“ erweitert wurde, ist von ihm gegründet worden, um seine Gedanken praktisch auszuprobieren und durchzuführen. Viele konstruktive Neuerungen im Bau der Röntgenröhren, das Quecksilber-Luftventil zum Regenerieren der Röhre, das beliebte Qualimeter zum bequemen Ablesen der Strahlenhärte, eine Methode zum Mehrfachbetrieb von Röntgenröhren seien hier erwähnt. Ein Teil seiner Erfin- dungen, z. B. das Luftventil, kam auch anderen Disziplinen zugute.

Bauer besaß ein ausgesprochenes Lehrtalent. Er verstand seine Zuhörer zu begeistern und wußte durch gut gewählte Versuche die Aufmerksamkeit seiner Schüler zu fesseln. Bereits 1898 hatte der erst 19jährige „die elektrische Maschinenanlage* populär dargestellt. Später folgten weitere für einen größeren Leserkreis bestimmte Monographien über Kapitel aus der Elektrizitätslehre. Als Herausgeber der Bibliothek der physikalisch -medizinischen Techniken veranlaßte Bauer (seit 1911) eine größere, leider noch nicht ganz abgeschlossene, Reihe von Sonderdarstellungen für Fachleute. Die Errichtung eines Instituts für medizinische Physik gehörte zu den Lieblingsgedanken des Verstorbenen, und in der Tat hätte man sich keinen geeigneteren Leiter für dasselbe denken können, als ihn, der meisterhaft die Brücke zwischen dem theoretischen Physiker und Mediziner zu schlagen verstand.

Trotz aller Gaben hätte Bauer weniger erreicht, wenn er nicht auch eine besondere organisatorische Fähigkeit besessen hätte. Unter anderem war er daher auch berufen an der Gründung und Leitung von Vereinen teilzunehmen.

Einem solchen Manne konnte es an Anerkennungen und Ehren nicht fehlen. Seit 1906 war er Dozent am „Kaiserin Friedrichshaus für das ärztliche Fortbildungswesen*, für das Ge- biet der medizinischen Physik, seit 1913 las er über das gleiche Thema an der Berliner Uni- versitit. B. war Ehrenvorsitzender des Vereins der „Kgl. Maschinenmeister für Licht und Kraft“, gehörte zum Vorstande der „Berliner Röntgenvereinigung*, seit 1909 auch zu dem der „Deutschen Réntgen-Gesellschaft*; er war endlich korrespondierendes Mitglied verschiedener ausländischer Röntgengesellschaften.

XXIII, 2. Internationale Fachliteratur. 201

Bei Ausbruch des Krieges stellte sich Bauer in Jena, wohin er seine Fabrik verlegt hatte, der Militärbehörde zur Verfügung und richtete im Lazarett ein Röntgeninstitut ein, in dem er bis zu seinem Tode gearbeitet hat.

Heinz Bauer besaß nicht nur Geist, sondern auch ein warmes Gemüt, das besonders im Kreise seiner Angehörigen und Freunde glinzte. Mit Wehmut gedenken diese seiner Donnerstag-Abende, wo er einem auserlesenen Kreise seine neuesten Arbeiten und Erfindungen erläuterte und die Zuhörer ermunterte, ein Gleiches zu tun. UnvergeBlich werden mir die traulichen Zusammenkünfte bei den verschiedensten Gelegenheiten bleiben, wo sich seine Per- sönlichkeit, sei es zum Feste, sei es zum Ernst ganz hingab.

Levy-Dorn.

Verzeichnis der hauptsächlichsten Arbeiten von Heinz Bauer:

Die elektrische Maschinenanlage. Karl Duncker. Berlin 1898.

Die Elektrizität in Haus und Gewerbe. Ullstein & Co. Berlin 1901.

Einführung in die neueren elektro-physikalischen Forschungen. Duncker. 1903.

Das Starkstromnetz. Duncker. 1908.

Die Bibliothek der physikalisch-medizinischen Techniken. Hermann Meußer. Berlin, seit 1911.

Über den konstruktiven Ausbau von Röntgenröhren. Verhandlungen d. Deutschen Röntgen- Ges. 1905, Bd. I, S. 164.

Über eine Röntgenröhre. do. 1906, II, S. 98.

Über Röntgenröhren. Röntgen-Kongr. Amsterdam 1908.

Über einige konstruktive Neuerungen. Röntgen-Kongr. 1909, S. 122.

Über das Regenerieren von Röntgenröhren. Fortschritte a. d. Geb. d. Röntgenstrahlen, Bd. XIII, Heft 2, S. 96.

Le nouveau tube ,Gamma‘. Journal de Radiologie 1910, Vol. IV, Tusc. 20, p. 138.

Das Qualimeter. Röntgen-Kongr. 1911, Bd. VII, S. 137—139.

Die Notwendigkeit der Errichtung eines Institutes für medizinische Physik und seine Auf- gaben. Zeitschrift f. ärztl. Fortbildung 1911, Jhrg. 8, Nr. 7.

Kritische Beiträge zur Réntgenometrie. Röntgentaschenbuch 1912, Bd. IV.

Eine einfache Vorrichtung zur Untersuchung und Demonstration von Sekundärstrahlen. Fortschritte a. d. Geb. d. Röntgenstr. 1913.

Beiträge zur Röntgenometrie. IV. internationaler Kongr. f. Physiotherapie, Berlin, 30. III. 1913.

Filtration und Absorption. Röntgentaschenbuch 1913, Bd. V.

Internationale Fachliteratur. a) Vereine und Kongresse.

Röntgen-Vereinigung zu Berlin. Sitzung vom 30. April 1915. Referent: Immelmann- Berlin.

1. Bucky: Rationeller Röntgentherapie-Betrieb durch Kühlung der Röhre mit siedendem Wasser.

Obwohl meine Untersuchungen über das Thema, das ich nachher behandeln möchte, noch nicht abgeschlossen sind, habe ich mich doch dazu entschlossen, Ihnen einiges darüber mitzuteilen, weil ich glaube, daß wir unsere Anschauungen über die Röhrenfunktion korrigieren müssen und infolgedessen andere Wege einzuschlagen genötigt sind, als wir bisher zu gehen gewohnt waren. Vielleicht kann ich dadurch dazu beitragen, daß nicht unnütz an Problemen gearbeitet wird, deren Schwerpunkt bisher verkannt wurde.

Nach den bisherigen Anschauungen war die notwendige Konstanz der Röhrenhärte bei

Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XXIII. 26

202 Internationale Fachliteratur. XXII, 2.

der Röntgentherapie insofern von der Betriebsweise abhängig, als nur relativ geringe Belastungen angewendet werden konnten. Mit der Belastung wächst nämlich die Hitzeentwicklung in der Röhre. Die erzeugte Hitze ihrerseits hat einen Einfluß auf das Vakuum und damit auf die Röhrenhärte, da nach unseren bisherigen Anschauungen die in der Röhre befindlichen Metall- teile und vielleicht auch die Glaswandungen okkludierte oder adsorbierte Gasteilchen ins Vakuum abgeben und dadurch den Widerstand der Röhre ändern. Damit wird die Kathodenstrahlen- Geschwindigkeit verringert, wodurch wiederum die Wellenlänge der Röntgenstrahlen' verändert wird. Um diesem Übelstarde abzuhelfen und um insbesondere die entstehende Hitze abzuleiten, hat Walter die Wasserkühlung der Antikathode, an der die Hauptwärmemenge entsteht, ein- geführt. In der Tat haben sich diese Wasserkühlröhren durchaus bewährt. Aus diesen An- schauungen wurde weiter gefolgert, daß die Konstanz der Röhre um so besser sein müßte, je intensiver die Kühlung sei. Infolgedessen begnügte man sich nicht mit der Kühlung der Röhren mittels stehendem Wasser, das sich ja auch schnell erwärmte, sondern ließ das Wasser entweder im Kühlgefäß oder in mehr oder weniger komplizierten Kreislaufsystemen zirkulieren. Anderen genügte diese Art der Wärmeableitung noch nicht, sie führten daher die Kühlung mit Eis, zerstäubtem Wasser, ja sogar mit flüssiger Kohlensäure oder flüssiger Luft aus. Auffallenderweise hat keine der genannten oder sonstigen Vorrichtungen so offensichtliche Überlegenheit in betreff der praktischen Erfolge gezeigt, daß sie Allgemeingut geworden wäre. Überzeugte Anhänger einer jeden Methode waren bisher eigentlich nur die Autoren resp. die herstellenden Firmen der betr. Kühlvorrichtungen. Von anderen Kühlungen ist man überhaupt gänzlich abgekommen, da die Röhren damit nur recht schwer in Gang zu setzen oder kon- stant zu erhalten waren. Eigenartigerweise waren das diejenigen Kühlmethoden, die die tiefsten also eigentlich die günstigsten Temperaturgrade benutzten (flüssige Kohlensäure ‘usw.). Allen ersonnenen Kühlungen ist aber die Kompliziertheit der Anlage sowie der Umstand gemeinsam, daß die Röhren dabei oft und ausgiebig reguliert werden müssen, und zwar namentlich wäh- rend des Betriebes. So war es bei einer derartig beschaffenen Betriebsweise nicht möglich ohne Fernregulierung auszukommen. Besonders schwierig gestaltete sich der Betrieb mit harten Röhren, die recht unregelmäßig arbeiteten, auffällige Fluoreszenzerscheinungen am Glase zeigten, eine sehr hohe Betriebsspannung erforderten und stets die Neigung zeigten, so hart zu werden, daß ein Stromdurchgang unmöglich wurde. Eine Röhre von 11 12 Wehnelt kann bei zir- kulierender Kühlung kaum mit mehr als 2 Milliampere betrieben werden, auch wenn die zur Verfügung stehende Stromquelle gut imstande ist, mehr Energie zu liefern, da die Gefahr eines Durchschlages infolge des unregelmäßigen Ganges der Röhre droht. Ganz besonders gefährlich sind dabei die am Kathodenhals auftretenden Gleitfunken. Aus diesen Erscheinungen wurde ge- folgert, daß der innere Widerstand einer Röhre von 11 12 Wehneltgraden Härte ebenso hoch sei, daß die Spannung sich in der Atmosphäre ausgliche. Oder anders ausgedrückt: der Gasgehalt in der Röhre war so klein geworden, daß die Ionisationsvorgänge in der Röhre nicht mehr für den Stromdurchtritt genügten. Der Gasinhalt war zum Teil ,,verbraucht*. Dieser Verbrauch“ soll nun dadurch zustande kommen, daß Gasteilchen von den Kathodenstrahlteil- chen gebunden oder von den Metallteilen und der Glaswand der Röhre adsorbiert werden. Das stimmte auch mit der Tatsache überein, daß neue Röhren bei stärkerer Erhitzung schnell weich wurden, weil sie noch viele ungebundene Gasteilchen im Metall usw. der Röhre okklu- diert enthielten. Ob aber derselbe Vorgang statttfindet in betreff der durch Gebrauch adsor- bierten Gasteilchen, wenn die Röhre erhitzt wird, soll zunächst dahingestellt bleiben. - Eine neue Röhre, die in ihren Metallteilen noch verhältnismäßig viel Gas enthält, bleibt auch nach der Abkühlung weich. Erhitzt man dagegen eine alte vielgebrauchte Röhre, so wird sie zwar zunächst gleichfalls weicher, sie kommt aber bald wieder auf den alten Härtegrad, wenn sie wieder vollkommen abgekühlt ist. Nach den bisherigen Anschauungen wird der Gasinhalt durch Adsorption vermindert. Wieso ist aber dieser Adsorptionsvorgang in einer alten Röhre intensiver als in einer neuen? Man sollte doch im Gegenteil gerade annehmen, daß die

XXIV, 2. Internationale Fachliteratur. 203

jungfräulichen Teile einer neuen Röhre ein größeres Gasadsorptionsbestreben haben müßten, als die mit Gas gesättigten Teile einer alten Röhre!

Alle diese Überlegungen drängen dahin, auch noch andere Faktoren, di beim Röhren- betrieb auftreten, näher ins Auge zu fassen: vor allem den Temperaturgrad, den die Röhre beim Betriebe aufweist. Wir haben es bei der Erzeugung der Röntgenstrahlen mit Funken- entladungen im relativen Vakuum zu tun. Es ist aber wohl bekannt, daß derartige Funken- entladungen in ihren Erscheinungen vom Gasdruck abhängig sind, d. h. mit anderen Worten, daß die zu Funkenentladungen notwendigen Ionisationsvorgänge vom Gasdruck beeinflußt werden. Der Gasdruck seinerseits ist in hohem Maße abhängig von der Temperatur. Somit wird also auch der innere elektrische Widerstand der Röhre von der Temperatur abhängig sein. Bei so relativ niederen Temperaturen, wie sie bei den intensiven Kühlvorrichtungen erzeugt werden, ist der Ionisationsvorgang ein so ungünstiger, daß es zum unregelmäßigen Stromdurchgang in der Röhre mit allen den Erscheinungen, wie sie oben geschildert wurden, kommt, ohne daß die Röhre besonders hart. wäre. Daher das Versagen der intensivsten Kühlmethoden mit extrem niederen Temperaturen. Man beachte dabei, daß durch die Temperatur der absolute Gasinhalt nicht verändert werden kann! Diese intensiven Kühlmethoden verursachen demnach eine schäd- liche „Unterkühlung“ der Röhren. Wie aber die „Unterkühlung“ den Gang der Röhre ungünstig nach der einen Richtung beeinflußt, so ist der analoge Vorgang nach der entgegengesetzten Richtung bei der Überhitzung der Röhre zu beobachten. Hierbei wird der Ionisationsvorgang so günstig gestaltet, daß der Stromdurchgang schon bei relativ geringen Spannungen möglich wird und die Röntgenstrahlen infolge davon verhältnismäßig weich werden. Eine Kühlung der Röhren ist demnach nötig, nur darf sich keine ungünstige Temperatur dabei ergeben. Ebenso sind möglichst Temperaturdifferenzen aus leicht ersichtlichen Gründen an den einzelnen Teilen der Röhre zu vermeiden. . |

Es besteht demnach die Aufgabe, die Röhre konstant auf einer günstigen Temperatur zu halten. Diese Forderung wird am leichtesten erfüllt, wenn man sich des siedenden Wassers bedient. Das siedende Wasser hat bekanntlich stets die Temperatur von 100 Grad. Bei verän- derter Zufuhr der Wärmemenge verdampft nur mehr oder weniger Wasser; stets bleibt dabe die Temperatur konstant 100 Grad. Da außerdem zum Verdampfen eines Gramms Wasser 537 Kalorieen notwendig sind, so ist auch keineswegs zu befürchten, daß es im Innern der Röhre zu einer Wärmestauung kommen könnte, da die Wärmeableitung namentlich im Verein mit der erhöhten Wärmestrahlung (die Wärmestrahlung wächst in der 4. Potenz der Temperatur- erhöhung) vollkommen ausreicht. Dazu kommt, daß die Temperatur von 100 Grad überhaupt die optimale Temperatur für die Funkenentladung zu sein scheint. Wenigstens arbeiten auch die Funkenstrecken an den Hochfrequenzapparaten bei dieser Temperatur am günstigsten und gleichmäßigsten.

` Auf Grund dieser Beobachtungen lassen sich alle oben erörterten Erscheinungen zwanglos erklären. Wir brauchen nur den Satz gelten zu lassen, daß die Härte der Röhre nicht vom Gasinhalt, sondern von der Ionisation abhängig ist. Dabei kann der absolute Gasinhalt ständig der gleiche sein. Um das Altern der Röhren zu verstehen, kann man sich vorstellen, daß der Gasinhalt mit der Zeit die Fähigkeit der Jonisation verliert. Es würde das etwa dem Altern der metallischen Leiter bei dauerndem Stromdurchgang entsprechen, deren Widerstand sich dabei bekanntlich ändert. Hat der Gasinhalt die Fähigkeit der Ionisation verloren, so ist es notwendig, frische Gase zuzuführen, um überhaupt einen Stromdurchgang zu ermöglichen. Andererseits kann man den Ionisationsvorgang auch bei dem gealterten Gas durch die Temperatur beein- flussen.

Diesen hypothetischen Betrachtungen entsprechen die praktischen Resultate. Eine Wasser- kühlröhre, deren Metallteile nach Möglichkeit entgast sind, und bei der das Wasser im Kühl- gefäß siedet, zeigt auch bei den größten Härtegraden einen gleichmäßigen, ruhigen Gang ohne

Härteänderungen, Selbst bei 5 Milliampere Belastung und bei 8 stündigem Dauerbetrieb zeigten 26*

SP Tee Pree ee Oe E

-_— E _ 7

204 Internationale Fachliteratur. XXIII, 2.

derartige Röhren stets die gleiche Härte von 11'/, Wehnelt*) (photographisch gemessen), ohne daß es andererseits notwendig gewesen wäre, auch nur einmal in dieser Zeit zu regulieren oder die Stromverhältnisse zu ändern. Die Röhre läuft dabei wie eine Maschine. Trotz der extremen Härte ist von Gleitfunken nichts zu sehen. Das für harte Röhren sonst charakteristische Knistern und Rauschen ist nicht zu hören. Anscheinend ist die Betriebsspannung bei der „siedenden Röhre“ bedeutend niedriger. Solange das Wasser im Sieden bleibt, tritt anscheinend kein „Gas- verbrauch“ ein, d. h. die Ionisationsvorgänge sind infolge der konstanten Temperatur dauernd gleich. Sobald aber die Röhre längere Zeit außer Betrieb gesetzt wird, so daß die Temperatur infolge der mangelnden Wärmezufuhr sinkt, wird die Röhre erheblich härter, so daß sie nur mangelhaft anspricht. U. U. muß dann die Regulierung (es hat sich hierbei nur die Osmo- Regulierung bewährt) in Tätigkeit gesetzt werden. Um einen ruhigen und gleichmäßigen Gang der Röhre zu erzielen, muß eben die Temperatur der Röhre 100 Grad betragen. Trotz der extremen Härte zeigt die Röhre während des Betriebes mehrfarbiges Licht, so daß sie von er- fahrenen Fachleuten auf etwa 8—9 Wehnelt-Grade Härte geschätzt wird. Zu dieser Annahme verleitet der ruhige Gang noch ganz besonders. Jedesmal mußten wir uns davon überzeugen, daß die Röhre sowohl optisch als auch photographisch gemessen einen Härtegrad von 11,5 Wehnelt aufweist. Der Betrieb der Röhre gestaltet sich zweckmäßig so, daß man von vornherein die Röhre mit Wasser von ca. 100 Grad auffüllt. Danach belastet man mit 5 Milliampére und be- treibt die Röhre so lange, bis das Wasser kräftig zu sieden anfängt. Nunmehr wird der Härtegrad bestimmt, ohne daß der Betrieb unterbrochen wird. Ist die Härte von 11,5 Wehnelt noch nicht erreicht, so läßt man die Röhre so lange bei der gleichen Belastung laufen, bis sie den Härte- grad erreicht hat. Das ist regelmäßig nach höchstens 5 Minuten der Fall. Solange schützt man den Patienten, den man schon vorher gelagert hat, vor den Strahlen. Ist die Härte erreicht, so bleibt der Gang der Röhre für Stunden konstant und man hat weder nötig, die Röhre zu regulieren, noch die Belastung zu ändern. Es ist wichtig, daß das Wasser zu sieden beginnt, bevor die maximale Härte erreicht ist, da die Röhre sonst sehr schnell hart wird und nicht mehr anspricht. Ebenso wichtig ist es, daß man bis zum Eintreten der Konstanz die Belastung. stets auf 5 Milliampere hält. Spricht die Röhre beim Beginn schlecht an, so ist sofort energisch zu regulieren, damit das Wasser schnell zum Sieden kommt. Hat man einmal diese Betriebs- bedingung eingehalten, so hat man später nur nötig, sich die Stellung des Widerstandshebels zu merken, um zu wissen, daß bei dieser Stellung die optimalen Betriebsbedingungen erreicht sind. In kurzer Zeit gewinnt man die genügende Übung, um die Röhre sicher beurteilen zu können. Der relativ hohen Dauerbelastung von 5 Milliampere entsprechen die Dosen. Da die Sabouraudtabletten bei einer Härte von 11,5 Wehnelt-Graden vollkommen versagen (sie zeigen nach 10 Minuten bei 5 Milliampére Belastung und 12 Zentimeter Fokusabstand nur etwa ein Zehntel Volldosis), so war ich genötigt, die Kienböckschen Quantimeterstreifchen in Anwendung zu bringen, wobei ich mir wohl bewußt war, daß die Resultate einerseits wegen der sonst nicht gebräuchlichen Härtegrade und andererseits wegen des dauernden Wechsels der von der Firma herausgegebenen Vergleichsskalen keinen Anspruch auf absolute Werte erheben können. Als Vergleichswerte mögen sie von einiger Bedeutung sein. Nach dieser Messung kann man bei dem siedenden Rohr regelmäßig Dosen von 145 X unter 8 Millimeter Aluminium bei 11,5 Wehnelt Härte und 15 cm Fokusabstand in 10 Minuten erreichen. Die Röhre liefert somit in einer Stunde 870 X. Wir haben bisher unsere Versuche bis zu einem Zeitraum von 3 Stunden ausgedehnt und in dieser Zeit mit ein und demselben Rohr 2610 X erzeugt. Empirisch habe ich gefunden, daß bei 18 cm Hautabstand nach 15 Minuten ein Erythem der Bauchhaut auftritt.

Um die Temperatur in der Röhre möglichst konstant zu halten, auch wenn sich im prak- tischen Betriebe kurze Unterbrechungen als notwendig erweisen, hat die Firma C. H. F. Müller

1) Anm. bei der Korrektur: Unterdeß hat es sich herausgestellt, daß es ohne weiteres möglich

ist, noch bedeutend härter zu arbeiten (ca. 13—14 Whlt.), wenn die Belastung auf 3,5 Milliampére ver- ringert wird. Die klinischen Resultate sind überraschend.

XXI, 2. | Internationale Fachliteratur. 205

auf meine Veranlassung das Wasserkühlgefäß doppelwandig hergestellt, wobei der Zwischenraum evakuiert wird. Dadurch werden Wärmeverluste vermieden, die Temperatur bleibt annähernd 100 Grad und die Röhre spricht auch nach kurzen Unterbrechungen gut an.

Der Anblick des siedenden Wassers erzeugt beim Beschauer unwillkürlich die Vorstellung, daß das Glas der Röhre springen könnte und das siedende Wasser dem darunter liegenden Patienten schwere Verbrennungen zufügen könnte. Aus diesem Grunde habe ich meinen Blenden- kasten allseitig verschließen lassen, so daß der Patient vor diesen Gefahren sicher ist. Um statische Aufladungen, die bei der extremen Härte unvermeidbar sind, zu eliminieren, ist an meinem Blendenkasten jedes Stückchen Metall vermieden worden. Die Firma L. & H. Löwenstein in Berlin hat diese Aufgabe sehr geschickt und elegant gelöst.

Bei den Versuchen hat es sich herausgestellt, daß es zweckmäßig ist, einer Überhitzung der Kathode vorzubeugen. Die Firma C. H. F. Müller hat aus diesem Grunde eine luftgekühlte Kathode konstruiert, die sich bestens bewährt hat.

Überraschenderweise hat sich beim Betriebe der siedenden Röhre herausgestellt, daß die Dosen unter den gleichen Bedingungen beim Induktor und beim Hochspannungsgleichrichter völlig identisch sind. Wohl aber besteht ein Unterschied der beiden Apparaturen in bezug auf den primären Stromaufwand. Ich hatte Gelegenheit, meine Versuche an einem Siemens- hochspannungsgleichrichter und an einem Siemens-Triplex-Induktorapparat zu machen. Beim Gleichrichter betrug dabei der primäre Stromverbrauch durchschnittlich 20 Ampère, beim Triplex- apparat dagegen nur 4, bei 11,5 Wehnelt Härte und 5 Milliampere sekundäre Belastung. Ein Induktorapparat einer anderen Firma hatte einen primären Aufwand von 9 Ampere unter den gleichen Bedingungen. Die Stromkurve ist demnach ohne Einfluß auf die Härte und die Dosis. Der Betrieb das siedenden Rohres vereinigt folgende Vorzüge in sich: 1.) Extreme Härte

bei absoluter Konstanz, 2.) große Dosen in kurzer Zeit, 3.) einfacher Betrieb und Verbilligung durch Fortfall der Kühlvorrichtung, 4.) Verhütung von Verbrennungen infolge der absoluten Konstanz, 5.) Verhütung von Schädigungen des Patienten durch Hochspannungsschläge. (Autoreferat.)

2. Grisson: Neues Röntgen-Stereoskop.

Bei meinem kürzlichen Vortrage über mein Verfahren zur Bestimmung des Sitzes von Steckschüssen u. dergl. mittels zweier stereoskopisch angefertigter Röntgenbilder habe ich be- reits auf die Bedeutung der Röntgen-Stereoskopie hingewiesen. Wenn wir ein gewöhnliches Röntgenbild mit einem stereoskopischen Röntgenbild vergleichen, so ist der Unterschied zwischen. diesen ein so gewaltig großer, daß sich einem unwillkürlich die Frage aufdrängt, warum die Röntgen-Stereoskopie nicht in weit größerem Umfange Anwendung gefunden hat, obwohl die erste Bekanntgabe über Röntgen-Stereoskopie bereits etwa 15 Jahre zurückliegt. Ich glaube die Ursache darin gefunden zu haben, daß es sehr viel Leuten teils sehr große Mühe macht, teils unmöglich ist, mit den bisher auf den Markt gebrachten Stereoskopen ohne Anstrengung der Augen richtig stereoskopisch sehen zu können. Ich habe oft beobachtet, daß sich die Be- schauer die größte Mühe gaben, einen stereoskopischen Eindruck zu gewinnen, sich dann aber plötzlich die Augen rieben mit der Erklärung: „Ich kann nichts sehen.“ Da wir nicht in der Lage sind, das sehen zu können, was ein anderer sieht, so können wir auch für keinen auderen das Stereoskop passend einstellen. Es liegt dies in der Verschiedenartigkeit der Augen. Bei den meisten Menschen ist das rechte Auge anders als das linke bezüglich Kurzsichtigkeit, Weit- sichtigkeit, (Astigmatismus), sowie Abweichungen in der Richtung der Sehachsen. Das vor- zuführende Röntgen-Stereoskop ist so eingerichtet, daß die genannten Augenfehler volle Berück- sichtigung gefunden haben und dadurch jedermann die Möglichkeit gegeben wird, richtig stereoskopisch sehen zu können.

Das Stereoskop besteht aus 2 Schaukästen mit auswechselbaren Rahmen für die üblichen Plattengrößen, sowie einem Spiegel, welcher mittels der Hand in jede beliebige Lage und jede

206 Internationale Fachliteratur. XXIII, 2.

beliebige Entfernung zu jedem der beiden Bilder eingestellt werden kann. Die Schaukästen stehen im rechten Winkel zueinander und werden entweder auf einen’ Tisch gestellt oder in einer Zimmerecke an der Wand aufgehängt. Bei der Betrachtung wendet man das Gesicht dem rechten Bilde zu, schaut mit dem rechten Auge am Spiegel vorbei und betrachtet das linke Bild mit dem linken Auge durch den Spiegel. Mittels eines Handgriffes bringt man die beiden Bilder durch entsprechende Bewegung auf gleiche Größe und zur Deckung, worauf dann der Körper in seiner wirklichen Beschaffenheit räumlich erscheint, und der Fremdkörper in seiner wirklichen Form und Lage zu seiner Umgebung gesehen wird.

Wie seinerzeit des näheren ausgeführt, können die beiden stereoskopischen Bilder durch Aufeinanderlegen zur Tiefenbestimmung der Fremdkörper verwendet werden. Sofern bei einem Eingriff auf die gemessene Tiefe der Fremdkörper nicht gefunden wird, was infolge der Span- nungsänderungen in der Muskulatur vorkommen kann, so empfiehlt sich das Einlegen einer sterilen Sicherheitsnadel oder dergl. in die Wunde und eine abermalige stereoskopische Aufnahme, welche uns dann die Lage des Fremdkörpers zu der Nadelspitze deutlich zeigt, so daß dessen Auffindung mühelos gelingt. Die Stereoskopie bietet sowohl bei der Behandlung von Steck- schüssen, als auch bei Frakturen, Neubildungen usw. so gewaltig große Vorteile, daß sie insbesondere bei den Kriegsverletzungen zur Regel gemacht werden sollte, um so mehr als die Anfertigung stereoskopischer Bilder geringere Mühe verursacht, als die bisher vielfach geübte Anfertigung von 2 Bildern in gekreuzten Ebenen, welche nur in einzelnen Fällen zum Erfolg führt.

Die Anfertigung der Stereoskope erfolgt durch die Firma Ehrich & Graetz, Berlin SO, Elsenstr. 90—94.

pe a nen To ie E

Kriegschirurgentag in Brüssel. Tagebuchskizze von Prof. Dr. Klieneberger, Stabsarzt d. R., Chefarzt des Seuchenlazaretts der 5. Armee (Inor).

Nil admirari, man hat es in den 8 Monaten gelernt. So erstaunte auch niemand, als es Ende März hieß, es solle am 7. April in Brüssel eine Kriegschirurgentagung stattfinden.

Am Ostermontag nachmittag ging’s mit dem Auto durch die Ardennen nach L., wo wir den Zug nach Brüssel erreichen sollten. Abends bereits kamen wir in dem französischen „Klein- Paris* an. Ein schärferer Unterschied, als ihn die Grenze zwischen okkupiertem Frankreich und Belgien markiert, kaum denkbar: In Frankreich Schmutz und Unordnung soweit nicht der deutsche Besen gekehrt, in Belgien Reinlichkeit, Ordnung und Wohlstand. So also auf- gekeimte Wintersaat, drainierte Wiesen, aus Deutschland bekannte Forstwirtschaft, weidendes wohlgepflegtes Vieh (die erste -Mastsau nach langer Zeit) —, sieht es mit dem von den „Hunnen“ ausgesogenen verheerten Lande aus! Gewiß, an zerstörten Ortschaften, zerschossenen Gehöften, zertrümmerten Forts, Drahtverhauen und Gräben kamen wir vorbei, zumal bei der Eisenbahn- fahrt. Aber es mutete einen an, wie ein sagenhafter Schrecken alter Zeit im pulsierenden frischen Leben des Tages. Und in Brüssel und Antwerpen flutet das Leben: Geschäft und Geschäftigkeit, spielende Kinder, geputzte Damen, vielleicht mit mehr Halbwelt als sonst. Straßen- Post-, Bahnverkehr wie im Frieden, nur pünktlicher und ordentlicher unter deutscher Verwaltung und mit militärischem Einschlag der Auto- und Wagenbeschränkung.

Eine eilige Fahrt, ein eiliger Rundgang war's an den belgischen Städten vorüber und durch sie. Der raschen Eindrücke zuviel, als daß man sie hätte ordnen und sammeln können, in der Gegenwart des Tages ermüdend, im Gold des Gedenkens wie ein schöner Traum:

Da war das Hafenbild von Antwerpen mit noch für viele Tausende von Schützengräben und Unterständen reichenden Holzstapeln, die gotische Kathedrale mit den von den Engländern „geretteten“ Rubensbildern, die Buchdruckerei des Plautin Moretus eine Geschichte aus 6 Menschen- altern, die alten Brünnchen und Häuser einer großen Vergangenheit. Während aber in der

XXIII, 2. Internationale Fachliteratur. 207

Stadt nichts von dem alten Glanz fehlte, im Hafen war Feiertag, viele Müßiggänger, und auf der Schelde und Hafenbassins nur wenige Dampfer. Im Jardin des plantes die Anlagen, die wie sonst gepflegt waren; es fehlte nur das große Raubzeug. Vor dem Einzug der Deutschen hatte man es in sinnloser Angst vor Ausbruch und Jagdstreife zusammengeschossen.

In Brüssel wiederum ließ man sich von dem ungewohnten Straßenleben und Tosen treiben, da genoß man flüchtig die flandrische Kunst der St. Gudula, des Musée nationale, des Kunst- gewerbemuseums. Da ließ man staunend die abgrundtiefe kranke Phantasie des Musée Wiertz auf sich wirken. |

Auf dem alten Marktplatz (Grande place) aber standen wir auch in später Nachtstunde und träumten phantastisch den versunkenen Größentraum alter flandrischer Herrlichkeit. Ger- manenblut hat dieser Kultur den Stempel aufgedrückt, der französische Flitter-Oberflächlichkeit nur anhaftet.

Nur wenige Stunden dauerten die ernsten Sitzungen. In den geräumigen Sälen des Con- servatoire de Musique waren etwa 1000 Ärzte aus Ost und West zusammengekommen. (Es war ja Dienstreise, möglich und notwendig.) Erstaunlich mitten im Kriege; und ein glänzendes Zeugnis deutscher Organisation. Für mich als Internisten kamen vom Standpunkt der Dia- gnostik und der Indikationstellung, die ja wiederholt auch auf unsern kriegsärztl. Abenden be- handelten Kapitel der Wundinfektion und der Schädelschüsse in Betracht. Wir stehen natürlich noch im Bann der Einzelerfahrung ‘und der Diskussion. Das ungeheure Material ist noch nicht gesichtet und die Verlaufserfahrungen stehen aus, ganz abgesehen davon, daß rein lokale Ge- sichtspunkte oft entscheidend beeinflussen müssen. Allgemein angenommen ist, daß die Prophy- laxe (20 I. E.) die wichtigste Tetanusbehandlung ist. Bei allen Schädelschüssen kommt nach Enderlen Wundreinigung, Erweiterung der Schußöffnung, Splitterentfernung in Frage. Andere wollen sofort nur die Tangentialschüsse in Angriff genommen sehen. Einigkeit besteht darüber, daß Schädelschüsse den Transport nicht vertragen, daß die Prognose gewöhnlich schlecht ist, und daß man sich über die primären Erfolge nicht täuschen darf. Ich pflichte von Hecker (Münchn. med. Wochenschr., kriegsärztl. Abend vom 19. XII. 14) bei, daß erst nach der Ver- arbeitung des angehäuften Materials, wenn der Verlauf klarer zu übersehen ist, Schlüsse am Platz sind. Einstweilen muß man individualisieren, und nach Wissen und Gewissen die Indi- kation herausarbeiten. Die Frage der Spätepilepsie, der späten Encephalitis, folgender psych. und nervöser Störungen ist eine Frage kommender Zeit. Obwohl unvermutet große Beteiligung am Kongreß war, gelang es der an momentane Einstellung gewöhnten, deutschen Organisation richtig zy disponieren, man erhielt sogar, mitunter nach längerem Warten und Suchen, Säbel und Mantel wieder, die ja nur für den Kenner feststellbare Unterscheidungsmerkmale besaßen. Imposant war die Vereinigung beim Abendessen, im Justizpalast in Brüssel, wo man seit Jahren nicht mehr gesehene Bekannte wiedertraf, und gelegentlich von Studiengenossen begrüßt wurde.

Zuversichtlich klangen die Reden, besonders die des Generalgouverneurs in dem , launischen“ Brüssel, das seinem Ruf auch in der Wettergestaltung treu blieb. Und die Feldgrauen, die sonst so wenig Gelegenheit zum Geldausgeben haben, hatten wieder einmal Gelegenheit, wie im Frieden zu tafeln, zu reden, einzukaufen. An den vielen weggesandten Brüsseler Spitzen abgesehen von der dadurch gegebenen Förderung flämischer Hausindustrie dürften auch die Damen zu Hause Freude gehabt haben.

Zurück aber fuhr ich über Lille.

Wieder der unmittelbare Eindruck krasser Unterschiede zwischen französischem Raub- und Faulbau und belg.-deutscher Kultur und Organisation. Wie fiel doch die berühmte Moritz- Kirche gegen flandrische Kirchen ab. Kaum prägte sie sich schärfer dadurch, daß mit völliger Schonung der Kirche die Häuserreihen um sie von unserer Artillerie niedergelegt waren. Über- all aber hatte man in dem im ganzen verwahrlosten Lille den Eindruck der Leichtlebigkeit, Lebensfreude und Einsichtslosigkeit. Im Café de Sevigny z. B. hörte ich fernher klingend als Antwort auf eine deutsche Auseinandersetzung: „Ja, die Deutschen stehen wohl auf französischem

208 Internationale Fachliteratur. XXIII, 2.

Boden, aber sie kommen nicht weiter; wenn wir erst einmal wollen, sind wir gleich in Berlin, wir wollen nur noch nicht!“ Ein kindliches Volk, diese Franzosen und ihr Einschlag in Bel- gien, die Wallonen. Und so ging's wieder fort, in die seit Monaten gehaltenen Stellungen im Osten und Westen. Wie eine Traumreise, als wäre es viele Wochen her, liegen die Tage zurück. Erinnerung: Man saß zusammen wie im Frieden, weiß nicht ob man sich wiedersieht, wann es sein wird, wie es sein wird.

Referat über den Diskussionsabend des wissenschaftiichen Laboratoriums der Reiniger, Gebbert & Schall A-G. am 17. April 1915.

Mit Beginn des Jahres 1915 wurde von der Reiniger, Gebbert & Schall A-G. in Er- langen ein wissenschaftliches Forschungslaboratorium gegründet, das frei von propagandistischen Motiven ganz der physikalisch-technischen Forschung auf dem Gebiete der Elektromedizin, ins- besondere aber auf dem Gebiete der Röntgentherapie schaffen soll. Um diesen Gedanken, frei von rein propagandistischen Motiven zu sein, voll und ganz durchführen zu können, wurde die Institution in München, damit also auch örtlich von der anderen Organisation der Firma getrennt, gegründet.

Am 17. April fand nun der erste Diskussionsabend statt; diese Abende sollen in ganz zwangloser Reihenfolge stattfinden. Eine Anzahl von Ärzten hatte sich hierzu eingefunden.

Der erste Vortragende, Janus, wies in seinen einleitenden Worten auf die Notwendigkeit dieser Forschungsarbeit hin und begründete den Wert der physikalischen und technischen Grund- lagen für eine Weiterentwicklung der Elektromedizin. An diese einleitenden Worte schlossen sich die angekündigten Vorträge.

Janus: „Neuere Typen von Röntgenröhren“.

Der Vortragende ging von der Entwicklung der Röntgenröhren an sich aus und legte klar, daß gerade die Erfolge der Röntgentherapie und die Forderungen, die damit von seiten der Medizin an die Technik gestellt werden, eine technische Vervollkommnung der Röntgen- röhren zur Folge hatte. Er teilte die Röntgenröhren in zwei Klassen ein, selbständige und unselbständige Röhren.

Zu den selbständigen Röntgenröhren sind alle die bis jetzt gebauten Typen zu zählen. Auch hier sei ein Fortschritt hauptsächlich in bezug auf die Kühlung der Antikathode zu ver- zeichnen. Als eine ganz neue Form dieser Klasse sei auch die Zehnder-Röhre zu betrachten; Professor Zehnder hat eine Röntgenröhre aus Metall hergestellt und ist damit von der bisher gebräuchlichen Form der Röhren abgegangen. Janus wies dabei auf ähnliche Bestrebungen früherer Zeit hin (Lindemann), die aber zu keinem Resultat kamen, wohl infolge der technischen Schwierigkeiten, die natürlich auch bei der Zehnder-Röhre erst überwunden werden müssen, Dem gegenüber sei zu betonen, daß, falls es gelänge dieser Schwierigkeiten Herr zu werden, diese Metallröhre sicher einen Vorteil insbesondere für die Röntgentherapie bedeuten würde.

Professor Zehnder hat seine neue Röhre vor kurzem eingehend in der Elektrotechnischen Zeitschrift beschrieben und den einzelnen Firmen die Fabrikation anheimgestellt.

Von dieser Röhre ging der Vortragende zu der zweiten Klasse der Röntgenröhren, den unselbständigen Röhren über. Unselbständig sind sie deswegen zu nennen, weil, um sie zum Arbeiten zu bringen, eine besondere Hilfsvorrichtung notwendig sei. Im Prinzip sei diese Röhren- art schon auf die Wehneltröhre (mit Oxyd-Kathode) zurückzuführen. Erst die jüngste Zeit aber habe dieses Prinzip ausgebaut und so sei die Coolidge-Röhre und die Lilienfeld-Röhre entstanden. Bei beiden Typen ist eine Heizspirale eingebaut, die freie Elektronen aussendet, die in einem Falle zur Kathodenstrahlengeschwindigkeit in einem angelegten elektrischen Felde beschleunigt werden, im anderen Falle die Jonisation in der Röhre herbeiführen. Beide Röhren-

XXIII, 2 Internationale Fachliteratur. 209

typen bedeuten einen großen Schritt vorwärts und lassen manches erhoffen. Der Vortragende konnte eine Coolidge-Röhre im Betriebe zeigen.

Janus: „Kritik der bekannten RBöntgenmeßverfahren“.

Häufig begegnet man der Frage, wie sich die Werte der einzelnen Meßverfahren zu ein- ander verhielten. Die Beantwortung der Frage sei außerordentlich schwierig, denn jedes Meß- verfahren gebe seine Werte unter ganz bestimmten Voraussetzungen und es sei ein Vergleich fast eine Unmöglichkeit. Außerdem sei zu bedenken, daß man mit all den bekannten Methoden doch nur Mittelwerte, niemals die Zusammensetzung aus den einzelnen Faktoren von verschiedener Wellen- länge messe. Die Messung sei also immer nur relativ. Wolle man aber trotzdem Dosimeter vergleichen, so müsse man sich eine ganz bestimmte Röhre, die man sich für diesen Zweck eiche und stets bereit halte, zulegen und stets unter gleichen ganz bestimmten Betriebsbedin- gungen arbeiten.

Voltz: „Die Wirkung der Sekundärstrahlen“.

Das Gebiet der Sekundärstrahlung ist für die Röntgentherapie ein außerordentlich bedeut- sames. Letzten Endes muß man alle Wirkungen, die man als besondere Wirkungen der Rönt- genstrahlen ansieht, auf. die Sekundärstrahlung als Ursache zurückführen. Der Vortragende teilte die Sekundärstrahlung in drei Klassen ein, nämlich: zerstreute Strahlung, Fluoreszensstrahlung und Korpuskular-Strahlung. Er wies dann auf den engen Zusammenhang zwischen Fluoreszens- strahlung und Korpuskular-Strahlung hin. Alle die besonderen Wirkungen der Röntgenstrahlen, wie Wärmewirkung, chemische Wirkung, biologische Wirkung, also chemische Wirkung in der Zelle, Fluoreszenswirkung usw. sind auf die Entstehung von Korpuskular-Strahlen durch die Primärstrahlen zurückzuführen. Das gesamte Thema behandelte der Vortragende vom Standpunkte des Energetikers aus. . |

An einer Reihe von Experimenten zeigte er dann die Wirkung der Sekundärstrahlung, wobei er analoge Experimente aus der Lehre vom Licht demonstrierte. i

Voltz: „Die Analyse von Entladungskurven an Röntgenröhren“.

Die bisherigen Qualitätsmessungen an Röntgenstrahlen beruhen alle auf dem Prinzipe der Absorption. Eine Absorptionsmessung kann uns aber immer nur einen Mittelwert geben, niemals aber einen Grenzwert. Die eindeutige Definition einer Strahlenqualität wäre nun die nach ihrer Wellenlänge, da ja Röntgenstrahlen durch die neuesten Forschungen ebenso als Lichtstrahlen anzusehen sind, wie die, die wir gemeinhin als Licht bezeichnen. Solange diese Definition nicht mittels optischer Methoden möglich ist, müssen wir uns mit Spannungsmessungen behelfen, da die Spannung ein relatives Maß für die Wellenlänge ist. Der Verlauf der Spannungs- kurve gibt uns daher auch ein relatives Maß für den Verlauf des Röntgenspektrums. Das heißt also, die Zusammensetzung eines Röntgenstrahlengemisches ist vom Verlauf der Entladung abhängig. Die Kontrolle der Entladungskurve bildet daher auch eine Kontrolle der Strahlen- zusammensetzung. Der Vortragende zeigte eine Reihe von Photogrammen von Entladungs- kurven und führte solche zum Schlusse auch im Experiment vor. F. Voltz.

b) Journalliteratur.

Münchener med. Woch. 1914, Nr. 40, S. 2085.

Moses: Zum Schutze des Arztes bei Röntgendurchleuchtung. Trotz vieler Bemühungen bieten die Schutzverkleidungen der Röhrenkasten, die Schutzschürzen und Handschuhe keinen absoluten Schutz, besonders bei Bestrahlungen. Verf. konstruierte deshalb eine Durchleuchtungsschutzwand, die gestattet, den Schirm allseitig zu bewegen, die gleichzeitig als Stützwand für Aufnahme stehender Patienten benutzt werden kann, die schließlich erlaubt, während der Bestrahlung den Patienten zu dirigieren und zu pal- pieren. Die Wand wird von Reiniger, Gebhard & Schall gebaut und besteht aus einer mit Blei bedeckten Holzwand mit Ausschnitt, vor der sich zwei andere, vertikal und horizontal bewegen lassen. Der Schirm und die Kassette sind gut equilibriert, die Handhabung ist leicht und einfach und entspricht dabei der Forderung des größtmöglichsten Strahlenschutzes.

Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XXIII. 27

210 Internationale Fachliteratur. XXIII, 2.

The American Journal of Roentgenology. Vol. J, 7. May 1914, p. 298.

Holmes: Some Experiments of Standardisation of Dosage for Roentgen Therapeutics, (Einige Versuche zur Festsetzung der Dosierung bei der Réntgentherapie.) Die erste Methode der Dosierung der Röntgenstrahlen ist der Versuch, den Betrag der elektrischen Energie zu messen, der während der Ex- positionszeit aus dem Röntgenrohr frei wird. Die zweite, die Einschaltung von gewissen chemischen Substanzen zwischen Rohr und Gewebe, die bestimmte Veränderungen durch die Strahlen erleiden. Verf. machte eine Reihe von Versuchen, ob die chemischen Veränderungen, die sich zeigten, im direkten Ver- hältnis zu der, in Watt gemessenen elektrischen Energie der Röhre, ständen. Eine photographische Platte wurde zu diesem Zweck in zehn gleiche Teile geteilt, und während die übrigen neun mit diekem Blei gegen die Strahlen geschützt wurden, je eine von verschiedenen Stromstärken bestrahlt. Fünf wurden mit 40—80 Kilo Volt bei gleicher Ampérezahl und Entfernung exponiert, die anderen fünf wurden bei gleicher Voltzahl und Entfernung exponiert, während die Ampérezahl vermehrt wurde. Nach Entwickelung der Platte zeigte sich dann, daß bei gleichen Wattzahlen auch die Farbenveränderungen gleich waren. Dieses zeigte sich bei Röhren verschiedenster Konstruktion in gleicher Weise. Doch zeigte sich z. B. beim Vergleich einer Röhre mit Wolfram-Antikathode und einer andern Röhre mit Platin-Antikathode, ein deutlicher Unterschied in der Verfärbung bei gleicher Wattzahl, und zwar deshalb, weil Metalle mit niedrigem Atomgewicht weniger durchdringende Strahlen liefern. Dann wurde im Laufe der ver- schiedensten Behandlung die genaue Bestimmung der elektrischen Energie vorgenommen, wo ein Ery- them aufgetreten war und so eine Tabelle aufgestellt, die genau die Zahl der Milli-Amp.-Kilo-Volt und Expositionszeit angab, die bei gleicher Entferung ein Hauterythem erzeugt. Auch hier zeigte sich, daß die chemischen Veränderungen der photographischen Platte und die Hautveränderungen, beide im direkten Verhältnis zu dem Betrag der elektrischen Energie standen, die von der Röhre geliefert wurden, gemessen in Wattsekunden. Schließlich wurden noch einige Vergleichsversuche der Sabouraud-Pastille dem Handsom-Radiometer und dem Holzknecht-Radiometer gemacht und da zeigte es sich bald, daß die Angaben der Pastillen zu gering bei niedrigen Voltzahlen und bei weichen Röhren waren, während bei hoher Voltzahl und harter Strahlung sich zu hohe Dosen zeigten. Jedenfalls ergibt sich noch die Möglich- keit, einigermaßen exakt die Dosen zu messen.

Nr. 8, Juny 1914.

Sidney Lange: Practical Results in X-Ray Examination of the Mastoid. (Praktische Resultate der Röntgenuntersuchung des Warzenfortsatzes.) Die methodische Anwendung der Röntgenuntersuchung des Warzenfortsatzes scheint nach neueren Erfahrungen in allen Fällen angebracht zu sein, wenn man nach der Ursache von unklaren Schmerzen, Fieber oder septischen Symptomen denn sucht ein gutes Röntgenogramm zeigt deutlich einen akuten, subakuten, chronischen oder geheilten Prozeß im Warzen- fortsatz an. Wenn auch die Differenzierung nicht immer leicht ist, so bieten uns doch die Aufnahmen häufig wertvolle Aufschlüsse. Beim ersten Grad der Mastoiditis sieht man hauptsächlich Wolkenbildung, dabei sind die Zellwandungen in ihren Unregelmäßigkeiten noch scharf zu erkennen. Bei dem ernsteren zweiten Grad der Entzündungen sieht man neben der Wolkenbildung in den Zellriumen auch Unschärfe und Verwaschenheit der Zellwände. In diesen Fällen ist eine Operation sehr in Erwägung zu ziehen. Beim dritten Grad der akuten Mastoiditis zeigt die Röntgenplatte eine vollständige Zerstörung des Knochens. Häufig sind kleine Abszesse zu sehen und Nekrosen. Die Operation ist hier sofortige Indikation. Bei den chronischen Fällen kann man unterscheiden zwischen der einfachen Sklerose und der Sklerose mit Knochendefekt. Bei den ersteren sieht man Verdickungen der Zellwandungen und Obliterationen der Zellräume. Es kann sogar die ganze Zellzeichnung verloren gegangen sein. Bei der zweiten Form sieht man außerdem Knochenpartien von verringerter Dicke, welche Hohlräume darstellen. In diesem Falle ist Vorsicht geboten, da diese Hohlräume häufig Eitertaschen darstellen, die durch Granulationen verschlossen sind. An der Hand von einigen Fällen wird dann der Wert der Methode und differential-diagnostische Bedeutung noch näher besprochen. Der Wert derselben ist jedenfalls für viele Fälle nicht abzuleugnen.

Nr. 7, May 1914.

George and Gerber. The direct Methode of Diagnosis of Duodenal Ulcer by Means of the Rönigen-Ray. (Die direkte Methode der Diagnose des Duodenalgeschwürs durch die Röntgenstrahlen.) Nach der Literatur scheint bisher die Meinung vorzuherrschen, daß die Röntgendiagnose des Duodenal- geschwürs gewissermaßen nur suggestiv sei, und keine sicheren positiven Resultate gebe. Verf. betont daher, daß eine direkte Darstellung der anatomischen Veränderungen auf der Röntgenplatte möglich sei, und zwar schlägt er für jeden Fall drei Aufnahmen vor. Eine stehend, eine in Bauchlage, und eine in rechter Seitenlage. Denn anatomisch ist der erste Teil des Duodenums eine feststehende Einheit und kann immer durch eine dieser drei Aufnahmen mit charakteristischer Gestalt und scharfer Begrenzung dargestellt werden. 95°/, dieser Ulcera treten in diesem ersten Duodenalteile auf: Dauernder Defekt in diesem Duodenalbulbus bedeutet einen pathologischen Befund, und zwar kann das durch Ulcus, Adhäsionen, Cholecystistis oder durch Druck anliegender Organe hervorgerufen worden sein. Jedes Duo- denalulcus, das tiefer als eine einfache Schleimhauterosion reicht, bewirkt eine Deformität der Begrenzung

EAU, eee

XXIII, 2. Internationale Fachliteratur. 211

der Wismutmasse, Das schwierigste ist natürlich die Differentialdiagnose gegen Adhäsionen bei Gallen- blasenleiden, doch werden in der Regel bei Duodenalulcus die Adhäsionen nicht nur die Fixierung des Bulbus duodeni in der Unterlebergegend zeigen, sondern es wird auch ein dauernder Defekt im Duo- denalbild auftreten. Bei Gallenblasenadhäsion wird sich bloß eine allgemeine Difformität mit Fixation unter der Leber erweisen lassen. Ein normaler Bulbus duodeni läßt Verhärtung oder chirurgisch zu behandelndes Ulcus ausschließen, wie Verf. in vielen operativ nachgeprüften Fällen erfahren konnte. Für die Praxis wichtig sind die zwei folgenden Punkte: 1. DaB es bei guter Technik möglich ist, die Vollkommenheit des ersten Duodenalanteiles zu demonstrieren und 2. daß entweder ein normaler Bulbus oder ein konstanter Defekt in der Begrenzung sich zeigte. Bei der Durchleuchtung, die bisher überall ausgeführt, wurde dies nicht genügend erkannt, aber mittels der angegebenen drei Aufnahmen wird man leichter zum Ziele kommen.

Nr. 7, May 1914.

Gray: Roentgenexamination for Head Injuries. (Röntgenuntersuchungen bei Kopfverletzungen.) Bei Schädeluntersuchungen ist die Ansicht des Röntgenologen für den Chirurgen wichtiger, als fast bei allen anderen diagnostischen Gebieten der Röntgenologie, speziell bei Kindern kann eine Schädel- verletzung auftreten und fürs erste unerkannt bleiben bis im späteren Leben ernstere Erscheinungen auftreten, ohne daß man die eigentliche Ursache dann erkennt. Die Diagnose der Gehirnerschütterung wird auch sicher etwas zu häufig gestellt. Zur Erkennung, ob eine Schädelfraktur, in solchen Fällen vorliegt, oder ob eine Operation angezeigt ist, ist eine scharfe Zeichnung der Einzelheiten der Knochen- struktur der Nähte und der kleinen Impressionen der Nähte nötig. Den besten Überblick bietet eine rein seitliche Aufnahme speziell für das Schädeldach. Für Bewußtlose, unruhige Patienten und für Kinder gibt Verf. eine Methode an, bei der der Kopf durch einige Binden leicht fixiert werden kann. Zu beachten ist bei Frakturen die Form desselben, ob lineal-, kreis- oder sternförmig, die Länge der Fissur ihre Abgrenzung, ihre Lage zu den Nerven und Blutgefäßen, weiterhin die Frage, ob die Fraktur- ränder sich decken, ob Kompression der Weichteile vorhanden ist oder nicht. Ferner ist das Alter des Patienten bei der Beurteilung zu berücksichtigen. Bei den schwerer zu beurteilenden Ergebnissen ist es wichtig, daß der Röntgenologe auch bei einer Operation anwesend ist, um zu erkennen, ob seine An- richten von den Ergebnissen der Operation bestätigt werden.

Vol. I, Nr. 8, June 1914.

Hickey: The Antero Posteriorposition for the Mastoid. (Die antero posteriore Lage bei der Aufnahme des Warzenfortsatzes.) Verf. schlägt vor, bei einseitigen Erkrankungen des Warzenfortsatzes Vergleichsbilder der beiderseitigen Knochen in antero posteriorer Lage auf ein und dieselbe Platte zu machen und zwar folgendermaßen: Der Patient liegt auf dem Rücken mit dem Kopfe auf einer großen photographischen Platte. Dann wird mit kleiner Zylinderblende der Zentralstrahl direkt auf den Warzen- fortsatz eingestellt und dann um einen Winkel von fünf Grad gedreht. Nach der Aufnahme wird dann der Zylinder in gleicher Weise auf der entgegengesetzten Seite eingestellt und die analoge Aufnahme gemacht. Natürlich muß die eine Hälfte der Platte durch Bleischirm geschützt werden. Die Aufnahmen können, da die zu durchdringende Knochenpartie verhältnismäßig dünn ist, ziemlich verkürzt werden, so daß beide kurz hintereinander stattfinden können. Wenn die Spitze und die anliegenden Zellen mit Flüssig- keit oder Granulation gefüllt sind, kann man dies im Vergleich mit der gesunden Seite leicht erkennen.

Archives of the Roentgen Ray. Vol. XIX, July 1914, Nr. 168, p. 73.

Haret: Electrodes Sealed into Quartz Glass. (Die Einlötung von Elektroden in Quarzglas.) Der Gebrauch von Quarzglas in der elektrischen Industrie scheiterte bisher an dem Fehlen einer Methode, um Metalldraht gasdicht mit Quarz zu verlöten. Bisher wurde für einige Zwecke Quecksilberverschluß der Lötstelle angewendet. Jetzt hat Verf. ein Patent für ein Verfahren erhalten, mittels dessen glattes metallisches Blei luft- und gasdicht mit einer glatten Quarzglasfläche verlötet werden kann. Diese Me- thode, die Verf. in ihrem Effekt kurz darstellt, ist bisher für Vakuumröhren, Kathodenstrahlenröhren, Röntgenröhren, Metallfadenlampen usw. mit gutem Erfolge angewendet worden.

Vol. XIX, July 1914, Nr. 168, pag. 68.

Haret:. Radiotherapy by the electrical Transport of Radium Jons into the Interior of the tumour, (Radiumthearapie durch elektrische Einführung von Radiumionen in das Innere der Geschwulst.) Die Schwierigkeit bei der Radiumbestrahlung maligner Tumoren ist bekanntlich die besondere Empfind- lichkeit der Hautzellen gegen die Strahlen. Man hat nun versucht, das Radium intratumoral einzuführen und Hautbestrahlung zu umgehen. Aber auch dieses ist bei sonst gesunder Haut schwierig und nicht ganz ohne Gefahr, da viele Blut- und Lymphwege eröffnet werden. Um das letztere zu vermeiden, ver- suchte Verf. die elektrische Einführung der Radiumionen durch die Haut hindurch, indem er eine mit der Radiumbromidlösung getränkte Kompresse mit dem positiven Pol des auch für die elektrolytische Einführung anderer Medikamente bekannten Apparats verband, während die Negativelektrode mit ge- wöhnlichem gekochten Wasser befeuchtet wurde. Nach einer Sitzung von 30 Minuten bei 25 Milliampére Stromstärke wurde das Radium in 9 cm Gewebstiefe gefunden. Und noch nach 10 Tagen wurden Radium-

. 97%

212 Internationale Fachliteratur. XXIII, 2.

spuren nachgewiesen. Eine Dosis von 10 bis 20 Millionstel Gramm Radium kann mehrere Monate täg- lich ohne Störung verabreicht werden. Verf. teilt ausführlich einen Fall von Sarkoma humeri mit, der glänzend geheilt wurde. Nach den Erfahrungen der 2 letzten Jahre, in denen eine beträchliche Anzahl von Fällen behandelt wurde, zeigte es sich, daß Sarkome am besten beeinflußt werden.

Vol. XIX, July 1914, Nr. 168, p. 64.

Schall: X-Ray Penetration or Quality. (Über die Durchdringungskraft oder die Qualität der Röntgenstrahlen.) Kurze Darlegung der Verhältnisse der Röntgenstrahlenqualität in Beziehung zum Luft- gehalt der Röhre und der Stärke des hindurchgehenden Stromes und der daraus resultierenden Platten- qualität bei den verschieden dicken Knochen. Die Qualität der Röhre muß vor jeder Aufnahme geprüft werden, und zwar mit der Stromstärke die für die Aufnahme benutzt wird, da der Härtegrad sich auch noch mit der angewandten Stromstärke etwas ändert. Da man immer ein Strahlengemisch erhält, muß man, um homogene Strahlen zu haben, wie dies bei der Therapie nötig ist, die weichen Strahlen durch geeignete Filter zurückhalten.

Vol. XIX, July 1914, Nr. 168, p. 51.

Morton und Souttar: A Note on Calcaneodynia (Painful Steel). (Notiz zu dem Röntgenbefund bei Kalkaneodynie.) Der Befund eines Kalkaneussporns ist ziemlich häufig. Nach Reclus zeigt es sich bei ca, 1 von 7 Aufnahmen. Meistens sind bei dem Bestehen eines solchen Sporns keine Beschwerden, aber in einzelnen Fällen können beträchtliche Schmerzen auftreten, vor allem in der Ferse beim Auf- treten. Dieser Sporn, der in der seitlichen Aufnahme zu erkennen ist, ist fast immer eine Knochenauf- lagerung, der die Breite des ganzen Kalkaneus einnimmt. Als prädisponierende Ursache hat gewöhnlich Gicht, Tuberkulose, Gonorrhoe oder Syphilis bestanden. Durch operative Entfernung der Knochenlamellen tritt Besserung der Beschwerden auf. Man muß aber darauf achten, daß daneben, wie Verf. in 2 Fällen sah, noch ein fibromatöser Knoten direkt unterhalb der Knochenauflagerung vorkommen kann, der eben- falls entfernt werden muß, da sonst die Schmerzen nicht nachlassen.

Vol. XIX, July 1914, Nr. 168, p. 43.

Aladdins Lamp: Enthusiastische Mitteilung über eine Demonstration Prof. Braggs im Royal Institution. Dieser konnte mittels des Röntgenrohres den inneren Aufbau der Diamantkristalle zeigen. Er konnte ein X-Strahlenspektrum des Edelsteines darstellen, und aus ihm heraus die Atomstruktur des Diamanten ableiten, ebenso wie er andrerseits aus der Anordnung der Atome z. B. beim Bergkristall ein absolutes Maß für die Wellenlänge der Röntgenstrahlen erhielt. Die einzelnen Atome können nach ihrem Einfluß auf die Wellenlänge der X-Strahlen in einer bestimmten Reihenfolge systematisch geordnet werden. Und dabei fanden sich dann 3 Lücken der Reihe, so daß anzunehmen ist, daß noch 3 Elemente in der Natur vorkommen, die bisher unbekannt sind. Diese Tatsachen werden kurz, ohne nähere Erörterung mitgeteilt.

Vol. XIX, July 1914, Nr. 168, p. 45.

Case: A critical study of Intestinal stasis with new observations respecting the canses of Ileal stasis. (Kritische Studie über die Darmstasis mit neuen Beobachtungen bezüglich der Ursache der Stasis im Ileum.) Die von Buschan und Meschnikoff aufgestellte Lehre der schädigenden Wirkung der Darmstasis ist dann von Lane weiter ausgebaut worden, mit besonderer Berücksichtigung der guten Er- folge einer Radikalbehandlung durch Operation. Wenn auch dies letztere nicht von allen Ärzten an- erkannt ist, so besteht nach Ansicht des Verf. kein Zweifel über das relativ häufige Vorkommen der Krankheitssymptome mit ihren Einwirkungen auf den Gesamtorganismus. Über die eigentliche Ursache der Stasis besteht aber jedenfalls keine Klarheit. Verf. untersuchte deshalb alle Fälle des Battle Creek Sanatoriums und des St. Lucas Hospital, Chicago, die laparotomiert wurden, vorher gründlich mit Röntgen- strahlen, während er dann später der Operation beiwohnte. So wollte er den röntgenologischen Nach- weis einer Stasis durch Autopsie in vivo kontrollieren. Nach den Erfahrungen werden nur einige wenige Fälle von alimentärer Toxämie durch operative Maßnahmen, wie Kolotomie oder Koloenteroannastomie geheilt. Es scheint vielmehr in der Hauptsache sich um Stasis im Ileum zu handeln und hier fanden sich in manchen Fällen als Ursache Adhäsionen im Ileum. In anderen Fällen zeigte sich, selbst wenn Ad- häsionen vorhanden waren, doch keine Stasis. Schließlich fanden sich manche Fälle von Stasis, bei denen keinerlei Adhäsionen anzutreffen waren. In einigen Fällen mag der von Herz angenommene Spasmus der Ileocoecalklappe die Ursache der verzögerten Ileumentleerung sein. ín der Mehrzahl scheint aber das Gegenteil, nämlich Inkontinenz der Ileumcoecalklappe vorhanden zu sein, die sich in vielen Fällen, sowohl im Röntgenbild ale auch bei der Operation in einem Zurückfließen von Koloninhalt in das eum zeigte. Verf. fand dieses in vielen Fällen und sah auch eine Besserung der Beschwerden durch eine von Kellogg angegebene Operation bei der mehrere Nähte ohne Eröffnung des Peritoneums in der Klappen- gegend um den Darm angelegt werden, als wenn man eine Invagination reponieren wollte ohne den Darm zu verengern. Bei derart behandelten Fällen fand sich in der Tat später eine normale Darmentleerung. Jedenfalls bedürfen solche Fälle demnach der sorgfältigsten Erwägung ob eine Kolon- oder lleumstasis besteht, welches die Ursache dieser Stasis ist, erst dann kann die richtige Therapie eingeschlagen werden. Möller (Hamburg).

Druck vun Hesse & Beckor in Loipzig.

g Ay, gee er a ita

Fortschritte a. d. Gebiete der Röntgenstr. XXIII. Tafel IV.

Neue Phnatnoranhische Gesellschaft A -G Rerlin-Steolitz. Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hambu

nn > ao mn

EEE. Fortschritte a. d. Gebiete der Röntgenstr. XXIII. Tafel V

14

Neue Photooranhische Gesellschaft A-G. Berlin-Steglitz. Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg

Fortschritte a. d. Gebiete der Röntgenstr. XXIII. Tafe! VIL | | N:

ha

Neue Photographische Gesellschaft A-G. Berlin-Steglitz. Verteg von Lucas Grele & Sihem In Feine. gi

mem

EE NE TT EE ee dm

° . . + . š ' . Cd . . . . ` ' `~ . - . » . t u! em" - = ae . aoe ae Ao a .- - p = = `- u a MM -e 1 -- = = 4

eet a , : 2 ye 5 ' z * a TEST . a . . en e = » . es +‘ . . . \ ' e -. * - . . s » . s ` s . a . 2 i > i . - . B : ' . ` . ® ~ >. . . A . ee ited en a N =- = a ba ems a ÅJ ` aks. vale . 4 = ae Ken = - . 4 = s + = + 3 A x A a A = Ye um mn Y x of , ras

4 ed + nen. .

CEEE

(uo g

‘9 speg ‘mo gz PUVIEQUIBNOT ‘op><08 PIL ‘13unsdsm) (Wo 9g pusjsquerod ‘ZI <6) Suns9ujopyAIOA ‘FL A 0S “Syne |r og ‘XIG ‘3d

“qosjdoysopnesd prg 'I uour oddiy -g—'g ı0p ANJAVI ‘“Vpnopac[O “1 op woyWexny "yonıgpeddoq ‘1 iueddjg uozsIo I9pfeq INIAVIA

THA PIL

no od JIIXX worgensuadjugyg Jap ayargeg `P "= oytIqos}104

.—_

4

~~

Arbeiten und Verhandlungen

der

Sonderkommission für Dosimetervergleich

l der | Deutschen Röntgengesellschaft.

Redigiert vom Vorsitzenden der Kommission. II. Gruppe, abgeschlossen im Juli 1915).

Wir haben ein Kommissionsmitglied zu beklagen. Heinz Bauer hat eine tückische Krankheit aus unserer Mitte genommen. Wir verlieren einen der tatkräftigsten Mitarbeiter. Was uns bleibt, sein Beispiel, wollen wir in Ehren halten. Wenige haben es wie er verstanden, zurzeit unlösbaren Problemen gegenüber sich mit praktischem Blick mit dem Erreichbaren zu _ bescheiden und den möglichen Nutzen zu schaffen, wo das Ideal nicht zu verwirklichen ist. Sein Härtemesser, das Qualimeter, ist ein Beispiel hierfür. Auch wir stehen, wie immer offen- kundiger wird, vor fast unlösbaren Aufgaben. Der einfache Vergleich der Dosimeter ist von den meisten Arbeitern ausdrücklich oder implizite als unlösbar bezeichnet worden und es hat sich die Notwendigkeit ergeben, zuerst irgendein exaktes Verfahren der Messung der Röntgenstrahlen zu schaffen, und wäre es eine noch so komplizierte Laboratoriumanordnung. An dieser wollen wir .dann die einfachen und handlichen Gebrauchsmethoden aichen und so unsere Aufgabe erfüllen. So hat sich diese von selbst zur Förderung der Strahlenmessung überhaupt erweitert. Dazu sollte alles, was Physik und Mathematik geleistet haben und leisten können, herangezogen werden.

Es soll nicht gesagt werden, daß auch dieser Weg keine ideale Lösung erlaubt, aber schon jetzt ist zu sehen und die folgenden Arbeiten lassen erkennen, daß er viel schwieriger ist, als von vornherein bedacht werden konnte. Bei jedem Schritt treten neue Hindernisse auf und es zeigt sich, daß in manchen Punkten umfangreiche Vorarbeiten notwendig sind. Als solche stellen sich die nachfolgenden Einsendungen der Herren Christen und Weissenberg dar. Ferner bedarf es vieler Detailarbeiten zur Prüfung derjenigen Verfahren, welche als exakte Methoden in Betracht kommen. Als solche können nämlich unsere Bariumplatinzyanür- und Bromsilberverfärbungsmethoden absolut nicht angesprochen werden. In Erwägung werden zurzeit in dieser Richtung die Kalomelreaktion, die Selenzelle, die Ionisierung der Luft und die Bolometrie (Messung der in Wärme umgewandelten Röntgenenergie) gezogen. Beispiele von Arbeiten in dieser Richtung sind die nachfolgenden Einsendungen von R. Grann und von R. Mayer. Vielleicht sind auch noch prinzipiell neue Wege auffindbar, wie der Bei- trag von Wachtel vermuten läßt.

Es sei nochmals auf den Kommissionsbeschluß Heft 1, S. 72 verwiesen, in welchem die Heranziehung von auch nicht ärztlichen Gästen der Kommission (im Interesse der Förderung der Sache) und besonders zur Bewältigung der physikalisch-mathematischen Aufgaben als ge- boten und begrüßenswert bezeichnet werden. Wenn dabei die Theoretiker vielleicht zu weit gehen und Fehler einer Anordnung hervorheben, welche in der Praxis wenig oder gar nicht stören oder sich gegenseitig kompensieren, so werden wir ihnen trotzdem dankbar sein. Denn

bevor nicht alle Fehlerquellen auf ihre quantitative Bedeutung untersucht sind, haben wir

keinen sicheren Boden unter den Füßen. Um sie zu untersuchen, müssen wir sie aber kennen. Sie mögen also die Gegenstände so breit und offensichtig auseinanderlegen, als es ihnen mög- lich ist. Auch anderen Ortes erkannte Vorteile oder Gedanken mögen sie uns in gemein ver- ständlicher und unseren Aufgaben angepaßter Weise mitteilen, wie dies Herr Grann in seiner referierenden Arbeit über die Erfahrungen der Photometrie mit der Selenzelle getan hat.

1) Vgl. diese Zeitschrift, "dieser Bd., Heft I, S. 70.

914 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission fir Dosimetervergleich. XXIII, 3.

In den Gegenstand weniger Eingedrungenen sei die folgende Reihenfolge der Lektüre empfohlen: Christen, Messung und Dosierung, Lucas Gräfe & Sillem, Hamburg 1912; Levy- Dorn, Vergleich einiger Dosimeter, X. Kongreßbericht der Deutschen Röntgengesell- schaft, S. 175; Grossmann, Grundlagen der Dosimetrie, Fortschr. a. d. Geb. d. R., Bd. XXII Heft 1, S. 101. Dann diese Verhandlungen Gruppe I, Fortschr. a. d. Geb. d. R., Bd. XXII, Heft 1, S. 70, endlich die hier folgende Gruppe II, und zwar vielleicht zuerst die Arbeit „Zur speziellen technischen Strahlenmessung“.

Die folgenden Arbeiten 1—3 enthalten Beiträge zur allgemeinen, die übrigen 4 solche zur speziellen Strahlenmessung. Zum Schluß sind Diskussionen angefügt.

Der Vorsitzende.

Messung heterogener Röntgenstrahlen, Von Priv.-Doz. Dr. med. et phil. Th. Christen (Bern).

Mehr und mehr befestigt sich bei den Vertretern der Strahlenbehandlung die Einsicht, daß eine gewinnbringende Behandlung der in dieses Fach einschlagenden Aufgaben nicht mög- lich ist, ohne eine physikalisch wohl durchdachte Grundlage.

Als ich, aus diesem Bewußtsein heraus, zum erstemal im Jahre 1910 mit dem Vor- schlage an die Öffentlichkeit trat, es möchte die Halbwertschicht einer Strahlung im Wasser als das Maß für deren Härtegrad (Durchdringungsvermögen) angenommen werden, da waren es nur wenige physikalisch gut geschulte Köpfe unter meinen medizinischen Fachgenossen, und einige andere, mit denen ich die Angelegenheit mündlich besprechen konnte, welche mir zustimmten. Nach und nach ist aber die Halbwertschicht als absolutes Maß für den Härte-

grad in die Lehrbücher übergegangen und die Klarheit, welche dadurch in eine ganze Reihe .

von weitern Aufgaben gekommen ist, wirbt einer streng physikalischen Behandlung der Do- sierungsfrage immer neue Anhänger.

Ferner wird von Tag zu Tag einleuchtender, wie dringend nötig eine gewissenhafte Härtemessung für die Dosierung ist, und wie wenig über die Strahlenwirkung gesagt ist, wenn man nur die Dosis nach irgendeinem der gebräuchlichen Dosimeter notiert, ohne zugleich auch den Härtegrad beizufügen. |

Eine sehr hübsche und praktische Idee haben die Herren Ritter, Rost und Krüger gehabt, als sie vorschlugen, die Halbwertschicht als Index hinter die Dosis zu setzen. So z. B. bedeutet

15 72,5 die anderthalbfache Volldosis (Sabouraud) gegeben mit einer 2,5-cm-Strahlung, d. h. mit einer Strahlung, deren Halbwertschicht im Wasser 2,5 cm beträgt?). |

Die genannten Verfasser haben ferner unter Kontrolle des wachstumshemmenden Ein- flusses der Röntgenstrahlen auf Erbsenkeimlinge (die Idee stammt übrigens von Hans Meyer!) die biologischen Äquivalente für verschiedene Härtegrade festgestellt und gefunden).

10 Ly = 12 15 = 16 gza = 20 T3, Daraus berechneten sie für die Epilationsdosis bei Mikrosporie die Werte: 5,7 2,0 = 6,9 21,5 = 8 21,8 = 9 2,0 = 10,3 2 95, = 11,4 22,5.

Bei den praktischen Versuchen an Mikrosporiepatienten stimmten diese Aquivalente vorzüglich.

Einen wesentlichen Schritt weiter auf dem Wege einer physikalisch exakten Messung ist Szilard gegangen, der, ausgehend von der Jonisierung der Luft durch die Röntgenstrahlen, das Mega-Mega-Ion als Maß für die absorbierte Strahlenenergie eingeführt hat.

1) Nicht etwa eine Strahlung, die durch 2,5 cm Aluminium gegangen ist! Erst kürzlich stieß ich zu meiner Enttäuschung auf eine derartige Bezeichnung in der neuesten Literatur. *) „Experimentelle Studien usw.* Strahlentherapie. Bd. V, H. 1, S. 471.

XXIII, 3. Christen, Messung heterogener Röntgenstrahlen. 215

Trotz den in die Augen springenden Vorteilen der physikalisch exakten Messung sind aber noch viele Autoren bis heute den liebgewordenen konventionellen Skalen treugeblieben. Andere haben sich sogar dieser dringend nötigen Reform gegenüber direkt abweisend ver- halten. Allerdings betrifft dies meist Personen, die an dem Vertrieb der bisher gebräuchlichen Instrumente ein geschäftliches Interesse haben. Dies erklärt die sonst kaum begreifliche Tat- sache, daß unter den hartnäckigen Gegnern der absoluten Messung keine Mediziner, sondern lauter Techniker sind. Das darf uns aber nicht hindern, auf ihre Einwände sachlich einzugehen.

1. Die Heterogeneität.

Jene Einwände gipfeln im großen und ganzen darin, daß behauptet wird, die Halbwert- schicht und deren Einführung in die Dosimetrie werde dadurch illusorisch, daß die Röntgen- strahlen gar nicht homogen seien, und daß infolge davon

1. die Halbwertschicht mit zunehmender Absorption wachse, und dab

2. die gleiche Halbwertschicht ganz verschiedenen Strahlenkomplexen entspreche.

Hierzu ist zunächst zu sagen, daß die Herren eines ganz übersehen: Genau den gleichen Einwurf kann man gegen alle bisher gebräuchlichen Härtemessungen erheben, denn jeder Härtegrad, ob nun nach Benoist, Wehnelt oder anderswie gemessen, nimmt zu mit wachsender Dicke der absorbierenden Schicht. Und jeder Härtegrad, sei er Benoist 5 oder Wehnelt 7,5 oder Bauer 5 oder Sklero 80, kann sowohl eine homogene Strahlung dieses Härtegrades, als auch irgendeine zusammengesetzte, d. h. heterogene Strahlung darstellen, deren „mittlerer

_ Hartegrad“ dem genannten Skalenteil entspricht).

Es ist ja auch von vornherein selbstverständlich, daß es unmöglich sein muß, mit einer einzigen Zahl eine Summe von Eigenschaften darzustellen; denn eine heterogene, d. h. aus verschiedenen homogenen Komponenten zusammengesetzte Strahlung hat nicht nur verschiedene Einzelhärtegrade, sondern außerdem noch eine bestimmte Zahl von Mischungsverhältnissen.

Wer es versucht, die Absorption einer gemischten Strahlung mathematisch exakt zu be- handeln, stößt auf größere Schwierigkeiten. Hierzu vergleiche man die Ableitung des Rönt- gen’schen Absorptionsgesetzes auf S. 217.

Aber gerade hier wieder erscheint die Halbwertschicht als Retter in der Not. Sie ist für unsere praktischen Aufgaben sogar besser brauchbar, als der bei den Physikern be- liebtere Absorptionskoeffizient. Das geht aus folgendem Satz hervor, den ich auch Nicht- Mathematikern glaube klar machen zu können:

Von einem „A-bsorptionskoeffizienten“ kann man bei einer heterogenen Strahlung nicht reden, wohl aber hat auch die heterogenste Strahlung ihre Halb- wertschicht.

Auch einem Nicht-Mathematiker muß ohne weiteres einleuchten, daß jede Strahlung, ob homogen oder zusammengesetzt, wenn sie eine absorbierende Schicht durchdringt, in einer be- stimmten Tiefe die Hälfte ihrer Energie verlieren muß. Je härter, d. h. durchdringungsfähiger die Strahlung, desto dicker ist diese Schicht.

Will man bei der heterogenen Strahlung von einem „mittleren Absorptionskoeffizienten*

sprechen, so muß man hierfür eine exakte Definition geben, was meines Wissens bisher in der Röntgenliteratur nicht geschehen ist. Ich will sie im folgenden geben: Die homogene Strahlung wird absorbiert nach der Gleichung E= Eye" * (1) worin Æ, die auffallende und Æ die durchdringende Energiemenge ist, während œ den Ab-

- 1) Dabei kommt man noch in große Verlegenheit, wenn man auf Grund einer der konventionellen Skalen den Begriff des ,mittlern Härtegrades“ physikalisch exakt definieren soll. Im Gegensatz dazu

‘hat auch die heterogenste Strahlung stets eine wohl definierte Halbwertschicht. Wir kommen hierauf

noch ausführlich zurück.

216 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

sorptionskoeffizienten und x die Dicke der absorbierenden Schicht bedeutet (s. Fig. 1). Hieraus leitet man für den Absorptionskoeffizienten folgende einfache Definition ab

dlog E N ee @ Dementsprechend kann man auch bei der zusammengesetzten Strahlung die Größe _ dlog# de

als Maß für das Durchdringungsvermögen nehmen, muß aber bedenken, daß sie jetzt nicht mehr ein „Koeffizient“ im eigentlichen Sinne des Wortes ist; denn sie ist keine Konstante, sondern eine Funktion der Schichtdicke x, welche mit zunehmendem x abnimmt.

Schade ist dabei nur, daß diese Funktion dem Mediziner unverständlich und daß überdies ihre mathematische Behandlung auch für den Fachmann nicht einfach ist.

Weit einfacher und über- sichtlicher gestaltet sich die Dar- stellung auf Grund der Halbwert- 60% schicht. Betrachten wir zunächst ein- mal das Röntgensche Absorptionsgesetz: 59x Nach diesem Gesetze ninımt mit fort- schreitender Absorption der Härtegrad der Strahlung fort- während zu. Es muß also mitfortschreiten- der Absorption die Halbwertschicht fort- während größer und 104% größer werden. Dies im Gegensatz zu der homogenen Strah- lung, bei welcher alle Halbwertschich- ten gleich groß sind.

a Hierüber geben am besten die Figuren 2, 3 und 4 Aufschluß. In Fig. 2 ist die Absorption einer homogenen Strahlung dargestellt, indem die Schichtdicken als Abszissen und die Energiewerte als Ordinaten aufgetragen wurden. Ob man hier von 100 auf 50°/,, oder von 60 auf 80°/,, oder von 50 auf 25°/, usw. heruntergehe, stets beträgt die Horizontaldistanz, welche die Dicke der absorbieren- den Schicht darstellt, gleich viel; es ist jeweilen die gleiche Strecke a.

Anders verhält sich die heterogene Strahlung, die in Fig. 3 dargestellt ist. Sie besteht aus zwei gleich starken Komponenten, I und JI, deren Halbwertschichten a* und a** sind. Konstruieren wir ihre Resultante in Form ihrer Summe, so erhalten wir die Kurve III. Ziehen wir jetzt die Horizontalen auf den Höhen 50, 25 und 12,5, so finden wir verschieden große Halbwertschichten, von denen eine jede etwas größer ist als die vorhergehende:

a, <a, <a, usw. (3)

Noch deutlicher zeigt sich dies in Fig. 4, wo die Halbwertschichten a* und a** der beiden Komponenten noch stärker voneinander abweichen und dementsprechend auch das Anwachsen der Halbwertschichten mit der Tiefe deutlicher ausgeprägt ist. Wir erkennen hieraus folgendes:

Je stärker eine Strahlung von der Homogeneität abweicht, desto rascher nehmen ihre aufeinanderfolgenden Halbwertschichten zu.

100%

30% j- 25%

|

QOO

Fig. 2. Absorption einer homogenen Strahlung.

XXIII, 3. Christen, Messung heterogener Röntgenstrahlen. 217

Daraus geht aber weiter hervor, daß die Zunahme der Halbwertschicht ein direktes und außerordentlich einfaches Maß für den Grad der Heterogeneität sein

- muß. Ich gebe zu, daß man für die Heterogeneität verschiedene Größen als Maß vorschlagen kann. Vom rein mathematisch-physikalischen Standpunkt wäre gewiß am besten die Größe

Plog E da?

als Maß für die Heterogeneität einzuführen. Aber abgesehen davon, daß die Mediziner nie- .

mals für ein solches Maß zu gewinnen wären, ist auch die mathematische Behandlung dieser Größe zu umständlich.

ð, A poe a, SS pam ð, â, þe) ai 55 Absorption heterogener Strahlungen. Fig. 4.

Als Illustration zu dem eben gesagten diene die folgende Ableitung des Röntgenschen Absorp- tionsgesetzes. Sie findet sich meines Wissens nirgends in der Röntgenliteratur und dürfte doch manchen Leser interissieren,

Ausgehend von Gleichung (2) erkennt man, daß für die homogene Strahlung

d? log E =D. (4)

Nach dem Röntgenschen Absorptionsgesetze ist nun aber das logarithmische Dekrement nicht kon- stant, sondern sein absoluter Wert nimmt ab, sein algebraischer Wert (negatives Vorzeichen!) nimmt

also zu. Mit andern Worten: Nach dem Röntgenschen Absorptionsgesetze muß gelten . d?log E .

l dz Daß diese Bedingung durch Annahme eines heterogenen Strahlengemisches von n Komponenten er- füllt ist, läßt sich folgendermaßen beweisen: Das Strahlengemisch wird absorbiert nach der Formel

n Ihb, « e hF Loa Bo ay 1 h

E= Kp s un pe ' (6)

Zh b 1}

‘Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 28

on aa

218 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

Hieraus ergibt sich

ʻi? loe E He . z7 z a —u PA 2 T? 2 U, * Ț j a -| Shb. e 4 = Shb »e h Sna -b se h —| Shb oase x A h A A A

1 1 1 1 n n a +a nn | a ta). x De = h i A pT: = Sn Seo ao eate C Ve er h k A - b k h k 1 1 1 1 nn (r ter —\ A k E y D e e e u = ei TEETER («, a.) e . (7)

Schreibt man die Summe rechterseits explicite, so sieht man, daß 1. überall, wo h =k, der Koef- fizient (e,-«,) gleich Null wird, so daß alle quadratischen Glieder verschwinden, und daß 2. jeweilen das hte Glied der kten Reihe mit dem kten Glied der Akten Reihe sich so vereinigt, daß wir erhalten:

n n 2 a taz 1] dh Lk A . b, . (e, -a,) . A i +) d? log E 1 1 de? n -u F 2 i (8) Ey . e | ; 1

Auf der rechten Seite dieser Gleichung stehen lauter positive Größen, es muß also auch deren linke Seite stets positiv sein, quod erat demonstrandum.

Ne, Q Außerordentlich einfach dagegen r wird die Behandlung unserer Aufgabe, sobald man nicht von den Absorptions-

157, koeffizienten, sondern von den Halb- `

wertschichten und deren Zunahme mit

fortschreitender Absorption ` ausgeht.

| Fig. 5. Da bisher meines Wissens noch nie-

Graphische Bestimmung der mand eine Definition des Grades der

Heterogeneität. Heterogeneität gegeben hat, so halte

RQ. | ich mich für berechtigt, eine bestimmte

10%, Ä Größe hierfür einzuführen und diese

kurz „Die Heterogeneität“ zu nennen.

8 Ich bezeichne sie mit A und definiere sie wie folgt:

= (9)

d.h. die Heterogeneität ist gleich dem Quotienten aus den ersten

: zwei Halbwertschichten’). Hieraus ergibt sich zunächst eine sehr einfache graphische Kon- struktion dieser Größe: Man geht von der Absorptionskurve aus, zieht auf den Höhen 50°/, und 25°/, die Hori- zontalen bis zur Kurve und mißt die entsprechenden Horizontalabstände. Der Quotient dieser beiden Streckenist das

- m u 0 a = am DE Er ar ne Bu 25 oe

a.

||: | | eee ewe ewe ee .„.n-.-.unn een cf) af nee .

vo eee ee m eu nn m --{)

® t t t l 1 l i t t i

- = =- - ~=- -~.e 0.00... .12 = o ml el l m- - r sewn eee)

9; 06 09 12 15 18

Maß für die Heterogeneität (vgl. Fig. 3, 4 und 5). Die Heterogeneität ist, wie man leicht einsieht, für die homogenen Strahlen gleich Eins, während sie um so größer wird, je heterogener die Strahlung ist.

1) Daß ich gerade die zwei ersten Halbwertschichten wähle, hat seinen Grund darin, daß eine rationelle Tiefentherapie sich gerade innerhalb dieses Gebietes abzuspielen hat.

XXIII, 3. a - Christen, Messung heterogener Röntgenstrahlen. . 219

Das ist nun praktisch außerordentlich wichtig. Denn wir haben in. der Tiefentlierapie das größte Interesse daran, mit möglichst homogenen Strahlen (nicht, wie Dessauer meint, mit möglichst homogenem Feld!) zu arbeiten. Es ist daher auch das Bestreben der Fabrikanten, für die Tiefentherapie solche Apparate und Röhren zu konstruieren, welche möglichst homogene Strahlen liefern. Dabei ist aber von größter Bedeutung, daß nicht nur der Fabrikant ver- sichert: „Niemand baut Apparate mit so homogenen Strahlen wie meine Fabrik“, sondern wir müssen imstande sein, diese seine Behauptung an Hand untrüglicher Zahlen zu prüfen.

Und wie einfach ist dies nun: Wir verlangen von dem Fabrikanten die Angabe der Größe A und prüfen nach, ob seine Angabe stimmt. Wir wissen jetzt, daß derjenige Fabrikant das Beste leistet, dessen Apparat für Tiefentherapie das kleinste A aufweist.

Daß es übrigens entsprechend meiner unveränderten Auffassung mit der Hete- rogeneität der Röntgenstrahlen lange nicht so schlimm steht, wie von einigen Autoren mit Vorliebe hervorgehoben wird, ergibt sich daraus, daß schon wenige Millimeter Aluminium ge- nügen, um die Heterogeneität recht nahe an Eins heranzubringen.

Es mag genügen, ein Beispiel aus der neuesten Literatur anzuführen. So lesen wir in der Arbeit von Ernst und Dessauer: „Einige Probleme der Tiefenbestrahlung* ?):

„Es ist für Therapeuten besonders wichtig, sich darüber klar zu sein, daß möglicherweise bei zwei Bestrahlungen mit der Härte 6 Benoist einmal überhaupt keine nennenswerte Tiefen- wirkung eintritt, während ein andermal gleichfalls mit der Strahlung 6 Benoist eine ganz erhebliche Tiefenwirkung eintritt... Christen, der ursprünglich der Ansicht zuneigte?), die Strahlung sei homogen, sagt, daß die Dosis in einer. Gewebsschicht zu berechnen sei aus der Intensität der auftreffenden Strahlen dividiert durch die mittlere Härte®). Das stimmt schon deswegen nicht, weil die mittlere Härte bei ganz verschiedenen Strahlengemischen dieselbe sein kann, während das, was in die Tiefe dringt, bei den verschiedenen Gemischen etwas ganz Ver- schiedenes ist.“

Und das sagt der gleiche Dessauer, welcher nicht nur auf die Homogeneität des Strahlen- bündels, sondern fälschlicherweise auch auf die Homogeneität des Feldes ein so großes Gewicht legt! Daß er damit nicht etwa nur die Apparate seiner Konkurrenz, sondern auch die seinigen meint, geht aus den Tabellen hervor, die er mit seinen Apparaten und Röhren aufgenommen hat und die tatsächlich eine recht große Heterogeneität der Strahlung aufweisen! Wie stimmt das mit der Versicherung, daß bei dem ,,Reformapparat“ die harten Strahlen aus dem Bündel „herausgeschnitten“ und die Entstehung der weichen verhindert wird?

Daß diese letzte Angabe nicht richtig sein kann, ist ja ohne weiteres klar: Selbst wenn es möglich wäre, den Sekundärstrom im gewollten Augenblick mit größter Plötzlichkeit zu schließen und wieder zu öffnen, so wären doch in dem verbleibenden Stromkreisrest noch Kapa- zitäten genug, welche das Abfließen und Einfließen von Elektrizitätsmengen gestatten und somit einen plötzlichen Abfall bzw. Anstieg des Sekundärstromes verhindern. Aber nicht einmal die Prämisse ist richtig: Man muß nur einmal einen Gleichrichter in Funktion beobachten und die langen Funken beachten, die an allen Kontaktstellen entstehen, und zwar vor und nach dem Kontakt, um begründete Zweifel an einem plötzlichen Ansteigen und Abfallen des Sekun- därstromes zu rechtfertigen.

1) Strahlentherapie Bd. V, H.1, S. 165.

3) Christen „neigt“ auch heute noch „der Ansicht zu‘, daB die in der Therapie praktisch ver- wendeten Röntgenstrahlen homogen genug sind, um seine Grundlagen der Dosierung unangetastet zu lassen. Hierüber vergleiche man das folgende Kapitel.

3) Nein, das sagt Christen nicht, sondern er beweist, daß die Dosis gleich ist dem Quotienten aus der Flächenenergie (nicht Intensität) und der Halbwertschicht (nicht „mittlere Härte“), multipliziert mit einer Konstanten (log. nat. 2).

28*

220 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

Und trotzdem steht es mit der Heterogeneität der Röntgenstrahlen nicht so schlimm, wie dies hiernach auf den ersten Blick erscheint. Betrachten wir einmal die Strahlung, deren Ab- sorption Dessauer in den bereits genannten Tabellen niedergelegt hat. Ich gebe in der folgenden Zusammenstellung in den zwei ersten Kolonnen die Zahlen Dessauers wieder, während die drei folgenden Kolonnen von mir berechnet und angefügt worden sind.

d log I

lo, 2.0 0,745

0,3 172 „| 1,285 00 + 0,555 0,6 111 „| 1085 ma | + 0,018 09_| 746, | 0,878 | gg | +00 1,2 51s | 0,707 gg | 0,012 1,5 |. 338, | 0529 |—>45,-| 0.018 1,8 2,18, | 0,838 |— rg | + 0,017 2,1 1,46, | 0,164 | 775) + 0,001 2,4 0,98 , | 9 | qaz | + 9,051 2,7 0,74, | 9,869 | gg | + 0,024 3,0 0,59, | 771 rag) 0,030 3,3 0,44, | 9,643 | 35 | 0,010 3,6 0,32, | 9,505 |— Toy | + 0,081 3,9 0,25, | 938 —og | 0012 42 | 0,19, | 9279 |

Hieraus ergibt sich zunächst allerdings an erster Stelle ein großes zweites logarithmisches Dekrement für die unfiltrierte Strahlung. Aber schon nach dem Durchgang durch 3 mm Alu- minium fällt das zweite Dekrement von 0,555 auf 0,018, d. h. auf '/,, seines Betrages.

Um über die Bedeutung der weiter folgenden Zahlen ein Urteil zu gewinnen, müssen wir mit der Größe der Fehlergrenze rechnen. Diese läßt sich nun sehr leicht beurteilen: Da das zweite Dekrement bei der homogenen Strahlung gleich Null und bei der heterogenen Strahlung positiv ist, so sind alle negativen Zahlen der letzten Kolonne sicher durch Versuchs- fehler bedingt. Wir finden aber in der letzten Kolonne negative Dekremente bis zu 0,080. Diese Zahl ist größer als das Dekrement 0,018, welches der durch 3 mm Aluminium filtrierten Strahlung entspricht. Mit anderen Worten: Nach den Zahlen Dessauers ist die Hete- rogeneität einer durch 3 mm Aluminium filtrierten Strahlung so gering, daß sie unterhalb der Versuchsfehlergrenze liegt.

Anschaulicher dürfte die auf Seite 218 besprochene graphische Darstellung sein, wie sie durch Fig. 5 gegeben ist. Sie beschränkt sich allerdings auf die durch 8 mm Aluminium filtrierte Strahlung, da leider zwischen 0 und 3 mm keine Angaben vorhanden sind, wonach für die unfiltrierte Strahlung die Heterogeneität berechnet werden könnte. Sie läßt sich in- dessen folgendermaßen schätzen: Die drei Millimeter Aluminium reduzieren die Intensität auf weniger als ein Viertel. Die erste Halbwertschicht beträgt also sicherlich weit weniger als 1,5 mm, denn sie muß ja kleiner sein als die zweite. Die dritte Halbwertschicht liegt nicht weit von der von 17°/, an konstruierten Halbwertschicht, welche in Fig. 5 sich zu 5 mm ergibt. Demnach beträgt die Heterogeneität!) vermutlich annähernd

4,8

1,5 Nachdem aber die Strahlung eine Schicht von 3 mm Aluminium durchdrungen hat, ist die Heterogeneität schon sehr gering geworden, indem aus Fig. 5

= 8,2,

as _ ös We

1) Allerdings in Aluminium, nicht in Wasser gemessen!

XXIII, 3. Christen, Messung heterogener Röntgenstrahlen. 221

Um über die numerischen Verhältnisse bei den verschiedenen Apparaten und Röhren- typen eine richtige Vorstellung zu erhalten, sind vorerst diesbezügliche Versuchsreihen not- wendig. Ich zweifle nicht, daß die nächste Zeit sie uns bringen wird.

Wie notwendig es aber ist, nie anders als mit exakten Begriffen an diese hochwichtigen Aufgaben heranzutreten, zeigt folgender Satz aus Dessauers „Homogenstrahlungslehre“!), den ich in diesem Zusammenhang noch kurz erwähnen muß: |

Wir brauchen überhaupt nicht daran zu denken, was absorbiert und nicht absorbiert wird, sondern in dem Augenblicke, wo wir eine praktische homogene Strahlung (also eine solche, die möglichst nur harte Strahlen und keine weichen Gruppen enthält) zur Anwendung zu bringen imstande sind, hängt die Wirkung praktisch von der Intensität dieser Strahlung (räumliche)?) an den einzelnen Zonen ab.“

Man vergleiche mit dieser Behauptung die eingangs erwähnte schöne Arbeit von Ritter, Rost und Krüger, welche nicht nur qualitativ, sondern sogar quantitativ zeigt, daß eben gerade das, was absorbiert wird, und nichts anderes, die gewollte biologische Wirkung her- vorbringt!

Allerdings wäre der wahre Zusammenhang wohl noch deutlicher hervorgetreten, wenn die von den Verfassern verwendete Sabouraudpastille imstande wäre, die Flächenenergie zu messen. Hierüber vergleiche man meinen Aufsatz „Das Lastkonto der Sabouraudpastille“ 3).

Weitergehende Schlüsse, betreffend die Wirkung heterogener Strahlen, sind erst dann be- rechtigt, wenn wir einmal über ein größeres experimentelles Material verfügen, d.h. wenn wir wissen, in welchen Grenzen die Heterogeneität, gemessen an der Zahl 4, sich bei unsern the- rapeutisch verwerteten Strahlen bewegt. |

2. Die Halbwertregel.

Mit Rücksicht auf möglichste Hautschonung einerseits und tunlichste Röhrenschonung audererseits habe ich folgenden Satz aufgestellt:

Die günstigste Tiefenwirkung erhält man mit derjenigen Strahlung, deren Halbwertschicht gleich ist der Überschicht.

Daß dieser Satz nicht nur für homogene, sondern auch für mäßig heterogene Strahlen gilt, habe ich in meiner Abhandlung „Über einige aktuelle Fragen der Röntgen- physik“ 4) bewiesen. Daß der Satz für stärkere Heterogeneitäten nicht mehr gilt, ist praktisch ohne Bedeutung, da, soviel ich bis jetzt sehen kann, unsere in der Tiefentherapie zur Ver- wendung kommenden Strahlen die Heterogeneität 1,2 nicht überschreiten, meist sogar längst nicht erreichen.

Wie steht es nun aber mit dem Dosenquotienten? Die Tiefendosis ist stets kleiner als die Hautdosis, und zwar bei homogenen Strahlen aus zwei Gründen:

1. Weil die Haut näher an der Strahlenquelle liegt, als die Tiefe (Dispersion).

2. weil die Überschicht nur einen Teil der Strahlung bis in die Tiefe vordringen läßt (Absorption).°) |

1) Strahlentherapie, Bd. V, H. 1, S. 154.

2) Was ist „räumliche Intensität“? Unter Intensität versteht man die Energie der Strahlung divi- diert durch die Größe der getroffenen Fläche und durch die Bestrahlungszeit. Aber „räumliche In- tensität“??

*) Fortschritte, Bd. XIX, H. 2.

_ 4) Fortschritte, Bd. XXI, H. 1.

5) Die Warnung, ja nie die Dispersion mit der Absorption zu verquicken, muß ich immer wieder-

holen; ist doch erst kürzlich sogar Grossmann, dessen Arbeiten auf dem Gebiete der Röntgenphysik

ich sehr hoch schätze, einem solchen Irrtum zum Opfer gefallen, wenn er (Fortschritte, Bd. XXII, H. 1.

S. 122 f.) zu dem Ergebnis kommt, die Halbwertschicht sei von der Fokaldistanz abhängig. Das ist

| | |

she ss 220 LE SO. - =

999 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission fiir Dosimetervergleich. XXIII, 8.

Fir heterogene Strahlen kommt dann noch ein dritter Grund hinzu:

8. weil der Härtegrad der Strahlung beim Durchtritt durch die Uberschicht zugenom- men hat. |

Für die homogene Strahlung läßt sich das Verhältnis zwischen der Hautdosis D, und der Tiefendosis D mit einer einfachen Formel ausdrücken. Ist w die Überschicht, r die Fokus- Hautdistanz und a die Halbwertschicht der Strahlung, so ist der Dosenquotient

D w \? a 2—=(1+*) -2 (10) Hierin ist der erste Faktor der rechten Seite 1+"), der Dispersionsquotient und

der zweite Faktor der Absorptionsquotient. Speziell in der Tiefe der Halbwertschicht, d. h. wenn entsprechend der Halbwertregel a =w gewählt wird, ist der Absorptionsquotient = 2 und der Dosenquotient

2% —=2.(1+2)=2-.(1+2) (11)

D. h. Unter Beachtung der Halbwertregel ist für homogene Strahlen der Dosenquotient gleich dem doppelten Dispersionsquotienten.

Welche Änderung erfährt nun dieser Satz durch die Heterogeneität?

Ich habe zuerst versucht, sowohl die Heterogeneität, als auch den Absorptionsquotienten aus der Absorptionskurve abzuleiten. Das geht auch wohl für eine gewisse Annäherung und genügt vielleicht für gewisse praktische Bestimmungen. Hierüber müssen weitere Experimente entscheiden.

Will man aber den Zusammenhang zwischen der Heterogeneität und dem Dosenquotienten mit möglichster Genauigkeit ein für allemal feststellen, so bleibt kein anderer Weg als die Rechnung.

Leider läßt sich die Aufgabe nicht allgemein lösen, weil aus der strengen Absorptions- gleichung (6) die Halbwertschichten nicht explizite berechnet werden können. Wir wollen uns daher darauf beschränken, einzelne bestimmte Beispiele aufzustellen und wir werden trotzdem zu einem allgemein brauchbaren zahlenmäßigen Ergebnis gelangen.

natürlich eine Contradictio in adjecto, davon herrührend, daß der Verfasser keine klare Definition der Halbwertschicht vor Augen gehabt hat.

Man kann die Halbwertschicht definieren, ausgehend von der Energie der Strahlung oder von der Intensität. Im erstern Falle heißt die Definition: Unter Halbwertschicht versteht man diejenige Dicke einer absorbierenden Schicht, welche von der Energie der gegebenen Strahlung gerade die Hälfte absorbiert und die Hälfte durchlaBt. Auf Grund dieser Definition wird es unmöglich sein, eine Ab- hängigkeit der Halbwertschicht vou der Fokaldistanz nachzuweisen.

Im letztern Falle definiert man so: Unter Halbwertschicht versteht man diejenige Dicke einer absorbierenden Schicht, welche die Intensität einer gegebenen Strahlung durch Absorption (also wohl- gemerkt, nicht durch Dispersion!) auf die Hälfte reduziert. Will man hier die reine Absorption be- obachten, unter Ausschluß der Wirkung der Dispersion, so darf man zwei Intensitäten selbstverständlich nur in der gleichen Fokaldistanz miteinander vergleichen, wie z. B. bei dem absoluten Härtemesser, wo zwei im gleichen Niveau liegende Leuchtfelder verglichen werden. Oder man vergleicht die Intensität einer Fläche mit und ohne vorgeschaltete absorbierende Schicht, aber wiederum in konstanter Fokaldistanz.

Grossmann aber vergleicht die Intensitäten auf der vorderen und auf der hinteren Fläche einer absorbierenden Schicht, wodurch er natürlich verschiedene Fokaldistanzen und damit die Dispersion einführt!

Mit andern Worten: die Behauptung, daß die Halbwertschicht von der Fokaldistanz abhänge, beruht auf einer irrtümlichen Verquickung von Absorption und Dispersion.

Um diese Gelegenheit zum Fehlermachen auszuschalten, ist es vorzuziehen, wo immer möglich, nicht mit der Intensität, sondern mit der Energie zu argumenterat; wie ich dies auch in den vor- liegenden petreontangen über Absorption und Dosis durchgeführt habe.

nen

also an der Oberfläche IE

XXIII, 8. ` Christen, Messung heterogener Röntgenstrahlen. | 223

Ich habe hierfür eine Reihe verschiedener Kombinationen ausgewählt, worunter sich solche von zwei und solche von drei Strahlungen befinden. Der Einfachheit halber habe ich alle Verteilungskoeffizienten d, gleich Eins gesetzt und bin überzeugt, dadurch keine wesentliche Beschränkung eingeführt zu haben. Es steht ja übrigens jedermann frei, meine folgende Rechnung auch für verschiedene b, durchzuführen; ich glaube nicht, daß er damit zu ab- weichenden Ergebnissen gelangen wird. Eine angenehme Überraschung war es mir dann, feststellen zu können, daß trotz der ziemlich verwickelten Form des Zusammenhanres eine einfache Formel für die Abhängigkeit zwischen der Heterogeneität und dem Dosenquotienten

aufstellbar ist. Der Gang der Rechnung sei im folgenden kurz angedeutet: Besteht die heterogene Strahlung

aus zwei gleichstarken Komponenten, deren Halbwertschichten m und n sein sollen, so wird sie absorbiert nach der Gleichung

BA: gr ee

Da in der Tiefe, der’ Halbwertschicht, x£= a, Bah o sein muß, so wird

(z y “4 ": (18) Daraus läßt sich, wenn das Verhältnis von m zu n bekannt ist, die Größe a, nach der Regula

falsi berechnen. Ebenso berechnet man a, aus der Gleichung

a t a a, +a, 1, my 1 =) +) =s (14) Ferner ist in der Tiefe w, wenn f die Größe der bestrahlten Fläche ist, die Dosis

A= ala. EE D=? {+4} log 2 (16)

so daß wir allgemein für den Dosenquotienten erhalten:

+> 5) a 2 (15)

ae Do = Z. u —, | (17) 11 1 (2) +3 und da . „ler a18) so sind 142 Dy 2 l z=(14+Ž Ba x z (19) I m 1)” +s) In der Tiefe der Halbwertschicht wird w =a, und der Dosenquotient ~ te ; i m a ie a (20)

m n (3) +5 (a) Entsprechende Gleichungen erhält man für heterogene Strahlengemische mit drei Komponenten, deren Halbwertschichten m, n und p sein sollen. Es mag genügen, im folgenden die Ergebnisse der Rechnung aufzuführen. Hierbei sehen wir von der Dispersion ab, die ja von der Heterogeneität nicht beeinflußt wird und be- rechnen zunächst bloß den Absorptionsquotienten

Anl) (21)

e m ae ee o M‘

224 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

Es wurde gefunden: Zwei Komponenten mit den Halbwertschichten m und n

1. mın=2:1 h = 1,09 A= 1,17 2. m:n= 83:1 h = 1,27 A = 2,43 3. m:n =4:1 h = 1,48 A = 2,735

Drei Komponenten mit den Halbwertschichten m, n und p a) gleichmäßig verteilt: 4. m:n:p = 8:2:1 h = 1,16 A = 2,33 b) Übergewicht der weichen Strahlen: 5. m:n:p= 4:2:1 h = 1,27 A = 2,48 6. m:n:p—5:2:1 h = 1,85 A = 2,625 c) Ubergewicht der harten Strahlen: 7. m:n:p=65:4:1 h= 1,48 A = 3,12 Trägt man jetzt in ein rechtwinkliges IKoordinatenschema die Werte von A als Abszissen und die Werte von A als Ordinaten auf (s. Fig. 6), so erkennt man, daß die so gewonnenen Punkte ziemlich genau auf der 7.(D) Geraden liegen, welche durch die Gleichung

A=0,3+h-1,2 (22)

bestimmt wird. Eine Ausnahme bildet der Punkt mit der höchsten Heterogeneität, m:n:p = 5:4:1, wo h= 1,48 und A=8,12 wird. Alle andern Fälle fügen sich mit sehr guter Annäherung der Glei- chung (22).

D.h.: Ist die Heterogenei- tät nicht größer als 1,4, so wächst in der Tiefe der Halb- wertschicht der Absorptions- quotient nach der einfachen linearen Gleichung (22).

i i 1 1 Zur Beurteilung des Dosen- E ís - a i ‘> quotienten der heterogenen Strah- | “en lung braucht man nur auf Glei- chung (21) zurückzugreifen, welche, zusammen mit Gleichung (22), gibt: D= Do (0s +h- 1,7) - (1+4

Wenn nun, wie dies schon heute als sehr wahrscheinlich gelten kann, die in der Tiefen- therapie gebräuchlichen Strahlen nicht heterogener sind als 4 = 1,2, so kann nach Gleichung (22) der Absorptionskoeffizient nicht größer werden als 2,34, während er bei der homogenen Strahlung 2 beträgt. Der Absorptionsquotient wächst also dank der Heterogeneität höchstens um 17°/, seines Wertes. Dasselbe gilt für den Dosenquotienten.

Das ist für die Messung der Tiefendosis, bei welcher andere, weit größere Fehlerquellen vorhanden sind!) ein durchaus belangloser Fehler, besonders wenn man in Betracht zieht, daß es sonst tiberhaupt keine Messung der Tiefendosis gibt.

Jo

. | a a om m wee Ze or

(23)

1) Namentlich kennt man ja nie die Tiefe auf weniger als einige Zentimeter genau, und überdies ist ja oft genug die Tiefenausdehnung der bestrahlten Gewebe eine sehr beträchtliche, so daß sowieso nur ein sehr ungefährer Mittelwert der Tiefendosis in Frage kommen kann.

XXIII, 3. Christen, Messung heterogener Réntgenstrahlen. 225

Will man aber an der Forderung einer genauen Berechnung der Tiefendosis festhalten, so ergibt unsere Rechnung folgendes:

Unter Beachtung der Halbwertregel ist der Dosenquotient bei der homogenen Strahlung gleich dem doppelten Dispersionsquotienten, während er für Strahlen von der Heterogeneitäth noch um (A—1) - 85°/, dieses Wertes vergrößert werden muß.

Ich muß aber auch heute wiederholen, daß wir erst auf dem Wege dazu sind, mit unsern technischen Hilfsmitteln stets die Halbwertregel innezuhalten, weil wir oft Tiefendosen unter mehr als 5 cm Überschicht zu verabfolgen haben, während die größten erreichbaren Halbwert- schichten erst in der neuesten Zeit über 5 cm hinauszugehen scheinen, wenn man nicht unter Vorschaltung stark absorbierender Filter eine ungeheure Verschwendung von Röntgenenergie und eine entsprechende Verlängerung der Behandlungsdauer in Kauf nehmen will.

Andererseits sind wir gewiß noch nicht am Ende des technisch Möglichen angelangt. Einen beträchtlichen Fortschritt in dieser Richtung scheint die Coolidge-Röhre zu bringen. Ferner berichtet Dessauer!) über „Gammaähnliche Röntgenstrahlen“, welche in 1cm Gewebe nur um 6°/, geschwächt werden sollen. Das würde bei einer annähernd homogenen Strahlung einer Halbwertschicht von 11—12 cm entprechen. Bahr?), der den Reformapparat auf diese Frage geprüft hat, fand allerdings als Maximum 7 cm Halbwertschicht, immerhin schon ein erfreulicher Fortschritt, wenngleich die Gammastrablen des Radiums noch weit durchdringungs- fäbiger sind, indem ihre Halbwertschicht in Wasser ungefähr 16 cm beträgt.

3. Der Aluminiumfehler und der Silberfehler.

Unter den Röntgentherapeuten herrscht vielfach das Gefühl eines gewissen Mißtrauens gegenüber allem theoretischen Rechnen. Man verlangt Experimente, sei es am Modell, sei es am Lebenden. Für Absorptionsversuche allerdings sind Körpergewebe insofern unbequem, als sie sich nicht leicht in bestimmte, genau abgegrenzte Formen bringen lassen. Auch das Wasser eignet sich hierzu nicht besonders. |

Es war daher ein guter Gedanke von Perthes, zunächst das Aluminium als Testmaterial einzuführen, zumal er zeigen konnte, daß ein Millimeter Aluminium ziemlich genau gleichviel Röntgenstrahlen absorbiert wie 1 cm Körpergewebe. Man konnte also einfach mit Aluminium experimentieren und dann in den Ergebnissen alle gefundenen Schichtdicken mit 10 multipli- zieren, um ohne weiteres auf die Verhältnisse in den menschlichen Weichteilen zu schließen.

‘Dies war alles schön und recht, so lange man mit denjenigen Strahlen arbeitete, welche seinerzeit Perthes zur Verfügung standen. Als man. aber seine Resultate auf die viel härteren Strahlen übertrug, wie sie heute in der Tiefentherapie Verwendung finden, da hätte man vor- erst die Vergleiche zwischen Aluminium und Weichteilen, bzw. Wasser, auf die neuen durch- dringungsfähigen Strahlen ausdehnen sollen, bevor man die Gleichbeit der Absorptionsfähigkeit von 1 mm Aluminium und 1 cm Wasser einfach als Axiom weiter benützte.

Tatsächlich verhält es sich anders, wie sich durch einen einfachen Versuch zeigen läßt. Man legt auf eine photographische Platte nebeneinander:

1. ein Aluminiumblech von 1 mm Dicke;

2. eine Bakelittreppe®), deren Stufen um je 1 mm steigen.

Dann wird die Platte bestrahlt und entwickelt. Geschah die Bestrahlung mit 8-mm-Strahlen (d. h. Strahlen, deren Halbwertschicht 8 mm beträgt), so findet man, daß die Treppenstufe von 10—11 mm Höhe gleich stark absorbiert wird wie 1 mm Aluminium.

1) Strahlentherapie, Bd. V, H. 1, S. 194. 2) Zur Frage der künstlichen Erzeugung von Gammastrahlen, Strahlentherapie, Bd. V, H. l. 3) Der Bakelit ist ein synthetisches Harz, dessen Absorptionsvermögen mit demjenigen des Wassers ziemlich genau übereinstimmt. Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrablen. XXIII. 29

2236 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

Schaltet man nun aber ein Aluminiumfilter von 8 mm Dicke vor, wodurch die Halbwert- schicht der Strahlung auf 15 mm ansteigt, so findet man beim Vergleich zwischen Aluminium und Bakelit gleiche Helligkeit bei 7—8 mm Bakelit. M. a. W.: Während von weichen und mittelharten Strahlen 1 mm Aluminium gleichviel absorbiert wie 1,05 cm Bakelit, absorbiert der gleiche Millimeter Aluminium bei sehr harter Strahlung nur noch soviel wie 7,5 mm Bakelit (oder Wasser oder Weichteile)'). Die Absorption in den Weichteilen beträgt also bei sehr harter Strahlung ungefähr 30°/, weniger, als man nach der Perthesschen Aluminiumregel hätte erwarten müssen. Daraus ergibt sich folgende Tatsache:

Zur Beurteilung der Tiefenwirkung harter und ultraharter Röntgenstrahlen sind Aluminiummodelle unbrauchbar.

Weit schlimmer aber steht es mit dem Silberfehler. Hier gebührt das Verdienst Grossmann, der zuerst klar und deutlich gezeigt hat, warum man mit dem Quantimeter so unverständlich hohe Dosen mißt. Er hat nämlich in seiner Abhandlung „Über Sekundär- strahlen usw.“*) gezeigt, daß sich beim Silber eine kritische Phase findet, welche ziemlich genau der 2-cm-Strahlung entspricht, also ungefähr bei demjenigen Härtegrad liegt, den wir für die Tiefentherapie als untere Grenze zulassen. Von hier an nimmt mit steigender Härte die Halbwertschicht des Silbers plötzlich rasch ab, während diejenige des Wassers (und der Körpergewebe) weiter zunimmt. Auch die Halbwertschicht des Aluminiums nimmt in diesem Gebiete mit wachsender Strahlenhärte zu. Dementsprechend konnte Grossmann eine sehr in- struktive Figur entwerfen®), woraus hervorgeht, daß von einer 1-cm-Strahlung eine Silberplatte von 0,135 mm Dicke gleichviel absorbiert wie 8mm Aluminium, während von einer 3-cm-Strah- lung schon 0,0165 mm Silber genügen, um gleichviel zu absorbieren wie 3 mm Aluminium. Das Absorptionsvermögen des Silbers ist also mit wachsender Strahlenhärte im Vergleich mit Aluminium auf das Achtfache gestiegen!

Hiernach ist zu erwarten, daß alle Reagenzkörper, welche Silber enthalten, bei harten Strahlen von mehr als 2 cm Halbwertschicht viel zu große Dosen geben. Bestünden sie aus reinem Silber, so würden wir die achtfache Dosis erwarten. Da in ihre Moleküle aber noch andere Elemente eingehen, so wird dadurch der Silberfehler verkleinert. Weiter verkleinert wird er durch den Aluminiumfehler, wenn man vom Aluminium auf Körpergewebe schließt. Immerhin ist der Silberfehler noch groß genug, wie. sich aus den Vergleichszahlen entnehmen

läßt, welche Levy-Dorn am letzten Kongreß der D. Rtg.-Ges.‘) bekanntgegeben hat. Dort

wird das Verhältnis zwischen Kienböck und Sabouraud schon bei mäßigen Härtegraden als 3—4 angegeben. Der Verfasser bemerkt aber dazu ausdrücklich: „Bei filtrierten Strahlen sind die Unterschiede noch größer“.

Im Silberfehler liegt also die Erklärung für die unglaublich hohen Kienböck-Dosen, welche von manchen Autoren, speziell von Gynäkologen, neuerdings vielfach veröffentlicht worden sind. Wir müssen aber doch bedenken, daß in einem Gebiete, wo die Absorption des Silbers so außerordentlich stark von derjenigen der Gewebe abweicht, ein silberhaltiges Reagens uns nie und nimmer auch nur annähernde Werte für die Dosis liefern kann. Es ergibt sich daraus folgender wichtige Schluß:

Infolge des Silberfehlers sind alle silberhaltigen Dosimeter für die Tiefen- therapie absolut unbrauchbar. Für alle diesbezüglichen Untersuchungen, sowie

') Ich hatte zuerst geglaubt, eine Erklärung für diese Erscheinung darin finden zu können, daß der Durchgang durch Aluminium den Strahlen ein besonders hohes Durchdringungsvermögen gegenüber neuen Aluminiumschichten verleihe. Wäre diese Erklärung richtig, so müßte der Versuch sich umkehren, wenn man durch Bakelit, anstatt durch Aluminium filtriert. Das ist aber nicht der Fall: Auch die durch 3 cm Bakelit filtrierte Strahlung wird in 1 mm Aluminium gleich stark absorbiert wie in 7—8 mm Bakelit.

2) Fortschritte, Bd. XXII, H. 4. l

3) Verh. d. D. Rtg.-Ges., Bd. X, S 185.

4) Verh., X, S. 176.

XXII,.3. ` Z Christen, Messung heterogener Réntgenstrahlen. 227

für die praktische Dosimetrie ist daher künftig, sobald man mit harten und ultraharten Strahlen arbeitet, das Guantimeter (Kienböck) ein für allemal aus- zuschalten.

4. Der Immelmann-Schützesche Absorptionsversuch.

Immelmann und Schütze haben die außerordentlich interessante Tatsache nachgewiesen, daß die Absorption der Röntgenstrahlen in einer Kombination von zwei Filtern abhängig ist von deren Reihenfolge. Das ist insofern bedeutungsvoll, als hierdurch die Erklärung des ' Röntgenschen Absorptionsgesetzes auf Grund einer Filtrierung heterogener Strahlengemische vielleicht nicht geradezu als unrichtig, aber doch sicher als unzureichend erkannt wird.

Der erste, welcher gegen die genannte Erklärung des Röntgenschen Absorptionsgesetzes Bedenken geäußert hat, ist meines Wissens Walter gewesen. Walter!) hatte damals ver- sucht, die Beimischung von Sekundärstrahlen andern Absorptionsvermögens als Erklärungsmög- lichkeit aufzustellen. Er hat dann aber sich selbst widerlegt, indem er zeigte, daß bei Gültig- keit dieser Erklärung die Filterwirkung sich ändern müßte, wenn man das Filter in der Strahlen- richtung verschiebt, während er tatsächlich eine solche Änderung nicht nachweisen konnte.

Diese Bedenken Walters habe ich bis heute geteilt, und ich finde nun in dem erwähnten

Versuche eine vollkommene Bestätigung meines Verdachtes. Mein Gedankengang ist dabei

folgender:

1. Geht eine heterogene Strahlung durch zwei hitereinundör geschaltete Filter, so ist ihre Intensität hinter beiden Filtern unabhängig von der Reihen- folge der beiden Filter. Den Beweis bierfür werde ich sogleich erbringen.

2. Nach den Versuchen von Immelmann und Schütze ist die Intensität hinter einem Doppelfilter von der Reihenfolge der Filter abhängig. |

3. Daraus folgt, daß die dem Röntgenschen Gesetze entsprechende Strahlen- härtung nicht oder nicht allein auf Filtrierung einer heterogenen Gruppe be- ruhen kann.

Satz 1 läßt sich folgendermaßen beweisen: Es seien gegeben n Komponenten eines Strahlen-

gemisches mit den Mischungsverbältnissen 6,, ba ..... bn und den Absorptionskoeffizienten a, ee a, in der ersten Schicht und fjs Pa ..... Pr in der zweiten Schicht. Die Schicht--

dicken seien p und q. _ Dann ist nach dem Durchgang durch die erste Schicht die Intensität gesunken von J, auf

» by, e e “h P 1 a (24)

Die Mischungsverhältnisse sind jetzt b,-e~"", bye e, ..... b, 7" ?. Nach der zweiten Durchdringung ist dann die Intensität von J, weiter gesunken auf

n

Sip a (an p + Bua) pela Er (25)

oder nach Gleichung (24)

Fir ten PHBR > a) I, = h =. (26) » bp 1

1) „Über das Röntgensche Absorptionsgesetz und seine Erklärung.“ Fortschritte, Bd. VIII, S. 297. 29 *

228 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission fiir Dosimetervergleich. XXIII, 3.

In dieser Gleichung ändert sich nichts, wenn man gleichzeitig «, mit Ba und p mit q vertauscht. Es kann also auf eine reine Filtration eines Strahlengemisches unmöglich ein Ein- fluß der Reihenfolge der Filter bestehen.

5. Schlußsätze.

1. Der Begriff der Halbwertschicht läßt sich nicht nur auf homogene, son- dern auch auf heterogene Strahlen anwenden, während dies mit dem Absorp- tionskoeffizienten nicht angeht.

2. Nach dem Röntgenschen Absorptionsgesetze nimmt mit wachsender Dicke der absorbierenden Schicht die Halbwertschicht zu. Diese Zunahme ist um so stärker, je heterogener die Strahlung ist.

3. Die Heterogeneität wird in einfachster Weise definiert und gemessen als der Quotient der ersten zwei Halbwertschichten: =,

ay

4. Die Halbwertregel gilt ohne Einschränkung, nicht nur für homogene, sondern auch für alle heterogenen Röntgenstrahlen, soweit sie für die Aufgaben der praktischen Tiefentherapie in Betracht fallen.

5. Die Erhöhung des Dosenquotienten durch die Heterogeneität läßt sich für jeden Einzelfall nach einer einfachen Formel berechnen (Gleichungen [22] u. [23]). Sie beträgt gegenüber der homogenen Strahlung

(—1)- 850/,-

Soweit bis heute bekannt, beträgt diese Erhöhung höchstens 17°/,, meist wohl beträchtlich weniger.

6. Zur Beurteilung der Tiefenwirkung harter und ultraharter Röntgen- strahlen im Gewebe sind Aluminiummodelle unbrauchbar (Aluminiumfehler).

7. Für alle Untersuchungen über Tiefenwirkung am Gewebe, sowie für die praktische Dosimetrie, ist das Quantimeter (Kienböck) grundsätzlich ein für alle- mal auszuschalten, sobald harte und ultraharte Strahlen zur Verwendung kommen (Silberfehler).

8. Die Erklärung des Röntgenschen Absorptionsgesetzes als „Filterwirkung“ auf ein Strahlengemisch ist unzureichend (Immelmann-Schittzescher Absorp- tionsversuch).

Bern, ım Februar 1915.

XXIII, 8. Weissenberg, Eine neue graphische Darstellung der Absorption der Röntgenstrablen. 229

Aus der Zentral- Röntgenabteilung im k. k. allgemeinen Krankenhaus in Wien (Vorstand: Oberstabsarzt Professor Dr. G. Holzknecht). Eine neue graphische Darstellung der Absorption von Röntgenstrahlen,

nebst einigen ihrer Anwendungen, und zwar zur Analyse des Strahlengemisches, der Filter- wahl und der Erleichterung von Berechnungen.

Von math. Carl Weissenberg, mathematisch-physikalischer Mitarbeiter der Abteilung.

Bei einem Vergleich verschiedener Röbren, Betriebe, Apparaturen, sowie bei Erprobung

von Verbesserungen, neuen Röhren usw. genügt es bekanntlich nicht, die von der Röhre aus-

gesandte Röntgenenergie zu kennen. Vielmehr ist man in der Praxis vor eine Reihe von Fragen gestellt, deren wichtigste im folgenden zusammengefaßt sind.

1. Quantitätsfragen.

1. Gesamte aus der Röntgenröhre austretende Röntgenenergie in gegebener Zeit und pro Zeiteinheit (Intensität), ferner in verschiedenen Entfernungen auch pro Flächenein- heit: also Flächenenergie und Intensität pro Flächeneinheit.

2. Die von verschiedenen Körperdicken in verschiedener Tiefe absorbierte Röntgenenergie pro Zeiteinheit und in der ganzen Bestrahlungsdauer.

8. Verbesserungen, Änderungen, neue Vorschläge überhaupt, z. B. Filterwirkung auf 2. usw.

II. Qualitätsfragen.

1. Bestimmung der Komponenten der aus der Röhre austretenden komplexen Strahlung hinsichtlich ihrer Härte (Absorptionskoeffizient, Halbwertschicht) und Flächenenergie zur Bestimmung der Heterogenität der komplexen Strahlung.

2. Durchschnittshärte der in verschiedenen Tiefen

a) vorhandenen Flächenenergie, b) durch verschiedene Körperdicken absorbierten Röntgenenergie.

3. Heterogenität der in verschiedener Tiefen

a) vorhandenen Flächenenergie, b) durch verschiedene Körperdicken absorbierten Röntgenenergie.

4. Filterwirkung auf 2. und 3.

III. Zeitfragen.

1. Benötigte Zeit zur Erreichung einer bestimmten Flächenenergie oder Dosis in einer bestimmten Tiefe. (Aufnahmen.)

2. Maximal erlaubte Bestrahlungsdauer bis zu den physiologischen, therapeutischen und technischen Grenzen, z. B. Erythemdosis oder niedrigere Therapiedosis oder bis zum Weichwerden der Röhre. |

3. Filterwirkung auf 1. und 2,

ad. 1) zeitlich ökonomischer Betrieb (benötigte Zeit möglichst kurz), ad. 2a) therapeutisch bester Betrieb (erlaubte Bestrahlungszeit möglichst lang).

. Grenzen der Leistungsfähigkeit

einer Röhre oder INES: e Qualität und Quantität und Möglichkeit der Variation innerhalb der Grenzen.

a ae

230 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

Aus dieser Zusammenstellung ergibt sich die Notwendigkeit, die wenigen aus Versuchen ermittelten Lichtstärken hinter den einzelnen Fleischschichten in möglichst umfangreicher Weise auszuwerten, um ein genaues Urteil über das gestellte Problen fällen zu können. In exakter Weise wäre das natürlich nur durch mehr oder minder komplizierte mathematische Betrach- tungen mit jedenfalls sehr zeitraubenden Rechnereien auszuführen. In der Praxis wird man nun danach trachten, die Versuchsdaten so zusammenzustellen, daß auf den ersten Blick, d.h. ohne Rechnung wenigstens, ersichtlich ist, welcher Betrieb und nach welcher Richtung er besser oder schlechter ist als ein anderer. Am einfachsten und übersichtlichsten kann man das erreichen durch eine geeignet gewählte graphische Darstellung. Das ist auch seit den

ersten Absorptionsmengen üblich, und seit dem

Si Buche von Gauß und Lemke sehen wir über-

Lo. 1 all in den wissenschaftlichen Arbeiten und in

der letzten Zeit auch in den Propaganda-

schriften und Annoncen der Fabriken jene ein-

fachen Raster mit eingezeichneten Absorp-

tionskurven zur Veranschaulichung der Tiefen-

wirkung der jeweils in Rede stehenden Appa- ratur verwendet (siehe Fig. 1).

Diese werden nun um so besser sein, je mehr Fragen und in je exakterer Weise sie dieselben ohne Rechnung beantworten.

Über die allgemein bekannten Vorzüge einer graphischen Darstellung eines Vorgangs, will ich mich nicht verbreitern, es seien nur kurz die wichtigsten aufgezählt:

1. sie stellt die durch Versuche ermittel- ten Zahlenreihen kompendiös, über- sichtlich und anschaulich dar;

Fig. 1 stellt den Sinn der gebräuchlichen 2. sie gibt ein leichter im Gedächtnis Kurve dar. Das horizontal schraffierte Oval sei der one behaltendes Bild des Vorganges Querschnitt des Körpers mit seinen verschieden ls: eine Zahlentsbelle: tiefen Schichten, oben die Oberfläche desselben. TR FINE ORE ETIR SSME ,

Wir denken uns einen Punkt der Oberfläche 3. sie gestattet eine leichte Interpolation. von den durch den Pfeil- dargestellten Strahlen : : ; i getroffen. Die schräg an den Pfeil angehängte In der Praxis hat De sich bisher bei Strecke bezeichnet die Lichtstärke. Die Strahlen der Darstellung der Absorption von Röntgen- durchdringen den Körper in der Linie BR, z. B. energie mit den drei obgenannten Vorzügen

vom Bauch zum Rücken. An diese Linie halten einer graphischen Darstellung begnügt und ein- wir ein Blatt Papier mit einem seiner Ränder an. foch (was ja auch am naheliegendsten war) in

Auf diesem tragen wir jene Lichtstärken auf, welche öhnliches Mill; ; fd : in den verschiedenen Tiefen des Kérpers von der gewöhnliches Millimeterpapier auf der einen

ursprünglichen Stärke J übriggeblieben sind. Ver- Achse die Flächenenergien, auf der anderen binden wir nun die Endpunkte, so erhalten wir die die Körperdicke aufgetragen. Im folgenden soll

gebräuchlichen Kurven. nun gezeigt werden, daß erstens diese graphi-

sche Darstellung in keiner Weise speziell dem

vorgelegten Problem angepaßt ist; d. h. für die in Frage stehenden Punkte nur sehr un-

genügende Aufklärung gibt und sogar die Qualitätsvorgänge irreführend darstellt und zweitens

eine für diesen Zweck neue Darstellung vorgeschlagen werden, welche die obengenannte er- setzen und verbessern soll.

Man hat also (siehe Fig. 2), wie oben erwähnt, auf Millimeterpapier auf der einen Achse

die Körperdicken und auf der anderen die jeweiligen Flächenenergien aufgetragen, und hat

dadurch eine Reihe von Punkten bekommen, durch welche man eine Kurve nach Augenmaß

XXIII, 3. Weissenberg, Eine neue graphische Darstellung der Absorption der Röntgenstrahlen. 231 legen konnte und hat so auch für die zwischenliegenden Körperdicken die ihnen entsprechenden Flächenenergien wenigstens ungefähr ermittelt.

In richtiger Erkenntnis, daß diese Darstellung ungeeignet ist zur Beantwortung von Qualitätsfragen, ist man von der durch den Versuch gewounenen Kurve übergegangen zur Prozentkurve, welche aus den Versuchsdaten errechnet werden mußte. Bei der Prozentkurve (siehe Fig. 3, das gleiche Licht in Prozenten) sind als Ordinaten die Prozentzahlen der jeweils vorhandenen Flächenenergie zu der an der Oberfläche vorhandenen aufgetragen. Man hat dabei mit Absicht auf den Vorteil der ersten Darstellung die wirklichen Absorptionen in den ein-

In Fig. 2 ist das Licht von drei verschiede- nen Röhren oder drei verschiedenen Apparaten und dergleichen Röhre eingezeichnet und zwar stammt

die Kurve A von einem Licht, welches mit einer Anfangsintensität von 80 Einheiten einstrahlt und aus mittelharten Strahlen mit einer Halbwert- schicht von 2 cm besteht;

die Kurve B von einem Licht, mit der A. J. 40 und hauptsächlich ultraharte Strahlen mit einer Halbwertschicht von 6!/, cm. Diese große Durchschlagskraft der Strahlung bewirkt, daB trotz der geringen Anfangsintensität 40 nach dem dritten Zentimeter von dieser Strahlung mehr vorhanden ist, als von der doppelt so intensiven, aber weiche- ren Strahlung A;

die Kurve C von einem Licht, mit der A. J. 20 und einer Halbwertschicht von 2 cm; es ist genau das gleiche Licht von der die Kurve A herstammt, nur von geringerer Intensität (bei ge-

In Fig. 3 sind dieselben Strahlungen wie in Fig. 2 als Prozentkurven gezeichnet, d. h. auf eine A. J. von 100 Einheiten umgerechnet; man kann daher in dieser Darstellung über die wirklichen Intensitäten nichts aussagen; so kanu man z. B. weder erkennen, welche von den vorliegenden Strah- lungen die intensivere ist, noch erkennt man, daß z. B. die Strahlung B in den ersten drei Zentimetern viel weniger intensiv, also lichtschwächer ist als 4, dagegen vom dritten Zentimeter angefangen inten-

` siver, also lichtstärker ist als A. Gegenüber diesem

Nachteil hat diese neue Darstellung nur den Vor- teil, daB man sich über die Durchschnittsbärte einer Strahlung gut orientieren kann; denn man erkennt an dem steileren Gefälle und der größeren Prozent- zahlen untcr 10 cm leicht, daß die Strahlung B die härteste und die Strahlungen A und C gleich und weich sind.

wöhnlichem Licht würde man sagen gleiche Farbe aber kleinere Kerzenstärke.) Es sind nun, wie auf den ersten Blick ersichtlich, die Kurven C und B von gleicher Gestalt und

die Kurve A der Gestalt nach ganz verschieden von den Kurven B und C; man könnte daber meinen, daB C und B von dem gleichen Licht herrühren und sich nur durch die Intensität (Kerzenstärke) unter- scheiden; das ist aber, s. o., gar nicht der Fall; weiter sieht man, daß die Kurven C und A ganz un- gleiche Gestalt haben, könnte daher meinen, daß sie auch von verschiedenen Lichtsorten (Farben) her- rühren, das ist aber auch nicht der Fall, denn s. o. uuterscheiden sich die Strahlungen C und A nur durch die Intensität und nicht durch die Durchdringungskraft; weiter scheint wegen des steileren Ge- filles, welches dem Auge als Durchschlagskraft erscheint, die Strahlungen C und B härter als A; nun ist wohl B härter als A und C, hingegen C gleich hart mit A; weiter sieht man, daß das Gefälle bei der Kurve A sich sehr stark ändert, bei den Kurven B und C aber nur wenig; man könnte also meinen, daß auch die Durchschlagskraft (Härte) bei der Kurve A stärker geändert wird als bei den Kurven B und C, d. h. das die Kurve A heterogener ist, also mehr gehärtet wird als B und C; auch das stimmt nicht, denn es ist nur B heterogen, hingegen A und C homogen, d. h. A und C sind überhaupt nicht gehärtet. Zusammenfassend kann man sagen, daß diese Darstellung sehr gut Intensitäten (Kerzenstärken) darstellt, hingegen Härte (Farbe) und Heterogenität (Spektrumgröße) irreführend verzeichnet.

AL

232 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkonmission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

zelnen Zentimetern und die jeweils vorhandene Flächenenergie zu messen verzichtet und dafür einen Einblick in den Qualitätsvorgang und einen besseren Vergleich von Qualitäten sich er- hofft. Trotzdem der zugrunde liegende Gedanke, das Suchen nach einer übersichtlichen Dar- stellung der Qualitäten der Strahlung richtig ist, ist doch diese neue Darstellung in keiner Weise gut zu nennen; denn gegenüber dem großen Vorteil der ersten Darstellung, wirkliche Quantitäten darzustellen, den sie aufgab, bietet sie nur den einen als Gegengewicht, daß sie gestattet, auf den ersten Blick zu unterscheiden, welche von zwei Strahlungen die weichere ist, bringt aber außerdem noch die folgenden Nachteile hinzu: nicht nur, daß man kein Urteil aus dem Anblick der Kurve hat, ob die Strahlung in den ersten Zentimetern härter ist als in den späteren, nicht nur, daß sie keinen Einblick gewährt in die Heterogenität der komplexen Strahlung und ihre Änderung mit wachsender Tiefe (d. h. es ist durch Ansehen der Kurve nicht zu entscheiden, welche von zwei Strahlungen heterogener ist und ob die Strahlung in den ersten oder in den späteren Zentimetern heterogener ist); nicht nur, daß der Einfluß der Filterung auf die Strahlenqualitäten nicht ersichtlich ist, sie scheint über alle diese Punkte Aufschluß zu gewähren (weil man glauben könnte, daß sie die Qualitäten richtig darstellt, da

%

Fig. 4 zeigt den neuen Raster (Logarith-

0-4... 00.00.20 _..20 309800 {5 M mischer Raster), in welchem die Gewebstiefen ge-

É |p Al: nau so wie beim alten in gleichen Abständen ein-

1= er | i | gezeichnet sind, an Stelle der Lichtintensitäten ya a f | jedoch ihre Logarithmen.

ee Ji 4 Ar Hier sind die gleichen Kurven wie in Fig. 2

Ä und 3 in diesen Raster eingetragen und während

ia dort die von verschiedenartigem Licht herrührenden

i Kurren B und C gleich ausschauen und sogar die i von gleichem Licht herrührenden C und A ver-

ey i schieden, so ist hier jeder Kurve die Lichtart leicht

EEE aa Bil. anzusehen und auch die Quantitäten leicht abzu- ARE: ll lesen, denn jede steiler abfallende ist härter und

7 jede mehr rechts verlaufende ist intensiver, die in Bin diesem Raster parallelen Kurven (Kurven gleicher

8 Gestalt A und C) rühren von der gleichen Licht- 9 / Bl sorte her und unterscheiden sich nur durch die ye jo J ib. 1 Intensität; die Kurve B, welche von beiden Kurven 10 | A und C deutlich verschieden ist, stammt auch von

einer ganz anderen Lichtsorte (Farbe) her.

3 4— 5

sie ja nur als Qualitätskurve gezeichnet ist) und verleitet so zu ganz irrigen Schlüssen, da sie diese angeführten Qualitäten ganz irreführend verzeichnet.

Daß das tatsächlich so ist, ergibt sich aus folgendem: Wenn man Fig. 5, 6 betrachtet, so bemerkt nıan, daß die Flächeenergie in den ersten Zentimetern rasch mit der Körperdicke ab- nimmt, in der letzten nur langsam. Man könnte daher glauben, daß die Strahlung um vieles gehärtet worden sind. Nun ist das eine Täuschung. Es sind nämlich in Fig. 5, 6 durch Be- rechnung die Zahlen für ein homogenes unhärtbares Licht eingetragen und man sieht eine ganz ähnliche Zunahme der Steilheit wie bei inhomogenem Licht; sogar bei der Strahlung @, welche in der Tiefe weicher als an der Oberfläche ist, zeigt sich eine ähnliche Zunahme der Steilheit. Hingegen gibt das Kurvenbild (Fig. 7) im neuen Raster eine richtige Darstellung des Verlaufes.

(Die direkte Darstellung war da noch insofern besser, weil man gewußt hat, daß man bei ihr keinen Einblick in die Qualität der Strahlung bekommt, während die Prozentdarstellung wegen der einen Qualität, die sie richtig anzeigt, dazu verleitet, auch andere Qualitäten direkt mit dem Auge zu entnehmen, was zu Fehlern führt, wie oben gezeigt wurde.)

Hat man nun erkannt, daß man durch den bloßen Anblick zu keinem Urteil über die meisten Qualitätsangaben kommt, so kann man sich nun entschließen, entweder für jede der

XXIII, 3. Weissenberg, Eine neue graphische Darstellung der Absorption der Réntgenstrahlen. 233

ol

A LA Bi

In Fig. 5 sind die Absorptionskurven des Lichtes dreier verschiedener Röhren oder dreier verschiedener Apparate und der gleichen Röhre eingezeichnet und zwar stammt die Kurve E von einem Licht, welches sehr stark in der Tiefe gehärtet ist, also ein gewöhnliches Strahlengemisch enthält.

Die Kurve F stammt von einem homogenen Licht, welches in der Tiefe weder härter noch weicher ist als an der Oberfläche von einem idealen, aber praktisch nicht erreichbarem Licht.

Die Kurve G stammt von einem Licht, welches weicher ist als an der Oberfläche (ein Fall, der nur bei falschen Messungen oder bei Sekundär- strahlen vorkommt. In diesem Raster erscheinen jedoch alle drei Kurven dem Auge in der Tiefe härter als an der Oberfläche, da bei allen dreien das Ge- fälle mit der Tiefe zunimmt.

40

a | BE: BEE Ai

In Fig.6 sind dieselben Strablungen wie in Fig. 5 als Prozentkurven eingezeichnet. Auch bei der Darstellung in Prozentkurven scheinen alle drei Kurven in der Tiefe härter als an der Oberfläche und es werden somit auch bei dieser Darstellung Härteänderungen der Strahlung mit wachsender Tiefe irreführend verzeichnet. Auch hat man kein Urteil über die Heterogenität einer Strahlung und ihre Änderung mit wachsender Tiefe, denn es ist weder die homogene Kurve F als solche dem Auge kenntlich, noch ist die stark heterogene Kurve E wesentlich von der homogenen Kurve F oder der exeptionellen Kurve @ unterschieden und die Kurve @ selbst ist auch nicht als eine besondere kennt- lich.

il anil jill Hl Hl Hl ill NT N

ee a ee ed

f

In Fig. 7 sind dieselben Lichtsorten angezeichnet wie in Fig. 5 und 6. Die Durchschnittshärte der Strahlung läßt sich ebensoleicht beurteilen wie in Fig 5, aber es kommt hier noch dazu, daß man in jeder Tiefe an dem Gefälle der Kurve die Härte durch den bloßen Anblick beurteilen, resp. an der Tangente an die Kurve in der betreffenden Tiefe die jeweilige Halbwertschicht ablesen kann. So erkennt man, daß die Kurve Æ in der Tiefe gehärtet, die Kurve F homogent die Kurve @ verkehrt gekrümmt, d.h. in der Tiefe reicher ist als an der Oberfläche, was man aus der oberen Darstellung nur durch Rechnung er- mitteln konnte. Diese einfache Darstellung ist daher nicht nur ein vollständiger Ersatz der beiden Dar- stellungen 5 und 6, sondern sie bietet noch mehr, da sie ohne Rechnung die Qualitäten und ihre Ande- rungen, also die Härte, Heterogenität, Härtung und Homogenisierung zeigt.

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII.

80

Twin rer. GES er

un nn

234 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXII, 3.

Qualitätsfragen eigene Versuchsordnungen zu ersinnen und durchzuführen, was natürlich sehr zeitraubend, umständlich und wegen verschiedener veränderlicher Momente auch anfechtbar wäre, oder man muß versuchen, durch Rechnung aus der Absorptionskurve die noch fehlenden Daten zu ermitteln und, wenn möglich, diese Rechnung selbst graphisch zu veranschaulichen oder durch eine neue graphische Methode zu ersetzen. Diesen letzteren Weg möchte ich im folgenden einschlagen, wobei ich links den Gedankengang, rechts die matron Fassung derselben wiedergebe.

Die Röntgenenergie, die aus der Röhre austritt, n az ist im allgemeinen komplex, d. h. sie ist eine E = d,e Summe aus den Energien von weichen und harten Flächenenergie,

Strahlen. Zu bestimmen sind nun die Teilenergien, » Anzahl der Komponenten, Komponenten der Strahlung, sowohl nach Quantität 4, = jeweilige Anfangintensität einer A, als auch nach Härte. (Absorptionskoeffizient in Komponente,

Wasser a, oder HWS.) Man weiß aus Erfahrung, «œ = Absorptionskoeffizient, daß in Stoffen ohne Eigenstrahlung (also Stoffe, die » Körperdicke. sich aus Elementen zusammensetzen, deren Atom-

gewicht kleiner als 27 ist) die Strahlung beim Energie ihrer härtesten Komponente _ Durchgang durch wachsender Schichtdicke gehärtet IE f

und homogenisiert wird. Man erklärt sich das da- e = ze =e, +> etn Oe) Eee durch, daß von den weicheren Strahlen in jeder Schicht “»° * ‘i : e

mehr absorbiert wird, und somit die härteren übrig- -= pass ea ij;

n

bleiben; d. h. in größeren Tiefen ist nur noch die p os | härteste in dem Gemisch vorhandene Strahlung er BS tear O man), wirksam. Diese Strahlung kann nun hinsichtlich lim E

ihrer Harte und Flachenenergie bestimmt werden, in eg Be nF und zwar die Härte dadurch, daß man nach einer d. h. die Kurve hat als Asymptote die

=];

genügend großen Überschicht die HWS. ree Kurve ihrer härtesten Komponente und damit den Absorptionskoeffizienten, die anfangs =y,=A,e F. vorhandene Flächenenergie dieser Strahlung dadurch, |

daß man die in der Tiefe vorhandene Flächenenergie Oy = le

mit Hilfe des gefundenen Absorptionskoeffizienten AWS,

und der Überschichtdicke auf die auftreffende Flä-

chenenergie dieser homogenen Strahlung zuriickrech- 4 —"_. net. Dadurch ist die härteste im Gemisch vorhandene " ®™" l Komponente vollständig bestimmt. Subtrahiert man Schichte « vorhandene Flächenenergie be- nun von (der Kurve d. Q.) dem Gemisch (die Kurve zeichnet.

d. St.) diese Strahlung, so erhält man (eine neue

Kurve) ein neues Gemi mit einer Komponente E—A,e “a” = E (neues Gemisch). weniger als das erste, aber sonst mit ihm identisch.

In diesem neuen Gemisch (Kurve) gibt es wieder

wobei y, die nach der

eine härtere Komponente, welche wieder nach der 7 =1. obigen Methode bestimmt wird und so fort. z= An "T

Man erhält so eine Analyse des Gemischies, Be ly derart, daß die Komponenten nach Härte und Quan- "AWS, 4 tität bekannt sind. Sowie dies geschehen ist, kann Au Il. man auf alle Qualitätsfragen leicht antworten. Die e “n=”

Analyse erfordert aber neben dem mathematischen

Einblick und den ziemlich langwierigen Rechnereien,

wie aus dem obigen hervorgeht, die Kenntnis der nötigen Überschicht für die Bestimmung der je-

XXIII, 3. Weissenberg, Eine neue graphische Darstellung der Absorption der Réntgenstrahlen. 235 | í

weils größten Halbwertschicht; diese Überschicht ist BE nicht allein direkt aus der gezeichneten Kurve er- | sichtlich, sondern je größer man sie nimmt, um so

richtiger wird die Analyse; um wirklich exakt zu

verfahren, müßte man die Überschicht entweder un-

endlich groß machen, und da das praktisch nicht

durchführbar ist, wenigstens den Fehler, den man

durch zu kleine Überschichten macht, schätzen

können, was auch nicht einfach ist.

Kröncke (Göttingen) hat eine andere Methode?) zur Analyse der komplexen Strahlung veröffentlicht, die wegen ihrer exakten mathematischen Fassung hier genannt werden soll.

Er geht darin von der allgemeineren und gewiß exakteren Voraussetzung aus, daß die komplexe iS Strahlung sich aus o vielen Komponenten zusammensetze, daB also im allgemeinen in der Strahlung | jede Härte vorkommt; mit anderen Worten: es ist hier ein kontinuierliches Spektrum gedacht, in dem allerdings verschiedene Helligkeiten möglich sind. (Bei meiner Analyse habe ich diese Annahme für die Praxis reduziert auf isoliert liegende Spektrallinien in endlicher Anzahl.) Demgemäß stellt er die

@

Flächenenergie nicht als endliche Summe, sondern als Integral dar, also in der Form F(z) = J s(x) e ** da, 0 wobei z die Dicke x, den Absorptionskoeffizienten, F(z) die jeweils vorhandene Flächenenergie, fs(x) dx, den Intensitätsanteil (Helligkeit) in dem Härtebereich von x bis x+- dx bedeutet. Nun wird s(x) dar- gestellt als Funktion der empirisch gefundenen Funktion F(z). Doch ist die Darstellung nicht ganz einfach. Es muß darin nämlich F(z) zuerst in eine Potenzreihe entwickelt werden (was bis jetzt nicht mit genügender Genauigkeit möglich war), dann werden aus den Koeffizienten erst die Koeffizienten für die unendliche Reihe berechnet, durch welche s(x) dargestellt ist. Wie eingangs erwähnt, ist diese Methode vom mathematisch-physikalischen Standpunkt ideal, doch für die Praxis, hauptsächlich für die Medizin ziemlich unhandlich und nur dem Mathematiker verständlich und kontrollierbar, wie der Autor selbst hervorhebt. Dazu kommt noch, daß in der Praxis der Gewinn an Genauigkeit, welcher hier in- der Auffassung liegt, da8 die Strahlung sich nicht aus einer endlichen, sondern unendlichen Anzahl von Komponenten zusammensetzt, nicht auswertbar ist, da erstens nur für eine endliche Anzahl von Punkten F(z) bestimmt werden kann, und zweitens die Reihenentwicklung von F(z) auch nur für eine endliche (in der Praxis sehr kleine) Anzahl Glieder durchgeführt werden kann, d.h. aber, daß auch bei ihm in der Praxis F(z) als eine Summe aus nur wenigen Komponenten aufgefaßt wird. Oder anders ausgedrückt:

Der von Kröncke skizzierte Weg ist scharf getrennt in zwei Teile, nämlich erstens in die mathematische Analyse der Funktion F (z) (diese Analyse ist physikalisch kaum zu deuten) durch eine Potenzreihenentwicklung, welche eben, wie oben gezeigt, nur sehr ungenau vor- genommen werden kann, und zweitens aus einer exakt durchführbaren Synthese der durch mathematische Analyse gewonnenen mathematischen Daten zu physikalischen Größen. Der von | mir skizzierte Weg enthält direkt, und als einzigen Schritt, die mit derselben Ungenauigkeit durchgeführte Analyse der Funktion (Entwicklung in eine e-Potenzreihe). Dieser Schritt hat aber seine direkte physikalische Deutung und ist auch für den Nichtmathematiker leicht kon- | trollierbar und, wie gleich gezeigt wird, auch leicht ausführbar. Außerdem wird diese Methode | ein Schätzungsmaß des Fehlers liefern und neben einer leichten und übersichtlichen Darstellung auch noch viele andere in der Praxis wichtige Daten geben. Auch an diese Analyse wird sich in den Ausführungen eine Synthese anschließen, aber in dem Sinne, daß die durch physi- kalisch-mathematische Überlegungen gewonnenen physikalischen Größen in medizinische und praktische Daten umgerechnet, resp. zusammengestellt werden. (Dieser Schritt würde sich natürlich auch an die Analyse des Herrn Kröncke anschließen lassen.) Zunächst soll die praktische Analyse der Absorptionskurven besprochen werden.

1) Annalen der Phys., Bd. XLIII. 30%

H”

- m ee -

236 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

Entstehung und Beschreibung des Rasters.

Einer der Hauptübelstände der alten graphischen Darstellung besteht darin, daß auch homogenes Licht nicht als gerade Linie, sondern gekrümmt erscheint, und zwar je nach der Härte und Quantität verschieden gekrümmt, so daß man durch den bloßen Anblick der Kurven nicht erkennen kann, ob das Licht homogen ist, resp. wie groß seine Heterogenität ist. Die neue graphische Darstellung sollte hauptsächlich diesen Übelstand beseitigen; es hat sich aber glücklicherweise ergeben, daß diese Darstellung noch eine Reihe von anderen Vorteilen mit sich brachte, die den Wert dieses Rasters noch bedeutend erhöhen.

Diese Aufgabe kann man sich dadurch gelöst denken, daß man sich den Papierraster von Fig. 3, auf dem eine mathematisch berechnete homogene, nur aus einer Strahlenzone be- stehende Kurve A gezeichnet ist, so stark ungleichmäßig gedehnt denkt, daß die homogenen Kurven geradlinig werden. (S. Fig. 8, 9, 10 u. 11.)

Das oben gestellte Problem, alle von homogenem Licht herrührenden Kurven geradlinig erscheinen zu lassen, ist ein rein mathematisches und läßt sich in diesem Fall sehr leicht er- ledigen. Da nämlich die Flächenenergie bei homogenem Licht nach einem Exponentialgesetz

Fig. 8 erläuteıt für un- sere Vorstellung den Zusammen- hang des alten und neuen Ras- ters an einem plan-sphärischen Glaskeil. Auf der Planseite des- selben ist der alte Raster und eine homogene Kurve einge- zeichnet; man betrachtet zuerst in der Richtung I und denkt sich, daß man den alten Raster und die Kurve mit Glasstift auf die gekrümmte Fläche zeichnet und dann von oben ansieht.

Betracktu ngs piekle »

N

abnimmt (ohne Distanzverlust), d. h. mit konstanter HWS. (oder was dasselbe ist mit kon- stantem Absorptionskoeffizienten), so muß, wenn die Abnahme der Flächenenergie für homo- genes Licht durch eine gerade Linie dargestellt werden soll, die Entfernung des Punktes mit

der halben Flächenenergie A von dem Punkt (an der Oberfläche) mit der ganzen Flächen-

energie = F genau so groß sein wie die Entfernang des Punktes mit der Flächenenergie

oo| Pay | by

von dem Punkt mit der Flächenenergie a weiter gleich der Entfernung der Punkte

und i usw., d. h. aber, mathematisch ausgedrückt, die Achse der Flächenenergie muß, je näher

sie der Null kommt, un so mehr gedehnt werden, um die geforderte Gleichheit der Entfer- nungen zu erhalten, und zwar nach dem logarithmen System, also genau wie die bekannten Rechenschieber, bei denen auch bekanntlich die Entfernungen, z. B. zwischen den Punkten 16 und 8, 8 und 4, 4 und 2, 2 und 1 usw., einander gleich sind. So wie bei den Rechen- schiebern kann daher der Punkt mit der Flächenenergie Null nicht gezeichnet werden, da er unendlich weit entfernt ist (log 0 = œ). Das ist aber für das darzustellende Problem kein Nachteil, sondern, wie im folgenden gezeigt wird, im Gegenteil ein neuerlicher Beweis, wie exakt gerade dieser Raster den Vorgang der Absorption von Röntgenenergie darstellt. Bekannt- lich kann nämlich auch das weichste Röntgenlicht durch Absorption in auch noch so dicken Schichten des röntgenundurchlässigsten Materials nicht vollkommen annulliert werden, sondern nur auf einen so geringen Bruchteil reduziert werden, daß man praktisch die Wirkung ver-

XXIII, 3. Weissenberg, Eine neue graphische Darstellung der Absorption der Röntgenstrahlen. 237

nachlässigen kann. In Wirklichkeit können nur unendlich dicke Schichten eine Röntgenstrah- lung vollkommen absorbieren, mit anderen Worten: der Punkt mit der Flächenenergie Null liegt im Unendlichen. Es wird daher die Teilung der Flächenenergieachse mit einem end- lichen Wert, z. B. 1 oder 0,1, beginnen. Bei den Eintragungen aber und bei der Beurteilung der eingetragenen Kurven hat man sich um die logarithme Teilung gar nicht zu kümmern, sondern läßt das Bild der Kurve genau so auf sich wirken, wie wenn es in Millimeterpapier

Die Figuren 9, 10 und 11 stellt noch einfacher die Entstehung des neuen Rasters dar. Auf die Plan- seite eines Gummikeiles, der sich konisch verjüngt, sei der alte Raster und die Kurve einer homogenen Strahlung eingezeichnet (siehe Fig.9). Wird nun der Gummikeil gedehnt, so wird das dünnere Ende natürlich stärker gedehnt als das dickere. Die eingezeichnete Kurve streckt. sich dabei (siehe Fig. 10). Dehnt man nun noch weiter und zwar solange, bis die Stelle von 80 bis 40, gleich der Strecke 40 bis 20, gleich 20 bis 10 usw. ist (siehe Fig. 11). dann muß der Nullpunkt ins unendliche rücken, oder wie es hier gezeichnet ist, der Gummikeil abreißen. Die urspzüglich eingezeichnete Kurve ist dadurch eine gerade Linie ge-

worden. Merkwürdig ist, daß gleichzeitig bei dieser Dehnung sämtliche Kurven homogenen Lichtes ge- |

rade Lininien werden. Fig. 9 zeigt also den alten Raster, Fig. 10 bildet einen Übergang und Fig. 11 zeigt den neuen Raster.

eingetragen wäre; auch die Ablesung von Daten geschieht genau so wie gewöhnlich, nämlich an den Rändern. Der Raster zeigt besonders die Qualität verschiedenen Röntgenlichtes an. Man sieht sich die Kurve im neuen Raster an, ähnlich wie man sich ein Bild mit der Lupe oder durch ein Stereoskop ansieht, oder wie man sich bei Sonnenfinsternis die Sonne durch ein gefärbtes Glas ansieht, um nicht wegen der großen Lichtquantität auch eine andere Gestalt zu

| j | | |

h Dr T re

238 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

sehen, man will die Gestalt unabhängig von der Quantität haben, so auch hier, in dem.neuen Raster ist die Gestalt der Kurve unabhängig von der Quantität des Röntgenlichtes, nur ab- hängig von der Qualität. ;

Man könnte diesen Apparat (Fig. 8) auch wirklich anfertigen und sich mit ihrer Hilfe die Kurven, die auf Millimeterpapier gezeichnet sind, ansehen, um leicht ihre Heterogenität (Ab- weichen von der homogenen Kurve) beim Durchschauen als Krümmung, resp. ihre Härte beim Durchsehen als Gefälle zu erkennen. Doch ist es natürlich einfacher, statt eines solchen Apparates die Kurven einfach in den neuen Raster einzutragen und mit freiem Auge anzu-

sehen. Deshalb ist im folgenden auch dieser Weg eingeschlagen worden. Zunächst sollen

seine wichtigsten Vorteile aufgezählt werden.

Fig. 12 ist homogenes weiches Licht mit einer

Halbwertschicht gleich '/, cm und einer Anfangs-

intensität von 100 Einheiten, resp. 50 Einheiten, resp. 20 Einheiten eingezeichnet,

0 4 0 2 30 4050 60 i

A AW | VYN tA A

ne All| FA PV IVA Piel

In Fig. 14 ist sehr hartes homogenes Licht mit einer Halbwertschicht von 5 cm und den An- fangsintensitäten 100, resp. 80, resp. 60, resp. 40, resp. 20 Einheiten eingezeichnet.

10

20 2 MDR

In Fig. 13 ist mittelhartes Licht mit einer Halbwertschicht von 2 cm und den Anfangsintensi- täten 100, resp. 50, resp. 20 Einheiten eingezeichnet.

, Das flache Gefälle in Fig. 12 zeigt die ge- ringe Durchschlagskraft der Strahlungweichheit; die Parallelität der Linien zeigt die Gleichartigkeit des sie erzeugenden Lichtes; die Konstanz des Gefälles zeigt die Konstanz der Durchschlagskraft, d. h. die Homogenität der Strahlung an. Man erkennt aus dieser Zeichnung, daß weiches Licht, gleichgültig, welcher Intensität, in diesem Raster immer dasselbe charakteristische schwache Gefälle zeigt, daher über- all als solches sofort kenntlich ist; analog erkennt man an dem mittleren Gefälle der Linien in Fig. 18, resp. an dem starken Gefälle der Linien in Fig. 14, unabhängig von der Intensität immer die mittel- harte, resp. in Fig. 14 die sehr harte Strahlung. Wieder zeigt die Parallelität in den einzelnen Fi- guren die Gleichartigkeit des sie erzeugenden Lichtes und die Konstanz des Gefälles (das Fehlen der Krümmung), die Homogenität des Lichtes. Es ist somit jeder Lichtqualität (Härte Homogenität) un- abhängig von der Intensität ein ganz bestimmtes Bild zugeordnet, welches für die Lichtqualität cha- rakteristisch ist und das man sich ein für allemal dem Gedächtnis einprägt und so diese Lichtsorte immer wieder erkennen kann.

XXIII, 3. Weissenberg, Eine neue graphische Darstellung der Absorption der Röntgenstrahlen. 239

1. Homogenes Licht und nur dieses, gleich- gültig, welcher Härte und Quantität, ist immer durch eine gerade Linie dargestellt und dadurch als homogenes kenntlich. (S. Fig. 12, 13, 14.)

2. Die Härte 1 (der Absorptionskoeffizient) ist unabhängig von der Quantität, immer gleich dem Gefälle der Linie.

8. Die Krümmung einer Kurve in dem Raster ist immer ein sicheres Kennzeichen für die Hetero- genität der vorhandenen Strahlung und kann, wenn auch nicht als absolutes, so doch als praktisches Maß der Heterogenität angesehen werden. (S. Fig. 15.)

1. Fl= Fh e “5, log nat FI = log nat F,— e«s = Glei- chung einer Geraden.

> an UF, dx

0 10 2 30 4s um

Fig. 15 zeigt heterogenes Licht im neuen Raster. Seine Heterogenität ist auf den ersten Blick an dem gekrümmten (nicht geradlinigen) Verlauf der Kurve kenntlich; weiter erkennt man das Gefälle der Kurve im ersten Zentimeter als das der weichen Strahlung (Fig. 12) wieder, in dem mittleren Zentimeter als das der mittelharten (Fig. 13) und nach 10 Zentimeter als das der harten Strahlung (Fig. 14), woraus ohne weiteres der Schluß gezogen werden kann, daß das Licht beim Auftreffen so weich ist wie das in Fig. 12 gezeichnete, dann gehärtet wird bis zur Härte von Fig. 13 und schließlich nach 10

Zentimeter so hart ist wie das in Fig. 14

gezeichnete. Es ist also die Härte in jedem Zentimeter obne weiteres an dem Gefälle

4. Die Gestalt der Kurve ist völlig unab- hängig von der Quantität der Strahlung und nur von der Qualität der Strahlung abhängig; dadurch ist streng getrennte und leichte Ablesung der beiden möglich. Mit anderen Worten: An der Form (Ge- stalt) (Neigung, Krümmung) der Kurve kann man die Qualität des Lichtes, an den anstehenden Zahlen die Quantität des Lichtes ablesen, so daß leicht Differenzen direkt der Kontrolle des Auges zugäng- lich werden. Kurven gleicher Gestalt haben gleiche Qualität. (S. Fig. 12, 13, 14.)

5.1) Man kann daher die aus dem Versuch gewonnenen Daten direkt in den Raster eintragen und braucht keine Umrechnung in Prozente; die Prozentkurve ist nämlich in dem Raster parallel der experimentell bestimmten Kurve. (S. Fig. 12, 13, 14).

6.1) Aus dem bloßen Anblick ergibt sich, ob und wie stark in den verschiedenen Zentimetern die Strahlung gehärtet wurde (Änderung des Ge-

1) Vgl. Nachteile des alten Rasters, p. 231, 233.

kenntlich.

L Fi A, 67" 4- A, oo +...

I. W=K (A, "*+..),

(II = kfache Intensität der Strahlung I);

dann ist

Lif=1(Ae"”’+...)

D. L Fl=lk +l (Aye “* 4...)

d. h. die Kurve ist nur um die Länge /k

parallel verschoben, aber der Gestalt nach unverändert.

240 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich.

XXIII, 3.

fälles), ob und wie stark die Heterogenität abge- nommen hat (Änderung der Krümmung). (S. Fig. 15.)

7.1) Aus dem bloßen Anblick ergibt sich, welche Quantitätsverminderung durch Filtritation ent- stehen würde und welche Qualitätsverbesserung da- mit Hand in Hand geht. (S. Fig. 21.)

8.1) Sämtliche etwaig auszuführenden Rech- nungen sind bedeutend vereinfacht, da der Raster ohne weiteres als Rechenschieber verwendet werden kann (insbesondere kann man leicht Prozentrech- nungen ausführen).

9. Schematische Zeichnungen lassen sich sehr einfach machen, da man für das homogene Licht nicht die einzelnen Kurvenpunkte berechnen muß, sondern einfach eine gerade Linie zeichnen kann.

10.') Die Beantwortung der eingangs gestellten Fragen ist ohne mathematische Vorbildung mechanisch leicht und schnell durchführbar (insbesondere läßt sich die Analyse leicht veranschaulichen und durch- führen). (S. Fig. 20.)

0 20 30 & SO 60 $0 90 100 o BR. 20 309 W 50 60 70 go 90 A

LAA NAPAErSEEN EWARZERBE AEA ET ARWERERER

PE Tt tt BR Ht

Die Figuren 16, 17 und 18 zeigen noch einmal den alten Raster, in welchem dasselbe Licht wie im neuen (Fig. 12, 13 und 14) eingezeichnet ist. Obwohl von der gleichen Lichtsorte herrührend, sieht jede Kurve in Fig. 16, resp. 17, resp. 18 anders aus. Man hat kein einheitliches Bild von einer weichen, oder mittleren, oder harten Strahlung, sondern dieses Bild ist je nach der Intensität der Strahlung ein ganz verschiedenes. Obwohl die Kurven homogen sind, ändern sie mit der Tiefe ihr Gefälle und jede in einer andern Weise, so daß die auffallende Eigenschaft des Lichtes „homogen“ zu sein gar nicht cha- rakteristich in Erscheinung tritt.

00

S 3 ~~

In Fig. 19 ist dasselbe hetero- gene Licht eingezeichnet wie in Fig. 15 und während man im neuen

ie Si ce he |

= ec areas

o Q > ~.

ee AE E

') Vgl. Nachteile des alten Rasters, p. 231, 238.

Raster in jedem Zentimeter die Härte der Strahlung und die Heterogeni- tät mit dem Auge erkennen und schätzen konnte, ist dies hier offen- bar gar nicht möglich. Aus dem bloßen Anblick der Fig. 19 und dem Vergleich mit Fig. 16, 17 und 18 läßt sich offenbar nichts qualita- tives erkennen.

XXIII, 3. Weissenberg, Eine neue graphische Darstellung der Absorption der Röntgenstrahlen. 241

Die Eintragung der Kurve und Beantwortung der Fragen.

Erster Schritt:

Die aus den Versuchen gewonnenen Daten für die Flächenenergie werden wie gewöhnlich im Schnittpunkt der beiden Linien, welche die Tiefe und Lichtstärke bezeichnen, eingetragen und die so erhaltenen Punkte durch eine Kurve verbunden.

Erstes Resultat: Beantwortung der Quantitätsfragen (s. p. 1).

Flichenenergie ist in jedem Punkte durch die an der Abszissenachse anstehende Zahl gegeben (ad I, 1).

Dosen gegeben als Differenzen der in entsprechenden Tiefen abgelesenen Flächen- energien (ad'], 2).

I, 3. (S. Fig. 21.) Nach einer Filtration der Strahlung durch ein Filter von der Dicke d, welches einer Fleischdicke D an Absorption äquivalent sei (z. B. 1 mm Al = 1 cm Weichteil), liest man die Flächenenergien der filtrierten Strahlung so ab, als wenn die Oberfläche des Körpers in D-cm-Tiefe läge; die Flächenenergie der filtrierten Strahlung in einem in der Tiefe ge- legenen Punkt ist daher durch die an dem Punkt D abgegebene Flächenenergie gegeben. Man kaun sich einfach den Teil der Kurve abgeschnitten denken, dessen Strahlung im Filter absorbiert wurde, dadurch rückt dann die Oberfläche in die Tiefe D. Im alten Raster ist das nur mittels abermaliger Umrechnung möglich. Über den Wert dieser Möglichkeit siehe unter Filtrationsfragen. Außerdem erkennt man durch den bloßen Anblick der Kurven, welche von zwei Strahlengattungen die intensivere ist, d. h. mehr Flächenenergie liefert, nämlich offenbar die weiter vom Nullpunkt entfernte; also die weiter rechtsgelegene ist die intensivere Strahlung; dann, welche von zwei Strahlensorten die härtere ist: die Strahlung mit dem steileren Verlauf der Kurve ist die härtere; man bat durch die Art, wie die Kurve in kurzer Strecke die Tiefenschichten des Rasters durchmißt, förmlich den direkten Eindruck der größeren Durchschlagskraft; dann, welche Strahlung die mehr heterogene ist: die Strahlung mit der stärkeren Krümmung (Knie) ist die heterogenere; die flachere die homogenere; wie erinnerlich, war dies im alten Raster durch-

aus nicht der Fall. Auch kann man bei einer Absorptionskurve leicht erkennen, wie die `

Kurvenpunkte mit wachsender Tiefe immer mehr nach links rücken, d. h. aber, Abnahme der Flächenenergie mit der Tiefe; weiter, wie der Abfall mit wachsender Tiefe immer steiler wird, d. h. Hartung der Strahlung (Vergrößerung der Durchschlagskraft der HWS. der Strahlung) durch die Filterwirkung der oberen Schichten; weiter, wie die Krümmung immer mehr ab- nimmt und die Kurve sich immer mehr einer geraden Linie nähert, d. h. Homogenisierung der Strahlung durch die Filterwirkung der oberen Schichten.

Die Halbwertschicht der Strahlung ist ohne weiteres an der Zentimeteranzahl abzulesen, welche benötigt wird, um die vorhandene Strahlung auf die Hälfte zu reduzieren.

Zweiter Schritt: (S. Fig. 20.)

Man zieht nach Augenmaß an die gezeichnete Kurve die Assymptote, d. h. jene gerade Linie, der sich die Kurve immer mehr nähert, aber die sie erst im Unendlichen erreicht. Bei einiger Übung läßt sich diese Linie leicht einzeichnen. Für die Praxis wird man sich im allgemeinen damit begnügen können, statt der Assymptote die Tangente in einem in genügen- der Tiefe gelegenen Punkt zu zeichnen; je größer man diese Tiefe wählt, um so kleiner ist der dabei gemachte Fehler; nimmt man also einen Punkt, der so tief gelegen ist, daß die Flächenenergie dort nur wenige Prozente der Ausgangsflächenenergien sind, also vielleicht in einem Punkt, auf den nur mehr ein Prozent der an der Oberfläche herrschenden Flächenenergien auftrifft, so wird der Fehler so klein, daß man ihn sicher vernachlässigen kann; die Strahlung

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 31

u -m m zur

242 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

in dieser Tiefe kann nämlich nur noch von der härtesten Komponente des ursprünglichen Strahlen- gemisches herrühren, wie oben gezeigt wurde. Die Differenz, welche man zwischen der Kurve und der Assymptote (Tangente) abliest, zeichnet man als neue Kurve in den Raster ein. Diese Kurve stammt dann von einem Gemisch, welches um die härteste Komponente ärmer ist, als das ursprüngliche, aber sonst mit diesem übereinstimmt (da ja nur die härteste Komponente abgezogen worden ist). Bei der neuen Kurve zeichnet man wieder die Assymptote, respektiv Tangente usw., bis die Strahlung ganz analysiert ist. |

Die Assymptote (Tangente im œ fernen Punkt) stellt ja, wie oben gezeigt, die Absorptions- kurve der härtesten Komponente der Strahlung dar.

4 40 | 20 30 40 DO dy 1m Fig.20 zeigt die Kurve A

eines heterogenen Lichtes. Die Assymptote B dieser Kurve (die Tangentein einem o fernen Punkt der Kurve) ist die Kurve der härtesten Komponente der Strah- lung. Man liestab: Die härteste Komponente strahlt mit einer Intensität von 30 Einheiten ein

PVT hl und hat eine Halbwertschicht von 5!/, cm. Subtrahiert man. nun von ann Ty den Intensitäten der Kurve A die der härtesten Komponente 4’,

so erhält man eine Kurve B. Diese stammt von einem Ge-

misch, welches genau die glei- | chen Komponenten enthält wie

A mit Ausnahme der härtesten Komponente A’. Man zieht nun zul nes wieder die Assymptote A” an die Kurve B und erhält so die härteste Komponente von der | y- Strahlung B, d. h. die zweit- s j T ig 1 härteste von A. Man liest an 10- _ dl. der Geraden A” ab: die zweit- härteste Komponente strahlt ein

mit einer Intensität von 20 Einheiten und hat eine Halbwertschicht von 2 cm.

Subtrahiert man nun von B die Komponente A”, so erhält man eine gerade Linie A”. Die Assymptote fällt offenbar mit A” zusammen. Man liest also ab: die dritthärteste Komponente strahlt mit 50 Einheiten ein und hat eine Halbwertschicht von 1?/, cm.

Somit besteht die obige Strahlung A aus den B-Komponenten 4’, A” und A”, welche nach Intensität und Härte (Halbwertschicht) bekannt sind; mit andern Worten, die Serallung A ist in ihre unbe A’, A” und A” aufgelöst (analysiert).

Zweites Resultat:

Analyse des Strahlengemisches.

ad II, 1. Die Assymptote kennzeichnet die jeweils vorhandene härteste Strahlung, sowohl nach Quantität als auch nach Härte; erstere ist durch die an der Flächenenergieachse abge- lesene Zahl in jeder Tiefe gegeben, letztere ist unveränderlich mit der Tiefe und kann ent- weder an der Halbwertschicht oder am Gefälle leicht abgelesen werden.

ad II, 2a. Die Durchschnittshärte, Durchschlagskraft einer Strahlung ist in jeder Tiefe durch das Gefälle der Kurve in dem Punkte = Gefälle der Tangente in dem Punkte, oder durch die bei der Tangente abgelesene Halbwertschicht gegeben; ad II, 2b, für verschiedene Schichtdicken tritt an Stelle der Tangente die Sehne.

XXIII, 3. Weissenberg, Eine neue graphische Darstellung der Absorption der Röntgenstrahlen. 248

ad II,3. Die Filterwirkung (siehe bei Quantitätsfragen, hier ganz analog. (Genaueres

siehe unten). Man verlegt wieder die Oberfläche in die der Filterdicke entsprechende Tiefe

und denkt sich die Kurve dort beginnend. (S. Fig. 21.) ad II, 4. Heterogenität in verschiedener Tiefe; für welche ich im Gegensatz zu den bis- herigen Angaben die folgenden neuen Maße empfehlen möchte: Ein rohes praktisches Maß: Heterogenität an einem bestimmten Punkt erkennen wir schon an der Krümmung in diesem Punkte (ad II, 4a). (S. Fig. 15); für eine gewisse Schichtdicke bietet sich uns hiefür der Winkel zwischen der Tangente im Anfangspunkt mit der Tangente im Endpunkt; als phys.-math. Maß:

haben wir Heterogenität der Strahlung in einem Punkte

d (Schichtdicke) d (Halbwertschicht) ER ; ; ; T (Halbwertschicht) - d (Schichtdicke) ~ Anderung der HWS., mit der Schichtdicke divi-

_ diert durch die HWS. (ad II, 4a); und für eine gewisse Schichtdicke die Differenz der Logarithmen der Halbwertschichten des Anfangs- und Endpunktes (ad II, 4b).

Bei homogenem Licht wird dabei die gemessene Heterogenität den Tatsachen entsprechend gleich Null; mit steigender Heterogenität wächst auch ihr obiges Maß.

Aus obigem folgt nun, daß man in dem Raster auch das exakt mathematisch-physi- kalische Maß leicht und übersichtlich darstellen kann. Man braucht dazu nur in dem Raster die HWS.-Kurve zu zeichnen, indem man an den Tangenten, in Punkten der Flächenenergie- kurve die jeweiligen HWS. abliest und statt der Flächenenergie in den jeweiligen Tiefen ein- trägt. Der Anstieg dieser Kurve mit wachsender Schichtdicke, d. h. die Zunahme des Loga- rithmus der HWS. mit der Schichtdicke ist ja als Maß der Heterogenität definiert worden. Bleibt die HWS. mit wachsender Schichtdicke konstant, so ist die Heterogenität Null, also die Strahlung homogen. Aus dieser Kurve kann man auch ohne weiteres entnehmen, wie groß die Härtung der Strahlen in einer gewissen Schicht ist. Dazu ist nur nötig, vor und hinter der Schicht die HWS. abzulesen. Die Differenz der Logarithmen der HWS. also die Strecke, um welche die HWS. in diesem Raster zunimmt, ist als Maß der Heterogenität gut brauchbar. Für genügend dünne Schichten kann man statt des Ausdruckes log HWS, log HWS,

d HWS. j : Differenz der HWS. auch d log HWS = wg schreiben, d. h. die yg. yor der Schicht Kann auch als Maß der

Heterogenität in der Schicht verwendet werden.

Die unter I und II gestellten Fragen sind somit durch eine Analyse der Absorptions- kurve zu beantworten; die so gewonnenen Daten werden nun mit medizinischen und aùs der Praxis stammenden Erfahrungen verknüpft, und so kommt man durch die Synthese zur Be- antwortung der Fragen III und IV.

Benötigte Zeit zur Erreichung einer bestimmten Flächenenergie resp. Dosis in der Tiefe oder an der Oberfläche `

d (log. Halbwertschicht) dar

gewollte Flächenenergie -

erreichte Flächenenergie | pro Zeiteinheit

(in der betreffenden Tiefe [Oberfliche])

gewollte Dosis erreichte Dosis | pro Zeiteinheit (ad HI, 1), maximale erlaubte Hautdosis

erreichte Hautdosis/ pro Zeiteinheit _ maximale erlaubte Hautdosis') _ (ad II, 2a) Flachenenergie | pro Zeiteinheit. Absorptionskoeffizient 3 f

benötigte Zeit =

benötigte Zeit = resp.

maximale erlaubte Bestrahlungsdauer =

1) Maximale erlaubte Hautdosis (bis zur Follikelschwellung) ist eine medizinisch zu ermittelnde, wahrscheinlich von der Härte unabhängige Größe. Die Haut verträgt natürlich von härterem Licht mehr 81*

BE

Te eh a eae SREY

Aw BER.

-——— - - m

244 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

Die technischen Grenzen können nur durch das ad hoc angeordnete Experiment ermittelt werden (ad III, 26).

Die benötigte Zeit zur Erreichung einer bestimmten Flächenenergie oder Dosis wächst mit wachsender Filterdicke, da, wie ohne weiteres aus der Kurve ersichtlich, die sekundlich erreichten Flächenenergien und Dosen abnehmen, die gewollten aber konstant bleiben, folglich

gewollte Flächenenergie odi gewollte Dosis wächst erreichte Flächenenergie / pro Sekunde erreichte Dosis / pro Sekunde

die benötigte Zeit = (ad II, 3a).

Die maximale erlaubte Bestrahlungsdauer wächst ebenfalls aus demselben Grund (ad III, 3b).

Aus a) und b) folgt nun:

Eine Filtration der Röntgenstrablen hat dann und nur dann einen praktischen Wert, wenn die erlaubte Bestrahlungsdauer mit wachsender Filterdicke rascher wächst, als die be- nötigte Bestrahlungsdauer; mit anderen Worten habe ich zuerst mit einer bestimmten Strah- jung in z. B. 10 Minuten die maximale erlaubte Hautdosis erreicht, dabei eine bestimmte Tiefendosis D verabfolgt, so ist bei dieser Strahlung die maximale erlaubte Bestrahlungsdauer gleich 10 Minuten und die Bestrahlungszeit bis zur Erreichung der Tiefendosis D ist auch gleich 10 Minuten. Filtriere ich nun diese Strahlung, so muß ich jedenfalls länger bestrahlen, um auch nur die Tiefendosis D zu geben (also Zeitverlust, unökonomischerer Betrieb, denn zur Erreichung derselben Tiefendosis braucht man längere Zeit), z. B. statt 10 Minuten wird man 20 Minuten bestrahlen müssen. Ist man nun gleichzeitig in 20 Minuten bei der maxi- malen erlaubten Bestrahlungszeit für die gefilterte Strahlung angelangt, so hat die Filtrierung keinen Sinn gehabt und die gefilterte Strahlung war schlechter brauchbar als die ungefilterte, da derselbe Effekt in größerer Zeit erreicht wurde. Das kann aber nur bei ganz homogenem Licht eintreten; d. h. in der Praxis überhaupt nicht. Bei inhomogenem Licht’ jedoch ist man, um bei dem ersten Beispiel zu bleiben, nach 20 Minuten noch nicht an der maximal erlaubten Bestrahlungsdauer angelangt, sondern man darf vielleicht noch weitere 10 Minuten bestrahlen, ohne ein Erythem befürchten zu müssen. Jene Dosis, welche nun während dieser letzten 10 Minuten in der Tiefe verabfolgt werden konnte, ist der Reingewinn der Filtration; denn obne das Filter hätte man eben (ohne Hautreaktion) die nun erreichte Tiefendosis überhaupt nicht verabfolgen können. Man kann aber den Reingewinn, den man bei inhomogenem Licht durch Filtration erhält, auch anders darstellen, nämlich durch die größere Hautschonung. Will man nämlich in der Tiefe überhaupt nur die Dosis D verabfolgen, die man auch ohne Filtration gerade noch verabfolgen darf, so wird man mit dem filtrierten Licht diese Dosis D zwar erst nach längerer Bestrahlungszeit erreichen, aber dabei die Haut nicht so stark be- ansprucht baben, was sowohl aus kosmetischen Gründen wichtig sein kann, aber auch aus therapeutischen Gründen, da man die Bestrahlung bei unfiltriertem Licht vielleicht erst nach drei Wochen, bei filtriertem Licht und der alten Tiefendosis aber schon nach 14 Tagen wird wiederholen dürfen.

Somit besteht der Vorteil der Filter, je nachdem man es auffaßt, in einer Hautschonung bei gleichem Tiefeneffekt resp. in einem Plus an Tiefenwirkung bei gleicher Beanspruchung der Haut. Da, wie oben gezeigt, bei homogenem Licht ein Filter unnötig und nur zeitraubend. ist, so wird man auch bei inhomogenem Licht die Strahlen nur so weit durch Filter absor- bieren lassen, als sie heterogen sind, da eine weitere Filtration (wie bei homogenem Licht) nur die Bestrahlungszeit erhöhen würde, ohne dafür eine größere Hautschonung oder Tiefenwirkung zu erzielen. Theoretisch nimmt zwar die Heterogenität einer Strahlung in den ersten Schichten rasch, in späteren immer langsamer ab, und wird erst im Unendlich gleich Null, so daß rein vom Standpunkt der Hautschonung bei gleichen Tiefeneffekt resp. des größeren

Flächenenergie, aber wahrscheinlich nicht auch eine größere Dosis absoluter Flächenenergie; daß bei den jetzt in Verbindung stehenden Dosimetern Sab. und Kienböck von härterem Licht auch eine größere Dosis verabfulgt werden darf, dürfte an den Unzulänglichkeiten dieser Dosimeter liegen.

XXII, 3. Weissenberg, Eine neue graphische Darstellung der Absorption der Röntgenstrahlen. 245

Tiefeneffektes bei gleicher Hautbeanspruchung eine unendliche Filterdicke die beste wäre, so ist doch in der Praxis schon nach einigen Zentimetern Weichteilen gleich einigen Millimetern Aluminium die Strahlung schon so wenig heterogen (so homogen), daß der Vor- teil, den man durch weitere Filtration an Hautschonung resp. Tiefenleistung gewinnen kann, in keinem Verhältnis steht zu den gewaltigen Bestrahlungszeiten, die man aufwenden müßte, um diesen Vorteil auszunützen, d. h. von einer bestimmten Filterdicke an, muß jeder weitere Gewinn mit Zeit sehr teuer bezahlt werden. Man wird sich daher zu einer bestimmten endlichen Filterdicke entschließen. Um diese nun richtig wählen zu können, muß man sich fragen, was man überhaupt maximal bei der gegebenen Strahlung durch Fil- tration leisten kann (zunächst abgesehen von der Zeit, die man dazu verwenden muß). Darüber gibt nun die Analyse des Strahlengemisches genauen Aufschluß. Durch unendlich große Filterdicken kann man offenbar höchstens erreichen, daß die Strahlung, welche auf die Haut

auftrifft, nicht weicher ist, als die in der Tiefe wirksame; d. h. aber, daß die Strahlung

homogen wird. Die dabei vorhandene (HWS.) Härte wird das Verhältnis von Hautbean- spruchung zu Tiefenwirkung bestimmen, so zwar, daß, wenn man die Hautbeanspruchung so groß wählt, daß gerade kein Erythem auftritt, so ist dadurch eine Tiefendosis bestimmt, die als ideelles Maximum anzusehen ist dessen, was man überhaupt bei’ der gegebenen Strahlung ohne Hautreaktion erzielen kann. (Die dazu nötige Zeit wäre unendlich groß.) | Im folgenden werden die Ergebnisse der in Rede stehenden graphischen Darstellung vielfach im Zusammenhang mit den verschiedenen, in verschiedenen klinischen Fällen wünschens- werten Effekten, betrachtet. In manchem Falle genügt ja ein Minimum von einer beliebigen Lichtqualität, in anderem ist das Beste kaum gut genug zur Erreichung des vorschwebenden Zieles. Die einzelnen Fälle sind eben für die Behandlungstechnsk verschieden günstig, und es lohnt sich, die dabei in Betracht kommenden Faktoren zusammenhängend zu betrachten. Die Gunst des Falles ist um so größer, je größer der zulässige Hauteffekt und je kleiner der dabei gewollte Tiefeneffekt ist, weiter je größer das Ausmaß der für Kreuzfeuer zur Ver- fügung stehenden Haut und in je geringerer Tiefe das zu bestrahlende Gewebe liegt. Gibt

man diesem Gedanken eine mathematische Fassung, so ergibt sich: Klinische Gunst dès Billa zulässiger Hauteffekt Anzahl der Kreuzfeuerrichtungen z gewollter Tiefeneffekt (größte) [Tiefe des zu beeinflussenden]*

Man wird also bei der gegebenen und gerade vermessenen Strahlung sich je nach der Gunst des Falles und der zur Verfügung stehenden Zeit diejenige Filterdicke aussuchen, bei welcher man sich der ideellen Höchstleistung an Tiefenwirkung genügend nähert. In die Praxis übersetzt lautet das folgendermaßen: Ist der vorliegende Fall z. B. klinisch ungünstig, s. 0., so daß man das Bestmöglichste der obigen Strahlung herausholen muß, so ist die zu wählende Filterdicke nach der für die Absorption einer Einheit: zur Verfügung stehenden Zeit, die entweder durch das Weichwerden der Röhre oder durch andere praktische Momente gegeben ist, entsprechend hoch zu wählen. Mit anderen Worten, man hat sich zu entschließen, wie zeitlich unökonomisch man zugunsten des Patienten arbeiten will, denn die zeitlich öko- nomische Filterdicke Null ist für den Patienten schlecht, und die für den Patienten beste Filterdicke Unendlich ist die unökonomischste in bezug auf Zeit; bei einer gegebenen Zeit und gegebenem Licht ist eine ganz bestimmte Filterdicke die beste, denn wählt man das Filter dünner als diese, so darf man nicht bis zu der gegebenen Zeit bestrahlen, da sonst Haut- reaktion eintritt, und wählt man das Filter dicker, so wird das dadurch erreichte Plus an Hautschonung nicht ausgenützt, da man vorzeitig die Bestrahlung abbrechen muß, und da mit wachsender Filterdicke die sekundliche Tiefendosis abnimmt, so würde man bei zu dickem Filter bei der gegebenen Zeit eine kleinere Tiefendosis erhalten.

1) Der Exponent k zeigt an, daß die Tiefe einen besonders großen Anteil an der Gunst des Falles hat (wegen Absorptionsverlust, Distanzverlust und Hartung) und daher k mal so stark als die anderen Faktoren berücksichtigt werden muß.

246 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXII, 3.

Bei leichteren Fällen, bei denen man die Haut sowieso nicht bis zum Äußersten belastet, Tiefendosis Hautdosis

der Zeit, welche man für die Absorption einer Einheit in der Tiefe aufwenden will, wählen.

Tiefendosis Hautdosis bei einem bestimmten Licht nur eine richtige Filterdicke, denn wählt man die Filterdicke

kleiner, so wird der Quotient kleiner, da die Haut gegenüber der Tiefe zu viel belastet wird,

wählt man die Filterdicke größer, so wird die Haut unnötig viel geschont, was man durch eine in diesem Fall unnötige bedeutende Erhöhung der Bestrahlungszeit nur überzahlen mub.

Zusammenfassend kann man die Filterfrage daher folgendermaßen beantworten:

wird man die Filterdicke nach dem gewünschten Quotienten eventuell auch nach

Wenn man von dem gewählten Quotienten ausgeht, so gibt es für jeden Quotienten

1. Ein Filter soll nur dann angewandt werden, wenn das Licht heterogen ist. Bei homogenem Licht machen Filter den Betrieb nur unökonomisch und zeitraubend, ohne irgendeinen Vorteil dafür zu bieten. Es gibt aber in praxi kein homogenes Licht, folglich werden Filter fast immer nötig sein.

2. Das Filter verbessert nur dann den therapeutischen Effekt (Tiefendosen), wenn die größere Hautschonung bei gleichem Tiefeneffekt auch ausgenutzt wird, d. h. wenn man entweder die Bestrahlung so lange fortsetzt, bis zur gleichen Beanspruchung der Haut, oder wenn man die Intervalle zwischen zwei Bestrahlungen der größeren Haut- schonung entsprechend herabsetzt.

8. Je ungünstiger der Fall und je heterogener die Strahlung ist, um so zeitlich unöko- nomischer, also um so zeitraubender, dafür aber um so besser für den Patienten wird sich der Betrieb gestalten müssen, d. h. um so stärkere Filterdicken wird man wählen müssen, um auch nur den gleichen Tiefeneffekt zu erzielen.

Somit ist gezeigt, daß man die Filterdicke nicht nur nach dem vorliegenden Fall, sondern hauptsächlich nach der Heterogenität der Strahlung und nach der zur Absorption einer Ein- heit zur Verfügung stehenden Zeit wird wählen müssen.

Im alten Raster hätte man nur durch Berechnungen, nicht nach dem Anblick sich über die richtige Filterdicke orientieren können, da man keinen Einblick in die Heterogenität der Strahlung ohne umständliche Berechnungen gewinnen kann, und wenn diese endlich errechnet ist, hätte man erst die Änderung der Heterogenität mit wachsender Filterdicke studieren müssen.

Von großen Vorteil ist es daher, daß die Darstellung in dem neuen Raster gestattet, ohne Rechnung sich über die zu wähhlende Filterdicke nach den obigen drei Gesichtspunkten zu orientieren.

Man geht dabei am besten folgendermaßen vor: (S. Fig. 21.)

Man wählt je nach der Gunst oder Ungunst des Falles die Mindesthärte des einstrahlenden Lichtes, also bei ungünstigen recht hoch usw. und filtert so weit ab, bis die Strahlung diese Härte hat; da die Härte der Strahlung ohne weiteres am Gefälle (Durchschlagskraft) kennt- lich ist, so ist auch die zu wählende Filterdicke direkt in cm-Wasser oder da 1 cm Wasser ungefähr gleich 1 mm Aluminium ist, in mm-Aluminium abzulesen. Ist die gewünschte Strahlenhärte nicht vorhanden, d. b. hat die Kurve nirgends das mindest gewünschte Gefälle (die gewünschte Durchschlagskraft), so ist der Betrieb für den vorliegenden Fall schlecht, weil zu weich (Röhren härten, Unterbrecher reinigen, Apparatur teilweise oder ganz ersetzen). Ist nach dieser Filterwahl die Intensität zu gering, so daß zur Absorption einer Einheit eine zu große Zeit beansprucht würde, so ist zwar der Betrieb nicht schlecht, da er ja dem

1) Dagegen verstößt sichtlich mancher Praktiker, der die literarischen Angaben streng befolgend,

‘3 mm und mehr Filter gebraucht, dessen Röhrenbetrieb aber nicht die nötigen Lichtmengen liefert, was

zu dem Resultat führt, daß er qualitativ bestes Licht aber in ganz unzureichender Menge verabfolgt.

XXIII, 3. Weissenberg, Eine neue graphische Darstellung der Absorption der Röntgenstrahlen. 247

Patienten genau so viel nützen würde, wie ein intensiverer mit den gleichen Qualitäten, aber sehr unökonomisch und daher für die Praxis schleppend und tunlichst ein intensiverer zu be- schaffen.

Ist hinter diesem Filter noch so viel Intensität vorhanden, daß man, ohne zu unöko- nomisch zu werden, einen dickeren Filter wählen darf, so wird man in den schwersten Fällen mit der Filterdicke so weit gehen, als es mit der wachsenden Bestrahlungszeit irgend verein- bar ist, in allen anderen Fällen wird man sich begnügen, das Filter höchstens so dick zu wählen, als die Strahlung noch merklich heterogen, d. h. die Kurve noch merklich gekrümmt ist. Daraus folgt, daß für homogenes Licht gar keine Filter notwendig wären, und dab ceteris paribus die Heterogenität der Strahlung ein Maß der zu wählenden Filterdicke ist.

Fig.21 zeigt, wie man sich im neuen 0 4 0, 4 30 40 D6 8o 100 Raster einfach über die zu wählende Filterdicke orientiert. Das heterogene Licht des Betriebes sei durch die Kurve A dargestellt. Wegen der klinischen Gunst des Falles hat man sich mit einer beliebigen Anfangsintensität etwa 100 eine (homogene Strahlung) gerade Linie B mit der Halbwertschicht gleich 1,5 cm ein und sucht den Punkt P der Kurve A, bei dem die Kurve dasselbe Gefälle hat, wie die gezeichnete gerade Linie B, d.h. man verschiebt die ge- rade Linie so lange parallel mit sich selbst, bis sie Tangente an die Kurve wird. Die zu wählende Filterdicke ist dann, durch den Abstand des Berüh- rungspunktes von der Oberfläche in Zentimeter Weichteilen oder ungefähr

[| Hr Zi L | |

3 N epo . o . f | gM, in Millimeter Aluminium gegeben. Die

9 a Kurve des gefilterten Lichtes ist durch 4 1.11 Al Punkte eingezeichnet und durch Ver-

40 : 4 l schiebung des Berührungspunktes an

die Oberfläche erhalten.

Man erkennt daraus, daß die Heterogenität einer Strahlung auch für den Praktiker von Bedeutung sein kann, da er an der Heterogenität ceteris paribus ein Maß des Filter- nutzens hat; doch wird man von dieser Regel nicht immer Gebrauch machen können, da die Strahlung selten so intensiv ist, daß man sich nach ihrer Heterogenität die richtige Filter- dicke wird aussuchen dürfen, sondern wird gewöhnlich, wie oben gezeigt, sich begnügen müssen, nach der Gunst des Falles die benötigte Mindestanfangshärte (Anfangsgefälle) der Strahlung aussuchen und dann aus dem Raster direkt die Filterdicke ablesen. So genügen z. B. für

_ Oberflichentherapie (Epilation von Kinderköpfen usw.) ganz dünne Filter, da die Anfangshärte wegen der großen Gunst des Falles (geringe Tiefe) nicht hoch gewählt zu werden braucht;

im Gegensatz dazu wird man gut tun, dicke Filter zu nehmen, wenn z. B. das zu beein- flussende Gewebe sehr tief liegt, oder man keine oder nur wenige Möglichkeiten für Kreuz- feuer hat, oder man aus irgendwelchen Gründen die Haut besonders schonen muß usw.; da in all diesen Fällen die Anfangshärte hoch gewählt werden muß, also die Strahlung erst durch eine dickere Schicht gehärtet sein muß.

Man hätte sich auch leicht die Filterdicke nach der von Christen angegebenen Regel: „Die Halbwertschicht der Strahlung soll gleich der Überschicht sein“ wählen können, indem man so weit abfiltriert, bis die am Gefälle kenntliche, durch obige Regel geforderte HWS. erreicht ist; doch wird dies nicht immer möglich und auch bei den möglichen Fällen nicht

Ten ae

248 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkomumission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

immer für den Patienten gut sein’), so daß es in praxi im allgemeinen doch besser sein wird, sich aus der vorliegenden Kurve, der klinischen Gunst des Falles, und der zur Verfiigung stehenden Zeit die zu wählende Härte und damit Filterdicke zu bestimmen, so daß man sich jeden Betrieb ein für allemal in bezug auf das zu wählende Filter eichen kann, da die Un- gunst des Falles bei demselben Betrieb als Maß der zu wählenden Filterdicke angesehen werden kann und jeder bestimmenden klinischen Ungunst bei dem gegebenen Betrieb eine ganz be- stimmte Filterdicke erfordert.

Die Frage nach den Grenzen der Leistungsfähigkeit hinsichtlich Qualität und Quantität und der Möglichkeit der Variation innerhalb derselben kann nur durch ad hoc gemachte Ex- perimente ermittelt werden; doch werden auch diese am leichtesten und übersichtlichsten mit Hilfe dieses Rasters beurteilt und zusammengestellt werden können (ad IV).

Da die Vorteile dieses Rasters in rechnerischer Beziehung genau dieselben sind wie die des Rechenschiebers oder die der Logarithmentafel, so möchte ich hier nicht genauer darauf eingehen, sondern nur als Beispiel eine Prozentberechnung ausführen, welche besonders geeignet scheint, den Vorteil des Rasters zu zeigen, da man in der Praxis sehr häufig genötigt ist, Prozentrechnungen auszuführen. Will man z. B. wissen, wieviel Prozent 21 von 37 sind, so trägt man die Strecke von 21 bis 37 von 100 nach links hinab und liest dort direkt die Prozente in diesem Fall 56®/,°/, ab. (Die genaue Rechnung ergibt als Prozentzahl:56,75675...)

Zusammenfassung. Die Anwendung des logarithmischen Rasters an Stelle des bisher gebräuchlichen Millimeterpapiers ermöglicht somit, sich über alle physi- kalisch-mathematischen Fragen ohne Rechnung zu orientieren. Insbesondere ver- schafft dem Röntgenologen sie in einfacher Weise einen Einblick in die wech- selnde Zusammensetzung des verwendeten Röntgenlichtes und ermöglicht somit eine leichte, exakte und rasche Auswahl der optimalen Betriebsbedingungen resp. Apparaturen (Filterstärke etc.).

Aus dem Zentral-Röntgenlaboratorium im k. k. Allgemeinen Krankenhause in Wien (Vorstand: Oberstabsarzt Prof. Dr. G. Holzknecht).

Über die instrumentelle Bestimmung der Erythemgrenze statt der üblichen Messung der verabreichten Lichtmenge.

Vorschlag zu einem neuen einfachen Weg der zeitlichen Begrenzung der Einzelbestrahlung. Von Dr. Heinrich Wachtel.

I.

Seitdem man die therapeutische Wirkung der Röntgenstrahlen kennt, kennt man auch die Verderblichkeit ihrer Überdosierung und die Zweckmäßigkeit richtiger Voll- und Teil- dosierung. Das Bestreben, die Grenze, wo der therapeutische Erfolg in unerwünschte Schädigung der Haut sich verwandelt, festzuhalten, bildete mit einen Ansporn für die ersten Dosierungs- methoden der Röntgenstrahlen und die Vorrichtungen zur „Messung“ der applizierten Röntgen- strahlenmenge wurden zum Teil in Hinblick auf diese Grenzdosis, die „Erythemdosis*, ge- eicht. So sollte die Erythemdosis 1 S.-N. = 5 H = 10 x betragen?).

Diese Zahlen bestanden auch durchschnittlich für die zur Zeit ihrer Entstehung in An- wendung stehenden Röntgenstrahlungen zu Recht und bildeten daher ein halbwegs zureichendes

1) Genaueres s. 245. 2) Technische und physikalische Zwecke der Messung blieben zunächst im Hintergrund.

XXIII, 3. Wachtel, Über die instrumentelle Bestimmung der Erythemgrenze usw. 249

Orientierungsmaß. Wenn die Oberflächendosis etwa 1 S.-N = 5 H = 10x betragen hat, so war auch die Erythemdosis erreicht und man mußte die Bestrahlung unterbrechen, falls man kein Erythem erzeugen wollte.!) |

Seitdem aber mit dem Fortschritt der Physik und Technik immer härtere Strahlungen erzeugt und angewandt wurden, die außerdem durch Filterung härter gemacht werden konnten, zeigte sich bald, daß die bisherigen Zahlen nicht mehr die Erythemdosis anzeigen, daß man vielmehr wirklich oder scheinbar bedeutend mehr Oberflächendosis geben kann, ohne eine Haut- schädigung hervorzurufen.

Diese auffallende Tatsache wurde überall festgestellt und führte zur Überzeugung, daß

die Zahl der H, x usw., die uns die Oberflächendosis angeben, nichts über die

Erythemdosis aussagt. Man müßte, in Tabellen verzeichnet, außer ihr noch die Härte der Strahlung kennen und für bestimmte Härte bestimmte Radiometerzahlen ver- wenden.

Als erster scheint Gauß (Verhdlg. d. Ges. d. deutsch. Naturf. u. Ärzte 1911, S. 249) in Deutschland darauf hingewiesen zu haben, daß man bei gefilterter Strahlung eine größere Dosis, als die übliche Erythemdosis, nach Kienböck gemessen, der Haut, ohne daß ein Ery- them entsteht, applizieren kann. Auf die große Bedeutung der Bestimmung des Härtegrades der Strahlung für die Dosierung verwies Christen (Röntgenkongreß 1912). Es zeigte sich also, daß je härter die angewandte Strahlung ist, desto mehr über die früher gültige Erythem- dosis hinaus die Haut verträgt, ohne Schaden zu nehmen.

In Zahlen drückt das, auf Grund von Experimenten, H. E. Schmidt in „Röntgentherapie* (4. Aufl. 1915, S. 64) wie folgt aus:

Bei Teinte B. des Sabouraud erhielt er: bei einer Strahlung von 5—7 Wehnelt-Härteskala Ery- them; bei einer Strahlung von 10 Wehnelt-Härteskala kein Erythem; bei einer Strahlung von 2-3 Wehnelt- Härteskala eine sehr starke Hautreaktion: Rötung, Schwellung, Blasenbildung.

Die Bestimmung der „Erythemgrenze*, d. i. der Dosis, wo noch kein Erythem auftritt, wo aber bei geringer Überdosierung Erythem sich einstellen würde, ergab für seinen Röhrenbetrieb folgende Re- sultate (l. c., S. I1l1ff.).

Bei 5—7 Wehnelt-Strahlungshärte betrug die Erythemgrenze */, S.-N

Bei 10—12 Wehnelt-Strahlungshärte betrug die Erythemgrenze 11/, S.-N

Bei 10—12 Wehnelt-Strahlungshärte, gehärtet noch durch ein 1 mm dickes Aluminiumfilter, betrug die Erythemgrenze 2 S.-N.

Bei 10—12 a aaa gehärtet noch durch ein 3 mm dickes Aluminiumfilter, betrug die Erythemgrenze 8 S.-N.

Eine ähnliche Reihe finden wir bei H. Meyer und H. Ritter, „Zur Methodik der Radioepilation der Kinderköpfe‘. (Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstrahlen, Bd. XXI.)

Bei Strahlungshärte von „Halbwertschicht“ 1 cm betrug die Erythemdosis 10 „Einheiten“. ?)

Bei Strahlungshirte von ,Halbwertschicht‘ 1,5 cm betrug die Erythemdosis 12 „Einheiten‘.?)

Bei Strahlungshärte von „Halbwertschicht* 1,8 cm (mit 0,5 mm Aluminiumfilter) betrug die Ery- themdosis 18 „Einheiten“.

Bei Strahlungshärte von „Halbwertschicht* 2cm (mit 1 mm Aluminiumfilter) betrug die Erythem- dosis 20 „Einheiten“.

Bei Strahlungshärte von „Halbwertschicht* 2,5 cm (mit 4 mm Aluminiumfilter) betrug die Ery- themdosis 30 „Einheiten“.

Es wäre daher die früher gültige Angabe, daß 1 S.-N = 5 H = 10x als Oberflächen- dosis gemessen, die Erythemdosis anzeigen, nur für eine (für die Verhältnisse von heute)

1) Es gab auch detaillierte Angaben der Erythem erzeugenden Oberflachendosis für verschieden empfindliche Haut, z. B. für Gesicht und Gelenksbeugen des Erwachsenen war die zulässige „Normal- dose 3—4 H = 6—8 x, für Schädel und Gelenksstreckseiten 4—5 H = 6—10 x, für Rumpf und Sohlen 5—8 H = 10—16 x (aus Kienböck, Radiotherapie, Stuttgart 1907, S. 95). Und dergleichen mehr.

2) Diese Zahlen scheinen dieselben zu sein, welche Christen in „Messung und Dosierung der Röntgenstrahlung‘, Hamburg 1913, Anhang, S 117, auf Grund privater Mitteilung von H. Meyer, an- führt. Es geht dort hervor, daß 10 „Einheiten“ einem „Sabouraud“ entsprechen.

Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XXIII. 32

250 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

„mittelharte® Strahlung richtig, wogegen man auf dieser Angabe basierend, bei „wenig“ pene- trierender Strahlung überdosieren, und bei „stark“ penetrierender unterdosieren würde.

Es wäre also für jede Härte der Strahlung die Erythemdosis zu bestimmen.

Man hat auch letztens wirklich versucht, auf Grund äußerst fleißiger Studien, unter Be- rücksichtigung des Härtegrades der Strahlung, Methoden zur Eichung der Strahlungen aus- zuarbeiten, welche uns ungefähr die zulässige Oberflächendosis bis zum Auftreten eines Ery- thems mit aus dem Härtegrad der Strahlung berechnen lassen würden. Abgesehen von ihrer derzeitigen Unvollkommenheit hätten sie auch sonst, wie folgt, keinen besonderen Wert.

Man kann sich leicht an einer Aluminiumtreppe überzeugen, daß jede Röntgenröhre keine homogene Strahlung, sondern eine Strahlenmischung liefert, welche aus Strahlen von verschiedener Penetrationskraft besteht, die in verschiedenem perzentuellen Ver- hältnis zueinander ausgesendet werden. Dabei ist die Strahlenmischung von Röhre zu Röhre, von Apparat zu Apparat äußerst verschieden. Ja, selbst beim gleichen Apparat wechselt sie mit der Unterbrechungsfrequenz und mit jeder Schaltungsänderung in hohem Maße.

Was wir als „Härte“ der ausgesandten Strahlung messen, ist ein Durch- schnittsresultat aller Strahlungskomponenten und wird daher auch davon abhängen, wie viel von jeder der verschieden penetrierenden Komponenten in dem Strahlungsgemisch per- zentuell vorhanden ist.

Eine von uns gemessene „Strahlungshärte“ kann also ein Ausdruck ganz verschiedener Strahlenmischungen sein.

Man müßte daher nicht nur für jede Härte, sodern für jede Strahlenmischung die Erythemdosis bestimmen.

Dies wäre aber bloß für Röhrenbetriebe lohnend, wo die Röhre eine große Konstanz im Betriebe aufweist. Für unsere jetzigen Betriebe, wo die Konstanz höchstens ein paar Minuten dauert, innerhalb längerer Betriebszeiten aber erheblich schwankt, hätte das keinen Wert,da jede auch geringe Abweichung von der Konstanz ein anderes Strahlengemisch produziert.

Die heute infolge Nichtberticksichtigung dieses Satzes herrschende Unorientiertheit bei Bestimmung, wann die Erythemdosis bei einer Bestrahlung erreicht wird, demonstrieren z. B. die Arbeiten aus der Freiburgschen Frauenklinik, wo E. Romiger („Klinische Erfahrungen über die Hautschädigungen bei gynäkologischer Tiefentherapie mit schwachgefilterten Röntgen- strahlen“. Strahlentherapie Bd. 2, 1913) angibt, daß bei „absichtlich unter der Erythemdosis sicher gehaltenen“ Bestrahlungen doch 3°/, Erytheme vorgekommen sind. Überhaupt alle Arbeiten, die sich irgendwie mit der Erythemdosis befaßt haben, zeigen typisch, wie man in dieser Frage im Dunkeln herumtastet. Und daß die Unorientiertheit in der Bestimmung der Erythemdosis unser ganzes radiotherapeutische Tun und Lassen heute ebenso intensiv, wie früher beeinflußt, ersehen wir z. B. aus der neuesten Veröffentlichung von Dr. Bucky (Berliner klin. Wehschr. Nr. 17, 1914, 1492. „Ein Fall von schwerer Röntgenverbrennung nach gynä- kologischer Tiefenbestrahlung“), wo als Folge der Unmöglichkeit der Festhaltung der Erythem- dosis von der so berechtigten Regel „möglichst große Dosen in möglichst kurzer Zeit zu applizieren“ (Gauß, Fränkel u.a.) die Rückkehr zu „nicht zu großen Dosen nach längeren Pausen wiederholt zu geben“ empfohlen wird. |

Man wäre also beim Suchen der Erythemdosis auf rein empirisches Ausprobieren jeder Röhre und jedes Betriebes angewiesen, wie es auch heute jeder macht, was selbstverständlich nicht möglich ist, ohne daß gelegentlich Erytheme vorkommen, und stetes Verbleiben unter dem Optimum zur Folge hat.

II. Was können wir im besten Falle erwarten, wenn wir den bisherigen Weg weiter gehen? Wieser!) hat es angedeutet: Einerseits umfangreiche Tabellen nach Art der Logarythmen-

1) Diese Arbeiten.

XXIII, 3. Wachtel, Uber die instrumentelle Bestimmung der Erythemgrenze usw. 251

tafeln, welche neben jedem durch seine Zahl und die Stärke seiner Komponenten charakte- risierten Strahlengemisch die Radiometerdosis, bei der das Erythem auftritt, anführen. Anderer- seits bei jeder Bestrahlung genaue Bestimmung aller dieser Werte, deren Kenntnis die Be- nützung der Tabellen zur Voraussetzung hätte.

Nun scheint aber theoretisch ein ganz einfaches Verfahren möglich zu sein, welches uns stets darüber orientiert zu sein gestattet, ob man die Erythemgrenze erreicht ob bald die Gefahr der Hautschädigung eintritt. Und dieses ist der Gegenstand der Mitteilung.

Die theoretische ee der Frage, warum verschieden harte Strahlungen verschieden stark auf die Haut einwirken, ergibt, daß die Intensität der Einwirkung einer Strah- lung auf die Haut parallel mit der Absorption dieser Strahlung in der Haut ein- hergeht. Wenigstens ist bisher eine selektive Umsetzung, wie R. Grann sich ausdrückt, eine stärkere Wirkung mancher Strahlenhärten unabhängig von der absorbierten Menge, wie das beim Licht der Fall ist, nicht bewiesen.)

Es gilt auch hier der modifizierte Kienböcksche Satz, der von Guilleminot für den gesamten Organismus aufgestellt wurde. `

Nach Guilleminot hängt die Wirkung der Röntgenstrahlen auf den Organismus sowohl von der Radiosensibilität der Zellen, wie auch von der vom Gewebe absorbierten Strahlen- menge, der „Dosis“ ab, welche er als Produkt der Oberflächendosis und eines Absorptions- koeffizienten, der für dasselbe Gewebe je nach der Härte der Strahlung verschieden ist, be- zeichnet. Die „wirksame Dosis“ zerlegt er also in Q. K, wobei Q die Oberflächendosis und K den Absorptionskoeffizienten bezeichnet, und diese ist für einen bestimmten Effekt stets konstant. Wenn man daher denselben Effekt mit einer anderen Strahlung von einer anderen Härte erzeugen will, so müßte man so vorgehen, daß Q- K= Q, K, = wirksame Dosis wird.

Beim Auffallen einer Röntgenstrahlung auf die Haut wird ein Teil der Strahlung durch- gelassen, ein Teil dagegen in der Haut absorbiert. Je größer dieser absorbierte Teil ist, desto intensiver ist die Wirkung der Strahlung auf die Haut. Bei genügend großer Absorption manifestiert sich die Wirkung als Erythem. Unter Benützung der Guilleminotschen Formel kann man dann sagen, daß die wirksame Strahlendosis für das Erythem = Q. - K, erreicht wurde.

Falls wir den absoluten Wert der erythembewirkenden Dosis für die gegebene Haut in Zahlen kennen würden, so könnten wir uns eventuell bei Kenntnis der Absorptionskoeffizienten für jeden Härtegrad resp. jedes Strahlungsgemisch, die jeweilig die Erythemdosis anzeigende Oberflächendosis (Q) herausrechnen. Dazu brauchbare Tabellen besitzen wir heute nicht. Man kann sich aber die Berechnung wie folgt ersparen.

Da die Erythem erzeugende wirksame Dosis für dieselbe Haut stets einen konstanten Wert hat (Q,-K,=Q,-K,=Q,: K, = wirksame Dosis), so genügt es, wenn wir uns diese rl mern de Dosis an einem ul ein für alle- mal feststellen.

Zu diesem Zwecke wählt man an Stelle der Haut einen entsprechend dünnen Körper und bestrahlt ihn während einer therapeutischen Bestrahlung, bei welcher bis zum Erythem bestrahlt wird, mit. Man bestimmt nun die in diesem die Haut versinnbildlichenden Körper absorbierte Lichtmenge, indem man das ihn treffende und das durch ihn hindurchgehende Licht mißt. Die Differenz beider Zahlen ist das absorbierte Licht. Immer wenn nun bei einer anderen Bestrahlung der Absorptionskörper die von uns eben gefundene Zalıl absorbiert hat,

1) Wenn auch vielleicht die Wirkung nicht absolut parallel der Absorption geht, so ist doch die eventuelle Abweichung von der Parallele so gering, daß man sie heute praktisch vernachlässigen kann (Regaud und Nogier).

32*

bi 2 eee

252 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

dann hat auch die Haut die erytbemerzeugende Lichtmenge absorbiert, also die Erythemdosis erhalten. Ä

Wır wenden hier also das neue Prinzip an, die nur in der Haut absorbierten und dort wırkenden Anteile der verschiedenen erzeugbaren Röntgenstrahlen- arten in Form von sich gleichbleibenden, in, die Haut ersetzenden, Absorptions- körpern. gemessenen Absorptionszahlen festzuhalten. |

Der Ausgangspunkt war bisher das Hauterythem, dessen verursachende Hautabsorption bestimmt wurde. Da sein Auftreten unerwünscht ist, werden wir natürlich die Bestrahlung knapp bevor die dasselbe Bewirkende im Absorptionskörper erreicht ist, abbrechen.

Wir bestrahlen also nicht bis zu wechselnden Dosimeterzahlen nach vor- heriger Messung oder Schätzung der Härte, sondern immer bis zur gleichen Zahl, der Differenz zwischen den ober- und unterhalb des Testkörpers abgelesenen Zahlen, unbekümmert um die Härte und Strahlungsmischung, welche ja bei dem Verfahren automatisch mit berücksichtigt werden.

Im Prinzip wäre es gleichgültig, welchen Körper man als Absorptionskörper wählt. Auch die Methode, wie man die Absorption im Absorptionskörper bestimmt, könnte im Prinzip beliebig sein und wird von praktischen Gesichtspunkten aus gewählt werden.

Was den Absorptionskörper anbelangt, so erwies sich Aluminium als sehr zweck- mäßig. Leicht, handlich, konstant, überall sofort zu beschaffen, entspricht es in Form dünner, kleiner Stückchen von 1 mm Dicke den Anforderungen als Absorptionskörper für die Ery- themdosis.

Ill.

Einige Versuche sollen die Nützlichkeit und vielseitige Anwendbarkeit der Messung der Absorption im 1mm Aluminium als Maß der Strahlenabsorption in der Haut bis zum Erythem illustrieren.

Versuch I.

GauB-Therapie-Betrieb. Müller-Wasserkühlröhre. 3 mm Aluminium-Filter. MA 1,0. Bauer-Quali- meter fast 8.

Nach sechs Minuten Bestrahlung erhalten wir 4,4 x Oberflächendosis (OD) und unter 1mm Aluminium 88x. Es sind also während dieser Zeit 1,1x in dem 1 mm Aluminium zurückbehalten worden. Daraus ergibt sich, daß in einer Minute die Röhre 0,73x OD lieferte, wobei 0,55x in einer Minute unter 1mm Aluminium nachweisbar war und 0,2 x in dieser 1mm Aluminiumschichte absor- biert wurde.

Wenn also die OD die Zahl 10 x erreichen würde, so würde die Absorption im 1 cm des Körpers (wenn wir 1mm Aluminium gleich 1 cm Gewebsschichte annehmen) 2,5 x betragen.

Wenn die Absorption im 1 cm Körper die Zahl 5x erreichen würde, so würde die OD 18,3x betragen, was unsere Röhre (gleichmäßigen Gang vorausgesetzt) in 25 Minuten er- reichen würde.

Versuch II.

Derselbe Gauß-Therapie-Betrieb und dieselbe Müller-Wasserkühl-Röhre, wie in Versuch I. MA 0,9. Bauer fast 8, 8 mm Aluminium-Filter.

Nach sechs Minuten erhalten wir OD = 4,8 x, wobei unter 1mm Aluminium 89x nachweis- bar sind, daher in dieser Zeit in diesem ] mm Aluminium 0,9x zurückbehalten wurden.

Daraus ergibt sich, daß in einer Minute die Röhre 0,8x OD lieferte, wobei 0,65 x unter 1 mm Aluminium nachweisbar war und 0,15 von diesem 1mm Aluminium absorbiert wurde.

Wenn also die OD die Zahl 10 x erreichen würde, so würde die Absorption im 1 cm Körper 1,9 x betragen.

Wenn die Absorption im lem Gewebe= 5x sein würde, so würde die OD = 26,5 x be- tragen, was unsere Röhre in etwa 33'/, Minuten erreichen w ürde.

Versuch I und II zeigen uns, daß Schwankungen in der Härte derselben Röhre, welche am Milliamperemeter gemessen 0,1 MA betragen, bedeutungsvoll die Absorption

im l mm Aluminium verändern, so daß man bei derselben OD ganz verschiedene Mengen

XXIII, 3. Wachtel, Uber die instrumentelle Bestimmung der Erythemgrenze usw. 253

in diesem 1 mm absorbiert erhält: und daher die Erythemdosis an der OD gemessen bei beiden Versuchen ganz verschiedene x-Zahlen erreichen wird.

Versuch III.

Induktor-Therapiebetrieb mit Rotaxunterbrecher. Müller-Wasserkühlröhre.. 3 mm Aluminiumfilter. M A 2,0, Bauer 9?]..

In vier Minuten erhalten wir 6,6 x OD, dabei 5,3x unter 1mm Aluminium, daher 1,38x in diesem 1 mm absorbiert wurden.

Auf eine Minute berechnet erhält man 1,67 x OD, wobei 1,3 x unter 1 mm, und daher 0,3x in diesem Imm absorbiert werden.

Wenn also OD 10 x erreichen würde, so wäre die Absorption im 1 mm Aluminium = == 2 x.

Wenn die Absorption im 1mm=5x wäre, wäre die OD = 27,5 x, was unsere Röhre in etwa 18 Minuten erreichen wirde.

Wir ersehen aus dem Versuch III, daß eine andere Röhre mit einer ganz anderen Apparatur, ganz anderen MA- und Bauer-Zahlen doch (wenn auch in bedeutend kürzerer Zeit) eine Strahlung gibt, deren Absorption im Imm Aluminium ungefähr der des Ver- suches II sehr ähnlich ist, daher ihre Erythemdosis sehr nahe der Erythemdosis der Röhre des Versuches II liegen würde.

Versuch IV.

Derselbe Betrieb und dieselbe Röhre wie in Versuch I und II. 4 mm Aluminium-Filter. MA 1,4, Bauer 7?2],.

In acht Minuten erhalten wir 6,5 x OD, wobei 5,1x unter 1mm Aluminium, daher 1,4x in l mm absorbiert.- Auf eine Minute berechnet ergibt die Röhre 0,8x OD, wobei 0,64x unter 1 mm nachweisbar, also 0,17 x in 1 mm Aluminium absorbiert werden. Wenn also OD = 10x wird, so wird die Absorption im 1 mm Aluminium = 2,1 x sein.

Wenn die Absorption in 1mm Aluminium gleich 5x wäre, so wäre die OD gleich 23,5 x, was unsere Röhre in etwa 291/,, Minuten erreichen würde.

Aus dem Versuch IV sehen wir, wie die Strahlung einer Röhre, die viel weicher ist; als die Röhren der Versuche I und II durch stärkeres Filter yenchbioki; sich so verhält, daB ihre Erythemdosis tiefer, wie die des Versuches II, aber höher, wie die des Ver- suches I ausfallen würde, was sich erst aus der Messung ihrer Absorption in 1 mm Alu- minium ergibt.

Versuch V.

Derselbe Therapie-Betrieb und dieselbe Röhre, wie in Versuchen I, II und IV. 4mm Aluminium- Filter. MA 1,0, Bauer 8.

In acht Minuten erhalten wir 4,2 x OD, wobei 3,9 x unter 1 mm Aluminium und 0,8 x in 1 mm Aluminium absorbiert wurden.

Auf eine Minute berechnet gibt die Röhre 0,52 x O D, wobei 0,48 x unter 1 mm Aluminium nach- weisbar und 0,04 x im 1mm Aluminium absorbiert werden. i

Wenn also OD 10x wäre, wird die Absorption in 1 mm Aluminium gleich 0,7 x sein.

Wenn die Absorption in I mm gleich 5x wäre, so wäre die OD gleich 65x, was unsere Röhre in 125 Minuten erreichen würde.

Aus dem Vergleich der Versuche I und V ersehen wir, wie verschieden starke Filter die Absorption derselben Strahlung im 1 mm Aluminium verschieden stark gestalten, so daß bei denselben Oberflächendosen ganz verschiedene Mengen absorbiert werden und daher ganz verschiedene Erythemdosen als OD gemessen resultieren werden.

Versuch VI.

Gauß-Therapie-Betrieb. ,Dura‘-Réhre mit Wasserkühlung. 3mm Aluminium-Filter. MA 1,8, Bauer 7?/,

In vier Minuten erhalten wir 6,5 x OD, wobei 5,5 x unter 1 mm nachweisbar und 1,0 x im 1mm absorbiert sind.

Auf eine Minute berechnet gibt die Röhre 1,6x OD, wobei 1,4 x unter 1 mm nachweisbar sind und 0,25 x in 1 mm absorbiert werden.

Wenn also die OD 10x wäre, dann wäre die Absorption in 1 mm gleich 1,5 x.

Wenn die Absorption in 1mm 5x wäre, dann wäre die OD = 32 x, was unsere Röhre in 20 Minuten erreicht. |

= em N

Ne: ged BREE eg <7

254 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission fir Dosimetervergleich. XXIII, 3.

Versuch VII.

Induktor-Therapie-Betrieb mit Rotax-Unterbrecher. Lilienfeld-Röhre auf „hart“ gestimmt. 3 mm Aluminium-Filter. MA 1,9, Bauer 10.

In vier Minuten erhalten wir 82x OD, wobei 7,5x unter 1mm nachweisbar und 0,7 x in 1mm absorbiert sind.

Auf eine Minute berechnet gibt die Röhre 2,05 x OD, wobei 1,9 x unter 1 mm nachweisbar sind und 0,17 x in Imm absorbiert werden.

Wenn also die OD 10x wäre, dann wäre die Absorption in 1 mm gleich 0,85 x.

Wenn die Absorption in Imm gleich 5x wäre, dann wäre die OD gleich 61,5 x, was unsere Röhre in 33t/, Minuten erreicht. |

Die Versuche VI und VII zeigen uns, wie Röhren verschiedener Konstruktion Strahlungen von ganz verschiedener Absorption in 1mm Aluminium liefern, so daß bei derselben Oberflächendosis ganz andere Mengen absorbiert werden und daher ganz ver- schiedene Erythemdosis als Oberflächendosis gemessen resultieren wird. Diese Versuche zeigen uns dabei, wie erfolgreich die Bestimmung der Absorption in 1mm Aluminium zum Objektiven Vergleich der Leistungen verschiedener Röhren hinsichtlich der Haut- schonung dienen kann.

IV.

Die Absorption einer Strahlung in dem Absorptionskérper wird dadurch bestimmt, daß man die Strahlenmenge, welche in den Absorptionskörper eintritt, sowie die Strahlenmenge, die aus ihm austritt, bestimmt und die Differenz bildet. Die Bestimmung der beiden Strahlen- mengen kann uatürlich beliebig mit einem der bekannten Radiometer erfolgen. Die Diffe- renz zwischen der Strahlenmenge, welche eine Stelle im Raume in der gegebenen Fokusdistanz direkt von der Röhre erhält und der Strahlenmenge, welche die- selbe Stelle im Raume in derselben Fokusdistanz erst unmittelbar nach Durch- tritt der Strahlung durch den Absorptionskörper erhält, gibt uns die Größe der Absorption im Absorptionskörper für die gegebene Strahlung in der gegebenen Fokusdistanz!).

In praxi wird man zwei Testkörper der gerade angewendeten radiometrischen Methode in derselben Fokusdistanz in denselben Strahlenkegel legen, und den einen von ihnen mit dem Absorptionskörper zudecken. Nach der Bestrahlung wird man beide Testkörper ablesen, und ihre Differenz ergibt, wie viel von der Strahlung im Absorptionskörper absorbiert wurde. Die radiometrische Methode, die man dabei benutzen wird, kann je nach den Umständen verschieden sein. Es kommen hauptsächlich in Betracht: die Bestimmung an Kienböckstreifen, die Bestimmung an Sabou- raudplättchen mit der Holzknechtskala, ferner die Bestimmung am Intensimeter von Fürstenau und an den lonometern. |

Die Bestimmung an Kienböckstreifen würde sich wie folgt gestalten. Ein Kien- böckstreifen, der wie üblich zur Messung der Oberflächendosis verwendet wird, wird zur Hälfte mit einem 1 mm dicken Aluminiumblech zugedeckt. Ein solches Aluminium- stückchen liegt den meisten Kienböckskalen bei, da sie Kienböck zu einem anderen Zwecke an seiner Skala verwendet hat. Das 1 mm Aluminiumblech ist eben der Absorptions- körper.

Nachdem nach der Bestrahlung der Streifen entwickelt wurde, liest man die Färbungen der beiden Streifenhälften an der Skala ab und bestimmt die Differenz zwischen den beiden Hälften des Streifens in x. Wenn die Differenz etwa 5!/, x beträgt, so ist die Erythemdosis der Strahlung einer durchschnittlich empfindlichen Haut appli- ziert worden. Wie viel es als Oberflächendosis war, lesen wir von der unbedeckt bestrahlten Hälfte des Streifens ab.

1) Der Absorptionskörper muß so gewählt sein, daß man seine spezifische Sekundirstrahlung prak- tisch nicht in Rechnung zu nehmen braucht.

XXIII, 3. Wachtel, Über die instrumentelle Bestimmung der Erythemgrenze usw. 255

Da bekanntlich höhere Schwärzungsgrade an den Kienböckstreifen nur sehr ungenau abgelesen werden können, so empfiehlt es sich, die Belichtung eines unbedeckten Kienböck- streifens nicht weiter als bis zur Oberflächendosis von 4 x fortzuführen, sodann aber zu unter- brechen und einen neuen, halb mit Aluminium gedeckten Streifen einzulegen usw. Zum Schluß, nach der Entwicklung, werden die einzelnen Streifen auf Zehntel genau abgelesen und die Zahlen der dunkleren, sowie der helleren Streifenhälften summiert und die Differenz der beiden Summen bestimmt. Wenn die Differenz etwa 5!/, x beträgt, dann ist die Erythemdosis appli- ziert worden. Ist es weniger, so hat man unterdosiert; ist es mehr, so hat man über- dosiert.

Das Verfahren an Kienbéckstreifen ist ziemlich umständlich, schon von der Entwick- lung der Streifen, bis zur Erreichung der „4 x“-Belichtungsdauer und dem Summieren der Streifenhalften. Da man auch das Resultat der Bestimmung nicht sogleich hat, kann diese Art für die praktische Anwendung nur eventuell als dokumentarischer Nachweis, daß nicht überdosiert wurde (da ja die Streifen aufbewahrt werden können), in besonderen Fällen Be- deutung haben. Für wissenschaftliche Zwecke kann sie dagegen, wie auch sonst die Kien- böckstreifenmethode, gute Dienste leisten.

Viel praktischer und expeditiver erweist sich die Bestimmung an den Sabouraud- pastillen mit der Holzknechtskala. Man läßt am Patienten, statt wie bisher ein, nun zwei Sabouraudplättchen mitbestrahlen, von denen ein mit einem 1 mm dicken Alu- miniumstückchen bedeckt ist. Man bestrahlt so lange, bis der Unterschied zwischen dem unbedeckten und dem bedeckten Plättchen etwa %°/, H beträgt. Dann hat die Haut fast ihre Erythemdosis absorbiert und die Bestrahlung soll zur Vermeidung einer Hautschädigung abgebrochen werden. Das unbedeckt bestrahlte Plättchen gibt uns gleich- zeitig die applizierte Oberflächendosis an.

Das Verfahren mit Sabouraud-Holzknecht ist sehr einfach und informiert rasch durch einfaches Ablesen beider Plättchen an der Holzknechtskala, ob man schon die Erythemdosis erreichte, Falls man mit so günstigen Strahlungen behandelt, daß die Oberflächendosen vor dem Erreichen der Erythemdosis so groß werden, daß sie an einem Sabouraudplattchen nicht mehr abgelesen werden können (über 12 H), so wechselt man das unbedeckte, und bei ganz ausnahmsweise günstigen Strahlungen auch das bedeckte Plättchen, legt neue Sabouraud- plättchen ein und summiert dann die Absorptionen der beiden Serien usw. Die Bequemlich- keit gegenüber Kienböckstreifen, daß die Entwicklung wegfällt, und daher man sich jeden Augenblick über den Stand der Hautabsorption vergewissern kann, ist sehr wertvoll.

Eine Schwierigkeit bleibt allerdings noch dabei zu überwinden. Das ist die Ungenauig- keit der von der Fabrik gelieferten Skalen, welche erst nachgeeicht werden müssen, um für so feine Ablesungen brauchbar zu werden. Die Verfeinerung der Eichung derselben ist geplant.

Die Zahl 2%), H Absorption in 1 mm Aluminium als Maß für die Erythemdosis wurde, wie alle anderen hier angegebenen Zahlen, an Strahlungen, die von guten modernen Tiefentherapiebetrieben mit Anwendung von 3 mm Aluminiumfiltern erzeugt waren, empi- risch ermittelt. i

. Ein theoretisches Bedenken gegen ihre definitive Gültigkeit soll nicht unerwähnt bleiben. ©. Weißenberg hat in einer der Institutsberatungen gegen die verwendeten Zahlen (H = Zahl des unbedeckten Plättchens und H = Zahl des bedeckten Plättchens) eingewendet, da8 sie Dosen und nicht Gesamtenergien sind und erst durch Multiplikation mit beiden Halbwertschichten zu den Letzteren werden würden. Nicht also die Differenz Ho—Hsub 1, sondern erst die Differenz HoAo— Hau 1 Asub 1, oder bei Vereinfachung durch Durchschnittshalbwertschicht etwa bei der halben Hautdicke, die Differenz (Ho—Heub 1). Amittei würde ein Maß der Erythemdosis bilden. Ob der Einwand zu Recht besteht, soll erst geprüft werden. Im Falle seiner Gültigkeit müßte bei Strahlungen, welche ganz andere Härten haben, wie die, an welchen meine Zahlen ermittelt wurden, eine

geringe mathematische Korrektur der Zahl durchgeführt werden, doch kommt praktisch wohl dieser große Härtebereich allein in Frage.

256 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIIT, 3.

Die Bestimmung mit Hilfe des Intensimeters von Fürstenau (und dasselbe gilt auch für die Jononeter) hat eine weitgehende Konstanz des Betriebes, den man mit seiner Hilfe auf Erythemdosis eichen will, zur Voraussetzung. Dieser Bedingung sind wir teilweise schon sehr nahe. Schwankungen innerhalb der gleichen Bestrah- lung sind bei gutem Betriebe selten. Die einflußreichsten Faktoren: Schaltung, Frequenz, Zu- stand des Unterbrechers (Reinheit des Quecksilberunterbrechers) usw. sind innerhalb einer Be- strahlung ziemlich gleich. Bei den neuen gasfreien Röhren liegen die Verhältnisse noch besser. Völlige Konstanz besteht dort freilich auch nicht, oder nur bei Gleichrichterbetrieb, weil die Konstanz nicht nur von der Röhre, sondern auch vom Instrumentar abhängig ist.

Aber praktisch, für eine Bestrahlung, kann die Konstanz als genügend angenommen werden und daher kann an Stelle eines Quantimeters auch ein Intensimeter gesetzt werden. Ob es nun ein Selenintensimeter oder ein Ionometer ist, bleibt sich theoretisch gleich.

Die Bestimmung mit Hilfe des Intensimeters von Fürstenau würde sich wie folgt gestalten.

Nachdem die Röhre in guten Betrieb gesetzt wurde, wird in der gewählten Fokustisch- resp. Fokushautdistanz in den Strahlenkegel der Röhre die Selenzelle des Intensimeters, welche mit einem gestielten 1mm dicken Aluminiumblech zugedeckt ist, geschoben und die Intensimeterzahl abgelesen. Sodann wird das Aluminiumblech entfernt und die Intensi- meterzahl wiederum abgelesen. Auf diese Weise erhält man zwei J-Zahlen als Intensitätsmaß der ganzen und der durch das 1 mm Aluminiumblech durchgegaugenen Strahlung. Wenn man nun mit derselben Strahlung, die man eben gemessen hat, den Patienten bestrablt, appliziert man ihm eine Zahl von ,/-Minuten*, welche als Produkt der vorher abgelesenen Z und der Bestrahlungszeit gefunden wird. Die Oberfliichendosis wird dabei J-¢ (wenn wir die Be- strahlungszeit mit ¢ bezeichnen), die durchgegangene Strahlendosis durch das 1 mm Aluminium- blech gleich 7-¢ sein. Die Absorption in 1 mm Aluminium wird also /-t—i.t betragen und soll, unserer Voraussetzung gemäß, so hoch gebracht werden, bis sie der Konstante der Absorption für das len gleicht. Die Konstante wird also

k= I. t—i.t

k I— i

Empirisch wurde k= 83 ermittelt. Man wird also nach durchgeführter Strahlenmessung mit dem Intensimeter mit Hilfe obiger Formel die Zahl der Minuten (é), durch welche man bis zur Erythemdosis mit der eben gemessenen Strahlung bestrahlen darf, ermitteln. Z. B. hätten wir zu Beginn der Bestrahlung mit der Selenzelle auf der Haut 27 F abgelesen, an der mit 1 mm Aluminium bedeckten Zelle 24 F. Die Differenz beträgt 3; 83:3=11. In 11 Minuten ist das Erythem bei dieser Strahlung erreicht, wir wollen also 10 Minuten bestrahlen, oder heute 5 und morgen 5 Min. Ein anderes Mal 10 F und unter 1mm 97% Differenz = 1; 383:1 = 33 Minuten bis zum Erythem, oder 10 F und unter 1mm Aluminium 8 F (weichere Strahlung) Differenz = 2, 83:2 = 16,5 Minuten bis zum Erythem.

Natürlich müssen alle Kautelen, die auch sonst beim Gebrauch des Intensimeters von Fürstenau!) geboten sind, bei den Messungen eingehalten werden. Insbesondere muß die Ermüdung der Selenzelle in Rechnung gezogen werden. Am bequemsten wäre ein Intensimeter mit zwei gleichgestimmten Selenzellen, von denen eine mit Aluminium abgedeckt würde und deren Ströme in entgegengesetzter Richtung an demselben Zeiger wirkten, so daß mit einer Instrumenteinschaltung gleich die Intensitätsabnahme der Strahlung beim Durchgang durch den Absorptionskörper abgelesen werden könnte.

sein. Daraus t=

1) Siehe R. Mayer, ,Zur praktischen Auwendung der Selenzelle unter Vermeidung ihrer Fehler.“ Diese Verhandlungen.

XXIL, 3. Holzknecht und Weissenberg, Zur speziellen technischen Strahlenmessung. 957

Ähnlich wie mit dem Intensimeter von Fürstenau wird sich die Bestimmung mit einem lonometer gestalten. Man wird nur empirisch den Wert für die Konstante k für jede Type dieser Apparate bestimmen, worauf eine analoge Formel, wie beim Intensimeter an- gewendet werden kann.

Ich will mit der vorliegenden Arbeit nur einen Vorschlag gebracht haben. Daß ihre zahlenmäßigen Angaben der Absorptionsgrößen für das Erythem keine definitive Gültigkeit be- anspruchen, ist schon hervorgehoben worden. Wir verwenden auch letztens als Absorptions- körper statt des 1 mm dicken Aluminiumbleches ein 1 cm dickes Bakelit- oder Ebenholzstiick, wodurch eine spezifische Sekundärstrahlung des Absorptionskörpers praktisch ausgeschaltet ist. Die Zahlen werden dabei einer Revision unterzogen, deren Ergebnis publiziert wird. Es werden sich auch wahrscheinlich die Angaben über die Erythemabsorption nicht mit einer Zahl für je

eine radiometrische Methode erledigen lassen; es werden vielmehr auch die regionären und

Altersunterschiede in der Empfindlichkeit der Haut verschiedene Erythemabsorptionszahlen ver- langen. Darüber später. Auch möchte ich hervorheben, daß mein Vorschlag nur eine äußer- liche Ähnlichkeit mit den von Holzknecht, Kienböck usw. empfohlenen Verfahren hat. Man hat ein */, mm oder 1 mm dickes Aluminiumblech zwar angewendet, jedoch zur Messung der Härte der Strahlung, als die erste Stufe einer „Aluminiumtreppe* zu Analyse des Strah-

lungsgemisches. Man bildete eventuell noch den „Dosenquotienten“, indem man zwei erhaltene

Dosen durch einander dividierte. So erhielt man das Verhältnis dieser Dosen zu einander für die Beurteilung der Gattung des Strahlengemisches. Die Subtraktion zweier Dosen ist aber systematisch nicht durchgeführt worden und ganz fremd war der Literatur der Vorschlag die zeitliche Begrenzung der Einzelbestrahlung im Hinblick auf eine herausgefundene wirk- same Absorptionsgröße.

Zusammenfassung. Die Erythemdosis kann als Absorption in einem dünnen Absorptionskörper bestimmt werden. Dabei wird die Messung der verabreichten Lichtmenge und ihrer Härte für ihre Verwertung (nicht für den Effekt) gleich- gültig. Man bestrahlt vielmehr so lange, bis die Differenz zwischen einem un- bedeckten Reagenzkörper einer beliebigen radiometrischen Methode und einem durch 1 mm Aluminium bedeckten Reagenzkörper eine bestimmte, empirisch ge- fundene Zahl beträgt. Dann ist die Erythemdosis erreicht, respektive, man bleibt hart unterhalb dieser Zahl.

Zur speziellen technischen Strahlenmessung.

Kritisches und Vorschläge. Von

6. Holzknecht und C. Weissenberg (Wien).

Die Fortschritte in den klinischen Erfolgen der Röntgentiefentherapie sind bezeichnet durch die schrittweise Verbesserung und Verstärkung des in den Körper geschickten Röntgen- lichtes. Von diesen technischen Verbesserungen war eine der wirksamsten durch Gauß und Lembcke geschaffen worden. Durch viele kleine Felder mit nahherangerückter Röhre das zen- tral im Körper gelegene Organ zu bestrahlen hat die Quantität des Lichtes vermehrt, und, dem Licht, bevor es den Körper betritt, durch Filterplatten diejenigen Strahlen zu entziehen, welche ja doch nur in der Haut stecken bleiben und diese schädigen würden, hat die Qualität des Lichtes verbessert. An diese haben sich weitere technische Fortschritte angeschlossen.

Man könnte sich nun vorstellen, daß der Vorgang bei diesen technischen Verbesserungen, daß also der bei den einzelnen Autoren erwachte Gedanke, daß diese oder jene Maßnahme sich als Verbesserungen erweisen könnte, ohne weiteres am Kranken durchgeführt und so auf

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrablen. XXIII. . 33

258 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

seine Mehrleistung geprüft worden sei. Das wäre an sich möglich gewesen. Man begreift aber, daß die Ungleichmäßigkeit des zur Verfügung stehenden Materiales, die Tatsache, daß nicht zwei Karzinome nicht zwei Myome, respektive zwei Ovarien die gleiche Empfindlichkeit haben, daß diese vielmehr individuell und nach dem Alter die größten Schwankungen aufweisen, daß also die quantitative Feststellung der Resultate nur sehr wenig genau sein kann und daß die bis zur Feststellbarkeit der Resultate vergehende wochen- und monatelange Zeit das empirisch- klinische Prüfverfahren unsicher und schleppend gestalten müßte. Richtung und Ausmaß jedes kleinsten Verbesserungsversuches bedarf an sich einer größeren Anzahl experimenteller Feststellungen; hätten zum Beispiel Gauß und Lembcke ihre bedeutenden Fortschritte nur mittels des empirisch-klinischen Prüfverfahrens erreichen können, so wären im besten Falle so viel Jahre darüber vergangen, als sie Monate dazu benötigten. Diese Autoren haben aber und das ist mit eines ihrer Verdienste in systematischer Weise an Stelle der biologisch- empirischen Prüfung von erdachten Verbesserungen im Vorversuche die physikalische Laboratoriumsprüfung gesetzt. Auf den Arbeiten von Kienböck, Perthes und anderen fußend, haben sie bei der Prüfung neuerdachter instrumenteller Anordnungen an Stelle des Körpers ein Phantom, das Aluminiumphantom, und an Stelle der biologischen Gewebs- reaktion die Veränderungen unserer Dosimeter gesetzt. Sie haben dabei die Richtigkeit des zuerst von Kienböck ausgesprochenen, wie a priori richtig erscheinenden Grundsatzes: Die Wirkung hängt von der Menge des absorbierten Lichtes ab, vorausgesetzt. Anscheinend mit Recht, denn so oft ihre Laboratoriumsversuche eine Verbesserung der Tiefeneffekte ergeben hat, haben die klinischen Nachprüfungen dieselbe bestätigt.

Seitdem ging Hand in Hand mit den technischen Lichtverbesserungen das Studium der physikalischen Lichtprüfmethoden, und auf Grund derselben traten Verbesserungsvor- schläge auch dieser Methoden zutage. Auch wir haben uns nach dieser Richtung betätigt und versuchen im folgenden eine Darstellung unserer Ergebnisse: Die unbefangene Voraus- setzung wäre die, daß wir im Besitze von zwei Arten von Meßinstrumenten seien, von denen die eine Lichtstärke (vergleichbar der Kerzenstärke gewöhnlicher Lampen), die andere die Durchdringungskraft (Härte, vergleichbar der Farbe oder Wellenlänge) mißt.

Unter den Härtemessern, welche wir zunächst eingehend revidieren wollen, scheiden diejenigen vollkommen aus, deren Anzeigen offenkundig von der Lichtintensität mitabhängig sind, so daß also der zweimalige gleiche Ausschlag derselben das einemal von einer geringeren Härte bei größerer Intensität herrühren kann, oder daß z B. gleich harte Röhren dann verschiedene Ausschläge geben, wenn die eine von der fraglichen Lichtsorte eine größere Menge hergibt und dergleichen mehr. Dazu gehören das Qualimeter von Bauer und der Härtemesser von Walter’).

Die übrigen Härtemesser, welche die Lichtstärke hinter Aluminiumtreppen mit derjenigen einer konstanten Silberschichte vergleichen (Prinzip von Röntgen 1897, Silber statt Platin von Benoist, Ausführungsformen von Benoist, Walter und Wehnelt), sind von der Licht- intensität unabhängig, ebenso die Halbwertmessung von Christen, welcher zum erstenmal der Härtemessung eine exakte Grundlage gibt, indem er die zu bestimmende Strahlung durch Vor- schalten eines wassergleich absorbierenden Medium mit wachsender Schichtdicke so weit ab- schwächt, daß sie der mittels eines Metallgitters abgeschwächten halben Lichtintensität gleicht. Die Lichtintensitätsbestimmungen werden bei dieser Gruppe entweder an der Helligkeit des Leuchtschirmes oder Schwärzung der photographischen Schichte vorgenommen, was (siehe unten) nicht gleiche Resultate gibt. Die ganze Gruppe, die das beste enthält, was an Härtemeßvor- - richtungen existiert, ist zweifellos für ungefähre Bestimmungen, z. B. für didaktische Zwecke, dann wohl auch für gewisse gröbere praktische Zwecke, wie z. B. die zeitweise Kontrolle der Konstanz einer Einrichtung recht gut verwendbar. Bei Anspruch auf größere Genauigkeit,

1) Das hindert nicht, sie im praktischen Betrieb für Erkennung von Härteschwankungen

unter sonst konstanten Bedingungen zu verwenden. Die Praxis hat dem Qualimeter den Vorzug gegeben, l

und zwar wegen des bequemen, weithin sichtbaren Zeigeranschlages.

XXIII, 3. Holzknecht und Weissenberg, Zur speziellen technischen Strahlenmessung. 259

wie wir ihn bei unseren tastenden Verbesserungsversuchen machen miissen, reichen sie wegen einer Reihe von Fehlern nicht zu. Gemeinsam wäre ihnen der von Grossmann nachgewiesene Fehler'), daß sie in verschiedener Entfernung vom Fokus ein wenig verschieden anzeigen, was übrigens durch konstante Entfernungen berücksichtigt werden könnte, aber immerhin praktisch noch nicht getan wurde Er ist übrigens, wie gesagt, recht klein. Christen bestreitet ihn.

Bedeutungsvoll ist dagegen, daß man sie nicht mit Recht als Qualimeter betrachten und benützen kann, weil sie auf die eine der zwei Qualitäten unserer praktischen Strahlungen nämlich die wechselnde Zusammensetzung aus verschiedenen Strahlen (Heterogenität), keine Rücksicht nimmt. Ihre Anzeige betrifft vielmehr unter der Bezeichnung „Härte“ eine Art Durchschnittshirte; sie zeigt nämlich eine irgendwo zwischen den Härten der weichsten und här- testen vorhandenen Strahlung liegende Zahl an. Dabei ist diese Zahl zwar ein annähernd richtiges Mittel aus. den in der geprüften Strahlung vorhandenen Härten, aber sie drückt die- selbe (am typischsten bei Christen) hauptsächlich für das Schicksal der Strahlen in den ober- flächlichsten absorbierenden Schichten aus und führt dadurch zu einer falschen Beurteilung der Tiefenabsorption, so daß man diese zu groß einschätzt, weil bei inhomogenem Licht die nächsten Schichten von dem durch sie gehärteten Licht weniger absorbieren. Für die Benoistsche Type und ihre Abkömmlinge kann zwar derselbe Fehler behauptet, aber sein Ausmaß nicht annähernd bestimmt werden. Das Instrument beruht doch wohl darauf, daß die Durchlässigkeit des Silbers, d. h. der Ausdruck (auffallende Intensität Absorption -+ charakte- ristische Eigenstrablung) für die praktisch in Betracht kommenden Strahlengemische in viel geringerem Grade sich ändert als die des Aluminiums. In Wahrheit ändert er sich, wie ein Blick auf die spezifische Absorptionskurve des Silbers”) lehrt, äußerst sprunghaft, und nur der Umstand, daß wir es gewöhnlich mit sehr breiten Spektren zu tun haben, bewirkt einen Aus- gleich dieses ganz irregulären Fehlers.

Dazu kommt, daß die Benoistsche Type und ihre Abkémmlinge, wie Christen it Recht immer hervorhebt, ein arbiträres und nicht ein absolutes Maß sind, denn sie legen will- kürliche, unübersichtliche komplizierte physikalische Verhältnisse zugrunde, im Gegensatz zu Christen, der die Durchdringungskraft auf Wasser bezieht. Tatsächlich hat die Willkür und Kompliziertheit der ersteren es bewirkt, daß es beinahe unmöglich ist, zwei genügend gleiche Benoistsche Härteskalen herzustellen, daß die im Handel befindlichen unter der gleichen Strahlung oft ein bis zwei Grad verschieden zeigen, und auch bei Aufwendung größerer Sorg- falt in der Auswahl der Materialien kommen vielleicht durch wechselnde Verunreinigungen des Aluminiums und des Silbers und wechselnde Dicken der sehr dünnen Silberplatte oder sonst Differenzen in den Anzeigen der Instrumente einer einzigen Fabrikationsserie zustande. Auch die Abstufung dieser Skalen ist eine ganz willkürliche, wodurch bewirkt wird, daß die Härte 4 keineswegs etwa doppelt so gut die Körper durchdringt wie die Härte 2, vielmehr ist durch die Zahl über das Verhältnis der beiden Grade nichts ausgesagt, und man hätte richtiger getan, bei dieser Type die Grade mit Buchstaben statt mit Zahlen zu bezeichnen, un, wo sie vollständig fehlt, auch den Schein der Exaktheit zu vermeiden. Dagegen ist es wieder ein Vorzug bei Christen, daß die auf Wasser bezogene Penetrationskraft ohne Umrechnung ein gutes und rasches Urteil über die Durchdringung der Körpergewebe gestattet, weil diese sich fast wie Wasser verhalten. Daß die Benoist-Skala an Verwendbarkeit für exakte Bestim- mungen weit hinter die Christensche zu stellen ist, ist danach selbstverständlich.

Sieht man also von dem Umstande zunächst ab, daß auch mit Christen irgendeine

Durchschnittshärte und nicht sämtliche vorhandenen Härten und ihre Verteilungszalllen bestimmt -

werden, so empfindet man immer noch einen Mangel des Christenschen Härtemessers, welcher darin besteht, daß der Vergleich der beiden leuchtenden Felder überhaupt subjektiven Einflüssen

1) Grossmann: Prinzipien der Dosimetrie. Fortschritte XXII, p. 123. Der Autor führt den Nach- weis nur für das Christensche Instrument, er gilt aber offenbar auch für die anderen. *) Grossmann, ÜberSekundärstrahlen und nn as Fortschritte Bd. XXIT, pag. 391 33°

`

260 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXII, 3.

Raum gibt und insbesondere dann schwierig wird, wenn man es, wie so häufig, nicht mit ab- solut ruhigem Licht zu tun hat. In Erkenntnis dieses Mangels bat Christen eine Modifikation des Instrumentes angegeben, bei welcher der Effekt photographisch aufgenommen wird; an Stelle des dadurch behobenen Übelstandes tritt jetzt der Silberfehler, denn wenn auch die Silberschwärzungen an der entscheidenden Stelle gleich sind, so stammen sie bei Verwendung inhomogener Strahlen von zwei verschieden stark filtrierten, also verschieden harten und daher verschieden absorbierten Gemischen her. Auch dieser Fehler wäre zu eliminieren, wenn man an Stelle der photographischen Platte ein anderes Reagens, z. B. die Selenzelle oder Ionisie- rungszelle setzt. Damit wäre auch eine wesentliche Vereinfachung verbunden, da das den einen Teil der Strahlung auf die Hälfte reduzierende Metallgitter wegfällt. Wir haben tatsächlich nach Ablesung der Intensität der Gesammtstrahlung so lange Wasser, beziehungsweise Bakelit auf die Selenzelle geschichtet, bis das Instrument die halbe Intensität anzeigt. Diese Anordnung hätte auch den Vorteil, daß sie dem quantitativen und qualitativen Aufschluß mit einem Schlage gibt. (Vergleiche R. Mayer, pag. 283.)

Alles in allem leisten die Härtemesser daher auch dann, weun wir die ihnen anhaftenden Fehler beseitigen würden, nur das, was sie eben leisten können; die besten sind richtig für homogene Strahlung, der inhomogenen können sie aber nicht gerecht werden. Sie können eben, wie sich schon Christen ausdrückt, nur eine Härtezahl geben, während bei inhomogener Strahlung selbst im einfachsten Fall der Zusammensetzung aus zwei Sorten drei Zahlen, näm- lich zwei Härtezahlen und eine Verteilungszabl notwendig sind, bei reicheren Gemischen eine größere Zahlenreihe.

Neuerdings hat Christen mit der Absicht, die natürliche Unzulänglichkeit seines Härte- messers für komplexe Strahlungen zu beseitigen, empfohlen’), als Maß der Heterogenität die Quotienten zweier oder mehrerer aufeinanderfolgender Halbwertschichten zu nehmen. Wir verkennen nicht den Fortschritt, der darin für gröbere praktische Zwecke liegt, aber auch nicht zwei darin enthaltene Mängel. Wir erhalten dadurch, gerade in der obersten Wasser- beziehungsweise Gewebeschicht, wo die Inhomogenität am größten und ihre Kenntnis zwecks Hautschonung am wichtigsten ist, ungenügenden Aufschluß über sie, da sie innerhalb der ersten Halbwertschicht liegt, und bekommen ferner keinerlei Urteil über die Mengen der Strahlen von den verschiedenen Härtegraden.

Wir müssen also die Revision der Härtemesser mit der Konstatierung schließen, daß keiner von ihnen und keine Gebrauchsart derselben für die eingangs definierten Zwecke, die Wirkung technischer Abänderungen sicher anzuzeigen, vollkommen zureichend ist.

Il.

Bezüglich der Instrumente für quantitative Bestimmungen ist zu unterscheiden in solche, welche die Lichtstärke z. B. mittels Nadelausschlages sofort und weiterhin in jedem Moment ablesbar angeben und für praktische Dosierungszwecke nicht ebensogut verwend- bar sind, als diejenigen, welche, sich sukzessive verändernd, oder einen fortschreitenden Aus- schlag zeigend bei jeder Ablesung die Summe der bis zu diesem Moment verabreichten Licht- mengen anzeigen, weil die Inkonstanz der Röhren eine praktisch einfache Berechnung der Menge aus der inkonstanten Intensität und der Zeit nicht gestatten. Wo die Röhren- konstanz praktisch genügend ist, kaum bei den besten heutigen Röhrenbetrieben, vielleicht bei den neueren gasfreien Röntgenröhren (Lilienfeld, Coolidge) und für die obigen tech- nischen Zwecke spielt dieser Unterschied jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Daher können für diesen Zweck sowohl die „Intensimeter“ verwendbar sein und zwar ihre Intensitäts-

1) Verhandlungen der Schweizer Naturforscher der Gesellschaft. II. Teil. Christen: Strahlen- messungen in der Medizin. Zusatz des Vorsitzenden: Christen führt oben (pag. 214) den Gegenstand nochmals eingehend aus,

XXIII, 3. Holzknecht und Weissenberg, Zur speziellen technischen Strahlenmessung. 261

angaben ohne weiteres als auch die „Quantimeter*, wenn man sie durch die Bestrahlungszeit dividiert und so ebenfalls Intensitätsangaben erhält. |

Eine weitere Voraussetzung ist nun aber natürlich, daß sie nicht irgendwelche Fehlerquellen enthalten. In Betracht kommen die jonometrischen Quantimeter und In- tensimeter, die Silberschwärzung (Kienböck), die Verfärbung des Bariumplatinzyanür (Sa- bouraud). Neu hinzugekommen ist die Selenzelle. (Intensimeter nach Fürstenau.)

Die auf der Ionisation der Luft beruhenden sind komplizierte Laboratoriumsinstrumente und ihre für die praktischen Zwecke brauchbaren Formen sind zwar in Konstruktion begriffen (lontometer, Ionometer), jedoch nicht vollendet. Sie scheinen wenig Fehlerquellen zu ent- halten und werden nach Vollendung einer praktischen Aufmachung wahrscheinlich eine große Rolle spielen. Vorläufig ist ihre Anwendung äußerst umständlich und mühsam. Auch ist nicht zu erwarten, daß sie von den folgenden Fehlern frei sind.

Wie jeder Körper, so absorbieren auch dieaus Brom-Chlor-Silberschichten bestehenden Quantimeterstreifen von der auf sie auffallenden Röntgenenergie nur einen Bruchteil, welcher nicht nur vom Material abhängig ist, sondern auch von der Härte der auffallenden Röntgen- strahlen. Diese Abhängigkeit ist wegen der selektiven Silberstrahlung keine ganz einfache; während nämlich im allgemeinen die Regel gilt, daß von härterer Strahlung ein geringerer Prozentsatz absorbiert wird, als von weicherer und daß die Absorption bei einer beliebigen Härte ein Mittel aus den Absorptionen der benachbarten Härten ist, verliert diese Regel im Härtegebiet der selektiven Silberstrahlung ihre Richtigkeit. Hier absorbiert das Silber mehr. Dies hat folgende Konsequenzen:

Die abgelesenen Kienböck-x sind:

1. kein Maß der auffallenden X-Strahlen- „Menge, sondern nur ein Maß für den Quotienten,

auffallende Röntgenenergie . Halbwertschicht?) im Silber i. e. absorbierte Energie i. e. Dosis.

2. Kein Maß für die in einer dünnen Hautschicht absorbierte Röntgenenergie®). Hätte man also z. B. mit Hilfe des Kienböck-Quantimeter zwei verschieden harte Be- triebe miteinander zu vergleichen, welche gleiche Quantität eines rein homogenen Lichtes

aussenden, so unterscheiden sich de facto die Strahlungen nur durch ihre verschiedenen Härten,

die ihnen entsprechenden, Kienböck-Kurven aber auch durch die Quantitäten! In diesem Fall zeigen jedoch die Kienböck-Kurven die Härte der einzelnen Betriebe richtig an, ebenso

das Verhältnis von Tiefendosis zu Oberflächendosis (Dosenquotient), da die Tiefe mit demselben.

Maß gemessen wird, wie die Oberfläche; die Homogenität, kurz alle qualitativen Angaben sind richtig, die quantitativen falsch und, wegen der selektiven Silberstrahlung, auch nicht einmal vergleichbar. Bei Strahlengemischen aber, also beim Vergleich inhomogener Strahlungen liegt die Sache noch wesentlich ungünstiger. Da nämlich ein solches Gemisch beim Durchgang durch den menschlichen Körper gehärtet wird, so kommt zu dem oben geschilderten Fehler noch der hinzu, daß der Quantimeterstreifen an der Oberfläche mit einem anderen Maß mißt, als in der Tiefe, wodurch auch die qualitativen Angaben, also Dosenquotient, Härte, Homo- genität unrichtig und unvergleichbar werden. Dazu kommt noch, daß wegen der selektiven Silberstrahlung der Fehler nicht bei allen Messungen in der gleichen Richtung geschieht, da das Maximum der prozentuellen Absorptionen wegen der selektiven Silberstrahlung in dem Gemisch einmal an der Oberfläche, ein andermal in verschiedenen Tiefen liegen wird. Es sind somit beide Möglichkeiten der Fehlerrichtung offen; d. h. es kann die Oberfläche gegenüber der Tiefe bevorzugt werden (Unterdosierung), aber auch die Tiefe gegenüber der Oberfläche (Über- dosierung), die so erhaltenen Kienböck-Kurven sind daher nicht geeiguet, verschiedene Betriebe,

1) Die Halbwertschicht einer Strahlung i im Silber ist wegen der selektiven Silberstrahlung kein Maß für die Strahlenhärte,

2) Denn es besteht aus vorerwähntem Grund keine Proportionalität der Absorptionen im Silber und im Fleisch (S. Grossmann, Band XXII).

262 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

über deren Qualität und Quantität nichts bekannt ist, hinsichtlich dieser Eigenschaften mit- einander zu vergleichen. Zusammenfassend kann man nun sagen:

Mit Hilfe von Kienböck-Streifen darf man garantiert nur Röhren oder Betrieb mit- einander vergleichen, welche dasselbe Strahlengemisch erzeugen, d. h. deren Prozentkurven identisch zusanımenfallen, und bei diesen Kurven darf man Oberflachendosis mit Tiefendosis nur dann vergleichen, wenn beide mit demselben Maß gemessen sind, also homogene Strahlung vorliegt.

Diese Neigung, eine gewisse Strahlensorte besonders stark zu absorbieren und dadurch bei der Messung zu überschätzen, deren Kenntnis wir den Untersuchungen von Barkla und Sadler verdanken, ist dem Bariumplatinzyanür in viel geringerem Grade eigen.

Grossmann hat darauf hingewiesen, daß die beiden bezüglich der Absorption quantitativ in Betracht kommenden Bestandteile Ba. und Pt. bezüglich ilıres selektiven Verhaltens wenig Störungen mit sich bringen; das schwerere und daher entscheidendere Platin hat ein selektives Gebiet höherer Absorption im Bereiche einer so weichen Strahlung, daß sie schon durch 0,3 mm Aluminium, also etwa durch die Glaswand der Röhre auf die Hälfte reduziert und durch unsere Filter völlig vernichtet wird. Das Barium allerdings zeigt bei 3,5 mm Aluminim- Halbwertschicht eine plötzliche Zunahme seines Absorptionsvermögens, welche aber bei der weitaus größeren Absorption des Platins nicht voll zur Geltung kommen kann, nach Gross- manns Schätzung aber doch eine Verstärkung von 20—30°/, bewirken dürfte.

Soweit also nicht andere Fehlerquellen in Betracht kommen, und das ist in gewissem später zu erörterndem Maße der Fall, wäre also das Sabouraudsche Instrument einigermaßen verwendbar. Das ist auch für praktische Dosierungszwecke der Fall. Es kann sogar für physikalische Voruntersuchungen mit Nutzen verwendet werden, doch bedarf dann die für praktische Zwecke genügend genaue Eichung der Holzknechtschen Skala einer Korrektur und außerdem gestalten die langen Bestrahlungszeiten, welche bis zur Erzielung gut ablesbarer Verfärbungen vergehen, die Messungen ziemlich schleppend.

Zunächst von diesem Standpunkte aus sehr zu begrüßen war das Intensimeter nach Fürstenau. Eine in den Stromkreis einer Trockenbatterie eingeschaltete Selenlamelle, läßt, wenn sie von Röntgenstrahlen bestrahlt wird, mehr Strom durchfließen, und zwar um so mehr, je stärker sie bestrahlt wird. Ein im gleichen Stromkreis befindliches Elektrometer zeigt an, wieviel Strom durch die Selenlamelle hindurchgeht und daher auch, wie viel Röntgenstrahlen auf die Selenlamelle fallen oder genauer gesagt, wie viele von ihr absorbiert werden.

Im Moment des Einschaltens der Röntgenlampe schlägt der Zeiger rasch aus, wir lesen bald eine Zahl ab, welche die Lichtstärke angibt, der Zeiger bleibt stehen'), wenn die Licht- stärke konstant bleibt, er stellt sich höher oder niedriger ein, wenn sie sich ändert. Wir können z. B. die Stärke der Strahlungen, welche ein Stück Fleisch trifft, ablesen, wenn wir die Selenzelle auf das bestrahlte Fleisch legen und erhalten z. B. die Zahl 70, ebenso die Licht- stärke messen, welche unter 1 cm Fleisch noch vorhanden ist, z. B. 50 unter 5 cm, 20 unter 10 cm, und so fort, und haben in wenigen Minuten ein Urteil über die Tiefenwirkung dieser Strahlung, nach einigen weiteren Minuten ist die Messung für eine andere Schaltung oder eine andere Röhre ausgeführt, und sind die beiden Resultate miteinander zu vergleichen. An Einfachheit der Handhabung läßt die Selenzelle also nichts zu wünschen übrig. Nun sollten auch die Angaben richtig sein.

Es frägt sich nun, ob das Selen nicht ähnlich wie das Silber gewisse Strahlungen stärker absorbiert und dadurch mehr Strahlung anzeigt, als wirklich vorhanden ist. Tatsäch- lich ergeben die Untersuchungen von Sadler und Barkla, daß Selen eine solche spezifische Absorption aufweist. Während z. B. Silber (s. 0.) speziell Strahlen von jener Härte, welche durch 1,5 cm Wasser auf die Hälfte abgeschwächt werden, besonders stark absorbiert, tut dies

1) Ermüdung siehe unten.

XXIII, 3. Holzknecht und Weissenberg, Zur speziellen technischen Strahlenmessung. | 263

das Selen mit Strahlen von 0,13 cm Halbwertschicht, also mit zehnmal weicheren Strahlen. Nur diese oder vielmehr die etwas härteren, also etwa 0,2 cm Strahlen würden, wenn sie im angewendeten Gemisch enthalten sind, die Selenzelle zu irrtümlich hohen Ausschlägen ver- leiten. Diese Sorte des im Röhreninnern entstehenden Lichtes vermag die Glaswand zu durch- dringen; denn Glas hat ähnlich wie Aluminium ein ungefähr zehnmal so hohes Absorptions- vermögen wie Wasser. Die fragliche Strahlung wird also durch die durchschnittlich 0,3 mm dicke Glaswand der Röhre um ebensoviel wie durch 0,3 cm Wasser, also auf etwa die Hälfte abgeschwächt.

Bei weicher Röhre und ohne weitere Filtrierung, also bei einer Verwendung des Röntgen- lichtes, z. B. zu photographischen Zwecken, muß daher theoretisch ein Fehler bei Verwendung der Selenzelle entstehen!). Wenn wir jedoch die Röhrenstrahlung auch nur durch !/, mm Aluminium filtrieren, so wird diese, von welcher je 0,2 mm Aluminium die Hälfte vernichten, schon auf !/, reduziert durch 1 mm Aluminium auf !/,,, durch 2 mm Alumiuium auf ’/,o00 durch 3 mm Filter auf */,,599, Kurz schon das dünnste praktisch in Betracht kommende vernichtet die der Genauigkeit der Selenzelle gefährliche Strahlung vollständig Resümieren wir das Bisherige, so ist zu sagen: Die Selenzelle arbeitet in diesem die sogenannte selektive Absorption betreffenden Punkte fehlerfrei. Sie übertrifft hierin auch das Bariumplatinzyanür und hat vor ihm die Schnelligkeit der Einstellung und Ablesung voraus, was sie für technische Vorversuche und Kontrollzwecke wertvoller macht, während, wie gesagt, der mengensummierende Sabouraud für die praktische Dosierung bei inkonstanten Intensitäten vorzuziehen ist.

Von einer Fehlerquelle, die allen bisherigen Meßgeräten eigentümlich ist, ist allerdings auch die Selenzelle nicht frei. Alle zeigen nämlich nur denjenigen Teil der auf sie ein- fallenden Strahlung an, den sie absorbieren und nicht die ganze Strahlung. Sie messen Dosis- nicht einfallende Lichtstärke. Das wäre nun kein Nachteil, wenn alle den gleichen aliquoten Teil der ganzen Strahlung absorbieren und anzeigen würden. Das können sie aber nicht, weil ihre Auffangskörper von verschiedenem Atomgewicht und Dichte und verschiedener Schicht- dichte sind. Je mehr sie nun von der Gesamtstrahlung absorbieren, je mehr sie sich also der Totalabsorption nähern, desto kleiner wird der im folgenden, zu erörternde durch die Partialabsorption entstehende Fehler. Den kleinsten Teil absorbiert wohl die Kienböcksche Silberschicht, einen größeren die Platinschicht des Sabouraud. Keine aber alles.

Der absorbierte Teil wechselt aber nicht nur von Meßgerät zu Meßgerät, er wechselt auch von Strahlung zu Strahlung. Denn die Größe des absorbierten Teiles ist nicht nur von den obigen Eigenschaften des Meßkörpers, sondern auch noch von der Durch- dringungskraft der Strahlen abhängig: Da nun jede praktische Strahlung ein Gemisch von

verschieden durchdringenden Strahlungen ist, so kann an allen diesen Instrumenten nicht

die gesamte auffallende Strahlung abgelesen werden, also das, was in unserer Literatur seit Christen als Flächenenergie (auffallende Energie pro Flächeneinheit) bezeichnet wird, viel- mehr sind die Angaben der besseren unter ihnen (Sabouraud, Intensimeter, Ionometer) ein Maß für jenen mit der Härte und dem Strahlengemisch wechselnden Bruch- teil der einfallenden Strahlung, welche im Testkörper absorbiert wird. Sie messen also nicht Flächenenergie, sondern absorbierte Energie pro Volumeneinheit (Dosis).

Sieht man bei der weiteren Betrachtung unserer für die physikalische Lichtprüfung vor- handenen Mittel zunächst von den oben geschilderten Unzulänglichkeiten ‘der Instrumente ab ‘und berücksichtigt nur die Tatsache, daß bei inhomogenem Licht die Röntgenstrahlen nicht nur im Körper absorbiert werden das wäre ein rein quantitativer Abfall der Röntgen-

1) Bei dem geringen Maß von Genau’gkeit, welches die photographische Aufnahme erfordert, weil dort der Entwicklungsprozeß korrigierend eingreift, wird der Fehler nichts bedeuten.

. er BE A a be tt

964 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

energie —, sondern auch gehärtet und homogen gemacht werden, so erkennt man, daß dieser Vorgang im allgemeinen nicht durch zwei Angaben (Strahlenmenge und Harte an der Ober- fläche) charakterisiert werden kann, sondern es müssen noch diese beiden Daten für die Tiefe gegeben werden, und da auf jede Schicht in der Tiefe eine andere Quantität und Qualität von Röntgenstrahlen auftrifft, so ergibt sich die Notwendigkeit, in möglichst vielen Schichttiefen zu messen und die Daten systematisch zu ordnen; dies geschieht nun am einfachsten und über- sichtlichsten, wenn man die obigen Daten zur Herstellung einer Röntgenenergie-Absorp- tionskurve verwertet.

Solche Kurven sind seit Perthes von Kienböck, Gauß und Lembcke, und seither aller- orten hergestellt worden. Die zu ihrer Gewinnung verwendeten Elemente waren nicht einwand- frei und lohnen eine Untersuchung.

An Stelle des menschlichen Körpers mit seinen zwei Effekten Absorption und Reaktion setzt man ein Körperphantom und ein Meßinstrument.

I. Das Phantom kann nun nach verschiedenen Gesichtspunkten konstruiert werden:

1. Für die Materialwahl maßgebend sind: a) der physikalische, welcher ein Material erheischen würde, welches keine Strahlenart selektiv bevorzugt, sondern im ganzen verwendeten Bereich der Röntgenstrahlen sich „normal“ verhält, also aus Elementen unter dem Atom- gewicht 27 (Grossmann), z. B. Wasser, Bakelith usw. besteht,

b) der medizinische, welcher ein Phantom verlangt, das im ganzen Härtebereich die- selbe Absorption hat (oder eine ihr proportionale) wie das Fleisch, wobei es nicht in Frage kommt, ob etwa das Fleisch und somit das Phantom eine selektive Strahlung besitzt oder nicht, und schließlich

c) der praktische, welcher leicht und einwandfrei reproduzierbares, handliches Material erfordert.

Ein glücklicher von Christen gefundener Umstand erleichtert nun die Auswahl. Es be- steht nämlich bei hartem Therapielicht ein kaum merklicher Unterschied zwischen den physi- kalischen Normalkörpern Wasser, Bakelith!) und Ebenholz?) einerseits und dem Fleisch an- dererseits, und so kann man annehmen, daß die Zahlen, welche mit Hilfe eines Wasser-, Bakelith- oder Ebenholzphantom gewonnen worden sind, wenn auch nicht den entsprechenden Daten für Fleisch gleich, so doch, daß die etwaige kleine Abweichung immer proportional ist. Soweit die Überlegung. Die entsprechenden Versuche wurden in unseren Laboratorium von Herrn R. Mayer für Wasser und Bakelith wiederholt, für Ebenholz neu, und zwar so an- gestellt, daß eine gleiche Schichtdicke Wasser, Bakelith, Ebenholz und als Vertreter der ver- schiedenen Körpergewebe eine 20°/ ige Eiweißlösung°) bei verschieden hartem Therapielicht

1) Christen,

2) R. Meyer (Siehe unten).

3) Wie oben angeführt wurde, sind gegen die Benutzung von Körpern, welche schwerer als Fleisch sind und daher in dünnen Schichten verwendet werden, als Ersatz für die Körpergewebe mancherlei Be- denken geäußert worden. Insbesondere ist gegen das sonst sehr handliche Aluminiummodell wiederholt eingewendet worden, daß die Absorptionen in demselben für alle praktischen Strahlenhärten nicht proportional denen im Fleisch sind, und daß auch die ungleiche Bildung und Absorption von Sekundär- strahlen denjenigen im Fleisch sicher nicht proportional sind.

Daß das Aluminium im Bereich der praktischen Härten nirgends so grobe, durch selektive Ab- sorption verursachte Unregelmäßigkeiten aufweist, daß zwei gleiche Absorptionswerte zwei verschiedenen Härten entsprechen, würde zwar, wie dies auch Grossmann wieder hervorhebt, erlauben, daß Aluminium als eindeutiges Maß der Härte zu verwenden, nicht aber als Ersatz der Körpergewebe; denn einerseits ist es unseres Wissens nicht festgestellt, daß die Absorptionen bei den in Rede stehenden Stoffen (bei den verschiedenen Härten) proportional sind andererseits sehr wahrscheinlich, daß sie es nicht sind, da nämlich selektive Absorptionsbereiche zwar nur für die größere Zahl der Elemente festgestellt sind, die- selben aber sich bei jenen systematisch verhalten und die Annahme nahelegen, daß selektive Absorption eine allgemeine Eigenschaft der Körper ist, so dürfte die Absorption eines jeden Körpers nur der seinen gleich und keiner eines anderen proportional sein; denn bei den Gebieten selektiver Absorption handelt

XXIII, 3. . Holzknecht und Weissenberg, Zur speziellen technischen Strahlenmessung. 965

photographiert wurde. Diese Versuche bestätigten nun völlig die obigen Überlegungen, und somit kommt für eine Entscheidung der Materialfrage nur noch der Punkt c) Handlichkeit in Betracht. Zieht man nun auch diesen in Rechnung, so ergibt sich, daß man als Phantom am besten die obigen festen Materialien Bakelith oder weil nicht gebrechlich, Ebenholz wählen wird.

Eine weitere Frage ist nun die-räumliche Anordnung des Phantoms.

Bei den Modellen als Körperersatz ist man in Imitation der praktischen Verhältnisse da- hin gekommen, daß die Lichtrezipienten der Meßinstrumente Ä z. B. die Kienböck-Streifen in die den imitierten Absorp- <L tionen entsprechenden Entfernungen gebracht werden (siehe Fig. 1). Man kann natürlich die Phantomanordnung auch so machen, daß dabei auf die mit der Gewebstiefe wach- sende Distanz keine Rücksicht genommen wird (Fig. 2).

Fig. 1 und 2. In beiden Fällen durchdringen die Strahlen die verschieden dicken Schichten des Körperphontoms und treffen dann die Licht rezipierenden Lamellen der Messinstrumente. Links wächst die Distanz zwischen Röhrenfokus und Messrezipient genau so wie im Körper und die Anzeigen der Rezipienten sind sowohl wegen der verschiedenen Absorption als auch wegen der verschiedenen, mit der Distanz (quadratisch) wachsenden Disper- sion verschieden (Anordnung mit Distanzverlust). Rechts bleibt die Distanz D die gleiche, und die Differenz der Anzeigen der Messrecipienten rührt nur von der Absorption her (Anord- nung ohne Distanzverlust). verlust. verlust.

EIRE

es sich ja nicht um einen relativ kleinen Härtebereich und um eine normale Absorption außerhalb des- selben, sondern nur um zirkumskripte Maxima der selektiven Absorption mit in weite Härtebereiche hinausreichendem Abklingen derselben.

Deshalb zeigen ja auch die entsprechenden Absorptionskurven von Sadler und Barkla keine Winkelsprünge und Unstetigkeiten, durch welche das Absorptionsgebiet abgegrenzt wäre, sondern stetige Übergänge. Es sind daher die Grenzen der selektiven Absorption nicht feststellbar. Es ergibt sich ferner- hin daraus, daß alle Kurventeile, auch die dem Gebiet praktischer Härten angehörenden, vom normalen von selektiver Absorption freien Verlauf abweichen können. Wohl auf Grund solcher Erwägungen hat insbesondere Dessauer von dem Gebrauch des Aluminiums und überhaupt anderer Körper als Fleisch- ersatz abgeraten und empfohlen, zur Vermeidung aller Fehler Fleisch oder andere Körpergewebe zu ver- wenden. Er selbst hat in Schichten geschnittene Tumoren gebraucht und wir hätten seinem Beispiel folgen können. Da wir aber außer dem obigen Versuchszweck noch andere im Auge hatten, die eine häufige Verwendung von Gewebe als absorbierendes Material notwendig machten, und da natürliche Ge- webe wegen Wasserverdunstung, Fäulnis, Ungleichmäßigkeiten der einzelnen Exemplare und vor allem durch schwierige Herstellung exakter Schichtdicken sich als allzu unhandlich erwiesen haben, so haben wir nach einem handlichen und leicht reproduzierbaren Körper von dem Körpergewebe gleicher oder fast gleicher Zusammensetzung gesucht. Als Agregatzustand schien Flüssigkeit am geeignetsten, weil sie jede Schichtdicke leicht und exakt herzustellen gestattet, z. B. gleichzeitig in einem Gefäß mit stufen- förmigem Boden oder Dach, oder nacheinander durch Abfließenlassen aus einem graduierten Gefäß. Da nun die Körpergewebe fast ausschließlich und quantitativ überragend aus wässerigen Lösungen von Albuminsubstanzen (Albumine, Globumine, Albumosen) und aus dem Eiweiß nahestehenden Proteiden (Hämoglobin, Muzin) und Albuminoiden (Kollagen usw) bestehen, welche alle fast gleiche Zusammen-

setzung haben, so konnte eine entsprechend konzentrierte Eiweißlösung an ihre Stelle treten. Was das

entsprechende Verhältnis zwischen Eiweiß und Wasser anlangt, so schwankt der Wassergehalt der Gewebe des Körpers (v. Voit, „Handbuch der Physiologie“, und Cohnheim, „Physiologie der Verdauung“)

um 80°, Er steigt im embryonalen Organismus, in welchem Stützgewebe, Skelett und Fettgewebe |

zurücktreten, bis gegen 90°/, an und beträgt für den Muskel nach verschiedenen Bestimmungen 78—79°],. Der durchschnittliche Wassergehalt des Menschen ist mit 60°/, deshalb so niedrig, weil hier das uns nicht interessierende Skelett mitwiegt. Somit schien eine 20°/,-EiweiBlésung gut verwendbar. Sie wurde durch Eindampfen von Hühnereiweiß oder Lösung von Albumen ovi siccum officinale bis zum spezifischen Gewicht von 76 hergestellt. In diese wurden schichtgleiche Stücke Bakelith, Ebenholz usw. eingetragen und röntgenographiert.

Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XXIII. 34

Fig. 1, mit Distanz- Fig. 2, ohne Distanz-

266 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 8.

Alle bisherigen Versuche sind „mit Distanzverlust* (Dispersionsverlust) gemacht und dies geschah mit der Begründung, daß man dadurch sogleich die dem Körper wirklich ver- abreichten, nicht nur durch Absorption, sondern auch durch Distanz verminderten Dosen er- hält. Dazu ist nun zu sagen, daß dies nur dann zutrifft, wenn man den Körper in die- selbe Fokusdistanz bringt, in der das Phantom war. Nun wird dieselbe in Praxis meist nicht eingehalten, und daher ist eine mehr oder minder komplizierte Umrechnung nötig, um die in der Tiefe des Körpers tatsächlich absorbierten Mengen zu erfahren, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß durch den Distanzverlust sowohl die Beurteilung der Qualität (Härte, Homogenität), als auch der Absorption erschwert wird, da die Verminderung der Strahlenmenge durch Ab- sorption immer vermengt ist mit jener durch Distanzverlust und häufig zu Verwechslungen Anlaß gibt.*)

Arbeitet man ohne Distanzverlust, so sind die abgelesenen Tiefendosen als ein Optimum aufzufassen, dem man sich durch größer werdende Fokusdistanzen beliebig nähern kann. Die wirklichen Tiefendosen im Körper sind also immer kleiner; man weiß aber, was man bei der gegebenen Strahlung durch größere Fokusdistanz höchstens erreichen kann und hat dadurch eine Beurteilung, ob und inwiefern es einen Sinn hat, die zufällig gewählte Fokusdistanz zu erhöhen. Außerdem bieten die Daten ohne Distanzverlust den Vorteil, daß dadurch eine ob- jektive Vergleichsbasis für verschiedene Röhren, Betriebe, Anordnungen usw. geschaffen ist.

Diese obigen Gründe und hauptsächlich der der leichteren und klareren Beurteilung der Qualität und Quantität der Strahlung einer Röhre, also, wenn man es nur mit dem Vergleich verschiedener Instrumentarien zu tun hat, der ja offenbar völlig unabhängig von der gewählten Distanz ist, haben uns bestimmt, ohne Distanzverlust zu arbeiten und sogar den kleinen Genauigkeitsfehler, der von der Glasstrahlung herrührt, in den Kauf zu nehmen. Wahrschein- lich beträgt dieser Fehler kaum 1°/,, da die ganze vorhandene Glasstrahlung nur mit 4°/,°) angenommen wird. Daß auch keine anderen gröberen Fehlerquellen in dieser Versuchsanord- nung stecken, beweisen am besten die Versuche, welche ergeben haben, daß gemessene Kurven mit Distanzverlust nach Abrechnung des letzteren gemessenen Kurven ohne Distanzverlust gleich sind. Würde man dagegen bei den Phantomen mit Distanzverlust bleiben, so müßte man jedenfalls die Distanz stets angeben, bei beabsichtigtem Vergleiche umrechnen oder aber ein- heitlich und immer gleich wählen. Dem letzteren Bedürfnisse trägt anscheinend die in der letzten Zeit häufig gewählte und angegebene Distanz von 22 cm Rechnung. All diesen Schwierigkeiten weicht man aus, und tut schließlich nichts anderes als die Wahl einer immer gleichen Distanz, wenn man die Phantome ohne Distanzverlust baut. Denn die Werte, die sie geben, entsprechen dann einer unendlichen Distanz. Diese Versuchsanordnung ist fernerhin auch leichter und rascher, sicherer und exakter reproduzierbar, als eine solche mit einer ver- einbarten immer gleichen endlichen Distanz, denn die Aufstellung der Röhre in z. B. 22 cm erfordert jedesmal einige Mühe und ist wegen der Unsicherheit der Fokuslage innerhalb der Röhre oft fehlerhaft; bei den Modellen ohne Distanzverlust ist die Fokusdistanz gleichgültig

1) So wird der von Christen eingeführte Dosenquotient, der „Quotient“ aus Tiefendosis und Ober- flächendosis, in der Praxis vielfach dadurch mißbräuchlich und fehlerhaft verwendet, daß er aus den Kurven entnommen wird, welche mit Phantomen mit Distanzverlust gewonnen wurden. So rechnet GauB- Lemke (Röntgentiefentherapie 1912) zum Beispiel S. 36 die Differenz zwischen den Kienböck-Zahlen in verschiedenen Tiefen als Absorption in der Zwischenschichte und dem Quotienten zweier solcher Differenzen nennt er Dosenquotient im Christenschen Sinn. Nun ist aber die Differenz der beiden Kienböck-Zahlen nicht nur durch Absorption, sondern auch durch Distanz hervorgerufen und der wirkliche Dosenquotient würde größer sein. Es handelt sich also um eine andere Art von Dosen- quotienten, auch verwendbar, aber vom Christenschen streng zu trennen und jedenfalls nicht ohne weiteres wie der Christensche, und zwar nicht ohne Angabe der Distanz zu gebrauchen, bei der er gewonnen ist. Die mit den Phantomen ohne Distanzverlust erhaltenen Werte erlauben dagegen die all- gemein gültigen Dosenquotienten zu bilden.

2) Grossmann, Grundprinzipien der Dosimetrie, Fortschritte, Band XXII.

XXIII, 3. Grann, Prinzipielles über die Selenzelle als Mittel zur Messung der Réntgenstrablen. 267

für alle Qualitätsfragen, jede aus freier Hand hergestellte ist gut; für Quantitätsfragen braucht man nur die freigewählte abzumessen, aber es muß nicht eine bestimmte hergestellt werden. Auch wenn man bei einem bestimmten Meßinstrumente, zwecks Benutzung des feinsten Meß- bereiches eine von der vereinbarten Distanz abweichende zu wählen gezwungen ist, fällt die Umrechnung in Qualitätsfragen weg, in Quantitätsfragen ist sie einfacher. Bei Prüfung der Absorptionskraft von Materialien ist überhaupt nur die Anordnung ohne Distanzverlust zulässig, weil in der Differenz sonst wechselnde vom Distanzverlust herrührende Anteile enthalten sind.

Nachdem wir somit den Körper hinsichtlich seiner Absorption und Lage zum Fokus durch ein nach den obigen Gesichtspunkten geeignet gewähltes Phantom ersetzt haben, haben wir als Ersatz für die Körperreaktion das Fürstenausche Intensimeter (Selenzelle) benützt. Wie viel auch gegen diese noch zu sagen ist und auch von anderer Seite gesagt werden wird!), unter einer Reihe noch näher auszuführender Kautelen?) angewandt, scheint es doch zurzeit den technischen Zwecken, die wir einleitungsweise vorausgesetzt haben, am besten zu genügen. Die Gesamtanordnung ist wegen ihres Zusammenhanges mit den obigen Kautelen in der Mit- teilung von R. Mayer?) enthalten.

Zusammenfassung. Die technische Verbesserung des Therapielichtes bedarf notwendig guter physikalischer Lichtprüfmethoden. Die bisherigen waren unge- nügend. Es werden die Fehler der üblichen Lichthärte- und Lichtstärkemesser, sowie der Körperphantome aufgezeigt und eine aus Selenintensimeter und Eben- holzkörpermodell bestehende Einrichtung vorgeschlagen.

m m ee. m mn nn nn [M

Prinzipielles über die Selenzelle als Mittel zur Messung der Röntgenstrahlen. Von |

Richard Grann, physikalischer Mitarbeiter.

Die Versuche, die Eigenschaft des Selens, unter dem Einfluß der Röntgenstrahlen seine elektrische Leitfähigkeit zu ändern, zur Messung von Rönigenstrahlen heranzu- ziehen, sind wieder aufgenommen worden.

Will man nun einen genauen Überblick über die Aussichten mit Hilfe der Selenzelle ein einwandfreies Maß für Röntgenstrahlen nach irgendeiner Richtung hin, sei es Intensität, Dosis, Härte oder was man an ihnen messen will, zu bekommen, so ist es unerläßlich, zunächst den physikalischen Vorgang, der bei dieser Messung benützt wird, näher zu betrachten und seine Eigenschaften zu untersuchen, dann auf die seit langer Zeit vielfach versuchte Ver- wendung des Selens zum Zwecke der Photometrie näher einzugehen und die dabei erzielten Ergebnisse zu beurteilen (denn die Änderung der Leitfähigkeit des Selens tritt auch unter ge- wöhnlichem Licht ein) und schließlich unter vorsichtiger Rücksichtnahme auf die wesentlich ver- schiedenen Verhältnisse zu überlegen, ob die Möglichkeit besteht mit einiger Sicherheit irgend eine der physikalischen Größen, die einer Röntgenstrahlung zukommen und deren Ermittlung, bekanntlich bedeutende Schwierigkeiten macht, zu messen.

Das Selen, ein Element von Berzelius 1817 entdeckt, Atomgewicht 78,87, spez. Gewicht 4,2—4,8, kommt in verschiedenen Modifikationen vor, nämlich als rotkristallinisches, grau- kristallinisches und als amorphes Selen. Die zu Meßzwecken wiederholt herangezogene Eigen- schaft, mit verschiedener Beleuchtungsstärke seinen Leitwert zu ändern, besitzt nur das grau- kristallinische Selen; dieses selbst kommt wieder als weiches und hartes Selen vor; von den abweichenden Eigenschaften dieser beiden Arten des graukristallinischen Selens soll noch weiter unten die Rede sein.

1) Siehe die folgende Arbeit. 2) Siehe die zweitfolgende Arbeit. 34*

> en =

268 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

Um die Beeinflussung der Leitfähigkeit des Selens durch Lichtschwankungen zu zeigen, genügt im wesentlichen eine sehr einfache Anordnung: man stellt eine sogenannte Selenzelle her, das ist eine dünne Schicht Selen zwischen zwei Metallen, die in Scheiben, Drahtform oder anderer Form sein können und schaltet in den Stromkreis einiger Trockenelemente (10—20 V.) diese Selenzelle und ein Strommeßinstrument, etwa ein Milliamperemeter; die Zelle hat je nach Form und Größe der Selenschicht einen gewissen Widerstand in der Größenordnung von 10,000 bis 500,000 Ohm; auch im Dunkeln leitet nämlich das Selen; es hat da den sogenannten „Dunkelleitwert“, läßt mithin einen gewissen Strom durch. Beleuchtet man die Zelle, sei es mit Licht, sei es mit Röntgenstrahlen, so wird ihre Leitfähigkeit zu-, ihr Widerstand als dessen

reziproker Wert abnehmen und das Milliamperemeter einen größeren Strom zeigen als zuvor.

Die beobachtete Erscheinung ist ein photoelektrischer Effekt, während z. B. die Schwärzung der Bromsilberplatte, oder eines lichtempfindlichen Papiers ein photochemischer Effekt ist; ob- wohl wir heute sicher wissen, daß die Wellenlänge einer Röntgenstrahlung mittlerer Härte ganz außerordentlich verschieden ist von der Wellenlänge sichtbaren z. B. violetten Lichtes, welches die kürzesten Wellen im sichtbaren Spektrum aussendet und eine Wellenlänge von 0,0004 mm = 4,10 ° cm hat, während diejenige von mittleren, eher weichen Röntgenstrahlen einer Platinlinie z. B. 1,1.10 ® cm, also nur 1/3600 von jener beträgt, sind doch die Er- scheinungen derart dieselben, daß wir annehmen müssen, daß die Energieumwandlungen, die zum Schluß die beobachtete Wirkung, sei es Leitfähigkeitsänderung, sei es Schwärzung hervor- rufen, bei Licht- und Röntgenstrahlen im wesentlichen gleichen Verlauf haben. Und da wir es mit einem photoelektrischen Effekt zu tun haben, so ist bekannt, daß derartige Erscheinungen außerordentlich geeignet sind, sehr kleine Energiemengen, die in Gestalt von Lichtstrablen aus- gesandt werden, anzuzeigen, sei es, daß die Intensität der Strahlung gering ist, sei es, daß die Dauer der Lichteinwirkung sehr kurz ist, daß aber der photoelektrische Effekt bisher, wenn er zu Meßzwecken versucht werden sollte, große Schwierigkeiten gemacht hat, insbesondere dann, wenn es sich darum gehandelt hat, ein absolutes Maß der Lichtmenge zu gewinnen.

Das absolute lichtelektrische Photometer von Elster und Geitel stellt einen erzuch dar, den photoelektrischen Effekt zu Messungen zu benützen.

Die eingehendsten Arbeiten über die rein physikalische Frage der Lichteinwirkung auf das Selen rühren wohl von N. Hesehus her’). Die ausführlichste Besprechung aller in Frage kommenden Vorgänge enthält das Buch von Chr. Ries?).

Vom wesentlichen Interesse ist dabei die Feststellung der Ursache der Änderung der Leitfähigkeit bei Beleuchtung. Es bestanden zwei Theorien für die Erklärung dieser Erscheinung: Es tritt eine allotropische Dissoziation ein, das heißt, das Selen geht bei Be- strahlung über in eine andere, besser leitende Form. Von Hesehus in seiner 2., 3. und 4. Arbeit aufgestellt und begründet. Die andere Ansicht ging dahin, daß sich an der Berührungs- stelle des Selens mit den metallischen Elektroden Selenide, also Verbindungen des Metalls mit dem Selen bilden, welche an dieser Berührungsstelle besser leitende Verbindung herstellen °’). Pfunds Versuche haben bewiesen, daß die letztere Theorie nicht richtig ist; durch An- wendung von Metallen als Elektroden, welche mit dem Selen keine Verbindung eingehen, sowie durch Nichtbestrahlen der Kontaktstelle wurde gezeigt, daß die Leitfähigkeit, da sie auch dann auftritt, nicht von Seleniden herrühren kann. Außerdem besteht die neuere elektronische Auf- fassung nach Pfund-Ries‘). Sie nimmt an, daß die Lichtschwingungen als Resonanzerscheinung:

1) 1., 2. und 3. Aufsatz im Jahrb. der Russ. Phys. Ges. 1883; 4. Aufsatz ebd. 1884; 5. Aufsatz ebd. 1903; 6. Aufsatz Phys. Zeitschr. 7, S. 163, 1906. `

2) Ries: Die elektrischen Eigenschaften und die Bedeutung des Selens für die Elektrotechnik, Berlin 1913, mit vollständigen Literaturangaben bis inkl. 1912, die ausführlichste zusammenfassende Dar- stellung.

3) Bidwell Phil. Mag. 40, S. 233—256, 1883. Pfund, A study of the Selenium cell. Phil. Mag. 37, S. 26, 1904. Berndt: Einige Beobachtungen an Selenzellen, Phys. Zeitschr. 5, S. 121, 1904.

4) Pfund, Phys. 2, 10, S. 340, 1909.

XXIII, 3. Grann, Prinzipielles über die Selenzelle als Mittel zur Messung der Röntgenstrahlen. 269

eine Elektronenauslösung im Selen bewirken, wodurch eine größere Zahl von Trägern für den Stromtransport zur Verfügung steht und erhöhte Leitfähigkeit entsteht. Außerdem bestanden und bestehen noch eine Anzahl anderer Auffassungen.

Von Ruhmer wurden Versuche angestellt, um die Abhängigkeit elektrischen Leit- vermögens bei verschieden starker Beleuchtung festzustellen.

Ist m = C—C,/C, = r,—r|r (weil C=1/r) das Verhältnis von Änderung der Leitfähigkeit: Leitfähigkeit im Dunkeln, also ohne Bestrahlung, was gleichbedeutend mit: Änderung des Widerstandes: Widerstand bei einer gewissen Beleuchtung, und ist m’ dieselbe Größe für vierfache Beleuchtung, so verhält sich bei kleinen Beleuchtungsstärken z, B. 4 Lux ... 16 Lux, (1 Lux

== 1 Normalkerze in 1m Abstand), m:m’= 1:4 angenähert, das heißt, auch die Leitfähigkeit

wird bei vierfacher Beleuchtung viermal so groß, während bei starker Beleuchtung m: m’ = 1: 1.3 oder 1:1:1 sich verhält (bei 20000 bis 80000 Lux z. B.). Die Lichteinwirkung strebt eben, wie ja gar nicht anders zu erwarten ist, mit zunehmender Beleuchtungsstärke einem Grenzwert, einer Sättigung zu, und es sagt dies auch gar nichts gegen die Verwendbarkeit des Selens zu Messungen, wenn man nur so hohe Lichtstärken vermeidet, daß die Änderungen der Lichtstärke keine genügende Änderung der Leitfähigkeit mehr bewirken, um diese letztere gut beobachten zu können. Die nicht proportionale Teilung der Intensitätsskala auf dem- Milliamperemeter ist ‚dadurch offenbar hinreichend begründet.

Wie schon erwähnt, gibt es hartes und weiches Selen; der Unterschied rührt von der Herstellung her; die Höhe der Erhitzungstemperatur und mehr oder weniger rasche Abkühlung sind von Bedeutung für die Eigenschaften. Dabei sei bemerkt, daß die richtige Abkühlung und das Einhalten der Temperatur schwierig ist und gute Selenzellen nur von wenigen Firmen nach ganz bestimmten Verfahren hergestellt werden. Es ist weiches Selen für kleine, hartes

für große Beleuchtungsstärken besser geeignet m = C—C,/C, = r'o r/r >1 bei weichem,

<_"/, bei hartem Selen. Für weiches Selen gilt etwa die Formel i = a(b" 1), worin a = 5, b = 2 als Beziehung zwischen Beleuchtung und Widerstandsverhältnis. Die Lichtnachwirkung im Selen wurde schon früh beobachtet?); nach Hesehus ist sie vollkommen analog einer elastischen Deformation. Die Dauer der Rückkehr zum ursprünglichen Zustand hängt von der Dauer ‘der Einwirkung ab. Die Nachwirkung im harten Selen ist größer als im weichen. Man kann kurz sagen, daß die Leitfähigkeit, die das Selen unter Bestrahlung erlangt, von der Größe einer früher erhaltenen Leitfähigkeit beziehungsweise Bestrahlung und von der seit derselben ver- flossenen Zeit abhängig ist, praktisch in gewissen Grenzen natürlich. Daß unter Umständen mehrere Minuten nicht hinreichen, um die Nachwirkung verschwinden zu lassen, zeigen einige Kurven von Carpini?). Die Kurven erinnern an die Hysteresiskurve des Eisens; natürlich ist nur die eine Schleife vorhanden. Die Trägheit, die dem Leitendwerden des Selens auch sich zugesellt, ist von der Nachwirkung zu unterscheiden und besteht dem Wesen nach darin, daß eine gewisse Zeit nötig ist, bis die einer bestimmten Strahlung zugehörige Leitfähigkeit sich einstellt. Daran ist weiter nichts Auffallendes. Eine ähnliche Erscheinung tritt, allerdings in weit ge- ringerem Maße, auch bei der Magnetisierung des Eisens, wo bei Ummagnetisierung der soge- nannten Eisenverlustwinkel (ein zeitlicher Phasenwinkel) besteht zwischen felderzeugendem Strom und magnetischem Feld bei einem Eisenkörper; bei einer Meßanordnung mit Selenzelle wird sie gemeinsam mit der Trägheit des zur Messung des die Selenzelle durchfließenden Stromes dienenden Milliamperemeters zur Geltung kommen, und da die Röntgenröhre nicht mit kontinuierlicher Strahlung, sondern in Impulsen leuchtet, wird die Trägheit bei ver- schieden rasch aufeinanderfolgenden oder verschieden geformten Impulsen in Betracht kommen können.

1) Sallet 1873, Hesehus 1. Arbeit. S. Kalischer, Wied. Ann. 31, S. 101, 1887. Ruhmer, Phys. Zeitschr. 3, 468, 1902. *) Über den photoelektrischen Effekt am Selen Phys. Zeitschr., 7, 1906, S. 306.

| | |

270 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

Schließlich wäre noch zu bemerken, daß der Widerstand des Selens von der Temperatur selbstverständlich beeinflußt wird und zwar steigt der Widerstand beim weichen Selen mit zu- nehmender Temperatur. Es ist im übrigen bekannt, daß die verschiedenen Modifikationen des Selens teils positiven, teils negativen Temperaturkoeffizienten haben. Die Wirkung anderer Strahlen als Lichtstrahlen auf Selen behandelt v. Aubel’), speziell Röntgenstrahlen Atha- nasiadis °). |

Ähnliche Eigenschaften wie das Selen zeigen auch andere Körper: Tellur, Antimonit, Schwefelsilber®). Damit wären ganz kurz und oberflächlich die wichtigsten Eigenschaften des Selens vom physikalischen Standpunkt erwähnt und wir können darangehen, die Anwendbarkeit - dieses photoelektrischen Effektes zu Meßzwecken zu betrachten. _

Es war naheliegend, die Eigenschaft eines Körpers beim Einfallen von Lichtstrahlen seine elektrische Leitfähigkeit in sehr bedeutendem Maße zu ändern, eine Erscheinung, die sich mit den zur Verfügung stehenden Meßinstrumenten leicht und einwandfrei verfolgen läßt, zur Messung der Lichtstärke von Lichtquellen zu verwenden; besonders bestechend war auch die Einfachheit und Bequemlichkeit gegenüber anderen Anordnungen, die zur Photometrie dienten.

Es ist an dieser Stelle nötig, das Verhältnis von „Photometrie“ zur Strahlen- messung festzulegen. Lichtquellen und Röntgenröhren senden Strahlen aus, wenn auch sehr verschiedener Art; warum sollte man keine oder nur ganz wenige der sehr zahlreichen Erfolge, die auf dem Gebiete der Photometrie erzielt wurden, auf die Röntgenstrahlenmessung über- tragen und daraus Vorteil ziehen können? Da ist vor allem zu bedenken, daß die Röntgen- strahlen direkt einer sinnlichen Wahrnehmung nicht zugänglich sind und man versteht daher unter Flächenenergie und unter Intensität der Flächenenergie pro Zeiteinheit, eine Energie- menge, die durch eine Fläche hindurchtritt, unter Dosis wieder eine Energiemenge, nämlich die, welche in einem bestimmten Körper „stecken bleibt“, d. h. in andere Energieformen um- gewandelt wird. Die Réntgenstrahlen selbst sind nicht wahrnehmbar, Energiemengen sind es auch nicht, daher sind wir genötigt, als Maß für Flächenenergie und Dosis die durch absorbierte Energiemengen hervorgebrachten chemischen Veränderungen irgendwelcher Art oder sogenannte Effekte heranzuziehen, was die Messung schwierig und umständlich gestaltet.

Bei Lichtmessungen ist das anders; wir haben zweierlei Wege: erstens können wir in Kenntnis der Tatsache, daß jede Lichtquelle in Form von Strahlen Energie aussendet, diese Energie als das Wesentliche dieser Strahlung betrachten und physikalisch exakt mit Bolometer, Radiometer oder dergleichen messen, oder aber, es interessiert uns die Helligkeit der Licht- quelle, also die Größe der durch sie auf das Auge hervorgebrachten Wirkung und wir photo- metrieren, das heißt, wir vergleichen ihre physiologische Wirkung mit derjenigen einer anderen Lichtquelle, welche wir als Einheit festsetzen und jederzeit leicht wiederherstellen können oder einer Lichtquelle, deren Größe wir als Vielfaches der gewählten Einheit bestimmt haben und die sich nicht ändert; dabei ist zu bemerken, daß wir nur Lichtquellen gleicher Farbe miteinander vergleichen können, wenn wir nicht ein gänzlich vom Auge des Beobachters und dessen Farbensinn abhängiges, daher völlig belangloses Ergebnis erhalten wollen; und wir wissen auch, daß zwar einer für das Auge größeren Lichtintensität einer und derselben Farbe auch eine größere Energiemenge der Strahlung entspricht, daß aber bei verschiedenen Farben das Auge manche Lichteindrücke stärker empfindet und andere wieder gar nicht wahrnimmt, obwohl man physikalisch durch Messung feststellen kann, daß z. B. helles, gelbes Licht geringe Energiemengen darstellt und das Auge stark erregt, während violettes Licht vergleichsweise sehr große Energiemengen enthält und wenig oder ultraviolettes gar nicht wahrgenommen

1) Compt. rend. 136, 8. 929, 1908, Phys. 2, 4, 808, 1908. Uber den Einfluß der radioaktiven Körper auf die elektrische Leitfähigkeit des Selens; Beibl. 1903, Nr. 11.

2) Ann. d. Phys. 27, S. 890, 1908. Wirkung der Röntgenstrahlen auf den elektrischen Widerstand des Selens.

*) Chr. Ries: Das Licht, Bidwell 1909. Proc. Phys. Soc. London U. P. III. 167.

FI’ e

XXIII, %. Grann, Prinzipielles über die Selenzelle als Mittel zur Messung der Röntgenstrahlen. 271

wird. Das Auge wird eben nur von Wellenlängen beeinflußt, die etwa eine Oktave umfassend, von 0,000 76 bis 0,0004 mm sich erstrecken, und von dem mittleren Gebiet dieser Oktave am stärksten. Die photographische Platte entspricht in ihrer Schwärzung schon besser den im

Licht enthaltenen Energiemengen, aber auch nicht überall. Bei Lichtmessungen ist natürlich

nur die physiologische Wirkung, die Helligkeit, von Bedeutung und wir vergleichen Licht- quellen einfach miteinander. Diese Art ‘der vergleichenden Photometrie können wir mit Röntgenstrahlen nicht nachahmen; denn wir nehmen eben die Strahlen nicht unmittelbar wahr und selbst, wenn das der Fall wäre, so hätten wir derzeit keine konstante Einheit, auch keme Vergleichslichtquelle!), denn diese müßte eine Röntgenröhre sein und sie müßte von einem Apparat betrieben werden. Der Zustand dieser Röhre wäre aber nicht dauernd der gleiche und damit auch ihre Strahlung nichts Konstantes und damit vom einem Mal zum andern nicht ohne weiteres wiederherzustellen, ganz abgesehen von der Inkonstanz der Apparate und der Schwierigkeit, Röhren als „Normalröhren® zu Vergleichszwecken nur annähernd gleich herzu- stellen, während man leicht Glühlampen erzeugt, die schonend verwendet, bei einer bestimmten Spannung mit Gleichstrom, der ja überall in gleicher Art vorhanden ist, betrieben, dieselbe Vergleichslichtstärke von z. B. 16 Normalkerzen in stets gleicher Farbe wiederzugeben ge- statten, mit der dann eine unbekannte Lichtquelle gleicher Farbe mit Hilfe einer geeigneten Anordnung (Photometerbank) verglichen werden kann.

Wir haben also festgestellt, daß uns derzeit keinerlei Mittel zu Gebote stehen, relative Messungen an Röntgenstrahlen vorzunehmen, in dem Sinn, wie es eine relative Photometrie gibt, nämlich unter Anwendung von Vergleichslichtquellen, einfach aus dem Grunde, weil solche für Röntgenstrahlen bisher nicht hergestellt werden können.

Wir betrachten nun die Brauchbarkeit des Selens für absolute Lichtmessungen, also ohne Anwendung einer Vergleichslichtquelle, denn bald nach der Aufdeckung des photoelektrischen Effektes am Selen?) wurden große Anstrengungen gemacht, mit demselben ein absolutes Maß der Lichtstärke zu gewinnen; dies hatte aber zur Voraussetzung, daß die Änderung der Leitfähigkeit parallel vor sich geht, mit der Beeinflussung der Netzhaut und diese Voraussetzung traf nicht zu.

Diesbezügliche ältere Veröffentlichungen sind:

Rolls Photogr. News, S. 407, London. Siemens Poggendorfs Ann. 156, S. 334, 1875. Siemens Poggendorfs Ann. 159, S. 117, 1876. Siemens Dingler Polyt. J. 217, S. 61, 1875. Siemens Wied. Ann. 2, S. 521, 1877.

Im wesentlichen bestehen die dort verwendeten Anordnungen aus nichts anderem, als schon ein- gangs als Meßanordnung beschrieben wurde; nur gewisse Abweichungen in der Art, wie das Licht die Selenzelle trifft u. dgl. wurden versucht; neue Versuche sind:

Torda, Electr. 56, 1042, 1906. Elektrot. Zeitschr. 729, 1906. Buckney u. Jones, Electrician 60, 211, 1907. Presser, Elektrot. Zeitschr. 1907, S. 560, 571, 708.

» D. R. G. M. 312 022, 408286, D. R. P. 219574, 1909. Pfund, Phys. Zeitschr. 13, 507, 1912.

Wichtig ist jedoch die Feststellung, daß Siemens nach mehrjährigen Bemühungen, die Versuche, ein absolutes Selenphotometer herzustellen, wieder aufgab. Im übrigen möge im folgenden eine Stelle aus Uppenborn-Monasch, Lehrbuch der Photometrie, 1912, XIV. Kap., Selenphotometrie S. 327, wiedergegeben werden:

Siemens hatte schon gefunden, daß der elektrische Widerstand einer Zelle von so viel bekannten und unbekannten Faktoren abhängt, daß eine einwandfreie Messung auf diesem Wege nicht erreicht werden kann. Hauptsächlichen Einfluß auf den Zellenwiderstand haben außer Beleuchtungsstärke, Tempe-

me nn

') Vergleich mit einer Radiumstrahlung wäre, was ihre Konstanz betrifft, möglich, aber die Art der Strahlung verschiedener Röhren in verschiedenen Härtezustand ist nicht viel anders zu beurteilen, als eine Verschiedenheit in der Farbe.

2) Sale Proc. Roy. Soc. 21, S. 283, 1873. Smith, Amer. Journ. of Science 5, S. 301, 1873.

u i |

272 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

ratur und Feuchtigkeitsgehalt, Dauer der Beleuchtung und ihre Stärke und Dauer der Beleuchtung, welche der Messung vorhergegangen ist. Es gehen sehr störende Veränderungen des Zellenwiderstandes im Laufe der Zeit vor sich, diese Veränderungen sind unter Umständen bei Zellen mit verhältnismäßig niederem Widerstand so bedeutend, daB der Widerstand im Laufe einiger Wochen auf ein Vielfaches des ursprünglichen Anfangswiderstandes steigen kann’). Sehr unübersichtlich werden die Verhältnisse außerdem dadurch, daß sich die einzelnen Zellen je nach der Temperatur, bei welcher sie hergestellt werden und der Erhitzung bei der Herstellung ganz verschieden verhalten, denn das Selen der Selenzelle stellt ein Gemisch zweier Selenmodifikationen dar, die durchaus verschiedene physikalische Eigenschaften zeigen. Die eine Modifikation hat positiven Temperaturkoeffizienten, die andere negativen. Auch mit der Größe der zur Messung benutzten Spannung ändert sich, wie Adams zuerst gezeigt hat, der Selen- widerstand in weitgehendem Maße®). Daher ist Prüfung der Batteriespannung nötig (wie auch bei. dem Intensimeter für Messung von Röntgenstrahlen von Fürstenau angewendet), ebenso ist er abhängig von der Stromrichtung (Siemens).

Es ist nicht möglich, bei Lichtmessungen das Auge durch rein physikalische Ein- richtungen zu ersetzen, wenn man absolute Werte der Lichtstärke messen will; es ist nicht zu- lässig, aus der Wirkung der Lichtstrahlen auf irgendeine Substanz auf Lichtstärke zu schließen, denn die Wirkungen verändern sich in Abhängigkeit von der Wellenlänge des Lichtes bei den Selenzellen und dem Auge in verschiedenem Maße. |

Für relative Messungen, also mit Vergleichslichtquelle, ist es gelungen, die Selenzelle in Ver- bindung mit oft recht komplizierten Mechanismen brauchbar zu machen Dadurch, daß in sehr kurzen Zeitabständen die Zelle bald von einer, bald von der anderen Lichtquelle, beide natürlich von gleicher Farbe und gleicher Art, z. B. zwei Glühlampen, zwei Bogenlampen, beeinflußt, und die Entfernung der einen so lange geändert wird, bis der Wechsel der Bestrahlung mit beiden Lichtquellen keine Änderung in der Leitfähigkeit des Selens zur Folge bat, wird dessen Inkonstanz ausgeschaltet.

Die neueste Arbeit über das Selen und seine Verwendung zur Photometrie (W. Jaenichen, Berlin 1914, Diss.) kommt zu dem Schluß, daß an den schon erwähnten Fehlern auch keinerlei Verbesserungen etwas haben ändern können.

Der Leitwert ist eine recht unbeständige Größe und es entspricht keineswegs einer beliebigen Be- leuchtungsstärke zu jeder Zeit der gleiche Leitwert; es ist unmöglich, aus der einfachen Messung des Leitwertes genaue Rückschlüsse auf die Beleuchtungsstärke zu ziehen.

Bei der absoluten Messung, wo die Zellen selbst MeBmittel sind (und diese kommt ja für uns in Betracht), gewinnen alle obigen für genaue Messung ungünstigen Eigenschaften des Selens Einfluß auf das MeBergebnis und seine Genauigkeit leidet darunter.

Die Lichtempfindlichkeit des Selens ist je nach der Farbe des zu messenden Lichtes verschieden, sie ist auch nicht bei allen Zellen gleich, meist findet man die größte Beeinflussung bei roten Strahlen (also nicht bei den chemisch wirksamsten, mit großem Energieinhalt). Daher rührt der Farbfehler des Selens und dieser hat zur Folge, daß man nur Lichtquellen einer Farbe vergleichen darf, auch weißes Licht nur mit solchem, das von annähernd gleicher Zusammensetzung ist.

Außerdem hat das Selen den Zeitfehler. Der Dunkelleitwert der Zelle ist sehr unbeständig und richtet sich nach der vorhergegangenen Behandlung der Zelle; die Eichung wurde aber bei einem be- stimmten Dunkelleitwert gemacht, der sich nachher ändert. (Ermüdung, Rückgehen des Zeigers.)

Bei einem Fürstenauschen Instrument geht der Zeiger beim Einschalten links unter 0 zurück und schlägt dort irgendwo an; würde er nicht anschlagen, so könnte man sehen, daß er nicht immer gleich weit zurückgeht, d. h. eben, daß der Dunkelleitwert sich ändert. Wenn dies ein Zeichen sein soll, da- mit das Instrument nicht eingeschaltet stehen bleibe, so ließe sich sagen, daß ein kleines Glühlämpchen, welches mit dem Instrument zugleich eingeschaltet wird, denselben Zweck erfüllen würde.

Die Ergebnisse von Jaenichens Versuchen nach dem Eichverfahren, d. h. also absoluten Messungen, ergaben den großen Zeitfehler von 100°). Der Verlauf der Kurve in seiner Gestalt ist gut wiedergegeben. Die Methode sei also geeignet, Lichtänderungen roh festzustellen, könne aber keine Meß- ergebnisse liefern.

Sonst zeigen sämtliche Meßergebnisse, daß genaue Resultate nach dem Eichverfahren, d. h. also im Gegensatz zum Vergleichsverfahren bei jenem, wo die Zelle bei irgendeinem Licht, hier bei irgendeiner Strahlung geeicht, und dann gemessen wird, ohne mit einer anderen Strahlenquelle zu ver- gleichen, als ausgeschlossen gelten können, wenn nicht die Zellen noch bedeutend verbessert werden. Nach dem bisher Erreichten sei dafür wenig Aussicht vorhanden.

1) Es soll in seltenen Fällen gelingen, wirklich konstante Zellen herzustellen; Ries l. c. erwähnt

eine solche, die 11 Jahre konstant blieb.: 3) Adams Proc. Roy. Soc. 23, S. 535, 1875, 24, S. 163, 1875.

XXIII, 3. Grann, Prinzipielles über die Selenzelle als Mittel zur Messung der Röntgenstrahlen. 273

Verwertung der Erfahrungen an der Selenlichtmessung auf die Selen-Röntgen- strahlenmessung.

Die Beobachtung, daß Selen von Röntgenstrahlen beeinflußt wird, machte zuerst Giltay?), die Verwendung zu Meßversuchen schlug als erster Himstedt?) vor.

Für die absolute Messung des Spektrallichtes hat sich das Selen wegen

1. seiner mangelnden Konstanz,

2. weil es die verschiedenen Wellenlängen weder entsprechend ihrer Energiemenge noch entsprechend ihrer Wirkung auf das Auge zur Anzeige bringt, nicht als brauchbar erwiesen.

Es ergibt sich nun die Frage: welche Folgerungen lassen sich aus obigen Erfahrungen für den Gebrauch der Selenzelle bei Messungen an Röntgenstrahlen ziehen?

Es soll gleich vorausgeschickt werden, daß man bei Messung von Röntgenstrahlen bei dem gegenwärtige Stande der Frage sich mit einer wesentlich geringeren Genauigkeit als sie bei der Photometrie infolge der hochentwickelten Methoden gefordert wird, wird begnügen können.

Unter Festhaltung der auf Seite 268 gemachten Annahme, bei der wir bleiben können, so lange nichts Näheres bekannt ist, nämlich, daß die Energieumwandlungen, die zum Schluß die beobachteten Leitfähigkeitsänderungen bewirken, bei Licht und Röntgenstrahlen im wesent- lichen den gleichen Verlauf haben, werden wir folgende Erscheinungen bei der Beurteilung des Selens in seiner Verwendbarkeit zu Messungen an Röntgenstrahlen ins Auge fassen müssen:

1. den „Farbfehler“,

2. den „Zeitfehler* (Ermüdung, innere Veränderung usw.),

3. Einfluß von Temperatur und Feuchtigkeit,

4. die „Trägheit“.

1. Da die Selenzelle vom gewöhnlichen Licht das rote (in der Regel) stärker anzeigt, als anderes, sowohl im Vergleich mit anderen Strahlungen, die dem Auge heller erscheinen, als auch mit solchen, welche größere Energiemengen führen (die Farbe des Selens gibt gar keinen Grund zur Vermutung, daß es etwa rotes Licht selektiv absorbieren würde®)), so ist es möglich, daß sie auch gewisse Wellenlängen der Röntgenstrahlen stärker anzeigen wird als andere, ob- wohl in ihnen geringere Energie enthalten ist, und auch von der Selenzelle absorbiert wurde; sie wird also möglicherweise gewisse Wellenlängen selektiv anzeigen, indem deren Energie eine andere Umwandlung erfährt, als die der übrigen, es wird mehr in Dissoziationsenergie, als in Wärme umgewandelt, im Vergleich zu anderen, und das ist um so wahrscheinlicher, als die Réntgenstrahlen einer gewöhnlichen Röhre mehr Wellenlängen als der Bereich des sicht- baren Lichtes, mindestens drei Oktaven gegen eine, umfassen. Wir werden also gut tun, mit der Selenzelle nur Licht von einerlei Durchschnittshärte zu vergleichen, und selbst das wäre un- sicher; denn wenn die eben erwähnte Eigenschaft besteht, so darf man komplexe Strahlungen gleicher Durchschnittshärte, wenn sie nicht gleiche Zusammensetzung haben, auch nicht mehr vergleichen, denn es könnte ein solcher selektiv wirkender Bestandteil in der einen vor- handen sein, in der anderen fehlen, und ersterer dadurch bevorzugt erscheinen.

Dabei brauchen wir die eigentliche selektive Absorption, wie man sie bei den Metallen hat, gar nicht in Betracht zu ziehen, diese soll übrigens beim Selen einer sehr weichen

1) Giltay, Nature 54, 109, 1896. Röntgenstrahlen und der Widerstand des Selens; ferner Perreau, Compt. rend. 129, 956, 1899.

2) Himstedt, Ann. d. Phys. 4, 531, 1901. Über einige Versuche mit Bequerel- und Röntgen- strahlen; ferner Bloch, Compt. rend. 132, 914, 1901 (Radiumstrahlen); Aubel, 1. c.; Athanasiadis, l. c.; Brown u. Stebbins, Phys. Rev. 25, 501, 1907; Dowell, Phys. Rev. 30, 474, 1910 (Erholung der Selenzellen nach Erregung mit X-Strahlen.

*) Man vergleiche z. B. die Kurven Pfunds, Phys. Zeitschr. 10, 340, 1909; auch Ries, Die elek- trischen Eigenschaften des Selens, S. 83.

Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XXIII. 85

d

274 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

Strahlung angehéren. Immerhin wiirde auch diese die Messungen weichen, nicht filtrierten Lichtes grob falschen (vgl. Holzknecht und Weissenberg, Zur technischen Strahlenmessung, hier, 8. 257).

2. Der Zeitfehler wird natürlich ebenso auftreten, wie bei Lichtmessungen und wird ver- hindern, daß in größeren Zeitabständen angestellte Messungen miteinander verglichen werden können, ganz wie früher erwähnt. Allerdings gibt Fürstenau für seine Zelle an, daß sie in Jahren konstant geblieben sei. Die Art der Feststellung dieser Konstanz wäre sehr mitteilenswert.

3. Einfluß von Temperatur und Feuchtigkeit werden sich geltend machen, wenn die Zelle nicht luftdicht eingeschlossen wird.

4. Vom Einfluß der Trägheit wird noch die Rede sein. |

Gehen wir nun über zur Verwendung der Selenzelle zu Messungen an Röntgenstrahlen in rein strahlungstechnischer Hinsicht, so müssen wir uns fragen: was kann die Selenzelle überhaupt messen? Haben wir von vornherein einen Grund, anzunehmen, daß sie Flächen- energie oder Intensität mißt? Durchaus nicht, denn es wird in der Zelle nur ein sehr geringer Teil der in der ganzen Strahlung enthaltenen Energie absorbiert, und wir haben daher nicht die mindeste Ursache anzunehmen, daß der zur Anzeige gelangende Teil der absorbierten Energiemenge mit zunehmender Härte, also abnehmender Wellenlänge gerade in dem Ver- hältnis größer wird, wie der in der Schicht absorbierte Bruchteil des ganzen Energie- inhaltes der Strahlung kleiner wird; denn nur dann würde nämlich auch in dünner Schicht Flächenenergie gemessen werden. Dies dürfte nun umsoweniger der Fall sein, als selektives Verhalten nicht nur bezüglich Absorption, sondern auch bezüglich Energieumwandlung und damit selektive Anzeige, nach den Verhältnissen beim Licht zu schließen, zu erwarten ist.

Deutlicher: wir haben eine bestimmte Röntgenenergiemenge E in verschiedener Härte ge- geben. Wir hätten einen Flächenenergiemesser, der die gesamte Energiemenge der Strahlung absorbiert und richtig zur Anzeige bringt: so und so viel Erg. wurden in einem gewissen Zeitraum aufgenommen. Es wird also diese Vorrichtung die verschieden harten Strahlungen von gleichem Energieinhalt ohne Rücksicht auf ihre Härte mit dem gleichen Betrage anzeigen. Wir hätten andererseits eine sehr dünne Schicht, und wären in der Lage, die in dieser Schicht absorbierten Energiemengen genau zu verfolgen und setzen diese der Reihe nach obigen Strahlungen von gleicher Flächenenergie und verschiedener Härte aus, so wird sie jedesmal etwas anderes zeigen, nämlich bei weichen Strahlen, mehr als bei harten in dem Verhältnis wie der Absorptionskoeffizient größer ist. Das ist dann ein ideales Dosimeter; im ersteren Fall maßen wir F, immer gleich, jetzt messen wir F= F,e **,dF=—aF,e-*"dx eine Größe, die bei sehr kleinen æ sich —aF,dx nähert, also proportional ist —aF, mithin sich von F, um einen konstanten Faktor und einen mit der Härte wechselnden Faktor unterscheidet. Daß man genau so, wie durch den Umstand, daß die Schicht, in welcher die Energieumsetzung erfolgt, nicht so dünn ist, sondern eine mehr oder weniger große Dicke haben kann, also die Vorrichtung einen beträchtlichen Anteil der Strahlung absorbieren, und damit die Dosis sich mehr oder weniger der Flächenenergie nähern kann, auch durch eine Art „selektiver Anzeige*, von welcher Ursache sie auch herrühren mag (Sekundärstrahlung z. B.) die Dosimeterwirkung dadurch, daß harte Strahlen mehr zur Anzeige gelangen als andere, bei ihnen also die Energiemessung in bevorzugter Weise stattfindet, und damit der Einfluß des Absorptionskoeffizienten als Faktor einigermaßen bei verschieden harter Strahlung aufgehoben wird, ausgleichen kann, ist durch- aus möglich und es sprechen Beobachtungen dafür. Aber daraus darf nicht ohne weiteres ge-

folgert werden, daß die Beziehung: angezeigte Energie A = pt7 besteht. Das wäre etwa so,

wie wenn man sagen würde: durch zwei Punkte kann man eine Gerade legen; also ist jede Linie, die diese beiden Punkte verbindet, eine Gerade ...

1) In dieser Formel bedeutet Fo die Flächenenergie zu Anfang, e die Basis des nat. Logarithmen- systems, & den Absorptionskoeffizienten, x die Dicke der absorbierenden Schicht.

XXIII, 3. Grann, Prinzipielles über die Selenzelle als Mittel zur Messung der Röntgenstrahlen. 275

Damit wären die Schwierigkeit und die Bedenken bei einer Verwendung der Selenzelle für Messung verschieden harter Röntgenstrahlung hervorgehoben und es soll darangegangen werden, die Brauchbarkeit des Selens für Messungen an Röntgenstrahlung einerlei Härte unter Nichtberücksichtigung der früher erwähnten Schwierigkeit, ob bei komplexer Strahlung gleiche Durchschnittshärte auch vom Selen immer als gleiche Härte aufgefaßt wird, zu unter- suchen.

Hat man zwei gleichartige Strahlungen in bezug auf ihre Intensität zu vergleichen, so kann man wohl nicht zweifeln, daB bei Vornahme der Messung in kurzem Zeitabstand und bei gleicher Temperatur und Feuchtigkeitsverhältnissen, also wenn der Zeitfehler nicht in Frage kommt und durch die Gleichheit der Härte der „Farbfehler“, hier „Härtefehler“ ohne- hin wegfällt, daß dann der größeren Strahlungsintensität die größere Angabe der Selenzelle zukommen wird, wenn, ja wenn nur die Strahlung konstant von der Röhre ausginge, diese also mit Gleichstrom betrieben wäre; nun geht aber der Strom stoßweise durch die Röhre,

ebenso wird die Strahlung stoßweise ausgesandt, in Impulsen von einer Kurvenform, die je _

nach der stromliefernden Apparatur sehr verschieden sein kann und unter Umständen von ver- schiedener Zahl pro Zeiteinheit.

Hätten wir Gleichstrom, beziehungsweise konstante Strahlung, so könnte man z. B. für eine gewisse Härte auf Entfernung eichen, hierauf mit der anderen Apparatur dieselbe Röhre betreiben, und sehen, welche Angaben in den gleichen Entfernungen wie früher auftreten, da würde man aber nicht viel anderes entnehmen, als man am Milliamperemeter ohnehin ablesen müßte; kommt aber die Kurvenform in Betracht, so kann man schon nur mehr Apparate ver- gleichen, die gleiche Kurvenform geben bei gleicher Tourenzahl des Unterbrechers. Kleine Unterschiede im Bau der Apparate, aber auch im Zustand des Unterbrechers können jedoch wesentliche Verschiedenheit der Kurvenform verursachen.

Und es besteht ein gewisser Verdacht, daß die Selenzelle flache Kurvenformen stärker anzeigt als steile, spitze Impulse, also den Gleichrichter gegen den Induktor bevorzugen würde. Es ist sehr schwer, dies einigermaßen einwandfrei zu erklären, denn wenn man auch ohne weiteres bei Gleichrichter und Induktor gleiche Durchschnittshärte erhalten kann, so ist es doch möglich, daß in der Strahlung des einen Wellenlänge stark vertreten sind, die in der des andern kaum vorkommen und die gerade die Selenzelle besonders stark beinflussen. Es kann also die Möglichkeit der selektiven Anzeige schuld sein, und wenn das der Fall wäre, dürften eben komplexe Strahlungen mit der Selenzelle, wenn sie nicht auch dasselbe an haben, nicht in Vergleich gezogen werden.

Wenn dies nicht der Fall wäre, könnte es noch immer eine andere isd dafür geben, daß der Gleichrichter bevorzugt erscheint; sie kann in einer Verschiedenheit der Kurvenform des Röhrenstromes und der ausgesandten Strahlungsintensität liegen.

Man kann zweierlei grundsätzlich verschiedene Arten des Vorganges, durch den Röntgen- energie zur Anzeige gelangt, unterscheiden. Die eine Art ist die, bei der die von einem Teil der absorbierten Energie erregten Veränderungen während einer gewissen Zeit fortlaufend summiert werden, das sind z. B. alle photochemischen Methoden, und das Bolometer (das Ionometer, wenn als- Dosimeter geschaltet, beruht nur scheinbar auf demselben Prinzip); ein- mal entstandene Veränderungen werden nicht mehr rückgängig und nach Verlauf einer ge- wissen Zeit wird eine Dosis angezeigt, dadurch, daß einzelne Teildosen sich zu einer Gesamt- wirkung vereinigt haben. Der Prüfkörper muß dann durch einen andern ersetzt, beziehungsweise regeneriert werden; anders bei jenen Instrumenten, die durch einen Zeigerausschlag die Inten- sität in einem bestimmten Augenblick anzeigen sollen. Diese beruhen darauf, daß durch die Bestrahlung in Selen oder in Luft oder irgendeinem Körper eine Leitfähigkeit hergestellt wird, irgendein Ausgleichszustand, auf dessen Erhaltung Energie verwendet werden muß; ein Teil der absorbierten Energie wird für Ionisierung oder für chemische Dissoziation verwendet; je weiter aber die Dissoziation getrieben wird, desto größer ist das Bestreben der Rückkehr in

35*

276 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

den normalen Zustand, und in Gestalt eines bestimmten Dissoziationsgrades entspricht einem gewissen Teil der absorbierten Energiemenge eine gewisse Leitfähigkeit.

Es bildet sich also ein Gleichgewichtszustand heraus, so wie einander bei einer Federwage Federkraft und Schwerkraft das Gleichgewicht halten, stehen Wirkung der dissozierenden Kraft und der rückbildenden Kraft bei einer bestimmten dissozierten Menge, also einer bestimmten Leitfähigkeit im Gleichgewicht; es würde bei der lonisierung auch dann, wenn wir die erzeugten Ionen nicht durch ein elektrisches Feld hindurch zum Stromtransport verwenden und so ent- fernen würden, die lonisierungsstärke nicht unbegrenzt wachsen, sondern - die zunehmende Re- kombination würde ihr ein Ziel setzen. Bei einer ionometrischen Messung in Dosimeterschaltung liegt nur scheinbar eine fortlaufende Veränderung nach einer Richtung vor, nämlich im elek- trischen Teil der Messung, indem der Kondensator oder das Meßinstrument fortlaufend entladen wird; was den lonisierungsvorgang betrifft, so bildet sich auch ein Gleichgewichtszustand heraus, der für die „Leitfähigkeit“ und damit für die Geschwindigkeit der Entladung maßgebend ist. Es ist klar, daß, wenn die Entstehung des Gleichgewichtszustandes durch eine in Impulsen wirkende Erscheinung hervorgerufen wird, man den zeitlichen Verlauf der Leitfähigkeits- änderung und Abhängigkeit von Impulsform und Zahl festzustellen wird suchen müssen, kurz zu ermitteln, „wie die Impulse integriert werden“.

Aufeinanderfolgende Impulse von verschiedener Kurvenform und -Anzahl werden in der Elektrotechnik gemessen; da über das Verhalten des Selens nach dieser Richtung hin nichts bekannt ist, wird sich eine kurze Betrachtung empfehlen über die Art, wie die elektrischen Instrumente die Impulse summieren. Wir haben im wesentlichen elektromagnetische, elektro- statische und Hitzdrahtinstrumente. Hitzdrahtinstrumente, wo Wärmewirkung des Stromes, ferner elektrostatische und jene elektromagnetischen Instrumente, bei denen sowohl am festen wie am beweglichen mit denı Zeiger verbundenen Teil die felderzeugende Wirkung des Stromes. zur Geltung kommt, oder eine gegenseitige Anziehung von Strom hervorgerufen wird, geben quadratische Mittelwerte, man erkennt dies leicht daran, daß sie die negativen Impulse auch im positiven Sinn anzeigen, also dazuzählen, also für symmetrischen Wechselstrom verwendbar sind; dagegen geben jene Instrumente, wo vom Strom nur die Anziehungskraft des einen Teiles geändert wird, einfache Mittelwerte, das sind die Drehspuleninstrumente, die man sonst für reinen Gleichstrom baut (wo ja der quadratische Mittelwert mit dem einfachen zusammen- fällt); auch die Milliamperemeter der Réntgentechnik sind solche Instrumente, sie sind kenntlich daran, daß die verkehrten Impulse nicht umgekehrt und summiert werden, sondern von den positiven subtrahiert werden. Auch die Milliamperemeter, die mit der Selenzelle zusammen- geschaltet werden, sind so gebaut; negative Impulse treten ja hier nicht auf.

Was für Mittelwerte gibt nun die Selenzelle selbst? Und was für Mittelwerte wollen wir messen? Beim Wechselstrom interessiert uns immer der quadratische Mittelwert und die Instrumente zeigen ihn auch an (weil sie meist nach demselben Prinzip anzeigen bzw. auch gebaut sind wie jene Vorrichtungen, in denen die Ströme wirklich zur Verwendung kommen).

Zeigt nun ein Instrument die Mittelwerte der Größe, die man braucht, so kann man ohne weiteres Ströme verschiedener Kurvenformen und Periodenzahlen (in gewissen Grenzen, damit nicht Nebenerscheinungen auftreten) damit messen und vergleichen, man mißt eben schon das, was man ermitteln will. Zeigt aber ein Instrument andere Mittelwerte, als die, welche man braucht, so darf man dieses Instrument immer nur für eine Kurvenform (nämlich analytisch gesprochen, Kurve desselben Gesetzes) verwenden; denn bei verschiedenen Kurven- formen verhalten sich die Mittelwerte der einen Art zu denen der anderen nicht gleich. Das Instrument müßte für jede Kurvenform eine andere Eichung haben. Haben wir z. B. zwei rein sinusförmige Wechselströme mit einem Instrument gemessen, welches quadratische Mittel- werte gibt, und wir wollen den einfachen Mittelwert kennen, so genügt es, zu sagen: beide

sind rein sinusförmig, also ist bei beiden der quadratische Mittelwert = Zu = 0.707

XXIII, 3. Grann, Prinzipielles über die Selenzelle als Mittel zur Messung der Röntgenstrahlen. 277

Höchstwert, der einfache Mittelwert = Höchstwert = 0.636 Höchstwert und das Verhältnis

quadratischer Mittelwert __ 0.707 _ ory pe : . ee ~—Snfacher Mittelwert ~ 0686 ~ 2-11 bei beiden; wobei 1.11 der Formfaktor des sinusférmigen

Wechselstromes ist. Wir kénnen auf der Skala des Instrumentes alle Zahlen durch 1.11 divi- . dieren und haben dann eine Teilung für Mittelwerte sinusförmiger Ströme; sind aber beide Ströme von verschiedener Kurvenform, so dürfen wir nicht dieselbe Skala verwenden, das ‚heißt nicht überall durch dieselbe Zahl dividieren. Die andere Kurvenform hat eine andere Eichung. |

Welche Mittelwerte interessieren uns nun bei der Strahlung von Induktor und Gleich- richter, die bekanntlich sehr verschiedene Kurvenform haben? Wenn laut der auf Seite 274 gemachten Voraussetzung jede Härte in gleicher Weise angezeigt wird, das heißt hier, in dem Maß, als von dieser Härte aus Gründen der Absorption weniger aufgenommen wird, wird von ihr ein größerer Bruchteil angezeigt, das heißt zur Hervorbringung der Leitfähigkeitsänderung verwendet, also trotz dünner Schicht reine Intensimeterwirkung angenommen, würde die Messung immer richtig sein, wenn die Selenzelle einfache Mittelwerte anzeigen würde; denn wir wollen den Mittelwert der Intensität der Strahlung kennen, und diese ausgesandte Röntgen- energiemenge ist ungefähr proportional dem Strom; wir können also etwa die Kurvenform des Stromes zugrunde legen, um einen ungefähren Anhaltspunkt zu haben.

Zeigt jedoch die Selenzelle irgendeinen anderen Mittelwert an, so wird sie einen Unter- schied machen zwischen Induktor und Gleichrichter; das heißt, die Mittelwerte, die wir brauchen, werden aus den vom Selen angezeigten nicht durch Multiplikation mit demselben Faktor zu gewinnen sein. Und die verschiedenen Faktoren, beziehungsweise ihr Verhältnis kennen wir nicht. ' |

` Uber den Mittelwert, den die Selenzelle gibt, wenn man von allen Nebenerscheinungen, die noch mitspielen können, absieht, lassen sich annähernd Vermutungen aussprechen. Für weiches Selen gilt die Formel

i = a(b™ 1) oder m = ?log (2+ 1) =m = I+ 1), wo

m = Z und C—0, = (+1),

das heißt der Zuwachs der Leitfähigkeit, und damit die gemessene Stromzunahme über den Dunkelleitwert folgt angenähert einem logarithmischen Gesetze; es wird also da der Mittel- wert eines Logarithmus genommen, und das müßte die Gleichrichterströme bevorzugen. Es ist daher nicht berechtigt, ohne weiteres mit der Selenzelle gemessene Werte von Strahlungen verschiedener Apparate zu vergleichen, und es läßt sich auch zunächst nicht sagen, wie diese fehlerhaften Anzeigen exakt oder auch nur ungefähr zu korrigieren oder zu kompensieren wären.

Damit soll freilich nicht gesagt werden, daß es nicht möglich sein wird, die durch ihre rasche Einstellung und objektive Ablesungsmöglichkeit verlockende Selenmethode in gewissen genauer abzugrenzenden Bereichen unter bestimmten Vorsichtsmaßregeln als ungefähres Maß zu benützen und so vielleicht zu praktischer Verwendung zu bringen; als inappellables Maß zur sicheren Unterscheidung bei verschiedenartigen Strahlungen darf sie aber nicht heran- gezogen werden.

Resumé. Die Messung des Röntgenlichtes mit der Selenzelle ist keine physikalisch ein- wandfreie Methode. Durch ihren Zeit —, „Farben“ —, und vielleicht auch Fehler in der Kurvenform sind ihre Resultate nicht sicher verläßlich. Innerhalb gewisser erst noch zu er- mittelnder Grenzen kann aber vielleicht an eine praktische Verwendung gedacht werden. Die dabei zu beachtenden Punkte sind eingehend ausgeführt. |

278 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission fir Dosimetervergleich. XXIII, 3.

Ermüdung und Trägheit. Es sollen nun noch diese beiden auffallenden Erscheinungen an den Selenzellen etwas eingehender besprochen werden, weil sie bei der Messung von Röntgenstrahlen, die ja immer in Inpulsen von der Röhre ausgehen, jedenfalls von besonderer Bedeutung sind. Betrachten wir den zeitlichen Verlauf der Leitfähigkeit bei gleichbleibender Intensität, so können wir, je nach der Zelle die wir ver- wenden, zweierlei Verhalten beobachten. Bei der einen Art nimmt die Leitfähigkeit erst rasch, dann langsam zu und nähert sich asymptotisch einem Maximum; man nennt diese Erscheinung Trägheit, sie ist bei weichen Zellen (Kurve I) geringer als bei harten (Kurve II). Bei Ver- dunkelung geht die Leitfähigkeit wieder nicht sofort auf den ursprünglichen Wert zurück, sondern nähert sich dem- selben auch allmählich. (Belichtungs- und Verdunkelungs-

a trigheit.) Die Trägheit kann durch Zusätze von Metallen Leitfähigkeit verschiedener Selenzellen Zum Selen (Silber z. B.) wesentlich herabgesetzt werden. unter dem Einfluß einer konstanten : 2 ;

Lichtonelle (ach Biet). | Eine andere Art von Zellen (der Unterschied liegt

wieder in der Herstellung) zeigt rasches Ansteigen, hierauf

Die Zahlen bedeuten Minuten. ) Abnah PE nea ERE iE Links: vom Beginn der Bestrahlung angsame Abnahme der Leitiahigkeit, die sich dann einem

ansteigende Leitfähigkeit. Minimum nähert (Kurve III). Man nennt diese Erscheinung Rechts: vom Beginn der Verduuklung nach Siemens Ermüdung, auch Schatteneffekt. Diese abfallende Leitfähigkeit. Zellen zeigen auch die Trägheit, jedoch gewöhnlich in

geringerem Maße.

Trägheit und Ermüdung bewirken dann bei der Selenzelle, daß einer bestimmten ein- fallenden Lichtintensität J nicht unter allen Umständen dieselbe Leitfähigkeit k entspricht: sondern die Größe dieser letztern bei derselben Beleuchtung abhängt von den Leitfähig- keiten, welche die Selenzelle vor der zuletzt erhaltenen Beleuchtung gehabt hat. Dies äußert sich am auffallendsten, wenn man die Lichtintensität in bestimmten Stufen steigert und dann in denselben Stufen wieder abnehmen läßt; den gleichen Lichtintensitäten entsprechen nicht die- selben Leitfähigkeiten bei steigender und bei abnelımender Intensität, besonders bei Anwendung größten Intensitäten tritt diese Erscheinung stark hervor. Der Vorgang erinnert sehr an die

v

a

Fig. 4. Gig 2. Hysteresiskurve. Wirkung der Ermiidung des Selen.

Hysteresis des Eisens (s, Fig. 1). Eine und dieselbe erregende Feldstärke H erzeugt verschiedene Induktionen B im Eisen je nach dem Wege, auf welchem die Feldstärke H ihren schlieBlichen Wert erlangt hat; nur können wir für das Selen nur die rechts von der Ordinatenachse ge- legene Hälfte der Kurve benutzen, weil es negative Lichtintensitäten nicht gibt, ferner liegt die Kurve etwas anders, weil der Lichtintensität 0 nicht die Leitfähigkeit 0 entspricht, sondern immer eine solche vorhanden ist (s. Fig. 2). Ein weiterer Unterschied ist der, daß die Ermüdung beim Selen und daher der Name mit der Zeit allmählich verschwindet, während beim Eisen der magnetische Zustand praktisch-zeitlich unbegrenzt erhalten bleibt, wenn er nicht durch Erschütterung, Glühen oder dergleichen entfernt wird, was je nach der geringern oder größern Härte des Materials mehr oder weniger leicht möglich ist. Dieser Umstand ist unerwünscht

XXII, 3. Grann, Prinzipielles über die Selenzelle als Mittel zur Messung der Röntgenstrahlen. 279

denn er gestattet mit einiger Genauigkeit Messungen nur in einer Richtung, also z. B. steigender Intensität vorzunehmen und nötigt, Intensitäten, die so groß sind, daß sie eine lang anhaltende Ermüdung hervorrufen, zu vermeiden.

Die Trägheit der Selenzelle ist jene Eigenschaft, welche bewirkt, daß sie den einer be- stimmten Lichtintensität zugehörigen Wert der Leitfähigkeit und wie wir gesehen haben, muß dieser Wert nicht immer derselbe sein nicht sofort annimmt, sondern ihm allmäh- lich sich nähert, und zwar asymptotisch, ihn also theoretisch nie ganz erreicht, praktisch aller- dings nach nicht allzu lange Zeit!). Es erfolgt Übergang von Se,, welches nicht leitet in Seg, welches die Leitfähigkeit hervorbringt, und die Anderungsgeschwindigkeit, mit der diese Verwandlung erfolgt, nimmt mit zunehmender Annäherung an den Endzustand ab. Wir wollen nun von einem Einfluß der Ermüdung gänzlich absehen und die Trägheit gesondert betrachten und ihren Einfluß auf die Messung untersuchen; zunächst wollen wir immer nur die Leitfähig- keit des Selens und ihre Änderungen verfolgen, und dann erst den Einfluß des mit der Selen- zelle in einen Stromkreis geschalteten Milliampéremeters in Betracht ziehen. Wir denken uns also etwa den Strom, der ja der Leitfähigkeit proportional ist, mit einem fehlerfreien Ossillo- graphen aufgenommen. Eingehende Untersuchungen über die Trägheit von Selenzellen wurden von Br. Glatzel*) angestellt, und zwar um ihre Eignung für Zwecke der drahtlosen Tele- graphie zu prüfen. |

Ein rasch rotierender Sektor mit verstellbarer Öffnung läßt Licht einer Glühlanıpe mit Unterbrechungen auf die Selenzelle fallen. Die Verhältnisse sind dann so, daß Lichtimpulse von praktisch rechteckiger Kurvenform wirken, da das durch eine Linie gesammelte Lichtbündel schmal ist und vom Rande des Sektors mit großer Geschwindigkeit durchschnitten wird. Es ergibt sich dann, daß die Leitfähigkeit zwischen zwei Werten J und J,’ hin und her schwankt, die beide unter dem Wert der Leitfähigkeit für Dauerbeleuchtung mit derselben Beleuchtungs- stärke Jmar liegen. Der Übergang zwischen den beiden Werten findet angenähert nach Ex- pontialkurven statt. | |

Die Exponenten für Einfallen und Verschwinden des Lichtes sind verschieden, sie ver- halten sich etwa wie 5:1 (Belichtungs- und Verdunkelungsträgheit). Sie bestimmen sich aus: I maz—J , = (Imar —J Jet und J’, =J,e?". Bei den Versuchen war ¢,:¢,—= 1:38 oder (1:7 (s. Fig. 3 u. 4). «œ und £ sind ziemlich stark abhängig von Jmac und der Temperatur.

Fig, k,

Fig. 5, Rechteckige Impulse mit verschiedenem f, : £ Be- lichtungszeit: Pause, jedoch gleicher Durchschnitts- intensität.

Verlauf der Leitfähigkeit bei einer Selenzelle bei

intermittierender Belichtung. t, :¢, mit einer Licht-

quelle, der bei konstanter Einwirkung Jmar als Leit- fähigkeit entspricht.

Läßt man nun den Sektor immer rascher rotieren, so blieben ¢, und ¢, im selben Ver- hältnis zueinander, werden aber immer kleiner. J, und J’, nähern sich immer mehr einem Mittelwert J„, um den schließlich die Leitfähigkeit schwankt und dessen Größe relativ zu J, und J’, bei irgendeiner Rotationsgeschwindigkeit oder aber zu J, (Dunkelleitwert bzw.

1) Auch hierfür findet sich beim Eisen eine Analogie, nur ist die Erecheinung dort nicht sehr stark ausgeprägt. Die magnetische Induktion tritt zeitlich etwas nach dem zugehörigen Stromwert auf, es ist dies der „Eisenverlustwinkel“ bei Magnetisierung mit Wechselstrom.

2) Br. Glatzel, Verh. d. D. Phys. Ges., 13, 607, 1911, 14, 1912.

mon

a’ a’: Logarithmen derselben.

280 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

Strom) und Jmar gewiß durch a und p, also durch die Trägheit bestimmt wird. Man kann nun z. B. bei kleineren Jmar (schwächere Glühlampe) aber entsprechend größerem ¢,:t, (Be- lichtungszeit: Verdunkelungszeit) dieselbe Lichtintensität im Mittel erzielen. Also flachere breitere Rechtecke gleichbedeutend mit einer Änderung der Kurvenform. Daß diese vom Selen

richtig wieder wie früher angezeigt wird, d. h. als Jm ist nicht anzunehmen, denn mit

ty ~ itt Jmar haben sich a und $ geändert (ihr Verhältnis wird sich nicht wesentlich geändert haben), da die Änderung im gleichen Sinn erfolgt. Da t,:t, jetzt größer ist, wird der Mittelwert bei

sehr rasch folgenden Impulsen näher an Jing, liegen (auch relativ), als dies sonst der Fall war.

Es hat den Anschein, als würde da die Belichtungskurve überwiegen, und bei kleinerem Jmazı

aber relativ größere Belichtungszeit, eine größere Intensität angezeigt werden. Was für die rechteckige Kurvenform gilt, muß im Wesen auch für jede andre Kurvenform gelten, was den Unterschied zwischen spitzen und flachen Kurven betrifft.

Wir haben nun den Einfluß der Trägheit bei intermittierender Belichtung betrachtet, und für den Fall sehr großer Impulszahl, wo sich eine mittlere Leitfähigkeit (mit sehr ge- ringen Schwankungen) einstellt, gefunden, daß die Trägheit nicht ohne Einfluß auf die an- gezeigte Lichtintensität bleibt. Folgen die Impulse nicht- so rasch aufeinander, so wird eine pulsierende Leitfähigkeit bzw. Strom vorhanden sein und das Meßinstrument den (einfachen) Mittelwert über die Kurve nehmen; das Ergebnis wird dadurch im wesentlichen nicht geändert; liegen J, und J’, nahe an Jmar bei flacher Kurvenform, so liegt auch der Mittelwert, der in diesem Fall algebraisch vom Amperemeter genommen wird, nahe an Jmar und umgekehrt; der Einfluß ist also derselbe.

Der wirkliche Vorgang ist so, daß bei der ziemlich bedeutenden Impulszahl, mit der die Röntgenstrahlen auf die Zelle fallen, die Leitfähigkeit sehr kleinen Schwankungen um einen Mittelwert unterliegt, so daß das Ampéremeter einen Mittelwert des Stromes kaum mehr zu nehmen braucht. Es soll jedoch gezeigt werden, daß selbst im Fall, daß die Selenzelle gar keine Trägheit hätte, also jeder Licht- bzw. Strahlungsintensität sofort auch während des Impulses der zugehörige Leitfähigkeitswert entsprechen würde und die Bildung des Mittelwertes ganz dem Instrument überlassen bliebe, auch dann der Gleichrichter vor dem Induktor bevor-

zugt werden könnte.

Und das hängt damit zusammen, daß man bei diesem Verhalten (keine Trägheit des Selens, Summierung bzw. Mittel- wertsbildung allein durch das Instrument) keinen einfachen und keinen quadratischen, sondern allem Anschein nach einen loga- rithmischen Mittelwert bekäme; deswegen nämlich, weil die Leitfähigkeit mit der Lichtintensität nach einem logarithmischen Gesetz zusammenhingt’). Es gilt etwa

i=a(b"—1) oder m= log (++ 1),

Ce und C—C, = C, log (+ + 1), e a d. bh. der Zuwachs zur Leitfähigkeit über den Dunkelleitwert, pee ne an und damit die gemessene Stromzunahme folgt ungefähr einem logarithmischen Gesetz, es wird also der Mittelwert eines Loga- rithmus gemessen, und das bevorzugt die Gleichrichterkurve, (s. Fig. 5, oben die willkürlich gewählten Intensitätswerte im Laufe eines Impulses. Flächen

gleich groß, unten deren Logarithmen.)

Um einen Anhaltspunkt zu bekommen, nehmen wir die Intensitätsverteilung des

re wo m= -p

1) Es muß nicht unbedingt ein logarithmisches Gesetz sein; es genügt, wenn mit zunehmender In- tensität die Leitfähigkeit weniger rasch wächst.

XXIII, 3. Grann, Prinzipielles über die Selenzelle als Mittel zur Messung der Röntgenstrahlen. 981

Impulses ungefähr an und wollen bloß zeigen, daß zwei flächengleiche Kurven, wir

setzen für den Gleichrichter ein flaches, für den Induktor ein spitzes Dreieck, wenn man ihre Ordinaten logarithmiert, Kurven geben, von denen die zur flacheren, gleichmäßigeren gehörige den größeren Flächeninhalt mit der Abszissenachse einschließt, also die größeren Stromwerte

und Ablesungen am Milliampéremeter ergibt. Der Grad der Abweichung kann natürlich ein

ganz verschiedener sein.

Es liegt nun nahe, diese Vermutung experimentell auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Dies erweist sich als schwierig, da es bekanntlich bei einer Anordnung die Röntgenstrahlen erzeugt, nicht möglich ist, die Kurvenform zu ändern, ohne irgendeine der andern Größen, welche die Strahlung mit beeinflussen, in Mitleidenschaft zu ziehen; ebensowenig wie man die Härte allein ändern kann bei Konstanthaltung aller sonstigen Größen.

In diesem besonderen Fall, wo der zur Messung der Röntgenstrahlen benützte Vorgang auch durch Licht hervorgerufen wird, müßte sich im wesentlichen der Einfluß der Kurvenform durch folgenden Versuch zeigen lassen.

Man stellt zwei Scheiben aus undurchsichtigem Material her, welche, die eine entsprechend der Kurvenform des Gleichrichters, die andere entsprechend der des Induktors, Durchbrechungen bzw. Öffnungen zeigen, etwa in nachstehender Art (s. Fig. 6).

b

a

Fig. 6. Scheiben zur Erzeugung von Lichtimpulsen mit verschiedenem Intensitätsverlauf.

Läßt man nun die beiden durchbrochenen Scheiben zwischen der Selenzelle und einer Lichtquelle rotieren (mit etwa 30—40 Touren pro Sek.), so muß sie, wenn die Vermutung richtig ist, bei Scheibe a mehr anzeigen als bei b.

Es ist natürlich ohne weiteres einzusehen, daß diese Art der Untersuchung auf Abhängig- keit: der Anzeige von der Kurvenform nur mit Licht erfolgen kann, und nicht mit Röntgen- strahlen, selbst dann nicht, wenn man eine durchbrochene Bleischeibe anwendet, die sonst für die Strahlen undurchlässig ist. Denn für die Wirksamkeit des Verfahrens ist nötig, daß die Form der Impulse wirklich durch die Öffnungen der rotierenden Scheibe hervorgerufen wird, also müssen sie aus einer konstanten Strahlung durch die Scheibe herausgeschnitten werden; hat man aber Röntgenstrahlen, so kommt diesen an sich eine Impulsform zu, gegeben durch die Art, wie man sie erzeugt (Gleichrichter, Induktor) und diese ursprüngliche Impulsform, die offenbar die maßgebende ist, kann dann durch die rotierende Scheibe nicht mehr beeinflußt werden, da sie ja. nur mehr Gruppen von Impulsen herausschneiden wird, und der Unterschied

in der Wirkung der beiden Scheiben sich nur mehr darauf erstrecken wird, wie die einzelnen

Impulse zur Wirkung kommen, also entweder alle mehr oder weniger gleich stark oder (In- duktor) die ersten und letzten sehr wenig, die mittleren stark; auch läßt sich bei Lichtstrahlung der Ausgleich des durch die Öffnungen der Scheibe dringenden Lichtes einfach durch Vor-

Fortschritte a. d. Gebiete d. Rontgenstrahlen. XXII. 36

289 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

schalten einer Mattscheibe zwischen rotierender Scheibe und Meßvorrichtung und einige Ent- fernung zwischen beiden erreichen, während bei Röntgenstrahlen das Meßinstrument ungleich- mäßig, d. i. streifenartig beleuchtet und beschattet wird wegen der absolut geradlinigen Fort- pflanzung der Strahlen.

Nachtrag bei der Korrektur. Unter dem Titel „Über die Verwendbarkeit des Selens zu Réntgenstrahleamessungen‘ erschien in Heft 11 der Phys. Zeitschr. vom 1. Juni 1915 eine Arbeit von F. Voltz, worin der Verfasser auf Grund von Versuchen zur Überzeugung gelangt, daß Messungen an Röntgenstrahlen mit Selen keine richtigen Resultate liefern können und daß das Verfahren praktisch nicht brauchbar ist. Zunächst wird die zunehmende Leitfähigkeit des Selens bei konstantem Zustand der Röhre untersucht und zwar von verschiedenen Anfangszuständen der Zelle aus; die Trägheit macht sich stark geltend, so daß nach 5 Minuten Bestrahlung noch eine Zunahme der Leitfähigkeit um 4), bis 3°/, pro Minute besteht; außerdem ist der Verlauf der Kurven nicht gleichartig, d. h. sie lassen sich nicht durch Verschiebung zur Deckung bringen. Die Trägheit ist nun gewiß ein Fehler, sie war bei der verwendeten Zelle ziemlich groß, und es dürfte besser geeignete geben!); jedenfalls wäre anzustreben, daß die Kurven, welche die Abhängigkeit der Leitfähigkeit von der Bestrahlungsdauer bei konstanter Röhre darstellen, ein möglichst scharfes Knie bilden, von dem angefangen die Leitfähigkeit nur mehr sehr langsam ansteigt, damit man diesen geeigneten Augenblick deutlich erkennt und unmittelbar darnach die Ablesung vornimmt. Was den ungleichartigen Verlauf der Kurven betrifft, so ist es nicht notwen- dig, von verschiedenen Zuständen des Selens ausgehend, die Messung zu beginnen; weitaus bequemer und praktischer sind freilich Instrumente, die eine bestimmte Strahlung stets gleich anzeigen, gleich- gültig, welchen Wert sie fräher angegeben haben.

Die weiteren Versuche beziehen sich auf die geänderte Belastung der Röhre; von verschiedenen Anfangszuständen der Selenzelle ausgehend wird die Röhre mit 1,5, 2 M.A. bis 3,5 M.A. betrieben. Die Kurven zeigen ungleichartigen Verlauf; gleichen Stromstärken kommen nicht gleiche Angaben des Selens zu; die Gleichheit des Röhrenzustandes bei Wiederherstellung derselben Stromstärke wurde ionometrisch festgestellt, es tritt eben wieder die Erscheinung auf, daß die Angabe der Selenzelle abhängig ist von dem Ausgangszustand. Wie lange nach Änderung der Röhrenstroms'ärke auf Einstellung der offenbar sehr trägen Zelle gewartet wurde, wird nicht gesagt.

Bei einer weiteren Versuchsreihe wird der Röhrenstrom auf 1 M.A. konstant gehalten und die Unterbrechungszahl geändert, wieder von verschiedenen Anfangszuständen der Zelle ausgehend; ob hier auch ionometrisch bei allen Untersuchungszahlen gleiche Angaben erzielt wurden, wird nicht ausdrück- lich gesagt.

Schließlich wird der Härtefehler des Selens angeführt, der sich im Gebiet seiner selektiven Ab- sorption, d. h. bei einer Strahlung mit der Halbwertschicht 0.013 cm in Al geltend machen wird. Bei nur einiger Filtration kann das aber nicht von Bedeutung sein (s. Holzknecht und Weissen- berg, Zur speziellen technischen Strahlenmessung). Die Versuche haben als einheitlichen Gesichtspunkt wohl den, daß von verschiedenen Anfangszuständen des Selens ausgehend, d. h unter dem Einfluß der Nachwirkungserscheinungen, Messungen ausgeführt wurden und das Resultat ist die bekannte Tatsache, daß der Leitwert einer Selenzelle nicht bloß von der Bestrahlung und der Zeitdauer ihres Einwirkens abhängt, sondern auch vom Ausgangszustand.

1) Anm. des Vorsitzenden: z.B. die Fürstenausche.

III, 3. Mayer, Zur praktischen Anwendung der Selenzelle unter Vermeidung ihrer Fehler. 283

Aus dem Zentral-Röntgeninstitut des k. k. Allgemeinen Krankenhauses in Wien. (Vorstand: Primararzt Prof. Dr. G. Holzknecht.)

Zur praktischen Anwendung der Selenzelle unter Vermeidung ihrer Fehler. Von ing. Robert Mayer, technischer Mitarbeiter des Institutes.

Die Eigenschaft der Selenzelle, durch Bestrahlung mit Licht ihren elektrischen Wider- stand zu ändern und der Umstand, daß diese Widerstandsabnahme in einem bestimmten Ver- hältnis zur applizierten Lichtintensität vor sich geht, findet in der Technik allgemeine Ver- wendung (automatisches Einschalten von Leuchtbojen bei Eintritt der Finsternis, telegraphische Übertragung von Lichtbildern nach Korn usw.). Die Widerstandsabnahme der Selenzelle bei Applikation von Röntgenstrahlen (Literatur siehe bei Grann, pag.278) ist im Intensimeter von Fiirstenau verwendet zur Messung der Röntgenlichtstärke. Die Einfachheit seiner Hand- habung, die rasche Erzielung der Maßanzeige und die Exaktheit der Ablesung, welche der Zeigerausschlag mit sich bringt, im Gegensatz zu Instrumenten, welche den Farbenvergleich notwendig machen, lassen das Intensimeter im höchsten Maße ver- lockend erscheinen. |

Von praktischen Zwecken seiner Verwendung kommen außer der Dosierung, also der Messung der bei jeder einzelnen therapeutischen Bestrahlung verabreichten Lichtmenge und der schon von Immelmann angedeuteten Möglichkeit, der Bemessung des für röntgeno- graphische Aufnahmen notwendigen Lichtes, auch eine Reihe von technischen und physi- kalischen Zwecken in Betracht. Mit seiner Anzeige der Lichtintensität könnte es zunächst nur quantitativen Fragen dienen und würde nichts über die Art der Strahlung (Durch- dringungsfähigkeit, Zusammensetzung aus verschieden durchdringenden Komponenten) aussagen können. Dadurch aber, daß man die hinter verschiedenen Schichten auftretenden Intensitäten mit- einander in Beziehung setzt, ist es auch hier, wie bei anderen quantitätmessenden Instrumenten möglich, Aufschlüsse über die Qualität der Strahlen zu erhalten. Solche qualitative und quantitative Messungen haben für die Beurteilung der Leistungen von zu vergleichen- den Fabrikaten der Röhren- und Apparatenindustrie, aber auch zur Beurteilung Kon- trolle und Verbesserung der verschiedenen möglichen Schaltungen?!) an einem und demselben Apparat große Bedeutung. Dieselbe wächst gerade gegenwärtig infolge der rapiden Aus- breitung der Röntgentherapie und des lebhaften Angebotes neuartiger industrieller Erzeugnisse erheblich. Nur nebenbei wollen wir auch erwähnen, daß manche physikalischen Fragen von der gedachten Möglichkeit Nutzen haben können.

Andererseits sind es gerade die Arbeiten der Physiker über die Selenzelle und ihre Ver- wendung zu Messungen des spektralen Lichtes, welche die Verwendung zu Röntgenstrahlen- messungen nicht unbedenklich erscheinen lassen. Die in der vorausgehenden Arbeit von R. Grann gegebene Zusammenfassung der Bedenken der Physiker und seine theoretischen Überlegungen bezüglich der Aussichten, welche die Anwendung der Selenzelle für Röntgen- strahlenmessungen bietet, lassen erkennen, daß wir es keineswegs mit einer in physikalischem Sinn exakten Methode zu tun haben und daß es auch sehr weitgehenden Anforderungen des Praktikers nicht entsprechen dürfte. Mit ihrer relativ dünnen, jedenfalls endlich dicken Schicht

1) Bekanntlich sind die Frequenz der Unterbrechung, Schluß und Öffnungsdauer, die Verände- rungen durch Verschleiß der inkonstauten Teile usw. von großem Einfluß auf Lichtstärke und Qualität, so daß dasselbe äußerlich scheinbar unverändert laufende Instrumentar recht erheblich veränderte Leistungen bieten kann. Vergleiche beispielsweise die Versuche in der Arbeit von Wachtel, Über die instrumentelle Bestimmung der Erythemgrenze usw., diese Verhandlungen.

36 *

284 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

kann die Selenzelle sicher nicht die gesamte einfallende Lichtmenge (Flachen- energie), sondern immer nur einen mit der Härte wechselnden und daher in jedem Einzelfall ohne Hartemessung unbekannten Bruchteil des auffallenden Lichtes anzeigen. Sie besitzt also für die Messung der Röntgenstrahlen jedenfalls schon einen Fehler mehr als für die Licht- messungen, bei denen die ganze einstrahlende Lichtmenge absorbiert wird. Grann macht es weiterhin wahrscheinlich, daß die folgenden von den Physikern für die Lichtmessungen gefundenen Fehler auch für unsere Zwecke Geltung haben. . Einfluß von Temperatur und Feuchtigkeit. . Modifikation durch Allotropie. . Die Ermüdung. . Der Trägheitsfehler.

5. Der Farb- resp. Härtefehler.

Bei unserer Verwendung ist die Zelle Temperaturschwankungen ausgesetzt, deren Umfang sich zwischen der niedrigsten Zimmertemperatur des Winters und der höchsten Luft- temperatur des Sommers bewegt. Größere Erhöhungen der Temperatur wie bei der Messung stark wärmestrahlender Lichtquellen kommen hier nicht vor und die Temperaturerhöhung durch die Röntgenstrahlen selbst ist bekanntlich kaum meßbar. Die vorkommenden Schwan- kungen wechseln bei den verschiedenen Zellen hinsichtlich der Richtung und des Ausmaßes.

~- Was den Feuchtigkeitseinfluß anlangt, so ist man in der Lage, sowohl für Lichtmessungen, als auch für Röntgenenergiemessungen, die Zelle durch Einhüllung mit inpermeablen Stoffen (Lacke usw.) weitgehend zu schützen.

Durch verschiedenartige Erzeugung (Abkühlungsprozeß) gelingt es zwei, speziell durch das folgende, verschiedene Zellen herzustellen. Typus 1: Nahezu sofortiger Abfall des Wider- standes bei Beginn der Bestrahlung (geringe Tragheit), dann nach einiger Zeit Zunahme des Widerstandes trotz gleichbleibender Lichtintensität (rasche Ermüdung). Typus 2: Langsamer Abfall des Widerstandes (große Trägheit), dann bei erreichtem Minimum desselben sehr späte Ermüdung. Fürstenau hat beide Arten versuchsweise herstellen lassen und hatte die Freund- lichkeit, uns beide zur Verfügung zu stellen. An sich und wegen der Inkonstanz unserer Röntgenlichtquellen, dürfte von den beiden Typen diejenige mit geringer Trägheit trotz der größeren Ermüdung vorzuziehen sein.

Die Leitfähigkeit der Zelle und damit der am Elektrometer ablesbare Zeigerausschlag bleiben also auch bei ganz konstanter Einwirkung des Lichtes nicht auf dem erreichten Maximum stehen, sondern der letztere sinkt infolge der „Ermüdung* bald und allmählich immer tiefer ab, und zeigt daher immer weniger und weniger Licht als die Zelle tatsächlich trifft. Dieser Umstand würde das Verfahren unverwendbar machen, wenn nicht doch vom Moment der Erreichung des maximalen Ausschlages bis zum merkbaren Absinken eine Zeit verginge, innerhalb der wir einige fehlerlose Messungen vornehmen können, und wenn nicht nach Ablauf einer gewissen Ruhezeit eine „Erholung“ der Zelle zur früheren Leistungs- fähigkeit einträte.

Es war unsere Absicht, sowohl die Zeit der Verwendbarkeit, als die der notwendigen Ruhepause festzustellen. Die folgenden Ausführungen zeigen, daß dies bei Berück- sichtigung der eingestrahlten und am Instrument selbst abgelesenen Lichtmengen durchaus möglich ist. Sie haben aber auch ergeben, daß die im Absinken des Zeigers zum Ausdruck gekommene Ermüdung einen gesetzmäßigen Verlauf nimmt, so daß es mög- lich ist, auch mit der ermüdeten Zelle weiterzuarbeiten, wenn man nur alle ihr ver- abreichten Lichtstärken und ihre Einwirkungszeiten notiert und diese Daten mittels einer ein- fachen Berechnung zur Korrektur der späteren falschen Anzeigen verwendet. Übrigens ist die Zeit, in der eine nennenswerte Ermüdung überhaupt nicht eintritt, immer- hin so groß, daß sich gröbere praktische Zwecke wie die Dosierung und die eventuelle Bemessung des Lichtes bei Aufnahmen durch direktes Ablesen ohne alle rechnerische

ro DD me

XXIII, 3. Mayer, Zur praktischen Anwendung der Selenzelle unter Vermeidung ihrer Fehler. 285

Korrektur erreichen lassen. Und dies gilt auch für die wichtigsten technischen Meß- zwecke. Voraussetzung fehlerfreier Resultate ist aber immer, daß man die Zahl und Zeit der Belichtungen, genau den folgenden Angaben entsprechend, auf das notwendigste einschränkt und entsprechende Pausen einschaltet.

Die Selenzelle ermüdet natürlich nicht bloß entsprechend der Dauer der Ein- wirkung, sondern auch entsprechend der Stärke des einwirkenden Lichtes; also derart, daß einerseits bei konstanter einwirkender Energie der Zeiger sich mit fortdauernder Ein- wirkung in gewissem Tempo dem Nullpunkt nähert, und daß andererseits dieser Abfall in der

gleichen Zeit um so größer ist, je höher der Zeiger am Beginn des Versuches stand, je größer

also die einwirkende Lichtstärke ist. Dabei ist es ziemlich gleichgültig, ob die Ermüdung durch starkes Licht und kurze Zeit, oder durch schwaches Licht, das längere Zeit einwirkt, erfolgt, so daß ihre Größe ähnlich anderen Effekten von dem Produkt aus Lichtstärke und Belichtungszeit, also, wenn man die Lichtstärke gleich am Instrument selbst abliest von den F.-Sekunden (angezeigte Intensimeterzahl mal Sekunden) abhängig ist. Es hat sich ergeben, daß man keinen Zeigerrückgang' sieht, wenn man 4 F. Lichtstärke 100 Se- kunden lang einwirken läßt, also nach 400 F.-Sekunden; oder wenn man 50 F. Lichtstärke 8 Se- kunden einwirken läßt, was wieder 400 F.-Sekunden ausmacht. Ebenso kann man nach- einander für irgendwelche technischen Zwecke, z. B. vier Ablesungen im Betrage von 15, 12, 7,2 F. machen und hat, wenn man dabei zu jeder Ablesung 10 Sekunden braucht, die Zelle bloß mit 150 + 120 + 70 + 20 = 860 F.-Sekunden beansprucht, die Ermüdung hat sich dann noch nicht geltend gemacht, und es kann’ daber auch der letzte Wert als richtig betrachtet werden. Nach mehr als 400 F.-Sekunden zeigte unsere Zelle eine zwar am Anfang schwer ablesbare aber immerhin doch am Zeiger merkbare Ermüdung.

Für manche Untersuchungen ist es wie gesagt zweckmäßig, den Grad der Ermüdung bei längerer Verwendung der Zelle zu kennen, und die durch die Ermüdung gefälschten Anzeigen auf diese Art durch Rechnung zu korrigieren. Dieselbe beträgt:

Am Ende von 400 F.-Sekunden 1,6 °%, der Anfangsanzeige 1000

n n n n a 2 n í a 1600 5 24,» 2 5 ; » 2200 í 2.88, » j Š 5 » 2800 Š 3455 A "nr 8400 ; 4l4, , j

Betrachtet man diese Reihe näher, so ergibt sich, daß sie in den F.-Sekunden um je 600 steigt, und in den zugehörigen Ermüdungsbeträgen ebenfalls in einer gewissen Regelmäßigkeit anwächst, nām- lich so, daß jede Zahl mit 1,2 multipliziert die nächstfolgende gibt. Es liegt eine steigende geo- metrische Reihe vor, d. h. diese Werte bilden eine Folge von Zahlen, die nach einem bestimmten

Gesetz fortschreiten, und zwar derart, daß der Quotient (Q) zwischen dem nächstfolgenden und dem

ad A A, vorhergehenden Glied ae pen tk -57 --+==12=—Q. Kennen wir das erste Glied der Reihe (A,), so erhalten wir jedes andere Glied nach der Formel: An = A, Qr-1. Den Index n erhalten wir nach

F.-S.—400 _ __ F.-8.—400

a0 "= e909 wm Dezimalzahl, so kann ohne großen Fehler für den praktischen Versuch, je nach Annäherung, nach der nächst höheren oder niedrigeren Zahl abgerundet werden. Wollen wir aber aus irgendeinem Grund genauer sein und nicht nur die Abstufungen nach je 600 F.-Sekunden, sondern auch nach je 100 F.-Sekunden kennen lernen, so interpolieren wir zwischen je zwei Glieder der alten geometrischen Reihe noch fünf neue, der Ermüdung nach je 100 F.-Sekunden entsprechende Glieder; d. h. wir schalten zwischen je zwei aufeinander folgende Glieder Am und Am+1 der alten Reihe mit Q=1.2 r(5) neue Glieder, welche zusammen mit den Gliedern der alten Reihe eine

r+1 6 neue Reihe bilden, für welche q = vV Q= Vv 1.2 = 1.080.

=Q immer gleich ist.

In diesem Falle ist

der Formel: n— 1 = Sollte n keine ganze Zahl sein, sondern eine

ae ee ee -~ + .

- mm «li. a

=- wee | un

286 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3. r+1

Das vte Glied der neuen Reihe lautet ay = A, y Qr-1 und der Index v dieser neuen Reihe lautet

analog wie oben: v = en +1. Uber die Korrektur, im Falle v keine ganze Zahl ist, gilt dasselbe

wie oben.

Durch die Gesetzmäßigkeit der Ermüdung der Selenzelle sind wir also im- stande, die abgelesenen Zahlen mühelos zu korrigieren. Eine Ermüdung tritt natürlich, wie aus dem Vorhergehenden leicht zu ersehen ist, genau genommen, bereits in der ersten Sekunde der Bestrahlung ein, nur ist dieselbe im Anfange so klein, daß sie nicht wahrgenommen werden kann. In den ersten 400 F.-Sekunden beträgt dieselbe 1,6°%,. Halten wir uns daher, wie schon oben vorweggenommen wurde, beim Versuche unter dieser Grenze, so können wir das Intensimeter ohne jede Einschränkung gebrauchen.

Die Ermüdung der Selenzelle geht nach einer gewissen Erholungspause zurück und zwar glücklicherweise nach mäßigen Beanspruchungen in relativ recht kurzer Zeit. Wir hatten keinen Grund nach einer Gesetzmäßigkeit auch der Erholung zu suchen und haben uns damit begnügt, festzustellen, daß nach einer selbst zu stärkerer Ermüdung führenden Belichtung von z. B. 1200 F.-Sekunden eine eingeschaltete Pause von zehn Minuten genügt, die Aus- schläge wieder richtig zu gestalten.?)

Bei diesen Versuchen, bei denen es sich darum handelte, zu verschiedenen Zeiten ein intensität- und qualitätgleiches Licht zu erhalten, haben wir dieselbe Röntgenröhre (Müller-Wasserkühlröhre) am Gleichrichter so betrieben, daß sie bei gleichen Schaltungen dieselben Milliampérezahlen zeigte.

Die Trägheit der Selenzelle als Fehler kann für den praktischen Gebrauch vernach- lässigt werden. Bei der im Intensimeter verwendeten Zelle benötigt man zur Überwindung derselben 10 Sekunden, d. h. nach 10 Sekunden ist der volle Zeigerausschlag erreicht.

Grann nimmt es als ziemlich wahrscheinlich an, daß die Selenzelle für verschieden harte Röntgenstrahlen, auch wenn man davon absieht, daß sie nicht Flächenenergie messen kann, und daher gleiche absorbierte Mengen voraussetzt, nicht gleich empfindlich ist, sowie sie ja tatsächlich auf gleiche Quantitäten verschiedenfarbigen Lichtes verschieden reagiert. Endlich wollen wir nicht außer acht lassen, daß die Zelle auch noch weitere unbekanute Fehler haben kann und es wird Sache der praktischen Erfahrung, insbesonders der Ergebnisse der Hautbestrahlung sein, zu ermitteln, ob bei vollständiger Berücksichtigung der bekannten und vermeidbaren Fehler die bestätigende Übereinstimmung zwischen den Resultaten der Messung und den Erscheinungen am Lebenden erzielt wird oder nicht. Für technische Zwecke er- scheint uns die Benützung der Selenzelle als ein wesentlicher Fortschritt hin- sichtlich der Einfachheit der Messung und als ein sehr geeignetes Mittel in den schwebenden Fragen rascher vorwärts zu kommen als durch den ausschließlichen Versuch am Lebenden. Dieses allerdings unter der einen Voraussetzung, daß wir diejenigen Kautelen anwenden, welche sich als geeignet erwiesen haben, die bekannten Fehler der Selen- zelle zu beseitigen resp. ihnen auszuweichen. Es sind dies vorwiegend zwei:

Man belichte die Selenzelle nie länger, als daß das Produkt aus F.-Einheiten- Belichtungssekunden 400 beträgt, eventuell bis zu der für die betreffende Zelle gefundenen Zahl oder korrigiere später abgelesene Werte nach der oben an- gegebenen Tabelle.

Man schalte nach je inSumma 400 F.-Sekunden überschreitenden Belichtung eine Pause von 10 Minuten ein.

1) Da unsere Versuche nur an einer Zelle vorgenommen wurden, empfiehlt es sich, jede Selenzelle auf Ermüdung und Erholungspause zu untersuchen. Da die gefundene Gesetzmäßigkeit wohl eine all- gemeine sein wird, genügt es hierzu, am Gleichrichter mit konstanter Röhre irgendeinen Zeigerausschlag, z. B. 10 F., zu bewirken und die Uhr in der Hand so lange zu betrachten, bis der Zeiger sinkt (bei unserer Zelle in 40 Sek. = 400 F.-S.).

XXIII, 3. Mayer, Zur praktischen Anwendung der Selenzelle unter Vermeidung ihrer Fehler. 287

Unter Beachtung dieser Kautelen dürfte sich die Dosierung mit dem Instrument sehr ersprieBlich gestalten; ebenso mag es gelingen, die Bemessung des Lichtes bei Aufnahmen zu bewerkstelligen. Wir haben von den verschiedenen praktischen Zwecken mit dem Intensimeter bisher nur die folgenden zu erreichen gesucht:

1. Absorptionsmessung.

2. Ermittlung der Christenschen Halbwertschicht.

8. Ermittlung der Christenschen Heterogeneität.

4. Ermittlung der Wachtelschen Erythemgrenze.

Die Beurteilung der verschiedenen Therapieapparate und Röhren zu therapeutischem Zwecke lag bisher sehr im argen. Es soll hier nicht darauf eingegangen werden, aus wie vielen und schwerwiegenden Gründen die gebräuchlichen Dosimeter sich nebst ihrer Unhand- lichkeit, resp. ihrer ungenauen Abstufung und ihrer im Bereich ‘des jetzt erreichten Therapielichtes auftretenden schweren Mängel als unbrauchbar erwiesen haben. Der schlimmste Fehler der anderen, die selektive Absorption, fehlt der Selenzelle (vgl. Holzknecht und Weißenberg diese Verhandlungen S. 263). Die übrigen Fehler lassen sich, wie es scheint und oben aus- geführt wurde, vermeiden.

Wir setzen also bei Absorptionsmessungen, z. B. zum Vergleich verschiedenen Therapielichtes an Stelle der früheren Strahlenrezeptoren die Selenzelle, an Stelle von

a | y

N q u

= = = E

|

Fig. 1. Fig. 2. Figur 1 zeigt ein Beispiel der Verwendung des Intensi- Figur 2 zeigt 3 auf die in S. 288 beschrie- meters: Ermittelung einer Absorptionskurve: auf einem bene Art ermittelte Absorptionskurven zum Tablett befindet sich rechts das Intensimeter mit Erd- Zwecke des Vergleiches drei verschiedener leituog, links ein hölzerner Ausschlagwinkel: Auf diesem Therapielichter unter 3 mm Aluminium. sind zuunterst die Selenzelle, darüber Ebenholzklötze Kurve A. Lilienfeldröhre mit Homogeni- in der Dicke von 1, 4, 5cm aufgelegt. Darüber schwebt sierwiderstand. ein lichtsicheres Röhrenkästchen, aus dem ein Strahlen- Kurve B. Müller Rapidröhre. kegel in entsprechender Größe herausgeblendet ist. Kurve C. Lilienfeldröhre ohne Homogeni-

sierwiderstand. Sonst dieselbe Schaltung wie bei A.

Aluminium und Fleisch nach Christen Bakelit oder nach Mayer Ebenholz (cit. loc.) und als räumliche Anordnung der absorbierenden Schichten und des Rezeptors diejenige ohne Distanzverlust (cit. loc). Daher hat die Gesamtanordnung, bei deren Ausführung, um während der Dauer des Versuches unter der Ermüdungsgrenze zu bleiben, auf möglichste Handlichkeit Rücksicht genommen werden mußte, folgendes Aussehen (siehe Fig. 1):

Zur Ermittlung der Absorptionskurve wurden die Intensitätenmessungen unter bloß vier

UCC

eit fo eh Cie EN

mi ee Fe .

286 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

r+1 Das vte Glied der neuen Reihe lautet ay = A, y Q°-1 und der Index v dieser neuen Reihe lautet

analog wie oben: v = an +1. Über die Korrektur, im Falle v keine ganze Zahl ist, gilt dasselbe

wie oben.

Durch die Gesetzmäßigkeit der Ermüdung der Selenzelle sind wir also im- stande, die abgelesenen Zahlen mühelos zu korrigieren. Eine Ermüdung tritt natürlich, wie aus dem Vorhergehenden leicht zu ersehen ist, genau genommen, bereits in der ersten Sekunde der Bestrahlung ein, nur ist dieselbe im Anfange so klein, daß sie nicht wahrgenommen werden kann. Inden ersten 400 F.-Sekunden beträgt dieselbe 1,6°/,. Halten wir uns daher, wie schon oben vorweggenommen wurde, beim Versuche unter dieser Grenze, so können wir das Intensimeter ohne jede Einschränkung gebrauchen.

Die Ermüdung der Selenzelle geht nach einer gewissen Erholungspause zurück und zwar glücklicherweise nach mäßigen Beanspruchungen in relativ recht kurzer Zeit. Wir hatten keinen Grund nach einer Gesetzmäßigkeit auch der Erholung zu suchen und haben uns damit begnügt, festzustellen, daß nach einer selbst zu stärkerer Ermüdung führenden Belichtung von z. B. 1200 F.-Sekunden eine eingeschaltete Pause von zehn Minuten genügt, die Aus- schläge wieder richtig zu gestalten.*)

Bei diesen Versuchen, bei denen es sich darum handelte, zu verschiedenen Zeiten ein intensität- und qualitätgleiches Licht zu erhalten, haben wir dieselbe Röntgenröhre (Müller-Wasserkühlröhre) am Gleichrichter so betrieben, daß sie bei gleichen Schaltungen dieselben Milliampérezahlen zeigte.

Die Trägheit der Selenzelle als Fehler kann für den praktischen Gebrauch vernach- lässigt werden. Bei der im Intensimeter verwendeten Zelle benötigt man zur Überwindung derselben 10 Sekunden, d. h. nach 10 Sekunden ist der volle Zeigerausschlag erreicht.

Grann nimmt es als ziemlich wahrscheinlich an, daß die Selenzelle für verschieden harte Röntgenstrahlen, auch wenn man davon absieht, daß sie nicht Flächenenergie messen kann, und daher gleiche absorbierte Mengen voraussetzt, nicht gleich empfindlich ist, sowie sie ja tatsächlich auf gleiche Quantitäten verschiedenfarbigen Lichtes verschieden reagiert. Endlich wollen wir nicht außer acht lassen, daß die Zelle auch noch weitere unbekanute Fehler haben kann und es wird Sache der praktischen Erfahrung, insbesonders der Ergebnisse der Hautbestrahlung sein, zu ermitteln, ob bei vollständiger Berücksichtigung der bekannten und vermeidbaren Fehler die bestätigende Übereinstimmung zwischen den Resultaten der Messung und den Erscheinungen am Lebenden erzielt wird oder nicht. Für technische Zwecke er- scheint uns die Benützung der Selenzelle als ein wesentlicher Fortschritt hin- sichtlich der Einfachheit der Messung und als ein sehr geeignetes Mittel in den schwebenden Fragen rascher vorwärts zu kommen als durch den ausschließlichen Versuch am Lebenden. Dieses allerdings unter der einen Voraussetzung, daß wir diejenigen Kautelen anwenden, welche sich als geeignet erwiesen haben, die bekannten Fehler der Selen- zelle zu beseitigen resp. ihnen auszuweichen. Es sind dies vorwiegend zwei:

Man belichte die Selenzelle nie länger, als daß das Produkt aus F.-Einheiten- Belichtungssekunden 400 beträgt, eventuell bis zu der für die betreffende Zelle gefundenen Zahl oder korrigiere später abgelesene Werte nach der oben an- gegebenen Tabelle.

Man schalte nach je in Summa 400 F.-Sekunden überschreitenden Belichtung eine Pause von 10 Minuten ein.

1) Da unsere Versuche nur an einer Zelle vorgenommen wurden, empfiehlt es sich, jede Selenzelle auf Ermüdung und Erholungspause zu untersuchen. Da die gefundene Gesetzmäßigkeit wohl eine all- gemeine sein wird, genügt es hierzu, am Gleichrichter mit konstanter Röhre irgendeinen Zeigerausschlag, z. B. 10 F., zu bewirken und die Uhr in der Hand so lange zu betrachten, bis der Zeiger sinkt (bei unserer Zelle in 40 Sek. 400 F.-S.).

XXIII, 3. Mayer, Zur praktischen Anwendung der Selenzelle unter Vermeidung ihrer Fehler. 287

Unter Beachtung dieser Kautelen dürfte sich die Dosierung mit dem Instrument sehr ersprießlich gestalten; ebenso mag es gelingen, die Bemessung des Lichtes bei Aufnahmen zu bewerkstelligen. Wir haben von den verschiedenen praktischen Zwecken mit dem Intensimeter bisher nur die folgenden zu erreichen gesucht:

1. Absorptionsmessung.

2. Ermittlung der Christenschen Halbwertschicht.

3. Ermittlung der Christenschen Heterogeneität.

4. Ermittlung der Wachtelschen Erythemgrenze.

Die Beurteilung der verschiedenen Therapieapparate und Röhren zu therapeutischem Zwecke lag bisher sehr im argen. Es soll hier nicht darauf eingegangen werden, aus wie vielen und schwerwiegenden Gründen die gebräuchlichen Dosimeter sich nebst ihrer Unhand- lichkeit, resp. ihrer ungenauen Abstufung und ihrer im Bereich des jetzt erreichten Therapielichtes auftretenden schweren Mängel als unbrauchbar erwiesen haben. Der schlimmste Fehler der anderen, die selektive Absorption, fehlt der Selenzelle (vgl. Holzknecht und Weißenberg diese Verhandlungen S. 268). Die übrigen Fehler lassen sich, wie es scheint und oben aus- geführt wurde, vermeiden.

Wir setzen also bei Absorptionsmessungen, z. B. zum Vergleich verschiedenen Therapielichtes an Stelle der früheren Strahlenrezeptoren die Selenzelle, an Stelle von

Fig. 1. Fig. 2. Figur 1 zeigt ein Beispiel der Verwendung des Intensi- Figur 2 zeigt 3 auf die in S. 288 beschrie- meters: Ermittelung einer Absorptionskurve: auf einem bene Art ermittelte Absorptionskurven zum Tablett befindet sich rechts das Intensimeter mit Erd- Zwecke des Vergleiches drei verschiedener leitung, links ein hölzerner Ausschlagwinkel: Auf diesem Therapielichter unter 3 mm Aluminium. sind zuunterst die Selenzelle, darüber Ebenlolzklötze Kurve A. Lilienfeldréhre mit Homogeni- in der Dicke von 1, 4, 5 cm aufgelegt. Darüber schwebt sierwiderstand. ein lichtsicheres Röhrenkästchen, aus dem ein Strahlen- Kurve B. Müller Rapidröhre. kegel in entsprechender Größe herausgeblendet ist. Kurve C. Lilienfeldröhre ohne Homogeni-

sierwiderstand. Sonst dieselbe Schaltung wie bei A.

Aluminium und Fleisch nach Christen Bakelit oder nach Mayer Ebenholz (cit. loc.) und als räumliche Anordnung der absorbierenden Schichten und des Rezeptors diejenige ohne Distanzverlust (cit. loc.). Daher hat die Gesamtanordnung, bei deren Ausführung, um während der Dauer des Versuches unter der Ermüdungsgrenze zu bleiben, auf möglichste Handlichkeit Rücksicht genommen werden mußte, folgendes Aussehen (siehe Fig. 1):

Zur Ermittlung der Absorptionskurve wurden die Intensitätenmessungen unter bloß vier

a ae an R ccc i

288 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIL, 3.

verschiedenen Schichtdicken von Bakelit oder Ebenholz vorgenommen. Wir ließen Klötze an- fertigen mit der Grundfläche gleich der der Selenzelle und den Höhen 1, 4 und 5cm. Ein dreiseitiger Anschlagwinkel, aus Holz angefertigt, dient der Selenzelle und den in der ange- gebenen Reihenfolge darübergelegten Klötzen als Lager!) Um die Klötze während des Ver- suches einzeln rasch und sicher entfernen zu können, ohne mit der Hand in den mittels Blende aus dem lichtsichereren Röhrenkästchen herausgeblendeten Röntgenlichtkegel zu kommen, sind die Blöcke mit Holzgriffen versehen. Um die speziell bei der Vermessung harter Betriebe sich geltend machende statische Aufladung des Instrumentes zu vermeiden, wurde die Scheitel- fläche und die vier an der Oberseite befindlichen Schrauben des Intensimeter metallisch ver- bunden und geerdet.

Die Messung nimmt folgenden Verlauf: Der Anschlagwinkel mit der Selenzelle und den darübergeschichteten Klötzen absorbierenden Materials wird in einer beliebigen aber immer gleichen Distanz unter die Röhre gestellt (bei uns betrug die Fokuszellendistanz 28 cm), die Röhre eingeschaltet und

1. der erste Ausschlag (unter 10 cm Schichtdicke) abgelesen und notiert,

2. der Klotz von 5 cm Höhe herabgenommen und der zweite (höhere) Ausschlag (unter 5 cm Schichtdicke) abgelesen,

3. der Klotz von 4 cm herabgenommen und der dritte Ausschlag (unter 1 cm) abgelesen,

4. der letzte Klotz von 1 cm Höhe entfernt und der Ausschlag unter 0 cm abgelesen

Alle Ausschläge werden sofort notiert.

Die Dauer dieses Versuches beträgt bei einiger Übung bloß 40 Sekunden; wohl ein be- trächtlich abgekürztes Verfahren im Vergleich zur Erzielung desselben Resultates mittels Quantimeterstreifchen oder Sabouraud.

Die gefundenen Werte als Intensitäts- oder zum besseren quantitativen Vergleich, als Prozentkurve in den gebräuchlichen Raster, für welchen man sich am besten eine Stampiglie anfertigen läßt, eingetragen, geben uns übersichtlichen Aufschluß über die Leistungsfähigkeit des Apparates, der verschiedenen Röhren und Schaltungen, und verhelfen uns leicht zur Auf- findung des optimalen Betriebes für jeden Einzelzweck, zur Kontrolle aller quantitativen und qualitativen Änderungen des Lichtes, welche durch Variationen der veränderlichen Faktoren in der Apparatur (Unterbrecherstellung, Tourenzahl, Röhrenhärte, Filterdicke usw.) hervorgerufen werden können. Jetzt, wo die Untersuchung des Lichtes nach dieser neuen Methode in so kurzer Zeit ermöglicht ist, können wir das Licht, das wir dem Patienten verabreichen, genauer kennen lernen, ohne im Finstern zu tappen, wie es früher so viele, abgeschreckt durch die Langwierigkeit der früheren Absorptionsmessung, getan haben.

Ermittlung der Christenschen Halbwertschicht mit dem Intensimeter.

Unsere Anordnung zur Ermittlung der Christenschen Halbwertschicht besteht aus folgenden Stücken: :

1. Anschlagwinkel aus Holz wie oben.

2. 10 Ebenholzklötze in den Dimensionen 1 X< 4 X8 cm.

3. 10 Ebenholzplättchen in den Dimensionen 0,1 >< 4 >< 8 cm.

Beide Arten wie oben zu einem Griff zugeschnitten. Anordnung ohne Distanzverlust. Versuchsvorgang:

1. Ablesen der Intensität des die Selenzelle treffenden Lichtes ohne Zwischenschichten.

2. Auflegen von so viel dicken und diinnen Ebenholzplatten, bis das Intensimeter die Hälfte des erst abgelesenen Wertes zeigt. Ausschalten des Röntgenlichtes, Abzählen der an- gewendeten Schichtdicke.

1) Die Bodenplatte, auf der die Selenzelle liegt, hat keinen Einfluß auf die Anzeige, wenigstens bei Holz und Metall ist im Gegensatz zum Quantimeter und zum Sabouraud kein Unterschied wahr- nehmbar.

XXIII, 3. Grann, Photochem. Vorgang d. Kalomelausscheidung z. Messung von R.-Strahlen. 289

Ermittlung der Christenschen Heterogeneität.!)

Unsere Anordnung zur Ermittlung der Heterogeneität A, des Quotienten zweier auf- einander folgenden Halbwertschichten besteht aus den folgenden Stücken:

1. Anschlagwinkel aus Holz wie oben.

2. 20 Ebenholzklötze in den Dimensionen 1 >< 4 >< 8 cm.

8. 20 Ebenholzplättchen in den Dimensionen 0,1 ><4><8cm beide Arten ebenfalls wie früher zu einem Griff zugeschnitten. Die Anordnung ist wie früher diejenige ohne Distanz- verlust. Der Vorgang während des Versuches ist der folgende:

1. Ablesen der Intensität des die Detonzells ohne dazwischenliegendes absorbierendes Material treffenden Lichtes.

2. Zur Ermittlung der ersten Halbwertschicht werden so lange Ebenholzklötze und Plättchen auf die Zelle gelegt, bis der Zeiger die Hälfte der vorhin abgelesenen Intensität an- zeigt. Ist dies erreicht, so wird ein Papierblättchen auf das oberste Ebenholzstück gelegt.

3. Ermittlung der zweiten Halbwertschicht: Neuerdings werden Ebenholzstücke so lange auf die früheren gelegt, bis der Zeiger wieder die halbe Intensität, also ein Viertel der zuerst abgelesenen anzeigt.

Nach Ausschalten der Röhre wird die Dicke sowohl der ober- als auch der unterhalb des Papierblättchens liegenden Ebenholzstücke zusammengezählt. Sie ergeben die beiden Halb-

wertschichten der Strahlung und damit nach der Formel “2 die Heterogeneität A nach Christen.

Ob die bei Induktor- oder Gleichrichterbetrieb elailiren Werte direkt vergleichbar sind, wird noch geprüft. Alle Angaben sind natürlich, weil nicht Flächenenergie, sondern Absorption (Dosis) gemessen wird, nicht absolut, sondern nur im Vergleich miteinander ver- wertbar.

Das Ebenholzmodell mit Teilen für alle angegebenen Messungen wird vom Erzeuger des Intensimeters hergestellt.

Zusammenfassung. Die Selenzelle kann in der Fürstenauschen Form unter Berücksichtigung einiger genau angegebener Kautelen für technische Licht- prüfung als genügend genau und sehr expeditiv empfohlen werden.

Über die Benützung des photochemischen Vorganges der Kalomelausscheidung zur Meßung von Röntgenstrahlen und über photochemische Methoden überhaupt. Von

Richard Grann, Physikalischer Mitarbeiter des Zentralröntgeninstitutes im allgemeinen Krankenhause in Wien.

Wohl der größte Mangel der existierenden Dosierungsinstrumente besteht darin, daß sie nicht die ganze einstrahlende Lichtmenge absorbieren und anzeigen, sondern bloß einen Teil, während ein nicht absorbierter Teil den Meßkörper durchdringt und ungemessen bleibt. Der Nachteil wäre klein, wenn von jeder Härte der gleiche Teil vermessen würde, er wechselt jedoch mit der Härte. Da wir nun weder Strahlen von gleicher Härte (homogene) erzeugen können, noch ein Instrument besitzen, das die Härten, die in einer Strahlung vereinigt sind, festzustellen erlaubt, so zeigen alle Dosierungsinstrumente bei härteren Strahlen weniger, bei weicheren mehr an als eingefallen ist; wie viel mehr oder weniger läßt sich nicht feststellen. Es lag daher nahe, die Meßkörper so dick zu wählen, daß nicht eine zufällig absorbierte, sondern alle oder fast die ganze Strahlung von ihnen absorbiert wird, also nach der Christenschen Nomenklatur, die Flächenenergie. Wird die ganze Strahlung aufgefangen, dann ist es

1) Verhandlungen der Schweiz. naturforschenden Gesellschaft 1914, II. Teil. Siehe auch diese Verhandlungen, pag. 221. Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 37

fe Boia

290 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

gleichgültig, von welcher Härte sie gewesen ist, das Instrument zeigt ihre volle Quantität oder Flächen- energie an, vorausgesetzt, daß der zur Messung verwendete Effekt in unmittelbarer Beziehung zur Flächen- . energie steht.

Da das Quantimeter, der Sabouraud, die Selenzelle nicht bis zur Totalabsorption verdickt wer- den können, so lag es nahe, die Edersche Flüssigkeit, welche schon Schwarz im Kalomelradiometer verwendet hat (und die sich in beliebig langen [z. B. 50 cm] Glasröhren gebrauchen ließe) heranzuziehen. Die Empfindlichkeit derselben ist nun durch Winter bedeutend erhöht worden, weshalb sie Lüppo- Cramer neuerdings für Réntgenstrahlenmessungen in Betracht zu ziehen empfiehlt. Dr. chem. R. Schloß hat an unserem Institut ermittelt, daß die Empfindlichkeitssteigerung durch Eisenchloridzusatz tatsächlich auch für Röntgenstrahlen zutrifft, und Prof. Holzknecht hat mir nahe gelegt, die Möglichkeit einer exakten Flächenenergiemessung mittels der Eder- Winterschen Lösung zunächst theoretisch-physikalisch zu prüfen. Da das Ergebnis vielfach auch für andere photochemische Methoden belangreich ist, sei es hier mitgeteilt.

Chemische Veränderungen analog denen, die das Licht an verschiedenen Substanzen hervorbringt, werden auch durch Röntgenstrahlen bewirkt und vielfach wurden diese Vorgänge zur Messung heran- gezogen. Charakteristisch für alle diese Vorgänge ist, daß sie, auch ohne daß eine Bestrahlung erfolgt, entweder in gleicher oder in ähnlicher Weise, allerdings weit langsamer, verlaufen oder doch mit dem Körper irgendeine Veränderung, auch ohne Bestrahlung, vor sich geht; ist es auch bald gelungen, die Körper so herzustellen, daß diese Veränderung nicht wesentlich in Betracht kommt, so wie z. B. das Altern einer photographischen Platte nicht mehr unangenehm empfunden wird, so ist es doch weit schwieriger, zu verhindern, daß der durch die Bestrahlung eingeleitete Vorgang bei manchen dieser Methoden nicht nach Beendigung derselben weiterläuft (oder auch rückgängig wird) und bei solchen ist eine rasche und doch möglichst genaue Methode zur Bestimmung der stattgefundenen Veränderung wünschenswert.

Für die Beurteilung der Brauchbarkeit eines photochemischen Vorganges ist ebensosehr wie der sichere stets gleichmäßige Verlauf, die Konstanz der Chemikalien, ihre Unabhängigkeit von Nebenein- flüssen und ihre bequeme Verwendbarkeit, auch die Art, wie die Größe der stattgefundenen Veränderung, festgestellt wird, ausschlaggebend; denn die chemische Analyse ist viel zu umständlich und zeitraubend, und man muß Folgeerscheinungen der chemischen Veränderung heranzuziehen suchen, deren Größe sich leicht und sicher beobachten läßt.

Chemische Vorgänge der genannten Art, infolge von Bestrahlung, sind bekannt an Gasen, Flüssig- keiten und festen Körpern. Während aber an ersteren sowohl die Anwendung unbequem, als auch die Feststellung der Veränderung schwierig ist, z. B. bei der Vereinigung von Wasserstoff mit Chlor, die auch unter Röntgenstrahlen (in allerdings weit schwächerer Weise als bei hellem Tageslicht) stattfindet und auch sonst keine Vorteile damit verbunden sind, wäre es wünschenswert, Flüssigkeiten an- zuwenden; denn einerseits könnten diese in hinreichend starken Schichten angewendet werden, so daß praktisch Totalabsorption einträte, mit einigen Prozent Fehler natürlich, die man aber gern mit in Kauf nähme und über deren Größe man sich auch ziemlich genau Rechenschaft geben könnte; und man könnte dann mit geeignet geformten Gefäßen Flächenenergien direkt messen und wäre nicht genötigt, aus der Dosis, die in einer mehr oder weniger dünnen Schicht absorbiert wurde, umständlich auf die Flächen- energie zu schließen, was eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit einer Apparatur ermöglichen würde; ferner scheint hier Aussicht vorhanden, ohne Analyse statt des sonst bei photochemischen Methoden üblichen subjektiven Meßverfahrens ein objektives anzuwenden, also eines ihrer Haupt- übel zu vermeiden.

Der grundlegende Unterschied zwischen objektiven und subjektiven Meßresultaten läßt sich etwa dahin kennzeichnen, daß für ein objektives Meßresultat sich bestimmte Grenzen angeben lassen, innhalb deren das Firgebnis, unabhängig von der Eigenart des Beobachters, liegt und stets Mittel gegeben sind, diese Grenzen nach Bedarf einander zu nähern, während ein subjektives Verfahren keine bestimmten Grenzen anzugeben gestattet. Es kann unter Umständen (Lichtverhältnissen) sogar die Eigentümlichkeit zeigen (Farbenskalen z. B.), daß die richtige Vergleichsfarbe manchmal überhaupt nicht zu finden ist, und be- sondere Hilfsmittel zur Behebung dieses Fehlers angewendet werden müssen, z. B. Holzknecht-Skala für Sabouraud-Pastillen.

Es wurden nun zwei Wege vorgeschlagen, die Veränderung der chemischen Zusammensetzung ohne Analyse zu verfolgen, die trotzdem ein objektives Maß der chemischen Umsetzung geben können. Es sind dies die Änderung der Leitfähigkeit und des spezifischen Gewichtes der Lösung.

Bevor wir auf die beiden Methoden näher eingehen und die ihnen innewohnende Genauigkeit fest- zustellen suchen, müssen wir den chemischen Vorgang quantitativ betrachten.

Eine Mischung von

2 Teilen einer 4°/,igen Lösung Amoniumoxalat in Wasser 0,0, (NH in HO, 1 Teil einer 5°/,igen Lösung Quecksilberchlorid in Wasser HgCl, in H,O

td

XXIII, 3. Grann, Photochem. Vorgang d. Kalomelausscheidung z. Messung von R.-Strahlen. 291

scheidet nach der einfachen Gleichung: (z.B. Christen, Messung und Dosierung der Röntgenstrahlen, S. 65) 2HgCl, + 0,0, NH,»=2HgCl+2NH,CI+2CO, 542 + 124= 4714 107+ 88 = 666.

(Das ist natürlich nur Anfang und Ende des Vorgangs; auf die Einzelheiten des Prozesses ein- zugehen, ist jedoch hier nicht notwendig.)

Je 542 Gew.-T. Quecksilberchlorid und 124 Gew.-T. Ammoniumoxalat werden sich verbinden; 471 Gew.-T. Kalomel werden, da in- Wasser fast unlöslich, ausgefällt, 107 Gew.-T. Salmiak gehen in „Lösung und 88 Gew.-T. Kohlensäure werden frei.

100 cm? der Mischung enthalten: 2. 66 g Ammoniumoxalat 1.66 g Quecksilberchlorid.

Daß zur Erleichterung der Ausscheidung 0.025 g Eisenchlorid FeCl, zugesetzt werden können, soll der Einfachheit halber unberiicksichtigt bleiben.

Eine solche Ausscheidung hätte stattgefunden, und es soll erwogen werden, welche Methode ge- eignet ist, die vorgegangene Veränderung der Mischung festzustellen.

Es wäre nun vielleicht möglich, die durch die chemische Veränderung der Mischung bewirkte Änderung ihrer elektrischen Leitfähigkeit als Maß der absorbierten Röntgenstrahlenenergie zu ver- wenden.

Ohne näher darauf einzugehen, in welcher Weise die hervorgerufene chemische Veränderung ein Maß für die absorbierte Röntgenstrahlenenergie ist, soll untersucht werden, ob die Änderung der elek- trischen Leitfähigkeit ein Maß der eingetretenen chemischen Veränderung sein kann und wie groß etwa die erzielbare Genauigkeit wäre.

Vor Bestimmung der Leitfähigkeit ist der Niederschlag von Kalomel zu entfernen.

Die Mischung ist nach erfolgter Bestrahlung eine Lösung von drei Elektrolyten in Wasser, nämlich:

Hg Cl, C, 0, (NH,) NH,Cl nimmt von 1.66°), ab von 2,66°/, ab von 0 zu (ferner kann das Wasser einen unberechenbaren Prozentsatz der entstehenden CO, behalten).

J. Zwei von diesen Lösungen sind in solcher Konzentration, daß ein einfaches Gesetz, wie es für Leitfähigkeit sehr verdünnter Lösungen gilt, nicht mehr zur Anwendung kommt; vielmehr ist die Leit- fähigkeit jeder Lösung von einer bestimmten Konzentration an eine äußerst komplizierte, bei den aller- wenigsten einfachsten Elektrolyten theoretisch zu verfolgende, bei solchen wie hier stets empirisch zu ermittelnde Funktion ihrer Konzentration und zwar eine Funktion, die meist nicht monoton steigend (oder fallend) mit der Konzentration verläuft, sondern ein Maximum besitzt, d. h., daß zu einer be- stimmten Leitfähigkeit einer Lösung nicht eindeutig eine bestimmte Konzentration gehört (s. Jahn, Grundriß der Elektrochemie, S. 53).

II. Die Leitfähigkeit einer Lösung von mehreren Elektrolyten ast sich nicht theoretisch aus dem Verhalten der einzelnen Bestandteile ableiten, sondern hat ihren eigenen empirisch zu ermittelnden Leitfähigkeitsverlauf, welcher oft zwei, unter Umständen aber auch mehr als zwei Maxima hat; folglich können zu einer Leitfähigkeit auch vier und mehr ver- k schiedene Konzentrationen gehören.

f Lertfern rg hes ragi

Bei nebenstehendem Verlauf der Kurve (Fig. 1) z. B. gehören hy Ar zu Leitfahigkeiten ke<< kız nicht eine, sondern drei Konzen- Fig. 1. trationen. Leitfähigkeit einer Lösung in Ab-

In diesem Fall wäre also die fundamentale Bedingung für bängigkeit von der Konzentration. jede Messung: Jeder zu messenden Größe ist ein bestimmtes Meß- Eine bestimmte Leitfähigkeit kann resultat zugeordnet (wenn man die zu messende Größe allein ändert, drei verschiedenen Konzentrationen ihre „Form“ oder andere Eigenschaften aber unverändert läßt. So entsprechen. gehört z.B. bei einem WechselstrommeBinstrument, so lange man die Periodenzabl und eventuell die Kurvenform nicht ändert, zu jedem Strom eine bestimmte Zeiger- stellung; ändert man aber Periodenzahl oder Kurvenform des Stromes, so kann eine Zeigerstellung einem andern Strom entsprechen, als vorher, d. h. eine neue Eichung ist notwendig. (Unter Strom ist der `

T quadratische Mittelwert -7s J i? dt verstanden). 0

III. Jede Lösung, sowie auch die Mischung wird, was ihre Leitfähigkeit betrifft, in komplizierter Weise und stark von der Temperatur beeinflußt. Ist k, die Leitfäbigkeit einer Lösung bei 0°, so ist die Leitfähigkeit bei irgendeiner Temperatur dargestellt durch k: = ko (14+ «t+ Pt?), worin « und 8 empirisch zu ermittelnde Konstanten bedeuten, die für verschiedene Konzentrationen verschieden sind. Eine Rücksichtnahme auf die Temperatur erscheint notwendig, da die Änderung der Leitfähigkeit pro

. 387%

kb bwyer’

| e x

992 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission fir Dosimetervergleich. XXII, 3.

Grad Temperaturänderung bei derartigen Lösungen ?!’, bis 2 und mehr °/, beträgt und die Veränderungen der Leitfähigkeit infolge Änderung der Konzentration im ganzen nicht sehr bedeutend sein können.

IV. Alle diese empirisch ermittelten Beziehungen gelten nur für die chemisch reinen Substanzen in destilliertem Wasser; Verunreinigungen, wie sie selbst manchmal in als „chemisch rein“ bezeichneten Präparaten vorkommen können, beeinflussen die Leitfähigkeit und ihre Abhängigkeit von der Temperatur in hohem Maße; man müßte die Stoffe also entweder außerordentlich rein oder stets in gleicher Weise verunreinigt verwenden, was beides nicht möglich ist (s. z. B. Jahn, S. 61, Kohlrausch, Wied. Ann. 26, S, 161, 1885). Eisenchloridzusatz würde in, seiner Wirkung einer groben Verunreinigung entsprechen.

V. Wir wollen annehmen, daß der Bereich, in dem sich die Konzentration

Mechrelstrem | bewegt, ein derartiger!) und so gelegen ist, daß auf dem Gebiete der möglichen

Konzentrationen die Leitfähigkeit doch ein eindeutiges Maß für die Konzentration K z ist. Also innerhalb K, ... K, was nicht sicher ist (aber ziemlich wahrscheinlich, da bei einfachen Lösungen das Maximum der Leitfähigkeit bei wesentlich stärkeren Lösungen einzutreten pflegt, als sie hier Anwendung finden), und über die Punkte II. und IV. hinweggehen; dann wäre diese Leitfähigkeit mit einer ein- zZ fachen Wechselstrombrücke mit Kohlrausch’ Meßgefäß und Telephon, sogenannte Telephonbrücke (Fig. 2), zu messen (mit Wechselstrom), meist von einem kleinen Induktor erzeugt. Zu einer empfindlicheren Methode wird man mit Rücksicht auf die damit verbundenen Umstände nicht greifen können.

ar

Fig. 2. Schaltung der Tele- phonbriicke fir Wechselstrom zur

Leitfähigkeitsbe- Tonminimum im Telephon tritt ein, wenn: a:b=wil- a: a pa mer Nun kann man im besten Falle die Stellung des Kontakts für Tonminimum En auf einem 1 m langen Draht auf + 2 mm mn finden, wenn man etwa in der Mitte von a b ist, das heißt, man kann die Leitfähigkeit auf + —_ r === + 4% bestimmen (bei sehr

günstigen Umständen sind vielleicht + 2°), erreichbar).

Ob nun die Leitfähigkeitsänderung einer ebenso großen, viel größeren oder kleineren Änderung der Konzentration, bzw. Zusammensetzung entspricht, läßt sich, wenn man die Kurve nicht kennt, ab- solut nicht vochersägen, besonders, weil zwei Elektrolyte in 1—2°/, Konzentration da sind, der dritte aber, NH,C1 wahrscheinlich in viel kleinerer, 0,1—0,2°/, etwa, und dieser sicher, weil an sich gut leitend, das Verhalten stark beeinfluBt*).

Schließlich ist zu bemerken, daß die Veränderung der Leitfähigkeit nicht zur Bestimmung der chemischen Zusammensetzung eines Körpers weder fest noch flüssig geeignet erscheint, weil außerordent- lich komplizierten Gesetzen folgend und zufälligen Beeinflussungen ausgesetzt (Verunreinigungen u. dgl.).

1) Z.B. durch vorheriges Verdünnen der Lösung.

2) Im folgenden sind zwei Tabellen aus Landolt-Börnstein, Phys.-chem. Tabellen, S. 1092 ff., wiedergegeben, die über das Verhalten von NH,Cl und HgCl, in Lösung Aufschluß geben. Angaben über Ammoniumoxalat sind dort nicht enthalten, aber keinesfalls wird die durch dasselbe hervorgerufene Leitfähigkeit größer sein als die des NH,Cl. Es wird also die kleine gelöste NH,Cl-Menge eine be- trächtliche Vergrößerung der Leitfähigkeit hervorrufen, während das Verschwinden der größeren Menge HgCl, durch Niederschlag wenig zu bedeuten haben dürfte. Es bedeutet P den Gehalt der Lösung in °,,

1000 7 = 5 die Zahl der a in Liter, s, das spezifische Gewicht der Lösung bei 4°C, %,, die

spezifische Leitfähigkeit bei 18° C, x. (x) den Temperaturkoeffizienten. P 10007 =- 8, 10%%,, = a © $ 098 | 1042 | 918 | 00198 10 1.928 1.0289 | 1776 186 NH,Cl 15 | 2.924 1.0430 | 2586 | 171 20 | 3.952 1.0571 | 8365 161 25 5.003 1.0710 4025 | 154 0.229 | 0.0170 | 1.0008 044: 0.0440 HgCl, 1.013 | 0.0754 1.0078 1.14 | 372 5.08 | 0.392 1.0445 421 | 249

XXIII, 3. Grann, Photochem. Vorgang d. Kalomelausscheidung z. Messung von R.-Strahlen. 293

- Damit dürfte diese Methode als für den angestrebten Zweck nicht verwendbar gekennzeichnet sein.

Es wäre nur vielleicht möglich, die durch die Veränderung der Mischung bewirkte Änderung ihres spezifischen Gewichtes als Maß der absorbierten Röntgenstrahlenenergie zu verwenden.

Es soll untersucht werden, ob die Änderung des spezifischen Gewichtes als Maß der eingetretenen chemischen Veränderung dienen kann und welche Genauigkeit etwa dabei zu errichten wäre.

Vor Bestimmung des spezifischen Gewichtes ist der Niederschlag gänzlich setzen zu lassen oder zu entfernen. Da Zweifel an der Notwendigkeit, den Niederschlag zu entfernen, ausgesprochen wurden, möge hier kurz gezeigt werden, daß in der Flüssigkeit verteilte Körper das spezifische Gewicht des Ge- menges tatsächlich beeinflussen.

Haben wir eine Kalomelausscheidung im Wasser gleichmäßig verteilt, also ein homogenes Gemenge (und dieses müssen wir voraussetzen, wenn das Aräometer einen bestimmten Wert messen soll), so ist das G _ Gesamt-Gewicht | V Gesamt-Volumen spezifischen Gewicht des Wassers, da das spezifische Gewicht des Kalomels (5) von dem des Wassers (1)

Gu + Ge

Vo + 7: i Wert, so lange man Teile des Gemenges betrachtet, welche groß sind gegenüber dem Volumen der Kalomelkörperchen, also z. B. das vom Aräometer verdrängte Volumen, mit dessen Hilfe man das spe- zifische Gewicht bestimmt. Das Gemenge, welches ganz die Eigenschaften einer Flüssigkeit hat, hat natürlich mit dieser auch die leichte Verschiebbarkeit seiner Teilchen und die Eigenschaften des Flüssig- keitsdruckes gemein; dann ist der Druck in irgendeiner Tiefe p—yah und der Auftrieb, der die Ein- stellung des Aräometers in einer bestimmte Tiefe bewirkt, derselbe, als ob wir eine Flüssigkeit vom spe- zifischen Gewicht yx (und nicht y = 1) hätten.

Bei Lösungen eines Salzes in Wasser ist bei kleinen Konzentrationen von der Größenordnung, wie sie hier etwa vorkommen, das spezifische Gewicht der Lösung der Konzentration in vielen Fällen annähernd proportional (siehe Tabelle v. S.).

Keineswegs sind aber bei getrennten Lösungen verschiedener Salze in gleicher Konzentration die spezifischen Gewichte der Lösungen den spezifischen Gewichten der Salze proportional. (HgCl, hat spe- zifisches Gewicht 5.432, Salmiak 1 52. |

Das spezifische Gewicht der Lösung mehrerer Salze läßt sich meist nicht aus dem Verhalten der Salze einzeln bestimmen, sondern ist empirisch zu ermitteln, um so mehr, als die Konzentration an zwei Salzen abnimmt, an einem zunimmt. Es wäre also für verschieden starke Ausscheidung jedesmal zu analysieren und eine Kurve aufzutragen.

Die Temperatur beeinflußt das spezifische Gewicht, jedoch bei weitem nicht so stark wie die Leit- fähigkeit.

Verunreinigungen der Salze dürften, wenn nicht allzu groß, keinen bedeutenden Einfluß auf das spezifische Gewicht der Lösung haben.

Es ist also das spezifische Gewicht einer Lösung etwa mit dem Aräometer zu bestimmen; die Ge- nauigkeit einer solchen Messung in diesem Fall soll in Erwägung gezogen werden. Das Aräometer dient, wenn es sich um eine fortlaufende, stets wiederkehrende Reihe chemischer Zusammensetzungen handelt, mit Vorteil zur Erkennung derselben; so kontrolliert man z. B. den Ladezustand von Akkumulatoren durch Aräometer, die das spezifische Gewicht der Schwefelsäure angeben.

Ein Brixsches Aräometer z. B zeigt (bei 12,5° ©):

Grade spezifisches Gewicht Differenz pro Grad

spezifische Gewicht y dieses Gemenges y = offenbar verschieden von y = 1 dem

abweicht; es ist vielmehr y w= ———; dieses spezifische Gewicht des Gemenges behält denselben

5 1.0127 0.00 258

10 1.0256 0.00 268

15 1.0390 0.00272

20 1.0526

usw. bis 75. Es entspricht also in dem vermutlich zur Verwendung kommenden Bereich l Grad . . . . . 0.0026 = 2.69),o

Diese Änderung des spezifischen Gewichtes kann man mindestens ablesen.

Man kann mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die Anderung des spezifischen Ge- wichts hauptsächlich durch die Hg Cl, Ausscheidung (542 Teile) bestimmt sein wird, während die geringen Mengen NH,Cl und C,0,(NH,), weniger von Einfluß sein und einander teilweise in ihrer Wirkung auf- heben werden.

294 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

Die Konzentration gehe z. B. von 16.69, HgCl, herunter auf 6.6%, also um 10/,,; dem wird, niedrig geschätzt, eine Änderung des spezifischen Gewichts um 10°/,, entsprechen.

Da man auch wenigstens halbe Grade wird gut abschätzen können, und eiue Vergrößerung der Empfindlichkeit auf das Vierfache nicht allzuschwer erreichbar sein dürfte, würde sich eine Skala von

10 ungefähr 2.6 = 30° ergeben, die immerhin einen ziemlichen Meßbereich darstellt. 2.4

Alle bisherigen Erwägungen gelten für den Fall, daß eine dünne Schicht der Flüssigkeit eine durchaus gleichmäßige Veränderung erfahren hat und dann diese Flüssigkeit untersucht wird.

Es soll nun untersucht werden, wie sich die Verhältnisse gestalten, wenn eine dicke Schicht der Mischung, so dick, daß die in dem einfallenden Strahlenbündel enthaltene Energie fast vollständig zur Absorption gelangt, bestrahlt wird.

1. Wir setzen voraus, daß der beobachtete Vorgang (Kalomelausscheidung) seine Ursache einzig und allein in der Absorption von Röntgenenergie hat und nur von dieser abhängt, also nicht etwa, wenn einmal eingeleitet, selbst bei verringerter oder beendeter Bestrahlung weiter vor sich geht, was keines-

E wegs ausgeschlossen ist.

2 2. Wir betrachten den Fall homogener Strahlung J = Jo (75) , wobei

« konstant ist (vorläufig), sowohl, indem die homogene Strahlung beim Durchgang durch die Schicht ihre Härte nicht ändert, “als auch, indem der absorbierende Körper in seiner ganzen Schicht homogen bleibt und denselben Absorptionskoeffizienten die ganze Zeit hindurch behält.

Wir betrachten nun einen Strahlenkegel und dem Öffnungswinkel w und schnei- den ibn mit zwei konzentrischen Kugelschalen vom Radius R und R+ b mit dem Fokus als Mittelpunkt. Es ist dann f, : f} = B?:(#-+ 5);

3 J = Jo (a) Sp d Ea = «J» Vol. des Kugelschalenteils

d Ea = &- J. w (RẸ x} dx =a Jo R? e7 oda,

da wir nun die Strahlung während der Messung im allgemeinen nicht als konstant vor- aussetzen dürfen, ist Jo = fı(t)=Ja: zu setzen, pro Zeit- und Volumelement wird ab- sorbiert d Ea = a Jo R? "7 wdx dt.

Der Niederschlag pro Zeit und Volumelement wird in Beziehung steben zu d Ea und wir sehen uns der Einfachheit wegen genötigt, die unbewiesene Annahme zu machen:

3. Daß die bewirkte Veränderung (Gewicht des pro Zeiteinheit aus einer Volums-

Fig. 3. einheit ausgefällten Niederschlags) der in diesem Volumen während dieser Zeit absor- Schema des bierten Röntgenenergie proportional sei, dN = kdEa4«. Darin ist also schon enthalten: Strahlenganges 4. Daß in einer Volumseinheit ein gleich großer Niederschlag pro Zeiteinheit

für Absorption in durch dieselbe pro Zeiteinheit absorbierte Energiemenge hervorgerufen wird, gleich-

dicker Schicht gültig in welchem Konzentrationszustand sich die Lösung gerade befindet (ob schon

(pyramiden- viel zersetzt ist oder nicht, wenn man nur unter einem gewissen Wert bleibt), d. h.,

stumpfförmiges daß zur Erzeugung des Niederschlages stets ein gleicher Anteil der absorbierten

Volumen). Energie verwendet wird, was keineswegs festgestellt ist; d. h. dN=/f,(dEHa...), aber

nicht von ¢ oder Funktionen davon, und nicht etwa abhängig von der in demselben

Volumelement bereits ausgeschiedenen Menge. Denn wir bekommen schließlich ein Maß für N (die T

ausgeschiedene Menge) und wollen aus dieser schlieBen auf je: Jadt, und wir können auf dieses nur

0

Tb schließen, wenn in dem Ausdruck N= S J "fy (0 Jot R? ew...) dxdt die Funktion f, auBer der Klam- o 0 mer nicht noch ¢ (oder eine Funktion von ¢) enthält (also auch nicht die schon ausgeschiedene Menge, die

T ja Funktion der Zeit ist). Denn nur so bekommt man beim Integrieren das gesuchte S Jordt als einen

0 Faktor des Resultats, und andernfalls, wenn dN abhängt vom Grade der schon erfolgten Veränderung, kann man nicht einmal mehr eichen, auf Flächenenergie nämlich, denn dann wird verschieden "gemessen, ob man die Flächenenergie gleichmäßig oder zuerst viel, dann wenig oder umgekehrt zuführt. Das kommt aber nur in Betracht, wenn man Veränderlichkeit der Intensität während der Bestrahlung annimmt.

XXIII, 3. Grann, Photochem. Vorgang d. Kalomelausscheidung z. Messung von R.-Strahlen. 295

5. Der Absorptionskoeffizient der Mischung « war bisher als konstant angenommen. Nun wird allerdings unabhängig davon, ob schon viel zersetzt ist oder nicht, und unabhängig davon, ob in ver- schiedenen Teilen Trübung durch Niederschlag besteht oder nicht, der Absorptionskoeffizient ziemlich derselbe bleiben, weil er nur von der Atomstruktur abhängt, aber nicht von der molekularen Zusammen- setzung, so daß, wenn der Niederschlag an dem Ort suspendiert bliebe, wo er entstanden ist, diese Annahme gerechtfertigt wäre, denn nur CO, geht teilweise aus der Lösung; wenn der Niederschlag jedoch zu Boden sinkt, so ändert sich der Absorptionskoeffizient derart, daß er oben kleiner wird, in mittleren und tieferen Partien größer, in völlig unberechenbarer Weise, je nachdem ob der Niederschlag rasch oder langsam sinkt, und ob man eine mehr oder weniger intensive Strahlung hat, was ja sicher auch die Sink- geschwindigkeit beeinflußt; kurz, es bildet sich eine Verschiedenheit des Absorptionskoeffizienten in der Flüssigkeit aus, auch im spezifischen Gewicht derselben, und es tritt Diffusion auf, die diese Ver- schiedenheiten wieder auszugleichen sucht. Man sieht nun aus der Gleichung: eine Verschiedenheit von «œ an verschiedenen Punkten in der Mischung wäre, wenn sie dauernd bliebe, wenn nur Punkt 7 eingehalten würde, œ = f,(#) ziemlich belanglos; nicht zulässig ist es aber, daß mit der Zeit Verände- rungen von « an einem und demselben Punkt stattfinden, das verhindert einen richtigen Schluß auf

T

S Jodt, und gerade das ist unvermeidlich, weil die anfangs homogene Lösung in eine inhomogene

übergeht. Für die Berechnung wollen wir annehmen, « = konst., von Ort und Zeit unabhängig.

6. Oberfläche und Grundfläche der Flüssigkeit werden als vom Fokus überall gleichweit entfernt angenommen, also als Teile von Kugelschalen betrachtet, während sie eben sind; wenigstens die Ober- fläche muß eben sein. Dieser Fehler macht aber nicht viel aus, wenn die Fokaldistanz nicht allzu klein ist.

7. Die Flüssigkeitsschicht ist so dick, daß sie immer einen großen Teil der Strahlenenergie (90—95°/,) und mehr absorbiert.

Wir berechnen nun die Empfindlichkeit der Methode, die nötig ist, um die durchschnittliche Ver- änderung in dem ganzen kegelförmigen Flüssigkeitskörper festzustellen, die weitaus geringer sein wird, als die der obersten Schicht.

Es war du = a Jo (R + x) dx = aJo Re 417 wda

b b ax

Ea = f aJo Re” odz=—Jo Re en

0

Jo R¥w(1—e *’), wobei w = , es ist zu wählen

Ti ~ 4(R-f a (1—e—**) > 0.9 bis 0.95

e*t 20.1 bis 0.05

—ab =10.1 bis 10.1—0.7

b= 20.1 bis ?0.1—0.7 & a

dEa absorbiert von œ dünner Schicht = « Jo R?e "" wdx

ado Re "oda

Eu n a l em? 7. de aJo Re” ** ine R 2 RF an 4n° (ar): JRwull-e) _,@ or cs u Tr Ze Can (me) = Ian remo, Rol") ey FE; K+Vihths * 4 Bin fa 0.1 (0.05) a _ f, 0.1 (0.05) Va a Arne AHVE +f a

ist z. B. f, = 4 cm?, R = 30 cm, b = 50 cm,

R+b\* 6400 an (AS Ba = 28.44 om

en re

De a ee

296 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

= 4.0.1 (0.05) __ 0.4 (0.2) (4 + V 113.6 + 28.4) 1660 48-1660’ ; 0.693 0.4 (0.2) 0.4 (0.2)

= Halbwertschicht a’ Y ~ 43.5. 16.6. 0.35 0.28) 254 (16)

für a = 2 cm, a = 0.35, fir a=3 cm, a = 0.23, 1 1 47 (m) Ergebnis:

Will man auf diese Weise die Änderungen der Konzentration verfolgen, so braucht man eine Methode, welche je nachdem, ob man 0.9 oder 0.95 der Energie durch die Flüssigkeit absorbieren will und je nachdem man Strahlung von 3 oder 2 cm Wasser-Halbwertschicht hat, 420 bzw. 1270mal so ge- nau ist, als die zur Bestimmung der Veränderung in dünner Schicht notwendige. Mithin ist die Aräo- metermethode nicht verwendbar und auch eine Laboratoriumsmethode, die spezifische Gewichte von Flüssigkeiten auf zirka 1/000 "lon = ti o00000 bestimmt, dürfte große Schwierigkeiten haben. Ist die Strahlung

härter, so ist das Resultat noch ungünstiger. Ist 6 nicht 50, sondern 10 cm, so wird der Mittelwert für harte Strahlen schon recht ungenau:

n=4 (2) = 7.11 cm’,

4 (0.05) 1

SS e = “=a + V 28.4 +7.11) 3.38-0.23 62.5

Auch diese ca. 60fache Empfindlichkeit dürfte sehr schwer zu erzielen sein; und selbst wenn man R, die Fokusdistanz der Oberfläche sehr groB nimmt, so daß man vom quadratischen Gesetze ab- sehen könnte, so genügt bei noch nicht sehr tiefen Schichten das Exponentialgesetz allein, um die Verfolgung der eingetretenen chemischen Veränderung auf diesem Wege praktisch unmöglich zu machen.

Betrachtet man Strahlungen von verschiedener Härte getrennt, so ist ziemlich sicher, daß, wenn die ausgefällte Menge Kalomel nur in irgendwelchem Zusammenhang mit der absorbierten Energiemenge

steht, Strahlen größerer Härte im selben Gefäß bis zu einem geringen Grad zur Absorption gelangen

und außerdem selektive Absorption bestehen wird für gewisse Härten, weil ein Quecksilbersalz vorhanden ist. Bei eintretender Trübung ist eine unbestimmte Verteilung des Absorptionskoeffizienten als f(x,t) zu erwarten, welche bewirkt, daB die Ausfällung in andere (im allgemeinen tiefere) Gebiete ver- legt wird, als ihrer Entstehung entspricht, und es werden sich auch die Flüssigkeitschichten verschiedener spezifischer Gewichte durch total unberechenbare Diffusion ausgleichen, so daß die Verteilung von «@ und damit die ausgefällte Menge von zufälligen Nebenumständen abhängig und die Methode auch einer Eichung nicht mehr zugänglich wird. |

Jede Betrachtung über komplexe Strahlung erscheint nach Vorstehendem überflüssig.

Es ist daher nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, daß diese Methode zur Fest- stellung der in der Lösung erfolgten Veränderung bei Bestimmung von Energiemengen mit dicken Schichten verwendet kaum brauchbar ist?).

1) Damit ist natürlich nichts gesagt gegen die Verwendung des Schwarzschen Kalomelradiometers als praktisch übliche Dosismessung. Darin dürfte es so gut und so schlecht sein wie die anderen ge- bräuchlichen Radiometer.

XXIII, 8. Diskussion. 297

Diskussion.

Aus dem physikalischen Laboratorium der Zentral-Röntgenabteilung im k. k. allgemeinen Krankenhaus in Wien (Vorstand: Prof. Holzknecht).

Zwei Bemerkungen (Gastbeiträge) von Carl Weissenberg, mathematisch-physikalischer Mit- arbeiter der Abteilung.

I. Zu dem Beitrag von Dr. R. Fürstenau (Berlin): Wege und Ziele in der Dosimeterfrage.!)

Nicht zu der allgemeinen Frage, in der ich wie Christen und Fiirstenau auf der Seite derer stehe, welche die direkte Herstellung richtiger Vergleichstabellen der gebräuchlichen Dosimeter für un- möglich halten, möchte ich mich hier äußern, sondern zu einigen Detailfragen des zweitvorgeschlagenen Weges. _

Fürstenau geht von der Ansicht aus, daB man Flächenenergien besser messen kann als Dosen, und schlägt vor, aus den abgelesenen Flächenenergien die Dosen zu. berechnen. De facto gibt es aber noch kein Instrument, welches Flächenenergien mißt, auch nicht Flächenenergien pro Zeiteinbeit (bei Fürstenau Intensitäten genannt), Alle bisherigen Flächenenergiemesser messen nur physik. Dosen, d. h. in mehr oder minder dicken Schichten absorbierte Röntgenenergien und die Intensitätsmesser physi- kalische Dosen pro Zeiteinheit. Nichtsdestoweniger sind bei konstanten Verhältnissen auch solche In- tensitätsmesser äußerst praktisch und erstrebenswert.

Falsch ist es aber, die Dosis in einem dickeren Körperteil als Differenz der Flächenenergien (ge- messen überhalb und unterhalb des Körpers, zu berechnen, da diese Differenz einen veränderlichen von der Fokusdistanz abhängigen Summanden, den Distanzverlust, noch enthält, welcher mit der Absorption nichts zu tun hat. Richtig wäre die Messung ohne Distanzverlust.

Mißt man nun noch die Flächenenergien oder Intensitäten mit dem Fürstenauschen Instrument (was offenbar gedacht ist) so kommt noch ein zweiter prinzipieller Fehler hinzu.

Bei der Messung von Absorptionen einer bestimmten Schichtdicke eines Körpers ist man häufig so vorgegangen, daB man die Differenz der Anzeigen eines Dosimeters über und unter der Schicht als Absorption in der Schicht angesehen hat. Hierbei sind zwei Fehler gemacht worden, der eine dadurch, daß das Dosimeter nicht in konst. F. D. gehalten wurde, bringt eine Vermengung des Distanzverlustes mit der Abs. mit sich und ist andernorts schpn dadurch richtiggestellt worden, daß der Versuch ohne die Distanzverluste angeordnet wurde; der zweite Fehler, der schwerer zu korrigieren ist, besteht darin, daB man die Differenz zweier Dosen beim Fürstenauschen Instrument Dosen pro Zeiteinheit als Ab- sorption angesehen hat, statt der Differenz der Flächenenergien. Der hierbei zustande gekommene Fehler hängt davon ab, wieviel die für Röntgenstrahlen empfindliche Schicht des Dosimeters absorbiert, welches zur Bestimmung der Abs. verwendet wurde. Nehmen wir z. B. an, daß Instrument messe Dosen im Sinne Flächenenergie Halbwertschicht dann liegt folgender Fehler vor:

l messen wollte man: Abs. = FI.-E., —Fi.-E.,, gemessen wurde: „Abs.“ =Fl.-E., « Fl.-E,«= « (Fl.-E., Fl.-E.,) (bei homogenem Licht):

d. h., man hat statt der wirklichen Absorption nur eine im günstigsten Fall (bei homogenem Licht) mit der Härte veränderliche, der Halbwertschicht umgekehrt proportionale Größe gemessen. Bei homogenem Licht erhält man hier wenigstens bei konstanter Härte für variabler Schichtdicke als gemessene „Abs.“ brauchbare Vergleichswerte. Bei inhomogenem Licht wirkt der Fehler noch ungünstiger, da die Hartung in der Schicht noch berücksichtigt werden müßte, und man daher auch nicht einmal bei konstantem Ge- misch- für variable Schichtdicke brauchbare Vergleichswerte bekommt. Am deutlichsten erkennt man die Größe des Fehlers bei der Messung von Absorptionen in dünnen Schichten, wenn man der obigen Gleichung die Form gibt: gem. ,Abs.* = « Abs., in dünnen Schichten mit der Dicke ist die wirk- liche Absorption selbst gleich « Fdx, also umgekehrt prop. der jeweiligen Halbwertschicht; dagegen die gemessene „Abs.“ = « mal so groß, also umgekehrt prop dem Quadrat der Halbwertschichten, d. h. die Strahlung mit doppelter, dreifacher Halbwertschicht ergibt, 1/4, !/, statt !/,, '/;, der Absorption der Strah- lung der Ausgangs-Halbwertschicht. Je nachdem « größer, gleich oder kleiner als 1 ist, wird die gem. „Abs.* größer, gleich oder kleiner als die wirkliche Absorption sein.

von Christen also - In2=Fl.-E. >< Absorptionskoeffizient (a),

1) Fortschritte auf d G. d. R., Bd. XX. Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen, XXIII. 38

min

298 Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetervergleich. XXIII, 3.

Es ist daher unbedingt notwendig bei Messung von Absorptionen wirklich Flächenenergien von- einander zu subtrahieren, da sonst in einem Spektralgebiet von 1—5 cm Halbwertschicht die Fehler in dünnen Schichten 80°/, betragen. (In größerem Spektralgebiet und bei inhomogenem Licht noch größer.)

Auch das Erkennungsmerkmal, welches Fürstenau angibt für ein Intensimeter, ist wohl ein not- wendiges, doch noch lange nicht hinreichendes Charakteristikum, denn dasselbe Kennzeichen hätten auch Apparate, welche Flächenenergien, mittlere Dosen, physikalische Dosen pro Zeiteinheiten oder in einer beliebigen Zeit gemessen.

II. Zu dem Beitrag von Dr. med. et phil. Th. Christen (Bern): Strahlenmessung.’)

Den anschaulichen Begriff der Halbwertschicht einer Strahlung, den Christen in so verdienstvoller Weise vielfach ausgewertet und bearbeitet hat, konnte er nun auch für die Messung des abstrakteren Begriffes der Heterogenität einer Strahlung benutzen. Von diesem Gedanken ausgehend, schlägt Ohristen schon in seinem Vortrag in der Schweizer Naturforschenden Gesellschaft und wieder in einem Beitrag zur ersten Gruppe der Kommissions-Verhandlungen als elegantesten und anschaulichsten Ausdruck der Heterogenität eines Strahlengemisches den Quotienten zweier aufeinanderfolgender Halbwertschichten

* vor. Und tatsächlich ist wohl kein einfacheres und übersichtlicheres Maß der Heterogenität denk-

bar. Ich möchte mir nur gestatten, auf ein Bedenken hinzuweisen, das jedoch durch eine kleine Modi- fikation zu beseitigen ist.

Wenn man nämlich nun, um die beiden in Betracht kommenden aufeinanderfolgenden Halbwert- schichten irgendwie zu einem Heterogenitätsmaß zu verquicken, gerade den Quotienten der beiden wählt, so tritt die eigentümliche Erscheinung auf, daß derselbe für den Fall homogenem Lichtes gleich 1 wird, wodurch der irrige Anschein erweckt wird, als ob bei homogenen Licht eine Heterogenität vorhanden sei, die man als Einheit den Messungen zugrunde legt, während doch offenbar die Heterogenität des homogenen Lichtes gleich Null ist. Mit anderen Worten. Fine Strahlung von der Christenschen „Heterogenität“ 2 ist, z. B. nicht wie man vermuten möchte, doppelt so heterogen, wie eine Strahlung mit der Christenschen „Heterogenität® 1, sondern unendlich viel heterogener, da bei der Christenschen „Heterogenität“ 1 de facto überhaupt keine Heterogenität vorhanden ist. (Analog ist bei der Hetero- genität 2 und 4, die letztere nicht doppelt so groß, sondern dreimal so groß als erstere.

Diesen Übelstand kann man nun leicht zunächst formal dadurch beseitigen, daß man von dem

Christenschen Heterogenitätsmaß immer die Zahl 1 subtrahiert, also den Ausdruck KAEN bildet. Da a

nun aber = i= ist, so bedeutet diese Modifikation, daB die Hartung der Strahlung (d. h. Zu- nahme der Halbwertschicht der Strahlung in Prozenten def ersten Halbwertschicht) innerhalb der ersten Halbwertschicht als Maß der Heterogenität der Strahlung angesehen werden kann.

Dieses Maß ist jedenfalls insoweit praktisch gut brauchbar, weil es die Heterogenität des homo- genen Lichtes richtig mit Null angibt und tatsächlich eine Strahlung von der mit obiger Modifikation gemessenen Heterogenität 2 ungefähr doppelt so heterogen ist, als eine Strahlung von der Heterogenität 1.

Es liegt nun aber kein prinzipieller Grund vor, gerade innerhalb der ersten Halbwertschicht die Hartung der Strahlung als Maß der Heterogenität anzusehen, man kann ohne weiteres den obigen Aus- a*—a

druck für die Härtung also für eine beliebig dicke oder dünne Schicht bilden; es bedeuten dann

eben a* und a nicht zwei aufeinanderfolgende Halbwertschichten, sondern sie bedeuten die Halbwert- schicht der Strahlen hinter und vor der absorbierenden Schicht.

Man gelangt so im Gegensatz zu dem Christenschen Heterogenitätsmaß, welches in groben Sprüngen messend nichts über den Verlauf der Heterogenität innerhalb der ersten Halbwertschicht aus- sagt zu einem beliebig fein nuancierendem Maß. (Für unendlich dünne Schichten ergibt sich als MaB

d der Heterogenität md Ina. In Worten: die Zunahme des Logarithmus der Halbwertschicht mit

wachsender Schichtdicke ist auch ein Maß der Heterogenität.) Es soll noch im folgenden auf eine Nutzanwendung der obigen Betrachtungsweise kurz hingewiesen werden:

MiBt man z. B. die Halbwertschicht vor und hinter einem Aluminiumfilter, so gibt der Ausdruck

ar a

cn

a*—a

a schonung des Aluminiumfilters fiir die betreffend Strahlung an.

gleichzeitig cin Ma8 des Nutzens des Filters. Mit anderen Worten, das so gewonnene Heterogenitits-

maB gibt, da es ja die Hartung der Strahlen in der Aluminiumschicht mißt, den Nutzen an Haut-

1) Fortschritte auf d. G. d. R., Bd. XX.

XXIII, 3. | | Diskussion. 299

Man kann nun auf diese Weise leicht verschiedene Filtersorten und Filterdicken hinsichtlich ihres

Nutzens für die Hautschonung prüfen. Das hautschonendste Filter wird offenbar dasjenige sein, bei a*—a am größten ist. Für die Praxis wird man gut tun,

welchem die Hartung, d. h. der Ausdruck

neben dem absoluten Nutzen des Filters (die Hartung der Strahlung innerhalb des Filters) sich auch

noch ein Maß zu bilden für den Nutzen des Filters im Verhältnis zur Energie, welche in ihm absorbiert

wird, d. h. eigentlich vergeudet wird. Man wird ja sicherlich das in Beziehung auf Hautschonung beste

Filter nicht nehmen können, wenn man zu viel Energie dadurch verliert, d. h. zu einem zu undkonomischen a —a

Betrieb gezwungen wäre. Bezeichnet also Æ abs. die vom Filter absorbierte Energie, so gibt den

: a —a gesamten absoluten Nutzen des Filters und ———— den Nutzen des Filters pro absorbierter Energie-

E abs. Einheit, Man wird dann in praxi einen bestimmten Gesamtnutzen fordern und von den Filtern, welche diesen Nutzen erzeugen können, dasjenige auswählen, welches am ökonomischsten ist, d. h. dessen Nutzen pro absorbierter Energie-Einheit am größten ist.

a* Wenn man ganz exakt sein will, so müßte man statt des Ausdruckes |] —1 besser den Ausdruck

a* In re oder was dasselbe ist: In a*— In a als Maß der Heterogenität im allgemeinen, oder wenn man

a* und a vor und hinter einer absorbierten Schicht mißt, als Maß der Hartung betrachten. Im all- gemeinen kann man sich jedoch mit der oben ausgeführten Modifikation begnügen, obwohl auch dieses Maß besonders in dem neuen Raster einfach darzustellen ist!).

Schließlich noch ein Wort zur Frage der Kriterien zur Erkennung, ob ein Instrument Flächen- Energie oder Dosen miBt.

Christen gibt an: „Um zu entscheiden, welches von zwei Instrumenten Flächenenergie und welches Dosis mißt, braucht man nur die Angaben der Instrumente zu dividieren und muß die Halbwertschicht bekommen.“

Dieses Erkennungszeichen ist in praxi in dieser Form nicht zu brauchen, denn erstens müßten dazu beide Instrumente im selben Maßsystem messen und zweitens kann man weder aus dem Zutreffen des Merkmals für zwei Instrumente, noch aus dem Nichtzutreffen sichere Schlüsse ziehen. Denn ist nämlich der Quotient der Angaben gleich der gemessenen Halbwertschicht, so sind folgende Möglichkeiten offen: 1. beide Instrumente messen richtig, d. h. das eine Flächenenergie, das andere Dosis und die Halbwertschicht wurde richtig bestimmt.

2. Beide Instrumente messen in derselben Richtung falsch, so daß der Quotient der richtig er- 'mittelten Halbwertschicht gleich ist.

3. Beide Instrumente messen falsch und die Halbwertschicht wurde unrichtig ermittelt, so daß zufällig der Quotient der beiden falsch ermittelten Daten gleich der falsch ermittelten Halbwertschicht

*) Als Prüfstein der Richtigkeit des hier vorgeschlagenen Heterogenitätsmaßes: In— diene folgende

Überlegung. Mißt man die Heterogenität einer Strahlung in einer Schichte D, so ergiebt sich hierfür der Aus-

* druck In =, wobei a* die HWS. hinter und a die HWS. gemessen vor der Schicht D bezeichnen. Zu

demselben Resultat muß man kommen, wenn man zunächst die Heterogenität der Strahlung in einer beliebigen dünneren Schicht d bestimmt und dazu die Heterogenität in der restlichen Schicht D—d addiert. Nimmt man nun an, die Schichte d hätte die Strahlung soweit, daß die Strahlung eine HWS.

* von a, erreicht, so ergiebt sich (Heterogenität in d) = In -+ (Heterogenität in D—d) = In = (He-

* * * terogenität in D) = In— , was offenbar stimmt, da In a + In £ = ln = . —, also unabhängig von a,, 1 1

* z * gleich In = - Bei dem Christenschen Heterogenitätsmaß stimmt diese Gleichung nicht, da = nicht gleich

* “tt ist, Dieselbe Überlegung läßt sich durchführen für den Nutzen des Filters. Es muß nämlich 3

z. B. der Nutzen eines 4 mm Al-Filters gleich sein dem Nutzen des 8 mm Al-Filters vermehrt um den Nutzen von 1 mm Al-Filter für die durch 3 mm Al. gefilterte Strahlung. Man erhält hierbei genau die-

e e a* a, a* selbe Gleichung, nämlich In = In -+ in. w. z. b. w. 1

38*

300 Fraenkel. XXIII, 3.

gleich ist. Analog wenn der Quotient der Angaben nicht gleich der Halbwertschicht ist, kann man picht entscheiden, welches der drei Instrumente falsch war.

Am besten erkennt man die Unzulänglichkeit des Kriteriums an einem einfachen Beispiel. Nimmt man z. B. als die beiden Instrumente die Sabouraudpastille und den Kienböckstreifen, so könnte auch zufällig der Quotient gleich der Halbwertschicht der Strahlung sein. Deshalb wird man natürlich noch nicht behaupten dürfen, daß das eine Flächenenergie und das andere Instrument Dosis mißt.

Aus dem pathologischen Institut des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Eppendorf.

Röntgenologisches über Epiphysenlösungen und über Heilung der Osteochondritis syphilitica congenita. Von

Eugen Fraenkel. (Hierzu Tafel IX bis XII.)

Während wir über die anatomischen und röntgenologischen Verhältnisse der angeborenen Knochensyphilis in ihrem floriden Stadium sehr gut unterrichtet sind, gilt das gleiche nicht für die Röntgenologie der zur Heilung der kongenitalen Knochenlues führenden Vorgänge, speziell nicht, soweit es sich dabei um die bei weitem häufigste Form dieses Leidens, die so- genannte Osteochondritis syphilit., handelt. Die Gründe hierfür liegen klar auf der Hand. Ein großer Teil der damit behafteten Kinder kommt bereits tot zur Welt, eine gleichfalls nicht geringe Anzahl stirbt wenige Tage oder Wochen nach der Geburt, so daß nur ein beschränkter Prozentsatz am Leben bleibt und zu in Zwischenräumen vorzunebmenden röntgenologischen Untersuchungen Gelegenheit gibt. Aber selbst bei einem so reichen Krankenmaterial, wie es mir in meiner dienstlichen Stellung durch das Entgegenkommen meiner klinischen Kollegen zur Verfügung steht, hat man in dieser Beziehung noch mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Immerhin ist es mir möglich gewesen, vor allem durch das Zusammenarbeiten mit dem der- zeitigen Leiter der Säuglingsabteilung des Eppendorfer Krankenhauses, Herrn Meyer-Delius, mehrere mit angeborener Knochensyphilis leidende Kinder in Intervallen röntgenologisch unter- suchen zu lassen und mir dadurch Klarheit über die Art und Weise der Rückbildung der an den erkrankten Knochen etablierten Veränderungen zu verschaffen. Ich glaube, durch Mitteilung der dabei erhobenen Befunde eine in der Röntgenologie der angeborenen Knochensyphilis be- stehende Lücke auszufüllen.

Ich schicke der Schilderung der Röntgenbilder zunächst einige kurze Angaben über das klinische Verhalten der betreffenden Kinder, nach den mir von Herrn Meyer-Delius gütigst zur Verfügung gestellten Krankengeschichten, voraus.

1. Käthe Sch, zweimonatliches 9, aufgenommen 14, II. 14, starker Schnupfen, Schwellung der fühlbaren Lymphdrüsen; Mund- und Rachenschleimhaut intakt. W»-R. im Blut dreifach positiv, in der Lumbalflüssigkeit negativ.

Die am 18. II. 14 vorgenommene Röntgenuntersuchung ergibt folgendes Resultat: Am distalen Ende beider Vorderarmknochen befindet sich ein für das erste Stadium der Osteo- chondritis syphilit. charakteristischer, nicht besonders breiter Schatten, der am rechten Vorder- arm vielleicht etwas intensiver ist. Die Humeri lassen am lateralen Abschnitt des distalen Endes einen bis an die Kortikalis heranreichenden kleinen Defekt im Knochen erkennen. Der Schaft bietet nichts Bemerkenswertes. Von den unteren Extremitäten wird bei der ersten Untersuchung der Unterschenkel geröntgt. Beide Unterschenkelknochen zeigen am proximalen und distalen Ende, besonders ausgesprochen an der Fibula, den, dem ersten Stadium der Osteochondritis zakommenden Schatten, während das distale, auf der Platte sichtbare Femurende nichts Abnormes erkennen läßt. Der mediale Abschnitt des proximalen Tibiaendes weist einen flach muldenförmigen Defekt auf; am eigentlichen Schaft nichts Abnormes.

XXIII, 3. Röntgenologisches über Epiphysenlösungen u. über Heilung der Osteochondritis usw. 301

Am 2. III. wurde die erste Neosalvarsan-Injektion (0,1) gemacht und am 24. III. eine neue Röntgenuntersuchung vorgenommen. Es ist hier schon eine unverkennbare Änderung gegenüber dem ersten Befund zu konstatieren. Der Schatten am distalen Ende der Vorder- armknochen ist schmaler geworden, aber etwas anderes ist hinzugekommen, nämlich eine deut- liche periostale Knochenanbildung im Bereich des unteren Schaftendes des Humerus und eine ebensolche, allerdings schmälere, am Radius, an beiden Knochen hauptsächlich am lateralen Umfang, links ausgesprochener als rechts. Ähnlich liegen die Dinge an der unteren Extremität, nur daß hier die periostale Knochenanbildung sowohl an der Tibia als am Femur eine sehr viel mächtigere ist, als an den Vorderarmknochen. Am Femur nimmt der periostal angebildete Knochen die ganze Zirkumferenz ein, an der Tibia mehr die mediale Fläche, an beiden ge- nannten Knochen nahezu der ganzen Länge des Schaftes entsprechend, unter Freilassung der Gelenkenden.

Am 31. III. und 15. IV. werden zwei weitere Injektionen von Neosalvarsan (von 0,1 bzw. 0,05) gemacht, worauf am 18. IV. eine dritte Röntgenaufnahme erfolgte. Der an den distalen Enden der Vorderarmknochen sichtbare, persistierendem, kalkhaltigem Material ent- sprechende Schatten ist nahezu geschwunden und durch Knochengewebe substituiert. Der Be- fund ist an beiden Vorderarmen der gleiche. Dagegen hat die periostale, bereits bei der vor- hergehenden Röntgenuntersuchung in die Erscheinung getretene, Knochenanbildung zugenommen, besonders am Humerus, an dem sie sich als ziemlich breite Schicht in der ganzen .Länge des Schaftes konstatieren läßt, und zwar, abweichend von dem der eigentlichen Periostit. ossif. syphilit. congen. zukommenden Verhalten, am mächtigsten im Bereich der Metaphyse. An den unteren Extremitäten hat eine Zunahme des periostalen Knochenlagers in der Dicke nicht stattgefunden, dagegen ist der Schatten etwas kräftiger geworden, als Ausdruck dafür, daß die neugebildete Masse in echtes Knochengewebe umgewandelt ist. Auch am proximalen Tibiaende sind annähernd normale Strukturverhältnisse wieder eingetreten.

Es folgen nun noch drei Neosalvarsan-Injektionen zu je 0,1: am 28. IV., 11. V., 22. V. und nun wird Mitte Juni eine vierte Röntgenuntersuchung vorgenommen. Sie überzeugt uns davon, daß es an den oberen, wie unteren Extremitäten zu einer partiellen Verschmelzung der neugebildeten periostalen Knochenmassen mit der alten Kortikalis und dadurch zu einer nicht unbeträchtlichen Verdickung dieser gekommen ist. Dieser Vorgang ist am Radius beider Vorderarme weiter vorgeschritten, als an den Humeri, aber nicht so weit gediehen, wie an den unteren Extremitäten, an denen es auch bei genauestem Zusehen nicht gelingt, eine Abgrenzung zwischen alter Kortikalis und periostaler Knochenschale zu entdecken. Hier bildet sowohl an den Schienbeinen als an den Oberschenkeln die Kortikalis einen einfachen Kontur, der sich auf der Röntgenplatte durch seinen kompakten Schatten bemerkbar macht. _

Die Deutung der etwas eingehender geschilderten Röntgenbilder stößt auf keinerlei Schwierigkeiten. Bei der ersten Untersuchung sind an den oberen, wie unteren Extremitäten unzweideutige, für das erste Stadium der Osteochondritis syphilit. sprechende, Befunde erhoben worden, an den distalen Enden der Vorderarmknochen, sowie an den proximalen und distalen Abschnitten der Unterschenkelknochen beiderseits. An den Schienbeinen ist der Prozeß, vor allem an den medialen Abschnitten, etwas weiter vorgeschritten. Unter der eingeleiteten The- rapie kommt es im Verlauf von vier Monaten zu einer allmählichen Rückbildung der für Osteochondritis syphilit. charakteristischen Veränderungen unter gleichzeitigem Auftreten periostitischer Prozesse, die zur Bildung von, zum Teil sehr kräftigen, Knochen- schalen, namentlich an den unteren Extremitäten, führen. Und während es in dem erwähnten Zeitraum an den unteren Extremitäten durch Verschmelzung der angebildeten periostalen Knochenlagen mit der alten Kortikalis zu einer nicht unwesentlichen Verdickung dieser ge- kommen ist, läßt sich, namentlich an den Vorderarmknochen, noch ein deutlicher Zwischenraum zwischen beiden erkennen und daraus der Schluß ziehen, daß der Heilungsprozeß noch keines- wegs beendet ist.

a a TE nn Sra

—— sieve oe

302 Fraenkel. AXT, 3.

2. Kind R., '/,jahriges 9, aufgenommen 14. V. 14, entlassen 17. VII. 14. Koryza, an den Mund- winkeln, dem Lippensaum entlang, papulöses Syphilid mit geringer Rhagadenbildung. Im Abstrich einer Papel von der Unterlippe einzelne Exemplare von Spirochaeta pallida. W.-R. im Blut dreifach positiv, auch in dem der Mutter dreifach positiv, im Liquor negativ. Der linke Arm hängt schlaff herab, kann im Schultergelenk nicht bewegt werden. An der Innenseite des proximalen Teils der Schienbeine eine Verdickung festzustellen, sonst an den Röhrenknochen nichts.

Bei der am 19. V. vorgenommenen Röntgenuntersuchung ergibt sich folgendes: An den distalen Enden beider Vorderarmknochen ein mäßig breiter, intensiver, auf kalkhaltiges Material zurückzuführender Schatten, über dem sich, durch eine etwas breitere Aufhellungs- zone getrennt, ein weniger satter, auf eine dichtere Anordnung von Spongiosabälkchen deuten- der zweiter Schatten befindet. Proximales Ende der Vorderarmknochen unverändert. Am proximalen Ende des linken Humerus zeigt der Knochen am medialen Umfang im Bereich der Metaphyse eine rechtwinklige Infraktion, so daß der proximalste Schaftteil schnabelartig gegen die Gelenke vorzuspringen scheint. Der unmittelbar darunter befindliche Schaftteil läßt eine deutliche periostale Knochenauflagerung erkennen, die Schaftmitte ist frei, das untere Drittel dagegen von einem ziemlich mächtigen, bis nahe an das Schaftende herabreichenden Knochenmantel umgeben. Ein solcher findet sich, wenn auch weniger kräftig, an der ent- sprechenden Stelle des übrigens intakten rechten Humerus. Von den unteren Extremitäten er- weisen sich nur die proximalen Enden beider Schienbeine, namentlich des linken, erheblich er- krankt. Es handelt sich um symmetrisch an ihren medialen Abschnitten gelegene, mit Ein- schmelzung von Knochen einhergehende, an der Knorpelknochengrenze lokalisierte, aber nicht die ganze Breite des Knochens einnehmende, osteochondritische (gummöse?) Prozesse, mit denen eine unmittelbar an die geschilderten Herde anschließende, bis weit über die Schaftmitte herab- reichende, ossifizierende Periostitis vergesellschaftet ist. Am 22. V. wurde mit Neosalvarsam- Einspritzungen begonnen, nachdem bereits am 17. V. Hg. jodat. innerlich gereicht worden war. Bis zum 7. VII. hatte das Kind bei fünfmaliger Injektion (22. V., 2. VL, 12. VI, 24. VL, 7. VIL) im ganzen etwas über 0,4 Neosalvarsan verabfolgt bekommen. Die am 17. VII. erneut ausgeführte Röntgenuntersuchung des inzwischen 5*/, Monate alt ge- wordenen Kindes zeigt das überraschende Resultat, daß an den Vorderarmknochen vollkommen normale Verhältnisse Platz gegriffen haben. Der bei der ersten Untersuchung konstatierte, so deutlich doppelt konturierte, Schatten ist völlig geschwunden, und man kann bis zum untersten Schaftende Knochenstruktur erkennen. Auch am linken Humerus zeigt das proximale Ende, wie namentlich ein Vergleich mit dem rechten Oberarm lehrt, fast normale Konturierung. Dagegen besteht noch eine ziemlich mächtige periostale Knochenauflagerung in der ganzen Länge des Schafts, die besonders am inneren Umfang des Knochens deutlich hervortritt und nahezu in ihrer ganzen Ausdehnung die gleiche Breite aufweist. Am rechten Humerus ist eher ein Rückgang der subperiostalen Knochenauflagerung zu erkennen; in ganz analoger Weise ist an den beiden Schienbeinen eine geradezu staunenswerte Besserung zu verzeichnen, Ihre proximalen Enden, die bei der ersten Untersuchung ausgedehnte Einschmelzungsbezirke aufwiesen und wie angefressen erschienen, haben vollständig normale Struktur angenommen und lassen, abgesehen von einer gewissen Aufhellung des Knochengewebes, nichts Abnormes erkennen. Die periostale Knochenauflagerung allein ist noch zurückgeblieben, erinnert aber nicht entfernt an die Schwere der ursprünglichen Erkrankung. Zu einer völligen Verschmelzung der neugebildeten Knochenlagen mit der alten Rinde ist es noch nicht gekommen. Aber im wesentlichen ist der eigentliche Krankheitsprozeß hier als abgelaufen zu betrachten. Von schweren osteochondritischen Veränderungen an den Tibien und den weniger weit gediehenen, wenn auch deutlich ausgesprochenen, an den Vorderarmknochen, ist nichts mehr zu konstatieren. Auch die als anatomisches Substrat für die klinisch beobachtete Pseudoparalyse des linken Armes röntgeno- logisch nachgewiesene Infraktion am oberen Schaftende des Humerus hat sich nahezu völlig zur Norm zurtickgebildet. Ob die in diesem Fall röntgenologisch erkannte, ossifizierende Periostitis sich erst im weiteren Verlauf des Leidens entwickelt oder von Anfang an bestanden

XXIIl, 3. Röntgenologisches über Epiphysenlösungen u. über Heilung der Osteochondritis usw. 308

hat, ist nicht zu entscheiden. Das Kind war vor der Aufnahme auf die Säuglingsabteilung bereits zwei Monate auf der Augenstation behandelt und erst nach der im Mai erfolgten Ver- legung auf jene röntgenologisch untersucht worden. Über das Verhalten des Skeletts vor dieser Zeit kann daher nichts angegeben werden. |

Die auf Grund des Spirochätenbefundes, der positiven W.-R. und einiger klinischer Symptome auf Syphilis gestellte Diagnose hat durch die Röntgenbefunde am Skelett eine volle Bestätigung erfahren. Etwas von dem gewöhnlichen Verhalten abweichend waren nur die Veränderungen an den Schienbeinen. Indes auch sie sind ohne weiteres mit der Annahme eines hier lokalisierten, mehr herdförmigen osteochondritischen, oder wenn mau will, gummésen Prozesses zu erklären. Das Auffallende ist darin zu suchen, daß die Erkrankung nicht, wie sonst meist, die ganze Breite des Knochens einnimmt, sondern als ein, auf einen bestimmten Teil des oberen Schaftendes beschränkter, ungewöhnlich weit in die Diaphyse übergreifender Herd in die Erscheinung tritt. Eine prinzipielle Abweichung von den sonst bei der Osteo- chondritis syphilit. röntgenologisch sich ergebenden Bildern stellt indes dieser Befund nicht dar. Ich verweise in dieser Beziehung auf Figur 22, Tafel VIII meiner Untersuchungen über „die kongenitale Knochensyphilis im Röntgenbild“ (Ergänzungsband 26 zu Fortschritte auf dem Gebiete der Réntgenstrahlen). Es sind nur graduelle Unterschiede im Vergleich zu den hier in Rede stehenden, extensiv hochgradigeren Veränderungen.

Eine besondere Erwähnung verdient meines Erachtens noch der gleichfalls etwas un- gewöhnliche, der Pseudoparalyse zugrunde liegende Befund am Humerus. Wir wissen ja, daß es sich in der überwiegenden Mehrzahl solcher Fälle um eine Kontinuitätstrennung im Bereich der ersten Knochenbälkchen, also eine echte Fraktur des, an dieser Stelle, durch den patho- logischen Prozeß in seiner Widerstandsfähigkeit herabgesetzten Knochens handelt. Hier ist es anı Humerus, an einem etwas weiter ab von der bezeichneten Stelle gelegenen Teil des Schaftes, zu einer Infraktion am inneren Umfang und dadurch zu der, eine Paralyse vortäuschenden, Bewegungshemmung des Armes im Schultergelenk gekommen. Über den Termin des Eintritts der Infraktion sind leider keine Angaben zu machen, da während des Aufenthalts des Kindes auf der Augenabteilung eine röntgenologische Untersuchung unterblieben ist.

Bemerkeuswert erscheint die Schnelligkeit, mit der sich nach eingeleiteter syphilitischer Therapie die Rückbildung der Skeletterkrankung, insonderheit der osteochondritischen Prozesse an den Schienbeinen, vollzogen hat. In dem knappen Zeitraum von zwei Monaten sind die beträchtlichen Defekte an den oberen Schaftenden beider Schienbeine durch echtes Knochen- gewebe ausgefüllt gewesen. Nicht minder imponiert der, nahezu bis zur Norm vollzogene, Umbau des oberen Humerussegments an der Stelle der Infraktion.

3. Richard H., 8 Wochen, aufgenommen den 13. II. 14, gebessert entlassen 21. V. 14. Kümmer- liches Kind mit abschilfender Haut an Händen und Fußsohlen. Rhagaden an Mund und Nase; auf der Zunge eine flache, linsengroBe Papel. Die Leber überragt den Rippenbogen fingerbreit; Milz palpabel. W.-R. im Blut dreifach positiv, im Lumbalpunktat zweifach positiv, Phase 1 schwach positiv.

Am 17. li. erste Injektion von Neosalvarsan (0,08); am 20. IL erste Röntgenunter- suchung. Dabei ergibt sich an den distalen Enden beider Vorderarmknochen ein mäßig breiter Kalkschatten, auf den eine, ihm im Durchmesser gleichkommende, Aufhellungszone kommt. Am proximalen Abschnitt der Vorderarmknochen, abgesehen von Andeutungen peri- ostaler Knochenanbildung an der Ulna, nichts Bemerkenswertes, ebenso am eigentlichen Schaft. Am Humerus, dessen Eminentia capitata einen deutlich muldenförmigen Defekt aufweist, nahe- zu entsprechend dessen unterer Hälfte, Spuren einer periostalen Knochenauflagerung.

Von den unteren Extremitäten wurde nur die rechte untersucht, hier zeigt sich an der Tibia ein fast gleicher Befund wie an den Oberarmen, d. h. ein flach muldenförmiger Defekt an der medialen Seite des Schienbeines und ein, an der Knorpelknochengrenze des proximalen Schaftendes annähernd axial gelegener, bis an die Epiphyse heranreichender, nicht auf die Seitenteile übergreifender Aufhellungsbezirk, als Ausdruck für hier erfolgte Knocheneinschmelzung;

jb

804 Fraenkel. XXII, 3.

außerdem an der medialen, wie lateralen Fläche, über die ganze Länge des Schaftes sich er- streckend, auf Periostit ossif. zu beziehende Veränderungen. Solche finden sich auch an dem auf der Platte sichtbaren Teil des unteren Femurdrittels.

Nachdem das Kind am 2. Ill. 0,1 Neosalvarsan injiziert erhalten hatte, findet am 19. II. die zweite Röntgenuntersuchung statt, die bereits einen völligen Rückgang der osteo- chondritischen Veränderungen an den erkrankten Teilen der Vorderarmknochen wie der Humeri erkennen läßt; man sieht auf der Röntgenplatte, wie in der Norm, bis zur Epiphysenlinie hin deutliche Knochenstruktur. Der Defekt am distalen Humerusende, speziell links, ist nahezu vollkommen ausgeglichen, rechts ist die halbmondförmig ausgehöhlte Stelle des Knochens in eine mehr abgeschrägte umgewandelt. Die bei: der ersten Untersuchung an der Ulna eben angedeuteten periostalen Auflagerungen sind an der lateralen wie medialen Seite sehr deutlich geworden; neu aufgetreten sind solche im Bereich des oberen Viertels beider Radii; am Humerus erreichen sie eine ganz beträchtliche Dicke, namentlich in der unteren Hälfte.

Ganz entsprechend sind die Rückbildungsvorgänge an den unteren Extremitäten, soweit es sich um die osteochondritischen Prozesse an den Schienbeinen handelt. Von einer Defekt- bildung im Knochen ist nichts mehr zu erkennen, weder von der die Knochenoberfläche be- treffenden, noch von der in der Achse des oberen Schaftendes gelegenen. Dagegen haben die periostitischen Veränderungen an In- und Extensität zugenommeu, was insbesondere an beiden Oberschenkeln mit außerordentlicher Deutlichkeit in der ganzen Länge der Diaphyse zutage tritt.

Am 16. IV. wurde die dritte Neosalvarsaninjektion (0,1) gemacht und am 17. IV. die dritte Röntgenuntersuchung vorgenommen. Gegenüber dem eben geschilderten Befund ist indes diesmal eine wesentliche Änderung nicht zu konstatieren. Speziell hat sich in den Beziehungen zwischen neugebildetem, periostalem Knochen und eigentlicher Diaphyse an beiden Oberschenkeln nichts anders gestaltet. An den Tibien kann man vielleicht von einer Ver- schmelzung der hier im Bereich der Schaftmitte die größte Dicke aufweisenden periostalen Knochenlagen mit der alten Kortikalis sprechen. An den distalen Enden beider Oberarm- knochen besteht noch eine gewisse Difformität, ausgesprochener rechts als links, und es macht den Eindruck, als ob hier möglicherweise ein dauernder Defekt zurückbleiben wird.

Das Kind erhält am 30. IV. und am 11. V. noch zwei weitere Neosalvarsaninjektionen von je 0,1. Zu einer vierten Röntgenuntersuchung kam es indes nicht mehr. Über das weitere Schicksal des Kindes konnte ich nichts mehr in Erfahrung bringen.

Nach den eingehenden epikritischen Bemerkungen über Fall 2 kann ich mich hier kürzer fassen. Bestehen doch zwischen diesem und dem vorher erörterten Fall weitgehende Überein- stimmungen, sowohl hinsichtlich der Lokalisation, als der Art des Krankheitsprozesses. Auch hier im Sinne einer echten Osteochondritis zu deutende Veränderungen an den distalen Enden beider Vorderarmknochen neben mehr herdweisen an den proximalen Abschnitten beider Schien- beine, freilich weniger ausgedehnt als in Fall 2; dafür aber ein bei diesem nicht vorhandener, mit Untergang von Knochengewebe verbundener, Herd am distalen Humerusende. Meine dort über diese, in Herdform, im Bereich der Knorpelknochengrenze, an den langen Röhrenknochen bei angeborener Syphilis auftretenden Prozesse gemachten Auseinandersetzungen treffen auch für diesen Fall zu. Ich halte es zudem für gleichgültig, ob man die Erkrankung mit der Osteochondritis syphilit. identifizieren oder von einer mehr umschriebenen Gummibildung an den in Betracht kommenden Stellen sprechen will. Wer Gelegenheit hat, das Skelett bei einer großen Anzahl von Fällen von angeborener Syphilis zu untersuchen, wird durch solche Befunde nicht überrascht, und ich habe auf Fig. 8, Tafel I meines Atlas (l. c.) als Paradigma für solche Herderkrankungen den Humerus eines einmonatlichen Kindes abgebildet, dessen proxi- maler Abschnitt einen solchen Herd aufweist. Immerhin treten diese herdförmigen Prozesse gegenüber der eigentlichen, den Knochen meist in der ganzen Breite befallenden Wegnerschen Osteochondritis an Häufigkeit sehr zurück.

Überraschend schnell, wie in Fall 2, hat sich auch hier nach eingeleiteter antisyphilitischer

XXIII, 3. Röntgenologisches über Epiphysenlösungen u. über Heilung der Osteochondritis usw. 305

Behandlung die Rückbildung der Osteochondritis an den erkrankten Extremitätenabschnitten entwickelt, so daß nach Ablauf von vier Wochen ihr Nachweis auf der Röntgenplatte nicht mehr zu erbringen war. Und ebenso wie in Fall 2 hat, Hand in Hand mit dem Schwinden der Osteochondritis, die Entwickelung periostaler Knochenbildung eingesetzt, die, trotz fort- gesetzter spezifischer Therapie, auch nach weiteren vier Wochen in unveränderter Weise fort- besteht.

4. Ich reihe hier die Besprechung eines vierten Falles an, obwohl es durch die Ungunst der Verhältnisse nicht möglich war, fortlaufende Röntgenuntersuchungen bei ihm vorzunehmen. Aber der Fall gibt mir erwünschten Anlaß, auf einen andern Punkt einzugehen, über den mich eingehender zu äußern es mir bei meinen bisherigen Arbeiten über angeborene Knochen- syphilis an Gelegenheit fehlte, ich meine über Häufigkeit und Sitz der sogenannten Epiphysenlösungen.

Es handelt sich um den am 18. III. 1914 aufgenommenen dreimonatlichen, am 8. V. 1914 ungeheilt entlassenen Knaben Gustav E. Er bot eine den Rippenbogen fingerbreit überragende Leber ung eine Vergrößerung der fühlbaren Lymphdriisen dar.

Eine am 15. IV. ausgeführte Röntgenuntersuchung zeigte am distalen Ende beider Vorder- armknochen rechts ein breites Kalkband, das sich auch am linken Radius an symmetrischer Stelle findet. Am distalen Ende der linken Ulna ist es zu einer Kontinuitätstrennung oberhalb des unteren Schaftendes mit einer leichten Verschiebung des unteren Fragments in der Richtung des Antithenar gekommen. Der Ulnaschaft läßt eine, die mittleren ?/, ein- nehmende, nicht sehr kompakte, periostale Knochenauflagerung erkennen. An den unteren Extremitäten ist der Befund weniger ausgesprochen, immerhin sieht man am distalen Ende beider Femora und an dem proximalen wie distalen Ende der Unterschenkelknochen beider beider Beine ausgesprochene, wenn auch weniger satte, auf kalkhaltiges Material zu beziehende, gegen Dia- wie Epiphyse im ganzen gut abgegrenzte Schatten. Außerdem sieht man an beiden Femora eine, über die ganze Schaftlänge, speziell am lateralen Umfang deutliche, rechts mehr als links ausgesprochene, periostale Knochenauflagerung. Das Kind erhielt außer Sublimat- bädern am 15. IV., 20. IV., 29. IV. je 0,08 Neosalvars, wurde gegen ärztlichen Rat ungeheilt von den Eltern abgeholt, hd. daß die Möglichkeit zu einer zweiten Röntgenaufnahme ge- geben war.

5. Von dem gleichen Gesichtspunkt wie der vorige, sei auch der folgende Fall kurz erwähnt.

Er betrifft ein sechswöchiges Mädchen, Gertrud W., das nach sechstägigem Krankenhaus- aufenthalt am 14. V. zur Sektion gelangte, und bei dem die auf Grund des sonstigen klinischen Befundes, diffuses Syphilid beider Handflächen mit einzelnen Papeln, Paronychie am rechten Zeigefinger und an der zweiten linken Zehe, auf Syphilis gestellte Diagnose durch den Röntgenbefund bestätigt wurde.

Dieser ergab an proximalen und distalen Enden beider Vorderarmknochen für das zweite Stadium der Osteochondritis syphilitica charakteristische Veränderungen mit Kontinuitits- trennungen an den distalen Schaftenden beider Ulnae und geringer ulnarer Verschiebung des Fragments. Aus einem Vergleich der beiden Röntgenbilder wird die bis ins einzelne gehende Übereinstimmung der Befunde hinsichtlich Lokalisation und Art der Knochenaffektion in diesem und dem vorigen Fall ohne weiteres ersichtlich. Am eigentlichen Schaft der Vorder- wie Oberarmknochen liegt nichts Abnormes vor. An den unteren Extremitäten erwiesen sich proximale und distale Enden beider Oberschenkel, sowie beider Unterschenkelknochen beider Seiten, im Sinne des zweiten Stadiums der Osteochondritis syphilitica erkrankt, ohne daß es hier indes zu einer Trennung des Zusammenhanges an den Schaftenden gekommen wäre.

6. In außerordentlich lehrreicher Weise beweist das Röntgenbild des nun zu besprechen- den, einen siebenwöchigen Knaben betreffenden Falles (Sekt. 2516/1911) die Unrichtigkeit der Bezeichnung der in Rede stehenden Veränderung als Epiphysenlösung. Man erkennt bei Betrachtung der oberen Extremitäten ohne weiteres, daß die hier am proximalen Ende bei-

Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XXIII. 39

306 Fraenkel. XXIII, 3.

der Humeri nachweisbare Kontinuitätstrennung ein ganzes Stück von dem obersten Schaftende des Humerus entfernt ist, also die eigentliche Diaphyse betrifft, mit anderen Worten, daß hier eine echte Fraktur vorliegt, die, namentlich am rechten Humerus deutlich, mit einer nicht un- beträchtlichen Dislokation des oberen Bruchendes ad latus verknüpft ist. Links ist die Ver- schiebung geringer. An beiden Seiten ist es zu einer erheblichen Kallusbildung gekommen. An den distalen Enden beider Oberarmknochen besteht eine, namentlich an der Außenfläche sehr ausgesprochene, Periostitis ossif., die an beiden Ulnae einen sehr viel höheren Grad erreicht. Endlich ist am distalen Ende der rechten Ulna, und zwar an ihrer radialen Seite, ein kleines Fragment nach oben disloziert, übrigens im Zusammenhang mit dem Schaft stehend.

Weniger ausgesprochen sind die Veränderungen an den unteren Extremitäten. Ich sehe hier von den in jeder Hinsicht eindeutigen periostalen Auflagerungen an beiden Waden- beinen, die namentlich links in der Schaftmitte am massigsten sind, sowie von den gleich- artigen, beide Femora, das linke stärker als das rechte, betreffenden Veränderungen ab und mache vor allem auf den an den proximalen Enden beider Femora zu konstatierenden Befund aufmerksam. Ich neige zu der Annahme, daß auch hier Kontinuitätstrennungen mit Ab- sprengung von Knochenstückchen vorliegen, die speziell am linken Femur, vor allem an der medialen Seite, dem Schaft entlang, eine kurze Strecke nach abwärts verschoben sind.

Wir würden also in diesem Fall nicht weniger als fünf Knochen von zum Teil sehr schweren Kontinuitätstrennungen, und zwar echten Frakturen betroffen, vor uns haben.

7. Als in das gleiche Gebiet gehörig führe ich schließlich noch das Röntgenbild einer auf das distale Ende eines (des linken) Humerus beschränkten sogenannten Epiphysenlösung an, die ich bei der röntgenologischen Untersuchung einer 35 cm langen Frucht mit Syphilis congenita angetroffen habe (Sekt. 2054/1912). Die gesamten übrigen Röhrenknochen boten den Befund einer schweren Osteochondritis im ersten und zweiten Stadium. Réntgenologisch ist am unteren Schaftende des betreffenden Humerus der Knochen in etwa '/, cm Breite in ein an Knochengewebe armes Material umgewandelt, das namentlich ulnarwärts den Schaft pilzhutartig überragt. An der lateralen Seite schließt an die geschilderte Zone ein schmaler, sich nach kurzem Verlauf in die alte Rinde verlierender, periostaler Knochensaum an. Bei- läufig sei auf den am Schulterblatt und Darmbein sichtbaren, von mir als charakteristisch für kongenitale Knochensyphilis beschriebenen (F. G. R. XIX, p. 422), doppelten Kontur aufmerksam gemacht, dessen Nachweis auch am lebenden Kinde, freilich nur bei guten Röntgenaufnahmen, gelingt.

Eines besonderen Kommentars bedürfen die hier besprochenen Befunde an den Röhren- knochen nicht. Ich beschränke mich auf die Bemerkung, daß die, dem schwer geschädigten unteren Humerusende benachbarte, periostale Knochenauflagerung (auf dem Bilde leider nicht sehr deutlich) nicht etwa als Ausdruck einer über das Skelett verbreiteten Periostitis ossif. syphilit. anzusehen, sondern als reaktive, mit der Kontinuitätstrennung an dem distalen Schaft- ende zusammenhängende, Veränderung zu betrachten ist. Als Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung ist meines Erachtens das Fehlen gleichsinniger Prozesse an dem korrespondieren- den Teil des rechten Humerus nicht nur, sondern auch am gesamten übrigen Skelett, mit Aus- nahme des linken Radius, anzusehen. Die Diaphyse des letzteren weist namentlich in der Schaftmitte einen ziemlich kräftigen, periostalen Knochenmantel auf.

Mit den in meiner Monographie (l. c.) auf Tafel V, Fig. 14—14c, Tafel VI, Fig. 16, Tafel VII, Fig. 15—15b und Tafel VIII, Fig. 23—26 reproduzierten, sich auf sogenannte Epiphysenlösung beziehenden Fällen stehen mir aus den letzten Jahren im gapzen acht Fälle dieser, die Osteochondritis begleitenden, Komplikation zur Verfügung. Davon beziehen sich je vier auf unausgetragene, in Utero abgestorbene Früchte, vier betreffen lebende Kinder, deren ältestes zur Zeit der ersten Untersuchung vier Monate war. Über die Häufigkeit der Epiphysen- lösung bei der angeborenen Knochensyphilis maße ich mir ein Urteil nicht an. Dazu ist das von mir beobachtete Material nicht groß genug. Der auf diesem Gebiet besonders erfahrene

XXIII, 3. Röntgenologisches über Epiphysenlösungen u. über Heilung der Osteochondritis usw. 307

Hochsinger hat in seinen „Studien über die hereditäre Syphilis“ (Bd. II, p. 377) unter 98 Fällen 12 mal Epiphysenlösung beobachtet, wobei es sich viermal um Residuen solcher handelte, die sich durch eine winklige Einknickung der Epiphysengrenze dokumentierten. In allen diesen Fällen handelte es sich um extrauterin aufgetretene Epiphysenlösungen bei Kindern, die acht Tage bis acht Wochen alt waren.

Betreffs der Lokalisation der Epiphysenlösung weichen meine Befunde in einem Punkt von den Hochsingerschen ganz auffallend ab. Während nämlich dieser Autor die distale Humerusepiphyse sechsmal betroffen findet, bin ich einer Lösung der Epiphyse an dieser Stelle nur einmal begegnet. An den unteren Extremitäten hat Hochsinger eine Verschieb- lichkeit zwischen Epiphyse und Diaphyse niemals wahrnehmen können. Auch in dieser Hin- sicht bin ich zu andern Ergebnissen gelangt, freilich bei anderer Untersuchungsmethode. Ich habe mich bei der Stellung der Diagnose auf das in Rede stehende Ereignis immer nur des Röntgenverfahrens bedient, und ich halte die dabei erzielten Resultate für mindestens ebenso einwandsfrei und überzeugend, wie die durch Palpation und den Nachweis der abnormen Be- weglichkeit gewonnen. Vor allem sind die letzteren rein subjektiv, die ersteren völlig objektiv, durch das Röntgenbild festgelegt, stets von anderen kontrollierbar, und die Methode selbst ist eine weit schonendere. So habe ich denn, auch wenn ich von den, an zwei unreifen Früchten konstatierten, Epiphysenlösungen an beiden Unterschenkelknochen absehe (cf. die oben zitierten Röntgenbilder, Tafel V und Tafel VII), solche einmal bei einem sieben Wochen alten Kind an den proximalen Epiphysen beider Oberschenkel beobachtet. Es kann also an dem Vorkommen von Epiphysenlösungen an den unteren Extremitäten auch bei leben- den, selbst mehrere Wochen alten, kongenital syphilitischen Kindern nicht gezweifelt werden. Daß aber die oberen Extremitäten überwiegen, geht auch aus meinem Beobachtungs- material hervor. Der zur Erklärung dieser Tatsache von Hochsinger gegebenen Beweis- führung, daß die exponierte Lage ‘und die häufigeren Bewegungen und Erschütterungen der oberen Extremitäten einer Progredienz der osteochondritischen Prozesse gewissermaßen Vor- schub leisten, schließe ich mich durchaus an. Hingegen muß ich Hochsinger mit aller Entschiedenheit widersprechen, wenn er (l. c., p. 381) die Behauptung aufstellt, „daß sich der osteochondritische Prozeß an den oberen Extremitäten, wie bekannt, am allerhäufigsten und intensivsten an den distalen Epiphysen des Humerus entwickelt“. Mit dieser Annahme weicht er sowohl von den, seitens des Entdeckers der in Rede stehenden Krankheit, Wegner, als auch von mir, auf Grund röntgenologischer Untersuchungen des Skeletts kongenital syphi- litischer Kinder, gemachten Angaben durchaus ab.

Wegner bezeichnet die untere Epiphyse des Humerus geradezu als den kon- stant am geringsten betroffenen Teil, und ich habe ein isoliertes Ergriffensein dieses Skelettabschnittes nur ein einziges Mal beobachtet, während gleichzeitige Osteochondritis des proximalen und distalen Humerusabschnitis zwar etwas häufiger vorkommt, aber doch erst an vierter oder fünfter Stelle genannt zu werden verdient (cf. meine Monographie l. c., p. 19). Worauf diese Verschiedenheit der Befunde von Wegner und mir auf der einen, von Hoch- singer auf der anderen Seite beruhen, vermag ich nicht zu erklären. Dem entsprechend stehen auch seine, die Epiphysenlösung des distalen Humerusendes so in den Vordergrund stellenden, Angaben in einen direkten Gegensatz zu den Resultaten der anatomisch-réntgeno- logischen Untersuchung.

Etwas ausführlicher muß ich mich mit der von Hochsinger eingehend erörterten Frage nach dem Unterschied zwischen den bei lebenden Kindern und den bei intrauterin abgestorbenen Früchten auftretenden Epiphysenlösungen beschäftigen. Hochsinger ist der Ansicht (l. c., S. 152), daß „die Epiphysenlösungen bei hereditär syphilitischen Föten sehr häufig Artefacte darstellen, da gewöhnlich schon die Prüfung auf die Festigkeit der Dia- physenverbindung genügt, um Kontinuitätstrennungen an ihnen zu bewerkstelligen.“ Schon in dieser Beziehung kann ich Hochsinger nicht beipflichten. Besonders wenn man sich der

39 *

308 Fraenkel. XXIII, 3.

Untersuchungsmethode bedient, die ich schon seit Jahren anwende und in meiner Monographie (l. c., S. 8) als für die Klarstellung der hier in Betracht kommenden Verhältnisse höchst ge- eignet empfohlen habe, gelingt es, selbst beim Durchsägen der Knochen, den Zusammenhang bereits gelockerter Epiphysen mit der Diaphyse zu erhalten und ein genaues Urteil über die Beziehungen zwischen beiden zu fällen. Aber erst recht gelangt man zu einwandfreien Ergeb- nissen, wenn man das Skelett des unsezierten Fötus oder ausgetragenen Kindes von vornherein, oder nachdem man sich durch Prüfung der Rippen von dem Bestehen einer Osteochondritis überzeugt hat, einer röntgenologischen Untersuchung unterwirft. Hierbei werden alle gröberen Manipulationen mit den Extremitäten vermieden, und hier kann also von artefiziell erzeugten Epiphysenlösungen, falls solche im Röntgenbild zu sehen sind, nicht die Rede sein. Daß man durch brüskes Hantieren bei Herausschälen der Knochen aus den Weichteilen und bei Lösung der Gelenkverbindungen künstlich Epiphysenlösungen erzeugen kann, ist nicht in Abrede zu stellen. Sie lassen sich aber von den spontan entstandenen unschwer schon makroskopisch und, in zweifelhaften Fällen, sicher mikroskopisch unterscheiden.

Auch in einem weiteren Punkt kann ich Hochsinger nicht beipflichten, daß nämlich „das Fehlen von Reaktionserscheinungen bei den Kontinuitätstrennungen, welche Totgeburten aufweisen, zur Regel gehört“. Ich brauche zum Beweis des Gegenteils nur auf die Figur 15b (Tafel VII) meiner Monographie zu verweisen, wo sich an die, das proximale Ende des Femur betreffende, Epiphysenlösung eine deutliche, aus nicht sehr kompaktem Knochengewebe be- stehende, Kallusbildung und eine, schließlich auch im Sinne einer Kallusproduktion zu deutende, ossifizierende Periostitis anschließt. Diese Veränderungen sind mindestens so ausgesprochen, wie bei der an den distalen Enden beider Vorderarmknochen lokalisierten Epiphysenlösung eines 17tägigen Kindes (l. c., Tafel VI, Figur 16), und ich glaube nicht, daß es möglich wäre, lediglich nach dem Verhalten der Epiphysenlösung, bei einem Vergleich der beiden Bilder, eine Entscheidung darüber zu fällen, ob die betreffenden Extremitätenknochen einem lebenden Kind oder einer intrauterin abgestorbenen Frucht angehören. Auch die Röntgen- bilder 14 und 14a auf Tafel V (l. c) bin ich geneigt zugunsten meiner Ansicht zu. ver- werten. Ich glaube also, daß die Behauptung Hochsingers, wonach die Epiphysenlösungen bei heriditär syphilitischen Föten sehr häufig Artefakte darstellen, in der Allgemeinheit nicht zu- trifft, vertrete vielmehr den Standpunkt, daß 1.) die bei Totgeborenen mit Osteochondritis syphilit. behafteten Föten röntgenologisch nachgewiesenen Epiphysenlösungen als spontan entstanden, nicht artefiziell hervorgerufen, anzusehen sind, und daß, 2.) der Beweis für die bereits in utero vor sich gegangene Epiphysenlösung durch die in solchen Fällen gleichfalls röntgenologisch zu konstatierenden reaktiven Ver- änderungen, Kallusbildung, Periostitis ossificans, in der Nachbarschaft der Kontinuitätstrennung geliefert werden kann.

Kin weiterer Unterschied betreffs der Epiphysenlésung bei Totgeburten und lebenden Kindern soll nach Hochsinger darin bestehen, daß bei ersteren solche „nicht selten an allen Röhrenknochen anzutreffen sind, während bei mehrwöchigen Kindern gewöhnlich nur einzelne, manchmal auch nur eine einzige Epiphyse von der Diaphyse gelöst ist“ (l. c., S. 148). Nach meinen Erfahrungen trifft das nicht zu. Gerade hierüber belehrt uns die so schonende Röntgen- untersuchung in ausgezeichneter Weise. Ich will zugeben, daß bei Totgeburten Epiphysen- lösungen etwas häufiger zu sehen sind, als bei kongenital syphilitischen, lebenden, Wochen und Monate alt werdenden Kindern. Aber als Regel kann der Hochsingersche Satz nicht gelten. Es kommen nach beiden Richtungen Ausnahmen vor, man beobachtet bei Totgeburten auch nur an einer einzigen Epiphyse eine Ablösung, und es können bei selbst mehrere Wochen alten Kindern zahlreiche Epiphysen gelöst sein, wie das mein hier besprochener Fall 6 beweist.

Hinsichtlich der Frage, an welcher Stelle die sogenannte Epiphysenlösung ein- tritt, äußert sich Hochsinger dahin, daß das davon abhängt, in welcher Schicht des Knorpels,

XXIII, 3. Röntgenologisches über Epiphysenlösungen u. über Heilung der Osteochondritis usw. 309

bzw. der Spongiosa, die Gewebskonsistenz herabgesetzt ist. Er läßt übrigens, in Überein- stimmung mit Haab und Veraguth, auch Kontinuitätstrennungen innerhalb des Knorpels zu. Ich bin der Ansicht, daß die Zusammenhangstrennung im Bereich der, in den ein- zelnen Fällen allerdings verschieden weit in die Diaphyse herabreichenden, als Kalkgitter bekannten Zone, d. h. also im eigentlichen Schaft, stattfindet. Innerhalb dieser Region pflegt-es späterhin durch das sich hier entwickelnde, unter Umständen bis an den Knorpel heranreichende oder sogar in ihn eindringende, Granulationsgewebe zur Erweichung und Einschmelzung des.aus meist kalkigem Material bestehenden Gewebes zu kommen. So kann es passieren, daß die Lösung des Zusammenhanges bald mehr in querer, bald in schräger, gegen den Epiphysenknorpel verlaufender Richtung erfolgt. Aber niemals geht sie an der Grenze von Dia- und Epiphyse vor sich, und deswegen ist die Bezeichnung dieses Vorganges als Epiphysenlösung falsch. Es handelt sich um echte, den Knochen betreffende Kontinuitätstrennungen, Infraktionen oder Frakturen, die sich, wie Hochsinger mit Recht betont, niemals akut entwickeln, sondern langsam vorbereiten.

Hinsichtlich der Erkennung der Epiphysenlösung vertritt Hochsinger einen ganz merkwürdigen Standpunkt insofern, als er auf die Frage, ob die „hereditär-syphilitische Epi- physenlösung der Säuglinge ein charakteristisches Röntgenbild liefert,“ die Antwort erteilt (l. c., 8. 272), „daß die Lösung eigentlich niemals gesehen werden kann... weil der kalklose Epiphysenknorpel kein deutliches Schattenbild auf der Platte liefert“. Nach Hochsinger kann sie aber aus verschiedenen Umständen, die er dann näher erläutert, erschlossen werden. Ich sehe von einer Wiedergabe der letzteren ab und bemerke, unter Hinweis auf die dieser Arbeit beigegebenen Röntgenbilder, daß wir kein einfacheres, feineres und zuverlässigeres Hilfsmittel zur Sichtbarmachung der Epiphysenlösung haben, als die Röntgen- untersuchung. Diese allein vermag uns sichere Auskunft über das Bestehen einer Epiphysen- lösung zu geben, auch in solchen Fällen, in denen Krepitation, der Hochsinger eine .be- sondere Bedeutung für die Diagnose dieses Zustandes beilegt, nicht nachweisbar zu sein braucht. Wie über den Eintritt der Epiphysenlösung orientiert uns das Röntgenbild auch über die sich an dieses Ereignis anschließenden Folgezustände bis zur völligen Heilung. Denn daß auch nach erfolgter Epiphysenlösung völlige Heilung nicht nur im klinischen, sondern auch im anatomischen Sinne beobachtet wird, ist schon in der vorröntgenologischen Ära bekannt gewesen und jetzt durch systematische, in Zwischenräumen vorzunehmende, Réntgenunter- suchungen bequem mit dem Auge zu kontrollieren. Ich habe in meiner Monographie auf Tafel VIII eine Serie von Bildern beigebracht, die uns den Heilungsvorgang bei einer, die proximale Epiphyse eines Humerus betreffenden, Lösung vor Augen führen, und ich hatte Ge- legenheit, mich auf Grund einer, im vorigen Jahr erneut seitens des behandelnden Arztes, Herrn Kollegen Grüneberg, vorgenommenen Untersuchung des inzwischen drei Jahre alt ge- wordenen Kindes davon zu überzeugen, daß an dem Knochen keine Spur einer Deformität wahr- zunehmen ist, obwohl jede chirurgische Maßnahme unterlassen und lediglich eine energische, antisyphilitische Behandlung eingeleitet war. Es müssen in dieser Richtung noch weitere Er- fahrungen gesammelt werden, die uns klare Vorstellungen über den, bei den einzelnen Knochen ja sicher Unterschiede aufweisenden, Zeitraum vom Moment des Eintritts der Epiphysenlösung bis zur vollendeten Heilung, sowie über die Reihenfolge der Vorgänge verschaffen, die die Rückbildung zur Norm herbeiführen. Bei dem von mir (l. c.) erläuterten Fall von Epiphysen- lösung am proximalen Humerusende war es innerhalb sieben Monaten wieder zu annähernd normalen Verhältnissen gekommen. Jedenfalls scheinen auch die Epiphysenlösungen bei rich- tiger Erkennung und entsprechender Behandlung des Grundleidens eine günstige Prognose zu gestatten.

Für die unkomplizierte Osteochondritis syphilit. ist das schon lange bekannt. Hoch- singer betont in seiner ausgezeichneten Monographie diesen Punkt mit besonderem Nachdruck, indem er hervorhebt, daß „die Wirkung der antisyphilitischen Behandlung bei allen durch

310 Fraenkel. XXIII, 3.

hereditäre Syphilis bedingten Frühaffektionen des Knochensystems eine zauberhaft rasche zu nennen ist.“ Meine hier mitgeteilten Beobachtungen bestätigen das in vieler Beziehung, wenn- gleich, wie wir gesehen baben, dort bei den einzelnen Fällen, trotz Gleichheit des anatomischen Prozesses, Verschiedenheiten obwalten. So ist, um nur ein Beispiel anzuführen, in Fall 3 die Erkrankung nach dem Ergebnis der Röntgenuntersuchung, speziell an den Vorderarmknochen, weiter vorgeschritten, mehr dem zweiten Stadium der Osteochondritis entsprechend, als in Fall 1, bei dem man den für das erste Stadium charakteristischen Befund vor sich hat. Und doch ist die Rückbildung in diesem eine mehr verzögerte als in Fall 3, wo innerhalb vier Wochen die osteochondritischen Veränderungen kaum noch erkennbar sind. Aber wie dem auch sei, in beiden Fällen ist der Rückgang der Veränderungen, ebenso wie bei Fall 2, bei dem das Röntgenbild eine nicht unerhebliche Einschmelzung des Knochens an symmetrischen Stellen des proximalen Tibiaendes aufgedeckt hatte, ein exorbitant rascher, und zeugt für die Regene- rationsfähigkeit der kindlichen Gewebe, sobald nach Vernichtung der Krankheitserreger die Möglichkeit zur Wiederherstellung normaler Verhältnisse gegeben ist. Soweit die Röntgen- bilder Schlüsse in dieser Beziehung zulassen, schwindet mit dem Einsetzen der Reparations- vorgänge das kalkhaltige Material im Bereich der Kalkgitter, und der strukturlose, homogene Kalkschatten macht echter Spongiosastruktur Platz. Ob die Umwandlung der kalkhaltigen Knorpelpfeiler im Knochengewebe auf metaplastischem oder neoplastischem Wege vor sich geht, ist natürlich nur durch histologische Untersuchung zu entscheiden.

Ein interessantes Novum ist durch die hier besprochene systematische röntgenologische Kontrolle zutage gefördert worden, ich meine die Feststellung der Tatsache, daß gleichzeitig mit dem, unter dem Einfluß der antisyphilitischen Therapie bewirkten, Rückgang der osteochondritischen Erscheinungen vorher entweder überhaupt nicht nachweisbare, oder doch nur andeutungsweise vorhandene periostitische Prozesse an den erkrankten Röhrenknochen einsetzen, die, auch nach völliger Abheilung der Osteochondritis, noch nach Monaten röntgenologisch zu erkennen sind. Ich verweise als in dieser Beziehung besonders lehrreich auf die Schienbeine des Falles 2 und 1, sowie auf den rechten Humerus des letzt- genannten Falles. Hier ist, noch 37/, Monate nach der ersten Röntgenuntersuchung, zu einer Zeit, wo der osteochondritische Prozeß vollkommen abgelaufen ist, eine deutliche Periostitis ossif. nachzuweisen. Das gleiche gilt für die gesamten Knochen der oberen Extremität des Falles 3, speziell für den Humerus und die linke Ulna.

Über die Deutung dieses Befundes möchte ich mich nur vermutungsweise äußern. Es darf wohl als ausgeschlossen gelten, in den periostitischen Veränderungen den Ausdruck einer Wirkung des syphilitischen Gifts zu erblicken. Es wäre sonst nicht abzusehen, warum die durch dieses ausgelöste Schädigung an der Epi-diaphysengrenze unter der eingeleiteten Therapie so auffallend rasch zurückgehen sollte. Für viel wahrscheinlicher halte ich es, daß an den reparativen Bestrebungen, welche nach Vernichtung der Krankheitserreger so schnell einsetzen, sich nicht nur die durch dieses direkt krank gemachten Gewebe des Knochens beteiligen, sondern daß daran eben auch das Periost partizipiert, und daß man in der periostalen Knochen- aubildung einen Heilungsvorgang im weitesten Sinne des Worts zu erblicken hat. Mit dieser Annahme würde es sich gut in Einklang bringen lassen, daß die in Rede stehenden Verände- rungen den Ablauf des osteochondritischen Prozesses erheblich überdauern. Ob die Feststellung des uns beschäftigenden Befundes eine Indikation dafür abgibt, die antisyphilitische Behand- lung noch fortzusetzen und damit so lange fortzufahren, bis die neugebildeten Knochenlagen in der Architektur des alten Knochens aufgegangen sind, muß durch weitere Untersuchungen festgestellt werden. Von ausschlaggebender Bedeutung für die Beantwortung dieser Frage wird es sein, sich durch in Zwischenräumen vorzunehmende Untersuchungen des Bluts von dem positiven oder negativen Ausfall der W.-R. zu überzeugen. Auf alle Fälle halte ich den ge- schilderten Befund für ein außerordentlich wichtiges, bei der prognostischen Beurteilung dieser Fälle zu berücksichtigendes Symptom. Es müssen auch nach dieser Richtung noch weitere

XXIII, 3. Röntgenologisches über Epiphysenlösungen u. über Heilung der Osteochondritis usw. 811

Erfahrungen gesammelt werden, die uns darüber Aufschluß zu geben haben, ob in dieser, die abheilende Osteochondritis begleitenden, sekundären Spätperiostitis ein gesetzmäßiger Vor- gang zu erblicken ist. Denn es liegt auf der Hand, daß man einem solchen Befund eine durchaus andere Bedeutung wird beilegen müssen als in jenen Fällen, bei denen man es mit einer primären Periostitis ossif. syphilit. congen. zu tun hat.

Ich möchte am Schluß dieser Abhandlung noch kurz über einen Fall von sogenannter Lues tarda berichten, der mir gleichfalls von Herrn Kollegen Meyer-Delius zur Verfügung gestellt wurde. Er betrifft ein neunjähriges Mädchen, Else K., die am 2. 12. 13 aufgenommen und am 23. 1. 14 gebessert entlassen wurde. Seit dem Sommer 1913 stellten sich Schmerzen im linken Arm und Bein ein. Die Eltern des Kindes wurden vor zwölf Jahren beide an Lues behandelt, Die W.-R. im Blut des Kindes dreifach positiv.

Eine am 4, XII. vorgenommene Röntgenuntersuchung ergibt folgenden interessanten Be- fund am linken Vorderarm. An der Grenze vom oberen und zweiten Viertel der Ulna beginnt eine, sich bis nahe an das distale Ende erstreckende, Auftreibung des Schaftes, der entsprechend die Kortikalis an der radialen Seite völlig zerstört ist, während an der medialen Seite eine dünne Schicht derselben in scharfer Konturierung erhalten ist. Namentlich am distalen Ab- schnitt sieht man das freie Ende der noch stehengebliebenen Rinde scharf zugespitzt und etwas gegen die mediale Seite abweichend, in die Markhöhle hineinragen. Proximalwärts er- kennt man das freie, etwa am Übergang des oberen Drittels in das mittlere gelegene, Ende nicht scharfrandig, sondern etwas ausgefranst, sich in die Markhöhle erstrecken, das proximale Drittel des Knochens leicht gekrümmt, so daß die ganze Ulna ein fiedelbogenartiges Aussehen darbietet. Es kommt das, abgesehen von der eben geschilderten Deviation des proximalen Ab- schnitts der Ulna, dadurch zustande, daß sie an der medialen Seite eine mächtige, bis an das unterste Schaftende heranreichende, gegen dieses hin etwas an Dicke abnehmende, periostale Knochenauflagerung zeigt. |

Uber die Deutung des mitgeteilten Befundes können meines Erachtens Zweifel nicht ob- walten. Wir haben es mit einer schweren diffusen, syphilitischen Osteomyelitis zu tun, die zu einer Auftreibung des Knochens mit Zerstörung eines großen Teiles der Kortikalis und zu einer sekundären, reaktiven Periostitis ossif. geführt hat. Mit Rücksicht auf den positiven Ausfall der W.-R. und auf den hier erörterten Röntgenbefund wurde eine antisyphilitische Kur eingeleitet, die so rasch zu einer wesentlichen Besserung im Befinden des Kindes führte, daß dieses Ende Januar, freilich gegen den Willen des Arztes, entlassen wurde.

Schon bei einer, gut drei Wochen nach der ersten ausgeführten, zweiten Röntgenunter- suchung (29. XII. 1918) ist eine erhebliche Änderung im Aussehen des erkrankten Knochens zu konstatieren. Dieser ist an der Stelle der stärksten Verdickung im Bereich des untersten Viertels, im Vergleich zu der bei der ersten Untersuchung ausgesprochen zackigen Begrenzung, ganz glattrandig geworden, und die mächtigen periostalen, auf dem ersten Bild die eigentliche Rinde in doppelter Schichtung umgebenden, Knochenlagen erscheinen bei der zweiten Unter- suchung, sowohl gegeneinander, als gegen die alte Kortikalis, nur noch verwaschen abgegrenzt, also gewissermaßen schon zu einer einzigen kompakten Knochenmasse vereinigt.

Es war nun Ende Juli dieses Jahres (1914) Gelegenheit, noch eine dritte Röntgenunter- suchung auszuführen, die von dem geradezu glänzenden, als ideal zu bezeichnenden Heilungs- resultat Zeugnis ablegt. Übriggeblieben ist noch eine, der ursprünglich stärksten Auftreibung entsprechende, ganz umschriebene Verdickung im unteren Drittel der Ulna und die auch jetzt noch unschwer zu erkennende, leicht fidelbogenartige Verkrümmung im oberen Drittel des Knochens. Die Kortikalis an der radialen Seite zeigt auch noch nicht die scharfe Begrenzung wie am Radius, und endlich ist eine, erst bei dieser Untersuchung in die Erscheinung ge- tretene, gewisse Atrophie des unteren Schaftendes zu erwähnen. Aber die mächtigen, reaktiv entstandenen periostalen Knochenauflagerungen sind vollkommen geschwunden, und im großen und ganzen kann man von einer, auch im anatomischen Sinne als solche anzuerkennen-

312 Fraenkel. XXIII, 3.

den, vollständigen Rückbildung der Ulna zur Norm sprechen. Die Verbiegung dieses Knochens ist, wie ich meine, nicht als Ausdruck einer echten, gerade bei der Knochensyphilis bisweilen zu beobachtenden, auf ein stärkeres Längenwachstum zurtickzuftihrenden Elongation aufzufassen, sondern in Verbindung zu bringen mit der an zwei Stellen durch die schwere Knochenmarks- erkrankung bewirkten Zerstörung der Kortikalis, die zu einer Deviation, namentlich des oberen Schaftstückes, und dadurch zu der eigenartigen Verkrümmung Veranlassung gegeben hat. Man darf wohl mit einem an Gewißheit grenzenden Grade von Wahrscheinlichkeit annehmen, daß unter dem Einfluß der Funktion sich der, in seiner Form noch von der Norm abweichende, Knochen in absehbarer Zeit weiter umgebildet haben und zu der mehr gestreckten, ihm sonst zukommenden, Gestalt zurückgekehrt sein wird. Bemerkenswert erscheint mir auch in diesem Fall der glänzende, rasch eingetretene Erfolg der antisyphilitischen Behandlungen und die, trotz der Schwere und Ausdehnung des Prozesses in auffallend kurzer Zeit eingetretene, Rück- bildung der Krankheitsherde an der Ulna sowohl, als auch an der, wie ich hier einschaltend bemerke, in gleicher Weise wie diese erkrankt befundenen linken Tibia. Die Röntgenunter- suchung hat uns auch hier in den Stand gesetzt, mit dem Auge den Heilungsvorgang zu kon- trollieren. Es wäre freilich wünschenswert gewesen, durch häufigere, in etwas kürzeren Zwischen- räumen vorgenommene, Röntgenaufnahmen festzustellen, in welcher Reihenfolge sich der Ablauf der Heilung vollzogen hat, ob er an der Markhöhle einsetzte und erst später den Abbau der neugebildeten periostalen Knochenlagen veranlaßt, oder ob sich die Rückbildung an Mark und Periost gleichzeitig vollzog, und wie vor allem der Zusammenhang der an der radialen Seite auf eine größere Strecke unterbrochenen Kortikalis mit den, am proximalen und distalen Schaft- ende stehengebliebenen, Rindenabschnitten hergestellt worden ist.

Wie man sieht, fehlt es auch hier nicht an Fragen, die noch der Beantwortung harren. Aber es ist begründete Hoffnung vorhanden, daß bei der bewundernswerten Vervollkommnung der Röntgentechnik, die immer feinere Einzelheiten am normalen, wie pathologischen Skelett zur Anschauung zu bringen vermag, über die hier in Rede stehenden Verhältnisse volle Klar- heit zu gewinnen möglich sein wird.

Eingeliefert September 1914.

Tafelerklärung.

Tafel IX, Fig. 1, 1a, 2, 2a zeigen vor allem sogenannte Epiphysenlösungen an den proximalen Enden beider Humeri und Femora. Bezüglich aller Einzelheiten cf. Text, S. 305/306.

Fig. 3 u. 3a erläutern den gleichen Prozeß am distalen Ende des linken Humerus (neben ander- weitigen osteochondritischen Veränderungen), Text, S. 306.

Fig. 4, 4a, 4b beziehen sich auf den, S. 311 des Textes, besprochenen Fall von Lues tarda mit schwerer Osteomyelit. syphilit. und konsekutiver Hyperostosis ulnae.

Tafel X, Fig. 5 bis Fig. 8a inkl. betreffen den, S. 303 (unten) bis S. 305 (oben), erwähnten Fall zum Beweis des Auftretens der ossifizierenden Periostitis während der Rückbildung der osteo- chondritischen Veränderungen.

Tafel X, Fig. 9, Tafel XI, Fig. 10 u. 10a illustrieren sogenannte Epiphysenlösungen an den distalen Enden beider Ulnae (neben Osteochondritis an den Knochen der unteren Extremitäten, Stadium II; cf. Text, S. 305 unter 5).

Tafel XI, Fig 11 bis Fig. 14 inkl. dienen (wie die Fig. 5—8a auf Tafel X) zur Illustrierung der, während des Abheilens der Osteochondritis syphilitica, sich entwickelnden Periostitis ossi- ficans syphilitica (sekundäre Spätperiostitis), cf. Text, S. 302/303.

Tafel XII, Fig. 15, 15a, 16 führen in ausgezeichneter Weise eine schwere Kontinuitätstrennung (so- genannte Epiphysenlösung) der linken Ulna (Fig. 16) vor Augen (neben Osteochondritis syphilitica), cf. Text, S. 305 unter 4.

Fig. 17 bis Fig. 19a endlich zeigen den Rückgang der, bei der ersten Untersuchung festgestellten, Osteochondritis syphilitica und das Auftreten der Periostitis ossificans (sekundäre Spät- periostitis).

XXIII, 3. Correspondenz. 313

Correspondenz’).

I. Der Patient ist zur Zahlung einer Röntgenuntersuchung ohne Rücksicht auf die vorhergegangene Auslieferung der Platte verpflichtet.

Ärztlicher Sachverhalt:

Professor X. überwies einen Patienten zur Röntgenuntersuchung des Thorax wegen Verdachts auf Metastasierung eines Sarkoms, das ein Jahr vorher in der Achselhöhle operiert worden war. Es fand im Beisein des zuweisenden Arztes eine Durchleuchtung und eine Röntgenaufnahme statt. Die Platte wurde Herrn Professor X. demonstriert, und ihm außerdem ein schriftlicher Bericht zugestellt. Die verlangte Zahlung wurde zunächst mit dem Hinweis abgelehnt, daß sie von Haus aus erledigt werden würde. Später mehrmalige Mahnung. Der Patient verlangte schließlich, daß ihm die Platte in seine Wohnung. geschickt werden solle; erst dann wolle er zahlen. Ich stellte ihm ohne Rücksicht auf Zahlung die Platte zur Abholung zur Verfügung. Darauf erfolgte Klage. Patient zahlte nun, bevor es zur Ent- scheidung kam, verlangte aber von mir die Bezahlung der Gerichtskosten, weil ich die Herausgabe der Platte vor der Zahlung verweigert hätte.

Gutachten.

Das Königliche Amtsgericht Berlin-Schöneberg hat beschlossen, ein Gutachten darüber einzuholen, ob der Kläger das Honorar für die Röntgenaufnahme vom Beklagten zu fordern hatte ohne Rücksicht auf die an den Beklagten etwa auszuliefernde Platte, daß also der Beklagte die Zahlung nicht mit der Begründung zurückhalten konnte, daß er vor Auslieferung der Platte nicht zahle.

Die Preußische Gebührenordnung für approbierte Ärzte vom 15. Mai 1896 enthält keine Bestimmung über Röntgenaufnahmen, weil zu der Zeit, als diese Gebührenordnung erlassen wurde, die Röntgenstrahlen noch nicht bekannt waren. Spätere Gebührenordnungen, z. B. die bayrische vom 17. Oktober 1901 unter- scheiden zwischen der Durchleuchtung mittels Röntgenstrahlen und der Photographie mittels Röntgen- strahlen und setzen für beide gesonderte Gebühren an. Auch der Entwurf einer Gebührenordnung für praktische Ärzte, den der Ausschuß der Preußischen Ärztekammer im Oktober 1908 dem Herrn Minister vorlegte, sieht in Nr. 19 eine Erhöhung der für die Durchleuchtung ausgeworfene Gebühr vor, falls Röntgenogramme erforderlich sind. In dem „Minimaltarif für ärztliche Untersuchungen mittels Röntgen- strahlen“, der auf dem X. Kongreß der Deutschen Röntgengesellschaft 1914 festgesetzt wurde, heißt es ausdrücklich: „Die Platten selbst gehören dem aufnehmenden Röntgenologen‘. Man wird also davon auszugehen haben, daß, wenn nicht besondere Verabredungen getroffen sind, der Patient auf die Platte keinen Anspruch hat. Was sollte er auch mit der Platte beginnen, da er sie als Laie nicht zu deuten vermag. Dagegen ist es üblich, daß der behandelnde Arzt von dem Ergebnis der Röntgenaufnahme Kenntnis erhält, daß ihm auf seinen Wunsch die Platte zugestellt wird, bzw. daß er Einsicht in die Platte nimmt.

Im vorliegenden Falle ist der Betrag von 40 Mark für die Röntgenuntersuchung der Brustorgane liquidiert worden (Bl. 27 d. Akten). Der Kläger war danach nicht verpflichtet, die Platte an den Be- klagten auszuliefern. Höchstens Herrn Professor X. war als behandelndem Arzt des Beklagten Kenntnis von dem Ergebnis der Röntgenuntersuchung zu geben.

Danach beantworte ich die vom Kgl. Amtsgericht Berlin-Schöneberg gestellte Frage dahin: Der Kläger hatte das Honorar für die eigentliche Röntgenaufnahme vom Beklagten zu fordern. Der Kläger war nicht verpflichtet, die Platte an dem Beklagten auszuliefern. Denn ein Patient, der es nicht be- sonders vereinbart, hat keinen Anspruch auf die Platte.

Charlottenburg, den... gez. Sanitätsrat Dr. X.

Urteil des Amtsgerichts. Tatbestand.

Der Kläger hat den Beklagten ärztlich bebandelt, d. h. eine Röntgenaufnahme von ihm gemacht, und mit der Klage ein Honorar von 40 Mark eingefordert. Nach Zustellung der Klage hat der Beklagte die 40 Mark gezahlt. Es handelt sich jetzt noch um die Kosten. |

Der Kläger hat beantragt, die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen.

Der Beklagte hat beantragt, dem Kläger die Kosten zur Last zu legen.

1) Seitens der Redaktion der Fortschritte auf dem Gebiete der Réntgenstrahlen ist eine Aus- kunftsstelle für alle auf die Anwendung der Röntgenstrahlen sich beziehenden Angelegenheiten ein- gerichtet worden. Fragen medizinischer, physikalischer oder technischer Art werden beantwortet und, soweit dieselben von allgemeinem Interesse sind, unter dieser Rubrik publiziert. Alle Anfragen sind direkt an die Redaktion Prof. Dr. Albers-Schönberg, en 10, Hamburg, zu richten.

Fortschritte a. d. Gebiete d. Böntgenstrahlen. XXIII. 40

314 Correspondenz. XXIL, 3.

Der Beklagte hat ausgeführt, daß er zur Bezahlung des Honorars erst verpflichtet gewesen sei, nachdem ihm der Kläger die Platte ausgeliefert habe. Auf die Ausführungen des Beklagten in dem Schriftsatze vom 12. März 1915 (Blatt 12—15 der Akten) wird verwiesen.

Der Kläger ist diesen Ausführungen. in dem Schriftsatze vom 24. März 1915 (Blatt 19 der Akten), auf dessen Inhalt ebenfalls verwiesen wird, entgegengetreten.

Über die Behauptung des Klägers, daß der Beklagte verpflichtet gewesen sei, das Honorar un- mittelbar nach der Röntgenaufnahme zu zahlen, ist der Sanitätsrat Dr. X. als Sachverständiger gehört worden. Auf den Inhalt seines schriftlichen Gutachtens wird verwiesen (siehe oben).

Entscheidungsgründe.

Nach dem Gutachten des Sachverständigen, welches der Entscheidung zugrunde gelegt ist, hatte der Kläger das Honorar für die eigentliche Röntgenaufnahme vom Beklagten zu fordern. Der Kläger war nicht verpflichtet, die Platte an den Beklagten auszuliefern, weil ein Patient keinen Anspruch auf die Platte hat, wenn es nicht besonders vereinbart ist. Der Beklagte hat erst nach Klagezustellung ge- zahlt. Er war nicht berechtigt, die Zahlung von der Auslieferung der Platte abhängig zu machen und hat durch sein Verhalten Anlaß zur Klage gegeben. Deshalb muß er die Kosten nach §§ 91, 93 Z.-P.-O. tragen. Nach S$ 709, Nr. 4 Z.-P.-O. ist das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt.

II. Der Ehemann ist nicht verpflichtet, die Kosten der Röntgenuntersuchung für seine Ehefrau zu bezahlen, wenn er nicht vorher seine ausdrückliche Einwilligung gegeben hat.

Ärztlicher Sachverhalt:

Der Ehemann konsultierte Herrn Professor X. wegen des Leidens seiner Ehefrau. Der zugezogene Arzt nahm zur genaueren Untersuchung die Patientin in seine Klinik auf. Es wurde eine Rückenmarks- geschwulst angenommen, deren Lage nicht genau zu bestimmen war. Da der Knochen als Ausgangspunkt nicht ausgeschlossen war, so wurde eine Röntgenuntersuchung angeordnet, zu der die Patientin, welche an beiden Beinen gelähmt war, in mein Institut gebracht wurde. Die Patientin war geistig klar. Der Untersuchung ging eine Abführkur von 24 Stunden voran. Da der Ehemann, ein bekannter Millionär, seine Frau täglich besuchte, so war anzunehmen, daß er von der beabsichtigten Untersuchung wußte. Hervorgehoben muß werden, daB der Ehemann auf die Schwere des Leidens seiner Frau hingewiesen, dem Professor X. vor der Aufnahme in die Klinik sagte, es solle alles geschehen, was zur Heilung seiner Frau nötig sei. Untersucht wurde die ganze Wirbelsäule, wofür ein Honorar von 100 Mark verlangt wurde. Die Forderung wurde als nicht zu Recht bestehend erklärt. Darauf Erhebung der Klage. Nach- dem ich in der ersten Instanz mit der Klage abgewiesen war, legte ich Revision beim Landgericht ein, daß auch in zweiter Instanz zu einer Ablehnung der ärztlichen Ansprüche kam.

Tatbestand.

Der Kläger hat an der Ehefrau des Beklagten im Sommer 1910, als sie im Sanatorium des Dr. X. lag, zum Zwecke der Feststellung der Diagnose Röntgendurchleuchtungen vorgenommen. Er verlangt als übliches und angemessenes Honorar für diese Tätigkeit den Betrag von 100 Mark und hat, beim Amtsgericht Klage erhebend, beantragt:

den Beklagten kostenpflichtig zu verurteilen, an den Kläger 100 Mark nebst 4°/, Zinsen seit dem 26. Juli 1910 zu zahlen.

Durch das obenbezeichnete Urteil ist die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil, auf dessen ein- schließlich des erstinstanzlichen Beweisergebnisses vorgetragenen Inhalt Bezug genommen wird, hat der Kläger frist- und formgerecht Berufung eingelegt mit dem Antrage:

unter Abänderung des angefochteuen Urteils dem Klageantrage stattzugeben. Der Beklagte hat beantragt: die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Parteien haben ihre erstinstanzlichen Anführungen wiederholt. Der Kläger hat zur Begründung seiner Berufung noch folgendes vorgetragen: |

Der Beklagte hafte in erster Linie aus dem dem Kläger erteilten Auftrage. Er habe sich dem Professor Dr. X. gegenüber, wie dieser als Zeuge bestätigt habe, mit allen Anordnungen, welche die Ärzte für die Wiederherstellung der Patientin für erforderlich erachten würden, einverstanden erklärt und zu diesen von vornherein seine Einwilligung erteilt. Professor X. habe also, als er mit der von ihm für erforderlich erachteten Röntgendurchleuchtung den Kläger beauftragt habe, als Bevollmächtigter des Beklagten ge- handelt. Beklagter hafte eventuell auch auf Grund der Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Vornahme der Röntgendurchleuchtung habe dem Interesse des Beklagten entsprochen, da sie von den Arzten zum Zwecke der Diagnose und mithin der sachgemäßen Behandlung der Patientin für notwendig erachtet sei. Sie habe auch dem Willen des in sehr günstigen Vermögensverhältnissen lebenden Beklagten entsprochen,

XXIII, 3. Correspondenz. 815

der sich mit allen erforderlichen Maßnahmen von vornherein einverstanden erklärt habe. Schließlich hafte der Beklagte auch aus der ungerechtfertigten Bereicherung. Die Röntgendurchleuchtung sei un- bedingt notwendig gewesen und habe, wenn sie nicht durch den Kläger vorgenommen wäre, durch einen anderen ausgeführt werden müssen. Die Kosten, welche hierdurch entstanden wären, habe der Beklagte erspart.

Der Beklagte hat diesen An- und Ausführungen widersprochen und nach Inhalt seines Schrift- satzes vom 20. März 1911 (Bl. 59 fg. der Akten) erwidert:

Wenn der Kläger, was bestritten werde, den Auftrag zur Vornahme der Röntgendurchleuchtung von Professor X. erhalten habe, so gehe dies den Kläger nichts an, da Professor X. nicht ermächtigt gewesen sei, als Vertreter des Beklagten die Röntgenuntersuchung zu bestellen. Auch Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigte Bereicherung komme nicht in Frage. Beklagter habe nach der mit Dr. X. getroffenen Vereinbarung 12 Mark täglich einschließlich ärztlicher Behandlung, ausgenommen die Behandlung bei Nachtzeit, zu zahlen gehabt. Es sei nicht davon die Rede gewesen, daß eine Behandlung durch Spezialärzte besonders zu honorieren sei. Einen Prospekt, in welchem diese Bedingung enthalten gewesen sei, habe der Beklagte nicht erhalten. Somit könnten den Beklagten die Kosten einer spezial- ärztlichen Behandlung nur treffen, wenn er sie ausdrücklich genehmigt habe. Es komme noch hinzu, daß an dem Dr. X.schen Sanatorium ein Schild mit der Aufschrift gestanden habe: „Institut für Röntgen- diagnostik“, das Röntgenlaboratorium also ein Teil des Sanatoriums gewesen sei. Beklagter habe hier- nach nicht annehmen können, daß für eine etwaige Röntgendurchleuchtung besonders liquidiert würde.

Der Kläger hat diesen An- und Ausführungen widersprochen und unter Berufung auf das Zeugnis der Oberschwester bei Dr. X. behauptet, daß dem Beklagten bei Aufnahme seiner Ehefrau in das Sanatorium ein Prospekt vorgelegt worden sei, nach welchem die Vergütung von 12 Mark täglich nur für die regelmäßige Behandlung im Sanatorium, unter Ausschluß spezialärztlicher Behandlung zu zahlen gewesen sei.

Entscheidungsgründe.

Der Berufung mußte der Erfolg versagt werden.

Der mit der Klage geltend gemachte Honoraranspruch kann zunächst nicht auf einen zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag gestützt werden, da nach dem erstinstanzlichen Beweisergebnis, das der Vorderrichter zutreffend gewürdigt hat, für den Abschluß eines solchen Vertrages nichts erbracht ist. Kläger hat den Auftrag zur Vornahme der Röntgendurchleuchtung, wie die Aussage des Zeugen Dr. X. ergibt, nicht unmittelbar von dem Beklagten, sondern von dem Professor X. erhalten. Ein Vertrags- verhältnis zwischen den Parteien würde hierdurch nur dann begründet worden sein, wenn Professor X. den Auftrag namens des Beklagten erteilt und zugleich die hierzu erforderliche Vertretungsmacht be- sessen hätte. Weder das eine noch das andere ist also erwiesen zu erachten. Prof. X. hat allerdings, wie er als Zeuge bekundet, aus den Äußerungen des Beklagten seinerzeit entnehmen zu können geglaubt, daß dieser alles von den Ärzten für erforderlich Erachtete aufzubieten gewillt sei. Selbst wenn nun die Äußerungen des Beklagten, deren näheren Inhalt der Zeuge nicht anzugeben vermag, in diesem Sinne aufgefaßt werden durften, so war Prof. X. damit noch nicht ohne weiteres ermächtigt, namens des Be- klagten den Kläger als Spezialisten zur Teilnahme an der Behandlung der Kranken hinzuzuziehen. Der Beklagte hatte nur dem Prof. X. persönlich die Behandlung seiner Ehefrau übertragen. Der dadurch zwischen den beiden geschlossene Dienstvertrag gewährte dem Prof. X. nicht die Befugnis, durch Ein- gehung eines neuen Dienstvertrages mit einem anderen Arzte den Beklagten rechtsgeschäftlich zu ver- pflichten. Erachtete er die Hinzuziehung des Klägers zum Zwecke der Röntgendurchleuchtung für erforderlich, so mußte er, bevor er diese namens des Beklagten veranlaßte, die Genehmigung des Letzteren einholen. Da er dies unterlassen hat, ist der von ihm dem Kläger erteilte Auftrag für den Beklagten unverbindlich.

Auch auf Geschäftsführung ohne Auftrag kann der Klageanspruch nicht gegründet werden, und zwar schon um deswillen nicht, weil der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen die Röntgendurch- leuchtung nicht ohne Auftrag, sondern auf Grund des ihm durch Prof. X. erteilten Auftrags vor- genommen hat. Ein Anspruch aus der Geschäftsführung ($ 683 B. G.-B.) würde überdies doch nur dann begründet sein, wenn die Geschäftsführung dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Beklagten entsprochen hätte, was nicht der Fall ist. Beklagter war mit der ohne sein Wissen erfolgten Hinzu- ziehung des Klägers nicht einverstanden und sein Einverständnis mit der verhältnismäßig kostspieligen Sonderbehandlung war auch nicht ohne weiteres zu vermuten. Ebensowenig kann gesagt werden, daß es vorliegendenfalls auf dem eutgegenstehenden Willen des Beklagten daher nicht angekommen sei, weil ohne die Geschäftsführung eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Beklagten nicht rechtzeitig erfüllt worden wäre ($ 679 B. G.-B.) Ganz abgesehen davon, daß die dem Beklagten gegenüber seiner Ehefrau ob- liegende Unterhaltspflicht sich offenbar nicht auf die Vornahme einer Röntgendurchleuchtung erstreckte, würde auch, wenn wirklich eine aus der Unterhaltspflicht sich ergebende Verpflichtung in Frage stände, für den Kläger kein Anlaß vorgelegen haben, den Dispositionen des Beklagten vorzugreifen und die Röntgendurchleuchtung ohne dessen Anweisung vorzunehmen. Die Besorgnis, daß ohne die hier fragliche

40*

316 Bücherbesprechung. XXIII, 3.

Geschäftsführung die gesetzliche Unterhaltspflicht des Beklagten „nicht rechtzeitig“ erfüllt werden würde, war nach Lage der Umstände um so weniger begründet, als der Beklagte durch sein ganzes Ver- halten gezeigt hat, daß er weit davon entfernt war, sich den aus der Unterhaltspflicht hervorgehenden Verpflichtungen gegen seine Ehefrau entziehen zu wollen.

Prüft man endlich die Berechtigung des erhobenen Anspruchs aus dem Gesichtspunkte der un- gerechtfertigten Bereicherung, so wird man auch in dieser Hinsicht der Auffassung des ersten Richters nur beitreten können. Daß die ohne rechtlichen Grund erfolgte Leistung von Diensten unter Umständen einen Anspruch aus der ungerechtfertigten Bereicherung begründen kann, ist an sich nicht zu bezweifeln (vgl. Jur. Woch. 1903, Beilage S. 142). Voraussetzung des Anspruchs ist aber, daß durch die Leistnng der Dienste eine Verbesserung der Vermögenslage des Empfängers der Dienste eingetreten ist, wobei es gleichgültig ist, ob diese in einem positiven Vermögenszuwachs oder in der Ersparung notwendiger Auf- wendungen bestanden hat. Nun wird man vorliegendenfalls auf Grund der Bekundungen der Zeugen Dr. X. und Prof. X. unbedenklich annehmen können, daß die vom Kläger ausgeführte Röntgendurch- leuchtung als Hilfsmittel bei der Diagnose zur zweckentsprechenden Behandlung der Kranken dringend erwünscht war und somit die durch die Tätigkeit des Klägers entstandenen Kosten auch vom Standpunkt des Beklagten eine nützliche Ausgabe waren. Um eine notwendige Ausgabe in dem Sinne, daß durch diese Tätigkeit dem Beklagten eine unvermeidliche Aufwendung erspart worden wäre, handelte es sich aber nicht. Sich einer kostspieligen spezialärztlichen Behandlung zu unterwerfen, kann niemand gezwungen werden. Auch der Beklagte war nicht verpflichtet, zur Hinzuziehung eines Spezialisten zwecks Vornahme der Röntgendurchleuchtung seine Zustimmung zu geben, er konnte diese Aufwendung ver- meiden und ist daher durch die vom Kläger geleisteten Dienste nicht bereichert. Wollte man aber an- nehmen, daß Professor X. sich auf Grund des ihm erteilten Auftrags unter Berücksichtigung der günstigen Vermögenslage des Beklagten für ermächtigt halten konnte, sich bei der Untersuchung der Kranken des Mittels der Röntgendurchleuchtung zu bedienen, so würde der Beklagte zwar verpflichtet sein, die Kosten der Röntgendurchleuchtung zu bezahlen, ihm diese Verpflichtung aber nicht auf Grund ungerechtfertigter Bereicherung gegenüber dem Kläger, sondern nur gegenüber dem Professor X. auf Grund des Vertrags- verhältnisses obliegen. Denn gerade die dem Beklagten nach dem Vertrage obliegende Gegenleistung würde solchenfalls eine Bereicherung desselben als ausgeschlossen erscheinen lassen.

Erweist sich somit die Vorentscheidung als gerechtfertigt, so mußte, wie geschehen, die Berufung zurückgewiesen werden, wobei sich die Kostenentscheidung aus § 97 Zivilprozeßordnung ergab.

Epikrise:

Während wohl zu dem Erkenntnis in dem ersten Fall kein Zusatz zu machen ist, nur hervor- gehoben werden muß, daß das überaus sachliche Gutachten von einem Nicht-Röntgenologen abgegeben wurde, so ist das zweite Urteil für uns Röntgenologen sehr bedauerlich. Da wir im allgemeinen von anderen Ärzten zur Untersuchung hinzugezogen werden, so spielt sich meistens dieser Vorgang so ab, daß der Arzt seinen Patienten telephonisch zur Untersuchung anmeldet oder durch einen Brief überweist. Daß der Vorgang sich hier so abgespielt habe, wird einfach in dem Urteil bestritten. Sehr oft kommt es vor, daß Untersuchungen an Ehefrauen und deren Kindern ohne Anwesenheit des zur Zahlung Verpflichteten stattfinden. Es muß daher im hohen Grade befremden, daß sich die Zahlungspflicht beim Röntgenologen anders darstellen soll als wie bei jedem anderen Arzt. Ist es doch außer Zweifel, daß in Abwesenheit des Ehemannes sich eine Ehefrau einer dringenden Operation unterziehen darf, ohne daß der Ehemann gegen die Kosten Einspruch erheben kann. Zu Bedenken gibt es Anlaß, daß das Gericht eine Röntgen- untersuchung zwar als „nützlich“, aber nicht als „notwendig“ ansieht. Das Urteil dürfte darüber sehr geteilt sein. Daß das Gericht nicht über die Sachlage völlig aufgeklärt war, kann man nicht annehmen, da zwei Ärzte, der Sanatoriumsinhaber und Herr Professor X., der die Röntgenuntersuchung im allge- meinen sehr hoch bewertet, persönlich vernommen wurden. Wenn das Gericht in seinem Schlußsatz die Frage erwägt, daß vielleicht eine Zahlung zu erreichen gewesen wäre, wenn ich den Auftraggeber, Herrn Professor X., verklagt hätte, so war dieser Weg für mich untunlich, da es unter Kollegen nicht Brauch ist, sich wegen der Honorare, welche Patienten zu zahlen haben, zu verklagen.

Dr. Max Cohn (Berlin).

Bücherbesprechung.

Otto Weski: Die röntgenologische Lagebestimmung von Fremdkörpern. Verlag von Ferd. Enke, Stuttgart 1915. Preis Mk. 6.—. Das Buch kommt in der jetzigen Kriegszeit einem Bedürfnis entgegen, denn es ist ein wertvoller

Ratgeber für die Praxis Kriegsuntersuchungen vornehmender Röntgenologen. Unzählige Methoden der Lokalisation von Fremdkörpern sind veröffentlicht worden, aber nur von wenigen kann man sagen,

XXIII, 3. Internationale Fachliteratur. 817

daß sie auch im Massenbetrieb schnell und leicht anzuwenden sind. Nur wenige Methoden kann man dem Personal zur selbständigen praktischen Ausführung ruhig überlassen. Zu diesen, allen Erfordernissen umfassend entgegenkommenden Techniken, gehört in erster Linie das Fürstenau- Weskische Verfahren. Schon seit Jahren hat der Fürstenausche Meßzirkel gute Dienste geleistet. Durch die weitere Aus- gestaltung seiner Anwendung durch Weski ist uns eine Methode geschenkt worden, die gerade jetzt die schönsten Erfolge zum Besten unserer Verwundeten zeitigt. Ich habe am Material des Reservelazarett II im Krankenhaus St. Georg in Hamburg seit Beginn des Krieges nach Fürstenau-Weski lokalisiert und durch ein in dieser Technik ausgebildetes junges Mädchen lokalisieren lassen. Bis auf verschwindend geringe Ausnahmen hat das Verfahren niemals versagt. In allen wichtigeren Fällen waren wir bei den Operationen zugegen und konnten so ein kritisches Urteil über unsere eigenen Arbeiten gewinnen. Be- sonders auffallend war, worauf ich schon früher hinwies, und worauf kürzlich wieder Wachtel hinge- wiesen hat, daß durchweg das Geschoß in einer größeren Tiefe als gemessen vorgefunden wird. Der Grund hierfür liegt in der Entspannung des Gewebes durch die Inzision. Die zahlenmäßigen Angaben, entsprechend der Messung der Tiefenlage des Geschosses gelten also nur für die unverletzte Haut. Je nach dem Körperteil sind 1—3 cm für die offene Inzisionswunde zuzurechnen. Einer der wichtigsten Punkte ist die Entscheidung der Frage, ob das Geschoß im Knochen oder außerhalb des- selben sitzt. Vielfach läßt sich dieses durch zweiseitige Aufnahmen senkrecht aufeinander oder mittels der Durchleuchtung, schließlich auch durch das Stereoverfahren entscheiden. Es bleiben aber Fälle übrig, in denen alle diese Hilfsmittel, da sie technisch nicht ausführbar sind, versagen. Z. B. beim Sitz des Projektils in der Linea intertrochanterica. Hier tritt die von Weski durchgeführte anatomische Orientierung unter exakter Bestimmung der Differenz der Knochen- und Projektilverschiebung ent- scheidend ein. Der anatomischen Orientierung wird von Weski eine sehr exakte Schilderung gewidmet. Für die große Mehrzahl der Untersucher kommt wohl vorwiegend die Orientierung am Skelett in Betracht. Für viele Fälle wird man die Eintragung des Befundes in die dem Buche beigegebenen und umge- arbeiteten Körperquerschnittszeichnungen von Bardeleben, Haeckel und Frohse mit Nutzen verwen- den. Auch in theoretischer Beziehung sind die Grundlagen der röntgenologischen Lokalisation muster- gültig dargestellt. Albers-Schönberg.

Internationale Fachliteratur.

b) Journalliteratur.

Strahlentherapie. Bd. 5, S. 199, 1914.

S. Lowenthal: Über sekundäre Elektronenbildung. Verf. läßt Röntgenstrahlen, die durch 1 mm Blei hindurchgegangen sind, von der Glasseite her auf eine photographische Platte fallen, hinter deren empfindlicher Schicht verschiedene Metalle, wie Blei, Kupfer, Eisen, Zink, Silber und Aluminium, so angeordnet sind, daß sie die empfindliche Schicht zum Teil direkt berühren, zum Teil aber auch nur durch ein dünnes Blatt Papier davon getrennt sind. Es zeigte sich dann, daß die empfindliche Schicht von allen genannten Stoffen, mit Ausnahme des Aluminiums kräftig geschwärzt wird, jedoch nur an den Stellen, wo die Stoffe die empfindliche Schicht direkt berühren. Verf. nimmt deshalb an, daß diese Schwärzung von den in diesen Stoffen durch die primären Röntgenstrahlen gebildeten sekundären Kathodenstrahlen herrührt, denn nur diese sind so stark absorbierbar, daß ihre Wirkung schon durch ein Blatt Papier ausgelöscht wird. Ebenso soll sich nun auch die starke Wirkung der y-Strahlen und sehr harten Röntgenstrahlen auf körperliches Gewebe durch die von ihnen in den Eisen- oder Kalkatomen der Zellkerne erzeugten sekundären Kathodenstrahlen erklären, indem diese sehr stark absorbierbaren Strahlen schon in dem den Zellkern umgebenden Protoplasma zur Absorption gelangen und also bier eine starke Wirkung ausüben müssen. Auch manche andere Begleiterscheinungen, wie z. B. die sensi- bilisierende Wirkung der Hyperämie für Röntgenstrahlen, finden auf diese Weise ihre ungezwungene Erklärung. Verf. empfiehlt daher zum Schluß zur Verstärkung der Wirkung unserer Strahlen, in den zu bestrahlenden Körperteil gewisse Metalle, vor allem das ungiftige Eisen, in möglichst feiner Ver- teilung hineinzubringen.

S. 742, 1915.

B. Szilard: Über die absolute Messung der Röntgen- und y-Strahlen in der Biologie. Die Wirkung der Röntgenstrahlen in einem Organ ist sowohl durch die Qualität als die Quantität der Strahlen bedingt. Die Qualität derselben will nun Verf. durch deren Absorptionskoeffizienten in der Luft messen, da er nämlich auch ihre Quantität durch ihre Wirkung auf die Luft, und zwar durch die Anzahl der Ionen, welche sie in 1 ccm Luft erzeugen, bestimmt. Als Einheit dieser Quantität bezeichnet er die- jenige Strahlenmenge, welche in jenem Luftvolumen eine Billion Ionen hervorruft, und nennt diese Einheit ein Megamegaion, Zur Messung der jeweilig vorliegenden Anzahl dieser Einheiten hat er einen

318 Internationale Fachliteratur. XXIII, 3.

Apparat konstruiert, welcher zunächst aus einer 1 ccm Luft enthaltenden und eine Einstrahlungsöffnung von 1 qcm besitzenden Ionisationskammer besteht, die auf die zu bestrahlende Stelle gelegt wird, und deren innere Elektrode durch ein biegsames Kabel isoliert mit einem Zeigerelektrometer verbunden ist. Dieses wird mit einer kleinen, gleichfalls im Apparat befindlichen Influenzmaschine bis zum Nullpunkt der in Megamegaion geeichten Skala aufgeladen, und man bestrahlt dann so lange, bis der Zeiger auf 1 Megamegaion gefallen ist, um dann wieder aufs neue aufzuladen usw. Der Apparat zeigt natürlich nur die oberflächlich wirkende Strahlenmenge an; ihre Wirkung in der Tiefe läßt sich aber daraus mit Hilfe des Absorptionskoeffizienten oder der Halbwertsschicht der Strahlung in bekannter Weise berechnen oder auch aus Tabellen oder graphischen Darstellungen entnehmen.

Snook-Roenigen Manufacturing Co., Philadelphia.

Die Wasserstoffröhre. Die hier angekündigte neue Röntgenröhre bedient sich zur Erneuerung des aufgebrauchten Gasinhaltes des bekannten osmotischen Verfahrens; jedoch liegt das dazu benutzte Platin- oder Palladiumröhrchen hier nicht wie sonst frei an der Luft, sondern in einem abgeschlossenen, mit Wasserstoffgas gefüllten Gefäße, und seine Erhitzung geschieht deshalb auch nicht wie sonst durch eine Flamme, sondern durch einen starken Strom elektrischer Funken, den man zwischen ihm und einer zweiten in diesem WasserstoffgefaB befindlichen Elektrode überschlagen läßt. Außer dieser Vorrichtung zur Erniedrigung der Luftleere hat die Röhre auch eine ähnliche zur Erhöhung derselben. Hierzu wird nämlich ein zweites osmotisches Röhrchen benutzt, das aber nicht wie das eben beschriebene nach außen hin von einer Wasserstoffatmosphäre umgeben ist, sondern wie bei den gewöhnlichen Röhren mit Osmo- regulierung einfach in die Luft hineinragt. Seine Erhitzung wird jedoch nicht wie bei diesen durch eine Flamme, sondern wieder durch einen Funkenstrom zwischen dem Röhrchen selbst und einer zu diesem Zweck in seiner Nähe angebrachten Elektrode bewirkt, so daß dann also kein Gas von außen nach innen, sondern solches von innen nach außen dringt. Hit Hilfe jeder dieser Vorrichtungen läßt sich das Vakuum bei Benutzung einer Stromstärke von 25 Milliampere innerhalb 20 Sekunden soweit erhöhen bzw. erniedrigen, daß ihre äquivalente Funkenlänge um etwa 2!/ cm erhöht bzw. erniedrigt wird. Der Preis. einer solchen Röhre mit 18 cm Kugeldurchmesser und Wolframantikathode beträgt 65 Dollar. Für stärkere Belastung werden Röhren dieser Art gebaut, bei welchen sowohl die Antikathode wie die Kathode durch einen innerhalb derselben fließenden Luftstrom gekühlt werden können. Der Preis dieser Röhren beträgt 115 Dollar. Ein dazu passendes Luftgebläse für elektrischen Antrieb mit Gleich- oder Wechselstrom von 110 oder 220 Volt kostet 238 Dollar.

Annalen der Physik. Bd. 46, S. 987, 1915.

Fr. Strieder: Über den Einfluß der Röntgenstrahlen auf die Kondensation des Wasserdampfes. Wenn ein mit Wasserdampf gesättigtes Gas auf irgendeine Weise abgekühlt wird, so tritt in demselben eine Nebelbildung auf. Allerdings muß die Abkühlung, wenn es sich um ein reines, staub- und ionen- freies Gas handelt, zu dem genannten Zweck schon eine sehr beträchtliche sein; bei Gegenwart von Staub, Ionen oder auch gewisser chemischer Verbindungen in Dampfform tritt dagegen die Nebelbildung erheblich leichter ein, da diese Teilchen dann als sogenannte Kondensationskerne wirken. Da nun auch die Röntgenstrahlen diese Art von Nebelbildung erleichtern, so nahm man bisher an, daß dies auf ihre ionenbildende Eigenschaft zurückzuführen sei. Verf. macht es indessen auf Grund verschiedener, im Marburger physikalischen Institut gemachter Untersuchungen wahrscheinlich, daß die Röntgenstrahlen in einem mit Wasserdampf gesättigten Gas auch dadurch Nebelbildung hervorrufen können, daß sie darin Dämpfe von Wasserstoffsuperoxyd erzeugen, eine Möglichkeit, die aber natürlich nur dann in Frage kommt, wenn es sich um ein sauerstoffhaltiges Gas handelt. In solchen Fällen tritt nämlich die Nebelbildung noch erheblich leichter ein als bei alleiniger Gegenwart von Ionen, wie sie natürlich durch Röntgenstrahlen auch iu sauerstofffreien Gasen erzeugt werden.

Bd. 47, S. 377—428, 1915.

R. Glocker: Interferenz der Röntgenstrahlen und Kristallstruktur. Ein durch Interferenz von einem Kristall abgebeugtes Röntgenstrahlenbündel wird unter gleicher Richtung wie das Primärbündel auf einen zweiten Kristall gelenkt. Das von diesem gelieferte „sekundäre“ Photogramm zeigt dann nur diejenigen Interferenzflecke, deren Wellenlänge mit derjenigen des benutzten abgebeugten Strahles, bzw. deren ersten Oberton übereinstimmt. Damit ist bewiesen, daß das vom ersten Kristall abgebeugte Strahlen- bündel als „monochromatische“ und die ursprüngliche Strahlung der Röntgenröhre im Gegensatz dazu als „weiße“ Strahlung oder im Strahlengemisch bezeichnet werden kann. Auf den sekundären Photo- grammen zeigte sich mehrfach die auffallende Tatsache, daß die durch den ersten Oberton, d. h. durch die Strahlung mit halber Wellenlänge erzeugten Interferenzpunkte ebenso intensiv geschwärzt waren, wie die von der Grundwellenlänge herrührenden. Verf. erklärt dies daraus, daß in der benutzten Primär- strahlung die kurzen und langen Wellenlängen nur spärlich vertreten seien, und also das Maximum der photographischen Intensität nur in einem verhältnismäßig kleinen Wellenlängengebiet enthalten sei. Die in obiger Weise erzeugten monochromatischen Röntgeustrahlenbündel werden ferner vom Verf. noch zur Bestimmung des Raumgitters mehrerer Kristalle benutzt. Walter (Hamburg).

Druck von Hesse & Becker in Leipzig.

Fortschritte a. d. Gebiete der Rontgenstr. XXIII. Tafel X.

L. Ri Heinal Heinal - 20. 11.1914 20. 11.1914

L. einal 4 Mon, 17. IV. 1914

R. Heinal, 4 Monate 17. IV. 1914

j le ! ~ac (irAfe & Sillem in Hamburo Neue Photogranhische Gesellschaft A -G Rerlin-Steolitz. Verlao von lucas Grafe & Sillem in .

Fortschritte a. d. Gebiete der Röntgenstr. XXIII. Tafel XI.

Rachs, 1, J. 19. V. 1914

Rachs, 6'/ Mo

17. Vil. 1914 °

IK Rachs, !/, J. 19. V. 1914

Niana Dhaingranhicche Macellechaftt AG Berlin-Steolitz Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg A

er Google

Fortschritte a. d. Gebiete der Röntgenstr. XXIII.

ER; Schacht 18. II. 1914

R. Schacht 24. Ill. 1914

8

L. Schacht 24 Ill. 1914

Tafel XII.

aa Google

(Aus dem Auguste Viktoria-Krankenhaus vom Roten Kreuz, Berlin-WeiBensee, z. Zt. Vereinslazarett).

Beitrag zur Kenntnis der Zwerchfellhernie nach Schußverletzung. Von A. von Domarus und A. Salomon. (Hierzu Tafel XV, Fig. 1—5.)

Nach den Erfahrungen von Vollbrecht und Wieting aus dem Balkankriege machen die penetrierenden Brust-Bauchverletzungen ca. 15°/, aller Bauchschüsse, nach Makins sogar 30°), aus. In all diesen Fällen haben wir es mit mehr oder minder großen Läsionen des Zwerchfells zu tun. Die Möglichkeit eines Zwerchfellbruches, d. h. eines Prolapses von Baucheingeweiden in die Brusthöhle ist damit in relativ großem Umfange gegeben. Zwar wird die Zahl der in Betracht kommenden Fälle durch die hohe Mortalität, die man analog derjenigen der Bauchschüsse allein wohl mit ca. 80°/, veranschlagen muß, sehr wesentlich reduziert und von den restierenden mit dem Leben davon gekommenen Verwundeten werden nur eine gewisse Anzahl entweder von vornherein Träger einer Zwerchfellhernie sein oder in ihrem weiteren Leben eine solche aquirieren. Immerhin, so sollte man glauben, müßte die Zwerchfellbernie bei der enormen Anzahl der penetrierenden Brust-Bauchschüsse in dem gegen- wärtigen Völkerkriege eine keineswegs seltene Affektion sein, und doch war bisher, so weit wir die Kasuistik über Kriegsverletzungen verfolgt haben, die Hernia diaphragmatica nicht Gegenstand der Publikation. Wir möchten den Grund hierfür vor allem in der Schwierig- keit der Diagnose derselben, zumal ihrer chronischen Form, erblicken und vermuten, daß eine große Zahl dieser Hernien nicht diagnostiziert wird, da ihre exakte Feststellung meist nur mittels des Röntgenbildes gelingt, und selbst dieses in der richtigen Deutung oft Schwierig- keiten bietet. Es dürfte daher die folgende Mitteilung eines typischen Falles von Prolaps des Magens in die Brusthöhle einiges Interesse beanspruchen und mit Rücksicht darauf, daß ähn- liche Beobachtungen im Laufe der nächsten Zeit voraussichtlich auch von anderer Seite ge- macht werden, eine über den einzelnen seltenen Fall hinausgehende allgemeine Bedeutung besitzen.

Krankengeschichte:

Der Gefreite E. W., 29 Jahre alt, wurde am 24. August auf dem westlichen Kriegsschauplatz ver- wundet und kam nach kurzem Aufenthalt in einem Feldlazarett am 6. September nach einem Lazarett in Düsseldorf, von wo er am 23. Oktober in das hiesige Lazarett überführt wurde.

W. macht folgende Angaben: Bis zum Feldzuge war er stets gesund und hatte insbesondere niemals Magendarmbeschwerden. Am 24. August 1914 wurde er, als er auf einer Anhöhe auf dem Bauche lag, hinter- . einander von 2 Gewehrkugeln in die linke Seite getroffen. Unmittelbar nach der Verwundung trat Blut- husten ein, auch machte sich beim Aufsitzen Atemnot bemerkbar. Dies dauerte zunächst acht Tage, dann besserte sich der Zustand. Die Atembeschwerden gingen erst gegen Mitte Oktober nach dauernder Bettruhe zurück. Weiter gibt W. an, daß er bei der Nahrungsaufnahme in den ersten drei Wochen starke Beschwerden hatte, nichts bei sich behalten konnte und alles unmittelbar nach dem Essen erbrach. Über die Beschaffenheit des Erbrochenen sowie über das Aussehen des Stuhles kann er keine genaueren Angaben machen. Im Oktober war er dann wieder soweit hergestellt, daß er fast alle Speisen vertrug, auch konnte er kleine und größere Bissen gut schlucken. Zeitweise empfindet er allerdings auch jetzt noch ein unangenehmes Völlegefühl in der Magengegend nach dem Essen, sowie etwas Atemnot und Druck in der linken Brust, jedoch gebe sich das einige Zeit nach der Nahrungsaufnahme. Erbrechen sei in der letzten Zeit nicht mehr aufgetreten.

320 von Domarus und Salomon. | XXIII, 4.

Status präsens:

Mittelgroßer Mann von schmächtigem Körperbau und mäßig entwickelter Muskulatur, Fettpolster dürftig. Haut und Schleimhäute ohne besonderen Befund. Es besteht keine Dyspnoe, keine Zyanose. Am Rumpf befinden sich in der linken mittleren Axillarlinie zwei kleine Narben, die von den Ein- schußöffnungen herrühren. Die obere liegt etwa handbreit unter der vorderen Achselfalte im 5. Inter- kostalraum, sie ist auf Druck nicht schmerzhaft, ebensowenig die benachbarte 5. und 6. Rippe. Die untere Narbe liegt etwa 6 cm darunter, sie verursacht beim Betasten Schmerz, auch scheint in der Tiefe in der Muskulatur eine Resistenz zu bestehen. |

Die Inspektion des Thorax ergibt keinerlei auffallenden Befund, insbesondere keine Asymetrie, die Interkostalräume sind beiderseits gleich weit; bei tiefer Atmung schleppt die linke Brusthälfte ein wenig nach.

Lungen: Die Perkussion der rechten Lunge ergibt überall sonoren Klopfschall; die Grenzen sind normal, RHU 11. Brustwirbel, RVU in der Mamillarlinie unterer Rand der 6. Rippe, die respiratorische Verschieblichkeit der Grenzen ist ausgiebig vorhanden. Über der linken Lunge besteht hinten abwärts von dem 7. Brustwirbel eine ziemlich intensive, nach unten an Stärke zunehmende Dämpfung, die auch seitlich in der Axillarlinie nachweisbar ist, dort beim aufrechtstehenden Pat. bis zum unteren Rand der 5. Rippe reicht und sich nach vorne in die Tympanie des linken Hypochondriums verliert. Die Ver- schieblichkeit der linken unteren Lungengrenze ist nicht sicher nachweisbar. Bei Lagewechsel, ins- besondere beim Neigen auf die linke Seite nimmt die seitliche Dämpfung in der Axillarlinie deutlich an Höhe zu, wobei eine Verschiebung von ungefähr anderthalb Querfinger nachweisbar ist.

Das Atemgeräusch ist über der rechten Lunge überall normal, über der linken im Bereich der Dämpfung in der oberen Partie abgeschwächt, weiter unten kaum hörbar. Rasselgeräusche sind nicht wahrnehmbar, dagegen läßt sich, wenn der Patient geschüttelt wird, eine deutliche Succussio Hippocratis vernehmen.

Hinten unten im Bereich der Dämpfung, sowie seitlich in der Axillarlinie in der Höhe der 5. und 6. Rippe ist bei Stäbchenplessimeterperkussion Metallklang wahrnehmbar.

Husten besteht zur Zeit der Aufnahme des Pat. nur in geringen Maße, Auswurf ist nicht vor- handen.

Die Herzdämpfung ist klein, die rechte Grenze ein Querfinger breit vom rechten Sternalrand, obere Grenze unterer Rand der 4. Rippe, linke Grenze 2 cm vom linken Sternalrand. Spitzenstoß nicht fühlbar. Die Herztöne sind leise, dumpf, regelmäßig. Geräusche sind nicht vorhanden. Der 2. Pulmonal- ton ist etwas akzentuiert. Es findet sich keine abnorme Pulsation am Hals, ein Venenpuls ist nicht sichtbar. Der Radialpuls ist voll, regelmäßig, 84, beiderseits gleich. Der Blutdruck ist normal.

Abdomen: Die Bauchdecken sind nicht besonders gespannt, eine abnorme Resistenz ist nicht fühlbar; die Magengegend ist dicht unter dem linken Rippenbogen auf Druck etwas empfindlich. Freie Flüssigkeit ist in der Bauchhöble nicht nachweisbar. Im Bereich des linken Hypochondriums ergibt die Perkussion laute Tympanie. Der Traubesche Raum ist frei. Die Leber ist nicht vergrößert, der untere Rand schneidet in der Mamillarlinie mit dem Rippenbogen ab; sie ist nicht palpabel. Von der Milz ist der untere Pol nicht palpabel, perkutorisch ist sie nicht sicher abgrenzbar. Auch sonst ist von seiten des Abdomens bei der Palpation und Perkussion kein abnormer Befund zu erheben.

Wegen der vorhandenen Magenbeschwerden erhielt Patient ein Probefrühstück mit folgendem Er- gebnis: Freie Salzsäure 26, Gesamtazidität 52, gute Chymifikation, kein Schleim, kein Blut vorhanden, Die Temperatur ist normal. Urin frei von Eiweiß und Zucker. Aldehydreaktion negativ. Körper- gewicht 57,5 kg.

Röntgenuntersuchung:

Die Durchleuchtung des Thorax ergibt rechts ein normales Lungenfeld, Hiluszeichnung ist sehr deutlich, der rechte Komplementärraum ist frei, die rechte Zwerchfellhälfte macht bei der Atmung ausgiebige Exkursionen. Das linke Lungenfeld ist in seinem oberen Abschnitt ebenfalls normal, in der Gegend des Hilus finden sich netzartige Trübungen. Die untere Partie lateral von der Herzdämpfung ist durch einen intensiven Schatten eingenommen, der nach oben gegen die helle Lunge durch eine scharf abgegrenzte horizontal verlaufende Linie abgesetzt ist (vgl. Abbild. 1, Tafel XV'). Derjenige Teil des Lungenfeldes, der unmittelbar oberhalb des genannten Schattens liegt, erscheint heller als das übrige Lungenfeld, das von dieser helleren Partie durch eine nach oben leicht konvexe, ziemlich scharf sich abhebende Trennungslinie geschieden ist. Diese Trennungslinie gebt ebenso wie die vorhin bezeichnete dunkle Zone

1) Sämtliche Aufnahmen sind in dorsoventraler Richtung gemacht.

- Gwe " _

XXIII, 4. Beitrag zur Kenntnis der Zwerchfellhernie nach Schußverletzung. 321

medial in den Herzschatten über. Es sei noch besonders bemerkt, daß im Bereich der eben erwähnten helleren Zone zwischen dem intensiven Schatten und der bogenförmigen Linie eine, wenn auch nur zart angedeutete Lungenzeichnung zu erkennen ist. Die Herzsilhouette zeigt Medianstellung und ist ziemlich schmal.

Die weitere Untersuchung vor dem Leuchtschirm läßt erkennen, daß, wenn man den Patienten hin und her bewegt, die dunkle Zone im unteren Lungenabschnitt Bewegungen nach Art einer Flüssigkeit ausführt. Auch ist deutlich zu sehen, wie beim Neigen des Pat. auf die linke oder rechte Seite die dunkle Zone einen entsprechenden Lagewechsel zeigt, was mit dem oben genannten Ergebnis der Perkussion übereinstimmt. Läßt man den Patienten sich stark auf die linke Seite hinüberneigen, so löst sich (Abb. 2) der Schatten von der Herz- silhouette ab und stellt sich schalenförmig derart an der seitlichen Thoraxwand ein, daß seine obere Begrenzung wiederum horizontal steht (in der Abbildung 2 durch einen Pfeil markiert). Bei wiederholten Durchleuchtungen wurde stets ein ähnlicher Befund erhoben; einmal ließ sich deutlich eine Wellenbewegung an der Oberfläche des Schattens erkennen, die mit den Herzpulsationen synchron verlief.

Aus dem dargelegten Befunde bei der Durchleuchtung wurde zunächst im Verein mit dem Ergebnis der physikalischen Untersuchung der Schluß gezogen, daß es sich um ein Exsudat im Pleurarauin handele, das beweglich sein müsse. Es wurde weiter gefolgert, daß im Anschluß an den Lungenschuß ein Hämatothorax mit gleichzeitigem abgekapselten Pneu- mothorax entstanden sei, so daß die vorläufige Diagnose „Hämopneumothorax“ nach Lungen- schuß lautete. Allerdings war es von vornherein auffallend, daß ein derartiger Befund so lange Zeit nach der Verwundung noch konstatiert werden konnte.

Es wurde nun im Bereich der Dämpfung hinten unten wiederbölt eine Probepunktion der Pleura vorgenommen, die aber ergebnislos war.

In der Folgezeit wurden noch mehrfach Durchleuchtungen des Thorax gemacht und es fiel dabei auf, daß der beschriebene auf das Pleuraexsudat bezogene Schatten einen eigentüm- lichen Wechsel sowohl bezüglich der Intensität des Schattens wie auch namentlich hinsichtlich der Höhe desselben an den verschiedenen Tagen zeigte. Während das vermeintliche Exsudat einmal medial bis zum unteren Rande der 6. Rippe reichte, stand es an anderen Tagen wesent- lich tiefer. Diese Tatsache, sowie die lange Dauer des Bestehens der Veränderungen erweckten Zweifel an der Richtigkeit der Diagnose.

Erst die Durchleuchtung des Magens nach einer Wismutmahlzeit führte auf die richtige Fährte. Beim Schlucken des Wismutbreies vor dem Schirm ist am Ösophagus und an der Kardia kein Passagehindernis zu entdecken, der Brei tritt sofort in den Magen. Der Magen erscheint dabei (Abb. 3) nach Art eines Sanduhrmagens in eine obere und untere Hälfte geteilt, beide Hälften stehen miteinander durch einen sehr schmalen kurzen Isthmus in Verbindung. Die die beiden Teile trennende Einschnürung springt besonders tief in die große Kurvatur ein, ist aber auch an der Seite der kleinen Kurvatur sichtbar. . Der oberhalb der Einschnürung liegende Teil des Magens fällt durch die enorme Breite seines Querdurchmessers auf. Seine obere Begrenzung verläuft annähernd horizontal. Darüber liegt eine schmale Zone von nur geringer Schattenintensität und oberhalb derselben ist eine helle Partie sichtbar, die zunächst an die Magenblase denken läßt; sie ist nach oben durch eine dünne, ziemlich scharf- gezeichnete Linie begrenzt, die in ihrem mittleren Teil horizontal verläuft, medial und lateral leicht bogenförmig nach unten umbiegt. Sehr auffallend ist, daß sie so hoch heraufreicht, daß sie lateral vom linken Ventrikel liegt und sich fast bis zur Höhe der Brustwarze (Blei- marke) erstreckt. Ferner läßt sie eine zarte netzartige Zeichnung erkennen. Übt man einen Druck auf die Magengegend vor dem Schirm aus, so kann man erkennen, daß der Magen- inhalt sich teilweise in die helle Zone hineinverschieben läßt. Weiter war bemerkenswert, daß bereits unmittelbar im Anschluß an die Mahlzeit ein Teil derselben im Duodenum und im Dünn- darm sichtbar wurde. Der Pylorus erweist sich vor dem Schirm als nur wenig verschieblich.

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrablen. XXIII. 41

322 von Domarus und Salomon. XXIII, 4.

Schon nach etwa 10 Minuten hatte sich das Bild erheblich geändert, wie eine weitere Aufnahme (Abb. 4) zeigt. Zunächst fällt auf, daß der obere Abschnitt des Sanduhrmagens sehr bedeutend an Umfang abgenommen hat, er ist vor allem viel flacher geworden und bildet nur noch einen ganz schmalen Saum, über dem sich wiederum ein großes helles, einer Luftblase ähnliches Feld!) erhebt. Bemerkenswert ist ferner, daß der vorhin genannte Isthmus jetzt viel länger erscheint und einen mehrere Zentimeter langen, etwa daumenstarken Streifen bildet, dessen Ränder etwas unregelmäßig gestaltet sind. Paust man die beiden Aufnahmen (Abb. 3 und 4) übereinander, so ergibt sich, daß der untere Abschnitt des Sanduhrmagens sich in seinen Dimensionen und seiner Lage nicht geändert hat, wogegen der Isthmus sich nach oben verlängert hat, und zwar auf Kosten des oberen Magensackes, nachdem dieser offenbar seinen Inhalt an den unteren zum großen Teil abgegeben hat. Schließlich ist aus der Auf- nahme zu erkennen, daß schon innerhalb der ersten zehn Minuten ein sehr beträchtlicher Teil des Mageninhalts in den Darm übergetreten ist, denn Duodenum wie Dünndarmschlingen sind mit Wismutbrei prall gefüllt. Bei der Durchleuchtung war übrigens an den verschiedenen Teilen des Magens nur schwache Peristaltik zu sehen, anı Pylorus fehlte die bekannte peri- staltische Formänderung vollständig.

War schon der hohe Stand der Magenblase, namentlich in Abb. 3 außerordentlich auf- fallend, so mußte der Vergleich dieses Bildes mit demjenigen der Abb. 1 den Gedanken nahe- legen, daß das mehrfach erwähnte sogenannte Exsudat in Wirklichkeit Mageninhalt war. Im Einklang hiermit stand die weitere Beobachtung, die noch nachträglich gemacht wurde, daß der „Exsudat*-Schatten an Ausdehnung wechselte, je nach dem der Patient nüchtern war oder kurz vorher gegessen hatte.

Die Annahme eines Zusammenhanges in der angedeuteten Weise fand ihre Bestätigung, als dem Patienten eine Quecksilbersonde in den Magen eingeführt wurde, was übrigens ohne Schwierigkeiten vonstatten ging.

Wie Abb. 5 zeigt, biegt die Sonde ein wenig lateral von der Stelle, wo der Sitz der Kardia anzunehmen ist, im scharfen rechten Winkel nach oben um und rollt sich lateral von dem Herzschatten im Bereich des oben beschriebenen hellen Feldes auf. Da die Spitze der Sonde sich hierbei an die Herzspitze anlehnt, so macht dieser Teil der Sonde bei der Durch- leuchtung sehr ausgiebige mit der Herzaktion synchrone Bewegungen. Gleichzeitig kann man erkennen, wie bei der Durchleuchtung an diesem Tage die bogenförmige Abgrenzung des hellen Raumes nach oben besonders deutlich zur Darstellung kommt. Nach Aufblähung des Magens mittels Brausepulvers ließ sich eine deutliche, wenn auch nicht sehr beträchtliche

Vergrößerung der Magenblase feststellen. Der

Patient klagte währenddessen über sehr starkes

Druckgefühl in der linken Brustseite. Daß übrigens

| die als Magenblase anzusprechende helle lufthaltige

| Partie lateral vom Herz zu verschiedenen Zeiten sehr verschiedene Dimensionen zeigte, geht aus

der nebenstehenden Textfigur hervor, die bei einer

Durchleuchtung gepaust wurde. Es erreicht dabei

der Scheitel der Magenblase die durch eine Blei- marke markierte linke Brustwarze.

Was ferner die Bewegung der Grenzlinie zwischen linker Lunge und Magenblase bei der Atmung betrifft, so erschien es bei flüchtiger Betrachtung, als wenn die Trennungszone selbst bei ausgiebiger Atınung absolut still stand. Erst bei selır genauem Hinsehen ergab sich, daß bei tiefer Inspiration die Trennungslinie oberhalb der Magenblase eine deutliche, wenn auch sehr geringfügige Aufwärtsbewegung machte, die bei der Expiration in eine ebenso minimale

1) Dasselbe ist auf Abb. 4 nur unvollkommen zur Darstellung gekommen.

XXIII, 4. Beitrag zur Kenntnis der Zwerchfellhernie nach Schußverletzung. 323

Abwärtsbewegung überging. Dies wurde wiederholt bei Durchleuchtungen konstatiert. Bei einer unter starker Anspannung der Bauchpresse bewirkten Exspiration konnte eine verstärkte Bewegung der linken Zwerchfellhälfte nicht mit Sicherheit festgestellt werden.

Es konnte nach dem geschilderten Befunde nicht mehr zweifelhaft sein, daß es sich im vorliegenden Falle um eine teilweise Verlagerung des Magens in die Brusthöhle handelte; ins- besondere mußte der bis dahin als Exsudat gedeutete Schatten als Mageninhalt aufgefaßt werden, ebenso wie die darüber befindliche helle Zone als Magenblase anzusprechen war. Ferner bestand augenscheinlich ein ausgesprochener Sanduhrmagen und eine Pylorusinsuffizienz, Veränderungen, über deren Ursache man nur Vermutungen anstellen konnte, speziell was die Pylorusinsuffizienz betrifft.

Sieht man von der Entstehung des Leidens in unserem speziellen Fall zunächst ab, so kommen bekanntlich zwei Möglichkeiten für eine Verlagerung des Magens in die Brusthöhle in Betracht: die Eventratio (Relaxatio) diaphragmatica oder der Zwerchfellhochstand und die Hernia diaphragmatica. Die klinische Unterscheidung beider Zustände kann erfahrungsgemäß auf große Schwierigkeiten stoßen. Selbst die Zuhilfenahme des Röntgenverfahrens vermag nicht immer absolute Sicherheit in der Entscheidung dieser Frage herbeizuführen.

In dem hier mitgeteilten Falle lag nun die Sache insofern einfacher, als zunächst anamnestisch feststand, daß der Patient bis zu dem Augenblicke, wo er die Schußverletzung erhielt, vollständig gesund und frei von Beschwerden gewesen war. Es hatte also die Ver- lagerung des Magens plötzlich stattgefunden, was entschieden zugunsten einer Hernie und gegen eine Eventratio sprach. Weiter ließ sich bis zu einem gewissen Grade die oben ge- nauer beschriebene Einschnürung des Magens hierfür verwerten, die dahin zu deuten war, daß der obere Teil des Magenkörpers durch eine Öffnung hindurchgeschlüpft war. Immerhin hätte ein derartiges Bild auch lediglich durch Adhäsionen zustande kommen können, die den Magen von außen einschnürten.

Eine sichere Entscheidung darüber, daß wirklich eine Hernie des Zwerchfells und kein Hochstand derselben vorlag, wurde erst durch die Beobachtung geliefert, daß die Trennungs- linie zwischen Lunge und Magen bei der Atmung die in der Literatur mehrfach erwähnte paradoxe Bewegung zeigt, wie das oben geschildert wurde.

Im einzelnen ließ sich nach den Röntgenbildern und speziell auf Grund der Durch- leuchtung mit der Quecksilbersonde annehmen, daß der Schlitz im Zwerchfell dicht neben der Kardia gelegen war, ferner war bemerkenswert, daß außer dem Magen keine anderen Bauch- eingeweide wie Kolon, Milz in die Brusthöhle getreten waren, wie das von andern Beobachtern mehrfach bei derartigen Fällen beschrieben worden war.

Sehr auffallend blieb die Tatsache, daß über den Verbleib der Kugel bei den mehr- fachen Durchleuchtungen nichts festgestellt werden konnte (selbstverständlich hat das zweite auf den Photographien sichtbare Geschoß, das links seitlich in der Bauchwand stecken blieb, hiermit nichts zu tun).

Da der Patient in der Folgezeit dauernd, wenn auch in wechselndem Maße, über Be- schwerden in der Magengegend und der linken Brustseite klagte und er in seinem Ernährungs- und Kräftezustand trotz aller angewandter Mühe und anfänglicher Besserung nicht recht vor- wärts kommen wollte, so wurde ihm der Rat gegeben, sich einer Operation zu unterziehen, zumal die Möglichkeit einer Einklemmung von Darmteilen in der Zwerchfellöffnung zu be- fürchten war.

Die Operation wurde am 16. 2. 1915, also 7 Monate nach der Verletzung vorgenommen.

Operationsbericht.

Operation (Dr. A. Salomon) in Morphium-Atropin-Äthernarkose, Schrägschnitt am linken Rippen- bogen oberhalb des Processus ensiformis beginnend. Aufklappen des Rippenbogens nach Marwedel, e wurde die 7 Rippe am Sternum, sowie die 7. bis 9. Rippe lateral dicht an der Knorpelknochengrenze durchtrennt. Bei der Durchschneidung der 7. Rippe pfeift Luft aus der Schnittfläche, sofort Tampon auf

41*

324 | von Domarus und Salomon. XXIII, 4.

die betreffende Stelle. Eröffnung der Bauchhöhle und Umklappung des Rippenbogens. Man sieht nun die ganze Zwerchfellkuppel vor sich. Abstopfung nach unten, sowie nach dem linken Leberlappen, der nach rechts hinübergenommen wird. Der vorliegende Magenteil fällt durch seine große Schmalheit und straffe Anspannung auf, er sieht wie Darm aus. Kleine und große Kurvatur liegen etwa 3—4 cm voneinander ent- fernt Am Pylorus ist nichts besonderes zu fühlen, kardialwärts finden sich zahlreiche Adhäsionen, teils um den Magen herum, teils zwischen Magen und Zwerchfell. Nach Lösung derselben zwischen doppelten Ligaturen kommt man nun an eine Stelle des Magens, wo derselbe nach oben verschwindet und offenbar durch das Zwerchfell hindurchtritt. Der in der Bauchhöhle liegende Teil macht etwa '/, des Magens aus. Der Zwerchfellriß findet sich im hinteren unteren Teil des Zwerchfells, kaum ein Finger breit vom Hiatus oesophageus entfernt nach links hinüberziehend. Beim Lösen der Verwachsungen blutet es aus mehreren Stellen diffus; provisorische Tamponade. Man dringt nun stumpf zwischen Magen und Zwerch- fell nach oben vor, dabei reißt das Zwerchfell auf und es dringt Luft in die Bauchhöhle ein. Schon vorher war Überdrucknarkose bei geringem Uberdruck eingeleitet. Jetzt kann man durch den Spalt im Zwerchfell zwei Finger durchführen und fühlt, daß der Magen weit nach oben in die Brusthöhle hinauf- reicht und mit der Lunge diffus verwachsen ist. Er sitzt fest auf der basalen Fläche der Lunge und wird nun stumpf Schritt für Schritt hinabgezogen, was sehr schwierig ist und nur ganz allmählich ge- lingt. Man arbeitet dabei völlig im Dunkeln, kann aber deutlich die Grenze des Magens fühlen und hart an derselben die Lösung vornehmen. Immer wieder hat der Magen die Neigung, nach oben zurückzuschlüpfen. Endlich hängt er noch an einem über bleistiftstarken Strang an der kostal-lateralen Pleurafläche fest. Auch diese Adbäsion wird stumpf gelöst; dabei zeigt sich eine erbsengroße Öffnung im Magen, aus der ein paar Tropfen Flüssigkeit hervortreten. Sofort doppelte Übernähung mit Seiden- knopfnähten. Jetzt ist der ganze, diffus von leicht blutenden Adhäsionen bedeckte Magenteil aus dem Zwerchfellschlitz herausgezogen. Die Blutung aus der Lunge ist anscheinend sehr gering, die hinein- geschobenen Tücher sind nur wenig mit Blut bedeckt, In den von rechts nach links ziemlich quer ver- laufenden Defekt kann man bequem 4 Finger hineinführen. Ganz lioks zieht ein über fingerdicker Netz- strang nach der Brusthöhle durch den Defekt hindurch. Da der Puls sehr frequent und klein ist und das Aussehen des Patienten schlechter geworden sind, wird auf die ziemlich schwierige Lösung des Netzes, das sehr breit nach oben adhärent ist, verzichtet. Der Zwerchfelldefekt wird nun durch etwa 6—7 Einzelknopfnähte bis an den Netzstrang heran geschlossen. Die Nähte reißen mehrfach durch und müssen durch weitergreifende ersetzt werden. Am Hiatus oesophageus bleibt eine etwa kleinfingerbreite Öffnung zurück, die dadurch geschlossen wird, daß der Magen breit über dieselbe hinübergenäht wird. Von der Milz kam außer einem etwa kirschgroßem, isoliert liegendem, offenbar abgeschossenen Stückchen nichts zu Gesicht. Je ein Gazestreifen auf die Zwerchfellnaht und das blutende Gewebe in der Gegend des kleinen Netzes. Fortlaufende Peritonealnaht. Naht der durchschnittenen Rippenknorpel, Muskel- und Hautnaht. Am Schluß der zwei Stunden dauernden Operation ist Patient munter, sieht aber sehr blaB und zyanotisch aus. Der Puls hat sich gebessert, ist aber noch stark beschleunigt.

Am Tage nach der Operation ist Patient sehr schwach. Der Puls ist klein und fadenförmig, fre- quent. Starke Dyspnöe und Zyanose, Patient ist sehr unruhig. Über beiden Lungen sehr starkes Rasseln und Giemen, keine Dämpfung. Patient ist zu schwach, um zu expektorieren. Abends um 9 Uhr erfolgt der Exitus letalis unter den Erscheinungen der Herzschwäche.

Sektionsbericht:

Sektion am 18. 2., nachm. 6 Uhr (Prof. Oestreich). Auszug des Protokolls: Peritoneum ist

glatt und glänzend. Dünndarmschlingen mäßig mit Gas und Inhalt gefüllt, nirgends verwachsen. Im rechten Teil des Colon transversum leicht lösbare Verwachsungen mit der Leber. Die Gegend des -= Pylorus ist durch einen Strang mit dem Lobus quadratus verwachsen. Rechts steht das Zwerchfell mit der Kuppe am oberen Rand der 5. Rippe, die linke Zwerchfellkuppe steht mit der Konkavität nach unten in der Höhe der 6. Rippe. In der linken Pleurahöhle eine beträchtliche Menge schwarzroten Blutes (ca. ®/, 1) Der Herzbeutel ist leer. Das Herz entspricht der Größe der Faust. Der rechte Ventrikel dilatiert. Die Herzmuskulatur ist braunrot, brüchig; Klappen intakt. Über den Aortenklappen geringfügige gelbe Flecken. An der linken Lunge ist die Bnsis in der Nähe der Zwerchfellnaht mit dieser verwachsen. Der linke Unterlappen und der angrenzende Teil des Oberlappens ist mit geronnenem Blut bedeckt. In den größeren Bronchien der linken Lunge viel schleimiges Sekret. Der linke Unter- lappen ist dunkelrot, sehr feucht. Die rechte Lunge ist vollständig mit dem Thorax verwachsen, in den Bronchien viel Sekret, Schnittfläche blutreich feucht: Die Lungenarterie ist ohne Besonderheit. Die Leber mit deutlicher azinöser Zeichnung, ohne Besonderheiten. Gallenblase wenig gefüllt. Nieren und Nebennieren an normaler Stelle, ohne Besonderheiten. Oberhalb der linken Darmbeinschaufel in der hinteren Axillarlinie liegt ein Geschoß eingekapselt mit geringer Eiterung in der Umgebung. Die Milz ist mit dem Zwerchfell durch Adhäsionen verbunden. Die größere obere Hälfte des Magens ist mit gelösten Adhäsionen bedeckt und von dem unteren kleineren Teil durch eine Einschnürung an der großen

OOO EEE lS yo

XXIII, 4. Beitrag zur Kenntnis der Zwerchfellhernie nach Schußverletzung. 325

Kurvatur abzugrenzen. Pylorus ohne Besonderheiten. Lateral von der Kardia ist nach Abtrennung der im Operationsbericht erwähnten eingenähten Magenpartie noch ein für 1 Finger durchgängiges Loch im Zwerchfell, lateral von diesem Loch beginnt die Naht. Durch die Kardia in den in situ liegenden Magen eingegossenes Wasser fließt sofort in das Duodenum, ohne durch den Pylorus zurückgehalten zu werden.

Epikrise:

Bei einem bis dahin völlig gesunden Mann treten im Anschluß an einen Gewehrschuß in die linke Seite im 5. Interkostalraum nach Abklingen der zunächst vorhandenen Lungenerscheinungen Magen- beschwerden, insbesondere Druck und Völlegefühl nach dem Essen, bisweilen Erbrechen auf. Die Ursache dieser Beschwerden erweist sich bei der Röntgenuntersuchung und autoptisch festgestellt als eine Zwerch- fellhernie. Der durch den Schuß verursachte RiB im Zwerchfell sitzt dicht neben dem Hiatus oesopha- geus und hat dem Magen, dagegen keinem anderen Baucheingeweide den Eintritt in die Brusthöhle ermöglicht. Was den Weg des Geschosses betrifft, so läßt sich mit Wahrscheinlichkeit annehmen, daß dasselbe in schräger Richtung von oben außen nach unten in den Körper eindrang, hierbei nach Passieren des linken Lungenunterlappens das linke Zwerchfell aufri8 und ins Abdomen eintrat. Diese Richtung der Kugel ist schon deshalb anzunehmen, weil dieselbe bei einer dem Zwerchfell völlig parallelen Bahn unbedingt zu einer schweren Verletzung des Herzens bzw. der großen Gefäße hätte führen müssen. Die Tatsache ferner, daß die Kugel weder bei der Durchleuchtung noch bei der Sektion gefunden wurde, läßt nur die eine Deutung zu, daB dieselbe in den Verdauungskanal eingedrungen war und von dort aus den Körper verließ. Am wahrscheinlichsten ist es, daß sie in den Fundus des Magens eindrang und zwar an derjenigen Stelle in der Magenwand, die bei der Loslösung der Adhäsionen während der Operation eipriß.

Was nun im speziellen die Erscheinungen der Hernia diaphragmatica in unserm Fall betrifft, so zeigen sie eine Reihe von Momenten, die von den bisher in der Literatur vorliegenden Mitteilungen über traumatische Zwerchfellhernien abweichen. Es ist da in erster Linie auf das Zustandekommen des Sanduhrmagens hinzuweisen. Seine Entstehung ist zweifellos so zu er- klären, daß bei der Zerreißung des Zwerchfells durch das Geschoß der unmittelbar unter dem Zwerchfell gelegene Fundus des Magens infolge des negativen Druckes im Thorax in die Brusthöhle aspiriert wurde. Da es sich nur um eine relativ nicht sehr große Öffnung handelte, wurde der Magen an der Durchtrittsstelle im Zwerchfell halsférmig eingeschnürt, so daß unter der gleichzeitigen Wirkung von perigastritischen Adhäsionen die Sanduhrform herbeigeführt wurde. Infolge der durch die Verletzung der Lunge wie des Zwerchfells bedingten Blutung kam es dann in der Folgezeit zu den bei der Operation festgestellten ausgedehnten Verwach- sungen der oberen in der Brusthöhle liegenden Hälfte des Magens mit der Nachbarschaft, vor allem mit der Lunge. Hierdurch wurde der Magen dauernd einem starken Längszug ausgesetzt. Diese Anspannung der Magenwand in der Richtung der Längsachse übte ihrerseits augen- scheinlich auf den Pförtner in der Weise einen Einfluß aus, daß derselbe, wie die Röntgen- untersuchung lehrte, dauernd offen stand, mithin seinen normalen Tonus völlig eingebüßt hatte. Es ist dies zugleich ein lehrreiches Beispiel dafür, wie eine Pylorusinsuffizienz schwersten Grades auf indirektem Wege zustande kommen kann.

Was endlich die wechselnden Bilder des oberen Magenabschnitts bei der Durchleuchtung betrifft, so muß man annehmen, daß je nach den vorliegenden Spannungsverhältnissen der übriggebliebenen linken Zwerchfellhälfte, bzw. dem Volumen der aufgenommenen Nahrung die Einschnürung am Halsteil eine wechselnd starke war. In dem Fall, wo der Patient den voluminösen und schweren Wismutbrei gegessen hatte, war vorübergehend der obere Abschnitt stark gefüllt, was zu einer partiellen Ausdehnung der Einschnürung geführt hatte. In dem- selben Maß, als sich der obere Teil entleerte, mußte sich das Verbindungsstück zwischen beiden Magenabschnitten wieder verengern. | :

Uber die Art des operativen Vorgehens bei der Radikaloperation chronischer freier Zwerchfellhernien seien hier bei der großen Seltenheit dieser Operation einige Bemerkungen erlaubt. In den bisher mit Glück operierten 10 Fällen der Literatur haben die Autoren zur Hälfte den abdominalen, zar andern den thorakalen Weg eingeschlagen. Wieting hält mit Rücksicht auf die ausgedehnten Verwachsungen und Lageveränderungen im Abdomen ein aus-

326 Zadek. XXIII, 4.

schließliches thorakales Vorgehen für unangebracht. Wir haben in unserem Falle aus ähnlichen Gründen, vor allem auch, um die Genese des Sanduhrmagens und der Pylorusinsuffizienz klar- zustellen, gleichfalls die Laparatomie ausgeführt. Ein großer Unterschied zwischen den Fällen der Autoren und dem unseren lag darin, daß die Reposition des Magens in die Bauchhöhle infolge des Fehlens oder der geringen Ausbildung von Verwachsungen durchweg ziemlich leicht gelang, während dieselbe in dem beschriebenen Falle infolge der massiven Verwachsungen mit der Lunge auf die größten Schwierigkeiten stieß. Im Falle Wieting handelte es sich dabei ebenfalls um eine Schußverletzung, allerdings nur um eine durch Revolver bedingte. Offenbar sind die durch das moderne Infanteriegeschoß gesetzten Gewebsschädigungen, Blutungen und Narbenbildungen sehr viel ausgedehnter und intensiver. Unter diesen Umständen möchten wir in künftigen ähnlichen Fällen für Kriegsverletzungen eine Thorakolaparatomie von einem großen Interkostalschnitt aus empfehlen, in der Art, wie sie von Sauerbruch in seiner Technik der Thoraxoperationen angegeben und auch von Schuhmacher empfohlen wurde. Die Lösung der Baucheingeweide von der Lunge dürfte sich unter Leitung des Auges schonen- der gestalten und für die Mehrzahl der Fälle auch durch Erweiterung des Zwerchfellspaltes eine ausreichende Übersicht über die abdominalen Verhältnisse erzielen lassen.

Kurz sei endlich noch die Indikation zur Radikaloperation in vorliegendem Falle, wie überhaupt bei freien Zwerchfellhernien besprochen. Wir halten .dieselbe, wie auch Graser im Handbuch der praktischen Chirurgie, mit Rücksicht auf die hohe Gefahr der durchweg zum Tode führenden Einklemmung, sowie wegen der chronischen, zur Abmagerung führenden Beschwerden der Patienten in den meisten Fällen für geboten. Über die Prognose der Operation lassen sich bei den zurzeit vorliegenden geringen Erfahrungen noch keine zuverlässigen An- gaben machen, jedenfalls ist dieselbe keineswegs ungünstig. So fanden sich unter 12 operierten Fällen chronischer freier Hernien nur 2 Todesfälle. Es ist anzunehmen, daß die nächsten Jahre ein größeres statistisches Material zur Klärung dieser Frage bringen und mit zunehmen- der Erfahrung auf diesem schwierigen Gebiete der Chirurgie auch die Resultate sich weiterhin bessern werden.

Aus der inneren Abteilung des Krankenhauses der Stadt Neukölln (Direktor: Prof. Dr. Jürgens, zurzeit im Felde).

Zur Diagnose der Pulmonalinsuffizienz und -stenose. Von Dr. J. Zadek, Assistenzarzt. (Hierzu Tafel XV, Fig. a.)

Die erworbene, auf chronischer Endokarditis beruhende Insuffizienz und Stenose der Pulmonalis ist selten genug im Gegensatz zu der unter den angeborenen Klappenfehlern relativ häufig beobachteten Pulmonalstenose. Die Röntgendiagnostik hat daher bis jetzt erklärlicher- weise allein bei letztgenannter Krankheit Erfolge aufzuweisen, die im übrigen bei der Schwierig- keit der für die kongenitalen Herzleiden in Betracht kommenden radiologischen wie klinischen Verhältnisse und Kombinationen ziemlich dürftig sind. Am besten gekannt sind die Röntgen- befunde von angeborener Pulmonalstenose mit dem meist gleichzeitig vorhandenen Septum- defekt [Posselt(1), Deneke(2) u. a.], sowie vor allem in Verbindung mit Persistenz des Ductus Botalli. Das dafür charakteristische Röntgenbild bestehend in starker Vorbuchtung und kräftig systolisch-dilatatorischer Pulsation des Pulmonalisbogens, besonders erkennbar im I. schrägen Durchmesser, bei mitraler Konfiguration des Herzens ist oft [Groedel(3), Zinn (4), Burghart(5), de la Camp (6), Arnheim (7), Bittorf(8), v. Steyskal(9), Groß- mann(10), Hondo(11) u. a.] beschrieben worden. Dagegen sind typische Röntgenbefunde

eae

XXIII, 4. Zur Diagnose der Pulmonalinsuffizienz und -stenose. 327

von isolierter Pulmonalstenose bzw. -insuffizienz, ganz besonders für die nichtkongenitalen Herzfehler, zu wenig bekannt, als daß sie sichere Anhaltspunkte, vornehmlich in differential- diagnostischer Hinsicht abgeben und zur Aufstellung eines bestimmten Typus des Herzens be- rechtigen könnten. Es liegen nur spärliche Mitteilungen von verändertem Pulmonalisschatten bei Insuffizienz [Weinberger (12)] und Stenose [Weinberger (12), Deneke(13)] der Pulmonal- klappen vor. Daher verdient folgender Fall von erworbener hochgradiger Pulmonalinsuffizienz und -stenose mit überaus markantem Röntgenbefunde einiges Interesse, zumal da er auch in klinischer Hinsicht bemerkenswert erscheint und unter der Fehldiagnose eines Aneurysma zur Sektion gekommen ist.

Es handelt sich um den 32 Jahre alten Kutscher Gustav R., der am 24. XI. 1914 auf der inneren Abteilung des hiesigen Krankenhauses aufgenommen wurde. Aus der Anamnese ist hervorzuheben, daß er vor fünf Jahren einen fieberhaften Gelenkrheumatismus durchgemacht hat, nach dessen Ablauf nach mehreren Wochen er sich wieder wohl gefühlt hat. Seit ca. zwei Jahren klagt er über mäßige Herzbeschwerden (Herzklopfen, Atemnot, beides besonders bei der Arbeit), Schlaflosigkeit usw., wobei er jedoch dauernd weiter schwer gearbeitet hat. Vor zwei Tagen ist er mit Schüttelfrost, Fieber, Schwellung und Rötung des Gesichtes erkrankt. Im übrigen stets gesund gewesen, keine sexuelle Infektion.

. Aus dem am 24. XI. 1914 erhobenen klinischen Befunde ist folgendes anzuführen: AuBerst kräftig gebauter, mittelgroßer Mann in sehr reichlichem Ernährungszustand. Erysipel des Gesichtes. Keine Ödeme. Keine Zyanose. Thorax gedrungen, mit großem Tiefendurchmesser, keine Skoliose: Cor.: Grenzen nach rechts 3 cm vom rechten Sternalrand, nach links 2 cm außerhalb der Mamillarlinie. Herzstoß im V. Interkostalraum an der äußeren Herzgrenze, leicht hebend. Sichtbare Pulsation im Epigastrium, sowie geringer über dem ganzen Herzen. Breite bandförmige sternale Dämpfung, besonders nach links oben außen. Dort fühlt man links neben dem Sternum in Höhe der II. bis IV. Rippe eine deutliche Pulsation mit starkem, dem palpierenden Finger sehr nahe unter der Haut erscheinenden systolischem und noch mehr diastolischem Schwirren. Darüber ist ein lautes, ziehendes, systolisches und stärker diastolisches Geräusch hörbar, der zweite Pulmonalton fehlt ebenso wie der zweite Aortenton, der erste Ton ist über beiden Ostien nur sehr schwach hörbar. Die beiden Geräusche sind über den übrigen Ostien neben dumpfen Tönen fortgeleitet hörbar. Die Herzaktion ist nicht ganz regelmäßig. Über den großen Halsgefäßen keine Töne, dagegen systolisch-diastolisches Schwirren hörbar, besonders links. Puls klein, mittelweich, an beiden Radiales gleich, nicht verspätet. Kein Oliver-Cardarelli. Kein Kapillarpuls. Pulmones: Keine Dämpfung, beider- seits unten hinten mäßig zahlreiche, mittelblasige, feuchte, nicht klingende Rasselgeräusche, neben Giemen und Pfeifen. Wenig schleimig-eitriges Sputum. Urin: Albumen +, Sediment: granulierte Zylinder, Leukozyten. Übrige Organe o. B. Hohes Fieber, intermittierend. Pulsfrequenz entsprechend. Sensorium frei. Keine Dyspure. W. R. dauernd negativ.

Aus dem Krankheitsverlauf ist folgendes hervorzuheben: Das Erysipel nimmt ganz bösartige Formen an, indem es (trotz Anwendung von Diphtherieheilserum) im Laufe der nächsten Wochen unter ständigem Fieber an Ausdehnung gewinnt und sich allmählich über den ganzen Körper ausbreitet. Ob- gleich der Patient darunter sehr leidet (Gewichtsabnahme), keine subjektiven Herzbeschwerden, objektiv stets derselbe Befund am Cor. Erst am 27. XII. ist das Erysipel völlig abgelaufen.

Die erst an diesem Tage möglich gemachte Röntgendurchleuchtung ergab folgenden Befund im dorso-ventralen Durchmesser (vgl. die Abbildung der Aufnahme): Herz nach allen Dimensionen stark und ungefähr gleichmäßig verbreitert, wenig pulsierend. Aortenband sehr breit. Links in Höhe der III. bis IV. Rippe (also ziemlich tief!) große, runde Vorbuchtung von dichter Intensität, nach oben zu unscharf gegen die nicht zu isolierende Aorta, nach unten gegen den linken Ventrikel deutlich abgesetzt; linker Vorhof nicht differenzierbar. Pulsation des Schattens nicht deutlich wahrnehmbar. Es ist zu betonen, daß die Durchleuchtung sehr erschwert ist durch die Tiefe des Thorax und die erhebliche Dicke des Fettpolsters bzw. der Muskulatur. Vermutlich aus demselben Grunde ergeben Durchleuchtungen in den schrägen und im frontalen Durchmesser nur verwaschene, ungenaue Bilder; bei der Durchleuchtung in ventro-dorsaler Richtung erscheint der Schatten in derselben Größe und Intensität. Die Lungen sind leicht verdunkelt (Kompressions- und Stauungsatelektose).

Im weiteren Verlauf der Krankheit blieb der Röntgenbefund des Herzens (ca. 6 Nachuntersuchungen)

stets derselbe; klinisch traten im Februar 1915 stärkere Insuffizienzerscheinungen des Herzens (dauernde Atemnot, Stauungskatarrh, Odeme usw.) in die Erscheinung, zusammen mit stärkeren Nephritissymptomen

328 Zadek. XXIII, 4.

(Blut). Daneben bestand dauernd Fieber, Schlaflosigkeit, keine deutliche Zyanose. Unter allgemeiner Steigerung der Insuffizienzsymptome trat am 24. V. 1915 der Exitus letalis ein.

Die Diagnose lautete auf Aneurysma aortae (im absteigenden Bogenanteil, resp. der Aorta descendens) mit Insufficientia cordis und Nephritis, Wegen der Tiefe des eigenartigen, an der Stelle des Pulmonalisbogens lokalisierten Schattens wurde die Möglichkeit eines Aneu- rysma der Arteria pulmonalis ins Auge gefaßt.

Die Sektion (Prosektor Dr. Ehlers) hatte das überraschende Ergebnis einer Endo- carditis chronica verrucosa sämtlicher Pulmonalklappen; starke, ungleichmäßige Wucherungen aller Segel mit Kalkablagerung, Starrheit und Verkürzung und dadurch bedingter Stenose und schwerster Insuffizienz. Keine frischen Auflagerungen. Keine Wandveränderungen der Pulmonalis selbst. Hypertrophie und Dilatation des ganzen Herzens, besonders der rechten Herzkammer. Myocarditis diffusa. Aorta von geringer Größe, ohne Veränderung. Kein Ductus Botalli persistens. Nephritis. Bronchitis. Stauungslungen, allgemeine Stauung.

Bei diesem zunächst verblüffenden Ergebnis ist daran zu erinnern, daß, ebenso wie klinisch im allgemeinen Aneurysmen der Aorta in den meisten Fällen von solchen der Pul- monalis nicht zu trennen sind, auch die Differentialdiagnose bei röntgenologischer Betrachtung kaum exakt zu stellen sein dürfte; die Aneurysmen der Pulmonalis können höchstens, falls sie relativ klein und nach außen zu entwickelt sind, als solche erkannt werden, namentlich bei Zuhilfenahme des ersten schrägen Durchmessers, wenngleich sie hier wiederum schwer von den Aneurysmen der Aorta descendens zu sondern sind. Daß überhaupt ein Aneurysma an- genommen wurde, kann bei dem ausgesprochenen klinischen, wie dem sich damit deckenden röntgenologischen Befunde nicht wundernehmen. Ich lasse es dahin gestellt, ob die hier nicht zur Diskussion stehenden klinischen Erscheinungen auch an die Möglichkeit der tatsächlich zugrunde liegenden Erkrankung einer Pulmonalinsuffizienz und -stenose hätten denken lassen sollen. Bei dem jedem Untersucher so typisch als Aneurysma imponierenden Befunde er- scheint dies zum mindesten nicht naheliegend.

Wie verhält es sich nun aber damit in radiologischer Hinsicht?

Einmal schien der Röntgenbefund die klinische Diagnose zu bestätigen, zumal da niemals an die Möglichkeit des Nichtvorhandenseins eines Aneurysma gedacht wurde; nachträglich allerdings konnte der auf dem Röntgenschirm gemachte Befund (wie der klinische) sehr wohl mit der anatomischen Diagnose in Einklang gebracht werden; auch erschien der tiefe Sitz der Vorwölbung, die sich sofort nach unten an den linken Ventrikel anschloß und nicht von dem Herzschatten zu trennen war, ebenso auffällig wie die mangelhafte Pulsation des vermeintlichen Aneurysma. Auf der anderen Seite kommt für die ganze Frage schwerwiegend in Betracht, daß derartig große, ohne weiteres als Aneurysma angesprochene, runde, scharf nach unten und seitlich außen begrenzte Schatten an der Stelle des Pulmonalisbogens als Zeichen einer er- worbenen Pulmonalinsuffizienz bzw. -stenose kaum bekannt geworden sind. Daß diese hier beobachtete Vorwölbung tatsächlich der Pulmonalis entspricht, kann nicht im geringsten be- zweifelt werden: es erscheint auch durchaus einleuchtend, daß die schon von Rokitansky bei Stenose der Pulmonalis beschriebene suprastenotische Konuserweiterung sich hier im Röntgenbilde derartig bemerkbar macht, wobei die gleichzeitig bestehende Insuffizienz wie vor allem die Rückstauung infolge der Widerstände im kleinen Kreislauf quantitativ verstärkend gewirkt und zu der enormen Vorbuchtung des Pulmonalisbogens geführt hat. Derartige Beobachtungen sind von Arnheim(7) und Deneke(13) für die Pulmonalstenose mitgeteilt worden, nur scheint es sich in diesen Fällen nur um eine geringe Vorwölbung gehandelt zu haben, die jedenfalls den Gedanken an ein Aneurysma gar nicht hat aufkommen lassen; an sich ist dies auch um so erklärlicher, als die nicht dekompensierte Pulmonalstenose ja tbeoretisch zu einer Verkleinerung des linken Mittelbogenanteils führt und erst auf Grund von Stauungen im Lungenkreislauf eine sichtbare Erweiterung zustande kommen könnte. In unserem Falle dagegen handelt es sich in erster Linie um hochgradige Insuffizienz der Pulmonalis, die vor-

XXIII, 4. Zur Diagnose der Pulmonalinsuffizienz und -stenose. 329

wiegend das charakteristische Bild erzeugt hat, da ja die Dekompensationserscheinungen bei der ersten Untersuchung nur gering zu bewerten waren; für diese Erkrankung habe ich, außer in der Bemerkung von Weinberger(12), daß ein Fall von „Erweiterung der Pulmonalarterie“ im Radiogramm durch eine Pulmonalinsuffizienz hervorgerufen war, in der Röntgenliteratur kein Analogon finden können.

Die Röntgendiagnose der hier in Frage kommenden Prozesse kompliziert sich weiterhin dadurch, daß man allerdings meist nur mäßige Vergrößerung und verstärkte Pulsation des Pulmonalbogens auch manchmal aus anderer Genese beobachtet, besonders bei jugendlichen Individuen, die klinisch, ohne markante Zeichen einer Mitralinsuffizienz oder eines erböhten Druckes im kleinen Kreislauf, ein systolisches Geräusch über der Basis des Herzens und be- sonders über der Pulmonalis aufweisen [Groedel(3)]. Dietlen(14) hat derartige Befunde öfters bei jugendlichen Emphysematikern feststellen können. Auch sollen anämische Herz- geräusche mit Verbreiterung des Herzens und des Gefäßschattens einhergehen können [Lüdke und Schüller (15)].

Zusammenfassend ist zu betonen, daß derartige Vorbuchtungen des Pulmonalisschattens, der als solcher ja meist anzusprechen sein dürfte, in röntgenologischer Beziehung am ehesten bezüglich der Aneurysmen differentialdiagnostische Schwierigkeiten bieten werden. Weiterhin kommen die genetisch noch unaufgeklärten Fälle ebengenannter Art in Betracht, die jedoch klinisch meist richtig gedeutet werden können, schließlich die Abgrenzung gegen die am besten gekannte kongenitale Pulmonalstenose mit Persistenz des Ductus Botalli. Abgesehen von der selbstverständlichen Berücksichtigung und gleichzeitigen Bewertung klinischer Daten kann für die Röntgendiagnose der Pulmonalinsuffizienz bzw. -stenose mit Dekompensation, im besonderen zur Abtrennung von den Aneurysmen, die dem Herzen unmittelbar aufsitzende, in die Lungenzeichnung nach hinten und seitlich oben geradezu „hineinfallende“, dabei seitlich scharf begrenzte, runde Vorwölbung verwertet werden, in zweiter Linie das deutliche Vor- springen gegen den linken Ventrikel bzw. Vorhof, eventuell auch nach oben gegen den Aorten- bogen, sowie schließlich die „Starrheit“ des Schattens, d. h. keine oder geringe Pulsation. Zur Differentialdiagnose gegenüber der Stenose mit Ductus Botalli persistens bietet der tiefe Sitz der Vorwölbung und die vornehmlich seitlich vermehrte Bogenkrümmung gewisse Anhalts- punkte. Ob zu der Diagnose fernerhin Durchleuchtungen in den übrigen Durchmessern, sowie der Valsalvasche Versuch (tiefe Inspiration, Glottisschluß, Exspirationsversuch: Kleinerwerden des Herzens, Bestehenbleiben des Pulmonalisbogens), wie er von Rosenfeld(16) für die Diagnose der Pulmonalisaneurysmen in einem Falle mit Erfolg angewendet wurde, wesentlich beitragen können, bleibt späteren Beobachtungen ebenso vorbehalten wie die Klarlegung der hier interessierenden Fragen bezüglich der Größe des Schattens bei der Insuffizienz und Stenose allein, mit und ohne Dekompensation usw. Mir kam es hier lediglich darauf an, zu zeigen, daß bei der an sich seltenen, erworbenen Insuffizienz bzw. Stenose der Pulmonalklappen auf dem Boden einer Endocarditis chronica, ausgesprochene Röntgenbilder mit starker Vorbuchtung des Pulmonalisbogens entstehen; diese Feststellung muß einesteils bei der Beurteilung von Radiogrammen des Herzens voll bewertet werden, andererseits regt sie zu weiteren Überlegungen und Untersuchungen, besonders in differentialdiagnostischer Hinsicht für das in vieler Hinsicht noch so unaufgeklärte und zu Mißdeutungen Anlaß gebende Gebiet der die Pulmonalis be- treffenden morphologischen Veränderungen an.

Literatur. 1) Posselt: Zur Pathologie und klinischen Diagnose | 3) Groedel: Atlas und Grundriß der Röntgen- der Pulmonal(Konus-)stenose mit Septumdefekt. diagnostik in der inneren Medizin. Kapitel: Die

Wiener klin. Wochenschr. 1909, Nr. 8. Röntgenuntersuchung des Herzens. Seite 151.

2) Deneke: Zur Röntgendiagnostik seltener Herz- | 4) Zinn: Röntgenbild von angeborener Anomalie des leiden. Deutsches Archiv für klin. Medizin, Herzens. Vereinf innere Mediz. Berl.21.II. 1898. Bd. 89. Berl. kl. Wochenschr. 1898, Nr. 17, S. 382. Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XXIII. 42

330 Gassul. XXIII, 4.

5) Burghart: Réntgenbild von angeborenem Herz- | 12) Weinberger: I. Uber die Untersuchung der

fehler. Verein f. innere Mediz. Berl., 21. XI. Brustkrankheiten mit Röntgen- 1898. Berl. kl. Wochenschr. 1898, S. 1093. strahlen. 6) de la Camp: a) Familiäres Vorkommen ange- II. Über die durch die Erwei- borener Herzfehler, zugleich ein Bei- terung der Pulmonalarterie trag zur Diagnose der Persistenz des im Radiogramm entstehende Ductus Botalli. Berl. klin. Wochen- Schattenform.

schr. 1903, Nr. 3. b) Kongenitale Herzleiden. Die deut- sche Klinik am Eingang des 20. Jahrh. 7) Arnheim: a) Persistenz des Ductus Botalli. Berl. klin. Wochenschr. 1903, Nr. 27. b) Ein Fall von angeborener Pulmonal- stenose, sowie Bemerkungen über die Diagnose des offenen Ductus Botalli. Berl. klin. Wochenschr. 1905, Nr. 8. 8) Bittorf: Ein Fall von offenem Ductus Botalli. Münch. med. Wochenschr. 1903, Nr. 41. 9) v. Steyskal: Persistenz des Ductus Botalli. Ges. f. innere Mediz. und Kinderheilk. in Wien, 7. Febr. 1907. 10) Grossmann: Persistenz des Ductus Botalli.

III. Internationaler Kongreß f. med. Elektrotherapie u. Radiologie, Bern, 1.—6. IX. 1902. Referat: Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgen- str. 1902, Bd. 6, Heft 1.

13) Deneke: Ärztl. Verein in Hamburg. Sitzung vom 26. I. 1904. Referat: Münch. med. Wochen- schr. 1904, Nr. 6, S. 281.

14) Dietlen: Die Röntgenuntersuchung von Herz, Gefäßen und Perikard im Lehrbuch der Röntgen- kunde von Rieder-Rosenthal, S. 458.

15) Lüdke u. Schüller: Über die Wirkung experi- menteller Anämien auf die Herzgröße. Münch. med. Wochenschr. 1910, S. 2778.

16) Rosenfeld: Zur Diagnostik der Aneurysmen Deutsche med. Wochenschr. 1907, Nr. 9. der Arteria pulmonalis. Zeitschrift f. klin.

11) Hondo: Ein klinischer Beitrag zur Diagnose der Mediz. 1905, Nr. 6, Festschrift f. Senator. Ref.: Persistenz des Ductus arteriosus Botalli. Mediz. Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstr., Bd. VIII, Klinik, 1908, Nr. 13. Heft 4, S. 290.

ML L

Aus der Röntgenabteilung des Israelitischen Krankenheims (Dr. med. J. Tugendreich) Berlin.

Tiefenbestimmung ohne Stereoaufnahme. Von Cand. med. R. Gassul.

I.

Die von verschiedenen Autoren, wie Perthes, Fürstenau, und neuerdings von C. Schultz (Fortschritte, Band XXII, Heft 5) angegebenen röntgenographischen Methoden zur Lokalisation von Geschossen und anderen Fremdkörpern beruhen auf dem Prinzip der Stereoaufnahme oder Doppelaufnahme eines Objekts auf einer Platte durch Verschiebung einer gewöhnlichen Röhre in eine bestimmte Distanz unter Beibehaltung des Antikathodeplattenabstand oder mittels einer besondern Röhre Stereoröhre (Fürstenau). Auf einer in dieser Weise gewonnenen Auf- nahme findet man die entsprechenden Körperteile und den Fremdkörper verdoppelt. Aus der Entfernung zweier homologen Punkte der beiden Fremdkörperbilder kann man die Tiefe berechnen, bzw. an dem von Fürstenau konstruierten Tiefenmesser ablesen. ~

Abgesehen von den Schwierigkeiten einer exakten Durchführung dieses Verfahrens, die die Anschaffung eines Spezialinstrumentariums notwendig machen, werden solche Röntgeno- gramme, welche auf derselben photographischen Platte zwei Abbildungen desselben Objekts zum Teil aufeinander projeziert zeigen, undeutlich, die Konturen unscharf, so daß ein genaues Ablesen der Entfernung vielfach unmöglich wird. Dazu kommt noch, daß man auf solcher Platte pathologische Veränderungen in der Umgebung des Fremdkörpers nicht wahrnehmen kann, und Spezialaufnahmen zu diesem Zweck erforderlich werden.

Ich möchte mir deshalb erlauben, ein anderes Prinzip zur Tiefenbestimmung vorzu- schlagen, das in unserer Abteilung jetzt in geeigneten Fällen mit Erfolg angewandt wird. Das Verfahren ist einfach.

XXIII, 4. Tiefenbestimmung ohne Stereoaufnahme. 1 331

Nachdem man sich durch eine Durchleuchtung über die ungefähre Lage des Fremdkörpers orientiert hat, macht man eine gewöhnliche Aufnahme bei möglichst nahem Antikathode- plattenabstand, z. B. bei 20 oder 30 cm, gleich darauf auf einer zweiten Platte eine zweite Aufnahme bei zwei- oder dreifachem Antikathodeplattenabstand, z. B. bei 40 oder 60 cm.

Man erhält auf diese Weise zwei Röntgenogramme, von denen das eine ein mehr ver- größertes Bild des Objekts und seiner Umgebung, das zweite ein weniger vergrößertes Bild desselben zeigen. Aus den Größen der erhaltenen Bilder, in irgendwelcher linearen Dimension gemessen, kann man die Tiefe des Fremdkörpers nach folgender Formel berechnen:

= HB hb’ (A)

H großer Antikathodeplattenabstand, D Differenz zwischen beiden Bildgrößen (linear gemessen), B größeres Objektbild,

b kleineres Objektbild.

Ist H= 2h, d. h. der Abstand bei der zweiten Aufnahme genau doppelt so groß, wie bei der ersten, so ist die Formel für diesen Fall

1 . D In Worten ausgedrückt heißt das |

Tiefe Größerer Antikathodeplattenabstand >< Bildgrößendifferenz Größeres Objektbild + Differenz Ein Beispiel wird die Anwendung der Formel erläutern. Fig. 1 stellt schematisch die beschriebenen zwei Aufnahmen dar. Aufnahme a) bei 30 cm Abstand, b) bei 60cm. Die Bildgröße in der linearen Dimension 00, gemessen beträgt bei a) 0,8 cm, bei b) 0,6 cm.

a Fig. 1. b

Demnach ist die Tiefe dieses Geschosses von der Platte aus gemessen gleich (da hier H = 2h, nach Formel B). p 80-(0,8—0,6) _ ~ 08 + (0,8 0,6)

60 . 0,2 Die Dicke der Kassette, der Platte und anderen Teilen zwischen Platte und Körperfläche (Verband z. B.) müssen von dieser gewonnenen Zahl abgezogen werden, was zuweilen 0,5— 0,7

betragen kann. 42*

332 Gassul. XXIII, 4.

II.

Die mathematische Grundlage fiir die angegebene Formel ist folgende:

In A (Fig. 2) befindet sich die Antikathode bei der ersten Aufnahme. Die Strahlen, welche die Endpunkte des Fremdkörpers 00, treffen, bilden mit dem projezierten Objektbild BB, ein Dreieck ABB,. Bei der zweiten Aufnahme ist die Antikathode in H und die Strahlen mit dem projezierten, weniger vergrößerten Objektbild bb, bilden ein zweites Dreieck Hbb,. Jedes von diesem Dreiecke erhält durch die parallele Projektionsstellung des Fremdkörpers ein kleineres ihm ähnliches Dreieck.

So sind A Hbb,~A H00, und AABB,~h00,. Aus der Ähnlichkeit der ersten zwei Dreiecke Hbb, und R00, geht hervor

bb HH H 00, HAT: (L) Die anderen zwei /\/\ geben die Proportion BB hH 0, =H T Tr: (IL) Aus der Gleichung I ist _ (HH,—T)bb 00, = e Fa Aus der Gleichung 11 ist 00, = "HER, ;

Folglich ist (HH,—T)bb, _ (hH,—T)BB, HH 7 hH, hH (HH,—T)bb,=HE,(hH,—T)BB,.. (il) Setzen wir in der Gleichung III der Bequemlichkeit halber für AZ, (kleinerer Antikathodeplattenabstand) = A, B, » HH, (größerer Antikathodeplattenabstand) = H, BB, (größeres Objektbild) = » bb, (kleineres Objektbild) = b,

, oder

?

so haben wir | h (H 1) b = H(h—T7)B, oder hHb—hTb=HhB—HATB, HATB—hTb=HAhB—hHb, T(HB—hb)= Hh(B—), Hh(B—b) T= Bm ` B—b ist die oben erwähnte Differenzgröße der beiden Objektbilder in einer linearen Dimension gemessen und die wir mit D bezeichnen. Folglich ist die Endformel für T Hh.D T= EB k (à) Für den Fall H = 2h bekommen wir aus der ersten Formel (A) die zweite oben an- gegebene (P). 2h.h.D T= oh B— hb 2h*.D 2h. D =h(2 B— b) 2B—b’

XXIII, 4. Zur Technik der vaginalen Tiefenbestrahlung. 333

2h.D 2h.D 2h. D 2B—b~ B+(B—b) ~ BD’ D

H.D

Um in Millimetern meßbare Größen für D zu gewinnen, ist es von Vorteil, die erste Aufnahme bei 20 oder 80 cm, die zweite bei 40 oder 60 cm zu machen. Im allgemeinen kann man den Abstand beliebig nehmen und nach Formel (A) T bestimmen.

Berlin, März 1915.

(Aus der Kgl. Frauenklinik zu Dresden. Direktor: Prof. Dr. E. Kehrer.)

Zur Technik der vaginalen Tiefenbestrahlung. Von Dr. Klaus Hoffmann, Assistenzarzt der Klinik.

Bei den ersten Versuchen der vaginalen Röntgentiefentherapie im vergangenen Jahre zeigten sich in der ersten Zeit eine Reihe technischer Schwierigkeiten. Als Lagerungstisch stand zunächst nur ein einfaches Ruhebett zur Verfügung, an dessen Fußende zu beiden Seiten metallische Beinstützen angebracht waren, die die Lagerung der Patientin mit gespreizten Beinen wie zur vaginalen Untersuchung ermöglichten. Auch das Röhrenstativ, das die Röntgen- röhre in einer Bleiglasschutzkappe trug, bestand vollständig aus Metall. War die Einstellung der Röhre und die möglichst genaue Abdeckung der Patientin mit Gummischutzstoff unter großer Sorgfalt und Mühe geschehen, so ereignete es sich gar nicht selten, daß bald nach dem Einschalten der Röhre lebhafte Klagen der Patientin laut wurden, daß sie an irgendeiner Körperstelle dauernd wie mit Nadeln gestochen wurde. Bei genauem Nachforschen entdeckte man dann, daß an der Stelle des Schmerzes irgendein Metallteil des Stativs oder der Bein- stützen mit der Haut in oberflächliche Berührung gekommen war, der sich beim Betrieb der Röhre elektrisch aufgeladen hatte. Es blieb dann meist nichts übrig, als durch Dazwischen- legen von Hartgummiplatten die Isolierung zu vervollständigen oder den kunstvollen, impro- visierten Aufbau der Einstellung nochmals mit doppelter Sorgfalt zu wiederholen.

Da diese unliebsamen Verzögerungen auf die Dauer sehr zeitraubend wurden, zumal bei unserem Doppelröhrenbetrieb die gleiche Zeit auch für die zweite Patientin verloren ging, war Abhilfe dringend nötig.

Bei der Überlegung, wie die Technik der vaginalen Bestrahlung für die Patientin und den Arzt am bequemsten und zweckmäßigsten einzurichten sei, ging ich von folgenden Grund- sätzen aus:

1. Der Lagerungstisch, der zugleich auch für abdominale Bestrahlungen benutzt werden soll, muß ebenso wie das Röhrenstativ, wenigstens so weit beide mit der Haut der Patientin in Berührung kommen können, möglichst metallfrei sein, um auf diese Weise die schmerz- haften Entladungen zur Patientin zu verhüten; insbesondere darf unter keinen Umständen eine metallische Verbindung zwischen dem in die Vagina einzuführenden Bleiglasspekulum und dem Röhrenstativ vorhanden sein.

2. Die Abdeckung der Patientin mit Gummischutzstoff muß sehr sorgfältig durchgeführt werden können.

3. Die Einstellung der Röhre und die Abdeckung der Patientin muß in möglichst kurzer Zeit exakt zu bewerkstelligen sein.

Angesichts der Tatsache, daß die Vaginalbestrahlung, insbesondere infolge der auch von uns wiederholt konstatierten Erfolge der Röntgentherapie bei Karzinomen, immer mehr an

334 | Hoffmann. XXIII, 4.

Bedeutung gewinnen wird ist es doch eine bekannte Tatsache, daß man durch die Scheide ohne ein Erythem der Scheidenschleimhaut befürchten zu müssen, außerordentlich hohe Röntgen- strahlendosen applizieren kann, so daß gerade deshalb die Vaginalbestrahlung der Karzinome besonders wichtig erscheint dürfte die Mitteilung meiner praktischen Erfahrungen über eine möglichst einfache, den obigen Bestrahlungsgrundsätzen entsprechende Bestrahlungstechnik in weiteren Kreisen auf Interesse stoßen.

7 = © Z Si is 2 = , Lö: E i 8 t g.

Fig. 1. Der Lagerungstisch mit Rahmengestell bei vaginaler Bestrahlung, von der Seite gesehen.

Ein einfacher feststehender Lagerungstisch, dessen gut gepolsterte und mit abwaschbarem Wachstuch überzogene Lagerungsplatte in zwei durch ein Scharnier miteinander verbundene, ungleich große (t/,:?/,) Teile geteilt ist, findet sowohl für abdominale, wie vaginale Be- strahlungen Verwendung. Zur abdominalen Bestrahlung wird der kleinere Teil der Lagerungs- platte als Kopfteil hochgestellt, während der größere Teil in horizontaler Stellung die übrigen Körperteile trägt. Die Abdeckung der Patientin wird durch Bleigummischutzdecken bewirkt. Wir verwenden zu diesem Zwecke drei Gummischutzdecken: eine, in der Größe von 60 x 100 cm

|

. senkrecht zu ihm an beiden Enden angebrachten Holz-

XXIII, 4. Zur Technik der vaginalen Tiefenbestrahlung. 835

mit einem viereckigen Ausschnitt in der Mitte versehen, wird quer über den Leib der Patientin gelegt und läßt nur die zu bestrahlende Hautstelle frei; eine zweite von 50 x 60 cm ist an einer Längsseite mit drei Ringen oder Lederschlaufen, welche an einem hochgestellten Metall- bügel befestigt werden, versehen, und dient zum Schutz des Kopfes; eine dritte ebenso große bedeckt die Beine. Auf diese Weise ist ein ausreichender Schutz der Patientin gegen uner- wünschte Nebenbestrahlung gewährleistet und es kann sehr bequem über den Ausschnitt in der mittleren Decke, eventuell unter Zwischenschaltung einer Zelluloidplatte zur Kompression und Desensibilisierung der Haut, der Tubus des Röhrenstativs in jeder gewünschten Richtung aufgesetzt werden. °

Auch für Oberflächenbestrahlungen an anderen Körperstellen, z. B. bei prophylaktischen Bestrahlungen nach Mamma-Amputation, bei Drüsenbestrahlungen am Hals und in der Achsel- höhle läßt sich diese Anordnung des Gummischutzes unter Weglassung des abnehmbaren, eisernen Kopfgestelles und geeigneter Modifizierung, wie die tägliche Erfahrung lehrt, durch- führen.

Zur vaginalen Bestrahlung wird derselbe Lagerungstisch einfach umgestellt, so daß das Gesäß der Patientin auf dem bisherigen, jetzt horizontal gestellten Kopfteil ruht. Der längere Teil der Lagerung- splatte wird gehoben und dient als Kopfteil!). Um einen bequemen Zugang zur Scheide zu ermöglichen, wird an den Lagerungstisch ein Rahmengestell mit besonders ge- staltetem Oberteil herangestellt und mit zwei Lederriemen seitlich an ihm befestigt (siehe Fig. 1).

Das Oberteil des Rahmengestells (Fig. 2) besteht aus einem wie eine Reckstange in beliebiger Höhe in das Rahmengestell einfügbaren Querbalken A und aus zwei

streben BC. In der Mitte wächst ferner eine kürzere Strebe Æ aus dem Querbalken nach hinten heraus, deren hinteres Ende mit den Verbindungsstellen des Querbalkens und der Streben BC durch zwei Holzleisten D verbunden ist. Auf sämtlichen Teilen des Obergestells sind zahlreiche kleine Holzpflöcke angebracht, die ein Abgleiten der daran zu befestigenden Bänder und Riemen wirksam verhindern.

An diesem vollständig aus Holz gearbeiteten Gestell werden die Beine der Patientin schwebend aufgehängt. Bis vor kurzem geschah dies mittels Kniestulpen aus Segeltuch, die mit Lederriemen an den nach hinten gerichteten Streben C befestigt wurden. Neuerdings be- nütze ich hierzu waschbare, leinene Beinsäcke, die an Leinengurten an den Streben BC auf- gehängt werden. Letztere haben den Vorzug, daß den Patienten, die ja oft stundenlang in dieser Lage zubringen müssen, lästige Schmerzen in den Fersen erspart werden, deren Auftreten bei langem Liegen auf den üblichen Untersuchungstischen, z. B. bei und nach vaginalen Operationen bekannt ist. Mehrere Patientinnen, besonders solche mit Krampfadern an den Beinen, konnten erst durch die Einführung dieser Erleichterung dazu bewogen werden, sich weiteren vaginalen Bestrahlungen zu unterziehen.

Ist die Lagerung der Patientin auf die beschriebene Weise ausgeführt, so wird ein je nach Lage des Falles verschieden gestaltetes Bleiglasspekulum in die Scheide eingeführt und die gewünschte Stelle unter Leitung des Auges eingestellt. Ein leicht fahrbares Stativ mit dem von der Firma C. H. F. Müller in Hamburg in den Handel gebrachten Schutzkasten

Fig. 2. Das Oberteil des Rahmengestells, von oben gesehen.

1) Daß bei den vaginalen Bestrahlungen die Lagerungsplatte durch eine Gummiunterlage gegen Beschmutzung durch Scheidensekret usw. geschützt wird, sei nur nebenbei erwähnt; ebenso, daß selbst- verständlich prinzipiell der ganze Tisch für jede einzelne Patientin mit einem frischen Laken bedeckt wird.

a OY m,

336 Hoffmann. XXIII, 4.

dieser ist gänzlich metallfrei gearbeitet, innen mit Bleigummi ausgekleidet und durch einen Holzarm mit dem Stativ verbunden wird hierauf zwischen den Beinen der Patientin an die Vulva herangebracht und der in der Scheide befindliche Bleiglastubus einfach in den Blei- gummistöpsel hineingeschoben, der sich am Boden des Röhrenschutzkastens befindet.

R > us eher an RE Po. aai

De ae SS re Dr F tag Fe

Fig. 8. Der Lagerungstisch mit Rahmengestell und Röhrenstativ bei vaginaler Bestrahlung, von vorn gesehen.

Die Abdeckung der Patientin (Fig. 3) erfolgt, um jedwede unerwünschte Nebenbestrahlung auszuschließen, sorgfältig mit Gummischutzdecken, die an Riemen oder Bändern ebenfalls an dem Oberteil des Rahmengestells aufgehängt werden. Zur seitlichen Abdeckung der Beine werden die bei der abdominalen Bestrahlung verwandten kleinen Schutzdecken benutzt. Zur Abdeckung des Oberkörpers und des Gesäßes empfiehlt es sich, eine mit abwaschbarem Gummi-

XXIII, 4. Ösophagusstenose als Ausguß röntgenographiert. 837

stoff überzogene Gummischutzdecke zu benutzen, die in ihrem unteren Abschnitt in der Mitte einen Schlitz und einen runden Ausschnitt trägt. Sie wird vom Leib her zwischen die Beine der Patientin und den Röhrenschutzkasten geschoben, so daß das Bleiglasspekulum sich in dem runden Ausschnitt befindet. Der abwaschbare Überzug ist besonders bei jauchender Sekretion der Karzinome nicht zu entbehren. Um eine Übertragung von Karzinommaterial von einer Patientin zur anderen zu verhüten, kann man für jede Patientin einen besonderen Überzug bereit halten, in welchen vor der Bestrahlung die Gummischutzdecke eingelegt wird. Auch diese Schutzdecke wird, wie Fig. 5 zeigt, an dem Oberteil des Rahmengestells aufgehängt.

Der ganze hier beschriebene Apparat, der sich bis jetzt in vielfältiger Erprobung als praktisch erwiesen hat, kann von der Firma Koch & Sterzel, Dresden, Zwickauer Straße 42 bezogen werden.

Aus dem städtischen Krankenhause in Bad Kreuznach. |

Ösophagusstenose als Ausguß röntgenographiert. Von Dr. J. Hessel II, Bad Kreuznach. (Hierzu Tafel XIV, Fig. a, b und c.)

Auf dem letzten Kongreß 1914 gab ich eine Methode an, vermittelst der es gelingt, Ausgüsse des normalen Ösophagus zu röntgenographieren. An pathologischen Fällen konnte ich nur einen Fall von Kardiospasmus zeigen, bei dem sich im Bilde die spastische Stelle als glattwandiger, enger Zylinderdurchschnitt darstellte. Heute teile ich den nachfolgenden Fall von Ösophaguskarzinom mit, der die Brauchbarkeit dieser Methode auch für organische Stenosen zeigen soll.

Fig. a zeigt zum Vergleiche die frühere Methode, bei der der Patient Wismutpaste zu schlucken bekam und dann sofort nachher die Aufnahme gemacht wurde. Das Bild zeigt nur die Erweiterung oberhalb der Stenose; über die Stenose selbst sagt es nichts.

Bei Fig. b wurde die Kontrastwurst in der früher angegebenen Weise eingeführt und gefüllt, dann unter der Kontrolle des Schirmes so in die Stenose gezogen, daß letztere sich etwa in der Mitte der Kontrastwurst befand. Das Bild zeigt die Erweiterung über der Stenose nicht, die Stenose selbst ist zwar in ihrer Längsausdehnung sichtbar, nicht aber sind alle Buchten ausgefüllt. Unterhalb der Stenose ist die normale glattwandige Speiseröhre zu sehen, der hier die Pulsation des Herzens mitgeteilt wird.

Fig. c ‚wurde so gewonnen, daß der Patient bei der in Fig. b angegebenen Lage der Kontrastwurst noch dicke Wismutpaste zu schlucken bekam und dann sofort die Aufnahme gemacht wurde. Gut zu erkennen ist hier die Erweiterung über der Stenose, die Längsaus- dehnung der Stenose, ebenso alle Buchten und Verwölbungen, ferner der untere normale Teil

. des Osophagus. Dieses Bild der organischen Stenose ist so charakteristisch gegenüber dem

Bilde des Spasmus, daß damit alle differentialdiagnostischen Schwierigkeiten beseitigt werden.

Für alle Fälle von Spasmus und Stenosen des Ösophagus empfiehlt es sich also (wie dies bereits früher angegeben) neben der Kontrastwurst noch dicke Kontrastpaste schlucken zu lassen, da man nur auf diese Weise einen vollständigen Ausguß der ganzen kranken Stellen erhält.

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII, 43

338 Hoffmann. XXIII, 4.

Kassette zur gleichzeitigen Aufnahme von zwei Röntgenbildern eines Objektes. Von Dr. W. Hoffmann.

In vielen Fällen der Röntgenpraxis ist es erwünscht, neben der Originalaufnahme ohne viel Arbeit ein Duplikat zu bekommen. Es ist bekannt, daß solche Duplikate durch gleich- zeitiges Bestrahlen mehrerer aufeinandergelegter photographischer Platten oder Papiere zu er- halten sind. Auch die Zwischenschaltung von Leuchtfolien hat für die meisten Fälle der Praxis genügende Ergebnisse zu erzielen gestattet. Die in den Abbildungen dargestellte Kassette löst die Aufgabe, mehrere Folienaufnahmen in einfacher Weise gleichzeitig herzustellen. Die Kassette ist zur Erzeugung von zwei Röntgenbildern eingerichtet. Die Zahl läßt sich

naturgemäß steigern. a) Ist eine fest mit der Schicht nach oben in der Kassette angebrachte Folie. Auf diese kommt ein Blatt photographisches Papier, Schicht gegen Schicht. b) Ist eine zweite Folie, welche derartig in der Kassette montiert ist, daß sie nach dem Aufklappen auf das eingelegte photographische Papier nunmehr die Schicht gleichfalls nach oben weist. Auf die Folie wird ein zweites photographisches Papier gelegt und bierauf nach Einlegen des federnden Zwischenbodens die Kassette geschlossen.

Die Vorrichtung hat den großen Vorteil, daß Verwechselungen von Papier und Folie in der Dunkelkammer nicht eintreten können, da die Folien fest mit der Kassette verbunden sind.

Dem Arzte ist durch dieses einfache Hilfsmittel Gelegenheit gegeben, fast mühelos für - die Registratur oder eventuell für den Patienten selbst ein Duplikat seiner Aufnahme zu er- halten. Von besonderem Werte ist die Kassette für unsere Feld- und Kriegslazarette. Sie erspart dem Feldröntgenmechaniker die Anfertigung von Positiven und macht den umständ- lichen Positivprozeß hier fast ganz entbehrlich. Nebenbei bemerkt, erfordert die Deutung besonderer Kopien wegen der Seitenvertauschung in den Abbildungen eine gewisse Übung. Die Kassette wird von der Firma Siemens & Halske, Wernerwerk, Siemensstadt bei Berlin, ausgeführt,

N

XXIII, 4. Über Schußkanäle. 889

Aus dem k. u. k. Garnisonsspitale Nr. 2 in Wien (Kommandant: Oberstabsarzt Dr. Johann Frisch).

I. Über Schußkanäle. Von

Professor Dr. Leopold Freund, k.u.k. Stabsarzt, Vorstand des Réntgenlaboratoriums.

Vor kurzem 'sprach Aschoff die Forderung aus, es sollten möglichst reichhaltige kriegs- chirurgische Sammlungen, bestehend aus mazerierten oder in natürlichen Farben hergestellten Präparaten gewonnen werden, um die moderne Geschoßwirkung studieren zu können. Dieser Wunsch dürfte bei der konservativen Tendenz der heutigen Kriegschirurgie und bei ihren glücklicherweise vorzüglichen Resultaten doch nur in sehr unvollkommener Weise erfüllt werden, da ja die wenigsten Fälle von Schußverletzungen in die Hände des pathologischen Anatomen gelangen und die instruktivsten Schußverletzungen nicht immer so schwerer Natur sind, daß sie die Entfernung eines Körperteiles erfordern und damit Gelegenheit zur Herstellung eines anatomischen Präparates geben müßten. Hingegen besitzen wir im Röntgen- verfahren ein Mittel, mit welchem wir in zahllosen Fällen von Verletzungen aller Grade die Wirkung der modernen Geschosse ebensogut und auf einfachere Weise verfolgen können als durch die komplizierte anatomische Präparation. Deswegen sollten alle Kollegen, welche in diesem Kriege reichlich Gelegenheit zu radiographischer Tätigkeit haben, die ihnen bemerkens- wert scheinenden Fälle veröffentlichen, um die pathologisch-anatomische Forschung zu ergänzen.

Die Schußverletzung, über welche die folgenden Zeilen berichten, bietet sowohl in klinischer als auch in physikalischer Hinsicht manche Besonderheiten, so daß es verlohnt, auf dieselbe näher einzugehen. |

Sie betrifft einen Infanteristen, welcher im vergangenen Herbste von einem Projektile an der Streckseite des rechten Vorderarmes, nahe dem Ellbogen, getroffen wurde. Klinisch zeigte der Kranke nur eine kleine Einschußöffnung, eine Schwellung über dem Ellbogengelenke und in den angrenzenden Partien und eine verminderte Beweglichkeit. Die Schmerzen waren ziemlich groß.

At

poe ae aaa

Fig. 2. Fig. 1.

Die Röntgenaufnahmen am 8. Januar 1915, welche das Ellbogengelenk in radioulnarer (Fig. 1), sowie in palmodorsaler Projektion darstellten, zeigten einen an der Dorsalseite des unscharf konturierten Olekranons beginnenden, in der Streckmuskulatur des Oberarmes parallel

zum Humerus bis über die Oberarmmitte hinauf ziehenden, 2—3 mm dicken Schußkanal, dessen Ps 43*

340 Freund. XXIII, 4.

Verlauf durch die in ihm steckenden hirsekorn- bis hanfkorngroßen kugeligen oder polyedrischen Geschoßstückchen markiert erschien. Vier Zentimeter oberhalb der Olekranonspitze, also in der Mitte des Schußkanales, 9 cm vor dessen Ende, steckte ein 1*/, cm langes, 5—6 mm dickes, walzenförmiges (wie aus dem Vergleiche beider Aufnahmen hervorgeht) Geschoß, wahr- scheinlich der Bleikern eines Gewehrprojektils oder das deformierte Absprengstück einer Schrapnellfüllkugel.

Gehen wir von der Voraussetzung aus, daß das große Geschoß und die kleinen Splitter mit gleicher Geschwindigkeit an den Körper des Patienten gelangten, so muß das Stecken- bleiben eines so beschaffenen großen Projektils in dem Schußkanale, in welchem kleinere Geschoßsplitter um eine so beträchtliche Strecke weiter vorgedrungen waren, jedenfalls über- raschend. Nach den Gesetzen der Mechanik wäre eher zu erwarten, daß von zwei verschieden großen Geschossen aus gleichem Materiale, welche in ein Gewebe mit gleicher Geschwindigkeit eintreten, das schwerere Projektil weiter vordringen müßte als das leichtere. Denn die- vom Geschosse am Ziele zu verrichtende Zerstörungsarbeit hängt vorzüglich von der ihm inne- wohnenden lebendigen Kraft (Bewegungsenergie) beim Auftreffen ab, und diese wächst mit dem Geschoßgewichte und der Auftreffgeschwindigkeit nach der Formel:

mo? E= gp» wobei m das Geschoßgewicht, o die Auftreffgeschwindigkeit, p die Beschleunigung der Schwere und Æ die Auftreffenergie bedeutet. Die Eindringungstiefe T=K=,

wobei unter X (Erfahrungskoeffizient) der nach der Natur des getroffenen Mediums verschiedene Widerstand, den dasselbe dem Eindringen des Geschosses entgegensetzt, zu verstehen ist. Dieser Widerstand ist erfahrungsgemäß um so größer, je größer der Geschoßquerschnitt (g) ist.

Der Quotient £ gibt jenen Teil der Auftreffenergie des Geschosses an, welcher auf die

Flächeneinheit des Geschossquerschnittes entfällt und die spezifische Querschnittsenergie genannt wird. Wird daher eine bestimmte Materie ins Auge gefaßt, so nimmt die Eindringungs- tiefe mit der spezifischen Querschnittsenergie im geraden Verhältnisse zu oder ab (Marschner)!). Es werden sich demnach die Tiefen, in welche verschiedene schwere Geschosse mit gleicher Geschwindigkeit eindringen, verhalten wie:

mo? m,o? T: T = 2p: 2p oder Tre 2 q di u In unserem Falle, wo beim größeren Geschosse zufolge seiner im allgemeinen walzenförmigen Gestalt auf die Flächeneinheit mehr Gramme des Geschoßgewichtes entfallen mußten, als bei den mehr gedrungen oder kugelförmig gestalteten kleineren Sprengstücken, wäre demnach vielleicht eine größere, sicher jedoch keine kleinere Eindringungstiefe zu erwarten gewesen, als von den kleinen Sprengstücken.

_ Das Rätselhafte dieses Befundes klärte sich aber auf, als ein mir bei dieser Untersuchung unbekannter Röntgenbefund, welcher drei Monate vorher erhoben worden war, zum Vergleiche herangezogen wurde (Fig. 2). Die am 30. September 1914 aufgenommene Platte zeigte einen Steckschuß am Olekranon. Das dort eingedrungene Geschoß, derselbe Bleiklumpen, welchen man auf dem ersten Bilde mitten im Schußkanale des Humerus stecken sieht, hatte die oberfläch- lichen Schichten des Knochens beim Trizepsansatze des Olekranon zerschmettert. Bei genauen:

1) Waffenlehre, Wien 1908, S. 29, 138.

sten ee ee HE EEE ee

XXIII, 4. Über Schußkanäle. 841

Zusehen kann man auch auf dieser Platte die Spuren dieser Knochenverletzung erkennen. Die Knochensplitter vermengt mit Abspritzern des Projektils waren teils in der Nachbarschaft des Projektils nahe der Einschußöffnung liegen geblieben. Von hier aus sieht man den Geschoß- kanal, welcher von den Knochen- und Metallstückchen wie ein Touristenweg markiert ist, proximalwärts in die Streckmuskulatur des Oberarmes ziehen.

Nun war die Mechanik dieser Schußverletzung klar. Beim Anprall aufs Olekranon war ein beträchtlicher Teil der lebendigen Kraft, welche dem Projektile innewohnte, zur Zer-

trtimmerung des Knochens, ein anderer zum Zerschellen des Geschosses in kleine Stücke verwendet.

Infolgedessen blieb die Hauptmasse des Projektils, dessen Geschwindigkeit jetzt aufgehoben war, nahe am Olekranon liegen. Die kleinen metallischen Absprengungen hingegen, welche sich beim Anpralle des Geschosses am Knochen von ersterem tangential losgelöst hatten, besaßen aber noch eine relativ große Eintrittsgeschwindigkeit, zufolge welcher sie, da sie von keinem Knochen aufgehalten wurden, in der weichen Muskulatur vordringen konnten. Die Knochen- splitter, welche sich vom Olekranon losgelöst hatten, waren in der Zeit, welche zwischen der 1. und 2. Aufnahme verstrich, aus der Einschußöffnung zum größten Teile herausgeeitert; auch die Unebenheit, welche durch das Auftreffen des Projektils am Olekranon entstanden war, wurde durch Kallusbildung zum großen Teile ausgeglichen, so daß sie auf der 2. Auf- nahme nicht mehr leicht wahrgenommen werden konnte. Bei den Bewegungen des Armes und bei den mannigfachen Manipulationen, die mit ihm vorgenommen wurden, hatte später das Projektil seinen Platz gewechselt, war über das Olekranon hinaufgerutscht und in dem präformierten Schußkanale durch den Muskelzug in seine jetzige Lage gebracht worden.

Aus dem mitgeteilten Falle lassen sich folgende praktische Schlüsse ziehen:

1. Ein Geschoß muß nicht immer, wie man nach den angeführten Gesetzen der Mechanik erwarten sollte, am Ende des sichtbaren Schußkanales vorgefunden werden. Verhältnisse solcher Art, wie sie der vorliegende Fall darstellt, können bewirken, daß das Projektil an einer anderen Stelle des Schußkanales liegen bleibt.

2. Vor der Extraktion auch ganz oberflächlich steckender Projektile ist selbst in schein- bar ganz klaren und unkomplizierten Fällen eine Röntgenuntersuchung empfehlenswert, weil eine solche nicht nur den Sitz des Projektils genau angibt, sondern auch andere Fremdkörper, deren Vorhandensein und Lage man von vornherein nicht vermuten würde, zur Darstellung bringt.

3. Wir können in diesem Beispiele, bei welchem der Schußkanal so schön durch die Splitter markiert ist, das Wandern des Geschosses im präformierten Schußkanale besonders gut verfolgen. In stark sezernierenden weiten Kanälen wird eine solche Wanderung natürlich ganz besonders leicht von statten gehen. Sie findet, wie hier nachgewiesen wurde, nicht immer in jener Richtung statt, in welcher die Schwere wirkt.

4. Will man sich über die Vorgänge, welche bei einer Schußverletzung in den Geweben stattfinden, klare Vorstellungen verschaffen, wird man sich nicht mit einer einzigen Röntgen- aufnahme begnügen, sondern mehrere solche zu verschiedenen Zeiten und aus verschiedenen Projektionsrichtungen herstellen.

II. Steckschuß im Herzen.

Am 20. November 1914 wurde ein Mann bei Krakau ‘von einem Schusse an der rechten Schulter getroffen. Die Verletzung ward als dumpfer Schlag in der Schulter empfunden. Später fühlte der Kranke ein wenig Schmerz in der rechten Brusthälfte In den drei ersten Tagen nach der Verletzung warf er etwas Blut aus. Fieber bestand nie, Dyspnoe während der ersten Tage in geringem Grade. Der Kranke wurde dem unter meiner Leitung stehenden

349 Freund. XXIII, 4.

Röntgenlaboratorium des Garnisonsspitales Nr. 2 behufs Lokalisation des Projektils zugewiesen. Die radioskopische Untersuchung des Falles ergab einen unverletzten rechten Oberarmknochen und ein intaktes rechtes Schultergelenk. Der größte Teil des rechten Thoraxraumes bis hinauf zur 2. Rippe war von einem ziemlich dichten Schatten verdeckt, dessen obere Grenze von außen oben nach innen unten verlief und gegen das helle Lungenfeld scharf abgegrenzt war. Das Zwerchfell war rechts herabgedrängt, was man am Tiefstande des unteren Leber- randes feststellen konnte. Das normal große Herz erschien nach der linken Seite nicht verdrängt, seine Spitze hob sich wohl infolge der Inspirationsstellung der linken Lunge vom Zwerchfell deutlich ab. Unterhalb der Herzspitze sah man noch im Ventrikelschatten, aber ganz nahe an den Herzschattenrand gerückt, die Silhouette eines Gewehrprojektils. Dasselbe machte nicht nur die respiratorischen, sondern auch die pulsatorischen Eigenbewegungen des rasch schlagen- den Herzens mit. Es erschien wie ein auf den Wellen einer stürmischen See in wiegender Bewegung auf und abgleitender Kahn. Bei forcierter Inspiration sah man das Herz samt dem in seiner Wand steckenden Projektil über der Diaphragmakontur emporhüpfen. Dies wurde namentlich durch Hochstellung der Röntgenröhre während der Durchleuchtung gut sicht- bar; auch bei Gasfüllung des Magens mit Kohlensäure ward das Schattenbild sehr deutlich. Für die Röntgenphotographie dieses Falles kommt selbstverständlich in erster Linie die soge- nannte Einschlagaufnahme in Betracht.

Klinisch zeigte der Fall nur die Erscheinungen des Hämatothorax und eine ziemliche Tachykardie. Die rechte Thoraxhälfte war dilatiert, blieb bei der Atmung ein wenig zurück; die Dämpfung über derselben war ziemlich beträchtlich, ebenso die Resistenz, das Atmungs- geräusch abgeschwächt, der Stimmfremitus vermindert. Pleurales Reiben war. nicht hörbar. Die Herztöne waren rein nur der Puls beschleunigt (94 in der Minute). Zeichen einer Perikarditis waren weder klinisch noch radiologisch vorhanden. Der Kranke wußte von dem Sitze des Geschosses nichts. Er gab keinerlei Beschwerden von seiten seines Herzens oder der Gefäße an.

Die Kugel hatte nach Passage der Achselhöhle, ohne dort Schaden zu stiften, die rechte Lunge und Perikard durchbohrt und war als Konturschuß in der Ventrikelwand stecken ge- blieben.

Wegen des rechtsseitigen Hämatothorax und der beträchtlichen Außerfunktionstellung der rechten Lunge konnte an eine operative Entfernung des Projektils gegenwärtig nicht ge- schritten werden, da bei Eröffnung der linken Brusthälfte auch die linke Lunge kollabieren würde.

Nachtrag bei der Korrektur: Vor einigen Wochen gelangte ein zweiter ähnlicher Fall in meine Beobachtung. Bei einem Einjährig-Freiwilligen stak ein Revolverprojektil zur Hälfte in der hinteren Wand des linken Ventrikels, näher zur Basis als zur Spitze; die andere Hälfte des Projektiles ragte in den Herzbeutel hinein.

XXIII, 4. Über infantile chronische Polyarthritis. 348

Aus dem Röntgeninstitut im Sanatorium Fürth in Wien.

Uber infantile chronische Polyarthritis. | Von Professor Dr. Robert Kienböck. (Mit Figur 1-15 auf Tafel XIII und XIV.)

1. Allgemeines über den chronischen Gelenkrheumatismus bei Erwachsenen und Kindern.

Die chronische Polyarthritis kommt bei Kindern nur selten vor, die Symptomatologie ist daher noch nicht genügend erforscht, die Ätiologie der meisten Fälle ist bisher unbekannt geblieben; so wäre denn eine Erweiterung unserer Kenntnisse dringend zu wünschen.

Terminologie und Klassifikation. Die Begriffe Polyarthritis synovialis chronica und chronischer Gelenkrheumatismus (Rheumatismus articulorum chronicus, Rhumatisme chronique Bonnets und rheumatoid arthritis Garrods) können als identisch gelten. Der „chronische Gelenkrheumatismus“ im weiteren Sinne umfaßt nämlich ebenso wie die „chro- nische Polyarthritis“ sowohl jene Fälle, die von manchen als „echt“ rheumatische Erkrankungen aufgefaßt werden, als auch die „unecht“ rheumatischen Krankheiten: „Pseudorheumatismen“, „Rheumatoide“, „die infektiöse Polyarthritis chronica“. Eine Unterscheidung von echten Gelenkrheumatismus und infektiösen Gelenkerkrankungen ist unmöglich, denn es lassen sich erstens die sogenannten echt rheumatischen Leiden nicht genügend definieren, weder die akuten noch die chronischen Affektionen stellen eine einheitliche Krankheit dar, und zweitens sind die meisten, vielleicht sogar alle diese Erkrankungen ebenfalls infektiöser Natur, ganz so wie die als „infektiöse Arthritis* erkannten Fälle.

Eine Unterscheidung des chronischen Gelenkrheumatismus, der Polyarthritis syn. chron. verschiedener Art einerseits und der Arthritis deformans andererseits ist aber ganz berechtigt; diesbezüglich herrscht übrigens noch immer Verwirrung, vor allem durch Mißbrauch der Ausdrücke, indem manche (namentlich Kinderärzte und Internisten) im Gegensatz zu den Chirurgen in typischen Fällen von chro- nischer Polyarthritis (chronischem Gelenkrheumatismus), wenn hochgradige Deformationen: Gelenk- schwellungen, Kontrakturen und Ankylosen vorhanden sind, von „Arthritis deformans“ reden. Wald- manns Auseinandersetzungen aus dem Jahre 1884 über die Notwendigkeit einer strengen Unterscheidung der beiden Affektionen sind daher noch immer zeitgemäß. Vor allem zeigen die Krankheiten bezüglich der lokalen Veränderungen einen großen Unterschied. Während beim chronischen Gelenkrheumatis- mus vornehmlich und primär die Synovialis erkrankt (Synovitis), die Knochen und Knorpel, der Band- apparat und das parasynoviale Gewebe erst später während des chronischen Verlaufes des Leidens befallen werden, wobei an Stelle des Knorpels meist viel Granulationsgewebe auftritt und sich Kontrakturen und Ankylosen einstellen, erkranken bei der Arthritis deformans die verschiedenen Bestandteile des Gelenks: Synovialis, Knorpel, Kuochen, Bänder und parasynoviales Gewebe ziemlich gleichmäßig und gleichzeitig (weshalb man auch von Osteoarthritis oder mit Hueter von Panarthritis spricht); es kommen zwar auch hier hochgradige Knorpelveränderungen vor, aber nur wenig entzündliches Granulationsgewebe, daher fehlt auch stets die für chronischen Gelenkrheumatismus eigentümliche an- kylotische Verschmelzung der Gelenkflächen. Schon auf klinischem Wege, nämlich durch den Grad der Bewegungseinschränkung sind also beide Affektionen voneinander zu unterscheiden. Nebenbei bemerkt sind bekanntlich weiterhin beim chronischen Gelenkrheumatismus meist viele Gelenke erkrankt, bei der Arthritis deformans in der Regel nur ein einziges Gelenk. Endlich werden von chronischem Gelenkrheu- matismus meist Individuen im mittleren Alter betroffen, von Arthritis deformans ältere Leute.

| Verlauf des chronischen Gelenkrheumatismus. Die Krankheit pflegt bereits chro- nisch, d.h. allmählich zu beginnen (wobei am häufigsten zuerst die kleinen peripheren Gelenke erkranken und dann erst der Prozeß zu den großen Gelenken und zum Rumpf auf- steigt); doch kommen auch Fälle von chronischem Gelenkrheumatismus mit akutem Beginn vor, man sagt dann oft, es handle sich nicht um einen „primären“, sondern un einen „sekundären chronischen Gelenkrheumatismus“, sekundär in dem Sinn, daß ein chronischer Rheumatismus als

344 Kienböck. XXIII, 4.

Fortsetzung eines primären akuten Rheumatismus auftritt. Diese Trennung wird sowohl bei der „echt rheumatischen Erkrankung® gemacht, als auch bei den anderen Arten des chronischen Rheumatismus, den „Pseudorheumatismen“; die Pseudorheumatismen stellen meist „sekundär® chronischen Gelenkrheumatismus dar. Doch hat die Trennung nur wenig oder gar keinen Wert, man kann auch bei vielen Fällen gar nicht entscheiden, wohin sie einzureihen seien.

„Echter chronischer Gelenkrheumatismus“ beginnt nach Pribram (Handbuch, S. 149) nur ganz ausnahmsweise akut mit Fieber, die meisten Fälle von chronischem Rheumatis- mus mit akutem Beginn gehören nach diesem Autor gar nicht hierher. Pribram läßt das Vorkommen der akut beginnenden Form des echten chronischen Gelenkrheumatismus nur unter folgenden Klauseln gelten:

„Ist unter dem initialen Fieber die Affektion symmetrisch in den peripheren Gelenken aufgetreten und geblieben, aber zu einer Zeit etwa in einer größeren Anzahl von Gelenken vollständig geschwunden (1) und was nicht zu unterschätzen ist das Herz dabei vollständig frei geblieben (2); hat unter den Aszendenten (sowohl wie unter den Geschwistern) keinerlei akuter Gelenkrheumatismus bestanden, oder baben keine von ihm herrührende Erkrankungen stattgefunden (3); ist endlich der Prozeß vom ersten Anfang an progredient (4), so kann man die Möglichkeit nicht in Abrede stellen, daß in diesen Fällen die rheumatoide Arthritis bei ihrer Invasion was allerdings seltener der Fall ist Fieberbewegungen gesetzt hat, ohne daß ein akuter Gelenkrheumatismus im Spiel ist.“ |

Erkrankung bei Kindern. Andere Autoren sind mutiger und weisen bezüglich des chronischen oder akuten Beginnes von chronischem Gelenkrheumatismus auf ein ganz bestimmtes wichtiges Moment hin, nämlich das verschiedene Alter der betroffenen Individuen; sie heben hervor, daß, wenn Kinder von chronischem Gelenkrheumatismus befallen werden, der Beginn oft ein akuter ist.

Der Verlauf des chronischen Gelenkrheumatismus ist bei Kindern tatsächlich ein eigentümlicher: der Beginn ist oft ein akuter (bzw. subakuter) und fieberhafter, ferner ist auch die Krankheit meist eine schwere; wenn sie auch oft nach einigen Jahren zur Heilung gelangt, so ist doch der Ausgang meist ein sehr ungünstiger, infolge von häufigen schweren Nachschüben entstehen nämlich schließlich an den Gelenken tiefgreifende, hochgradige Veränderungen, die nicht mehr zurück- gehen, vielmehr eine dauernde Ankylose erzeugen.

Schon Charcot macht in seinem bekannten Werk über Greisenkrankheiten, Gicht und Rheumatis- mus (Vorlesungen 1866—67) darauf aufmerksam, daß der chronische Gelenkrheumatismus bei jungen Individuen häufig akut beginnt und viele Gelenke zugleich ergreift, daß ferner dje Schwellungen und Schmerzen sehr bedeutend sind; die Krankheit verläuft auch schneller und führt zu bedeutenden Muskel- kontrakturen und Deformationen, speziell Subluxationen in den Fingergelenken, aber nur zu geringen Osteophytbildungen; nicht selten hört zwar das Fortschreiten der Krankheit nach einigen Jahren auf, doch bleiben meist schwere Veränderungen, vor allem hochgradige Kontrakturen zurück. Es entscheidet nach Charcot vor allem das Alter des Individuums über die Art des Verlaufes.

Spitzy charakterisiert den Verlauf des Leidens in seinem Falle von Rheumatismus bei einem Kinde treffend folgendermaßen: „Die ersten Attacken boten völlig das Bild eines Rheumatismus arti- culorum acutus, sie traten polyarticulär unter den heftigsten Allgemeinerscheinungen auf, die sich bis zu einer gewissen Höhe steigerten; von da ab wurden die Attacken immer mehr subakut, die Er- krankungen der Hüftgelenke verliefen ganz latent und der Prozeß im linken Sprunggelenk unterschied sich nicht mehr von einer schleichend auftretenden Arthritis deformans.“

Weiß findet auch keinen wesentlichen anatomischen, klinischen oder ätiologischen Unterschied zwischen akutem und chronischem Gelenkrheumatismus. Die Unterschiede im Grad der Krankheit, im Symptomenkomplex und Verlauf beruhen auf dem verschiedenen Alter der Betroffenen (Kinder Erwachsene). Je jünger das Individuum, desto höher das Fieber. Daher werden von akutem Gelenk- rheumatismus vor allem jüngere Individuen befallen, vom chronischen Rheumatismus ältere Individuen. Die akute Polyarthritis kommt zwar auch im Alter vor, ebenso wie der chronische Gelenkrheumatismus bei Kindern vorkommt, aber beides nur ausnahmsweise. Übrigens kommen in manchen Fällen von chro- nischem Rheumatismus auch bei Erwachsenen im weiteren Verlauf des Leidens plötzlich fieberhafte akute Schwellungen vor, während zu Anfang keine bestanden hatten. Bei jüngeren Individuen erkrankt auch leichter das Endokard und zwar mit dauernder Schädigung, dafür heilt aber das Gelenk zuweilen nach einmaliger Attacke aus, bei älteren Leuten ist das Verhältnis umgekehrt.

XXII, 4. Uber iufantile chronische Polyarthritis. 845

2. Bisherige Kasuistik des infantilen chronischen Gelenkrheumatismus.

Es sollen nun einige Fälle von chronischem Gelenkrheumatismus bei Kindern aus der Literatur referiert werden, zuerst die Fälle mit akutem Beginn, dann die angeblich rein chro- nisch verlaufenden Fälle. Eine durchgreifende Scheidung der Fälle in diese zwei Gruppen (sekundärer und primärer chr. G.) ist aber wie aus dem Gesagten hervorgeht nicht möglich und wäre auch gar nicht berechtigt. Die Fälle mit akutem Beginn werden von den meisten Autoren zu den Pseudorheumatismen gerechnet; doch sagt, wie erwähnt, auch diese Benennung, bezw. Trennung vom echten Rheumatismus nur wenig aus, da der „echte Rheu- matismus® ein vager Begriff ist. Nicht nur in der ersten, sondern auch in der zweiten Gruppe von Beobachtungen handelt es sich offenbar um chronische Infektionskrankheiten. An den Fällen soll auch untersucht werden, ob sich etwa das eine oder anderemal an den Gelenken oder am übrigen Organismus Zeichen von Tuberkulose oder Syphilis finden lassen.

A. Fälle mit verschiedener, nur z. T. bekannter Ätiologie.

a) Fälle mit ausgesprochen akutem Beginn („sekundärer chronischer Gelenk- rheumatismus*).

Wagner 1888: Bei einem 7 1/ jährigen Mädchen traten nach einer zweifelhaften Scharlachangina in rascher Aufeinanderfolge in fast allen Gelenken des Körpers Entzündungen auf. Die Erkrankung nahm einen äußerst chronischen Verlauf ohne Fieber, obne Störung an den übrigen Organen und führte schließlich zu dauernder Funktionsstörung und Deformität an den Gelenken der Unterextremitäten. Die Rücken- und Lendenwirbelsäule wurde schließlich etwas skoliotisch.

Fox 1895: Bei einem lljährigen Mädchen traten gleichzeitig mit Hauteruption und heftigen Allgemeinerscheinungen Schmerzen in den Unterextremitäten auf. Es bildeten sich Ent- zündungen in mehreren großen und kleinen Gelenken, durch einige Jahre traten immer wieder neue Schwellungen auf; dabei entwickelte sich bedeutende Muskelatrophie.

Koplik 1896: Bei einem 7jährigen Mädchen trat eine multiple Gelenkentzündung mit akut fieberhaftem Beginn ein, verlief aber dann chronisch, ein Gelenk wurde nach dem andern er- griffen, bis fast alle Körpergelenke affiziert waren. An den Unterextremitäten bildeten sich Kontrak- turen; dabei entstand überall Muskelatrophie. Alle Behandlungsversuche blieben erfolglos.

Marfan 1897: 10jähriges Mädchen, erkrankte an akutem Gelenkrheumatismus; ein halbes Jahr später wurde bei einem zweiten Anfalle neben den Extremitäten auch der Hals ergriffen; hier dauerten die Schmerzen fünf Monate an, es blieb eine bedeutende Steifigkeit des Halses zurück. Der Kopf wird gerade, aber unbeweglich gehalten; dabei weder spontan noch bei Bewegungsversuchen Schmerzen. Mitralklappeninsuffizienz. Später Abmagerung, Schwäche im linken Arm, dann im linken Bein, später wurden auch die rechten Gliedmaßen ergriffen. Die Störungen gingen nach mehr- monatlichem Bestande langsam wieder zurück; gleichzeitig wurde auch der Hals wieder freier. Etwa %/, Jahr nach dem Einsetzen der Paresen war eine völlige Wiederherstellung eingetreten.

Moncorvo 1898: Fast zwei Jahre altes Mädchen, sehr lymphatisch, nach Keuchhusten Ge- lenkschwellungen mit akut fieberhaftem Beginn in den Kniegelenken; dann fieberhafte Nachschübe in anderen Gelenken, später rein chronisches Fortschreiten mit Ergriffenwerden auch der kleineren Ge- lenke, Bildung von Kontrakturen und Atrophien im Laufe von acht Monaten. Elektrotherapie durch acht Monate führte zu einer vollständigen Heilung.

Spitzy 1899: Bei einem 3jährigen Kinde traten im Rekonvaleszenzstadium einer Influenza-

erkrankung die Erscheinungen eines akuten Gelenkrheumatismus auf; attackenweise wurden im Laufe eines Jahres fast alle Körpergelenke befallen. Die Entzündungen setzten sich in den Gelenken

der Unterextremitäten fest, nahmen hier einen exquisit chronischen Verlauf und führten zu ausgesprochen .

deformierenden Prozessen. (Beobachtung vom 3.—6. Lebensjahr.) Die Röntgenbilder zeigen Knochen- atrophie und Deformation des unteren Endes des einen Femur nach Epiphysenlösung.

Johannessen 1900, Fall 2: 6jähriger Knabe, vor einem Jahr Beginn der Gelenkerkrankung, und zwar mit hohem Fieber durch acht Wochen. Alle Gelenke wurden affiziert. Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 44

946 | Kienböck. XXII, 4.

Befund: Sehr blaß und außerordentlich abgemagert, Gelenkschwellungen, Herztöne rein, Fieber. Röntgenbefund an den Extremitäten: Skelett atrophisch. Nach sechs Wochen Exitus. Sektion: Hochgradige Abmagerung, multiple Gelenkaffektion. Die Eröffnung mehrerer Gelenke zeigt die Knorpel- überzüge normal, die Synovialis angeschwollen, mit einem gelatinösen weichen Bindegewebe bedeckt, hier und da eine eiterähnliche Flüssigkeit vorhanden. Spongiosa aus überaus feinen Bälkchen bestehend mit großen Hohlräumen, die mit rotem Mark gefüllt sind. An der Pleura und am Perikard, ebenso am Peri- toneum Adhärenzen. Keine Tuberkelbazillen nachweisbar.

Pocchioni 1903: 2'/,jahriges Mädchen. Masern mit bronchopneumonischen Herden, später eine rechtsseitige Pleuritis exsudativa, in der Punktionsflüssigkeit Diplococcus lanceolatus. 14 Tage später zeigte sich Entzündung beider Kniegelenke und zugleich ein Varioloisexanthem; ferner eine Vulvitis mit eitriger, aber keine Gonokokken enthaltender Absonderung; die Kniegelenke blieben ge- schwollen. Nach einigen Wochen erneutes Fieber und Entzündung des linken Schultergelenkes, später des rechten Ellbogengelenks. Die erkrankten Gelenke wurden mehrfach punktiert; man erhielt dabei immer kleine Mengen eines dicken, weißlichen, fadenziehenden Eiters, in dem sich durch Färbung und Kultur der Weichselbaumsche Diplococcus nachweisen ließ. Allmähliche Heilung sämtlicher Gelenke. Das Herz wurde nicht befallen.

Zuppinger 1907: 12jähriger Knabe, seit dem vierten Lebensjahre an chronischem Gelenk- rheumatismus leidend, zu Beginn typischer akuter Gelenkrheumatismus, die Knie- und Sprung- gelenke betreffend, dabei Endokarditis. Mit der Zeit verschlechterte sich der Zustand immer mehr und ging der KrankheitsprozeB auch auf die Handgelenke, die Halswirbelsäule und Kiefergelenke über. Schließlich konnte sich der Knabe nicht mehr rühren, nicht einmal im Bett umdrehen, das Kinn war an die Brust gedrückt, der Mund konnte kaum geöffnet werden. Patient war nun drei Jahre bettlägerig. Doch besserte sich der Zustand dann wieder, seit ungefähr zwei Jahren besucht Patient sogar die Schule.

Befund: Kiefersperre, die Schneidezähne können kaum !/, cm voneinander entfernt werden, die Halswirbelsäule ist fast unbeweglich und der Kopf in leichter Beugestellung fixiert. Herzbefund normal. An den Gelenken ist der Prozeß im wesentlichen bereits längst abgelaufen, es sind jetzt fast nur mehr die Residuen eines chronischen Gelenkrheumatismus vorhanden, besonders an den Hand- und Sprunggelenken. Der Knabe ermüdet nach kurzem Gehen, auch spontan treten zeitweise noch Schmerzen in den Füßen auf.

Hoffa und Wollenberg 1908 (l. c. Seite 215 und 180): 9 Jahre altes Mädchen.

Anamnese: Vor drei Jahren akuter Beginn der Gelenkaffektion mit heftigen Schmerzen in der rechten Hüftgelenkgegend und im rechten Fuße, keine Rötung, angeblich auch kein hohes Fieber. Nach sechs Wochen Schwellung und Schmerzen im linken Handgelenke, später auch an anderen Ge- lenken. Besserungen und Verschlimmerungen des Leidens wechselten von nun an ab, allmählich wurdeu aber die Exazerbationen seltener und es blieben gleichmäßig andauernde Beschwerden in den Gelenken zurück.

Status: Patientin ihrem Alter entsprechend gebaut, Ernährungszustand gut, innere Organe gesund, mäßige Muskelatrophie. Fixierte Plattfüße, Pronation der Füße in geringem Grade möglich, am Talo- Navikulargelenk Verdickung. Spindelige Verdickung der sämtlichen Mittelgelenke des 2. bis 5. Fingers und des Endgelenkes des 5. Fingers der rechten Hand. Das linke Handgelenk steht in überstreckter, leicht subluxierter Stellung fixiert, die Finger sind frei. Der Rücken ist gerundet, mit geringer seitlicher Abweichung. Röntgenbefund. Hände: „während rechts die Knochenkerne der Handwurzel von nor- maler Gestalt sind und in normalen Abständen voneinander liegen, scheinen links die Handwurzel- knochen gegeneinander, ja ineinander gepreßt zu sein“; beiderseits diffuse Knochenatropbie. Am rechten Fuß ist ebenfalls hochgradige Atrophie vorhanden, sowohl an den Unterschenkel- als auch an den Fußknochen, deren Kortikalis ganz dünn ist; das Navikulare dorsalwärts vom Taluskopf sub- luxiert, unregelmäßig höckerig. Die Epiphysenlinie des unteren Tibiaendes verläuft unregelmäßig zackig.

b) Angeblich rein chronisch verlaufende Fälle.

Johannessen 1900, Fall 1: 7jahriges Mädchen, chronischer Beginn der Gelenkschwellungen im 4. Lebensjahr. Befund: Bleiches, mageres, zu kleines Kind, multiple Drüsenschwellungen, Haltung des Kopfes etwas steif, fast alle Gelenke ergriffen, Muskelatrophie. Die Röntgenuntersuchung zeigt sehr schlanke atrophische Kuochen. Verlauf: Häufige Rezidiven, nach 3 Jahren hohes Fieber, äußerste Abmagerung und Exitus. |

Sektion: Extremitätenknochen außerordentlich grazil, zahlreiche Gelenke verändert. Das rechte Hüft- und das rechte Kniegelenk wurden geöffnet: die Gelenkknorpel*in großer Ausdehnung rauh, stellen- weise ganz geschwunden. Perikardialhöhle obliteriert, ebeuso die Pleurahöhle, rechte Lunge infiltriert.

XXIII, 4. Uber infantile chronische Polyarthritis. 347

Johannessen 1900, Fall 3: 10jähriges Mädchen, Beginn der Gelenkerkrankung vor einem Jahr ohne Fieber. Befund: Mageres und blasses Kind, an mehreren Stellen Drüsenschwellungen, Bewegungen der Gelenke im allgemeinen wenig eingeschränkt (beginnende Erkrankung), Herztöne rein.

Reiner 1903, Fall 1: 11jähriger Knabe. Das Kind erkrankte im Alter von 3 Jahren zu- nächst mit Schmerzen und Schwellungen in den Sprung- und bald auch in den Kniegelenken. Die Krankheit nabm einen exquisit chronischen Verlauf, doch traten jährlich ein- bis zweimal akutere Nachschübe auf; der Knabe konnte seit Beginn der Erkrankung nicht mehr selbständig stehen oder gehen. Leichte Fiebererscheinungen sollen zu Beginn der Krankheit und während der Nachschübe vor- handen gewesen sein.

Befund: Patient für sein Alter im äußeren Habitus zurückgeblieben, Größe 110 cm, Intelligenz gering. Hautdecken etwas blaß, der Panniculus ist sehr reichlich; die inneren Organe ergeben normalen Befund. Obere Extremitäten im Verhältnis zum Rumpf etwas zu kurz; die Schultergelenke werden aktiv nicht bewegt; bei passiven Bewegungen Krepitation. Die Ellbogengelenke stark verdickt, der Be- wegungsumfang vermindert, Krepitation, Supination des Vorderarmes beschränkt. Die Hände sind tatzenartig mißgestaltet; sie sind viel zu kurz. Die Finger sind entsprechend den Grundpha- langen und den Mittelgelenken sehr stark verdickt; die kontrakten Gelenke haben in der letzten Zeit einen Teil ihrer Beweglichkeit zurückgewonnen. Untere Extremitäten: An Hüft-, Knie- und Sprung- gelenken Schwellungen und Ankylosen.

Röntgenbefund: Fingergelenke stellenweise wie angenagt, Handwurzelknochen sehr reduziert, in ihrer Form erheblich verunstaltet. An den Knieen und Füßen die- selben Veränderungen. Osteoporotische Beschaffenheit aller Knochen des Skelettes. An den langen Röhrenknochen eine außerordentliche Verdünnung der Diaphysen ohne Verkrümmung. Das Becken ist in seiner Form wenig verändert, die Scham- und Sitzbeinbeine sind zart, am Femurkopf sind beiderseits die Epiphysen niedrig, die „Gelenkflächen* uneben.

Reiner 1903, Fall 2: Zehn Jahre altes Mädchen. Seit dem vierten bis fünften Lebens- jahre krank. Sämtliche Gelenke ergriffen, hochgradige Beugekontrakturen in Knie- und Hüftgelenken mit fast vollkommener Behinderung der aktiven und passiven Beweglichkeit. Die Schultergelenke sind ankylotisch, Ellbogengelenke deformiert, auch an Hand- und Fingergelenken Veränderungen, doch ohne besondere Einschränkung der Beweglichkeit.

Reiner 1903, Fall 3: Sechs Jahre alter Knabe, früher vollständig gesund; vor fünfviertel Jahren Beginn der Krankheit mit Schmerzen im linken Kniegelenke, das Gelenk war deutlich ge- schwollen, Fieber war nicht vorhanden; einige Tage später wurde das rechte Kniegelenk ergriffen, zwei Monate später auch die Arme und Hände und bald darauf die Ellbogengelenke. Temperaturerhöhung wurde nie beobachtet.

Befund: An den Ellbogengelenken Beugekontrakturen und Krepitation. Handwurzeln stark geschwellt, in Beugekontraktur, Metakarpophalangealgelenke in Überstreckungskontraktur, auch Phalan- gealgelenke ergriffen. Die Hüftgelenke können nur bis zum rechten Winkel gebeugt werden, die Knie- gelenke sind rundlich geschwellt, Beweglichkeit sehr reduziert, linkes Sprunggelenk leicht geschwellt, beiderseits pes equinus. Ganze Muskulatur stark atrophisch. Innere Organe normal.

Röntgenbefund: Am Knochengerüst der Hände keine wesentlichen Veränderungen, an den Kniegelenken dagegen eine größere Durchlässigkeit des Skeletts; die „Gelenkoberflächen“ sind zer- klüftet, mit kleinen flachhöckerigen Erhebungen und Gruben ausgestattet. Diaphysen der langen Röhrenknochen grazil.

Neurath 1904: Fünfeinhalb Jahre altes Mädchen, vor einem halben Jahre Beginn von Schmerzen und Schwellungen in den Gelenken der Unterextremiläten: nach wenigen Wochen auch in den Armen, in den nächsten Monaten Schmerzhaftigkeit der Halswirbelsäule. Ob Fieber bestan- den habe, ist unbekannt.

Befund: Der Kopf nach vorn gesenkt, die Dornfortsätze des dritten bis fünften Halewirbeis sehr druckempfindlich. Obere Extremitäten in leichter Flexionsstellung in den Ellbogen- und Hand- gelenken, dagegen Streckung in den Metakarpophalangeal- und Mittelstellung in den Interphalangeal- gelenken. Leichte Auftreibung der Elibogengelenke, Schwellung an beiden Handrücken, Fingergelenke verdickt. Muskulatur der Arme stark atrophisch. An den Beinen Auftreibung der Sprung- und Knie- gelenke und starke Atrophie der Weichteile; geringe Schmerzhaftigkeit und leises Knirschen bei passiven Bewegungen. Hüftgelenkbewegungen beiderseits schmerzhaft; die Füße meist plantarflektiert. Stehen und Gehen wegen Schmerzen nur für kurze Zeit möglich. Arme und Beine im Verhältnis zum Rumpf verkürzt. An den inneren Organen normaler Befund. Die eingeleitete Behandlung war erfolglos.

Die von Kienböck vorgenommene Röntgenuntersuchung ergibt fast nur das Bestehen einer beträchtlichen Osteoporose des ganzen Skelettes, die Kortikalis der Diaphysen verdünnt und auf-

44°

348 Kienböck. XXII, 4. N

gefasert, die Spongiosen sehr zart gebaut. An den Unterschenkelknochen sind in den Metaphysen quere

Schattenstreifen vorhanden. Die Ossifikation des Skelettes entspricht dem 7. Lebensjahr. An den

Gelenken starke Weichteilschwellung; keine Veränderung der Gelenkoberflächen nachweisbar. Neurath diagnostiziert „chronischen Gelenkrheumatismus* und hebt den akuten Beginn, das all-

mähliche Ergriffenwerden von fast allen Extremitätengelenken und die Affektion von mehreren Vertebral-

gelenken hervor.

Brandes 1906, Fall 1: 12jähriges Mädchen, Familie gesund; das Kind lernte erst im dritten Lebensjahr laufen, damals Beginn von Gelenkschwellungen, zuerst an Sprung- und Kniegelenken, im 4. und 5. Jahr auch an Hand- und Ellbogengelenken, mit Schmerzen, aber ohne Fieber. Allmählich zunehmende Bewegungseinschränkungen, Patientin mußte aber nicht liegen. Später Erkrankung der Schultergelenke, im 8. oder 9. Jahr Versteifung der Hüften, im 10. und 11. Jahr Versteifung der Hals- wirbelsäule. Verlauf nicht schwankend, sondern allmählich stetige Zunahme der Gelenkveränderungen. Patientin kann nur mehr mühsam mit dem Stock gehen.

Befund: Patientin ist für ihr Alter zu klein, sehr schlank gebaut, Muskulatur überall atrophisch Fettpolster kaum vorhanden, Haut blaB und trocken. An den Lungen normaler Befund, am Herzen keine Geräusche, Halswirbelsäule steif, an zahlreichen großen Gelenken Schwellungen.

Neurath 1907: 41), Jahre alter Knabe mit chronischem Gelenkrheumatismus, der im Alter von zwei Jahren mit leicht fieberhafter Schwellung des einen Handgelenkes begann und in den letzten Jahren zeitweise exazerbierte. Zur Zeit der Untersuchung bestehen Verdickungen der beiden Hand- gelenke und aller Interphalangealgelenke, fast kugelige Schwellungen beider Kniegelenke und diffuse Anschwellungen der Sprunggelenke. Die betroffenen Gelenke sind etwas schmerzhaft, die Bewegungen nur wenig behindert. Größe des Kindes normal.

Fenner 1907: 6jähriger Knabe mit schwerem Gelenkrheumatismus (Geschwister gesund). Be- ginn der Erkrankung mit einem Jahr, und zwar mit Schwierigkeit beim Laufen und Schwellung der Handgelenke; bald darauf Anschwellung der Kniegelenke, später Darmerkrankung und vollkommene Gehunfähigkeit; Patient begann erst mit 25 Monaten gehen zu lernen, ging aber stets steif. Schmerzen immer nur gering.

Befund: Gang eigentümlich steif, Hüft- und Kniegelenke etwas gebeugt; Wirbelsäule steif, Nacken vollkommen steif, auch Rotation des Kopfes unmöglich; alle Gelenke des Körpers geschwollen, die Finger zeigen Verdickungen der Grund- und Mittelgelenke, Handgelenke stark geschwollen, ebenso Kniegelenke (nur sehr undeutliche Röntgenbilder beigegeben) und Sprunggelenke. Milz nicht vergrößert, Lymphdrüsen nicht geschwollen (sollen aber früher geschwollen gewesen sein).

0. J. Kauffmann 1909: In früher Kindheit wiederholt schwere Pneumonie; mit vier Jahren Röteln, bald darnach Schmerzen in den Beinen; im sechsten Jahre Gelenkschwellungen und Atrophie der Muskeln. Der Zustand verschlimmerte sich, bis schließlich das Stehen unmöglich wurde; dazu kam eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes. Therapeutische Maßnahmen ergebnislos. Die Radio- gramme von Hand und Kniegelenk zeigen eine Infiltration des periartikulären Gewebes.

Stargardter 1910: 10'/, jahriges Mädchen; mit drei Jahren Nierenentzündung und Krämpfe, im Anschluß daran Beginn von Gelenkerkrankung, und zwar mit Schwellung und Schmerzen in den Fingergelenken (Schwellung dauernd bestehen bleibend), ferner Steifigkeit beim Gehen. Mit 7 Jahren Schwellung der Kniegelenke, auch diesmal kein Fieber.

Befund: Schlecht entwickeltes Kind in mäßigem Ernährungszustand, mäßige Protrusio bulbi, starke Muskelatrophie; beide Ellbogengelenke in leichter Flexionsstellung, Streckung behindert, Hand- gelenke stark verdickt, Bewegungen beschränkt, Metakarpophalangealgelenke und Mittelgelenke der Finger verdickt, Bewegungen behindert. Linkes Hüftgelenk ankylotisch, Kniegelenk stark angeschwollen, Krepitation, Sprunggelenke leicht angeschwollen, auch einige Zehen verdickt. Am Herzen keine Ge- räusche, an der rechten Lunge oben verschärftes Atmen, am Abdomen normaler Befund; pflaumengroßer Drüsentumor am Halse links.

Die Photographie des Kindes läßt außer den Gelenkschwellungen eine mäßige Verkürzung der Arme erkennen (ist übrigens Stargardter nicht aufgefallen). Das Röntgenbild der rechten Hand zeigt Formveränderungen mehrerer Knochen und chronische Knochenatrophie.

Westmeyer 1915, Fall 1: Sechsjähriger Knabe, vor 2 Jahren Beginn der Gelenk- erkrankung mit allmählichem Auftreten von Ankylosen, schließlich auch der Kopf unbeweglich. An- geblich kein Fieber.

Befund: Schwellung der Hand-, Knie- und Knöchelgelenke, Subluxation beider Kniegelenke, Luxation der rechten Hüfte, Steifigkeit der Halswirbelsäule. Starke Muskelatrophie an den Extremitäten, spastische Kontakturen. An Herz, Lungen und Abdomen normaler Befund,

XXIII, 4. Über infantile chronische Polyarthritis. 349

Im Verlauf der folgenden Monate wiederholte Attacken mit Temperaturen zwischen 37 und 38°, |

Durch Behandlung keine andauernde Besserung, schließlich Auftreten von Drüsenschwellungen und rheumatischen Knötchen.

Westmeyer 1915, Fall 4: Vierjähriges Kind mit chronischer ,Skrofulose* [Vater an Tuber- kulose gestorben]; vor einem halben Jahre Beginn der Gelenkerkrankung, zuletzt auch steifer Hals. Im Laufe der folgenden zwei Jahre Auftreten von Steifigkeit und Schwellung des rechten Knies („irrtümlich als tuberkulöse Erkrankung angesehen“) und vieler anderen Gelenke. Fort- während Fieber; auch Erscheinung von Herzerkrankung.

Wenn wir die Fälle der beiden Gruppen a) und b) überblicken, so finden wir in der Krankheit bei beiden Gruppen keinen wesentlichen Unterschied; jedesmal handelt es sich ‘um eine chronische entzündliche Erkrankung vieler Gelenke mit schmerzhafter Anschwellung und Bewegungseinschränkung, eine Polyarthritis synovialis chronica; nur ist die Krank- heit in den einen Fällen zu Zeiten, ‚besonders zu Beginn, mit hohem Fieber verbunden, in den anderen Fällen traten keine besonderen Temperaturerhöhungen hervor. Der Verlauf der Krankheit ist in beiden Gruppen von Fällen im allgemeinen derselbe: es tritt im Lauf der Zeit wiederholt abwechselnd Besserung und Verschlechterung ein, fast alle großen und viele kleine Gelenke werden ergriffen, nach einigen Jahren bilden sich an mehreren Gelenken, namentlich der Unterextremitäten, dauernde Gelenkveränderungen mit Ankylosen, speziell Beugeankylosen, die dann nicht mehr zurückgehen. Es war also in den Gelenken Granulationsgewebe vorhanden mit Zerstörung der Gelenksknorpel und Bildung von Syne- chien. Die Kinder magern dabei sehr ab. Nur selten tritt vollständige Heilung mit restitutio ad integrum ein (Fälle von Moncorvo, Pocchioni), dann hat aber die Krankheit nicht be- sonders lange, nicht über ein Jahr oder nur etwas darüber gedauert. Das Herz wurde nur sehr selten befallen, dagegen waren zuweilen andere Organe erkrankt, z. B. Lymphdrüsen. Jede medikamentöse Therapie, speziell Salizylbehandlung, erwies sich als erfolglos. Schließlich fällt noch auf, daß in der Mehrzahl der Fälle auch die Wirbelgelenke ergriffen wurden, vor allem die Halswirbelsäule mit entsprechender Schmerzhaftigkeit und Steifigkeit; manchmal waren auch die Kiefergelenke erkrankt, mit Eintreten von Kiefersperre.

An einer Reihe von Fällen finden wir Zeichen dafür, daß es in manchen Gelenken auch zu Knochendestruktion kam; im Falle 2 von Johannessen weist der Sektionsbefund an den Gelenken darauf hin, im Falle 1 von Johannessen, ferner in den Fällen von Reiner (Fall 1), Hoffa & Wollenberg, Stargardter der Röntgenbefund. |

In der Mehrzahl dieser Fälle handelt es sich offenbar um Tuberkulose, zuweilen viel- leicht um Syphilis, u. zw. nicht nur in den Fällen mit nachgewiesener Knochendestruktion, sondern auch in den anderen Fällen, in denen entweder gar keine Knochenläsion vorlag oder wir wenigstens darüber nichts erfahren. Bezüglich des „tuberkulösen chronischen Gelenkrheu- matismus“ sei noch auf die weiter unten zitierten Ausführungen von Poncet hingewiesen. In anderen Fällen auch wo keine speziellen Angaben über die Natur der Krankheit vorliegen dürfte allerdings irgend eine andere bekannte oder unbekannte chronische Infektionskrank- heit vorhanden gewesen sein.

Ein Fall mit Vereiterung der Gelenke und letalem Ausgang ist der folgende.

Delcourt 1898: 41/,jihriges Mädchen; in den ersten Jahren gesund, vor 15 Monaten Beginn von Gelenkschwellungen; ganz allmählich wurden nacheinander ergriffen das linke Sprunggelenk, der linke Fuß, das linke Knie, der rechte Fuß, das rechte Knie, die Hände und der Nacken. Erst 6 Monate nach Beginn der Affektion hörte Patientin wegen Schmerzen in den Hüftgelenken zu gehen auf.

Befund: Entwicklung normal, Lungenbefund normal. Zahlreiche große und kleine Gelenke ge- schwollen, am stärksten die Kniee, Muskulatur atrophisch, Steifigkeit des Nackens, das Kinn berührt fast die Brust, Zähne nicht kariös, keine Erscheinungen von Rachitis. Ab und zu Fieber bis 38° und 89°, doch meist niedere Temperaturen. Behandlung mit Natrium salicylicum ohne Erfolg.

Verlauf: Zunehmende Schwäche und Abmagerung, Erbrechen, Diarrhöen, Ikterus, Exanthem. Steigerung des Fiebers bis 40,5° und Tod nach einigen Wochen.

350 Kienböck. XXIII, 4.

Sektion: Keine Tuberkulose der Lungen, keine Veränderungen am Herzen, aber perikardiale Synechie; Leber gelb infiltriert. Eitrige Entzündung des rechten Sprunggelenkes, mit Infiltration des Knochengewebes, am linken Kniegelenk ähnliche Veränderungen mit Vereiterung des Knochens; auch eitrige Entzündung an manchen Fingergelenken.

Die Natur der Krankheit blieb auch in diesem Falle unbekannt.

B. Als Fälle von Tuberkulose bzw. Syphilis beschriebene Beobachtungen.

Der tuberkulöse chronische Gelenkrheumatismus wurde als solcher zuerst von Poncet und seinen Schülern (Leriche u. a.) beschrieben. Darunter ist nicht etwa das Auftreten typischer multipler fungöser Gelenkentzündungen gemeint, sondern eine Erkrankung, welche klinisch einfach das Bild von chronischem Gelenkrheumatismus bietet. Der Beginn des Leidens kann nach den Autoren akut und fieberhaft sein, ebenso können wiederholt von Fieber begleitete Rezidiven auftreten. Häufig wird auch die Halswirbelsäule ergriffen. Nicht selten werden als Begleiterscheinungen eine Erkrankung vieler Lymphdrüsen, eine Affektion der Lungen und der serösen Häute; Pleura, Perikard und Peritoneum beob- achtet. Salizyltherapie ist ohne Wirkung. Die Krankheit kommt sowohl bei Erwach- senen als auch bei Kindern vor.

Mit dieser Beschreibung des Symptomenbildes stimmt, wie ersichtlich, auch die Mehrzahl der oben referierten Fälle überein. Auch nach der Meinung anderer neuerer Forscher, z. B. Hoffa & Wollenberg, ist der größte Teil des chronischen Gelenkrheumatismus tuberkulöser Natur. Manche meinen übrigens, daß nur wenn auch die Tuberkulinreaktion positiv ausfällt, die tuberkulöse Ätiologie erwiesen sei; damit ist aber zuviel verlangt. Einige Beispiele:

Popper 1912: 5jahriges Mädchen. Erkrankung vor einem halben Jahre, mit Schmerzen und Schwellungen in den Fingergelenken, bald auch in den meisten anderen Gelenken; gleichzeitig Fieber. (Ein Bruder nach lange dauernder Koxitis an tuberkulöser Meningitis gestorben.)

Status: Kleines, stark abgemagertes Kind (Gewicht 13 kg), hochgradige Blässe, Polyadenitis. Stehen und Gehen unmöglich. Knochenbau zart, Zeichen von Rachitis, Muskulatur ungemein atrophisch. Fieber von intermittierendem Charakter.

An den oberen Extremitäten beträchtliche Verdickung der Metakarpophalangeal- und Interphalan- gealgelenke, beide Handgelenke besonders dorsal stark angeschwollen, weniger die Ellbogengelenke. Die Beweglichkeit hier nur wenig eingeschränkt; keine Kontrakturen, keine Deviation der Finger, keine Schmerzen; beide Sternoklavikulargelenke erkrankt, Knie- und Sprunggelenke hochgradig geschwollen, die Beweglichkeit beträchtlich eingeschränkt, Hüftgelenke frei.

Die Röntgenuntersuchung ergibt leichte Atrophie einzelner Knochen, nirgends Zeichen einer fungösen Knochenerkrankung im Bereich der Gelenke, „dagegen an den Phalangen beider Hände be- trächtliche Verbreiterung der Diaphysen durch periostale Auflagerungen und Wachstumshemmung in den Epiphysen“ (offenbar wurde eine ungünstige Projektion unrichtig gedeutet!).

Innere Organe. Am Herzen keine Vergrößerung, Töne rein. Zeichen von Bronchialdrüsentuber- kulose. Bauch weich, Milz nicht tastbar. Harnbefund normal, Zahl der Leukozyten 180C0.

Pirquetsche Reaktion positiv. Nach Injektion von Alttuberkulin lokale Reaktion an den Gelenken. Salizyltherapie ohne Erfolg.

Esau 1908: 61/,jahriges Mädchen aus gesunder Familie, früher immer gesund, abgesehen von einer lokalen Drüseneiterung. Beginn der Gelenkerkrankung vor 1!/, Jahren, und zwar mit heftigen Schmerzen und Schwellung im rechten Knie, dabei Fieber 38—39°%. (Röntgenuntersuchung ohne be- sonderen Befund.) Bald auch Schmerzen in der Halswirbelsäule, dann Ergriffenwerden des linken Knies und der beiden Fußgelenke, ferner des rechten Hüftgelenkes in akuten beziehungsweise subakuten Nachschüben mit hohem Fieber. Schließlich Beugekontrakturen an den Knien, am Hüftgelenk voll- Kommene Ankylose. An den Fußgelenken und an der Wirbelsäule aber vollkommene Wiederherstellung. Auch Besserung des Allgemeinzustandes. Herz stets gesund.

Röntgenbilder. Hüftgelenke: Zerstörung und Auszackung des Pfannenrandes, so- wie desFemurkopfes, zum Teil knöcherne Ankylose. Kniegelenke: Knochen nicht destruiert. Esau diagnostiziert ,tuberkuldsen Rheumatismus*.

In anderen Fällen stellt der chronische Gelenkrheumatismus wie erwähnt eine syphilitische Erkrankung dar. Das klinische Bild ist meist von den Gelenkerkrankungen

XXIII, 4. Über infantile chronische Polyarthritis. 851

anderer Art nicht zu unterscheiden, doch kommt bei Syphilis ausgesprochen polyartikuläre Affektion nur selten vor, Fieber wird oft angetroffen; die Schmerzhaftigkeit und Bewegungs- einschränkung der Gelenke ist angeblich meist auffallend gering, Die Wassermannsche Reaktion fällt positiv aus und eine antisyphilitische Behandlung führt in der Regel prompt zur Heilung u. zw. wenn der Prozeß noch nicht weit vorgeschritten ist, zur voll- kommenen Wiederherstellung. Mehrere Fälle von infantilem Gelenkrheumatismus wurden bereits als Syphilis erkannt und beschrieben.

Axhausen 1913, Fall 4: Yjähriges Mädchen; vor einem Jahre Schwellung des rechten Knie- gelenkes mit mäßiger Schmerzhaftigkeit, später auch Erkrankung des linken Knies.

Befund: Beide Kniegelenke stark geschwollen. Ergüsse und Kapselschwellung; keine nennens- werte Bewegungseinschränkung, doch Schmerzen bei extremer Beugung und Streckung. Wassermann stark positiv.

Die antiluetische Therapie führte zu dauernder Heilung.

Axhausen 1913, Fall 7: 5'/, Jahre altes Kind; vor 3 Jahren Erkrankung mit Schmerzen im linken, später auch im rechten Kniegelenk. (Arthrektomie des linken Gelenkes.) Zuletzt auch Schwellung des rechten FuBgelenkes und beider Ellbogengelenke.

Befund: Beide Kniegelenke versteift, das rechte Kniegelenk und beide Ellbogengelenke zeigen starke Verdickungen. Wassermannsche Reaktion stark positiv.

Die antiluetische Behandlung hatte einen sofortigen eklatanten Erfolg, in den Gelenken blieb nur Knorpelreiben zurück.

Zuletzt trat noch eine äußerst schmerzhafte Versteifung der Halswirbelsäule auf, die für den Nichtkenner durchaus den Eindruck einer tuberkulösen Spondylitis machen mußte.

C. Fälle von Still’scher Krankheit.

Still 1897 hob eine besondere Form des Gelenkrheumatismus, der „rheumatoid arthritis‘ der Kinder hervor. Der Beginn meist vor der zweiten Dentition ist gewöhnlich schleichend, selten akut. Die Knie- und Handgelenke und Wirbelsäule werden mei-t zuerst befallen, dann die Knöchel, Ellbogen und Finger. Leber und Milz intumeszieren. Alle Lymphdrüsen werden größer, zuerst und besonders die in Beziehung zu den erkrankten Gelenken stehenden. Fieber kann anfall- weise auftreten, zuweilen in regelmäßigen Perioden wiederkehren, oder kontinuierlich sein. Es tritt kein Klappenfehler, wohl aber nicht selten Pericarditis adhaesiva auf. Der Verlauf ist langsam, zu- weilen finden Remissionen statt, aber schließlich sind alle Gelenke befallen, und dann scheint der Zustand meist stationär zu bleiben.

Still hält die Ätiologie für ganz unbekannt, nach ihm „scheinen weder familiäre Tuberkulose noch Gicht oder Syphilis die Ursache zu sein.“ Neuere Autoren halten aber die Affektion doch teils für Tuberkulose, teils für Syphilis. Das klinische Bild entspricht in der Tat in vielen Punkten einer tuberkulösen Affektion.

Als Beispiele mögen die folgenden Fälle angeführt werden.

Whitman 1903, Fall 1: 12jähriger Knabe, Familie gesund; vor einem tj Jahr Beginn von Gelenkerkrankung, zuerst im rechten, dann linkeu Knie und rechten Ellbogen. Bald wurde das Kind bettlägerig und allmählich wurden alle großen Gelenke krank. Die Gelenke waren größtenteils stark angeschwollen, die Bewegungen sehr eingeschränkt und schmerzhaft; dabei hochgradige Muskelatrophie, große Blässe, Abdomen vorgetrieben, Leber und Milz vergrößert, in den Leisten und Achselhöhlen zahlreiche Drüsen tastbar.

Das Röntgenbild der Hund zeigt vor allem Kapselverdickungen an Hand- und mittleren Finger- gelenken.

Mehrere Gelenke (beide Kniee und das rechte Handgelenk) wurden inzidiert; die Kapseln fanden sich verdickt, in den Gelenkhöhlen rote weiche Granulationen, die Knorpel waren mit Pannus über- zogen, die Knochen der ersten Karpalreihe waren in eine schleimige Granulationsmasse eingebettet.

Verlauf: Die Krankheit verschlimmerte sich noch weiterhin, auch die Finger und Zehengelenke wurden affiziert. Nach einer Beobachtung von 3+/, Jahren trat Exitus ein.

Sektion: Leber auf die dreifache Größe angeschwollen, in amyloider Degeneration, ebenso die Milz vergrößert, ferner die Nieren, das Pankreas und die Lymphdrüsen des Mesenteriums vergrößert, aber die Thoraxorgane normal.

EinigeGelenke wurden untersucht; imrechten Schultergelenk zeigte sich die Gelenkfläche des Humerus

352 Kienböck., XXIII, 4.

„wurmstichig“, in anderen Gelenken war die spongiöse Substanz der Knochen dunkelrot, die Kortikalis der Diaphysen ungemein dünn. Mikroskopische und kulturelle Untersuchung auf Tuberkulose negativ.

Whitman 1903, Fall 2: 5jähriger Knabe, Familie gesund, Vorgeschichte ohne Interesse. Vor 18 Monaten Beginn der Gelenkerkrankung mit Schmerzen im rechten Kniegelenk. Bald darauf An- schwellung der Hand- und Sprunggelenke, dann der Ellbogen. Bewegungen sehr eingeschränkt durch Kapselverdickung und Muskelspasmus; Finger und Zehengelenke frei. Abdomen vergrößert, Leber und Milz anscheinend hypertrophiert, auch Lymphdrüsen vergrößert. Körpergewicht 22 Pfund.

Das linke Knie wurde geöffnet, im Gelenk fettiges, schleimiges Granulationsgewebe, Synovialis stark gerötet. |

Verlauf: Zunächst Lichtbehandlung, dann Ausbruch von Scharlach, nun aber Heilung der Arthritis, dabei bedeutende Gewichtszunahme.

Penrose 1908: 7jähriges Mädchen mit chronischem Gelenkrheumatismus, hochgradige Ver- änderungen an Elibogen-, Hand-, Knie- und Sprunggelenken, hochgradige Muskelatrophie, Milz und Lymphdrüsen mäßig geschwollen, „die Röntgenbilder zeigen die Veränderungen an den Gelenken“.

Köppe 1912: 2'/,jahriger Knabe; vor einem halben Jahr Beginn der Erkrankung mit An- schwellung der Knöchel. Später Schwellung der Knie-, Ellbogen- und Handgelenke unter wechselnden Schmerzen. Zuletzt Steifigkeit des Kopfes, Abmagerung, Auftreibung des Leibes, Drüsenschwellungen, fortwährendes Fieber, Husten, zuweilen Durchfall und Erbrechen.

Befund: Sehr bieich und abgemagert, Exophthalmus, starke multiple Lymphdrüsenschwellung, Kopf steif, Knie- und Sprunggeienke sehr verdickt. Ferner Anschwellung der Hand- und Finger- gelenke mit Bewegungseinschränkung, Gehen und Stehen unmöglich. Starke Muskelatrophie. Am Herzen blasendes Geräusch, über den Lungen Rasseln, Abdomen aufgetrieben, Milz vergrößert. Temperatur 33°.

Verlauf: Vergrößerung der Leber, andauerndes Fieber, Besserung der Gelenke. Pirquetsche Reaktion negativ. Bildung von Knötchen in der Bauchwand. Röntgenuntersuchung der Gelenke: Keine Knochenveränderung. Wiederholtes Erbrechen und Durchfall, Eiweiß im Harn, höchstgradige Abmagerung, nach einem Jahr Exitus.

Sektionsbefund [Miller]: Verwachsung des Herzbeutels, Pneumonie der rechten Lunge mit Vereiterung, parenchymatöse Degeneration der Nieren und Leber, Schwellung der mesenterialen Drüsen, multiple Gelenkschwellung, keine Veränderung der Knorpel und Knochen. Keine Anhaltspunkte für Tuberkulose.

Piske, 1913, Fall 1: 2jähriger Knabe, vor kurzer Zeit Erkrankung mit Durchfall, Erbrechen und Schmerzen im Leib, Temperatur 40°, Exanthem; Verdacht auf Bauchfelltuberkulose, daher Laparotomie, aber normaler Befund. Darauf Schwellungen der Gelenke, Steifigkeit im Rücken und Nacken. Neuerlich Fieberanfälle und Exanthem.

Befund: Blaß, gut genährt, kann kaum gehen, Kopf steif, viele Gelenke geschwollen, Herz normal, Milz etwas vergrößert,

Im weiteren Verlauf noch wiederholt Hautausschlag, Gelenkschwellungen, hohes Fieber, Drüsen- schwellungen, wechselnder Zustand, wiederholt Besserung; nach 1!/, Jahren anscheinend vollkommene Heilung. Auch Gelenke wieder normal.

Fall 2: 7!/,jähriges Mädchen, in der Familie keine Tuberkulose. Im 3. Lebensjahr Keuch- husten, dann masernähnlicher Ausschlag und Lymphdrüsenschwellungen; bald auch schleichender Beginn von Gelenkrheumatismus und Fieberanfällee Pirquetsche Regation negativ.

Befund: Abmagerung, Blässe, Fieber, Lymphdrüsenschwellungen, Kopf etwas steif, Herz normal, Leber und Milz vergrößert, viele Gelenke geschwollen. Röntgenbefund: an den Hand- und Knie- gelenken keine Knochenveränderung. Probe-Exzision einer Drüse, mikroskopischer Befund: Lympho- granulomatose, |

Im weiteren Verlauf häufig Fieber, zunehmende Abmagerung, Lungenkatarrh; nach einigen Monaten Exitus.

Sektion [Wilke]: In der rechten Lunge Miliartuberkulose, Pleura-Adhäsionen, vergrößerte käsige Drüsen im Brustraum und an anderen Körperteilen, Leber und Milz vergrößert.

Piske hält die Tuberkulose nur für akzessorisch.

Obwohl also in mehreren Fällen die Sektion gemacht wurde die Affektion ist häufig eine bös- artige —, konnte die Natur nicht ermittelt werden.

3. Eigene Beobachtungen von infantilem chronischen Gelenkrheumatismus.

Ich hatte eine ganze Reihe von Fällen zu beobachten Gelegenheit, wovon hier einige mitgeteilt werden sollen. Die Fälle wurden mir von den Herren Privatdozent Foltanek und

;

XXII, 4. Uber infantile chronische Polyarthritis. 358

Professor Knöpfelmacher zur Röntgenuntersuchung gesandt; dabei handelte es sich vor allem darum, dadurch zu einem Urteil über die anatomischen Veränderungen und die Natur der Krankheit zu kommen, speziell war nach Zeichen von Tuberkulose und Syphilis zu suchen andere klinische Symptome davon und entsprechende Angaben in der Anamnese fehlten allerdings zumeist.

A. Beobachtungen.

Fall I.

8 Jahre altes Mädchen, seit einem Jahr Gelenkschwellungen. Mehrere Gelenke affiziert, Unterlappen der rechten Lunge infiltriert. Röntgenbefund: Multiple Gelenk- schwellungen, an der rechten Hand das Karpalskelett hie und da defekt, die Region ver- kürzt; mäßige allgemeine Knochenatrophie, Ossifikation etwas vorausgeeilt.

Stephanie Sz., 8 Jahre alt, übersandt aus dem Karolinen-Kinderspital von Professor Knöpfel- macher am 28. III. 1914.

Anamnese und Befund: Vor ca. 1 Jahr Beginn von chronischem Gelenkrheumatismus, zu- nächst mit Schwellungen der Zehengelenke, keine fieberhaften Attacken.

Befund: Es sind viele Gelenke geschwollen, auch einige Fingergelenke; aber die Beweglichkeit in den Gelenken ist ziemlich gut, das Kind kann auch gehen. Es ist im Wachstum nicht zurück- geblieben. Der Unterlappen der rechten Lunge ist infiltriert, das Herz gibt normalen Befund, kein Fieber.

Réntgenbefund: Die Untersuchung der linken Hand ergibt einen vollkommen normalen Befund; dagegen zeigen sich an der rechten Hand Capitatum und Hamatum an der medialen Seite z. T. defekt, die Knorpel der Handwurzel sind verdünnt, die ganze Region ist verkürzt. Mäßige diffuse Knochenatrophie, Epiphysenfugen etwas wellig, Ossifikation etwas vorausgeeilt. Am rechten und linken Fuß ist das obere Sprunggelenk verdickt (die Kapsel ausgedehnt durch Erguß oder Granulationsgewebe?), keine Knochendefekte, mäßige Atrophie.

Fall II.

4 Jahre altes Mädchen (Zeit der Erkrankung unbekannt), wiederholt Attacken von Ge- lenkschwellungen und remittierendem Fieber. Zahlreiche Gelenkeaffiziert, Bewegungen stark eingeschränkt, Steifigkeit der Wirbelsäule. Röntgenbefund: Erguß in die Gelenke, im linken Ellbogengelenk in der Ulnapfanne ein kleiner Destruktionsherd, Knochen durchwegs porotisch, normal dick, Epiphysenlinien normal. Pirquetsche Reaktion und Tierversuch: Keine Tuberkulose nachweisbar.

Seraphine H., 4 Jahre alt, übersandt aus dem Karolinen-Kinderspital von Professor Knöpfel- macher 9. Juni 1914 mit der Diagnose: „Chronischer Gelenkrheumatismus“. Zeit des Beginns un- bekannt.

Befund: Zahlreiche Gelenke geschwollen und schmerzhaft, speziell die Ellbogengelenke nicht ganz streckbar, die Handgelenke in Streckstellung steif, namentlich an der Dorsalseite stark geschwollen. Körperlänge 85 cm, Kopfumfang 46?/, cm, Stirne steil, Fontanelle geschlossen.

Röntgenbefund: Aufnahme des rechten Armes (Figur 1 auf Tafel XIII). In der Hand- wurzelgegend ist der Gelenkschatten vergrößert und ziemlich stark homogen verdunkelt, die Kerne der Handwurzelknochen sind zum Teil verschwommen konturiert. Die Ossifikation entspricht beiläufig dem Alter des Kindes. Keine gröberen Knochendefekte, Epiphysenfugen normal. Das ganze Armskelett ist ziemlich porotisch, die Vorderarmknochen sind nicht zu schlank, sondern normal dick. Auch das Ellbogengelenk zeigt eine mäßige Schwellung und entsprechende gleichmäßige Verdunklung, an der Incisura olecrani enthält die Ulna einen kleinen rundlichen Defekt.

Aufnahme des rechten Beines. Knie- und Sprunggelenke geschwollen, Skelett atrophisch, Epiphysenlinien normal bzw. ein wenig wellig; alle Knochen porotisch, im Dickenwachstum nicht zurückgeblieben, Muskulatur atrophisch, Fettpolster ziemlich dick.

Verlauf: Das Kind wurde von Professor Knöpfelmacher in der Gesellschaft für innere Me- dizin und Kinderheilkunde in Wien am 25. VI. 1914 demonstriert als „Fall von chronischen Gelenk- schwellungen der Ellbogen-, Hand-, Knie- und Sprunggelenke*. Befund: Die Haut über den Gelenken unverändert, die Gelenke nicht druckempfindlich, starke Bewegungseinschränkung aktiv und passiv; die Gelenkschwellungen sind pastös und elastisch, mäßige Steifigkeit der Wirbelsäule. Wiederholt Nach-

schübe von Gelenkschwellungen mit remittierendem Fieber „wie bei Tuberkulose“. Aber Pirquetsche .

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 45

| | '

354 Kienböck. XXIII, 4.

Reaktion negativ, auch die Exzision des sulzigen Gelenkinhaltes und Injektion in die Peritoneal- höhle eines Meerschweinchens ergab ein negatives Resultat.

Fall III.

5 Jahre alter Knabe, seit 2 Jahren krank. Beginn als akuter Gelenkrheumatismus mit Fieber. Bedeutende Blässe, Abdomen aufgetrieben. Mehrere Gelenke affiziert, spastische Kontrakturen mäßigen Grades. Röntgenbefund: In mehreren Gelenken Erguß und an den Knochenoberflächen kleine Defekte und Auflagerungen, mäßige Osteoporose, lange Röhrenknochen sehr schlank, geschwungen, Epiphysenfugen normal, Ossifikation wie bei einem 6—7jahrigen Kinde.

Felix W., 5 Jahre alt, übersandt von Professor Knöpfelmacher aus dem Karolinen-Kinder- spital am 1. V. 1914.

Anamnese: Seit dem 3. Lebensjahr krank, Beginn als akuter Gelenkrheumatismus mit Fieber und oft wiederkehrenden Schmerzen in den Gelenken; seit einem Jahr ist auch der Bauch- umfang gewachsen.

Befund: Körperlänge 94 cm, Kopfumfang 50 cm, Intelligenz und Sprache normal. Es sind mehrere Gelenke geschwollen, derzeit bestehen nur wenig Schmerzen. Das Kind ist sehr blaß, es kann weder stehen noch gehen, jetzt kein Fieber vorhanden. Der Bauch ist aufgetrieben. Die Zähne im rechten Oberkiefer sind durch Karies stark zerstört. Zahlreiche Gelenke sind erkrankt, die Gelenkveränderungen sind im ganzen symmetrisch, die Schultergelenke sind ziemlich gut beweglich, die Ellbogengelenke nicht ganz streckbar, die Handgelenke ein wenig verdickt, die Beugung ist gut, aber die Überstreckung nicht möglich, die Fingergelenke sind wenig verändert. Kopfbewegungen und Kiefergelenke normal; in Hüft- und Kniegelenken mäßige Beugekontrakturen, volle Streckung nicht möglich, bei Versuch zu strecken Schmerzen; Kniegelenke stark angeschwollen, Sprunggelenke ziemlich stark verdickt, in der Bewegung eingeschränkt.

Röntgenbefund: Rechte Oberextremität (Tafelfigur 2). Die Vorderarmknochen sind sehr schlank, also im Dickenwachstum zurückgeblieben, aber nicht verbogen und nicht deutlich porotisch. Die Hand ist für das Alter des Kindes etwas zu klein, das Handskelett ist ziemlich stark porotisch. Am Handgelenk ist eine mäßige Verdickung und Verdunklung vorhanden, durch Verdickung der Kapsel oder Erguß. Die Ossifikation ist abnorm weit vorgeschritten, beiläufig wie bei einem 6jährigen Kind. Die Knochenkerne sind zum Teil oberflächlich defekt, und zwar das Capitatum und Hamatum an der radialen Seite, die Radiusepiphyse an der ulnaren Seite, hier ist eine Osteophytauflagerung vor- handen. Die Diaphysenenden von Radius und Ulna sind abnorm geformt, konvex verlaufend, aber nicht zackig. Am Ellbogengelenk ist das Ende der Ulna verdickt, an den Außenkonturen zwar eben, aber die Fossa olecrani unregelmäßfg zackig, wie arrodiert; ebenso verändert ist der gegenüberliegende Teil des Humerus.

Rechte Unterextremität mit Knie (Tafelfigur 3). Femur, Tibia und Fibula sind etwas ge- bogen und zwar gleichmäßig „geschwungen*, dabei sind sie sehr schlank, also im Dickenwachstum stark zurückgeblieben. Das Kniegelenk enthält einen großen Erguß, der sich auch in die Bursa suprapatellaris erstreckt, die Gelenksflächen von Femur und Tibia sind unscharf, anscheinend stellenweise defekt. Die Metaphysen und Diaphysen sind etwas porotisch. Die Epiphysenfugen sind auffallend schmal. Die Ossifikation ist abnorm weit vorgeschritten, die Patella enthält einen Knochenkern wie bei einem ?jährigen Kinde. Die Muskulatur ist ziemlich stark atrophisch, namentlich am Oberschenkel, aber das Fettpolster ist ziemlich dick.

Unterschenkel und Fuß (Tafelfigur 4). Erguß im oberen Sprunggelenk, hier keine kariösen Herde nachweisbar; ziemlich bedeutende Porose des FuBskelettes. Epiphysenfugen an Fibula und Tibia nahezu normal, die Ossifikation zu weit vorgeschritten.

Fall IV.

3!/, Jahre altesMädchen, vor 7 Monaten Halsentzündung, mit Fieber und Purpura, bald darauf Gelenkschwellungen. Röntgenbefund: Gelenkergüsse, Knochen normal, nicht porotisch, auch Epiphysenfugen und Ossifikationszustand normal.

2 Jahre später: Verschlechterung eingetreten mit Ankylosen, rechtes Bein stark adduziert und einwärts gerollt, auch Kiefergelenke affiziert, ebenso Bewegungen des Halses eingeschränkt. Allgemeine Blässe. Röntgenbefund: Exsudate in den Gelenken fast verschwunden; aber Gelenkflächen uneben, am linken Knie großer Defekt an einem Fe- murkondyl, Tibiaepiphyse gegen die Diaphyse verschoben; rechtes Hüftgelenk subluxiert. Diaphysen abnorm schlank, Knochen durchwegs porotisch, namentlich die spongiösen Teile (blasig), Ossifikation wie bei einem 10jährigen Kinde. Epiphysenfugen normal.

XXIII, 4. Über infantile chronische Polyarthritis. 855

Gertrude P., 31/), Jahre alt, übersandt von Primarius Foltanek 5. III. 1902.

Anamnese: Vor 7 Monaten (im August 1901) erkrankte das Kind an Halsentzündung mit Fieber, bald darauf Purpura; 3—4 Wochen später trat eine Schwellung in beiden Knie- und Sprung- gelenken auf, dann auch an den Handgelenken; damals war kein Fieber mehr vorhanden, und seit Ende Dezember besserte sich der Zustand. Vor 8 Tagen ist wieder Verschlechterung eingetreten.

Befund: Die Handgelenke sind ein wenig, die Kniegelenke ziemlich stark geschwollen, auch die Sprunggelenke ein wenig verdickt. Die Gelenke sind fast normal beweglich und nicht schmerzhaft.

Röntgenbefund: Linker Arm (Tafelfigur 5) Erguß im Hand- und Ellbogengelenk, aber normaler Knochenbefund sowohl in den Hand- und Fingergelenken, als auch am Ellbogengelenk. Die Knochen sind nicht einmal porotisch, die Epiphysenfugen sind normal, der Ossifikationszustand der Hand ist entsprechend.

Linkes Kniegelenk, Seitenaufnahme (Tafelfigur 6). Gelenkschatten vergrößert und homogen verdichtet durch Erguß ins Gelenk samt Schleimbeutel; Skelettbefund vollkommen normal. Diaphysen weder atrophisch noch verbogen, auch Epiphysen nicht atrophisch, Epiphysenfugen normal. (Auch auf der antero-posterioren Aufnahme normaler Knochenbefund.)

Linkes Sprunggelenk, Seitenbild. Gelenkschatten vergrößert und homogen verdichtet, Skelett- befund normal, keine Muskelatrophie.

Verlauf nach Bericht von Primarius Foltanek (4. II. 1904).

Im Sommer 1902 wurde eine Behandlung mit warmen Bädern vorgenommen, aber ohne Erfolg. Gegen Ende des Jahres 1902 war der Zustand sehr schlecht, es trat Perikarditis auf, monatelang bestand kontinuierliches hohes Fieber. Zu Weihnachten 1902 waren die Hüft- und Kniegelenke steif geworden. Im Sommer 1903 wurden warme Salzbäder am Meer gebraucht, und zwar mit sehr gutem Erfolg; der Allgemeinzustand hob sich bedeutend und die Schwellungen gingen zurück. Es waren über- haupt während der zwei Jahre große Schwankungen im Zustand zu beobachten, bald waren die Gelenke mehr geschwollen, schmerzhaft und schlecht beweglich, bald gingen die Veränderungen zurück und machten einem erträglichen Zustand Platz. Seit einem Jahr ist keine neuerliche Verschlechterung ein- getreten.

Zweite Untersuchung 4. II. 1904. Klinischer Befund. Das Mädchen ist jetzt 5 Jahre alt, es ist blaß, aber im Längenwachstum und in der Ernährung nicht zurückgeblieben; alle Gelenke sind erkrankt, geschwollen und in den Bewegungen eingeschränkt. Hand- und Fingergelenke wenig ge- schwollen, aber Handgelenke steif, auch Fingerbewegungen eingeschränkt, Ellbogengelenke minder beweg- lich, sie befinden sich meist in Mittelstellung von ca. 130°, Schultergelenke wenig affiziert. Hüftgelenke beiderseits gebeugt und wenig beweglich, schmerzhaft, das rechte Bein ist auch stark adduziert und ein- wärts gerollt, das rechte Knie liegt auf dem linken Knie, die Kniee sind auch gebeugt und wenig be- weglich. Die Sprunggelenke sind in den Bewegungen wenig eingeschränkt, die Zehen sind recht gut beweglich. Der Mund kann nicht vollkommen geöffnet werden (Kiefergelenke affiziert). Die Bewe- gungen des Kopfes, speziell der Halswirbelsäule sind allenthalben eingeschränkt, besonders ist die Streckung erschwert.

Röntgenbefund. Rechte Hand. An der Handwurzel und an den Fingergelenken sind keine Knochendefekte zu finden. Das ganze Hand- und Vorderarmskelett ist atrophisch, und zwar sowohl im periostalen Wachstum zurückgeblieben (besonders schlank sind die Vorderarmknochen), als auch ist Osteoporose vorhanden, vor allem sind die spongiösen Teile des Handskelettes und am allermeisten die Karpalknochen abnorm durchsichtig. Die Ossifikation der Handwurzel ist sehr weit vorgeschritten, beiläufig wie bei einem 10jährigen Kind. Die Epiphysenfugen an den Vorderarm- und Handknochen normal. An der Radiusmetaphyse einige quer verlaufende Verdichtungsstreifen.

Linke Hand (Tafelfigur 7), derselbe Befund.

Linkes Knie (Tafelfigur 8). Der eine Femurkondyl zeigt an der Hinterseite einen großen Defekt und ist hier rauh, die Tibiapiphyse ist gegen die Diaphyse nach vorn verschoben. Es besteht eine sehr bedeutende Atrophie der Knochen, und zwar sind dieselben sowohl porotisch, nament- lich die Epiphysen von Femur und Tıbia sie sind geradezu blasig —, als auch sind die Knochen, namentlich die Diaphysen im periostalen Wachstum zurückgeblieben. Die Patella ist fast ganz ossifiziert, sie ist gegen den Gelenkspalt zurückgesunken. Die Muskulatur ist sehr atrophisch, gibt einen dünnen und hellen Schatten; das Fettpolster ist ziemlich dick.

Becken (Tafelfigur 9). Das Beckenskelett ist anscheinend etwas zu klein, ferner sehr porotisch (heller Schatten), es zeigt aber keine osteomalazische Deformität. In beiden Hüftgelenken sind die gegenüberliegenden Gelenkflächen von Femurkopf und Beckenpfanne uneben. Die Hüftgelenke erscheinen in Beugestellung, das rechte Bein ist zugleich in starker Adduktion und Einwärtsrollung, der Femurkopf ist nach oben subluxiert.

45*

y = Be 7 en

356 Kienböck. XXIII, 4.

Fall V.

7 Jahre alter Knabe, seit 1!/, Jahren krank, Beginn der Krankheit als akuter Ge- lenkrheumatismus. Krankheit jetzt weit vorgeschritten, Verdickungen und Kontrak- turen in allen großen Gelenken, Schmerzen, hochgradige Muskelatrophie, bedeutende Blässe, aber Fettpolster vorhanden. Röntgenbefund: Gelenkflächen uneben, ohne gröbere Defekte; am rechten Ellbogengelenk an der Ulna hinten eine entzündliche periostale Knochenauflagerung, im rechten Knie vorn unterhalb der Patella verdickte Synovialis (Granulationsgewebe?), die Zwischenknorpel fehlend, am rechten Fuß hinter dem Talus ein Knoten von Granulationsgewebe; lange Röhrenknochen verdünnt, das ganze Skelett porotisch, die Spongiosen sehr durchsichtig, „blasig“, Diaphysenkortikalis aufgefasert, Ossifikationszustand etwas weiter vorgeschritten alsnormal,dieEpiphysenlinien unregel- mäßig welligzackig verlaufend. Hochgradige Muskelatrophie, aber Fettpolster vorhanden,

Ignatz D, 7 Jahre alt, übersandt aus dem St. Annen-Kinderspital von Primarius Foltanek am 26. VII. 1901.

Anamnese: Seit 1!/, Jahren krank, Beginn ,mit akutem Gelenkrheumatismus‘, sodann wiederholt Nachschübe mit Gelenkschwellungen. Befund: Blasses Kind, Fettpolster nicht geschwunden. Schwellungen und Kontrakturen fast in allen Gelenken vorhanden, mit Schmerzen bei Bewegungen. Schultergelenke gesperrt, Ellbogen- und Handgelenke, Hüft- und Kniegelenke in Beugeankylose; die Finger sind weniger affiziert. Hochgradige Muskelatrophie. Am Herzen normaler Befund.

Röntgenbefund: Rechte Hand. Deutung des Befundes durch die starke Beugeankylose er- schwert. Eine stärkere Schwellung des Handgelenkes wird nur durch die Wirkung der Schräglage der Mittelhand zur photographischen Platte mit entsprechend dunklem Weichteilschatten vorgetäuscht, ebenso werden Formveränderungen der Karpalknochen, Verdickungen und Verkürzungen der Mittelhandknochen- basen nur durch die Wirkung der Abhebung der Region von der Platte und Annäherung an die Röntgen- röhre vorgetäuscht, gröbere Formveränderungen sind an diesen Knochenteiten im allgemeinen nicht an- zunehmen, nur das Capitatum ist sicher an der radialen Seite defekt. Dagegen sind die Metakarpo- phalangealgelenke und Mittelgelenke der Finger gut projiziert, die Kapseln erscheinen geschwollen. Das Skelett zeigt eine ausgebreitete hochgradige Atrophie, und zwar sind die Spongiosen sehr durchsichtig, die Spongiosenkortikales treten als lineare Konturen isoliert hervor „blasiges Aussehen der Kno- chen“; ferner ist die Diaphysenkortikalis überall sehr dünn und aufgefasert. Die Ossifikation des Handskeletts ist etwas weiter vorgeschritten als normal. Epiphysenlinie am Radius und an der Ulna ein wenig unregelmäßig zackig verlaufend, Vorderarmknochen nicht verbogen. Hochgradige Muskel- atrophie, dagegen Fettpolster vorhanden.

Linke Hand (Tafelfigur 10 auf Tafel XIV). Im wesentlichen derselbe Befund. Rechtes Ell- bogengelenk. An der Ulna hinten eine entzündliche periostale Knochenauflagerung, nirgends eine Knochendestruktion, nur Knochenatrophie nachweisbar, Gelenkkapsel verdickt. Muskelatrophie, bedeutender Panniculus.

Rechtes Kniegelenk (Tafelfigur 11). Im Gelenk vorne unterhalb der Patella eine Gewebsmasse (Granulationsgewebe?). Die Gelenskapsel erscheint vorn abgehoben und deutlich verdickt. Die Epiphysen von Femur, Tibia und Patella sind durchsichtig und vor allem die Rindensubstanzen isoliert als feine Konturstriche erkennbar. Die Diaphysen von Femur, Tibia und Fibula sind ebenfalls abnorm durchsichtig, ferner zeigen sie dünne und aufgefaserte Kortikalis (Osteoporose); auch sind die Knochen zu schlank, sie sind aber nicht verbogen. Die Epiphysenzonen am Femur verlaufen unregelmäßig wellig zackig, die Ossifikation am Kniegelenk ist anscheinend normal. Die Muskulatur von Ober- und Unterschenkel er- scheint schmächtig und durchsichtig, das Fettpolster ist nicht gering.

Rechter Fuß (Tafelfigur 12). Am oberen Sprunggelenk liegt hinter dem Talus eine ziemlich dick erscheinende Weichteilmasse: extra- und intraartikuläres Granulationsgewebe. Es sind keine Knochendefekte nachweisbar. Alle Knochen sind viel zu durchsichtig, blasig. So erscheint z. B. der knöcherne Kern des Calcaneus durchsichtiger als der Tuberositasknorpel und die plantare Mus- kulatur. Die untere Tibiaepiphyse zeigt eine wellig verlaufende Fuge; ein Stück weiter oben zieht durch die Metaphyse eine dichtere quere Zone. Die Wadenmuskulatur ist atrophisch, das Fettpolster nicht geschwunden.

Fall VI.

9 Jahre alter Knabe, vor 4 Jahren Beginn der Krankheit als akuter Gelenkrheu- matismus unter heftigen Schmerzen, aber ohne hohes Fieber; seither sprungweises Fort- schreiten der Krankheit. Jetzt zahlreiche Gelenke verdickt, in den Bewegungen sehr eingeschränkt und schmerzhaft; bei Bewegungen des Kopfes Krepitation; allgemeine

XXIII, 4. Uber infantile chronische Polyarthritis. 857

Muskelatrophie und Blasse. Röntgenbefund: An den Händen tragen die Karpalknochen z. T. kleine Defekte mit verdichteter Randzone, das rechte Schultergelenk besitzt einen lateral destruierten Humeruskopf, die linke Ulna enthält am Ellbogengelenk unterhalb der Kortikalis der Incisura olecrani einen hirsekorngroßen Defekt, im Kniegelenk ist die Tibiafläche ausgezackt und defekt, auch das obere Sprunggelenk erscheint suspekt. Auch sind hie und da auch Exsudate vorhanden. Alle Knochen sind plump, porotisch, die Rindensubstanzen der Diaphysen verdünnt, streifig, auch die Epiphysen porotisch, aber nicht ,blasig‘. Die Epiphysenfugen verlaufen unregelmäßig wellig-zackig. Die Ossifikation des Skelettes ist abnorm weit vorgeschritten.

Johann B., 9 Jahre alt, übersandt aus dem St. Annen-Kinder- spital von Primarius Foltanek am 10. IV. 1901.

Anamnese: Erkrankung vor 4 Jahren an akutem Gelenk- rheumatismus unter heftigen Schmerzen, aber ohne hohes Fieber; es war keine andere Krankheit vorausgegangen. Damals traten Anschwellungen zahlreicher Gelenke auf; die Krankheit besteht seither mit Schwankungen fort und ist noch im Fortschreiten begriffen.

Befund: Stark abgemagerter, blasser Knabe, fast alle Gelenke sind ver- dickt: Sprung- und Kniegelenke, Schulter-, Ellbogen-, Hand- und Fingergelenke. Bewegungen sehr eingeschränkt und schmerzhaft, speziell in den Ellbogen-, Schulter- Knie- und Hüftgelenken, aber auch in den Hand- und Finger- gelenken. Im Kniegelenk und bei Bewegung des Kopfes ist Krepi- tation vorhanden; die Muskulatur ist atrophisch, der Ernährungszustand des Knaben mittelmäßig. Befund am Herzen normal.

Figur 1, Fall VI. Figur 2. Fall VI

Röntgenbefund: Rechte Hand. Capitatum und Hamatum tragen an der Radialseite je einen kleinen Destruktionsherd, Naviculare und Lunatum sind an den gegenüberliegenden Flächen defekt. das Multangulum maius ist distal zerstört, die Radiusepiphyse besitzt in der Mitte einen kleinen Zer- störungsherd, die Herde sind z. T. von verdichteter Knochensubstanz umgeben, Die linke Hand ist weniger verändert, nur das Capitatum, Hamatum und Lunatum zeigen derartige Herde, zu- nächst ebenfalls an der Radialseite.

Am linken Ellbogengelenk erscheinen die Gelenkflächen unscharf, die Ulna enthält auch unterhalb der Kortikalis der Incisura olecrani einen runden hirsekorngroßen Defekt.

358 Kienböck. XXI, 4.

Am Schultergelenk ist der Humeruskopf lateral, also besonders am Tuberculum maius ziem- lich stark destruiert, mit ganz unebenem Kontur und sehr poröser Struktur versehen.

Am rechten Sprunggelenk ist das Gelenk zwischen Tibia und Talus etwas unscharf konturiert, die Knorpelüberzüge sind defekt.

Am rechten Kniegelenk ist die obere Tibiafläche sehr uneben bzw. ausgezackt und wie die anteroposteriore Aufnahme zeigt besonders in der Mitte, aber auch außen am Rand der Epiphysen- fuge defekt, die Knorpel sind verdünnt.

Figur 3. Fall VI, rechtes Kniegelenk. Figur 4. Fall VI, rechtesSprunggelenk, Knorpel defekt, Knochenoberflächen uneben. Im oberen Sprunggelenk die Gelenkflächen Diffuse Osteoporose. An Femur und Tibia uneben, an Tibia und Fibula „Epiphysen- je eine alte ,Epiphysenmarke“ (vgl. Tafel- marken“ (vgl. Tafelfigur 15).

figur 14).

An den Diaphysen von Femur, Tibia und Fibula sind oberhalb bzw. unterhalb des Kniegelenks, einige Zentimeter weit entfernt von der Epiphysenlinie, quer verlaufende Verdichtungszonen vorhanden, ebensolche Zonen finden sich an Tibia und Fibula oberhalb des Sprunggelenks.

Alle untersuchten Teile des Skelettes sind plump, aber porotisch, die Rindensubstanzen sind sehr stark verdünnt, zum Teil streiig, Der Ossifikationszustand ist abnorm weit fortge- schritten. Die Epiphysenfugen verlaufen unregelmäßig wellig-zackig.

Röntgenbild der rechten Hand (Tafelfigur 13 auf Tafel XIV).

a des rechten Knies (Tafelfigur 14 à des rechten Fußes (Tafelfigur 15

n n n ).

n n n ).

(Der Schluß der Arbeit folgt in einem anderen Hefte.)

XXIII, 4. Eine vereinfachte Röntgenstereoskopaufnahme. 859

Eine vereinfachte Röntgenstereoskopaufnahme. Von Dr. Kurt Petrow.

Es werden, wie bei der bekannten Stereoskopaufnahme, zwei Aufnahmen auf dieselbe Platte gemacht, wo bei der zweiten Aufnahme die Röntgenröhre um eine Strecke von ungefähr 10 cm, die nicht genau zu sein braucht und die man nicht mißt, verschoben wird. Bei beiden Aufnahmen wird aber der Punkt des Körpers des Patienten, der auf dem Lot von der Anti- kathode zur Platte liegt, durch eine Bleimarke bezeichnet. Dies geschieht zweckmäßig durch ein Lot, welches mittels einer dünnen Pappscheibe am Röhrenhalter befestigt wird, während die Platte horizontal liegt, Fig. 1. Der Ort der Bleimarke wird auf dem Körper mittels Höllenstein oder dergleichen markiert,

P, P, in Fig. 2. R

Auf der Platte ist jetzt durch die s Bilder der Bleimarken P, P, und des Fremdkörpers F,, P, ein Viereck bestimmt.

Man zieht die Diagonalen dieses Vierecks. Legt man jetzt die Platte so auf den Körper des Patienten, daß sich die Bilder der Bleimarken mit den auf dem Körper des Patienten fixierten Stellen decken, so liegt der Fremdkörper senkrecht unter dem Diagonalenschnittpunkt P.

Bezeichnet man mit A den Fokusplattenabstand, die Strecke PP, mit a, PP, mit b, dann hat der Fremdkörper von der Platte den Abstand X gegeben durch:

hb

Beweis: Die Bleimarken P, und P, werden bei der Zentralprojektion vom senkrechten Strahl abgebildet, ihre Bilder P, und P, baben also auf der Platte den gleichen Abstand wie die Bleimarken selber, daher ist es unnötig, die Röhrenverschiebung zu messen. Der Fremd- körper F wird im allgemeinen bei beiden Aufnahmen von einem schräg auf die Platte fallenden Strahl abgebildet, P, bzw. P, Bei jeder der beiden Aufnahmen wird durch den senkrechten Strahl, der die Bleimarke abbildet, den schrägen Strahl, der den Fremdkörper abbildet, und von der Verbindungslinie der hierbei entstehenden beiden Bilder P, P, bzw. P, P, ein recht- winkliges Dreieck bestimmt, R, P,P, bzw. R, P,P, Diese beiden rechtwinkligen Dreiecke

360 Kienböck. XXIII, 4.

stehen senkrecht auf der Plattenebene, also muß auch die Schnittkante FP der beiden Flächen senkrecht auf der Platte stehen. Der Fremdkörper liegt also senkrecht über dem Diagonalenschnittpunkt. Zieht man durch F die Parallele FP, zu AP, so ist FP, = PP,=a, und es ent- stehen zwei ähnliche Dreiecke R, P, F und R, P,P, Es ist daher |

h—-X_ h de ZZ PF PiP; a a+b Hieraus folgt x— h.b a-+ b

Aus der Radiologischen Abteilung der Allgemeinen Poliklinik in Wien.

Technische Neuerungen. Von Professor Dr. Robert Kienbock.

1. Eine neue, Röntgenzwecken angepaßte Dunkelkanımerlampe.

Bei der Entwicklung der photographischen Platten will man bekanntlich durch Betrachten gegen die Dunkelkammerlampe wiederholt prüfen, ob die Platte bereits genügend entwickelt sei oder nicht. Auch gibt man manchmal, bevor die Platte zu Ende entwickelt ist, wenn sie nur gelungen erscheint, gern ein diesbezügliches Signal nach außen, damit sich der Kranke bekleide und dem nächsten Patienten Platz mache.

Man hat nun bisher in Röntgenlaboratorien gewöhnliche Dunkelkammerlampen verschie- dener Art verwendet, bei keiner hat man aber eine größere, gleichmäßig beleuchtete rote Fläche vor sich, vor der man z. B. eine Platte 18/24 oder 24—30 cm gleichzeitig übersehen könnte; auch ist es bei vielen Lampen sehr störend, daß man den Glühfaden

der Glühlampe als solchen sieht und daher nicht leicht von ihm abstrahieren kann’).

123 FB

A B

Q

Figur 1. Dunkelkammerlampe. A Hinterwand, die vier Punkte bezeichnen die Lage der Glühlampen. (Im Bild ist statt eines Quadrates irrtümlich ein Rechteck gezeichnet.) B Seitenansicht, h hinten, v vorne, 1 Mattglasscheibe, 2 und 8 Rubinglasscheiben. C Seitenansicht der an der Wand schräg aufgehängten Lampe.

1) Anmerkung bei der Korrektur. Wie ich nachträglich erfahre, führt die Firma Kinder- mann & Co., Berlin, Dunkelkammerlampen mit größerer Rotscheibe (20:20 cm) und einer Mattscheibe

dahinter. Auch diese Lampe ist aber für unsere Zwecke zu klein und die Glasscheibe ist ungleichmäßig beleuchtet.

XXIIIT, 4. Technische Neuerungen. 361

Um dem Mangel abzuhelfen, habe ich eine besondere Dunkelkammerlampe kon- struiert. Das Wesentliche bei der Neuerung besteht darin, daß man nun eine größere gleich- mäßige rote Fläche besitzt.

Die Lampe besteht aus einem quadratischen Blechkasten 30:30 cm, der innen weiß ge- strichen ist und an der Hinterwand in den Ecken vier kleine Glühlampen trägt; vorne befindet sich ein Mattglas und zuvorderst sind zwei Schieber aus bestem, roten Rubinglas. Die Lampe ist 25 cm tief (von der Hinterwand bis zur vorderen Rubinplatte gerechnet). Zuoberst ist eine lichtdichte Abzugsvorrichtung für die gewärmte Luft angebracht.

Die Lampe wird mit einem blechernen Band oder Draht an einem Haken an der Wand über dem Entwicklungstisch schräg aufgehängt.

Es handelt sich somit um die Übertragung des Prinzipes des Röntgenschau- kastens auf die Dunkelkammerlampe. Mat hat hier einen kleinen roten Dunkelkammerschau- kasten vor sich.

Die Lampe wird von der Firma Reiniger, Gebbert & Schall, Erlangen, erzeugt und billig in den Handel gebracht werden. Ä

2. Ein einfaches Schieberdiaphragma für den Schaukasten.

Die Schaukästen (Negativbühnen) für Röntgenzwecke zur Betrachtung der Negativplatten, und zwar sowohl die für Tageslicht bestimmten Kästen als auch die Glühlichtkästen werden im allgemeinen ohne Diaphragma verwendet. Ä

Wenn man daher kleinere Platten (kleiner als das Format des Schaukastens) isoliert an den Schaukasten stellt, so leidet man stark durch Blendung, insbesondere fällt dies bei dunklen oder diagnostisch schwer zu ver- stehenden Platten ins Gewicht. Man hat zwar Blendenvorrichtungen konstruiert, z. B. mit Rollvorhängen oder komplizierteren Jalousien, welche von drei oder gar von allen vier Seiten vorgezogen oder vorgedreht werden; Gocht hat z. B. einen solchen Apparat angegeben. Doch sind sie alle kostspielig, bei der Hand- habung etwas zeitraubend und „spießen

vv “9%.

RICK OR

OSS ILL NT

00

72 r

g Figur 3. Schaukasten mit Schieber-

A diaphragma im horizontalen Quer-

Figur 2. Schieberdiaphragma. schnitt. Hinten im Kasten die Glühlampen,

Ansicht von vorne. o Oberkulisse, r und vorne die Mattglasscheibe m, dann der

l rechte und linke Seitenkulisse. (Die Ober- Zwischenraum für die drei Kulissen (Ober-

kulisse kann auch !/, so niedrig angefertigt kulisse o und Seitenkulissen r und 2) und zu werden.) vorderst die einfache Glasscheibe g.

sich“ noch dazu fortwährend; wer solche Blendvorrichtungen im Gebrauch nimmt, gibt sie meist bald wieder weg. Einlegbare Einsätze für verschiedene Plattengrößen eignen sich aus diversen Gründen ebenfalls nicht.

Ich habe daher ein einfaches, leicht gleitendes und billiges Schieberdiaphragma

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXTIT. 46

862 Kienböck. XXIII, 4.

konstruiert, das keine weiteren Nachteile hat. Es besteht aus einem Rahmen mit drei Kulissen, einem Steg und einer Glasscheibe. Die Oberkulisse kann guillotineartig herabgelassen wer- den, und zwar ist im Rahmen eine Feder angebracht, welche die Kulisse gerade so stark festhält, daß sie mit der Hand leicht auf- und abgeschoben werden kann und doch nicht durch das eigene Gewicht herabfäll. Dazu kommen ein Paar Seitenkulissen, eine rechte und linke, welche im Rahmen locker stehen, daher ganz leicht mit der Hand hin und her geschoben werden können und in jeder Stellung von selbst stehen bleiben. Der Rahmen mit den Kulissen trägt vorne unten ein Steg, auf dem die Negativplatte aufgestellt wird, und ist vorne mit einer einfachen Glasscheibe abgeschlossen, diese verhindert, daß die betrachtete Platte gegen die Kulissen fällt.

Die Vorrichtung kann in beliebiger Größe aus Holz hergestellt werden und läßt sich an jedem Schaukasten anbringen, sie wird einfach vorne angeschraubt. Doch ist es bei Neueinrichtung eines Institutes besser, den Schaukasten bereits mit dem Diaphragma anfertigen zu lassen. Zwischen der Mattscheibe des Schaukastens und der einfachen Glasscheibe der be- schriebenen Vorrichtung soll nur ein kleiner Zwischenraum liegen, in welchem die Kulissen eben Platz finden.

Wahrscheinlich hat so mancher Röntgenarzt sich ein derartiges Diaphragma herstellen lassen, doch vermisse ich die Beschreibung und Abbildung eines solchen, sowohl in Zeitschriften als auch in den Katalogen, wo nur die komplizierten, teuren Blenden abgebildet sind.

3. Eine Signallaterne vor dem Durchlenchtungszimmer.

In großen öffentlichen Röntgeninstituten mit starkem Verkehr von externen und internen Ärzten, Gehilfen und Patienten ist es im Radioskopierraum höchst unan- genehm, daß man während der Vornahme der Durchleuchtungen fortwährend durch Eintretende in der Arbeit unterbrochen wird; geradezu zusperren will man ja die Türe nicht. Doppelte Türen, schwarze Vorhänge u. dgl. verhindern zwar, daß der Eintretende Licht in den Raum einfallen läßt, aber es wäre außerdem wünschenswert, daß jeder Ankömmling zuerst erfahren könnte, ob eben durchleuchtet werde und daher sein Eintritt unerwünscht sei oder nicht.

Zu diesem Zwecke rate ich, vor dem Eingang, beziehungsweise vor den Eingängen des Durchleuchtungszimmers entsprechende, färbige und mit einer Mahnung beschriebene Signallaternen anzubringen. Diese sind an den Unterbrecherstrom angeschlossen und leuchten während des Ganges des Apparates. Das Verlöschen der Lampe meldet sofort dem Außenstehenden jede kürzere oder längere Unterbrechung der Durchleuchtung.

In dem von mir geleiteten Institute haben sich diese Einrichtungen bestens bewährt.

XXIII, 4. Röhre mit heißer Antikathode. 363

Röhren mit heißer Antikathode. Von Professor Dr. J. K. A. Wertheim-Salomonson in Amsterdan.

In dem letzten Jahrzehnte hat das Bedürfnis an großen Röntgenstrahlenenergien sehr be- deutend zugenommen. Die Generatoren hochgespannter Elektrizität sind höheren Anforderungen gewachsen und stellen dem Röntgenologen öfters schon 4 bis 10 Kilowatt zur Verfügung. Die Röhrenfabrikation hat versucht diesen Fortschritten gleichen Tritt zu erhalten, und auch hier sind bedeutende Besserungen aufzuweisen. Die dünne platinplatierte Antikathode hat einem schweren massiven Metallklotz weichen müssen, und künstliche Kühlung der Antikathode ist allgemein vorgesehen: meistens wird dabei eine Kühlung durch radiatorähnliche Metallkörper in freier Luft oder auch durch stillstehendes oder zirkulierendes Wasser angewendet.

Es machte daher einen überraschenden Eindruck, als die neuesten Röhren des Coolidge- Typus ohne irgendwelche spezielle Kühlmittel ausgebildet waren und trotzdem sich außer- ordentlich hohen Belastungen gewachsen zeigten.

Handelt es sich dabei um eine besondere Eigenart der Röhren mit reiner Elektronen- leitung? Es scheint mir, daß dies nicht der Fall ist. Bei der Coolidgeröhre wird die Elek- trizitätsleitung ausschließlich von Elektronen, welche von einer glühenden Drahtspirale abge- spaltet werden, übernommen. Diese Elektronen prallen mit großer Geschwindigkeit an die Anti- kathode, welche bald erglüht. Schon im ersten Augenblick, daß die Röhre Strom erhält, werden die Glaswände von einer negativ geladenen Schicht bedeckt, welche verhindert, daß sekundäre Kathodenstrahlen an die Glaswand anprallen. Die Glaswand erhitzt sich also nicht.

Bei der gewöhnlichen Röhre, welche nicht nach dem Coolidgeprinzip arbeitet, ist die Sache einigermaßen anders. Hier sind keine freien Elektronen vorhanden, sondern diese müssen zuerst von den im Gasreste vorhandenen Molekeln abgespaltet werden. Dies geschieht, sobald ein Molekel in nächste Nähe der Kathode gerät. Es prallt dabei an die Kathode an, wobei ein Elektron fortgeschleudert wird. Aber hierbei erwärmt sich die Kathode nicht unbeträcht- lich, Schließlich enthält die Röhre genügend positiv geladenen Teilchen, um das Entstehen einer nur einigermaßen beträchtlichen negativen Ladung der Röhrenwand vorzubeugen. Es bleibt also die Möglichkeit, daß durch das fortwährende Anprallen von sekundären Kathoden- strahlen auch die Glaswand sich erheblich erhitzt. Der Unterschied in der Erwärmung der Coolidgeröhre und der gewöhnlichen Röntgenröhre besteht hauptsächlich in der geringeren resp. fehlenden Erwärmung der Glaswand und der Kathode bei ersterer.

Solange, als es sich nicht um die größte Leistung einer Röhre handelt, ist die Antikathoden- erwärmung der wichtigere Punkt, welcher die Leistung beschränkt. Eben die Coolidgeröhre entbehrt einer jeden besonderen Vorrichtung zur Kühlung der Antikathode; trotzdem wird von zuverlässiger Seite berichtet über einen einstündigen Gebrauch mit 25 Milliampere bei 7 cm Parallelfunkenstrecke.

Die ganze Wärmeabfuhr bei der Coolidgeröhre geschieht durch Strahlung, während Warme- abgabe durch Leitung dabei durchaus nicht in Betracht kommt.

Obgleich eine Antikathode einer Coolidgeröhre bestimmt nicht als ein „schwarzer Körper“ im Sinne des Stefan-Boltzmannschen Gesetzes betrachtet werden darf, so müssen wir doch an- nehmen, daß der Wärmeverlust durch Strahlung bei Platin, Wolfram, u. d. außerordentlich schnell zunimmt mit der Temperatur, und zwar nach einer Formel, die eine gewisse Überein- stimmung mit der bekannten Stefan-Boltzmannschen Strahlungsformel aufweist. Während bei

dieser der Exponent genau 4 beträgt, haben die Platin- und Wolframformeln andere Expo- 46*

364 Wertheim-Salomonson. XXIII, 4.

nenten. Nach den neuesten Untersuchungen von Peterson und Dudding!) beträgt der Ex- ponent für Platin 4.50 und für Wolfram 5.1. Wir bekommen also für Wolfram die Formel: We T51

d. h. die Wärmeabgabe eines Wolframkörpers ist der 5.1' Potenz der absoluten Temperatur proportional. Die Konstante c ist, wie bei der Formel für die schwarze Strahlung, der Ober- fläche des Körpers proportional. Die absolute Größe von c läßt sich berechnen aus einigen Zahlen, die mir in entgegenkommendster Weise von Herrn Direktor Philips (Glühlampenfabrik

Einthoven) mitgeteilt wurden. Sie beträgt 0.386.10° 15 vet

pro Quadratzentimeter Oberfläche des

strahlenden Körpers. | Hieraus läßt sich folgende Tabelle zusammenstellen:

T. Cels. T. abs. W pro cm? W fir 6 cm? 1500 1773 14.3 85 1600 1873 18.9 123 1700 1973 24.6 148 1800 2073 31.7 190 1900 2173 40.3 242 2000 2273 50.7 304 2100 2373 68.1 379

Wenn es nun gelingen sollte, eine gewöhnliche Röntgenröhre derart zu betreiben, daß die Antikathode zu genügend hahen Temperatur gebracht wird, so würde auch diese außerordent- lich große Wärmemengen ausstrahlen können. Nun läßt sich praktisch nichts einwenden gegen den Betrieb einer Röntgenröhre mit glühender Antikathode. Die Erfahrung mit der einfachen bekannten Chabaudröhre zeigt, daß ein Betrieb mit glühender Antikathode keine Beschwerden verursacht. Leider läßt sich aber bei der Chabaudröhre mit einer Platinantikathode die Tem- peratur nicht genügend hoch auftreiben. Wolfram, mit einem Schmelzpunkte von über 3000°, läßt sich beträchtlich stärker erhitzen. Jedenfalls besteht kein einziger Grund, anzunehmen, daß die Ausbeute an Röntgenstrahlen bei heißer Antikathode geringer sein sollte als bei kalter Antikathode.

Wie hoch dürfte man eine Wolframantikathode wohl erhitzen? Ich vermute, daß die Grenze etwas oberhalb der Temperatur liegt, bei welcher die moderne Wolfram-Glühlampe normal brennt. Bei dieser Temperatur, die meistens zu 2320° absolut gesetzt wird, tritt noch keine erhebliche Metallzerstäubung ein; erst bei 2400° wird dieselbe beträchtlich, so daß die Röhre sich zu schwärzen anfängt. Aber schon bei 2320° wird rund 55 Watt pro Quadrat- zentimeter Oberfläche ausgestrahlt, so daß bei einer Oberfläche von 6 cm? etwa 300—330 Watt sekundlich ausgestrahlt werden können.

Auf Grund obiger Erörterungen habe ich die Firma C. H. F. Müller in Hamburg gebeten, eine Röhre für mich anzufertigen, welche nach diesen Grundsätzen konstruiert ist. In ent- gegenkommender Weise hat sich die Firma hierzu bereit erklärt, und ich bin in der ange- nehmen Lage, über die Leistungen dieser Röhre jetzt zu berichten.

Die Röhre, die ich erhielt, ist ein kleines Versuchsexemplar von ca. 12 cm Durchmesser und sehr einfach gebaut. Die Schwierigkeit, daß die stromführenden Teile an der Antikathode sich nicht erheblich erwärmen dürfen, damit die Einschmelzstelle völlig kalt bleibt, während die Antikathode in hellster Weißglut leuchtet, ist vollkommen überwunden. Mit dieser Röhre habe ich einige Versuche angestellt, wobei sich eine wirklich überraschende Belastbarkeit er- geben hat.

In kaltem Zustande ist die Röhre etwas hart, und meistens ist eine kurzwährende Be- tätigung der Osmoseregulierung nötig, um die Röhre in Gang setzen zu können. Wird jetzt

ooo Sip e

1) Philos. Mag. Nr. 175, VItb Series, July 1915, p. 34.

XXIII, 4. Röhre mit heißer Antikathode. 365

die Röhre sogleich stark belastet, so fängt schon nach 10 bis 20 Sekunden die Antikathode zu glühen an. Dann braucht jedoch noch kein Widerstand in den primären Kreis ge- schaltet zu werden. Das Glühen nimmt zu, bis zuletzt das Zimmer hell erleuchtet ist von der glühenden Antikathode etwa wie von einer 200kerzigen Glühlampe. Die Röhre arbeitet dann vollkommen ruhig und zeigt fast keine Neigung zum Weicherwerden. Es gehen dann etwa 5 bis 7 Milliampere durch die Röhre bei einer parallelen Funkenstrecke von 15 bis 10 cm. Diese Stromstärke kann bequem während 8 bis 5 Minuten durchflie8en. Dann aber hat sich die ganze Glaswand besonders in der Nähe der Kathode sehr stark erhitzt. Stellt man sich inzwischen mit 4 Milliampere bei 10 bis 12 cm Funkenlänge und kühlt man die Glaswand mit einem Ventilator, so kann diese Belastung fast beliebig lange Zeit fortgesetzt werden. Die Einschmelzstellen bleiben vollständig kühl. Die Erwärmung der Glaswand hat offenbar wenig zu tun mit der glühenden Antikathode, sie ist vielmehr abhängig von der Wirkung der inneren sekundären korpuskulären Strahlung, sowie von dem Anprallen von etwaigen positiv geladenen Teilchen an die Glaswand in nämlicher Weise, als dies bei allen gewöhnlichen Röntgenröhren der Fall ist.

Vergleichen wir die Leistung dieser Röhre mit derjenigen von anderen Typen, so ergibt sich, daß die kleine Röhre dauernd eine etwa zweimal höhere Belastung als die ursprüng- liche Müllersche Wasserkühlröhre verträgt. Hierbei ist der Vergleich gemacht mit einer Wasserkühlröhre von 20 cm Durchmesser. Nimmt man jedoch die kleinste Müller-Wasserkühl- röhre als Vergleichsobjekt, dann zeigt sich das neue kleine Röhrchen fast dreimal überlegen.

Offenbar wird jedoch erst der günstigste Zustand erreicht werden, sobald die neue Röhre auch in der normalen Größe von 20 cm konstruiert wird. Denn je größer die Röhre, je weniger die Erhitzung der Glaswand störend zutage kommt. Und ich wiederhole es: die Leistungs- beschränkung der neuen Röhre wird nicht durch die Antikathodenerhitzung, sondern vielmehr durch die bei jeder Röhre unvermeidliche Erhitzung der Glaswand gegeben.

Für die Therapie verspricht die neue Röhre sehr viel. Bei der Oberflächentherapie dürfen wir das schon aus dem oben Mitgeteilten entnehmen. Aber auch für die Tiefentherapie läßt sich Günstiges erwarten. Trotzdem eine Platinantikathode einer Wolframantikathode theoretisch etwa 10°/, überlegen ist, fällt praktisch dieser Vorteil ganz fort, wenn es sich handelt um die Vorteile einer Tiefentherapie ohne künstliche Antikathodenkühlung. Selbstverständlich wird die Konstruktion einer Tiefentherapieröhre etwas anders sein müssen als diejenige der kleinen Versuchsröhre. Es liegt jedoch kein theoretisches Bedenken vor gegen die Konstruktion und Verwendung einer derartigen Therapieröhre.

Für die Durchleuchtung muß die Röhre selbstverständlich in einen lichtundurchlässigen Kasten gehängt werden. Ist dies aber der Fall, dann läßt sich die Röhre auch für alle Durch- leuchtungen anwenden. Man hat nie zu befürchten, daß die Röhre zu sehr angestrengt wird dabei, und man braucht nur die Osmoregulierung nach Bedarf hin zu betätigen.

Für die gewöhnliche Röntgenographie läßt sich die Röhre für jede verlangte Dauerauf- nahme verwenden, und zwar mit oder ohne Verstärkungsschirm. Bei länger dauernder Auf- nahme wird man selbstverständlich nicht über das anfangs erwähnte Maximum von 5 bis 7 Milli- ampere bei 15 bis 12 cm Parallelfunkenstrecke gehen.

An zweiter Stelle haben wir die Belastungsfähigkeit dieser Röhre für kurzdauernde Be- lastungen zu betrachten. Diese wird offenbar beschränkt durch die Wärmekapazität der Anti- kathode. Nehmen wir an, daß während der kurzdauernden Belastung keine Wärme abgeführt wird, so dürfen wir während derselben nur soviel elektrische Energie in Form von Kathoden- strahlen zuführen, bis die Antikathode weißglühend wird. Nehmen wir als Temperaturgrenze 2320° (absolut), so bedeutet dies eine Temperaturerhéhung von reichlich 2050° Celsius. Es habe die Wolframpastille ein Gewicht von nur 30 Gramm, Wolfram selbst einen Koeffizienten der spezifischen Wärme von 0,035, dann besitzt die Pastille eine Wärmekapazität von 1 cm? Wasser. Wir müssen demselben also rund 2000 kl Kalorien zuführen, um die zulässige Tem-

366 Stein. XXIII, 4.

peraturgrenze zu erreichen, stets unter der Annahme, daß keine Wärmeabgabe stattfindet. 2000 kl Kalorien nun werden von 8370 Wattsekunden erzeugt. Und dies ist die absolute elek- trische Arbeit, die wir der Antikathode während einer Sekunde zuführen dürfen. Die modernen Hochspannungsgleichrichter, welche etwa 4 Kilowatt zu leisten imstande sind, dürfen also während 2 Sekunden dieser Röhre ıhre maximal verfügbare Energie zuführen, während die größten 10 Kilowatttransformer dies während fast einer Sekunde (0.84“) tun können.

Für Momentaufnahmen vom Thorax in 60 cm Distanz brauchen wir ohne Verstärkungs- schirm etwa 1500 Wattsekunden (z. B. 3.75 Kilowatt während 0.40“), wenn wir wenigstens eine nicht zu weiche Röhre verwenden. Mit Verstärkungsschirm, wobei die Röhrenhärte beträcht- lich geringer genommen werden kann, reichen meistens 400 Wattsekunden aus (also 4 KW während 0.1“).

Wir sehen aus diesen Zahlen, daß Thoraxmomentaufnahmen ohne die geringste Schwierig- keit mit der neuen Röhre gemacht werden können.

Für Aufnahmen des Magens und des Darmkanals nach Wismutfüllung genügt die Röhre ebensehr, da hierbei durchschnittlich 2000 Wattsekunden erforderlich sind bei 60 cm Fokus- plattendistanz.

Die größte Energie ist bei Teleaufnahmen des Herzens erforderlich: man braucht dazu fast 4000 Wattsekunden. Die Röhre ist jedoch imstande, auch diese Energie ohne Schwierigkeit auf- zunehmen.

Papaverin zur Differentialdiagnose zwischen Ösophagospasmus und Ösophagusstenose. Von Dr. med. Albert E. Stein, Wiesbaden, z. Zt. im Osten.

Die Differentialdiagnose zwischen funktionellen und organischen Erkrankungen des Magen- darmtraktus gehört zweifellos oftmals zu den schwierigsten Aufgaben, welche dem Internisten und dem Chirurgen gestellt werden können. Und wenn auch die Anwendung der Röntgen- diagnostik in dem letzten Dezennium sehr viel Licht in dieses vordem dunkle Gebiet gebracht hat und damit ein diagnostisches Hilfsmittel geworden ist, ohne welches wir heute gar nicht mehr auskommen können, so gibt es doch auch jetzt noch Fragen, die selbst unter Zuhilfe- nahme der Röntgenstrahlen nur außerordentlich schwer, oft überhaupt nicht mit Sicherheit entschieden werden können.

Hierhin gehört u. a. die Differentialdiagnose zwischen Osophagospasmus und Ösophagusstenose. Der Ösophagospasmus, auch Ösophagismus, Ösophaguskrampf, spastische Ösophagusstriktur genannt, ist nach Kraus!) bereits zu Anfang des 18. Jahrhunderts be- schrieben worden und hat seit dieser Zeit sehr häufig zu interessanten Debatten geführt, ohne daß die Autoren bis heute zu einer einheitlichen Auffassung dieser Erkrankung gekommen wären. Ätiologisch werden Heredität, angeborene Fehler, Traumen, Narben, Gicht, Gemüts- affekte, allgemeine Neurosen, Unterleibserkrankungen und vieles andere angegeben. Anatomische Veränderungen sind fast niemals gefunden worden. Das wichtigste Krankheitssymptom ist die Schlingstörung, deren Grad indessen sehr verschieden sein kann. Die Erkrankung tritt viel- fach anfallsweise auf und kann Wochen und Monate sistieren. Die Schlundsonde vermag den Krampf häufig nach einigem Zuwarten zu überwinden. Das Röntgenbild zeigt speziell bei der Schirmuntersuchung in typischer Weise das Steckenbleiben der Kontrastmahlzeit an der ver- engten Stelle der Speiseröhre.

1) Kraus u. Ridder: Die Erkrankungen der Mundhöhle und der Speiseröhre. Nothnagels spezielle Pathologie und Therapie. Bd. X, 1918.

XXIII, 4. Papaverin zur Differentialdiagnose zwischen Ösophagospasmus und Osophagusstenose. 367

Bei der großen Mehrheit der Fälle sitzt das Hindernis bzw. der Krampf im untersten Teil des Ösophagus und tritt dann in Form des sogenannten Kardiospasmus in Erscheinung. Der wahre Ösophaguskrampf des mittleren und oberen Teils der Speiseröhre scheint uns, soweit wir die Literatur dieses Gebietes durchzusehen in der Lage waren, verhältnismäßig selten zu sein, besonders wenn wir uns der Ansicht von Holzknecht und Olbert!) an- schließen, die die Atonie der Speiseröhre, welche fast unter den gleichen Symptomen verläuft wie der wahre Ösophagospasmus, als eine Erkrankung sui generis aufgefaßt wissen wollen.

Der Fall, welcher uns veranlaßte, uns näher mit der vorliegenden Frage zu beschäftigen, war uns zur Röntgenuntersuchung zugewiesen worden, nachdem klinischerseits im übrigen aus den vorhandenen subjektiven und objektiven Symptomen eine sichere Diagnose nicht gestellt werden konnte.

Es handelte sich um den 56jährigen Kaufmann E. H. aus B., einen Herrn von aus- gesprochen nervösem Habitus, welcher seit Jahren an Magenbeschwerden litt und einmal eine stärkere Magenblutung durchgemacht hatte, ohne daß damals entschieden werden konute, ob es sich um ein Ulcus ventriculi oder duodeni gehandelt hatte. Seit längerer Zeit litt Patient an heftigen Schling- N beschwerden, die kurze Zeit eintraten, nachdem er eine Mahlzeit begonnen hatte und die sich dann meist bis zum Erbrechen schleimiger Massen steigerten. Es bestand dabei kein Unterschied bei der Einnahme flüssiger oder fester Speisen. Der Gedanke einer organischen Verenge- rung lag nahe, obwohl die Sonde imstande war, das Hin- dernis nach einigem Bemühen zu überwinden, weil der -~ Allgemeinzustand des Patienten in letzter Zeit vieles zu wünschen übrig ließ und er auch an Gewicht verloren

hatte, Die Röntgenuntersuchung wurde in der üblichen

Weise vorgenommen, indem die Kontrastspeise dem Patien- ten in den Mund gegeben wurde, und er sie dann auf Kommando hinunterschlucken mußte, während die Beobachtung am Schirm im ersten schrägen Durchmesser (von links hinten nach rechts vorne) erfolgte. Die Kontrastspeise passierte glatt und ohne Hindernis Mund, Pharynx und oberen Teil des Osophagus, um mit einem Ruck in der Höhe des 7.—8. Brustwirbels stecken zu bleiben. Die nachfolgenden Bissen sammelten sich weiter an und bildeten dann eine spindelförmige, auf dem Schirm deutlich sich abhebende Masse, die sich erst nach längerer Zeit langsam und ganz allmählich in einem sehr feinen Strahl nach dem Magen zu entleerte.

Die Röntgendurchleuchtung bzw. Aufnahme hatte also zunächst lediglich das Ergebnis, daß etwa an der Grenze des mittleren und unteren Drittels der Speiseröhre ein Passagehindernis vorhanden war, ohne daß aber über die Natur dieses Hindernisses irgend etwas Näheres aus- gesagt werden konnte.

Zur Stellung einer Differentialdiagnose zwischen organischer Stenose und Krampfzustand nahm ich nunmehr meine Zuflucht zur Anwendung des Papaverins. Das Papaverin, welches 1848 von G. Merck im Opium aufgefunden wurde, ist seiner chemischen Natur nach ein Derivat des Benzylisochinolins und wird, nachdem es neuerdings durch grundlegende Arbeiten von Pal und seinen Mitarbeitern in die Therapie eingeführt wurde, speziell bei Magendarm- krankheiten verwandt. Es wirkt vor allem auf den Tonus der glatten Muskulatur, lähmt diese aber nicht, sondern versetzt sie nur in einen Zustand der Entspannung, so daß die Organe ihre Eigenbewegungen behalten. Holzknecht und Sgalitzer?), und später Szerb und

1) Holzknecht u. Olbert: Die Atonie der Speiseröhre. Zeitschr. f. klin. Medizin. Bd. 71, 8. 91. *) Holzknecht u. Sgalitzer: Münchner med. Woch. 1913, Nr. 36.

368 Berns. XXI 4.

Revesz') haben das Papaverin als erste zu röntgendiagnostischen Zwecken benutzt. Ihre Untersuchungen bezogen sich indessen, soweit die bisherigen Veröffentlichungen dies erkennen lassen, nur auf die Erkrankungen des Magens. Speziell bei der Differentialdiagnose zwischen Pylorospasmus und Pylorusstenose hatten die genannten Autoren mit dem Papaverin nach innerer Verabreichung vorzügliche Resultate.

Es lag daher nahe, diese Methode auch auf die Differentialdiagnose der Ösophagus- erkrankungen in strittigen Fällen zu übertragen und wir haben dies in dem oben beschriebenen Falle mit sehr gutem Erfolg getan.

Es wurde dem Patienten vor der folgenden Röntgendurchleuchtung eine subkutane Papa- verininjektion einer 0,03 g enthaltenden Ampulle gemacht und nach ca. 15 Minuten die Durch- leuchtung wiederum im ersten schrägen Durchmesser vorgenommen. Unter ganz gleichen Verhältnissen wie das erstemal zeigte sich nun zu unserer Überraschung, daß das früher vor- handene Hindernis geschwunden war und daß die Kontrastspeise ohne Aufenthalt, wenn auch im unteren Teil des Ösophagus etwas langsamer wie normal, dem Magen zustrebte. Es war damit der Beweis erbracht, daß eine organische Verengerung der Speiseröhre nicht vorliegen konnte, ebensowenig wie ein Divertikel, dessen Vorhandensein bereits vor der ersten Röntgen- untersuchung von anderer Seite auf Grund der klinischen Symptome als wahrscheinlich be- zeichnet worden war. Es mußte sich vielmehr um eine rein spastisch nervöse, d. h. funktionelle Erkrankung handeln.

Das Papaverin, welches uns differentialdiagnostisch in dem vorliegenden Falle so gut und schnell zum Ziel geführt hatte, wurde nun in folgerichtiger Weise bei dem Patienten thera- peutisch in Form der im Handel befindlichen Tabletten (mehrmals täglich 0,05) weiter ge- geben und brachte bald dauernde Erleichterung der Beschwerden. Jedenfalls besitzen wir also in diesem Präparat ein Mittel, welches berufen erscheint, in vielen bisher unklaren Fällen auf- klärend zu wirken, und zugleich ein therapeutisches Agens von nicht zu unterschätzender Wirkung darstellt.

Aus der Medizinischen Universitätsklinik Freiburg i. B. (Direktor: Professor Dr. de la Camp).

Über die Röntgentherapie der Lungentuberkulose und die dabei beobachtete Entfieberung. Von Wilhelm Berns, Anstaltsarzt im Sanatorium Birkenhof bei Greiffenberg-Schlesien.

Die biologische Wirksamkeit der Röntgenstrahlen wird in immer weiterem Umfange als Hilfskraft herangezogen zur Bekämpfung von Krankheiten. Küpferle war es, der als erster, gemeinsam mit Bacmeister, in Freiburg i. B. großangelegte Versuche angestellt hat, die Lungentuberkulose strahlentherapeutisch zu beeinflussen. Die dabei erzielten Resultate, ins- besondere bestimmte Einwirkungen auf die Körpertemperatur vieler Patienten, sind so be- fıiedigend, daß sie die Aufmerksamkeit weiterer Kreise wohl verdienen.

Eingehende Tierversuche haben den Boden vorbereitet für die Bestrahlungstherapie der Lungentuberkulose beim Menschen. In den Abhandlungen über diese Versuche hat Küpferle auch die Geschichte dieser neuen Behandlungsweise näher besprochen, so daß es erübrigt, hier darauf einzugehen.

Über das Technische sei erwähnt, daß ausschließlich der Reformapparat der Veifawerke verwendet wurde, der es ermöglicht, gleichzeitig zwei Patienten zu bestrahlen. Weiter wurden nur sehr harte Röhren (wenigstens 8—10 Benoist) benutzt, mit Gasregenerations- und mit

1) Szerb u. Revesz: Klinisch therapeut. Woch. 1914, Nr. 9.

XXIII, 4. Über die Röntgentherapie der Lungentuberkulose u. die dabei beobachtete Entfieberung. 369

intensiv wirkender Kühlvorrichtung, da in einer Sitzung oft über 30 x (gemessen nach Kienböck) appliziert wurden. Die Filterdicke betrug 8—4 mm, der Fokushautabstand ca. 20 cm, die Weite des Tubus anfänglich 20 gem, später 50 qcm. Im Durchschnitt wurden die Patienten wöchentlich 2—3mal bestrahlt; dabei betrugen die Einzeldosen durchschnittlich 15—20 x, welche meist an einer, manchmal an zwei Stellen appliziert wurden, und zwar zu Beginn der Kur nur über den Erkrankungsherden, später auch über den’ verschiedensten Stellen der andern Lungenteile. Indessen wurden je nach dem zeitweiligen Gesundheitszustand des Patienten zwischen den einzelnen Bestrahlungen auch längere Pausen gemacht. Um einen annähernden Wert zu nennen, kann man sagen, in 100 Tagen wurden durchschnittlich 18—26 Bestrahlungen ausgeführt; die Gesamtdosis schwankte dabei zwischen 250 x und 500 x. Eine vollständige Bestrahlungskur dauerte annähernd 3,5 bis 4,5 Monate, dabei wurden Durchschnittsgesamtdosen von sehr wechselnden Höhen erreicht, einmal bis zu 1000 x. Einzelheiten sind aus der folgen- den Besprechung der Fälle zu ersehen.

Bis Anfang August 1914 waren ca. 60 Fälle bestrahlt worden. Eine umfassende Arbeit darüber konnte ich des Krieges halber nicht vollenden; ebenso war es unmöglich geworden, Nachuntersuchung der einzelnen Fälle vorzunehmen. Darum will ich an Hand von 30 Fällen, ungefähr der ersten, die in Freiburg bestrahlt wurden, und die bei Kriegsausbruch schon ab- geschlossen waren, die bisherigen Ergebnisse der Bestrahlungstherapie bei Lungentuberkulose, erläutern, l

In der folgenden Besprechung der 30 Fälle habe ich alles Unwesentliche fortgelassen und nur das wirklich Bemerkenswerte erwähnt, um eine bessere Übersicht zu ermöglichen.

Gruppe I.

Fall 1. 43 J. alt, m.!), erblich belastet, mit 37 J. Pleuritis, mit 41 J. erstmalig NachtschweiBe und Stechen in der Brust.

Befund: Abgemagert, leichte Erkrankung des r. Oberlappens. Im Dämpfungsbezirk bis Mitte Scap. mittelblasige Rg.

Röntgenbild: L. einige peribronchiale Verdichtungen. R. diffuse Trübungen, in der Hilusgegend über talergroße, intensive Schatten.

In 90 Tagen wurde der Patient 24mal bestrahlt und erhielt insgesamt 550 x. Seine Temperatur war anfangs subfebril, um 38,3°. Nach 6 Bestr. um 37,5%, nach 17 B. erreichte er norm. Temp.

Ergebnis: Bedeutende Besserung.

Schon nach den ersten B. fühlt sich Patient wohler. Gewichtszunahme 6 kg.

Fall 2. 34 J. alt; m. Starke Haemoptoe nach Uberanstrengung, H. u. A.

Befund: Reduzierter Ernährungszustand, ‘Thorax r. eingezogen. L. leichte Spitzenaffektion. R. mittelschwere Erkrankung des Oberlappens und der Hilusgegend. Unterhalb Clav. viel kleinblasige Rg.

Röntgenbild: Beiderseits Schatten in den Spitzenfeldern und am Hilus, besonders dicht auf der r. Seite.

In 45 Tg. wurde Patient Ilmal bestrahlt und erhielt insgesamt 336 x. Temp. war anfangs subfebril um 37,7°, nach 4 B. war sie normal.

Ergebnis: Günstige Beeinflussung.

Rg. gänzlich zurückgegangen. Gewichtszunahme 2,5 kg.

Fall 3. 33 J. alt, m.; mehrmals Haemoptoe.

Befund: L. leichte Spitzenaffektion, vereinzelt feinblasige Rg. R. mittelschwere Erkrankung der Spitze und des Hilus, daselbst Rg.

Röntgenbild: L. Oberlappen getrübt, einige Hilusschatten; r. Spitze getrübt, starke Hilus- zeichnung.

In 115 Tg. 32 B.; insgesamt 827 x. Anfangs Fieber bis 39,5°, nach 5 B. unter 39°, nach 8 B. bis 38,5%, nach 12 B. unter 38°. Dann wird nach vorübergeheuder Erhöhung bis 39° langsam normale Temp. erreicht.

Ergebnis: Ganz bedeutende Besserung.

Rg. gänzlich geschwunden. Gewichtszunahme 5,3 kg.

1) Abkürzungen siehe S. 379. Fortschritte a. d. Gebiete d. Rontgenstrahlen. XXIIT. 47

370 Berns. XXIV, 4.

Fall 4. 20 J. alt; w. Mattigkeit, Nachtschweiß.

Befund: Beiderseits leichte Spitzen- und Hilusaffektion, mittel- und kleinblasige Rg. Réntgenbild: Beide Spitzen hell, beiderseits peribronchiale Verdichtungen in der Hilusgegend. In 112 Tg. 28 B. insgesamt 455 x. Anfangs geringe Subfebrilitä. Nach 10 B. normale Temp. Ergebnis: Besserung.

Rg. während der B. sehr zurückgegangen. Gewichtszunahme 2 kg.

Fall 5. 28 J. alt, w.; erblich belastet. Mit 6 J. Scharlach, seit dem 27. J. öfters Haemoptoe. Im Sputum massenhafte Tbe.

Befund: Kräftig, Thorax breit. L. Seite bleibt beim Atmen zurück. Mittelschwere Erkrankung der l. Lunge, besonders des Oberlappens. Viel kleinblasige Rg. und zahlreiche Rhonchi. R. mittel- schwere Spitzenaffektion, kleinblasige Rg.

Röntgenbild: L. Spitze völlig getrübt und geschrumpft. Im Lungenfeld zahlreiche Herdschatten. R. Spitze leicht getrübt, starke Hiluszeichnung und peribronchiale Verdichtungen. Diaphragma-Adhäsion.

In 115 Tg. 23 B. insgesamt 365 x. Temp. anfangs normal, dann im Anschluß an Pleurareizung Subfebrilität, um 38°. Diese wird durch B. oft für mehrere Tage herabgedrückt, schwindet aber erst am Schlusse der B. gänzlich; oft typischer Temperaturabfall.

Ergebnis: Wesentliche Besserung.

Gewichtszunahme 0,5 kg.

Fall 6. 20 J. alt, w.; erblich belastet, matt und kurzatmig, Nachtschweiße.

Befund: Sehr kräftig. L. mittelschwere Spitzenaffektion, zahlreiche kleinblasige Rg. R. Hilus leicht erkrankt, daselbst Rhonchi.

Röntgenbild: Beiderseits verstärkte Hiluszeichnung.

In 210 Tg. 43 B. insgesamt 603 x. Die anfängliche Subfebrilität bis 38° wird im Laufe der B. oft zur Norm herabgedrückt, erreicht aber immer wieder ab und zu Werte von 37,5%. Schließlich normale Temp. Oft typischer Temperaturabfall.

Ergebnis: Wesentliche Besserung.

Seit den B. hat der H. nachgelassen. Rg. sind nicht mehr zu hören. Gewichtszunahme 3,5 kg.

Fall 7. 28 J. alt, w.; erblich belastet.

Befund: Thorax schmal, Mitralinsuffizienz. Mittelschwere Erkrankung des l. Oberlappens, trockene Rg. Über r. Spitze vereinzelte trockene Rg.

Röntgenbild: Vermehrte Hiluszeichnung. Herz nach |. verbreitert, starke Ausladung des Vor- hofbogens.

In 135 Tg. 26 B. insgesamt 364 x. Die Subfebrilität um 37,5° wird durch B. anfangs nicht wesent- lich beeinfluBt, erst gegen Schlu8 der B. norm. Temp.

Ergebnis: Bedeutende Besserung.

Nach B. ab und zu kurzdauernde Brust- und Kopfschmerzen, schlieBlich nach jeder B. Kopfschmerz. Rg. fast gänzlich zurückgegangen.

Fall 8. 24 J. alt, w.; erblich belastet. Mit 7 Jahren Gehirnhautentzündung. Mit 23 J. 2mal Haemoptoe, Intoxikationserscheinungen.

Befund: Thorax paralyticus. R. Seite bleibt beim Atmen zurück. Doppelseitige leichte Hilus- erkrankung.

Röntgenbild: Beiderseits, besonders r., Hiluszeichnung vermehrt.

In 75 Tg. 15 B. insgesamt 196 x. Anfänglich Subfebrilität bis 38°. Nach 6 B. ist norm. Temp. erreicht.

Ergebnis: Günstige Beeinflussung.

Nach jeder B. Schmerzen in der Brust, die einen Tg. anhalten. Allgemeinbefinden etwas gebessert. In eine Heilstätte entlassen.

Fall 9. 20 J. alt, w.; erblich belastet. Mit 19 J. H. u. A. NachtschweiBe und Abmagerung.

Befund: Grazil gebaut. Thorax paralyticus. R. Seite bleibt beim Atmen zurück. Mittelschwere Erkrankung des l. Oberlappens, kleinblasige, zum Teil klingende Rg. R. ganz leichte Affektion der Spitze und des Unterlappens.

In 110 Tg. 17 B. insgesamt 234 x. Anfängliche Subfebrilität bis 88° geht langsam zurück. Nach einigen Remissionen wird normale Temp. erreicht.

Ergebnis: Günstige Beeinflussung.

(Patientin machte inzwischen eine Pleuritis exudativa durch.)

Fall 10. 39 J. alt, m.; erblich belastet. Mit 89 J. H. u. A., Abmagerung und Nachtschweiße. Im Sputum Tbe, Thorax gut gebaut. L. leichte Spitzenaffektion; trockene Rg.; geringe Affektion des

XXIII, 4. Über die Röntgentherapie der Lungentuberkulose u. die dabei beobachtete Entfieberung. 871

Unterlappens. Rhonchi. R. mittelschwere Erkrankung des Oberlappens, kleinblasige Rg. Auch über Mittel- und Unterlappen verschiedene Erkrankungsherde, trockene Rg. Lautes Pfeifen und Giemen.

In 125 Tg. 25 B. insgesamt 396 x. Anfänglich geringe Subfebrilität. Nach 2 B. wird normale Temp, erreicht.

Ergebnis: Günstige Beeinflussung. Gewichtszunahme 2,5 kg.

Fall 11. 11 J. alt, m.; erblich belastet. H. u. A.

Befund: Doppelseitige leichte Hiluserkrankung.

Röntgenbild: Hiluszeichnung beiderseits vermehrt. Peribronchiale Verdichtungen.

In 100 Tg. 13 B. insgesamt 171 x. Anfänglich leichte Subfebrilitat. Nach 2 B. wird norm. Temp. erreicht.

Ergebnis: Besserung.

Die B. sollten in absehbarer Zeit wieder aufgenommen werden.

Fall 12. 50 J. alt, m.; erblich belastet. Mit 43 J. Pleuritis und Bronchitis. Mit 50 J. H. und leicht blutigen A.; Tbc. darin enthalten.

Befund: Kräftig; r. Lungengrenzen kaum verschieblich. L. geringe Spitzenaffektion. R. mittel- schwere Erkrankung des Ober- und Mittellappens. Kleinblasige Rg.

Röntgenbild: L. Spitze mäßig getrübt, r. Oberlappen stark verdunkelt, Mitte mäßig trüb, nach unten heller werdend. Zwerchfelladhäsion.

In 85 Tg. 13 B. insgesamt 184 x. Anfänglich Subfebrilität. Nach 2 B. ist normale Temp. erreicht.

Ergebnis: Günstige Beeinflussung.

Die Bestrahlungen wurden vorzeitig abgebrochen. Gewichtsabnahme 2 kg.

Fall 13. 36 J. alt, m.; erblich belastet. Mit 35 J. Lungen- und Rippenfellentziindung. Kurz- atmigkeit, H. und etwas blutiger A.; Tbe. darin enthalten.

Befund: Thorax flach. L. leichte Hiluserkrankung. R. mittelschwere Erkrankung des Ober- lappens, starke D., großblasige Rg. Rhonchi. Unten pleuritisches Reiben.

Röntgenbild: L. herdférmige Trübung am Hilus. In der Höhe der 4. Rippe bandförmige Trübung. R. im Oberlappen eigroße Verdichtung. Im ganzen Feld verteilt herdförmige Trübungen und peribronchiale Verdichtungen.

In 110 Tg. 19 B., insgesamt 257 x. Temp. erst bis 38° geht nach 7 B. zur Norm über. Öfters typischer Temperaturabfall. Gegen Schluß der B. traten öfters vorübergehende Temperaturerhöhungen bis 37,79 auf.

Ergebnis: Keine wesentliche Besserung.

Gewichtsabnahme 4 kg.

Fall 14. 18 J. alt, m., mit 17 J. H. und viel A. mit Tbe. Intoxikationserscheinungen.

Befund: Kräftig, geringe Drüsen am Hals. L. mittelschwere Erkrankungsherde in Ober- und Unterlappen, zahlreiche feinblasige Rg. R. mittelschwere Erkrankung der Hilusgegend, feine Rg.

Röntgenbild: L. am Hilus zahlreiche Herdschatten, oben und unten peribronchiale Verdichtungen. R. vermehrte Hiluszeichnung und peribronchiale Schatten im Unterlappen.

In 40 Tg. 8 B., insgesamt 97 x. Patient hatte Fieber bis 39%. Kurz vor B. Subfebrilität bis 38°. Nach der ersten B. sank die Temperatur fiir immer unter 37°!

Ergebnis: Bedeutende Besserung.

Seit den B. sind die subjektiven Beschwerden vollständig zurückgegangen und die katarrhalischen Erscheinungen geschwunden. Gewichtszunahme 4 kg. (Der Patient kam nach einiger Zeit mit Pleuritis exudativa zurück, hatte eine kompakte Dämpfung auf der linken Seite, im Röntgenbilde eine starke Trübung.)

Gruppe La.

Fall 15. 41 J. alt, m., erblich belastet. Seit dem 31. J. Atemnot, Durchfälle, H. u. A.

Befund: Kräftig gebaut, Mattigkeit. L. leichte Spitzenaffektion. In der Hilusgegend wenig kre- pitierende Geräusche. R. ganz leichte Spitzenaffektion.

Röntgenbild: L. Hilusin beträchtlicher Ausdehnung diffus getrübt. R. vermehrte Hiluszeichnung.

In 35 Tg. 8 B., insgesamt 139 x. Temp. bis 37°, sinkt nach der ersten B. sofort auf Werte um 36,1%, welche ständig beibehalten werden.

Ergebnis: Bedeutende Besserung.

Nach 4 B. wurde die Atmung leichter. Patient konnte Treppen ohne Not steigen. Geräusche über Hilus geschwunden, ebenso A. Gewichtszunahme 4,3 kg.

47*

372 Berns. XXIII, 4.

Fall 16. 28 J. alt, w., mit 18 J. blutigen A., mit 20 J. einige Male Haemoptoe.

Befund: Grazil gebaut. L. Seite bleibt beim Atmen zurück. Mittelschwere Erkrankung des |. Oberlappens. Mittelblasige Rg. Giemen. R. leichte Spitzenaffektion.

Röntgenbild: L. Feld geschrumpft, besonders oben. Diffuse Trübungen, besonders im untern Teil des Oberlappens. R. etwas vermehrte Hiluszeichnung. Herz nach l. gezogen.

In 76 Tg. 13 B., insgesamt 150 x. Temp. war normal, sank nach einzelnen B. oft um Zehntelgrade.

Ergebnis: Wesentlich gebessert.

Geräusche bedeutend zurückgegangen.

Fall 17. 34 J. alt, w., hat 6 Geburten durchgemacht. Mit 31 J. Bluthusten. Mit 33 J. m Wenig A. mit Tbe.

Befund: L. leichte Spitzenaffektion. R. mittelschwere Erkrankung des Oberlappens, wenige klein- blasige Rg., Giemen.

Röntgenbild: R. Spitzenfeld getrübt, beiderseits vermehrte Hiluszeichnung und peribronchiale Verdichtungen.

In 52 Tg. 11 B., insgesamt 148 x. Temp. normal, nach den einzelnen B. Abfall um einige Zehntel- grade.

Ergebnis: Bedeutende Besserung.

H. und A. völlig geschwunden. Nach den B. ab und zu Stechen in der Brust.

Fall 18. 21 J. alt, m., mit 19 J. Lungenentzündung. dann Abmagerung und Nachtschweiße, Tbe. im Auswurf.

Befund: Thorax paralyticus. L. mittelschwere Erkrankung der Spitze und des Hilus, kleinblasige Rg. Giemen. R. leichte Erkrankung des Hilus, wenig kleinblasige Rg.

Röntgenbild: L. Spitze getrübt, beiderseits vermehrte Hiluszeichnung (Während der Pneumonie war der l. Oberlappen diffus dunkel und nach unten scharf begrenzt; dann trat wieder Aufhellung ein.)

In 80 Tg. 16 B., insgesamt 264 x. Temp. stets normal. Nach B. oft typischer Abfall um einige Zehntelgrade. i

Ergebnis: Bedeutende Besserung.

Gewichtszunahme 6,7 kg. (Vier Wochen nach seiner Entlassung machte der Patient eine schwere Pneumonie durch, die er gut überstand. Eine Nachuntersuchung ergab nur noch vereinzelte kleinblasige Rg. unter der 1. Clav. und normale Temp.)

Gruppe Ib.

Fall 19. 31 J. alt, w., mit 29 J. Lungenentzündung. Mit 31 J. Haemoptoe, Intoxikations- erscheinungen.

Befund: L. leichte Spitzenaffektion, kleinblasige Rg., auch hinten unten einige Rg. R, leichte Spitzenaffektion, vereinzelt kleinblasige Rg.

Röntgenbild: L. Spitze getrübt; r. Diaphragma-Adhäsion, beiderseits starke Hiluszeichnung.

In 58 Tg. 17 B., insgesamt 275 x. Temp. war stets normal.

Ergebnis: Erhebliche Besserung.

Zurückgehen der Rg. Gewichtszunahme 1,5 kg. Nach jeder B. starke Mattigkeit.

Fall 20. 20 J. alt, w., erblich belastet. Mit 13 J. Herzerkrankung, H. und Heiserkeit. Gravida im 3. Monat, künstlicher Abort vor den B.

Befund: Leidlicher Ernährungszustand. Beiderseits leichte Spitzenaffektion, trockene Rg.

Réntgenbild: Beiderseits vermehrte Hiluszeichnung, besonders rechts.

In 145 Tg. 19 B., insgesamt 584 x. Temp. war stets normal,

Ergebnis: Wesentliche Besserung.

Die katarrhalischen Erscheinungen gingen fast ganz zurück. Gewichtsabnahme 1,5 kg.

Fall 21. 27 J. alt, w., seit einem J. lungenkrank, H. und A.

Befund: Thorax flach. Beiderseits leichte Erkrankung der Spitze und des Hilus. Feinblasige Rg.

Röntgenbild: Beiderseits Spitzen getrübt, Herdschatten und peribronchiale Verdichtungen in beiden Hilus,

In 162 Tg. 23 B., insgesamt 588 x. Temp. war stets normal, abgesehen von menstruellen Störungen.

Ergebnis: Bedeutende Besserung. `

Zurückgehen der Rg. Gewichtszunahme 3,5 kg.

Fall 22. 58 J. alt, m., erblich belastet. Mit 40 J. Pleuritis. Mit 57 J. Kurzatmigkeit und Intoxi- kationserscheinungen, H. und A. mit Tbe.

XXIII, 4. Über die Röntgentherapie der Lungentuberkulose u. die dabei beobachtete Entfieberung. 373

Befund: Kräftig, Struma retrostern. Beiderseits leichte Erkrankung des Oberlappens. Wenige Rg.

Röntgenbild: Beiderseits Herdschatten in den Oberlappen und vermehrte Hiluszeichnung.

In 6 Tg. 4 B., insgesamt 46 x. Temp. war stets normal.

Ergebnis: Durch nur 4 B. konnte der Befund nicht wesentlich beeinflußt werden. Leichte Be- nommenheit nach den B.

Fall 23. 28 J. alt, m., erblich belastet. Mit 12 J. Scharlach. Mit 21 J. Lungenspitzenkatarrh, H. und A. und Kehlkopfleiden.

Befund: Kräftig. L. leichte Spitzenaffektion. Zahlreiche feuchte, großblasige Rg. R. gering- fügige Spitzenaffektion, vereinzelt kleinblasige Rg.

Röntgenbild: L. Spitzenfeld getrübt. Beiderseits Herdschatten im Hilus und peribronchiale Verdichtungen.

In 180 Tg. 11 B., insgesamt 162 x. Temp. war stets normal.

Ergebnis: Günstige Beeinflussung.

Gewichtszunahme 1,5 kg.

Gruppe IU.

Fall 24. 37 J. alt, m, erblich belastet. Mit 12 J. Lungenentzündung, jetzt Mattigkeit, H. u. viel A. mit Tbc., 2mal Haemoptoe.

Befund: Thorax flach. L. schwere Erkrankung des Oberlappens, mittelblasige Rg., pleuritisches Reiben. R. schwere Erkrankung des Ober- und Mittellappens, starke D., zahlreiche kleinblasige Rg., Giemen.

Röntgenbild: Dichte diffuse Herdschatten in den oberen Partien der beiden Lungenfelder.

In 25 Tg 10 B., insgesamt 357 x. Subfebrilität meist um 88° wird durch B. nicht geändert.

Ergebnis: Nicht gebessert.

Befund wird immer schlechter. Exitus.

Fall 25. 17 J. alt, w, mit 10 J. Driisenschwellung. Mit 14 J. Lungenspitzenkatarrh, jetzt wenig H. u. A. mit Tbe. Nachtschweiße.

Befund: Grazil gebaut, Thorax flach. L. mittelschwere Erkrankungsherde in der Spitze und im Unterlappen, kleinblasige, zum Teil klingende Rg. R. leichte Spitzen- und Hiluserkrankung. Leichte Aortenstenose.

Röntgenbild: L. Spitze getrübt, zahlreiche Herdschatten. R. diffuse dichte Trübungen, beider- seits peribronchiale Verdichtungen vom Hilus nach unten ziehend.

In 12 Tg. 5 B., insgesamt 42 x. Fieber bis 39° wird durch die B. nicht beeinflußt.

Ergebnis: Keine Besserung.

(Auf Wunsch zu früh entlassen.) Gewichtsabnahme 1 kg.

Fall 26. 21 J. alt, m., erblich belastet. Mit 21 J. 3mal Bluthusten. Tbe. im Auswurf. Mitunter Nachtschweiß.

Befund: Schwächlich, Thorax flach, r. beim Atmen nachschleppend. L. leichte Spitzenaffektion, vereinzelte trockene Rg. R. schwere Erkrankung des Ober- und Mittellappens, zahlreiche mittelblasige Rg.

Röntgenbild: L. Spitze etwas getrübt, Schatten im Hilus. R. dichte Schatten im ganzen Feld, unten etwas heller.

In 14 Tg. 6 B., insgesamt 57 x. Fieber oft über 39° wird durch B. nicht beeinflußt.

Ergebnis: Keine Besserung.

Öfters Haemoptoe. Rg. nehmen immer mehr zu. Kehlkopftuberkulose. Exitus.

Sektionsbefund: Chron. azinöse, konfluir. Tbc. beider Lungen. R. gangr. jauchige, kavernen- bildende Prozesse. Mikrosköpisch: R. neben den gangr. Prozessen ausgedehnte Bronchitis und Peri- bronchitis. Lentikuläre Geschwüre des Larynx.

Fall 27. 41 J. alt, m., erblich belastet. Mit 15 J. Drüsenschwellung, mit 40 J. Mattigkeit, Nacht- schweiße, Gewichtsabnahme, H. u. A. mit reichlich Tbe.

Befund: Schwächlich, Thorax schmal. L. leichte Spitzenaffektion. R. schwere Erkrankung des Oberlappens, mittelblasige Rg., über der ganzen Lunge vereinzelte Rg.

Röntgenbild: L. vereinzelte Herdschatten. R. diffuse Trübungen, Herdschatten im Oberlappen und am Hilus. Die ganze Seite geschrumpft.

In 97 Tg. 32 B., insgesamt 1030 x. Subfebrilität bis 38,2°, im Verlauf der ersten 15 B. um 37,6°, dann wieder langsamer Anstieg bis 39,2°.

Ergebnis: Keine Besserung.

Befund wird immer schlechter. Gewichtsabnahme von 7,4 kg., hauptsächlich infolge einer Darmtbec. Exitus.

374 Berns. XXIII, 4.

Fall 28. 33 J. alt, m., erblich belastet. Mit 29 J. Lungenentzündung und Pleuritis. Dann 2mal Haemoptoe. Mattigkeit, Nachtschweiße, Gewichtsabnahme, Darmfistel. Sehr viel H. u. A. mit The.

Befund: Thorax flach. L. leichte Spitzenaffektion. R. schwere Erkrankung des Oberlappens, kleinblasige Rg.

Röntgenbild: L. Spitze getrübt, diffuse Herdschatten und peribronchiale Verdichtungen. R. Spitze stark getrübt. Diffuse Herdschatten und peribronchiale Verdichtungen, Zwerchfelladhäsion.

In 40 Tg. 12 B., insgesamt 314 x. Subfebrilitét um 37,9, steigerte sich nach verschiedenen B. über 38°. Im ganzen wurde das Bild der Temp.-Kurve nicht beeinflußt.

Ergebnis: Geringe günstige Beeinflussung.

Kehlkopftbe. Gewichtsabnahme 2,5 kg. Patient verläßt die Anstalt, da er sich gebessert fühlt. Nach anfänglicher Verschlimmerung gingen die katarrhalischen Geräusche erheblich zurück. Herzklopfen im Anschluß an die B.

Fall 29. 23 J. alt, m., erblich belastet. Mit 20 J. starke Haemoptoe, vorher schon an Lungen- katarrh erkrankt.

Befund: Thorax flach. L. leichte Spitzenaffektion, r. leichte Erkrankung des Oberlappens und der Hilusgegend. Feinblasige Rg.

Röntgenbild: R. Spitzenfeld leicht getrübt; sonst beiderseits starke Hiluszeichnung, peribron- chiale Verdichtungen, kleine Herdschatten.

In 120 Tg. 29 B., insgesamt 496 x. Temp. ziemlich normal. Nach 7 B. Subfebrilität bis 37,8°. Dann fällt die Temp. bis 37,5° und hält sich so bis zum Schluß der B.

Ergebnis: Keine wesentliche Beeinflussung.

Oft Benommenheit nach den B., auch Erbrechen und Durchfall.

Fall 30. 16 J. alt, m., erblich belastet. Mit 7 J. Lungenentzündung, mit 16 J. Influenza und Drüsenschwellung.

Befund: Schwächlich; Thorax flach. Drüsenkranz am Hals. L. geringe Spitzenaffektion und Bronchialdrüsentumor.

Röntgenbild: In der |. Hilusgegend abgegrenzter, intensiver Schatten, Herz nach r. verlagert.

In 195 Tg. 22 B, insgesamt 310 x. Temp. anfangs subfebril, bis 38°, bei Beginn der B. aber normal. Nach anfänglichem Anstieg der Temp. bis 37,7° wurden von der 10. B. an normale Werte erreicht.

Ergebnis: Günstige Beeinflussung.

Gewichtszunahme von 2,3 kg. (Die Halsdrüsen vergrößerten sich stark, erweichten und entleerten sich spontan.)

In Gruppe I sind diejenigen Fälle zusammengestellt, bei welchen fieberhafte oder sub- febrile Temperaturen durch B. sofort oder nach und nach zu normalen Werten übergeführt wurden (Fälle 1—14).

Gruppe II faßt die Fälle (15—23) zusammen, die bei Beginn und im Verlauf der B. normale Temp. aufwiesen. Bei den Fällen 15—18 (Gruppe Ila) zeigte sich ein spezifischer Einfluß der B. selbst auf normale Temp.

Gruppe III umfaßt die Fälle (24—30), bei welchen sich keine Einwirkung der B. auf die Temperaturverhältnisse zeigte.

Das augenscheinlichste Ergebnis dieser 30 Bestrahlungskuren ist eine in 18 Fällen beobachtete Herabminderung der Körpertemperatur, eine spezifische Entfieberung, die manchmal allmählich, manchmal aber auch sofort eingetreten war. So erinnere ich mich eines Falles, den ich vor Kriegsausbruch drei Tage lang beobachten konnte. Eine Patientin hatte einige Zeit hoch gefiebert, um 39%. Nach der ersten B. erreichte sie sofort normale Tem- peratur; sie hielt sich jene 3 Tage unter 87°! Ähnliche Erscheinungen wurden in sehr vielen Fällen beobachtet. Nach geringem, unmittelbar nach einer Bestrahlung auftretendem, unbe- deutendem Temperaturanstieg trat ein typischer Temperatursturz ein; einige Zeit hielt sich nun die Temperatur erheblich tiefer als vor der Bestrahlung und stieg dann allmählich wieder an.

Vielleicht vermögen diese Verhältnisse Wesen und Ursache des Fiebers bei Lungentuber- kulose etwas zu klären. Strümpell hält es für wahrscheinlich, daß dieses Fieber in vielen Fällen durch den tuberkulösen Prozeß an sich, durch Toxinbildung bedingt sei; doch frage es sich noch, ob es schließlich erst durch sekundäre entzündliche Prozesse, sowie durch Resorption septischer und toxischer Substanzen aus dem sich zersetzenden Bronchial- und Kavernensekret

XXIII, 4. Über die Röntgentherapie der Lungentuberkulose u. die dabei beobachtete Entfieberung. 375

entstehe. Nimmt man ganz allgemein an, es würde durch die Giftwirkung des tuberkulös erkrankten Gewebes verursacht, so würden die Fälle, bei welchen die spezifische Entfieberung eintrat, den Beweis liefern, daß es möglich ist, durch Bestrahlung den tuberkulösen Herd zu entgiften, ein Ergebnis, das für Drüsen- und Gelenktuberkulose von Iselin schon festgestellt worden ist.

Bevor ich auf die Ätiologie dieser „Entgiftung“ näher eingehe, möchte ich die anatomisch- mikroskopischen Bilder bestrahlter Lungen, wie sie Küpferle beschrieben hat, hier anführen: „Es zeigte sich in den an den verschiedensten Stellen der Lungen entnommenen Teilen eine auffallende Entwicklung des hyalinen Bindegewebes, das an Stelle des tuberkulösen Granulationsgewebes getreten war. Besonders deutlich sind diese Unterschiede an der Grenze zwischen krankem und gesundem Gewebe erkennbar. Hier sieht man an den Lungenschnitten der bestrahlten Tiere eine intensive Bindegewebsentwicklung, die einerseits in die tuberkulös erkrankten Teile hinein sich erstreckt, die Zerfallsherde umwuchert und abkapselt, auf der andern Seite auch gegen das gesunde Gewebe hin vordringt.“

Die biologische Wirksamkeit der Röntgenstrahlen beruht in einer Schädigung von Zellen mit sehr lebhaftem Stoffwechsel, von Geweben, in denen unablässig lebhafte Zellregeneration stattfindet. Die üppig wuchernden Zellen des tuberkulösen Granulationsgewebes werden also durch richtig dosierte Strahlen vernichtet, und so ist die physiologische Neigung des erkrankten Lungengewebes zur Bindegewebsentwicklung nicht mehr beeinträchtigt. Ob die Bindegewebs- zellen mit ihrem im Vergleich zu den Granulationsgewebszellen sehr trägen Stoffwechsel durch die Röntgenstrahlen zu intensiverem Stoffwechsel angeregt werden, ob die Röntgenstrahlen viel- leicht auch einen anregenden Einfluß auf die in jedem Entzündungsherd vorhandenen phago. zytären Zellen ausüben, das sei dahingestellt.

Die Ursache der Entgiftung scheint also darin zu liegen, daß die Gifte des Zerfallsherdes, rings umschlossen von dem Bindegewebswall, nicht wieder die Möglichkeit haben, den Orga- nismus zur Bildung von Granulationsgewebe zu veranlassen, daß ferner vielleicht gleichzeitig die Phagozyten lebhafter und erfolgreicher den Kampf gegen die Tuberkelbazillen aufnehmen. Infolgedessen sinkt das Fieber.

Ein nennenswerter Einfluß der Röntgenstrahlen auf Tuberkelbazillen konnte bisher trotz vieler Versuche nicht festgestellt werden. Es erscheint demnach wohl ausgeschlossen, daß durch die Strahlen die im Erkrankungsherd vorhandenen Tuberkelbazillen abgetötet werden. Sie liefern weiter ihre Toxine und diese müßten weiter Fieber erzeugen, wenn das Fieber bei Lungentuberkulose wirklich ein reines Toxinfieber ware. Es scheint also, als ob das Granu- lationsgewebe in erster Linie Ursache des Fiebers sei, als ob es sich hier ausschließlich um ein Resorptionsfieber handele.

Viele Forscher haben es sich in den letzten Jahren zur Aufgabe gemacht, Ursache und Wesen des Fiebers tiefer zu ergründen. Auf dem Wiesbadener Kongreß 1913 kam das so recht zum Ausdruck. Krehl hat damals die denkwürdigen Worte ausgesprochen: „Eine kühne Phantasie könnte sogar eine Brücke zu schlagen geneigt sein zwischen der automatischen Unter- haltung der Normaltemperatur durch nicht fertig abgebaute Produkte des normalen Stoff- wechsels und der Temperatursteigerung durch krankhaft veränderte.“ Durch diese Ansicht, die heutzutage immer mehr Anerkennung zu gewinnen scheint, würden die komplizierten und viel umstrittenen Erscheinungsbilder des Fiebers auf eine einfache Formel gebracht werden. Und in der Tat, es scheint recht natürlich und selbstverständlich zu sein, Normal- und Fieber- temperatur für wesensgleich zu halten. Die optimale Temperatur für die jeweilige Inten- sität des Stoffwechsels, sei er nun normal oder krankhaft gesteigert, würde also im Organismus durch die regulatorische Tätigkeit des Temperaturzentrums eingestellt. Der physiologische Reiz für letzteres ist unvollkommen abgebautes, artfremdes oder nicht organisiertes Eiweiß, oder dessen Produkt, das Anaphylatoxin, und solches Eiweiß liefert ja sowohl*normaler als auch krankhafter Stoffwechsel.

376 Berns. XXIII, 4.

Unsere durch Strahlentherapie bei Lungentuberkulose erzielten Resultate scheinen diese Fiebertheorie weitgehend zu stützen. Die so oft beobachteten Entfieberungen können, nach dem anatomisch-mikroskopischen Bilde zu urteilen, nur durch Vernichtung des tuberkulösen Granulationsgewebes und die daran anschließende stärkere Bindegewebsentwicklung verursacht worden sein. Durch die Bestrahlungen werden die Erkrankungsherde allmählich abgekapselt und langsam entgiftet den Tuberkelbazillen wird der Nährboden genommen. Es gelangen immer weniger Herdgifte und Zerfallsprodukte durch das hyperämische Granulationsgewebe in die Blut- und Lymphbahnen vielleicht üben die nun von Bindegewebe immer stärker um- kapselten Zerfallsprodukte einen stärkeren Fremdkörperreiz aus und werden ausgehustet, wo- durch sich die bei den Bestrahlungen beobachtete, anfängliche Vermehrung des Auswurfes er- klären ließe. Schließlich wird durch die Entlastung des Stoffwechsels von Fieberstoffen der fieberfreie Zustand erreicht.

Manchmal zeigten sich diese Erfolge schon nach einer oder nach einigen Bestrahlungen, manchmal erst im Verlaufe der Bestrahlungskur. Die Gründe dafür sind sehr verschieden. Selbstverständlich hat nicht nur die Strahlendosis die Temperaturverhältnisse unserer Patienten beeinflußt, vielmehr spielten da alle anderen Momente, Erkrankungsgrad, Konstitution, Psyche, auch noch mit. So half z. B. sicherlich die bisher ungewohnte, ständige Bettruhe bei vielen, neu in die Klinik aufgenommenen Patienten vorhandene Subfebrilität zu beseitigen, während andererseits irgendwelche Gemütserregungen, frische Erkältungen oder Menstruation Temperatur- erhöhungen brachten. Daß aber dauernde Entfieberung in verhältnismäßig viel kürzerer Zeit eintrat als bei anderen Behandlungsmethoden, daß ferner überaus häufig nach einzelnen Be- strahlungen ein typischer Temperatursturz beobachtet wurde, das sind die Beweise für eine spezifische Entfieberung der Lungentuberkulose durch Röntgenstrahlen.

Am schwersten ist der erwähnte Temperatursturz zu deuten. Nach vorübergehendem, geringem Temperaturanstieg, sinkt bald nach den einzelnen Bestrahlungen die Temperatur, hält sich 12 bis 24 Std. oder auch noch länger bis zu einem Grade oder mehr tiefer als früher, und steigt dann wieder langsam an. Vielleicht sind in solchen Fällen die Zellen des Granu- lationsgewebes nur vorübergehend geschädigt, gleichsam betäubt und unfähig geworden, die Herdgifte aufzunehmen und zur Resorption zu bringen. In dieser Zeit hätte dann der Organis- mus infolge Wegfalles der Herdgifte nicht mehr so viel Stoffwechselarbeit zu leisten, als seiner eben noch innegehaltenen Temperatur entsprechen würde, weshalb letztere vorübergehend sinken müßte. Diese Annahme müßte naturgemäß sowohl für erhöhte als auch für normale Temperaturen gelten; denn auch der Kranke mit normaler Temperatur hat Herdgifte zu verbrennen, nur befindet er sich in einer Art Kompensationsstadium seiner Temperaturverhältnisse. Und in der Tat scheinen die Fälle der Gruppe [la diese Annahme zu beweisen; ihre Temperatur- senkungen um einige Zehntelgrade nach Bestrahlung sprechen dafür. Insbesondere könnte man von Fall 15 sagen, daß nach Ausschaltung der Fieberstoffe aus dem Kreislauf und nach Beseitigung aller anregenden Einflüsse durch die Bettruhe, die optimale Temperatur für den jetzigen Stoffwechsel des Patienten bei Werten um 86,1% lag. Auch beim Gesunden sinkt ja die Temperatur bei minimalsten Anforderungen an seinen Stoffumsatz.

Die Gruppe Ill umfaßt 7 Fälle, bei welchen die Temperaturen durch Bestrahlung nicht beeinflußt wurden. Das ist ein verhältnismäßig sehr hoher Prozentsatz. Dazu ist zu sagen, daß bei den ersten Versuchen, die Lungentuberkulose strahlentherapeutisch zu beeinflussen, auch die Einwirkung auf sehr schwere Fälle der Vollständigkeit halber erprobt werden mußte. So waren die Fälle 24, 26 und 27 von vorneherein verzweifelt und kamen zum Exitus. An Fall 27 zeigt sich aber selbst hier noch die spezifische Einwirkung in einer Herabminderung der Subfebrilität von Werten bis 38,2° zu Werten um 87,6° im Verlaufe der ersten 15 Be- strahlungen; freilich gewann schließlich die schwere Erkrankung, insbesondere auch seine Darm- tuberkulose, die Oberhand. |

Einer besonderen Besprechung bedürfen die 3 letzten Fälle. Nach den Erfahrungen an

XXIII, 4. Über die Röntgentherapie der Lungentuberkulose u. die dabei beobachtete Entfieberung. 377

andern Patienten hätte wohl Fall 28 schließlich auch noch normale Temperatur erreicht, wenn er die Kur länger durchgeführt hätte. Seine Temperatursteigerungen nach verschiedenen Be- strahlungen finden ebenso wie die Temperaturerhöhung im Verlaufe der Kur bei Fall 29 ihre Erklärung in verschiedenen Momenten. Gemütserregungen oder Furcht vor den Folgeerscheinungen der Bestrahlungen, die noch besprochen werden, spielen hier eine besondere Rolle. Bei Fall 30 ist die Temperatursteigerung im Verlaufe der ersten 10 Bestrahlungen durch die besondere Fieberquelle der Halsdrüsenerkrankung erklärt. Nach dem Gesamtbilde können die Fälle 28 und 30 zu den günstig beeinflußten Fällen gerechnet werden, so daß nur 16,7°/, unserer Fälle nicht den erwünschten Erfolg brachten, eine Verhältniszahl, die bei weiterem Ausbau der Be- strahlungskuren und bei Eliminierung der moribunden Kranken sicherlich noch erheblich ver- ringert werden kann. Auf Grund des anatomisch-mikroskopischen Bildes kann es wohl als ausgemacht gelten, daß durch Bestrahlung Dauererfolge erzielt werden; sicher erwiesen ist das bis jetzt allerdings noch nicht und Nachuntersuchungen anzustellen, war mir leider un- möglich geworden.

Kurz vor Fertigstellen meiner Arbeit wurde ich von Herrn Professor Forschbach- Breslau auf Fränkels Arbeit: „Die Röntgenstrahlen im Kampf gegen die Tuberkulose, speziell der Lungen® aufmerksam gemacht. Fränkels Resultate stimmen in vieler Beziehung mit den Freiburger Ergebnissen überein, obwohl verschiedenartige Technik angewandt wurde Während in Freiburg das Hauptgewicht auf direkte Herdbestrahlung gelegt wird, bedient sich Fränkel einer Kombination von Herdbestrahlung und allgemeiner Bestrahlung von Thorax und Milz, wobei er einen besonderen Bestrahlungsstuhl verwendet. Leichtere Fälle bestrahlte er mit mittelstarken Dosen, um den Erkrankungsherd der Resorption zugänglicher zu machen, schwerere Fälle mit sehr starken Dosen, um das tuberkulöse Gewebe direkt zum Zerfall zu bringen. In Freiburg wurde in allen Fällen stärkste Strahlung angewandt. Hier wie dort dauerte eine Kur durchschnittlich 8—4 Monate. Die positiven Resultate Fränkels betragen 80°/,, in Freiburg 88,3°/,, wobei es sich dort und hier fast nur um Fälle des ersten und zweiten Stadiums handelte,

Besonders interessant ist es, daß auf beiden Seiten fast die gleichen Ergebnisse erzielt wurden. Fränkel schreibt: „Als erste Beobachtung steht im Vordergrund das Sistieren der so quälenden Schleimsekretion, des Hustens, Abnahme des tuberkulösen Sputums. Parallel ging dabei Gewichtszunahme, Schwinden der Lungenstiche.* Weiter berichtet Frankel über Hebung des Allgemeinbefindens und des Appetites, über freiere Atmung. Genau so in Frei- burg. Viele Patienten fühlten sich allmählich immer wohler, verloren Husten und Auswurf, allerdings nach anfänglicher Steigerung, oft gänzlich, wobei gleichzeitig die katarrhalischen Geräusche über den Lungen erheblich zurückgingen. Auch Fränkel berichtet: „Pathologische Atmungsgeräusche schwinden in auffallender Weise, besonders an den Spitzen.“

Jber seine Temperaturbeobachtungen schreibt Fränkel: „Anfängliche Fiebersteigerung ist ein Zeichen für günstige Röntgenbeeinflussung. Ich fasse den Fieberanstieg als ein Frei- werden von Giftstoffen im Körper durch Strahlenwirkung auf, als ein Einsetzen von wichtigen Immunisierungsvorgängen, denen dann die Entgiftung und Entfieberung folgt.“

Abgesehen von den schon besprochenen Fällen Nr. 28, 29 und 30 sind in Freiburg Temperaturerhöhungen, wie sie Fränkel zu Beginn der Röntgenbehandlung bei den „Spuckern* fast ausnahmslos beobachtete, nicht festgestellt worden. Ob sich diese Gegensätze aus der ver- schiedenartigen Technik erklären, läßt sich nicht ohne weiteres feststellen. Doch dürfte es nicht unwahrscheinlich sein, daß intensivste Herdbestrahlung auf der einen Seite, kombinierte Bestrahlungstechnik auf der andern Seite im Organismus verschiedenartige Temperaturreaktionen auslösen. Vielleicht gelangen bei der lokal nicht so intensiv zerstörend, sondern mehr an- reizend auf das Granulationsgewebe wirkenden Kombinationsbehandlung die Fieberstoffe haupt- sächlich auf dem Blut- und Lymphwege zur Resorption und Vernichtung, müßten dann also

anfänglich Fieber erzeugen, während bei der lokal sehr wirksamen, intensiven Herd- Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrablen. XXIL. 48

378 Berns. XXIII, 4.

bestrahlung nach den früheren Ausführungen Fieberstoffe in immer geringerem Maße zur Resorption gelangen, und vielleicht in der Hauptsache mit dem Auswurf entfernt werden, wofür die in Freiburg beobachtete anfängliche Vermehrung der Auswurfmenge sprechen würde.

Und schließlich ist die in Freiburg beobachtete vorübergehende Temperaturerhöhung un- mittelbar vor dem typischen Temperatursturz vielleicht den von Fränkel beschriebenen Temperaturerhöhungen analog. Man könnte nach den obenstehenden Ausführungen annehmen, daß zu Beginn einer einzelnen Herdbestrahlung, so lange die volle Wirksamkeit noch nicht erreicht ist, Giftstoffe vermehrt resorbiert werden, was jedoch sofort sistiert, sobald die starke Dosis voll zur Wirkung gelangt ist.

Schließlich wären noch die Nebenerscheinungen zu erwähnen, die im Verlaufe von Be- strahlungskuren in Freiburg beobachtet wurden. In vielen Fällen traten Beschwerden ein, z. B. Benommenheit, Mattigkeit, Kopfschmerz, Schwindel, Beklemmungen, Herzklopfen, Stiche in der Brust, ja selbst Erbrechen und Durchfall bei Fall 29. Alle diese Erscheinungen waren wohl zum größten Teil in der nervösen Disposition der einzelnen Individuen begründet; jeden- falls stellten sich aber in keinem Falle beängstigende oder kontraindizierende Symptome ein.

Weiteren Versuchen ist es vorbehalten zu entscheiden, ob die Strahlentherapie bei Lungen- tuberkulose die hohen Erwartungen, welche man nach den bisherigen Ergebnissen an sie stellen darf, wirklich erfüllt, ob sie erfolgreich genug sein wird, sich ein großes Betätigungsfeld in der Behandlungsweise von Lungenerkrankungen zu erobern. Vielleicht ist sie imstande, die Ansichten über Antipyrese zu beeinflussen; spricht sie doch einerseits dafür, daß im Grunde das Fieber für den Organismus keine schädliche, vielmehr eine zweckdienliche Einrichtung ist, daß es also im allgemeinen nicht vorteilhaft ist, dasselbe mit Antipyreticis zu bekämpfen. Andererseits vermag die Strahlentherapie die Ursache des Fiebers zu bekämpfen und zu be- seitigen und auf diese Weise den Organismus von den ihn rasch erschöpfenden Einwirkungen febriler oder subfebriler Temperaturen zu befreien. Ganz besonders scheint die Strahlen- therapie indiziert zu sein zur Behandlung der Fälle, welche unter langdauernder Subfebrilität zu leiden haben.

Sicherlich wird diese neue Behandlungsweise die früheren niemals aus dem Felde zu schlagen vermögen. Im Gegenteil, ein Heben der Körperkräfte durch richtige Diät und Aufenthalt in gesundem Klima, leichte Bewegung, abwechselnd mit geordneter Liegekur, ins- besondere aber die geregelte Lebensweise eines Sanatoriums und die darin gegebene Möglich- keit der ständigen ärztlichen Überwachung werden die Erfolge der Strahlentherapie weitgehend fördern und vor allem festigen. Mithin erscheinen Lungensanatorien die geeigneten Stätten zu sein, welche am vorteilhaftesten Strahlentherapie in Anwendung bringen könnten.

Es ist mir eine angenehme Pflicht, Herrn Privatdozent Dr. Küpferle, welcher mir in zuvorkommender Weise die Freiburger Aufzeichnungen zugänglich machte und mich an den dortigen Versuchen nach Belieben teilnehmen ließ, sowie Herrn Professor Dr. Forschbach in Breslau für viele Anregungen und für das Interesse, das er meiner Arbeit entgegen brachte, an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank auszusprechen,

Literatur.

Aronsohn: Das Wesen des Fiebers. Deutsche med. Wochenschrift 1902, Nr. 5.

Barnum, O. Shephard: The high frequency current and the X rays in pulmonary tuberculosis, The Arch. of Phys. Ther., August 1905. Ref. Arch. of the Roentgen rays 1905, Vol. X, Nr. 6, p. 167.

Bergonié und Mongour, Einfluß der Röntgenstrahlen auf die Lungentuberkulose. Académie de med, (Paris), 13. VII. 1897. Ref. Münchener med. Wochenschr. 1897, Nr. 32, S. 898,

Bergonié und Tessier, Action thérapeutique des rayons X sur la tuberculose. Arch, d’éléctr. méd., 15. XI. et 15. XII. 1898. Gazette des hôpitaux, 13. VIII. 1898 et Les rayons X, 1. X. 1898.

XXIII, 4. Schutz gegen Kadiumstrahlen. 879

Cornet: Die Tuberkulose. Verlag Alfred Hölder, Wien 1907.

Fränkel: Die Köntgenstrahlen im Kampf gegen die Tuberkulose, speziell der Lungen. Fortschr. a. d. Gebiet der Röntgenstr. Bd. XXII, Heft 5.

Gaston: Uber die Wirkung der Radiotherapie auf die Lungentuberkulose. III. intern. Kongreß für Elektrologie und Radiologie zu Mailand. Ref. Zeitschr. für Elektrologie u. Röntgenkunde. Bd. IX, Heft 1, S. 23.

Hazleton-London: Phtisis treated by the Röntgen rays, Lanced 1902, Vol. I, p. 121.

Hirsch, Müller u. Rolly: Experimentelle Untersuchungen zur Lehre vom Fieber. Deutsches Archiv für klinische Medizin, Bd. LXXV. |

Iselin: Entgiftung des tuberkulösen Herdes durch Röntgenbestrahlung. Deutsche med. Wochenschr. 1913, Nr. 7 u. 8.

Küpferle u. Bacmeister: Die Beeinflussung experimenteller Lungentuberkulose durch Röntgenstrahlen.

Deutsche med. Wochenschr. 1913, Nr. 33.

Küpferle: Experimentelle Untersuchungen über die Röntgenbehandlung der Lungentuberkulose. „Strahlentherapie“, Bd. DI (1913), Heft 2.

Küpferle: Experimentelle Studien zur Röntgenbehandlung der Lungentuberkulose. Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstr. Bd. XXI.

Lortet et Genoud: Künstliche Tuberkulose durch Röntgenstrahlen geschwächt. Comptes rendus 1896, 122, p. 1511—1512.

Lortet et Genoud: Tuberculose expérimentale attenuée par les radiations de Roentgen. La semaine med. 1896, p. 266. Gazette des höpitaux 1896, Nr. 78. Mühsam-Berlin: Versuche mit Röntgenstrahlen bei experimenteller Tuberkulose. Freie Vereinigung d. Chirurgen 10. I. 1898. Ref. Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstr. 1898, Bd. I, Heft 6, S. 242, Mühsam: Versuche mit Röntgenstrahlen bei experimenteller Tuberkulose. Deutsche med. Wochenschr. 1898, Nr. 45, S. 715.

Ostenfeld: Zur Frage der Entfieberung Lungentuberkuléser. Klinik der Tuberkulose. III, p. 319.

Pancoast-Philadelphia: The X rays in the treatment of deep seated tuberculosis, Therap. Gazette 15. VIII. 1905. Ref. Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstr., Bd. IX, Heft 6, S. 408.

Pottenger: A study of fevor in tuberculosis with reference to its causation and treatment. Zentralblatt fir Lungentuberkulose. VI (1912), p. 366

Strümpell: Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie. Bd. I, S. 308.

Verschiedene Autoren: Verhandlungen des deutschen Kongresses für innere Medizin. 30. Kongreß. Wiesbaden 1913,

Wild: Über vollkommene und unvollkommene Entfieberung bei hochfieberhafter Lungentuberkulose, Klinik d. Tuberkulose ITI, S. 180.

Abkürzungen:

A. = Auswurf m. == männlich

B. = Bestrahlung r. = rechts

D. = Dämpfung Rg. = Rasselgeräusch H. Husten Tg. = Tag

J. = Jahr Tbe. = Tuberkelbazillen l = links w == weiblich,

(Aus dem Frauenspitale Basel-Stadt.)

Schutz gegen Radiumstrahlen. Von Otto von Herff.

Radiumstrahlen schädigen mit der Zeit jede organische Substanz, lebende oder tote, so sehr, daß man von einer Zerstörung sprechen kann. Diese Schädigung hängt unter anderem von der Stärke und der Anwendungsdauer der strahlenden Substanz, der Menge und der Art der Strahlen ab. Die Radiumstrahlen müssen genau wie die Röntgenstrahlen mit der Zeit jene Personen schädigen, die sich ständig diesen auszusetzen haben. Diese zu schützen, so gut es eben möglich ist, gehört zu den wichtigsten Aufgaben der verantwortlichen Leiter von Be-

48*

380 von Herff. XXIII, 4.

strahlungsinstituten. Gelegentlich einer kurzen Studienreise hörte ich und sah ich in ver- schiedenen deutschen Kliniken, daß Radiumschädigungen vorgekommen sind: Hautentzündungen bis zur Blasenbildung, Schwielen an den Fingerspitzen, schwere Nägelveränderungen usw. Auch von anderer Seite wurde mir erzählt, daß sich Angestellte von Radiumgeschäften bei dem Verteilen und dem Versorgen von Radiumsalzen mehr oder weniger schwere Schädigungen zugezogen hätten. Diese Fälle würden veröffentlicht werden, doch scheint dies noch nicht geschehen zu sein. Als einzigen Schutz fand ich nur den Gebrauch von Gummihandschuhen, die überdies wohl in erster Linie aus Sauberkeitsgründen angezogen werden.

Ich erachte es daher für unumgänglich notwendig, daß der Frage des Schutzes gegen Radiumstrahlen eine unausgesetzte Aufmerksamkeit zugewendet wird. Vielleicht kommt man durch eine Umfrage oder Sammelforschung dem Ziel näher, indem man zunächst festzu- stellen sucht:

a) Welche Schädigungen und wie oft solche bei wissenschaftlicher, ärztlicher und in- dustrieller Radiumbeschäftigung vorgekommen sind? b) Welche Schutzmaßregeln gegen solche Schädigungen des Personals in Übung sind?

Ich für meinen Teil habe mir von Anbeginn der Radiumbestrahlungen in meiner Anstalt, dem Frauenspitale Basel-Stadt, vorgenommen, meine besondere Aufmerksamkeit dieser so wichtigen Schutzfrage zuzuwenden. Aus diesem Grunde pflege ich selbst die Radiumhülsen bei den Kranken fast nur Karzinome der Gebärmutter einzulegen.

Außer dem Gebrauch von Gummihandschuhen, deren Wert als Schutzmaßregel nur gering sein dürfte, habe ich bisher nur jenen Schutz kennen gelernt:

1. Radiumhülsen so wenig und so kurz wie nur irgend möglich mit den Fingern zu berühren, 2. alle Handlungen in möglichster Entfernung von den Hülsen vorzunehmen.

Ad. 1. Ein Auswechseln des Sekundärfilters, der bei mir aus Messing besteht, geschieht so selten wie möglich, eigentlich nur dann, wenn die Präparate einmal nicht gebraucht werden und bestimmungsgemäß in Bleizylindern in einem Sicherheitsfache aufbewahrt werden müssen, denn das Frauenspital ist gegen Verlust aller Art versichert. Bei dieser Gelegenheit wird die innere silberne Hülse mit den bekannten Pinzetten gefaßt. Das dauert nur wenige Sekunden und dieser Zeitraum kann bei seiner relativen Seltenheit außer Rechnung bleiben.

Bei dieser Anordnung werden die Alphastrahlen und die primären Betastrahlen des Radiumsalzes wohl vollständig abgefangen.

Die Radiumträger entsenden außer den Gammastrahlen nur noch sekundäre Beta- strahlen, von welchen beiden allein Gefahr droht und gegen welche das Personal geschützt werden muß. Gefahr droht während der Reinigung, sowie der Sicherung der Hülsen zur Bestrahlung, sodann während der Anbringung etwaiger Zusatzfilter, die die sekundären Betastrahlen, die von dem Metallfilter ausgehen, abfangen oder unschädlicher machen sollen, schließlich während des Einlegens oder der Befestigung des Präparates am Krankheitsherde selbst.

Der Wirkung der so stark durchdringenden Gammastrahlung wird man stets ausgesetzt bleiben deren Gefahr hat man in Kauf zu nehmen, wie so manches andere in unserem Berufe. Man wird immerhin ihre schädigende Wirkung dadurch zu mindern suchen, daß man alle Hantierungen in einer angemessenen Entfernung von den Hülsen vornimmt; 10—15 cm werden wohl genügen. Diese, zurzeit vielleicht einzige mögliche Vorsichtsmaßregel wird so streng wie nur möglich durchgeführt, wobei. auch die sekundären Betastrahlen, die ja anscheinend weniger gefährlich als die primären sind, berücksichtigt werden.

Die Radiumträger werden ausschließlich mit eigens geformten Faßzangen, die ein Er- greifen auch aus tieferen Gefäßen oder Schüsseln leicht ermöglichen, gefaßt.

Unser Radiumsulphat, zwei Portionen zu je 25 mmg, liegt in einem Glasröhrchen, das dauernd durch eine dünne silberne Hülse gegen mechanische Schädigung geschützt wird. Beim Gebrauch werden sie zur weiteren Filterung der Strahlen in eine messingene Kapsel gebracht.

XXIII, 4. Schutz gegen Radiumstrahlen. 381

Die Hülsen besitzen einen weiten silbernen Ring, an welchem eine etwa 70 cm lange silberne Kette!) befestigt wird. Diese trägt an ihrem einen Ende einen kleinen Uhrenkarabiner- haken, der mit einer Schraube gesichert werden kann Federn werden bald unbrauchbar. Etwa 80 cm von diesem Ende befindet sich ein Ring. Der Karabinerhaken wird mit einer langen Pinzette oder Kornzange durch den Ring der Hülse geführt und an dem Kettenring befestigt. Die Finger bleiben somit in einiger Entfernung von dem Radiumsalz. Am anderen Ende der Kette befindet sich ein zweiter Ring, mit welchem man während der Bestrahlungs- dauer die Kette an einem festen und breiten Leibgurt so befestigen kann, daß unvernünftige oder böswillige Patientinnen sie nicht so leicht entfernen können. Das geschieht mit einer besonderen Sicherheitsnadel, an welcher ein kleines Sicherheitsschlößchen so angehängt wird, daß die Nadel nicht geöffnet werden kann doch dies nur nebenbei?).

Die Reinigung gebrauchter Hülsen führe ich so aus:

Kette und Hülse werden zunächst in einer bakteriziden Flüssigkeit ich verwende hierzu Aniodol abgeschwenkt, erstere losgelöst und in kochendem Wasser entkeimt. Die Hülsen kommen in Tetrachloräthylenseifenspiritus, dessen keimtötende Kraft sehr groß ist. Mit einer besonders geformten harten Bürste, die einen langen Stiel besitzt, wird die Hülse, die in der Faßzange liegt, tüchtig abgebürstet und wieder in den genannten Seifenspiritus ge- legt. Inzwischen sind die Ketten ausgekocht worden, sie werden wiederum an die Hülsen befestigt und in der Aniodollösung, bis die neue Kranke hergerichtet ist, gelegt. Dieser Teil, während welchem sich die Finger möglichst weit von den Radiumhülsen, möglichst außerhalb der Reichweite der Betastrahlen zu halten suchen, dauert etwa 3—4 Minuten. Bei täglich einmaligem Einlegen würden die Hände wie der Körper des Arztes im Jahre an 18—24 Stun- den den Gammastrahlen ausgesetzt sein, freilich in einer Entfernung, die die Wirkung dieser Strahlen doch in etwas abschwächen dürfte.

Während der Anbringung der letzten Schutzhüllen um die Hülsen, Watte, Kofferdam usw. läßt es sich natürlich nicht vermeiden, daß die behandschuhten Finger in unmittelbare Be- rührung mit diesen kommen, daß sie sich somit auch den sekundären Betastrahlen aussetzen. Diesen Zeitraum berechne ich auf etwa 30 Sekunden. Solches würde im Jahre bei 360 Tagen und einer Kranken eine Bestrahlungsdauer von drei Stunden nicht überschreiten. Beide Akte zusammen ergeben 21—27 Stunden im Jahre, immerhin eine Zeitspanne, die auf die Länge nicht vernachlässigt werden darf. Bei 25 mg Radiumelement und einem täglich einmaligen Einlegen wäre, sofern eine Selbststeigerung nicht eintritt, eine Schädigung vielleicht erst nach zehn Jahren zu befürchten sein, ein Zeitraum; der um so kürzer sein dürfte, je größer die angewandte Radium- menge und je mehr Kranke täglich zu behandeln sind. Selbstverständlich ist diese Schätzung unbeweisbar, da auf dem Gebiete des Schutzes gegen Radiumschädigungen so gut; wie keine weitergehende Erfahrungen vorliegen. Die Gefahr dürfte aber bei Befolgung obiger Maßregeln gewiß nicht groß sein, sofern keine persönliche erhöhte Geneigtheit vorliegt. Mögen doch diese wenigen Zeilen den Anstoß geben, die für unsere Angestellten so wichtige Fragen des Schutzes gegen Radiumstrahlen eingebend und nachhaltig zu erörtern.

1) Silberne Ketten sind ja billig, aber sie werden rasch schwarz und unansehnlich. Goldene sind gewiß vorzuziehen, ihr Preis wird gegenüber dem hohen Wert des Radiums nicht ins Gewicht fallen. *) Derartige Sicherheitsnadeln liefert die Firma Schaerer & Oo., Sanitätsgeschäft, Bern.

382 von Herff. XXIII, 4.

(Aus dem Frauenspital Basel-Stadt.)

Zur Reversfrage. Von Otto von Herff.

Wiederum habe ich von einem Schadenersatzprozeß wegen Röntgenschädigung, bedingt durch Messung nach Kienböck gehört. Wann wird man einsehen, daß der Spannungsmesser, der „Sklerometer“ von Klingelfuß die größtmögliche Sicherheit in allerbequemster Weise gewährleistet, weil man während der Bestrahlung selbst jeden Augenblick sieht, welche Dosis man verabreicht, die zudem ohne weiteres auch nach der Halbwertschicht Christens berechen- bar ist? Doch ein anderes Mal mehr darüber! Durch einen guten Revers kann sicherlich mancher Prozeß vermieden werden. Nur muß der Revers, wenn er etwas wert sein soll, in keiner Weise dem Kranken oder Geschädigten den Rechtsweg abschneiden. Im Frauenspitale Basel-Stadt lasse ich nach Rücksprache mit erfahrenen Juristen beifolgenden Revers unter- schreiben, wovon die „Bescheinigung“ bei den Akten aufgehoben wird, die „Erklärung“ die Kranke bekommt.

Bescheinigung.

Unterzeichnete bescheinigt hiermit, daß ihr durch eine gedruckte Erklärung eröffnet worden ist, daß trotz ordnungsgemäßer Anwendung der Röntgenstrahlen außer Mißerfolgen, auch Gewebs- und andere Schädigungen nicht immer zu vermeiden sind und daß daher der Direktor des Frauenspitals Basel- Stadt von vornherein jedwelche Verantwortung für diese Zufälle ablehnt.

B8301.:den. N. 191......

Réntgen-Protokollnummer: ...........................

Erklärung.

Da die Erfahrung gelehrt hat, daB trotz sorgfältiger und ordnungsgemäßer Anwendung der Röntgenstrahlen außer Mißerfolgen und Übersehen von anderen Erkrankungen auch Gewebs- und andere Schädigungen (z. B. die sogenannten Verbrennungen usw.), die überdies gelegentlich erst sehr spät, nach Jahren, auftreten können, nicht immer zu vermeiden sind, so lehnt der Direktor des Frauenspitals Basel- Stadt jedwelche Verantwortung für diese Zufälle von vorneherein ab.

Basel, den 1. Dezember 1912. Professor v. Herff, Direktor des Frauenspitals.

Herr Kollege Kirchberg hatte die Güte, diesen Revers durchzusehen, er bat mich, ihn, da er ihm „außerordentlich zweckmäßig“ erscheint, gelegentlich zu veröffentlichen.

Zu bemerken wäre nur noch, daß nach einer Reichsgerichtsentscheidung ein Arzt nicht verpflichtet werden kann, alle Schädigungen, Nachteile usw., die durch ein bestimmtes ärzt- liches Handeln entstehen können, dem Kranken mitzuteilen. Es genüge ein allgemeiner Hin- weis, daß solche trotz der erforderlichen Aufmerksamkeit vorkommen können eine sehr gerechte und vernünftige Entscheidung!

XXIII, 4. Zur Verteilung der Fluoreszenz auf der Glaswand der Lilienfeldröhre. 388

Zur Verteilung der Fluoreszenz auf der Glaswand der Lilienfeldröhre. Von J. E. Lilienfeld.

Wiederholte Anfragen der Benutzer der von mir gebauten Röhre veranlassen mich, einiges -über die Fluoreszenzerscheinungen, die auf ihrer Glaswand auftreten, mitzuteilen. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß ich in den folgenden Darlegungen ein geschlossenes, klares Bild der Vorgänge gar nicht zu geben beabsichtige. Das soll vielmehr einer zukünftigen, rein physi- kalischen Veröffentlichung vorbehalten bleiben, für deren Grundlegung noch einige experimentelle Arbeit geleistet werden muß. Zweck der vorliegenden Mitteilung ist ledig- lich, unter Zuhilfenahme einiger schematischer Skizzen, es zu verhindern, daß eine unrichtige Auffassung sich einbiirgere.

Bei erster oberflächlicher Betrachtung des im Betrieb befindlichen Rohres fällt es auf, daß der Glaskolben, der die Röntgenkathode und die Antikathode umgibt, im Gegensatz zu der gewohnten Röntgenröhre, dunkel bleibt. Erst bei näherer Betrachtung, die eine weitgehende Verdunklung der Glühlampe der Röhre, sowie des Raumes erfordert, bemerkt man, daß diejenigen Glasteile, durch welche die Röntgenstrahlen von der Antikathode nach außen durchtreten, also die vordere Réhrenwand ACB, eine schwache dunkelgrüne Fluoreszenz aufweist. Die Glaswand erwärmt sich in diesem Röhrenteile kaum merklich, selbst bei Entladungsströmen von 15 20 Milli- ampére und großer Härte. Eine nähere Untersuchung, auf die hier nicht eingegangen werden soll, zeigt, daß diese Fluoreszenz in der Tat von den Röntgenstrahlen erregt wird. Ihre Begrenzung fällt scharf mit dem Kreis AB zusammen, der auch die Grenze für die vom Brennpunkt kommenden Röntgenstrahlen bildet. Demnach fehlt also die Fluoreszenz und Erwärmung der vorderen Glaskugel, die man bei den gewohnten Röhren auf sekundäre und reflektierte, vom Brennfleck kommende Kathodenstrahlen zurückzuführen gewohnt ist. Ist aber die Abwesenheit dieser Fluoreszenz bereits eine auffallende Tatsache, so ergibt die weitere Beobachtung der Röhre noch ein zweites, nicht minder auffallendes Merkmal. Nämlich: der hintere Teil DFE des Röhrenkolbens zeigt eine schwache Kathoden- strahlenfluoreszenz, die eine scharfe Grenze nach vorn in der durch den Antikathodenspiegel durchgelegt gedachten Ebene DE findet. Ist die Be- lastung des Rohres keine allzu hohe (10—15 Milliampére), so sieht man, daß die Fluoreszenz an der erwähnten Grenze am hellsten ist und nach hinten zu äußerst schwach wird. Bei zunehmender Belastung wird die Fluoreszenz heller. Am deutlichsten sieht man die durch DE scharf begrenzte Fluores- zenz des hinteren Réhrenteiles, wenn man, um die an sich wenig intensive Erscheinung auf einer kleineren Fläche zusammenzuhalten und so besser zur Geltung zu bringen, das enge, in Fig. 3 schematisch dargestellte zylindrische Rohr von etwa 35 mm lichter Weite benutzt. Da ja eine Erhitzung der vor der Antikathode liegenden Glasteile nicht vorkommt, hindert nichts daran, solche enge Röhren zu bauen. Belastet man ein solches Rohr mit 6—8 Milliampere bei ziemlicher Härte!), so tritt die Fluoreszenz in Form eines durch DE nach vorne scharf begrenzten Ringes besonders klar hervor. Und, wenn das Rohr sauber ohne Metallbelag gepumpt ist, sieht man den deutlich

1) Bei der Anstellung dieser Beobachtung empfiehlt es sich, einen Sa pene unBee] Iehrichter zu benutzen. Dabei aber vermittels der Bestandteil einer jeden Anlage bildenden Homogenisiervorrichtun den niedrig gespannten Teilen der Wechselstromkurve den Durchtritt durch die Röhre so weitgehend wie nur möglich zu versperren, und auf mittelhartes Licht einzustellen. Dann beobachtet man die oben beschriebenen Erscheinungen prägnant und unbeeinflußt durch nebensächliche Umstände.

384 Lilienfeld. XXIII, 4.

gegen seine Umgebung dunkleren Ring ABDE, der nach unten an die erwähnte Röntgen- strahlenfluoreszenz, nach oben aber an die Kathodenstrahlenfluoreszenz grenzt.

Der Ring der Kathodenstrahlenfluoreszenz DFE führt nun bei näherer Überlegung zu einer Vermutung über die Abwesenheit der Fluoreszenz der vorderen Réhrenteile. Nämlich: Er beweist in erster Linie, daß das hohe Vakuum an sich eine Abwesenheit der Kathoden- strahlfluoreszenzen durchaus nicht bedingt. Versuche, die hier nicht beschrieben werden. sollen, zeigen vielmehr, daß es sehr wohl möglich ist, im höchsten er- reichbaren Vakuum Glaswände unter dem Anprall der Kathodenstrahlen zur gewohnten Fluoreszenz zu bringen. Jedenfalls findet also eine Aufladung Antikathode der Glaswände in dem Maße, daß ein Auftreffen von Kathodenstrahlen und somit jegliche Fluoreszenz absolut verhindert würde, nicht statt. Wenn aber Fluoreszenzen an anderen Stellen auftreten können, so ist das hohe Vakuum nicht die unmittelbare Ursache für die Dunkelheit der vorderen Röhren- hälfte. Wohl aber die mittelbare, nämlich, indem es den gesamten Entladungs-

Kathode mechanismus offenbar anders als bei der gewohnten Röntgenröhre gestaltet. | Bei der gewohnten Röhre zieht die Kathode die Ionen, welche gebraucht werden, um die Kathodenstrahlen von der Kathodenoberfläche freizumachen, aus dem vor ihr liegenden Raume an. Dadurch verarmt dieser Raum an Ionen (es entsteht der sogenannte dunkle, nicht leitende Kathodenraum) und aus diesem Grunde liegt nun das Potentialgefälle annähernd an der Kathode, während der Spannungs- abfall an der Antikathode verhältnismäßig gering ist. Bei der hier beschriebenen Röhre werden aber die Kathodenstrahlen nicht durch Ionen, sondern durch einen beliebig regulierbaren, unab- hängigen Vorgang (die primäre- oder die „Zünd“-Entladung) in der Kathodenmitte ausgelöst. Es liegt demnach keine Ursache vor, daß sich eine Verteilung des Potentialgefälles wie bei der gewohnten „Gas“-Röntgenröhre ausbilde. Man würde von vornherein eher anzunehmen geneigt sein, daß das Gefälle sich gleichmäßig zwischen Kathode und Antikathode verteilt.

Diese gleichmäßige Verteilung wird fraglos vorhanden sein, so lange keine Entladung besteht. Sowie aber die Entladung einsetzt, kann sich Verschiedenes ändern. Es entsteht dann nämlich in der Nähe der Öffnung der Kathode zweifellos eine stark leitende Raumbeschaffenheit?). Gleich- zeitig befindet sich die Antikathode auf einem hohen Potential.

So ist, wie ich bereits vor längerer Zeit veröffentlicht habe, der Weg für die Annahme frei, daß eine starke, die negativen Elektronen anziehende Kraft vor dem Brennflecke auftritt. Diese Kraft würde es nicht nur verhindern, daß sekundäre und reflektierte Kathodenstrahlen vom Brennfleck auf die vordere Röhrenwand gelangen; sie würde auch die, übrigens den gesamten auf die Antikathode aufprallenden Kathodenstrahlen gegenüber verschwindend wenigen, annähernd parallel zur Antikathodenebene austretenden Elektronen in der auf Figur 4 ersichtlichen Weise nach hinten lenken, und so die Entstehung des Fluoreszenzringes DE auf dem hinteren Röhrenteil DFE zu erklären gestatten, also für das gesamte Aussehen der Röhre im Betriebe eine befriedigende Auffassung bieten.

Die Annahme, daß ein starkes Gefälle direkt am Brennfleck liegt, hat demnach viel Be- stechendes. Inwiefern dieses Gefälle aber mit dem gesamten zwischen Kathode und Antikathode

Fig. 3.

Fig. 4.

liegenden Gefälle identisch ist oder ob es nur einen Teil eines komplizierteren Verlaufes des elektrischen Feldes darstellt das soll hier nicht erörtert werden’).

1) Diese räumliche Leitfähigkeit ist von Raumladung frei, und, genügend hohes Vakuum voraus- gesetzt, von Gasdruck unabhängig. Sie ist deshalb in meinen seit einer längeren Reihe von Jahren angefangenen, zum Teil längst veröffentlichten, auch weiter fortgesetzt gepflegten Untersuchungen als ein „Dissoziationszustand des gasleeren Raumes“ aufgefaßt worden.

*) Mathematisch ließe sich wohl der Sachverhalt, soweit die bisherige Erfahrung reicht, darstellen

unter der Annahme einer äußerst nahe dem Brennfleck vorgelagerten, sehr dünnen, der Antikathoden- fläche parallelen Doppelschicht.

XXIII, 4. P. Rasehorn +f. 385

Obwohl ich bis auf weiteres zu der oben gegebenen Auffassung neige, bin ich mir be- wußt, daß eine andere Art und Weise der Erklärung zurzeit nicht bindend widerlegt werden könnte. Offenbar könnte man nämlich außer der obigen Annahme, daß sekundäre und reflek- tierte Kathodenstrahlen wohl im Brennfleck entstehen, ihn aber infolge des vorgelagerten Ge- fälles nicht verlassen können, auch noch eine andere Anschauung einführen. Und zwar, daß in dem hohen Vakuum sekundäre und reflektierte Kathodenstrahlen am Metall der Antikathode gar nicht entstehen, daß also die Entstehung dieser sekundären Kathodenstrahlen an die An- wesenheit von Gas, bzw. von Ionen geknüpft ist. Etwa so, daß in Wirklichkeit nur negative, im Kathodenstrahl mitgeführte Ionen diese „sekundären“ Kathodenstrahlen auslösen oder, indem die Anwesenheit von Gas (lonen) erforderlich ist, um die Auslösung dieser sekundären Strahlen zu ermöglichen.

Die Berechtigung einer ähnlichen, von vornherein durchaus nicht abzuweisenden Auf- fassung könnte nur auf Grund eingehender, infolge des erforderlichen hohen Vakuums nicht leicht auszuführender Versuche festgestellt werden. Hiermit will ich aber schließen, denn dieses ist das eigentliche Ziel meiner obigen Ausführungen: darzutun, was sicher unrichtig, zu erklären, was möglich ist und die Grenze zwischen dem, was man weiß, und dem, was man nicht weiß, zu ziehen,

Leipzig, Physikalisches Institut, Oktober 1915.

P. Rasehorn 7+.

Am 19. September 1915 verschied in Halensee bei Berlin der Chefingenieur und Prokurist der Siemens & Halske A.-G., Dr. phil. Paul Rasehorn. Ein Herzleiden, dem seine kraftvolle Natur jahrelang trotzte, bereitete seinem an Arbeit und Erfolgen reichen Leben unerwartet ein frühes Ende.

Im Jahre 1865 zu Biere bei Schönebeck a/Elbe geboren, studierte und promovierte Rase- horn in Halle a/S. und war dann Assistent am physikalischen Institut der dortigen Universitat. 1892 trat der Verstorbene bei der Firma Siemens & Halske ein und gehörte ihr 28 Jahre hin- durch an.

In dieser Zeit unterstand ihm auch die Abteilung für elektromedizinische Apparate, die im Anschluß an die Entdeckung Röntgens ins Leben gerufen wurde. Hervorragend organisatorisch befähigt, mit einem umfassenden Wissen und praktischen Blick begabt, hat er es verstanden, die der Elektrizitätsweltirma in reichem Maße, insbesondere auf dem Gebiete der Hoch- spannungstechnik und der Präzisionsmechanik zu Gebote stehenden Erfahrungen für die Ent- wicklung der Röntgen- und sonstigen elektromedizinischen Apparate nutzbar zu machen. Unter seiner Leitung entstanden Röntgeneinrichtungen von stetig gesteigerter Leistungsfähigkeit, nach den Intensivstrominduktoren vor allem die Hochspannungsgleichrichter und die modernen Tiefen- therapieinstrumentarien. Auf dem Gebiete der Röntgenröhren bedeutete die Siemenswolfram- röhre einen wesentlichen Erfolg. Im letzten Jahre nahm der Verstorbene an der Entwicklung der Coolidgeröhve lebhaften Anteil. Für seine großzügige Art der Bearbeitung röntgenologischer Aufgaben zeugen von seiner Abteilung vorbildlich eingerichtete Institute. Auch um die Röntgen- einrichtungen des Heeres hat sich Rasehorn schon in Friedenszeiten und besonders im ver- flossenen Kriegsjahre hervorragend verdient gemacht.

Auf den übrigen elektromedizinischen Gebieten war er besonders um die Entwicklung der Diathermie energisch bemüht. Auch die elektromedizinische Meßtechnik verdankt seiner Ab- teilung hinsichtlich der Temperaturbestimmung bei der Diathermiebehandlung, der Fieberfern- registrierung, der Ionometrie und vor allem der Elektrokardiographie Fortschritte von Bedeutung.

Rasehorn war ein Virtuose der Arbeit. Mit nie ermüdender Schaffenslust und bewun- dernswürdiger Energie schritt und drängte er vorwärts. Von strengstem Pflichtgefühl beseelt, hat er sich durch seinen aufrichtigen männlichen Charakter zahlreiche Freunde erworben und

viele rühmen sein entgegenkommendes liebenswürdiges Wesen. Schwenn.

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 49

386 Internationale Fachliteratur. XXIII, 4.

Internationale Fachliteratur.

Journalliteratur.

Medizinische Klinik. 1914/15, Nr. 50.

H. Schröder (Berlin): Schußfrakturen des Unterkiefers und ihre Behandlung. Eine kriegszahn- ärztliche Studie. Anweisung zur zweckmäßigen Behandlung der Unterkieferschüsse, vornehmlich mittels des Drahtverbandes, an Hand instruktiver Abbildungen aus: „Die zahnärztliche Hilfe im Felde“, Sammlung Meusser, Heft 1.

G. Nespor: Beiträge zur Kasuistik offener Knochenbrüche. (Chir. Abt. des k. u. k. Marine- spitals in Pola). Kasuistischer Bericht über 12 Fälle von Frakturen u. ä. (ausgesucht aus 316 Fällen der Jahre 1910 bis 1913), die mit Verletzungen der Haut und der umgebenden Weichteile kombiniert waren und mit offener Knochenvereinigung behandelt wurden, dazu kurze Bemerkungen über die Röntgenbefunde,

Nr. 51. H. Hans: Technisches und Therapeutisches aus dem Reservelazarett zu Limburg a. d. Lahn. (Vortrag: Verein Nassauer Ärzte.) Verf. bespricht in zwangloser Zusammenstellung einige Punkte. Unter anderem rät er im allgemeinen davon ab, im Reservelazarett mit Röntgenausstattung Ge- schosse im Körper zu belassen. In °/,, der Fälle liegen Schrapnellkugeln im Eiter, in mehr als der Hälfte der Fälle auch die Infanteriegeschosse, abgesehen davon, daß auch ihre Größe keine beschwerde- lose Heilung erhoffen läßt.

Nr. 2. E. Schott: Schwere Riickenmarklision nach leichtem Trauma. (II. med. Klinik der Kölner Akad.) Ein bis dahin gesunder Mann erkrankte 2!/, Stunden nachdem er in ungewöhnlicher Haltung einen 1 Zentner schweren Sack wenige Meter weit getragen hatte, an einer schweren Läsion des Rückenmarkes, die nach 16 Tagen zum Tode führte. Der Röntgenbefund war negativ; dennoch muß eine (auch autoptisch nicht mehr erkennbare) Distorsion im Bereich der Lendenwirbel, Rig eines Arterienastes usf., also ursächlicher Zusammenhang des Todes mit dem leichten Trauma angenommen werden, um so sicherer, als der Erkrankte selbständig war, keine Rentenansprüche vorlagen.

Nr. 8. Hackenbruch (Wiesbaden): Erfahrungen über die Behandlung von Schußknochen- briichen mit Distraktionsklammerverbänden. (Kriegslazarette zu Florenville und Sedan.) Verf. be- richtet über 16 Schußfrakturen und 5 nichtkomplizierte Brüche der Extremitäten, die er im ersten Vierteljahr der Kriegsteilnahme mit Distraktionsklammerverbänden behandelte. Die Technik wird an Hand von 10 ausgezeichneten Zeichnungen, die nach Röntgenaufnahmen hergestellt sind, und 8 Photo- graphien dargelegt. Das Distraktionsverfahren hat auch im Kriege die außerordentlichen Dienste geleistet, die man schon nach den Friedenserfahrungen von ihm erwartete.

Jenckel (Altona): Schuß in den Herzbeutel. Schuß in den II. linken Interkostalraum. Mehrere Tage Himoptoé, ungenügende Erholung. Die Röntgendurchleuchtung ergab einen enorm großen Mittel- schatten und Verschieblichkeit des Geschosses im Herzbeutel je nach Lage des Kranken; großer peri- kardialer Erguß. Rippenresektion in Lokalanästhesie 5 Wochen nach der Verwundung; nach Eröffnung des Herzbeutels wurde das Geschoß zunächst nicht gefunden und fiel dann bei Lagewechsel von selbst heraus. Réntgenaufnahme nach der Operation: Flüssigkeit und Luft im Herzbeutel, die allmählich schwanden; letztere mag wohl in günstiger Weise das Ausbleiben einer Synechie bewirkt haben. Heilung unter Zurücklassen leichter Herzhypertrophie und Dilatation.

N. v. Jagić: Zur Pathogenese und Symptomatologie der Chlorose. (Med. Abt. d. k. k. Sophien- spitals Wien.) Klinischer Vortrag über den zurzeit bestehenden Ausbau der Lebre von der Chlorose, der scharf präzisierten Chlorose, die im ganzen als eine nicht häufige Krankheit anzusehen ist. U. a. weist Verf. auf die Bedeutung der Röntgenuntersuchung hin: sie weist einen ziemlich charakteristischen Hochstand des Zwerchfells nach, der wegen oberflächlicher Atmung und infantiler Rippenstellung als degeneratives Stigma angesehen werden kann. Tiefstand des Zwerchfells mit Pendelstellung des Herzens und Splanchnoptose scheint bei Chlorose weit seltener vorzukommen. Die bei Chlorose nach- weisbare enge Aorta ist diagnostisch nicht wesentlich und ist nur ein Zeichen einer allgemein hypo- plastischen Konstitution,

Nr. 4. Th. Rumpf (Bonn): Über einige Schußverletzungen des Rückenmarks und Gehirns. (Vortrag: Niederrh. Ges. f. Natur- u. Heilk., Bonn, 16. XI. 1914.) Besprechung einiger pathologisch und physiologisch wichtiger Fälle von Schußverletzungen des Rückenmarks und Gehirns mit Demonstration der Röntgenbilder und Photographien, vorwiegend neurologischen Interesses.

G. Nobl (Wien): Vorstufen und Haftstätten primärer multipler Epitheliome. (Abt. f. Hautkr. und Syphilis d. allgem. Poliklinik Wien.) Neben den anderen zu diesem Kapitel gehörigen Erkran- kungen werden kurz auch die wesentlichen Züge jener multiplen Karzinome besprochen, die, fast stets durch Vermittlung von Keratomen, als Kombination degenerativer und proliferativer Veränderungen auf der atrophischen Röntgenhaut entstehen und zu ungünstigstem Ausgang führen können. Die Beziehungen

XXIII, 4. Internationale Fachliteratur. 387

von Keratom und Krebs auf der Röntgenhaut hat Verf. in The Urol. and cut. Review July 1913 (Fore- Runners of X-Ray Cancer) genauer analysiert. Es sei erinnert an die vakuolisierende Intimadegeneration der Gefäße, die Vernichtung des elastischen Gewebes, den fortglimmenden Infiltrationsprozeß, auf deren Boden die normale Hornschichtabstoßung der Haut alteriert wird, Keratome entstehen; diese geben bei weiterer Reizung oder ungenügender Hautpflege genug Anlaß zu Tiefenwachstum des Epithels und Krebs- bildung, worin alle Kenner des Röntgenkrebses übereinstimmen. Es ist nicht wahrscheinlich, daß auch die einfach atrophischen Stellen der reduzierten Hautdecke hierzu die Fähigkeit besitzen. Die Ab- bildung des Gesichtes einer 25jährigen Frau, welche im Anfang der Röntgenzeit zwecks kosmetischer Epilation überstrahlt wurde, ist der Arbeit beigegeben und weist alles Oharakteristische auf.

Krummacher (Ibbenbüren): Réntgenologische Ortsbestimmung bei Fremdkörpern im Knochen. Kurze Empfehlung, zur Bestimmung eines Geschosses im Knochen vor dem Röntgenschirm einen Steinmannschen Nagel („beidseitig perforierenden Nagel“) an den Fremdkörper heranzubringen. Wenn es möglich ist, den betreffenden Körperteil in passender Stellung vor den Schirm zu bringen, ist die Methode ohne Hautschnitt gut und sicher anzuwenden.

Nr. 5. A. Seelig (Königsberg): Über Hämaturie. Kurze Übersicht über die wichtigsten bei Hämaturie differentialdiagnostisch in Frage kommenden Krankheiten und ihre Erkennung. Was u. a. die Nierentuberkulose angeht, so wird daran erinnert, daß hierbei negative Röntgenbilder natürlich nichts entscheiden, daB aber auch Röntgenbilder mit positivem Ergebnis zu Täuschungen führen können, indem verkalkte Tuberkel ganz ähnliche Bilder wie Nierensteine geben.

Deutsche medizinische Wochenschrift, 1914/15. Nr. 50.

R. Finkelnburg: Beitrag zur Klinik und Anatomie der Schußverletzungen des Riickenmarks, (Med. Klinik Bonn a. Rh.) Es wird über eine Beobachtungsreihe von 6 Schußverletzungen des Rücken- marks berichtet, welche zeigen, daß beim Zustandekommen einer klinisch als Querschnittläsion imponieren- den Rückenmarksverletzung feinere Erschütterungen der Medulla spinalis eine wichtige Rolle spielen. Diese Erschütterungsveränderungen beschränken sich, wie anatomisch an einem Falle bewiesen wurde, ' keineswegs auf die Stelle des Schusses oder ihre nächste Umgebung, aber sie können sich vollständig zurückbilden. Doch bedarf es dazu bisweilen mehrerer Monate. Deshalb muß man raten, in Fällen von Querschnittsläsion, die auch röntgenologisch nur eine geringe oder fragliche Wirbelknochenschädigung erkennen lassen, sich möglichst vorsichtig und abwartend zu verhalten, so lange nicht durch andere Gründe (Zystitis u. a.) die Operation erzwungen wird.

C. Longard: Über Tangentialschüsse des Schädels. (Res.-Laz. IL Aachen; Vortrag in einer Vers. der Ärzte der Res.- u. Vereins-Lazarette in Aachen.) Bei einer großen Zahl von Tangentialschüssen des Schädels können schwere nervöse Ausfallserscheinungen zunächst fehlen, so daß die Verletzten als Leichtkranke erscheinen. Dennoch schweben diese Patienten, abgesehen von der später drohenden Epilepsie und sonstigen schweren Gehirnstörungen der Folgezeit, dauernd in einer großen Gefahr. Daher verlangt jeder, auch der unscheinbarste Tangentialschuß eine Eröffnung des Schädeldaches und muß vor- her röntgenologisch untersucht sein, weil das in zwei Dimensionen aufgenommene Röntgenbild bei dem Suchen nach Knochenstiicken im Gehirn als Wegweiser dient und über Art, Tiefe und Größe der Schädeldach- und Hirnverletzung Aufschluß geben kann. Freilich gibt es auch eine ganze Anzahl von Fallen, in denen die Tabula vitrea abgesprengt war, ohne daß etwas Abnormes auf dem Röntgenbild gesehen wurde.

A. Neumann: Zystinsteine und Zystinurie. (I. Chir. Abt. des Krankenhauses im Friedrichshain, Berlin. Vortrag: Berlin. Ges. f. Chir. 22. VI. 1914.) Bericht über zwei Fälle von Zystinsteinen und Zystinurie, die Verf. operiert hat und deren klinischer Verlauf von großem Interesse ist. Der röntgeno- logische Befund bei beiden war der von Zystinsteinen seit langem bekannte: deutliche Schattenbildung auf dem Réntgenbild. Die einzelnen Zystinsteine unterscheiden sich je nach ihrer chemischen Bei- mischung ein wenig hinsichtlich ihrer Durchlässigkeit für Röntgenstrahlen voneinander; im allgemeinen geben sie, ebenso wie Xanthinsteine, einen weniger dichten Schatten als Oxalat- und Phosphatsteine, und einen dichteren als Urate, Bakterien- und Gallensteine.

Nr. 51 und 52. E. Erhardt (München): Schädelchirurgie im Felde. Bericht über 23 Trepa- nationen, die in den Lazaretten zu Z. ausgeführt wurden. Die meisten mußten ohne Röntgenuntersuchung ausgeführt werden, weil die Kranken nicht mehr dem Transport zum nächsten Röntgenapparat ausgesetzt werden konnten. Indessen ließ sich die dringendste Indikation, durch Eröffnung von Blutergüssen und Abszessen die Hirndruckerscheinungen zu beseitigen, auch so erfüllen. Zurückbleibende Geschosse, nach denen man bei Hämatom: oder Abszeßeröffnung nicht länger suchen soll, zwangen später nicht zu einer zweiten Trepanation und haben sich offenbar eingekapselt, röntgenologisch gut erkennbar.

Nr. 51. Rupp: Krebsbehandlung mit Radium. (Stadtkrankenhaus Chemnitz. Vortrag: 4. Sachs. Chirurgentag in Chemnitz.) Bericht über Radiumbehandlung von Karzinomen verschiedener Lokalisation, durchweg inoperablen Fällen, bei denen vor der Bestrahlung der Krankheitsherd möglichst freigelegt und so viel wie angängig vom Tumor entfernt wurde. Als Kontraindikation wurden nur nachweisbare

49*

388 Internationale Fachliteratur. XXIII, 4.

Metastasen, nicht aber Kachexie angesehen. Die Technik, die sich an die der Freiburger und Bumm- schen Klinik anlehnte, wird auseinandergesetzt. Die Erfolge waren, zumal bei Uteruskrebsen, gut, manch- mal erstaunlich gut, ebenso bei anderen gut erreichbaren und oberflächlichen Krebsen (Kieferhöhlen!). Rektumkarzinome ergaben absoluten Mißerfolg, ebenso Ösophaguskarzinome. Verf. bespricht ferner die Verhältnisse, welche in der Chirurgie der Radiumbehandlung maligner Tumoren noch nicht die gleichguten Ergebnisse gestatteten wie in der Gynäkologie. Einzelheiten darüber siehe im Original. Das Suchen nach einem Dosimeter, das genau die applizierte Strahlenmenge angibt, hält Verf. für über- flüssig, weil die Kranken individuell ganz verschieden reagieren und es auch auf die Histogenese der Geschwülste nicht ankomme: die gleichen Tumoren bei verschiedenen Patienten reagieren ganz ver- schieden. Obwohl viele glänzende Erfolge dafür sprechen, daß mit Radium mehr als mit dem Messer zu erreichen ist, ist dennoch zu raten, operable Geschwülste so weit wie möglich zu operieren und erst dann nachzubestrahlen.

C. Brill (Magdeburg): Zur Lichtbehandlung von eitrigen, jauchigen Wunden. Verf. hat in Deutsch. med. Wochenschr. 1914, Nr. 8 Lichtapparate beschrieben und zur Behandlung gewisser innerer Krankheiten empfohlen, die sich als saubere Methode, örtlich Wärme zu erzielen und stundenlang wirken zu lassen, inzwischen gut bewährt haben. Auch in der Chirurgie erweisen sich diese Strahlkörper von Nutzen zur Reinigung und Granulationsanregung von Wunden (Preis 10 Mark, Strahlkörperversand Körbelitz Bez. Magdeburg).

Nr. 1. Noehte: Uber die operative Behandiung der Riickenmarksverletzangen im Feldlazarett. Kurzer Bericht tiber 20 Wirbelverletzte, von denen 9 operiert wurden. Sowohl genaue neurologische Höhendiagnose wie Röntgenuntersuchung waren entbehrlich, weil durch die Art des Schusses u. a. im allgemeinen der Ort für die Laminektomie genügend bestimmt war. Mit Guleke hält Verf. die prinzipielle Frühoperation der Riickenmarksverletzungen für berechtigt; die Laminektomie sollte am dritten Tage nach der Verletzung im Feldlazarett ausgeführt werden.

Nr. 3. O. Hufnagel: Wundennachbehandlung mit Ultraviolettlicht. (Vortrag: Kriegsärztl. Abend in Namur, 28. XI. 1914.) Verf. verwendet mit auffallend gutem Erfolg bei schlechtheilenden Wundflächen die Quarzquecksilberdampflampe, bei abwechselnd lokaler und allgemeiner Bestrahlung: Reinigung der Wunden, Besserung des Allgemeinbefindens, Minderung des Schmerzes schon nach 5—6 Be- handlungen. Die Wirkung gleicht völlig dem Sonnenlicht, wie auch daraus hervorgeht, daß Verf. an sonnenarmen Tagen Zelloidinpapierkopien von Röntgenplatten unter dieser „künstlichen Höhensonne“ herstellen konnte.

Döhring: Über Wirkung und Resorption von Quecksilberpräparaten, insbesondere des Kontra- luesins, (Polikl. f. Haut- und Geschlechtskr. und Pharm. Inst. Königsberg. Vortrag: Ver. f. wiss. Heilk. Königsberg 4. V.1914.) In einer inhaltsreichen klinisch-experimentellen Arbeit werden die verschiedenen gebräuchlichen Quecksilberanwendungen verglichen, 1. daraufhin, nach welcher Zeit sie die Spirochäten aus den luetischen Effloreszenzen verschwinden lassen, 2. wie rasch hierbei die einzelnen Präparate resorbiert werden. Zu Nr. 2 wurde, nach dem Vorgang von Freund, Welander und Ullmann am Kaninchen nach der in bestimmten Zeitabständen gemessenen Intensitätsabnahme des Réntgenschattens die Quecksilberresorption abgeschätzt. Weil hiergegen jedoch der Einwand subjektiver Willkür erhoben werden kann, wurde die Quecksilberresorption andererseits durch quantitative chemische Bestimmung gemessen (Methode Farup, mit der Modifikation des Filtrieramalgamierröhrchens nach Schumacher und Jung). Diese chemischen Kontrollen zeigten, daß schon der Vergleich der Röntgenschatten ein recht brauchbares Bild von der Resorptionsgeschwindigkeit abgibt. Der Vergleich der Ergebnisse der Beobachtungsreihen von Nr. 1 und Nr. 2 zeigt, daß die Wirkung der verschiedenen Quecksilberpräparate nicht allein von der zugeführten Quecksilbermenge, sondern von der chemischen und physikalischen Beschaffenheit abhängt. Von den üblichen unlöslichen Salzen ist Kalomel am stärksten spirillozid. Kontraluesin war von den untersuchten Präparaten am wenigsten spirillozid, obwohl mit ihm große Quecksilberdosen eingeführt und diese sogar relativ schnell resorbiert werden.

Nr. 4. Riedel (Jena): Erfahrungen über Furunkelmetastasen. Die Arbeit bringt vieles, was auch röntgenologisch wichtig ist, wenn auch vom Verf. auf das Röntgenologische nicht direkt eingegangen wird. Verf. sah 54 Fälle von Metastasen nach Furunkel oder Panaritium ostale, seltener Karbunkel; davon starben 18. Die Metastasen ergriffen 14mal den Knochen, 40mal handelte es sich um Abszesse in den Weichteilen (mehrere Gehirnabszesse!) verschiedenster Lokalisation. Klinischer Verlauf und Therapie.

H. Silbergleit und A. Veith: Pylorusstenose und Magenverlagerung durch perigastrische Verwachsungen als Folge eines Schusses. (Reservelazarett I Ingolstadt. Vortrag: Wiss. Abende d. Militärärzte Ingolstadt 21. XI. 1914.) Bei einem Soldaten, der im Liegen einen Brustschuß bekommen hatte, entwickelte sich im Laufe von Wochen Abmagerung und Pylorusstenose. Wie die der Arbeit bei- gegebenen guten röntgenschematischen Zeichnungen deutlich machen, fand sich ein ungewöhnliches Durchleuchtungsbild: Bei der Kontrastmahlzeit trat der Brei etwa an einer Stelle in den Magen, wo man den Pförtner erwartet hätte und füllte einen kleinen unteren Magenabschnitt, über dem, durch eine

-

XXIII, 4. Internationale Fachliteratur. 389

eingeschnürte Zone getrennt, ein größerer, zum Teil von einer Flüssigkeit gefüllter Magenteil weit nach oben reichte. Auch die Magensonde trat unten median ein, bog nach links und nach oben, um am Scheitel der Magenblase anzustoßen. Peristaltik und Antiperistaltik wurde nicht gesehen; noch 86h p. c. war der Mageninhalt größtenteils im Mageusinus. Das Geschoß fand sich links im Unterbauch. Die Operation ergab perigastritische Verwachsungen und Verlötung mit dem Zwerchfell, das sich weit in die Brusthöhle hochwölbte, dazu Zusammenschnürung des Pylorus. Wahrscheinlich hatte also das GeschoB Pleura, Zwerchfell und Magenpylorusgegend getroffen, und allmähliche Narbenschrumpfung erzeugte das eigentümliche Bild.

Nr. 5. Madelung (Straßburg): Einige Kriegsverletzungen des Ösophagus. Bericht über einige Speiseröhrenverletzungen, die fast alle ungünstig ausgingen. Die mitgeteilten Fälle lassen erkennen, wie schwierig bei Bestehen einer Halswunde die Diagnose einer Ösophagusverletzung sein kann, zumal zu einer Zeit, wo ärztlich zu helfen noch möglich ist. Bei Steckschüssen kann die Röntgenuntersuchung und Entdeckung des Projektils eine Speiseröhrenverletzung wahrscheinlich oder unwahrscheinlich machen, gibt jedoch keine Sicherheit. Und die Kontrastbreiuntersuchung, die Ausschlag geben kann, ist nicht ungefährlich. l

Nr. 8. F. Salzmann: Sekundärstrahlen in der Röntgentiefentherapie als Ersatz radioaktiver Substanzen, (Röntgenabt. des Hosp. z. Heil. Geist Frankfurt a. M.) Verf. berichtet über vorerst einige wenige Beobachtungen, die dazu beisteuern, „die an die radioaktiven Substanzen für die Röntgentherapie verlorene Position zurückzugewinnen (Albers-Schönberg)*. Nach den physikalischen Voruntersuchungen (D. med. Woch. 1913, Nr. 52) eignet sich als Sekundirstrahler (Resonator) bei Röntgenstrahlen von 9—11 Wehnelt Härte und 3 mm Aluminiumfilterung am besten Kadmium, das unter oder in dem zu beeinflussenden Tumor angebracht und durch die gefilterten Primärstrahlen nach Passage des Gewebes zur Sekundärstrahlenbildung angeregt wird. Die Haut, auf welche die Primärstrahlen der Röhre treffen, wird stark durch sämisches Leder o. a. geschützt. Bei der näher beschriebenen Technik war es möglich, z. B. bei gynäkologischer Bestrahlung nach Verabreichung von 80 x durch 4 verschiedene Einfallspforten auf die Haut an der Stelle des Tumors mit einiger Sicherheit 12—15 x zur Absorption zu bringen. Ist auch ein absoluter Vergleich zwischen den y-Strahlen der Röntgenröhre und denen eines radioaktiven Präparats zurzeit noch nicht möglich, so ist doch der Nachteil der Röntgen- gegenüber den Radium- strahlen, daß sie die Geschwülste nicht von innen heraus treffen können, nunmehr ausgeglichen. 4 Fälle von Uteruskrebs hat Verf. auf diese Weise, anscheinend mit gutem Erfolg, behandelt. Weil die Sekundärstrahlenabgabe auch gelösten Metallen und Metallverbindungen zukommt, liegt es nahe, Chemo- therapie mit dieser Strahlentherapie zu verbinden. Freilich eignen sich die sehr giftigen Kadmiumsalze nicht hierzu. Weitere Versuche hierüber sind in Arbeit.

K. Michelsen: Fünf Fälle der Calve-Perthesschen Krankheit. (Kysthospitalet Refsnäs, Dänemark.) Verf. berichtet über 5 Fälle eines ziemlich seltenen, zumeist bei Knaben von 5—10 Jahren auftretenden Leidens, das in klinischer und röntgenologischer Beziehung dem Hüftleiden entspricht, das zuerst von Calvé (1910) und später von Perthes (1913) beschrieben wurde. Man hatte dem Leiden auch früher schon die Aufmerksamkeit zugewandt (Waldenström, Köhler), es jedoch als eine günstige Form der tuberkulösen Koxitis gedeutet. Ließen schon Anamnese und klinische Untersuchung der Kranken (Pirquet manchmal’ negativ) die Koxitis tbk. unwahrscheinlich sein, so erlaubte die Röntgenuntersuchung, diese mit Sicherheit abzulehnen. Bei ausgesprochenen Fällen ist das Röntgenbild der Knochen mit seiner Marmorierung, Verkleinerung des Caput femoris, Verziehung der Epiphysenlinie, Kollumveränderung usf. besonders durch das Mißverhältnis auffallend zwischen diesen schweren Knochenveränderungen und den verhältnismäßig leichten klinischen Symptomen. Mit dem günstigen Verlauf der Krankheit zeigt das Röntgenbild: fast eine restitutio ad integrum unter Beibehaltung einer Coxavarastellung. Freilich ist Ätiologie und Pathogenese der Krankheit noch ganz dunkel. In überzeugender Weise tritt Verf. für die Möglichkeit ein, daß die ungünstigerweise Osteochondritis deformans juvenilis coxae genannte Calvé-Perthessche Krankheit verwandt ist mit der von Alban Köhler beschriebenen Erkrankung des Os naviculare und der Patella bei Kindern von 5—9 Jahren. Zum Schluß einige Angaben über die Therapie. Ä O. Hesse (Berlin).

Zentralblatt für Chirurgie. 1915, Nr. 3, S. 33.

Riedl-Triest: Verrenkungsbruch des oberen Schienbeinendes mit Erhaltung des Wadenbeins eine typische Verletzung. Verf. lenkt die Aufmerksamkeit auf eine typische Fraktur des oberen Tibia- endes, von der er 4 Fälle beobachtet hat, denen er jedoch aus der Literatur nur zwei analoge Fälle zur Seite zu stellen vermag. Der Mechanismus der Verletzung ist folgender: durch Fall oder Sturz auf das seitlich gestreckte Bein wird der Kondylus externus femoris mit großer Gewalt auf die Tibiagelenkfläche gepreßt. Hierdurch entsteht eine Fraktur des oberen Tibiaendes in der Längsrichtung des Schaftes, in die sich der laterale Kondylus des Oberschenkels hineinstemmt. Die Fibula bleibt hierbei unversehrt. Das Symptomenbild zeigt eine Schwellung des Kniegelenks, die sich noch ein Stück weit auf den Unter- schenkel fortsetzt, Beugung und Valgusstellung des Unterschenkels bei seitlicher Beweglichkeit, öfters

390 Internationale Fachliteratur. XXIII, 4.

sind röntgenologisch kleine Absprengungen außerdem vorhanden. Entweder ist von der Tibia nur der eine oder beide Knorren abgebrochen. Das äußere Fragment behält seine Verbindung mit dem Fibula- köpfchen bei. Der Bruch bedarf der sofortigen Reposition, eventuell in Narkose, und wird am besten durch den Bardenheuerschen Streckverband nachbehandelt. Gelingt die Reposition nicht, dann muß, wie auch in einem Falle des Verfassers, blutig vorgegangen werden. Die Prognose ist günstig.

Nr. 4, 8, 49.

Schultze-Duisburg: Neues Symptom bei der Patellafraktur, zugleich ein Beitrag zu ihrer Be- handlung. Die ganze Therapie der „Patellafraktur* richtet sich nach der Frage: liegt nur eine Fraktur der Patella in engerem Sinne vor oder ist der Streckapparat mit zerrissen? Die Differentialdiagnose ist nicht schwierig, wenn man sich den pathologisch-anatomischen Befund vergegenwärtigt: die Kniescheibe ist ein Schaltknochen, der in einem festverschlossenen Lager liegt. Bricht sie, so wird sie aus diesem Grunde zunächst trotzdem in ihrer Lage erhalten. Es kommt daher eine Diastase der Bruchenden nicht zustande, auch nicht bei extremer Beugung des Kniegelenks. Ist dagegen der Streckapparat mit verletzt, so ist eine mehr oder weniger starke Distraktion die Folge, die zur Diastase führt. Damit ist auch die Therapie gegeben: nur die durch die Zerreißung des Streckapparats komplizierte Fraktur bedarf der Naht. 2 Röntgenbilder illustrieren den Befund der „Fractura patellae vera‘.

Deutsche medizinische Wochenschrift 1915, Nr. 11, S. 301.

Albers-Schönberg und Lorenz-Hamburg: Die Schutzmittel für Ärzte und Personal bei der Arbeit mit Réntgenstrahlen, Der „Schutz“ umfaßt nicht nur das Kapitel des Schadens, den Arzt und Personal an ihrem eigenen Körper nehmen können durch die Beschäftigung mit Röntgenstrahlen, sondern er begreift auch die Ausbeutung mit ein, die dem Arzt droht von seiten der Patienten, die durch die Anwendung der Röntgenstrahlen geschädigt worden sind. Hier sind einige „prophylaktische* Maßnahmen am Platz, die u. a. auch schon von Kirchberg eingehend erörtert worden sind. Zunächst muß der Arzt eine sorgfältige Ausbildung sich angeeignet haben, die in einem kurzfristigen Einführungskurs nicht er- worben werden kann. Er muß mit seinen Apparaten Bescheid wissen und diese selbst müssen zuverlässig arbeiten. Trotz alledem kann es zu Schädigungen des Kranken kommen, man denke nur an die sicher nachgewiesene Idiosyknrasie gegen das Röntgenlicht. Darum muß der Arzt einer Haftpflichtversicherung angehören. Diese muß aber auch das Personal mit einbegreifen, um den Arzt vor vermögensrechtlichen Ansprüchen zu schützen, die aus etwaigen Fehlern seiner Angestellten resultieren. Andererseits muß aber auch die Versicherung den Arzt decken gegen Ansprüche, die das Personal infolge eines Schadens, die es im Betrieb genommen hat, gegen ihn stellen könnte. Es ist zweckmäßig, die Verträge mit rück- wirkender Kraft und auch auf den Vertreter auszudehnen. Der Schutz des Arztes vor der schädlichen Einwirkung der Strahlen wird am besten und sichersten gewährleistet durch das Bleibaus von Albers- Schönberg. Weiter kommen Maßnahmen in Betracht, die in dem neuen Institut des Krankenhauses Hamburg, St.-Georg getroffen sind, und die von den Verff. eingehend beschrieben werden. Es hat sich zur Vermeidung von Schädigungen durch den Hochspannungsstrom als zweckmäßig erwiesen, die Gesamt- energiequellen nicht in dem Untersuchungsraume zu belassen, sondern sie in einer Kraftzentrale zu kon- zentrieren und von dort den Verbrauchsstellen zuzuführen. Hierdurch wird auch das störende Geräusch an den Arbeitsplätzen im vorliegenden Falle vier vermieden. Die Hochspannung wird auf dünnen, vernickelten Metallröhren fortgeleitet, nicht mehr auf Kupferdrähten. Durch spezielle Schaltvorrichtungen endlich ist es erreicht, daß an den drei Arbeitsplätzen, die nicht im Betriebe sind, beim Einschalten des vierten Platzes der Strom automatisch ausgeschaltet wird, um dadurch Personen, die sich zufällig dort befinden, vor Gefahren zu beschützen. Im einzelnen wurde der Schutz vor den Strahlen dadurch er- möglicht, daß schon bei dem Bau des Raumes für die Oberflächentherapie Bleiboxen, in welchen sich der Patient befindet, mit eingebaut wurden. Durch eine Deckung mit Holz und nachträglicher Verputzung ist der Gefahr einer Bleivergiftung vorgebeugt. Im Raum für Diagnostik und Tiefentherapie wurde das Prinzip des Schutzhauses beibehalten. Die Arbeit bietet im übrigen noch eine Fülle wichtigster Einzel- heiten, deren Wiedergabe im Referat unmöglich ist, deren genaueste Beachtung jedoch jedem Arzt, namentlich wenn es sich um Neueinrichtungen handelt, unerläßlich erscheint; dieserhalb sei auf das Original verwiesen.

Nr. 13, S. 366.

Maase und Zondek-Berlin: Herzbefunde bei Kriegsteilnehmern. In 40 Fällen von leichten Verwundungen bei Kriegsteilnehmern, die subjektiv keine Erscheinungen von seiten des Herzens boten, wurden Röntgenaufnahmen des Herzens gemacht. Die Marschleistungen hatten bei den Kranken durch- schnittlich in 30 Tagen 1500 km betragen. Es zeigte sich, daß die Vergrößerung der Herzhöhlen sich gleichmäßig auf alle Teile des Herzens erstreckte, mit Vorliebe aber das rechte Herz betroffen war. Daß die Ursache der Veränderungen lediglich in den exzessiven Marschleistungen zu suchen war, ergab sich aus dem Vergleich mit dem Herzen von Feldartilleristen. Die Dilatationen zeigten bis zu 10 Wochen nach der ersten Aufnahme keine wesentliche Rückbildungstendenz.

XXIII, 4. Internationale Fachliteratur. 891

Nr. 17, S. 498.

Brauneck-Sulzbach-Saar: Zur Fremdkérperlokalisation und Rintgenstereoskopie. Die Réntgenstereoskopie, speziell der von Driiner angegebene Apparat stellt das vollkommenste dar, was für einschlägige Fälle vorhanden ist. Es gelingt, mit ihm auch Fremdkörper auf das Exakteste zu lokalisieren, so daB seine Anschaffung für Lazarettzwecke als eine dringende Forderung erscheint.

Nr. 17, S. 492.

Fritz M. Meyer-Berlin: Die filtrierte Réntgenbehandlung des chronischen und subakuten Ekzems. Trotz der unbestrittenen Vorteile, die die Röntgenbehandlung des Ekzems bietet, kommen immer gelegentlich Fälle vor, deren Heilung sehr lange Zeit in Anspruch nimmt, oder überhaupt ganz ausbleibt. Diese „röntgenrefraktären® Fälle zu beeinflussen, hat Verf. vor allem die harten Strahlen in Anwendung gebracht. Er verwendet 10—11 We. bei einer Filterung von 1mm Aluminium, die an dem Röntgenkasten selbst angebracht ist. Fokushautdistanz 20 cm. Die kleineren, sonst in der Hauttherapie üblichen Röhrenmodelle sind hierbei nicht brauchbar. In jeder Sitzung wird '/, Volldose appliziert, die Pausen betragen 1 Woche bis im ganzen 24, Volldosen gegeben sind. Dann dreiwöchentliche Pause, nach deren Ablauf, wenn nötig, der Turnus wiederholt wird. In 88 Fällen waren 36 vollkommene Heilungen zu verzeichnen, obwohl zahlreiche Patienten sich weiter ihren Berufsschädlichkeiten aussetzen mußten. Erforderlich war höchstens ein Bestrahlungsturnus, so daß man in längstens 4 Wochen zum Ziele gelangt war. Eine andere Therapie kam daneben nicht in Anwendung. In den beiden weiteren Fällen handelte es sich um Lues, deren Erscheinungen unter spezifischer Therapie schnell zur Ausheilung kamen.

Medizinische Klinik. 1915, Nr. 24, S. 672.

Bauch-Wien: Über periostale Späterkrankungen nach Ruhr. Ahnlich den bei Typhus bekannten Knochenerkrankungen konnten nach Ruhr in 4 Fällen Schmerzen an der Tibia und Fibula beobachtet werden, denen nach der Röntgenuntersuchung eine Periostitis zugrunde lag. Symptomatisch war das Leiden nicht zu beeinflussen. Erst Röntgenbestrahlungen brachten subjektiv und objektiv Heilung.

Deutsche medizinische Wochenschrift. 1915, Nr. 25, S. 737.

H. E. Schmidt-Berlin: Über die Coolidgeröhre der A. E.-6. Verf. konnte mit der Coolidgeröhre Versuche anstellen, noch bevor sie im Handel war, über die er in der vorliegenden Arbeit berichtet. Das Wesen der Röhre besteht darin, daß sie so weit evakuiert ist, wie das technisch möglich war. Zum Gebrauch bedarf sie daher einer Akkumulatorenbatterie zum „Anheizen‘. Je geringer die Stromstärke des Heizstroms ist, um so härter, je höher um so weicher ist die Röhre. Außerdem: je höher die Be- lastung, desto härter die Röhre. Ohne weiteres ist die Röhre zu Schirmdurchleuchtungen nicht zu ver- wenden, da die Kathode und die Wolfram-Antikathode eine derartige Lichtmenge aussenden, daß dadurch das Zimmer vollkommen erleuchtet wird. Will man also durchleuchten, dann muß man die Röhre mit lichtdichtem Material umschließen. Demgegenüber ist die Konstanz der Röhre unerreicht und auch die Belastungsfähigkeit ist eine ganz ungewöhnliche, so daß, nachdem eine Stunde lang bei 5 We. 20 MA. durchgeschickt worden waren, eine Änderung des Härtegrades nicht festzustellen war, wenigstens bei weichem und mittelweichem Zustand. Bei härteren Graden ist ein wesentlicher Unterschied nicht vor- handen. Im übrigen können alle Härtegrade von 1—12 We. ohne Schwierigkeiten eingestellt werden. Der Härtegrad kann beliebig lange konstant erhalten werden. Für die Tiefentherapie bietet sie keine besonderen Vorteile Es ist anzunehmen, daß, namentlich was die Regulierung des Heizstroms betrifft, noch Verbesserungen angebracht werden. Auch erscheint der Preis (400 Mark für die Röhre, 250 Mark für die Heizstrombatterie) noch außergewöhnlich hoch.

Nr. 26, 8. 768.

Bauermeister-Braunschweig: Uber Citobaryum (Merck), ein neues Roéntgenkontrastmittel. Vorzüge: Kann in trinkbarer Form dem Kranken dargereicht werden und erspart ihm dadurch Ekelgefühle.

Nr. 26, 8. 767.

Holzknecht: Das Glihventil nach Koch. Das von der Firma Koch und Sterzl in die Röntgen- technik eingeführte Glühventil wird aufs beste empfohlen; „es macht mangelhafte Induktorbetriebe störungsfrei, erhöht die Konstanz der guten, ea verlängert die Lebensdauer und erhöht die Belastbarkeit der Röntgenröhren‘.

1915, Nr. 4, S. 106.

Krummacher: Réntgenologische Ortsbestimmung im Knochen. Verf. bedient sich des folgen- den Verfahrens: er sticht einen Steinmannschen Nagel vor dem Röntgenschirm ein und dirigiert ihn bis zu dem Fremdkörper. Unter Leitung dieses Nagels wird dann die Kugel entfernt. Die Methode erweitert das Verfahren von Nordmann, der Insektennadeln verwendet, dahin, daß auch Fremdkörper, die in einem widerstandsfähigeren Gewebe, wie z. B. Knorpelüberzug sitzen, leichter aufgefunden werden können. (Die Methode hat durch die Lokalisationsverfahren als überholt zu gelten. Ref.)

Nr. 8, 8, 211.

Manfred Fränkel-Charlottenburg: Zur Heilung von schweren Knochenbriichen mittels Röntgen- reizdosen. Anknüpfend an seine früheren Untersuchungen, die im Zentralblatt für Chirurgie 1914, Nr. 26

392 Internationale Fachliteratur. XXII, 4.

veröffentlicht sind, hat der Verfasser die Behandlung der Knochenbriiche der Kriegsverletzten mit „Röntgenreizdosen“ in die Wege geleitet. Er verfügt jetzt über ca. 40 Fälle, bei denen die Kallus- bildung auffallend beschleunigt wurde, wie die beigegebenen Krankengeschichten einiger Fälle zeigen. Das Gleiche gilt für die Reinigung granulierender Wundflächen, namentlich nach Granatschußverletzungen.

Nr. 10, S. 265.

Thöle: Über Dumdum-Verletzungen. Die große praktische Bedeutung des Themas verlangt eine eingehendere Besprechung der interessanten Untersuchungen des Verfassers. Es wurden 100 Schieß- versuche angestellt auf lebende Rinder und Pferde bei einer Schußdistanz von 50 Metern. Zur Ver- wendung kam ein S Geschoß mit abgefeilter Spitze oder Zerschellermunition. Beim Weichteilschuß ge- nügt für das Dumdumgeschoß schon der Widerstand der Haut, um seine charakteristische Wirkung auszuüben: vom Einschuß aus verbreiten sich zahllose kleine Bleistiickchen in Trichterform. Ist die Muskulatur sehr dick, dann fehlt überhaupt der Ausschuß; der von vorn aufgerissene Mantel liegt dicht unter der Haut. Bei den parenchymatösen Organen, ebenso wie bei den Hohlorganen mit dem ent- sprechenden Füllungszustand ist die Beurteilung, ob Dumdum- oder einfaches S-Geschoß vorliegt, sehr schwer, da hier die Explosivwirkung mit hinzukommt. Bei der Diaphyse sieht man mit S-Geschoß einen entsprechend kalibergroßen Gang in der Muskulatur vor dem Knochen, dem dann hinter dem zer- trümmerten Knochen eine große Höhle folgt, die mit Knochengries angefällt ist. Bei Dumdum ist schon vor dem Knochen eine große Höhle vorhanden, während die Höhle hinter dem Knochen flacher zu sein pflegt. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den Epiphysen. Am Schädel erzeugt das S-Geschoß einen Gang, der etwas über kalibergroB ist, während das Dumdumgeschoß zu einer vollkommenen Zer- trimmerung des knöchernen Schädels und seines Inhalts führt. Aus alledem ergeben sich folgende Schlüsse: Bei reinen Fleischschüssen ist beweisend für Dumdum: Vorhandensein multipler kleinerer Wunden an Stelle oder neben dem Hauptausschuß. Graufärbung der Hautausschußfetzen durch Blei. Stecken des von der Spitze her aufgesplitterten Mantels in einer Wunde an der Ausschußseite. Aussaat von Bleistücken oder Stücken von Mantelfetzen auf dem Röntgenbild. Nicht beweisend sind: Fehlen eines Ausschusses. Großer fetziger Ausschuß (Querschläger!). Bei gleichzeitiger Knochenverletzung ist der Beweis für eine Dumdumverletzung ohne das Röntgenbild überhaupt nicht zu erbringen. Hier sind aber dann als beweiskräftig anzusehen: Aussaat von Bleistückchen in dicker Muskulatur vor dem Knochen. Dichter Bleischatten bei Epiphysenschuß (da das S-Geschoß an der Epiphyse nicht zerschellt). Massenhaft dichter Bleischatten hinter Diaphysenfraktur bei Steckschuß, denn wenn ein S-Geschoß in einer dünnen Extremität stecken bleibt, ist es mit geringer lebendiger Kraft eingeschlagen und wird nicht so deformiert, daB das ganze Blei verspritzt.

Nr. 20, S. 560.

Wachtel-Wien: Ein halbes Jahr röntgenologische Projektillokalisation. Zunächst einige Zahlen aus dem Zentralröntgenlaboratorium-Wien, die in wissenswerter Weise den Wert des Röntgen- verfahrens für die Kriegsverletzungen wiedergeben: Im Monat wurden ca. 400 kriegschirurgische Fälle untersucht; hierbei wurden in 130 Fällen Projektile im Körper nachgewiesen, d. h. jeder dritte Patient hatte ein Projektil oder einen Geschoßsplitter im Körper. Von diesen erforderten 25°], kein chirurgisches Eingreifen. Als Lokalisationsmethoden wurden in 60°/, der Fälle die Durchleuchtung bei stetiger Ro- tation, in 40°, die Doppelaufnahme mit dem Schwebemarkenlokalisator angewendet. Die Erfahrungs- tatsache, daß man nur auf das einfache Röntgenbild hin keine Projektile suchen soll, hat sich auch hier wieder mehrfach bestätigt, wie Verf. an einigen praktischen Beispielen zeigt: oft machen die Bilder ähn- licher Fälle zunächst einen gleichen Eindruck, bis erst durch die Lokalisation festgestellt wird, daß die Verhältnisse grundverschiedene sind. Das gilt namentlich von Projektilen in der Glutäalregion bzw. im kleinen Becken. Auf die einfache Schirmdurchleuchtung mit Lokalisation auf der Haut hin darf nur dann ein Fremdkörper gesucht werden, wenn bei der Durchleuchtung durch Eindrücken der Haut gleich- zeitig eine Beeinflussung des Projektils stattgefunden hat. Zum Schluß werden einige ergänzende Ver- fahren in Erinnerung gebracht: Füllung des Magendarmkanals mit Kontrastmahlzeit. Einlegen von bieg- samen Sonden usw. in Fistelöffnungen. Einführung von Bougies in den Urogenitaltrakt usw.

Hayward (Berlin).

Wiener klinische Wochenschrift. 1913, Nr. 39.

Latzko-Schüller-Wien: Zur Radiumbehandlung des Krebses. (Mit einer Doppeltafel.) An der Hand von sieben eingehenden Krankengeschichten berichten L. und Sch. über ihre Erfahrungen und Erfolge bei der Radiumbehandlung maligner Neubildungen. Sie kommen zu dem Schluß, daß das Radium ein unschätzbarer Gewinn für die Krebsbehandlung bedeutet, aber nur dann, wenn es von erfahrener Seite sachgemäß angewandt wird. Die operationslose Behandlung des Karzinoms ist indessen noch keines- wegs für die Allgemeinheit indiziert, unbeschadet der Berechtigung derartiger Versuche an großen Kliniken. Hierzu sind die Erfahrungen noch viel zu kurz, vor allem hinsichtlich der Dose und des Endtermins der Behandlung. Zunächst ist die Radiumbehandlung auf inoperable Tumoren zu beschränken, oder auf Tumoren, bei denen die primäre Mortalität der Operation zu dem Risiko des Operationsaufschubes be-

ets ge Se ee ee ao el Ree ae er >;

XXIII, 4. Internationale Fachliteratur. 398

rechtigt. Die gelegentlich fast an Heilung grenzenden Erfolge bei inoperablen Fallen sind nur durch möglichst lange Anwendung möglichst hoher Dosen méglich. Fernau und Schramek-Wien: Uber chemische Wirkungen der Becquerelstrahluug. Die

chemischen Wirkungen werden von den biologischen bei weitem überragt. Zur Erzielung nachweisbarer chemischer Reaktionen muß mit großen Mengen radioaktiver Substanzen gearbeitet werden.

Nr. 41. G. Riehl: Karzinom und Radium. Referat auf der 85. Versammlung deutscher Natur- forscher und Ärzte. Wien, September 1913. Siehe diese Zeitsehrift Bd. 21, S. 259. | Wertheim: Radiumbehandlung des Gebärmutterkrebses. Referat auf der 85. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte. Wien, September 1913. Siehe diese Zeitschrift Bd. 21, S. 260. Peham-Wien: Zur Radiumbehandlung in der Gynäkologie. Referat, erstattet auf der 85. Ver- sammlung deutscher Naturforscher und Ärzte. Wien, September 1913. Siehe diese Zeitschrift Bd. 21, 8. 260. Ranzi, Schüller und Sparmann-Wien: Erfahrungen über Radiumbehandlung der malignen Tumoren. Referat, gehalten auf der 85. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte. Wien, Sep-

-temper 1913 von Ranzi. Siehe diese Zeitschrift Bd. 21, S. 260.

Nr. 45. Keitler-Wien: Zur Radiumbehandlung des Gebärmutierkrebses. Die operationslose Behandlung des Krebses ist nicht spruchreif und darf nicht als Indikation ins Publikum gelangen. Inoperable Krebse können durch Radiumbehandlung eventuell operabel werden. Operierte Fälle und Rezidive sollen mit Strahlenbehandlung nachbehandelt werden.

Nr, 46: G. Schwarz-Wien: Zur Frage der Sekundärstrahlentherapie. Erbsenkeimlinge wurden z. T. in Wasser, z. T. in Elektrargol liegend in identischer Weise bestrahlt. Während die unbestrahlten Kontrolipflanzen, gleichgültig ob sie in Wasser oder Elektrargol gelegen hatten, sich zu gleich großen Pflanzen entwickelten, blieben die bestrahlten im Wachstum zurück, und zwar wiederum die im Elektrargol bestrahlten wesentlich mehr, als die im Wasser bestrahlten. Der Sekundärstrahlung des Silbers kommt also eine sehr beträchtliche wachstumhemmende Wirkung zu.

Nr. 47. Neumann-Wien: Die Behandlung der Narbenstenosen des Ösophagus mit Radium. Besprechung des Instrumentariums und drei Fälle mit Krankengeschichten.

Nr. 48. v. Sarbo-Budapest: Zur Symptomatologie der intrathorazischen Struma. Den größten Dienst in diagnostischer Beziehung leistet die Röntgenuntersuchung.

Nr. 50. Sparmann-Wien: Bericht über den weiteren Krankheitsverlauf der mit Radium be- handelten Fälle maligner Tumoren. In den Einzelheiten zum kurzen Referat nicht geeignet. Von 30 zu Ende behandelten Fällen starben während der Behandlung 11, es wurden verschlechtert 7, kaum gebessert 1, gebessert 5; in 6 Fällen war der Tumor derzeit verschwunden. Ein Allheil-Krebsmittel ist das Radium nicht, als Hilfsmittel bei inoperablen, bösartigen Neubildungen will es aber die Eiselsbergsche Klinik nicht missen.

Nr. 51. Philipowicz-Wien: Beitrag zur Réntgentherapie der Lymphdrüsentuberkulose. Ver- fasser hat auf Grund von 26 behandelten Fällen einen sehr günstigen Eindruck von der Röntgenwirkung auf Lymphome und bestätigt hiermit die anderwärts gemachten Erfahrungen. Sowohl die bereits er- weichten, als auch die hyperplastischen, härteren Formen reagieren in gleich guter Weise. Die Drüsen- schwellungen gehen rasch und sicher zurück, Fisteln schließen sich mit zarter Narbe, die Einwirkung anf den Gesamtorganismus ist eine günstige. Die Röntgentherapie der tuberkulösen Lymphome sollte viel häufiger und allgemeiner angewendet werden, als es der Fall ist.

1914. Nr. 4. Schramek-Wien: Über medikamentös kombinierte Radiumtherapie. Kombination von jodhaltigen Präparaten innerlich und darauf folgender Radiumbestrahlung hat sich dem Verfasser besonders bei Lupus bewährt.

Nr.5. v. Graff-Wien: Die Basedowsche Krankheit als Kontraindikation gegen gynäkologische Réntgentherapie. G. warnt im Gegensatz zu Mannaberg vor der Röntgenbehandlung des Myoms usw. bei Basedowfällen. Er sah bei einem Myomfall mit mäßiger Struma, ohne Zeichen von Basedow nach der Erzielung der Amenorrhoe durch Röntgenbehandlung, den Ausbruch eines typischen Basedow.

Nr. 6. Schüller-Wien: Radiumtherapie in der Urologie. Besprechung der speziellen Technik. Harnröhrenstenosen, die durch keloide Wucherungen hervorgerufen sind, werden günstig beeinflußt. Bei einigen Fällen von gutartiger Prostatahypertrophie (4 von 11) war der Behandlungserfolg gut. Auch Prostatakarzinome wurden gelegentlich gebessert. Ein Fall von Blasenpapillom heilte rezidivlos. Beim Versagen der operativen Therapie ist auch beim Blasenkarzinom ein Versuch mit Radiumbehandlung zu machen,

Nr. 8. Sluka-Wien: Über die Häufigkeit der Spitzentaberkulose im Kindesalter. Die Spitzen- tuberhulose kommt bei Kindern nur sehr selten vor. Eingehende Röntgenuntersuchungen haben S. ge- zeigt, daB beim Kinde die klinische Diagnose Spitzentuberkulose fast immer zu Unrecht gestellt wird und dem Röntgenbefund nicht standhält. Meist findet sich normale Lunge und normales Thoraxskelett. In anderen Gruppen finden sich Lungenveränderungen mit oder ohne sekundäre Skelettveränderung, in weiteren endlich nur Skelettanomalien. Am häufigsten deckt der Röntgenbefund eine Bronchialdrüsen-

Yortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. l 50

394 Internationale Fachliteratur. XXIII, 4.

tuberkulose auf, seltener findet sich das typische Bild der Hilustuberkulose Unter den sekundären Thoraxveränderungen spielt die ausgeheilte Pleuritis mit ihren Folgeerscheinungen eine große Rolle. Von den primären Skelettsveränderungen sind leichte Skoliosen in Halsrippen besonders zu beachten. (Die primären und sekundären Thoraxskelettsveränderungen möchte Referent auf Grund ausgedehnter Beobachtungen übrigens auch auf Erwachsene als häufige Fehlerquelle der klinischen Diagnose Spitzen- tuberkulose ausgedehnt wissen.)

Nr. 10. Forssell-Stockholm: Die Bedeutung der Réntgentherapie für die innere Medizin. Übersichtsvortrag.

Nr. 13. Botteri-Dalmatien: Ein Fall von „Dextroversio cordis“. Kasuistischer Beitrag. B. nimmt an, daß es sich in seinem Falle um eine Verdrehung eines median gestellten Cor pendulum handelt.

Nr. 15. Köhler und Schindler-Wien: Zur Radiumbehandlung der Uteruskarzinome. Operable Fälle operieren. Bei inoperablen Fällen sind die Erfolge bei guter Technik (nicht zu große Dosen) jedenfalls besser, als bei den übrigen Palliativmethoden, kommen sogar gelegentlich klinischen Hei- lungen gleich, -

Wagner-Graz: Bemerkungen zu den Beziehungen der Röntgenbehandlung der Ovarien und des Basedow. W. will zwischen Mannaberg und v. Graff einen vermittelnden Standpunkt einnehmen und sucht zu erklären, warum die Erfahrungen des einen zur Empfehlung, die des anderen zur Ableh- nung der Ovarienröntgenisierung bei Basedow führten.

Nr. 17. Engel und Holitsch-Budapest: Zur Symptomatologie der Struma substernalis. Das allbekannte Emporsteigen der Struma beim Schluckakt konnten E. und H. bei retrosternalen Strumen auf dem Röntgenschirm sehen, sowie perkutorisch nachweisen.

Nr. 19. Pulowski- Warschau: Ein Beitrag zur Behandlung der Leukämie mit Réntgenstrahlen und Benzol. Kasuistischer Beitrag.

Nr. 21. Schütz und Kreuzfuchs: Ein Fall von Rumination mit dem Röntgenbefund eines intermittierenden Sanduhrmagens. S. und K. sind geneigt das Regurgitieren mit dem periodisch auf- tretenden, wahrscheinlich nervösen Sanduhrmagen ursächlich in Zusammenhang zu bringen.

Ruppert-Wien: Eine Abrißfraktur der Spina iliaca anterior superior. Seltene Fraktur, klinisch nicht diagnostizierbar.

Nr. 26. Bichler-Wien: Zur Kasuistik des Röntgenkarzinoms. B. berichtet mit eingehenden Krankengeschichten über vier Fälle von Röntgenkarzinomen, die sämtlich aus früherer Zeit stammen, (1896, 1897, 1898 und vor 1904.) Bis zur Entstehung des Karzinoms waren ungefähr 15, 18, 8 und 14 Jahre verstrichen. Zwei Ärzte, ein Röntgenarbeiter, ein therapeutisch bestrahlter Patient. Der jüngste Fall war nur 18 Jahre alt, als 9jähriger Knabe bestrahlt.

Nr. 28. Kelling-Dresden: Tastsonde für dle Röntgenuntersuchung des Magens. Sonde mit Vorrichtung zum Luftaufblähen des Magens, welche ein Betasten beliebiger Magenabschnitte gestattet. Ohne Abbildung zum kurzen Referat ungeeignet.

Paul-Innsbruck: Kurze Mitteilung zur Kasuistik der Fremdkörper in den Luftwegen. Aspi- ration der „Stimme“ einer Lockpfeife in einem Bronchus bei einem $jährigen Knaben. Entfernung nach Tracheotomie im Bronchoskoprohr.

Nr. 29. Barsony-Budapest: Beiträge zur Diagnostik des postoperativen jejunalen und Anasto- mosenulkus. Bei der Röntgenuntersuchung ist ein intensiver, fleckartiger Schatten, welcher teils durch die Füllung des Jejunums hindurchschimmert, teils über die Konturen desselben hinausragt, sich durch Massage nicht beeinflussen läßt und dessen Stelle zirkumskript druckempfindlich ist, als charakteristisch für das postoperative kallöse Jejunalulkus anzusehen. Bei der Röntgenuntersuchung von postoperativen Anastomosengeschwüren findet man in jenen vorgeschrittenen Fällen, bei welchen es zu einer Verenge- rung der Anastomose gekommen ist, eine Magenerweiterung und einen bedeutenden Rest, außerdem ent- weder eine zirkumskripte Empfindlichkeit, der Anastomose entsprechend, oder eine schmerzhafte Re- sistenz daselbst.

Nr. 30. Heuszelmann-Budapest: Die Reizung des Nervus phrenicus durch den faradischen Strom und die röntgenologische Verwertbarkeit dieses Verfahrens. H. empfiehlt die faradische Reizung des Nervus phrenicus bei der Thoraxdurchleuchtung, um pathologische Verhältnisse am Zwerch- fell besser studieren zu können. Die erzielte maximale Inspirationsstellung läßt Einzelheiten beurteilen, die sonst kaum erkennbar sind. Eventuell eignet sich das Verfahren auch zum Dehnen oder Zerreißen feiner Pleuraverwachsungen.

Nr. 88. Plunger-Linz: Zwei Fälle von isolierter Mondbeinfraktur. Ätiologie: Dorsale Hyper- flexion der Hand bei gleichzeitig stattfindendem proximal gerichtetem Stoß resp. starkem Druck gegen die Handwurzel. Haenisch-Hamburg.

Druck von Hesse & Beoker in Leipzig.

Fortschritte a. d. Gebiete der Rontgenstr. XXII.

Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Berlin-Steglitz.

Tafel XIII.

Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg.

' kie 2 ' ! t g ja 5 i t a ' I { ; ~i ' . U ) i . ' i a I ' 4 rt t A D 4 ! i 1 i l t bins 4 i '

ne eR Nl TT aae

Fortschritte a.

d. Gebiete der Rontgenstr. XXII.

Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Berlin-Steglitz.

Tafel XIV.

Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg.

`

-o naamin. am

ann mm tn m nn nr

Fortschritte a. d. Gebiete der Röntgenstr. XXII. Tafel XV.

Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Berlin-St Verlag von Lucas Gräfe & Sile

ER ar es

un ewe

ee nn le u nn

Aus der Medizinischen Klinik und Nervenklinik Tübingen. (Vorstand Prof. Dr. Otfried Müller.)

Sechs Fälle von Osophaguserweiterungen’). | Von Dr. Eugen Weiß, Assistenzarzt der Medizinischen Klinik. 2 (Hierzu 20 Bilder auf Tafel XVI, XVII u. XVIII.)

Erweiterungen der Speiseröhre waren in früherer Zeit schwer zu diagnostizieren. Ihre sichere Erkennung war meist erst auf dem Sektionstisch möglich. Den modernen Methoden der Röntgenuntersuchung, Ösophagoskopie und dem Ausbau der Sondierungstechnik blieb es vorbehalten, schon intra vitam eine Dilatation des Osophagus mit Bestimmtheit nachzuweisen. Dementsprechend wuchs auch die Zahl der in der Literatur niedergelegten Fälle. So waren 2..B. A. Neumann(1) über 70 Fälle von gleichmäßigen Ektasien der Speiseröhre bekannt, während 1878 Zenker(2) nur von 18 derartigen Fällen Kenntnis hatte. Die Möglichkeit der häufigeren Diagnosenstellung führte natürlich auch zu vermehrten und vertieften Kenntnissen über das Wesen und Zustandekommen der Erweiterungen der Speiseröhre. Da die neueren Anschauungen wesentlich differieren von denen früherer Zeiten, so mögen einige kurze referierende Bemerkungen über den heutigen Standpunkt in diesen Fragen am Orte sein.

Es sind zwei Hauptgruppen von Erweiterungen der Speiseröhre zu unterscheiden:

1. die diffuse Erweiterung, die Ektasie, |

2. die zirkumskripte Erweiterung, die Divertikelbildung.

Die diffuse Erweiterung finden. wir

a) über organischen Stenosen; sie sind meist auf einen Teil der Speiseröhre be- schränkt und selten hochgradig, l b) ohne organisches Hindernis.

Namentlich die letztere Form erweckte betreffend ihrer Ätiologie das ganz besondere Interesse der Physiologen und Pathologen. Nach den neueren Untersuchungen muß für diese Form der diffusen Dilatation fast ausschließlich ein chronischer Kardiospasmus verantwortlich gemacht werden. Letzterer ist als Teilerscheinung des Ösophagismus, des Ösophaguskrampfes, ‘und als motorische Neurose aufzufassen und entsteht

1. idiopathisch,

2. auf dem Boden einer allgemeinen Neurose,

3. durch Reiz aus der Umgebung, bei gleichzeitiger neuropathischer Veranlagung.

Der meist als Erklärung für die diffuse Dilatation gegebene Entstehungsmodus ist der, daß die Stagnation oberhalb der spastisch kontrahierten Kardia erst zur Hypertrophie der Muskularis, dann im Laufe von Monaten und Jahren durch Insuffizienz derselben zur Dehnung und Erschlaffung der Muskularis führt; eine Erklärung, die an -Anschauungen anknüpft, wie wir sie auch sonst bei Stenosen gewonnen haben (Darmstenose, Pylorusstenose, Hypertrophie und Dilatation des Herzens bei entsprechenden Herzfehlern). Doch sind auch andere An- schauungen sehr beachtenswert, die in neuerer Zeit diskutiert werden und ebenfalls für die Erklärung des Entstebungsmechanismus der diffusen Dilatation bei funktioneller Kardiastenose beachtenswerte Aufschlüsse zu geben vermögen:

1) Nach einem im mediz.-naturwissenschaftlichen Verein Tübingen gehaltenen Vortrag. 50*

396 Weiß. | XXIII, 5.

So gut nämlich die abnorme Kontraktion der Kardia als ursächliches Moment für die Stenose der Kardia angesehen werden kann, kann man auch das Ausbleiben ihrer beim Schluck- akt normalerweise erfolgenden Erweiterung für den Effekt des Passagehindernisses verantwortlich machen. Darauf wies schon Meltzer(3) hin und von Kraus und Ridder(4) wurde auch neuerdings diesem der Physiologie des Schluckaktes entsprechenden Entstehungsmodus besondere Beachtung geschenkt. Hierdurch wird nämlich die Störung im Ablauf des normalen Schluck- aktes zurückgeführt auf Störungen in dem Nervengebiete, das für den normalen Ablauf ge- ordneter motorischer Tätigkeit des gesamten Intestinaltraktus von ausschlaggebender Bedeutung ist, nämlich auf Vagusstörungen. Der Nervus vagus entsendet Fasern zur Speiseröhre wie zur Kardia. Durch das Tierexperiment konnte festgestellt werden, daß bei experimenteller Durch- schneidung der Nervi vagi am Halse im oberen Abschnitt des Ösophagus Erschlaffung, im untersten Abschnitt hingegen krampfhafte Kontraktur eintritt. Kraus und Ridder(4) machen ausführlich auf diese Eigentümlichkeit des Nervus vagus aufmerksam im Zusammenhang mit einem von ihnen veröffentlichten Fall von diffuser Erweiterung bei Kardiospasmus, bei dem Atrophie beider Nervi vagi autoptisch festgestellt werden konnte. Sie bauten darauf die sehr einleuchtende Anschauung auf, daß wir es bei Kardiospasmus mit diffuser Erweiterung der Speiseröhre nicht mit primären und sekundären Erscheinungen, sondern mit 2 gleichzeitig auftretenden Phänomenen zu tun haben, einmal mit dem Wegfall des die Kardiakontraktion beim Schluckakt aufhebenden Impulses und außerdem mit der gleichmäßigen permanenten Er- schlaffung der Muskulatur der Speiseröhre, beides bedingt durch Dysfunktion resp. Lähmung des Nervus vagus. Kraus und Ridder(4) begründen diese Anschauung eingehend; was sie beson- ders plausibel macht, ist die Tatsache, daß so häufig die pathologischen Erscheinungen auf dem Boden von allgemeinen Neurosen auftreten. Und wie häufig im Symptomenbild solcher Neu- rosen Störungen von seiten des Vagusgebiets mit enthalten sind, ja wie häufig allgemeine Neurosen reine Vagusstörungen darstellen, diese Tatsache ist dem inneren Kliniker schon längst geläufig.

Diesen beiden wichtigsten Theorien über das Zustandekommen von Ösophaguserweiterungen (primärer Kardiospasmus mit sekundärer Atonie, resp. gleichzeitiges Auftreten von Kardio- spasmus und Atonie) kann an Bedeutung eine weitere Theorie, die Rosenheimsche von der primären Atonie und dem sekundären Spasmus cardiae nicht gleichkommen. Auch sie hat Anhänger gefunden (Janczurowicz, Umber). Doch ist dieser Entstehungsmodus auf jeden Fall extrem selten; auch Albrecht(5) spricht sich in diesem Sinne aus und gibt nur in dem von Pilz mitgeteilten Fall die Möglichkeit primärer Atonie zu.

Dem Aussehen nach wird die diffuse Erweiterung der Speiseröhre als spindel- oder flaschenförmig bezeichnet.

Die Symptome der diffusen Ektasie sollen nur ganz kurz besprochen werden. - Besonderes Augenmerk ist auf die Beobachtung zu richten, die die Kranken meist selbst machen, daß sie beim Essen das Gefühl haben, als ob die Speisen „nicht in den Magen gelangen“ könnten. Sie verspüren oft geradezu ein Zusammenschnüren an einer Stelle oberhalb des Magens. Be- kannt sind die Gefühle der Beklemmung, des Vollseins, manchmal auch eines brennenden Schmerzes hinter oder rechts vom Brustbein in seinen .unteren Partien. Weiterhin wenden derartige Patienten nach unseren Beobachtungen häufig Kunstgriffe mechanischer Art an, um die Speisen vollends in den Magen gelangen zu lassen: Druck mit den Händen gegen die Rippenbogen, Einnahme einer bestimmten Stellung sind derartige Hilfsaktionen. In höheren Graden kommt es dann zum Wiederauswürgen, zum „Ausfließenlassen“, zur Regurgitation der eingenommenen Speisen und es ist dabei wichtig, daß dies Erbrechen oft schon während des Essens, oder doch sehr kurze Zeit später erfolgt. Dabei sind kopiöse Entleerungen besonders charakteristisch. Rumination wird hierbei nicht selten beobachtet.

Für die objektive Diagnosenstellung kommen namentlich zwei Verfahren in Betracht, die Sondierung und die radiologische Untersuchung. Diesen beiden Methoden reiht sich neuer- dings die Ösophagoskopie mit Erfolg an.

i

XXIII, 5. Sechs Fälle von Ösophaguserweiterungen. 397

Bei der Sondierung ist hauptsächlich der Nachweis zweier verschiedener, Speisenmassen enthaltender Räume von Bedeutung (Magen und Ösophagus). Die verschiedenen Methoden hier zu besprechen, würde zu weit führen.

Von größter Bedeutung für die Diagnose ist das Röntgenverfahren. Beschreibungen von Ösophagusektasien im Röntgenbild liegen von einer Reihe von Autoren vor (Hildebrand, Holzknecht, Kaufmann und Kienböck, May, Gabriel u. a. m.). Kraus und Ridder stehen nicht an, das Röntgenverfahren für das souveräne zur Erkennung der spindelförmigen Ektasie zu halten und betonen ebenfalls, daß seit seiner Anwendung diese Erkrankung sich als viel häufiger herausgestellt hat, als man früher annahm.

Ösophagische Befunde liegen nach Albrecht(5) vor von Rosenheim, Lotheißen, Starcke, Ewald u. a. Die Erweiterung des Lumens macht es unmöglich, den ganzen Um- fang des Ösophaguslumens auf einmal zu überblicken, man pekonit immer je nach Neigung des Tubus nur eine Wand zu Gesicht.

Die Prognose ist zweifelhaft. Meist zieht sich die Affektion durch Jahre, oft auch Jahrzehnte hin, oft mit Intervallen von Besserung, ja Verschwinden der Beschwerden. In vor- geschrittenen Fällen ist Exitus infolge Inanition möglich, in frischen Fällen kann sachgemäße Behandlung, wenn nicht Heilung, so doch Besserung bringen.

Die Behandlung hat in geeigneter Diät, Reinigung von stagnierenden Speiseresten durch Ausspülungen, in schweren Fällen in Sondenernährung zu bestehen. Die Hauptsache ist sachgemäße Dilatation der Kardia durch Sondierung. Faradisierung der Ösophagus- muskulatur ist empfehlenswert. Besonders wichtig ist in diesen Fällen, die meist mit allge- meinen Neurosen kompliziert sind, geeignete Allgemeinbehandlung.

Im Gegensatz zur diffusen Dilatation, der Ektasie, steht nun die zirkumskripte Dila- tation, das Divertikel.

Die Unterscheidung von Traktions- und Pulsionsdivertikel wird seit langem geübt; die Bezeichnung findet sich zuerst bei Tiedemann(6).

Das Traktionsdivertikel bildet sich durch Zug von außen, so gut wie immer durch narbige Veränderungen der Umgebung, die mit der Ösophaguswand verwachsen sind. (Ent- zündungen der Lymphknoten des Mediastinums, Pleuritis, Lungenerkrankungen, Perikarditis, Wirbelerkrankungen.) Diese Divertikel gehören zu den häufigsten, sind aber von geringer Ausdehnung, meist symptomlos und bleiben deshalb meist unerkannt.

Bevermann(7) nennt 60 Fälle, deren Ursache fast durchweg in entzündlichen Prozessen zu suchen war. Auch Riebold(8) ist der Ansicht, daß Traktionsdivertikel in ihrer weitaus größten Zahl dadurch entstehen, daß entzündliche Prozesse benachbarter Teile nach dem Öso- phagus fortgeleitet werden.

Wichtiger als das Traktionsdivertikel ist das Pulsionsdivertikel. Zenker (1877) ge- brauchte diesen Ausdruck zuerst und verstand darunter eine Ausbuchtung des Schlundrohres an bestimmter Stelle, an der Grenze zwischen Pharynx und Ösophagus, entstanden durch einen von innen wirkenden und die Wand nach außen stülpenden Druck.

Bezüglich der Ätiologie bestehen zwei Theorien: die mechanisch-traumatische, von Zenker selbst stammend, ist die ältere, in den letzten Jahrzehnten konkurriert mit ihr die kongenitale, die die Ausbuchtung herleitet von dem Nachgeben der von vornherein schwachen Partie der hinteren, unteren Pharynxwand gegenüber dem physiologischen Innendruck.

Die Diagnose stützt sich in ausgebildeten Fällen auf direkte und indirekte Symptome, die direkten bestehen in dysphagischen Beschwerden, Regurgitation, Halsgeschwülste, Hals- geräusche, Foetor ex ore, die indirekten in Respirationsstörungen, Kongestionen, Brustschmerzen, auch Heiserkeit.

Für die objektive Diagnosenstellung kommen auch hier die 3 Methoden: Ösophago- skopie, Sondierung (Divertikelsonde) und insbesondere wieder das Röntgenverfahren in Betracht. Man verwendet entweder 2 Sonden oder macht die Aufnahme nach Zufuhr eines

398 Weiß. : XXIII, 5.

Kontrastbreis. Am sichersten gelingt die Diagnose, wenn man (nach Holzknecht) Brei und Sonde verwendet. Sieht man dann auf dem Röntgenbild neben dem Ösophagus, dessen Verlauf durch die Sonde markiert ist, einen mit dem Kontrastbrei gefüllten Sack als dunklen, scharf- umrandeten Schatten, so ist der Beweis eines Divertikels mit Sicherheit erbracht. Auch in diesen Fällen kann somit die Röntgenuntersuchung als das souveräne Verfahren bezeichnet werden, mit dem nicht nur auf möglichst schonende Weise die Diagnose als solche ermöglicht wird, sondern noch gleichzeitig Aufschlüsse über Größe, Lage und Form erhalten werden.

Die Prognose ist auch in diesen Fällen als zweifelhaft zu bezeichnen. Das Allgemein- befinden braucht zwar jahrelang wenig gestört zu sein, doch kommt es in höheren Graden zu Stenosen und damit Inanitionserscheinungen, die schließlich zum Tode führen können. Indes sind Fälle bekannt, wo zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und dem Exitus letalis 20—40 Jahre vergingen.

Die Therapie war früher in der Hauptsache palliativ-symptomatisch; jetzt kommt auch Sondierung mit Divertikelsonden in Betracht. In neuester Zeit mehren sich die Erfolge der operativen Therapie, die in Extirpation des Divertikelsackes besteht und allein Dauerheilung ermöglicht (vgl. Fall 6).

Reichmann und Mintz(9) (1892) wiesen dann aber im Gegensatz zu dem Typus des Pulsionsdivertikels, dem Zenkerschen, an der Grenze zwischen Pharynx und Osophagus, auf das Vorkommen tiefliegender Ösophagusdivertikel im unteren Ösophagusabschnitt hin. In der Folgezeit wurden infolge Verbesserung der Untersuchungstechnik (Sondierung, Röntgen- verfahren und Ösophagoskopie) ähnliche Fälle häufiger beobachtet. Immerhin bieten sie auch heute noch Interesse als Rarität.

Ätiologisch wurde schon immer neben kongenitaler Anlage die Rolle betont, die traumatische Insulte dabei spielen können und außerden vielfach der Meinung Ausdruck ge- geben, daß man in diesen Fällen vielleicht besser eine Kombination von Traktion und Pulsion annehmen, also von Traktions-Pulsionsdivertikel sprechen würde. Sonimmt Hausmann(10) in 10 Fällen 7mal Traktion durch Entzündungsvorgänge mit ihren Folgen in der Umgebung an, und Starck(11) ist ebenfalls der Ansicht, daß diese Divertikel aus Traktionsdivertikeln entstehen.

Die Größe dieser Divertikel schwankt, die Gestalt ist gewöhnlich kuglig oder pilzförmig.

Symptomatologisch kommt im Vergleich mit dem Zenkerschen Divertikel nach Kraus und Ridder(4) namentlich in Betracht, daß bei Vorhandensein .eines ausgebildeten Sackes Stenosenerscheinungen erst nach Anfüllung des Divertikels während jeder Mahl- zeit auftreten mit gleichzeitigen heftigen Schmerzen. (Vgl. Anamnese von Fall 5.) Die sonstigen Symptome sind ähnlich. i

Uber die Lage gibt am besten das Röntgenverfahren Aufschluß. Vorzugsweise verwendet man Sondeneinführung mit Kontrastbrei.

Die Prognose soll in diesen Fällen etwas günstiger liegen. Resultate mit operativer Therapie liegen nur spärlich vor.

Als glücklicher Zufall ist es zu betrachten, daß in unserer Klinik allein im Zeitraum der letzten ®/, Jahre 5 Fälle von Ösophaguserweiterungen zur Beobachtung kamen. Sie sollen in folgendem namentlich der Röntgenogramme halber unter Beifügung einer kurzen Kranken- geschichte beschrieben und besprochen werden. Zur Vervollstündigung wurde uns ferner ein weiterer Fall (Fall 6) von dem Leiter der Chirurgischen Klinik, Herrn Prof. Perthes, gütigst überlassen, wofür auch an dieser Stelle aufrichtiger Dank ausgesprochen sein soll.

1. Mäßige partielle Ektasie des Ösophagus über organischer Stenose (Karzinom),

Anamnese: J. K., 52 Jahre alt, aufgenommen 27. V. 1915, leidet seit einem halben Jahr an zu- nehmenden Schluckbeschwerden mit Schmerzen hinter dem Brustbein. Feste Speisen machen Beschwerden, flüssige (Milch und dünner Brei) nicht oder wenig. Beträchtliche Abmagerung. Vor ca. 17 Jahren Lungen- entzändung, vor 7 Jahren Rheumatismus, sonst früher ganz gesund.

XXIII, 5. Sechs Falle von Osophaguserweiterungen. 399

Im Befund ist namentlich die starke Abmagerung und das kachektische Aussehen erwähnenswert. Bei Sondierung der Speiseröhre kommt Sonde Nr. 29 im Abstand von 32 cm von der Zahnreihe auf ein Hindernis, ebenso Sonde Nr. 12. Man fühlt, wie die Sonde einem Widerstand begegnet, dabei empfindet der Patient Schmerz, während des Sondierens erfolgt Erbrechen.

Die Röntgenuntersuchung ergibt:

1. Bei der Durchleuchtung in schräger Durchstrahlungsrichtung: Der geschluckte Bissen des Kontrastbreis (Baryumsulfat) bleibt in Höhe der Bifurkation still liegen.

2. Bei der Aufnahme im ersten schrägen Durchmesser dorsoventral (Fig. 1) sieht man den stecken- gebliebenen Kontrastbrei im Mittelfeld liegen. In feinen Streifen sinken geringe Mengen nach abwärts

durch die Stenose hindurch, während die Hauptmasse des Breis oberhalb der Stenose sich staut. Deut-

lich ist die mäßige Ektasie der Speiseröhre über der Stenose zu sehen.

Der Röntgenbefund ist ebenso eindeutig wie die Anamnese: Das absolute Stilliegen des Breis ober- halb der stenosierten Stelle spricht ebenso, wie die starke Abmagerung und Kachexie bei dem vorher gesunden Mann für Karzinom.

Therapeutisch wurde Radium versucht, das mit Sonde an der stenosierten Stelle eingelegt wurde. Der Mann stellte sich anfangs Juli wieder vor mit der Angabe, das Schlucken habe zeitweise keine Be- schwerden mehr gemacht, in der Hauptsache halte er sich immer noch an flüssige Nahrung. Die Radium- behandlung wird fortgesetzt.

2. Kardiospasmus mit mäßiger, spindelförmiger Dilatation des Ösophagus bei

allgemeiner nervöser Veranlagung..

Anamnese: Der 28 Jahre alte Mechaniker und Reservist K. M. gibt an, seit 1913 Beschwerden beim Schlucken zu verspüren. „Die ganze Speiseröhre krampfe sich zusammen‘, sobald er etwas esse. Auch habe er krampfhafte Schmerzen in der Magengrube bei der Nahrungsaufnahme Im Feld Ver- schlimmerung der Beschwerden. Er sei von Jugend an nervös, besonders aufgeregt sei er, seit er als Werkführer viel Ärger habe. Die Mutter und ein Bruder seien auch nervös. Der Mann wird uns zur Röntgenuntersuchung zugewiesen. |

Den Befund illustriert Fig. 2 und Fig. 3. Was den somatischen Befund anbelangt, so sei aus der Krankengeschichte erwähnt, daß der Mann eine Reihe vagotonischer Symptome aufweist: Speichel- fluB, feuchte Hände, Schweiße, spastische Obstipation.

Figur 2: Aufnahme im sagittalen Durchmesser dorsoventral: Man erkennt durch den Herzschatten hindurch die Kontur des mit Baryum-Kontrastbrei gefüllten Ösophagus, nach unten mit dem charak- teristischen (Hildebrand(11)] Zipfel versehen in der Gegend der spastisch kontrahierten Kardia.

Fig. 3 stellt eine Aufnahme im schrägen Durchmesser von links hinten nach rechts vorne vor. Sie läßt die spindelförmige Erweiterung des ganzen Ösophagus in schöner Weise erkennen.

Der Mann wurde als völlig dienstunbrauchbar aus dem Heeresverband entlassen, nachdem sein Leiden durch das Röntgenverfahren aufgeklärt war.

Auch in diesem Falle ist die Anamnese (nervös von Jugend auf, Verschlimmerung durch Ärger und Aufregung, „krampfhafte* Gefühle) ebenso charakteristisch wie der Befund. Namentlich sei auch auf die vagotonischen Symptome hingewiesen.

3. Kardiospasmus mit hochgradiger diffuser Dilatation der Speiseröhre bei all- gemeiner Neurose.

Anamnese: Der 39jährige Silberarbeiter A. B. ist seit seinem 17. Lebensjahr „magenleidend“ und nervenleidend. Er suchte schon vor 20 Jahren die Klinik auf; die damalige Diagnose lautete (nach dem alten Krankenblatt): nervöses Magenleiden. Nach Auftreten von Schmerzen unter dem rechten Rippen- bogen neben dem Brustbein wird der Patient von seinem Hausarzt zum Spezialarzt für Magenleiden ge- schickt, der Mediastinaltumor diagnostizierte. Wegen vermehrter Beschwerden suchte der Patient die Klinik auf. Seine Klagen bestehen in den oben erwähnten Schmerzen, Appetitlosigkeit, sowie in Schluck- beschwerden. Er verspüre beim Schlucken ein Hindernis am Mageneingang, das er geradezu fühlen könne. Kein Erbrechen, außerdem eine Reihe nervöser Beschwerden.

Dem Abteilungsarzt fällt das aufgeregte Wesen des Patienten auf.

Im Befund sind degenerative Zeichen zu erwähnen: Femininer Beckentyp, hoher Gaumen, abnorme Schädelkonfiguration, Exophthalmus.

Bei der Sondierung wird konstatiert, daß bei Einführung der Magensonde schon in 35 cm Tiefe reichliche Massen Kontrastbrei entfernt werden, und zwar 6 Stunden nach Einnahme desselben.

Der Röntgenbefund führt auch hier zur sicheren Diagnose:

400 Weiß. ` XXIII, 5.

Fig. 4 stellt die Verhältnisse dar bei dorso-ventraler Thoraxaufnahme. Der Ösophagus ist als hoch- gradig erweiterter scharfrandiger Schlauch zu erkennen, der in seinem oberen Abschnitt eine Konvexität nach links zeigt, in der Herzgegend aber eine solche nach rechts, das heißt: in einer großen S- Schleife verläuft. Die Ränder sind glatt, wie das auch Hildebrand(12) beschreibt,

Fig. 5 stellt die Pause einer tiefer eingestellten Aufnahme dar, welche den weiteren Verlauf des dilatierten Ösophagus illustriert. Wulstartig biegt hier der Ösophagus von rechts wieder nach links um und reicht bis zur Kardia. Der Verlauf ist somit genau derselbe, wie ihn Kaufmann und Kienböck(l3) beschreiben: Umbiegung des ektatischen Ösophagus erst nach rechts unter Einnahme des rechten und mittleren Herzschattens, dann nach links unter Überschreitung des Herzschattens. Dieser Wulst muß es auch sein, der dem Patienten die angegebenen Schmerzen unter dem rechten Rippenbogen verursacht und nach Einnahme einer Mablzeit von ihm direkt als Vorwölbung bezeichnet wird.

Therapeutisch wurden Spülungen des dilatierten Ösophagus gemacht. Der Patient erlernt das Spülen selbst und wird mit diätischen Vorschriften nach Hause entlassen.

Erwähnenswert ist, daß schon vor 20 Jahren der damalige Hausarzt den Verdacht aussprach, es werde sich um eine Erweiterung der Speiseröhre handeln. 20 Jahre später hat die Röntgenuntersuchung diesen Verdacht bestätigen können.

4. Diffuse Ektasie der Ösophagus bei Kardiospasmus, hervorgerufen durch Reiz aus der Umgebung bei allgemeiner nervöser Veranlagung.

Anamnese: Der 29jährige Landsturmmann und Schuhmacher Chr. K. gibt an, daß seine jetzigen Schluckbeschwerden plötzlich im Verlauf einer langdauernden „Lungenentzündung“ entstanden sind. Im Jahre 1907 Lungenentzündung, von März bis August krank gewesen. Gegen Ende dieser Erkrankung Beschwerden bei der Nahrungsaufnahme. Seither sei er krank. Er habe beim Essen das Gefühl, ‚als könnten die Speisen nicht in den Magen gelangen“. Oft klopfe er gegen den Brustkorb, dann fühle er, wie die Speisen vollends in den Magen gelangen. Er leide auch an Erbrechen. Letzteres habe aber seit seiner Verheiratung nachgelassen, weil er sich seither mit dem Essen besser halten könne. Dem Patienten fällt selbst auf, daß er nur 2mal des Tags Wasser lassen müsse; oft den ganzen Tag über nicht {Retentionserscheinung!). Er sei weiterhin sehr zittrig und aufgeregt, z. B. könne er vor Gericht kaum seinen Namen schreiben. Wegen allgemeiner Körperschwäche wurde er seinerzeit zum ungedienten Land- sturm ausgehoben. Die Familienanamnese ergibt, daß auch die Mutter sehr aufgeregt und zittrig gewesen sei.

Bei der Sondierung gelangt die Sonde in einen weiten schlaffen Sack und gerät etwa in Höhe der Kardia auf einen Widerstand, der aber bei einigem Zuwarten nachläßt, so daß eine Ausheberung des Magens selbst möglich ist (Hypazidität).

Bei der Ösophagoskopie (Professor Albrecht) gerät der Tubus in einen weiten, schlaffen Sack, so daß meist nur ein Teil der erweiterten Wand zu sehen ist. Die pulsatorischen Schwankungen sind stark ausgeprägt.

Die Röntgenuntersuchung war in diesem Fall besonders eingehend: Nach Einnahme des Kontrastbreis wurden Aufnahmen im geraden und schrägen Durchmesser, sowie Serienaufnahmen des Intestinaltraktus gemacht, aus denen die allmählicbe Entleerung des Ösophagussackes und die Darmpassage sehr schön zu ersehen sind. Außerdem wurde noch eine Sondierung des Ösophagus im Bilde festgehalten.

Fig. 6 zeigt die Topographie des erweiterten Ösophagus durch die Sonde markiert. Man sieht sehr schön die Ausbiegung nach rechts und dann wieder nach links nach der Kardia zu, wie sie schon oben als charakteristisch geschildert wurde. Die Sonde hat sich dem äußeren Rande des Ösophagus nicht ganz angelegt, vielmehr verläuft derselbe parallel.

Fig. 7 illustriert die Aufnahme im geraden Durchmesser nach Einnahme des Kontrastbreis. Die untere Hälfte des Ösophagus ist mächtig erweitert und völlig ausgefüllt mit Kontrastbrei [wie das auch Holzknecht(14) beschreibt], während die obere Hälfte nur partielle Füllung zeigt. Besondere Beachtung verdient die gefüllte, kleine seitliche Ausbuchtung, von der später im Zusammenhang noch die Rede sein soll. Das Herz ist allem nach nach rechts verzogen (was auch der perkutorischen Bestimmung der Herz- grenzen entsprach).

Fig. 8 stellt die Aufnahme im gewohnten schrägen Durchmesser dar, direkt im Anschluß an die

‘vorige gemacht. Auch hier ist die starke Füllung des unteren Abschnitts deutlich zu erkennen, während

weiter nach oben der Kontrastbrei mehr verteilt, teils streifenförmig, teils fleckig, erscheint. Es sei auch hier -wieder auf die kleine Ausbuchtung in etwa halber Höhe hingewiesen. Seitlich (durch die Aufnahme im schrägen Durchmesser getrennt projiziert) sind mehrfache, diffuse, fleckige Schatten zu erkennen, die den Herzschatten verschleiern. Ihre Bedeutung soll ebenfalls später gewürdigt werden. Außerdem ist noch sehr gut zu erkennen, wie von der stenosierten (Kardiospasmus) Stelle an der Kontrastbrei in feinen Streifenschatten nach abwärts zieht.

XXIII, 5. Sechs Fälle von Ösophaguserweiterungen. 401

Fig. 9—13 illustrieren den weiteren Verlauf der Füllung des Intestinaltraktus und geben über die langsame Entleerung des Ösophagusschlauches AufschluB.

Fig. 9: Aufnahme ca. 10 Minuten nach Einnahme der Baryummahlzeit. Magen halb gefüllt, vago- tonisch, oben der erweiterte Ösophagus mit dem charakteristischen Zipfel an der Kardia.

Fig. 10: Aufnahme nach 4 Stunden. Etwas gesteigerte Dünndarmpassage (Colon ascend. nach 4 Stunden schon gefüllt). Ösophagusschlauch noch beträchtlich gefüllt. Sehr feiner Streifenschatten von Kontrastbrei zum Magen herabziehend.

Fig. 11: Aufnahme nach 8 Stunden. Im Osophagus noch mäßige Reste des Baryumbreis, geringe Füllung des Magens, Querkolon gefüllt.

Fig. 12: Aufnahme nach 12 Stunden. Immer noch geringe Residuen im unteren Ösophagus- abschnitt, geringe Füllung des Magens, stärkere des Dickdarms.

Fig. 13: Aufnahme nach 24 Stunden. Noch Spuren im Osophagus, Kolon und Sigmoid gefüllt. Magen leer.

24 Stunden hat demnach der Kontrastbrei nötig gehabt, um durch die spastisch kontrahierte Kardia zu passieren. Über die Ätiologie des Kardiospasmus und der hochgradigen Dilatation des Ösophagus im vorliegenden Fall sind folgende Schlüsse naheliegend: Die neuropathische Veranlagung steht bei dem Patienten außer Zweifel: Neben den anamnestischen Angaben sei als objektives Zeichen auch die in Fig. 9 erkennbare Vagotonie des Magens angeführt. Die chronisch verlaufende Lungenentzündung ist allem nach mit Pleuritis und namentlich mit Mediastinitis verknüpft gewesen. Darauf deuten die flecken- haften, diffusen Schatten in Fig. 8 hin, die kaum anders denn als Verwachsungen und Schwarten gedeutet werden können. Erst gegen Ende der langwierigen Erkrankung im Jahre 1907 sind die Schluckbeschwerden aufgetreten, also erst in einem Stadium der Vernarbung und Verschwartung der vorher entzündlich- infiltrativen Affektion. Außerdem muß man annehmen, daß die lange Krankheit auch eine Konsumption der Kräfte und Widerstandskraft zeitigte, so daß das schon vorher schwache Nervensystem noch weiter alteriert war. Die Vorbedingungen erscheinen uns nunmehr vollauf erfüllt zu sein, um den Reiz der in der Umgebung des Ösophagus sich abspielenden narbigen und adhäsiven Prozesse zur Auslösung eines Kardiospasmus genügend erscheinen zu lassen. Kraus und Ridder(4) nennen entzündliche Vorgänge und Narben im Ösophagus ausdrücklich unter der Zahl der ätiologischen Momente. Nach Mackenzie(15) kann Kardiospasmus durch einen Reflexreiz bedingt sein, dessen Ursache in der Speiseröhre selbst, oder in einiger Entfernung von diesem Organ gelegen sein kann. Ohne Zweifel gehört aber zu diesen Ursachen immer noch das neuropathische Moment dazu, weil dieselben krankhaften Prozesse bei intaktem Nerven- system keinen Kardiospasmus hervorzurufen pflegen. All das zusammenfassend, sind wir geneigt, in diesem Falle anzunehmen, daß narbige Prozesse der Umgebung bei dem nervös veranlagten Patienten reflektorisch zum Kardiospasmus und zur Dilatation des Ösophagus geführt haben. Vielleicht darf sogar die kleine Ausbuchtung, auf die in Fig. 7 und 8 hingewiesen wurde, als kleines durch Narbenzug entstandenes Traktionsdivertikel gedeutet werden, dann wäre sogar die Reizursache zum Spasmus im Osophagus selbst gefunden.

Die 3 eben beschriebenen Fälle von diffuser Erweiterung des Osophagus haben, darauf möchten wir im Zusammenhang noch ausdrücklich hinweisen, alle ein gemeinsames Moment: das neuropathische. Es kann doch kaum als Zufall angesehen werden, wenn es sich in 3 hinter- einander zur Beobachtung kommenden Fällen dieser Art um ausgesprochene‘ Neuropathen handelt, wie das aus den Krankengeschichtsmitteilungen zur Genüge hervorgeht. Diese Tat- sache scheint uns vielmehr den Beweis zu enthalten, daß die wichtigste Ursache für das Zu- standekommen unseres Krankheitsbildes die nervöse Veranlagung abgibt, wogegen all den vielen anderen ätiologischen Momenten (Erkältungen, Traumen, Entzündungen, psychische Einflüsse) nur als auslösenden Geltung zugestanden werden mag. Auf welchem Gebiet des Nervensystems die Störungen hierbei liegen, haben Kraus und Ridder(4) an der Hand eines von ihnen pu- blizierten Falles eingehend dargelegt, in dem beide Nervi vagi schwer geschädigt waren. Auch Kaufmann (zusammen mit Löwi(16) und Kienböck(18) hält eine Neurose des autonomen Systems für das ursächliche Moment und konnte in einem Fall mit Atropin einen thera- peutischen Effekt erzielen. Im selben Sinn sind auch Fall 2 und 4 zu verwerten, in einem Fall (4) verrät die Magenaufnahme eine ausgesprochene Vagotonie (Fig. 9), im andern (2) sind eine Reihe vagotonischer Symptome vorhanden.

Wir schließen uns demnach auf Grund unserer Beobachtungen voll und ganz

Kraus und Ridder(4) an, wenn sie sagen, man müsse zugeben, daß die diffuse Er- Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahblen. XXIII. 51

402 Weiß. XXIII, 5.

weiterung des Osophagus von einer großen Zahl von Autoren, wenn nicht von den meisten, als eine nervöse Erkrankung charakterisiert wird.

5. Erweiterung zirkumskripter Art im subphrenischen Teil des Osophagus (tief- liegendes Divertikel).

In diesem Fall handelt es sich um eine nicht völlig geklärte Affektion. Durch uner- warteten Exitus letalis und Sektionsverweigerung war eine sichere Diagnosenstellung unmöglich. Des Interesses halber soll der Fall doch mit veröffentlicht werden.

Anamnese: Der 4ljährige Offizier A. K. erlitt eine Schußverletzung: Einschuß au der linken Achsel, in vorderer Axillarlinie. Der tiefe Einschußkanal führte an der VI. Rippe vorbei, die verletzt wurde. Beim Abtransport schwere Blutung, so daß zunächst angenommen wurde, das Geschoß habe rückläufig mit dem starken Blutstrom den Körper wieder verlassen. Nirgends Ausschuß zu finden. Nach Heilung der Wunde (4 Monate nach der Verletzung) begab sich der Patient wieder ins Feld. Schon vorher hatte er leichte „Magenbeschwerden“ verspürt, aber nicht weiter beachtet. Draußen im Feld traten schnell schwere dysphagische Beschwerden auf: nach wenigen Bissen, die anfänglich mit Appetit genommen wurden, war die Speiseröhre wie verstopft, es ging kein Bissen mehr herab. Dabei starke Schmerzen auf der linken Brustseite. Häufiges Erbrechen. Dabei guter Appetit. 4 Wochen hielt der Patient mit reichlichen Morphiumgaben draußen aus, mußte dann aber zurückkehren wegen zunehmender Beschwerden und Kräfteverfalls: Die Beschwerden werden bei der Aufnahme folgendermaßen geschildert: Tiefaufatmen und Durchatmen unmöglich, Schmerzen auf der linken Brustseite; guter Appetit, aber beim Essen sofort nach wenigen Bissen Schmerzen hinter dem Brustbein, Gefühl „wie wenn der Bissen stecken bleiben würde“, ein brennendes und drückendes Gefühl. Außerdem Schmerzen zwischen den Rippen links.

Aus dem Befund ist zunächst hervorzuheben, daB der Patient keine Störungen neuropathischer Art zeigte, wenn auch die starken Beschwerden eine Verminderung der Widerstandskraft zur Folge hatten,

Bei der äußeren physikalischen Untersuchung war zunächst ein grobes pleuritisches Reiben vor- handen ohne sichere Dämpfung auf der linken Seite.

Beim Sondieren kommt mau in ca. 44 cm Tiefe auf einen elastischen Widerstand; die Einführung der Sonde ist durch starke Reizbarkeit des ganzen Ösophagus und starke Würgbewegungen erschwert.

Die Röntgendurchleuchtung ergab, was die Suche nach dem Geschoß anlangte, wie früher auch, ein völlig negatives Resultat; sie wurde mehrmals wiederholt, Brustraum und Abdomen aufs sorg- fältigste durchforscht: nirgends etwas von einem GeschoB zu sehen!

Die Röntgendurchleuchtung im geraden Durchmesser bot ein merkwürdiges Bild, das nachher bei der Beschreibung der Thoraxaufnahme geschildert werden soll.

Die Röntgendurchleuchtung im ersten schrägen Durchmesser zwecks Beobachtung der Oso- phagusfunktion ließ erkennen, daß der Baryumbissen bis in die Kardiagegend herabsinkt, dort aber völlig ruhig liegen bleibt und nicht, wie sonst bei Kardiospasmus auf- und niedersteigt.

Die Serienaufnahmen (Fig. 14—19) des Intestinaltraktus sind dadurch bemerkenswert, daß sämt- liche Bilder eine mit Kontrastbrei angefüllte Ausbuchtung, allem nach dem subphrenischen Teil des Ösophagus angehörend, zeigen. Der Magen ist infolge Hypermotilität schon 10 Minuten nach Einnahme des Breis leer (der Brei wurde auch sehr langsam, mit langen Pausen und unter starken Beschwerden gegessen). Da fast der ganze Brei schon im Duodenum und teilweise im übrigen Dünndarm sich befindet, so kann ein eigentliches stenosierendes Passagehindernis nicht vorliegen. Im späteren Verlauf zeigen die Serienaufnahmen dagegen eine beträchtliche Verzögerung in der Passage des Dickdarms: noch nach 41 Stunden ist das Colon descendens teilweise gefüllt! Auf allen Bildern ist die Ausbuchtung, auf die es besonders ankommt, deutlich zu erkennen, ja selbst 41 Stunden nach Einnahme der Baryummahlzeit.

Fig. 14—19 zeigen diese Verhältnisse im Röntgenbild. Noch verwickelter wird das Bild bei der Thoraxaufoahme, die auf Fig. 20 dargestellt ist. Sie wurde 41 Stunden nach Einnahme des Baryumbreis gemacht. Links vom Herzen ist ein bogenförmiger Schatten zu erkennen, der vom Herzschatten des linken Ventrikels gekreuzt wird; darunter ein Hohlraum, nach unten durch einen intensiven, sich horizontal einstellenden Schatten begrenzt. Unter Hinzufügung, daß bei der Durchleuchtung noch weiter- hin beobachtet wird, daB bei tiefer Atmung der bogenförmige Schatten eine tadellose, der Atmung ent- sprechende Exkursion zeigt, und daß der horizontale Begrenzungsschatten eine vom Herzen peripherwärts gerichtete, mit dem Herzrhythmus synchrone Undulation zeigt, wird niemand mehr zweifeln, daß wir es hier mit einer großen subphrenischen Flüssigkeitsansammlung zu tun haben.

Es ist weiterhin darauf hinzuweisen, daß auch auf diesem Bilde die vorhin erwähnte kugelise Aus- buchtung in der Gegend der Kardia links von der Wirbelsäule, unterhalb des Flüssigkeitsschattens, deut- lich zu sehen ist. Endlich ist die Läsion der VI. linken Rippe zu erkennen.

XXI, 5. Sechs Fälle von Ösophaguserweiterungen. 403

Wie sind nun diese Bilder zu deuten und welches ist der Zusammenhang? Daß es sich bei den ebən besprochenen Erscheinungen um eine Flüssigkeitsansammlung handelt, wurde dadurch ad oculos demonstriert, daB plötzlich einsetzende drohende Perforationserscheinungen eine dringende Indikation zum sofortigen operativen Eingriff gaben. Nach Probepunktion, Rippenresektion und breiter Eröffnung entleerte sich unter Druck eine hämorrhagische Flüssigkeit, deren bakteriologische Untersuchung das Vorhandensein von Streptokokken ergab. .

So klar somit die Existenz eines subphrenischen Abszesses bewiesen war, so schwierig blieb die Deutung der mehrfach erwähnten Ausbuchtung. Wir möchten uns der Ansicht von Professor Albrecht, dem Vorstand der Universitätsklinik für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten, anschließen, der die Aus-

_ buchtung für ein subphrenisches Divertikel des Ösophagus erklärte. Für Divertikel spricht auch die

Art der dysphagischen Störung (vgl. Anamnese). Sein Zustandekommen können wir uns nur 80 vor- stellen: Das Geschoß hat nicht seinen Weg wieder rückläufig zur Einschußöffnung herausgenommen, sondern ist viel tiefer gedrungen, als es erst den Anschein hatte: Nach Läsion der VI. Rippe, wobei wohl eine Ablenkung stattfand, nahm es seinen Weg durchs Zwerchfell, verursachte hierbei den sub- phrenischen Abszeß, schlug den subphrenischen, suprakardialen Teil des Ösophagus an und muß, etwas anderes können wir nicht annehmen, per vias naturales wieder abgegangen sein. (Es handelt sich um eine Schrapnellkugel.) Daß so weitgehende Verletzungen nicht bemerkt wurden, muß damit erklärt werden, daß der Patient nach der Verletzung unter starker Morphiumwirkung gehalten wurde. Durch die Läsion der Ösophaguswand kam es zu adhäsiven und später narbigen Prozessen in der Umgebung und so mag zuerst ein Traktions-, dann durch die Pulsion der im Traktionsdivertikel festsitzenden Speisemassen ein kombiniertes Traktions-Pulsionsdivertikel entstanden sein. Dieser Erklärungs- versuch würde ganz mit dem übereinstimmen, was eingangs bei der Besprechung zu Zustandekommens der tiefsitzenden Divertikel ausgeführt wurde. Auf jeden Fall halten wir die gegebene Erklärung für naheliegend und alle Momente unter einem einheitlichen Gesichtspunkt zusammenfassend.

6. Erweiterung zirkumskripter Art an der Grenze zwischen Pharynx und Osophagus (Zenkersches Divertikel).

Der Vollständigkeit halber sei zum Schluß noch ein Fall von Zenkerschem Divertikel beschrieben, der im vergangenen Jahr in der Chirurgischen Klinik zur Beobachtung kam und dessen Mitteilung uns vom Direktor der Klinik, Herrn Prof. Dr. Perthes, gütigst über- lassen wurde.

Anamnese: Der 40jährige Weichenwärter J. Str., aufgenommen am 11. II. 1914, hat vor 13 Jahren eine Lungenentzündung durchgemacht, sonst nie ernstlich krank gewesen.

Seit 2—3 Jahren bemerkt er, daß er häufig ziemlich viel Schleim aus dem Schlund, bzw. der Speiseröhre heraufwürgen kann. Seit ca. 3 Monaten seien diesem Schleim auch Speisereste, und zwar auch solche von 2—3 Tagen beigemengt. Weiterhin in den letzten Monaten eine zunehmende Erschwerung des Schluckaktes in der Weise, daß die ersten Schlucke, resp. Bissen leicht hinuntergehen, während die folgenden Schwierigkeiten bereiten. Er ver- spüre dabei im Innern des Halses einen Druck gegen die Speiseröhre; dieser Druck mache das weitere Schlingen beschwerlich. Besondere Ab- magerung wurde nicht bemerkt.

Vom Befund ist erwähnenswert, daß man beobachten kann, wie beim Trinken die ersten 4—5 Schlucke glatt hinuntergehen, die nachfolgen- den Schwierigkeiten bereiten. Zugleich fühlt man in der linken Halsseite eine Resistenz in der Tiefe

ektatischer

Osophagus s5, oe

Partielle

im unteren äußeren Halsdreieck. Drückt man da- Fig. 5. Magenfüllung

gegen, so wird sie kleiner, und der Patient bekommt Würgbewegungen, bei denen gestaute Flüssigkeit wieder in den Mund hinanuftritt. Ebenso kann der Patient durch spontanes Würgen jedesmal nach dem Schlucken eine gewisse Menge des Verschluckten (ca. 20—25 kem) wieder zum Vorschein bringen. Bei der Sondierung gerät der weiche Magenschlauch ohne weiteres in den Divertikelsack und stößt bei 23 cm (hinter der Zahnreihe) auf dessen Grund. 51*

> --” schatten

a ho a a a

404 l Weiß. XXII, 5.

Die Röntgenaufnahme in Fechterstellung läßt die mit Wismutbrei gefüllte sackartige Aus- buchtung an der für die Zenkerschen Divertikel typischen Stelle deutlich erkennen (Fig. 21).

Die Therapie bestand in diesem Falle in der Operation (Professor Perthes). In Lokalanästhesie wird zwischen der Schilddrüse einerseits, dem Kopfnicker und den großen Gefäßen andererseits einge- gangen, Es erscheint hinter und etwas lateral vom linken Schilddrüsenlappen ein sackartiges Gebilde von Kleinhühnereigröße, das nach allmählicher Aushülsung und Stielentwicklung von ca. 2—3 cm (durch den Stiel hängt der Sack mit dem Ösophagus zusammen) abgetragen wird. Der Stielstumpf wird nach innen gestülpt und der dadurch im Ösophagus entstandene Schlitz (ca. 3cm) durch durchgreifende und darüber durch 2 Einstülpungsnähte geschlossen. _

Der Wundverlauf war durchaus normal. Anfänglich nach der Operation vorhandenes Schwellungs- gefühl in der Speiseröhre schwand bald. Der Patient konnte 12 Tage nach der Operation völlig geheilt und befreit von jeglichen subjektiven Schluckbeschwerden entlassen werden.

Zusammenfassung:-

Im vorliegenden werden nach Besprechung der heutigen Anschauungen über Ösophagus- erweiterungen 6 Fälle von Erweiterungen des Ösophagus unter kurzer Mitteilung der Kranken- geschichten und Illustration durch die gewonnenen Röntgenbilder publiziert. Die 3 Fälle von diffuser Dilatation haben das Gemeinsame der neuropathischen und speziell vagotonischen Ver- anlagung der betreffenden Patienten und liefern demgemäß einen neuen Beweis für die Richtig- keit der allgemeinen Annahme einer neurogenen Entstehungsursache dieses Krankheitsbildes, wie der speziellen einer Schädigung im Vagusgebiet. Die Fälle 1—5 kamen im Zeitraum von ®/, Jahren in der Medizinischen Klinik zur Beobachtung, der 6. wurde uns von seiten der Chirurgischen Klinik gütigst zur Publikation überlassen.

Literaturverzeichnis.

Für die nur im Text genannten Autoren finden sich die Literaturangaben in dem ausführlichen Literatur- verzeichnis von Kraus und Ridder(4).

1) Neumann: Zentralblatt für die Grenzgebiete. Bd. III, Heft 5.

2) Zenker u. v., Ziemssen: Handbuch. 2. Aufl., Bd. III.

3) Meltzer: Berl. klin. Wochenschr. 1888, S. 140.

4) Kraus u. Ridder: Die Erkrankungen der Mundhöhle und der Speiseröhre. In Nothnagels Hand- buch der speziellen Pathologie und Therapie. II. Aufl.

5) Albrecht: Klinik der direkten Laryngoskopie, der Tracheobronchoskopie und der Ösophagoskopie. In „Neue Deutsche Chirurgie‘ 1914.

6) Tiedemann: Dissertation. Kiel 1875. Über die Ursachen und Wirkungen chronisch entzündlicher Prozesse im Mediastinum.

7) Bevermann: Inauguraldissertation. Erlangen 1904.

8) Riebold: Arch. f. klin. Medizin. Bd. LXXX.

9) Reichmann u. Mintz: Reichmann: Wien. klin. Wochenschr. 1893. Mintz: Deutsche Mediz. Wochenschr. 1893, Nr. 10.

10) Hausmann: Virchow-Archiv 188, Bd. I.

11) Starck: Divertikel der Speiseröhre. Leipzig 1900.

12) Hildebrand: Arch. f. physiol. Mediz. Bd. II.

13) Kaufmann u. Kienböck: Wien. klin. Wochenschr, 1909.

14) Holzknecht: Ver. Blatt pfälz. Ärzte. Jan. 1893.

15) Mackenzie: Zit. nach Kraus und Ridder(4).

16) Kaufmann u. Löwi: Wien. klin. Wochenschr, 1908.

XXII, 5. Das neue Lokalisationsprinzip der Raummarke und der Schwebemarkenlokalisator. 405

Aus dem Zentralröntgenlaboratorium des k. k. allgemeinen Krankenhauses in Wien (Vorstand: Oberstabsarzt Prof. Dr. G. Holzknecht).

Das neue Lokalisationsprinzip der Raummarke und der Schwebemarkenlokalisator,

ein Fremdkörperverfahren ohne Messung im Raum und ohne Rechnung. Von

Dr. Heinrich Wachtel.

Bei Ausbruch des Krieges hat man über 100 Methoden der röntgenographischen Fremd- körperlokalisation gezählt. Man darf aber nicht glauben, daß es sich um ebensoviele Prinzipien gehandelt hat, vielmehr waren die Mehrzahl mehr minder abweichende Modifikationen und Ausführungszusätze einiger weniger Grundmethoden. Ebenso steht es mit den zahlreichen seit Kriegsbeginn hinzugekommenen Vorschlägen. Als grundlegende Methoden können nur drei betrachtet werden:

1. Das Doppelbildverfahren mit einer gemessenen Fokusplatteentfernung und mit gemessener Fokusverschiebung (parallel zur Platte) vor der zweiten Belichtung. (Von S. Exner’) für die Durchleuchtung angegeben, von Mackenzie Davidson?) für Röntgenphotographie ausgebildet.)

2. Das Doppelbildverfahren aus zwei in gleicher Höhe über der Platte befindlichen Fokusstellungen, wobei der Eintritts- und Austrittspunkt der jeweilig den Fremdkörper ab- bildenden Strahlen an der Haut festgehalten wird. (Als Prinzip von Levy-Dorn?) angegeben, vielfach - modifiziert.)

8. Das Doppelbildverfahren auf zwei Platten, welche in einer fixen, bekannten Entfernung untereinander angebracht sind (Chr. Müller)?).

Von den zu Kriegsbeginn existierenden Methoden genügte keine den praktischen Bedürf- nissen. Einer größeren Verbreitung erfreute sich eigentlich nur die Methode von Mackenzie Davidson sowohl in Originalvorschrift, wie auch in zahlreichen Modifikationen. Die ver- breitetste der Modifikationen war in Deutschland die von Fürstenau°), welche an Stelle der Fädenvorrichtung von Mackenzie Davidson (die zur Rekonstruktion der Lage des lokali- sierten Fremdkörpers oberhalb der Platte dient) einen Rechenschieber in Form des , Tiefen- messers“ setzte, dafür aber das stets genaue Einhalten derjenigen Fokusplatteentfernung und derjenigen Fokusverschiebung bei der Doppeltphotographie forderte, für welche der „Tiefen- messer* berechnet war. Auch die Methode Mackenzie Davidson-Fürstenau genügte nicht den Anforderungen (Gillet, Sorge, Weski)?).

Die besseren vorhandenen prinzipiellen Wege waren nicht einfach genug, die Verwertung der Ergebnisse rechnerisch kompliziert, die Übertragung des Resultates auf die Kérperober- fläche kompliziert oder sie fehlte gänzlich, In der Verfolgung des Gedankens, zunächst den Mangel derselben, daß bei den Röhreneinstellungen exakte Messungen im Raum nötig sind, zu beseitigen und nur die einfachen, leicht exakt zu gestaltenden Messungen auf der ebenen photographischen Platte beizubehalten, gelangte ich zu dem vierten bisher nicht erwogenen Prinzip der doppelten Raum- oder -Schwebemarke.

1) Wiener klinische Wochenschrift, 1897, Jänner.

9) Brit. medic. Journ., 1898, January.

+») Verhandl. d. physiolog. Gesellsch. zu Berlin, 1897, März.

* Münch. med. Wochenschr. 1909, Nr. 32. Letztens hat Christen einen Rechenschieber dazu angegeben (Münch, med. Wochenschr. 1915, Nr. 44. Feldärztl. Beil.) |

5) Fortschritte a. d. Geb. der Röntgenstr., Bd. XI, Heft 4, 1907.

6%) Gillet, Die ambulatorische Röntgentechnik im Kriege. Stuttgart 1909. S. 80-81. Sorge, Fortschritte a. d. Geb. der Röntgenstrahlen XX, 1918, S. 572. Weski, Münchener mediz. Wochenschr. 1915, Nr. 7. Ä ;

406 Wachtel. XXIII, 5.

Ich habe es kurz und ohne seine mathematische Begründung bekannt gemacht. (De- monstriert in der k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien am 23.X.1914. Wiener klinisch. Wochenschr. 1914. Nr. 45. Publikation: „Der Schwebemarkenlokalisator. Ein einfacher und exakter Fremdkörpersucher.* Münch. mediz. Wochenschr. 1914. Nr. 47. Feldärztl. Beilage.) Die vorliegende Arbeit soll nun neben der Begründung seiner Wahl und einiger zugleich mit ihm eingeführten Neuerungen die mathematischen Grundlagen desselben nachholen.

I.

Die Lokalisation eines Fremdkörpers mit Hilfe von Röntgenstrahlen erfolgt zu eminent praktischen Zwecken. Es muß daher die Bestimmung seiner Lage so geschehen, daß sie den Problemen des Arztes hinsichtlich des gegebenen Falles am besten dient. Diese Probleme sind von Fall zu Fall verschieden. Im wesentlichen lassen sie sich in zwei Gruppen aufteilen, nach welchen man eine anatomische und eine mathematische Lokalisation unterscheidet.

Die anatomische Lokalisation bestimmt das Organ des Körpers, in welchem der Fremd- körper liegt. Die mathematische Lokalisation gibt uns die Entfernung des Fremdkörpers von einem uns bekannten Punkt in Zentimetern an. Beide Arten der Fremdkörperlokalisation er- gänzen sich gegenseitig und eine gute Lokalisation muß beide berücksichtigen.

Die anatomische Lokalisation hat bisher ihre eigenen, fast für jedes Organ oder Organteil verschiedener Methoden, die auch von Fall zu Fall eventuell modifiziert wurden, gehabt. Wie die vorliegende Methode auch die anatomische Lokalisation herbeiführt, soll später er- örtert werden.

II.

Die mathematische Lokalisation ist, wie schon ihr Name zeigt, ein mathematisches Problem. Die Lokalisation eines im Röntgenljcht sichtbaren Fremdkörpers mit Hilfe von Röntgenstrahlen ist gleichbedeutend der Bestimmung der Lage eines Punktes im Raume, zu dem der direkte Zutritt unserer Meßinstrumente unmöglich ist. Wie der Geograph bei der Be- stimmung eines Berggipfels, den er nicht erklimmen kann, zu besonderen Meßmethoden Zu- flucht nimmt und mit ihrer Hilfe von der Ebene aus die Höhenbestimmung ausführt, so muß auch der Röntgenarzt den unerreichbaren, im Organismus steckenden Fremdkörper, den er nur im Röntgenbilde sieht, von diesem Röntgenbild aus im Körper lokalisieren, d. i. genau die Lage eines, durch die Hautoberfläche des Patienten eingeschlossenen Punktes bestimmen.

Die Bestimmung der Lage eines Punktes im Raume ist selbstverständlich nur dann mög- lich, wenn wir diesen Punkt in meßbare Verhältnisse zu anderen, uns schon bekannten, Raum- stellen setzen. So hat der Geograph seine Meridiane und Breitegrade und den Meeresspiegel, zu denen er seinen von ihm „lokalisierten* Berg in Beziehung setzt. Der Berggipfel wird dadurch in allen drei Raumdimensionen eindeutig bestimmt. Auch bei der Fremdkörperloka- lisation im Patienten müssen erst gewisse Stellen gewählt werden, die leicht von außen her erreichbar und auffindbar sind, zu welchen nun der Fremdkörper in meßbare Beziehungen gesetzt werden soll. Selbstverständlich werden diese Stellen Körperpunkte am Patienten sein. Am günstigsten wird es der Punktauf der Haut des Patienten sein, unter welchem der Fremdkörper senkrecht zur Hauttangentialen dieses Punktes liegt. Bei der Lokalisation auf diesen Punkt fällt jeder Zweifel, nach welcher Richtung vom Punkt auf der Haut der Fremdkörper zu suchen ist, von selbst weg. (Vergleiche Abschnitt IX.)

Das mathematische Problem der Fremdkörperlokalisation im Röntgenlicht ist, wie jedes mathematische Problem, auf zahlreichen Wegen zu lösen. Dieser Umstand ermöglichte eben, daß so viele Methoden der Lokalisation angegeben werden konnten. Es genügt aber nicht, daß die theoretischen Voraussetzungen einer Methode geistreich erscheinen. Die Methode muß in der Praxis ihren Zweck tadellos erfüllen. Allerdings haben die bisherigen Methoden bei schwie- rigen Fällen auch deshalb versagt, weil sie auch in ihrer theoretischen Fundierung nicht lückenlos waren. Dazu kam die Schwierigkeit der praktischen Durchführung ihrer theoretischen

XXII, 5. Das neue Lokalisationsprinzip der Raummarke und der Schwebemarkenlokalisator. 407

Postulate, was genügend die zahlreichen Mißerfolge der Lokalisation trotz anscheinend hoch entwickelter Methodik erklären.

Es fehlte eine Methode, die einerseits theoretisch lückenlos durchgedacht, anderseits praktisch möglichst einfach mit geringsten Fehlerquellen durchzu- führen wäre. Diese Lücke der röntgenologischen Methodik auszufüllen, hatte der Schwebemarkenlokalisator zur Aufgabe. Gleich zu Beginn des Krieges angegeben, konnte er an dem großen Fremdkörpermaterial, wie ihn der Krieg liefert, ausprobiert werden. Er hat die in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllt.

Das mathematische Prinzip der Schwebemarke. II.

Das neue mathematische Prinzip des Schwebemarkenlokalisators ıst das Folgende:

Nehmen wir an, daß der Patient, in welchem sich der Fremdkörper befindet, auf einem Aufnahms- tisch mit dem Rücken auf einer photographischen Platte liegt. Der Fremdkörper A (Fig. 1), welcher eben von uns lokalisiert werden soll, ist dabei in einer uns unbekannten, eben zu bestimmenden Höhe x über der photographischen Platte gelegen. Senkrecht über dem Fremdkörper setzen wir nun in einer von unsgewählten und uns bekannten Höhe h über der Platte eine für Röntgenlicht nicht durchlässige Marke, die Schwebemarke M. Jetzt stellen wir den Fokus F, der Röntgenröhre, mit welcher wir die Lokalisationsaufnahme machen wollen, senkrecht über A und M. Nun wird die Auf- nahme gemacht. Auf der photographischen Platte erhalten wir sowohl A wie M bei B abgebildet.

Fig. 1. Die Schwebemarke (M) als mathematischer Behelf für die Lokalisation des Fremd- körpers A mittels Doppeltphotographie. Der Fokus der Röhre (F,) steht in beliebiger Höhe über der Schwebemarke und wird zur zweiten Belichtung beliebig weit (F,) verschoben.

Nun verschieben wir die Röhre horizontal eine beliebig große Strecke von F, bis F`

(wobei ihre Höhe über der photographischen Platte dieselbe bleibt) und photographieren jetzt zum zweitenmal auf dieselbe Platte. Bei der zweiten Belichtung wird sich A bei A, und M bei M, projizieren. Und zwar werden sowohl das Bild des Fremdkörpers A, wie das Bild der Schwebemarke Mi im Verhältnis zu B um die Strecken a resp. b verschoben erscheinen. Die Entfernungen A4, B =a und M, B =b können nun auf unserer zweimal belichteten Platte gemessen werden.

Aus der Ähnlichkeit der Dreiecke A F,M F, und A M, MB folgt

PLM:MB=F,F,: M,B.

Wenn wir provisorisch F, M =m und F, F, = y bezeichnen, so ist

1) m:h=y:b.

Aus der Ähnlichkeit der Dreiecke A F, AF, und AA,AR folgt F F,:A,B=F,A:4B

und da Fr A =m + (k— x) daher

2) yza=|m+ (h 2): x.

408 - Wachtel. ° 2 - ` XXI, 5. Aus der Gleichung 1. folgt | __ bem y= 7

daher in der Gleichung 2)

oom a m+h-aj:z, woraus bmx m+h—2=—,- und ahm + ah? =bma-+ ahx und ah (m+ h) =x (bm-+ ah) daher „eh (m +A). ~ bm ak

Nach dieser Formel kann also die Höhe eines Fremdkörpers über der photogra- phischen Platte bestimmt werden, wenn bei beiden Belichtungen der Platte èine in einer bekannten Höhe über der Platte angebrachte Marke (Schwebemarke) mit- photographiert wurde.

Wir haben bisher angenommen, daß, als wir die erste Belichtung der Platte ausführten, der Fremd- körper senkrecht unter dem Fokus der Röhre gelegen war, sich also im Zentralstrabl der ersten Auf- nahme befunden hat. Die Formel ist aber von der Lage des Fremdkörpers zum Zentralstrahl der Auf- nahmen unabhängig stets gültig, wie uns.die Verhältnisse des Punktes C überzeugen (Fig. 1), wo sich auf Grund der Ähnlichkeit der Dreiecke AF,CF, und ADCE identische Formeln ableiten lassen. Der Fremdkörper kann also auch irgendwo außerhalb des Zentralstrahles liegen.

Aus der eben gefundenen Formel geht hervor, daB man für die Berechnung des x die Größen a, b, h und m benötigt. Davon kennen wir die Höhe der Schwebemarke über der Platte k von früher, a und b messen wir auf der doppelt belichteten Platte, es bleibt also noch m zu bestimmen.

Anstatt » könnte man auch y verwenden. Aus den Gleichungen 1) und 2) läßt sich nämlich auch folgendes ableiten:

Aus der Gleichung 1) ist

also in der Gleichung 2)

daraus hy _ yx r + h x = a und ahy -+ abh abx =byx und ah (y +b) =bæ (y+ a) daraus ER und, ~ b y+ta Aus praktischen Rücksichten ist es jedoch günstiger m statt y zu bestimmen und daher die Formel = h (m-+h) ~” bm+ah

zu benützen.

Um das m für die x-Formel zu berechnen, nützt man die Tatsache aus, daß die Schwebemarke selbstverständlich eine gewisse, wenn auch beliebig gewählte, Größe haben muß.

Nehmen wir an, daß die Schwebemarke KN (Fig.2), welche sich in der Höhe A über der Platte befindet, eine Länge von r Zentimetern hat. Wenn wir die Aufnahme von Fokus F der Röhre machen, so erhalten wir auf der Platte einen Schatten der Schwebemarke X, N,, den wir auf der Platte messen können. Die Länge dieses Schattens sei s.

XXII, 5. Das neue Lokalisationsprinzip der Raummarke und der Schwebemarkenlokalisator. 409

Es ist leicht zu beweisen, daß die Größe des Schattens der Schwebemarke (s) von der Höhe des Fokus F über der Schwebemarke abhängig ist. Diese Höhe FM ist aber das eben gesuchte m (vergleiche Fig. 1).

Aus der Ähnlichkeit der Dreiecke (Fig.2) AKFN und AK,FN, folgt, daß

KN: K,N,=FM:FL

oder r:s=m:(m-+-h) daraus ee N 8 und sum—=rm-+hr und m (s r)=ır daher rh m = s—r

Mit Hilfe dieser Formel haben wir m be- stimmt. Wir kennen von früher » und h, s messen wir auf der Platte. Fig. 2.

Die Verhältnisse werden noch einfacher und In der Größe des Bildes der Schwebemarke übersichtlicher, wenn wir die allgemeinen alge- (KN) wird die Höhe des Fokus der Röhre (F) über

braischen Zeichen verlassen und uns zur Auf- der Schwebemarke bei der Aufnahme mathematisch stellung fixer Konstanten entschließen. festgehalten.

So wählen wir die Schwebemarke in der Höhe von 30 cm über der Platte. Auf einem Stativ angebracht, kann sie in dieser Höhe auch über ganz starke Rümpfe gestellt werden.

Damit wird k = 80.

Die Lange der Schwebemarke nehmen wir gleich 1cm. (In der jetzigen Ausführung des Apparates betragt sie 1,5 cm.)

Damit wird r = 1. Die Formel für m wird nun sein

reh 30 3) waere und die Formel für x wird jetzt 24h (m + h) ~~ dbm-+tah

daher x (bm-ah)=ah (m+ h) und mit der Formel für m und dem Wert für k

z (0-5 + 80a) = 80a (+30)

oder

b ; 1

(— + a) = 30a (— +1)

und

be-+ax (s 1) = 30as und

x [b+ a (s 1) = 30as daraus

a-s pers

Wenn also bei einer Lokalisationsaufnahme mit doppelter Belichtung der Platte, wobei vor der zweiten Belichtung die Röhre horizontal beliebig weit ver- schoben wurde (mit beliebiger Fokusplatte-Entfernung) eine Schwebemarke von 1cm Größe in der Höhe von 80 cm über der Platte mitphotographiert wurde, so kann man mit der eben gefundenen Formel die Höhe eines Fremdkörpers über

der Platte (z) ausrechnen. Zu diesem Zwecke muß man nur auf der doppelt belichteten Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 52

410 Wachtel. XXIII, 5.

Platte folgendes messen: die Entfernung der beiden Bilder des Fremdkörpers voneinander (a), die Entfernung der beiden Bilder der Schwebemarke voneinander (5), und die Länge eines Bildes der Schwebemarke (s). Sodann wird man mit Hilfe der Formel das x ausrechnen. Damit wäre die Höhe eines Fremdkörpers über der Platte, somit auch seine Tiefe im Körper von der, der Platte anliegenden, Körperoberfläche bestimmt.

IV.

Wir haben vorausgesetzt, daß sich der Fokus der Röhre und die Schwebemarke bei der ersten Belichtung senkrecht über dem Fremdkörper befinden. Wenn diese Voraussetzung zu- treffen würde, so wäre der Fremdkörper schon durch unser bisheriges Resultat genügend loka- lisiert. Es würde genügen auf der Haut des Patienten den Punkt senkrecht unter dem Fokus mit einem Zentralstrahllot zu bestimmen und man hätte so (nach eventueller Subtraktion der Fremdkörpertiefe von der Körperdicke) den Tiefsitz des Fremdkörpers unter diesem Hautpunkt gefunden.

Unsere Voraussetzung wird aber nur gelegentlich wo zutreffen. Um sie regelmäßig zu schaffen, müßte der Lokalisation eine kunstvolle Durchleuchtung zur Bestimmung des Haut- punktes, unter dem senkrecht sich der Fremdkörper befindet, vorausgeschickt und dann über dem gefundenen Punkt die Schwebemarke und die Röhre vor der ersten Belichtung zentriert werden. Die Durchleuchtung wäre aber an sich schwieriger, fehlervoll, belästigend und zeit- raubend und würde bei vielen nur mit der Photographie sicher feststellbaren Fremdkörpern überhaupt versagen. Der so wichtige Punkt auf der Haut, senkrecht unter dem sich der Fremdkörper befindet, muß durch eine gute Lokalisationsmethode automa- tisch, ohne daß besondere Methoden notwendig wären, genau gefunden werden.

Daher kann man eine Lokalisationsmethode, die bloß den Tiefsitz eines Fremdkörpers im Patienten bestimmt, nicht als zureichend betrachten. Die früheren Methoden begnügten sich zwar durchwegs mit der Tiefenbestimmung des Fremdkörpers, sie mußten aber eben deshalb entweder aufgegeben oder ergänzenden Umarbeitungen unterzogen werden. Durch die Tiefen- bestimmung des Fremdkérpers im Patienten ist ja nur eine Dimension im Raume bestimmt. Es fehlen noch zwei Dimensionen zur eindeutigen Bestimmung einer Stelle im Raume.

Wir wollen daher zunächst die Entfernung des Fremdkörpers nach der Seite von einer Ausgangsmarke auf der Haut, die, beliebig gewählt, leicht wieder auffindbar ist, bestimmen. Aus praktischen Rücksichten wählen wir als Ausgangshautmarke die Hautstelle, senkrecht über welcher zufällig der Fokus der Röhre bei der ersten Belichtung steht. Die Stelle ist leicht mit Hilfe eines einfachen Zentralstrahllotes zu finden. Der Fremdkörper wird natürlich selten unter ihm, sondern meist abseits im Gewebe liegen. Die Bestimmung der seitlichen Entfernung des Fußpunktes des Fremdkörpers vom Fußpunkt der Aus- gangshautmarke, der seitlichen senkrechten Entfernung von der Höhensenkrechten, erfolgt nun, wie folgt:

Wir nehmen an, daß der Fremdkörper bei der ersten Belichtung nicht unterhalb der Schwebemarke und dem Fokus der Röhre, sondern irgendwo im Gewebe liegt (Fig.3). Die Schwebemarke belassen wir zentriert unter dem Fokus der Röhre der ersten Belichtung und finden und bezeichnen die Hautstelle am Patienten unter ihr (Ausgangshautmarke).

Man sieht aus der Figur 3, daß hier die bloße Bestimmung des x für die Lokalisation nicht genügt. Es ist auch die Bestimmung der seitlichen Entfernung des Fremdkörpers von der Ausgangshautmarke M,T=z notwendig. Und sie wird, wie folgt, bestimmt.

Die Schwebemarke M (Fig. 3) befindet sich in der bekannten Höhe A über der Platte, der Fremd- körper A liegt in der eben berechneten Höhe x. Nun belichten wir.

Bei der ersten Belichtung der Platte vom Fokus F wird sich die Schwebemarke M bei M, und der Fremdkörper A bei A, abbilden. Wenn wir auf der Platte die Entfernung dieser beiden Bilder M, A, messen, so erhalten wir eine der Wirklichkeit nicht entsprechende, durch Verprojizierung ver- größerte seitliche Entfernung M, A, = W.

XXIII, 5. Das neue Lokalisationsprinzip der Raummarke und der Schwebemarkenlokalisator. 411

Die wirkliche seitliche Entfernung des Fußpunktes des Fremdkörpers T vom Fußpunkt der Schwebemarke M, erhält man, wie folgt. Aus der Ähnlichkeit der Dreiecke AFA,M, und AAA,T folgt:

W—2z:W=a:h+m Duch m wird die Höhe des Fokus über der Schwebemarke FM bezeichnet.

F

Ay TM, á Fig. 8. Der Fremdkörper (A) liegt nicht unterhalb des Fokus der Aufnahme (F), sondern irgendwo abseits im Gewebe, M = die Schwebemarke, x = die Höhe des Fremdkörpers über der photographischen Platte, z = die gesuchte seitliche Entfernung (Fußpunktentfernung) des Fremdkörpers von dem Zentral- strahl (FM,), dessen Eintrittspunkt in den Patienten auf der Haut als Ausgangshautmarke ange. zeichnet wird.

Da wir uns entschlossen haben k = 30 zu setzen, und wenn wir nun die früher gefundene Formel für

30 s—l

verwerten, so erhalten wir ; 1

daraus 80s (W—2z): W=2:-— > und _eWe-)) Mar 308 daher s—l p w(i s ;

Damit ist die wirkliche seitliche Entfernung des Fußpunktes des Fremd- körpers vom Fußpunkt der Ausgangshautmarke gefunden und damit die zweite Dimension im Raume bestimmt.

V.

Nach dem bisher mathematisch Ermittelten würde sich die Lokalisation mit Hilfe der Schwebemarke wie folgt abspielen. Über dem auf Fremdkörper verdächtigen Körperteil des Patienten, der auf einer horizontalen Röntgenplatte liegt, stellt man in beliebiger Höhe die Röntgenröhre und ermittelt und bezeichnet den Punkt auf der Haut des Patienten, welcher sich senkrecht unter ihrem Fokus befindet. Über diesen Punkt wird in der gewählten Höhe von 30 cm über der Platte, auf der der Patient ruht, mit Hilfe eines Statives die Schwebe-

marke gestellt. Damit ist die Schwebemarke in den Zentralstrahl der Röhre gebracht. Die 52*

412 Wachtel. XXIII, 5.

bezeichnete Stelle auf der Haut bildet die Ausgangshautmarke. Jetzt belichtet man die Platte zum ersten Mal, verschiebt die Röhre beliebig weit horizontal zur Platte und photo- graphiert zum zweiten Mal. Bei der Verschiebung wird geachtet, daß der Schatten der Schwebe- marke bei der zweiten Belichtung sich auf der Platte abbilden kann. Auf der entwickelten Platte, welche alles doppelt abgebildet zeigt, wird jetzt 1. die Größe des Bildes der Schwebe- marke, 2. die Entfernung beider Bilder der Schwebemarke voneinander, 3. die Entfernung beider Bilder des Fremdkörpers voneinander und 4. die Entfernung des Bildes der Schwebe- marke der ersten Belichtung vom Bild des Fremdkörpers der ersten Belichtung gemessen (Fig. 4). Unter Anwendung der ermittelten Formeln für x und z erhalten wir die Tiefe, in welcher der Fremdkörper von der Oberfläche des der Platte anliegenden Körperteiles liegt, so- wie seine seitliche Entfernung von der Ausgangshautmarke am Patienten.

Die Lokalisation ist aber noch immer nicht vollständig. Wir wissen zwar, wie weit nach der Seite von der Ausgangshautmarke der Fremdkörper liegt, wir wissen aber noch nicht, nach welcher Seite hin er zu suchen ist. Es fehlt uns die Kenntnis der Richtung, welche von der Ausgangshautmarke zum Fremdkörper führt.

Nas Toe \

BR ©

N

NN N x N

N N Ga WEG

Fig. 4. Fig. 5. Auf der entwickelten Platte werden mit Zenti- Der Winkelmesser wird benützt. Seinen meter gemessen: durchlochten Scheitel legt man auf die Mitte des

die Größe des Bildes der Schwebemarke, Schwebemarkenbildes. Der eine Arm zieht durch ee die Entfernung beider Bilder der Schwebe- das Bild der viereckigen Hilfsmarke der ersten

marke von einander, Belichtung. Der andere Arm wird durch das Bild xxxx die Entfernung beider Bilder des Fremd- des Fremdkörpers der ersten Belichtung geführt. körpers (des Knochens) von einander, Der so gebildete Winkel wird abgelesen und

.—.— die Entfernung des Bildes der Schwebe- notiert. marke der ersten Belichtung vom Bild des Fremdkörpers der ersten Belichtung.

Diese Richtung ist einfach zu bestimmen Man braucht bloß vor der ersten Belichtung irgendwo am Körper des Patienten im Bereiche der photographischen Platte eine schattendichte Hilfs- marke anzubringen. Sie wird sich auf der Photographie abbilden und damit eine zweite Stelle auf der Haut markieren. Die Verbindungslinie auf der Photographie zwischen der Mitte des Bildes der Schwebe- marke und dem Bild der Hilfsmarke entspricht am Patienten einer Verbindungslinie zwischen der Aus- gangshautmarke und der Hilfsmarke. Das Bild des Fremdkörpers wird auf der Photographie zu der eben konstruierten Hilfslinie auf der Platte einen Winkel bilden, der mit einem gewöhnlichen Winkelmesser leicht zu bestimmen ist. Das Zentrum des Winkelmessers legt man dabei auf die Mitte des Schwebe- markenbildes und läßt den einen Arm durch das Hilfsmarkenbild ziehen. (Fig. 5.) Der andere Arm des Winkelmessers wird durch das Fremdkörperbild geführt und bildet jetzt einen Winkel, der notiert wird. In demselben Winkel zu der eben konstruierten Verbindungslinie Ausgangshautmarke = Hilfsmarke auf der Haut, liegt der Fremdkörper. Man geht nun mit dem Winkelmesser auf die Haut, legt hier sein Zentrum auf die Ausgangshautmarke und läßt den einen Arm durch die Hilfsmarke ziehen. Den andern Arm des Winkelmessers stellt man in denselben Winkel ein, den man auf der Platte vorher gefunden hat. Der Arm zeigt jetzt die Richtung, in welcher man von der Ausgangshautmarke aus, den Fremd- körper suchen soll. Und zwar wird der Fremdkörper in dieser Richtung in der vorher gefundenen seit- lichen Entfernung von der Ausgangshautmarke liegen. |

XXIII, 5. Das neue Lokalisationsprinzip der Raummarke und der Schwebemarkenlokalisator. 413

Wenn wir also auf dem Fremdkörperarm des Winkelmessers die gefundene seitliche Entfernung von der Ausgangshautmarke aus abmessen, so erhalten wir einen Punkt auf der Haut, senkrecht unter welchem der Fremdkörper in der zuvor gefundenen Tiefe liegt.

Der Fremdkörper ist nun einwandsfrei und eindeutig mathematisch loka- lisiert. Ä

VI.

Es hätte sich in der praktischen Ausführung der Methode sicher eine Schwierigkeit er- geben, deren Beseitigung erst der Methode die Erfüllung ihres Zweckes ermöglichte. Es mußte das viele Rechnen, welches unsere mathematischen Formeln verlangen, überflüssig werden.

Ich habe daher eine besondere Schieberkonstruktion, eine Kurventafel, berechnet, die nun automatisch, ohne irgendein Rechnen zu benötigen, die gewünschten Zahlen für z und z angibt. Die Bestandteile der Kurventafel werden auf die Ziffern gestellt, die die Messung unserer vier Größen auf der photographischen Platte ergeben hat, und sodann wird die Tiefe des Fremdkörpers und seine seitliche Entfernung von der Ausgangshautmarke aus der Kurventafel einfach herausgelesen.

Damit war die Schwierigkeit der Methode, das Rechnen, beseitigt.

Die Methode ist jetzt also ohne Rechnung doch rechnerisch genau, da dieselbe durch eine Art Rechenschieber auf einfachste Weise durchgeführt wird. In der praktischen Anwendung ist das Verfahren sehr einfach, indem nur eine, zweimal ohne jede Umlagerung des Patienten zu belichtende Platte verwendet wird und die Röhrenstellungen ohne jede Messung bloß un- gefähr nach dem Augenmaß vorgenommen werden, so daß die Aufnahme in zirka 5 Minuten, die Ablesung des Resultates am Schieber in zirka 2 Minuten bewerkstelligt wird. Es wäre im Grund genommen nicht einmal notwendig, sich vorher von der Anwesenheit des Fremdkörpers zu überzeugen. Schon die auf den Nachweis gerichtete Aufnahme könnte als Lokalisations- aufnahme gemacht werden.

Der Schwebemarkenlokalisator. VII.

Eine einwandfreie Lokalisation mit Hilfe der Schwebemarke setzt eine Vorrichtung voraus, welche die Schwebemarke von der gewählten Größe präzis in der gewählten Höhe über der Platte trägt. Falls man über einen solchen Schwebemarkenträger verfügt, so kommen in der Methode nur zwei Dinge vor, die man genau ausführen soll. Erstens muß man den Punkt auf der Haut senkrecht unter dem Fokus der Röhre, bevor zum erstenmal die Platte belichtet wird (Ausgangshautmarke), finden, um über diesen Punkt die Schwebemarke zu stellen. Dies geschieht leicht mit Hilfe eines Zentralstrahllotes, wobei ein Fehler von !/, cm noch praktisch wenig Bedeutung für das Endresultat hat. Zweitens muß man die Röhre vor der zweiten Belichtung horizontal zur photographischen Platte, also am besten mit dem ganzen Röhrenstativ am Boden verschieben. Sonst kann alles in weitestem Umfang beliebig gemacht werden. Fehlerquellen sind daher bei der Methode praktisch ganz ausgeschlossen.

Man könnte nun scheinbar den Schwebemarkenlokalisator leicht improvisieren. Da aber die so wichtigen exakten mathematischen Voraussetzungen der Methode alle in den Bau des Schwebemarkenstatives verlegt wurden, erschien es ratsam, auf eine Improvisierung zu ver- zichten und den Bau der Schwebemarkenträger einer Firma zu übergeben. Dadurch wurde absolute Sicherheit der Befunde erreicht, da die jeweilige Ausführung der Lokalisation mit dem Schwebemarkenlokalisator jetzt, dank der gelungenen Konstruktion, ein Minimum von

414 Wachtel. XXIII, 5.

Exaktheit und Vorkenntnissen erfordert. Die Vorrichtung ist von der Firma O. Sommer, Wien VII., Richtergasse 12, Werkstätten für Wiener Röntgenmodelle, zu beziehen’).

Die Einrichtung besteht aus 4 Teilen:

1. Dem Schwebemarkenträger (Fig. 6), der am Ende des Holzarmes eingelassene Schrotkörner, ein bleiausgekleidetes Loch und 3 Anhängseln trägt: ein Lotkettchen, eine vier- eckige Bleimarke und eine aus Zink gestanzte Zahl „2“ zur Kennzeichnung der zweiten Auf- nahme, letztere an Darmsaiten befestigt.

2. Einem Zentralstrahllot (Fig. 7).

8. Einer, alle Berechnungen vollständig ersetzenden Kurventafel, und

4. dem Übertragungszirkel.

Die Schwebemarke wird durch die Zentren der beiden Schrotkörner dargestellt. Die Zentren sind in einer Entfernung von 1,5 cm voneinander angebracht. Die Mitte des mit Blei

b

| |

$

/ \

un AP + OO ——

19 y_ | i

I

pn, FO ay (GNI ? Fig. 6. Fig. 7. Der Schwebemarkenträger. Das Das Zentralstrahllot zur Ermittlung des Punktes

Lotkettchen ist durch das bleiausgekleidete senkrecht unter dem Fokus (Ausgangshautmarke). Der

Loch, welches die Mitte der Schwebemarke Holztrichter wird mit seiner konkaven Basis an die Röhre

darstellt, am Ende des Holzarmes gezogen. gedrückt. Der Metallstab soll dabei frei in der Mitte seines Gehäuses hängen. Die Bleistiftspitze zeigt auf den gewünschten Punkt auf der Haut.

ausgekleideten Loches befindet sich in der Mitte der Distanz der beiden Schrotkörnerzentren.

Das Lotkettchen, welches durch das mit Blei ausgekleidete Loch durchgezogen wird, ermöglicht

die genaue Einstellung der Schwebemarke über der Ausgangshautmarke.

Das Zentralstrahllot (Fig. 7) ist eine Modifikation des Holzknechtschen Zentralstrahl- index. An die konkave, an die Röhre zu plazierende Scheibe ist ein Metallgehäuse, in welchem ein Metallstab mit Bleistifthalter hängt, angebracht.

Der Übertragungszirkel ist ein Winkelmesser, dessen beide Arme mit Zentimeterteilung versehen sind.

Der Patient wird bei einer Lokalisationsaufnahme am besten bequem auf dem Rücken liegend mit bequem gestreckten Extremitäten gelagert. Die Rückenlage ist leicht reproduzierbar, und daher kann man eventuell den Patienten nach der Aufnahme aufstehen lassen, um ihn nach erfolgter Entwicklung der Platte und Ermittlung des Resultates, behufs Einzeichnung der Lage des Fremdkörpers sich wieder auf den Rücken legen zu lassen.

1) Es würde die Modifikation meines Schwebemarkengedankens als Improvisationsmethode von Gerlach (Zentralbl. f. Rtgstr., 1915), wie es auch Gerlach selbst angibt, nur für nicht geregelte Be- triebe in Betracht kommen.

XXIII, 5. Das neue Lokalisationsprinzip der Raummarke und der Schwebemarkenlokalisator. 415

Nur bei Lokalisationen im Bereiche des Schädels lagert man den Patienten seitlich, mit der einen Gesichtsseite bequem auf der Platte, um eine sagittale Lokalisationsphotographie zu erhalten, Die Röhre kommt vor der ersten Belichtung über das behaarte Schädeldach, jedoch möglichst nicht über das Os petrosum. Die Verschiebung der Röhre vor der zweiten Belichtung erfolgt senkrecht zur Schädelbasias, den Füßen des Patienten zu.

Der Patient wird also auf die photographische Platte gelagert. Unter die Platte, respek- tive Kassette schiebt man die Bodenplatte des Schwebemarkenträgers, und denkt sich die photo- graphische Platte in die Hälfte geteilt. Man stellt nun die Röhre in beliebiger Höhe ungefähr über die Mitte der einen Plattenhälfte. Dabei wird das Zentralstrahllot mit der konkaven End- platte an die Röhre gehalten, wobei der Metallstab des Lotes in der Mitte seines Gehäuses hängen soll. Nachdem die Röhre fest fixiert ist, bezeichnet man mit dem Stift des Lotes den Punkt auf der Haut des Patienten, zu dem jetzt das Zentralstrahllot reicht. (Ausgangshaut- marke.) Nun verschiebt man den drehbaren Holzarm des Schwebemarkenträgers, bis sein durch das Bleiloch geführtes Lotkettchen die Aus- gangshautmarke trifft, worauf man den Holz- arm genau in dieser Stellung festschraubt (Fig. 8). Etwa in der Mitte der anderen Plattenhälfte wird eine zweite, beliebige Haut- stelle bezeichnet und auf diese die viereckige Bleimarke (Hilfsmarke) mit dem Anhängering, dem Kopfe des Patienten zugekehrt, geklebt. Jetzt wird zum ersten Male belichtet, hierauf die Röhre horizontal am besten mit ihrem ganzen Stativ am Boden so verschoben, daß der Schwebemarkenschatten irgendwo (nach welcher Richtung ist im Prinzip gleichgültig) auf die zweite Plattenhälfte fällt. Die Ver- schiebung kann beliebig groß, am besten zwei Querfinger, sein. Sodann legt man die „2“- Marke in die dafür bestimmte Mulde dicht am Ende des Holzarmes. (Sie bezeichnet die zweite Belichtung) Und nun belichtet man zum Fig. 8. zweiten Male. Am besten exponiert man Der Schwebemarkenträger im Gebrauch. beide Autuchmen nur mit der Halts Der Patient liegt auf der Bodenplatte des Schwebe-

2 j s markenträgers. der Zeit, die man sonst für diese Auf- nahmen als normale Expositionszeit verwendet hätte, und zwar auf Grund folgender Überlegung.

Wenn man eine Platte zweimal belichtet, wobei zwischen der ersten und der zweiten Be- lichtung die Röhre verschoben wurde, so finden wir auf der Platte Territorien, die während beider Belichtungen der Strahlenwirkung ausgesetzt waren. Diese Territorien werden doppelt so schwarz erscheinen, als die Stellen, welche bei einer der Belichtungen durch den Fremdkörper, das Skelett usw. beschattet wurden und nur während der anderen Belichtung (infolge der Verschiebung) unter Strahleneinwirkung standen. Es wird dabei der Kontrast zwischen den Fremdkörperbildern und der Umgebung, und auf ihn kommt es ja an, gleich intensiv (1:2) sein, ob wir durch zwei ganze Expositionszeiten oder bloß durch zwei halbe Expositionszeiten die Platte belichten. Das Photographieren durch zwei ganze Expositionszeiten bringt aber den Nachteil mit sich, daß die Platte, da sie zweimal so lange belichtet wurde, eine ganz andere Zeit beim Entwickeln, wie die sonstigen Platten des Betriebes, braucht und daher während des Entwickelns eine Beirrung entstehen kann. Daher empfiehlt es sich, jede Belichtung nur mit der Hälfte der Zeit zu machen, die man sonst bei einer solchen Aufnahme als Expositionszeit anwendet,

. m-a - on

416 Wachtel. XXIII, 5.

Verstärkungsschirme können natürlich angewendet werden. Ich habe durchweg mit Verstärkungsschirmen gearbeitet.

Bei der Entwicklung muß nun die Platte so lange im Entwickler bleiben, bis die »2*-Marke und die beiden Ringe der Schwebemarken deutlich sichtbar sind, wenn auch das übrige Bild dabei weniger gut wird.

Es spielen ja bei unserer Lokalisationsaufnahme die feineren Details eine geringere Rolle. Die Hauptsache ist, daß die Schwebemarken herausentwickelt werden. Um dies zu erleichtern, empfiehlt es sich beim Photographieren, die Schwebemarke nicht über die dichtesten Körperteile, wie z. B. Wirbelsäule, Herzschatten oder seitlicher Körperkontur und auch nicht auf vom Patienten unbedeckte Platte zu projizieren').

Auf der fertigen Platte sieht man entsprechend der doppelten Belichtung die Fremdkörper, Knochen und Marken doppelt. Von den letzteren am deutlichsten die viereckigen Schatten der Bleimarken, etwas weniger gut, infolge der Sekundärstrahlen, die Doppelbilder der drei am Ende des Holzarmes eingelassenen Schwebemarken, die mittlere als Ring, die beiden seitlichen als Scheiben. Nun werden auf der getrockneten Glasscheibe der Platte mit Feder und Tinte die Mittelpunkte aller Marken- und Fremdkörperschatten bezeichnet. Dann werden die vier von der Methode geforderten in Fig. 4 bezeichneten Strecken auf Milli- meter genau gemessen und am Block der Kurventafel notiert. Hat man mehrere Fremd- körper, so wird für jeden von ihnen separat die entsprechende Strecke gemessen und notiert. Auch die Verschiebung der dem Fremdkörperschatten nahegelegenen Knochen (siehe später) wird wie eine Verschiebung eines Fremdkörpers behandelt und bestimmt.

Mit den gefundenen Zahlen konsultiert man die Kurventafel und hat so automatisch ge- nauest die Lage der Fremdkörper im Patienten gefunden.

VII.

Außer der genauen Lokalisation des Fremdkörpers kann die Methode auch manche andere mathematisch zu lösende Frage, die manchmal wichtig sein könnte, beantworten.

So wird die Lage der Achse des Fremdkörpers zum Niveau der photographischen Platte einfach durch die Bestimmung der Höhen der beiden Pole dieser Achse über der Platte gefunden (Fig. 9). Das Verhältnis der beiden Héheh x, und a, gibt die Antwort.

Die Lage der Achse des Fremdkörpers zur Achse des Körpers des Patienten ergibt sich aus dem Vergleich der Fußpunktentfernungen beider Pole des Fremdkörpers von der Ausgangshaut- marke. Die Figur 10 erläutert dies.

Aus den auf der fertigen Platte gemessenen Zahlen kann man auch die wahre Größe des Fremdkörpers berechnen. Man braucht dazu außer den gewöhnlich gemessenen vier Strecken noch die Größe des Bildes des Fremdkörpers von der ersten Belichtung. Die mathematische Erwägung ge- staltet sich, wie folgt.

Wir nehmen zuerst an, daß der Fremdkörper ZY (Fig. 11) im Patienten parallel zur photogra- phischen Platte in der Höhe x liegt. Auf der fertigen Platte messen wir die Größe seines Bildes U V= f.

Aus der Ähnlichkeit der Dreiecke A W V Y~ A UVF folgt

f-g9:f=x:h+m daraus _ fe ae

1) Die sonst so ausgezeichnete und einfache Methode kann an der nicht entsprechenden Entwick- lung scheitern. Wer einmal die Schwebemarken sich herausentwickeln gesehen hat, trifft die Entwick- lung jedesmal und stellt die Schwebemarken mit derselben Deutlichkeit, wie jedes andere Röntgenbild- detail dar. Um aber auch von der Fertigkeit des Entwickelns unabhängig zu werden, habe ich eine Kasette konstruiert, welche von derselben Firma, die den Schwebemarkenlokalisator baut, geliefert wird. Bei Benützung dieser Kaseite werden die beiden Belichtungen getrennt auf je eine Platte gemacht und die zwei Platten nach gewöhnlichem Entwickeln und Fixieren aneinander gelegt, worauf man die vier Strecken messen kann. Genaue Gebrauchsanweisung befindet sich auf der Kasette.

m M h

XXIII, 5. Das neue Lokalisationsprinzip der Raummarke und der Schwebemarkenlokalisator. 417 und f x 30 i Wenn wir nun die früher gefundenen Werte für A=30 und m= | verwerten, so ist fx a ac 30 + T oder

‘asypeladioy

Fig. 10.

Bestimmung der Lage eines Fremdkörpers zur Achse des Körpers des Patienten. Die Fuß-

Die Lage der Achse des Fremdkörpers „unktentfernungen beider Enden des Fremdkörpers z, und zum Niveau der photographischen Platte z und die Richtungen, in welchen sie zu suchen sind, wird durch die Höhen der beiden Enden werden bestimmt und das Resultat auf den Patienten des Fremdkörpers (x, und x) bestimmt. übertragen. Durch Blick auf die gezeichneten Resultate auf der Haut ergibt sich die Lage des Projektils zur Körperachse des Patienten.

Fig. 9.

Nach dieser Formel kann man die wahre Größe eines horizontal zur Platte gelegenen Fremd- körpers bestimmen. Die Größen f und s messen wir auf der Platte, x lesen wir aus der Kurventafel.

Diese Formel gilt auch, wenn der Fremdkörper außerhalb des Zentralstrahles horizontal zur Platte liegt, wie Figur 12 zeigt, wo aus der Ähnlichkeit der Dreiecke AWVY und A UVF sich identische Formeln ableiten.

|

Us. en 0 207°

F

Fig. 11 und Fig. 12. Bestimmung der wahren Größe (g) eines Fremdkörpers, welcher parallel zur photographischen Platte liegt. Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XXIII. 58

ia}

418 Wachtel. | XXIII, 5.

Wenn der Fremdkörper schief zum Niveau der photographischen Platte liegt, so gilt die vorher gefundene Formel nicht. Mit ihrer Hilfe würde man bloß eine durch Projektion gekürzte Größe des Fremdkörpers bestimmen. Dies erklärt Figur 13, wo die beiden Pole des Fremdkörpers A und B in ver- schiedenen Höhen x, und x, über der Platte liegen. Wenn x, == x, wäre, so müßte der Fremdkörper horizontal zur Platte liegen und man würde mit der bisherigen Formel unter Benützung z. B. von a, die Größe BC=w als wirkliche Größe des Fremdkörpers bestimmen. Da aber 2, größer als x, ist, so wird

eine Berechnung der Größe des Fremdkörpers w = f (1 —% s=) (wobei als x der kleinere Wert von

den beiden Höhen der Fremdkörperpole benützt wird) bloß die gekürzte Strecke CB und nicht die wahre F Größe des Fremdkörpers A B =g ergeben. Aus dem Dreieck A ABC folgt, daß

g= wt (0, —2,)

g = V w+ (m a).

Man wird also zuerst die Größe w mit Hilfe der Formel für horizontal liegende Projektile mit Benützung des kleineren x, berechnen und sie dann mittels der zuletzt gefun- denen Formel korrigieren. Die sich so ergebende Zahl zeigt die wahre Größe des schief gelegenen Fremdkörpers an.

daher

Die anatomische Lokalisation mit dem Schwebemarkenlokalisator.

IX.

Der Schwebemarkenlokalisator hat als erste unter den röntgenographischen Lokalisationsmethoden konse- quent die Bestimmung des Punktes auf der Haut, senk-

Fig. 18. recht unter welchem der Fremdkörper in der von ihr

Bestimmung der wahren Größe eines angegebenen Tiefe liegt, herbeigeführt. Es wurde schon Fremdkörpers, welcher schief (AB) zur . °3. . : :

photögrephischen: Platte liegt: in dieser Arbeit anfangs auf die exzeptionelle Günstig-

keit dieses Punktes hingewiesen. Er soll, entsprechend

markiert, als Endresultat der mathematischen Lokalisation dem Chirurgen dienen. Zuerst

sträubten sich viele Operateure, dem Lapispunkt auf der Haut des Patienten mit der mit-

gegebenen Tiefenzahl zu glauben und verlangten möglichst voluminöse Befunde. Bald je-

doch, durch die Erfahrung belehrt, haben sie keinen anderen Befund, als den Lapispunkt auf

der Haut und die Tiefenzahl anerkannt.

Die mathematische Lokalisation genügt jedoch in vielen Fällen nicht. Der Schwebe- markenlokalisator gibt denn auch automatisch in den Fällen, in welchen anato- mische Details wichtig sind, anatomische Lokalisation. Jedoch auch hier endigt die Lokalisation mit der Bestimmung des Punktes auf der Haut, senkrecht über dem Fremdkörper. Dieser Punkt ist in der überwiegenden Mehrzahl dem Chirurgen meist erwünscht. Denn falls nicht Besonderheiten des Falles die Wahl des Weges für die Entfernung des Fremdkörpers beeinflussen, so ist dieser Hautpunkt auch die naheliegendste Operationspforte Er ist auch in Fällen, wo man den Fremdkörper blutig anzugehen beabsichtigt, die günstigste Pforte, da beim Anlegen des Operationsschnittes senkrecht über dem Fremdkörper eine, bei anders an- gelegten Schnitten zu gewärtigende Verziehung des Fremdkörpers durch den gestörten elasti- schen Gleichgewichtszustand der Gewebe von der Operationsrichtung weg, ausgeschaltet wird’). Die auch in schwersten Fällen nie versagende, bei Operationen erwiesene Richtigkeit der mit dem Schwebemarkenlokalisator erhobenen Befunde liegt, abgesehen von der mathematisch ein- wandfreien theoretischen Grundlage und der gelungenen Konstruktion des Apparates auch in der physiologischen Günstigkeit des Punktes auf der Haut senkrecht über dem Fremdkörper.

1) Wachtel, Die Fremdkörper rücken häufig bei der Operation tiefer. Ursache: Störung des elastischen Gleichgewichtes der Gewebe durch die Inzision. Münchener med. Wochenschr. 1915, Nr. 20.

XXIII, 5. Das neue Lokalisationsprinzip der Raummarke und der Schwebemarkenlokalisator. 419

Bei der Aufnahme mit dem Schwebemarkenlokalisator bildet sich ebenso, wie der Fremd- körper auch sonst alles im Röntgenbilde Sichtbare doppelt ab und die Entfernung der beiden Bilder jedes röntgenographisch sichtbaren Objektes kann zu seiner Tiefenbestimmung, die wie bei Fremdkörpern durchzuführen ist, dienen. Hauptsächlich kommt hier das Skelett in Be- tracht. Wenn ein Fremdkörper in der Nähe oder gar auf einen Knochen projiziert erscheint, so genügt es, sowohl die Tiefe des Fremdkörpers, wie die Tiefe dieses Knochens im Patienten zu bestimmen, um so objektiv das Verhältnis des Fremdkörpers zu diesem Knochen zu erhalten.

Mit der Eventualität einer anatomischen Lokalisation in bezug auf das Skelett soll man schon bei der Aufnahme rechnen und sie für diesen Zweck entsprechend gestalten. Von Be- deutung ist dabei die Richtung, nach welcher die Röhre vor der zweiten Belichtung verschoben wird. Am günstigsten ist es, wenn sie senkrecht zur Längsachse dieses Knochens, in bezug auf welchen die Lage des Fremdkörpers zu bestimmen wäre, verschoben wird. Aus dieser Regel ergibt sich von selbst die Richtung der Röhrenverschiebung bei jedem Fall. So wird man bei Fremdkörpern in der Nähe der langen Röhrenknochen, des Beckens und der Wirbelsäule die Röhre senkrecht zur Körperachse des Patienten verschieben. Bei Fremdkörpern in der Rippengegend wird die Verschiebung mehr schräg zur Körperachse des Patienten, entsprechend dem Grundsatz senkrecht zu den ebenfalls schräg verlaufenden Rippen. Bei sagittalen Schädelaufnahmen soll die Verschiebung senkrecht zur Schädelbasis sein. Es ist leicht, bei jedem Knochen auf den so ausgeführten Aufnahmen charakteristische Konturstellen zu finden, welche sich bei beiden Belichtungen deutlich abgebildet haben. Die Verschiebung des Bildes dieser Knochenstellen erlaubt ihre Tiefe im Körper zu bestimmen.

Zumeist entsprechen die auf der Platte abgebildeten Konturen eines Knochens einem Schnitt durch den photographierten Knochen, und zwar durch seine bei dieser Projektion meist nach beiden Seiten ausragenden Stellen. Um diesen Schnitt herum muß man sich erst den Knochen in seiner wirklichen Dicke denken. Wenn also z. B. ein Fremdkörper nach der Tiefenbestimmung vor einem Knochen liegend erscheint, so kann er, falls man es mit einem dicken Knochen zu tun hat, noch im Knochen liegen. Natürlich deuten etwa mitsicht- bare Frakturlinien des Knochens, die auf Lokalisationsaufnahmen oft deutlicher als auf gewöhn- lichen Aufnahmen zum Vorschein kommen, sowie ihre Verschiebung, auf derart komplizierende Verhältnisse. |

Besonders wichtig erscheint die Berücksichtigung der eben angeführten Tatsachen bei Knochen, welche tiefere Mulden haben. So z.B. beim Femur, wo die Fossa inter- condyloidea als Bestandteil der Kniekehle erheblichere Tiefe hat. Auf der Lokalisations- photographie sieht man aber genau die medialen Konturen der Kondylen und ihre Verschiebung. Wenn auch der seitliche Femurkontur hier so hinsichtlich des Fremdkörpers liegt, daß dieser im Knochen zu liegen scheint, so wird die Berücksichtigung der Tiefe der Kondylenlinien auf den richtigen anatomischen Sitz außerhalb des Knochens, in der Fossa intercondyloidea, führen.

Ähnlich der anatomischen Lokalisation auf das Skelett kann man mit dem Schwebe- markenlokalisator die Lokalisation auf jedes andere im Röntgenbild sichtbare Gebilde im Körper des Patienten herbeiführen. Gebilde, die von selbst auf der Röntgenphotographie keinen Schatten geben, kann man eventuell sichtbar machen (Wismut). So kann man vor der Loka- lisationsphotographie in physiologisch existierende oder durch pathologische Pro- zesse produzierte Gänge, Höhlen usw. im Patienten schattendichte Körper (Sonden, Bougies usw.) einlegen und dann mit Hilfe des doppelten Bildes genauest die Lage des Fremdkörpers zu dieser Fistel oder dgl. bestimmen. Diese Art der anatomischen Lokalisation und ihre chirurgische operationsersparende Bedeutung habe ich bereits in der „Medizini- schen Klinik“ 1915, Nr. 20: „Ein halbes Jahr röntgenologische Projektillokalisation“ be-

schrieben. ' 58*

420 Wachtel. XXIII, 5.

X.

Es erübrigt sich noch über die Stellung des Schwebemarkenlokalisators zu den übrigen röntgenographischen Lokalisationsmethoden zu sagen. Von der Legion der existierenden waren es bloß zwei, die größere Beachtung verdienen: die Stereoskopie und die Methode von Mackenzie-Davidson-Fürstenau.

Die stereoskopische Methode erfordert viel technisches Können, gutes Einarbeiten in die subtile Technik der Stereoskopie und einwandfreie Vorrichtungen. Ihre Resultate lohnen aber kaum die angewandte Mühe. Bei schwereren Fällen versagten sie überhaupt. Ihre Anwendung verdankt sie eher den im Stereoskop durch die Körperlichkeit den Laien verblüffenden Bildern.

Die Methode von Fürstenau, eine mathematische Bearbeitung der gut gedachten, aber in der Ausführung naiven Methode von Mackenzie-Davidson, ist in den Fesseln der eng- lischen Methode geblieben. Wie diese verlangt sie exakteste Kenntnis der Höhe des Fokus der Röhre über der photographischen Platte (was schon in Anbetracht dessen, daß der Fokus un- zugänglich in der Röhre liegt, eine kaum zu beherrschende Fehlerquelle abgibt), sodann die präzise Verschiebung des Fokus um eine bestimmte Strecke (ebenfalls eine Fehlerquelle) hori- zontal zur Platte. Die Methode ist brauchbarer, wenn man über eine Stereoröhre, welche die präzise Fokusverschiebung erspart, verfügt. Die Resultate der Methode waren mangelhaft. Sie hat bloß zwei Dimensionen im Raume gemessen. Erst der nach dem Schwebemarkenlokalisator angegebene Indikator von Weski ermöglichte ihr die Bestimmung der dritten Dimension. In ihrer heutigen Form kann die Methode Fürstenau-Weski nicht ungünstig eingeschätzt werden, obgleich in Anbetracht ihrer wichtigen Fehlerquellen ihren Befunden kaum die absolute Sicher- heit der Befunde des Schwebemarkenlokalisators eigen ist. Was dem Schwebemarken- lokalisator aber seine Überlegenheit gegenüber der Methode Fürstenau-Weski sichert, ist die Unabhängigkeit des Schwebemarkenlokalisators von jedweder Präzision der Handhabung und die Ausschaltung aller Fehlerquellen, wodurch die größte Genauigkeit der Befunde automatisch erzielt wird.

XI,

Man kann mit dem Schwebemarkenlokalisator selbstverständlich nicht bloß Fremdkörper, sondern auch sonst alles, was sich im Röntgenbild abbildet, lokalisieren. In der Kriegschirurgie erwies sich manchmal die Notwendigkeit einer genauen Lagekenntnis von Knochensplittern. Auch die genaue Lage von Gasblasen in infizierten Geweben wurde gelegentlich mit dem Schwebemarkenlokalisator bestimmt.

Noch viel reichhaltiger verspricht die Anwendung des Schwebemarkenlokalisators für die Friedenspraxis zu werden. Er wird als handlicher Röntgenstereometer hoffentlich noch viele gute Dienste leisten.

Es drängt mich, auch hier meinem hochverehrten Lehrer und Chef, Herrn Oberstabs- arzt Professor Dr. Holzknecht, für das große Interesse an meinen Arbeiten ergebenst zu danken.

XXIII, 5. Über die Sekundärstrahlen als Gefahrquellen. 421

Uber die Sekundärstrahlen als Gefahrquellen.

Bemerkungen zu dem gleichlautenden Aufsatz des Herrn G. Grossmann’). Von Dr. Paul Cermak, Privatdozent an der Universität Gießen und

Friedrich Dessauer, Ingenieur und Direktor der Veifa-Werke, Frankfurt a. M.

(Hierzu Tafel XVIII, Fig. a und b.)

In einem kleinen, in dieser Zeitschrift veröffentlichten Artikel, betitelt „Über das Röntgen- strahlenspektrum“?) hatten wir versucht, auf Grund fremder und eigener Erfahrungen darzu- stellen, wie die ausgesandte Strahlung zusammenhängt mit der Beschaffenheit der Röhre und der Art des ihr zugeführten Stromes; wir versuchten eine Analogie durchzuführen mit der Lichtemission eines mehr oder minder stark erhitzten glühenden Körpers und sprachen die Ver- mutung aus, daß für die Röntgenstrahlen in Abhängigkeit von der zugeführten Energie ein ähnliches Gesetz gelten möge, wie es das Wiensche Verschiebungsgesetz für die Emission des Lichtes darstellt. Da sich nun eine derartige Analogie nur bis zu einem gewissen Grade durch- führen läßt, insoferne ja bei Röntgenstrahlen außer dem durch die Art der Energiezufuhr be- stimmten „kontinuierlichen“ Spektrum auch die Eigenstrahlung des Antikathodenmaterials in Betracht kommt und da gewisse Spektralgebiete oder Härtegruppen der ausgesandten Strahlung in den getroffenen Körpern wiederum eine Sekundärstrahlung bestimmten Durchdringungsver- mögens (die charakteristische Strahlung) zu erregen vermögen, so erwähnten wir auch die da- durch entstehenden Komplikationen. Wir hoben hervor, daß solche sekundäre Eigenstrahlung, wenn sie in Filtern oder in der photographischen Schicht selbst erregt werde, die photogra- phischen Prüfmethoden (Kienböckverfahren und ähnliches) unsicher machen könne, daß gelegent- lich auch die Filtersubstanzen, insbesondere Verunreinigungen des Aluminiums biologisch wirk- same sekundäre Eigenstrahlung aussenden können, was für die Therapie Gefahren mit sich brächte. Wir wiesen darauf hin, daß das Aluminium selbst am allerwenigsten dafür in Frage kommt, daß durchaus nicht die weichsten Primärstrahlen für die Erregung maßgebend seien, daß es wichtig sei, daß die die Eigenstrahlung erzeugenden Primärstrahlen im Spektrum nicht besonders betont sein sollen und daß von der Röhre ein möglichst reichhaltiges und gleich-

mäßiges Röntgenstrahlspektrum ausgehen soll, etwa in einer Verteilung, wie sie dem Wienschen

Verschiebungsgesetze entspricht.

Herr Grossmann hat in seiner Arbeit eine Darstellung der Wirkung der sekundären Eigenstrahlen verschiedener Filter gegeben und rechnerisch durchgeführt, wie dicke bzw. dünne Schichten eines Filters verschiedener Metalle an der austretenden Eigenstrahlung mitwirken. Er findet in allem Wesentlichen durchaus das bestätigt, was wir in unserem Aufsatze gesagt hatten, wie der sachliche Vergleich beider Arbeiten jederzeit ergibt. Dennoch wendet er sich gleich eingangs gegen Sätze in unserer Arbeit, die für sich, aus dem Zusammenhang des Auf- satzes herausgerissen, mißverstanden werden können. Eingereiht in die Gedankengänge unseres Aufsatzes sind sie aber nicht mißverständlich und die Grossmannschen Ausführungen sind vielfach ein gelungener Beweis für die Richtigkeit unserer Darlegung. Am Schlusse kommt Herr Grossmann annähernd zu unserem Ergebnis. Wo er sich im Gegensatz glaubt, hat er

1) Grossmann, Fortschritte XXIII, S. 182 ff. 2) Fortschritte XXII, S. 337 ff.

492 Cermak und Dessauer. XXIII, 5.

unseren Ausführungen einen mißverstandenen Sinn untergelegt. Denn wir haben weder vor- geschlagen, daß man als Primärstrahlung eine solche nehmen soll, „deren sämtliche Kompo- . nenten in ungefiltertem Zustande gleich stark sind*, noch haben wir das übliche Aluminium- filter in Mißkredit bringen wollen. Wenn Herr Grossmann dies aus unserer Arbeit heraus- gelesen hat, so liegt da ein bedauerliches Mißverständnis vor.

Auf eines aber sei noch verwiesen, Herr Grossmann findet aus seinen Durchrechnungen, daß in Filtern aus Stoffen kleinen und sehr großen Atomgewichtes, die so dick bemessen sind, daß sie für die Zwecke der Therapie brauchbar sind, unter dem Einfluß der Gefahrstrahlung überhaupt keine sekundäre Eigenstrahlung austrete, daß dies nur bei Silber- und Zinnfiltern der Fall sei. Das gilt nur mit Einschränkungen. Das aus einer Röhre austretende Gemisch enthält niemals alle Komponenten des Spektrums in gleicher Intensität, sondern es sind ganz ab- gesehen von den betonten Linien des Antikathodenmaterials immer gewisse Spektralbereiche stärker vertreten als andere. Die Lage und Stärke dieser Bereiche hängt auch mit der Betriebs- art zusammen. (Über genauere Einzelheiten, die durch spektrale Zerlegung an Kristallflächen ` gewonnen sind, wird der eine von uns an anderer Stelle berichten) Auch die Filtrierung der Strahlen kann dann niemals verhindern, daß in dem schließlich hinter dem Filter vorhandenen Gemische einzelne Gebiete stärker vertreten sind als andere. Und wenn nun von der Primär- strahlensorte, die die Eigenstrahlung auszulösen imstande ist, ein Betrag durch das Filter hin- durchdringt, dann muß immer auch die Eigenstrahlung ausgelöst werden. Weiter ist zu be- merken, daß das Gebiet der in Betracht kommenden Filter durchaus nicht so eng auf Silber und Zinn beschränkt ist. Das läßt sich experimentell z. B. ganz einfach zeigen an der Erregung der Eigenstrahlung in der photographischen Schicht der Réntgenplatte. Es dienen dazu die beiden beigegebenen Bilder. Bei der Aufnahme b wurde das Bild der Hand gewonnen, nach- dem die Röntgenstrahlen durchdrungen hatten die 2 mm dicke Glasplatte und die beiden Reihen von Filtern, die (von den Fingerspitzen aus gezählt) bestehen aus Aluminium, Eisen, Kupfer, Zink, Zion, Kadmium, Silber, Platin und Blei. Alle Filter sind möglichst genau gleich 0,1 mm dick; Kadmium, Platin sind dünner (0,08 und 0,02 mm), Blei dicker (0,2 mm). Man sieht bei dieser Aufnahme die Absorptionswirkung der einzelnen Metalle. Bei der Auf- nahme a der Hand liegt die Platte mit der Schichtseite auf den gleichen Metallfiltern auf, die jetzt auf die Platte nur wirken durch die von ihnen ausgehende Sekundärstrahlung, die Pri- märstrahlung hat dabei ca. 1,25 mm Glas passiert, dessen Filterwirkung einer ebenso dicken Schicht Aluminium ziemlich genau entspricht. Dabei zeigt sich, daß das Aluminium sich überhaupt nicht abbildet, Eisen, Kupfer, Zink bilden sich nur schwach ab, Silber, Kadmium, Zinn am stärksten, Platin, Blei wiederum schwächer. Die Eigenstrahlen, die von Silber, Kadmium, Zinn ausgehen, sind eben in ihrer Härte so beschaffen, daß sie in den Brom- bzw. Silberatomen der Schicht neuerdings Eigenstrahlung stark erregen können. Man sieht aber auch, daß die von Körpern mit kleinem Atomgewicht, wie Eisen, und solchen mit hohem, wie Blei, ausgehenden Sekundärstrahlen die Platte noch schwärzen, daß also bei den photographischen Prüfmethoden die Anwesenheit auch derartiger Metalle besonders zu beachten ist. Beide Bilder sind uattir- lich mit gleicher Strombelastung und in gleicher Zeit gemacht worden und eine Aluminium- schicht von 0,01 mm Stärke schützt vor direkter Einwirkung der Elektronen. Es zeigt sich also der von uns angegebene recht erhebliche Einfluß der vom Metall ausgehenden Sekundär- strahlen bei der schwachen Exposition der Platten deutlich. |

XXIII, 5. Sucher, um bei R.-Durchleucht. die Lage v. Fremdkörpern vor d. Operation zu bestimmen. 428

Aus dem Landwehrfeldlazarett 20 (Chefarzt Oberstabsarzt Prof. Dr. Hammer).

Sucher, um bei Röntgendurchleuchtung die Lage von Fremdkörpern unmittelbar

vor der Operation zu bestimmen. Von Assistenzarzt Dr. Karl Hammesfahr, Spezialarzt für Chirurgie.

Um die Lage von Fremdkörpern im Gewebe zu bestimmen, hat man eine Reihe von verschiedenartigsten Methoden angewandt; ich erwähne nur den Fürstenauschen Zirkel, die stereoskopischen Methoden und neuerdings die Nadelkissenmethode.

Alle diese Methoden trennen die Röntgenuntersuchung vom operativen Eingriff und geben gewissermaßen nur indirekte Anhaltspunkte, um die Lage der Fremdkörper zu bestimmen. Ich habe eine Methode ausgearbeitet, welche bei großer Einfachheit keine Röntgenaufnahme, sondern nur eine Durchleuchtung benötigt und durch eine bis auf den Fremdkörper einge- stochene Nadel die Lage desselben direkt bestimmt.

Der Sucher (Fig. 1) besteht aus einem Zylinder, welcher aus strablendurchgängigen sterilisierbarem Material hergestellt ist und welcher in seiner Achse eine Bohrung zur Auf-

Fig. 1. Fig. 2.

nahme der in den Körper einzustechenden Nadel besitzt. An beiden Enden des Zylinders sind Metallringe angebracht, welche bei der Durchleuchtung als Visier dienen, um mit der Nadel auf den Fremdkörper hinzuzielen.

Die Anwendung geschieht folgendermaßen:

Der den Fremdkörper bergende Körperteil liegt auf einer für Röntgenstrahlen durch- gängigen Unterlage, unter derselben ist leicht verschieblich die Röntgenröhre angebracht. Die Beobachtung geschieht auf einem leichten handlichen Leuchtschirm, welcher, falls sich der Raum, in welchem gearbeitet wird, nicht verdunkeln läßt, mit einer lichtdicht sich an die Augen des Beobachters anlegenden Pappepiranide versehen ist (Fig. 2).

Der Beobachter erfaßt nun schreibfederförmig den mit der Nadel armierten sterilen Sucher und setzt die Nadelspitze auf die Haut des Patienten, so daß der Schatten der Nadel- spitze auf den Schatten des Fremdkörpers zu liegen kommt. Das Bild, welches der Beobachter nun auf dem Leuchtschirme sieht, entspricht der Figur 3.

424 Hammesfahr. XXIII, 5.

Es wird nun durch Heben und Neigen des Suchers Fremdkörper und Nadel in eine Linie gebracht, was daun erreicht ist, wenn der über dem Fremdkörperschatten liegende Schatten der Nadel punktförmig erscheint und sich die beiden Metallringe des Suchers im Schattenbilde decken (Fig. 3). Es wird nun, ohne daß das Schattenbild sich ändert, ‘die Nadel eingestochen bis auf den Fremdkörper selbst.

Fig. 8.

Wenn aus anatomischen Gründen ein besonderer Weg für das Einstechen der Nadel und die anschließende Operation gegeben ist, wird an der zum Einstich gewählten Stelle ein kleiner Drahtring mittels Mastisol befestigt. Durch Verschieben der Röntgenröhre bringt man sodann den Schatten des Drahtringes über den Schatten des Fremdkörpers, setzt erst dann die Spitze der Nadel in den Mittelpunkt des Dralıtringes und sticht ein, nachdem wie oben beschrieben, Nadel und Fremdkörper in eine Linie gebracht worden sind (Fig. 4).

Sollte aus irgendeinem Grunde die Nadel sich nicht bis auf den Fremdkörper einstechen lassen, so wird sie so weit eingestochen, bis sie einigermaßen im Gewebe fixiert ist. Es wird

No |

ei

Fig. 4. Fig. 5.

sodann der Sucher von der Nadel entfernt, und nachdem die Röntgenröhre um einige Zenti- meter verschoben worden ist, auf oben beschriebene Weise eine zweite Nadel eingestochen (Fig. 5).

Werden dann bei der Operation beide Nadeln vorgeschoben, so müssen sie auf dem Fremdkörper zusammentreffen.

Es läßt sich auch aus der Richtung der Nadeln allein der Treffpunkt derselben und somit die Lage des Fremdkörpers konstruieren.

Da ich zurzeit im Felde stehe, ist es mir unmöglich, diese Methode praktisch auszu- probieren, auch war es mir unmöglich, die neuere Literatur auf diesem Gebiete einzusehen und zu berücksichtigen. Es scheint mir trotzdem wünschenswert, diese kleine Mitteilung zu veröffentlichen, weil ich zu weiteren Versuchen in dieser Richtung anregen möchte, da gerade jetzt infolge des Krieges hierzu besondere Gelegenheit gegeben ist.

XXIII, 5. Neue Indikationen für die Röntgenverstärkungsschirmtechnik. 425 a.

Sucher und Nadeln sind bei der Firma Louis und H. Léwenstein, Berlin, Ziegelstraße, angefertigt worden.

Literatur.

Trendelenburg, Wiener klin. Wochenschr. 1914, Nr. 51. W. Harteret, Münchn. med. Wochenschr. 1914, Nr. 52.

. Wachtel, Münchn. med. Wochenschr. 1914, Nr. 47.

. Hofmeister, Bruns Beiträge, Bd. XCVI, Heft 1.

. Schmidt, Berl. klin. Wochenschr. 1915, Nr. 7. O. Weski, Münchn. med. Wochenschr. 1915, Nr. 7.

1, 2. 3. H 4. V 5. H 6. 7. Schulz, Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen, Bd. XXII, Heft 5.

(Aus dem Institut von Dr. Immelmann, Berlin.)

Neue Indikationen für die Röntgen-Verstärkungsschirmtechnik. (Insbesondere die Darstellbarkeit des uropoetischen Systems und der Gallensteine.) | Von | Dr. Johannes Schütze, Berlin, Oberarzt der Anstalt. (Hierzu Tafel XX.)

In Übereinstimmung mit der Mehrzahl der Autoren haben wir im Immelmannschen Institute bis vor einiger Zeit den Standpunkt eingenommen, daß für Röntgenaufnahmen des uropoetischen Systems die Anwendung von Verstärkungsschirmen absolut kontraindiziert ist. Diese prinzipielle Stellungnahme haben wir jedoch neuerdings aufgegeben, und wir bedienen uns seitdem zur Anfertigung der genannten Aufnahmen, welche der Zahl nach bei uns einen ganz außergewöhnlich breiten Raum einnehmen, und deren Schwierigkeiten hinlänglich bekannt sind, fast ausschließlich des Verstärkungsschirmes. Wir sind zu diesem grundlegenden Wechsel „in der Technik bewogen worden durch eine Reihe von wesentlichen Vorteilen, welche die neue von uns eingeschlagene Methode nach Schaffung der erforderlichen Vorbedingungen, über welche ich im nachstehenden berichten möchte, uns beschert hat, Vorteile so evidenter Natur, daß ich nicht daran zweifle, daß zahlreiche Kollegen nach einigen Versuchen dazu übergehen werden, auch in ihrem Betriebe die Indikationsstellung für die Anwendung eines Verstärkungsschirmes bei den genannten Aufnahmen ganz wesentlich zu erweitern.

Die notwendige Voraussetzung für die Verwendung des Verstärkungsschirmes bei den Aufnahmen des uropoetischen Systems war zunächst die Beseitigung desjenigen Fehlers, an welchem die Benutzung der Verstärkungsschirme bisher scheiterte, nämlich der wenn auch noch so geringen Körnung. Ihre völlige Beseitigung gelang durch systematische, von Dr Eppens durchgeführte Untersuchungen, welche zur Schaffung der für unsere speziellen Zwecke infolge ihrer absoluten Kornlosigkeit geeigneten „Celluloidfolie“?) führten. Als weitere unerläßliche Vorbedingung für die Erzielung diagnostisch brauchbarer Bilder des uropoetischen Systems erwies sich ferner die Anwendung sehr weicher Röhren, und zwar solcher Röhren, die imstande sind, außerordentlich kräftige sekundäre Strombelastungen längere Zeit hindurch an- standslos zu vertragen. Auf die Anwendung nur sehr weicher Röhren ist ein ganz besonderes

Gewicht zu legen. Die unter Einhaltung dieser Voraussetzungen sich ergebende Technik, wie wir sie anwenden, ist nun folgende: Herstellung der Aufnahme bei Atemstillstand (Exspirations- stellung), unter Kompression mit der Kompressionsblende, Radiologieröhre „Stabil“ extra stark, Härtegrad 3—4 Walterpunkte bei 5 Milliampere sekundärer Strombelastung, mit Eresco-

1) Die „Celluloidfolie* wird von der Radiologie, G. m. b. H, Berlin W. 35, hergestellt. Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XXIII. 54

496 Schütze. XXIII, 5.

Gleichrichter (Seifert), Belastung der Röhre während der Aufnahme 25—26 Milliampére; Expositionszeit 10 Sekunden, oder aber mit der gleichen Röhre 46 Milliampöre in 3—4 Sekunden.

Die sich bei dieser Aufnahmetechnik ergebenden Vorteile sind folgende:

1. Abkürzung der Expositionszeit auf einen Betrag, der es gestattet, die Aufnahme in Atemstillstand anzufertigen. Hierdurch wird eine Verschiebung der Nieren- oder Steinkonturen infolge der Atmung ausgeschlossen, und es werden diejenigen Irrttimer über Lage, Form und Größe der Niere selbst und etwaiger Konkremente aufs sicherste ausgeschaltet, welche auf Unschärfe der Konturen infolge Atembewegung zurückgehen. Man bringt auf diese Weise manchen Stein zur röntgenologischen Darstellung, welcher bei der bisher geübten Technik unter Nichtausschaltung der Atmung der Aufmerksamkeit des die Diagnose Stellenden entgeht.

2. Wegen der außerordentlichen Weichheit der benutzten Röhren tritt eine erhebliche Vermehrung des Kontrastreichtums in der Platte ein, wodurch wiederum Steine, die von härteren Strahlen durchdrungen worden wären, so deutlich hervortreten, daß sie mit Sicherheit als Steine diagnostiziert werden können. Auch die Form der Niere selbst hebt sich von der Umgebung ganz wesentlich schärfer ab. Gerade diese Vermehrung des Kontrastes ist meiner Erfahrung nach von besonderer Wichtigkeit; häufig ist es mir gelungen, durch die Ver- stirkungsschirmtechnik in klinisch zweifelhaften Fällen Schatten festzustellen, welche mir früher sicherlich entgangen wären und die doch als Konkremente aufzufassen waren, was ich auch regelmäßig bei den Kontrolluntersuchungen bestätigt fand.

3. Gerade bei den Aufnahmen des uropoetischen Systems spielt bekanntlich die sogenannte Kontrollaufnahme eine große Rolle; sie wird häufig benötigt, um in anderer Projektionsrichtung ein Bild zu erhalten, ebenso häufig zur Identifizierung eines Schattens, als zur Niere gehörig, durch Beobachtung der Atemverschiebung, wie sie von mancher Seite als differentialdiagnostisch wichtig betont wird. Weiter tritt häufig die Notwendigkeit hervor, kurz vor der Operation eine Kontrollaufnahme anzufertigen, ebenso wie nicht selten der Fall eintritt, daß aus Gründen ungenügender Darmentleerung des Patienten eine zweite Aufnahme hergestellt werden muß Endlich kommt noch die Möglichkeit von Fehlaufnahmen infolge von Plattenfehlern, nicht- richtiger Expositionszeit usw. hinzu, welche ebenfalls zu einer Wiederholung der Aufnahme zwingen. Es ist nun wesentlich, daß man bei der Verwendung des Verstärkungsschirmes ohne Bedenken mehrere Aufnahmen in kürzeren Zwischenräumen an derselben Hautstelle ausführen kann. Die Abkürzung der Expositionszeit und die Verminderung der auf die Haut applizierten Réntgenenergie ist eine so bedeutende, daß man keinesfalls zu fürchten hat, irgendwelche Hautschädigungen hervorzurufen.

4. Erhebliche Ersparnis an Platten, wenn man, wie es bei uns bislang geschehen ist, und wie es wohl auch anderwärts zum größten Teil der Fall ist, nach dem Köhlerschen Vorschlag sämtliche Untersuchungen des uropoetischen Systems mittels des Doppelplattenverfahrens aus- führt. Die resultierende Plattenersparnis ist selbst dann noch erheblich, wenn man die An- schaffungskosten des Verstärkungsschirms und seinen gelegentlichen Ersatz durch einen neuen, wenn er nicht mehr in tadellosem Zustande ist, in Rechnung zieht. Endlich gehört auch die nicht unerhebliche Röhrenersparnis, welche die Verstärkungsschirmtechnik zur Folge hat, hierher.

Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse bei der röntgenologischen Untersuchung der Thorax- eingeweide, besonders der Lungen. Es ist mir wohl bekannt, daß von mancher Seite die Her- stellung einer Lungenaufnahme mittels Verstärkungsschirmes direkt als ,Kunstfehler* bezeichnet wird. Nun, ich meine, daß man diesen Vorwurf mit voller Berechtigung zurückweisen darf, wenn die Aufnahmen so ausfallen, daß bei Betrachtung derselben sehr erfahrene Röntgenologen die Frage stellen: „Sind die Platten mit oder ohne Verstärkungsschirm angefertigt?“ In der Tat ` ist, seitdem wir die „Zelluloidfolie* zur Herstellung unserer Lungenaufnahmen anwenden, ein sichtbarer Unterschied der so erhaltenen Aufnahmen gegenüber den früher ohne Verstärkungs- schirm hergestellten nicht mehr festzustellen. Das in unserem Institut zur Verfügung stehende Material dieser Art ist außerordentlich groß: Neben einer großen Zahl von Privatpatienten

XXIII, 5. Neue Indikationen für die Röntgenverstärkungsschirmtechnik. 427

haben wir das gesamte Material der Lungenfürsorge einer Nachbarstadt von Berlin zu röntgen. An dem ganzen ausgedehnten Material haben wir übereinstimmend feststellen können, daß bei völligem Fehlen jeglichen Korns der Kontrast erheblich zugenommen hat, und da neben der Schärfe des Bildes gerade bei den Lungenuntersuchungen die Diagnose auf dem Kontrast von lufthaltigem und nichtlufthaltigem Gewebe beruht, so ist klar, daß jede Möglichkeit, den Kontrast zu erhöhen, zur Verbesserung der Diagnose dient. Es kommt hinzu, daß auch hier die Verwendung sehr weicher Röhren die Sichtbarmachung allerfeinster Veränderungen, be- sonders im Anfangsstadium der Erkrankung, begünstigt und also auch nach dieser Richtung hin die Diagnose verbessert. Unsere Technik für die Lungenaufnahmen ist folgende: Eresco Hochspannungs-Gleichrjchter, Fokus-Plattenentfernung 70 cm, Röhrenhärte 3—4 Walter bei 5 Milliampere, Belastung bei der Aufnahme 45 Milliampére, Expositionszeit 1—2 Sekunden.

Wegen der mehrfach erwähnten Vergrößerung der Kontrastwirkung, welche in der Ver- wendung des Verstärkungsschirmes liegt, bietet auch die Röntenuntersuchung des Schädels ein dankbares Feld für die Aufnahmetechnik mit Verstärkungsschirm; in erhöhtem Maße ist dies der Fall bei den Untersuchungen der Nasennebenhöhlen, wo sich ja wieder die Diagnose zum großen Teil auf der Kontrastwirkung von lufthaltigen und nichtlufthaltigen Partien aufbaut. Aber auch für die Dichtigkeitsunterschiede im Schädelinhalt spielt die Kontrastwirkung eine wesentliche Rolle, z. B. bei Zysten und Tumoren des Gehirns, ebenso wie bei geringen Kalkablagerungen. Überhaupt glaube ich, daß es möglich sein wird, bei der fortschreitenden Beobachtung der Kontrastunterschiede des Schädelinhalts die Diagnostik der Gehirnerkrankungen ganz bedeutend zu verfeinern. Für die Schädelaufnahmen nehme ich Röhren, welche einen Härtegrad 4—5 Walter bei 5 Milliampere besitzen und belaste dieselben mit 20 Milliampére bei 15 Sekunden Expositionszeit für Aufnahmen in sagittaler Richtung, mit derselben Strom- stärke bei 10 Sekunden Expositionszeit bei Frontalaufnahmen.

Ganz außergewöhnlich günstige Erfolge habe ich durch die Einführung der Verstärkungs- schirmtechnik, einerseits und die Anwendung der sogenannten Vorderblende oder Strahlen- austrittsblende, wie man sie besser nennen sollte, andererseits auf einem Gebiet erzielt, auf welchem die Röntgenuntersuchung bislang noch relativ wenig geleistet hat: Ich meine die röntgenologische Darstellbarkeit der Gallensteine. Als Vorderblende verwende ich dabei das Kompressorium nach Holzknecht, und zwar zur direkten Durchleuchtung, um mich über die ungefähre Lage der Gallensteine zu orientieren, gleichzeitig jedoch auch, um das Zusammen- fallen etwaiger Schmerzpunkte mit den gesehenen Steinschatten festzustellen und schließlich ihre mit jedem Atemzuge eintretende Verschiebbarkeit zu beobachten. Ich kann nur sagen, daß es mir mit Hilfe der vorzüglichen Holzkneclitblende in sehr vielen Fällen gelungen ist, die Anwesenheit von Gallensteinen nachzuweisen, sofern ein diesbezüglicher Verdacht bestand. Aus diesem Grunde halte ich auch den Henzelmannschen Exponator für wertvoll, der mit meinen eigenen konstruktiven Absichten nach der Richtung hin, die Aufnahme mittels des vorher ein- gestellten Kompressoriums auszuführen, durchaus in Übereinstimmung ist, und ich erblicke in diesem Wege die Möglichkeit, bei der Untersuchung der Gallensteine um einen großen Schritt vorwärts zu kommen. Die Durchleuchtung allein reicht aber natürlich nicht aus, um relativ kleine Steine nachzuweisen, ebenso wie es ja überhaupt wichtig ist, das bei der Durchleuchtung Gesehene durch die Aufnahme objektiv festzuhalten. Aus umfangreichen, von uns zusammen mit Rubaschow!) angestellten systematischen Untersuchungen hat sich für die Darstellbarkeit der Gallensteine folgende Technik herauskristallisiert:

Der Patient liegt auf dem Leib, der Oberkörper durch ein untergeschobenes Keilkissen etwas schräg nach aufwärts gerichtet. Dies geschieht, um den unteren Leberrand zu heben und die Gallenblase möglichst dicht an die Bauchwand zu bringen. Die Platte wird, wenn möglich, durch Druck in das Abdomen hineingepreßt; dieselbe (18 >< 24 cm) muß die Mittel-

') Fortschritte der Röntgenstr. Bd. XXI. 54*

æ -e . w p o ze 2 oe

a S =

498 Schütze. XXIII, 5.

linie etwas nach links überschneiden, sowie mit ihrer Mitte ca. 2 Finger breit unterhalb des vorderen rechten Rippenbogens liegen. Der Tubus darf keinen größeren Durchmesser als 10 cm besitzen, um ein möglichst deutliches, von Sekundärstrahlen unbeeinflußtes Bild zu er- halten. Der Tubus wird auf dem Rücken schräg nach oben gestellt, so daß er sich dem Rücken eng anschließt; sein oberer Rand soll die zwölfte Rippe noch in sich fassen. Die Auf- nahme selbst muß in Atemstillstand mit sehr weichen Strahlen gemacht werden. Verstärkungs- schirm: Zelluloidfolie, Röhrenhärte: 3—4 Walter bei 5 Milliampere. Belastung bei der Auf- nahme: 26—28 Milliampere (Hochspannungs-Gleichrichter), Expositionszeit 10 Sekunden, bei 46 Milliampére ca. 5 Sekunden.

Daß im übrigen die Stellung von Diagnosen auf Grund von Gallensteinplatten eine be- sonders schwierige Sache ist und nur von erfahrenen Röntgenologen ausgeführt werden kann, bedarf wohl keiner Erwähnung. Man muß bekanntlich mit der Möglichkeit rechnen, daß z. B. die Steine sich nicht als helle, sondern vielmehr als dunkle Schatten auf der Platte darstellen, nämlich dann, wenn sie fast ganz ans Cholestearin bestehen. Es hängt diese Erscheinung be- kanntlich damit zusammen, daß die umgebende Galle oder auch der Hydrops der Gallenblase eine stärkere Absorptionsfähigkeit für Röntgenstrahlen besitzt als die Steine Im allgemeinen eignen sich die Platten auch nicht zur Reproduktion, so daß man auf das Studium der Original- platten angewiesen ist. Ein ausführliches Literaturverzeichnis über die röntgenologische Dar- stellbarkeit der Leber und der Gallenwege findet sich in der Bearbeitung von Immelmann im diesbezüglichen Kapitel von Groedel: Grundriß und Atlas der Röntgendiagnostik in der inneren Medizin, 1914, 2. Auflage bei Lehmann, München.

Leider eignet sich nur ein kleiner Teil der Gallensteinaufnahmen zur Reproduktion auf Tafeln und man ist deshalb auf das Studium der Originalplatten beschränkt.

Die auf der Tafel Nr. XX: als Belege für das Gesagte wiedergegebenen Aufnahmen beziehen sich auf folgende Fälle:

Nr. 1. Linke Nierengegend, großer Stein im Nierenbecken und in den Calices, Sporn in den Ureter hinein. Absolut scharf, da in Atemstillstand. Aufnahmezeit 8 Sekunden bei 24 Milliampérebelastung.

Nr. 2. Linke Niere mit Nebennierentumor. Aufnahme von mittelstarker Dame. Niere durch den Tumor nach unten gedrängt. Auf einer früheren nicht in Atemstillstand gemachten Aufnahme war der Tumor nicht als der Nebenniere angehörig zu erkennen gewesen. Exposition 5 Sekunden bei 44 Milli- ampérebelastung.

Nr. 8. Linke Niere. Verkalkungen auBerhalb der Niere gelegen, wie auch durch andere Projek- tionsrichtung mit absoluter Sicherheit nachzuweisen war. Exposition 6 Sekunden bei 44 Milliampére- belastung.

Nr. 4. Disseminierte Miliartuberkulose. Belastung 45 Milliampére. Exposition 1?/, Sekunde.

Nr. 5. Kopf seitlich. In der hinteren Schädelgrube ein taubeneigroßer Tumor (durch Operation als Tumor des Kleinhirnbrückenwinkels bestätigt). Außerdem Verkalkungsherde im Großhirn (durch Sektion als Ausdruck multipler Tumorbildung bestätigt). Exposition 10 Sekunden bei 22 Milliampere,

Nr. 6. Kopf sagittal. Verdichtung der rechten Oberkieferhöhle, und trotz des geringen Grades durch Kontrast gut sichtbar der rechten Stirnhöhle. Exposition 15 Sekunden bei 22 Milliampére.

Nr. 7. Gallensteine (Siegelringform). Aufnahme 10 Sekunden bei 24 Milliampérebelastung falsch- lich in Inspirationsstellung gemacht, wodurch die Steine zu tief herabgetreten. (NB. an der Stelle, wo die Zahl 7 sich befindet, liegen auch noch sichtbare Gallensteine.)

Nr. 8. Ein großer Cholestearinstein um zwei kleine Kalkkerne herumgewachsen. Der Stein erscheint auf der Platte dunkel, auf dem Abzug also hell.

XXII, 5. Beiträge zu den Dumdumverletzungen u. zur Drehung d. Projektile um 180° im Körper. 4929

Beiträge zu den Dumdumverletzungen und zur Drehung der Projektile um 180° im Körper. Von Dr. Vidor Révész, Budapest, zurzeit Reservespital Nr. 1, Essegg, Slawonien. (Hierzu Tafel XIX.)

Im jetzigen Kriege hatten wir reichlich Gelegenheit zum radiologischen Studium der Schuß- frakturen der Knochen, der Lungenschüsse, Schädel- und Gehirnschüsse, Rippenbrüche usw. usw., sowie Lokalisation der Projektile usw. Wir konnten so unsere bisherigen diesbezüglichen Kenntnisse nützlicherweise ergänzen, wie auch ganz neue Erfahrungen erwerben.

So ist z. B. ein aktuelles Thema der Kriegschirurgie, hauptsächlich aber der Kriegs- radiologie, die. Feststellung der durch Dumdumgeschosse verursachten Verletzungen. Anfangs waren wir geneigt, bei allen schwereren Gewehrschußverletzungen anzunehmen, daß dieselben durch Dumdumgeschosse verursacht wurden. Jedoch mahnten uns die späteren Beobachtungen zur Vorsicht.

Von manchen als Dumdumverletzungen publizierten Fällen hat sich später herausgestellt, daß sie nicht als solche aufzufassen sind. Vom südlichen Kriegsschauplatze sind viele schwer- verletzte Soldaten gekommen, die mit großen Bleikugeln aus gewöhnlichen Jagdgewehren, mit welchen die Komitatschis ausgerückt waren, angeschossen wurden. Auch die Rolle der Quer- schläger hat sich schon geklärt. Außerdem sind auch mehrere solche Umstände bekannt ge- worden, unter welchen der Geschoßmantel auch ohne Absicht des Schützen verletzt werden kanu und dadurch mehr weniger dumdumartige Wirkung zustande kommt. Solche Um- stände sind wahrscheinlich zu große Erhitzung des Gewehrlaufes (z. B. bei Maschinengewehren), das Anprallen der Kugel an einen harten Gegenstand (Stein, Gewehrbestandteil usw.) vor dem Eindringen in den Körper, oder aber, wie dies Kolb!) zu beobachten glaubte, wenn im Lauf irgend ein fremdes Element, wenn auch nur ein Staubkörnchen vorhanden ist. Das durch die lädierte Stelle herausfließende Blei übt dann eine zerschmetternde Wirkung aus.

Ich habe auch viele Verwundete gesehen, bei denen wir die Kugel mit aufgerissenem oder aufgeplatztem Mantel entfernten. In diesen Fällen fließt jedoch das Blei rückwärts oder seitwärts heraus, meistens nicht in großen Massen, und wenn auch, so ist es mit dem defor- mierten Mantelstück zusammen geblieben, wie das auch Haenisch ausdrücklich betont.

In dieser Beziehung spielt natürlich das englische Infanteriegeschoß eine ganz gesonderte Rolle, von welchem Stargardt*) und Haenisch*) nachgewiesen haben, daß es durch seine besondere Konstruktion als Dumdumgeschoß wirken muß. Da steht daher die scheußliche Absichtlichkeit über allem Zweifel.

Zur Erkennung der wirklichen Dumdumverletzung müssen wir die Experimente des Professors Thöle*), die er an Pferden und Rindern vornahm und welche ihn zu der Fest- stellung der charakteristischen Merkmale der Dumdumverletzung leiteten, als sehr wichtig be- trachten.

Er konkludiert dahin, daß wir auf Grund der Weichteilverletzungen allein keinesfalls die Diagnose einer Dumdumverletzung stellen dürfen, sondern hauptsächlich auf Grund der Röntgen- untersuchung. (Näheres siehe im Originalartikel.).

1) Kolb: Uber Explosivwirkung des deutschen Infanteriemantelgeschosses. Berliner Kl. W. Nr, 24, 1915.

2) Stargardt: Über die Wirkung der englischen Infanteriegeschosse. Ärztlicher Verein in Hamburg.

*) Haenisch: Dumdumartige Konstruktion der englischen Infanteriegeschosse. Fortschritte XXIL, 1.

t) Prof. Thöle, Über Dumdumverletzungen. Med. Klin. 1915, X.

: 1 * - =. Kee ce ake mor - = u

430 Révész. XXIII, 5.

Eine durch ein wirkliches Dumdumgeschoß verursachte Verletzung glaube ich im nach- stehenden Falle mitteilen zu können.

Der 37 J. alte Leutnant W, Ö. wurde am 7. Nov. 1914 in Serbien bei Obodnik, in der Nähe der Drina verwundet. Die Serben waren am Gipfel eines Berges in Verteidigungsstellung. Die Gegner konnten nur mehr ungefähr 120— 150 Schritte voneinander entfernt sein, da die Serben auch Handgranaten gegen die Unsrigen schleuderten. Die Kugel traf den Leutnant in seinen vorgestreckten linken Unterarm. Sie drang in der Nähe des distalen Endes der Ulna ein und zersprengte im wahren Sinne des Wortes die Haut und die Muskulatur der Streckseite _ in einer Länge von ca. 25 cm ohne eigentlicher Ausschußöffnung. Am dritten Tage nach der Verletzung wprden eine große Menge Bleisplitter und Nickelstiicke aus der die ganze dorsale Seite des Unterarmes einnehmenden Wundoberfläche entfernt. In den Nickelstücken konnte man Teile des Geschoßmantels erkennen. (Solche hat mir der Patient auch gezeigt.)

Zur Röntgenuntersuchung kam der Kranke am 12. Nov. schon in diesem „gereinigten“ Zustande. Wie auf Fig. 1, Tafel XIX ersichtlich ist, fehlt das distale Ende der Ulna in einer Länge von ungefähr 6—6!/, cm. Die unteren zwei Drittel des Vorderarmes sind voll kleinerer und größerer Bleisplitter. An einigen Stellen ist das Blei in solch feine Körnchen zerflossen, daß wie das Prof. Thöle bei Dumdumverletzungen als sehr charakteristisch, ja sogar für unerläßlich hält sie nicht mehr als Bleikrümel zu erkennen sind, sondern die Bleimoleküle bilden mit den Geweben eine dunkelgraue Masse. Eine solche Masse ist auch auf der Platte deutlich zu erkennen, auf der Kopie ist sie aber nicht mehr so klar zu sehen. Am unteren Rande des Bildes, wie auch neben der Ulna, sind größere Stücke des Mantels gut zu erkennen.

Es scheint mir unzweifelhaft zu sein, daß die Verwundung von einem Dumdumgeschosse herrührt, weil das Blei aus dem Mantel noch vor dem Eindringen in der Ulna herausspritzte und sich teils in jene kleine Körnchen verteilend weit in den Unterarm vorgedrungen ist.

Es ist selbstverständlich nicht annehmbar, daß der Anprall an die Ulna die Zersprengung verursachte. Wir wissen doch, daß die Kugel in ihrem Wege liegende Knochen (besonders solch’ dünne) zersplittert und unversehrt weiterdringt. Die Kugel zerplatzte schon in den Weichteilen und die dadurch entstandene Explosivwirkung riß erst sekundär das Ende der Ulna weg, was auch daraus ersichtlich ist, daß auf dem Bilde keine größeren Knochensplitter sichtbar sind.

Wie gesagt, sind auch die Nickelstücke des Mantels sicher zu erkennen.

In Anbetracht dieser schweren Verletzung kann uns Fig. 2, Tafel XIX berubigen, welche denselben Arm am 9. Januar 1915, d. h. zwei Monate nach der Verletzung zeigt. Durch die mit großer Geduld durchgeführte, streng konservative Behandlung (täglicher Verband, Hydrogen- hyperostydwaschungen, Entfernung nekrotischer Teile usw.) sank die anfangs hohe Temperatur (38,5°—39,0°) des Kranken, die kleinen Knochenteile und Geschoßsplitter wurden größtenteils ausgestoßen, die Hautwunde schloß sich. Die auf Fig. 2 ersichtlichen wenigen Projektilsplitter sind wahrscheinlich im Narbengewebe fixiert und verursachten keine Eiterung mehr. Status praesens: Das Ellbogengelenk ist ganz frei, Pronation und Supination nicht. Die Bewegungen des Handgelenkes in minderem Grade ausführbar, die der Finger dagegen frei. Der Kräfte_ zustand der Hand läßt noch zu wünschen übrig, doch auf Zander bessert sich dieser wie auch die Beweglichkeit von Tag zu Tag.

Eine minderschwere Verletzung verursachte das Dumdumgeschoß im nachstehenden Falle 2. Der 21jährige kroatische Infanterist wurde am 25. II. 1915 in Galizien verwundet. Er schoß hinter einem Baume kniend, als seine rechte Knöchelgegend von einer feindlichen Kugel aus einer Entfernung von ungefähr 500 Schritten getroffen wurde. Die Ein- schußöffnung ist auf der medialen Seite oberhalb des hinteren und oberen Teiles des Kalkaneus (d. h. vom inneren Knöchel abwärts und rückwärts). Zur Zeit der Röntgenaufnahme (26. VI. 1915) bildet sie eine mit den Rändern nach auswärts gekehrte Fistelöffnung mit einem Durch- messer von ungefähr 1 cm. Auf der anderen Seite, knapp unterhalb des äußeren Knöchels,

XXIII, 5. Beiträge zu den Dumdumverletzungen ù. zur Drehung d. Projektile um 180° im Körper. 431

befindet sich ebenfalls eine Fistelöffnung. Durch diese Öffnung wurde 11/, Monat nach der Verletzung der zerrissene, absolut kein Blei mehr enthaltende Geschoßmantel herausgezogen. Auf dem Röntgenbilde Fig. 3, Tafel XIX sind ein größerer und mehrere kleine Bleisplitter abwärts von der Einschußöffnung, unter der Achillessehne, bis zum Kalkaneus und auch in diesen eingedrungen zu sehen. Der Kalkaneus ist zerstört. Das Blei ist daher auch in diesem Falle in den Weichteilen, vor dem Anprall an den Knochen herausgespritzt und während der deformierte Mantel gegen den äußeren Knöchel zu sich weiterbohrte und dort unter der Haut stecken blieb, floß das Blei nach abwärts gegen den Kalkaneus und bohrte sich auch teilweise in diesen ein. Wahrscheinlich wurden durch die Fistelöffnungen mehrere Bleisplitter aus- gestoßen, deshalb sehen wir auf dem Bilde relativ so wenige.

Der entfernte Geschoßmantel zeigt vollständig die von Thöle beschriebene Deformation. Bei Thöles Experimenten riß der Mantel des künstlichen Dumdumgeschosses gegen die Basis

Textfigur 1. Textfigur 2.

in Streifen,, welche sich nach auswärts zusammenringelten. Er nennt diese Gestaltung „Spinnen- form“ (vielleicht wäre die Benennung „Blumenform“ Hyazinthe, Lilie zutreffender). Auf der Photographie (Textfigur 1 und 2), wobei das Projektil von vorne und von rückwärts aufgenommen wurde, ist dies schön zu sehen.

Auf jeden Fall ist es auffallend, welch geringe Zerstörung dieses Dumdumgeschoß ver- ursachte. Wahrscheinlich kam die Kugel aus einer größeren Entfernung als es der Verwundete glaubte, und darum war auch ihre Durchschlagkraft geringer.

Das Sprunggelenk des Verletzten ist noch angeschwollen und sämtliche Bewegungen be- deutend beeinträchtigt.

Am Anfange staunten wir über die Tatsache, woran wir uns aber jetzt schon gewöhnt haben, daß die Kugeln launenhafte, oft unglaublich erscheinende und unverständliche Wege und Wendungen im menschlichen Körper machen. Ich sah z. B. eine unter dem Pectoralis major eindringende Kugel, welche im anderen Arm, oberhalb des Ellbogens (ohne zweiter Einschußöffnung am Arme) stecken blieb usw. usw. Jeder Röntgenologe und jeder Chirurg kann aus seiner Kriegspraxis solche und noch viel merkwürdigere Fälle aufzeigen.

Von diesem Standpunkte aus sind jedoch diejenigen Fälle am interessantesten, in welchen wir eine 180° Wendung der Kugel sehen können. Es kommen nicht einmal so selten Fälle vor, bei welchen die Spitze des Projektils gegen die Einschußöffnung steht, wo aber ein Quer- schläger, oder das Eindringen des Projektils mit der Basis nach vorne ausgeschlossen ist. In der Literatur finden wir öfters Erwähnung über solche Fälle, so z. B. bei Alban Köhler’), William Levy?), Prof. Coenen-Breslau?) usw.

In folgenden drei Fällen bringe ich solche Beispiele:

1. (Fall des k. u. k. Oberarztes Dr. J. Keppich, Budapest). Den Mann‘) traf das Spitz- geschoß an seiner linken Seite, oberhalb der Spitze des Trochanter majus, etwas nach vorne davon. Die Einschußöffnung ist linsengroß, reaktionslos geheilt. Das Projektil sitzt im Becken.

1) Alban Köhler: Schußverletzungen der Knochen im heutigen Kriege. Fortschritte XXII, 5. 2) William Levy: Die Umdrehung der modernen Spitzgeschosse usw. Berl. klin. Woch. 1915, 29. 3) Prof. Coenen: Ein typischer Steckschuß des Rückenmarkes. Berliner klin. Woch. 1915, 80.

1) Nähere anamnestische Daten fehlen.

432 Révész. XXIII, 5.

Das dorso-ventral aufgenommene Röntgenbild Fig. 4, Tafel XIX zeigt die Kugel in der Höhe des unteren Randes der Symphyse. Die Projektion des basalen Teiles der Kugel fallt auf das Foramen obturatorium, ihre Spitze sieht gegen die Einschußöffnung. Da keine Indikation zur Operation vorhanden war, wurde von der Feststellung genauerer Daten abgesehen '!).

2. Der 28jährige Honvedsoldat J. K. des 28. ung. Honvedregiments ist am 9. Mai in der Bukowina verletzt worden. Aus einer Entfernung von ca. 800—400 Schritten traf ihn die Kugel, die aber zuerst gegen das an seiner Schulter hängende Gewehr schlug und zwar mit einer solchen Gewalt, daß ihm das Gewehr von der Schulter gerissen und er zu Boden geschleudert wurde. Der Mann sprang sofort auf; zuerst bemerkte er seine Verwundung gar nicht, nur sein rechter Arm wurde ihm „kraft- und gefühllos“, er konnte das Gewehr nicht mehr auf die Schulter nehmen. Die Einschußöffnung befindet sich 11/, cm weit medialwärts von acromialen Ende der Klavikula, sie ist linsengroß, reaktionslos geheilt. Das Projektil fand ich in der rechten Lungenspitze, horizontal liegend, mit der Spitze gegen die Einschußöffnung gewendet. Siehe Fig. 5, Tafel XIX. Sie bewegt sich mit dem Atmen und beim Husten deutlich. Der Mann hat keinen blutigen Auswurf gehabt.

Ich habe jedoch 180° Wendungen des Projektils nicht nur bei Fleischschüssen (Gluteal- muskulatur, Oberschenkel, Unterschenkel usw.) gesehen, sondern auch in der Orbita, wie auch bei Knochenschiissen, nach Zerstörung derselben. So ein Beispiel gibt der folgende Fall.

3. Der 31jährige kroatische Infanterist des 28, ung. Honvedregiments J. wurde in Galizien verwundet. Während des Schießens in Bauchlage traf ihn die Kugel aus einer Ent- fernung von ca. 1000 Schritten. Die Kugel riß erst die Rosette seiner Kappe ab, streifte dann seine Stirn, riß auch das Schild seiner Kappe ab und bohrte sich danach in seine linke Schulter. Die Einschußöffnung befindet sich oberhalb des Tuberculum majus, ist etwas läng- lich (ca. 17/, cm lang). Das Projektil zerschmetterte das Collum anatomicum und drehte sich danach in der Subskapularmuskulatur um 180°, sieht daher mit der Spitze gegen den Ein- schuß. Figur 6, Tafel XIX.

So neu uns diese 180°-Drehung des Projektils ist, so unverständlich ist sie auch. Es unterliegt keinem Zweifel, daß es sich um wirkliche 180°- Wendungen, und nicht Seiten- schlager usw. handelt, da die Einschußöffnungen in allen Fällen ganz klein und reaktionslos geheilt waren (der eine wußte gar nicht, daß sich eine Kugel in seinem Körper befindet). Im Fall 3 ist zwar die Einschußöffnung länglich, wir wissen aber, daß die Kugel zuerst die kon- pakteren Teile seiner Kappe heruntergerissen hat, daher nicht senkrecht in die Schulter des vorgestreckten linken Armes, sondern in einem Winkel von ca. 45° eingedrungen ist und eigentlich eine größere als 180°-Wendung vollendet hat.

Ich glaube, daß gerade in bezug auf den Mechanismus dieser Wendungen die Tatsache von Wichtigkeit ist, daß die Projektile zuerst auf harte Gegenstände schlagen, wie wir das im 2. und 3. Falle sehen. Leider schenkte ich in vielen anderen Fällen diesen Umständen keine Aufmerksamkeit (ich habe auch keine Aufnahmen von diesen).

Einen interessanten Lungenschuß sehen wir auf Fig. 7, Tafel XIX. Der Fall betrifft den 28jährigen Dr. A. Sch., Kadett in d. R. Er wurde am 2. Sept. 1914 in Serbien ver- wundet. Die Aufnahme habe ich am 11. XII. 1914 gemacht. Die Kugel liegt am Perikardium und folgt den Bewegungen des Herzens, Einschußöffnung vorne in der linken Parasternallinie, unterhalb der zweiten Rippe. Der Verwundete hatte zwei Tage Haemoptoe, fieberte einige Tage, sonst keine besonderen Beschwerden (Fall des k. u. k. Oberarztes Desider Hahn, Budapest).

Diese Art von Rippenbrüchen, wie wir sie auf Fig, 8, Tafel XIX sehen, wird auch nur durch Schußverletzungen verursacht, und zwar durch tangentiale Thoraxschüsse. In diesem

1) Der Fall ist auch in Sommers Röntgentaschenbuch Bd. VII mitgeteilt worden.

XXIII, 5. Röntgenologische Studien über die Ostitis fibrosa cystica. | 438

Falle hat die Kugel aus der V. bis VIII. Rippe je ein Stück förmlich reseziert. Die Bruch- enden sind etwas disloziert, beginnende Kallusbildung schon vorhanden (Fall des. Herrn Pro- fessor Tibor Verebély, Budapest).

Eine viel schwerere Verletzung verursachte der tangentiale Schuß in dem auf Fig. 9, Tafel XIX sichtbarem Falle, wo die II. bis VIII. Rippe mehrfach gebrochen ist und die Bruchstücke besonders die der unteren Rippen hochgradig disloziert sind. Außerdem ist auch die distale Hälfte der Skapula abgebrochen und nach aufwärts und lateral disloziert. Humerus in Subluxation, aussen rotiert, ausgesprochene Knochenatrophie. Ungefähr in der Höhe der VII. Rippe ist unter der Haut ein größeres, eigenartig gestaltetes Geschoßstück und ringsherum, hauptsächlich lateral davon, mehrere ganz kleine Splitter sichtbar. (Fall des k. u. k. Oberarztes Géza Ertl, Budapest.)

[Aus dem orthopädischen Institut von Dr. Stein und Dr. Lackmann in Hamburg.)

Röntgenologische Studien über die Ostitis fibrosa cystica. Von Dr. Otto Nieber, zurzeit im Felde.

In seiner Abhandlung die „Knochenzysten“ unterscheidet Tietze zystische Bildungen im Knochen als Einschmelzungsprodukt solider Tumoren (Enchondrome, Sarkome), als parasitäre Zysten (Echinokokken, Zystizerken), als Endprodukt einer infektiösen Osteomyelitis (Osteomye- litis, Periostitis albuminosa), als das Produkt rarefizierender Knochenprozesse (subchondrale bei Arthritis deformans), bei seniler Osteoporose im Schenkelhals und in Wirbelkörpern, bei Osteo- malazie, bei Barlowscher Krankheit, als Kalluszysten, schließlich als Zysten bei der Ostitis (Osteomyelitis fibrosa) nach dem Typus der Recklinghausenschen und der Pagetschen Er- krankung. Diese letzteren uns interessierenden Knochenzysten bei Ostitis fibrosa sind in den letzten Jahren häufig Gegenstand literarischer Betätigung gewesen, und immer noch ist die Frage über die Entstehung der Ostitis fibrosa nicht gelöst. Auch die pathologische Anatomie derselben wird immer noch verschieden beurteilt.

Noch 1906 war Tietze und Franz König der Ansicht, daß die Knochenzyste mit stark blutig gefärbtem Inhalt und deren Wand Riesenzellen enthielt, ein erweichtes Sarkom sei. Auch Virchow sah die Knochenzysten als gewucherte und vollkommen verflüssigte, knorpelige Bestandteile im Knochen an. Nach Sonnenburgs Ansicht möchte es sich in seinem Fall viel- leicht um eine Erweiterung vorhandener Räume, Mark- und Lymphräume gehandelt haben, als um eine eigentliche Neubildung. Mönckeberg bezeichnete sie 1904 als entzündliches Produkt. Im selben Jahr formuliert Mikulicz auf dem Chirurgenkongreß auf Grund von 20 Fällen seine Anschauungen über das Wesen der Knochenzysten in folgenden Sätzen:

1. Es handelt sich um eine Erkrankung der Wachstumsperiode. Von 24 Fällen gehören 20 dem Alter unter 20 Jahren an.

2. Die Erkrankung betrifft vorwiegend die langen Extremitätenknochen, und zwar die- jenigen Abschnitte, welche der Zone des stärksten Wachstums entsprechen, das obere Femur- ende, das untere und das obere Tibiaende, das obere Humerusende, die anderen langen Röhren- knochen nur vereinzelt, ebenso andere Skelettabschnitte.

3. In den meisten Fällen spielt ein initiales Trauma eine Rolle. Dasselbe liegt mehrere Monate, meist noch weiter zurück. Es ist ein durchaus gutartiger Prozeß. Dafür spricht, daß bisher keine Rezidive oder Metastase nach Operationen aufgetreten sind, auch der Umstand, daß nach Spontanfrakturen anstandslos Kallusbildung und Konsolidierung eintritt. Die Zysten-

bildung kommt meist isoliert, in selteneren Fällen multipel vor. V. Mikulicz schlägt vor, Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XXIII. 55

434 Nieber. XXII, 5.

diese Zystenbildung im jugendlichen Knochen als eine Krankheit sui generis von ähnlichen Prozessen streng zu trennen.

Schlange bezeichnet die Knochenzysten als Zysten mit geschwulstartiger _ Umgebung. Tietze bezeichnet einen Fall als Osteomyelitis fibrosa. Er fand nämlich in der eröffneten Knochenschale ein derbes, weißes, fibröses Gewebe.

Schon 1891 beschreibt v. Recklinghausen die Ostitis fibrosa osteoplastica. Er be- schreibt fibröse Herde, Zystenbildungen, solitäre und multiple Riesenzellensarkome. Die fibrösen Herde finden sich an Stelle des Knochenmarks im Innern der Röhrenknochen und verdanken ibre Entstehung einer, den Charakter einer chronischen Entzündung tragenden, bindegewebigen Umwandlung des Fettmarks in Fasermark. Er bringt eine Beschreibung des Inhalts und der Zystenwand, wie er die Zysten später in seinem Werk die „Rachitis und Osteomalazie“ aus- führlicher beschrieben hat und auf das später noch ausführlicher einzugehen ist.

Mit dieser von Recklinghausen beschriebenen Erkrankung verwandt ist die von Sir James Paget beschriebene, sie ist als sklerosierende Form derselben zu bezeichnen.

Von Haberer erklärt 1904 die Zyste auf Grund eines mikroskopischen Bildes als eine erweichte Geschwulst. Rehn nimmt auf Grund eines jahrelang beobachteten Falles einen entzündlichen Ursprung an. In seiner Beobachtungszeit verwandelten sich die braunroten in die weißen, fibrösen Tumoren.

Gaugele und Lubarsch nehmen eine andere Stellung ein, vor allen Dingen der letztere sucht in einer ausführlichen Arbeit nachzuweisen, daß grundsätzliche Unterschiede zwischen Sarkom und Ostitis fibrosa bestehen. Nach ihm sind es sicher keine echten Sarkome, sondern es sind eine besondere Art entzündlicher oder resorptiver Neubildungen, infolge starker Blut- ergüsse, die an diesen Stellen stattgefunden haben. Die Riesenzellen der Ostitis fibrosa sind kein integrierender Bestandteil wie bei echten Sarkomen, sondern sie sind eine mehr zufällige Beimischung und haben die Bedeutung von Fremdkörperriesenzellen. Er sagt ferner: „Wo man auch noch so viele Riesenzellen, die mit Pigmentschollen oder andern Fremdkörpern beladen sind, sieht, und die Spindelzellen gleichmäßig geformt sind, keine Abnormitäten in den Kernen darbieten und zwischen sich faserige Interzellularsubstanz erkennen lassen, handelt es sich nicht um ein Sarkom. Auch die Multiplizität der Ostitis fibrosa beruht nicht auf einer Metasta- sierung, denn man wäre in Verlegenheit zu sagen, welches der primäre Tumor sei. Überhaupt haben diese Gebilde nichts mit blastomatösen Wucherungen zu tun.“

Nach Tietze ist im Jahre 1911 seine Ansicht noch folgende: Handelt es sich bei einer Zyste, in deren Nachbarschaft der Knochen nicht verändert ist, jedenfalls keine fibröse Ent- artung zeigt und deren Wand Sarkomelemente enthält, um die Affektion eines einzelnen Knochens, so wird man zweifelhaft sein können, wie man das Gebilde histologisch bewerten soll, wobei aber zu bemerken ist, daß man für ein erweichtes Sarkom, eine gleichmäßige Struktur der ganzen Wand und nicht den starken Wechsel zwischen rein fibrösen und sarkom- ähnlichen Elementen erwarten darf, wie er bei den als Knochenzysten bezeichneten Gebilden vorkommen kann. Sind dagegen mehrere Skelettknochen erkrankt, findet sich womöglich in einem ein ausgesprochener, nicht verflüssigter Herd einer fibrösen Ostitis, so ist die Affektion jedenfalls unter die Recklinghausensche Erkrankung zu rechnen und die Zyste nicht einfaclı als zerfallenes Sarkom in gewöhnlichem Sinne zu betrachten. Tietze erwähnt zwar die Reck- linghausensche Krankheit, doch seine hervorragenden Ausführungen seines Werkes „Rachitis und Osteomalazie“ hat er nicht gewürdigt, auch in der sonst ausführlich mitgeteilten Literatur nicht erwähnt. Um noch einmal zu wiederholen, Tietze trennt Ostitis fibrosa von der Reck- linghausenschen Erkrankung, von der Pagetschen Ostitis deformans und ferner von der Osteomalazie. |

Auch noch in der neuesten Zeit hat Axhausen dieselbe Einteilung beibehalten, Er glaubt sogar, daß eine große Zahl von einkammerigen Knochenzysten der Knochensyphilis zu- zuzählen sind. Die Ätiologie auf mechanischer Grundlage erwähnt er gar nicht, obwohl

XXIII, 5. Röntgenologische Studien über die Ostitis fibrosa cystica, 485

gerade v. Recklinghausen ihr eine ganz besondere Beachtung schenkt, und dies in seinem grundlegenden Werk niedergelegt hat. Lubarsch erwähnt sie schon. Er hebt hervor, daß er stets Blutreste, besonders Blutfarbstoffe und Hämosiderin in den Präparaten nachweisen konnte Ganz kurz möchte ich den Standpunkt v. Recklinghausens hier festlegen, so gut es mir möglich ist. Nach ihm ist die metaplastische Malazie dasselbe wie die Ostitis fibrosa, wie die Ostitis deformans (Paget). Diese Begriffe decken sich im großen und ganzen. Streng genommen bezeichnet das Wort Malazie den anatomischen Zustand, Ostitis dagegen den krank- haften Zustand, mit fibrosa wird auf einen entzündlichen Zustand hingewiesen, und zwar auf einen chronisch-produktiven, insofern fibröses Gewebe schließlich an die Stelle der Knochen- strukturen getreten ist. Wie bei der fibrösen Myokarditis, der Leberzirrhose, bei den inter- stitiellen Entzündungen parenchymatöser und den schwieligen membranöser Organe, so beherrscht auch bei der Ostitis fibrosa die Bindegewebsproduktion das umgeänderte Strukturverhältnis.

Das gilt nicht nur für die einkammerigen Formen der Ostitis fibrosa, sondern gilt auch als charakteristisch für die puerperalen Formen der Osteomalazie. Man darf die Fälle von multilokulären und mehrkammerigen Knochenzysten zur Ostitis rechnen, 1. wenn die vor- handenen Knochendeformitäten sich im Laufe von Jahren einstellten, und zwar an Skeletteilen, welche vorher ihre typische Gestalt und augenscheinlich auch ihre normale Widerstandsfähig- keit besessen haben; 2. wenn die Veränderungen von enormen Schmerzausbrüchen begleitet waren; 3. wenn die veränderten Knochenpartien trotzdem dieselbe Gestalt und einen ganz ähnlichen Bau erkennen lassen, wie die richtigen Komponenten der Knochensubstanz; 4. wenn mikroskopisch Riesenzellen und die deutlichen Zeichen lakunärer Resorption, und wenn daneben ein Neubau faserhaltigen Gewebes, und in diesem der jugendliche Typus des richtigen Osteoid- bälkchens zu erkennen ist. Es muß also ein langsamer Wechsel der Gewebe, wenigstens ihres quantitativen Verhältnisses, vollzogen worden sein in der Art, daß dabei der verbogene und mißgestaltete Knochen seine typische Form trotz des starken, sogar als überstürzt bezeichneten Umbaus bewahrt hat. Für Lubarsch ist auch noch von großer Bedeutung das Verhalten der Riesenzellen zum Pigment: besonders differentialdiagnostisch wichtig zum Unterschiede von Riesenzellensarkon. Die Pigmentkörner liegen besonders intrazellulär, während die Zellelemente des Sarkoms vermöge ihres Charakters den Fremdkörpern ablehnend gegenüberstehen, haben die Riesenzellen der Ostitis fibrosa den Charakter von Osteoklasten bzw. von Fremdkörper- riesenzellen. Sie finden sich hauptsächlich in der Nähe der Pigmentanhäufungen und sind zumeist reichlich mit Pigment beladen. Die Riesenzellen des Sarkoms sind mehr gleichmäßig verteilt; bei Ostitis fibrosa bilden sie mehr dichtgedrängte Haufen bei den Pigmentlagern (Lubarsch).

Besonders hervorgehoben werden muß noch der Befund von Knorpel. Man hat in der fibrésen Wand der Knochenzysten häufig Knorpelinseln gefunden (Küster, Bockenheimer). Virchow hat daraus seine Theorie der Entstehung der Knochenzysten durch Erweichung von Chondromen abgeleitet. Später hielt König die Knorpelinseln für versprengte Knorpelkeime, auch er hat Schule gemacht. Nach von Recklinghausen werden diese Knorpelherde meist nicht in, sondern außerhalb der Zystenwand gefunden, auch ist hier die Abgrenzung der Knorpelpartien gegen Periost und Knochengewebe so unscharf, daß es sich nicht um ver- sprengte, dem umgebenden Gewebe fremde Knorpelkeime handeln kann, sondern daß im Gegen- teil eine Metaplasie von Bindegewebe in Knorpel und von Knorpel in Knochen angenommen werden muß. Tietze erwähnt letzteres 1906. Marchand hat es eingehend nachgewiesen, daß bei Frakturen metaplastisch Bindegewebe entsteht, dann Knorpel und zuletzt Knochen- gewebe.

Pathologisch-anatomisch gehören zu der Ostitis fibrosa alle die zystischen Knochen- veränderungen, die den Forderungen von v. Recklinghausen und Lubarsch entsprechen, wenn auch die Zysten solitär oder multipel sind, wenn sie einen einzelnen oder mehrere Knochen

befallen haben. 55*

ger" di a A

436 Nieber. XXIII, 5.

Die Diagnose in meinen Fällen ist sofort auf Grund einer Röntgenaufnahme erfolgt. Das Bild ist so charakteristisch, daß eine Verwechslung schwer möglich ist. Die Zysten haben fast stets eine ovale Form, oft auch eine kreisrunde. Der Rand der Zyste ist stets scharf abgegrenzt vom gesunden Knochengewebe. Der Herd hat sich an den verschiedensten Knochen des Skeletts gefunden.

Fall 1. Hermann De., Laufbursche, 15 Jahre, aufgenommen 5. V. 1913.

Anamnese: Seit dem 28. III. 1918 Schmerzen in der rechten Hüfte, immer nach der Ruhe, später besser. Bisher Einreibungen mit Jodvasogen keine Besserung.

Befund: Hüftbewegungen sind frei, ebenso die Bewegungen im Kniegelenk. Leistendrüsen beider- seits ca. erbsengroß fühlbar, links wenig kleiner ala rechts. Schwellung am Oberschenkel ist nicht fest- gestellt. Der Patient hat einen eigenartigen, leicht nach rechts wackelnden Gang. Es bestehen hoch- gradige PlattfiBe, die jedoch nicht fixiert sind.

Röntgenaufnahme: Der rechte Oberschenkel zeigt in seinem oberen Drittel eine leichte Ver- dickung und einen mehrkammerigen zystischen, scharf abgegrenzten Herd. Siehe Fig. 1.

Diagnose: Ostitis fibrosa.

Anmerkung: Die Familienanamnese ergab: Mutter und 5 Geschwister gesund. Pat. hat lange Zeit und mehrfach Hautausschlag gehabt und ist deshalb mehrfach spezialärztlich mit Pflaster und Salben behandelt.

Wassermann war negativ.

Fig. 1. Fig. 2.

Fall 2. Bruno Bo., 12 Jahre, aufgenommen 30. V. 1913.

Anamnese: Pat. ist am 29. V. auf einer Bananenschale ausgerutscht und auf die rechte Schulter gefallen. Seitdem Schmerzen in der rechten Schulter.

Befund: Der Oberarm ist dicht unter dem Tuberculum majus stark druckempfindlich. Heben nach vorn wie nach der Seite ist nicht möglich. Leichte Schwellung ist vorhanden.

Diagnose: Fraktur?

Röntgenaufnahme bestätigt die Fraktur, zeigt jedoch auch, daß eine Knochenzyste vorliegt. Daher Diagnose: Ostitis fibrosa. Siehe Fig. 2.

Fall 3. Maria Ha., 5 Jahre, aufgenommen 13. II. 1914.

Anamnese: Vor 3 Monaten bemerkt die Mutter, daß das Kind das rechte Bein nachzog. Der Hausarzt glaubte, eine Parese zu konstatieren. Warme Bäder und Massage durch die Mutter. Dann ist das Kind einmal ausgerutscht und hat sehr starke Schmerzen gehabt. Die Schmerzen sind beim Gehen stärker geworden, auch hat sich in der Gegend des rechten inneren Knöchels eine Schwellung entwickelt.

Befund: Das Kind hinkt stark. Das untere Drittel des rechten Unterschenkels ist verdickt und druckempfindlich. Der Fuß steht in Abduktion und in Spitzfußstellung.

XXIII, 5. Röntgenologische Studien über die Ostitis fibrosa cystica. | 437

Röntgenäufnahme ergibt eine gänseeigroße Knochenzyste in der rechten Tibia. Siehe Fig. 3.

Wassermann ist negativ. —~

Diagnose: Ostitis fibrosa.

Therapie: Operation. In Äthernarkose.

Hautschnitt über der lateralen Tibiakante von ca. 10 cm Länge. Periost leicht eindrückbar: Perga- mentknistern leider nicht geprüft. Periost mit Messer durchtrennt: man kommt sofort in eine gänseei- große, mit dunklem, braunschwarzem Blut angefüllte Knochenhöhle, die im Innern kein Gerüst oder sonst irgendwie feste Substanzen aufweist. Nach Austupfen der Höhle ist die Wand fast glatt. Abtragung eines Knochenspans für die mikroskopische Untersuchung. Hautnaht. Geh-Gipsverband.

Die mikroskopische Untersuchung ergibt: kleine spornförmige Knochenspange mit anhängenden kleinen Gewebsfetzen: Auf dem Durchschnitt des entkalkten Knochens erkennt man ein fibröses, ziemlich zellreiches Gewebe, das die Räume zwischen den atrophischen Knochenbälkchen einnimmt, also ein Bild, das an die Ostitis fibrosa erinnert. Die den Knochen angelagerten Gewebsfetzen stellen aber ein noch

zellreicheres, mit einzelnen Tumorriesenzellen untermischtes Gewebe dar, daß ich die

Diagnose Fibrosarkom mit allergrößter Wahrscheinlichkeit annehmen möchte. Es darf

allerdings nicht verschwiegen werden, daß einzelne Autoren derartige progressive Herde

mit gleichem histologischem Befund auch bei Ostitis deformans, als teils zu diesem

Krankheitsbilde gehörig, teils als durch die Ostitis hervorgerufene Tumoren beschreiben. (Dr. Jakobsthal war so liebenswürdig, die Untersuchung zu übernebmen.)

Fall 4. Georg We., Versicherungsbeamter, 25 Jahre, aufgenommen am 3, III. 1914.

f

Q

Fig. 3. Fig. 4a. Fig. 4b. , Fig. 5.

Anamnese: Pat. gibt an, daß er am 19. II. 1914 gefallen sei und sich den rechten Kleinfinger gebrochen habe.

Befund: Pat. kann den Finger schlecht bewegen. Beugung und Streckung nur im geringen Um- fang möglich. Das Grundglied des rechten kleinen Fingers ist erheblich verdickt. Lokaler Druckschmerz ist vorhanden. Es scheint eine Fraktur mit Dislokation gewesen zu sein. Die benachbarten Gelenke sind aktiv in der Beweglichkeit erheblich behindert.

Röntgenaufnahme ergibt eine Knochenzyste in der Grundphalanx des rechten Kleinfingers und eine Fraktur. Siehe Fig. 4a (seitliche Aufn.) und 4b (dor.-vent. Aufn.).

Therapie ist konservativ.

Diagnose: Ostitis fibrosa.

Fall 5. Emil Sch., Handlungsgehilfe, 23 Jahre, aufgenommen am 23. I. 1914.

Anamnese: Pat. hat seit 8 Tagen Schmerzen in den Fußballen, besonders unter der 2. u. 3. Zehe.

Befund: Pat. hat starke Pedes plani, die locker sind. Das Metatarsophalangealgelenk der 2. und 3. Zehe ist druckschmerzhaft und beim Bewegen starkes Reiben. Arthritis deformans.

Röntgenaufnahme ergibt, daß das Capitulum des Metatarsus 2 kolbig verdickt und abgeplattet ist, ferner einen scharf umschriebenen Herd mit wolkigen Schatten. Siehe Fig. 5.

Diagnose: Ostitis fibrosa bei starkem PlattfuB.

Therapie: Konservativ, Plattfußeinlagen.

Fall 6. Johann Kl, Arbeiter, 51 Jahre, aufgenommen am 23. IV. 1914.

Anamnese: Am 16. II. 1914 ist der Pat. mit dem rechten Fuß umgekippt, Verstauchung, wie er sagt. Er konnte von der Arbeit zu Fuß nach Hause gehen. Bisher mit Umschlägen und heißen Bädern, auch mit Einreibungen behandelt.

Befund: Pat. hinkt noch. Er klagt über Schmerzen im rechten Fußgelenk beim Gehen und Stehen. Keine Schwellung. Bewegungen im Fußgelenk frei, auch aktiv. Er spannt ein wenig, absichtlich?

438 | Nieber. XXIII, 5.

Röntgenbild ergibt eine haselnußgroße Knochenzyste in der r. Fibula. Fibula ist leicht auf- getrieben. Siehe Fig. 6.

Diagnose: Ostitis fibrosa. In der Zyste ist ein kleiner Sequester sichtbar.

Therapie ist konservativ.

Fall 7. Frl. Maria Gu., 22 Jahre, aufgenommen 25. I. 13.

Anamnese: Familienanamnese ergibt nichts Besonderes. Sie gibt an, seit 2 Jahren beim Gehen und Stehen Schmerzen in der linken Hüfte zu haben, die bis zum Knie herabgehen. Nachts ist sie frei von Schmerzen. Schweres Ansetzen beim Gehen. Im Januar 1911 wegen Halsdrüsen operiert. Die Be- handlung ihres jetzigen Leidens bestand in Einreibungen und Schwitzbädern, jedoch erfolglos.

Befund: Der Gang ist stark hinkend. Das Trendelenburgsche Symptom ist positiv beim Stehen auf dem linken Bein. Pedes plani. Die linke Hüfte steht in 140° Beugung, in 150° Abduktion und in Mittelrotation fixiert. Kein Stauchschmerz, auch ein Druck auf den Trochanter ist nicht schmerz- haft. Coxitis?

Röntgenaufnahme ergibt eine mehrkammerige Zyste und einzelne solitäre Zysten im linken Beckenknochen. Die Kammern sind zum Teil rund um die Pfanne herumgelagert. Die Pfanne selbst ist etwas zentral gewandert. Siehe Fig. 7.

Fig. 6.

Therapie: Operatives Vorgehen.

Operation: 7. II. 1912 (Dr. Patschke, früheren Assistenten des Instituts).

Resektionsschnitt nach Kocher über der linken Hüfte durch Haut und oberflächliche Faszie. Stumpfes Auseinanderschieben der Glutäalmuskulatur. Durchtrennung der tiefen Faszie. An der Becken- schaufel ist oberhalb des Trochanter eine gut apfelgroße Höhle, welche zum Teil, besonders oben, eine ganz glatte Wandung hat und mit „Knochendetritus“ angefüllt ist. Die Höhle geht unten bis in die Pfanne hinein. Mit dem scharfen Löffel wird die Höhle nach Möglichkeit gereinigt und mit Vioform- gaze austamponiert. Die Weichteilwunde wird bis auf den eingeführten Gazestreifen verniht. Wund- verband. Streckverband,

Die mikroskopische Untersuchung des Ausgekratzten ergibt Riesenzellensarkom, melanotische Partien (Dr. Michael, Hamburg). Nähere Angaben fehlen leider. Der durchaus gute Verlauf der Krankheit während der Nachbehandlung, und ihr jetziger hervorragend guter Zustand machen die Diagnose Sarkom wohl hinfällig.

Fall 8 Frau Emma M., 22 Jahre, aufgenommen 22. II. 1909.

Anamnese: Seit einem Jahre Schmerzen im rechten Fuß, auch nachts.

Befund: Es bestehen beiderseits Pedes plani, nicht fixiert. Die rechte Fußsohle ist wenig ge- schwollen, sie fühlt sich prall, elastisch an. Keine Rötung, kein Temperaturunterschied. i |

XXIII, 5. Röntgenologische Studien über die Ostitis fibrosa cystica. 489

Der Umfang des Fußes über der Mitte des ersten Metatarsus ist rechts 1 cm größer als links. Die Röntgenaufnahme ergibt eine fast kreisrunde, scharf abgegrenzte Aufhellung im ersten Meta- tarsusköpfchen; im Zentrum ein Sequester. Siehe Fig. 8.

Eine Punktion ergibt: blutig-seröse Flüssigkeit. 8. V. Operation: Es handelt sich nicht um Tbe. Unter der Plantarfaszie werden „gallertig-käsige Massen“ gefunden? je:

22. V. Ablatio cruris. Die mikroskopische Diagnose lautete Spindelzellensarkom. Die Diagnose würde heute wahrscheinlich lauten: Ostitis fibrosa.

Fig. 8.

Was den Ort der Erkrankung anbelangt, so sind in meinen 8 Fällen die verschiedensten Knochen beteiligt gefunden worden: 1 mal Oberschenkel in seinem oberen Drittel, 1 mal Oberarm in seinem oberen Drittel, 1 mal Schienbein in seinem unteren Drittel, 1 mal Wadenbein in seinem unteren Drittel, 1 mal Grundglied des rechten kleinen Fingers, 2 mal Mittelfußknochen, Meta- tarsus I und Metatarsus II je einmal, 1 mal die Beckenknochen. Nach v. Mikulicz betrifft die Erkrankung vorwiegend die langen Extremitätenknochen, und zwar diejenigen Abschnitte, welche der Zone des stärksten Wachstums entsprechen. 13 mal war von 20 Fällen das obere Femurende von der Krankheit befallen, 1 mal das untere, 3 mal das obere Tibiaende, 3 mal das obere Humerusende, die anderen langen Röhrenknochen nur vereinzelt, ebenso andere Skelett- abschnitte als Becken, Schädel, Unterkiefer, Kalkaneus, Phalanx. In meinen Fällen zeigt kein Skelettabschnitt eine ganz besondere Bevorzugung.

Bemerkenswert ist, daß nicht ein einziges Mal die Diagnose aus dem klinischen Krank- heitsbilde gestellt werden konnte. Vielleicht hätte das verhältnismäßig kleine Trauma bei Fall 2 und 4 darauf hinweisen können. Wie oben schon erwähnt, konnte eine Röntgenaufnahme sofort die Diagnose sichern. Es mag einige Fälle geben, die nach Axhausen der Knochen- syphilis ähnlich sein sollen, die Wassermannsche Blutuntersuchung und eine Schmierkur geben bald Aufschluß. In 2 Fällen war es möglich, den Wassermann zu machen, er war, wie zu erwarten, jedesmal negativ.

Was die röntgenologische Differentialdiagnose einem Sarkom gegenüber anbelangt, so habe ich unter 20 Fällen von Knochensarkom im Röntgenbilde nicht ein einziges Mal auch nur ein annähernd ähnliches Bild gefunden. Auch in dem reichhaltigen Material von Präparaten der Charite sah ich nicht ein einziges, welches röntgenologisch ähnliche Bilder wie bei Ostitis fibrosa geben würde. Charakteristisch ist an den Röntgenbildern die scharfe Abgrenzung der ` Zysten, ferner das Fehlen jeder Verdickung der Knochenwände, bei eventuellen Spontanfrakturen die ganz geringfügige Kallusbildung. Die grundlegenden Ergebnisse von v. Recklinghausen und Lubarsch und im kleineren Maßstabe die vielen einzelnen kleinen Arbeiten von Konjetzny, von Jenkel und vielen anderen, haben die Pathologie dieses Krankheitsprozesses in anatomisch- morphologischem Sinne genau und bestimmt festgelegt, so daß wohl eine Unterscheidung von Sarkom möglich ist. Bei der Untersuchung fand man in jedem untersuchten Fall von Ostitis fibrosa cystica Blut oder deren Devivate intrazellulär, ferner sind stets Riesenzellen, weiterhin Knochenprozesse gefunden, die als Entstehungsursache auf ein Trauma schließen lassen, sei es eine Einzelzyste, sei es eine mehrkammerige Zyste, sei es eine zystische Erkrankung des ganzen Knochenskeletts, sei es, daß die Erkrankung auf die Knochen des Schädels beschränkt war wie bei der Schnüffelkrankheit der Schweine.

Diese Ergebnisse sind besonders von v. Recklinghausen festgelegt. Jedoch eine Er- klärung, weshalb diese Knochenerkrankung so selten vorkommt, ereignen sich doch täglich, sogar stündlich Unfälle größeren und kleineren Umfangs, die zu Verletzungen des Knochen- systems führen, hat er, ebenso wie Lubarsch, Tietze, Virchow und andere, auch nicht geben können. Sicherlich bleiben viele Knochenzysten in den damit behafteten Menschen un- erkannt, weil sie keine Krankheitssymptome zeitigen.

Diese letzten Gründe aufzuklären, ist die Forschung mit morphologisch histologischen Methoden nicht imstande. Es ist noch ein anderes Agens vorhanden, welches neben dem

am Be O- oM

440 Nieber. XXIII, 5

Trauma als Resorptionsphänomen von Knochensubstanz von ausschlaggebender Bedeutung ist. Einen erheblichen Schritt weiter in der Erforschung dieses seltenen Krankheitsbildes hat die Arbeit von Rost(12) geführt. Er hat noch die Serologie in den Forschungsbereich mitein- bezogen. Rost fand, daß, wenn er die Toxine oder die Kulturen von Staphylokokkus in eine kleine Knochenmarkshöhle der angebohrten Tibia des Versuchstieres brachte, ein Destruktions- prozeß im Knochen entstand, der pathologisch-anatomisch der Ostitis fibrosa glich.

Daß Staphylokokken und Bakterium coli bei subkutanen und intravenösen Injektionen besonders schnell und in ausgedehnter Weise herdförmige Abszesse in einer geschädigten Niere hervorrufen, hat Hartung(11) experimentell nachgewiesen. Daß auch andere Bazillen ähn- liches hervorrufen können, weist Harzbecker(18) nach. Er fand nach Typhus, nach Appen- dizitis und nach Peritonitis Abszesse der Rippenknorpel. Er nimmt mit Sicherheit an, diese Affektion sei. auf hämatogenem Wege entstanden.

Daß Prozesse ähnlicher Art an Knochen, wie die Osteochondritis juvenilis deformans coxae (Perthes), ferner die traumatische Malazie“ (v. Gaza) nach Frakturen des Os Iunatum und Os naviculare carpi dieselbe Ätiologie haben und vom selben Gesichtspunkt aus betrachtet werden müssen, liegt nahe; und es ist wünschenswert, eine größere Reihe von derartigen Pro- zessen einer serologischen Untersuchung zu unterziehen, über eigene Erfahrungen glaubt Ver- fasser bald berichten zu können.

Was die Prognose und die Therapie anbetrifft, so ist darüber nur weniges zu berichten. Die Prognose ist meist eine günstige, besonders wenn die Fälle frühzeitig erkannt werden und in fachmännische Behandlung kommen. Ernstliche funktionelle Störungen können nur dann auftreten, wenn der Prozeß ın der Nähe eines Gelenks sitzt und dieses stark in Mitleidenschaft zieht, wie es in unserem Fall Nr. 7 gewesen ist. Doch ist das Resultat bei längerer ortho-. pädischer Nachbehandlung ein gutes.

Die Frage nun, soll man operativ oder konservativ vorgehen, ist in meinen Fällen ernst- lich abgewogen. Es sind die Fälle 3, 7, 8 operativ angegriffen. Fall 8 und 7 mit gutem Erfolg. Fall 8 ist, da wegen einer Komplikation amputiert werden mußte, also ungünstig anzusehen. Die übrigen 5 Fälle wurden konservativ behandelt, ebenfalls mit gutem Erfolge. Es zeigte sich, daß trotz der Frakturen die frakturierten Knochenteile nur eine ganz geringe Neigung zu Knochenneubildung zeigen, ein Zeichen, daß irgendeine Noxe in der Knochenhöhle sein muß. Die Folge war, daß die Erkrankten monatelang unter ärztlicher Aufsicht bleiben mußten. Selbstverständlich würde eine Vergrößerung des Herdes den operativen Eingriff an- zeigen. In jedem Fall operativ vorzugehen, halte ich nicht für berechtigt.

Literatur.

1) Tietze: Ergebnisse der Chirurgie und Orthopädie. II. Band 1911. Die fibröse und deform. Ostitis.

2) v. Recklinghausen: Festschrift des Assistenten für Virchow 1891.

3) Paget, James: On a form of chronis iflammation of bone, Med. chir. Transact. 60 und 65, 1877 und 1882.

4) König, Franz: Diskussion auf dem Chirurgenkongreß 1906. Verh. I. 171.

5) Mönckeberg: Uber Zystenbildung bei Ostitis fibrosa. Verh. d. deutschen path. Gesellschaft. 1904, 232.

6) Sonnenburg: Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 12.

7) v. Mikulicz: Verhandlungen der Naturforscherversammlung in Breslau. (Refer. im Zentralblatt f. Chir. 1904.)

8) v. Haberer: Zur Frage der Knochenzysten und der Ostitis fibrosa. Archiv für klin. Chir. 82.

9) Gaugele: Über Ostitis fibrosa seu deformans. Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen. 9. S. 317, |

10) Lubarsch: Ergebnisse. 6. S. 982.

11) Hartung: Beiträge für klin. Chirurgie. 93. Bd., III. Heft.

12) Rost: Experimentelle und klinische Untersuchungen über chronische, granulierende Entzündungen des Knochenmarks. Deutsche Zeitschrift f. Chir., Bd. 125.

XXIII, 5. Röntgenuntersuchungen bebrüteter Vogeleier. 441

13) Harzbecker: Uber metastatische Rippenknorpelnekrose. Archiv für klin. Chir. 103. Bd., III. Heft.

14) Frangenheim: Die Ostitis fibrosa (cystica) des Schädels. Beiträge zur klin. Chir. 90. Bd., I. Heft.

15) De Quervain: Spezielle chirurgische Diagnostik. 1913.

16) Axhausen: Berliner klin. Wochenschrift. 1913.

17) Jenkel: Zeitschrift für Chirurgie. 1912. Nr. 11. i

18) Stierlin: Ostitis fibrosa bei angeborener Fraktur. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 130. Bd., I. und II. Heft.

19) v. Gaza: Über die sekundären Veränderungen („traumatische Malazie*) nach Frakturen des Os luna- tum und Os naviculare carps. Münchener mediz. Wochenschrift. 1914.

Röntgenuntersuchungen bebrüteter Vogeleier. Von Prof. H. Rieder (München).

Gelegentlich des Studiums der Röntgenstrahlenwirkung auf tierische Embryonen kam ich in die Lage, den Inhalt unbebrüteter und bebrüteter Vogeleier röntgenographisch zu bestimmen.

Ursprünglich beabsichtigte ich, in der Meinung, daß die Eischale der Erforschung des Eiinhaltes hinderlich sei, dieselbe vor der Röntgenuntersuchung künstlich zu entkalken oder den Versuchstieren längere Zeit hindurch kalkarmes Futter zu verabreichen, um auf diese Weise die Bildung dünnschaliger, für weiche Réntgenstrahlen gut durchlässiger Eier zu er- zielen. Es zeigte sich aber, daß ein derartiges Vorgehen unnötig war; denn trotzdem das Vogelei von einer relativ schwer durchgängigen Kalkschale umschlossen ist, läßt sich durch Röntgenaufnahmen doch eine gute Differenzierung des Inhaltes bebrüteter Eier erzielen.

Im Einklang mit diesem Untersuchungsergebnisse steht die klinische Erfahrung, daß innerhalb , des knöchernen Schädels des Menschen und der Säugetiere befindliche kalkhaltige Tumoren röntgenologisch gut erkennbar sind.

Die Untersuchungen, über welche in folgenden Zeilen kurz berichtet werden soll, er- streckten sich auf die Eier von Tauben, Hühnern, Truthühnern und Enten.

Ein unbebrütetes Taubenei läßt röntgenographisch trotz seiner dünnen Schale nur die Luftblase im Innern erkennen, während man bei durchfallendem, grellem, natürlichem oder künst- lichem Licht auch das Eiweiß vom Dotter unterscheiden kann. Die Ursache, warum bei der Röntgenuntersuchung eine derartige Differenzierung nicht möglich ist, liegt eee an dem zu geringen Dichtigkeitsunterschied von Eiweiß und Dotterkugel.

Auch an kurz bebrüteten Taubeneiern war bei der Röntgenaufnahme keine Differen- zierung ermöglicht; doch ließ sich bei Eiern, die nahezu oder vollständig ausgebrütet waren (die Brutzeit der Tauben beträgt 17—19 Tage), das Knochengerüst des Vögelchens gut erkennen, und zwar um so deutlicher, je weiter die Brütezeit vorgeschritten war.

Ähnliche Resultate lieferte die Röntgenuntersuchung bebrüteter Hühnereier. Die natür- liche Brutzeit beim Huhn beträgt 19—24 Tage, in der Regel 21 Tage, die künstliche Brutzeit ist je nach der angewandten Temperatur verschieden, bei höherer [39° C.] im allgemeinen kürzer als bei niederer [88° C.].

Bei Verwendung einer mittelweichen Röntgenröhre (parallele Funkenstrecke ca. 8 cm) ließen sich bei einer Fokus-Distanz von ca. 40 cm und einer kurzdauernden Expositionszeit (ca. 3 Sekunden) gute Aufnahmen erzielen. Réntgenographiert man natürlich bebrütete Hühnereier namentlich von verschiedenen Richtungen aus so sieht man außer der großen Luftkammer den zusammengekauerten Körper der Kücke in den Eiern sehr gut, so daß sich der stark gewölbte Schädel bzw. die ihn zusammensetzenden Knochen, die langgestreckte Wirbel- säule, die Rippen, die Flügel, die Unterextremitäten mit ihren kräftig entwickelten Schenkel-

knochen und ihren weit gespreizten Zehen auf dem Röntgenogramm gut unterscheiden lassen Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 86

- b `

`

. e DEE . . $8 . e, g eo x . ~~ . ' en

. i . -, - `; 4 . . è : . & ae A une ul tn en nenne Pen eat an te one Ae > .

442 ` Rieder. . XXIII, 5.

(Fig. 1), während der Schnabel und das Becken oftmals, so auch in Fig. 1, nicht deutlich zu o pi differenzieren sind.

Der gleiche Befund wie bei natürlicher läßt sich erheben bei künstlicher Bebrütung ie Se (in einem mit Thermostat versehenen Brutofen bei 38° C.), wenn also das Brutgeschäft der Dez | er | Henne ersetzt wird durch rationelle Anwendung künstlich Rasa : i erzeugter und gleichmäßig unterhaltener Wärme.

Aber erst in der zweiten Hälfte der Brutzeit sind einzelne Skeletteile des Hühnchens, und zwar besonders die Röhrenknochen, in ihrer Entwicklung gut zu verfolgen, namentlich bei fortlaufender d. h. täglich wiederholter Röntgenuntersuchung. Bei einem solchen 23 Tage hindurch fortgeführten Bebrütungsversuche, während dessen täg- lich ein Röntgenogramm angefertigt u ergab sich folgen- der Befund:

Ursprünglich (Fig. 2) findet sich eine Keine, Luftblase (Luftkammer) am stumpfen Ende des Eies, welche sich gut von dem übrigen Eiinhalte abhebt. Dieselbe nimmt schon ie in den ersten Tagen der Bebriitung erheblich an Umfang T See zu; an den folgenden Tagen erfolgt eine weitere Ver-

wes ne größerung derselben, bis sie schließlich am Ende der Brüte- ni | Natürlich bebrütetes Hühnerei zeit etwa '/, des Eiinnern einnimmt. | > use (19. Tag). Am 12. und 13. Tage sieht man bereits einzelne Kalk-

partikel, die aber noch nicht näher zu differenzieren sind.

~

| Wie die menschlichen Knochen, z.B. des Kniegelenkes, beim Vorhandensein eines Ergusses nie La ee eS ganz scharf darzustellen sind, so ermangeln auch die von dichten Eiweißschichten umgebenen Knochen | Sc: des kurz bebrüteten Vogeleies der absoluten Schärfe bei ihrer röntgenographischen Darstellung. Erst in

späteren Stadien der Bebrütung, wenn das Eiweiß größtenteils aufgezehrt ist, tritt qan Vogelskelett schart . und deutlich auf den Rönigenbildern hervor.

Dy “| Fig. 2. | Fig. 8. Zu Künstlich bebrütetes Hühnerei 15. Bebrütungstag. (1. Tag).

Am 14. und 15. Tage (Fig. 3) sind deutlich die Röhrenknochen der Extremitäten sichtbar. Vom 17. Tage ab ist die genaue Lage des Hühnchens erkennbar, der Kopf ist seitwärts an

eo, die Brust gelegt, die Beine sind gegen die Brust angezogen. Auch die Wirbelsäule, überhaupt | | das ganze Skelett, ist zu differenzieren (Fig. 4 und 5).

rer [un ._. oo

XXIII, 5. ` Röntgenuntersuchungen bebrüteter Vogeleier. 443

Dabei zeigt sich, daß die Wirbelsäulenkrümmung sich ee am stumpfen (Fig. 1), das anderemal am Spitzen Ende des Hies (Fig. 4 und 5) befindet.

i

Fig. 4. | Fig. 5. | 17. Bebrütungstag. | 20. Bebrütungstag.

Beim „Spiegeln“ der Eier, d. h. wenn man sie mit Hilfe des in der Hühnerzucht ‚gebräuchlichen “Eierprüfers (Eierspiegels) unter Benützung grellen Lichtes, z. B. der Nernstlampe, auf ihre Befruchtung untersucht, läßt sich nach Angabe verschiedener Vogelzüchter schon anı 6. Bebrütungstage der Hühner- embryo nachweisen, indem die befruchteten Eier den im hellen Eiinhalte schwimmenden (dunklen) Embryo und die von ihm nach verschiedenen Richtungen auslaufenden, fein geschlängelten, roten Aderchen erkennen lassen. Hingegen weisen unbefruchtete Hüh- . nereier völlig klaren Inhalt, also im Gegen- satz zu Taubeneiern keine Differenzierung von Eiweiß und Dotter auf.

Bei der röntgenographischen Untersuchung ist, wie oben näher aus- geführt, der Hühnerembryo in seinen ersten Entwicklungsstadien gar nicht nachzuweisen und auch die kalkhaltigen Knochen werden erst am 12. bis 13. Tage der Bebrütung sichtbar, also zu einer Zeit, wo der Embryo bereits starke Bewegungen vollführt,

Nachdem das Hühnchen mit dem Schnabel die Eischale aufgepickt hat und ausgeschlüpft ist oder nach künstlicher Entfernung der Eischale lassen sich röntgenographisch an einem solchen Küchlein nicht bloß alle oben angeführ- ten Skeletteile, sondern auch Becken, Krallen, Schnabel, Augenhöhle, Gesichts- und Schädelknochen, sämtliche Weich- teile, sowie der Dottersack nachweisen. Das Federkleid des Vögelchens kommt indessen nur andeutungsweise zur Darstellung (Fig. 6).

i Fig. 6. | Frisch ausgeschlüpftes Hühnchen.

56*

2 - ~ ee < -

. -a = EE .. ' . R . . 2 X .. . . : . eu un tn ee en 9 8 - ° . . .

PR - - é e . $ . š u: 7 gm . Pr . : .. . ry te ee rere ped eek Tad $ . > . s $ ba R A ag ¢

vo =

444 Wagener. XXIII, 5.

Ähnliche Ergebnisse wie bei Hühnereiern wurden erzielt bei künstlicher Bebrütung und fortlaufender Röntgenuntersuchung von Enteneiern (hier schwankt die Brutzeit zwischen 21 und 24 Tagen), sowie bei Truthühnern (Püten, Indiane), deren Brutzeit 26—29 Tage beträgt.

Das geschilderte Untersuchungsergebnis, welches auf dem photographischen Nachweise des charakteristischen Vogelskelettes bei fortlaufender Röntgenunter- suchung während der Ausbrütung des befruchteten Eies beruht, hat allerdings für die Embryologie wahrscheinlich keine größere praktische Bedeutung; denn ihren Zwecken dienen bereits in erfolgreicher Weise andere hierfür offenbar geeignetere Untersuchungsmethoden. Das röntgenologische Untersuchungsresultat schien mir aber trotzdem interessant genug, um es in dieser Fachzeitschrift bekannt zu geben. |

Vereinfachtes Verfahren der Lokalisation von Fremdkörpern mit Hilfe’ meines Quadratfelderrahmens und Parallellineals’). Von | Oberstabsarzt Dr. Wagener (Mainz), Chefarzt des Kriegsgefangenenlazaretts Darmstadt. M. H.! Wie Ihnen bekannt, beschäftige ich mich seit mehreren Monaten mit der Lokalisation von Fremdkörpern, Geschossen, Geschoßteilen usw. im menschlichen Körper. Es ist mir, wie

durch vielfache, im hiesigen Lazarett ausgeführte Operationen bestätigt wurde, gelungen, einen Apparat zu konstruieren, der in einfachster Weise, ohne Lösung von langwierigen Rechen-

Fig. 1.

‚aufgaben, für die Praxis, für den operativen Eingriff der Aufgabe gerecht wird, den Fremd-

körper im Raum zu bestimmen. Es geschieht dies, wie ich hier gleich vorweg erwähnen möchte, durch Konstruktion dreier, zueinander senkrecht stehenden Ebenen. Wenn ich im Laufe des Vortrags etwas zu sehr Einzelheiten berühre, die dem einen oder andern von Ihnen als bekannte Tatsachen erscheinen sollten, so bitte ich um freundliche Nachsicht. Es geschieht

1) Vortrag, gehalten in der ärztlichen Konferenz des Kriegsgefangenenlazaretts Darmstadt am 21. September 1915.

XXIII, 5. Lokalisation v. Fremdkörpern m. Hilfe meines Quadratfelderrahmens u. Parallellineals. 445

dies auf Wunsch einiger Herren, dient aber auch gleichzeitig zur erschöpfenden Behandlung des Gegenstandes.

Der leitende Gedanke war: Wenn man durch eine gewollte exakte Verschiebung der Röntgenröhre in bestimmter Richtung zwei Aufnahmen auf einer Platte macht und rekon- - struiert die Strahlen, die den Fremdkörperschatten erzeugt haben, so wird man -

1. die Umrisse,

2. die Lage des Fremdkörpers besser zur Darstellung bringen sonnen, als ohne Beachtung einer bestimmten Verschiebung.

Die parallele Verschiebung der Röhre mit senkrechter Stellung des Antikathodenspiegels über einer Ebene, die senkrecht zur Kassette steht, schien mir für den Zweck geeignet. Die Rekonstruktion selbst fand durch bildliche Darstellung der Strahlen in bekannter Weise, durch Fäden, statt. Infolge der Eigenart des Apparates ist die Rekon- struktion, wie Sie später sehen werden, "wesentlich erleichtert. Es gelingt, ho- mologe Teile der Schatten besser und leichter zur Darstellung zu bringen (Fig. 1); es treten infolgedessen die Um- risse des Fremdkörpers schärfer hervor, gleichzeitig auch seine Lage und Richtung zur Ebene.

Als besonders hervorstechend möchte ich Ihnen drei Fälle vorführen:

1. Franzose H.: vernarbte, schmerz- hafte Stelle in der Gegend des Adduk- torenschlitzes des rechten Oberschenkels. | . pi Nach der Röntgenphotographie diagnosti- aa _ | al er zierte man ein größeres Stück als Infan- HES teriegeschoß mit teilweiser Loslösung eines Stückchens des Mantels, außerdem mehrere kleinere Stücke als Granatsplitter. Sie sehen hier drei Strahlenkreuzungs- punkte des größten dieser Fremdkörper. Die Verbindungslinie der drei Strahlen- kreuzungspunkte zeigt die Krümmung des ' wirklichen Fremdkörpers, ebenso seine Bruchlinie in wirklicher Ausdehnung. Fig. 2.

Er erwies sich nach der Herausnahme aus dem Oberschenkel als ein stark verbogenes 20 Lire-Sttick, von dem mehrere Teilchen ab- gesprengt waren.

2. Der zweite Fall betrifft ein Infanteriegeschoß im rechten Kniegelenk. Sie sehen deut- lich Sitz und Richtung des Geschosses, schräg von innen unten nach außen und oben, nach dem Kniescheibenrande zu. Die Operation bestätigte Höhenlage und Richtung des Fremd- ‘kérpers, wie es vorher bildlich dargestellt war.

- 8. Modellaufnahme eines auf Galalith befestigten, wellig gebogenen Stückes Stanniol. Sie sehen, durch die Schnittpunkte der Fäden begrenzt, die Umrisse des Fremdkörpers, seine wel- ligen Biegungen, seine Höhenlage und Richtung zur Ebene, endlich seine Größe, die genau dem wirklichen Stück entspricht (s. Fig. 1).

Zeichenzappe

A Hotalirahm en

; & i ON ewe ©

- č - &a

446 Wagener. XXIII, 5.

M. H.! Mit der Darstellung des Schattenumrisses des Fremdkörpers am Rekonstruktions- apparat hatte ich jetzt zwar die Höhenläge!), die Horizontalebene, in der der Fremdkörper lag, auch, wie Sie soeben an den beiden Fällen sahen, seine Lage, den Neigungswinkel, in dem er zur Ebene bzw. im Körper stand, festgestellt. Doch damit allein konnte ich auch nichts anfangen. Es galt nun, den Fremdkörper noch näher im Raum zu bestimmen. Hierzu schien mir eine enger- begrenzte, bestimmte Eiıntel- lung des den Fremdkörper enthaltenden Körperbezirks erforderlich, und zwar eine Einteilung, die jederzeit wie- der zur Darstellung gebracht werden konnte. Diese Ein- teilung, so sagte ich mir, muß mitbelichtet werden. Ich en, wählte einen Metallrahmen | : mit quadratischen Feldern, wie Sie ihn hier sehen (s. Fig. 2 u. 5)®2). Ein in Felder eingeteilter Rahmen, nach der Rekonstruktion auf bzw. etwas über den betreffenden Körperteil, parallel und senk- recht zum unteren Rahmen, gelegt, orientiert hier leicht bei der Übertragung.

Für die operative Ent- fernung des Fremdkörpers ist es nicht unbedingt erforder- lich, mehrere Stellen des Schattens durch Rekonstruk- tion der Strahlen zur Dar- stellung zu bringen, es genügt in den meisten Fällen, nur einen Punkt zu wählen, und zwar einen möglichst nahe der Mitte gelegenen, um den Körper nicht zu tangential zu treffen.

Denkt man sich die Ver- tikale vom Strahlenkreuzungs- punkt zur Glasplatte gezogen, bzw. projiziert man diese Linie am Apparat, so erscheint der Fußpunkt derselben in einem der Felder des Ralımens. S. Fig. 2. Wird nun ein gleicher Rahmen auf bzw. etwas über den Körperteil entsprechend,

d a ear ‘= LJ D 1 7 ew =z ae J U) } a a a -i I J

-eege nklot

Fig. 8. Fig. 3a.

1) Höhenlage = Entfernung des Fremdkörpers von der Unterlage (unterer Teil der Strahlen- schnittpunktvertikalen).

Tiefenlage oberer Teil dieser Vertikalen.

2) Lichtempfindliche Platten mit einer derartigen Einteilung und entsprechendem Kassettendeckel sind ebenso zu verwenden.

XXIII, 5. Lokalisation v. Fremdkörpern m. Hilfe meines Quadratfelderrahmens u. Parallellineals. 447

also parallel und senkrecht zur Glasplatte, gelegt, so kann der Gipfelpunkt der Vertikalen in dem entsprechenden Feld sofort bestimmt und von hier aus leicht auf den Körper übertragen werden. Sobald dieses geschehen, hat man durch drei Ebenen die Lage des Fremd- körpers in dem betreffenden Körperteil festgelegt, durch die Horizontalebene, die Ver- tikalebene und durch eine dritte Ebene, nämlich die senkrechte Schnittebene der ersten beiden, und zwar diejenige, die auch gleich- zeitig durch die festgelegte Fremdkörpervertikale geht. (S. Fig. 6.)

Gestatten Sie mir, m. H., daB ich Ihnen den Gang einer Fremdkörperauf- nahme unter gleichzeitiger 4 o. Erklärung des Apparates | a. =: vorführe. Ä lettineabs.

Es wird zunächst der | retten fhrung Antikathodenspiegel in 50 cm E at Höhe über die Kassette ge- | : CE FARARARRRA| ©); i te bracht. Ich bemerke hierbei, © Pf Metallrakmen daß die Dicke des Kassetten- j i deckels einschließlich der | Ean ae Plattendicke, wenn die Auf- | 9 LLLI nahme mit Verstärkungs- schirm erfolgt, (im hiesigen Lazarett im ganzen 8 mm) in Abzug zu bringen ist, die Entfernung also nur 49,7 cm betragen darf. |

1. Vor der Belichtung wird zunächst der in Quadrate eingeteilte Rahmen auf die Kassette gelegt. (Fig. 3.)

2. Eine der Grenzecken, am besten der Mittelpunkt des Rahmens, wird als Fix- punkt bestimmt, d. h. auf diesen muß der Antikathoden- te ee spiegel eingestellt werden. Es geschieht dieses durch einen Sernalsschs Darstellung des Sarallellineals Doppelring, auf dessen Rand nebst Metallrahmen mehrere senkrecht stehende Stäbchen angebracht sind. Durch den Ring geht ein Stäbchen als Durchmesser, der in der Mitte ein Loch hat für den Faden mit dem Senklot, das auf den Punkt F' (Fixpunkt) eingestellt wird. (S. Fig. 8.))

Es wird der betreffende Körperteil, z. B. der Unterarm, auf die Kassette gelegt. An der Außen- bzw. Innenseite wird jetzt ein Höhenzeichen angebracht durch Methylenblau oder Farbstift (nicht Jodtinktur, die Schatten gibt), um die bei der Belichtung innegehabte Stellung bei der Entfernung des Fremdkörpers wieder finden zu können. Der Fixpunkt wird, wie auf der Platte, jetzt auch auf dem Unterarm bezeichnet, daneben noch einige

Fig. 4 (oben). Fig. 4a (unten).

t 3 a | al

hs * ——— OS hie -re

a

448 Wagener. XXIII, 5. Quadratgrenzen für die Übertragung. In analoger Weise verfährt man beim Schädel.

(S. Fig. 3a.)

4. Belichtung der Platte bei A, alsdann 10 cm Verschiebung der Röhre und Belichtung bei B. (Fig. 2 und 5.) Hierzu bemerke ich, daß dieselbe Belichtung, die eine gute Ubersicht- aufnahme gab, maßgebend ist für jede der zwei Belichtungen auf derselben Plaite.

5. Rekonstruktion an dem Rekonstruktionsapparat, der gleichzeitig auch UWer- tragungsapparat ist. Er besteht im wesentlichen aus folgenden Teilen: | a) aus dem auf und ab beweglichen

Galgen (s. Fig. 4), der an einem Stativ angebracht ist. Beide, Stativ wie Galgen, haben cm- bzw. mm-Hinteilung. Der Galgen trägt in einem Abstand von je 1 cm von oben nach unten verlaufende 4- (Delikten Löcher für die Durchführung der Fäden we bei der Rekonstruktion der Strahlen. B. 2 Belichtung Senkrecht unter dem Galgen befindet sich

b) ein Metallrahmen (s. Fig. 4a), der eine gleichgroBe Zeichenpappe faBt. Die Pappe und dieser Rahmen haben die- selbe Feldereinteilung wie der vor der Belichtung auf die Kassette gelegte. Die Zeichenpappe wird zunächst in den Me- tallrahmen eingefügt. (S. Fig. 5.) Der- selbe wird jetzt genau so gelegt, daß der Fixpunkt unter einen Punkt des Galgens so zu liegen kommt, wie bei der ersten

„Handlineal Belichtung der Fixpunkt unter dem Antikathodenspiegel lag, 50 cm unter demselben.

Metallrahmen Mit Hilfe des Zirkels werden jetzt

(und zwar möglichst solche nahe der Mitte, wie ich vorhin bereits erwähnte) eisen To der Rückseite der nassen Platte aus verlehste auf die Zeichenpappe übertragen. Wartet man, bis die Platte getrocknet ist, -so kann das Schattenbild durchgepaust und leicht übertragen werden. Nun gilt es, homologe Teile des Fremdkörpers zu finden und sie durch Fäden zur Dar- stellung zu bringen. Wie wesentlich das Auffinden homologer Teile durch die parallel verlaufenden Linien des Rahmens erleichtert wird, empfindet man um so mehr, je länger man mit dem Apparat arbeitet. (Siehe Fig. 5.)

Man durchsticht bei C und C! die Pappe mit einer Nadel, geht dann, bei A beginnend, mit einem Faden nach C, führt ihn durch die Zeichenpappe und kommt bei C! wieder an die Ober- fläche, dann befestigt und spannt man den Faden bei B durch ein kleines Gewicht. (S. Fig. 5.)

Der Strahlenschnittpunkt Æ gibt die Höhenlage des Fremdkörpers an, die an dem Stand- lineal‘ abgelesen wird. Mit demselben wird jetzt die Senkrechte vom Strahlenschnittpunkt auf die Pappe gefällt. Sie entspricht, wie Sie sehen, der Vorderkante des Standlineals. (S. Fig. 5.)

homologe Teile des Fremdkörperschattens

XXIII, 5. Lokalisation v. Fremdkörper m. Hilfe meines Quadratfelderrahmens u. Parallellineals. 449

Die Ubertragung und Festlegung der Vertikalen auf den Kérperteil geschieht in ein- fachster Weise durch den Metallrahmen, dem zu diesem Zwecke ein Parallellineal aufgeschraubt wird. Wie Sie sehen, ist dieses Lineal in zwei Ebenen, der Länge und Breite nach, verschiebbar, außerdem trägt jedes einzelne Lineal ein der Länge und Breite nach verschiebbares kleines Lineal bzw. einen Stift. Alle Teile haben cm- bzw. mm-Einteilung. Das Parallellineal als - Ganzes ist durch Schlittenführung zwischen A und B verschiebbar. Die Verschiebbarkeit er- möglicht es, den Stift auf jeden Punkt der Rahmenfelder einzustellen. (S. Fig. 4a.)

| Der Stift des Lineals wird -zunächst auf den Fußpunkt der Strahlenkreuzungsvertikale eingestellt. Nach nunmehriger Entfernung der Zeichenpappe wird der Rahmen mit Lineal auf bzw. etwas über den betreffenden Körperteil gelegt, entsprechend den vor der Belichtung mit Methylenblau gemachten Bezeichnungen. An entsprechender Stelle markiert man den Fuß- punkt der Strahlenschnittpunktvertikale auf die Haut. (Punkt A der Zeichnung, Fig. 6.) Punkt B wird folgendermaßen festgestellt: B liegt in Höhe von Punkt F. Wird das kleine Lineal in die Höhe von F gebracht | und seitwärts verschoben, so ist der 2 Berührungspunkt des Lineals mit der Haut der Punkt B. \

Wie sie an dem Modell, dem i Durchschnitt eines rechten Unterarms, ee. a ebenso wie an der Zeichnung (Fig. 6) | ersehen, ist durch die Festlegung der Punkte A und B der Fremd- kérper jetzt durch drei Ebenen festgelegt. Durch diese beiden Punkte gehen zwei senkrecht aufeinander stehende Ebenen, die dritte, auf die- sen beiden- gleichfalls senkrecht, geht durch die Punkte AFB. Die Linien AC und BH möchte ich füglich

Operationslinien, alle anderen parallel EN

bzw. senkrecht zu diesen verlaufenden c ematisc e Darstellung der Fremdkörperbestimmung Be , am Querschnitt des rechten Unterarmes. (Ende des oberen

Linien, die durch den aufgelegten Dpyrittels.) |

Metallrahmen leicht gezogen werden l können, vor allem A B, Orientierungslinien, weil sie als Anhalt bei der operativen Entfernung des Fremdkörpers dienen.

Infolge der parallelen Anordnung der Linien des Rahmens und des zugehörigen Parallel- lineals lassen sich für die Operation außerordentlich einfach, durch die Konstruktion von Parallaxen und Vertikalprojektion, außer der Festlegung wichtiger Punkte auch noch ihre Entfernungen. vom Fremdkörper in cm bzw..mm ablesen, z. B. des Punktes A bzw. Bund O. (Fig 6) ` l

= Die Höhenlage von F ist bereits festgestellt, sie beträgt 3,7 cm, also F'G = 3,7 cm. Nun ist | | |

<< Meines Lineal

Fig. 6.

DK=PG=8,6 cm, folglich A F= PG (PA + GF) =3,5 cm.

(8,6 cm) (1,5 + 38,8 cm) Also liegt Punkt F (der Fremdkörper) 3,5 cm von A entfernt. Ebenso wird B F durch Ablesen festgestellt. Es ist D P= EF, folglich B F= D P— EB=2,6 cm.

(4,6 cm) (2 cm) Also liegt der Punkt F (der Fremdkörper) 2,6 cm von dem Hautpunkt B entfernt.

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 57

Dr e: . - . * i * x = z . . . we a “te 25 u ne ne ee al 5 . - . .. BGP nies. me » 5 PART: = 2

=, u;

. . è N ` rn mn | ne ne =

450 Wagener. XXIH, 5.

Die Feststellung des Punktes O und seiner Entfernung von F ist dadurch gewährleistet, daß das Lineal durch einen Handgriff so umgestellt werden kann, daß das kleine Lineal so auf den Punkt O deutet, wie es in der Zeichnung (Fig. 6) auf B weist.

Mit welcher Genauigkeit und Leichtigkeit sich in den drei zueinander senkrecht stehenden Ebenen der seitliche, der obere und der vordere bzw. hintere Punkt am Schädel mit Hilfe des Apparates und die Entfernung derselben vom Fremdkörper auf die denkbar einfachste Weise ergeben, ersehen Sie sofort an dem Modell. Ich habe aus der linken Stirnbeinhälfte ein dreieckiges Stück aussägen lassen und eine Gewehrkugel an einem Metallfaden aufgehängt. In Fig. 8 wurde der seitliche und vordere Punkt nebst Entfernung, in Fig. 7 der obere nebst Enifernung bestimmt.

Kleines Linea

Fig. 7. Fig. 8.

Fasse ich die durch den Apparat gewonnenen Resultate in einigen Sätzen kurz zu-

sammen: |

1. Durch zwei Aufnahmen auf einer Platte, bei paralleler Verschiebung um etwa 10 cm, bei senkrechter Stellung des Antikathodenspiegels in 50 cm Höhe über einer senkrecht zur Kassette stehenden Ebene werden 2 Schattenbilder vom Fremdkörper erzeugt. Die Quadrat- felder des Rahmens erleichtern infolge ihrer parallelen Linien die Betrachtung und Verwertung der Schatten außerordentlich, sie sind Wegweiser bei Übertragung des Ergebnisses der Strahlen- rekonstruktion auf den Körper.

2. Durch Rekonstruktion der Strahlen an dem Rekonstruktionsapparat, der gleichzeitig auch Ubertragungsapparat ist, können Höhenlage und gleichzeitig auch ‘die Lage und die Neigung des Fremdkörpers zur Ebene festgestellt werden.

3. Die quadratische Feldereinteilung ermöglicht es, auf sehr einfache Weise den Ort der Strahlenschnittpunktvertikalen auf dem Rekonstruktionsapparat und dem Körperteil zu bestimmen. Hierdurch ist die Lage des Fremdkörpers näher festgelegt, denn außer der Horizontalebene, die durch die Höhenlage des Fremdkörpers festgestellt wird, sind noch die Vertikalebene und die auf diesen beiden senkrecht stehende Schnittebene bestimmt.

XXIII, 5. Die nephelometrische Bestimmung d. durch R.-Str. bewirkten Kalomelausscheidung usw. 451

4. Durch Bildung von Parallaxen und Vertikalprojektion durch das Parallellineal wird auch noch die Entfernung vom Fremdkörper abgelesen bzw. nach vollzogener kleiner Subtraktions- rechnung aufs schnellste festgestellt:

a) für den Auftreffpunkt der Strahlenschnittpunktvertikalen auf die Haut,

b) für den entsprechenden Punkt der Horizontalen.

Es sind dies die Punkte A und B des Sektors AFB. Sie werden in jedem Falle festgestellt, auch dann, wenn sie die Stellen von A! und B! einnehmen. (S. Fig. 9.)

. . Mithin sind dann bekannt die Ent- fernungen vom Fremdkörper für zwei Punkte der Vertikalen und für zwei Punkte der Horizontalen (S. Fig. 9.)

Wie jedes andere Lokalisations- verfahren, so erfordert auch mein Apparat ein genaues Arbeiten. Unter dieser Voraussetzung kann ich den positiven Erfolg auf das bestimmteste versprechen. Die technische Hand- habung des Apparates ist denkbar einfach.

Aus der I, mediz. Klinik in Wien (Vorstand: Prof. Dr. K. F. Wenckebach).

Die nephelometrische Bestimmung der durch Röntgenstrahlen bewirkten Kalomel- abscheidung in der Ederschen Lösung.

Ein Beitrag zur Dosimetrie. (Vorläufige Mitteilung.) Von l Dr. med. G. Schwarz, Privatdozent für mediz. Röntgenologie

und Dr. phil. H. Sirk, Privatdozent für Physik.

Wie von einem von uns 1) gezeigt wurde, wird die Edersche Lösung durch Röntgenstrahlen ebenso zersetzt wie durch Licht, was die Möglichkeit bot, diese Reaktion für ein Meßverfahren zu verwerten, wobei die durch Kalomelabscheidung bewirkte Trübung beobachtet wird. (Siehe unten.)

Grann behandelte in der vorigen Nummer dieser Zeitschrift den Gedanken, die durch die Gleichung

2HgCl, +C,0,(NH,)=2HgÜCl+2NHCI + 2 CO, dargestellte Zersetzung in der Ederschen Lösung analytisch zu verfolgen und diskutiert die Mög- lichkeit, die durch Bestrahlung bewirkte Umsetzung in der Lösung durch Messung der Anderung entweder ihrer elektrischen Leitfähigkeit oder ihres spezifischen Gewichtes zu bestimmen, |

Beide Möglichkeiten wurden von uns schon vor Erscheinen der’ Arbeit von Grann ohne Erfolg versucht bei Lösungen, deren Zersetzung ungefähr ebenso weit fortgeschritten war, als

1) Diese Zeitschrift, Bd. XI, S. 114, Jg. 1907. Schwarz: Über die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf Ammoniumoxalat-Sublimatlösung. 57*

- E . Pia!

Nea as ae ae TE

Ne Sr eg g E E TEEN ar ioan or J. ati emm er EGA ' Be rer E f . ' pat A

=d A ween ae un

B -.

452 Schwarz und Sirk. l XXII, 5.

es einer Erythemdosis entspricht, also in dem Zersetzungsbereich, der in der klinischen Praxis

vorkommt. Da der Zersetzungsgrad der Lösung dabei klein bleibt, erscheint es rationell bei seiner Messung eines der Reaktionsprodukte quantitativ zu bestimmen, da dessen relative Kon- zentrationsänderung naturgemäß groß ist, weil sie von Null auf einen, wenn auch kleinen, so doch endlichen Wert ansteigt, während die relative Änderung der Konzentration der reagierenden Substanzen wegen des geringen Zersetzungsgrades sehr klein bleibt.

Man muß also trachten, eines der drei Reaktionsprodukte NH,Cl, CO, oder Hg Cl möglichst

‚bequem und schnell ohne Durchführung einer chemischen Operation ZU bean.

Eine Bestimmung des NH,Cl etwa durch Freimachen des NH,-Gehaltes oder durch titrimetrische Bestimmung seines Cl-Gehaltes kommt nicht in Betracht, da der NH,- bzw. Cl-Gehalt der noch in Lösung befindlichen reaktionsfähigen Stoffe, des HgCl, und C,O,(NH,) dabei gleichzeitig mitbestimmt würden. “Ebenso wenig erscheint es angezeigt das bei der Reaktion freiwerdende CO, quantitativ zu .be- stimmen, da die geringen, bei der Reaktion entstehenden Mengen in ‘der Flüssigkeit gelöst bleiben; und ihre quantitative Bestimmung, etwa durch Ausfällen mit Ba(OH,) unmöglich ist, da dieses mit dem noch in Lösung befindlichen (NH,)C,O, und HgCl, unter Ausscheidung von Ba(C,O,) bzw. HgO reagieren würde.

Es erübrigt also nur die Möglichkeit das bei der Reaktion als wasserunlöslich aus-

- geschiedene HgCl quantitativ zu bestimmen. Da nun die gewichtsanalytische Bestimmung

des in einem bestimmten Volumen der Ederschen Lösung durch die Strahlung gefällten Kalomels für den klinischen Betrieb zu umständlich ist, so wurde von dem einen von uns, wie eingangs erwähnt, die rasch ausführbare optische Methode der Trübungsmessung für diesen Zweck an- gewehdet. Die zersetzte Lösung wurde in einem Glasgefäß gegen einen schwarz-weißen Hinter- grund gehalten und ihre Trübung läßt sich in primitiver Weise unter Zuhilfenahme eines Ver- gleichskörpers beurteilen, ein Verfahren, das der Natur der Sache nach betrichtlichen Fehlern unterworfen ist.

Aus diesem Grunde suchten wir nach einer anderen Methode zur Bestimmung der Nieder- schlagskonzentration und fanden die Lösung des Problems in der Anwendung des nephelo- metrischen Verfahrens.

Wenn Licht eine Suspension durchsetzt, so wird ein Teil an den suspendierten Partikeln in allen inöglichen Richtungen reflektiert, wodurch der ursprüngliche Lichtstrahl entsprechend

‚geschwächt wird. Entsteht nun in einer ursprünglich klaren Lösung eine kleine Menge eines

suspendierten Niederschlages, so wird dadurch ein die Lösung darchsetzender Lichtstrahl uur wenig geschwächt werden, seine Intensität wird um einen nur verhältnismäßig kleinen und daher schwer zu bestimmenden Bruchteil abnehmen, wodurch die Beurteilung von Trübungen in durchfallendem Licht sehr mangelhaft wird. Anders ist es aber mit der Intensität des diffus reflektierten Lichtes. Diese wird von Null, bei der klaren Lösung, auf einen end- lichen Wert ansteigen, sich also relativ stark ändern. Mit einer Versuchsanordnung, bei der kein Licht, das die ursprünglich klare Flüssigkeit durchsetzt, ins Auge gelangt, kann man die geringsten Mengen eines suspendierten Niederschlages durch Aufhellung des Bildfeldes erkennen; Richards und Wells!) waren so imstande, durch ihr auf dem angegebenen Prinzip konstru- iertes Nephelometer Niederschläge von der Konzentration von 1 mg im Liter der suspen- ‘dierenden Lösung quantitativ zu bestimmen.

Wir haben nun einen einfachen Apparat konstruiert, der es gestattet, die nephelo- metrische Bestimmung des in der zersetzten Ederschen Lösung suspendierten HgCl in einfachster Weise auszuführen. Das vom Niederschlage reflektierte Licht wird ent- weder optisch oder durch seine Einwirkung auf eine hochempfindliche Selenzelle gemessen, so daß auch hier die verabfolgte Strahlendosis, nicht bloß die jeweilige Intensität an einem Zeigerinstrument, abgelesen werden kann., Die ausführliche Arbeit wird folgen.

Wien, am 13. XI. 1915.

1) Americ. Chemical Journal. Vol XXXI, 1904, S. 235/243.

ee nn ee PAREEN

XXIII, 5. Das neue Zentral-Röntgeninstitut des Bürgerspitals Straßburg i. Els. 458

7 ee 4 =

! N

0 e er. 4 tt?

Das neue Zentral-Röntgeninstitut des Bürgerspitals Straßburg i. Els.’) | Von Dr. Hans Dietlen.

Das Straßburger Bürgerspital, dessen Verwaltungsbetrieb nicht nur die’ städtischen, nicht klinischen Abteilungen, sondern auch die sämtlichen Universitätskliniken umfaßt, ist im Laufe der letzten Jahre bedeutend erweitert worden und wird nach Abschluß der ganzen Neubau- periode zirka 2400 Betten umfassen. Im Rahmen dieser Erweiterung ist auch ein Zentral- Röntgeninstitut entstanden, das im Mai 1914 eröffnet wurde. Dieser Bau entsprang dem Be- dürfnis, in einem so umfangreichen Krankenhaus ein neuzeitlich eingerichtetes und nach Mög- lichkeit stets auf der Höhe der Technik bleibendes Institut zu haben, das unter Leitung eines Fachmannes stehend allen Anforderungen der verschiedenen Krankenabteilungen in diagnostischer und therapeutischer Hinsicht gerecht werden konnte. Es sollte also einerseits den Abteilungen dienen, die keine eigenen Röntgenapparate besitzen (Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkranke, für Augenkranke, für Nerven- und Geisteskranke, Abteilung für chronisch Kranke und Hebammen- schule), andererseits die mit Apparaten bereits versehenen entlasten und bei Unzuläuglichken ihrer eigenen Einrichtungen unterstützen,

. Dem Bauprogramm folgend und, um wenigstens mit einem Teile des weitausgedehnten Spitals in engster Verbindung zu salen, wurde die neue Anstalt durch eine Straßenüberführung der neuen medizinischen und chirurgischen Abteilung angegliedert. Kranke aus diesen Abtei- lungen mit zusammen 450 Betten können direkt, ohne ins Freie zu müssen, auch in Betten zur Röntgenabteilung gebracht werden. Im übrigen ist die Lage. des Gebäudes eine annähernd zentrale innerhalb der umfangreichen Spitalanlage.

Der zu erwartenden weiteren Entwicklung der Röntgenologie Rechnung tragend, konnte das Institut durch das verständnisvolle Entgegenkommen des Verwaltungsrates nach Größe und Zahl seiner Räume und in seiner Ausstattung in großem Maßstabe. angelegt werden.

Im Erdgeschoß des Röntgenhauses befinden sich Wohnräume für Assistenten und Ge- hilfinnen, für einen Diener und eine Hausmeisterwohnung. Die eigentliche Röntgenabteilung im Obergeschoß umfaßt folgende Räume, deren Anordnung aus Abb:”1 zu ersehen ist.

1. Plattenarchiv-Zimmer. 7. Entwicklungszimmer. 2. Zimmer des leitenden Arztes. 8. Platteneinlegeraum. 3. Vorzimmer. 9. Laboratorium. 4. Behandlungszimmer. 10. Küche. 5. Untersuchungszimmer. 11. Vorplatz ‚und Korridor. 6. Vorraum (Verstärken, Abschwächen, Ab- 12. Aborte.

stellraum).

Der große Vorplatz Nr. 11 dient als Warteraum und enthält außer Bänken 4 Auskleide- zellen, die gegen den übrigen Warteraum durch einen Vorhang abschließbar sind. Für Patienten der höheren Klassen und Kollegen dient das Vorzimmer Nr. 3 als Warteraum, das außerdem auch als Schreibzimmer Verwendung findet.

Die Räume 4—9 sind verdunklungsfähig. Zimmer Nr. 6 wirkt als eine Art Lichtschleuse zwischen Untersuchungs- und Entwicklungszimmer, so daß man zwischen beiden verkehren ‚kann, ohne ans Tageslicht zu kommen. Vom Platteneinlegeraum Nr. 8 kann man sowohl durch Raum 7 und 6 im Dunkeln wie auch durch den Vorraum Nr. 11 ins Untersuchungs- zimmer gelangen.

1) Die Mitteilung ist im Juli 1914 geschrieben, blieb jedoch infolge des Krieges liegen.

ee a ey oe. ie Ae ee ee a ae P tas TE PRESSE SEE: nn oo ‘tF $ POREN Fa ae ' = ot 3 paa

454

Vergrosserungs- Apparat

MAY.

LEE Z Sthauplat/p

MEME

_ +e ——

| _ A $ Tgphö sleid iihi Kahrdater 7 È S piedad Sr u Sishach für Auto N | 2 t 7 Q A Direktor- | AN ZZ (J f | . Zimmer. ; Atado eisen. Schaitlisch i 5% Therapie v. elektr. Therapie ig: ti E [7p] ocmem . IN | EE ETE ee Untersuchungs-v Röntgen- EA Arber I re Zimmer ee eR: p |

Rieder Stutzwano

rihadiagrapn Orthod agrap

Abbildung 1.

77T

° t

D

. 1 i 'l

| f è [ e a’

e.

~~ Der a wi. á : s v A us

SER- R (eC XXTII, 5. Das neue Zentral-Röntgeninstitut des Bürgerspitals Straßburg i. Els. 455 wt a a » =- pa ze ; i:

a a

ahi .

Abbildung 2. 4 ae vo > ry Ta

.

t

Si t a re Ve edit.

FE Bar: b a? veeru Lae

nie

pa yi

a u

i - S&S n i t Vr ne r, L - . A u ` à { J $ > +“ ` j > à te i X pre ', ar . - A - di a à; ! PE * r 2.2 n \ E:

$ | ( am. a Dae + ee) , . '

»

pia y r ash vesd Niet She de

Das Untersuchungszimmer Nr. 5 (Größe: 8 >< 8%/,) ist mit folgenden Apparaten aus-

gestattet, deren Anordnung Abb. 1 zeigt. | | 1. Universalinduktor von Rosenthal, angeschlossen an 250 und 125 Volt Gleich- DE x

strom, ausgestattet mit einem Satz elektrolitischer Unterbrecher, die oberhalb des Raumes auf

“Ent,

© mew we u eo- e H

Fr eaan

456 he u Dietlen. XXIII, 5.

dem Speicher aufgestellt "sind. Zur Verständigung beim Einregulieren und etwa notwendigem Nachstellen der Anodenstifte dient ein Sprachrohr, das Untersuchungszimmer und Speicher verbindet. |

Vorhanden sind, getrennt in einzelnen großen Glasgefüäßen mit gemeinsamer Kathoden- leitung: 3 einzelne Simonunterbrecher für Durchleuchtung und Therapie mit 125 Volt; 1 Simon- unterbrecher, eingestellt auf 250 Volt >< 20 Ampere, 1 Wehneltunterbrecher, eingestellt auf 125 Volt x 30 Ampere beide gleich gut für Schnellaufnahmen mit 10—25 Milliampere verwendbar; ferner 3 parallel geschaltete Wehneltstifte 4 20 Ampere bei 250 Volt, die bei etwa 12 cm paralleler Funkenstrecke des Induktors eine sekundäre Maximalleistung von 250 Milliampere geben. Der Schalttisch ist mit einem einfachen Hebelschalter und mit einem Automatenschalter für 10 bis etwa '/,, Sekunden, sowie mit einer Vorrichtung für Blitz- patronen ausgestattet.

Die verschiedenen Schaltungsmöglichkeiten scheinen auf den ersten Blick ein kompli- ziertes Arbeiten zu bedingen, lassen sich jedoch bei einiger Übung leicht beherrschen und bieten den großen Vorteil, mit einem Apparat wirklich alles, auch langdauernde Bestrahlungen, leisten zu können.

2. Hochspannungsgleichrichter von Siemens & Halske von 12 Kilowattleistung, mit Zusatzeinrichtung für Einzelschlagaufnahmen.

Beide Apparate können durch einen Umschalter (U auf Abb. 2) mit einer einfachen Zugvorrichtung (in der Ecke E) an die pemetnsane Hochspannungsleitung (H) ange- schlossen werden.

Diese ist vom technischen Bureau Straßburg der Firma Siemens & Halske in folgen- der Weise ausgeführt worden. Über dem Induktor und Gleichrichter laufen durch die ganze Länge des Zimmers parallel im Abstand von 50 cm 2 isolierte Drähte (U auf Abb. 2 und d, auf Abb. 3), die durch i, ` den erwähnten Umschalter sowohl mit

den Polen des Induktors wie des Gleich-

richters in Verbindung gebracht werden

können. Senkrecht von diesen beiden

Zugrorrichtung Hauptleitungen abgehend führen 4 Paare isolierter Drähte (d,) zu 4 Deckenschal- tern, die die Hochspannung zu den 4 PR qui gi ait! Hauptverbrauchsstellen (Orthodiagraph, ae Wenckebachstativ, Riederstativ und Kom-

Azum/aduktar, pressionsblende bzw. Trochoskop und Ao Lambertzstativ) in den parallelen Drähten RE d, überführen. Die Anordnung der 4 Schalter geht aus Abb. 3 hervor. Ein

von der Decke durch Porzellan-Isolatoren

(@,) isolierter Holzrahmen trägt 4 Holz-

stäbe (¢,) mit Messingköpfen. Das hintere

Paar derselben ist durch die Drähte d,

dauernd mit der Hauptleitung d, ver-

bunden. Das vordere Paar trägt in Drehgelenken Messingstäbe (m), die unter sich durch einen isolierenden Hartgummistab (s) verbunden sind. Durch eine einfache Zugvorrichtung, die über Rollen an der Wand zur Ecke E läuft und deren Spannung durch eine eingeschaltete Spirale sp gewährleistet wird, werden die Messingstangen m mit ihren federnden Enden an die Kontakt- köpfe der hinteren Isolierstäbe (¢,) angelegt. Die Verbindung der Hochspannung mit der Röhre ist dann durch die Drähte d, und d, hergestellt oder wird durch einfaches Nachlassen

=e

Ri ahii -~ eS R TERRA CORRELL ROR OMIT RNENT CRs Cha?) | Os Pen

|

Abbildung 8.

XXIL5 Das neue Zentral-Röntgeninstitut des Bürgerspitals Straßburg i. Els. 457

der Zugvorrichtung wieder unterbrochen. Dabei ist durch eine einfache Anordnung der in der Ecke E des Zimmers mit Einhängeringen endigenden 4 Zugvorrichtungen Sorge getragen, daß stets nur eine einzige Verbindung zwischen Induktor oder Gleichrichter mit einer Röhre her- gestellt werden kann. Das versehentliche Anschließen von gleichzeitig 2 Röhren ist vollkommen ausgeschlossen. l

Die geschilderte Art der Hochspannungsverteilung mag auf den ersten Blick durch die Menge der langen Drahtleitungen unübersichtlich erscheinen, ist aber im Gebrauch sehr einfach; in wenigen Sekunden ist die gewünschte Verbindung hergestellt. Das zeitraubende und unbequeme Führen der Zuleitungsdrähte zur Röhre mit Rollkabeln oder anderen stets wieder zu improvisierenden Hilfsvorrichtungen fällt vollkommen weg. Auch die anfangs von einigen Seiten geäußerten Bedenken, daß die vielen und langen Hochspannungsleitungen zur Entstehung störender Herzscher Schwingungen Anlaß geben könnten, haben sich als unbe- gründet erwiesen. Bei sebr harten Röhren treten Störungen ein, die aber auch nicht größer sind, als ich sie früher bei anderen ganz kurzen Hochspannungsleitungen beobachtet habe.

Besonders hervorzuheben ist noch, daß sämtliche durch den ganzen Raum ziehenden Drahtleitungen durch etwa meterlange nichtleitende starke Seidenschnüre von den Mauern isoliert sind. Diese Schnüre sind außerdem doppelt vorgesehen, zum Schutz gegen allenfalls eintreten- des Reißen einer Verbindung und die dadurch gegebene Möglichkeit eines unerwünschten Kon- taktes. Die sämtlichen Drähte sind außerdem stark umsponnen mit Ausnahme eines Stückes der zur Kompressionsblende führenden Leitung, das Rollkabel trägt. | 3. Horizontal-Orthodiagraph nach Moritz.

4. Durchleuchtungsstativ nach Rieder.

5. Durchleuchtungs- und Aufnahmestativ nach Wenckebach (wird vorwiegend zu genau eingestellten Magen-Darm- und Herzaufnahmen, namentlich auch zu Fernaufnahmen!) und in schrägen Durchmessern benutzt; eignet sich ausgezeichnet für stereoskopische ‚Aufnahmen, die im Sitzen ausgeführt werden können, z. B. Schädel, Schulter).

6. Kompressionsblende, kombiniert mit Untertischréhre (Trochoskop) nach Rosenthal.

Diese Vereinigung hat sich sehr bewährt, ganz besonders bei der Untersuchung Schwer- verwundeter. Wenn Art und Sitz der Verletzung nicht genau bekannt sind, wird zuerst eine orientierende Trochoskopdurchleuchtung vorgenommen. Bei der folgenden genau zentrierten Aufnahme kommt man dann häufig mit einem kleinen Plattenformat aus. Auch für, das orientierende Suchen nach Fremdkörpern ist die Trochoskopuntersuchung sehr wertvoll.

7. Aufnahme. Wandstiitzbrett nach Rieder.

8. Stereoskopischer Fallapparat (Polyphos).

9. Bioröntgenograph (Polyphos), eingerichtet für 18 Kassetten 24 >< 30.

Nr. 6—9 werden mit einem fahrbaren Lambertz-Stativ bedient.

Von kleineren Hilfsapparaten im Untersuchungszimmer seien noch erwähnt: Schreibtisch, große Bleikiste für Tagesvorräte an unbelichteten Platten, fahrbare kleine Insleumenlentische, Telephon mit Stadtanschluß, Wandtafel für Notizen und Demonstrationen.

Die Aufstellung der stromerzeugenden Apparate mit ihren Schalttischen an der einen, der Untersuchungsapparate an der anderen Längswand des Raumes, die einen breiten Mittel- gang zum Einfahren von Bahren und Betten und für Demonstrationen an den Durchleuchtungs- apparaten freiläßt, hat sich gut bewährt. Durch die große Entfernung der Schalttische von den Röhren (durchschnittlich mindestens 4—5 m), die außerdem durchwegs in dichten Schutz- kästen untergebracht sind, ließ sich auch die Aufstellung eines Schutzhauses oder einer Schutz- wand umgehen.

So sehr ich deren Notwendigkeit sonst, namentlich in kleinen Untersuchungsräumen, be- fürworte, so umständlich erscheint mir ihre Verwendung in Betrieben, die vorwiegend oder

1) Vgl. Münchn. med. Wochenschr. 1913, Nr. 32. Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 58

FR audi re.

ee N

r ne eo not $ / a

‚tr

4 ween. nn re

` fe e

458 Dietlen. XXIII, 5.

wenigstens großenteils internistischen Zwecken dienen. Auf möglichst große Ausmaße des Untersuchungsraumes lege ich außerdem auch aus anderen hygienischen Gründen größten Wert. Die kleinen „Röntgenkabinette“, in denen ein einigermaßen gesundheitsgemäßes Arbeiten aus- geschlossen ist, sollten allmählich verschwinden.

Übrigens wurde durch geeignete Versuche der Nachweis geliefert, daß bei der getroffenen Anordnung eine Schädigung des Personals nicht zu befürchten ist.

Das Beinen mme ist mit folgenden Apparaten von Reinigen Gebbert & Schall ausgestattet:

1. Apex-Instrumentarium mit Gasunterbrecher und Khythmeur, angeschlossen an 250 V, Gleichstrom.

2. Bestrahlungstisch mit Beinstützen nach Gauß.

3. Abdominal-Bestrahlungsstativ.

4. Stativ mit Flaschen für fließende Wasserkühlung.

5. Diathermieapparat mit Zusatzeinrichtung für 2 weitere Stromkreise.

6. Hochfrequenzapparat nach d’Arsonval mit großem Solenoid, der durch den Apex- Induktor gespeist wird. Das Solenoid für sich kann auch durch den Diathermieapparat ge- speist werden.

Der Schalttisch für den Köckgenen part ist hinter einer großen Schutzwand mit Bleiglas- fenster untergebracht, an der auch die Reguliervorrichtungen für die Osmium-Gas-Fernregulierung der Röntgen- und Ventilröhren angebracht sind. Die Ablesung des Fürstenauschen Intensi- meters und Bauerschen Qualimeters kann ebenfalls hinter der Schutzwand vorgenommen werden.

Bei der Einrichtung des Behandlungszimmers wurde, namentlich im Interesse der Ge- hilfinnen, ebenfalls auf möglichst großen Luftraum (Bodenfläche 6x 7!/,) und auf möglichste Helligkeit 3 große Fenster nach Süden Rücksicht genommen. Die an das Untersuchungs- zimmer anstoßende Lage gestattet ein häufiges Überwachen der Bestrahlungen, die im allge- meinen durch Gehilfinnen ausgeführt werden, durch den leitenden Arzt oder dessen Assistenten.

Die Einrichtung eines eigenen kleinen Platteneinlegeraumes wurde getroffen, um die Vorräte an Platten, Papieren, Kassetten, Verstärkungsschirmen usw. vor den unvermeidlichen Beschädigungen im Entwicklungszimmer zu schützen. Die belichteten Platten werden in diesem Raum aus den Kassetten genommen, in Pappschachteln gelegt und dann erst ins Ent- wickelungszimmer gebracht. Diese Vorsicht hat sich bis jetzt gut bewährt.

Raum Nr. 9 (Laboratorium) dient der Besichtigung, Etikettierung und Registrierung der fertigen Platten. Er besitzt ein großes Mattglasfenster gegen Norden, vor dem verstell- bare Schienen zum Aufstellen der Platten angebracht sind. An diesem Fenster, das auf eine beliebige Größe abgeblendet werden kann, werden auch die Verkleinerungen für Diapositive mit einer photographischen Kamera ausgeführt. Das Zimmer enthält ferner Plattenschränke und Beleuchtungskästen mit künstlichem Licht, die auf einer optischen Bank montiert auch zur Betrachtung stereoskopischer Platten dienen.

Die registrierten Platten bleiben einige Wochen in diesem Arbeitsraum, bis sie von den Abteilungen voraussichtlich nicht mehr benötigt werden. Später werden sie in dem Platten- archiv Zimmer Nr. 1 untergebracht. Dieses enthält außer großen Schränken noch einen großen Plattenschaukasten, ausreichend für 6 Platten 40 >< 50cm. Seine besondere Konstruktion soll in einer späteren besonderen Mitteilung beschrieben werden. |

Zum Aufstellen von Negativen sind schließlich an Fenstern des langen Korridors noch große Mattscheiben mit verstellbaren Schienen ausreichend für je 6 Platten 40°>< 50 oder ca. 30 Platten 18 >< 24 angebracht. Die Scheiben sind an Drahtseilen aufgehängt, die über Rollen laufen, und durch Gegengewichte ausbalanciert, so daß sie in der Höhe verstellt werden können. Die Einrichtung ermöglicht es, größere Aufnahmeserien, z. B. von fortlaufenden Magen-Darm- Untersuchungen längere Zeit zur bequemen Besichtigung für die Kollegen der Abteilungen aufgestellt zu lassen.

XXIII, 5. Otto Hesse +. Correspondenz. | 459

Die ganze Anlage hat durch verständnisvolles Eingehen der Architekten auf die ver- schiedenen Wünsche des Leiters der Anstalt, der von Anfang an bei der Ausarbeitung der Pläne beteiligt war, eine praktische Raumlösung und dabei ein gefälliges, auch den Nicht- fachmann befriedigendes Aussehen gewonnen. Sie hat sich bisher im großen und ganzen so- wohl, wie in den meisten Einzelheiten gut bewährt. Etwa notwendig werdende Erweiterung läßt sich durch Hinzunahme des Erdgeschosses mit verhältnismäßig geringen Mitteln erreichen.

~

Otto Hesse 7.

Heute traf mich die Trauerkunde, daß der frühere Assistent der med. Universitätspoliklinik in Bonn, Dr. Otto Hesse, am 27. November 1915 in seinem Elternhause in Lüneburg ver- schieden ist. Der Würgengel der Tuberkulose hat auch ihn dahingerafft. Ein aufstrebender - Mann, reich begabt, ungewöhnlich fleißig, von unermüdlichem Wissensdrang erfaßt, ist vorzeitig ins Grab gesunken. Er wollte sich kurz vor dem Kriege in Bonn habilitieren, als die tückische Krankheit ihn aufs dauernde Krankenlager warf. Bereits als Student war er im Verwornschen Institute in Göttingen mit Erfolg tätig; er kam während seiner Praktikantenzeit nach der Bonner Med. Poliklinik. Dort arbeitete er sich ungewöhnlich schnell ein und bekam großes Interesse für die Röntgenkunde. Seine wertvollen Studien zur Röntgendiagnostik des Magens und Darms, über die Thoracaltumoren, vor allem aber seine treffliche Monographie über das Röntgenkarzinom, in welcher er auf Grund der von mir beobachteten Fälle und einer wohl fast vollständigen Kasuistik die Symptomatologie, Pathogenese und Therapie dieser Berufskrankheit festlegte, sichern ihm in wissenschaftlichen und ärztlichen Kreisen ein dankbares Gedenken. Auf meinen Rat ging er als Assistent zu meinem im Januar 1915 dem Flecktyphus erlegenen, unvergeBlichen Freunde, Prof. Jochmann, an die Infektionsabteilung des Rudolf Virchow- Krankenhauses, später als Volontär zu dem Pharmakologen Magnus nach Utrecht und wiederum als Assistent zu Prof. Zinn an die innere Abteilung des Krankenhauses Moabit in Berlin. Von dort wurde er während des bulgarisch-türkischen Krieges nach Sofia in die Choleralazarette geschickt. Überall hat er unermüdlich fleißig, praktisch wie wissenschaftlich, gearbeitet. Alle, welche Otto Hesse näher kannten, werden den frühen Tod dieses trefflichen Mannes aufrichtig bedauern: er starb im 29. Jahre seines reichen und reicheres versprechenden Lebens. Ehre seinem Andenken! Spa, 3. XII. 1915. Dr. Paul Krause (Bonn), z. Zt. Oberstabsarzt d. R. u. Chefarzt des Kais. Militär-Genesungsheims in Spa (Belgien).

Correspondenz’).

Die Reiniger, Gebbert & Schall A.-G. hat eine eigene Strahlenforschungsstelle in München ins Leben gerufen, durch welche alle Laboratoriumsarbeit kontrolliert wird und die für alle Veröffentlichungen der Mitarbeiter die wissenschaftliche Verantwortung zu tragen hat. Als Leiter wurde der durch seine Arbeiten auf dem Gebiete der medizinischen Physik bekannte Dr. med. und phil. Th. Christen, bisher Privatdozent in Bern, berufen. Als ein Bestandteil der Neugründung wird auch das unter der Leitung des Herrn Oberingenieur Friedrich Janus in München bestehende wissenschaft- liche Laboratorium weiter bestehen.

1) Seitens der Redaktion der Fortschritte auf dem Gebiete der“ Röntgenstrahlen ist eine Aus- kunftsstelle für alle auf die Anwendung der Röntgenstrahlen sich beziehenden Angelegenheiten ein- gerichtet worden. Fragen medizinischer, physikalischer oder technischer Art werden beantwortet und, soweit dieselben von allgemeinem Interesse sind, unter dieser Rubrik publiziert. Alle Anfragen sind direkt an die Redaktion Prof. Dr. Albers-Schönberg, Klopstockstr. 10, Hamburg, zu richten.

58*

Te ge T à Pr} shee, 5

ee ee oe

460 Bücherbesprechung. Internationale Fachliteratur. XXIII, 5. - a Biicherbesprechung.

Albers-Schönberg, Seeger, Lasser: Das neue Röntgenhaus des Allgemeinen Kranken- haus St. Georg-Hamburg, errichtet 1914/15. Verlag von Leineweber, Leipzig. Das neue Röntgenhaus ist das Ergebnis langjähriger Erfahrungen, welche Albers-Schönberg

_ teils in seiner Tätigkeit in Privatlaboratorien, teils im Krankenhausdienst gesammelt hat.

Die bauliche Ausführung dieser Ideen hatte Baumeister Seeger übernommen. Durch eingehende Studien der Probleme, welche Technik, Schutzmaßregeln und Hygiene eines großen Institutes, dem Archi- tekten zu lösen geben, hat Seeger sich zu einem Spezialisten des Röntgenbaufaches, eines neuen Zweiges des Krankenhausbaues, entwickelt. Es ist mit besonderer Freude zu begrüßen, daB zu der Zeit, in welcher die Röntgenologie aus dem Stadium der Laboratoriumsausübung in das Stadium des technisch organi- sierten Maschinenbetriebes übertritt, sich unter den Vertretern des Baufaches ein Mann gefunden hat, der die bauliche Ausgestaltung zu seiner Aufgabe machte, und von dem wir in Zukunft auf diesem Gebiet noch viele neue Anregungen erwarten können.

Die röntgen-technische Einrichtung wurde unter Leitung und nach den Angaben von Oberingenieur Lasser (Siemens & Halske) entsprechend den Wünschen des Institutsleiters Prof. Albers-Schönberg ausgeführt.

Neue, bisher noch nicht verwirklichte Ideen wurden mit Erfolg in die Praxis umgesetzt. Es sei hier nur an die Zentrierung der Kraftquellen, an die horizontale Teleröntgenographie und die durch ein Blockierungssystem gesicherte Hochspannungsanlage erinnert. Die großen Erfahrungen der Firma Siemens & Halske ermöglichten es Lasser, die elektrisch-technischen Vorkehrungen und Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze von Personen und Apparaten erstmalig so zu treffen, wie sie vom Verbande deutscher Elek- trotechniker für Hochspannungsanlagen vorgeschrieben worden sind.

Das neue Institut dient neben den praktischen diagnostischen und therapeutischen Anforderungen des Krankenhausdienstes auch in weitgehendem Maße den Lehranforderungen und der Forschung auf dem Gebiet der Gesamtréntgenologie. Ein Museum, in welchem dauernd Hunderte von wissenschaftlichen Röntgenogrammen ausgestellt sind und welches auch historische und technische Gesichtspunkte beriick- sichtigt, ist dem Institute angegliedert worden.

Internationale Fachliteratur.

a) Vereine und Kongresse.

Arztl. Verein Hamburg. 2. XI. 1915.

Saenger demonstriert ein 33jähriges Mädchen, welches 1912 einen Gelenkrheumatismus durch- gemacht hatte. 1913 wegen Kreuzschmerzen und verschiedenfach wechselnder Beschwerden, die einen hysterischen Eindruck gemacht hatten, 1 Jahr lang in Krankenhausbehandlung. Kam am 28. August 1914 ins Allg. Krankenhaus St. Georg. Klagen über Schmerzen in Kopf und Nacken; lahmes, unsicheres Gefühl in den Beinen. Die Differentialdiagnose schwankte zwischen multipler Sklerose, Kompressions- myelitis und Tumor spinalis. S. entschied sich für letzteren und lokalisierte die Rückenmarksgesch wulst in der Höhe des 5. Brustwirbels, wo Ringel ihn bei der Operation am 7. Oktober 1914 fand. Nach Spaltung der Dura quollen dunkelrote, weiche schwammige Massen hervor. Dieselben erstreckten sich bis in die Rückenmarkssubstanz hinein und konnten daher nur im extramedullären Teil entfernt werden. Die Dura wurde mittels Catgut sorgfältig verschlossen. Für die Diagnose eines Rückenmarkstumors sprach 1. die Entwickelung, 2. das neuralgische Vorstadium, 3. die lokale Schmerzhaftigkeit und Steifig- keit des oberen Teils der Brustwirbelsäule, 4. vor allem der Liquorbefund, a) die Eiweißvermehrung der Lumbalflüssigkeit, b) die Gelbfärbung des Liquor. Nach der Operation besserten sich die Schmerzen im Nacken und in der oberen Brustwirbelsäule; ferner die krampfhaften Zusammenziehungen der Beine. Dagegen stellte sich eine völlige Lähmung der Beine mit Sensibilitätsverlust (die auch schon vor der Operation da war) ein. Da nun die Prognose angesichts des vorhandenen intramedullären Tumors (Neu- roepithelioma gliomatodes) sehr ungünstig war, wurde die Patientin vom 4. Januar 1915 bis heute im Röntgeninstitut St. Georg nach den Angaben von Albers-Schönberg in viertägigem Turnus mit dar- auffolgender Behandlungspause von 14 Tagen bestrahlt. Der Erfolg dieser Behandlung war überraschend. Jetzt kann die Patientin nicht nur allein im Saal umhergehen, sondern sogar Treppen steigen, wenn sie unterstützt wird. Das Allgemeinbefinden ist gut; die Schmerzen haben nachgelassen und Patientin will nächstens das Krankenhaus verlassen. Es stellt somit dieser Fall nicht nur ein glänzendes Operations- resultat dar, sondern zeigt auch die ausgezeichnete Wirkung der Röntgenbehandlung bei einer sicher

konstatierten intramedullären Rückenmarksgesch wulst. (Nach Hambg. Ärzte-Korresp. Nr. 46.)

XXIII, 5. Internationale Fachliteratur. 461

Wissenschaft], Abend im Allg. Krankenkaus St. Georg, Hamburg. 15. X. 15.

Albers-Schönberg führt die neue Lilienfeldröhre im Betrieb vor und erklärt ihre Konstruktion. Die in der Literatur bisher niedergelegten Tatsachen, durch die sich das Lilienfeldrohr von den übrigen Typen unterscheidet, haben sich bewahrheitet. Wir besitzen im Lilienfeldrohr einen neuen Typ, der im Gegensatz zu der unsicher zu handhabenden und kurzlebigen alten Röhre erstmalig einen zuverlässig arbeitenden, Röntgenstrahlen erzeugenden Apparat von scheinbar sehr großer Lebensdauer darstellt. Die Möglichkeit, schnell und mit vollendeter Sicherheit jeden beliebigen Härtegrad einstellen und halten zu können, ist von ausschlaggebender Bedeutung für die Superiorität des Rohres, da nunmehr alle Arten von Aufnahmen ohne Röhrenwechsel ununterbrochen und in beliebiger Reihenfolge gemacht werden können. Diese Eigenschaften der Lilienfeldröhre sind von so großem praktischen und theoretischen Wert, daß man die Erfindung Lilienfelds zu den allerbedeutendsten Fortschritten seit Beginn der Röntgenära zählen kann. Von nicht geringerer Wichtigkeit ist die finanzielle Seite der neuen Erfindung. Die Röhrenabnutzungskosten, welche wohl den Hauptunkostenbetrag eines Röntgeninstituts darstellen, werden bei Benutzung der Lilienfeldröhre außerordentlich zusammenschrumpfen. Während man früher,

_ um allen Aufgaben der Diagnostik zu entsprechen, genötigt war, zahlreiche Röhren verschiedener Quali-

täten auf Lager zu halten, genügt jetzt ein Exemplar. In kürzester Zeit werden sich die Installations- und Röhrenanschaffungskosten amortisieren, so daß der Röntgenbetrieb, was Röhrenabnutzungskosten angeht, tatsächlich billig werden wird.

b) Journalliteratur. | Literatur über die Lilienfeldröhre von 1906 bis Dezember 1915.

Die Lilienfeldröhre ist das Ergebnis von Untersuchungen über die Entladung im extremen Vakuum. Über diese Untersuchungen liegen Publikationen vor, deren Reihe im Jahre 1906 ihren Anfang nimmt. Die von diesem Jahre an bis 1910 erschienenen Veröffentlichungen sind, mit neuen Ergebnissen, zu- sammengefaßt und veröffentlicht worden von:

1. J. E. Lilienfeld: „Die Elektrizitätsleitung im extremen Vakuum‘. Ann. d. Phys., vierte Folge. Bd. 32, S. 673—738 (1910).

Das hauptsächlichste, für die Möglichkeit der Schaffung einer technisch absolut zuver- lässigen, konstanten Röntgenlichtquelle grundlegende Resultat dieser Arbeiten ist die Fest- stellung der Tatsache, daß, wenn man einen genügend hohen Verdünnungsgrad des Gasinhaltes unterschritten hat, die Entladung ganz unabhängig von dem Gasdrucke wird. Also: Es ist dann gleichgültig, ob die Gasdichte unterhalb dieser Grenze um einen beliebigen Betrag noch weiter abnimmt oder nicht. Von theoretischem Wert sind die experimentell gefundenen und mathematisch behandelten Gesetze, denen zufolge, je nach der Elektronendichte, der Ent- ladungsstrom entweder mit der 3/2 oder mit der 2. Potenz des Potentialgefälles zunimmt.

Nachdem am 18. Dezember 1911 eine auf jenen Erkenntnissen fußende Röntgenröhre mit Hilfe eines improvisierten Instrumentariums der Biolog. und Mediz. Gesellschaft zu Leipzig vorgeführt wurde, wurden die mit diesem provisorischen Instrumentarium erzielten Ergebnisse veröffentlicht in der Arbeit:

2. Dr. J. E. Lilienfeld und Dr. W. J. Rosenthal: Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgen- strahlen, Bd. XVIII, S. 256—263 nebst Tafel XVII (1912). Diese Arbeit enthält die Darlegungen des Prinzips; die ersten mit der Röhre gesammelten Erfahrungen; sowie die Wiedergabe einiger Aufnahmen. Daraufhin wurde das Instrumentarium technisch ausgebaut. Über die damit gemachten Erfahrungen berichteten die Herren: 8. Heineke und Rosenthal am 17. Dezember 1912 in der Mediz. Gesellschaft zu Leipzig. Das Instrunfentarium wurde dabei vorgeführt. Offizieller Bericht in der Münch. med. Wochenschrift Nr. 7 (1913). Ferner wurde dieses verbesserte Instrumentarium, die Erfahrungen, sowie einige Aufnahmen ver- öffentlicht durch: 4. W. J. Rosenthal: „Die Lilienfeldsche Röntgenröhre‘. Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen. Bd. XX, S. 458, Tafel XXII (1913). l Parallel mit diesen Publikationen erfolgten weitere Untersuchungen auf dem Gebiete der Entladung im Hochvakuum. Die Zusammenfassung der hauptsächlich die früheren für ein noch viel weiter aus- gedehntes Gebiet der Druckerniedrigung bestätigenden Arbeiten ist gegeben durch: 5. J. E. Lilienfeld: „Die Elektrizitätsleitung im extremen Vakuum“. Ann. der Phys. Vierte Folge, Bd. 43, S. 24—46. In dieser Arbeit ist auch eine neue mathematische Darstellung der Erscheinungen gegeben.

* B nun ho, te

462

Internationale Fachliteratur. XXIII, 5.

Durch diese Arbeiten wurde eine Verbesserung der Röhrenform veranlaßt:

6.

J. E. Lilienfeld: „Eine von der Erhöhung des Zündpotentials freie Réntgenréhre*. Bericht der math. Phys. Klasse der Kgl. Sachs. Gesellschaft der Wissenschaft zu Leipzig. (XVI. Bd., S. 76—79, enthält eine kurze Mitteilung über diese Verbesserung.)

Praktische Erfahrungen hiermit, sowie eine ausführliche Beschreibung der Röhre und der ganzen, zum Teil verbesserten Apparatur brachte:

7.

Holzknecht zuerst in der K. K. Gesellschaft der Arzte in Wien in der Sitzung vom 30. April 1915. Vgl. offizielles Protokoll in der Wiener klin. Wochenschrift 1915, Nr. 18.

Daran anschließend die Publikation: | Prof. Dr. Holzknecht, Dr. H. Wachtel, Math. C. Weißenberg, Ing. R. Mayer: „Die gas- freie Röntgenröhre nach J. E. Lilienfeld“. Münch.. med. Wochenschrift 1915, Nr. 25, S. 837—841. i

Vom elektrotechnischen Standpunkt aus findet man das Thema behandelt bei:

9.

Prof. F.J. Koch: „Die Röntgenröhre nach Dr. J. E. Lilienfeld“. Fortschritte auf dem Ge- biete der Röntgenstrahlen, Bd. XXIII, S. 1—8 (1915).

Das Verhältnis zu der inzwischen veröffentlichten Coolidgeröhre findet man dargelegt in:

1.

J. E. Lilienfeld: „Erwiderung auf die Veröffentlichung von Dr. W.D. Coolidge: Röntgen- röhre mit reiner Elektronenentladung“. Fortschritte auf dem Gebiete der Réntgenstrahlen, Bd. XXL, S. 418—420, 1915.

Auf das gleiche Thema gehen folgende drei weiteren Veröffentlichungen von J. E. Lilien-

feld ein: 11.

12

13.

14.

A reply to Mr. W. D. Coolidges paper: „A powerful Röntgen Ray tube with a pure Electron- Discharge“. Physical Review III, Nr. 5, S. 366 (1914).

A reply to Mr. Irving Langmuirs paper: „The Effect of space charge and residual gases on Thermionic currents in high Vacuum“. Physical Review III, Nr. 5, S. 364—365 (1914).

Entgegnung auf die Arbeit: „Thermionenströme im hohen Vakuum“ von Irving Langmuir. Phys. Zeitschrift XV, Seite 744—746 (1914).

J. E. Lilienfeld: „Zur Verteilung der Fluoreszenz auf der Glaswand der Röntgenröhre“. Fort- schritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen XXIII, 4, Seite 888—385 (1915).

Diese Arbeit behandelt das aus dem Titel ersichtliche Thema und gibt insbesondere Er- klärungsmöglichkeiten für die Abwesenheit der sekundären und reflektierten Kathodenstrahlen, die bei den Gasröhren von der Antikathode kommend die vordere Röhrenhälfte unter Fluores- zenzerregung erhitzen.

Mit der Verwendung der Lilienfeldröhre zur Erzeugung von Röntgenstrahleninterferenzen (der Laueschen Photogramme), insbesondere aber ihre Benutzung zur Behandlung mineralogischer (kristallo- graphischer) Probleme befaßt sich die Arbeit von:

15.

J. Rinne: Bericht der math. Physik. Klasse der Kgl. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaft zu Leipzig. Sitzungsbericht vom 19. Juli 1915, LXVII. Bd. (1915), mit vielen Reproduktionen der Aufnahmen.

Literatur über die Coolidgeréhre.

Coolidge: „A powerful Röntgen ray tube with a pure electron discharge.“ Physical Review 2, 409, 1913; deutsch: „Strahlentherapie“, V, 431, 1915.

Cole: „Erfahrungen mit der Coolidgeröhre.“ Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, 1914. Kerschbaum: „Das neue Röntgenrohr nach Coolidge. Naturwissenschaften 2, 654, 1914. Mey: „Die neue Coolidgeréhre‘; vorgeführt in der Sitzung der Deutschen Physik. Ges. 16. III. 1914.

Levy-Dorn: „Über die neue Coolidgeröhre der A. E. G.“ Verhandlungen der Deutschen Röntgen- Gesellschaft X, 156, 1914.

Blumberg: „Einige Bemerkungen über die Coolidgeröhre.“ Verhandlungen der Deutschen Röntgen- Gesellschaft X, 157, 1914.

Rutherford, Barnes and Richardson: „Maximum Frequency of the X rays from a Coolidge Tube for different voltages.“ Phil. Mag. 80, 339, 1915.

Rutherford and Barnes: „Efficiency of production of X rays from a Coolidge tube.“ Phil. Mag. 80, 361, 1915.

XXII, 5. . Internationale Fachliteratur. ' 463

Vorbereitende Arbeiten sind:

J. Langmuir: „The effect of space charge and rendual gases on thermionie currents in high vacuum.“ Physical Review 2, 450, 1913.

Lilienfeld: „Die Elektrizitätsleitung im extremen Vakuum. Ann. d. Physik 43, 249, 1914.

Cooke and Richardson: „The cooling effect which accompanies the emission of Elektrons from hot bodies.“ Phys. Review 1, 71, 1913.

Richardson: „The emission of electrons from tungsten at high temperatures; an experimental proof that the electric current etc. Phil. Mag. 26, 345, 1913. Phys. Zeitschrift 14, 793, 1913.

Annalen der Physik. Bd. 46, S. 85. 1915.

H. Kirschbaum: Intensität und Absorptionsindex der Réntgenstrahlen von Platin und Kohle. .

Nach den Beobachtungen des Verf. ist die durch ihre ionisierende Wirkung gemessene Intensität der Röntgenstrahlung einer Platinantikathode 17mal so groß wie die einer Antikathode aus Bogenlichtkohle unter sonst gleichen Umständen. Ferner fand Verf., daß bei diesen beiden Antikathodenarten die Röntgen- strahlung unsymmetrisch in bezug auf eine zur Achse der erzeugenden Kathodenstrahlen senkrechte Ebene ist, und zwar lag bei Elektrodenspannungen zwischen 12 und 50000 Volt das Verhältnis der Intensitäten für die beiden Emissionsrichtungen g = 80° und ø == 120°, wo der Winkel 9 von der Ausbreitungsrich- tungsrichtung der Kathodenstrahlen an zu rechnen ist» bei der Antikathode aus Kohle zwischen 1,50 und 1,90 und bei der aus Platin zwischen 1,07 und 1,28. Dies steht im Einklang mit der Sommerfeldschen Impulstheorie der Röntgenstrahlen (s. Fortschritte Bd. 15, S.48). Auch die von dieser Theorie geforderte Abnahme des Absorptionsindex mit abnehmendem gy konnte Verf. nachweisen, jedoch nur in sehr ge- ringem Grade und auch nur für Elektrodenspannungen unter 25000 Volt. Weiter ist von den Resultaten des Verf. noch bemerkenswert, daß die von der Kohlenantikathode erzeugte Röntgenstrahlung stets ein kleineres Durchdringungsvermögen für das Aluminium hat als die unter gleichen Umständen an der Platinantikathode erzeugte. Das Verhältnis der Absorptionsindizes in beiden Fällen ist etwa gleich 1: 0,77.

Bd. 47, S. 1112. 1915.

A. Wehnelt: Uber den Spannungsverlauf an Réntgenréhren. Zur Untersuchung des Verlaufes der Spannung an Röntgenröhren benutzt Verf. eine Braunsche Röhre, deren Kathodenstrahlenbündel in dem Felde eines in der Röhre befindlichen Plattenkondensators abgelenkt werden kann. Die Platten des letzteren werden mit zwei außerhalb der Röhre isoliert aufgestellten Metallplatten verbunden, die sich ihrerseits wieder in dem Felde eines Luftkondensators befinden, dessen beide Platten mit je einem Pole des die Röntgenröhre betreibenden Hochspannungsapparates in Verbindung stehen. Als solcher diente ein Reformapparat der Veifawerke, d. b. ein Hochspannungsgleichrichter mit großem Funken- induktor. Der von dem Kathodenstrahlenbündel der Braunschen Röhre auf dem Fluoreszenzschirm der letzteren hervorgerufene helle Fleck wurde vermittelst eines mit einem Synchromotor betriebenen Spiegels in einen lichtstarken photographischen Apparat gelenkt, dessen Momentverschluß durch eine elektro- magnetische Vorrichtung nur während einer Umdrehung des Spiegels geöffnet war, so daß der Spannungs- verlauf während einer einzelnen Schwingung des Wechselstromes aufgenommen wurde. Es zeigte sich, daß die Spannung an der Röntgenröhre während einer solchen Schwingung zunächst langsam ansteigt, um plötzlich abzufallen, dann wieder langsam anzusteigen, dann nochmals plötzlich abzufallen usw., d. h. es gingen während jeder einzelnen Schwingung mehrere kurz abgerissene Partialentladungen durch die Röhre. War die letztere hart, so betrug die Anzahl dieser Teilentladungen während einer einzelnen Schwingung höchstens zwei, bei weichen Röhren dagegen mehr. Auch begann im ersteren Fall der Abfall jedesmal bei ungefähr der gleichen Höhe der Kurve, d. h. also der gleichen Spannung, im letzteren dagegen war die zum erstmaligen Durchschlagen des Vakuums nötige Spannung stets wesentlich größer als die für die nachfolgenden Durchschläge erforderliche. Auch sinkt bei den weichen Röhren die Spannung nach erfolgtem Durchbruch nicht so plötzlich wie bei den harten, zumal nicht bei Anwendung stärkerer Ströme. Diese Verhältnisse dürften sich übrigens bei Anwendung anderer Hochspannungsapparate nicht un- wesentlich ändern, da Partialentladungen meist nur bei solchen mit sehr hoher sekundärer Windungszahl auftreten und sich hier durch die große Kapazität der sekundären Spule erklären. Die gleichzeitige Auf- nahme des Verlaufes der Spannung an der Röntgenröhre mit Hilfe der oben beschriebenen Vorrichtung sowie des Verlaufes des primären Stromes des zum Betriebe der Röhre dienenden Hochspannungsapparates mit Hilfe eines Oszillographen ergab dem Verf. ferner, daß jedem solchen plötzlichen Abfall der Spannung

an der Röntgenröhre ein steiler Stromstoß des primären Stromes entspricht, wie ja auch nicht anders zu

erwarten war. Immerhin gibt aber der Oszillograph, wie Verf. betont, doch kein richtiges Bild von dem Verlauf der Spannung an der Röhre, da seine Ausschläge nicht proportional dieser Spannung, sondern nur proportional der Stärke des primären Stromes bzw. bei anderer Schaltung proportional der Stärke des magnetischen Feldes des Hochspannungsapparätes verlaufen.

4 o . we eee . u ; P p ER pt , Be SP ar ` EN ei Ss

>. @ eon Ne

464 Internationale Fachliteratur. XXIII, 5.

The Physical Review. Bd. 6, S. 166. 1915.

W. Duane und F. L. Hunt: Über Röntgenstrahlenwellenlängen. Die Verf. betrieben eine Coolidgeröhre mit einer Hochspannungsbatterie, die bis zu 40000 Volt Spannung zu liefern vermochte. Trotzdem sie dann also vollkommenen Gleichstrom in der Röhre hatten, fanden sie doch, daß das Durch- dringungsvermögen der Strahlung der letzteren mit der Zunahme der durchdrungenen Stoffschicht immer größer wird (Röntgensches Absorptionsgesetz), so daß sie also schließen, daB auch beim Gleichstrombetrieb die Strahlung einer Röntgenröhre nicht homogen ist, sondern ebenso wie z. B. beim Induktorbetrieb aus einem Gemisch verschiedener Wellenlängen besteht. Von besonderem Interesse war ferner für sie die Aufgabe, diejenige kleinste Wellenlänge zu ermitteln, welche bei Anwendung einer bestimmten Gleich- stromspannung noch eben ausgesandt wird. Zu diesem Zweck ließen sie die Strahlung der Röhre bei Benutzung verschiedener Spannungen unter einem bestimmten Winkel © von einem CaCO,-Kristall reflek- tieren und schlossen dann aus der Abnahme der Ionisationswirkung der reflektierten Strahlung mit der Spannung V auf den zugehörigen Mindestwert Vo dieser Größe. Die: zugehörige Wellenlänge A, berech- neten sie dabei nach der Braggschen Spektrometerformel 2o == 2a sin O, wo a der Abstand der reflek- tierenden Molekülschichten des benutzten Kristalls bedeutet und in ihrem Falle = 3,04.10-° cm war. So ergaben sich z. B. die zur Erzeugung der Wellenlängen 4,86.10”° und 3,07.10”° cm notwendigen Mindest- spannungen zu bzw. 25000 und 39150 Volt. Diese Messungen der Verf. sind nun besonders deswegen von Wichtigkeit, weil sie eine starke Stütze der Planckschen Quantentheorie bilden, nach der bekannt- ich eine Strahlung von der Wellenlänge A erst dann ausgesandt werden kann, wenn sich in der Strahlen-

quelle das sog. Elementarquantum der Energie, d. h. die Energiemenge > angesammelt hat, worin A

die sog. Plancksche Konstante (6,4.10 °% und c die Lichtgeschwindigkeit darstellen (s. auch Fortschr. Bd. 16, S. 467). Die bei der Spannung Vo von einem Kathodenstrahlenteilchen nach der Antikathode hin übertragene Energiemenge wird nun durch das Produkt Voe dargestellt, wo e die aus anderweitigen Messungen bekannte Ladung eines solchen Teilchens bedeutet und nach den neuesten Bestimmungen = 4,71.10="9 elektrostatischen Einheiten ist. Die aus den obigen Messungen erhaltenen Zahlenwerte der

Verf. erfüllen nun tatsächlich die Gleichung e=, wie man sich durch Einsetzung der angeführten +O

Zahlenbeispiele leicht überzeugen kann. W alter (Hamburg).

Deutsches Archiv fiir klinische Medizin, 117. Band, 4. und 5. Heft.

Fahr und Weber: Über die Ortsbestimmung der Erregung im menschlichen Herzen mit Hilfe der Elektrokardiographie. Die Verfasser beschreiben zunächst eine Methode, mit Schematisierung des Rumpfes als gleichseitiges Dreieck aus zwei elektrokardiographischen Ableitungen die Richtung des resultierenden Potentialunterschiedes im Herzen zu jeder Zeit der Herzrevolution zu finden. Da die Längsachse des Herzens nicht parallel zur Längsachse des Körpers steht, ist die Richtung der resultieren- den elektrischen Spannung in Beziehung zum Herzen selbst durch orthodiagraphische Aufzeichnung des Herzumrisses gebracht worden. Die orthodiagraphischen und elektrischen Aufnahmen sind im Sitzen und unmittelbar nacheinander aufgenommen. Da die Längsachse des Orthodiagrammes im allgemeinen der Längsachse des Herzens nicht ganz entspricht, ist diese letztere, von den Verfassern Herzachse genannt, in die Orthodiagramme besonders eingezeichnet worden. Um eine einigermaßen genaue Vorstellung von dem Ablauf der Erregung zu bekommen, sind durch die Mitte des orthodiagraphischen Vertikalumrisses Pfeile gezeichnet worden, deren Länge dem „manifesten Wert“ des resultierenden Potentialunterschiedes im Herzen, und deren Richtung der Richtung dieses Potentialunterschiedes entspricht. Auf die so be- schriebene Art haben die Verfasser eine Anzahl von Herzen, darunter solche mit Hypertrophie und Dilatation, untersucht. Auf die dadurch gewonnenen Resultate kann hier nicht eingegangen werden.

Zeitschrift für klinische Medizin. 81. Band, 5. und 6. Heft.

C. Maase und H. Zondek: Herzbefunde bei Kriegsteilnehmern. Die Verfasser haben Gelegen- heit gehabt, die Herzen von 40 verwundeten Soldaten gleich nach ihrer Ankunft in die Charité röntgeno- logisch aufzunehmen. Alle Untersuchten waren früher herzgesund gewesen, sie kamen sämtlich nach Beendigung großer Strapazen in Krankenhausbehandlung. In allen Fällen wurden mehrere Fernauf- nahmen, im Zwischenraum von 1—4 Monaten, gemacht; soweit die Herzen Besonderheiten darboten, wurden auch elektrokardiographische Kurven aufgenommen. Die Röntgenaufnahmen ergaben fast stets (unter 38 Fällen 31mal) ausgesprochene Dilatationen teils aller, teils einzelner Herzteile. Das gewdhn~ lichste Bild war das des gleichmäßig dilatierten, allgemein. vergrößerten Herzens. Die Ursache für diese Erscheinung sehen die Verfasser in den ungewöhnlichen Überanstrengungen und Strapazen des Feldzuges, die nach ihrer Ansicht eine Mittelstellung zwischen der ganz akuten und der chronischen An- strengung einnehmen. Die Frage, wie diese vergrößerten Herzen vor dem Feldzuge beschaffen gewesen sind, wird zu beantworten versucht, nach Ansicht des Berichterstatters in recht erschöpfender Weise. Eine Rückbildung der Dilatation konnte 3—4 Monate nach der ersten Aufnahme nicht festgestellt werden; die Funktion war im ganzen eine gute. : Wiens.

Druck von Hesse & Becker in Leipzig.

er Google

Tafel XVII.

Fortschritte a. d. Gebiete der Rontgenstr. XXII.

a

Verlag von Lucas Gräfe & Siltem in_H

e . . =

Tafel XVII.

Fortschritte a. d. Gebiete der Rontgenstr. XXIII.

Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg.

- Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Berlin-Steglitz.

LT EAT TO Tint ALN T WA ATTENTAT I A ER a a às ¿ci -

f . REPT Tere TE en Pee - ar, Ù CAR eal tye bleu ac Ua = ROLE | N BON ie:

ur en vr Se? vty

ad IN MA

i en g~ . DJ E h +5 ` 7 ł wi A.f 3 r i nn ' y of ert ae LAY . veer cele mr, s. WUG n A ik 4 faye 4 re N) Fe ure ` ya . a er. A ia a5 SL A NH IE] he Liu kt Egg, man PIN AER SH, Sa, baad Art K . r, I E i “7.7 l Caer "r "d i "TAT e a ur ew u tes i -# = CESO ut daina bet C Bd Dh 1 A ra aN sena oa LI EL Rn apes hc IND ee VA) NT CUNI RN UT A TOE poate SZ —- ow ' semer ~ a -.-- um‘ =

Tafel XIX.

Fortschritte a. d. Gebiete der Rontgenstr. XXIII.

RT FETT EEE ET ER

Verlag von Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg,

Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Berlin-Steglitz.

er Google

Fortschritte a. d. Gebiete der Röntgenstr. XXIII. Tafel XX.

I i : . th l bes (3 > t EO% ! T i | ; ys Gut: re p a i i fi J t : : ' : f 2 A i i y : 1 -U n R t 4 Ed f l . i . , ' t ka ) 4 t . r t i v l t. $ LE , i A | l | f \ ; ; i | i | ! : ; t oe bo, ] tod ' i 4 } i u 4 | i t t ? 4 ( i ( | Ir t t i i ' [i a N 1% god Vi í t En . i 1 | | t r Me 1 4 x t ' ! ' 4 I x ( l LJ | | b ' i 1 L \ 1 | t + i § f t i |

Neue Pnotographische Gesellschaft A.-G. Berlin-Steglitz. Verlag von Lucas Oräfe & Sillem In Hamburg. f | k

_ Röntgenstrahlen-Meßeinrichtungen und deren Vergleich’). ‚Von Friedrich Voltz.

Einleitung.

Wir besitzen in der Röntgenstrahlen-Meßtechnik über fünf Methoden, die den Zweck haben, die Qualität der Röntgenstrahlen zu messen. Jede dieser Methoden beansprucht gewisse Vorteile für sich und eine Reihe von Publikationen in den verschiedensten Zeitschriften tritt für diese oder jene Methode als die bessere und zuverlässigere ein oder befaßt sich mit Ver- ‘gleichsversuchen zwischen den einzelnen Meßmethoden.

Weit mehr Verfahren noch als die Technik der Qualimetrie der Röntgenstrahlen kennt die Technik der Messung der Quantität der Strahlen. Diese Methoden, es sind wohl über 20, beruhen alle auf den als besondere Wirkungen der Röntgenstrahlen anzusehenden Effekten. Es sind dies die Wärmewirkung der Strahlen, die elektrischen Wirkungen und ferner die chemischen Veränderungen, welche die Röntgenstrahlen hervorrufen. Auch hier finden wir in der dies- bezüglichen Literatur eine Menge von Arbeiten über die einzelnen Methoden, bei denen meistens die Vorteile einer Methode besonders unterstrichen werden, während die Nachteile der anderen Methoden im gegenteiligen Lichte betrachtet werden und somit ebenfalls wieder stark in Er- scheinung treten.

Diese große Anzahl der Verfahren zur Röntgenstrahlenmessung und die noch größere Anzahl ihrer Freunde oder Feinde ist allein ein Beweis, und zwar ein zuverlässiger Beweis für die Unsicherheit auf dem Gebiete der Röntgenstrahlenmessung, sei die Messung eine qualitative oder eine quantitative.

Es sei nur auf die von H. E. Schmidt in den „Fortschritten“ Ba. 22, H. 4 publizierten - VergJeichsversuche hingewiesen. H. E.Schmidt stellte bekanntlich Vergleiche zwischen dem Kienböck-Verfahren und der von Sabouraud und Noir& angegebenen Methode an und findet dabei, daß der Kienböckstreifen in den meisten Fällen seiner Versuche bedeutend mehr anzeigt, als die Sabouraud-Noiré-Pastille. Schmidt findet bei seinen Vergleichsversuchen eine völlige Regellosigkeit in den Beziehungen beider Verfahren. Es lassen sich die Werte der einen Meß- methode in keinerlei zahlenmäßigem Zusammenhang mit den Werten der anderen Meßmethode bringen. Demgegenüber finden andere Autoren eine bestimmte gesetzmäßige Relation zwischen den Angaben der Kienböckstreifen und denen der Sabouraud-Noiré-Pastillen.

H.E. Schmidt stellt in der erwähnten Publikation auch die Behauptung auf, daß die falschen Angaben des Kienböckverfahrens die Ursache waren, daß manche Fabrikanten von Röntgenapparaten so hohe Leistungsangaben ihrer Systeme zu ‘macht in der Lage waren.

Wie dem aber sei, wenn das Kienböckverfahren tatsächlich mit derartigen Fehlerquellen behaftet wäre, wie die Versuche von H. E. Schmidt vermuten lassen, so läge in diesen Fehler- quellen die Möglichkeit der Irreführung des Arztes einerseits und die sich hieraus wieder er- gebende Möglichkeit der Schädigung des Patienten andererseits.

Aus allen diesen Publikationen und aus den allen diesen Publikationen wiederum zugrunde liegenden Versuchen geht auf alle Fälle aber hervor, was schon eingangs bemerkt wurde, wie

1) Aus der Strahlenforschungsstelle der Reiniger, Gebbert & Schall A. G. Leiter: Dr. med. et phil. Th. Christen. Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 59

466 Voltz. XXIII, 6.

sehr wir auf dem Gebiete der Röntgenstrahlenmessung noch tasten und wie weit wir noch davon entfernt sind, eine einheitliche qualitative und quantitative Meßmethode zu besitzen. Ein Teil der Unsicherheit der Röntgenstrahlenmessung in der Praxis hat nun aber auch seine Ursache in der Eigentümlichkeit des Gebietes selbst. Die praktische Röntgenkunde und hier insbesondere wieder die Röntgentherapie stellt ein gar eng verknüpftes Gebiet zwischen Medizin und Physik dar. Der Physiker hat aber sich bis jetzt nicht oder nur sehr wenig mit der praktischen Röntgenphysik beschäftigt, er hat lediglich Methoden zur Messung der Strahlen ausgearbeitet und zu hoher Vollendung gebracht, aber diese Methoden sind Eigentum seines speziellen Gebietes geblieben und aus dem Laboratorium fast gar nicht in die Praxis hinaus- gekommen. | |

Eben dieses geringe Zusammenarbeiten zwischen Mediziner und Physiker trägt zum großen

Teil die Schuld für die Unsicherheit der praktischen Röntgenstrahlem-Meßeinrichtungen und ist

direkt die Ursache dafür, daß in der Praxis sich Strahlen-Meßeinrichtungen vorfinden, die den physikalischen Bedingungen, die man an eine Meßeinrichtung stellen sollte, nicht immer oder nur wenig genügen.

“Die Röntgentherapie ist dasjenige Gebiet, auf dem die Zusammenarbeit des Mediziners und Physikers dringend notwendig ist. So ist, um nur eines zu erwähnen, besonders das Sekundärstrahlenproblem für die Röntgentherapie außerordentlich wichtig, ja geradezu grund- legend, denn letzten Endes muß man alle Wirkungen, die man als besondere Wirkungen der Röntgenstrahlen ansieht, auf die Sekundärstrahlung als Ursache zurückführen, Gründe, die wir noch des Näheren behandeln werden. Das Gebiet der Sekundärstrahlung ist von bedeutenden Physikern, wie Barkla, Sadler und anderen glänzend durchgearbeitet worden, hat jedoch erst in den letzten Jahren Beachtung in der Röntgentherapie erlangt und leider noch nicht in dem Ausmaße, wie es eigentlich der Fall sein sollte. Wir wollen gelegentlich der vorliegenden Untersuchungen bemüht sein, die wirkliche Bedeutung des Sekundärstrahlenproblems für die Röntgentherapie zu schildern.

Die Differenzen in den Angaben der einzelnen Röntgenstrahlen-Meßmethoden haben die Notwendigkeit einer einwandfreien Dosimetrie ergeben. Außerdem ist es in Anbetracht der großen Anzahl .der Meßmethoden erwünscht, eine normale einheitliche Meßmethode zu schaffen, die neben der Bedingung der Einheitlichkeit eben in allen Beziehungen physikalisch einwand- frei ist. Aus dieser Erkenntnis heraus hat Levy-Dorn auf dem Röntgenkongreß 1914 die Gründung einer Sonderkommission für Dosimetervergleich angeregt. Der Anregung von Levy- Dorn wurde bekanntlich auch stattgegeben und eine Kommission zu diesem Zwecke eingesetzt. Ziel und Aufgabe der Kommission sollte sein, die einzelnen Dosimeter untereinander zu ver- vergleichen und auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen.

Der Aufruf Levy-Dorn's war auch für mich der Anlaß zu der vorliegenden Arbeit und es wurden eine Reihe von Versuchen von mir in dieser Richtung angestellt, die in den folgenden Untersuchungen näher beschrieben werden. Bei der Ausarbeitung der vorliegenden Arbeit nun sind in Band 23, Heft 1 der „Fortschritte“ die ersten Berichte der Sonderkommission für Dosi- metervergleich erschienen und ich habe diesen Berichten eine Reihe von Anregungen zu ver- danken und so habe ich die vorliegende Arbeit diesen Anregungen entsprechend bereits modifiziert.

Zweck und Aufgabe der Dosimetrie.

Die praktische Röntgenstrahlenmessung soll die auf das zu beeinflussende Gebilde, wie z. B. das menschliche Gewebe, die Zellen, auftreffende Strahlenenergie beziehungsweise die in ihm zur Absorption gelangende Energie in richtigem Maße abschätzen lehren, so daß man auf Grund empirischer Vergleichsversuche einen gewünschten biologischen Effekt jederzeit unter gegebenen gleichen Bedingungen wieder reproduzieren kann.

Die auf das zu beeinflussende Gebilde auftreffende Strahlenenergie ist dabei sowohl

Zn . u 2.0 we. . ~ mæt - -> œ- amoa we un

XXI, 6. Röntgenstrahlen-Meßeinrichtungen und deren Vergleich. 467 a z i

qualitativ als quantitativ zu bemessen. Bei dem Vorgang selbst haben wir es mit einer Energie- transformation zu tun, wie wir überhaupt das ganze vorliegende Gebiet rein energetisch be- handeln wollen, und haben demgemäß Ursache und Wirkung zu unterscheiden. Ursache ist die von der Röhre ausgehende. Röntgenstrahlung. Bei der Wirkung, als dem Effekt, haben wir wieder zweierlei zu unterscheiden, einmal die physikalisch-chemische Wirkung auf das Meß- gerät, das andere Mal die chemisch-biologische Wirkung auf den Körper, im en auf die Zelle.

Aufgabe der Dosimetrie ist an Hand der Wirkung der Röntgenstrahlen auf das Meßgeräit, also der physikalisch-chemischen Wirkung, die Wirkung auf die Zelle, also die biologische Wirkung der Réntgenstrakhlen zu bemessen, und zwar, wie wir bereits bemerkten, auf Grund vorausgegangener empirischer Vergleichsversuche.

Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß eine Vergleichung der chemisch- biologischen Wirkung auf die Zelle und der physikalisch-chemischen Wirkung anf das Meßgerät mit großen Fehler. quellen verknüpft sein muß, allein deswegen, weil wir über die biologische Wirkung noch zum größten Teil im unklaren sind und wir den Vorgang bis jetzt in keine gesetzmäßige Form bringen konnten. Wollen wir daher die chemisch-biologische Wirkung der Röntgenstrahlen auf die Zelle auf Grund ihrer Wirkung auf das Meßgerät einigermaßen sicher abschätzen. können, so muß naturgemäß die Einwirkung auf das Meßgerät zum mindesten von Fehlerquellen frei sein. In einem Punkt also müssen Irrschlüsse ausgeschaltet werden. |

Aus dieser kurzen Überlegung ergibt sich für uns auch die Einteilung und Betrachtung unseres Themas. Wir haben, um es nochmals zu bemerken, zu unterscheiden zwischen Ursache und Wirkung, wobei wir die Wirkung einteilen wollen, einmal in die Wirkung auf das Meß- gerät, das andere Mal in die Wirkung auf die Zelle.

Wir haben eingangs auch angeführt, daß bei der Behandlung des vorliegenden Themas viele Punkte hereinspielen werden, die vielleicht allgemein bekannt sind, oder-in der Fach- literatur bereits eingehend behandelt wurden. Diese Punkte sind des Zusammenhanges wegen und der Klarheit der vorliegenden Untersuchungen halber aber nochmals kurz aufgeführt.

Die Ursache und ihre Energieform.

Ursache ist in unserem Falle immer die Röntgenstrahlung, die als physikalischer Vorgang eine besondere Form von Energie darstellt. Diese besondere Art physikalischer Energie löst die Wirkungen alle aus, die wir als besondere Wirkung der Röntgenstrahlen ansehen. Wenn aber Ursachen beurteilt und ihre Beziehungen zu den Wirkungen untersucht werden sollen, muß selbstverständlich die Natur der auslösenden Energie einer besonderen Betrachtung unter- zogen bzw. der einzelne die Wirkungen auslösende Vorgang studiert werden.

Bei all unseren Untersuchungen und Betrachtungen müssen wir davon ausgehen, daß die. i von einer Röntgenröhre emittierten Strahlen sowohl, als auch die Gammastrahlen der radio- aktiven Substanzen, wie des Radiums und Mesothoriums, Lichtstrahlen sind, ebenso sehr wie die Lichtstrahlen, die wir in unserem Auge als Licht empfinden und die wir gemeinhin- als Lichtstrahlen bezeichnen. Sie ordnen sich in das sogenannte elektromagnetische Spektrum nach dem Spektralbezirk des ultravioletten Lichtes mit einer großen Pause ein. Sie unterscheiden sich von den Strahlen des sichtbaren Spektrums lediglich durch ihre Wellenlänge. Sie sind KK bedeutend kurzwelliger, als die kurzwelligsten Strahlen des ultravioletten Gebietes. Ihre Wellen- i f länge gehört ungefähr der Größenanordnung 10-° cm an, während das ultraviolette Gebiet im _ | äußersten Teile ungefähr der Größenordnung 10-® cm ist.

Das von einer Röntgenröhre ausgehende Strahlengemisch ist nicht einheitlicher Wellen- länge, also einheitlicher Härte, sondern eine Röntgenröhre sendet aus Gründen, die wir noch eingehender behandeln werden, ein Gemisch von Strahlen verschiedener Wellenlänge aus. Wir

erhalten hier im elektromagnetischen Spektrum einen ausgedehnten Spektralbezirk. Laue be- 59*

468 Voltz. | XXIII, 6.

rechnete, daß die Ausdehnung des Spektrums zwischen 1,27.10-° cm und 4,8-10-° cm liegen dürfte.

Röntgenstrahlen entstehen bekanntlich dann, wenn Kathodenstrahlen auf irgendeinen materiellen Körper auftreffen und hier gebremst werden. Kathodenstrablen sind nichts anderes, als Elektronenströme und der Vorgang der Röntgenstrahlenerzeugung ist dabei der, daß die Elektronen in der Röntgenröhre infolge der an der Röhre anliegenden, treibenden elektrischen Kräfte an der Kathode Energie aufgenommen haben und diese Energie zum Aufbau eines Kraftfeldes verwandten. Von diesem Felde werden die Elektronen auf ihrem Fluge von der Kathode zur Antikathode begleitet. Bei dem Zusammenstoß eines Elektrons mit einem Atom bzw. mit dessen Kraftfeld wird das Elektron auf der Antikathode verzögert und ein Teil der Energie aus dem zusammenbrechenden Kraftfeld des Elektrons stanımend geht als elektromag- netischer Impuls, id est als Röntgenimpuls, in den Raum hinaus.

Aus dieser kurzen Betrachtung ergibt sich bereits, daß die Wellenlänge eines Röntgen- impulses gegeben ist durch die Art. des Bremsvorganges, die Heftigkeit, mit der er erfolgt, also durch die Art, wie das ankommende Elektron verzögert und gebremst wird. Die aus dieser Betrachtung resultierende Grundgleichung der Röntgenphysik lautet in ihrer ein- fachsten Form:

A=c.T.

Es ist mit anderen Worten die mittlere Impulsbreite eines Röntgenstrahles definiert und gegeben durch die Geschwindigkeit c des Katbodenstrahlenelektrons einerseits und durch die Bremszeit + des Elektrons andererseits. Kathodenstrahlengeschwindigkeit und Bremszeit stehen naturgemäß in einem bestimmten Zusammenhang.

Die Kathodenstrahlengeschwindigkeit ist nun eine direkte Funktion, der an der Röhre anliegenden und zur Wirkung kommenden Spannung, so daß auch zwischen der Impulsbreite des Röntgenstrahles und der Spannung eine direkte Beziehung besteht. Wir"können sagen, die Wellenlänge eines Röntgenstrahles ist eine direkte Funktion des momentanen Spannungswertes.

Es ist:

| A= f (Umom.) . Vom Gasdruck in der Röhre, d. h. von dem Grade der Luftleere, ist die Härte einer Röntgen- strahlung nur indirekt abhängig insofern, als eben der Gasdruck in der Röhre die Spannungs- werte beeinflußt. |

Von einer Röntgenröhre werden so viele Strahlen verschiedener Wellenlänge ausgehen, als an der Röntgenröhre momentane Spannungswerte anliegen und zur Wirkung kommen. Ist daher die Wellenlänge der Röntgenstrahlen durch die momentanen Spannungswerte definiert, so ist die Zusammensetzung des Röntgenstrahlengemisches in bezug auf die Strahlen ver- schiedener Wellenlänge, id est das Spektrum der Röntgenstrahlen, durch den Verlauf der Spannungskurve an der Röntgenröhre relativ bestimmt. Was die Energie der Röntgenstrahlen anbelangt, so muß angenommen werden, daß in den Röntgenstrahlen kürzerer Wellenlänge der größere Betrag an Energie durch die geladenen Teilchen, über die sie hingehen, fortgestrahlt wird, infolgedessen ihr größeres Durchdringungsvermögen, während in den Röntgenstrahlen größerer Wellenlänge der geringere Betrag an Energie durch die geladenen Teilchen, über die sie hingehen, fortgestrahlt wird, infolgedessen ihr geringeres Durchdringungsvermögen.

Nun ist bei der Betrachtung des Röntgenspektrums allerdings noch eines zu beachten, nämlich, daß wir hier eine Überlagerung zweier Spektren haben, und zwar ist in dem Röntgen- spektrum einmal das Spektrum der Bremsstrahlung enthalten. Dieses ist durch den Verlauf der Spannungskurve gegeben und relativ definiert. Außerdem ist das Eigenspektrum der Anti- kathode dem Spektrum der Bremsstrahlung superponiert. Dieses Eigenspektrum ist abhängig von der Natur des Antikathodenmaterials. So hat eine Röntgenröhre mit Wolfram-Antikathode ein anderes Eigenspektrum als eine Röntgenröhre mit Platinantikathode. Diese Betrachtung ist für die Behandlung unseres Themas von besonderer Wichtigkeit. '

XXIII, 6. Röntgenstrahlen-Meßeinrichtungen und deren Vergleich. Ä | 469

In Fig. 1 ist ein Spektrum abgebildet, das von einer Röntgenröhre mit Platinantikathode _ bei Induktorbetrieb gewonnen wurde.

Wie wir aus der Abbildung ersehen können, unterscheidet sich das hier abgebildete Spek- trum in seinem Aussehen wenig oder gar nicht von Spektralaufnahmen des. sichtbaren Gebietes. Das oben abgebildete Röntgenspektrum ist einer Arbeit von H. Seemann in der „Physika- lischen Zeitschrift“ Bd. 15, 1914, Seite 794/97 entnommen,

Fig. 1.

Wenn es also in letzter Zeit auch gelungen ist, das Spektrum der Röntgenstrahlen mittels optischer Methoden aufzunehmen und zu analysieren, so stellen alle diese Arbeiten doch immer nur die Resultate von Laboratoriumsversuchen dar und sind für die Strahlenmeßpraxis noch

nicht verwendbar, schon allein wegen der immerhin ziemlich langen Aufnahmezeit. Solange

die optischen Methoden für die Praxis noch nicht brauchbar sind, gibt uns die Spannungskurve an der Röhre und ihr Verlauf ein relativ hinreichendes Maß für die spektrale Zusammensetzung eines: Réntgenstrahlengemisches. Eine Änderung des Spannungsverlaufes an der Röntgenröhre wird deshalb eine Änderung der spektralen Verteilung zur Folge haben und per enrt

Fig. 8.

Auch zwischen der Stromkurve an der Röhre und der Spannungskurve bestehen wahr- scheinlich ganz bestimmte gesetzmäßige Beziehungen, sowie zwischen der Spannungs- und Stromkurve eines Wechselstromkreises niederer Spannung wohl definierte Relationen vorhanden sind. In unserem Falle bedürfen diese Beziehungen jedoch erst noch einer Untersuchung und

Klärung. Sind diese Beziehungen aber einmal geklärt, so wird uns auch die jeweilige Form -

der Stromkurve einen Schluß auf die jeweilige Form der Spannungskurve und damit wieder auf die momentane Zusammensetzung des Strahlengemisches zulassen.

Die nachfolgenden Abbildungen geben einige Stromkurven wieder, die mit der von mir angegebenen Methode unter gleichen Betriebsbedingungen gewonnen wurden. Beschrieben ist

= : aia Ne = BS N ee Zerre See adi a re Er : R 7 ee ous mee POP ART erry prt arm I a j Pi £ ve! ve f r, % G nsa) Me & F aF- - 1 Far} = = e ol ai + ng er Bee fins x a PER KIDS pe Ra ` a D - ` 2 ` 3 ` à un ee y On See ee tay io fee 3 te EEE me ; “is ein =o yov ' E” eiga at P E S of - oh na + Danesh ie ats (a MEN ee gy pg it ES EN h gece! mn ie gE pe ES EEE ay BEES en a ee a Mag fate NER Cogs pkg Re re x Gime 7 SOT = u

470 ` Voltz. pi are

\

diese Methode in Janus-Voltz „Eine Methode zur Daratellang der een hochgespannter Ströme“: Physikalische Zeitschrift 1915, Heft 7.

Fig. 2 gibt uns die Entladungskurve eines A A mit offenem Eisenkern und Unterbrecherbetrieb. Man sieht eine kräftige Hauptentladung, worauf das System allmählich in Schwingungen ausklingt. |

Fig. 3 gibt uns die Entladungskurve eines sogenannten Hochspannungsgleichrichterappa- rates bei 100 Stromimpulsen. Die Entladungskurve wird infolge der Funkenbildung am Gleich- richter in Einzelzackungen zerrissen: `

Fig. 4 zeigt uns ebenfalls die Entladungskurve eines Gleichrichter-Instrumentariums, die

gegenüber der in Fig. 3 eine völlig andere Form aufweist. Auch hier bemerken wir allerdings ein Zerrissenwerden der Kurve.

Fig. 5 gibt uns nochmals die Ent- ladungskurve eines Induktoriums mit Unter- -brecherbetrieb. Wir sehen im Gegensatz zu der Einzelentladung in Fig. 2 ein Zerfallen der Hauptentladung in einzelne, allmählich niedriger werdende Partialentladungen. Bei all den Auf-

Fig. 4. Fig. 5.

nahmen war zugleich in dem Hochspannungskreis eine Röntgenröhre im Betrieb.

Wir haben bereits bemerkt, daß die Aufnahmen unter ziemlich gleichen Betriebsbedin- gungen gewonnen wurden und doch erhalten wir selbst bei gleichen Apparatesystemen ein voll- kommen verändertes Bild der Form der Stromkurve. Welchen Einfluß diese veränderte Form der Stromkurve' auf das Röntgenstrahlengemisch haben kann, werden wir später eingencndes behandeln.

Anmerkung während der Korrektur: In der Physikalischen Zeitschrift 1915, Nr. 28 ist eine Arbeit von P. Ludewig erschienen über das Verhalten der Röntgenröhre im prak- tischen Röntgenbetriebe, welche in schöner Weise auch den Einfluß der Entladungskurve auf die Zusammensetzung des Strahlengemisches behandelt,

Die Forderung der Karzinomtherapie.

Wenn wir davon absehen, daß ein Teil der Röntgentherapeuten die Anschauung vertritt, eine möglichst große Menge Röntgenstrahlen in möglichst kurzer Zeit in dem zu beeinflussenden Gewebe zur Absorption gelangen zu lassen, um den biologischen Effekt hervorzurufen und ein anderer Teil glaubt, die biologische Wirkung innerhalb längerer Zeit bei Applikation geringer Dosen zu erreichen, so bleibt unbestritten doch eine Forderung als Hauptforderung - bestehen, nämlich die, daß eine: möglichst penetrierende Strahlung angewandt werden müsse. Der Me- dizin schwebt dabei die viel härtere Gammastrahlung der radioaktiven Substanzen, wie des Mesothoriums und des Radiums C als Ideal vor und sie stellt damit die Forderung, der Technik müsse es gelingen, in Anbetracht der geringen Mengen Gammastrahlen, die von Radium oder Mesothorium-Präparaten ausgehen, in Röntgenröhren eine Strahlung zu erzeugen, die der Gamma- strahlung der radioaktiven Substanzen in bezug auf ihre Wellenlänge id est ihre Härte, mög-

XXIII, 6. Röntgenstrahlen-Meßeinrichtungen und deren Vergleich. 471

lichst nahekommt oder sie womöglich erreiche. Von einigen Autoren, die auf diesem Gebiete bereits gearbeitet haben, wird allerdings behauptet, es sei schon gelungen, in Röntgenröhren eine Strahlung zu erzeugen, die der Gammastrahlung der radioaktiven Substanzen in bezug auf ihre Härte identisch sei.

Fortschritte in der Erzeugung ultra-penetrierender Röntgenstrahlen können jedoch nur mittels einwandfreier und den physikalischen Bedingungen genügender Meßmethoden festgestellt

werden. Inwieweit es möglich ist, Fortschritte in technischer Hinsicht hier zu erkennen, und

zu kontrollieren, darüber sei später noch Näheres ausgeführt.

Eines ist klar zu erkennen, nämlich, wie eng das Problem der Härtung der Strahlung mit dem eigentlichen Thema unserer Untersuchungen über Röntgenstrahlen-Meßeinrichtungen und deren Vergleich verknüpft ist und wie sehr die Prüfung des ersteren Problems von dem zweiten Problem beziehungsweise von dessen Lösung abhängig ist. Nur vermittels exakter Meßmethoden wird es möglich sein, auf diesem besonderen Gebiete Fortschritte zu erkennen. Im anderen Falle ist auch hier die Möglichkeit, ja die noch größere Möglichkeit der Irreführung

des Arztes gegeben und damit liegt wieder die Möglichkeit der Schädigung des Patienten nahe.

Allgemeines über die Wirkung der Röntgenstrahlen.

Sobald Röntgenstrahlen auf irgendein Medium auftreffen, wird bekanntlich ein Teil der Strahlung in dem Medium absorbiert. Der absorbierte Teil der Strahlung kann natürlich nicht verloren sein, sondern die absorbierte Energie erleidet lediglich eine Transformation. In welcher Weise und unter welchen Bedingungen diese Energieumwandlung zustande kommt, werden wir

bei der Betrachtung des Sekundärstrahlenproblems kennen lernen. Nach der Transformation .

macht sich die in dem betreffenden Medium zu Verlust gegangene Energie in dem von uns als besondere Wirkungen der Röntgenstrahlen bezeichneten Effekten erkennbar. Diese sind, wie bereits bemerkt wurde, einmal die Fluoreszenzerregung; gewisse Substanzen, wie das Barium- platinzyanür, das wolframsaure Kalzium und andere chemische Verbindungen werden unter dem Einfluß der Strahlen zu einer regen Fluoreszens angeregt. Die Ausnützung dieses Effektes geschieht in der Praxis bekanntlich bei der Durchleuchtung. Eine andere Wirkung der | Réntgenstrahlen ist ihre chemische Wirkung. Insbesondere erleiden hier unter dem Einfluß der Strahlen, die Silbersalze eine chemische Veränderung. Auch andere Substanzen werden unter dem Einfluß der Strahlen chemisch verändert.

Dorn beobachtet weiter, daß ein von Réntgenstrahlen getroffener Körper sich erwärmt. Die Ursache dieser Wärmewirkung ist wohl darin zu suchen, daß die bei der Absorption von Röntgenstrahlen im Innern eines Mediums freigewordenen Elektronen bei ihrem Zusammenstoß mit den Molekülen der absorbierenden Substanzen einen Energieverlust erleiden und dabei die kinetische Energie dieser Elektronen sich in Wärmeenergie transformiert. Ein anderer Effekt der Röntgenstrahlen ist ihre ionisierende Wirkung. Es werden eben in einem absorbierenden Medium Elektronen unter dem Einfluß der Strahlen frei und so kommt es zur Bildung posi- tiver Ionen. Andererseits verbinden sich die losgelösten Elektronen mit neutralen Atomen und so entstehen wieder negative Ionen.

Wenn wir hier, wie in allen anderen Gebieten der Physik diese Wirkungen einer beson- deren einheitlichen Erklärungsform unterwerfen wollen, so müssen wir alle diese War sungen auf die Bildung sekundärer Elektronen als ursprüngliche Ursache zurückleiten.

So führen bei der chemischen Wirkung der Röntgenstrahlen die von den absorbierten Strahlen freigemachten Elektronen durch ihre kinetische Energie eine Dissoziation der Mole- küle herbei und geben damit Anlaß zu einem chemischen Umsatz. Auch die Fluoreszenz- erzeugung der Röntgenstrahlen kann man auf die Bildung von Elektronen zurückführen. Man muß hierbei den sekundär bei der Absorption der Röntgenstrahlen erzeugten Elektronen die Rolle der Stoßerreger für einen zur Lichtemission befähigten elementaren Oszillator über-

-

4

kh ak ood Ry #8 2 Trot =

i

A

rE

{

A

r a lire 2 O ; :

"H ET ES rer hee [5 1

472 Voltz. XXIII, 6.

tragen. Allerdings fluoreszieren durchaus nicht alle Körper, s a vorzugsweise nur die- jenigen von hoher Absorptionskraft, was sich mit den theoretischen Anschauungen, die man über den inneren Vorgang bei der Fluoreszenzerzeugung aufstellt, vereinigen läßt.

Daß in der Tat alle diese Wirkungen ihre Ursache in der Bildung sekundärer Elektronen haben, werden wir bei der Betrachtung des Sekundärstrahlenproblems näher erkennen. Das Sekundärstrahlenproblem ist zwar in der medizinischen Literatur bereits ebenfalls mehrfach eingehend behandelt worden, aber des Zusammenhanges wegen und im Hinblick auf die ein- heitliche Behandlung unseres Themas ist eine nochmalige kurze Schilderung doch notwendig. Denn die oben angeführten besonderen Wirkungen der Röntgenstrahlen, wie die Fluoreszens- wirkung, die chemische Wirkung, die Wärmewirkung, die ionisierende Wirkung, welche als Ursache die sekundäre Elektronenbildung haben, sind eben identisch mit den physikalisch- chemischen Wirkungen auf das Meßgerät einerseits und der chemisch-biologischen Wirkung auf die Zelle andererseits.

Krause, Bonn weist in seinem Referat: „Über die biologischen Wirkungen der Röntgen- strahlen auf tierisches und menschliches Gewebe“ auf dem 10. Röntgenkongreß 1914 ebenfalls auf die Identität der biologischen Wirkung der Röntgenstrahlen mit der Sekundärstrahlen- bildung hin.

In der Zusammenfassung seines Referates führt er bekanntlich aus:

Es wird von Röntgenstrahlen die Zelle angegriffen und zwar

1. um so stärker, je größer die Sekundärstrahlung in ihr ist

2. um so stärker, entsprechend der allgemeinen biologischen Erfahrung, je jünger die

Zelle ist |

3. um so stärker, je größer die Proliferationsfähigkeit der Zelle ist.

Nun ist aber wohl anzunehmen, daß die von Krause aufgeführten drei Tatsachen in eine zusammenzufassen sind, wobei die zweite und dritte Tatsache lediglich Bedingungen für die erste Tatsache darstellen, so daß anzunehmen ist, daß die Sekundärstrahlung nur um so größer ist, je jünger die Zelle einerseits ist und je größer ihre Proliferationsfähigkeit andererseits ist.

Auch Löwenthal, Braunschweig führt die biologische Wirkung der Röntgenstrahlen in seiner Arbeit über sekundäre Elektronenbildung in der Strahlentherapie Bd. V, Heft 1 auf sekundäre Kathodenstrahlung innerhalb der Zelle zurück.

Das Sekundärstrahlenproblem.

Sobald Röntgenstrahlen oder Gammastrahlen von radioaktiven Substanzen auf irgend- einen materiellen Körper auftreffen, können sie sowohl eine zerstreute Strahlung, als auch zwei Arten von Sekundärstrahlungen erzeugen. Die zerstreute Strahlung ist dabei von der gleichen Natur, wie die Primärstrahlung, besitzt‘ damit Lichtnatur. Die eine Art der eigentlichen Sekundärstrahlung hat ebenfalls Lichtnatur, während die andere Art eine Korpuskularstrahlung ist, sie ist von der Natur der Kathodenstrahlung.

Hierbei sei es von vornherein bemerkt, daß es experimentell noch nicht einwandfrei erwiesen ist, ob alle von Röntgenstrahlen getroffenen Körper sekundäre Röntgenstrahlen, d. h. Strahlen, die ihrer Natur nach mit den Primärstrahlen identisch sind, emittieren können. Zer- streute Röntgenstrahlen und sekundäre #-Strahlen, also Korpuskularstrahlen, von der Natur der Kathodenstrahlen, werden in allen Körpern und von allen Röntgenstrahlen und allen Gammastrahlen der radioaktiven Substanzen erzeugt.

Wenden wir uns zuerst der Betrachtung der einen Art der Sekundärstrahlen, nämlich der zerstreuten Strahlung zu. Wenn Röntgenstrahlen durch einen Körper gehen, so wird ein Teil von ihnen diffus zerstreut, wobei diese zerstreute Strahlung, wie bereits erwähnt wurde, genau die gleichen Eigenschaften hat, wie die Primärstrahlen, sich also genau so verhält, als wäre die Primärstrahlung selbst diffus zerstreut worden. Die Härte, id est die Qualität der

art te EN ot

XXIII, 6. Rörtrenstrahlen-Meßeinrichtungen und deren Vergleich. 478

zerstreuten Strahlung he _ ‘édiglich von der Qualität der einfallenden Strahlung ab. Je härter

die einfallende Strahlung ist um so härter wird die zerstreute Strahlung sein und umgekehrt..

In einer gegebenen materiellen Schicht werden die langwelligeren Strahlen mehr zerstreut, als die kurzwelligeren Strahlen. |

Bezüglich des Verhältnisses der Intensität der zerstreuten Strahlen und der Intensität der Primärstrahlung ist zu sagen, daß die Gesamtintensität der zerstreuten Strahlung natürlich immer kleiner ist, als die der einfallenden Strahlung. Bei den Strahlen der mittleren Härte eines technischen Röntgenrohres wird ungefähr 10°/, des ganzen primären Energiebetrages, der den Strahlen beim Durchlaufen einer dünnen materiellen, keine sekundären Röntgenstrahlen emittierenden Schicht entzogen wird, in zerstreute Strahlung verwandelt werden.

Von bedeutend größerer Wichtigkeit als die eben besprochene zerstreute Röntgenstrahlung ist die eigentliche Sekundärstrahlung, von der wir, wie wir bereits bemerkten, wiederum zwei Arten zu unterscheiden haben. Die eine, die wir für die Folge immer als sekundäre Röntgen- strahlung bezeichnen wollen, hat den gleichen Charakter wie die Primärstrahlung, während die andere, die wir als sekundäre -Strahlung bezeichnen wollen, wie erwähnt wurde, den Charakter der Kathodenstrahlen hat. Die sekundäre Röntgenstrahlung wird auch als Fluoreszenzstrahlung bezeichnet.

Die Entdeckung eines fluoreszenzartigen Vorganges bei der Emission von Sekundärstrahlen ist den Arbeiten Barklas in der Hauptsache und denen seiner Mitarbeiter zu verdanken. Durch diese Untersuchungen wurden viele früher sehr schwer deutbare Beobachtungen erst

verständlich und durch diese Untersuchungen ist für die biologische Wirkung der Röntgen-

strahlen eine sichere Grundlage einer Theorie gelegt worden.

Steigt das Atomgewicht eines Mediums, das den Sekundärstrahler bildet, während sich sonst alle anderen Faktoren gleich bleiben, so wird das Verhältnis der sekundären Röntgen- stahlung zur Primärstrahlung immer größer, sobald ein Atomgewicht von 40 überschritten ist, Dabei erleidet die austretende Strahlung auch eine qualitative Veränderung insofern, als sie weicher wird, als die einfallende Primärstrahlung ist.

Jedes chemische Element oder jede dieses chemische Element enthaltende chemische Ver- bindung, sendet eine ganz bestimmte homogene Sekundärstrahlung aus, wenn es von einer Primärstrahlung getroffen wird, die in einer passend gewählten Normalsubstanz weniger ab- sorbierbar ist, als die Sekundärstrahlung.

Wenn man der weniger absorbierbaren Strahlung die kürzere Wellenlänge zuschreibt, wie dies tatsächlich der Fall ist, so ergibt sich hiermit ohne weiteres die Analogie mit der sogenannten Stockschen Regel der Optik, wonach ein durch Licht erregbarer Körper nur dann fluoresziert, wenn das erregende Licht kürzere Wellenlänge hat, als das erregte. Und wie das Fluoreszenzlicht dieses Körpers seine Lage im Spektrum nicht ändert, solange nur die erwähnte Bedingung der Stockschen Regel erfüllt ist, so bleibt die sekundäre Röntgenstrahlung dieselbe unabhängig von der Härte der Primärstrahlung, sofern diese nicht unter den zur Fluoreszenzerregung notwendigen Härtegrad herabsinkt.

Die Natur der Sekundärstrahlung einer chemischen Verbinduwe ist durch die Natur der in dieser Bindung enthaltenen chemischen Elemente SEHLA Mt, nicht aber durch die chemische Bindung als solche.

Diese letztere Tatsache ist von außerordentlicher Wichtigkeit für die Röntgenstrahlen- energiemessung, insbesondere aber für solche Methoden, bei denen die Röntgenstrahlenenergie nach der Größe der durch sie hervorgerufenen chemischen Veränderung eines Reagens gemessen wird.

Die folgende Tabelle I gibt uns näheren Aufschluß über die Sekundärstrahlung ver- schiedener Elemente. Der in der Tabelle auftretende Faktor km mißt die Absorption der

. Primärstrahlung in Aluminium als Normalsubstanz pro Masseneinheit. Diesen Absorptions-

koeffizienten km werden wir später noch kennen lernen. Er läßt sich leicht zu der Halbwert-

schicht in Beziehung bringen. Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. XXIII. , 60

474 Voltz. | XXIII, 6.

km definiert eindeutig, soweit dies durch Absorptionsmessungen möglich ist, die Härte ‚der Primärstrahlung, die zur Erzeugung der sekundären Röntgenstrahlung notwendig ist. Die Größe kn ist-durch eine einfache eae gegeben, es ist: |

= J,.e "im

wobei m die Masse des Teiles der = ist, die die Einheit der Oberfläche besitzt.

Tabelle I.

Em in Aluminium Reihe I Reihe I

Element Atomgewicht

. 7

Ag. 107,10 2,5 700,0 C 111,50 2,0

Sn 118,10 1,57

W 184,00 0,4 83,0 Au 195,74 0,8 25.0 He. 198,50 0,1

Pb. 207,10 | 20,0

Was das Verhältnis der Sekundärstrahlen-Intensität zu der Intensität der Primärstrahlung anbelangt, so ist zu bemerken, daß dieses Verhältnis jeweils einen maximalen Wert erreicht, wenn die einfallenden Primärstrahlen gerade härter sind, als die für die Substanz, auf die sie auftreffen, charakteristische Sekundärstrahlung ist.

Die Härte der sekundären Röntgenstrahlung und damit die minimal notwendige Härte der erregenden Strahlung nimmt, wie wir bereits ausführten, mit wachsendem Atomgewicht des Mediums, das als Sekundärstrahler dient, sehr rasch zu. Hat z. B. die Strahlung, welche in Aluminium, dessen Atomgewicht 26,9 beträgt, die Fluoreszenzstrahlung erregen kann, einen Halbwert von 0,0044 cm, so hat die Erregerstrahlung bei Silber, dessen Atomgewicht 107,10 ist, bereits einen Halbwert von 1,085 cm.

Außer der Steigerung der Härte mit wachsendem Atomgewicht des Mediums, welches als Sekundärstrahler dient, wächst, wenn auch in viel geringerem Maße die Emissionsfähigkeit der Elemente für die sekundäre Röntgenstrahlung mit dem Atomgewicht.

Tabelle II gibt uns hierüber einen Überblick, und zwar gibt die Tabelle die Intensität der austretenden Strahlen in willkürlichen Werten an, wobei die Intensität der Aluminium- strahlen mit 1 zugrunde gelegt ist.

Tabelle II.

Element | Atomgewicht | Intensität

Die sekundäre Röntgenstrahlung ist an Körpern, deren Atomgewicht zwischen 80 und 120 schwebt, am leichtesten zu beobachten. Bei den leichteren Elementen wird die an und für sich sehr schwache Strahlung schon im Medium oder in der das Medium umgebenden

XXIII, 6. Réntgenstrahlen-MeBeinrichtungen und deren Vergleich. 475

Luftschicht absorbiert. Bei den schwersten Elementen ist sie zu wenig absorbierbar. Fir unsere Untersuchungen kommt hauptsächlich die Sekundarstrahlung der Elemente in Betracht, die in den Substanzen enthalten sind, auf deren chemischen oder physikalischen Veränderungen Röntgenstrahlen-Meßmethoden aufgebaut sind. Als -solche kommen zum Beispiel in Frage Silber mit einem Atomgewicht von 107,10 und einer Sekundärstrahlung vom Halbwert von 1,035 cm, Selen mit einem Atomgewicht von 79,2 und andere.

Nun senden aber die Elemente nicht nur eine, sondern zwei und eventuell sogar noch mehr Arten von sekundärer Röntgenstrahlung aus. Dabei gilt, daß die Sekundärstrahlung der Reihe II eines Elementes die Eigenschaften der Sekundärstrahlung der Reihe I eines Ele- mentes von etwa 2,5mal kleinerem Atomgewicht hat. Auch diese Erscheinung hat für unsere Untersuchungen Wert.

Die dritte Art der Sekundärstrahlung ist die Erzeugung sekundärer @-Strahlung. Wenn Röntgen- oder Gammastrahlen von radioaktiven Substanzen auf irgendeinen materiellen Körper 'auftreffen, verursachen sie an seiner Oberfläche neben der Bildung der bereits besprochenen zerstreuten Strahlung und der Bildung der sekundären Röntgenstrahlung eine Loslösung von Elektronen, also die Erzeugung von Korpuskularstrablen, die sich mit ziemlicher Geschwindig- keit bewegen. Sie sind in wenigen Millimetern Luft bereits vollständig absorbierbar. Da sie, wie erwähnt, aus Elektronen bestehen, sind sie von der gleichen Natur wie die $-Strahlen der radioaktiven Substanzen oder die Kathodenstrahlen in den Röntgenröhren.

Die Geschwindigkeit dieser losgelösten Elektronen hängt lediglich von der Qualität der Primärstrahlen ab; sie steht in keinerlei Zusammenhang mit der Intensität der Primärstrahlung und ferner nicht mit der Natur des Mediums, aus dem die Elektronen austreten. Man kann sagen, so wie härtere Röntgenstrahlen durch schnellere Kathodenstrahlen erzeugt werden, so werden schnellere @-Strahlen umgekehrt durch härtere Röntgenstrahlen erzeugt. Diese Tat- sache ist auch vom rein energetischen Standpunkt verständlich, nachdem ja die kurzwelligeren Röntgenstrahlen den größeren Betrag von Energie fortstrahlen, als die Jangwelligeren Strahlen und infolgedessen die von den kurzwelligen Strahlen losgelösten Elektronen die größere kine- tische Energie enthalten, als die von den langwelligen Strahlen losgelösten. 7

Was die Zahl der durch die einfallende Primärstrahlung erzeugten Elektronen anbelangt, so ist sie direkt proportional der Intensität der Primärstrahlung, das heißt mit anderen Worten, die Intensität der sekundären -Strahlen ist eine Funktion der Primärstrahlung.

In bestimmter .Beziehung erscheint die Intensität der sekundären $#-Strahlen auch ab- hängig zu sein von der Qualität der Primärstrahlung. Es besteht hier ebenso ein innerer Zu- sammenhang zwischen Atomgewicht des Mediums, Qualität der Primärstrahlung und Zahl der losgelösten Elektronen, wie bei der sekundären Röntgenstrahlung ein Zusammenhang bestand zwischen Intensität der Strahlung, Atomgewicht des Strahlers und Qualität der Erregerstrahlung.

Im allgemeinen ist die Zahl der in einer Sekunde von einem Röntgenstrahlenimpuls ausgelösten Elektronen dann ein Maximum, wenn die Härte der Primärstrahlung von dem Wert der zur Erzeugung der sekundären Röntgenstrablung in dem Medium noch nicht aus- reicht, bis zu dem Wert ansteigt, der zur Erzeugung dieser Strahlung gerade genügt.

Die Zahl der gebildeten Elektronen ist aber auch, was wir eben bemerkten, abhängig vop dem Atomgewicht der emittierenden Substanz, wie eine Reihe von Versuchen bewiesen hat. Mit steigendem Atomgewicht steigt die Zahl der pro Zeiteinheit emittierten Elektronen für den Fall, daß sich sonst alle übrigen Faktoren gleich bleiben. Man erkennt aus diesen Tatsachen ohne weiteres den Zusammenhang zwischen sekundärer Röntgenstrahlung und sekun- därer 6-Strahlung. Dieser Zusammenhang ist ein direkt gesetzmäßiger.

Treten Röntgenstrahlen in irgendein Medium ein, so wird ein Teil ihrer Energie in dem Medium bekanntlich absorbiert. Diese absorbierte Energie kann als solche natürlich nicht verschwinden, sondern sie erfährt eine Energieumwandlung. Binen Teil der Energie, die ab-

sorbiert wurde, treffen wir in der Energie der zerstreuten Strahlung wieder an, einen anderen j 60*

476 Voltz. XXIII, 6.

Teil, wohl den größeren Betrag, finden wir in der Energie der aus dem absorbierenden Medium losgelösten Elektronen wieder. Es findet die Bildung sekundärer -Strahlen statt.

Diese Elektronen besitzen, wie wir eben gesehen haben, eine bestimmte Geschwindigkeit, welche von der Qualität der einfallenden Erregerstrahlung allein abhängig ist. Die Elektronen geraten bei ihrer Bewegung wiederum mit den Atomen des absorbierenden Mediums zusammen. Die in den Elektronen aufgespeicherte kinetische Energie erfährt eine abermalige Umwandlung, und zwar in die Energie der sekundären Röntgenstrahlung. Der Vorgang ist dabei der gleiche, wie bei der Bremsung der Elektronen auf der Antikathode der Röntgenröhre, ein Vorgang, welcher die Entstehung der Röntgenstrahlung zur Folge hat.

Der Vorgang wiederholt sich dann solange, bis der gesamte in dem Medium absorbierte Energiebetrag transformiert ist und als Lichtenergie, als Wärmeenergie, biologisch-chemische Energie, oder als sonst irgendwelche Form von Energie uns bemerkbar wird.

Ein Teil der Röntgenstrahlenenergie geht bei diesen wiederholten Energieumwandlungen als Wärme verloren, schon allein der Entropie wegen. Vielleicht spielt die entstandene Wärme- energie bei den im Körper vor sich gehenden chemischen Vorgängen, die sich uns letzten Endes als biologischer Effekt darstellen, eine ganz besondere Rolle.

Die Wirkung der Röntgenstrahlen auf das Meßgerät.

Bevor wir auf die eigentlichen Röntgenstrahlen-Meßapparate eingehen, sei zuerst noch einiges Allgemeine ausgeführt über mehrere Gesetze der geometrischen Optik, denen auch die Röntgenstrahlen infolge ihrer Lichtnatur unterliegen.

Die Intensität der Röntgenstrahlung nimmt bekanntlich, wenn wir von jeglicher Absorp- tion. absehen, mit dem Quadrate der Entfernung ab. Wenn eine bestimmte Lichtintensität von der Größe J, zum Beispiel in 1 m Entfernung von der Energiequelle auf 1 qcm auftrifft, so trifft die gleiche Energiemenge in 2 m Entfernung auf 4 qcm auf. Die Intensität pro 1 qcm ist in 2 m Entfernung lediglich nur mehr '/, Jo und in 8 m Entfernung beträgt sie nur mehr 1j Jo- Die Größe J, stellt die Flächenintensität der Röntgenstrahlen dar, welche, wenn die Absorption aus der Betrachtung ausscheidet, dem Gesetze der quadratischen Abnahme unter- liegt.

Bezeichnen wir die Energie, welche von der als punktförmig anzunehmenden Energie- quelle dem Brennfleck auf der Antikathode der Röntgenröhre ausgeht, und auf 1 gem eines zu bestrahlenden Körpers auftrifft, mit J,- J, ist die Intensität der auffallenden Strahlung. Dosis nennen wir nun diejenige Menge von Röntgenstrahlenenergie, welche in 1 ccm eines Körpers absorbiert wird. Da aber die Intensität der Strahlen beim Eindringen in den Körper fortwährend abnimmt, so ist die Dosis naturgemäß in verschiedenen Tiefen verschieden. Man muß deshalb die Tiefe angeben, für welche die Dosis bestimmt werden soll.. Es ist zu unter- scheiden zwischen einer Tiefendosis, und zwar für unter Umständen ganz verschiedene Tiefen und einer Oberflächendosis. Die Oberflächendosis erhält man, wenn man die im Oberflächen- volumen eines Körpers absorbierte Röntgenenergie durch dieses Volumen dividiert. Bezeichnen wir den Intensitätsverlust mit dJ,, dann ist die Oberflichendosis pro Zeiteinheit, wenn dz den Weg senkrecht zur Oberfläche bedeutet |

D _d%, | t de Dauert die Absorption der Strahlung in dem Volumen t Sekunden, so ist die Dosis während dieser Zeit

BL | = da Ä Statt dJ, und dz können wir nun Intensität und Härte der Röntgenstrahlung einführen, Da das Röntgenstrahlengemisch einen Teil des elektromagnetischen Spektrums darstellt, so dürfen

XXIL, 6. Röntgenstrahlen-Meßeinrichtungen und deren Vergleich. 477

wir den Intensitätsverlust dJ, auch entsprechend ausdrücken und dJ, proportional der auf- fallenden Intensität J, und der Dicke dx setzen, es ist nämlich: dJ, proportional J, ; außerdem Ä dJ, proportional dx.

Damit ist: |

dJ, =k. Jo de.

Der in dieser Gleichung auftreffende Faktor & ist ein Maß für die Stärke der Absorption in dem betreffenden Medium und wird Absorptionskoeffizient genannt; wir haben denselben bereits eingangs erwähnt und bei Behandlung des Sekundärstrahlenproblems von ihm Ge- brauch gemacht.

Wir haben dort den Koeffizienten km aufgeführt und bemerkt, daß er die Absorption des Mediums pro Masseneinbeit mißt.

Es ist nun leicht zu sehen, daß, wenn r die Dichte des absorbierenden Mediums darstellt,

km = = wird, oder

k=r-k,, ist.

Es mißt also km die Absorption des Mediums pro Masseneinheit, k pro Dickeneinheit. Statt der obenerwähnten Gleichung

dJ, = k ° Jo ° dz kénnen wir euch folgende Gleichung setzen: D=k-J,-

Demgemäß sind zur Bestimmung der Dosis drei om zu messen, nämlich die Intensität J,, der Absorptionskoeffizient k und die Zeit £. Die vorstehende Gleichung gibt uns eine weitere Grundlage für die Behandlung unseres Themas: Ä

„Röntgenstrahlenmeßeinrichtungen und deren Vergleich.“

Man kann statt des in der Physik gebräuchlichen Absorptionskoeffizienten k auch die sogenannte Halbwertschicht anwenden. Der Begriff wurde bekanntlich von Christen ein- geführt und in der diesbezüglichen Literatur eingehend definiert. Wir kommen bei der Be- handlung der Qualitätsmessung eingehender auf den Begriff zurück und werden wir dort die Beziehungen zwischen Absorptionskoeffizient und Halbwert kennen lernen.

Wir besitzen nun allerdings keinerlei Apparate, welche das in der Gleichung auftretende Produkt k- J, -t direkt messen, wir müssen vielmehr, um die Dosis zu erhalten, alle drei Fak- toren einzeln bestimmen. Ein Dosimeter besteht daher immer aus einem Intensimeter und einem Härtemesser. Der Zeitfaktor kann ja ohne Schwierigkeiten mitbestimmt werden.

Die qualitative Messung der Röntgenstrahlen.

Eingangs haben wir erwähnt, daß wir über 5 Methoden der Härtemessung besitzen. Die in der Praxis gebräuchlichen Methoden, wie die Messung der Härte mit der Wehneltskala oder die von Benoist angegebene Methode, ebenso wie die von Christen angegebene, beruhen alle auf dem Prinzipe der Absorptionsmessung. Eine Absorptionsmessung gibt uns aber immer nur einen Mittelwert an, niemals Grenzwerte. Mit Riicksicht jedoch auf die eingangs ebenfalls näher definierte Forderung der Karzinomtherapie ist bereits ausgeführt worden,.daB eine Ab- sorptionsmessung hier nicht vollen Aufschlu8 geben kann, da eben der durch die Absorptions- messung definierte Mittelwert aus gar verschiedenen Summanden zusammengesetzt sein kann.

Eine Steigerung der Härte der Strahlung ist immer mit einer Erhöhung der an der Röntgen- röhre anliegenden und zur Wirkung kommenden Spannung verbunden, und wenn durch irgendeine technische Neuerung das Spektrum des von einer Röntgenröhre ausgehenden Strahlengemisches

478 Voltz. XXIII, 6.

sich gegen den Spektralbezirk der Gammastrahlen des Radiums C oder des Mesothoriums zu verschieben soll, so muß eben, nachdem das Spektrum hinreichend durch die Spannungskurve definiert ist, der Punkt der Maximalspannungen in diesem Falle héher liegen als bei anderen Vorrichtungen und auch sonst muß die Form der Kurve eine günstigere sein, das heißt, niedere Spannungswerte sollen möglichst ausgeschaltet werden.

Die Spannungen, die an Röntgenröhren herrschen, lassen sich messen und auch die Form der Spannungskurve an der Röhre läßt sich mittels besonderer Methoden feststellen. |

Wir haben bereits bemerkt, daß die Physik als Maß für die Härte einer Strahlung neben der wohl definierten Spannungsmessung den Begriff des Absorptionskoeffizienten eingeführt hat. Das ist, wie erwähnt wurde, derjenige Prozentsatz der auf eine Körperschicht auftreffenden Strahlenenergie, der in dieser Schicht absorbiert wird. Gemessen wird dieser Prozentsatz, wie wir ebenfalls im Vorhergehenden bemerkten, in Aluminium.

Diese Messung in Aluminium ist berechtigt, denn Aluminium, welches ein Atomgewicht von 27 besitzt, würde zur Erregung seiner charakteristischen Strahlung, wie wir bei der Er- örterung des Sekundärstrahlenproblems sahen, eine Primärstrahlung notwendig haben, dessen Absorptionskoeffizient k gleich wäre 580 oder dessen Halbwert gleich wäre 0,0044 cm. Es wäre zur Erregung der Eigenstrahlung des Aluminiums damit eine Strahlung notwendig, wie sie im primären Röntgenstrahlenspektrum eines technischen Röntgenrohres gar nicht vorhanden ist, oder wenn sie vorhanden ist, schon in der Glaswand der Röntgenröhre absorbiert wird.

Was die in der Praxis gebräuchlichen Härtemesser anbelangt, so können wir uns auf die Benoist- und Wehneltskala, sowie auf die Erörterung der Halbwertschicht beschränken.

Die Härteskalen von Benoist und Wehnelt vergleichen bekanntlich die Permeabilität einer Substanz variabler Dicke, wie z. B. einer Aluminiumtreppe oder eines Aluminiumkeiles mit der Permeabilität von Silber, das in dem zu messenden Strahlenbereich ein Gebiet selek- tiver Absorption besitzt.

Alle diese auf diesem Prinzip aufgebauten Härtemesser sind, nun, was bei all den Messungen zu bedenken ist und was hier von vornherein bemerkt sei, nur bei stets unveränderten Betriebsbedingungen brauchbar. H. Kröncke macht in seiner Göttinger Dissertation über die Messung der Intensität und Härte der Röntgenstrahlen ausdrücklich auf diesen Umstand aufmerksam. Diese Härtemesser geben eindeutige Werte, so weit eben bei Absorptionsmessungen von eindeutigen Werten gesprochen werden darf, nur bei einer Betriebsart. Bei mehreren Betriebsarten haben sie lediglich orientierenden Wert.

Dieser letztere Punkt ist, wie leicht zu erkennen ist, von außerordentlicher Wichtigkeit gerade für die Röntgenstrahlentherapie.

In dieser Tatsache liegt der Grund für die Unsicherheit unserer qualimetrischen Meß- verfahren, die auf den beiden erwähnten Prinzipien direkt oder indirekt beruhen.

Es läßt sich durch Versuche ohne weiteres feststellen, daß hier Schwankungen in den Angaben in ziemlich weiten Grenzen vorkommen können, wenn man die nach der Theorie ein- deutige Werte ergebende Spannungsmessung als Normale annimmt.

Christen hat nun bekanntlich in die Technik der Messung der Qualität der Röntgen- strahlen den neuen Begriff des Halbwertes gebracht und auf Grund dieses mathematisch von ihm definierten Begriffes auch eine Methode zur Härtemessung angegeben.

Als Halbwert bezeichnet Christen bekanutlich diejenige Gewebedicke, welche gerade die Hälfte der auffallenden Strahlen absorbiert. Diese Größe H ist leicht zu messen und steht, wie wir bereits erwähnten, in bestimmten Zusammenhang mit dem Absorptionskoeffizienten k. Wir haben vorhin für den Absorptionsverlust dJ, eine Formel aufgestellt, welche lautete:

dJ; =k- Jo- de.

Wollen wir nun den Zusammenhang der Größe H mit dem Absorptionskoeffizienten feststellen,

XXIII, 6. Röntgenstrahlen-Meßeinrichtungen und deren Vergleich. 479

so müssen wir diese Gleichung von den kleinen Werten dx auf größere Werte von x inte- grieren. Wir erhalten dann en Pare ed

In dieser Gleichung bedeutet J, die Strahlenintensität in z cm Tiefe, wobei allerdings noch angenommen ist, daß der Abstand zwischen Antikathode und der betreffenden Gewebe- schicht ein konstanter geblieben ist. Wollen wir nun J, auffinden, wobei gelten soll

= iJ, und wobei wir dann dieses «= H setzen, so gilt Jr =J, s e— Fei, Daraus folgt et Hu 9 oder k. H = 0,693. Haben wir die Dosis zuerst festgestellt als D=k.J.t,

so erhalten wir jetzt für die Dosis an der Oberfläche Jo D= 0,698 . Ft Für die Tiefendosis erhalten wir, da dort als wirksame Strahlung J, in Betracht kommt, Jz D, = 0,698 - Et

J, läßt sich rechnerisch ermitteln. Christen hat den Begriff des Halbwertes eingeführt, um, wie er selbst sagt, eine physi-

kalisch definierte Meßeinheit zu schaffen und damit endlich einmal Ordnung zu bringen in die Willkürlichkeit der einzelnen Härteskalen.

Wir haben eingangs ausgeführt, daß die Härte des Strahlengemisches einer Röntgenröhre .

hinreichend definiert ist durch die an der Röhre liegende und zur Wirkung kommende Spannung. Das Spektrum ist gegeben und ebenso hinreichend definiert durch die Spannungskurve an der Röhre. Wir haben ausgeführt, daß zwischen der Spannungskurve und der Form der Strom- kurve bestimmte gesetzmäßige Beziehungen vorhanden sein dürften. Sobald der Zusammen- hang zwischen Spannungskurve und Stromkurve einmal geklärt ist, kann uns die Form der Stromkurve bestimmte Schlüsse auf das Strahlengemisch zulassen. Wir haben ja aus den

Abbildungen 2—5, welche, wie wir dort bemerkten, unter ziemlich gleichen Betriebsbedingungen

aufgenommen wurden, gesehen, daß selbst bei ein und derselben Betriebsart die Form der Ent- ladung ganz anders sich darstellen kann. Nun erst noch die verschiedenen Betriebsarten! Welche Variationen sind hier möglich?

Nimmt man dann im Zusammenhang hiermit noch die jeweilige Spannung auf; welche an einem gewöhnlichen Hochspannungsvoltmeter mit vorgeschalteten Luftkondensatoren abgelesen werden kann, so hat man ein eindeutiges Maß für die Strahlenhärte und zugleich einen Über- blick über die Zusammensetzung des Strahlengemisches. Daß in der Praxis das Bedürfnis nach einer Meßmethode besteht, welche auch Schlüsse auf die Zusammensetzung des Strahlen- gemisches zuläßt, geht deutlich aus einer neueren Arbeit von Kienböck in den Fortschritten Bd. 22, Heft 6 hervor, wo Kienböck feststellt, daß alle bisherigen Methoden der Härtemessung infolge des aus den verschiedensten Komponenten zusammengesetzten Röntgenstrahlengemisches nur unzulänglichen Aufschluß geben.

Kienböck gibt dann allerdings im Anschluß hieran ebenfalls eine Methode der Härte-

messung an, die mit seinem Quantimeter vorgenommen wird. Es stellt damit die neue von

Kienböck angegebene Methode ein photographisches Verfahren dar, das auf der chemischen Veränderung der Silbersalze unter dem Einfluß des Röntgenlichtes beruht.

Fern et ;

480 Voltz. | XXIII, 6.

Nun ist eines dabei zu bedenken, nämlich, daß Silber eine starke selektive Absorption besitzt, so daß einer Absorption im Silber unter Umständen ganz verschiedenartige Strahlungs- komponenten entsprechen können und daß infolgedessen bei jeder photographischen Härte- messung große Fehlerquellen sich einstellen. Silber hat, wie wir sahen, ein Atomgewicht von 107,10 und der Absorptionskoeffizient der Primärstrahlung, die zur Erregung der sekundären Röntgenstrahlung im Silber notwendig ist, ist 2,5 in der Reihe I, was einem Halbwert von 1,035 cm entspricht. Wir haben es hier mit einer Strahlung zu_tun, die im primären Röntgen- strahlenspektrum vorhanden ist und je nach der Lage des Intensitätsmaximums im Spektrum in mehr oder weniger großer Menge auftritt.

Das Gesetz der selektiven Absorption ist natürlich auch gültig für die Salze des Silbers, denn wir haben gelegentlich der Erörterung des Sekundärstrahlenproblems ja festgestellt, daß die Natur der Sekundärstrahlen einer chemischen Verbindung durch die Natur der in dieser Bindung enthaltenen Elemente bestimmt ist, nicht aber durch die chemische Bindung als solche.

Die Schwärzung einer photographischen Schicht, also die chemische Veränderung der Silbersalze, ist eine Folge der in der Schicht zur Absorption gelangten Strahlung, und zwar ist die chemische Veränderung der Silbersalze wieder wie allgemein jede Veränderung einer chemischen Verbindung auf eine Dissoziation ihrer Moleküle zurückzuführen, wobei die Ursache die sekundäre Elektronenbildung ist. Je größer die Menge der entstandenen Elektronen ist, um so mehr auch die Dissoziation der Moleküle und damit um so größer die chemische Ver- änderung der Silbersalze, also die Schwärzung der Schicht. Die Menge der gebildeten Elektronen ist jedoch, wie wir ebenfalls bei der Behandlung des Sekundärstrahlenproblems feststellten, wieder um so höher, je größer die Intensität der Primärstrahlung ist. Die Menge der sekundär gebildeten Elektronen ist eine Funktion der Primärstrahlenintensität.

Andererseits erreicht aber die Menge der losgelösten Elektronen dann ein Maximum, wenn die Härte der Primärstrahlung von dem Wert, der zur Erzeugung der sekundären Röntgen- strahlung noch nicht ausreicht, bis zu dem ansteigt, der zur Erzeugung dieser Strahlung gerade genügt.

Diese Bedingung ist für das primäre Röntgenstrahlenspektrum in den uns unterlaufenden Fällen unter Umständen eben gegeben.

Wir haben damit ein Maximum der Schwärzung der photographischen Schicht in diesem Falle zu erwarten.

Da also der Grad der Schwärzung der Platte oder des Reagensstreifens stark von der Intensität abhängig ist und durch die selektive Absorption des Silbers direkt bestimmt wird, so kann uns aus diesen Gründen eine Methode, die sich auf die photographische Feststellung der Härte aufbaut, keinen wirklichen Schluß auf die Härte geben, sie kann vielmehr immer nur orientierenden Wert haben, denn wir haben es eben mit unter Umständen ganz verschiedenen Betriebsbedingungen und damit verschiedener spektraler Verteilung zu tun’). |

Man kann ja leicht die Beobachtung machen, daß photographisch festgelegte Härtegrade immer andere Werte ergeben, als wenn die Messung am Leuchtschirm vorgenommen wird, selbst, wenn hier mehrere Personen die Messung machen und aus den Angaben dieser Personen das arithmetische Mittel genommen wird, so daß subjektive A bleserenigi möglichst eliminiert werden.

Friedricb und Koch finden in ihrer Arbeit über „Methoden zur reed Spektral-Photometrie“ Annalen der Physik Bd. 45, 1914, daß, sofern es sich um die Beziehung zwischen Schwärzungsgrad und Intensität handelt, nach Ahzug der Schleierschwärzung die Ab- hängigkeit der Schwärzung von der Intensität eine nahezu geradlinige ist.

1) Ich habe in meiner Arbeit, Voltz: „Zur Frage der photographischen Härtemessung“, Physi- kalische Zeitschrift 1915, Seite 305—808 diesen Punkt ausführlicher behandelt und werde nächstens in einer größeren Arbeit das gesamte Gebiet eingehend behandeln und auch die von Wertheim-Salomon- son gebrachten Einwürfe gegen meine oben genannte Arbeit widerlegen.

XXIII, 6. Röntgenstrahlen-Meßeinrichtungen und deren Vergleich. 481

Welchen Einfluß die Sekundärstrahlung des Silbers hervorzurufen in der Lage ist, kann man sich in anschaulicher Weise durch folgenden Versuch klarmachen. Ein Kienböckstreifen wird auf der Schichtseite mit einem Silberblech von 0,9 mm Dicke, wie er bei der Wehnelt- skala verwendet ist, belegt und die eine Hälfte des Silberstreifens gegen die Schicht zu mit dünnem Papier bedeckt, so daß zwischen photographischer Schicht und Silberstreifen hier die Papierschicht liegt. Ich habe diesen Versuch angestellt unter folgenden Bedingungen:

Müller-Wasserkühlröhre |

Induktor-Gasunterbrecher

1 mm Filter, Fokalabstand 20 cm

Härte 8 Bauergrade

> Belastung 2 Milliampére

Zeitdauer 1 Minute. Dabei wurde der Streifen so angebracht, daß die Strahlen zuerst das Silber passieren mußten und dann erst zur Schicht des Reagensstreifens gelangen konnten. Das Ergebnis des Versuches war, daß die Stelle des Reagensstreifens, an der das Papier zwischen Silberblech gelegen war, eine um 33°/, geringere Schwärzung aufwies, als die andere Stelle, an der das Silber direkt auf der Schicht lag.

Bei einem zweiten Versuch, den ich vornahm, waren die Versuchsbedingungen die gleichen, nur daß diesmal das Bauer-Qualimeter 10° anzeigte. Nun zeigte die Stelle, an der das Papier gelegen war, eine um 25°/, geringere Schwärzung an.

Wir sehen aus diesen beiden Versuchen bereits den hohen Effekt, den die vom Silber ausgehende Strahlung hervorrufen kann. Auf die Bedeutung insbesondere für die Dosimetrie soll an der diesbezüglichen Stelle näher hingewiesen werden.

Aus diesen Ausführungen können wir erkennen, daß die Spannungsmessung in Verbindung mit der Feststellung des in der Physik gebräuchlichen Absorptionskoeffizienten oder der mit dem Absorptionskoeffizienten in bestimmter Relation stehenden Halbwertschicht ein relativ hinreichendes Maß für die Messung der Härte einer Röntgenstrahlung darstellt. Um Ver- änderungen in den Entladungsvorgängen, die wiederum einen Einfluß auf die Veränderung der Strahlung haben, feststellen zu können und damit einen Überblick über die spektrale Verteilung zu haben, empfiehlt sich die Beobachtung des Entladungsvorganges, wobei allerdings zuerst die Beziehung zwischen Strom- und Spannungskurve, welch letztere ein relatives Maß für den momentanen Verlauf des Spektrums darstellt, geklärt sein müssen. Eine Methode, durch die es möglich ist, die Stromkurve während des Betriebes eines Röntgenapparates in ihren feinsten Veränderungen verfolgen zu können, wurde von mir angegeben. Die Methode ist näher be- schrieben in Janus und Voltz, „Eine Methode zur Darstellung der Stromkurven hochgespannter Ströme“, Physikalische Zeitschrift 1915, Heft 7. Die in den Abbildungen 2—7 wiedergegebenen Entladungskurven sind mit der von mir angegebenen Methode von mir aufgenommen worden.

Die quantitative Messung der Röntgenstrahlen.

Viele Autoren gehen bei der Behandlung des Themas der Röntgenstrahlenmeßtechnik da- hin, daß sie sagen, die einwandfreie qualitative Messung der Röntgenstrahlen sei eine viel wich- tigere und erforderlichere Arbeit als die einwandfreie quantitative Messung, vielmehr sei die Lösung der zweiten Aufgabe id est die quantitative Messung durch die Lösung der ersten Aufgabe der qualitativen Messung bedingt und gegeben.

Freiherr von Wieser sagt mit Recht in seinem Bericht als Mitglied der Kommission .

für Dosimetervergleich: „Wir müssen bei der Glühlampe das en kennen, also auch das Spektrum der Röntgenröhre, die wir verwenden“. Die von Wieser aufgestellte Forderung, die sich aus einer Reihe von Überlegungen er-

gibt, ist erfüllt, sobald man sich dazu entschließt, die Spannungsmessung im Zusammenhang

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 61 = 7

a lee A. ua .— seam aa u Œ .

re ete om r K di 2 f:

bei eat e.. age! =? A ` parte t hr ve,

WOE

482 | Voltz. = XXII, 6.

mit der Einführung des Begriffes des Absorptionskoeffizienten oder der Christenschen Halb- wertschicht anzuwenden. Wir haben hier, wie bereits ausgeführt, ein eindeutiges absolutes Maß für die Härte einer Strahlung. |

Wir haben eingangs ausführlich auf die Differenzen zwischen den einzelnen Dosimetern hingewiesen. Insbesondere haben wir die Unterschiede zwischen Kienböckverfahren und der von Sabouraud und Noiré angegebenen Methode bemerkt und auf den nach den Vergleichs- versuchen von H. E. Schmidt vollkommen regellosen Zusammenhang zwischen beiden Ver- fahren hingewiesen.

Auch andere Autoren, wie z. B. Adler in seiner Arbeit: „Versuche über das Kienböcksche und Holzknechtsche Verfahren“, Strahlentherapie Bd. 5, Heft 1, kommen zu dem Schluß, daß alle unsere dosimetrischen Verfahren nicht ohne erhebliche Fehlerquellen sind.

Eine quantitative Vergleichung der Intensitäten von Röntgenstrahlen ist, wie sich aus den vorausgegangenen Untersuchungen ergibt, denselben Beschränkungen unterworfen, wie diejenige von Lichtstrahlen allgemein. Solange man es mit Strahlen gleicher Wellenlänge zu tun hat, kann man genau so, wie bei einfarbigem Licht jeden beliebigen Effekt der Strahlen benutzen, für welchen man den Zusammenhang zwischen Größe des Effektes und der Strahlenintensität durch besondere vorausgegangene Versuche festgestellt hat.

Bei den Dosimetern nun müssen wir unterscheiden zwischen indirekten und direkten Dosi- - metern. Von den indirekten Dosimetern ist das von Köhler angegebene zu nennen, welches auf Grund der Temperaturmessung der Glaswand die Dosis zu ermitteln sucht. Ebenso wäre anzuführen die Dosierung mit geeichten Röhren.

Eingang in die Praxis haben aber nur die direkten Dosimeter gefunden. Als direkte Methoden kommen solche in Betracht, welche auf folgenden Wirkungen der Röntgenstrahlen aufgebaut sind:

1. die elektrische Aufladung metallischer Körper beim Auftreffen von Röntgenstrahlen, . die Wärmewirkung der Röntgenstrahlen,

. die chemische Wirkung der Strahlen, . die Ionisierung von Gasen unter dem Einfluß der Strahlen, . Widerstandsänderungen von gewissen Stoffen, wie z. B. des Selens.

Das Prinzip aller direkten Röntgenstrahlendosimeter ist also gegeben in den eingangs schon erwähnten und als besondere Wirkungen der Röntgenstrahlen bezeichneten Effekten. Wir haben seinerzeit bereits ausgeführt, daß man alle diese besonderen Wirkungen der Röntgen- strahlen auf eine gemeinsame Ursache zurückführen kann, nämlich auf die Bildung sekundärer Elektronen.

_ Die Bedingungen für das Auftreten der sekundären Elektronen haben wir gelegentlich der Besprechung des Sekundärstrahlenproblems eingehend behandelt. Es ist hieraus ohne wei- teres klar zu ersehen, welche Rolle die Gesetze des Sekundärstrablenproblems auch für die Quantitätsmessung der Röntgenstrahlen spielen. Die Größe der Einwirkungen der Röntgen- strahlen auf das Meßgerät ist bedingt und gegeben durch die Anzahl der gebildeten Hlek- tronen, also durch die Größe der sekundären Kathodenstrahlung.

In der Strahlenmeßpraxis haben sich am meisten solche Dosimeter eingeführt, welche auf einer chemischen Veränderung gewisser Substanzen oder chemischer Verbindungen: beruhen. Als solche kommen hauptsächlich die im folgenden aufgeführten in Betracht.

1. Am verbreitetsten ist wohl das Kienböckverfahren, welches auf der chemischen Ver- änderung der Silbersalze in der Schicht des Reagensstreifens beruht. Bei diesem Quantimeter sind für die Entwicklung der Streifen eine Reihe von Bedingungen, wie richtige Zusammen- setzung und richtige Temperatur des Entwicklers und andere mehr zu beachten, die allein die Möglichkeit von Fehlern in sich bergen. Diese rein technischen Fehlerquellen scheiden für die Betrachtung unseres Themas naturgemäß völlig aus. Wir müssen vielmehr in unserem Falle annehmen, daß Fehler, die sich aus diesen Fehlerquellen ergeben könnten, tatsächlich nicht auftreten.

oe © N

XXIII, 6. Röntgenstrahlen-Meßeinrichtungen und deren Vergleich. 483

2. Ein anderes Verfahren zur Messung der Strahlenqualität wurde von Freund und Bordier angegeben. Bei diesem Verfahren bildet eine Lösung von Jodoform in Chloroform das Reagens. |

3. Bei dem von Schwarz angegebenen Dosimeter bildet das Reagens die-Ausscheidung von Kalomel aus einer Ammoniumoxalat-Sublimatlösung.

4. Die von Sabouraud und Noiré angegebene Methode beruht auf der Verfärbung eines Kaliumplatinzyaniirplittchens unter dem Einfluß der Röntgenstrahlen. Der Grad der Ver- färbung wird an einer Normalskala abgelesen.

Wirkliche praktische Bedeutung von den vier ausgeführten Methoden haben jedoch nur das Verfahren von Kienböck und das von Sabouraud und Noiré erlangt.

Alle die Dosimeter nun, die auf einer chemischen Veränderung bestimmter Substanzen beruhen, weisen schon, rein allgemein betrachtet, reiche Fehlerquellen auf, was, wie ‚bereits er- wähnt wurde, von zahlreichen Autoren bestätigt wird.

Bei der Behandlung des Sekundärstrahlenproblems haben wir festgestellt, daß die Sekun- därstrahlung einer chemischen Verbindung durch die Natur der in dieser Bindung enthaltenen Elemente bestimmt ist, nicht aber durch die chemische Bindung als solche. Diese Feststellung haben wir bereits angewandt bei der Besprechung der photographischen Härtemessung. Hier fanden wir, daß der Grad der Schwärzung eine direkte Funktion der Zahl der losgelösten Elek- tronen ist, die ihrerseits wieder durch ihre lebendige Kraft die Dissoziation der Moleküle her- vorrufen. Wir haben hier festgestellt, daß die Zahl der losgelösten Elektronen dann ein Maximum erreicht, wenn die Bedingungen für das Auftreten der charakteristischen Strahlung am günstigsten sind. Dies ist bekanntlich dann der Fall, wenn die Härte der Primärstrahlung von dem Wert, der zur Erzeugung der sekundären Röntgenstrahlen noch nicht ausreicht, bis zu dem ansteigt, der zur Erregung dieser Strahlung gerade genügt. | Was wir damit speziell für die Silbersalze aufgeführt haben, gilt allgemein für alle die Körper, auf deren chemischer Veränderung Röntgenstrahlenmeß- methoden aufgebaut sind, wie überhaupt für alle Körper, deren Atomgewicht höher als 27 ist. Bei diesen Körpern tritt infolge der Zusammensetzung des primären Röntgenstrahlenspektrums selektive Absorption und infolgedessen ein Maximum an Sekundär- strahlenbildung ein. Die selektive Absorption der Strahlen stellt die Hauptfehlerquelle dieser Dosimeter dar.

Den Beweis für diese Tatsache auch für Röntgenstrahlenphotometer, die auf der Wider- standsänderung von Selen aufgebaut sind, habe ich in der Physikalischen Zeitschrift 1915, H. 11, durchgeführt in Voltz: „Über die Verwendbarkeit des Selens zu Röntgenstrahlen- energiemessungen“!), Ich konnte hier an Hand einer Reihe von Messungen nachweisen, daß Selen zu einwandfreien Röntgenstrahlenenergiemessungen ebenso wie im gewöhnlichen Licht- spektrun nicht verwendbar ist. Das Resultat der Messungen ist durch verschiedene Faktoren, wie die Zeit und die Unterbrechungsfrequenz stark beeinflußbar, ebenso dürfte die selektive Absorption des Selens, das ein Atomgewicht von 79,2 besitzt und dessen charakteristische Strahlung einen Absorptionskoeffizienten von 18,9 besitzt, eine erhebliche und die Werte be- einflussende Rolle spielen.

In unserer Zeit sind nun auch in die Röntgenstrahlenmeßpraxis noch Instrumente ein- geführt worden, welche die Ionisationswirkung der Röntgenstrahlen zur Anwendung bringen. Leider besteht gegen diese Instrumente, die unter dem Namen Iontoquantimeter, Ionometer und anderen Namen eingeführt werden, eine gewisse konservative Abneigung seitens mancher Kreise. Und doch genügen gerade diese Instrumente den Bedingungen, die man an eine Meßeinrichtung stellen muß, nämlich den Bedingungen des einwandfreien Messens und der Genauigkeit. Das

l 1) Die von Fürstenau hiergegen gemachten Einwendungen bestehen nicht zu Recht und verweise ich dabei auf meine Arbeit, Voltz: „Zur Frage der Strahlenmessung mittels Selenzellen® in der physi- kalischen Zeitschrift 1915, Heft 16. 61*

a

“Wt k I 1} | $ N en} er oe Y Warren E Ly

i

ee; tr SR r I + 1

i h t

484 Voltz. XXIII, 6.

Prinzip all dieser Instrumente ist das, daß ein aufgeladenes Elektrometer unter dem Einfluß der Röntgenstrahlen sich entlädt. Alle anderen Details sind Konstruktionsmomente, die bei den verschiedenen Instrumenten natürlich verschieden sind.

Wie wir in vorausgehenden Kapiteln bereits ausführten, sind die Röntgenstrahlen sehr inhomogen und man kann eben genau so wie bei der Vergleichung von Lichtintensitäten ver- schiedener Farbe nur solche Methoden verwenden, welche die Energie der verschiedenen Strahlen zu vergleichen gestatten.

Eine derartige Methode stellt nun auch für sehr schwache Strahlen die Ionisationsmethode dar. Den Vorgang der Ionenbildung haben wir bereits behandelt. Da diese Ionen nicht wie bei einem gewöhnlichen Elektrolyten unabhängig von dem hindurchgehenden Strom in einer zur abgeschiedenen Menge sehr großen Zahl fortwährend neu erzeugt werden, sondern durch die Röntgenstrahlen nur in verhältnismäßig geringer Zahl gebildet werden, so kann der zwischen zwei Elektroden durch die Luft übergehende Strom mit steigender Spannung nicht über einen gewissen Grenzwert, den „Sättigungsstrom“ hinausgehen.

Der Sättigungsstrom ist, unabhängig von der Qualität der Strahlen, direkt der in der Volumeinheit des Gases absorbierten Strahlenenergie proportional. Kennt man dazu noch den Absorptionskoeffizienten des Gases, so kann man daraus die relative Gesamtenergie berechnen.

Die elektrische Methode erlaubt je nach der Art des benutzten Elektrometers eine be- liebige Steigerung der Empfindlichkeit.

Die Schnelligkeit der Entladung des Elektrometers ist also der Menge der in der loni- sationskammer absorbierten Strahlung direkt proportional.

Die Größe dieser Absorption ist dabei wieder direkt proportional der Gesamtmenge der Strahlen, von der die Kanımer getroffen wird; andererseits ist sie umgekehrt proportional der jeweiligen Halbwertschicht der Strahlen.

Aus vorhergehenden Betrachtungen geht hervor, daß als Prüfkörper für die von den Weichteilen des menschlichen Körpers aufgenommene Strahlenmenge lediglich irgendein Stoff kleineren Atomgewichtes als 27 bzw. ein solcher dienen kann, der sich aus Elementen klei- neren Atomgewichtes als 27 zusammensetzt.

Dieser letztgenannten Bedingung genügen nun eben gerade die Meßapparate, welche auf dem Prinzipe der Ionisation durch Röntgenstrahlen aufgebaut sind, soferne die Gase, welche in der Jonisationskammer enthalten sind, ebenfalls ein Atomgewicht besitzen, welches kleiner ist, als 27 und soferne die Metalle, welche den Luftraum der Ionisationskammer direkt umgeben, ebenfalls ein Atomgewicht besitzen, welches kleiner oder gleich 27 ist.

Auch andere Meßmethoden sind natürlich möglich, soferne eben die Reagentien, welche als Maß für die Strahlenwirkung dienen, ein kleineres Atomgewicht als 27 besitzen, so daß bei ihnen selektive Absorption und damit Fehlerquellen ausgeschaltet sind.

Der Vergleich der Röntgenstrahlenmeßeinrichtungen.

Bei der Vielfältigkeit der in der Praxis gebräuchlichen quantimetrischen Röntgenstrahlen. meßverfahren ergibt sich natürlich auch die Frage, ob es möglich ist, die Angaben einer Methode in einen bestimmten zahlenmäßigen Zusammenhang zu bringen mit den Angaben einer anderen Methode. Wie wir in der Einleitung vorliegender Arbeit bereits bemerkt haben, liegt in der Literatur eine ganze Menge von Arbeiten vor, welche den Vergleich einzelner Meß- einrichtungen untereinander zum Gegenstand haben, und die Angaben der Versuche der einzelnen Autoren divergieren oft ganz bedeutend.

Wir haben bemerkt, daß H. E. Schmidt bei seinen Vergleichsversuchen zwischen dem Kienböck-Verfahren und dem von Sabouraud-Noir& angegebenen feststellte, daß der Kienböck- streifen stets mehr zeigte als die Sabouraud-Noiré-Tablette, ja, daß bei gleicher Verfärbung der Sabouraud-Noiré-Tablette der Kienböckstreifen, das eine Mal 20 x, das andere Mal 80 x

XXIII, 6. Röntgenstrahlen-Meßeinrichtungen und deren Vergleich. 485

und 40 x anzeigte. Schmidt findet also eine völlige Regellosigkeit in den Beziehungen beider Verfahren und nach seinen Versuchen lassen sich die Angaben des einen Verfahrens in keinerlei zahlenmäßigem Zusammenhang bringen mit den Angaben des anderen Verfahrens. Schmidt befindet sich damit im Gegensatz zu den Autoren, welche bestimmte gesetzmäßige Relationen zwischen den beiden erwähnten Verfahren feststellen zu können glaubten.

Kienböck vertritt in seiner Arbeit über die Verwertung der Radiometerangaben in den Fortschritten Bd. XXII, H. 6 die Anschauung, daß man nicht einfach die zahlenmäßigen Angaben eines Radiometers nach einer einmal angegebenen Relation in die Zahl eines anderen Radio- meters umrechnen könne, da die verschiedenen Lichtarten und die Lichtmischung auf die Reaktion der Reagenskörper der verschiedenen Radiometer von großem Einfluß sei. Ein anderer Autor, Adler, veröffentlicht in der Strahlentherapie Bd. V, H. 1 Versuche über das Kienböck- sche und Holzknechtsche Dosimeterverfahren. Der Verfasser glaubt, daß das photographische Verfahren bei gewissenhafter Einhaltung der vorgeschriebenen Bedingungen doch immer wieder die gleichmäßigsten Werte gebe.

Wie erwähnt, ist damit die Frage aufzustellen, ob ein Vergleich der einzelnen Dosimeter untereinander möglich sei. Diese Frage ist von vornherein zu verneinen, und zwar aus Gründen, die wir, sowohl bei der Behandlung des Sekundärstrahlenproblems als auch bei der Betrachtung der quantimetrischen Röntgenstrahlenmeßverfahren erwähnt haben. Soll es nämlich mög- lich sein, die Angaben eines Dosimeters. in eine zahlenmäßige Relation zu bringen zu den Angaben eines anderen Dosimeters, so muß, wenn die von einem Reagenzkörper absorbierte Dosis stets der von einem zweiten Reagenzkérper absorbierten Strahlenmenge proportional sein soll, ein relativ gleichartiges Verhalten der beiden Reagentien vorhanden sein, d. h. mit anderen Worten, es müssen ihre Absorptionskoeffizienten für alle Strahlenarten, also sowohl für langwellige als auch für kurzwellige Strahlen einander proportional sein. Für niedere Atomgewichte als 27 trifft die Proportionalität der Absorptionskoeffizienten zu, nicht aber für höhere Atomgewichte, wie sich aus den Betrachtungen über das Sekundärstrahlenproblem ergab; ein Vergleich der einzelnen Dosimeter untereinander ist deshalb von diesem Gesichtspunkte aus unmöglich. Für alle Reagentien, die auf der Zustandsveränderung von Elementen oder chemischen Ver- bindungen beruhen, deren Atomgewicht höher ist als 27, ist der Vergleich damit unmöglich.

Folgerungen.

Als Prüfkörper für die Einwirkung der Röntgenstrahlen in physikalischer Hinsicht ist daher immer nur ein Stoff zu gebrauchen, dessen Atomgewicht kleiner als 27 ist. Die zuver- lässigste quantitative Messung der Röntgenstrahlen ist von diesen Gesichtspunkten aus die Ionisationsmessung. Die Ionisationskammer muß dabei in ihrem Inneren selbstverständlich Stoffe enthalten, die der vorhererwähnten Bedingung genügen. Es müssen also die in der Ionisationskammer enthaltenen Gase sowohl als auch die Metalle, welche den lonisationsraum direkt umschließen, diesen erwähnten Forderungen in jeder Beziehung genügen. Auch die physikalisch-technische Reichanstalt wendet ja zur Prüfung von Radium- und Mesothorium- präparaten diese Methode an und in der Röntgenphysik werden alle Untersuchungen unter Zuhilfenahme dieser elektrischen Methode vorgenommen. Diese Methode stellt diejenige Methode dar, von der wir in der Einleitung bemerkten, daß der Physiker sie für seine speziellen Zwecke zur hohen Vollendung ausgebaut hat, daß diese Methode jedoch Eigentum seines speziellen Gebietes geblieben ist und aus dem Laboratorium fast gar nicht in die Praxis hinauskam. |

Wir erwähnten bereits, daß die Schnelligkeit der Entladung des Elektrometers, das zu den lonisationsmessungen verwendet wird, direkt proportional ist der Menge der absorbierten, und zwar in der Ionisationskammer absorbierten Strahlen.

zi = i = a Tr gt TS Sa Tre ay Fee presse t ` 1 1 + ' 1 Pr

Or ver tr ` 5 5 u 4 er

486 | Voltz. ' XXIII, 6.

Die Größe dieser Absorption ist dabei proportional der Gesamtmenge der Strahlen, von der die Kammer getroffen wird. Sie ist umgekehrt proportional der Durchdringungskraft der Strahlen. Infolge der letzten erwähnten Beziehung, daß die Absorption umgekehrt proportional ist der Härte der Strahlen, ist mittels des Ionisationsprinzips auch eine Härtemessung der Strahlen möglich. Man kann entweder den bereits behandelten Absorptionskoeffizienten iono- metrisch feststellen oder auch die von Christen angegebene Halbwertschicht.

Die Einwirkungen der Röntgenstrahlen auf die Zelle.

Krause-Bonn hat in seinem Referat über die biologischen Wirkungen der Röntgen- strahlen auf tierisches und menschliches Gewebe auf dem 10. Röntgenkongreß 1914 seine Ausführungen dahin zusammengefaßt, daß von den Röntgenstrahlen die Zelle angegriffen wird, und zwar

1. um so stärker, je größer die Sekundärstrahlung in ihr ist,

2. um so stärker, entsprechend der allgemein biologischen Erfahrung, je jünger. die Zelle ist,

3. um so stärker, je größer die Proliferationsfähigkeit der Zelle ist.

Wir haben diese Punkte ebenfalls früher ausgeführt und haben dabei bemerkt, daß es wohl anzunehmen ist, daß die von Krause aufgeführte zweite und dritte Tatsache eine Be- dingung für die erste Tatsache darstellen, so daß die drei Tatsachen dahin zusammenzufassen sind, daß die Zelle durch die Réntgenstrablen um so stärker angegriffen wird, je größer die Sekundärstrahlung in der Zelle ist, wobei die Sekundärstrahlung um so größer ist, je jünger die Zelle einerseits ist und je größer ihre Proliferationsfähigkeit andererseits ist.

Es ist anzunehmen, daß die biologische Wirkung der Röntgenstrahlen lediglich die sekundäre Erscheinung primärer physikalischer Vorgänge ist. Diese physikalischen primären Vorgänge sind die Sekundärstrahlenbildung im Innern der Zelle, welche dann die von uns beobachtete biologische Wirkung bedingt. Die biologische Wirkung der Röntgenstrahlen in der Zelle ist ja wohl lediglich eine Art chemischer Wirkung der Röntgenstrahlen und wir haben bei der Behandlung des Sekundärstrahlenproblems ausgeführt, daß bei der chemischen Wirkung der Röntgenstrahlen die von der absorbierten Strahlenenergie freigemachten Elek- tronen durch ihre kinetische Energie eine Dissoziation der Moleküle herbeiführen und damit den Anlaß geben zu einem chemischen Umsatz. Es lassen sich eben aus Gründen, die wir schon besprochen haben, die ganzen Wirkungen der Röntgenstrahlen zurückführen als Ursache auf die Energie, die in den von den Primärstrahlen aus den Atomen und Molekülen des durch- strahlten Mediums freigemachten Elektronen enthalten ist.

Wir baben es immer nur mit Energietransformationen zu tun, wobei die Energie, die in den in dem durchstrahlten Medium absorbierten Röntgenstrahlen enthalten ist, zuerst in der kinetischen Energie der sekundären Elektronen wieder erscheint, als deren Folge dann die einzelnen besonderen Wirkungen der Röntgenstrahlen auftreten. Bei dieser Reihe von Energie- transformationen geht ein Teil als Wärme verloren schon allein der Entropie wegen, wobei vielleicht weiter anzunehmen ist, daß die erzeugte Wärmeenergie bei dem als biologischen Effekt sich uns darstellenden chemischen Vorgang ebenfalls eine Rolle spielt.

Nun ist allerdings noch auf eines hinzuweisen, daß in den Zellen des menschlichen Körpers Elemente enthalten sind, deren Atomgewicht höher ist als 27, so daß unter Umständen die Absorption in den Zellen eine ganz andere sein kann als in dem Meßgerät, welches den vorerwähnten Bedingungen genügt. Auch Löwenthal-Braunschweig weist ja in seiner Arbeit über sekundäre Elektronenbildung in der Strahlentherapie Bd. V, H. 1 darauf hin, daß die in den Zellen enthaltenen Medien Eisen und Kalk hauptsächlich für die sekundäre Elektronen- bildung in Betracht kommen und er weist auf die wichtige Rolle hin, welche das Eisen in der Zelle für die biologische Wirkung der Röntgenstrahlen spielt.

XXIII, 6. Röntgenstrahlen-Meßeinrichtungen und deren Vergleich. 487

Aus diesen Betrachtungen ergibt sich wiederum die Tatsache, daB, wenn die Réntgen- strahlung physikalisch einwandfrei gemessen ist, und dies ist möglich, wenn die bei der Be- handlung der Strahlen-Meßeinrichtungen erwähnten Bedingungen alle erfüllt werden, bei gleichem physikalischen Effekt nicht immer der gleiche biologische Effekt eintreten muß. Auf diesen Punkt haben wir auch eingangs bereits hingewiesen und bemerkt, daß es ohne weiteres er- sichtlich sei, daß eine Vergleichung der chemisch-biologischen Wirkung auf die Zelle und der physikalisch-chemischen Wirkung auf das Meßgerät mit großen Fehlerquellen verknüpft sein müsse, schon allein deswegen, weil wir über die biologische Wirkung der Röntgenstrahlen noch zum größten Teil im unklaren sind und wir den Vorgang bis jetzt in keine gesetz- mäßige Form bringen konnten. Wir haben ferner ausgeführt, daß, wenn wir die chemisch- biologische Wirkung der Röntgenstrahlen auf die Zelle auf Grund ihrer Wirkung auf das Meßgerät einigermaßen sicher abschätzen wollen, naturgemäß die Einwirkung auf das Meß- gerät zum mindesten von Fehlerquellen frei Sein müsse. In einem Punkt müssen Irrschlüsse ausgeschaltet werden. Diese letztere Möglichkeit ist gegeben, wie wir bereits kennen lernten, und es liegt in der Hauptsache als das viel wichtigere Problem, die Notwendigkeit des Stu- diums der biologischen Wirkung der Röntgenstrahlen im Zusammenhang mit der Dosimetrie vor, wobei die Betrachtung und Behandlung von dem Sekundärstrahlenproblem aus erfolgen muß, eben mit Rücksicht darauf, daß auch die biologische Wirkung der Röntgenstrahlen eine Folge ist primärer physikalischer Vorgänge.

Zusammenfassung.

Aus all diesen ausgedehnten Untersuchungen ergibt sich eine Anzahl von Forderungen für die Röntgenstrahlenmessung, die wir wieder in drei Unterabteilungen teilen wollen, und zwar einmal in die Forderungen für das Qualimeter und einmal in die Forderungen für das Quantimeter, ferner in eine Reihe von allgemeinen Forderungen..

Forderungen für das Qualimeter.

Die Tatsache, daß das Spektrum der Röntgenstrahlen durch den Verlauf der Spannungs- kurve an der Röntgenröhre hinreichend definiert ist und daß die Härte einer Röntgenstrahlung durch die an der Röhre anliegende und zur Wirkung kommende Spannung gegeben ist, läßt als Forderung für die Qualimetrie der Röntgenstrahlen aufstellen, Spannungsmessung an der Röhre, Beobachtung der Kurvenform, wobei allerdings vorerst noch die Beziehungen zwischen Strom- und Spannungskurve geklärt werden müssen, damit wir aus der leichter beobachtbaren Form der Stromkurve auf die Spannungskurve schließen können.

Da die Spannungsmessung und die zu beobachtende Kurvenform uns wieder nur einen Schluß auf das ungefilterte Strahlengemisch zuläßt und andererseits mit Rücksicht auf die therapeutische Wirkung das von der Röhre ausgehende Strahlengemisch je nach dem Ver- wendungszweck zu filtrieren ist mit 1, 2 oder mehr Millimeter Aluminium, so muß auch eine Messung der Härte der Strahlen möglich sein hinter dem Filter, wobei als einwandfreie Meß- methode die ionometrisch festgestellte Halbwertschicht anzusehen ist oder der ionometrisch festgestellte Absorptionskoeffizient ausgedrückt in Werten von Aluminium. Die Beziehungen zwischen Halbwertschicht und Absorptionskoeffizient haben wir eingehend behandelt. Wird diesen Bedingungen genügt, so sind die Forderungen, die an eine einwandfreie Qualimetrie zu stellen sind, erfüllt.

Forderung für das Quantimeter.

Wir haben bemerkt, daß als quantimetrische Meßverfahren alle diejenigen ausscheiden, die auf der Zustandsveränderung von Substanzen beruhen, deren Atomgewicht höher ist als

488 Voltz. XXIII, 6. .

27 oder auf der Veränderung chemischer Verbindungen, deren Atomgewicht höher liegt als 27, Andererseits haben wir festgestellt, daß die Ionisationsmethode eine einwandfreie: Strahlen- messung zuläßt, sobald für das Ionometer nur die erwähnten Bedingungen erfüllt sind, daß eben die in der lonisationskammer enthaltenen Gase sowohl, als auch die Metalle, welche die Ionisationskammer direkt umschließen, kleineren Atomgewichtes sind als 27.

Die Idee des Vergleiches der bekannten Dosimeter ist fallen zu lassen, da die Angaben zweier oder mehrerer Dosimeter nur dann in zahlenmäßigen Zusammenhang zu bringen sind, wenn die beiden Stoffe sich den verschiedenen harten Strahlen gegenüber relativ gleichartig verhalten, das heißt, wenn ihre Absorptionskoeffizienten für alle Strahlenarten einander pro- portional sind.

Da uns durch die Analyse der Spannungskurve an der Röhre die Möglichkeit gegeben ist, Rückschlüsse auf die Zusammensetzung des von der Röhre ausgehenden Strahlengemisches zu machen, so ist es uns dadurch wieder möglich, die Angaben des Meßgerätes in Zusammen- hang zu bringen mit der Radiosensibilität der Zelle, und zwar ebenfalls wieder unter. Zugrunde- legung des Sekundarstrahlenproblems. Die Aufstellung von Tabellen zu diesem Zweck ist möglich mittels bestimmter physikalischer und chemischer Methoden. |

Allgemeine Forderungen.

Aus diesen Betrachtungen ergibt sich ferner die auch eingangs bereits erwähnte Not- wendigkeit der Schaffung einheitlicher Bezeichnungen. Für die Qualimeter kommt die von Christen eingeführte Halbwertschicht in Betracht oder der in der Physik gebräuchliche Ab- sorptionskoeffizient, wobei dann die Halbwertschicht oder der Absorptionskoeffizient in Zu- sammenhang zu bringen ist mit den Spannungswerten und der spektralen Verteilung in Rück- sicht auf das ebenerwähnte Problem der Eichung der Dosimeter nach der Radiosensibilität der Zelle.

Für das Quantimeter kommt als Einheit eine bestimmte Anzahl Ionen in Betracht, welche an dem Elektrometer einen bestimmten Abfall veranlassen. Dieser Begriff wurde von Szilard in seiner Arbeit „Ein absolutes Maß für die biologische Wirkung der Röntgen- und Gamma- strahlen“ in der Strahlentherapie Bd. V, Heft 1 bereits eingeführt und diese Einheit bezeichnet Szilard als Mega-Mega-Ion. Dieser Begriff, der auf bestimmten physikalischen Überlegungen beruht, dürfte wohl am besten Röntgenenergiequantum genannt werden, und zwar so, daß man sagt, ein bestimmtes Röntgenenergiequantum bringt einen bestimmten biologischen Effekt her- vor. Alle willkürlichen Werte sind aus der Quantimetrie ebenso zu entfernen, wie aus der . Qualimetrie. Das Bestreben, sie aus der Qualimetrie zu entfernen, ist ja vorhanden und von Christen, als erstem Verteidiger, durchgeführt worden. Christen versuchte in die Quanti- metrie durch seine Halbwertschicht eine physikalisch-definierte Einhejt zu bringen.

Wir haben durch unsere Ausführungen gesehen, daß die Möglichkeit besteht, quali- metrische und quantimetrische Verfahren zu schaffen, die physikalisch einwandfrei sind und nach Spektrum und Radiosensibilität geeicht werden können, wobei die Eichung nach der Radiosensibilität als eine außerordentlich dringende Notwendigkeit erscheint. Die Idee des Vergleiches der bekannten Dosimeter ist fallen zu lassen.

XXIII, 6. = Panzerherz und Picksche Lebercirrhose. 489 a

„u. C ae T % Be = -o ur ma [5

run un a = K „ji t 7 ee a p ne

Aus der Röntgenabteilung der Medizinischen Klinik in Straßburg. | (Direktor Prof. Erich Meyer). " i

Panzerherz und Picksche Lebercirrhose.

j Von

Dr. Alfred Weil, leitender Arzt der Abteilung. (Hierzu Tafel XXI, Fig. 1—83.)

Als Endstadium entzündlicher Prozesse kommen auch am Perikard Kalkablagerungen vor, deren Nachweis intra vitam mit Hilfe der Röntgenstrahlen gelingt. Die ersten derartigen Be- hoe obachtungen am Lebenden stammen von Schwarz(1) und Groedel(2) aus dem Jahre 1910/11, Ho Be nachdem Simmonds(8) zur Unterscheidung der verschiedenen Arten von Kalkablagerung am | } = Leichenherz bereits 1908 die Röntgenmethode herangezogen hatte. Simmonds und Groedel #52 waren der Ansicht, daß Verkalkungen am Perikard häufiger wären, als sie röntgenologisch beim Lebenden gefunden werden, und sich ihr Nachweis nur infolge der Bewegungsvorgänge am Herzen der Beobachtung entzöge. Mit Verbesserung der Technik erwarteten sie eine Häufung gleichartiger Befunde. Diese scheint indessen nicht eingetreten zu sein, wenigstens soweit sich nach den Veröffentlichungen in der Literatur urteilen läßt. Nur Schwarz(4) und Rieder (5) haben über weitere einschlägige Befunde berichtet.

Die Kalkablagerungen im Perikard kennzeichnen sich aber auch schon bei der Durch- leuchtung in so markanter Weise, daß zu ihrer Darstellung kaum sehr kurzzeitige Aufnahmen nötig zu sein scheinen. So bot der Kranke (K. V. 32a, Armierungssoldat), von dem die Photo- graphien auf Tafel XXI stammen, bei der Durchleuchtung ein geradezu verblüffendes Bild, dessen Deutung auf den ersten Blick zweifelsfrei war. Eine so dichte Einrahmung des Herzschattens konnte nur von einem kalkhaltigen Gewebe herrühren. Das Herz schien wie von einer Kalk- schale umschlossen, und mit der Bezeichnung Panzerherz sind die Verhältnisse durchaus | treffend gekennzeichnet. Die Panzerung betrifft allerdings nicht das ganze Herz. Nur die | ae Ventrikel sind von Kalkplatten umschlossen. Daß es sich wirklich um ausgedehnte flächen- i n hafte Kalkeinlagerungen handelt, und nicht nur um einzelne Kalkherde und -spangen, zeigen - die von Aufnahmen in drei verschiedenen Richtungen stammenden Bilder. Die in frontaler und Ä Se _ querer Richtung gemachten Aufnahmen (Bild 1 und 2, Tafel XXI) lassen erkennen, wie Vorder- | und Unterfläche. der Ventrikel von der Kalkschale umschlossen sind, die sagittale Aufnahme (Bild 3, Tafel XXI) zeigt die Kalkeinfassung des linken Herzrandes. Noch schöner lassen sich die Verhältnisse auf einer stereoskopischen Aufnahme überblicken, auf der die flächenhafte Ver- teilung der Kalkeinlagerung und das Freibleiben der Vorhofsgegend besonders deutlich her- vortritt.

An der Herzspitze ist eine größere Lücke in der Kalkschale. Hier konnte man bei der Durchleuchtung beobachten, wie sich bei den einzelnen Herzevolutionen das Herz gleichsam hineinzwängte. Damit steht vielleicht das laute diastolische Kratzen im Zusammenhang, das gerade an der Herzspitze besonders deutlich zu hören war.

Von anderen klinischen Momenten verdient besonders das Fehlen nennens- werter Beschwerden und auffälliger objektiver Symptome hervorgehoben zu werden. Diese waren so gering, daß der Kranke sogar bei der Musterung für tauglich befunden worden war, und als Armierungssoldat 14 Tage lang Dienst verrichtete. Dann traten allerdings heftigere Beschwerden auf, die zu seiner Aufnahme in ein Lazarett führten. Hier wurde eine Herzerkrankung bei ihm festgestellt, und er zur Röntgen- untersuchung der medizinischen Klinik’überwiesen. Die Anamnese ergab, daß er vor 3 Jahren zum erstenmal Beschwerden fühlte. Damals bemerkte er bei körperlicher Anstrengung all-

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrablen. XXIII. 62

AP a i 4 cat |

een.

pene Be al au RR | |

Pe

H

?

A | | abi pll 3

“at OY pit na age ge an u irae tee a e ` i T a í : : 5

490 | | Weil. XXIII, 6.

mählich zunehmende Kurzatmigkeit, auch fiel ihm eine Zunahme des Leibumfanges auf. Als die Beschwerden zunahmen, ließ er sich (in Hamburg) ins Krankenhaus aufnehmen, und dort wurde bereits 1912 Herzverbreiterung, Leberschwellung und Aszites bei ihm festgestellt. Ende 1912 trat auch vorübergehend Schwellung der Beine auf. Unter geeigneter Behandlung und schonendem Verhalten gingen die Erscheinungen und Beschwerden zurück, und bis zu seiner Einziehung verrichtete er leichte Arbeit. Bei seinem Aufenthalt in der Klinik war am Herzen folgender Befund zu erheben: Spitzenstoß im V. Interkostalraum als systolische Ein-

ziehung sicht- und fühlbar. Herzdämpfung nach rechts und links verbreitert. Zweiter Ton

unrein, Links vom Sternum perikarditisches Reiben, besonders laut nach der Spitze zu. Pulsus paradoxus schon palpatorisch festzustellen, auf Kurven besonders deutlich zu sehen. Pulsrhythmus zeitweise regelmäßig, zu anderer Zeit völlig unregelmäßig im Bilde der Arhythmia perpetua. Blutdruck 85 m Hg. Leber deutlich vergrößert, unterer Rand verhärtet, 4 Quer- finger unterhalb dem Rippenbogen zu fühlen. Auch die Milz ist fühlbar. Kein Aszites. Die übrigen Organe ohne krankhafte Veränderungen.

Daß es sich bei dem Patienten um eine perikarditische Pseudolebercirrhose (Pick) handelt, kann auf Grund dieser klinischen Symptome als sicher gelten.

Weniger bestimmte Anhaltspunkte lassen sich für die Frage nach der Ätiologie der Peri-

karditis gewinnen. Doch macht der schleichende Beginn der Erkrankung eine tuberkulöse .

Grundlage wahrscheinlich. Vielleicht darf auch der Umstand, daß die Entzündungsprodukte eine allmähliche Umwandlung in verkalktes Gewebe erfahren haben, für ihre tuberkulöse Ent- stehung in Anspruch genommen werden. Jedenfalls sehen wir, abgesehen von den Verkalkungen des Involutionsalters, weitaus am häufigsten im Anschluß an tuberkulöse Prozesse Verkalkung der Gewebe. (Drüsen, Lungenherde!) Von anderen Faktoren, welche die Verkalkung begün- stigen, lassen sich nur allgemeine Momente wie Herabsetzung des Stoffwechsels, Nerkrobiose und Nekrose des Gewebes anführen. Mangelhafte Zirkulation dürfte auch zu nennen sein. In diesem Zusammenhang kann vielleicht als auffällig darauf hingewiesen werden, daß wir in dem pleuritischen Schwartengewebe so gut wie nie Verkalkung antreffen. Wahrscheinlich ist dieses Gewebe zu gut vaskularisiert, als daß es zu degenerativen Prozessen und sekundärer Verkalkung käme. Eigentümlich ist auch bei den Verkalkungsvorgängen am Perikard, daß sich die Kalk- einlagerung nur im Bereiche der Ventrikel findet so auch in den Fällen von Groedel, Schwarz und Rieder während die Gegend der Vorhöfe frei bleibt. Auch hier mögen Zirkulationsverhältnisse maßgebend sein.

Daß sekundär die Verkalkung des Perikards durch Behinderung der Herzaktion und Ein- schnürung der Gefäße die Zirkulation ungünstig beeinflußt, scheint ohne Zweifel und ist leicht verständlich. Jedenfalls kann es kein Zufall sein, daß in 4 von den 6 bekanntgewordenen

Fällen von Perikardverkalkung das Krankheitsbild der Pickschen Lebercirrhose vorhanden war.

Worauf Rieder schon hingewiesen hat, kann der röntgenologisch leicht zu erhebende Befund der Perikardverkalkung zur richtigen Deutung dieses Symptomenkomplexes beitragen. So war auch im vorliegenden Falle die Erkrankung zunächst übersehen und dann eine Herzklappen- erkrankung angenommen worden, bis die Röntgendurchleuchtung mit einem Schlage zur rich- tigen Auffassung des Krankheitsbildes führte.

Literatur.

1) Schwarz, G., Wiener klin. Wochenschrift 1910, S. 1823.

2) Groedel, Fortschritte auf dem Gebiete der Réntgenstrahlen, Bd. XVI, S. 837. j 8) Simmonds, Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Bd. XII, S. 871.

4) Schwarz, G., Wiener klin. Wochenschr. 1911, S. 1541.

5) Rieder, Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Bd. XX, S. 50.

xxım, 6. Schädelschüsse im Réntgenbild. | 491

(Aus dem Königlichen Reservelazarett zu Jena.)

Schädelschüsse im Röntgenbild. Von Privatdozent Dr. H. Thiemann (Chirurg) und + Ingenieur Heinz Bauer (Vorsteher des Röntgeninstitutes). (Hierzu Tafel XXII und XXIII)

Einleitung. (Von Dr. H. Thiemann.)

Es ist unnötig, darauf hinzuweisen, wie groß die Bedeutung der Röntgenstrahlen für die Kriegschirurgie ist. Besonders dankbar wird der dem Verfahren sein, der dauernd vor die Auf- gabe gestellt ist, Geschosse entfernen zu müssen; denn die Schwierigkeit, selbst große Fremd- körper in der Tiefe zu finden, ist manchmal erstaunlich, und ein Versuch, sie ohne Röntgen- bild zu suchen, endet oft mit einem Mißerfolg. Ich erinnere nur an Geschosse im Gebiet des Beckens und der Glutaeen sowie der Scapula und der Schulter.

Vor allem auch für ein Kapitel sind die Röntgenstrahlen von außerordentlicher Bedeu- tung; das ist das der Schädelschüsse, bei denen die Verhältnisse wegen der Wichtigkeit und Empfindlichkeit des betroffenen Organes eine ganz genaue Lokalisation von Fremdkörpern und Erkrankungsherden erfordern, da ein nicht ganz sicher zielbewußtes Suchen im Gehirn äußerst gefahrvoll ist. |

Während nun in Friedenszeiten die Schädelverletzungen relativ selten sind, so daß die Röntgenstrahlen nicht so häufig Anwendung fanden, hat darin der Krieg die bedeutendste Än- derung gebracht: eine Fülle von solchen Verletzungen werden beobachtet mit all ihren Kom- plikationen und Folgeerscheinungen. Je wichtiger nun das frühzeitige Erkennen von Knochen-

sprüngen und Splittern, Abszessen, Hämatomen usw. ist, desto mehr wächst der Wunsch, wirklich

gute Röntgenplatten vom Schädel zu bekommen, die allen Ansprüchen gerecht werden. Auch wir waren anfangs mit unseren Aufnahmen noch nicht recht zufrieden, doch ist es Heinz Bauer gelungen, durch eine Abweichung von den bisherigen Aufnahmeverhältnissen Bilder von größter Schärfe und Deutlichkeit zu erzielen, die auch den weitgehendsten Ansprüchen ge- nügen.

Technischer Teil. (Von Heinz Bauer.)

Während wir in der ersten Zeit unsere Aufnahmen in der bisher üblichen Weise machten, indem wir mit Röhren verschiedenen Härtegrades arbeiteten, und den Härtegrad dem Aufnahme- objekt entsprechend wählten, leiteten mich später für unser Aufnahmeverfahren folgende Über- legungen:

Außer ihrem dem inneren Gasdruck entsprechenden Haupthärte-Charakter liefert jede Röhre bekanntlich ein von der Spannungskurve des Betriebsstromes abhängiges Strahlenspektrum. Je steiler die Kurve ist, um so größer muß das Spannungs-Intervall sein, das während der Dauer der Entladung auf die Strahlenbildung entfällt!). Und liegt außerdem der Scheitelwert der Kurve hoch genug, daß er zur Erzeugung der größten erforderlichen Härtegrade ausreicht, so kann man den Haupthärtecharakter der Röhre so tief wählen, daß er für die Bilderzeugung

1) Ausführlicher behandelt in: Einführung in die Röntgentechnik. Vortrag, gehalten gelegentlich des Vortrags-Zyklus über Röntgendiagnostik im Kaiserin Friedrichhause zu Berlin. (Zeitschrift f. ärztl.

Fortbildung 1914, Nr. 14.) 62*

A i

Ko- + og ae qoruran pepe

l

Aeran en h a? ak j

i rar

Br | ade

i

bes Gar ae im erg WETTE, $ n

l:

bed,

į

t do a aa Gd

a Ean

492 Thiemann und Bauer. XXI, 6.

vollkommen zu vernachlässigen ist. Nimmt man also bei einer solchen Entladungskurve eine unter normalen Verhältnissen extrem weiche Röhre, so wird sie über ihre eigentliche Härte hinaus ein außerordentlich langes Spektrum mit sehr gleichmäßiger Verteilung ergeben, wie es für die Erzeugung kontrastreicher Bilder nicht günstiger gedacht werden kann. Die geeignetste Spannungskurve dürfte das Einzelschlag-Instrumentarium liefern, nur reicht leider die Intensität des einzelnen Entladungsschlages für alle Aufnahmen nicht aus. Ihr am nächsten kommt die- jenige des langstiftigen Wehnelt-Unterbrechers, der große Stromstärken (30—40 Ampere) spontan unterbricht, und zwar in Verbindung mit einem Intensiv-Induktor, dessen Eisenkern so dimen- sioniert ist, daß er solche Magnetisierungsstromstärken voll ausnutzen kann. Dies setzt freilich voraus, daß der Unterbrecher verhältnismäßig langsam arbeitet, doch wird die dadurch bedingte Verlängerung der Expositionszeit reichlich wettgemacht durch die günstige Wirkung der langen Pause auf das Réhrenvakuum. Die [onisierung hat dabei nämlich Zeit abzuklingen, so daß die Entladungsbedingungen im Röhreninnern bei jedem einzelnen Aufladungsschlage stets die- selben sind. |

Wir arbeiten nun entsprechend den vorstehenden Ausführungen mit einem Intensiv-Induktor von Reiniger, Gebbert und Schall, mit dem wir außerordentlich zufrieden sind, und Wehnelt- Unterbrecher. Die vor einigen Jahren empfohlene Parallelschaltung von 2 und mehr Stiften zur Erhöhung der Primärstromstärke halte ich nicht der Wirkung eines entsprechend langen und starken Stiftes gleichwertig. Denn wenn auch das Amperemeter eine unter Umständen dem Einzelstift sogar überlegene Stromstärke anzeigt, so ist nach meinen stroboskopischen Untersuchungen der Synchronismus in der Unterbrechung bei mehreren Stiften niemals ein voll- kommener. Der Stromabfall erfolgt stufenartig und der entsprechende Sekundäreffekt bleibt demnach aus. Ich ließ daher von den 3 Stiften unseres Unterbrechers den starken, den wir ausschließlich für Aufnahmezwecke verwenden, besonders lang einstellen, so daß wir eine Primär- stromstärke von 30—35 Ampere erzielen. Die Unterbrechungszahl beträgt schätzungsweise 4—5 pro Sekunde. Als Röhre verwenden wir eine neue Type Jota, über die ich später an dieser Stelle ausführlicher berichten werde. Sie ist ungewöhnlich belastungsfähig (wir machen tageweise über 50 Aufnahmen hintereinander ohne Wechsel der Röhre, die bei der letzten Auf- nahme noch genau so funktioniert wie bei der ersten) und hat bei den beiden Exemplaren, die wir zu Schädelaufnalımen verwenden, eine kleine Hilfsvorrichtung, die selbst bei größter Weich- heit einen kleinen Brennfleck gewährleistet. Es sei beispielsweise auf die haarscharfe Wiedergabe der noch nicht stecknadelkopfgroßen Splitterchen des Bildes Nr. 12, Tafel XXIII hingewiesen. Die Härte beträgt bei 2 Milliampere und 50 Unterbrechungen 1,5—2 Qualimetergrade der bläuliche Kathodenstrahlennebel ist also deutlich sichtbar und sie steigt bei unserer Be- lastung, ohne daß der Nebel verschwindet und die Röhre ihren Haupthärtecharakter ändert, auf 8—9 Qualimetergrade. Die Expositionszeit beträgt 45—50 Sekunden. |

Die Wirkung dieser verhältnismäßig einfachen technischen Maßnahme ist derart, daß wir bei der Durchsicht unseres Archivs ohne weiteres an der Güte der Aufnahmen den Zeitpunkt erkennen können, an dem wir die alte Betriebsmethode verlassen haben und zu der neuen über- gegangen sind. Auch in der Reproduktion tritt der Unterschied zwischen der alten und neuen Methode klar zutage.

Medizinischer Teil. (Von Dr. H. Thiemann.)

Die so gewonnenen Bilder (z. B. Nr. 4) zeigen zunächst anatomische Einzelheiten z. B. Nähte, Gefäßfurchen usw. in überraschender Deutlichkeit und Schärfe. Ferner wird durch solche Aufnahmen die Lokalisation von Geschossen im Schädel, seiner Bedeckungen und seines In- haltes gesichert (Nr. 8), manchmal überhaupt erst ermöglicht. Ich erinnere dabei an Fälle, bei denen die Kugel an der gegenüberliegenden Knochenwand abgeprallt ist, und nun an ent- fernter Stelle, eventuell weit vom ersten Schußkanal im Gehirn liegt. Selbst allerkleinste

XXIII, 6. Schädelschüsse im Röntgenbild. 498

Fremdkörper sind absolut sicher zu lokalisieren, wie z. B. in Nr. 12, wo die Röntgenstrahlen die minimalen Geschoßteile außerhalb des durch Bleiglaskappe markierten Bulbus liegend zeigen, damit ihre Ungefährlichkeit beweisen und eine Operation unnötig machen.

Ferner wird durch derartige Bilder die Entscheidung mancher bei Schädelschüssen so wichtiger Fragen außerordentlich erleichtert, und die Möglichkeit erfolgreichen Eingreifens erweitert.

Zunächst die Frage: Ist überhaupt eine Verletzung des knöchernen Schädels vorhanden?

Besonders in der ersten Zeit, als noch kein Stellungskrieg herrschte, und infolgedessen noch nicht, wie jetzt besonders im Westen, gut ausgestattete Reservelazarette in Sicherheit hinter den Linien eingerichtet werden konnten, kamen viele der Schädelschüsse als Weichteils- verletzungen in die Lazarette der Heimat. Ich habe an anderer Stelle (Münchener medizinische Wochenschrift 1915, Nr. 17 und 18) darauf hingewiesen, wie wichtig nach allseitiger Er- fahrung ein frühes Erkennen der Verletzung des Schädelinnern und die sofort daran an- schließende operative Behandlung für die Verwundeten ist. Denn von all den z. B. nach Jena in das Reservelazarett eingelieferten Schädelschüssen war ein einziger uninflziert und ohne Hirn- abszeß. Andererseits pflegt den Schädelschüssen ein langdauernder Transport in den staubigen Eisenbahnwagen mit der trotz aller guten Einrichtungen doch immer beschränkten Möglichkeit des häufigen Verbandwechsels und der Einzelpflege allgemein sehr schlecht zu bekommen. Die Verwundeten klagten durchweg über stärkeres Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, Erbrechen, be- sonders beim Liegen, so daß sie meist ruhelos im Zug auf und ab wanderten. Da manche außerdem trotz scheinbar normalen Benehmens ohne jedes Bewußtsein ihrer selbst waren, wie sich später herausstellte, so befanden sich diese dauernd in Gefahr, während der Fahrt zu ver- unglücken. Nach diesen Erfahrungen werden Schädelschüsse wenn möglich jetzt nur noch im Notfall auf weitere Strecken transportiert. Man muß eben jede Verletzung der Kopfschwarte revidieren und nachsehen, ob der Schädel mit zertrümmert ist. Manchmal aber findet man, besonders bei Prellschüssen, einen feinen Riß der Tabula externa ohne Depression und begnügt sich damit. Hier gibt das Röntgenbild äußerst wichtige Aufschlüsse über den Befund in der Tiefe: es läßt erkennen, ob wirklich auch Diploe und Interna intakt geblieben sind, oder ob wie so häufig die Splitterung in der Tiefe viel hochgradiger und das Hirn mitverletzt ist. Und das ist für die Beurteilung und Behandlung des Falles von ausschlaggebender Be- deutung, da jede Verletzung von Meningen und Hirn als eine sehr ernste, unberechenbare Er- krankung angesehen werden muß. Denn die Erfahrung lehrt, daß so gut wie alle derartige Fälle von den verschmutzten Weichteilen aus infiziert kardon und in der Gefahr schweben, Hirnabszeß oder Meningitis zu bekommen.

In anderen Fällen wieder haben uns die Röntgenaufnahmen wünschenswerte Aufklärungen gebracht, z. B. über Hämatome, die manchmal weit entfernt von der Schädeldecke auftraten, z. B. in dem Orbitae bei Verletzung des Tub. parietale (Nr. 1) Hier waren es ausgedehnte Sprünge der Schädelkapsel, die um den ganzen Schädel sich herumzogen und in den Augen- höhlen endeten.

Bei bestehender Hirneiterung wird ja jede Temperatursteigerung, jede Störung des Be- wußtseins, Benommenheit, Druckpuls an einen neuen Abszeß in der Tiefe denken lassen und eine neue Revision der Wunde veranlassen. Ein hier beobachteter Fall aber zeigt, daß die Ursache auch eine andere sein kann. Den betreffenden Patienten hat allein die Röntgenaufnahme (Nr. 1) vor einem gefährlichen und erfolglosen Eingriff bewahrt. Denn es handelte sich nicht um eine neue Eiterung in der Tiefe, sondern um ein zirkumskriptes epidurales Hämatom noch dazu der anderen Stirnseite, das auf den Röntgenplatten einwandfrei zu sehen, und in seinem Zurückgehen beobachtet werden konnte bis es verschwunden war. Die Möglichkeit der röntgeno- graphischen Darstellung des relativ kleinen sicher flachen Hämatoms ist zweifellos eine sehr anerkennenswerte Leistung des Röntgenverfahrens (Nr. 1).

Auf der anderen Seite gelingt es mit dem Röntgenverfahren dann auch, Hirnabszesse selbst

Za owt . ‘gs ee, = > Se e r ; ; -, u i

494 | Thiemann und Bauer. XXIII, 6.

nachzuweisen, so z. B. im Fall Nr. 9. Hier war der Abszeß relativ klein; nach dem Röntgen- bild würde man ihn sich größer vorgestellt haben. Offenbar ist der Schatten durch Sekundär- strahlen vom Abszeß aus vergrößert worden. Es braucht nicht erwähnt zu werden, wie groß der Vorteil bei einem Durch- oder Steckschuß ist, genau zu wissen, von welcher Stelle aus man am schnellsten und leichtesten an den Abszeß herankommen kann. Da derartige Abszesse häufig erst deutliche Erscheinungen machen, wenn sie eine gewisse Größe erreicht baben, und zu Druckerscheinungen führen, so wird es mit dem Röntgenverfahren möglich sein, sie festzu- stellen und zu eröffnen, ehe sie lebensgefährliche Zustände veranlassen, d. i, ehe es zu spät ist.

Die Erfahrung lehrt ferner, daß der Grund für die Bildung neuer Abszesse in der Tiefe des Gehirns fast stets in zurückgelassenen Knochensplittern zu suchen ist, die in ihrer Pro- gnose natürlich um so trüber sind, je tiefer sie sitzen. Nun wird es selbst bei sehr radikalem Vorgehen, das bei Schädelverletzungen, besonders bei den Tangentialschüssen mit starker Knochenzersplitterung immer angezeigt ist, vorkommen, daß nicht alle Splitter bei der Ope- ration gefunden und entfernt werden können, da ja das Tasten im Gehirn sehr vorsichtig ge- schehen muß, und die oft jauchige Eiterung zur Vorsicht mahnt. Hier wird uns das Röntgeno- gramm mit absoluter Sicherheit auch kleine Splitter in der Tiefe zeigen, sie lokalisieren, die Entfernung veranlassen und erleichtern. (Nr. 4, 5 u. 14.)

Dieser Nachweis von kleinen Splittern ist besonders auch wichtig bei Verletzten, bei denen die Wunde äußerlich geheilt ist, die aber. eventuell noch nach längerer Zeit wieder Ohnmachts-, Schwindel- oder Krampfanfälle bekommen, mit oder ohne Fieber. Man wird bei diesen Zu- . fällen natürlich an zurückgelassene Splitter mit Zysten- oder Abszeßbildung denken, doch ist man über ihren Sitz oft im unklaren. Auch hier klärt das Röntgenbild sofort und eindeutig die Sachlage auf, erleichtert den Entschluß zur Operation und diese selbst in dankenswertester Weise. Das rechtzeitige Erkennen solcher, wenn auch nur erst drohender Zustände ist von der größten Wichtigkeit, wenn man bedenkt, in welche Gefahr ein derartiger Ohnmachts- usw. -Anfall den Betreffenden und seine Kameraden bringen kann, wenn er wieder im Felde ver- antwortungsvollen Dienst tut, z. B. Posten steht.

Endlich gibt uns das Röntgenverfahren noch sehr dankenswerte Aufschlüsse über die Knochenheilung der Schädeldefektee Man ist meist erstaunt, daß bei den vereiterten Schädel- schüssen palpatorisch nach einiger Zeit selbst große Knochendefekte sich beträchtlich, kleinere , fast vollkommen schließen; beträchtlicher und vollkommener jedenfalls, als wir es bei den aseptischen Schädeleröffnungen gewöhnt sind. Offenbar übt die langdauernde Eiterung auf das Periost einen großen Reiz aus, wie dies ja auch bei den komplizierten Schußfrakturen der Ex- tremitäten nicht von der Hand zu weisen ist. Im Röntgenbild haben wir ein Mittel, diese palpatorischen Befunde genau zu kontrollieren. Wir sehen, daß zwar die Knochenheilung oft erstaunlich ist; müssen andererseits aber konstatieren, daß selbst bei palpatorisch vollkommen geschlossenem Defekt meist noch Lücken bestehen, daß der Verschluß also durch feste binde- gewebige Narben gebildet wird, die zwar einen relativen Schutz für das darunterliegende Gehirn bieten, aber doch eine gewisse Gefahr für den Betreffenden bilden.

Zum Schluß eine kurze Beschreibung der abgebildeten Fälle:

Dicke. Tafel XXII, Fig. 1 und 2.

Tangentialschuß der rechten Tub. front.

a) Defekt im Schädel von Pfennigstückgröße.

b) Herausgesprengte Knochensplitter ohne Verschiebung.

c) Sprung in der linken Orbita, wo ein Hämatom bestand.

d) Epidurales Hämatom, was nach der Schädeloperation sich vergrößerte, und Benommenheit usw. zur Folge hatte. Auf Grund des Röntgenbildes unterblieb die Operation. Das Hämatom bildete sich spontan zurück. | |

Ausgang in Heilung. Größe des Defektes am 15. Dezember 1914 1,4:1,8 cm am 22. Januar 1915 1,0:1,4 cm.

XXIII, 6. Schädelschüsse im Röntgenbild. 495

Golembiewski. Tafel XXII, Fig. 3.

Tangentialschuß der rechten Schädelseite. Einschuß über dem Auge, Ausschuß über dem Ohr. Zertrimmerung des Schädels in 4cm Breite und in beschriebener Länge, Zertrümmerung des Orbital- daches und der Schädelbasis. Über dem Auge großer Abszeß, gleichgroßer am Ausschuß.

aa) Schädeldefekt. bb) Sequester, später entfernt.

- Heilung mit schmaler Narbe ohne jede Ausfallserscheinung außer starker Herabsetzung der Sehkraft rechts wegen Kontusion des Augapfels und Netzhautatrophie. Schädeldefekt stark verkleinert, durch Palpation kaum noch festzustellen.

Defekt im Röntgenbild am 20. Januar nur noch 9:2,3 cm.

Terasewitsch. Tafel XXII, Fig. 4 und 5.

Großer Schädeldefekt (a) des linken Tub. parietale. Von dort ausgehend Rißfraktur um den ganzen Schädel herum (b); vorn davon abgehend (c) eine Rißfraktur in die Orbita hinein, wo große Hämatome bestanden. Der Defekt, nach dem Röntgenbild gemessen, ist nach 8 Wochen nur noch 6,9:2,3 cm groß. In demselben zwei kleinere Knochensplitter (d), die später entfernt wurden. Plattengießfehler (e).

Im Hirn bestand bei der Aufnahme ein kolossaler Abszeß, der vom Tub. pariet. bis zur Dura der Hirnbasis reichte. Anfangs rechtsseitige Lähmung; zum Schluß nur noch leichte Parese des rechten Beines; sonst keine Ausfallserscheinungen.

Girmann. Tafel XXII, Fig. 6. a) Trepanöffnnng (6 mm Trepan) im Schädel beträgt nach dem Réntgenbild nach 6 Wochen nur noch 5 mm im Durchmesser. Zur Nachmessung der anderen Defekte benutzt. b, c, d) kleine Granatsplitter der Kopfschwarte. Trepanation erfolgte wegen epileptischen Anfalls. Befund war im Röntgenbild negativ. Es handelte sich um einen großen Anfall, ausgelöst durch die’ Granatkontusion nach Epilepsie vor 12 Jahren ohne Anfälle in der Zwischenzeit.

Semmelmann. Tafel XXII, Fig. 7. Tangentialschuß des linken Tub. pariet. Hirnabszeß. a) Schädeldefekt nach 6 Wochen 2,9: 1,9 cm. Bei der Operation betrug der Defekt 3,5:2,4 cm.

Buggenhagen. Tafel XXIII, Fig. 8, 9 und 10. Schrapnellkugel im rechten Hinterlappen des Großhirns. Schrapnellsteckschuß der rechten Schädel- seite, Einschuß in der rechten Schläfe. 1. (9. Oktober.) a) Kugel. | Knochensplitter bei b zu sehen; dadurch wurde die Auffindung der Kugel sehr erleichtert. 2. (14. November.) Aufnahme von vorn nach hinten, als plötzlich Benommenheit, Krämpfe und Fieber aufgetreten waren. a) Schrapnellkugel. b) Hirnabszeß um die Kugel durch Sekundärstrahlen sehr vergrößert dargestellt. 3. (14. Dezember.) Schädel ohne Kugel und ohne AbszeB. a) Trepanationsöffnung.

Thiele. Tafel XXIII, Fig. 11.

Durchschuß des Schädels vor dem linken Tub. pariet. Ein- nnd Ausschuß 12 cm voneinander entfernt. Knochen an beiden Stellen in Markstückgröße zertrümmert. Operative Erweiterung der Knochen- lücken, Wegnahme der Zwischenbrücke zur Entleerung eines vereiterten epiduralen Hamatoms.

Nach der Röntgenaufnahme am 6. März beträgt die Größe des Knochendefektes 9,8 : 2,8, resp. 1,5 cm. Der Defekt ist hantelförmig; die größere Hälfte 4,8:2,3 cm. Vor der Operation (19. 11. 14) beträgt dieser Teil des Defektes 5,5: 2,4 cm.

Defenter. Tafel XXIII, Fig. 12 und 13. I. (Von der Seite.) a) Bleiglaskappe des Bulbus. bb) Kleinste Geschoßteile außerhalb des Augapfels. II. (Aufnahme von hinten nach vorn.) a) Bleiglaskappe. bb) Fremdkörper. Hermann. Tafel XXIII, Fig. 14.

496 Schönfeld und Delena. XXIII, 6.

Aus dem Zentral-Röntgen-Institut des Kaiser-Jubiläumsspitales der Stadt Wien. (Vorstand: Dr. Schönfeld.)

Röntgenologie des unteren Kreuzbeinendes und der Steißwirbel. Von Dr. Schönfeld und Dr. Delena. (Hierzu Tafel XXIV, Fig. 1—4).

Die in der Literatur aufzufindende röntgenologische Kasuistik über die Wirbelsäule beschäftigt sich vom ersten Hals- bis zum letzten Lendenwirbel in ziemlich erschöpfender Weise mit den vorkommenden Verletzungen und Erkrankungen, sowie den Formveränderungen der einzelnen Wirbel. Sehr spärlich werden dagegen die Angaben betrefis des Kreuzbeines; die Ver- hältnisse der unteren Kreuzbein- sowie der Steißwirbel findet man röntgenologisch überhaupt noch nicht untersucht.

Wir unterzogen unser Plattenarchiv einer Durchsicht und fanden, daß ein beträchtlicher Teil unserer Aufnahmen bei Erkrankungen der Blase, bei akuten und chronischen Prozessen im untersten Wirbelsäulenabschnitt sowie bei Verletzungen dieser Körperregion die untere Kreuzbeingegend mitbetraf, zumal da wir bei jedem von der urologischen Abteilung gesandten Falle diese Körperpartie einer röntgenologischen Untersuchung unterzogen.

Und gerade im Gebiete des unteren Krenzbeinendes und der anschließenden Steißbein- wirbel herrscht in den Angaben der Anatomen keine absolute Klarheit darüber, was eigentlich als normal anzusehen ist und klinisch weiß man die konstatierten Veränderungen noch nicht zu verwerten.

Die von allen Autoren übereinstimmend gemachte Angabe, daß die terminalen Wirbel eine große Tendenz zur Variation zeigen, fanden wir vollkommen bestätigt.

Nach Langer-Toldt besteht das Kreuzbein aus fünf knöchern verwachsenen Wirbeln, von denen sich die zwei oder drei proximalen mit ihren Visceralspangen und Querfortsätzen zu den Massae laterales vereinigen und die entsprechend den Zwischenwirbellöchern rechts und links je vier Foramina sacralia anteriora und posteriora umschließen.

Im Gegensatz hierzu finden wir bei Broesike die Angabe, daß der untere Teil des Kreuzbeines nahe der Spitze rechts und links eine Einbuchtung besitzt, die durch Anlagerung der entsprechenden Seitenteile des ersten Steißwirbels meist zu einem fünften Loche, dem Foramen sacrale quintum, geschlossen wird.

Unter 140 auf diese Verhältnisse geprüften Kreuzbeinplatten konnten wir nur in fünf Fällen beiderseits gut ausgebildete fünfte Sacral-Löcher sehen, wohl aber zahlreiche Übergangs- formen, die alle den später besprochenen Assimilationswirbeln angehören und nicht als normal anzusehen sind. Die Häufigkeit ihres Auftretens und ihr Aussehen deckt sich mit den von Toldt gemachten Angaben.

Eine andere, von Broesike mitgeteilte Tatsache, fanden wir aber vollkommen zu Recht bestehend, nämlich die, daß meistens zwischen dem ersten und zweiten Steißwirbel eine ge- lenkige Verbindung zu konstatieren ist, während die anderen untereinander, sowie der erste Steiß- mit dem letzten Sacralwirbel knöcherne Verwachsungen aufweisen. Auch Hyrtl sagt, daß eine Ankylosierung zwischen erstem und zweitem Steißwirbel am seltensten zu sehen ist.

Unter allen unseren röntgenologisch durchgesehenen Fällen war nur bei einem einzigen, später näher beschriebenen, eine knöcherne Verbindung zu konstatieren. Sehr häufig zeigte sich die Verwachsung des letzten Kreuzwirbels mit dem ersten Steißwirbel.

Den Geburtshelfern scheint dieses häufige Vorkommen bis jetzt entgangen zu sein; denn es spricht z.B. Bumm schlechtweg von der beweglichen Gelenkverbindung zwischen Kreuz-

XXIII, 6. Röntgenologie des unteren Kreuzbeinendes und der Steißwirbel. 497

und Steißbein und bemerkt, daß dadurch eine beträchtliche Zurückbiegung der Steißbeinspitze ermöglicht ist und der gerade Durchmesser des Beckenausganges um 2 cm verlängert werden kann, Eine Untersuchung, ob die Lage und Gestaltung des beweglichen Gelenkes für seine Exkursion von Bedeutung ist, scheint noch nicht gemacht worden zu sein.

Breus-Kolisko sehen die Synostose des ersten Caudal-Wirbelkörpers mit dem Sacrum als Assimilationszeichen an. Nicht selten sollen nach diesen Autoren die Seitenteile knöchern verbunden sein, während die Körper eine Synchondrose bilden. Diesen Befund konnten auch wir häufig erheben; andere Zeichen von Assimilation waren aber nicht zu entdecken. Schließ- lich sei auch erwähnt, daß die Zahl der Steißwirbel, die als sehr schwankend angegeben wird, meist vier betrug. i

Nach Breus und Kolisko nennen wir das Auftreten von Übergangsformen an den Grenzwirbeln des Sacrum Assimilation. Eines der häufigsten Assimilationsmerkmale ist die veränderte Zahl der Sacrallöcher. Der erste Sacralwirbel soll ursprünglich der Lendenwirbel- reihe angehört und dann seinen Austritt vollzogen haben. Findet infolge eines während der frühesten Entwicklung zustande gekommenen Niveaufehlers in dem Abschluß der Anlage des Sacrums und des Darmbeins dieser Austritt nicht oder nur unvollkommen statt, so entsteht Assimilation, die dann auch den ersten Sacralwirbel in Mitleidenschaft zieht. Nach den oben- genannten Autoren kommt die Assimilation am proximalen und distalen Ende des Sacrums meist nebeneinander zur Beobachtung und stehen insofern im Zusammenhang, als der Zufall oder Wegfall eines proximalen Wirbels durch den entgegengesetzten Vorgang am distalen Ende im selben Maße ausgeglichen wird.

Bei dem im Atlas von Toldt abgebildeten Assimilationskreuzbein fehlen leider die Steiß- wirbel, so daß über eine am distalen Ende aufgetretene Assimilation aus diesem Bilde nichts ausgesagt werden kann.

Bei allen unseren Fällen mit ausgesprochener Assimilation am distalen Ende konnten wir aber röntgenologisch proximal kein Zeichen von Assimilation finden. Zur Illustration wollen wir einige Fälle näher beschreiben.

Nr. 467 ex 14. Der Patient G. M., 30 Jahre alt, wurde von der urologischen Abteilung dem Röntgeninstitute zur Untersuchung zugewiesen. Das Bild I zeigt uns, daß auf der rechten Seite das Kreuzbein mit dem Seitenteil des ersten Steißwirbels knöchern verschmolzen ist und ein fünftes Kreuzbeinloch bildet, während links die Incisura sacralis (sacro coccygea) erhalten ist. Die rechte Seite des ersten Steißwirbels zeigt also sakralen Charakter, während die linke Seite Steißwirbelform aufweist. Ein solcher, als Sakro-kaudaler Übergangswirbel bezeichneter Wirbel, hat den Austritt aus dem Sacrum nur unvollkommen vollzogen. Die Körper sind in diesem Falle durch eine Synchondrose verbunden. : |

Nr. 1999 ex 13. Der Patient J. K., 34 Jahre alt, ebenfalls von der urologischen Ab- teilung zugewiesen (II), zeigt uns einen noch größeren Fortschritt in der Bildung der Kreuz- beinlécher. Auf der linken Seite ist es zu einer vollkommenen knöchernen Verwachsung der Seitenteile und zur Ausbildung eines Foramen quintum gekommen. Rechts nähern sich. die Seitenteile bis auf einen schmalen, wahrscheinlich bindegewebig oder knorpelig verschlossenen Spalt. Zwischen den Körpern besteht Synchondrose. Die Hörner des Sacrums stehen links miteinander fast in Berührung, während rechts die Distanz zwischen beiden eine verhältnis- mäßig große ist.

Nr. 1871 ex 13... Der dritte Fall, ebenfalls von der urologischen Abteilung zugewiesen, betrifft den 58jährigen Patienten J. V., der an Nierenblutungen infolge Nierentumors litt. - Die Röntgenaufnahme der Blassngegend zeigt das Kreuz- und Steißbein. Hier scheint eine Synostose zwischen erstem und zweitem Steißwirbel vorzuliegen; es ist der anfangs erwähnte, einzige Fall unter den von uns untersuchten Platten. Freilich ist die Möglichkeit, daß infolge der Projektion der Gelenkspalt nicht sichtbar ist, nicht außer acht zu lassen. Zwischen letztem

Kreuzbein- und erstem Steißwirbel ist eine Synchondrose vorhanden. Auch hier bemerken

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 63

498 Schönfeld. XXIII, 6.

wir Zeichen von Assimilation, denn der erste Steißwirbel zeigt noch sakrale Charaktere; die Seitenteile erstrecken sich ziemlich weit nach außen und oben. Außerdem sehen wir beiderseits eine Sklerose der Arteria hypogastrica. Der rechts lateral gelegene Schatten entspricht der im Querschnitt getroffenen Arteria gluteaoa superior.

Nr. 1893 ex 14. Der letzte Fall gehört nach dem Standardwerk von Breus-Kolisko zu den Exostosenbecken. (IV.)

Es handelt sich um den 76jährigen Patienten J. P., bei dem vor Jahren schon einmal eine Blasensteinzertrümmerung gemacht worden war und der wegen Harnbeschwerden auf die urologische Abteilung kam und uns mit der Diagnose „Blasenstein“ zur röntgenologischen Untersuchung zugewiesen wurde. Die Aufnahme zeigte einen hühnereigroßen Blasenstein, der durch die Sectio-alta entfernt wurde und dessen Größe mit unserem Röntgenbilde überein- stimmte. Bei diesem Bilde aber ergab sich ferner noch folgender Nebenbefund: Dem Liga- mentum sacro spinosum sinistrum entsprechend, zieht ein Schattenstreifen, dessen Dichte ganz mit der der umgebenden Knochen übereinstimmt, dem Aussehen nach also ein verknöchertes Band darstellt. Es handelt sich um eine bindegewebige Exostose. Eine teilweise Ver- knöcherung des Ligamentum sacro spinosum und Sacro tuberosum findet sich nicht so selten, wobei man vom Tuber, beziehungsweise der Spina ossis ischii ausgehende Zacken sieht, die manchmal sich ziemlich weit in das Band hinein erstrecken. Eine vollkommene Verknöcherung, wie sie in unserem Falle zu sehen ist, ist bis jetzt noch nicht beobachtet worden. Herr Hof- rat Kolisko war so liebenswürdig, uns Einsicht in seine überaus reichhaltige Beckenliteratur zu gewähren. Aus den spärlichen Angaben über das Vorkommen derartiger Verknöcherungen sei Créve zitiert: „Eine ganz eigenartige, jedoch seltene Verknöcherung bemerkt man an dem Knorren- und Stachelbande des Kreuzbeins. Noch ist keine vollkommene Verknöcherung dieser Bänder, beobachtet worden.“ Derselbe Autor beleuchtet dann noch die Schwierigkeiten des Geburtsaktes für die Trägerin eines solchen Beckens. In unserem Falle scheint auch auf der rechten Seite die Tendenz zur Verknöcherung vorhanden zu sein, denn die Spina ischiatica ragt weiter als gewöhnlich in das Beckenlumen hinein. An dieser Stelle bemerkt man auch noch zwei rundliche, scharf begrenzte, ziemlich dichte Schatten. Nach der topo- graphischen Lage dürften diese sogenannten Beckenflecken im Verlaufe der Vasa pudenda liegen.

Wir glaubten diese Fälle mit besonderem Befunde deshalb anführen zu müssen, 1. um die Röntgenologen zu weiteren kasuistischen Beiträgen zu veranlassen, 2. um die Kliniker auf- merksam zu machen, daß in dieser Körperregion, die keiner anderen klinischen Untersuchungs- methode so leicht zugänglich ist, manchmal Befunde erhoben werden, die für den Kliniker von Bedeutung sein können.

Pyonephrotische Wanderniere im Röntgenbild. Von Dr. A. Schönfeld, Vorstand des Zentral-Röntgen-Institutes im Kaiser-Jubiläums-Spital der Stadt Wien. (Hierzu Tafel XXIV, Fig. a, b und c.) i

Dank der heute hochentwickelten Technik sind auf dem Gebiete der urologischen Rönt- genologie beachtenswerte Fortschritte zu verzeichnen. Nicht nur die Schatten der Konkremente sind scharf und deutlich darstellbar, sondern auch feinere Veränderungen in der Niere, wie sie bei verschiedenen Erkrankungen dieses Organes bedingt sind, können auf den Röntgenaufnahmen erkannt werden. Soll eine Aufnahme der Nierengegend als gelungen bezeichnet werden, so wissen wir, daß unter anderem die Kontur der Niere in der wohlbekannten Gestalt deutlich wahrnehmbar auf der Platte erscheinen muß. Diese Nierenkontur stellt sich bei der typischen

XXIII, 6. . Pyonephrotische Wanderniere im Röntgenbild. 499

Einstellungsrichtung des Röhrentubus gewöhnlich mit seinem unteren Pol in der Höhe des Querfortsatzes des III. Lendenwirbels dar. Geringe Abweichungen von dieser Form haben keine pathologische Bedeutung. Die Breite der Niere schwankt in physiologischen Grenzen ent- sprechend der Größe des Individuums zwischen 5 und 6 cm.

Findet man die Nierenkontur an einer anderen Stelle als der vorhin bezeichneten, so handelt es sich um eine Verlagerung des Organes, wie sie bei der Wanderniere ja auch Schon klinisch festzustellen ist. Manchmal kann es sich aber auch darum handeln, den durch die bimanuelle Untersuchung konstatierten nierenförmigen Tumor mit der Niere zu identifizieren, wozu die Röntgenaufnahme als beweiskräftiges Hilfsmittel herangezogen werden kann.

Findet man den Nierenschatten verbreitert oder verschmälert, so schließt man auf eine vergrößerte oder verkleinerte Niere; weist die Nierenkontur Abweichungen von ihrer regel- mäßigen Form auf, zeigen sich Schattenausbuchtungen, so ist der Schluß auf Nierentumoren gerechtfertigt; sieht man ferner in der sonst in regelmäßigem Bogen verlaufenden Linie Ein- kerbungen, so rühren diese von Schrumpfungsvorgängen und narbigen Einziehungen her.

Eine nicht sehr selten vorkommende Verdoppelung der Kontur des unteren Nierenpols erwähnt Haenisch als typisch für Hydronephrose. Der tief herabhängende hydronephrotische Sack erzeugt einen zweiten, den Nierenpolschatten überschneidenden Schatten, der dieses merk- würdige Bild entstehen läßt.

Weitere Aufschlüsse über die Form und Gestalt des Nierenbeckens, der Kelche und der Pyramidenspitzen sind mittels der einfachen Röntgenaufnahme nicht zu erhalten. Schon vor Jahren versuchte man durch verschiedene Hilfsmittel diese Hohlräume darstellbar zu machen.

Im Jahre 1901 wurde von Schmidt und Kolischer ein mit einem Mandrin versehener Katheter bis ins Nierenbecken vorgeschoben und in demselben aufgerollt. Die Röntgenauf- nahme zeigte ungefähr die Größe des Nierenbeckens. Die Gefahren, die diese Methode für den Patienten und damit für den Untersucher bringen, steht aber in keinem Verhältnis zu dem geringen Resultat, das man erhält.

Klose spritzte im Jahre 1904 eine Wismutaufschwemmung ins Nierenbecken ein. Die |

Darstellung seiner Form hatte einen wesentlichen Fortschritt dadurch gemacht, doch mußte die Einführung des Schwermetallsalzes Bedenken erregen, da ja dadurch die Grundlage für eine Konkrementbildung im Harntrakt gegeben werden konnte.

Einen Wendepunkt in der Untersuchung der Hohlräume des Harntraktes brachte uns das Jahr 1906. Dadurch, daß Völker und Lichtenberg die Injektion von 5—10°/, Collargol- lösung wagten, war man zu einer Methode gekommen, die, wenn sie nicht brüsk angewendet wird, ungefährlich ist und eine wertvolle Bereicherung der urologischen Diagnostik bildet, aber auch heute noch leider viel zu wenig angewendet wird.

Die Kapazität des normalen Nierenbeckens beträgt nur wenige Kubikzentimeter. Spritzt

man durch den eingeführten Ureterenkatheter ungefähr 2—3 cm® in Nierenbecken ein, so sieht

man, wie Figur b (Prot. Nr. 3790) zeigt, bei normalen Verhältnissen die Pyramidenspitzen scharf konturiert in die Calices tauchen. Jede Veränderung dieses Teiles der Pyramiden muß bei dieser Methode genau zur Darstellung kommen, ebenso wie jede Erweiterung des Kelches deutlich zu sehen ist. Auch über die Dicke der Parenchymschicht kann, da auf jeder guten Aufnahme die Nierenkontur dargestellt werden kann, ein Urteil abgegeben werden. Injiziert man etwas mehr Collargol, so füllt man nicht nur die Kelche, sondern das ganze Nierenbecken, und man kann seine Form und Größe deutlich erkennen, wie es das Bild, Tafel XXIV, Fig. a, (Prot. Nr. 821) zeigt.

Das genaue Studium solcher normaler Füllungsbilder ist notwendig für das Verständnis |

pathologischer Zustände und Veränderungen im Nierenbecken und der dasselbe begrenzenden Organteile. Besonders die Vergrößerung des Nierenbeckens kann man schön zur Darstellung bringen.

Eine Reihe von ätiologisch verschiedenen Erkrankungen weist das gemeinsame Symptom

o

e 7 aon Be SSI Ee eee pag ERR aes SR gg ee me EP ag i :

= Do 5 u f = i R z . nr ee A tn

500 Schönfeld. XXIII, 6.

der Erweiterung des Nierenbeckens auf. Die Ursachen, die diese Erscheinung bedingen, kann man als innere und als äußere unterscheiden.

Die inneren sind Narben oder Steine in den abführenden Harnwegen, Knickungen oder Falten und Klappenbildungen im Ureter; die äußeren bestehen in Druck von außen her durch Tumoren, entzündlichen Veränderungen insbesondere der inneren Genitalien, Verwachsungen oder Stränge, die sich als Folgenzustinde abdomineller Erkrankungen oder gynäkologischer Leiden darstellen. Hierher gehört auch die Behinderung des Harnabflusses durch den schwangeren Uterus. Dem Grade nach können die Erweiterungen des Nierenbeckens sehr verschieden sein, es können in vorgeschrittenen Fällen hydronephrotische Säcke entstehen, die die Größe einer Niere erreichen, ja sie mehrfach übertreffen. Die Bilder dieser mit Collargollösung gefüllten Säcke zeichnen sich, wie ich anderenorts gezeigt habe, mit geeigneter Technik aufgenommen, durch absolut scharfe Konturen aus, ebenso sind die Grenzen der Calices ganz scharf konturiert, die Grenzen der Pyramidenspitzen deutlich erkennbar, ein Zeichen, das nach Hänisch für Hydronephrose und gegen Tuberkulose spricht.

Die Diagnostik der Nierentuberkulose, die bei der gewöhnlichen Röntgenaufnahme durch die Darstellung von tuberkulösen Herden im Parenchym als hellere, unscharf begrenzte Flecken gelingt, wird besonders durch die Anwendung der Pyelographie bereichert. Die Veränderungen im Nierenparenchym selbst können naturgemäß sich erst dann darstellen lassen, wenn die Dichtigkeitsunterschiede zwischen dem veränderten Herd und dem umgebenden Gewebe derartige

geworden sind, daß sie bei der stets ziemlich beträchtlichen Objektdicke dieser Körpergegend

dem Penetrationsgrade der verwendeten Strahlung entsprechende Unterschiede auf der Platte hervorzurufen imstande sind.

Anders verhält es sich bei der Darstellung von Veränderungen an der Grenze zwischen Parenchym und Hohlraum, da uns hier eben durch die Collargolfüllung die Möglichkeit ge- geben wird, die Dichtigkeitsunterschiede künstlich zu erhöhen. Die so häufig, allerdings aber erst in einem vorgeschrittenerem Stadium auftretenden Destruktionen an den in die Kelche hineinragenden Teilen der Pyramiden können sehr schön zur Darstellung gebracht werden, und Anhaltspunkte geben für die Ausdehnung des Prozesses und das weitere therapeutische Verfahren. Allerdings darf man sich nicht versprechen, mit Hilfe der Röntgenmethode eine Frühdiagnose der Nierentuberkulose zu ermöglichen. Ob es möglich sein wird, bei Fehlen des Tuberkelbazillennachweises im Harn und bei negativem Ausfall des Tierexperimentes differentialdiagnostische Merkmale zu finden, die eine röntgenologische Unterscheidung zwischen tuberkulösen Erkrankungen und anderen pyelitischen Veränderungen zulassen, wird erst ein genaues Studium vieler pyelographisch untersuchter pyelitisch veränderter Nierenbecken ergeben.

Einen hierher gehörigen Fall, den mir die urologische Abteilung des Herrn Primarius Kroiss zur Röntgenuntersuchung zuwies, möchte ich mit dem von der Abteilung erhobenen und mir zur Verfügung gestellten klinischen Befund anführen (Tafel XXIV, Fig. c).

T. M. (Prot. Nr. 2222 ex 1914), 61 J. alt. Sattlersgattin, verheiratet, war stets vollkommen gesund bis zum Winter 1913. Damals fing Patientin an, häufig zu urinieren, wobei sie Brennen verspiirte. Auf Sitzbäder und Blasentee trat nach 3 Monaten Besserung der Beschwerden ein. Im April 1914 nahmen die Urinbeschwerden wieder zu, hatte aber dabei kein Brennen. Appetit war schlecht, Patientin magerte ab. Nie Husten, nie NachtschweiBe.

Status praesens: Stark abgemagerte Frau. Über den Lungen überall vesikuläres Atmen, über den Spitzen feines Knisterrasseln, das nach mehreren Atemzügen verschwindet. Perkutorisch nirgends Schall- verkürzung. Verschieblichkeit der Lungengrenzen etwas herabgesetzt. Perkussionsschall mit tymyani- tischem Beiklang. Spitzenstoß in der Parasternallinie, stark hebend. Herzdämpfung nach rechts nicht verbreitert. An der Spitze erster Ton sehr laut, ganz kurzes, rauhes systolisches Geräusch, das nach oben deutlicher hervortritt. Über dem Aortenostium sehr leises systolisches Geräusch (?). Im Jugulum kräftige Pulsation. Vergrößerter Schilddrüsenlappen links. Radialpuls klein, rasch abfallend, das Gesäß selbst ist eng und rigid. Patellarsehnenreflexe nicht auslösbar. Pupillarreaktion träge. Das Abdomen ist in seinem über dem Nabel gelegenen Anteile unter dem Nivo des Thorax, unterhalb des Nabels in den seitlichen Anteilen eiförmig vorgewölbt. Die Bauchdecken sind schlaff und obne Schmerz leicht

| XXIII, 6. Röntgenologische Beobachtungen. 501

eindrückbar. Bei bimanueller Polyation ist der untere rechte Nierenpol erreichbar. In der Gegend der linken Niere ist ein gut faustgroßer, ovoider Tumor tastbar. Dieser ist zwischen beiden Händen nach allen Seiten, am besten nach auf- und abwärts verschieblich, während seine Lage bei tiefer Inspiration sich nicht ändert. Er ist nach allen Seiten hin abgrenzbar und nach oben deutlich zu umgreifen. Seine Oberfläche ist durchwegs glatt, seine Konsistenz prall elastisch. Er hat seinen oberen Pol in der Höhe der Nabelhorizontale, während der untere Pol ca. einen Querfinger breit unterhalb der Spina anterior superior gelegen ist. Dieser untere Pol läßt sich leicht bis in die Nabelhorizontale hinaufschieben. Beim Entgegendrücken von der Lende her Druckschmerzhaftigkeit des Tumores.

Am 22. VI. 14 wurde die Zystoskopie vorgenommen. Befund: Ubergangsfalte links stark hyperä- misch, konkav, glatt. Trigonum stark hyperämisch und geschwollen. Keine Ulcera. Blasenfüllung 150 cm? mit Spannungsgefühl. Schleimhaut ohne Gefäßzeichnung, ödematös, hyperämisch, stellenweise blutig gefleckt aussehend, kleinste festhaftende Eiterfetzchen, leichtester Grad von Trabekelbildung ... Beide Ostien stellen einen weit offenen, nach unten konkaven Schlitz dar mit überhängender oberer Lefze. Beide Ostien vollkommen starr, stark hyperämisch, leichte Auflockerung der Umgebung. Aus dem linken Ostium kommt eitriger Harn. Die Blaunusscheidung erfolgt links erst nach mehr als 25 Mi- nuten. Rechts nach 17 Minuten dunkelblau. .

Der am 25. VI. 1914 von mir abgegebene Röntgenbefund lautete: Der rechte untere Nierenpol liegt in der Höhe.zwischen zweitem und drittem Lendenwirbelquerfortsatz, scharfe regelmäßige Kontu- rierung des Nierenschattens. Linker unterer Nierenpol nicht zu sehen. Durch das linke Ureterenostium wird ein Bleikatheter vorgeschoben. Es gelingt anscheinend nicht, ihn bis ins Nierenbecken vorzubringen. Bei der vorgenommenen Aufnahme sieht man den Katheter in typischer Weise medial von der Syn- chondrosis sacro iliaca fast sagittal nach oben verlaufen. Er endet knapp über dem vierten Lenden- wirbelquerfortsatz. Die Niere liegt tief.

Nach Injektion von 20 cm? Collargol wird noch eine Aufnahme gemacht. Der obere Pol der linken Niere liegt in der Höhe zwischen erstem und zweitem Lendenwirbelquerfortsatz. Der untere Pol ca. 1 cm unterhalb des Darmbeinkammes. Die Niere liegt neben dem Psoas, scharf konturiert. Länge 12 cm, Breite 6 cm. Form normal. Die Katheterspitze ist nicht im Nierenbecken. Hier hat anscheinend der Ureter eine leichte Knickungsstelle. Der Collargolschatten verläuft von der Katheterspitze unter einem Winkel nach außen uud mündet in der Höhe des dritten Lendenwirbelquerfortsatzes 1—2 cm lateral desselben ins Nierenbecken. Dasselbe zeigt kein normales Füllungsbild. Die Collargolfüllung zeigt eine bedeutende Dilatation, vor allem der Calices. Papillen sind destruiert, die Kelche erweitert; die Parenchymschicht uuf dem Bilde durchschnittlich 1 cm breit.

Es handelt sich in diesem Falle um eine stark gesenkte Niere mit Destruktionen an den Pyra- miden. Das Nierenbecken selbst zeigt keine Erweiterung, der Füllungszustand desselben, sowie des obersten Teiles des Ureters deutet auf eine stark veränderte, verdickte Wand hin, die mit der Pyone- phrose gewöhnlich einhergeht.

Aus der medizinischen Universitätsklinik Basel (Dir.: Prof. Dr. Rud. Staehelin).

Röntgenologische Beobachtungen’). Von Dr. M. Lüdin. (Hierzu Tafel XXI, Fig. a, b, c, d.)

1. Röntgenoskopie des Magens während der gastrischen Krisen.

Über das röntgenologische Verhalten des Magens bei Tabeskranken ist bis jetzt nur soviel bekannt, daß „eine Andeutung der Sanduhrform“ [Grödel(1)], oder sogenannte „stehende Wellen® bei hypertonischer Peristaltik [Stierlin (2)] vorkommen können. Auch Albers- Schönberg hat bei gastrischen Krisen Sanduhreinschnürung festgestellt [zit. nach E. Müller (8)]. Eine Mitteilung über röntgenoskopische Magenuntersuchung bei gastrischen Krisen während des Anfalles liegt, soviel mir wenigstens bekannt ist, nur von Czyhlarz und Selka(4) vor, welche bei einem Fall von typischen tabischen Magenkrisen vollkommnn normale Verhältnisse antrafen. Bei der Durchleuchtung zeigte „der Magenschatten das typische Bild; die Antrum- peristaltik verlief vollkommen normal und zeigte die typischen, rhythmischen Abschnürungen“.

1) Nach einer Demonstration in der med. Ges. Basel, 20. Mai 1915.

a oe tr Be +

LEE wee Ve ee oe el om AY

Cpl cage E E

ORR? e A te ipa ter cee : y t T } a Kw ES a En

are = ae, E i} j 1 2 er

er .

. . Era 38 we wpe oe ee Oe we

502 Lüdin. XXIII, 6.

Wir hatten Gelegenheit einen ganz anderen Befund zu erheben. Es handelte sich um eine 40 jährige Tabeskranke mit auffallend heftigen Krisen. Diese traten zuerst als Brust- und Rückenschmerzen auf; später wurde der Schmerz mehr in das Epigastrium verlegt. Die Nahrungs- aufnahme schien keinerlei Einfluß auf die Schmerzanfälle zu haben. Vor Beginn einer Krise wurde gelegentlich eine Magenspülung ausgeführt; der Magenschlauch ließ sich ohne auf ein Hindernis zu stoßen gut einführen. Sobald die Krise begann, konnte aus dem hochgehobenen Trichter keine Spülflüssigkeit mehr einlaufen; vielmehr wurde mit dem Einsetzen der Krämpfe das Wasser im Trichter emporgetrieben. Die gastrischen Krisen stellten bei unserer Patientin sich immer ungefähr zu derselben Stunde ein. Wir ließen nun die Kranke etwas vor der Zeit, zu der wir einen Anfall erwarten durften, die Kontrastmahlzeit essen. Bei der Durchleuchtung an der stehenden Patientin zeigte sich ein tiefstehender Magen (Fig. 1), von normaler Form, init mäßiger Peristaltik. Während der Durchleuchtung setzten die Schmerzen ziemlich plötzlich ein. Zugleich kontrahierten sich der Sinus und die mittlere Partie des Magens sehr stark, so daß der Breiinhalt gegen das Magengewölbe zu direkt aufspritzte. Eine peristaltische Bewegung konnte an der kontrahierten Partie nicht wahrgenommen werden. Oberhalb der Kontraktion bildete sich eine schlaffe, sackartige Erweiterung aus, die gegen die tonische Kontraktion zu

Fig. 1. Fig. 2.

scharf abgesetzt war. Das Gewölbe wurde breiter und abgeflacht. Der kaudale Magenpol war höher getreten. Auch die Pars pylorica wurde enger, zeigte aber keine peristaltischen Kon- traktionen. Nach einigen Sekunden schien der Sinus sich wieder etwas auszuweiten (Fig. 2), die mittlere Magenpartie blieb stark kontrahiert; ebenso blieb die sackartige Ausbuchtung oberhalb der Kontraktion bestehen während des Schmerzanfalles, der ungefähr 1 bis 2 Minuten dauerte. Die Patientin griff während des Anfalles nach der schmerzenden Stelle, und der Röntgenschatten ihrer Hand deckte dabei ganz genau die kontrahierte Partie. Sobald die Schmerzen nachließen, wurde auch das Lumen der mittleren Magenpartie, die vorher zeitweise bis auf Bleistiftdicke kontrahiert erschien, allmählich wieder weiter. Während der tetanischen Kontraktion konnte ein Übertreten der Kontrastspeise in das Duodenum nicht beobachtet werden. Die Schattenaussparung zwischen der Pars pylorica und dem Bulbus duodeni, welche uns die Stelle des Pylorus erkennen läßt, schien bedeutend breiter zu sein als beim normalen Magen. Zwei Stunden nach dem Abklingen des Schnierzanfalles war im Magen nur noch ein kleiner Rest der Kontrastmahlzeit vorhanden. Wir konnten zwei solche Anfälle beobachten, die beide genau das gleiche Bild darboten; einige schwächere und weniger lang dauernde Anfälle, die wir später zu sehen Gelegenheit hatten, zeigten dieselben Kontraktionen, aber nicht mehr so stark ausgeprägt. Dagegen zeigte ein während eines solchen schwächeren Anfalles aufgenommenes Röntgenogramm ausgesprochene Längsfaltenbildung in der Pars media. Erbrechen oder Brech- reiz bestand während dieser Krisen nicht.

XXIII, 6. Röntgenologische Beobachtungen. 508

Diese Beobachtung scheint mir in verschiedener Hinsicht von einigem Interesse zu sein. Sie gibt uns erstens einmal gewissermaßen das pathologische Substrat für die gastrischen Krisen. Dann fällt vor allem auf, daß der kranialwärts liegende Teil des Magens sich voll- kommen ruhig und schlaff verhielt, und daß von der energischen tonischen Kontraktion ganz besonders die mittlere Partie des Magens ergriffen wurde; sie entspricht ziemlich genau dem hauptsächlich durch die Untersuchungen von Forssell bekannten schrägen Muskelgürtel des Korpus. Ferner zeigt uns die Beobachtung ‘die Funktion des Fornix und der Magenblase. Bekanntlich hat auch Forssell(5) besonders darauf hingewiesen, daß der Fornix „nicht nur als Behälter der Nahrung, sondern in wesentlichem Grade auch als Druckregulator des Magens“ dient, und daß die Luft der Magenblase bei der Druckregulierung eine mechanische Aufgabe, gewissermaßen als Sicherheitsventil, zu erfüllen hat.

Wir haben bei unserem Falle gesehen, daß unter dem zunehmenden Drucke von unten her während der Kontraktion der Fornix sich erweiterte; diese Beobachtung scheint mir die mechanische Funktion von Fornix und Magenblase sehr schön zu illustrieren.

Das beschriebene Magenbild ist durch alle jene Besonderheiten ausgezeichnet, welche nach Holzknecht und Luger(6) charakteristisch sind für regionären und totalen Magen- spasmus und welche eine Differenzierung gegenüber der Hypertonie erlauben sollen. Es zeigt ferner eine auffallende Ähnlichkeit mit der Magenform, welche Klee(7) beim Tiere durch seine interessanten Versuche hervorrufen konnte. Klee hat u. a. an der dezerebrierten Katze alle sympathischen Äste, die zum Magen ziehen, präganglionär durchschnitten, so daß der Magen „ganz einseitig unter der Wirkung der zentral gesteigerten Vaguserregung“ stand. Das Resultat war eine tonische Kontraktur des Pylorusteiles und der Pars media, welche eine scharfe Absetzung zeigte gegen den vollkommen unberührten Fundus des Magens.

Diese von Klee experimentell am Katzenmagen erzeugten Veränderungen stimmen sehr gut überein mit dem Magenbilde, das bei unserer Tabespatientin während der gastrischen Krisen sich zeigte; als dessen Ursache müssen wir ebenfalls eine gesteigerte Vaguserregung möglicherweise bei gleichzeitiger Sympathikusläsion annehmen.

Unsere Beobachtung würde am ehesten für diejenigen Hypothesen über die Entstehung der gastrischen Krisen bei Tabes sprechen, welche die Ursache in einer ,, Vagusneuritis“*) oder in einer „Läsion des Bauchsympathikus* suchen.

2. Akute Magenatonie während eines Ohnmachtanfalles. |

Die röntgenoskopische Untersuchung einer Patientin, welche über unbestimmte Magen- beschwerden klagte, zeigte den mit der Bariummahlzeit gefüllten Magen von normaler Form und mit normaler Peristaltik (Fig. 3). Während der Durchleuchtung hatten wir plötzlich den Eindruck, wie wenn bei der Patientin der Magen tiefer herabsinken würde; die untere Magen- partie weitete sich sehr stark aus wie ein schlaffer Sack; der Magen blieb glattrandig und zeigte auch nicht die geringste peristaltische Bewegung. An der oberen leeren Magenpartie trat die typische taillenförmige Verjüngung auf. Der Magen hatte seine peristolische Funktion verloren (Fig. 4). |

Wir konnten das Verhalten des Magens leider nicht weiter verfolgen, da die Patientin

hinzusinken drohte. Eine leichte Ohnmacht hatte sie befallen; das Gesicht war mit kaltem

Schweiß bedeckt; der Puls war klein und sehr frequent. | Ich muß noch nachtragen, daß in dem Röntgenzimmer eine große Hitze herrschte, daß

die Patientin wegen der Untersuchung sehr ängstlich gewesen war, und daß sie die Kontrast-

1) In Hinsicht auf die Theorie, welche eine Vaguserkrankung als Ursache der gastrischen Krisen annimmt, sind besonders interessant die Erfolge, welche durch Resektion beider Nervi vagi erzielt werden konnten. (Vgl. Exner und Schwarzmann: Gastrische Krisen und Vagotomie. Mitt. Grenzg. 1914, 8S. 15.)

Be ir ten a A ~ Pe

a + -0

= gp t APR Re me Te ee oe ET eE a ae r oN, P B 4 7 i i

ei ee a eed aee goo «! -

504 | Lüdin. | XXIII, 6.

speise nur mit großem Widerwillen zu sich genommen hatte. Wahrscheinlich. war die starke Aufregung verbunden mit den Unlustgefühlen der starken Hitze und dem Ekel vor der | Speise schuld, sowohl an der Ohnmacht als auch an der plötzlichen Magenatonie Ob nun £ die Ohnmacht das Primäre war mit nachfolgender Magenatonie, oder ok die Atonie das Primäre = a war und sekundär die Ohnmacht verursachte, das kann so leicht nicht entschieden werden. | s F me Die klinischen Erfahrungen sprechen bekanntlich dafür, daß beide Vorgänge möglich sind. a TS Ich möchte zur Erklärung auch keine weitläufigen Hypothesen heranziehen, sondern ich möchte ge ts | Ä nur darauf hinweisen, daß wir ein analoges Magenbild kennen, welches wir auch wieder den ar a Untersuchungen von Klee verdanken. An der großhirnlosen Katze konnte Klee den Vagus I u | durch Abkühlung ausschalten. Das Magenbild war nunmehr allein von der Sympathikusinner- a a | vation beherrscht. „Fehlen jeglicher Peristaltik und vollkommene Erschlaffung des Pylorus-

u und Mittelteils des Magens waren die Kennzeichen des einseitig durch gesteigerte sympathische er eae a | Impulse beeinflußten Magens.“ |

= -N - 125 lags - « T aar PE | , - œ é 4 . N . a +s i ! -4 L `e ' ' Bunt - 4 2 i $t - ` - 7 d . -a í

f ty eee ' , Fig. 8.

Fig. 4.

: E a a Sobald nun in dem gleichen Versuche der Vagus durch Erwärmen wieder in Funktion a ee hoe gesetzt wurde, so zeigte der Katzenmagen wieder normale Form und lebhafte Peristaltik. Das- selbe Verhalten konnten wir auch bei unserer Patientin beobachten. Nachdem sie sich von A ihrer Ohnmacht erholt hatte, etwa nach einer Viertelstunde, wurde die Durchleuchtung fort- T ae, i gesetzt, Der Magen zeigte jetzt wieder seine normale Form und zugleich eine sehr lebhafte u Cidet Peristaltik. Der Magen war nach 4 Stunden leer.

i Es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, daß auch bei unserer Patientin ein Überwiegen oe | l z D des Sympathikusreizes, vielleicht ein vorübergehendes Ausschalten des Vagus infolge der Ohn- e DE k macht, die plötzliche Magenatonie ausgelöst hat. '

E 3. Röntgenologische [Untersuchungen über das Verhalten des Magens während der ee Menstruation.

Bei einer Patientin, bei welcher die röntgenologische Magenuntersuchung vollkommen . ne normale Verhältnisse ergeben hatte, zeigte sich bei einer zweiten Untersuchung etwa acht Tage | z o a : später der Magen auffallend schlaff; die Peristaltik war äußerst schwach; die Magenentleerung - ga a. les war im Vergleich zur ersten Untersuchung erheblich verzögert. Ich konnte mir diesen Wechsel ea Te ‚der Magenfunktion nicht recht erklären. Im Befinden der Patientin hatte sich gegenüber früher nichts geändert; hingegen stellten sich am Nachmittag des Untersuchungstages bei der Patientin die Menses ein. Daß viele Frauen während der Menstruation über Magendrücken, über Gefühl von „Angefülltsein“ und ‘über ähnliche Magenbeschwerden klagen, ist eine be- 2 D : kannte Tatsache, und es lohnte sich wohl, nachzusehen, ob für diese Beschwerden röntgen:

XXIII, 6. Röntgenologische Beobachtungen. 505

ologisch ein Anhaltspunkt sich finden ließe. Ich habe zu diesem Zwecke mit der Erlaubnis von Herrn Prof. Staehelin bei verschiedenen Patientinnen der medizinischen Klinik während der Menstruation, und etwa zwei Wochen vorher und nachher die Röntgenuntersuchung des Magens vorgenommen. Es zeigte sich nun tatsächlich bei vielen allerdings nicht bei allen Untersuchten eine mangelhafte Peristole des Magens zu Beginn der Periode; der Magen war schlaff, atonisch; die Peristaltik ganz mangelhaft; zugleich war die Entleerungs- zeit des Magens beträchtlich verlängert; nach 6 Stunden war oftmals etwa noch die Hälfte der Bariummahlzeit im Magen vorhanden. Ich konnte dieses Verhalten allerdings nur kon- statieren, wenn die Frauen direkt vor oder bald nach dem Auftreten der Menses zur Unter- suchung kamen. Wenn die Periode schon zwei oder drei Tage angedauert hatte, war der Magenbefund derselbe wie bei den Kontrolluntersuchungen. Die Angabe, welche Pariser (8) schon früher auf Grund seiner klinischen Untersuchungen gemacht hat, daß nämlich insbeson- dere während der prämenstruellen Zeit die Magenmotilität herabgesetzt sein kann, findet in unserer röntgenologischen Beobachtung ihre Bestätigung.

Diese Form der Atonie, die mangelhafte Peristaltik und die Verzögerung der Magen- entleerung während der Menstruation beruhen sicherlich auf einer Affektion des vegetativen Nervensystems; dabei bleibt allerdings die Frage noch offen, ob wir eine Störung im auto- nomen System oder eine erhöhte Reizbarkeit des sympathischen Systems als Ursache anzu- sehen haben.

Jedenfalls lehrt diese Beobachtung, daß die röntgenologische Magenuntersuchung bei Frauen während der Menstruation uns unter Umständen ein von dem normalen Verhalten ab- weichendes Bild geben kann, und daß wir bei der Bewertung des sogenannten Sechsstunden- restes an die Möglichkeit einer Entleerungsverzégerung infolge der Menses denken müssen.

Ploenies(9) hat die während der Menstruation auftretenden Störungen der Magenfunktion zurückgeführt auf einen erhöhten Reizzustand bei bereits bestehender Magenläsion irgendeiner Art, an deren Existenz die genannten Störungen unbedingt geknüpft seien. Als Beispiel dafür, daß diese Behauptung von Ploenies keine absolute Gültigkeit beanspruchen darf, sei folgender Fall einer „reinen“ menstruellen Magenstörung kurz erwähnt:

Frl. R., 19 Jahre alt. In Spitalbehandlung wegen Otitis media chron. und Supraorbitalneuralgie. Patientin hat bis jetzt nie die geringsten Magenbeschwerden gehabt.

15. VII. 18. Erste Köntgenuntersuchung: Magen von normaler Hakenform; caudaler Pol in der Höhe des IV. Lendenwirbels; schöne, regelmäßige Peristaltik; nach 4 Stunden Magen leer.

81. VIL 13. Menses. Durchleuchtung ergibt: Magen auffallend schlaff; caudaler Pol unterhalb des V. Lendenwirbels; Magensack in transversaler Richtung breiter als am 15. VII. Peristaltik ganz mangelhaft; nach 6 Stunden noch beträchtlicher Rest, ungefähr die Hälfte.

10. VIII. 18. Die dritte Röntgenuntersuchung ergibt vollkommen normalen Magenbefund; Lage,

Form, Peristaltik und Entleerungszeit wie bei der ersten Untersuchung 15. VII. 18.

4. Gallensteine im Röntgenbilde.

Trotzdem durch die Fortschritte der Technik der röntgenologische Nachweis von Gallen- steinen heute leichter und häufiger gelingt, als dies früher der Fall war, so hat doch die Röntgendiagnose der Gallensteine eine besondere Bedeutung noch nicht erlangen können, und „der regelmäßige Nachweis der Konkremente in der Gallenblase ist“, wie Faulhaber (10) sich ausdrückt, „heute noch ein Pium desiderium in der Röntgenologie*. Sowohl die chemische Zusammensetzung, die Größe und Anzahl der Gallensteine, als auch ihre Lage und die Be- schaffenheit ihrer nächsten Umgebung sind ausschlaggebend für das Gelingen der Röntgen- darstellung.

Reine Kalziumkarbonatsteine, wie sie z. B. von de Quervain (11) beschrieben wurden, sind infolge ihres dichten Schattens gut sichtbar; sie kommen aber nur äußerst selten vor. Häufiger

treffen wir gemischte Steine (Cholesterin, Bilirubin mit Kalziumphosphat oder Kalziumkarbo- Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 64

oe be ung

ee)

506 Lüdin. XXIII, 6.

nat). Diese sind der röngenologischen Darstellung um so eher zugänglich, je größer ihr Gehalt an Kalksalzen ist. Sehr oft zeichnen sich die gemischten Gallensteine dadurch aus, daß ihr Cholesterinkern von einer Kalksalzschicht schalenförmig umgeben ist. Dadurch entstehen im Röntgenbilde die Schattenringe mit hellem Zentrum. .

Der Versuch, reine Cholesterin- oder reine Pigmentsteine mit Hilfe der Röntgenstrahlen zu finden, ist deshalb wenig aussichtsreich, weil das Strahlenabsorptionsvermögen dieser reinen Steine ungefähr gleich groß ist, wie dasjenige ihrer Umgebung. Galle und Lebergewebe sollen allerdings nach der Angabe von Matthias und Fett (12) für die Röntgenstrahlen weniger durchlässig sein als Cholesterinsteine. Infolge dieser Dichtigkeitsdifferenz können nach einer Beobachtung von Rubaschow (13) die reinen Steine durch ihre Helligkeit von der oe Umgebung auf dem Röntgenbilde sich abheben.

Die Größe der Steine ist für die röntgenologische Untersuchung insofern von Bedeutung, als große Steine, auch wenn sie verhältnismäßig wenig Kalksalze enthalten, infolge ihres größeren Durchmessers auch eine größere Dichtigkeit besitzen. In ähnlicher Weise kann bei kleinen Konkrementen durch Nebeneinanderlagern einer bedeutenden Anzahl von Steinchen die Dichtigkeit soweit erhöht werden, daß genügend Röntgenstrahlen zur Absorption kommen.

Auch die Lage der Gallensteine ist natürlich von besonderer Wichtigheit. Liegen die Konkremente so, daß sie vom Leberlappen vollkommen überragt werden, so dürfen wir kaum erwarten, ihren Schatten auf dem Röntgenbilde vorzufinden. Auch die Galle kann, wie schon erwähnt, infolge ihres ähnlichen Absorptionsvermögens ein Hindernis bilden. Deshalb hat Bowen(14) vorgeschlagen, „den Patienten eine große Mahlzeit zu verabfolgen, so daß die Gallenblase Gelegenheit haben würde, sich der Galle zu entledigen.* Nur Beck (15) hat der allgemein gültigen Ansicht, daß durch die Galle das Bild der Konkremente verschleiert oder auch vollkommen verdeckt werden kann, widersprochen.

Die röntgenologische Untersuchung auf Gallensteine geschieht am nüchternen Patienten; der Darm soll gründlich entleert sein; die Aufnahme wird bei Atemstillstand ausgeführt; die Röhre muß weich, die Expositionszeit möglichst kurz sein. |

Durch verschiedene Modifikationen der Aufnahmetechnik wurde versucht, die Schwierig- keiten der röntgenologischen Gallensteindiagnostik zu beseitigen. Béclére (16) und Maingot empfehlen die Aufnahme in Rückenlage mit bodenständiger Röhre, die Platte im rechten Hypochondrium festgepreßt. Zugleich soll der Magen aufgebläht werden. Pfahler (17) zieht die Aufnahme in flacher Bauchlage vor; der Patient muß dabei den Oberkörper stark nach links abbiegen, damit auf der rechten Seite der Abstand zwischen den letzten Rippen und der Crista ilii möglichst groß wird. Nach der Anordnung von Beck wird bei Bauchlage des Patienten durch untergeschobene Polster der Oberkörper nach hinten gebogen, damit die Gallenblase möglichst nahe der Platte zu liegen kommt. Dasselbe Ziel sucht Rubaschow dadurch zu erreichen, daß er bei Rückenlage des Patienten in der Gallenblasengegend eine besondere runde Kassette in das Abdomen eindrücken läßt; die Röhre befindet sich unter dem Aufnahmetisch. :

Ich möchte hier über einen Fall berichten, bei welchem ohne Anwendung von besonderen technischen Finessen bei Anlaß einer Magenuntersuchung als zufälliger Befund Gallensteine im Röntgenbilde zur Darstellung kamen.

Die 41jährige, stark abgemagerte Patientin kommt wegen einer karzinomatösen Pylorus- stenose zur Röntgenuntersuchung. Sie hat niemals irgendwelche Symptome einer Gallenblasen- erkrankung beobachtet. Eine Röntgenaufnahme (Fokusplattendistanz 60 cm, Strahlengang dorsoventral, Röhre mittelweich, Expositionszeit 2 Sek.), welche 7 Stunden nach Einnahme der Bariummahlzeit an der stehenden Patientin vorgenommen wurde (Tafel XXI, Fig. a), zeigt uns, abgesehen von dem Schattenrest im Magen und von dem Schatten des Ileum und des Coecum-Ascendens rechts direkt neben dem vierten und fünften Lendenwirbel die mit ca. 20 Steinen angefüllte Gallenblase. An den einzelnen Steinen läßt sich das helle Zentrum

!

XXIII, 6. Röntgenologische Beobachtungen. 507

von der ringförmigen Randpartie gut unterscheiden. Zwei Finger breit weiter oben in der Höhe der Mitte des dritten Lendenwirbels liegt ein größerer Stein, dessen ringförmiger Schatten noch deutlicher hervortritt. Wir hatten diesen Stein als Cystikusstein angesprochen, und bei der später erfolgten Operation stellte es sich auch heraus, daß es sich um einen Verschluß- stein im Ductus Cysticus handelte. Die schon mehrfach beobachtete und in der Literatur er- wähnte Tatsache, daß Cystikussteine einen dichteren Schatten geben als die in der Gallenblase liegenden Konkremente, findet ihre Erklärung darin, daß im Ductus Cysticus keine oder nur sehr wenig Galle vorhanden ist. | Wir haben später bei der Patientin nach Entleerung des Darmes eine Blendenaufnahme vorgenommen, in flacher Bauchlage, mit weicher Röhre, Expositionszeit 2 Sek., Atemstillstand. Auf diesem zweiten Bilde (Tafel XXI, Fig. b) treten die Gallensteine viel deutlicher hervor; ihr Schatten liegt etwa zwei Querfinger breit von der Wirbelsäule entfernt in der Höhe des zweiten und dritten Lendenwirbels; der Cystikusstein befindet sich ebenfalls um die Breite von zwei Wirbelkörpern weiter oben in der Höhe des ersten Lendenwirbels. Die Beweglichkeit der Gallenblase, welche sich durch die verschiedene Lage ihres Schattens bei den zwei Auf- nahmen im Stehen und im Liegen zu erkennen gab, konnte noch deutlicher durch eine dritte

. Aufnahme, welche bei rechter Seitenlage der Patientin gemacht wurde, nachgewiesen werden. Die

Gallenblase war diesmal so weit nach rechts verlagert, daß die Steinschatten handbreit rechts neben der Wirbelsäule sich befanden. Bei einer weiteren Aufnahme in linker Seitenlage kam die Gallenblase soweit nach links zu liegen, daß der Steinschatten durch den Schatten der Wirbelsäule verdeckt wurde. Ich habe die Beweglichkeit der Gallenblase deshalb näher ge- prüft, weil dem Nachweis eines Lagewechsels der Steinschatten durch Aufnahmen bei ver- schiedener Körperlage eine besondere Bedeutung für die Differentialdiagnose beigemessen worden ist [Thurstan Holland(18)].

Daß die Nierensteine zum Unterschied von den Gallensteinen der Wirbelsäule näher liegen sollen, ist ferner als wichtig hervorgehoben worden [Immelmann(19), Ruba- schow]. Diese Behauptung ist, wie unser erstes Bild demonstriert, jedenfalls nur richtig mit der Einschränkung, daß die Aufnahme nicht am stehenden Individuum vorgenommen wird. Auch die sehr schöne Abbildung von Witte(20) zeigt bei der stehenden Patientin den Gallen- steinschatten dicht an der Wirbelsäule; ebenso läßt das Bild des von de Quervain publizierten Falles kaum einen Zwischenraum zwischen Wirbelsäule und Gallensteinen erkennen.

Auch von der Wichtigkeit der Lage der Gallenblase zur Leber konnte ich mich durch einen Versuch überzeugen. Ich habe bei der Patientin den Dickdarm mit Luft angefüllt; dabei wurde, wie eine weitere Röntgenaufnahme im Stehen ergab, durch das stark aufgeblähte Kolon die Gallenblase soweit emporgehoben, daß sie vollkommen unter die Leber zu liegen kam. Auf diesem Röntgenbilde war direkt unterhalb der zwölften Rippe der Cystikusstein als ring- förmiger Schatten noch schwach sichtbar; die übrigen Gallensteine waren an einer leichten Schattendifferenz im massiven Leberschatten teilweise noch zu erkennen, aber nur so undeut- lich, daß nach diesem Bilde allein niemals die Diagnose Gallensteine hätte gestellt werden können.

5. Der Einfluß der Bauchbinde auf die Gestalt des Magens.

Bei unserer eben erwähnten Gallensteinpatientin ergab die radiologische Magenuntersuchung nach Einnahme der Bariummahlzeit einen tiefstehenden, ektatischen Magen mit horizontalem geradlinigem Niveau des Kontrastinhaltes unterhalb des Darmbeinkammes in der Höhe des fünften Lendenwirbels (Tafel XXI, Fig. c). Der Patientin wurde nun eine Flanellbinde so angelegt, wie es zur Hebung des Abdomens, z. B. bei Gravidität empfohlen wird. Die Binden- tour begann zwischen den Oberschenkeln, ging dann spiralenförmig um das Abdomen, und

endete oberhalb des Darmbeinkammes. (Auf dem Röntgenbild am Schatten der Sicherheits- 64*

508 Lüdin. XXIII, 6. nadel erkennbar.) Die Réntgenaufnahme dieses „unterstützten“ Magens zeigt nun ein voll- kommen verändertes Bild (Tafel XXI, Fig. d). Der kaudale Magenpol steht weniger tief, der ganze Saccus digestorius zeigt bis hoch oben den Schatten des Kontrastbreies, Die Wirkung der bei Gastroptose und bei Magenerweiterung empfohlenen Bauchbinde ist aus diesem Röntgen- bilde ohne weiteres ersichtlich. In bezug auf die Gallenblase läßt sich aus einem Vergleich der beiden Bilder ersehen, daß sie durch die Bandage höher gehoben und näher an die Wirbel-

säule herangebracht wurde.

Literatur. :

1) F. M. Groedel: GrundriB der Röntgendiagnostik in der inneren Medizin. 2. 1914, S. 361.

2) Stierlin: Röntgenologische Erfahrungen über Magenspasmen. Münchn, med. Wochenschr. 1912, S. 873.

3) E. Müller: Erkrankungen des Rückenmarks und seiner Häute. Handb. d. inn. Med. von Mohr und Staehelin. V, S. 99.

4) Czyhlarz und Selka: Röntgenolog. Verhalten

- des Magens bei gastrischen Krisen und beim Brechakte. Wien. kl. Wochenschr.1913, Nr 21.

5) Forssell: Über die auf den Röntgenbildern hervortretenden Formen des menschlichen Magens usw. Verh. d. Deutsch. Röntgen- Ges. VIII, S. 164.

6) Holzknecht und Luger: Zur Pathologie und Diagnostik des Gastrospasmus. Mitt. Grenz- geb. 1913, S. 669.

7) Klee: Die Magenform bei gesteigertem Vagus- und Sympathikustonus. Münchn. medizin. Wochenschr. 1914, S. 1044.

8) Pariser: Diskussion. XXV. Kongreß f. inn, Med. S. 148.

9) Ploenies: Die gegenseitigen Beziehungen der Menstruation und der Magenerkrankungen usw. XXV. Kongr. f. inn. Med. S. 97.

10) Faulhaber: Die Réntgenuntersuchung der Gallensteine, in Rieder und Rosenthal. Lehrbuch der Röntgenkunde, I. 1913, 8. 543.

11) De Quervain: Der Nachweis von Gallensteinen durch die Röntgenuntersuchung. Fortschr. d. Röntgenstr. XVII. 8. 76.

12) Matthias und Fett: Die Aussichten der Rönt- genographie der Gallenkonkremente. Fort- schr. d. Röntgenstr. X. 8. 199.

13) Rubaschow: ZurRöntgendiagnostik der Gallen- steine. Fortschr. d. Röntgenstr. XXI. S. 533.

14) Bowen: Elfte Jahresversammlung der American Röntgen-Ray Society. 30. Sept. 1910. Dis- kussion. Ref.: Fortschr. d. Röntgenstr. XVII. S. 896.

15) Beck: Bildung undZusammensetzung der Gallen- steine nebst einigen Gesichtspunkten des Röntgenverfahrens u. d. Behandlung. Samml. klin. Vortr. 1907, Nr. 447.

16) Béclére: Besprechung der Dissertation von Maingot. Ref.: Fortschr. der ‚Röntgenstr. XV. S. 56

17) Pfahler: Die Réntgenstrahlen in der Diagnose der Gallensteine, Elfte Jahresversammlung der American Röntgen- Ray Society. 30. Sept. 1910. Ref.: Fortschr. d. Röntgenstr. XVII. S. 395.

18) Thurstan Holland: Arch. of the Röntgen- Ray. März 1913. Ref.: Fortschr. d. Röntgen- str. XX. 8.4355.

19) Immelmann: Die Röntgenuntersuchung der Leber und der Gallenblase in: Groedel, Grundriß der Röntgendiagnostik in der inn. Med. II. 1914, 8. 450. |

20) Witte: Ein Fall von besonders deutlichem Gallensteinnachweis durch Réntgenlicht. Fort- schr. d. Röntgenstr. XXII. S. 217.

XXIII, 6. Wertheim-Salomonson, Quantitative Vergleichung d. Wirkung von Röntgenstrahlen usw. 509 "i

Arbeiten und Verhandlungen

des Sonderausschusses für Röntgenstrahlenmessung der

Deutschen Röntgengesellschaft. | III. Gruppe abgeschlossen am 22. XI. 19153. f Von den drei folgenden Arbeiten gehören die erste und dritte dem Gebiete der allgemeinen } theoretischen Strahlenmessung, die zweite demjenigen der speziellen praktischen Messung an. | In der ersten hat Herr Wertheim-Salomonson ein tiberraschendes und interessantes Detail

zur Kenntnis der Absorption in der Tiefe beigebracht, in der zweiten ist Herr Christen

|

anscheinend mit einem sehr glücklichen Gedanken an unser Kern-Problem herangetreten, die | | Quantität unabhängig von der Härte, also die wirkliche Flächenenergie statt der von a allen bisherigen Instrumenten angezeigten, von der Härte abhängigen Absorption oder Dosis | | praktisch und direkt zu messen. Schließlich hat Weissenberg einen konstruktiven u Weg gezeigt, um von der Dosis die Flächenenergie abzuleiten. i Der Vorsitzende hat an die Mitglieder der Kommission das folgende j>

III. Rundschreiben ° a

gerichtet: | T

„Die aus den Mitteilungen ersichtliche Erweiterung des Arbeitsgebietes der Kommission hat zwar im Gang der Arbeiten selbst ihre Begründung gefunden und die Notwendig- = keit derselben ist in den Verhandlungen eingehend dargelegt worden. Stehengeblieben = aber ist der alte Titel („für Dosimetervergleich“), der zum Inhalt des jeweiligen Arbeits- ie berichtes in störendem Gegensatz steht. Nach gepflogenem Einvernehmen mit dem der- zeitigen Vorsitzenden der D. R. G. bitte ich Sie, Ihre Zustimmung zur Änderung des Titels in »Sonderausschuß für Röntgenstrahlenmessung« zu geben.“

Holzknecht m. Nach Einlangen der Zustimmung der neun erreichbaren Mitglieder hat der derzeitige Vorsitzende der Deutschen Röntgengesellschaft, Herr Grashey, eine gleichsinnige Anfrage an die Mitglieder des Ausschusses der D. R. G. gerichtet, auf welche acht zustimmende Außerungen eingelangt sind. Die Titeländerung erscheint daher angenommen. Der Vorsitzende.

Quantitative Vergleichung der Wirkung von Röntgenstrahlen und Lichtstrahlen auf Bromsilbergelatine. | Von Professor Dr. J. K. A. Wertheim-Salomonson (Amsterdam), Mitglied der Kommission. Beim Vorsitzenden eingelangt am 25. X. 1915.

Da bei der Messung der Stärke der Röntgenstrahlen mit Hilfe der photographischen Methode die Wirkung vielfach mit derjenigen des Lichtes verglichen wird, schien es mir notwendig, die hierbei bestehenden Verhältnisse so eingehend wie möglich zu untersuchen.

Zu diesem Zwecke habe ich eine Methode ausgearbeitet, auf einfache und sehr genaue Weise zwei sogenannte Expositionsskalen auf einer Platte oder vielmehr auf den beiden

1) Einsetzung der Kommission und frühere Arbeiten ang Verhandlungen siehe diese Zeitschrift, dieser Band, Heft 1, 8. 70 und Heft 3, S. 213. re 3

EEn OO time ee

~ - Pr

510 Arbeiten und Verhandlungen des Sonderausschusses für Réntgenstrablenmessung. XXIII, 6.

Hälften einer und derselben photographischen Platte herzustellen, wobei die eine Skala durch Lichteinwirkung, die andere durch die Wirkung von Röntgenstrahlen erhalten wird. Neben dieser letzteren Skala wurde zugleich automatisch die Expositionsdauer registriert, während zugleich von dem Durchdringungsvermögen ein bleibender Eindruck hinterlassen wurde. Dies ward auf folgende Weise bewerkstelligt:

Ich habe seinerzeit in Pflügers Archiv’) einen photographischen Registrierapparat be- schrieben, bei welchem sich eine Platte mit jeder gewünschten Geschwindigkeit zwischen 0,1 und 1000 mm per Sekunde in vertikaler Richtung fortbewegt. Die Gleichmäßigkeit der Be- wegung wird durch eine hydraulische Bremsvorrichtung erzielt. Einen derartigen Apparat benutzte ich nun für meinen Zweck. Die nach der Röntgenröhre gerichtete Vorderwand war völlig mit einer Bleiplatte bedeckt. In diese Platte ist eine Öffnung von besonderer Form geschnitten, die aus sechs aneinandergrenzenden Rechtecken besteht, deren jedes eine Breite von 8 mm hat. Die Höhe dieser Rechtecke ist nacheinander 1, 2, 4, 8, 16 und 32 mm. Fällt nun die photographische Platte, während die Röntgenröhre, senkrecht vor die Mitte der Bleiplatte gestellt, auf 50 cm Entfernung in Wirkung gesetzt wird, dann wird jedes der kleinen Rechtecke Röntgenlicht durchlassen, wodurch also auf der photographischen Platte sechs über die ganze Länge der Platte laufende Bänder von 8 mm Breite der Wirkung der Röntgenstrahlen ausgesetzt werden. Die Dauer dieser Wirkung wird dann, in einem willkürlichen Maße, K, ausgedrückt 1, 2, 4, 8, 16 und 32><K betragen Um nun diese Dauer kennen zu lernen, ist neben der genannten Reihe von Rechtecken noch eine Öffnung angebracht, vor welcher sich eine Bleischeibe befindet, Diese Scheibe, aus der ein Sektor herausgeschnitten ist, wird sehr genau, einmal per Sekunde, herumgedreht, so daß während jeder Sekunde die Öffnung immer einmal plötzlich geöffnet wird, um ungefähr 0,2 Sekunde später wieder geschlossen zu werden. Auf dem Negativ entsteht dadurch, parallel mit den früher genannten sechs Bändern, ein helleres vertikales Band, das dunkle Querbändchen trägt, die auf genau 1 Sekunde Abstand auseinander liegen. Da die Größe der Öffnungen für die Expositionsskala genau bekannt ist die Fallgeschwindigkeit unmittelbar aus dem ,Zeitband* gemessen werden kann, ist auch die Expositionsdauer genau bekannt.

Das automatische Registrieren der Härte der Strahlen erfolgt dadurch, daß man gleich- zeitig mit der Platte einen vertikal auf derselben befestigten linearen Benoistschen Härte- messer von etwas veränderter Forın herabsinken läßt. Dieser letztere wird durch eine noch nicht erwähnte Öffnung in der Bleiplatte mitphotographiert durch die Einwirkung der Röntgen- strahlen. Der genannte Härtemesser besteht aus einem Silberplättchen von 0,11 mm Dicke, das ich der Freundlichkeit des Herrn Dr. van Hoytsema, Direktor der Reichsmünzanstalt, zu verdanken habe und einem danebengelegten, sauber abgearbeiteten Keil aus reinem Alumi- nium von 10 cm Länge, dessen Dicke von 0—10 mm über die ganze Länge von 10 cm gleich- mäßig zunimmt. In der Basis sind noch Zeichen angebracht, den Stellen entsprechend, wo das Aluminium 9, 8, 7 usw. mm dick ist. Die Fig 1 zeigt das Aussehen eines positiven Abdrucks der fertigen Skalen.

Mit diesem Apparat wurden in erster Linie vergleichende Versuche über die Wirkung von Réntgenstrahlen und Lichtstrahlen auf die photographische Platte gemacht. Hierfür wurde eine Platte von 18><18 benutzt. Ein Stück derselben von 6><13 wurde 60 Sekunden lang dem Lichte einer Hefner-Lampe ausgesetzt; dabei war das Plattenstück hinter einer drehenden Scheibe placiert, aus welcher Sektoren herausgeschnitten waren, völlig in der Weise, wie dies von Hurter und Driffield, Eder u. a. ausgeführt wurde. Der Rest der Platte wurde in dem oben ausführlich beschriebenen Apparat der Wirkung von Röntgenstrahlen aus- gesetzt. Darauf wurden beide Stücke in dem gleichen Entwickler gleichzeitig und gleich lange entwickelt.

1) Pflügers Arch., Bd. 120, 8. 610, 1907.

XXIII, 6. Wertheim-Salomonson, Quantitative Vergleichung d. Wirkung von Röntgenstrahlen usw. 511.

Nach dem Trocknen und Fixieren wurden die Negative mit dem Martensschen Polari- sations-Photometer gemessen. Bei dem Messen wurde jedes Band mit einem nichtexponierten Teil der Platte verglichen, zur Eliminierung des „Schleiers“. Die Ablesung erfolgt durch Einstellung in jeden der vier Quadranten, wodurch der Indexfehler verschwindet, während bei einer derartigen Ablesungsweise die Genauigkeit bis auf weniger als 1°/, beruntergebracht

werden kann. Aus den Ablesungen wurde für jedes Feld der Absorptionsfaktor und der Lo- garithmus desselben die Schwärzung berechnet.

Bei einigen Versuchen war es erforderlich, über große Felder verfügen zu können, anstatt

- der kleinen Felderchen, die zusammen bei der oben beschriebenen Methode die Expositionsskala

bildeten. Es wurde dann eine große Platte von 30><40 cm in 10 Stücke von 8><15 cm ge- schnitten. Hiervon wurden jedesmal 5 Plättchen für die Beleuchtung. durch Röntgenstrahlen gebraucht, 5 wurden gewöhnlichem Licht ausgesetzt. Dies geschah, indem die 5 Platten senk- recht auf kleine hölzerne Stative placiert wurden in einer Entfernung von bzw. 50, 70, 100, 140 und 200 cm von der Antikathode einer Röntgenröhre. Nach der Beleuchtung wurde die

Fig. 1.

Röntgenröhre durch eine kleine Metalldrahtlampe für 4 Volt Klemmspannung ersetzt und wurden die 5 anderen Plättchen auf die Stative gebracht. Die Beleuchtung erfolgte nun für die Dauer von 2 Sekunden. Auch hier fand das Entwickeln aller Teile der Platte gleichzeitig in einem und demselben Bade statt, ebenso das Fixieren. Die Messung der Negative erfolgte in derselben Weise, wie oben beschrieben wurde.

Mit Hilfe der erhaltenen Zahlen für die. Schwärzung wurden Kurven, die sogenannten charakteristischen Kurven, konstruiert, in derselben Weise, wie dies durch Hurter und Drif- field, Eder u. a. geschehen ist. Als Abszissen wurden die Logarithmen der Beleuchtungs- ein. als Ordinaten die Schwärzungen eingesetzt.

Die auf diese Weise erzielten Kurven zeigen im Gebiete der karzen Beleuchtungszeiten eine Krümmung, die konvex nach der x-Achse gerichtet ist, um daraufhin in eine Gerade überzugehen. Der konvexe Teil fällt in das Gebiet der Unire parikan, der rechte Teil umfaßt das Gebiet der korrekten Exposition.

In dem Gebiete der korrekten Exposition, das ungefähr bei einer Schwärzung von 0,5 beginnt, ist die Schwärzung dem Logarithmus der Exposition proportional. Wird die Gerade, welche dies Verhältnis angibt, bis zu der x-Achse verlängert, dann ist der Schnittpunkt der

|

AS * S

hi i A

512 Arbeiten und Verhandlungen des Sonderausschusses für Réntgenstrahlenmessung. XXIII, 6.

sogenannte Beharrungspunkt (point of inertia). Dieser Punkt ist innerhalb weiter Grenzen unabhängig von der Entwicklungsweise und charakterisiert die Empfindlichkeit der Platte. Die Neigung des geraden Teiles wechselt dagegen mit der Dauer und der Art der Entwicklung. Der gerade Teil der Kurve ist auch in einer anderen Hinsicht von Interesse, da in diesem Gebiete das Quantum reduzierten Silbers im Negativ dem Logarithmus der vorhergehenden Ein- wirkung der Lichtstrahlen proportional ist. Hier folgen die Resultate der Mesungen von vier Negativen:

Tabelle I. Negativ 5A und 5B, I p 2 log ctg 9 R p 2 log ctg 9 1 430 24° 0.049 1 30° 19° 80” 0.204 2 390 55’ 80” 0.155 2 330 34’ 80” 0.356 [4 330 45’ 0.350 4 26° 24’ 0.615 8 23° 12’ 0 736 8 17° 37’ 30” 0.996 16 14° 30’ 1.175 6 10° 52’ 80” 1.488 32 8 o 1.704 64 16’ 30” 2.263 | Negativ 6A und 6B. I e 2 log ctg R p 2 log ctg 9 1 430 49’ 0.089 1 40° 49° 30” 0.127 2 40° 4’ 30” 0.150 2 86° 12’ 0271 4 85° 15’ 0.301 4 29° 31’ 30” 0.444 8 240 54° 0.667 8 220 6' 0.788 16 16° 13’ 30” 1.072 6 150 27° 1.117 32 10° 1°30” 1.505 64 80 4’ 30” 1.696 Negativ 7A und 7B. I p 2 log ctg 9 R p 2 log ctg 1 43° 51’ 0.035 1 41° 6 30” 0.118 2 42° 3’ 0.090 2 88° 18’ 0.205 4 37° 51’ 0.219 4 83° 25’ 30” 0.361 8 80° 13’ 30” 0.469 8 26° 19’ 80” 0.611 16 20° 12' 0.868 6 18° 19’ 80” 0.960 32 12° 1.855 64 79 g 1.503 Negativ 8A und 8B. I p _ 2log ctgo R p 2 log ctg x2 1 44° 0.030 1 390 45’ 0.160 2 40048 0.128 2 34° 33’ 0.824 4 83° 16’ 30” 0.366 4 26° 43’ 30” 0.596 8 22° 12’ 0778 8 18° 18’ 80” 0.965 16 18° 22’ 30” 1.248 6 11018 1.899 32 7’ 30” 1.691 64 23’ 30” 2.236

Die Zahlen sind graphisch wiedergegeben in den Figuren 2—5.

Die Erscheinung, die ich bei meinen Versuchen fand und auf welche ich die Aufmerk- samkeit zu lenken wünsche, ist die folgende: In jedem Falle, in welchem die Wirkung von Licht- und Röntgenstrahlen verglichen wurde, erwies sich die Neigung der charakteristischen Linie im Gebiete der korrekten Exposition für Licht beträcht- lich größer als für Röntgenstrahlen. .

Von einem Zufall kann hierbei keine Rede sein. Zunächst nämlich erwies sich diese Erscheinung, die in Figur 2—5, wo immer zwei zusammengehöriger charakteristischer Kurven wiedergegeben wird, deutlich ins Auge fällt, tatsächlich als völlig unabhängig von der Dauer und der Art der Entwicklung, falls diese nur für die beiden zusammengehörigen Plattenhälften vollkommen dieselbe war. Eine kurzdauernde oder eine lange fortgesetzte Entwicklung ergaben - stets das gleiche Resultat, obwohl natürlich die absolute Steilheit der Neigung Unterschiede zeigte, Auch die Temperatur des Entwicklungsbades veränderte nichts daran. Die Ursache

XXIII, 6 Wertheim-Salomonson, Quantitative Vergleichung d. Wirkung von Röntgenstrahlen usw. 513

der Erscheinung mußte wohl mit der Art der strahlenden Energie zusammenhängen, welcher die empfindliche Schicht ausgesetzt war. |

Daß ein Unterschied in physikalischem Sinne zwischen der Wirkung von gewöhnlichem Licht und Röntgenstrahlen auf die empfindliche Platte besteht, scheint mir keinen Augenblick zweifelhaft. Die empfindliche Schicht absorbiert nämlich Lichtstrahlen sehr kräftig, während Röntgenstrahlen nur mäßig absorbiert werden. Da wir ferner wissen, daß innerhalb sehr ‚weiter Grenzen die Wirkung der bei- den Strahlenarten in demselben Maße wächst, wie die Intensität größer wird, können wir a priori vermuten, daß bei Lichtstrahlen die Wirkung an der Oberfläche der empfindlichen Schicht sehr intensiv ist, jedoch in den tiefergelegenen Teilen derselben sehr beträchtlich an Intensität abnimmt. Bei Réntgenstrahlen, die bei dem Durchdringen der Bromsilbergelatine- schicht viel weniger stark geschwächt werden, dürfen wir erwarten, daß die Wirkung in den oberflächlichen und tiefer gelegenen Schichten der Gelatine nicht nennenswert an Stärke ver- schieden sein wird. Nach dem Entwickeln werden wir also bei einem Negativ, das durch Lichtwirkung erhalten ist, eine sehr ungleichmäßige Verteilung des reduzierten Silbers er- warten dürfen: dieses ist besonders an der Oberfläche angehäuft, während die Gelatine an der Glasseite fast kein reduziertes Silber enthalten wird. Bei einem Röntgennegativ dagegen wird die Einwirkung in allen Schich- ten der Gelatine ziemlich gleich ge- wesen sein, und ist das Silber also ziemlich gleichmäßig über die ganze Dicke der Gelatineschicht verteilt.

Daß diese Auffassung richtig ist, ist jedem, der viel Negative ent- wickelt hat, hinreichend bekannt. Nach dem Entwickeln, aber vor dem Fixie- ren, ist ein gut durchentwickeltes Röntgennegativ an der Hinterseite ungefähr eben so deutlich wie an der Vorderseite, während bei einer ge- wöhnlichen photographischen Auf- nahme nur die kräftigsten Lichtpartien an der Hinterseite sichtbar sind.

Die Frage ist nun, ob dieser physikalische Unterschied für die beobachtete Erscheinung verantwortlich sein könnte. Es scheint mir, daß die Möglichkeit nicht geleugnet werden kann und sogar ziemlich plausibel ist, ‘wenn man die Frage in folgender Weise behandelt:

Zunächst untersuchen wir, wie in der Bromsilbergelatineschicht das Silber nach der Ein-

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 65

Fig. 2.

7 2 4 8 76 2 oF

con A 8 ey ears gc aes nn 2 irrt

514 Arbeiten und Verhandlungen des Sonderausschusses für Réntgenstrahlenmessung. XXIII, 6,

wirkung einer Licht- oder Röntgenbestrahlung verteilt ist. Darauf kann untersucht werden, auf welche Weise die lokale Anhäufung des reduzierten Silbers die Transparenz des Negatives bedingt.

Die Absorption von Licht- und von Röntgenstrahlen in der empfindlichen Schicht kann mit hinlänglicher Genauig- keit durch die bekannte Absorptions- formel:

I,=lLeH .... (1) wiedergegeben werden, in welcher J, die auffallende Lichtintensität, Z; die Inten-

ə Sität auf einer Tiefe Z und u den Ab- sorptionskoeffizienten in dem gegebenen Fall darstellt.

Durch Multiplikation mit ¢ und dadurch, daß Z, t= Q, und Lt = Q, ge- setzt wird, erhalten wir

Qi =Q. 1 . . (2) eine Vergleichung für die noch vorhandene Strahlungsstärke in jeder Tiefe der Schicht. Durch Differenzierung entsteht:

—d = Qudt n‘ er a we 8) ein Ausdruck für die Quantität absorbierter Strahlungsarbeit in einer kleinen Schicht dl in einer Tiefe l. Dieser Menge entspricht die Menge reduzierten Silbers. Wir er- halten also

dAg=kQustdi . (4)

als Ausdruck für die Menge reduzierten Silbers der Schicht d?l und nach Inte- grierung:

Ag= Kali) . (5) als Formel für die Gesamtmenge Silber zwischen der Oberfläche der Schicht und einer Tiefe J,

Aus (5) folgt unmittelbar: =K) . () d. h. die Vermehrung des Silbers unter dem Einflusse einer Vermehrung der Strahlung ist abhängig von dem Ab- sorptionskoeffizienten u. Bei einer großen Absorption ist der Differentialquotient

groß, während bei kleineren Absorptionskoeffizienten der Differentialquotient abnimmt. Um nun die Schwärzung eines derartigen Negativs mit einer nicht homogenen Silberschicht zu berechnen, dürfen wir von derselben Annahme ausgehen, die bei der Be- rechnung der Extinktion eines homogen absorbierenden Negatives gebräuchlich ist, nämlich

daß in jeder unendlich dünnen Schicht die Absorption der in dieser Schicht vorhandenen -

Silbermenge entspricht. Wir nehmen an, daß der Lichtverlust —dJ,, der bei dem Hindurch-

.

XXIII, 6. Wertheim-Salomonson, Quantitative Vergleichung d. Wirkung von Röntgenstrahlen usw. 515

dringen eines Lichtstromes durch die Schicht dl entsteht, proportional ist dem auf diese Schicht fallenden Lichtstrom, also J; und der Silbermenge, die wir in (4) angegeben haben. Wir er- halten dann die Gleichung:

—dJı=cJı: KQue—#' dl e 8 b © o © © © «© č ‘œ (7) Diese ergibt integriert: D=log $- = KQ (1—67) . 2.2222...

worin D die Schwärzung, J, die auffallende, J; die durchgelassene Lichtstärke bedeutet. Aus (8) können wir noch ableiten

“7 =K (1—e—) EI E22 2 220

Wir sehen, daß für das Anwachsen der Schwärzung unter dem Einfluß einer Zunahme an Lichtstärke dasselbe gilt wie für den Zuwachs des Silbergehaltes: auch hier besteht der- selbe Zusammenhang mit dem Absorptionskoeffizienten u derjenigen Strahlenart, aus welcher das Negativ gewonnen wird.

Die obigen Ableitungen gelten für das Gebiet der Unterexposition. Für das Gebiet der korrekten Exposition können wir 12008 auch eine Formel durch den folgenden Gedankengang ableiten:

Als Resultat der Untersuchungen von Hurter und Driffield, Elder, De Abney, Eder u. a. wissen wir, daß in dem Gebiete der korrekten Exposition sowohl die Schwärzung als die Menge reduzierten Silbers dem Logarithmus der vorangegangenen Lichtwirkung ent- spricht. Dies wird ausgedrückt durch die völlig empirische Formel:

Jo D = log z; =ı+9= ¿td lgQ. . . . 2... . (10)

in der a, b, a, und b, Konstanten sind und Ag die Gesamtmenge reduzierten Silbers, Q die Gesamtwirkung des Lichtes bedeutet. Dadurch, daß nun in diese Formel für Ag der Wert aus (5) und für Q derjenige Wert eingesetzt Be welcher die verminderte Einwirkung in der Tiefe berücksichtigt, erhalten wir:

D=log 9? =a +b Ag (1—6-") =a, +b, log Q(1—e—). . . . (11)

Dies ist die empirische Formel, welche die wirklichen Verhältnisse, so wie diese durch den Absorptionskoeffizienten u bestimmt werden, wiedergibt. Ich kann hier noch hinzufügen, daß die Formel (10) zuerst von Hurter und Driffield gegeben ist, und daß diese Formel zugleich die einzige ist, welche die Möglichkeit einer genauen Wiedergabe der Lichtverhält- nisse durch die Photographie bietet, wie von Hurter bewiesen wurde.

Falls diese Betrachtungen mit einem ausreichenden Maße von Genauigkeit die wirklichen Verhältnisse darstellen, folgt daraus außer der bereits erwähnten Eigentümlichkeit des Neigungs- unterschiedes bei den charakteristischen Kurven für Röntgen- und Lichtnegative auch die Tat- sache, daß analoge Unterschiede für den zunehmenden Silbergehalt bestehen müssen. Übrigens ist ja der Absorptionskoeffizient « in Bromsilbergelatine stets größer für Licht als für Röntgen- strahlen. Der Faktor 1—e—#! ist also bei Röntgenstrahlen immer kleiner, so daß sowohl die Neigung der Schwärzungskurve als diejenige der Silberkurve von Röntgenstrahlen geringer ist als bei Lichtstrahlenwirkung. Ein zweiter Umstand müßte auch daraus folgen, nämlich daß bei einer gleichen Schwärzung ein Röntgennegativ mehr Silber als ein Lichtnegativ enthalten müßte, während bei gleichen Silbermengen in der Schicht ein Lichtnegativ also Baer sein müßte als das Réntgennegativ.

Es war erforderlich, diese Frage durch ein Experiment zu prüfen. Zu dem Zwecke wurde auf der einen Hälfte einer Platte von 30><40 cm eine Expositionsskala für Licht, auf der

anderen Hälfte eine solche für Röntgenstrahlen gemacht. Beide Skalen wurden gemessen und 65°

lea Hil 4

516 . Arbeiten und Verhandlungen des Sonderausschusses für Réntgenstrahlenmessung. XXIII, 6.

außerdem wurde von meinem Assistenten Dr. Katz eine genaue quantitative Bestimmung des Silbergehaltes von jeder der Platten vorgenommen. Die Resultate dieser Untersuchung sind in der folgenden Tabelle wiedergeben wie auch in den Figuren 6 und 7.

Tabelle II.

2 log ctg 9 ber. :

2 log otg p gem.:

Platte .

0.663 0.6654

>,

Isls

Oe ©1098 N = So SIO HC mi a) CO CT pf

L L, 99.7 | 0.578 | 05700 L; 100.7 | 0.689 | 0.6948

R, 1 | 387083 0.228 151 98.6 0.161 | 0.1582 R, 2 | 82zr 0.897 21.0 97.3 0.216 | 0.2190 R, 4 | 26° 8’ 0.622 | 0.6272 26.4 94.6 0.279 | 02798 R, 8 | m o 1.029 | 1.0187 32.4 96.1 0.888 | 0.3406 R, 16 | 11°18), | 1.405 | 1.4102 39.9 98.6 0.405 | 0.4014

Die vertikalen Reihen enthalten aufeinander folgend: unter „Platte“ die Bezeichnung der Platte; unter Q die relative Menge Licht oder R.-Strahlenarbeit, die auf die Platte einwirkte; | unter p die Photometerablesung; unter 2 log ctg p die gemessene Schwärzung, während die folgende Reihe die hieraus berechneten wahrscheinlichsten Werte ent- hält, falls wirklich ein linearer Zusam- menhang zwischen log Q und 2 log ctg o besteht. Die folgenden Reihen enthalten nacheinan der die gemessene Menge Sil- bers über die ganze Oberfläche, die Größe dieser Oberfläche und die hieraus be- stimmte Menge Silbers per qem. Die letzte Reihe endlich enthält die aus der vorigen Reihe berechneten meist wahr- scheinlichen Werte der Silbermenge unter der Voraussetzung eines linearen Zusam- menhanges zwischen log Q und dem Silbergehalt. :

Die Berechnung der 8. Reihe fan statt nach den Ausdrticken:

2.8

24

0.4 D,= 0.1718 + 0.4188 log(,) Q und ; p A > z a, Dr= 0.5478 + 0.8915 log(,) Q. Fig. 6 Diese letzte Formel ist nur aus

drei Zahlen berechnet.

Die Formeln zur Berechnung der letzten Reihe lauten: 100 A,,= 7.055 + 12.485 log(,) Q und 100 A,, = 9.74 + 6.08 log(,) Q.

Aus dieser Tabelle ist bereits unmittelbar zu sehen, daß meine Folgerung bezüglich des _ Unterschiedes in Silbergehalt bei Licht- und Röntgennegativen von ungefähr gleicher Schwärzung durch das Experiment bestätigt wird. So haben Z, und R, ungefähr gleiche Schwärzung, nämlich 0.668 und 0.622, so daß sogar das Lichtnegativ noch etwas dichter ist. Doch enthält dies dichtere Negativ nur 0.201 mgr Silber per qcm, während das etwas mehr. durchscheinende

XXIII, 6. Wertheim-Salomonson, Quantitative Vergleichung d. Wirkung von Röntgenstrahlen usw. 517

Röntgennegativ 0.279 mgr Silber per qem enthält. Ein ähnliches Verhältnis finden wir bei L, und R,

Nehmen wir umgekehrt zwei Negative, zwischen deren Silbergehalt wenig Unterschied besteht, z. B. Z, und R, die bzw. 0.201 und 0.216 mgr Silber enthalten, dann zeigt sich, daß das weniger süberhaltige Lichtnegativ L, mehr als anderthalb mal_so dicht ist als das silber- reichere Röntgennegativ.

Für die in meiner Betrachtung entwickelte Erklärung ist noch ein anderes Argument an- zuführen. Ist sie richtig, dann darf erwartet werden, daß die Schwärzungskurve für Lichtarten von verschiedener Wellenlänge auch ‚einigermaßen verschieden sein wird, falls die Bromsilber- gelatine diese in verschiede- nem Maße absorbiert. Nun sind von Eder in dessen ‘Handbuch, Teil 3, auf Tafel XI einige charäkteristische Kur- ven abgebildet, welche auf Wellenlänge von 4100—5100 Bezug haben. Diese Kurven weisen unverkennbare Unter- schiede auf, und die Kurve für 4600 zeigt sowohl eine maximale Wirkung als eine maximale Steilheit. Auch die Erfahrungen, die bei den orthochromatischen Platten erworben wurden, welche auf einer andern „Tafel“ in Eders Werk abgebildet sind, be- stätigen die Tatsache, daß dort, wo starke Absorption also ein großes u besteht, die stärkste

Wirkung und zugleich die steilsten Kurven erzielt werden.

Noch eine andere Tatsache aus der Literatur kann ich zur Bestätigung meiner Ansichten anführen. Eder gibt an (S. 223), daß nasse Kollodiumplatten bei einem gleichen Silbergehalt bedeutend dichter als Gelatineplatten sind. Nun sind die Kollodiumschichten dünner als die Gelatineschichten, und djes kommt, bei einem gleichen Silbergehalt auf dasselbe hinaus als eine stärkere Absorption bei gleich dicken Schichten. Wird die Verdünnung der Schicht noch weiter fortgesetzt, so daß wir ein Verhältnis wie bei einem Silberspiegel bekommen, dann ist bereits eine Silbermenge von 3.9 mgr per 100 qcm hinreichend, eine Schwärzung 1,5 und eine Menge von 5.2 mgr per 100 qcm genügend, eine Schwärzung 2 zu verursachen (Eder, l. c.).

Den obengenannten Tatsachen steht jedoch eine Tatsache gegenüber, die ich aus meinen Versuchen ableiten konnte, die aber nicht direkt hineinzupassen scheint. Berechnen wir aus jeder der von mir mitgeteilten Versuchsreihen die Zunahme der Schwärzung bei Vermehrung der Licht- und Röntgenwirkung, dann erhielt ich die folgende graphisch in Fig. ? Rue

Tabelle.

Tabelle III.

% Fi DR oe u Ea $ e SE f

ll

518 Arbeiten und Verhandlungen des Sonderausschusses für Réntgenstrahlenmessung. XXIII, 6.

In dieser Tabelle bringt die erste Rubrik die Bezeichnung der Versuchsreihe; 42 hat Bezug auf die Reihe aus der vorigen Tabelle,

Die zweite Rubrik gibt die Schwärzungszunahme bei Verdoppelung der Lichtstärke, die dritte diejenige bei Verdoppelung der Röntgenwirkung.

Die vierte Rubrik bringt den Quotienten der beiden vorigen Zahlen, während in der vor- letzten Rubrik die Härte der Strahlen in Benoistschen Graden angegeben wird.

Die vierte Rubrik ist von Bedeutung, weil die darin gebrachten Zahlen ein Bild von dem Unterschied in der Steilheit der charakteristischen Kurven geben. Vergleicht man nun diese Zahlen mit denjenigen für die Härte, dann fällt uns unmittelbar die eigentümliche Tatsache auf, daß die Neigung der Röntgenkurven relativ desto weniger von derjenigen der Lichtkurven ab- | weicht, je größer die Härte ist. Noch deutlicher tritt dies aus einer graphischen Darstellung zutage, in welcher die Härte als Ordinate, der Quotient als Abzisse eingesetzt werden (siehe Fig. 8). Wir wer- den dann durch das völlig unerwartete Bild eines fast rein linearen Zusammenhanges überrascht. Die in der letzten Rubrik angegebenen Zahlen sind be- rechnet nach der Formel:

Quot: = 1.809 0.0776 Ben®.

Diese Abweichung könnte auf verschiedene Weise verursacht sein. Zunächst könnte vielleicht | die sehr harte Strahlung stärker absorbiert werden als eine weichere. Wir können dann wohl sagen, daß das Silber hierfür nicht verantwortlich ist, da es in nicht merkbar verschiedenen Grade Strahlen von 4—8 Benoist absorbiert und die charakteristische harte Silberstrahlung Barklas außerhalb jenes Gebietes liegt. l

Es könnte ebensowenig durch eine Resonanzstrahlung des Broms erklärt werden, da in der äußerst dünnen Schicht Bromsilbergelatine die harten Röntgenstrahlen nicht nennenswert verschwächt werden und also praktisch in jeder Tiefe der Schicht gleiche Intensität besitzen.

Fig. 9. ' Fig. 10.

Es bleibt also allein die Möglichkeit übrig, daß den härteren Röntgenstrahlen eine äußerst weiche und stark absorbierbare Strahlung beigemischt ist, welche nicht oder wenigstens in geringerem Maße bei einer weichen primären Röntgenstrahlung vorkommt. Wenn wir dies annehmen, besteht noch die Möglichkeit, daß die Unterlage, auf welcher die Bromsilbergelatine ruht, die weiche Sekundärstrahlung aussendet oder auch, daß diese von der Antikathode selbst, von der Glaswand der Röntgenröhre oder endlich von der Papierhülle der Trockenplatte her-

XXIII, 6. Wertheim-Salomonson, Quantitative Vergleichung d. Wirkung von Röntgenstrahlen usw. 519

rührt. Zwischen der ersten und den drei letzten Möglichkeiten muß der Unterschied bestehen, daß im ersteren Fall die Hinterseite der Gelatineschicht am stärksten getroffen ist, in den andern - Fällen die Vorderwand.

Um nun diese Frage zu entscheiden, habe ich von meinem Assistenten Klessens mikro- skopische Präparate von Querschnitten durch verschiedene Gelatineschichten herstellen lassen, und zwar sowohl von einem Lichtnegativ als auch von Röntgennegativen, die mit Strahlen von verschiedener Härte erhalten wurden. Die | beigehenden Mikrophotogramme zeigen nun un- - - - | i mittelbar, daß die zu Beginn dieser Arbeit aus- a a oOo gesprochenen theoretischen Annahmen richtig sind, zeigt doch die von einem Lichtnegativ herrührende Fig. 9 einen intensiven Niederschlag in den oberen Schichten der Gelatine, während die untere Schicht völlig oder fast völlig frei ist. Fig. 10 zeigt einen Durchschnitt durch ein Röntgenbild, das mit ex- trem weichen Strahlen erzielt wurde; der Silber- niederschlag ist hier ziemlich gleichmäßig durch die Gelatineschicht verteilt. Von einem mit ex- trem harten Strahlen erzielten Negativ gibt 11 einen Durchschnitt, auf welchem deutlich sichtbar ist, daß der Silberniederschlag an der Oberfläche am, stärksten ist, schnell abnimmt und dann weiter ziemlich gleichmäßig wird. Bei Röntgenstrahlen von mittlerer Härte ist diese Beimischung von ex- trem weichen Strahlen verhältnismäßig geringer.

Aus den Resultaten der oben beschriebenen Untersuchung können einige allgemeine Folgerungen gezogen werden. Zunächst ist darauf hin- zuweisen, daß bei pbotographischem Entwicklungspapier dieselben Resultate erwartet werden dürfen. Bei meiner Untersuchung wurde ja allein die Bromsilbergelatine betrachtet und konnte nirgends mit irgend welcher Wahrscheinlichkeit an Einflüsse, die von der Unterlage, d. h. von der Glasplatte ausgingen, gedacht werden. Wir dürfen also im allgemeinen feststellen: 1. daß die Entwicklungsemulsionen unter der Einwirkung von Licht und Röntgenstrahlen im allgemeinen eine verschiedene Gradation aufweisen und daß die Gradation im letzten Fall im allgemeinen minder steil ist; 2. daß gleichfalls Unterschiede in der. Gradation bestehen bei der Einwirkung von Röntgenstrahlen von verschiedener Härte, welche Unterschiede jedoch verhältnismäßig viel geringer sind. j

Aus unsern Betrachtungen folgt endlich noch eine rein praktische Folge- rung: Will man bei der photographischen Methode der Réntgenstrahlenmessung die größtmögliche Genauigkeit erreichen, dann hat man die Wahl zwischen dem Gebrauch von verschiedenen Skalen fiir jede gebrauchte Hirte oder was besser ist dem Gebrauch einer gut definierten Standardskala, auf welcher der Wert jeder Abstufung für X-Strahlen von jeder Härte bestimmt ist. -Verfügen wir dann auch noch über eine Emulsion von konstanter. und reproduzierbarer Emp- findlichkeit, dann ist eine vollkommen zuverlässige Methode für Röntgenstrahlen-

Fig. 11.

messung gefunden. Jedenfalls zeigt sich, daß die photographische Methode eine

genaue Messung zuläßt, wenn wir auch noch weit von dem Desideratum einer „ab- soluten“ Messung entfernt sind.

Die obenerwähnte Untersuchung ist naturgemäß noch sehr unvollständig. Sie wird jedoch fortgesetzt.

Tepe 4? A en - roam art n 4 t $

ne ra rrp TF egy

ents

Ti a i;

dea.

hd a ine ea. oe

falta,

i et ot r a

l

re; Ar run t

520 Arbeiten und Verhandlungen des Sonderausschusses für Réntgenstrahlenmessung. XXIII, 6.

Aus der Strahlenforschungsstelle der Reiniger Gebbert & Schall A. G.

Das Integral-lontometer. Von Dr. Th. Christen, München.

Sämtliche Strahlenmessungen, welche bis jetzt üblich waren, leiden an dem Fehler, daß sie nicht unabhängig sind vom Härtegrad. Bei allen heute gebräuchlichen Instrumenten, sei es daß sie die Intensität, sei es daß sie die Flächenenergie, sei es daß sie die Dosis messen wollen, stoßen wir immer wieder auf die unerfreuliche Beobachtung, daß ihre Angaben sich ändern, wenn der Härtegrad sich ändert.

Dazu kommt die Schwierigkeit, daß die meisten der gebräuchlichen Reagenzkörper Ele- mente mit hohem Atomgewicht enthalten, so daß man sicher mit Gebieten selektiver Absorption rechnen muß.

Einzig die auf Ionisation begründeten Dosimeter liefern solche Zahlen, welche als Maß für die physikalische Dosis gesetzt werden können, da man annehmen darf, daß das Verhältnis der Absorptionskoefizienten von Luft und von Wasser vom Härtegrad unabhängig ist. Dies gilt aber nur, wenn diese Instrumente als Elektrometer geschaltet sind. Dagegen wäre es ein Irrtum zu glauben, daß sie, als Galvanometer geschaltet, etwa die Intensi- tät messen könnten. Sowohl die Iontometer mit Galvanometerschaltung als auch das Fürstenausche Intensimeter, messen nicht die Intensität, sondern das Produkt aus der Intensität und dem Absorptionskoeffizienten. Dazu kommt beim Intensimeter noch der Verdacht auf selektive Absorption des Selens.

Eine Berechnung von Intensität und Flächenenergie unter Berücksichtigung des Härtegrades ist also nur bei den Jontometern ohne größere Komplikationen möglich.

Wf y Zur Veranschaulichung mag Folgendes %4 MI, Di: dienen: Man bestrahle zwei gleiche Reagenz- ununa qu puut

ee körper (gleichgültig ob zwei Sabouraud-

pastillen oder zwei Kienböckstreifen oder zwei Bordierplättchen usw.) mit verschiedenen Röhren, wobei der eine Reagenzkörper eine weichere Strahlung erhält als der andere (Fig.1). Nehmen wir zunächst einmal an, wir wären imstande, nach Ablauf einer solchen Bestrahlung anzugeben, wie viel strahlende Energie jeden dieser beiden Reagenzkörper getroffen hat. Dann muß es möglich sein, sei es durch passende Wahl der Intensität, sei es durch entsprechende Wahl der Bestrahlungszeit (welche von beiden Maß- nahmen man wählt, ist gleichgültig) es zu erreichen, daß beide Reagenzkörper von der gleichen Menge strahlender Energie getroffen werden.

Hat man diese Abgleichung erreicht, so wird ganz sicher, trotzdem beide Beträge der auffallenden Energie gleich sind, der mit der weichern Strahlung behandelte Reagenzkörper eine stärkere Reaktion aufweisen als der mit härteren Strahlen behandelte. Sind z. B. die Härtegrade so ausgesucht, daß das Reagens von der weichern Strahlung gerade doppelt so viel

Fig. 1.

XXIII, 6. Christen, Das Integral-lontometer. | ` 521

absorbiert wie von dèr härtern, dann wird die Reaktion auf dem ersten Körper doppelt so stark auffallen wie auf dem zweiten, trotzdem beide Körper von der gleichen Menge Aura ander Energie getroffen wurden.

Nun könnte man versucht sein, sich folgendem Gedankengang anzuvertrauen: Von den weichern Strahlen absorbiert zwar der Reagenzkörper mehr als von den härtern; da aber auch die unter Strahlenbehandlung stehenden Gewebe von den weichern Strahlen mehr absorbieren als von den härtern, so gleicht sich der Fehler wieder aus.

Dieser Gedankengang ist, soweit er sich auf den Begriff der Dosis bezieht, richtig für '

alle Iontometer weil man annehmen darf, daß die Absorptionsänderungen in Luft und in Wasser einander proportional sind. Bei allen andern Meßinstrumenten dagegen beruht er auf einem Fehler. Dieser Fehler wird leicht begangen und übersehen tiberall da, wo man sich mit quali- tativem anstatt quantitativem Denken begnügt.

Ja, diese Überlegung kann sogar qualitativ falsch sein, nämlich für alle Elemente, welche selektive Absorption aufweisen. Am bekanntesten ist diese Erscheinung beim Silber: Für weiche und mäßig harte Strahlen nimmt die Durchdringungsfähigkeit gegenüber Silber zu, wenn die Durchdringungsfähigkeit gegenüber Wasser zunimmt. Geraten wir aber in das Gebiet der sehr harten Strahlen (von 2 cm Halbwertschicht aufwärts), dann nimmt wohl die Durchdringungsfähigkeit gegenüber Wasser weiter zu, gegenüber Silber aber nimmt sie wieder ab!

Aber selbst dann, wenn wir von solchen Ausnahmezonen absehen, so wissen wir von vorn- herein nicht, ob zwischen den Absorptionen in dem fraglichen Reagenzkörper einerseits und im Wasser andrerseits Proportionalität besteht. Es ließe sich sehr wohl folgendes Verhältnis

denken: Von zwei Strahlungen wird die eine im Wasser doppelt so stark absorbiert als die

andere. Der eine Reagenzkörper dagegen absorbiert die weichere Strahlung dreimal stärker als die härtere, während ein anderer Reagenzkörper von den gleichen Strahlungen die weichere nur 1,5 mal stärker absorbiert als die härtere. Oder kurz ausgedrückt, es besteht wohl Pa- rallelität, aber nicht Proportionalität.

Die Aufgabe.

Es wird uns darum gar nichts anderes übrig bleiben, als daß wir Instrumente schaffen, welche uns, sei es die Intensität, sei es die Flächenenergie so anzeigen, daß ihre An gaben bei Veränderung des Härtegrades sich nicht ändern. Damit erreichen wir einen weitern Vorteil: Wenn es für die Zuverlässigkeit unserer Messungen gleichgültig ist, ob wir mit weichen oder mit harten Strahlen arbeiten, dann ist es auch gleichgültig, ob wir mit einer homogenen Strahlung oder mit einem Strahlengemisch zu tun haben: In beiden Fällen müssen die Angaben unserer Instrumente gleich zuverlässig sein. |

Die Lösung. Damit die Bedeutung der richtigen Lösung deutlich in die

Augen springe, will ich zuerst einen falschen Weg gehen. In MMMM L,

Fig. 2 bedeutet A einen absorbierenden Körper, J eine lonisations- | J kammer und die Richtung des Pfeiles deutet die einfallende Strah- . lung an. Gibt man dieser Strahlung verschiedene Härtegrade, so Vig. 2. zeigt sich folgendes: 1. Je härter die Strahlung, desto mehr geht durch den Absorptionskörper A hindurch. 2 Je härter die Strahlung, desto weniger wird in der Luft der lonisationskammer ab- sorbiert, desto geringer ist die ionisierende Wirkung. 3. Die beiden Einflüsse heben sich auf. Von diesen drei Sätzen sind die ersten zwei richtig, der dritte dagegen ist falsch, und

zwar wieder aus dem oben erwähnten Grund, weil er aus einer qualitativen Erkenntnis einen Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 66

Fa at SEs, Ten | mee i =

IR Bars a on 4:

e TIR FP aS TR FT inn ea eae IE | $ o 4 P: ` : ars wa. od 7 1 y phe d i

522 Arbeiten und Verhandlungen des Sonderausschusses fiir Réntgenstrahlenmessung. XXIII, 6.

quantitativen Schlu8 zieht. Die beiden Ursachen 1. und 2. wirken allerdings einander ent-

gegen. Die Wirkung der einen schwächt die Wirkung der andern. Aber daß sie sich des-

halb zu Null aufheben müßten, davon ist keine Rede.

Es dürfte nichts schaden, gerade an diesem Beispiele zu zeigen, wie wichtig es ist, in solchen Fällen niemals nur qualitativ, sondern stets quantitativ zu argumentieren.

Denken wir uns zunächst den Absorptionskörper A weg. Wir

bestrahlen nun die lonisationskammer mit einer relativ weichen

Strahlung, von der wir wissen, daß die Luft der Kammer 3°/,,

absorbiert und messen die während einer bestimmten Zeit entladene

Elektrizititsmenge. Dann bestrahlen wir mit einer bedeutend

N A härtern Strahlung, von welcher die Luft der Kammer nur 1°/,,

absorbiert. Die in der gleichen Zeit entladene Elektrizitätsmenge

wird jetzt nur den dritten Teil gegenüber dem ersten Versuch be-

oOo J tragen, vorausgesetzt, daß die Intensität der beiden Strahlungen

beidemal die gleiche war. Die absorbierten Beträge strahlender Energie verhalten sich also in den beiden Fällen wie 8:1.

Nachdem wir dies festgestellt haben, setzen wir unsern Absorptionskörper A wieder an

seine Stelle. Er soll beispielsweise so beschaffen sein, daß er von der weichern unserer beiden

Strahlungen 30°/, und von der härtern 10°/, absorbiert. Von der weichern Strahlung gelangen

somit 70°/, in die Kammer und davon werden hier absorbiert 3°/,, also 2,1°/,, der ursprüng-

lichen Strahlung. Von der härtern Strahlung gelangen 90°/, in die Kammer und hiervon ab-

sorbiert die Luft der Kammer 1°/,, also 0,99/,o

| von der gesamten Strahlenmenge. Die Elek-

Fig. 8.

trizitatsmengen, welche unter der Wirkung der beiden verschieden harten Strahlen entladen werden, verhalten sich also wie 2,1: 0,9 oder wie 2,8:1.

Man sieht, das Aushilfsmittel hat quali- tativ gewirkt, aber nicht quantitativ, d. h. das ursprüngliche Verhältnis 3:1 ist herabgemin- dert worden auf 2,3:1. Aber von dem Ideal SS 1:1 ist es noch weit entfernt. Und dabei SS haben wir noch zwei Körper mit proportionaler

X Absorption gewählt, denn in beiden verhielten NSS sich die absorbierten Mengen wie 8:1.

S Es gelingt nun aber tatsächlich, das ideale Verhältnis 1:1 zu erreichen, wenn man dem Absorptionskörper A eine bestimmte Form gibt: entweder muß er in Form eines ebenen Keiles

1. Absorbierendes Material, über einer rechteckigen Kammer stehen (Fig. 3),

2. Luftkammer, oder man setzt einen rotationsparabolischen

i ... Blei, geerdet, Hohlkörper über eine kreiszylindrische Kam-

5. Aufgeladener Leiter. mer. Den exakten Beweis für die Notwendig-

keit gerade dieser Form habe ich in Nr. 19

der physikalischen Zeitschrift (1915, Jahrgang 16) erbracht. Unter diesen beiden theoretisch

möglichen Formen ist praktisch am brauchbarsten weil konstruktiv am besten ausführbar

die zylindrische Kammer mit parabolischem Absorptionskörper. Diese Form des Apparates ist in Fig. 4 dargestellt.

Einzige Vorbedingung für die richtige Funktion des Apparates ist eine solche Auswahl des absorbierenden Materials, daß alle Änderungen der Absorption in diesem Material der Ab-

XXIII, 6. Christen, Das Integral-Iontometer. 528

sorption in Luft proportional sind. Mit anderen Worten: wenn die Halbwertschicht der Strah- lung in der Luft um p°/, zunimmt, so muß auch ihre Halbwertschicht in dem Material des Absorptionskörpers um p°/, zunehmen.

Man kann sich die Wirkung des Apparates etwa so vorstellen: Von den weichsten Strahlen können nur die zentralen Teile des Absorptionskörpers (Fig. 4) in nennenswertem Betrage durchsetzt werden. Je härter aber die Strahlung wird, desto mehr kommt auch die Durch- strahlung der peripheren Partien zur Geltung. Es ist aber notwendig, daß von den härteren Strahlen mehr in die [onisationskammer eindringe, als von der weichern, denn sie werden ja entsprechend weniger von der Luft der Kammer absorbiert. Damit nun diese beiden entgegen- gesetzten Wirkungen sich nicht nur schwächen, sondern unter allen Umständen vollständig kompensieren, ist eben die genannte Form des Absorptionskörpers notwendig.

Beweis.

Um anstatt einer Rechnung, welche wohl kaum manchen unserer Leser interessieren dürfte, doch eine quantitative Beweisführung zu bringen, will ich im folgenden kurz eine

C

graphische Darstellung geben. Von den beiden möglichen Formen eignet "O, sich hierfür besser die rechteckige Kammer (J) mit aufgesetztem ebenem absorbierendem Keil (4), entsprechend Fig. 5. |

Wir wollen nun untersuchen, wie zwei verschiedene Strahlungen sich diesem Apparat gegenüber verhalten, und, um die Ideen zu fixieren, wollen wir annehmen, daß die härtere von ihnen in 4/,,, die weichere da- gegen schon in !/,, der Höhe (4) des Keiles absorbiert werde. Die beiden Halbwertschichten, « für die weichere und a* für die härtere, sind in den Figuren 5 (weichere Strahlung) und 6 (härtere Strahlung) eingetragen. Es ist also

Oe

pes at & ar 20 10 a

Betrachten wir nun zuerst Fig. 5. Dort ist ABC das Profil des absorbierenden Keiles. Diesen Keil denke man sich durch unzählige ebene Schnitte, welche auf der Geraden AB senkrecht stehen, in sehr dünne Säulen zerlegt. Die Höhen dieser Säulen nehmen von A gegen B stetig zu. An der Schneide des Keiles bei A ist diese Höhe gleich Null, bei B ist sie gleich der Höhe des Keiles A.

Auf der unteren Hälfte der Zeichnung sind ferner diejenigen Beträge der auf den Keil fallenden strahlenden Energie aufgetragen, welche an jeder einzelnen Stelle von dem Material des Keiles nicht absorbiert,‘ also in die Kammer durchgelassen werden. Bedeutet die Länge AD den ungeschwächten Betrag derjenigen Energie,

welche auf jede Teilsäule fällt, so ist leicht verständlich, daß unter dem Punkte A,, wo die 66*

= 2.

D

comet R i

A A ee ; A 2

Mle ame c

524 Arbeiten und Verhandlungen des Sonderausschusses für Röntgenstrahlenmessung. XXIII, 6

Dicke des Keiles den Betrag a hat, nur die Hälfte der Energie auf die Unterseite des Keiles gelangt. Deshalb ist A, D,=3/,: AD.

Im Punkte A, muß die Strahlung die Dicke 2a, d. h. die doppelte Halbwertschicht durchsetzen; sie wird also durch die Absorption auf */, ihres Betrages geschwächt. Deshalb ist in der Figur

A, D, ="|,- AD.

Entsprechend ist weiter

A,D, =]: AD A,D, = Phe -AD usw.

Die Summe aller durch den Keil hindurchgelangenden Energiebeträge ist daher gleich der Summe aller Lote, die von der Unterseite AB des Keiles bis auf die Kurve DD, D,D... gezogen werden. Mit anderen Worten: die durch den Keil hindurchdringende Menge strahlender

Energie wird dargestellt durch die Fläche F=ADD,D,D,...B.

Die gleichen Verhältnisse finden sich auch in Fig. 6, welche sich auf die härtere Strahlung bezieht, nur mit dem Unterschied, daß, weil a* = 2a, die Punkte A,, A,, A, usw. und

D,, D,, D, usw. vom linken Rande der Figur doppelt so weit ent- fernt sind, wie in Fig. 5.

Wid War in Fig. 5 D' D, = bla: so ist in Fig. 6 DD = blo War in Fig. 5 D" D, = blio» so ist in Fig. 6 D" D, =b]; War in Fig. 5 D" D, = 8b»

so ist in Fig. 6 F. D” D, = 3b/,o USW. | Daraus ergibt sich augenfällig, daß die von der krummen Linie ADD, D,D,...B begrenzte Fläche F* in Fig. 6 genau doppelt so groß ist, wie die entsprechende Fläche F in Fig. 5. Oder in einer Gleichung: | F*=2F. Der absorbierende Keil läßt also von der härteren Strahlung genau doppelt so viel durch, wie von der weicheren. Haben beide Strahlungen gleichviel Energie auf den Keil geworfen,

XXIII, 6. "Christen, Das Integral-Iontometer. u 525

so dringt von der härtern Strahlung genau doppelt so viel strahlende Energie in die Kammer, wie von der weicheren.

Wir wollen nun auch hier wieder, um die Ideen zu fixieren, bestimmte Zahlen einführen, indem wir annehmen, die Kammer sei so dimensioniert, daß die darin enthaltene Luft von der härteren Strahlung 7/,,,, und von der weicheren Strahlung °/,,,, absorbiere. Dies entspricht unserer Voraussetzung proportionaler Absorption zwischen dem Material des Absorptionskörpers und der Luft, denn auch in jenem Material war das Absorptionsverhältnis -

= = 2.

Nimmt man nun, entsprechend unserer Konstruktion in den Figuren 5 und 6 die Flächen F und }* als Maße für diejenige Menge strahlender Energie, welche den Keil zu durchdringen vermag, so wird in der Luft der Ionisationskammer von der weicheren Strahlung der Betrag

| 2 F] 000 und von der härteren Strahlung der Betrag | F*] 1000 absorbiert. Da aber

F* = 2F,

so sind die Beträge der in der Kammerluft absorbierten Energie in beiden Fällen gleich, quod erat demonstrandum.

Der Anschaulichkeit zuliebe haben wir den Beweis geführt für das’ spezielle Verhältnis

ta,

Selbstverständlich kann der gleiche Beweis für irgendein anderes Verhältnis der Größen a* und a geführt werden, wodurch bewiesen ist, daß bei gleicher Menge auffallender Energie der Strahlung stets auch der gleiche Bruchteil derselben von der Luft der Ionisationskammer ab- sorbiert wird, ganz unbekümmert um den Härtegrad der Strahlung. Oder mit anderen Worten:

Die Angaben des Integral-Iontometers sind vom Härtegrad der Strahlung unabhängig. Sie sind deshalb für irgendwelche Strahlengemische ebenso exakt wie für homogene Strahlen. |

Wird das Integral-Iontometer mit einem Elektrometer ausgerüstet, so mißt es die Flächenenergie unabhängig vom Härtegrad.

Wird es mit einem Galvanometer versehen, so mißt es die Intensität unab- hängig vom Hartegrad. '

Was das Instrument ohne Rechnung automatisch vollzieht, das ist die Berechnung der krummlinig begrenzten Flächen F und F* in den Figuren 5 und 6. Die Berechnung einer krummlinig begrenzten Fläche ist analytisch gleichbedeutend mit der Auswertung eines bestimmten Inte- grales. Daher der Name Integral-Iontometer.

Die Anwendung.

Die Untersuchung einer gegebenen Röntgenstrahlung ist so lange nicht streng exakt, als man nicht über eine Messung verfügt, deren Ergebnisse vom Härtegrad unabhängig sind. Allerdings haben wir bereits festgestellt, daß man mit den bisherigen Iontometern bei homo- genen Strahlen die Größe der physikalischen Dosis richtig mißt. Außerdem kann man mit allen Reagentien, die nicht selektive Absorption aufweisen, aus den Absorptionskurven homo- gener Strahlen deren Halbwertschichten und Absorptionskoeffizienten ableiten.

Anders dagegen, wenn man mit heterogenen Strahlen zu tun hat, oder wenn man Strahlen verschiedenen Härtegrades vergleichen soll! Da kann nur mit einem solchen Instrument ge- arbeitet werden, dessen Angaben von dem wechselnden Härtegrad unabhängig sind. Die haupt- sächlichsten Anwendungen des Integral-lontometers werden also sein:

AN 526 Arbeiten und Verhandlungen des Sonderausschusses für Réntgenstrahlenmessung. XXIII, 6.

1. Härtemessungen oder, allgemeiner, Konstruktion von Absorptionskurven, nicht nur für homogene, sondern auch für heterogene Strahlen. 5 Bu 2. Direkte Bestimmung der Flächenenergie und der (auf Körper ohne selektive Absorption u 25 bezogenen) physikalischen Dosis, für Strahlen irgendwelchen Härtegrades und irgendwelcher Heterogeneität.

3. Absolute Messung der Strahlenquantität.

Punkt 3 bedarf noch einer kurzen Erläuterung. Mit dem Integral-Iontometer ist nämlich auch die Aufgabe gelöst, für die Leistung irgendeines Röntgenapparates ein abso- bo o lutes Maß aufzustellen, das wiederum vom Härtegrad der jeweils untersuchten Strahlung En % | unabhängig ist. Ä E Hält man sich nämlich an bestimmte Kautelen, deren Besprechung hier zu weit führen E würde, dann ist der Sättigungsstrom einer Ionisationskammer einfach deren Volumen proportional. E Bedenkt man, daß der Sättigungsstrom außerdem sowohl der Halbwertschicht der Strahlung, FE als auch dem Quadrate der Fokaldistanz umgekehrt proportional ist, dann wos. man, daß als a Maß der Leistung eines Röntgenapparates zu gelten hat die Größe ia iea. r? E y | wobei 7 den Sättigungsstrom, a die Halbwertschicht der Strahlung in Wasser, r die Fokal- a distanz und v das Volumen der Kammer bedeutet. fp Beim Integral-Iontometer dagegen vereinfacht sich die Messung dadurch, daß der Faktor a wegfällt, weil seine Angaben vom Härtegrad der Strahlung unabhängig sind. Das Maß für die Leistung eines Apparates ist jetzt einfach die Größe

i T 3 u Ce Len,

Es ist aber für die Praxis noch eine weitere Vereinfachung möglich: Es genügt, daß die Dosimeterkommission sich auf eine bestimmte Dimension der Kammer einige, sowie auf eine > bestimmte Fokaldistanz, auf welche alle Angaben zu reduzieren sind, falls nicht gerade in dieser

Distanz gemessen wurde. Dann ist der Sättigungsstrom des Integral-Jontometers ; = ein direktes Maß für die Leistung der Röntgenapparate.

u Aus der Zentral-Röntgenabteilung im k. k. allgemeinen Krankenhaus in Wien. Eu (Vorstand: Oberstabsarzt Prof. Dr. G. Holzknecht.)

Dosis und Flachenenergie.

a 42 (Berechnung der Flachenenergie aus den Angaben guter Dosimeter.) ae ie | Von E Ldst.-Ingen. Karl Weißenberg, physikalischer Mitarbeiter der Abteilung. | Eingegangen am 22, XI. 1915. Los Bei allen exakten Experimenten und Untersuchungen der Röntgenstrahlen drängt sich a immer wieder das Problem der Messung von Flächenenergie (d. h. die auf die Flächeneinheit | sen auffallende Röntgenenergie) in den Vordergrund. In der Arbeit „Eine neue graphische Dar- 5 ma stellung der Absorption von Röntgenstrahlen“ 1) habe ich nachgewiesen, daß sämtliche Qualitäts- ae | und Quantitätsfragen, die den Röntgenologen interessieren, ohne weitere Rechnung beantwortet ae werden können, wenn die Flächenenergie der Röntgenstrahlen in allen Gewebstiefen bekannt ist. a Es ist aber auch dazu unbedingt notwendig, die Flächenenergie zu kennen, und es genügt nicht etwa die Kenntnis der mit der Härte und Heterogenität der Strahlung schwanken-

1) Weißenberg: Eine neue graphische Darstellung der Absorption von Röntgenstrahlen nebst einigen ihrer Anwendungen. Fortschritte a. d. Gebiete der Röntgenstrahlen, Bd. XXIII, 3.

XXIII, 6. Weißenberg, Dosis und Flächenenergie. 527

den Dosis. (Angabe der praktischen Dosimeter, wie z. B. Sabouraud, Kienböck, Jonometer, Selenzelle...) Werden nämlich statt der wirklich zu benützenden Flächenenergie, die Angaben eines dieser Dosimeter benützt, so wird nicht nur die von dem Dosimeter gelieferte Absorp- tionskurve hinsichtlieh Qualität und Quantität ein wesentlich anderes Röntgenlicht anzeigen, als in Wirklichkeit vorhanden ist, sondern es wird auch im allgemeinen von jedem Dosimeter ein anderes Licht angezeigt, obwohl alle dem gleichen Röntgenlicht ausgesetzt sind. Der Nachweis hierfür soll im folgenden gegeben werden. Die notwendige Voraussetzung für die Richtigkeit, Gleichartigkeit und Vergleichbarkeit der verschiedenen Dosimeterangaben wäre das Bestehen einer Kanstanten, d. h. von der Qualität der Strahlung unabhängigen Beziehung zwischen den Dosimeter-Einheiten. Versucht man nun exakte Vergleichstabellen zwischen

den einzelnen Dosimeter-Einheiten herzustellen, so ergibt sich, daß man bei jeder Röntgen-

lichtqualität ein anderes Resultat erhält, mit anderen Worten das Verhältnis der Einheiten zueinander ist kein konstantes, sondern ändert sich mit der Qualität der Strahlung. Zunächst ist es einleuchtend, daß in dem Hartebereich der selektiven Sekundärstrahlung, z. B. des Silbers, die Kienböckeinheit 1 x einen anderen Wert hat im Vergleich zu der Holzknecht- einheit 1 H als in einem beliebigen anderen Härtebereich. Aber selbst wenn man von der Sekundärstrahlung abstrahiert und nur Dosimeter miteinander vergleicht, die diesen Fehler nicht oder in ganz geringem Maße haben, oder die mit diesem Fehler behafteten Instrumente in einem Härtebereich vergleicht, in dem weder das eine noch das andere infolge selekter Sekundär- strahlung falsch wird, so gelingt die Herstellung einer von der Härte unabhängigen Ver- gleichstabelle im allgemeinen doch nicht,

Nimmt man nämlich zwei Dosimeter ans verschiedenem Material an und betrachtet sie in einem Härtebereich, in welchem die Halbwertschichten und somit auch die Absorptions- koeffizienten in dem einen Material denen im anderen proportional sind (dies ist der günstigste Fall für die Möglichkeit von Vergleichstabellen; nimmt man nämlich einen Härtebereich, in dem keine Proportionalität der HWS.-Schicht besteht, so ist eine konstante Verhältniszahl zwischen den Einheiten von vornherein ausgeschlossen), d. h. a, = ka,, so ergibt sich falls die Dosimeterschichten als unendlich dünn betrachtet werden dürfen die Dosis im ersten Dosimeter „D,“ = Ea, und die Dosis im zweiten Dosimeter „D,“ = Ea, (wobei a, und «, die Absorp- tionskoeffizienten bedeuten). Somit wären die angezeigten Dosen zwar nicht gleich, aber das Verhältnis u = 5 = k bliebe in dem ganzen Bereich in dem die HWS. proportional sind

n2 konstant unabhängig von der Härte der Strahlung d.h. aber es ließe sich eine einfache Ta- belle aufstellen, mit Hilfe derer man Angaben des Dosimeters 1 in Einheiten des Dosimeters 2 ausdrücken kann und umgekehrt. Nun sind aber die Dosimeterschichten nicht unendlich dünn, sondern haben die endlichen Dicken d, und d, u so ergibt

| 1 2 D, = E(1 e744) = Eo,d, [a 4] pmza =en aali Fesi 1 ad, ; . D aal 1 + ef somit das Verhältnis D- = z T 1 a4 RE 2 3 Dat | T 22 +22 2 -+ Be

| |

Der Ausdruck, vor der Klammer also Lo 2 ist in dem betrachteten Härtebereich für die

beiden Dosimeter eine Konstante, der Klammeransdruck jedoch eine mit der Härte der Strahlung veränderliche Größe, d. h. aber es gibt bei diesen Dosimetern kein konstantes Verhältnis zwischen ihren Einheiten (sondern bei hartem Licht ist z. B. die Dosimetereinheit 1 das Doppelte der Dosimetereinheit 2 und bei weichem Licht vielleicht das Dreifache). Die gengue Untersuchung

PD ES! FTP een Sey ren a = me BE AR en gta mane a y EES eee

idl

4 ww

528 Arbeiten und Verhandlungen des Sonderausschusses für Röntgenstrahlenmessung. XXIII, 6.

des Klammerausdruckes führt zu folgendem Resultat: Eine von der Härte unabhängige, also auch bei jeder Härte gültige Beziehung zwischen den Einheiten zweier Dosimeter (wie etwa die Beziehung 1H = 2x) ist nur möglich, wenn erstens die Dicke der Dosimeterschicht im Ver- gleich zur Halbwertschicht der Strahlung in dem Dosimetermaterial vernachlässigt werden kann (z. B. bei den Iono- und Iontometern) und zweitens im ganzen betrachteten Härtebereich Proportionalität der HWS. (also keine Sekundärstrahlung) besteht. Wendet man diesen Satz auf die jetzt in Verwendung stehenden Dosimeter an, so ergibt sich:

Es besteht keine konstante von der Härte unabhängige Beziehung zwischen den Ein- heiten 1H, 1x, 1F (Fürstenausche I-Minute) und den Ionometereinheiten. Will man daher überhaupt Vergleichstabellen für diese Einheiten aufstellen, so muß man bei jeder Härte eine andere Tabelle herstellen. Dahingegen werden Vergleichstabellen zwischen Iono- und Ionto- metereinheiten möglich sein.

Dieser Nachweis allein würde wohl schon genügend dartun, wie schlecht die jetzigen Dosimeter für wissenschaftliche Arbeiten zu gebrauchen sind; doch möchte ich hier noch darauf hinweisen, daß auch die Messungen mit den Dosimetern häufig genug zu falschen Auffassungen und Fehlschlüssen verleiten, die bei Messungen der Flächenenergie ohne weiteres vermieden worden wären. Ein einfaches Experiment als Beleg dafür:

Denkt man sich z. B. 3 Kienböckstreifchen übereinandergelegt und mit einem beliebigen z. B. hartem Therapielicht bestrahlt, so wird man finden, daß die Plättchen 1 und 8 nur un- wesentlich in den Schwärzungen voneinander abweichen. Man liest etwa ab:

Plattchen 1 hat 10 x 3 , 9,8 x.

Denkt man sich nun weiter die Absorption des Plättchens 2 daraus berechnet, so ergibt sich, daß in dem 2. Plättchen 10x— 9,8 x = 0,2 „x“ absorbiert worden sind. Entwickelt man nun auch das Plättchen 2 und liest es ab, so findet man natürlich auch nicht annähernd den Wert 0,2 x, sondern ungefähr 9,9 x. Daraus ergibt sich, daß offenbar zwei ganz verschieden große Einheiten, nämlich das „x“ aus der Differenz der Kienböckstreifen berechnet und das am Kienböckstreifen selbst abgelesene x mit demselben Namen bezeichnet werden, obwohl die erste Einheit ungefähr 50mal so groß ist als die zweite. Dies gilt mutatis mutantis natürlich auch bei allen anderen Dosimetern und so findet man diesen groben Fehler, der darin besteht, daß man die Differenz der Angaben des bedeckten und unbedeckten Dosimeters (also der Kienböckstreifen, Sabouraudtabletten, Intensimeterausschläge usw.) als Absorption in der bedeckenden Schicht betrachtet und die Einheit dieser berechneten Absorption mit demselben Namen benennt, wie die Einheit des der Messung zugrunde liegenden Dosimeters immer wieder in der Literatur auftauchen. Der Kern des Fehlers liegt darin, daß die Differenz 2er Dosen solange nicht, auch nicht annäherungsweise, als Absorption betrachtet werden darf, als man beide, Dosis und Absorption, als mit demselben Maße (z. B. 1 x) gemessen betrachtet; will man also die Differenz der Dosimeterangaben wenigstens vergleichsweise als Maß der Absorption betrachten (was unter günstigen Bedingungen statthaft ist), so muß man unbedingt die Dosis- einheit von der Absorptionseinheit streng trennen, mit einem anderen Namen versehen und ihr gegenseitiges Verhältnis bestimmen, damit man weiß, daß diese beiden Einheiten ganz vonein- ander verschieden sind. Dieses Verhältnis ändert sich mit der Härte der Strahlung’).

Diese Übelstände, die natürlich hier noch lange nicht erschöpfend behandelt sind, haben zur Folge, daß eine neue Röhre oder Apparatur oder Anordnung je nach dem Dosimeter mit dem man untersucht zunächst ganz verschieden und mehr oder minder falsch beurteilt werden wird und man gezwungen ist doch erst am Patienten die Erfahrung zu machen, was das

1) H. Wachtel: Über die instrumentelle Bestimmung der Erythemgrenze statt der üblichen Messungen der verabreichten Lichtmenge. Diese Arbeiten und Verhandlungen. Fortschritte d. Röntgen- strahlen, Bd. XXIII, 3, S. 255.

parenn Sam e a -

w

XXIII, 6. Weißenberg, Dosis und Flächenenergie. 529

Bessere ist; insbesondere gilt das natürlich für kleinere Verbesserungen, denn die ganz großen werden wohl von allen Dosimetern in demselben Sinn verzeichnet werden.

All dem geht man aus dem Wege und bewirkt außerdem bedeutende Einfachheit und Übersichtlichkeit, wenn man in Veröffentlichungen prinzipiell Dosimeterangaben nach Möglich- keit vermeidet und an ihrer Stelle Angaben über die Flächenenergie macht. Bei diesem Be- griffe ist es nämlich ausgeschlossen, daß zwei miteinander unvergleichbare Einheiten auftreten. Alle überhaupt möglichen Einheiten sind immer durch die Beziehung e= KE verknüpft, wobei konstante von der Härte unabhängige Größe f e und E zwei beliebige Maße der Flächenenergie bedeuten. (Wahrscheinlich wird es dann auch keine Schwierigkeit haben, die Flächenenergie in dem in der Physik allgemein üblichen Maß cm p. Sek. zu messen.) Weiteres ist die Differenz zweier Flächenenergieangaben gleich der absorbierten Röntgenenergie in dem- selben Maße gemessen!). Es gibt also keinen Unterschied zwischen der „Absorptions-Einheit® und der Einheit des Meßinstrumentes,

Es besteht nun auch, wie im folgenden gezeigt werden soll, keine prinzipielle Schwierig- keit, die Angaben eines guten Dosimeters in Flächenenergie umzurechnen. In der Hauptsache wird von dem Dosimeter folgendes gefordert. Es soll

erstens frei von spezifischer Sekundärstrahlung, also die Dosimeterschicht aus Stoffen von einem Atomgewicht, welches kleiner ist als 27,

zweitens die absorbierende Schicht soll als unendlich dünn angesehen werden dürfen, im Verhältnis zur HWS. der Strahlung, d. h. die Dosimeterschicht soll möglichst wenig Röntgenenergie absorbieren,

drittens, wenn möglich Zeigerausschlag.

Nach diesen Forderungen ist es klar, daß in erster Linie an die Iono- und ontometer gedacht wird, welche als Dosimeterschicht Luft haben, also den ersten beiden Bedingungen genügen und außerdem auch die dritte Forderung erfüllen.

Man untersucht nun, wie gewöhnlich am besten mit Hilfe von Bakelith die Abnahme der Dosis mit zunehmender Bakelith-Schichtdicke und erhält, wenn man diese Daten in Milli- meterpapier einträgt, die Dosiskurve der Strahlung. Wie eine einfache mathematische Über- legung zeigt, ist nun die gesuchte Flächenenergiekurve das Integral der Dosiskurve (voraus- gesetzt, daß die Dosimeterschicht genügend dünn war).

Es ist nämlich die Gleichung der Flächenenergiekurve bei einer komplexen Strahlung ge- geben in der Form

F= F eh? + Fy ehr... Fn en? und die Dosenkurve für unendlich dünne Schichten: D = F a, e—%* + Fa, e—%* +... Fa an 0 On = —D=D,e—%* + Di e—%* 4... Dy een? , wobei F die gesamte Flächenenergie F, F,... Fn die eres os . @, die Absorptions- koeffizienten und x die Schichtdicke bedeutet. D resp. D, D, ... Da bedeuten die Dosen. a ist aber

fF, a, ee + 2 a, erh? ,.,.. Fa An e ene dz = Fi eTa? F, ee ER: Fr eta, : z i somit S- Ddo = F Diese Formel läßt sich nun leicht bildlich veranschaulichen. (Siehe Fig. 1.)

1) Vgl. Wachtel: Uber die instrumentelle Bestimmung der Erythemgrenze. Fortschritte a. d. Geb. d. R., Bd. XXIII, 3, S. 255. | | Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 67

=- - A i l nd i -e a on “lene ——— Ro mi ern:

580 Arbeiten und Verhandlungen des Sonderausschusses für Réntgenstrahlenmessung. XXIII, 6.

Dieser Übergang von der gemessenen Dosis zur Flächenenergie ist wohl anschaulich, | | aber für den Praktiker und Nichtmathematiker unhandlich, besonders da er doch erst durch ! | mehr oder minder umständliche Rechnungen oder Integrationsapparate oder Wägung der aus- geschnittenen schraffierten Fläche aus der Dosenkurve die Flächenenergiekurve exakt bestimmen kann. Es soll nun im folgenden, nachdem die prinzipielle Möglichkeit der Gewinnung der Flächenenergiekurve nachgewiesen ist, ein für den Praktiker gangbarer Weg beschrieben werden.

Die Dosenkurve wird in den Logarithmenraster eingetragen und genau so analisiert*) wie

die Flachenenergiekurve.

Fig. 1 veranschaulicht den Zusammen- hang zwischen der Dosiskurve und der Flächen- energie. Die eingezeichnete Kurve stammt von den Dosimeterangaben eines verläßlichen Dosi- meters her; die jeweils vorhandene Flächen- energie ist dann durch die Größe der keilförmigen Fläche gegeben, welche nach oben durch die jeweilige Tiefenlinie, nach rechts durch die Kurve, nach links durch die cm-Achse und nach unten unbegrenzt ist.

Als Beispiel ist die Fläche, deren Größe gleich der Flächenenergie in 3 cm Tiefe ist schraffiert.

ae A 3D 4

: Hy u Tz oo o AAT o VA o o AAEL o AAK JENE AAN | LUT

AAA A ee lll 77 | 1111111

Fig. 2 zeigt an zwei einfachen Beispielen, wie einfach bei homogenem Licht im Logarithmen- Raster die Flächenenergiekurve aus der Dosiskurve erhalten wird.

D, ist die Dosiskurve eines weichen Lichtes mit der HWS !/, cm. Multipliziert man D, mit der HWS. */,, so erhält man

F, (als Parallele zu D, um die HWS. !/, nach links verschoben) die Kurve der Flächenenergie.

0 100

10

=

D, ist die Dosiskurve eines mittelharten Lichtes mit der HWS. = 2 cm. Um die HWS. 2 nach rechts parallel verschoben ergibt

F, die Kurve der Flächenenergie.

Jede Komponente der Dosiskurve wird nun mit ihrer HWS. multipliziert, d. h. in diesem Raster parallel mit sich selbst um so viel verschoben, als ihre Halbwertschicht angibt und geht dadurch in eine Komponente der gesuchten Flächenenergiekurve über.

Denn es ist D, a = F, log. nat. 2

D, a = F, log: nat. 2 1% +D, a, +.

„= (FR AK +... Fs) a2 = Fil, 2

In Worten a man alle Komponenten der Dosiskurve in obiger Weise ‚verschoben, so erhält man sämtliche Komponenten der Flächenenergiekurve nur in einem anderen aber immer

dem gleichen Maß gemessen.

Bezeichnet man das Maß, in welchem die Dosis gemessen wurde mit e,, so ist das Maß, mit dem die Flächenenergie gemessen wird log. nat. 2.

(Natürlich

könnte man dies auch leicht beheben, aber, da ja das Dosimetermaß e, ganz willkürlich ist, so kann das Maß e, log. nat. 2 ebensogut verwendet werden.)

1) Weissenberg: Eine neue graphische Darstellung der Absorption von nn Fort- schritte a. d. Geb. d. Röntgenstrahlen, Bd. XXIII, 3, S. 242,

XXIII, 6. Weißenberg, Dosis und: Flächenenergie. - 581

Durch die einfache Operation, die Verschiebung der Komponenten um ihre Halbwert- |

schicht, hat man dann nicht nur die Flächenenergie an einem Punkt, sondern auch in jeder Tiefe gegeben, und was vielleicht noch wertvoller ist, man hat die Flächenenergie gleich als Summe ihrer Komponenten gegeben, also bereits analysiert. Will man aus den Komponenten auch tatsächlich die Flächenenergiekurve bilden, so steht dem natürlich nichts im Wege; es

0 1 l 10 20 30 40 Du 80 100

Fig. 3 zeigt, wie man im Logarithmen-Raster aus den 1 - Komponenten der Dosiskurve, die Komponenten der Flächen- 2 energiekurve und damit die Flächenenergiekurve gewinnt. 3 a

ZT A VAN ec |S fa ARETAN genem Licht herrühren, so ist = Fig. 3 eigentlich nur eine Wie- 4 derholung von Fig. 2. Es sind i / | | || D,, D, D; die ermittelten Kom- 5: ponenten der Dosiskurve (die © d AT wegen der Übersichtlichkeit hier 6 - nicht eingezeichnet ist); um die TI entsprechende HWS. verschoben ? f (siehe Fig. 2) ergeben sie die v2 i | iamnan 7 7 LEN Addiert man die Kom- ; /

ET Af | LAT man die Flächenenergiekurve F, 9 F j

E A N

10 era

wird dies aber in den wenigsten Fällen notwendig sein, da ja die Kenntnis der einzelnen Kom-

ponenten der Flächenenergie nach Qualität und Quantität nicht nur die Kenntnis der jeweiligen.

Gesamtflichenenergie ersetzt, sondern naturgemäß noch mehr Einblick gewährt, als die Kenntnis der Gesamtflächenenergie gewähren kann.

Zusammenfassung.

1. Die Differenz zweier Dosen (Dosimeterangaben, also z. B. Kienböck x, Sabouraud H,...) darf solange auch nicht annäherungsweise als Absorption in der Zwischenschicht betrachtet werden, als man Dosis und Absorption als mit demselben Maße gemessen betrachtet. Will man wenigstens vergleichsweise die Differenz der Dosimeterangaben als Maß der Absorption betrachten, so muß die so berechnete „Absorption“ mit einem anderen Einheitsmaße bezeichnet werden, welches von der Dosimetereinheit streng zu trennen ist, und deren Verhältnis zueinander bei der betreffenden Härte erst bestimmt werden muß!).

2. Eine von der Härte unabhängige Vergleichstabelle zwischen den Einheiten 1 H; 1 x; 1 F; 1 I; ist prinzipiell unmöglich.

8. Eine solche Vergteichstabelle kann nur existieren, wenn beide zu vergleichenden Dosimeter frei von charakteristischer Sekundärstrahlung sind, und eine im Verhältnis zur HWS. nahezu unendlich dünne absorbierende Schicht haben (z. B. zwischen zwei Ionometern- oder Iontometereinheiten).

4. Flächenenergiemessungen sind immer, also auch wenn jeder ein anderes Maß zugrunde lag, vergleichbar und vergleichsweise richtig.

1) Diese Arbeiten und Verhandlungen, Bd. XXIII, 8, S. 297. 67*

Fi

532 Bücherbesprechungen. ` XXIII, 6.

5. Aus der Flächenenergiekurve lassen sich in einfacher Weise ohne Rechnung sämt- liche Qualitäts- und Quantitätsfragen (wie Härte, Heterogenität, Komponenten, Filterdicke usw.) beantworten. !)

6. Alle Komponenten der Flächenenergie erhält man, indem man im Logarithmenraster alle Komponenten der Dosiskurve um die jeweilige Halbwertschicht nach rechts oder links verschiebt je nachdem die HWS. größer oder kleiner als 1 ist. Die Flächenenergiekurve ist, die Summe ihrer Komponenten.

(Das hierbei zugrunde gelegte Flächenenergiemaß ist gleich J, 2 - Dosimeterma£.)

Bücherbesprechungen.

Alban Köhler- Wiesbaden: Grenzen des Normalen und Anfänge des Pathologischen im Röntgenbilde. 2. Auflage. Mit 160 Abbildungen im Text. Verlag von Lucas Gräfe & Sillem (Edmund Sillem). Hamburg. 1915. 233 Seiten. Brosch. M. 10.—, gebunden M. 11,20.

Das 1910 erschienene kleine Buch Köhlers hat sich schnell eingeführt, denn es füllte entschieden eine Lücke in der Röntgenliteratur aus. Jetzt liegt uns die um das Doppelte erweiterte zweite Auflage vor. Der Verfasser wendet sich vorwiegend an den Anfänger und Weniggeübten, er kann aber versichert sein, daß zahlreiche erfahrene Fachkollegen gar manchmal das Büchlein als Nachschlagewerk dankbar zur Hand genommen haben und bei Gelegenheit immer wieder zur Hand nehmen werden. Köhlers Schrift sollte wirklich bei keinem Arzte fehlen, der sich mit der Beurteilung von Röntgenbefunden zu befassen hat und sollte auch bei den scheinbar „ganz klaren“ Fällen fleißig benutzt und zu Rate gezogen werden, dann werden die in den Rentenakten immer und immer wieder auftauchenden oft folgenschweren Mißdeutungen der einfachsten und selbstverständlichsten Befunde endlich aufhören. (Ich erinnere nur an den Proc. post. tali, an die verschiedenen accessorischen Knochen, die seltenen Sesambeine, die

E Foramina nutritia der Röhrenknochen, die Epiphysenlinien jugendlicher Gelenke, an die mannigfaltigen, | verschieden stark ausgeprägten Knochenleisten an Muskelansätzen usw. usw.)

In dem Buch ist ein enormes Material von Kleinigkeiten zusammengetragen, und gerade diese Kleinigkeiten sind doch die Seele der exakten Röntgendiagnose.

Fast alle Kapitel sind stark erweitert, viele neue Zeichnungen sind hinzugekommen, einzelne Abschnitte, wie z. B. Magen-Darm, sind fast ganz neu.

Mancher wird die zahlreichen Literaturangaben begrüßen, die ihm ein schnelleres Auffinden der speziellen Arbeiten zur eingehenderen Orientierung über eine bestimmte Frage erleichtern.

Daß an vereinzelten Stellen dieser oder jener Fachmann eine abweichende Auffassung haben kann, ist selbstverständlich, derartige vereinzelte Kleinigkeiten aber in einem kurzen Referat über ein so fleißiges und nützliches Buch herauszusuchen, hielte ich für kleinlich.

Jeder, der das Werk in fraglichen Fällen zu Rate zieht, wird meist Nutzen und Freude davon haben.

Der Ungeübtere sollte es zunächst mal prinzipiell bei jeder Plattenanalyse zur Hand nehmen, denn die Erfahrung lehrt doch, daß der Anfänger, auch wenn er auf anderen Gebieten eine Autorität ist, die Grenzen seines röntgenologischen Wissens nicht richtig übersehen kann, da ihm vieles so selbstver- ständlich und einfach auf der Platte erscheint, und es doch nicht ist. Haenisch-Hamburg.

oe mn

Dessauer- Wiesner: Kompendium der Röntgenaufnahme und Röntgendurchleuchtung. Zweite, vollständig umgearbeitete Auflage mit 185 Figuren im Text, drei geometrischen Tafeln und zwölf radiographischen Tafeln in Autotypie. Leipzig. Verlag von Otto Nem- nich. 1915. 2 Bände. Preis 84 Mark.

Im ersten Bande behandelt Friedrich Dessauer in ausführlicher Weise die Röntgentechnik.

Nach Erörterung der für die Röntgenmethode wichtigen Vorstellungen aus der Physik bespricht er in klarer ausführlicher Weise die verschiedenen Apparattypen nebst ihren Zubehörteilen, einschließlich der

1) Weissenberg: Eine neue graphische Darstellung der Absorption von Röntgenstrahlen. Fort- schritte d. Röntgenstrahlen, Bd. XXIII, 3.

XXIII, 6. | Internationale Fachliteratur. 588

transportablen Röntgeneinrichtungen und Kriegs-Réntgenapparate. Die verschiedenen Methoden der Kinematographie sowie Stereoskopie bilden den Schluß des ersten Teiles. Der zweite Teil des ersten Bandes umfaßt die Arbeit in der Dunkelkammer, die photochemischen Hilfsmethoden. An Hand von Fehlertafeln soll die Plattenkritik erleichtert werden. Auch die Herstellung von Diapositiven sowie der Kopierprozeß ist berücksichtigt.

Der zweite Band von Wiesner umfaßt den medizinischen Teil. Recht eingehend bespricht er die Lagerung des Patienten bei den verschiedenen Knochenaufnahmen. Die beigefügten Skelettskizzen er- leichtern dem Anfänger die rasche Orientierung. In gedrängter Form werden die Erkrankungen der inneren Organe abgehandelt. Auch der stereoskopischen Durchleuchtung sowie verschiedener Lokalisations- methoden von Fremdkörpern ist gedacht,

Wie es im Vorwort heißt, soll das Kompendium nicht ein tiefgründig wissenschaftliches Werk, das alles umfaßt und breit darstellt, sein, sondern ein technisches Handbuch von hinreichender Ausführlich- keit. Dieser Aufgabe wird es gerecht und kann deswegen besonders zur Erlernung der Technik empfohlen . werden, : F. Eyles.

Hackenbruch-Berger: Vademekum für die Verwendung der Röntgenstrahlen nnd des Distraktionsklammerverfahrens im Kriege. Mit 117 Abbildungen im Text. Leipzig. 1915. Verlag von Otto Nemnich. Preis 6 Mark.

Nach allgemeinen Erörterungen über den Wert der Röntgenstrahlen im Kriege bespricht Berger die Auswahl eines geeigneten Röntgenapparates je nach den zur Verfügung stehenden Stromverhältnissen. Eingehend läßt er sich aus über die Anlage des Röntgenzimmers, seine Größe, Form, Verdunklungsvor- richtungen, Ventilation usw., gewiß ein beherzigenswertes Kapitel für die Ärzte, welche in den Etappen oder auch später in Friedenszeit über die Einrichtung einer derartigen Anlage zu bestimmen haben. Nach Ratschlägen über die Behandlung der Röntgenröhren geht Verfasser auf die einzelnen Utensilien wie Röhrenstative, Blenden, Leucht- und Verstärkungsschirm und dergl. ein. Es folgen die verschiedenen Arten der Feldröntgenapparate. Aufnahmetechnik sowie die photochemischen Methoden sind ausführlich behandelt. Den Schluß des ersten Teiles bilden verschiedene Verfahren zur Bestimmung der Lage von Geschossen. |

Im zweiten Teil schildert Hackenbruch an Hand von lehrreichen Abbildungen die Technik der von ihm in die Frakturbehandlung eingeführten Distraktionsklammerverbänden. Distraktionsklammern und Röntgenverfahren sind unzertrennlich miteinander verbunden; letzteres kontrolliert die Wirkung der ersteren. Daß die Hackenbruchschen Klammern in idealer Weise die Bruchstücke zu adaptieren ver- mögen, geht aus den beigefügten Röntgenbildern hervor.

Jedem Feldröntgenologen kann das Büchlein warm empfohlen werden. F. Eyles.

Internationale Fachliteratur.

a) Vereine und Kongresse.

Krankenhaus St. Georg, Hamburg. Wissenschaftlicher Abend am 17, XII. 1915.

Majerus: Ein Fall von Haematuria e causa ignota. Es handelt sich um ein 21jahriges Dienst- mädchen, das als Kind Scharlach und Diphtherie hatte und im vorigen Jahr hier wegen Hysterie behandelt wurde. Sie kam ins Krankenhaus wegen einer Coli-Pyelitis, die bereits nach acht Tagen abgeklungen war. Danach war der Urin längere Zeit steril und frei von Blut. Plötzlich traten erheb- liche Nierenblutungen auf, begleitet von Schmerzen in beiden Nierengegenden. Diese Schmerzäußerungen hatten ganz und gar nicht den Charakter von Nierensteinkoliken; sie traten in der Folge noch oft auf, meistens in angeblich unerträglicher Weise. Ein psychischer Einfluß auf diese Schmerzen war deutlich erkennbar. Die Patientin hatte Monate hindurch Blut im Urin; mitunter schien der Urin nur aus Blut

zu bestehen. Bemerkenswert ist, daß trotz zahlreicher Untersuchungen niemals Zylinder, Tuberkelbazillen

oder Konkremente gefunden wurden. Die mehrfach wiederholte Cystoskopie ergab normalen Blasen- befund und gutes Ausscheidungsvermögen beider Nieren. Wiederholt angesetzte Tierversuche blieben immer negativ. Die Röntgenaufnahme der Nieren ergab keine Anhaltspunkte weder für Nierentuberkulose noch für Nieren- oder Blasensteine. Die guten Gewichts- und Hämoglobinverhältnisse der Patientin

sprachen mit Sicherheit gegen einen malignen Nierentumor, der negative Wassermann gegen ein Aneu-

rysma der Art. renalis. Cystenniere war unwahrscheinlich, hämorrhagische Diathese und Parasiten konnten ebenfalls ausgeschlossen werden. Die längere Beobachtung der Patientin bot immer mehr

m

584 Internationale Fachliteratur. XXIII, 6.

Anhaltspunkte dafür, daß es sich nur um neuropathische Blutungen handeln konnte. Die Patientin, die alle psychischen und somatischen Zeichen von Hysterie aufwies, hatte einmal einen ganz typischen Anfall. Sie wurde nun dementsprechend behandelt, und ihren vielfachen Klagen keine Beachtung geschenkt. Medikamentös bekam sie außer Brom intramuskulär Pferdeserum, intern Stypticin. Nach und nach besserte sich der Zustand; die Blutungen hörten völlig auf. Ende Oktober wurde sie als geheilt entlassen. Im November kam sie wieder und erzählte, sie habe Darmblutungen gehabt. Während einiger Tage wurde sie scharf beobachtet, doch als nach mehreren fleischfreien Tagen sowohl Stuhl als auch Urin sich frei von Blut erwiesen, wieder entlassen. Inzwischen hat sie eine Stelle angetreten, bei der sie sich trotz schwerer körperlicher Arbeit wohl fühlt.

Aus der Literatur geht hervor, daß die meisten Fälle post operationem oder post mortem geklärt wurden. Vielfach wurden jedoch blutende Nieren exstirpiert und nachher gesund befunden (Fall von Schede 1889, Israel). In anderen Fällen (Broca) wurde bei der Operation die Niere eröffnet, für gesund erkannt, wieder vernäht, und die Blutungen standen völlig.

Weber berichtete vor kurzem in der M. m. W. über einen jungen Mann, der seit seiner Kindheit an zeitweise auftretender Hämaturie litt. Diese war deutlich abhängig von seinem psychischen Ver- halten. Nach mehrmonatlicher Behandlung mit Calc. lacticum hörten die Blutungen auf. Trotz aus- giebiger Durchforschung dieses Falles mußte auch hier die Diagnose auf Haematuria e causa ignota gestellt werden.

Klemperer und Recklinghausen sprechen in diesem Falle von neuropathischen Bluturigen und ziehen zum Vergleich die Menstruationsstörungen, die vikariierenden Blutungen, die Stigmatisationen Hysterischer, die Blutungen aus Tränen-, Brustdrüsen usw. heran und berufen sich auf die Abhängigkeit dieser Vorgänge vom psychischen Verhalten und vom Nervensystem überhaupt.

Ärztlicher Verein Altona. Sitzung am 1. Dezember 1915.

v. Bergmann: Fortschritte der Magendiagnostik. v. Bergmann versucht, die großen Um- gestaltungen und Fortschritte des letzten Jahrzehnts in unserer Auffassung der Magenkrankheiten in sieben Gruppen zusammenzufassen, von kasuistischen Einzelbeispielen ausgehend.

1. Fortschritte in der Auffassung der Magenform: Ptose, Atonie, Ektasie, Peristole, Peristaltik. (Die aktive Rolle der Muskulatur in der Formgebung des Magens.)

2. Kompensierte Pylorusstenose neben der motorischen Insuffizienz I. und II. Grades. (Nach Analogie zur kompensierten und dekompensierten Mitralstenose.) |

3. Achylie und achylische Durchfälle. (Noch unendlich oft verkannt. Die Salzsäure-Therapie.)

4, Hyperazidität oder Hypersekretion. (Die Überschätzung der Zahlen beim Titrationsergebnis.)

5. Das pylorische Syndrom. (Der Spätschmerz, auf Essen verschwindend durchaus kein Beweis für ein Ulcus duodeni oder parapyloricum.)

6. Ulcus ventriculi. (Nicht nur gesichert durch Blutungen, auch oft weit einfacher und schneller absolut gesichert durch Nischen und Spasmen.)

7. Differentielle Diagnostik des Karzinoms (oft durch Réntgenuntersuchung bei negativem Pal- pationsbefund und nicht beweisendem Chemismus entschieden.)

Schluß: Umgestaltende Fortschritte sind gewonnen in der Auffassung von Anamnese, von Form, Größe, Weite, Senkung, Erschlaffung des Magens, in der Auffassung vom Magenkatarrh, von den sekre- torischen und anderen Magenneurosen, in der Diagnostik vom Ulcus ventriculi und duodeni und vom Karzinom. Die größten Fortschritte dankt man den Röntgenergebnissen und den physiologischen Arbeiten über den Einfluß der Nerven auf die sekretorischen Drüsen und die glatte Muskulatur, weiter klinischer Forschung und der chirurgischen Autopsie am Lebenden.

Hbg. Ärzte-Corresp. 1915, Nr. 51.

Journalliteratur.

Wiener klinische Wochenschrift. 1914. Nr. 35.

Keitler und Lindner-Wien: Uber den Einfluß der Strahlenbehandlung auf die S0ge- nannten Abderhaldenschen Abwehrfermente. Tierversuche haben bewiesen, daß die Bildung der Ab- wehrfermente durch Bestrahlung zum mindesten verzögert wird. Man kann die Abderhaldenschen Untersuchungsmethoden also nicht anwenden, um bei bestrahlten Krebsfällen festzustellen, ob alles Kar- zinomgewebe im Körper zerstört ist. Die negative Reaktion ist nicht beweisend für anatomische Heilung,

Nr. 86. Bärsony-Budapest: Über die Diagnose des gleichzeitigen Vorkommens von Magen- und Duodenalgeschwüren. B. teilt einige Krankengeschichten mit, bei denen er aus den Röntgen- symptomen auf gleichzeitiges Vorhandensein von Magen- und Duodenalgeschwüren schließen zu müssen glaubte. Es fanden sich indessen keine kombinierten Ulcera. Bei isolierten Magengeschwüren fand er

XXIII, 6. Internationale Fachliteratur. 535

öfter, daß die Anamnese duodenalen Charakter hatte; die Anamnese allein, ohne auf Ulcus duodeni hin- weisenden Röntgenbefund, genüge aber nicht zur Annahme eines gleichzeitig bestehenden Duodenal- geschwürs. Bei isoliertem Ulcus duodeni kann ein spastischer Sanduhrmagen vorkommen.

Nr. 45. Franke u. Kimball-Wien-Chicago. Über die Beeinflussung von Mäusetumoren durch Röntgenstrahlen. Die angestellten Versuche beweisen, daß neben einer direkten Strahlenwirkung auf die Tumorzelle auch eine mächtige Beeinflussung des Mutterbodens durch die Bestrahlung erfolgt, also auch eine indirekte Beeinflussung des Tumorwachstums stattfindet.

Nr. 49 u. 50. v. Haberer-Innsbruck: Beitrag zu den Sehädelverletzungen im Kriege. Gerade bei den Schädelverletzungen ist die Bedeutung der Réntgenunterauchung besonders hoch zu veranschlagen. Frühes operatives Eingreifen erscheint zweckmäßig. Die Gefahr des Hirnabszesses bei Streifschüssen mit Impressionsfraktur darf nicht unterschätzt werden. Den Schädelverletzungen, auch ohne schwere Erscheinungen ist größte Aufmerksamkeit zu widmen.

Nr. 51. Trendelenburg-Innsbruck: Uber die genaue Ortsbestimmung von Geschossen und anderen Metallteilen im Körper mittels Röntgenaufnahme. Der Aufsatz enthält viel Bekanntes und einiges Anfechtbares; zum kurzen Referat daher nicht geeignet. Es sei hier daher nur auf die Original- arbeit verwiesen.

1915, Nr. 4. Schwarz-Wien: Erkennbarkeit der Gasphlegmone im Réntgenbild. Die auf den Röntgenogrammen nachweisbaren Gasflecken können unter Umständen die Diagnose und die genaue Lokalisation der Gasabszesse schon vor der Inzision ermöglichen.

Nr. 7. Trendelenburg-Innsbruck: Ein neues Verfahren zur Raummessung an stereoskopischen Aufnahmen, insbesondere an Réntgenaufnahmen, Im Referat nicht verständlich wiederzugeben.

Nr. 12. Trendelenburg-Innsbruck: Berichtigung zu meinem Aufsatz über Raummessung an stereoskopischen Aufnahmen. Richtigstellung eines Versehens in der Arbeit aus Nr. 7.

Haenisch (Hamburg).

American Journal of Röntgenology. August 1914.

James T. Case: Zur Röntgenuntersuchung der Valvula und der Appendix. Für das Studium der chronischen Appendizitis ist häufig die Röntgenuntersuchung von Wichtigkeit. Die Radiographie kann durch Füllung der Appendix Veränderungen nachweisen. (Konstriktion und lange Dauer der Füllung, Knickung, Adhäsion.) Gewöhnlich ist die Appendix sechs Stunden nach der Mahlzeit gefüllt. Die Tat- sache der Füllung spricht nicht dafür, daß eine pathologische Veränderung vorliegt. Palpation bei Schirm- untersuchung kann den Nachweis des Bestehens von Adhäsionen erbringen. Die Insuffizienz der Val- vula ileo-coecalis ist relativ häufig. Wichtig ist der Nachweis von auslésenden Adhäsionen. Stase im Ileum und Insuffizienz der Klappe finden sich öfters zusammen. Bei der Untersuchung auf Insuffizienz ist es ratsam zwei Stunden zwischen Reinigungsklystier und Wismutheinlauf verstreichen zu lassen. In- suffizienz der Klappe findet sich öfters zusammen mit Dünndarmflatulenz und Kolitis.

Arthur F. Holding: Zur Krebsbehandlung. Kasuistik besonders der Röntgenbehandlung ober- flächlicher Epitheliome der Nase, von Mykosis fungoides der Schläfengegend, Lympho-sarkom des Halses und des Beines. H. plädiert für physikalische Behandlung des Oberflächenkrebses, dagegen für kombi- nierte Therapie der Tiefenkrebse. Als physikalische Methode verwendet er außer Radiotherapie die Ful-

guration, die Diathermie, die Radiumbehandlung und Desikation. Der Kostenaufwand bestimmt öfters

die Art der anzuwendenden Methode.

September 1914.

W. J. Dodd: Behandlung der akuten Röntgendermatitis. D. empfiehlt zwei- bis dreimal täglich Bäder von 5 bis 10 Minuten Dauer in Zinkoxyd, Phenol, Glyzerin und Kalkwasser. Nach dem Bade ist Luftexposition besonders empfehlenswert. Anwendung von Öl soll vermieden werden.

Williams Seamann Bainbridge: Intestinale Stase. Die Ausführungen über Bedeutung des Darmes basieren auf Anschauungen von Lane und Jordan, daß intestinale Stase die Ursache chronischer Erkrankung sei. (Magenulkus, Krebs, Gallensteine, Gelenkrheumatismus.) Bei der Intestinal-Untersuchung ist die Durchleuchtung die wichtigste Methode (Palpation) (Zeichnung). Kasuistik.

A. Judson Quimby: Zur Intestinaluntersuchung. Für die Röntgenuntersuchung des Intestinal- trakts müssen Röntgenoskopie und Röntgenographie angewandt werden. Es ist normal, mit einer großen individuellen Verschiedenheit zu rechnen. Von größter Bedeutung ist die Palpation während der Durch- leuchtung. (Adhäsionen.) Partielle Ptosis ist bedeutungsvoller als allgemeine. Q. untersucht unter. nor- malen Bedingungen, ohne vorher Abführmittel gegeben zu haben, und zwar 6, 8, 9, 30, 54 und 78 Stunden nach einer Wismutmahlzeit, eventuell häufiger, bzw. nach einer zweiten Mahlzeit. Während der Unter- suchung soll die normale Stellung beibehalten werden. Die Palpation ist besonders wichtig zur Fest- stellung von Fixation am Ileocoecum. Der Appendix füllt sich meist nach Klysma und gestattet dann eine exakte Palpation. (Beweglichkeit) Für die Frage der Colon-stase, ist die Schirmuntersuchung (Mahlzeit und Einlauf), sowie exakte Palpation unentbehrlich. Mesenterialverbindungen können nur bei Tiefenpalpation (Untersuchung tm Stehen und Liegen) festgestellt werden. Die Untersuchung auf Ptose

586 Internationale Fachliteratur. XXIII, 6.

(Knickung usw.) verlangt Durchleuchtung in verschiedener zueinander senkrechter Stellung sowie in ver- schiedener Lage. Bei der Feststellung abnormer Phänomene ist mit der natürlichen Kompensation zu rechnen. Q. hat niemals rückläufige Peristaltik beobachtet.

Oktober 1914.

Alban Köhler: Reproduktion von acht Röntgenogrammen: Geschoßfraktur des Radius, des Metatarsus der GroBzehe, des Schulterblatts, des Oberarms, sowie Darstellung eingelagerter Projektile in Knie, Rücken, Hand, Kinn.

W. H. Stewart: Röntgenuntersuchung bei Ösophagusläsionen. St. empfiehlt für Osophagus- diagnostik (neben der üblichen Ösophagusuntersuchung) ein Gummirohr, Goldschlägerbäutchen oder unten zugebundenen Schwein- oder Schafdarm schlucken zu lassen und die verschluckte Membran usw. mit Wismutspeise anzufüllen. Es sollen sich dabei sonst nicht darstellbare Veränderungen erkennen lassen. (Wenn die Methode gelingt, d. Ref.)

David Ralph Bowen: Röntgenuntersuchung des Sphenoidalsinus. Bei der Methode von Mac Farlan (Aufnahme des Nasalsinus mit auf der Platte liegendem Kinn, über der Scheitelhöhe stehender Röhre) stört die Reproduktion von Kiefer und Zähnen. In den Schatten der Keilbeinhöhle fällt dann der Kieferschatten hinein. Bowen erhielt bessere Radiographien bei Ventro-dorsaler Lage, Röhre mit Einstellung auf den Hals wenn der Kopf auf einem Hilfstischchen lag, so daß das Kinn durch einen Zügel (an dessen Enden Sandsäcke beschwerten) fixiert wurde und der Hinterkopf auf der Platte lag. Der Röhrenmittelpunkt steht über einer Linie, die mitten zwischen Kehlkopf und Kinn nach einem Punkt, ein Zoll vor der Verbindung der äußeren Gehörgänge, gerichtet ist. Die Apparatur gestattet absolute Fixation. Bei dieser Technik erbält man ein klares Bild der Schädelbasis (in der Mitte die Keilbein- höhlen) deutliche Darstellung der Nasenhöhlen an dem einen Plattenende usw., ohne daß Kiefer und Zähne in das Projektionsbild hineinfallen.

Dezember 1914.

Henry K. Pancoast: Kasuistische Mitteilung. Nach einer Morphiumeinspritzung fand sich er- hebliche Dünndarm-Stase infolge mangelnder Peristaltik.

Edwin W. Kelly: Wasserstoffröhre. Die Kellysche Röhre ist so stark evakutiert, daß ein Strom von 100000 Volt nicht passiert. Die Regulation erfolgt durch Palladium, das bei Erhitzung aus einem Wasserstoffbehälter Wasserstoff aufnimmt und in die Röhre eintreten läßt. (Erniedrigung des Vakuum.) Umgekehrt gestattet eine Änderung der Stromzuführung Erhitzung eines anderen Palladiumstäbchens das erhitzt, Wasserstoff aus der Röhre wegführt. (Erböhung des Vakuums.)

John M, Garratt: Kühlröhre. Die Wasserkühlröhre von G. steht in Verbindung mit einem hoch und tief abgeleiteten Messingzylinder. Es kann also vom Bolen des Zylinders kühles Wasser zur Antikathode strömen, während das warme nach oben abströmt.

Samuel Stern: Tiefentherapie bei bösartigen Neubildungen. Die. Tiefentherapie setzt die An- wendung großer Dosen Strahlung von einer gewissen Penetrationskraft, Kreuzfeuer und die Benutzung von Aluminiumfiltern voraus. Bei Affektionen, die der Oberfläche näher liegen, kann man Aluminium- filter von 1 bis 2 mm Dicke benutzen, sonst muß man mit 3 mm filtern Zwischen Filter und Haut legt man zweckmäßig drei bis vier Lagen dickes photographisches Papier und einen flachen Lufahschwamm. Bezüglich des Kreuzfeuers plädiert St. für die Anwendung einer Röhre, da die Bestrahlung mit zwei Röhren mehr Aufwand und Zeit beansprucht. Ohne Schädigung kann man in einer Sitzung 15 bis 20 X (Messung unter 13 mm Aluminium) verabfolgen. Bei Anwendung der Maximumröhre kann man sogar ohne Verbrennung in einer Sitzung 350 X (unter 3 mm Aluminium gemessen) auf eine Hautstelle applizieren, ohne daß Verbrennung eintritt. Es wäre erforderlich, neue Skalen aufzustellen, welche die Erythemdosen nach Filterung von 1, 2, 8 mm Aluminium angeben. Die zweckmäßigste Härte der ver- wendeten Strahlen schwankt bei der Tiefentherapie zwischen 8!/, bis 9 Bauer (12*/, bis 13 Wehnelt). Härtere Strahlen haben nach St. keinen therapeutischen Effekt. Vermutlich hängt der Erfolg von der Absorptionsgröße ab. Mit Röntgenstrahlen soll man inoperable Fälle und Rezidive außerdem prophy- laktisch behandeln. Stets muß man mit individuell wechselnder Empfindlichkeit rechnen. Es gibt für die Strahlentherapie refraktäre Fälle, so daß man sich hüten soll, im Beginn der Behandlung Verspre- chungen zu machen. Uber die Kombination mit Enzytol fehlen St eigene Erfahrungen. Prophylaktische Behandlungen (Beginn 14 Tage nach der Operation) sollen drei Jahre lang fortgesetzt werden. (Im ersten Jahr alle vier bis sechs Wochen, im zweiten alle acht Wochen, im dritten alle drei Monate eine Sitzung.)

Februar 1915.

James T. Case: Multiple Divertikel im Kolon., Kasuistische Mitteilung. Die Divertikel er. scheinen als umschriebene, dichte Schatten tagelang nach der Kontrastmahlzeit oder auch nach einem längere Zeit gehaltenem Klysma. Die Divertikel stehen in Gruppen und zeigen stets die gleiche Lage. Es empfiehlt sich mitunter die Lage der nach der Mahlzeit beobachteten Divertikel zu kontrollieren, nachdem man obendrein einen Einlauf verabfolgte. Die differentielle Diagnose muß lokale Peritonitis berücksichtigen.

XXII, 6. Internationale Fachliteratur. 587

Charles A. Waters und Carl W. Waldron: Zum Studium der Nebenhöhlen der Nase. Die Untersuchung der Nebenhöhlen der Nase ist unvollständig, wenn die Röntgenuntersuchung fehlt. Am meisten brauchbar ist die Kiliansche Methode der Durchstrahlung vom Hinterkopf aus, Gesicht auf der Platte. Man erhält bessere Bilder, wenn man so einstellt, daß das Kinn auf der Platte ruht, während die Nase 1—1'/, cm entfernt der Platte bleibt (Längsachse der Röhre der Platte parallel). Die Nasen- distanz von der Platte muß je nach der Form des Schädels bis zu !/, cm differieren, so daß die Nase von Rundschädeln 1 cm, von Langschädeln 1!/, cm von der Platte entfernt bleibt. Es ist erforderlich, weiche Röhren, starkwirkende Verstärkungsschirme und große Stromstärke zu verwenden. Bei dieser Technik erscheint die Nasenhöhle in der Mitte der Platte, Frontal- und Maxillarhöhlen treten vollkommen heraus. Die Felsenbeine erscheinen unterhalb der Nase. Kasuistik.

Lewis Gregory Cole: Radiographie der Gallensteine, Es ist einfach und leicht, Gallensteine röntgenographisch darzustellen, sobald eine Kalkhülle oder ein Kalkkern vorhanden ist. Unter 30 ver- schiedenartigen, zur Untersuchung gelangenden Gallensteinen zeigten 46°/, röntgenographisch leicht fest- stellbaren Kalkgehalt. Es hat sich gezeigt, daß Cholesterinsteine in Galle suspendiert als negativer Schatten, wie Luftblasen sich markieren, weil sie weniger Strahlung als die Galle absorbieren. Danach zusammen mit den Erfahrungen einer Reihe von 16 operierten und vorher röntgenographierten Fällen darf man erwarten, daß die Gallensteinradiographie in der Mehrzahl der Fälle gelingt. Es zeigen übrigens vielfach Gallensteine, entsprechend den Wachstumperioden, Kalkansatz in Ringen. |

Russel D. Carman: Diverticulitis des Sigmoideum. Kasuistische Mitteilung. Es fand sich im Sigmoideum ein Füllungsdefekt mit außerhalb des Lumens gelegenen, gefüllten Divertikeln, Bei der Diagnose von Divertikeln muß man sich hüten haustrale Abschnürungen wie sie sich im Kolon häufig befinden, fälschlich als Divertikel anzusprechen.

Canadian Medical Association. März 1915.

Arial W. George und Isaak Gerber: Frühdiagnose des Magenkarzinoms. Chirurgische Er- folge bei Magenkarzinom verlangen Frühdiagnose. Die Autoren sind der Ansicht, daß die Röntgenunter- suchung früher als irgend welche andere Untersuchungsmethoden die Karzinomdiagnose ermöglicht. Diese Frühdiagnostik kommt wesentlich bei dem pylorischen und präpylorischen Karzinom in Frage. (Photo-

graphische Plattenserien.) Chirurgische Eingriffe sind indiziert bei unregelmäßigem, ringförmigem Defekt.

(Die Darstellung ist einseitig und sanguinisch und berücksichtigt nicht, abgesehen von der klinischen Diagnostik, die schlechten Dauerergebnisse chirurgischer Eingriffe bei sogenannter Frühoperation.) (Vgl. Diagnose des Magenkarzinoms, Volkmannsche Hefte 1912, Johann Ambr. Barth.)

Boston Medical and Surgical Journal. März 1915. 2

Lewis Gregory Cole und Arial W. George: Réntgendiagnose der Gallensteine. Die Frage der Darstellung der Gallensteine ist eine Frage der Technik. In 50°), der Fälle konnten die Autoren bereits in den letzten Jahren den Nachweis von Gallensteinen radiographisch führen. Erforderlich ist penetrierende Strahlung (Coolidgeröhre) und wiederholte Photographie (15—20 Aufnahmen). Es ist öfters erforderlich, mehrere Platten übereinander gelegt zu besichtigen,

American Journal of Rintgenology. März 1915.

Percy Brown: Röntgenographie des Kopfes. Brown hat zur Röntgenuntersuchung des Kopfes einen fahrbaren Untersuchungsstuhl konstruiert, bei dem der Patient auf einem Drehsessel verschiebbar sitzt, und bei dem durch einen Kopfrahmen die Fixation des Kopfes gewährleistet wird. Der Kopf- rahmen trägt vor dem Kopf den verstellbaren Leuchtschirm (bzw. Plattenständer) hinter dem Kopf die Röhre. Kopfaufnahmen bei sitzendem und fixiertem Patienten erscheinen recht einfach.

A. W. Crane: Prioritäts-Ansprüche. Der Gedanke, Wismut zur Darstellung des Magens zu be- nutzen, stammt von Hemmeter (1896). Williams stellte bereits 1899 den menschlichen Magen (Nabel- marke!) nach Verabreichung von Bismut. subnitr. mit Brot und Milch dar. Die Feststellungen von Williams sind 1901 in The Roentgen Rays in Medicine and Surgery publiziert. Unterstützt wurde Williams bei seinen Untersuchungen bei Kindern durch Cannon. Die Priorität von Williams wurde von Holst 1905 in den Transactions of the Röntgen Ray (Baltimore) erwähnt.

George E. Pfahler: Zur Technik der Röntgentiefentherapie. Pfahler verwendet die Appa- ratur von Kienböck-Sabouraud, benutzt aber hoch empfindliches amerikanisches Papier und einen Entwickler stets gleicher Zusammensetzung. Bei seinen Versuchen (Coolidgeröhre) ergab sich, daß die Leber etwa doppelt soviel Strahlung absorbiert wie Wasser. Bei Filterung durch 8 mm Aluminium wird eine Strahlung von 6—7 B. nach Durchgang durch 8 Zoll Körpersubstanz auf ein Fünfzigstel redu- ziert. Von Aluminiumfiltern absorbiert der erste Millimeter beinahe ebenso viel wie die beiden folgenden. Tiefenwirkung in 8 Zoll Tiefe, verlangen eine Strahlung von 10 B. oder 10 Zoll Funkenschlagweite. Die Sekundärstrahlung bei Tiefentherapie reicht sogar in die Nebenräume, so daß die Photographie und der persönliche Schutz damit zu rechnen haben.

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. XXIII. 68

538 : Internationale Fachliteratur. XXIIT, 6. >

April 1915. . ;

W. S. Lawrence: Schulterradiographie. L.. empfiehlt zwei Schulteraufnahmen in zueinander senkrechter Richtung, und zwar auBer der antero-posterioren Aufnahme eine Durchleuchtung bei der die Strahlung die Mitte der Achselhöhle durchdringt, und auf eine, auf der Schulterhöhe fixierte Platte wirkt. :

G. W. Grier: Röntgenuntersuchung von Fremdkörpern. G. hält zur Bestimmung des Sitzes von Fremdkörpern eine Röntgenaufnahme im antero-posterioren Durchmesser und in der dazu senkrechten Richtung für hinreichend. (Gerade die Seitenaufnahmen zeitigen öfters überraschende Ergebnisse.) Not- wendig ist es, den ganzen Körper röntgenologisch zu untersuchen, es sei denn, daß sichere klinische Anhaltspunkte auf den Sitz des Fremdkörpers in der Speiseröhre hinweisen. Wenn Zweifel bestehen, ob ein Fremdkörper im Magen sich befindet, sind Kontrolluntersuchungen nach einer Wismutmahlzeit er- forderlich. Die Expositionszeit bei Fremdkörpern, die in den Luftwegen sich befinden, muß so kurz wie möglich sein. Nur dann können Details in der Bronchialzeichnung dargestellt werden, welche eine nach- folgende Bronchoskopie erleichtern. Soll ein Fremdkörper operativ entfernt werden, so muß eventuell eine neue Röntgenuntersuchung der Operation unmittelbar voraufgehen. Wenig dichte Fremdkörper können radiographisch darstellbare Veränderungen auslösen und dadurch die Diagnose des Sitzes ermög- lichen. Fremdkörper in den Speisewegen, die an sich nicht darstellbar sind, können in ihrer Lagerung dargestellt werden, wenn man Wismutkapseln schlucken läßt. (Hindernis) Kleine Fremdkörper in den Luftwegen können sogar lokalisiert werden, wenn man bei liegendem Bronchoskop untersucht. G. be- diente sich gelegentlich der Stereoskopröntgenographie, aber ohne bemerkenswerten Nutzen. (Kasuistik von 14 Fällen.)

John Mc Williams Berry: Tragbarer Schaukasten. Der von B. abgebildete Schaukasten hat das Aussehen einer platten Kassette, deren Vorderwand die Mattscheibe trägt, hinter der Lampen einge- schaltet werden können. Der Schaukasten gestattet in seiner Höhlung 1—2 Platten mitzuführen.

PaulEisen: Duodenalulkus. Das Nischensymptom findet sich bei Duodenalulkus selten. Auch Unregelmäßigkeiten der Kontur dürfen diagnostisch uicht zu weitgehend erwartet werden, Retention im Bulbus nicht als charakteristisch angesehen werden, zumal da es bei Pylorussenkung gewöhnlich ist.. Auch Feststellung von Druckpunkten im Gebiet des Duodenums (unsichere Palpation!) ist zweifelhaft. Röntgeno- logisch sicher feststelibare Zeichen der Duodenalaffektion sind Stenose und Fixation des Duodenums. Die dabei beobachteten Zeichen aber (Asymmetrie des Anfangsteiles, Verlagerung, enges Lumen, Erwei- terung des Bulbus) können gelegentlich auch normal gefunden werden. Fast regelmäßig findet man bei Duodenalulkus erschwerte Magenentleerung. (Fixation des Sphinkter, vermehrte Peristaltik.) Öfters findet sich, wenn auch nur vorübergehend Pylorospasmus. Die Untersuchung auf Duodenalulkus hat davon aus- zugehen, daß das Ulkus eine Erschwerung der Pyloruspassage bedeutet. Die am Magen festgestellten Veränderungen müssen zusammen mit denen am Duodenum kritisch untersucht werden, ehe man eine Duodenalulkus diagnostiziert.

Mai 1915.

P. M. Hickey: Demonstration eines Steines der Speicheldrüsen. Kasuistische Mitteilung. Während bei Seitenaufnahme die Darstellung eines Steines der Speicheldrüsen mißlang, gelang es einfach bei hängendem Kopf und Einstellung der Blende auf die Gegend zwischen Kinn und Kehlkopf den Stein zur Abbildung zu bringen.

George E, Pfahler: Zur Technik der Gallenblasenaufnahme, Pfahler photographiert die Gallen- blase bei Schräglage des Kranken. Der Kranke liegt auf der rechten Seite, die Kompressionsblende wird in die Regio epigastrica eingedriickt, so daB das Zentrum der Zylinderblende hinter dem rechten Rippenbogen liegt. Dadurch werden die Schatten von Gallensteinen nach auBen vom Nierenschatten projiziert.

Albert M. Cole: Zur Dosierung der Réntgentherapie. Die fraktionierte Dosierung der Strahlen- therapie mu8 angewandt werden, sobald stimulierende Wirkungen erwiinscht sind. (Hautkrankheiten be- sonders des Gesichtes.) Cole plädiert auch bei der Behandlung der Leukämie und der Hodgkinschen Krankheit für fraktionierte Dosierung wegen Gefahr der Toxämie. (Ref. verweist bezüglich der Behand- lung der Blutkrankheiten auf seine ausführliche Darstellung im Röntgentaschenbuch 1914.) Große Dosen kommen für die Tiefentherapie, sowie wenn es gilt, Krebszellen zu zerstören, in Frage. Im Gesicht übrigens sollte man stets die Anwendung der Volldosis in einer Sitzung vermeiden.

Russell D. Carman: Gastro-jejunal-Ulkus, Das Gastro-jejunal-Ulkus schließt häufig an die Gastroenterostomie an. Die exakte Naht schützt gemeinhin vor der Ausbildung des Geschwirs. Die Röntgenuntersuchung vermag Geschwürsneubildung, Kommunikation mit dem Kolon festzustellen. In der Mayo-Klinik wurden 13 Fälle von Gastro-jejunal-Ulkus beobachtet, die meist Deformation der großen Kurvatur an der Anastomose, Verengerung am abführenden Jejunalschenkel, Stenose der Magendarm- verbindung und Magenerweiterung mit Retention, vermehrter Peristaltik, Erweiterung des Duodenums zeigten. Für die Feststellung der Geschwürsbildung ist die Schirmuntersuchung besonders wichtig. Ver-

XXIII, 6. Internationale Fachliteratur. i 539

änderung der Anastomose bei hinterer Gastro enterostomie ist mitunter nur darstellbar, wenn man den Magen anhebt. Bei der vordern Anastomose kann man entsprechend der Unregelmäßigkeit und Stenose der Anastomose des Ulkus palpieren. Gerade die Retention zwischen Magendarmverbindung und Pylorus ist für die Ulkusdiagnose bedeutungsvoll. Verminderte Magenbeweglichkeit findet sich, sobald Adhäsionen vorhanden sind. Carman bringt eine neue Kasuistik von zwei Beobachtungen mit Röntgenbildern und

Operationsbericht.

Oktober 1915. Leighton R. Cornmann: Röntgenogramme. Drei Zahnradiographien: Eiterungen im Anschluß

an Zahnnekrose, an unentwickelte Zähne und Reproduktion von abnorm inserierten Backz&bnen.

Surgery, Gynecology and Obstetrics. September 1914.

Arial W. George und Isaak Gerber: Réntgendiagnose des Duodenalulkus. Bei guter Technik kann das Duodenum stets sicher dargestellt werden. Das Ulkus zeigt eine charakteristische Deformität. Diese ist durch die Entwickelung von Bindegewebe, Adhäsionen usw. bedingt. Die Geschwürsfläche zeigt Füllungsdefekte. Oft kann man charakteristische Veränderungen besonders im Seitenbild beobachten. Im Schirmbild sieht man mitunter, wie die Wismutmasse an dem, durch das Geschwür bedingten Füllungs-

defekt vorbeiflicBt.

International Abstrakt of Surgery. Juni 1915.

A. W. Crane: Röntgenologie des Magenkrebses. Sammel-Referat: Die Kontrastmahlzeit muß unschädlich und homogen sein. Das Wismut muß suspendiert bleiben, die Konsistenz der Mahlzeit flüssig sein. Die Reaktion der Kontrastmahlzeit muß neutral sein, sie soll sich mit dem gewöhnlichen Magen- inhalt leicht mischen, keine medizinischen Substanzen, weder Öl noch Fett enthalten. Die Suspension darf Übelkeit oder Widerwillen nicht auslösen und muß rasch fertig gestellt werden können. C. empfiehlt Milchpulver mit Stärke (4 zu 1). Die Untersuchung soll in Rücken- oder Bauchlage (Nische für das Abdomen) stattfinden. Serienaufnahmen sind ratsam, daneben ist die Durchleuchtung unentbehrlich. Für die Diagnose sind wichtig, Veränderungen in der Beweglichkeit, in Lage und Gestalt des Magens, weiter Fallungsdefekte, Stenoseerscheinungen (Spasmen), die Art der Füllung und Entfaltung, der Ablauf der Peristaltik usw. Bei der Durchleuchtung ist das Ergebnis der Palpation zu verwerten. Auf die Art der Entleerung ist zu achten. (Retention!) Neben der Röntgenuntersuchung ist die klinische Diagnostik nicht zu vernachlässigen. (Differentialdiagnose, Ulkus und Karzinom.) C. betont die Bedeutung der Röntgenuntersuchung als Hilfsmethode. (Konsultierender Röntgenologe.)

Interstate Medical Journal. Juni 1915. G. C. Johnston und G. W. Grier: Magenradiographie. J. und G. empfehlen für Magenradio- graphie einen Untersuchungstisch, bei dem ein Ausschnitt in der Mitte den Bauch aufnimmt, so daß die

Kompression des Bauches verhindert ist.

Zentralblatt für Herz- und Gefäßkrankheiten. 1915.

L. Huismans: Telekardiograph. Bei dem Huismansschen Telekardiographen gestattet eine Uhr, zu gewollter Zeit zwei Blitzphotographien z. B. am Ende der Systole und der Diastole, herzustellen. Der Puls wird auf einer Mareyschen Trommel geschrieben, und überträgt auf eine Platinnadel, die den Relaistrom zuleitet. Mit diesem Apparat will H. u.a. die Herzfunktionen prüfen und Kuren kontrollieren können, da die Herzphotographie in jeder gewünschten Phase gelingt.

Umschau 1915. Nr. 27. Alban Köhler: Heilung von Knochenzertrümmerung. Kasuistik zweier Fälle von Oberarm- schuß nach der Verletzung und nach erfolgter Heilung. Carl Klieneberger.

Hamburger Ärzte-Correspondenz. 1916. Nr. 4. Simmonds: Uber eine Gefahr der Pyelographie. Von klinischer Seite ist bisher nichts über Gefahren der Pyelographie mitgeteilt worden. Dagegen hat Rößle über einen Todesfall unter den Er-

scheinungen akuter hämorrhagischer Diathese berichtet, die er als Folge einer Kollargolvergiftung auf- |

faBte. Vortragender hat einen völlig übereinstimmenden Fall beobachtet, bei der Sektion aber massen- haft hämolytische Streptokokken im Blut gefunden. In seinem wie in Rößles Fall ist wohl nicht eine Silbervergiftung, sondern eine Streptokokkensepsis die Todesursache gewesen. In einem weiteren Falle, in dem die 36 Stunden nach der Pyelographie ausgeführte Nephrektomie ohne erkennbare Ursache rasch zum Tode führte, ist die bei der Autopsie nachgewiesene Sepsis wahrscheinlich auch auf die Pyelographie zurückzuführen gewesen. Danach scheint es, daß eine bisher übersehene Hauptgefahr der Pyelographie in der Möglichkeit einer septischen Infektion der Blutbahnen durch Hineingelangen von Keimen in das lädierte Nierengewebe liegt.

Druck von Hosse & Becker in Leipzig.

é

SH on)

Fortschritte a. d. Gebiete der Rontgenstr. XXII. | | | | Tafel XXL `

Neue Photographische Gesellschaft A-G. Berlin-Steglitz. | Verlag vow Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg.

er Google

Fortschritte a. d. Gebiete der Rontgenstr. XXIII. Tafel XXII.

bcd

Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Berlin-Steglitz. Verlag von-Lucas Gräfe ‘& Sillem in Hamburg.

Daran Google

x N

Fortschritte a. d. Gebiete der Rontgenstr. XXII. Tafel XXIII.

Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Berlin-Steglitz. | Verlag vom Lucas Gräfe & Sillem in Hamburg.

Baer Google

oe ENO: j “_ we na bee NEET Lo Ta Wt Vy ete A T en en Wy SE Du | AO | are. von “Gy, Yi vi, ° 4. Ne Py eA | Ww i E a z na "A j Vy wed N ign Se on ` g ee RAA A AR U Wr en ar +i Potente Ata, Pee ere yy

A.

Ausgegeben am 20. Mai |

- Rontgenstrahlen

Unter Mitwirkung von

Dr. A. Béclére in Paris, Prof. Dr, v. Bergmann in Altona, Staatsrat Prof. Dr. v. Bruns in Tübingen, Privatdozent Dr, Christen in Bern, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Czerny in Heidelberg, Prof. Dr.-Deneke in Hamburg, Prof, Dr, Deycke in Lübeck, Prof. Dr. Eberlein in Berlin, Dr. &. Forssell in Stock- holm, Prof. Dr. Forster in Bern Prof. Dr. Eugen Fraenkel in Hamburg, Privatdozent Dr. L, Freund in Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Friedrich in Marburg, Prof. Dr. Gocht in Halle, Prof. Dr. Grashey in München, Dr. Groedel in Frankfurt a. M., Prof. Dr. Grunmach in Berlin, Oberarzt Dr. Haenisch in Hamburg, Prof. Dr. Holzknecht in Wien, Dr. Immelmann in Berlin, Prof.Dr. Kienböck in Wien, Prof. Dr. Klieneberger in Zittau, Prof. Dr. A. Köhler in Wiesbaden, Prof. Dr. Kölliker in Leipzig; Prof. Dr. P. Krause in Bonn, Geh. San.-Rat Prof. Dr. Kiimmell in Hamburg, Prof. Dr. Küttner in Breslau, Stabsarzt a. D. Lambertz in Berlin, Prof. Dr. Carl Lauenstein in Hamburg, Prof. Dr. Levy- Dorn in Berlin, Dr, Lorey in Hamburg, Prof. Dr. Ludloff in Breslau, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Oberst in Halle, 6. E. Pfahler, M. D: in Philadelphia, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Riedel in Jena, Prof. Dr. H. Rieder in München, Prof. Dr. Rumpf in Bonn, Generalstabsarzt Prof. Dr. v. Schjerning in- Berlin, Dr. H. E. Schmidt in Berlin, Prof, Dr. F. Schultze in Bonn, Hofrat Prof. Dr. Sick in Hamburg, Generalarzt Dr. Stechow in Berlin, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Tillmanns in Leipzig, Prof. Dr. Voller in Hamburg, Prof. Dr. Walter in Hamburg, Prof. Dr. Wertheim-Salomonson in Amsterdam und Stabsarzt Dr. Winkler in Ingolstadt

herausgegeben von

Professor Dr. Albers-Schönberg

Hamburg

Lucas Gräfe & Sillem . (Edmund Sillem)

1915 ya

Fortschritte = a

- |

Gräfe & Sillem in Hamburg, Kaiser- Wilhelm-Strasse 82 Tin in Banden to 6 He Abonnementsprets 30 Mark pro Band. 2 N a

| tad pe | I n h a 1 t. woe fo x vaas 3 < Zum 70. hr von Wilhelm Konrad v. Rohen. = J- = Peg ei "Koch, F, J., Die Röntgenröhre nach Dr. J. E. Lilienfeld = a Koch, F. J., Das Glühkathodenventil und seine Anwendung in der Röntgontechnik Schüller, A, Über eigenartige Schädeldefekte im Jugendalter Eai I, Fig. 1—5). Entin, M., Über Pneumonokoniosen (Tafel I). . .. . Br aS ER Haenisch) G. F., Dumdumartige Kontraktion: der EN Infanteriegeschosse und ee ef Wirkung im TEITT (Tafel HI, Fig. 1—6) .-.. TES ER Me:

Haenisch, G. F., Eine selbständige, transportable Feldrdhtgenanlage fiir ne und chirun = Bi EX. gische Untersuchungen nach Prof. L. Brauer und Dr. F. Haenisch-Hamburg Sn i ;

Canestro, C, Über die Hypophysektomie (Tafel I, Figa). .. ao oaoa n 1a | >

-

Blés, Ch., Echinokokkus der Lunge . .-. re ea eae ei ee Péteri, I, Uber die Schlattersche Krankheit partielle Fraktur dex Taberosität. der Tibi) aE RER (Tafel IU, Fig. ab, c) .-. .- = SE Arbeiten und Verhandlungen der S rAr E OSTON Tür Dosimetervergleich der er hee Be

Deutschen Röntgen-Gesellschaft. | Ba

1. Rundschreiben des Vorsitzenden

2. Rundschreiben des Vorsitzenden } RT ees =

Die eingelangten 8 Beiträge zur Fragé—des eiß2nkohikranden Wegen: fievy Dor,

S. 73; Kienböck, S. 73; Klingelfuß, S. 73; Wertheim- Salomonson, 8: 74;

Moser: S. 75; v. Wistar: S. 76; Fürstenau, S. 81; Christen, F: e. Ay ee 7 /

Resumé des Vorsitzerten A A See IR ar Wi 89 a 4

Büchörbesprechüngenn. ¢ is. ur Sn ae ae

Internationale Fachliteratur: = ng GEN 9 ee

a) Vereine und Kongresse (Röntgenvereinigung zu Berlin vom 5. IF. 1915), .. . -~ y %2 A= a

bj-sonrmalliteritur . je os a Oe ea eee oA pees en Sachregister. ae

Literatur-Register dex Fortschritte 1897—1907 in Band XI. (Sep. -Abdruck Preis M: 1. er f > RN Abnormitäten, kongenitale 106. Absorptionsgesetz 98. Adenopathia tracheo- bronchialis 101:.. %

j— Ankylosen, Diagnose u. Behandlung 100. Atheromatose 105. Biologische Wirkungen, Messung © 2

107. Blumenaufnahmen 107. Colonwindungen, abnorme 107. Coolidge-Röhre 92, Diathermie A: u. Elektrotherapie 102. Dilatation des Jejunum 105. Dosimetervergleich, Sonderkommission, Arbeiten derselben 69; Dum-Dum (Haenisch) 31..— Echinokokkus der Lunge (Bles) 56: ‘Fehldiagnose, f Gallenblase 104. Feldröntgenanlage (Brauer u. Haenisch) 38. Fibrom 104. Fremdkörper 103, Fremdkörper- in der Leber 107, Fremdkörperlokalisation 96. Fremdkörper, Osophagus 105. Gallensteine 103.-105. 108. Gase und Quarzröhren 99. Gicht 100. Glihkathodenyentil (Koch) 8. Grundriß und Atlas der inneren Medizin 92. Gynäkologie 105. Hautkrankheiten 105. er Herzbilder 98: Hypophyse 105. Hypophysektomie EN 46. Interferenz (Hupka) 91. x Kinematographie 108. -Kinematographie, Magen-Darm 106. Knochenveränderungen, seltene 106. ~~ Köhlersche Krankheit 108. Krebs 101. 103. —. Laryngologie (Weingärtner) 91. Lilienfeldröhre

(Koch) 2. Luftpumpe 104, Luftwege und Perforation derselben 102. Lungentuberkuloge 102. =

Lupus 100. 101. 108, Lymphosarkom des Halses 102. Magenblähung 106. Magenkrebs 108. ` | Magen- und Duodenalerkrankungen 98: Makrocheilie 103. Maligne Tumoren und Radium 102. Maximumröhre (Amrhein) 105, Nadelverstümmelung 105. Nierenbecken 104. Nierensteine 108. @phthalmologie 103. Osteosarkom 107. Os tibiale externum 103 Ovarial-Insuffizienz 108. 7 Pankreastumor 104. Parotistumor 105. Pericarditis adhaesiva 99, Perkussionskontrolle 106. | Pfannenverschiebung 105. Pleuritis mediastinalis 104. Pneumonokoniosen (Entin) 19. Prostata- hypertrophie 104. Prostatakarzinom 106. Pyelographie 108. Pylorusinsuffizienz 104. Radio- > lymphe 106. Radiometer 106. Röntgen (Gocht), 70. Geburtstag, Glückwunsch 1. Röntgentherapie

. (H. E. Schmidt) 90. Sanduhrmagen 107. Schiideldefekte (Schüller) 12. Schlattersche Krankheit

(Péteri) 63. Schornsteinfegerkrebs 103. Schutzvorrichtungen 104. Situs inversus 104. Spät-

reaktion 105. Spektraluntersuchungen 99. Spektrum 108. Tiefentherapie 101. Tierisches Gewebe 108. Tuberkulose 104. Tuberkulose, chirurgische (Hida) 92, Tuberkulose, Kehlkopf 106.. Wicus callosum 104. Universalstativ 104. Ureterstein 104. Uverusmiyome (von Schroe er) 91. 2

Worhofsflattern 99. Wucherungen, periostal am’ Unterschenkel 98. (Fortsetzung auf Seite 3 des Umschlagen,)

~

“5

Z ds ye n ER SA i as + f ca PEN: hy ET TELLER z Var IH

Band XXIII Ausgegeben am 29. J uli

Fortschritte

auf dem Gebiete der <

pa 4

>

' \

Unter Mitwirkung von

A” VV \

pme

Dr. A. Béclére in Paris, Prof. Dr. v. Bergmann in Altona, Staatsrat Prof. Dr. y. Bruns in Tübingen, “Priyatdozent Dr. Christen in Bern, Geh. Med.-Rat: Prof. Dr. Czerny:in Heidelberg, Prof, Dr. Deneke in Hamburg, Prof. Dr. Deycke in Lübeck, Prof. Dr. Eberlein in Berlin, Dr. @. Forssell in Stock- holm, Prof. Dr. Forster in.Bern Prof. Dr. Eugen Fraenkel in Hamburg, Privatdozent Dr. L. Freund in Wien, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Friedrich in Marburg, Prof. Dr. Gocht in Halle, Prof. Dr. Grashey <> in München, Dr. Groedel in Frankfurt a. M., Prof. Dr. Grunmach in Berlin, Oberarzt Dr. Haenisch = + = in Hamburg, Prof. Dr.“Holzknecht in Wien, Dr. Immelmann in Berlin, Prof. Dr. Kienböck in- + Wien, Prof. Dr. Klieneberger in Zittau, Prof. Dr. A. Köhler in Wiesbaden; Prof. Dr. Kolliker in Leipzig, $= Prof. Dr. P. Krause in Bonn, Geh. San.-Rat Prof. Dr. Kümmell in Hamburg, Prof. Dr. Küttner in u; Breslau, Stabsarzt a. D. Lambertz in Berlin, Prof. Dr. Carl Lauenstein in Hamburg, Prof. Dr. Leyy- | | Dorn in Berlin, Dr. Lorey in Hamburg, Prof. Dr Ludloff in Breslau, Geh, Med.-Rat Prof. Dr: Oberst $ Sex in Halle, 6. E. Pfahler, M. D. in Philadelphia, Geh, Med.-Rat Prof. Dr. Riedel in-Jena, Prof. Dr. Ha ~ ur Rieder in München, Prof. Dr. Rumpf in Bonn, Generalstabsarzt Prof. Dr. v. Schjerning in Berlin, ~ => ae Dr. H. E, Schmidt in Berlin, Prof. Dr. F. Schultze in Bonn, Hofrat Prof. Dr. Sick in Hamburg, ze Generalarzt Dr. Stechow in Berlin, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Tillmanns in Leipzig, Prof. Dr. Voller | EEE in Hamburg, Prof. Dr. Walter in Hamburg, Prof. Dr. Wertheim-Salomonson in Amsterdam und Stabsarzt Dr. Winkler în Ingolstadt

N . [A IM N

herausgegeben von

ica | Professor: Dr. Albers-Schönberg

Hamburg Lucas Grafe & Sillem | (Edmund Sillem) 1915

roms om. y E S i - = SSS Y

3 ae Gräfe & Sillem in Hamburg, Keiner Where 9 Fath i | RTS LETTS 30 Mark pro Band, ==

ne ge Inhalt. S

- Rieder, H., Röntgenologische Beobachtungen. bei Gnstrogele akrotalis. Gen beck, R., Uber infantile Osteopsathyrose (Tafel IV und MA t = SSP a R2 -Schönfeld nd Friedl, Zur Pyelographie der kompletten Doppelniere, in einem Falte. mie S

= Hydronephrose kombiniert (Tafel VI) ~ s . = gs =e > Albers: Schönberg, Eine seltene, bisher nicht bekannte Strukturanomalie “des Skelett = = Co Vil, Big. 1-4)- . . .. ee Wass SOS eee

ne

Ahtstehen Be Stoppel, Uber einen Fall von badiren Fraktur der Haken Rippe (afet vn

Winkler, Zwei merkwürdige Schußverletzungen : : : Se eS ia : SER !: TORRA G., Über-die Sekundärstrahlen als Gefahraueflön. z à EA ee aee te. ee Heinz Bauer + (mit Porträt). . = a es eae SE Se oe Internationale Fachliteratur: | SE ET eee a) Vereine mnd- Kongresse Sa n u. no nn ee re = b)slournallfteratur Fa Fe Eu Sachregister. - = os eee cae s ==

Literatur Register der Fortschritte 1897—1907 in Band XI. Ber- -Abäfuck Preis M. u I os, :

ae

Teo ap wissenschaftliches Reinier Gebbert & eset 208. Miioldinerchinet 2 210. =

Schön ere) 175. Proc. su BARRA (Albers- Schönberg) 175. —- NEE SE == 211. Bachitis tarda 156. Radiumtherapie, intratumorale 211. ippenfraktur- I, beiderseit ee ne (Stoppel) 180. Röhre, Kiihlun mit siedendem Wasser 201. Röhrent en, neue 208. —:Schußyer- a zt letzungen, merkwiirdi ige (Winkler) 181. Schutzvorrichtungen 209, Se därstrahlen, Gefahrquelle Be, = (Grossmann) 182. Sekundärstrahlen, Wirkung 209. Skelett, Strukturanomalie, neue (bench © a oe berg) 174. a: nach EIERN 205. Strahlen, neue, i. d, huk a en) 172. aa | ory . Te. er a EE ei roA ei = l j : í \ ` | S = = fe i e 3 4 3 OR Namuregitter (ein * bedeutet Originalartikel). EL aE Fe ee i - Albers-Schönberg e174. Anschütz 124, 140. 141. 156; Atherton 145. Roa Axia sen age -125 187. 139,-141; 147. 148. 156. 157. 160. 161, 164. Axmann- 141. ee 164. Bamberg a ` 140. 151, 162. 163. Bäron 120. Barwell 122. 188, 142. Bársony 120. Bauer, Heinz 200. NEE ;

x Baxmann *177. Beckmann 148. Biggs 142. 152. 154. Bluntschli 176. Bragg: 212. Brocà >= =

i 156. Bruck 122. 140, 142, 156. 161, Bucky 201. Buday 149, Case 212. de Cortes 128. SEE 148, Ozermak 182. Dessauer 182, Doering 124. 139. dt. 156, = “Dreesmann 126. 139. 140, 141, 155. Driiner 180. Durante 166. Ekmann 158. 164. Enderlen 158, 154. 160, _— Ewald 28 131-2 as: 138. 139. 140. 141. 142.162. Fränkel 129. 161. Friedl *168. Re 210, Gerber 210.— =- -> --Glöye 124. 141. Graham 141. 142. 164. Grashey 174. 176. Gray 211, Greenish 141764 ae, -Griffith 137. 150, 158. Grisson 205. Grossmann *182. Gurlt 158. Maret 211. Hartmann ~- 127. 189. 140. 141. 146. 156. 162. 164. Helferich 180. Hickey 211. His 128, 139. 141. 164-— >

= Hoffmann, W. 177..— Holmes 210. Holsknecht 133, Howell 141. 142. Huldschinsky_ 183. 140... ag 151. 162. 163. Immelmann 201. -Jacquinelle 142. v. Jaksch 148. Janus, 208. 209. MKienböck ı = 118; *122, 140. 152. Klebs 166. Klieneberger *206. Klose 129, 139. 140. 1417 164. = foe ws macher 130. Kolisko 173, Kölliker 181. KroiB- 169. 172. Laird 177. Lan ge 128. 1 a h,

| ears, S. 210. Latzko 148. Levy, R. 158, Levy-Dorn *177. Linhart 119. “Lipschitz 128: > I, a + | (Fortsetzung auf Seite: 8 da Umschlages.) . =:

3 i % ki md k5

UN

J

A

ANP 4

> | ve , ; Yr t T í UNL

a p

W \ A

——— > s EAT yA = i

Band XXII

" 'Y i] a Prp | k P x y Lu MR i e i é ! f ‘a ' P J ve : g A. i * A ` [ « hay i Å E R A u ALAS A r \ u S a,” a fre? + We J J , A u d PYA i gl i! BAd " u, ni “Zi ` | E i u) "ai! 7 by PLA i u r x -a J ) \ 7 u E E . us’ WR “we 3 Pr ý ee slug" RZ N a AEN i a 3 i i L Taj í 7 a ` = 7

i i ui 4 ah os £ e : PAA 7 y f a | 1 f » t

a sutenstrahl en Che :

Ausgegeben am 12. Öktober > un Heft 3 = ae E =

Fortsch ritte | a: A eae

auf dem Gebiete- dar os ee ee a À

Unter Mitwirkung von

Prof. Dr, v. Bergmann in Altona. Staatsrat Prof. Dr. v. Bruns in Tübingen; Dr, Christen in

München, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. ‘Czerny. in Heidelberg, Prof. Dr. Deneke‘in Hamburg, Prof. -

Dr. Deycke- in Lübeck, Prof. Dr. Eberlein in Berlin, Dr.-G. Forssell in Stockholm, Prof. Dr. For- x

ster in-Bern, Prof. Dr. Eugen Fraenkel in Hamburg, Privatdozent Dr. I. Freund in Wien, Geh.

Med.-Rat Prof. Dr, Friedrich in Marburg, Prof. Dr. Gocht in Berlin, Prof. “Dr. \&rashey in | ee München, Dr. Groedel in Frankfurt a. M., Prof. Dr. G@runmach in Berlin, Oberarzt Dr. Haenisch ~ ee in Hamburg, Prof. Dr. Holzknecht in Wien, Dr. Immelmann in Berlin, Prof. Dr. Kienböck m «| ~~ =) | Wien, Prof. Dr. Klieneberger in Zittau, Prof; Dr. A. Kéhler in Wiesbaden, Prof. Dr. Kölliker in Leipzig, Be Prof. Dr. P. Krause in Bonn, Geh. San.-Rat Prof. Dr. Kümmell in Hamburg, Prof, Dr. Küttner in Breslau, Stabsärzt a. Ð. Lambertz in Berlin, Prof. Dr. Leyy-Dorn in Berlin, Dr. Lorey in Ham- ` burg, Prof. Dr. Ludloff in Breslau, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Oberst in Halle, G@. E. Pfahler, M. D. in Philadelphia, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Riedel in Jena, Prof. Dr. H. Rieder. in Miinchen, Prof. Dr. Rumpf in Bonn, Generalstabsarzt Prof. Dr. v. Sehjerning in Berlin, Dr. H. E. Schmidt in Berlin, Prof. Dr. F. Sehultze in Bonn, Hofrat Prof. Dr. Sick in Hamburg. Generalarzt) Dr. Stechow l

in Berlin, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Tillmanns in Leipzig, Prof. Dr. Voller. in Hamburg, Prof. = Dr. Walter in Hamburg, Prof. Dr, Wertheim-Salomonson in Amsterdam und Stabsarzt Dr. Winkler in Ingolstadt 3 - | i | -~

herausgegeben von

ROR Dr. Albers- Schö hönberg‘ : > :

Hamburg Lucas Gräfe & Sillem (Edmund Sillem)

1915

= Ger a Gräfe £ Sillem in Hamburg, Katser-Withelm-Strasse 82 Zrin

7 - | = - > ` r > mn _ nu - - ` r- y

Ahon TAHENTEN 30 Mark prp Band. - pa See =

nL 4

i I i y = g = 7 4 “| N r , pe. a + - . - a Ss ~ . u i a E | j FN x = . + s a oT - « - A D ~ | SE n ha a H ss á 2 aR si ; >, ~ ~- = / JA z t - : > y -> u - - 7 - . 3 À

| Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Dosimetery Le ~ =. Deutschen Röntgengesellschaft. II. Gruppe ....-. sa e ae Be “a, ~~ © Christen, Th., Messung heterogener Röntgenstrablen . ; . 4. t=. u re ee =< : EB “Weissenberg, C., Eine neue graphische Darstellung der pen ee “yon Röntgen- = 4 FR strahlen, nebst an ihrer Anwendungen, und zwar zur Analyse des Strahlen- = eS > 2 gemisches, der Filterwahl und der Erleichterung von Berechnungen. 3 ae os Wachtel, H., Uber die instrumentelle Bestimmung der Erythemgrenze statt der AR = 7 - lichen Messung der verabreichten Lichtmenge. Vorschlag zu einem neuen einfachen = Weg der zeitlichen Begrenzung der Einzelbestrahlung e We Ne Soe ak oe . ae | Bees Hölzknecht, G., und C, Weissenberg, Zur speziellen technischen Strahlenmessung a3 ERS - Grann, R., Prinzipielles über die Selenzelle als. Mittel zur Messung gor “Röntgen: = te foe Pig strahlen a BE = =. ee Mayer, R., Zur praktiachen namen. de Selenzelle inter Vermeidung Ihrer Fehler +, - Grann, R, Über die Benutzung des photochemischen Vorganges der Kalomelaus- ~ Se Ba = NOhERTEHE zur Messung von Röntgenstrahlen und über DES Methoden RE - ‘überhaupt TER RNN SR re O S RR, Ee eS Diskussion: | | ER ee N a BAT iB Fraenkel, Eug., Roitpenolapiaclics über Eee TA über Heilung RS Osteochondritis RE = ae ae 7 | Sehen congenita ee IX bis XI) . nn N ee ie = Gorrespondenz ».-.. . oe an a a H -Bücherbesprechung . . ieee eee ee i me er i SEEN =~ Internationale: Erckliteratur: = | De es SR re IE er Be Journalliteratur . x RY se N ; | | Ens Sr £ > . N N ee an e ze Sachregister. - ` y FR en IE ~ Literatur-Register der Fortschritte 1897—1907 in Band XI. @ep.- „Abdruck Preis M. 1. ee = > NS: $ l Bezahlung einer Réntgenuntersuchung, Gerichtliches Gutachten 313. Darstellun raphische ae un der Absorption (Weissenberg) 229. Diskussion zur Dosimeterfrage 297. Dosimeterver paren Son ee => -kommission 213. Elektrodenbildung, sekundäre 317. Erythemgrenze, instrumente e Bestimmung en (Wachtel) 248. Interferenz der Röntgenstrahlen 318, —. -Kalomelausscheidung zur Strahlenmessung pi sce | (Grann) 289. Messung der Röntgen- und Gammastrahlen 317. Osteochondritis s shilitica congenita ~ = M = =- , (Fraenkel) 800..— Selenzelle zur Strahlenmessung (Grann, Robert Mayer) 267. 283, y het ogene aoe => ~ Messung (Christen) 214. Strahlenmessung, technische (Holzknecht u. Weissenberg) aby, = Wasser =. 3 dampf, Kondensation. durch Strahlen 818. Wasserstoffröhre 318. _ | ET ae = ! DAR = a | : 9: = ee =i » = + = Namenregister (ein * bedeutet Originalartikel). > Er et = r

< «y, Aubel 270. Bahr 225, —- Barkla-262. 265. Bauer, Heinz 218. 258, = Benoist- 258. 259; - SS" “Berzelius 267. Bucky 250. Carpini 269. Christen 213. #214. 247. 249. 258. 259. 260: 264. 266,287. 288, 9 289. 297. 298. 299. Cohn, M. *316, Coolidge 260.. Dessauer 219. 220. 221. 225. 265. Eder 290) = , = Elster 263. Ernst 219. Frankel 250. Fraenkel, Eug. *300. Fürstenau 256. 257. 261. 262. 267.271, =. = 214. 284. 289. 297. 298. 317, auß 230, 249, 250. 257. 258. 264. 266. Geitel 268. Giltay 73. = sat Sr" ~ Glatzel 279. Glocker 818. Gränn 213. 251.-*267. 284. *289. Grossmann 214. 221, 222, "096. 259. = 261. 262.264, 266. Gnilleminot 250. Hesehus 268. 269. Himmstedt 273. Hochsinger 807. 808. a : - 809. - Holzknecht. 229. 248. 257. *257. 262, 274. 281. 283. 287. 290. 298. Immelmann 2 a ahn ~ oe oo -292. Jaenichen 272. WKienböck 226. 227. 249. 257. 258. 261. 264. Kohlrausch 292. Kröncke = ae 235. Krüger 214. 221. Lembcke 230. 257, 258. 264, 266. Levy-Dorn 214. 226. + Lilienfeld | 260. vor < Fr > Lowenthal 317. Lüppo-Cramer 290 Mayer, R. 218. 256. 360. 264, 267. “og, 287, > Meyer SE eine | - Hans 214, 249. Meyer-Delius 300. 811. Nogier 251. '— Perthes 225. 258. 264. Pfund 268; = a "=

mm

ae -

E az Dr (Fortsetzung : auf Seite 8 des ERSTE = Fe =

~ m g - bg á = e er > a| ed c 4 au = mE = > San "3 ` > fi» à f er wart, os A Zu ei Eu ; ) : Š i Diditize | Dy 4 OQO e > m v ~ Y á J e 2 u L7 It HUIZeO IY ~ - = Ta = J s - : - : I J ' - - £ x > i -_ : rt - - x i > f und = - = fe J > f 4 vw > Zn - } A _ = r £ ` aj ~ f: ga ;

; Band XXIH - _ Ausgegeben am 26. November 5 Hei :

EN

Fortschritte

auf dem Gebiete der.

Röntg enstrahlen

Unter Mitwirkang. von

Prof. Dr. v. Bergmann in Altona, Staatsrat Prof. Dr. v. Be in Tübingen, Dr. ‘Gheisien INES TEE ~ München, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Czerny in Heidelberg, Prof. Dr. Deneke in Hamburg, Prof. os

Dr. Deycke in Lübeck, Prof. Dr. Eberlein in Berlin, Dr. @. Forssell in Stockholm, Prof. Dr. Fora |

ster in Bern, Prof. Dr. Eugen Fraenkel in Hamburg, Prof, Dr. E, Freund in Wien, Geh. | Oe = eee = Med.-Rat Prof, Dr. Friedrich in Marburg, Prof. Dr, @ocht in Berlin, Prof. Dr. Grashey in ~ ~ Ty ae - München, Dr. Groedel in Frankfurt a. M., Prof. Dr, Grunmach in Berlin, Oberarzt Dr. Haenisch A

in Hamburg, Prof, Dr. Holzknecht in Wien, Dr. Immelmann in Berlin, Prof; Dr. Kienhöck in Wien, Prof. Dr. Klieneberger in Zittau, Prof. Dr. A. Köhler in Wiesbaden, Prof. Dr. Kölliker i in Leipzig, Prof. Dr. P. Krause in Bonn, Geh. San.-Rat Prof. Dr. Klimmell in Hamburg, Prof. Dr. Küttner in , “Breslau, Stabsarzt a. D. Lambertz in Berlin, Prof, Dr. Levy-Dorn in Berlin, Dr. Lorey in Ham- burg, Prof. Dr. Ludloff in Breslau, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Oberst in Halle, €. E. Pfahler, M: D. in Philadelphia, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Riedel in Jena, Prof. Dr, H. Rieder in München, Prof. Dr. Rumpf in Bonn, Generalstabsarzt Prof. Dr. Y. NoBjeruines in Berlin, Dr. H. E. Schmidt in Berlin, Prof, Dr. E. Schultze in Bonn, Hofrat Prof? Dr. Sick in- Hamburg, Generalarzt Dr. Stechow in Berlin, Geh. Med.-Rat Prof; Dr. Tillmanns in Leipzig, Prof. Dr. Voller in Hamburg, Prof, Dr. Walter in OPIRE? Prof. Dr. Wertheim-Salomonson in Amsterdam uay Stabsarzt Dr. Winkler in a 7 &.

herausgegeben yon

Professor Dr. Albers-Schönberg

Hamburg Lucas Gräfe & Sillém* (Edmund Sillem)

1915

= < Die Fortschritte. auf dem Gebiete der genstrahlen TE @rare & Sillem in Hamburg, Kaiser- Wühelm-Strasse 82 I, mi

= ch 30. Mark ‚pre; Band. F, = š

iz - > = „m s a

~< i En;

re ee Inhalt. re : 3 = Se ee = NE Domarus, A., wi A. Salomon, Borka Kenntnis ‘der Ziwerchfellhernie nach Schuß- ee verletzung (Tafel XY, Fig. 5555) 5 —> ehr ==> = Seit = ; Zadek, J., Zur Diagnose der Pulmonalinsufhzienz iad -stenose {Tafel XV, Fig, a) = = Gassul, R., Tiefenbestimmung ohne Stereoaufnahnıe me Ir

Hoffniann, Kl, Zur Technik der vaginalen Tiefenbestrahlung ae Be cs a 7 Hoffmann. W; Kassette zur gleichzeitigen Aufnahme von Zwei Röntgenbildern eines Objekta er 8 x = Freund, L, Über Schußkanäle. Steckschuß im Herzen: < . Re EL ren

; T = © Kienböck; a Uber infantile chronische Polyarthritis (Fig. 1-15 au Tafel XIII und 8) u = zo

aa An ' -Petrow, K, Eine vereinfachte Röntgenstereoskopaufnahme n OS. N Er : Er -R., Technische Neuetungen . ._. WF ae A = FE ERS > = =, IE Wertheim-Salomönson, J. K. A., Röhren mit heißer Antikathefles ce er Ba 5 u eg ‚Stein, A. B.. Papaverin Zur. Differentialdiagnose zwischen Ösophagospasmus und Osophagar 7 Ff Fas A : -= stenose . a Er E = x Te E FF Berns, W., Über die Röntgentherapie ler [rungentuberkulose und me dabei beobachtete. ES x Be". = on IE ficberung S: at ae ee i a tS eae = pe ASWH er, O; Schutz pagen” Beiiümstrählen u Br ce Se Sse oe we BI - ER v. Herff, O., Zur Reversfrage . an | Vene DEE EG > ais Giliedteld, J. E., Zur Verteilung a kinosan Er der Qiya der Lilienfeldröhre io Et a Bee \PeRasekorn + mit Porträt EN SF FE cee ba = = ~ Internationale Fachliteratur: : RE E ee - > Journaliteratür a... rn de ae ee Te a ee ER is Ses . | . Sachregister. ER ER Se SE eg = =. Airu ipi Ee Fortschritte. 1897—1907 in Band XI. (Sep. „Abdruck Preis My er A Ee -o m +i > = SER <= = Ge > Antikathode, heiße (Wertheim-Salomonson) 363, “Basedow, Behandlung 394; _ Basedow, das 3 SEA | : TAOD Therapie 393. Becquerelstrahlen 393. Calvé- Perthessche Krankheit 389, Ohlorose, St Dn = oe handlung 386. .Cito-Baryum 391. Cuolidgeröhre 391. Dextroversio cordis 394. Dumdum: 7 Sg I. ı yerletzungen 392. Dunkelkammerlampe (Kienböck) 860, Hkzembehandlung 391. Epitheliome_ RE ee Br ER 886. Kremdkörperbestimmung 387. Fremdkörper in den Luftwegen 394. —Fromdkbrperlokslisation = = <=. | “891, 392. Furunkelmetastasen 388. @lühventil, nach Koch 391. Hämaturie 887.— Herzbefunde = =, bei Kriegsteilnehmern 390. Herzbeutelschuß 386, Innere Medizin, Therapie 394. Jejunales und SEE + "Anastomosenulcus 394..— Kieferschußfrakturen 386. Knochenbrüche 386. ‘Knochenbriiche, Therapie i --_ | = = t ~391. Krebs und Radium 337. 392 u. 392. "Lazarettätigkeit-in Limburg 886. Leukämie 3894. N ee x < ~ ‚Lilienfeldröhre, Fluoreszenz (Lilienfeld) 383. -Lungentuberkutlose, Behandlung (Berns) 368. Lymph- r ee E a a drüsentuberkulose, Behandlung 893.. Magenuntersuchung, Sonde 894. Mondbeinfraktur 394. oes age = 3 SE sophagusstenose (Hessel) 337. Ösophagusverletzungen 389. Papaverinanwendüng (Stein). 366, —. ae | =. Patelarfraktur 390. Periostale Erkrankungen nach Ruhr 391. Phrenikusreizung "394 ‚Platten- ee = >} =~- kasgette inann) 338. Polyarthritis, infantile (Kienböck) 348. Pulmonalinsuffzienz und -stenose~ _ Fe ——_,. (Zadek) 326. Pylorusstenose und Magenverlagerung 388..— Quekel Korp arate, Resorption EI =o ey

EIER "Radiumstrahlen, Schutz gegen dieselben (Herff) 379. Radiumtherapie, verschiedene Affektionen 898: ` a axa = + 'Rasehorn, Nachruf 385. Reversfrage (Herff) 382, -— Rückenmarkläsion 386. ‚Rückenmarkschüsse = _ SF 387, —~ Rückenmärk- und Gehirnschüsse 386. "Rückenmarksverletzungen 388. Röntgenkarzinom- En 394. Rumination 394, Schädelchirurgie 887. Schädelschüsse 387. Schieberdiaphragma (Kien

: béck) 361. Schienbeinbruch 389. Schußfrakturen, Behandlung 386, Schußkanäle (Freund) 889 ==>

~ = Schutzmittel für Ärzte und Personal 390. Sekundärstrahlentherapie 889, 393. "Signallaterne (Kien- Br IE

A E böck) 862. Spina iliaca, Fraktur 394, Spitzentuberknlose im Kindesalter 898. Steckschuß im —— = =. -= Herzen (Freund) 341. Stereoskopaufnahmen (Petrow) 359, —.Struma 393,894, “"Wiefenbestimmungen x

- (Gassul) 330. Tiefenbestrahlung, vaginale (Hoffmann) 333. Uteruskrebs und Radium 394, -= ‚Wunden, ch

a en 388, AT nach S AE (Domerus u. Salomon) 319. er SE “steine 387. =

_ (Fortsetzung auf Seite 3 des > Umehlagea)

Band XXÍI => = Ausgegeben am abe Januar i Ge Heft5 Ben Set

E o Fortschr ri itte Er

auf dem Gebiete, der

- Röntgenstra | = |

~

Unter Mitwirkung: von = = ER

~- Prof. Dr. v. Boemia in Altona, Staaterat Prof. Dr. v- Bruns in Tübingen, Dr, . Christen. ins. l München, Geh. Med.-Rat Prof, Dr. Czerny in Heidelberg, Prof. Dr, Deneke in Hamburg, Prof. - = Dr Deycke in Lübeck, Prof. Dr. Eberlein in Berlin, Dr. &. Forssell in Stockholm, Prof. Dr. For-

_—— ster in Bern, Prof. Dr.- Eugen Fraenkel in Hamburg, Prof.Dr. L. Freund in Wien, Geh. ——— |- Med.-Rat - Prof. Dr. Friedrich in Marburg: , Prof. Dr. Gocht in. Berlin, Prof. Dr. Grashey in = = | - München, Dr. Groedel in Frankfurt a. M., Prof. Dr. Grunmach. in Berlin, Oberarzt Dr. Haenisch = in Hamburg, Prof. Dr. Holzkneeht in Wien: Dr. Immelmann in Berlin,- Prof. Dr: Kienbick in EEE Wien, Prof. Dr. Klieneberger in Zittau, Prof. Dr. A. Köhler in Wiesbaden, Prof. Dr. Köllikerin Leipzig,

cae > rn Prof. Dr. P. Krause in Bonn, Geh. San.-Rat-Prof. Dr. Kimmel in Hambtres Prof. Dr. Küttner in Ber; Breslau, Stabsarzt a. D. Lambertz in Berlin, Prof. Dr. Levy-Dorn in Berlin, Dr, Torey in Ham- |. ==] ~ burg, Prof. Dr. Ludloft in Breslau, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Oberst-in Halle, 6. E. Pfahler, M.D. in‘ ~

+ ~ Philadelphia, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Riedel in Jena, Prof. Dr. H. Rieder in. München, Prof. ~ + = ‘Dr. Rumpf in Bonn, Géneralstabsarzt Prof. Dr. v. Schjerning in Berlin, Dr. H. E: Schmidt in Berlin,

Pe ‘Prof. Dr. F. Schultze in Bonn, Hofrat Prof.- Dr. Sick _in: Hanh ore Generalarzt Dr. Stechow : 4

= © = J. in Berlin, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Tillmanns in Leipzig, Prof. Dr. Voller in Hamburg, Prof. | C

= ee te. Spr; Walter. in Hamburg, Prof. Dr, Wertheim-Salomonson ; in Amsterdam und Stabsarzt Dr. ‘Winkler S- E

ee in Trgolgiad | | Se r ; 5 herausgegeben von 3 3 = | | n Dr. Albers- Schönberg = i

q Py 3 4 à == 5 x = a Ir :

Hamburg ne e

le | | Lucas Gräfe & Sillem

=a | wa ; (Edmund Silem)

ite

Lanett, >. tails a) en EDN \ J D Í J f j } Zz { ) | i LA ry J Ior Fu vr w l ,| L ) y le &

- > Mine Par Be. > ) = \ A S yom Ke Senge SAP HS I pe < \ A < S AN A har - by “Š = t -N Er > re =? d ` oa = (ee SEHR LY x je u - ~ Ser En ee IOA a x a N if = = J =+ ` # yo - bS = 4 j = Ly et pr = 2 > -=> = —_—— > _ _ + > > Fa T = i } K MA ou > y 7 IR tii a Ne < ~ ai $ ir” = N gee A —_, Mm ` EE _ Na - A f- ir r A à ` Da K ~ ms > ~“ m g N \ LM T y K > si > . a ae nr IT, = \ 2 = or =", a ae \ = N e7 a ` x > - naer - - x y = = he i sai Hey i .—— s

5 - ne = ya 2 > Die. Fortschritte, auf deom. Gebiete: der Böntgenstrahien erscheinen b , er IN Gräfe & Sillem in Hamburg, Kaiser- Wilhelm-Strasse 82 A in Banden. von 368

_ Bar ARE dommene epret 30 mack pro nd. se yt Py SpE ee i g ` tg An f N >= 7 A M - E l- > a <= (= EEE È - F \ DER : yi te RSS k * > JE u -$ A = a . $ = . N ge te x io.” |) N > » Om ~ 7 ER) SS % 4 e TA A ~ cx E ‘A = A z = > a e id e + -a 7 4 u 1 wi‘ = = is Zu f y 2 Ai r ~d > ; By = j ‘SES = e = ie - in í D ~- ~ a a ~ —— > > vu = De AX x { => 4 N = Pr P =” g - < ~ / s ~ r = a >” nt > a nz < EN r f " x y na P u Sc = - waxes - I 2 - De 7 N L FN 3 4 _ x PA . r > / = i Í - f i Fa ` - J i = < Ai Me - x ONE = 7 - ù - Ad . ~ A? E . Py „" 7 = - \ ~ 2 u _ =, J N -e Y - ~ y, Ir; ~ F . j an” i AE Ev J S SS a b S AA va» a X . m `~ x 7 x F A N 4 - r. f- one re | ` a è FD A . | N > ` . we .- - : nz; > > > A : = Í - ; Ar vores Sy mA Be, > i - = m À - . `s h v= - E - . T. 4 > ~ = vol = os = bs - in’ a SE Pa Ye» oi > 1 Se ar? a 4 mr N ag —— 7 rn

"Weiß, E. Sechs Fälle von eee e (Hierzu 20 Bilder ‘auf Tafel XV: I, XVIL wey eee SRo XVH ... ... a ee + Seite 205 A “Wachtel, H., Das neue ‘Lokalisationsprinzip ddr Beummarke und ee rE ein ‚Fremdkörperverfahren ohne Messung im Raum und ohne Rechnung. . .. ees oe St. Cermak, P., und F. Dessauer, Uber die Sekundärstrahlen als ER (Tafel, X re > Figi a und b). Sie te Be 5 a Sa ers EDS ae ees Hammesfahr, K., Sucher, um bei Rontgendurchleuchtung die. Lage von Bremdkorpern un- ee _ mittelbar vor der.Operation zu bestimmen ~. ~ Ser Ee 4 - ‚Schütze, J., Neue Indikationen fiir die Röntgen-Verstäkungsschirmtedhnik, insbesondere die S Darstellbarkeit des uropoétischen Systems und der Gallensteine (Tafel XX). DE 73 Révész, V., Béiträge zu den Dumdumyerletzungen und : zur Drehung der Projektile um 1800 5 AE NEETA Pay im Körper (Tafel XIX). . . . 7 EN A Oe ae re SH! AE ne _Nieber, O., Röntgenologische Studien über die Ostitis abross ation EA EP N EN : 3 os » Rieder, H., Röntgenuntersuchungen bebriiteter Vogeleier ... . aa DE: a 4 99 Wagener, Vereinfachtes Verfahren der Lokalisation yon Fremäkörpern mit “Hilfe. meinen Pe -A s IE ea Quadratfelderrahmens und Parallellineals . ee ek N ete at he e AR < Schwarz, G., und H. Sirk, Die nephelometrische Boamin cae Aired Röntgenstrahlen, ni ER yh a ye hewirkten Kalomelabscheidung der Ederschen Lösung. ‚Ein Beitrag zur Dosimetrie, (Vor. u M S ~ läufige Mitteilung) . DAT ANEN nat oe 2 2 © 5.» Dietlen, H., Das neue Zentral-Röntgeninstitut dor Bürgerspitals Straßburg i. i oe gx Sp ei, ee PE “Otto CT Ta ARE LE, Ve ees RR 3 eet re SL oe on den: EN N EL BR CT S E = tora + Bücherbesprechüng A a EEE RT Rare Se ARE -~ = | Internationale Fachliteratur: es | a TE ee iR j REIT, a) Vereine- und Kongresse. BME TS ER Fi Re OS ut I EN a, = b) Journalliteratur. . . ou on. wwe I RER DE N RE

en i T J y =- a 2

. Í d ~ r _ x ` <N nt x . J Mad ras

E REEE EE | dee Sachregister. | dich’, SEE: en Literati Regine der Fortschritte 1897—1907 in Band XI. (Bep. -Abdruck AG, M, 1) *

OS ate ae Abso tionsindex von Platin und Kohle 468..— Coolidgeröhre, ihre Literatur 462. panne SEIEN TG. am -Kalomelabs eidung ‚(Schwarz-Sirk) 451. Dumdumverletzungen (Révész) 429. = Elektrokardioprnphie _ =~. ~~ 464, Fremdkörperlokalisation nach Hammesfahr 423. Fremdkérperlokalisation nach Wagener 444. u, Hesse, Otto, Nachruf 459. Herzbefunde bei Kriegsteilnehmern 464, Lilienfeldröhre, ihre An- 5 Soa Co T = wendung ‘und-Literatur 460. 462. Lokalisation nach Wachtel 405. sophaguserweiterungen con = IE €. ee NN 895. Ostitis fibrosa cystica (Nieber) 433. Böntgenhaus St. Georg, Hamburg 460. ‚Röntg zenstrahlen- A 7 ©; Wellenlängen 464. Rückenmarkstumor, geheilter 460. Schwebemarke (Wachtel) 405. Sekündär- “<n y% a strahlen als Gefahrquelle (Cermak u. Dessauer) 421. Spannungsverlauf von Röhren 463. 'Strahlen- > U ate forschungsstelle in München 459. Verain gici, Technik EL 425. = Vogeleen, pebuatetei PE E E A Rn 441, EEE in Straßburg es 453+ wu ; i og

4 Sy | ee

-= ` eT % z x 7 4 r- f i ~d ra c Ig

ake > > f s 7 5 L N ` \ E x J ` KL -

N, x Str Ais p! : (i ce LER ar I en. r i 2:4 = t Ar) i A & ; PUCAR \ -X

Ra E RE PO dee 3 Namenrogister (ein | * bedeutet Originalartikel). ar OT eee

BI Sees» = Albers-Schönberg 460. 461. Albrecht 896. 397, 400. Bevermann 897. Cermak wa, < DR SE AR Tue 8, Christen 459. Coenen 431., Dessauer *421. Dietlen *453. -Duane 464. Eppens. os ae ee a ae _ ~~ Exner 405:. Ewald 397,,— Kahr 464, Fürstenau 405. 420, 423. Gabriel 897, Gar ach 414. RE ages

Sion Gillet 405. Grann 451. Grossmann 421, 422. en 423, Hammesfalir *493, Haenisch ~ =; WILD _ -429. Hausmann 398. Henzelmann 427. Hesse 459. Hildebrand 897. 899; ‘400. Holz- > > O25 Fires ~ kmecht. 397. 398. 405. 414. 420. 427, Hunt 464. a ase ‚425. 428. => Janczurowiez 396. Eee Ne

ioe fi y i r > o \ 5 hs > ® =

s eS ae | B.S A 7 ED > u EIER Se > (Eoria ding auf Seite 3. des s Umschlagen) F

LA nvi pai `i E $ \ d. \ 4 i ss \ A 4 Fr x t > d b Á A ` : i - b m Z f Pe

ES MI Re Er ana or oes Goggle: y 5

Re ;

|f Band XXI Ausgegeben am 2. Maz =- Heh G = | =

-s s ONA v ~ = >=

Prof. Dr. v. Bergmann in Alitoa, Staatsrat Prof. De v. Bruns in Tübingen, Dr. Christen in München, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Czerny in Heidelberg, Prof. Dr. Deneke in ‘Hamburg, Prof.

in Hamburg, Prof. Dr. Holzknecht in Wien, Dr. Immelmann in Berlin, Prof. Dr. Kienböck in _ Wien, Prof. Dr. Klieneberger in Zittau, Prof. Dr. A. Köhler in Wiesbaden, Prof, Dr, Kölliker in Leipzig, Prof. Dr. P. Krause in Bonn, Geh. San.-Rat Prof. Dr. Kiimmell in Hamburg, Prof. Dr. Küttner in -

Sca Breslau, Stabsarzt a. D. Lambertz in Berlin, Prof; Dr. Levy-Dorn in Berlin, Dr. Lorey in Ham-- = =; “burg, Prof. Dr. Ludloff in Brestau, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Oberst in Halle, 6. E. Prahler, M.D.in "ar Philadelphia, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Riedel in Jena, Prof. Dr. H. Rieder in München, Prof. Dr. Rumpf in Bonn, Generalstabsarzt Prof. Dr. y. Schjerning in Berlin, Dr. H. E. Schmidt in Berlin, E 5 Prof. Dr. F. Sehultze in Bonn, Hofrat Prof. Dr. Sick in Hamburg, Generalarzt Dr. Stechow- u in Berlin, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Tillmanns in Leipzig, Prof. Dr. Voller in Hamburg, Prof. = | Dr. Walter in Hamburg, Prof, Dr. Wertheim-Salomonson in Amsterdam und San Dr. Winkler: =. in Ingolstadt a 3 f | herausgegeben yon

2 > Professor Dr. Albers-Schönberg

- = 5 ` .

Hamburg

Lucas Gräfe & Sillem (Edmund Silem) |

1916

Fon P > -~ - - - u u A y p "n ` "is -E 5 = p Pd ~ ~ n 4S - gr E =, Æ 5 "a en $ is E a) ; $ ~ > 7 Y” = ra ee ~ Fa nn _ 4% f Sr A ; 3 T b EN = 2 en —— P = im er . r >s =

=a a> ` = = —_— - a =

= = = í = P A A its

{ = . pi ~ ss . Tai ey = ee ~ -

> un s "An ee an 7 > Sr - ae A r; fa er - eS . _ Je ~ Pa _ D u u, = is < = = - nt £ = Í -5 -> a en nu”

2 - : = y - pe = =" = = = PNG os = =

Fortschritte ; = po auf dem Gebiete der en = fe: =. | Rontgenstrahlen

Dr. Deycke in Lübeck, Prof. Dr. Eberlein in Berlin, Dr. 6. Forssell in Stockholm, Prof. Dr. For- ster in Bern, Prof. Dr. Eugen Fraenkel in Hamburg, Prof. Dr. B. Freund in Wien, Geh. fe Med.-Rat Prof. Dr. Friedrich in Marburg, Prof. Dr. Gocht in Berlin, Prof. Dr. Grashey - imo _ München, Dr. Groedel in Frankfurt a. M., Prof. Dr. Grunmach in Berlin, Oberarzt Dr. Haenisch

i! ee a vr.

ae à

= A le

iy

A emutluntersuohung des"? Magens 537. Zähne 539.

Pi ' Sy z ` END N - - - = -= r Ben = a => „4 RTP r j = NE Ge í x = 2 5 ‚a Yet ~ K m N E er a = AFPA 2 a f I ran. =” p 3 ` > ~ > i Br i > TI > 2 ~ 4 N -N <i x en, u’ J < = to a ~ 1 ur = Se a

: Die Fortschritte auf. dem. Gebiete der Röntgenstrahlen ME = Ly uca Gräfe £ Sillem in Hamburg, Kaiser-Withelm-Strasse 97 1, in Bänden von je CH le} i b> Abonnementspreis 30 MEER pro Band. ` : Se 3 = le ae In

4 : # = s : d N }

we c y

a er et

Voltz, F., Röntgenstrahlen-Meßeinrichtungen und deren Vergleich. . . . Ys ER rn Weil, A., Panzerherz und Picksche Lebercirrhose (Tafel XXI, Fig. 1-3) . . 3 -

A emani -H. und f Heinz Bauer, Schädelschüsse im Röntgenbild (Tafel XXH Gad XXII) so u Schönfeld und Delena, Höhtgennlopie des unteren Kreuzbeinendes und der Steißwirbel ~~ =; FG

=] A]

25 >=

(Tafel XXIV, Fig. 14)... eee u. Schönfeld, A. Pyonephrotische Aa ere, im \ Rontgenbild (Tafel XXIV, Fig: a, T e) „498 ~~ Lidin, M. Rant genologische Beobachtungen (Tafel XXI, Fig. a, b, c,.d) . : A eee Se Arbeiten und Verhandlungen der Sonderkommission für Rontgenstrahlenmessung i E Š j

der Deutschen Röntgengesellschaft. IH. Gruppe. -` re Wertheim-Salomonson, J. K. A., Quantitative Were läichuns der Wirkung. von. z ed .. Röntgenstrahlen und Tifhistrahlen. auf Bromsilbergelätine ~. : , 2 x) . 0, a 509 we Christen, Th., Das Integral-Iontometer . . 2... nun ni Weissenberg; K., Dosis und Flächenenergie . | . . N... 2 25. u Sk 526 Pe Bücherbesprechung . . eye LD aS eS ag PS N a Internationale Fachliterktur: Fae 7 oe eS So a a) Vereine und Kongresoj cm) < i see ps | nea Soe i ee ee + b) Journalliteratur . . . re ee ER Ne ae S a OS

Titel; Inhalt und Register zu i Bard XXII. fg A H SE TR

Sachregister. £ _ Literatur-Register der Fortschritte 1897—1907 in Band XI. (Sep.-Abdruck Preis M. 1. ER ss Abwehrfermente und Strahlenbehandlung 534. Dosierung 588. Dosis und Flächenenergie MW

(Weissenberg) 526. Duodenalulkus 538. 539. Dünndarm-Stase 536. Dünndarmstase und Morphium a 586. Fremdkörper 538. Giallenblase 538. Gallensteine 505.537. Gasphlegmone 535. Gast-

‚, rische Krisen 501. Gastro-Jejunal-Ulkus 538. Geschoßfrakturen 536. Grenzen des Normalen und © Ei. Pathologischen (Köhler) 532. Haematurie 533. Integral-Iontometer (Christen) 520. Intestinal- = untersuchungen 585. Kinochenzertrümmerung 539. 'Kolon-Divertikel 536, Kompendium dere.

Röntgenaufnahme (Dessauer-Wiesner) 532. Kopfuntersuchungen 537. Krebsbehandlung 585. Kreuz- j beinende und Steisswirbel (Schönfeld u. Delena) 496. Kühlröhre 586. Magenatonie und Ohnmacht 503. Magen- und Bauchbinde 507..— Magendiagnostik 534. Magen- und Duodenalgeschwir 584 77 |

- Magenkarcinom 537, Magenkrebs 589. Magentechnik 589. Magenuntersuchungen (Lüdin) 501. —_- =

Mäusetumoren 535. Menstruation und Magen 504, Messeinrichtungen und deren Vergleich (Voltz)465.— Nebenhöhlen 537. Ortsbestimmung von Geschossen 535. Ösophagusläsionen 586. Panzerherz und _ | Picksche Lebercirrhose (Weil) 489. Pyelographie, Gefahren derselben 589. Wöntgendermatitis 535. ae j Böntgenstrahlen und Distraktionsklammerverfahren im Kriege (Hackenbruch-Berger) 583, Röntgen- == strahlen und Lichtstrahlen, Wirkung auf Bromsilbergelatine (Wertheim-Salomonson) 509. Schiidelschisse = * (Thiemann und Bauer) 491. Schädelverletzungen im Kriege 535. Schaukasten 588. Schultertechnik ~ 538, Sigmoideum 537. Sonderkommission für Réntgenstrahlenmessung 509. Speichelstein 538. ~~

Sphenoidalsinus 536. Telekardiograph 539. Tiefentherapie 537. Tumoren, maligne 536. Val- > vula und Appendix 535. ‘Wanderniere, pyonephrötische (Schönfeld) 498, Wasserstoffröhre 586. REN <.

En BR

Namonregister (ein * bedeutet Originalartikel). | K ic

r= de Abney 515. is Adler 482. 485. Albers-Schönberg 501. Bainbridge 585. Barkla: 466. A ee 473. 518. 529. Bärsony 534, Bauer, Heinz *491. Beck 506. Beclere 506..— Benoist 477 418 DE Berger 932. v. Bergmann 534. Berry 588. Bordier 483..— Bowen: 506. 536. Breus 497. Broesike 496. Brown 537. Carman 537. 538. Case 535. 586. Christen 465. 477. 478. 479. 482, 486. 488. *520, Cole 587. 538. Cornmann 539. Crane 537. 539. ‚Oreve 498. Ozyhlarz SUL See

(Fortsetzung. anf Seite 8. des Umschlagen) m $ N, wat rS f ~ x IN SS WA er Abs x ms ae = X AD $

> oajed Ao A

BL, Au EEE

nn

at

Nas Tog Zi PT RT bee |

N Ten _ ng

gr m Ya_, ,

y i

X

Ga O ER ? 17, ef ie iv (th > a a AW he T, ee, si - va ¿ń u oe Pe ji er. = He u. aS Q ° 5 A ` ~ (es Y . wT A F r- À > f 2 te A p” - p4 “4 > cA —™ * z „I u J . à sa t = feu S i - = P “y? ws OR ? Mei oes A oe = « . > < - * =~ ~, * ya | = d m TEFEN = | -F a Er P > ne Pr - AR En > < i7 =k iat a ae AR 2 se rat a > “aaa. te... to Q 4a = = m ur “= = al he Y v——— DA are a er à Pr. Ei. e

i" 4 `

HESE

yi

> h i = i P ee a u =. A 4,” e >... 4 - ® T aar r. aT Ñ - er . + è ù N . ‘a . yo" ey iiy s ` Fa d ir e 7 ra k m 3 ee yr Ty . 5] + EEE g> a t+ Ra » ày Yan. S: <. p . # y as’ . ee £ Da . . rr bs a fm s ele D _ . "ts C N TFT a As A > En | x è P Mn ur“ ~~ n Dat K An. A 54, EN ET u fr. 5 In? id e AJ . = 1% (ney De Y RS P, 4 a ~ eS Shee! Im N À + ~% i A ur. “Te gd a oe sie Ya 7 4 7 ra

AD if

f Soe in

Mi | Vine! by

u

>. ral

u z. le

IR ek nA Le ee

"fF

b $

LIDNANT

- -a _ al ~ -i ~